111 85 29MB
German Pages 289 Year 1995
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht
Band 28
Restitutionsausschluß Berliner Liste 3, Verfahrensbeteiligung, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz Von
Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum Dr. Wolfgang März
Duncker & Humblot · Berlin
WOLFGANG GRAF VITZTHUM WOLFGANG MÄRZ
Restitutionsausschluß
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen
Band 28
Restitutionsausschluß Berliner Liste 3, Verfahrensbeteiligung, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
Von Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum Dr. Wolfgang März
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vitzthum, Wolfgang Graf: Restitutionsausschluss : Berliner Liste 3, Verfahrensbeteiligung, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz / von Wolfgang Graf Vitzthum ; Wolfgang März. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 28) ISBN 3-428-08258-3 NE: März, Wolfgang; GT
Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humb10t GmbH, Berlin Satz: W. März. Tübingen Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-08258-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI·Norm für Bibliotheken
Vorwort Zu rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Aspekten der äußeren und inneren Einigung Deutschlands haben die Verfasser seit dem Jahr 1990 verschiedene Arbeiten vorgelegt. Dies erfolgte in der Überzeugung, daß die wissenschaftliche Beantwortung dieser Fragen, einschließlich der Rezension der einschlägigen Judikate und der Beratung von Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung, zu den vornehmsten Aufgaben unseres Berufsstandes gehört. Ob Professor oder Habilitand - alle haben hier eine Bringschuld. Ihr Begleichen verpflichtet zum zeitweisen Zurückstellen anderer Arbeiten. Zu tiefgreifend sind die Folgen von vierzig Jahren Trennung, zu groß die Orientierungsnäte des wiedervereinigten Deutschland, zu sicherungsbedürftig die Fundamente unserer gemeinsamen Zukunft. Gerade die Wissenschaft hat darüber zu wachen, daß beim Beseitigen alten Unrechts nicht neues geschaffen wird. Im Tbemenkomplex "Deutsche Wiedervereinigung" enthalten ist die Frage der rechtlichen Behandlung der Konfiskationen der Nachkriegszeit. Zu ihr gehört die Einordnung, Bewertung und Wiedergutmachung dieser entschädigungslosen Enteignungen. In Ost-Berlin wiesen sie in den vier Jahren zwischen Kriegsende und Gründung der DDR rechtlich relevante Besonderheiten auf; auch bei der "demokratischen Bodenreform" in der sowjetisch besetzten Zone war dies so. Mit diesem Enteignungsthema hängen zahlreiche Investitions- und Vorrangprobleme zusammen. Am bekanntesten sind die Aspekte der Rückübertragung der damals entzogenen Vermögenswerte an die Alteigentümer sowie, falls eine Restitution ausgeschlossen ist, die der Einräumung begünstigter Erwerbsmöglichkeiten für Bodenreformopfer, Pächter und LPG-Nachfolger. Letztlich läuft die Auseinandersetzung mit diesen Unrechtsund Ausgleichsgesichtspunkten auf die vorgelagerte Frage nach dem Geboten- oder Verbotensein der Restitution hinaus - das Thema dieser Studie. Hinter den so rechtstechnischen Fragen wie der des Besatzungs- und des Vermögensrechts oder der der Bemessungsgrundlage und der Degression bei der Wiedergutmachung verbergen sich rechtswissenschaftliche Auslegungsund rechtspolitische Gestaltungsprobleme von grundsätzlichem Gewicht. Faktische Fragen von hoher Bedeutung kommen hinzu. Für die Finanzlage des Bundes, der Länder und der Kommunen, für den Aufschwung Berlins und die Neuorientierung der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Ländern (mit ihren Rückwirkungen auf die Situation in den alten Ländern), aber natürlich auch für die Reintegration der Konfiskationsbetroffenen, den sozialen Frieden vor Ort und das Gelingen der deutschen Einheit insgesamt sind diese rechtstatsächlichen und -politischen Aspekte so wichtig wie jene rechtstechnischen und -prinzipiellen.
6
Vorwort
Nachfolgende Studie widmet sich diesem Fragenkomplex in drei mItemander verschränkten Teilen. Der Erste Teil, ein Gemeinschaftswerk der Verfasser und auf einen Gutachtenauftrag zum Themenkreis ,,Berliner Liste 3" zurückgehend, ist Fragen der Besatzungshoheit und Problemen der Stichtagsregelung gewidmet. Der Zweite Teil ergänzt den Ersten um verfassungsgestützte Verfahrensaspekte: um die verfassungsgerechte Beteiligung der Enteignungsopfer an den Verfahren der Privatisierung und der Reprivatisierung. Diesen Teil hat Wolfgang März erarbeitet. Wolfgang Graf Vitzthum ist Autor des letzten Teils. Er untersucht den RestitutionsausschluB im Kontext des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, das zum 1. Dezember 1994 in Kraft tritt. Die Verfasser verantworten die Studie gemeinsam. Alle Teile der Untersuchung kreisen letztlich um die Suche nach Recht und Gerechtigkeit im Kontext der "offenen Vermögensfragen", nahezu fünf Jahre nach dem Fall der Mauer. Die normativen wie tatsächlichen Schwierigkeiten sind - auch das wird in der Studie deutlich - nach wie vor beträchtlich. Die Gefahren gesellschaftlicher Erschütterungen sind ebensowenig zu unterschätzen wie die von finanz-, wirtschafts- und vermögenspolitischen Zangengeburten. Hat der Wiedervereinigungsgesetzgeber die Aufgabe hinreichend erkannt, das Eigentum als Basis der persönlichen Freiheitsentfaltung wie des Engagements ausländischer Investoren zu wahren und zu fördern? Als Wissenschaftler hatten die Verfasser die vom Gesetzgeber beschlossenen und in Verwaltung und Rechtsprechung umgesetzten bzw. nun umzusetzenden Lösungen, die sie teilweise schon während des Prozesses ihrer Entstehung begleitet haben, leidenschaftslos zu analysieren. Im Ergebnis kommen sie zu teilweise äuBerst kritischen Bewertungen, nicht zuletzt hinsichtlich des Bodenreform-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 84, 90), einiger verwaltungsgerichtlicher Judikate zur "Berliner Liste 3" sowie des Kerns der Restitutions-Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts. Auch für die Verfasser steht das Glück der Einigung Deutschlands in Freiheit im Vordergrund. Bereit, sich den Aufgaben der Gegenwart - der juristischen Bewältigung des kommunistischen Erbes und der Lösung der entsprechenden Investitions-, Integrations- und Innovationsprobleme - zu stellen, verstehen sie ihre Auseinandersetzung mit § 1 Abs. 8 lit. aVermG als einen Beitrag - einen unter vielen - zum besseren Zusammenwachsen Deutschlands. Die innere Wiedervereinigung ist nicht ein Jahrhundertthema; sie ist Aufgabe unserer Generation. Tübingen, im September 1994
Die Verfasser
Inhalt Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3 . . . . . . . . . . . .
15
A. Einführung: Wiedervereinigungsrecht und Restitutionsausschluß . . . . . . .
15
I. Deutsche Einigung und offene Vennögensfragen . . . . . . . . . 11. Problemstellung und Gang der Untersuchung ...
. ..... .
B. Zum Anwendungsbereich des Vennögensgesetzes
15 24 33
I. Ursprung und Inhalt der Lehre vom Teilungsunrecht ...
33
35
11. Tragweite und Grenzen der Lehre vom Teilungsunrecht I. Der Restitutionsausschluß als Prüfungsgegenstand .... .. .
40 40
11. Restitutionsausschluß und Bodenrefonn-Urteil . . . . . . . . . . .
41
C.
Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VennG
I. Die Verfassungsmäßigkeit des Restitutionsausschlusses .. .
41
2. Grenzen der Bindungswirkung des Bodenrefonn-Urteils
42
.. .
2. Der Interpretationsmaßstab für den Restitutionsausschluß
46 46 46
3. Inhaltliche Kriterien der Interpretation
50
III. Zur "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" l. Interpretationsaufgabe und -gang . . . . . . . . . . .....
a) Die Entstehung des Restitutionsausschlusses b) Objektivrechtliche Auslegung des Restitutionsausschlusses ... c) Besatzungsrecht und Besatzungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuordnung der Liste 3-Konfiskationen ..... .
51 65 72 86
l. Subsumtionsaufgabe und -gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
2. Hintergrund und Entstehung der Liste 3-Konfiskationen . . . . . . . . .
87
3. Der Gang des Berliner Entscheidungsprozesses . . . . . . . . . . .
98
4. Legalenteignung oder Administrativenteignung? . . . . . . . . . . .
102
5. Gesamtverantwortung der Sowjetunion? ...
104
V. Der Zeitrahmen des Restitutionsausschlusses
.
112
I. Kriterien und Stichtage
112
2. Berliner Sonderlage?
121
.
D. Zusammenfassung: Grenzen des Restitutionsausschlusses . . . . . . . . . ..
124
8
Inhalt
Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und VerCahrensbeteiligung . . . . . . ..
130
I. Einführung: Wiedergutmachung besatzungsgetragener Konfiskationen . ..
130
11. Wiedergutmachung durch Beteiligungsrechte
..................
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche . . . . . . . . . "
134 143
I. Subjektivrechtliche Eigentumsposition? ... . . . . . . . . . . . . . . . ..
143
2. Bedeutung der objektivrechtlichen Eigentumsposition
158
IV. Die gleichheitsgrundrechtliche Verortung der Ansprüche
164
V. Ausblick: Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Folgerungen . . ..
180
Dritter Teil: Restitutionsausschluß und Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
I. Einführung: Offene Vermögensfragen und Wiedergutmachungsauftrag . . .
191
11. Entstehungsgeschichte und Schwerpunkte des EALG . . . . . . . . . . . . .
193
III. Systemwidrigkeit des Entschädigungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . ..
203
IV. Zweckverfehlung des Ausgleichsleistungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . .
211
V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
VI. Ausblick: Schlechterfüllung des Wiedergutmachungsauftrags . . . . . . . . .
222
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
I. Schreiben der Bundesministerin der Justiz vom 20. Januar 1994 . . . .
228
2. ("Liste 3")-Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. April 1994 - 25 A 265.93 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
3. ("Liste 3")-Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Mai 1994 - 7 A 115.93 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
4. "Bodenreform"-Dokumentation der Bundesregierung . . . . . . . . . . . .
248
5. Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG) vom 27. September 1994 (BGB!. I S. 2624) . . . . . . . . . . . . . . . .
257
Literatur
273
Abkürzungen a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
a.F.
alte Fassung
AJIL
American Journal of International Law
AnmVO
Verordnung über die Anmeldung vermögens rechtlicher Ansprüche
AnwBI.
Anwaltsblatt
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
APuZ
Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament"
ArchVR
Archiv des Völkerrechts
Art.
Artikel
AusglLeistG
Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz - AusglLeistG -) = Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG), Artikel 2
Az.
Aktenzeichen
B.
Beschluß
BayVBI.
Bayerische Verwaltungsblätter
BB
Der Betriebsberater
Bd., Bde.
Band, Bände
Ber. Ldw.
Berichte über Landwirtschaft
BerRehaG
Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG) = Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SEDUnrechtsbereinigungsgesetz - 2. SED-UnBerG), Artikel 2
BG
Bezirksgericht
10
Abkürzungen
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BK/O
Berlin Kommandatura Order
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BR-Drs.
Bundesrats-Drucksache
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
Buchholz
Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. begr. von Karl Buchholz. hrsg. von Felix Weyreuther und Günter Korbmacher
Buchst.
Buchstabe
BVerfG (E)
Bundesverfassungsgericht (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerfGG
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht
BVerwG (E)
Bundesverwaltungsgericht (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts)
BVVG
Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH
BYIL
British Yearbook of International Law
bzw.
beziehungsweise
DA
Deutschland-Archiv
OB
Der Betrieb
DDR.-Verf.
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
d.h.
das heißt
DIT
Deutscher Juristentag
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung
Drs.
Drucksache
DTV
Deutsche Treuhandverwaltung
DtZ
Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt
DZWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
E
(Gerichts-)Entscheidung
EALG
Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögens fragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG)
ebd.
ebenda
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Einf.
Einführung
Abkürzungen
11
Ein!.
Einleitung
EntschG
Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögens fragen (Entschädigungsgesetz EntschG -) = Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögens fragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG), Artikel 1
etc.
et cetera
EV
Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag -
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
f., ff.
folgend(e), fortfolgend(e)
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Fn.
Fußnote
GB!. DDR
Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik
gern.
gemäß
GG
Grundgesetz
ha
Hektar
h.M.
herrschende Meinung
HLKO
Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs I Anlage: Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs [Haager Landkriegsordnung]
Hrsg., hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
i.d.F. (d. Bek.)
in der Fassung (der Bekanntmachung)
i.e.
im einzelnen
i.e.S.
im eigentlichen Sinne
insb.
insbesondere
InvG
Gesetz über besondere Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik
InVorG
Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz (Investitionsvorranggesetz - InVorG)
i.S.d.
im Sinne der (des)
i.S.e.
im Sinne einer (eines)
i.S.v.
im Sinne von
i.ü.
im übrigen
Abkürzungen
12 LV.m.
in Verbindung mit
Lw.S.
im weiteren Sinne
JURA
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
KG
Kammergericht
KJ
Kritische Justiz
KrG
Kreisgericht
Lbl.
Loseblattsammlung
lfd.
laufend(e)
lit.
Buchstabe
LKV
Landes- und Kommunalverwaltung
LPG
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
LS
Leitsatz
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
Ms.
Manuskript
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NF
Neue Folge
NJ
Neue Justiz
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer(n)
n.v.
nicht veröffentlicht
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Nzb.
Nichtzulassungsbeschwerde
o.a.
oben angegeben(e)
o.ä.
oder ähnliche( s)
o.D.
ohne Datum
ÖJZ
Österreichische Juristen-Zeitung
OVG
Oberverwaltungsgericht
PartG DDR
Gesetz über Parteien und andere politische Vereinigungen (parteiengesetz )
PrHBG
Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Hemmnisbeseitigungsgesetz - PrHBG)
Rez.
Rezension
Abkürzungen
13
RGV
Adelhaid BrandtlHorst-Dieter Kittke (Hrsg.), Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Regelung offener Verrnögensfragen
Rn.
Randnummer(n)
Rspr.
Rechtsprechung
S., s.
Seite, siehe
s.a.
siehe auch
SBZ
Sowjetische Besatzungszone
SMAD
Sowjetische Militäradministration
s.o., s.u.
siehe oben, siehe unten
sog.
sogenanntee I er I es)
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
StrRehaG
Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaats widriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz StrRehaG)
StS
Staatssekretär
StV
Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
Syst. Darst.
Systematische Darstellung
SZ
Süddeutsche Zeitung
SZK
Sowjetische Zentralkommandantur (Berlin)
THA
Treuhandanstalt
THG
Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)
TLG
Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH
U.
Urteil
UdSSR
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
u.d.T.
unter dem Titel
u.ö.
und öfter
u.U.
unter Umständen
VEG
Volkseigenes Gut
VerhBT
Verhandlungen des Deutschen Bundestages I Stenographische Berichte
VermG
Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG)
14
Abkürzungen
VerwArch.
Verwaltungsarchiv
Vfz
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
VG
Verwaltungsgericht
vgl.
vergleiche
VIZ
Zeitschrift für Verrnögens- und Investitionsrecht
VOBl.
Verordnungsblatt
Vor!. Verf.
Vorläufige Verfassung
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwRehaG
Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG) = Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz - 2. SED-UnBerG), Artikel 1
VZOG
Vermögenszuordnungsgesetz
WeimRV
Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 [Weimarer Reichsverfassung]
WM
Wertpapier-Mitteilungen
z.B.
zum Beispiel
ZDK
Deutschen Kommission für Sequestrierung und Konfiskation
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfBR
Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht
ZG
Zeitschrift für Gesetzgebung
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZNR
Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte
ZOV
Zeitschrift für offene Vermögensfragen
ZSchwR
Zeitschrift für Schweizerisches Recht
z.T.
zum Teil
z.Zt.
zur Zeit
Erster Teil
Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3 A. Einführung: Wiedervereinigungsrecht und Restitutionsausschluß I. Deutsche Einigung und offene Vermögensfragen
Fünf Jahre nach der glücklichen Wiederherstellung der Einheit Deutschlands hat die "alte" Bundesrepublik Deutschland aus ostdeutscher Sicht manches von ihrem Glanz verloren. Das Zusammenführen der über 40 Jahre hinweg immer weiter auseinanderstrebenden staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse beansprucht bei allem Einsatz an Geld, Personal und Know-how mehr Zeit, Geduld und Verständnis, als im Herbst 1990 absehbar war. Obgleich in allen wichtigen Bereichen in den vergangenen vier Jahren erhebliche Fortschritte zu verzeichnen sind und die finanzielle, soziale und psychologische Talsohle in den neuen Bundesländern durchschritten scheint, erfordert die Lage von allen Beteiligten noch einen langen Atem. Ob man angesichts der Hürden für ein rasches Zusammenwachsen Deutschlands die Frage nach einer Krise des deutschen Einigungsprozesses stellen kann, sei hier dahingestelltl. Eine Krise des Rechts bzw. der Rechtsordnung selbst ist jedenfalls nicht ersichtlich2 • Die gewaltigen Probleme schlagen sich allerdings nicht nur in nach wie vor stark verbesserungsbedürfI So überpointiert der Justizminister des Landes Brandenburg, Hans-Otto Bräutigam, in einem Vortrag in Wittenberg am 16.5.1993 (Ist der Einigungsprozeß in der Krise?), abgedruckt in DA 26 (1993), S. 940 ff.; zu den Problemen aus ostdeutscher Sicht auch Heitmann, Rechtsstaat West und Rechtsgefühl Ost, NJW 1994, S. 2131 ff. 2 Es ist deshalb zumindest irreführend, wenn im Zusammenhang mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) und den damit verbundenen finanziellen Lasten für die öffentliche Hand pauschal auf die Ausgleichssysteme der Nachkriegsjahre verwiesen - z.T. sogar unter schematischem Heranziehen der damaligen Verfassungsrechtsprechung - und angesichts der heutigen Lage das Gespenst einer haushaltsmäßigen Notstandslage beschworen wird; vgl. etwa Bleckmannl Pieper, Die verfassungsrechtlichen Probleme des Einigungsvertrages, in: Rädler I Raupachl Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR. Handbuch zur Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen, Heme/Berlin Lbl. Stand Februar 1994, Teil 2 A Rn. 16: "Man könnte insoweit [bei einer verkehrswert-orientierten Entschädigung für Konfiskationen und Enteignungen] von einem Staatsnotstand, also davon sprechen, daß ein Staatsbankrott vermieden werden muß."
16
Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
tigen fiskalischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Daten und in noch immer häufig deprimierenden sozialpsychologischen und ökologischen Befunden vor Ort nieder. Auch der Jurist, zumal der Staatsrechtslehrer, leidet insoweit unter der rechtlichen Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit bzw. der deutschen Wiedervereinigung, als ein ruhiges, abgeklärt hin und her überlegendes Erarbeiten professionalisierter Lösungen für die dringenden Probleme kaum möglich ist. Das Recht der Wiedervereinigung - um diesen Sammelbegriff einzuführen3 - zeichnet sich nicht durch behutsam entwickelte und gehegte Gefüge und Inhalte, durch kontingente Einzellösungen oder durch große, dauerhafte Würfe aus. Der Kodifikationsgedanke ist diesem "Recht des Zusammenwachsens Deutschlands" ebenso fremd wie der Kontinuitätsaspekt des Rechts. Ein Großteil der einschlägigen Normen ist Übergangs- und Durchgangsrecht, findet seine Erfüllung also darin, möglichst schnell obsolet oder zumindest abgeändert zu werden. Ein anderer Teil ist Maßnahmerecht, ad hoc legifieriert, rasch exekutiert, zum schnellen Gebrauch (und Verbrauch) bestimmt: Wiedervereinigungsrecht ist Loseblattrecht. Der überwiegende Teil der restlichen Vorschriften wird bestimmt vom Konzept der Rechtsvereinheitlichung durch Anpassung der besonderen Gegebenheiten in den neuen Bundesländern an die hergebrachten bundesdeutschen Regelungen und Verhältnisse4 , die ihrerseits ja teilweise auf frühere gesamtdeutsche Normen zurückgehen oder mit ihnen identisch sind. Neues, Innovatives, gar dauerhaft Modellhaftes ist im Wiedervereinigungsrecht bislang nicht zu finden. Alles zusammen läuft dies auf den gleichen Befund hinaus, den wir auf vielen Regelungsgebieten in der "alten" Bundesrepublik Deutschland erleben: eine galoppierende, ja auch kostenträchtige Normeninflation, zahlreiche Vorschriften werden in immer kürzerer Zeit geändert, Kurzatmigkeit und Zweckheterogenität, ja mitunter abrupte Richtungswechsel - das ist auch und gerade das Bild des Rechts der Wiedervereinigung.
3 Der Terminus suggeriert inhaltliche Geschlossenheit und systematische Besonderheit LS.e. Subsystems der Rechtsordnung - zu Unrecht. Angesichts der umgreifenden Auswirkungen der Vereinigung auf das deutsche Rechtssystem ist das einschlägige Recht weder geschlossen noch speziell. Es finden sich vielmehr auf allen Gebieten Änderungen der Rechtsordnung, die durch die Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit bzw. die deutsche Einheit unmittelbar verursacht wurden oder doch durch sie veranIaßt werden. Staatliche Einheit ist eben in erster Linie Rechtseinheit. 4 Zu dieser - rechtspolitisch weitgehend auf der Haben-Seite zu verbuchenden "Einbahnstraße" der Rechtseinheit durch Expansion in das "Beitrittsgebiet" zusammenfassend Brunner, Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, S. 353 ff.
A. Einführung: Wiedervereinigungsrecht und Restitutionsausschluß
17
Dies gilt insbesondere für den Bereich, der jedenfalls gegenwärtig das nonnative Hauptproblem der deutschen Einheit darstellt5 : die Klärung der offenen Vennögensfragen. Kaum ein Teilgebiet ist dabei so intrikat wie die Konzeption und Durchführung der (Re-)Privatisierung von "Volkseigentum"6, das unter unrechtsstaatIichen Vorzeichen belastet oder entzogen wurde und nun den früheren Eigentümern zurückgegeben oder von der Restitution ausgeschlossen werden soll? Zu diesen Schwierigkeiten tragen verschiedene, voneinander mehr oder weniger abhängige Faktoren bei, die teils als Rahmenbedingungen der rechtlichen Regelungen wirken 8 , teils dem Recht der offenen Vennögensfragen direkt innewohnen. Unter den externen Faktoren sind dabei vor allem zu nennen: die Zahl der zu bearbeitenden Fälle. Nach der jüngsten Statistik des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen9 wurden bei den 221
S So etwa Kiethe, Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, in: Clemm u.a. (Hrsg.), Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, München Lbl. Stand Juni 1994, SystDarst I Rn. I. 6 Vgl. dazu aus juristischer Sicht Krömer, Die Sozialisierung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands als Rechtsproblem, Göttingen 1952 (insb. zum Zusammenhang von "Volkseigentum" und Gemeinwirtschaft); Grünewald, Das Eigentum und das Eigentumsrecht in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Bonn 1961, S. 65 ff. (zum Institut "Volkseigentum"); Wiedemann, Das sozialistische Eigentum in Mitteldeutschland, Köln 1964. 7 Dies gilt cum grano salis für alle "postsozialistischen" Staaten Osteuropas, wenngleich die Entscheidung für die Entstaatlichung der Wirtschaft und "Entkommunisierung" der Gesellschaft z.T. in Richtung Privatisierung, z.T. in Richtung Reprivatisierung ausfällt. Zu den verschiedenen Konzepten und ihren (offenbar nicht immer großen) Realisierungschancen vgl. die Länderberichte zu "Rückgabe oder Entschädigung in den osteuropäischen Staaten", ROW 36 (1992), S. 321 ff.; zu einem anscheinend positiven Beispiel Sucluinek, Die rechtliche Regelung der Wiederherstellung des Privateigentums an Grund und Boden in der Tschechischen und Slowakischen Republik, AgrarR 23 (1993), S. 73 ff. Zusammenfassend zum Stand der Privatisierung Roggemann, Privatisierungsinstitutionen in Ost und West. Ansätze zu einem Transformationsvergleich, ROW 38 (1994), S. 106 ff. - Insgesamt sind die Anstrengungen, die zur legislativen Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit in Mittel- und Osteuropa unternommen wurden, bisher recht unterschiedlich ausgefallen. Nicht nur erwies sich die Unterscheidung von "Tätern" und "Opfern" (etwa bei Reformpolitikern) als gelegentlich schwierig; die juristische Vergangenheitsbewältigung entwickelte sich vielmehr auch regelmäßig zu einem (zudem national eingefärbten) Politikum, nicht zuletzt wenn es um Besitz- und Eigentumsfragen ging. 8 Vgl. dazu Mampel, Rechtliche Grundlagen der Transformation einer Zentralverwaltungswirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft am Beispiel des östlichen Teils Deutschlands, ROW 36 (1992), S. 4 ff., 56 ff.; s.a. Roggemann, Unternehmensumwandlung und Privatisierung in Osteuropa und Ostdeutschland. Rechtliche Probleme und Voraussetzungen, ROW 36 (1992), S. 36 ff. (45 ff.).
2 VitzthumlMärz
18
Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3 Ämtern, 6 Landesämtern lO und beim Bundesamt selbst bislang 1.239.304 Anträge gestellt, die 2.760.817 Einzelansprüche beinhalteten ll . Insgesamt ein gutes Drittel hiervon konnte bisher verfahrensmäßig in der ersten Instanz erledigt werden. In fast 40.000 Fällen schloß sich ein Widerspruchsverfahren an, das ganz überwiegend mit einer ablehnenden Verbescheidung endete. Bei den Verwaltungsgerichten sind gegenwärtig ca. 5.600 Verfahren anhängig, etwa 5% davon Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Bis zum 31. März 1994 wurden hiervon 1.287 Fälle entschieden, 75% davon zugunsten der Vermögens ämter.
die finanzwirtschaftlichen Hintergründe und das finanzielle Volumen der (Re-)Privatisierung. Das aus dem "Volkseigentum" der ehemaligen DDR aufgrund der Bestimmungen des Einigungsvertrags (Art. 21, 22) in die Verfügungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland überführte Verwaltungs- und Finanzvermögen beinhaltet neben dem der Treuhandanstalt zugewiesenen "Privatisierungsvermögen" auch das "Reprivatisierungsvermögen". Bei diesem handelt es sich um den im Rahmen primärer Wiedergutmachung zu restituierenden, weil unter diskriminierenden Umständen entschädigungslos konfiszierten Bestand an Vermögenswerten. Zusammen mit dem Teil des ehemaligen Volkseigentums, das keinen früheren Eigentümern zurückzugeben ist, sondern auf Dauer im Eigentum des Bundes oder der neuen Länder verbleibt, bilden die drei Vermögensmassen ein System kommunizierender Röhren: Jeder Vermögenswert, der dem Restitutionsgrundsatz und damit dem Vermögensgesetz unterfällt, mindert den Bestand des neu gebildeten Staatsvermögens, sei es des Bundes, sei es des jeweiligen Landes. Finanzwirtschaftliehe (= fiskalische, ja staatswirtschaftliche) Interessen verbinden sich hier mit dem Grundsatz der Wiedergutmachung vor-rechtsstaatlichen Unrechts und überlagern diesen. Parallel dazu wirken Bemühungen um Erhalt, Wiederaufbau und Ausbau gesamtstaatlicher und gliedstaatlicher (einschließlich kommunaler) Besitzstände auf Art und Umfang der Wiedergutmachung ein. Dieses finanzwirtschaftliche und -politische, bundesstaatsrechtliche und kommunalpolitische Knäuel von
Vgl. die Statistische Übersicht des Bundesamtes, Stand 31.3.1994. Die Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen beschäftigen zusammen über 4.000 Mitarbeiter; von diesen besitzen ca. 1.700 Entscheidungsbefugnis in den Reprivatisierungsverfahren. Rein rechnerisch kommen damit auf jeden Sachgebietsleiter I Sachbearbeiter 700 Anträge oder 1.600 Einzelansprüche. 11 Diese Zahlen erschließen nur den Bereich der Vermögensämter. Nicht davon erfaßt wird die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt; vgl. deren Privatisierungsbilanz für die Jahre 1991-1993, in: FischerlHaxlSchneider (Hrsg.), Treuhandanstalt - Das Unmögliche wagen, Berlin 1993, S. 546 ff. (Tabellen 13-17). 9
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A. Einführung: Wiedervereinigungsrecht und Restitutionsausschluß
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Problemen, Interessen, Zuständigkeiten usw .. wird vergrößert durch die finanziellen Folgen der Reprivatisierung: durch Entschädigung und Ausgleichsleistung. Die Kosten für diese sekundäre Wiedergutmachung - sie werden mittlerweile auf ca. 13 Mrd. DM geschätzt - sollen haushaltsneutral, d.h. durch Umverteilung, Verkaufserlöse, Leistungsrückforderungen und (spärlichen) Einsatz von Finanzvermögen aufgebracht werden - ein Rechenspiel mit zahlreichen Akteuren und vielen Unbekannten.
- die unterschiedlichen politischen Grundvorstellungen für die Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit und die Anlage und Durchführung der Wiedergutmachung. Bereits bei den Beitrittsverhandlungen im Jahr 1990 hatte es nicht nur zwischen den bei den deutschen Staaten, sondern auch zwischen Regierungskoalition und Opposition im Deutschen Bundestag divergierende Vorstellungen über Inhalt und Ausmaß einer Wiedergutmachung vor-rechtsstaatlichen Unrechts im Vermögensbereich gegeben wie überhaupt dem Weg zur deutschen Einheit, war er überhaupt erst einmal beschritten, nach Ansicht der unterschiedlichen politischen Kräfte teils schneller, teils langsamer gefolgt werden sollte l2 . Während insbesondere der kleinere Koalitionspartner - aber nicht nur er, sondern auch große Teile der CDU ICSU-Fraktion l3 - dafür eintrat, auch die besatzungsgetragenen Konfiskationen vor 1949 rückgängig zu machen, verlangten die Sozialdemokraten in der Endphase der Verhandlungen, nicht nur den sog. sowjetischen Forderungen nach einem Restitutionsausschluß für ihre (Besatzungs-)Maßnahmen nachzukommen, sondern auch die nach der Staatsgründung der DDR, also ab Herbst 1949, vorgenommenen diskriminierenden Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen. Alle früheren Eigentümer sollten auf (dann primäre) Entschädigungsansprüche verwiesen werden 14: Entschädigung statt Rückgabe. Damit traf sich die SPD mit Positionen, die auch in den neuen Bundesländern überwiegend vertreten wurden und vertreten werden l5 • Die unterschiedlichen Leitvorstellungen über Um12
Zu den (teilweise ungewöhnlichen) deutschlandpolitischen Vorstellungen im Jahr
1990 und davor Hacker, Deutsche Irrtümer, Berlin/Frankfurt a.M. 1992, S. 17 ff. (Einigungsprozeß), 68 ff. (Entwicklung seit 1945).
13 Vgl. dazu die zahlreichen Persönlichen Erklärungen von Abgeordneten der CDU / CSU-Fraktion anläGlich der 2. und 3. Lesung des Zustimmungsgesetzes zum Einigungsvertrag, VerhBT 11/226/20.9.1990/17931 ff. (Anlage 2); s. nunmehr auch die Persönlichen Erklärungen von Abgeordneten der CDU / CSU-Fraktion anläßlich der 2. und 3. Lesung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, VerhBT 12/ 229/20.5.1994/19938 (Anlagen 2-6). 14 Vgl. Schäuble, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte, Stuttgart 1991, S. 254 ff. 15 Vgl. etwa die Stimmen und Beispiele in dem von Liedtke herausgegebenen Sammelband "Die Treuhand und die zweite Enteignung der Ostdeutschen", München
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
fang und Ausgestaltung der Wiedergutmachung: so wenig Restitution für Alteigentümer wie möglich hier, so viel Rückgabe wie wirtschaftlich und politisch vertretbar dort, blieben bis heute bestehen. Sie lassen sich anhand der Presseerklärungen und Programme der Parteien, vor allem aber anhand der parlamentarischen Debatten zu den Reformen des Vermögensrechts, des Investitionsvorrangs und der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen detailliert verfolgen 16. Konsens besteht insoweit nur darin, daß der Aufschwung Ost Vorrang genießt - gleichgültig ob er mit aktiver Unterstützung der Alteigentümer bewirkt wird oder aus (schwacher) eigener ostdeutscher Kraft, verbunden mit "fremdem" Investitionsengagement aus den alten Bundesländern und dem Ausland, vor allem aber mittels eines vieljährigen Transfers gewaltiger Finanzmittel von West nach Ost.
die wirtschaftspolitischen Ziele und Eckwerte. Diese externen Faktoren für die rechtliche Regelung können mit den Zielen umschrieben werden, die bereits die Präambel des Staatsvertrags der Wiedervereinigung mit auf den Weg gab: Einführung der "Soziale[nJ Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung" auch in den neuen Bundesländern, um "hierdurch die Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Bevölkerung stetig zu verbessern" und dem (hohen) Niveau der alten Bundesländer anzugleichen. Diesem Ziel I? dient neben den bereits erwähnten massiven finanziellen, personellen und materiellen Transferleistungen 18 die Schaffung der zugehörigen ökonomischen Infrastruktur durch (Re-)privati1993; zum Pro und Contra von "Rückgabe statt Entschädigung" einerseits Mielke, Der vermögensrechtliche Restitutionsgrundsatz, KJ 27 (1994), S. 200 ff.; andererseits Ballhausen, Die schlimmen Folgen des Rückgabeprinzips, KJ 27 (1994), S. 214 ff. Allgemein zu Wiedervereinigung und Einigungsvertrag - aus PDS-naher Sicht - Heuer/Riege, Der Rechtsstaat - eine Legende?, Baden-Baden 1992; Max Schmidt u.a., Einigungsvertrag - Muster ohne Wert?, Berlin 1993. 16 Zu den jeweiligen Positionen und deren Folgewirkungen vgl. ansatzweise du Sold, Restitution vor Entschädigung - Wiedervereinigung zu welchem Preis?, Baden-Baden 1993. S. vor allem die parlamentarischen Debatten zum Vermögensrecht: VerhBT 11/226/20.9.1990 (VermG LV.m. EV), 12/16/15.3.1991 (PrHBG), 12/100/26.6.1992 (InVorG), 12/158/13.5.1993 und 12/229/20.5.1994 (EALG). 17 Dazu etwa Paraskewopoulos /Schenzer, Prob1emfelder der Privatisierung und Reorganisation von volkseigenen Betrieben in der ehemaligen DDR aus ordnungspolitischer Sicht, in: Thieme (Hrsg.), Privatisierungsstrategien im Systemvergleich, Berlin 1993, S. 101 ff. 18 Zu den einschlägigen finanzverfassungsrechtlichen Problemen vgl. M. Kilian, Das System des Länderfinanzausgleichs und die Finanzierung der neuen Bundesländer, JZ 1991, S.425 ff.; Seimer, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands (VVDStRL, 52), Berlin/New York 1993, S. 11 ff. (m.w.N. zu den Finanz- und Wirtschaftsdaten in den neuen Bundesländern in Fn. 56).
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sierung des Volkseigentums zu Privateigentum als Eigentum in Privathand mit Privatnützigkeit und Sozialbindung i.S.v. Art. 14 GG. Die Aufgabe, die infolge der Übernahme des Volkseigentums in die Verfügungsbefugnis des Staates ausgeweitete unternehmerische Tätigkeit "so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen", d.h. durch Privatisierung und Reprivatisierung der vormals staatlichen Betriebe "die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen" (so die Präambel des Treuhandgesetzes), oblag bisher in erster Linie der Treuhandanstalt (vgl. auch § 2 Abs. 6 THG). Deren Zielvorgaben: Privatisierung, Sanierung, Entflechtung etc., sind freilich vage und widersprüchlich, und sie stehen nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander l9 . Hinzu kommt, daß das breite Spektrum der Privatisierungsaktivitäten durch andere Zielvorgaben des Gesetzgebers verfremdet wird. Als jenem Auftrag auf den ersten Blick widersprechender Eckwert wird gemeinhin der Restitutionsgrundsatz genannt. Nur auf den ersten Blick widersprechend ist er deshalb, weil die Rückgabe rechtsstaatswidrig entzogener Vermögens werte durch den Gesetzgeber von vorneherein durch den Vorrang investiver Maßnahmen im Beitrittsgebiet beschränkt wurde, und weil - was in der Diskussion häufig verdrängt oder zu Unrecht als Scheinargument eingeordnet wird - gerade der Alteigentümer selbst durch entsprechende Investitionen (zumindest) den angestrebten "Aufschwung Ost"-Zweck regelmäßig erreichen kann und ja auch erreichen will. Außerdem sind die (Verwaltungs-)Kosten der Rückgabe bzw. Reprivatisierung regelmäßig niedriger als die aller anderen Wiedergutmachungs varianten. Kurz: Die Zielkonflikte sind auch in teilweise unzweckmäßigen bzw. in sich widersprüchlichen gesetzlichen Regelungen (und nicht allein in den ökonomischen Tatsachen) angelegt. Ob die nicht nur infolge des Restitutionsgrundsatzes 20 relevanten ungeklärten Eigentumsverhältnisse in der Tat ein wesentliches Hindernis für Investitionen und Wiederaufbau darstellen, sei dahingestellei. Unbestreitbar ist, daß die Privatisierung ohne eine Restitutionslösung - d.h. ohne Reprivatisierungsgebot - "reibungsloser", weil 19 Vgl. Schmidt/Siegmund, Strategien der Privatisierung, in: Fischer u.a. (Hrsg.), Treuhandanstalt - Das Unmögliche wagen, S. 211 ff. 20 Zu ihm zusammenfassend Niederleithinger, Restitution als Grundsatz, VIZ 1992, S. 55 f. 21 Mit guten Gründen verneinend Willgerodt, Wiedereinsetzung der Alteigentümer (Reprivatisierung), in: Fischer u.a. (Hrsg.), Treuhandanstalt - Das Unmögliche wagen, S. 241 ff.; a.A. etwa Paraskewopoulos/Schenzer, Problemfelder der Privatisierung, S. 111 f.; Sievert, Probleme des Übergangs von einer sozialistischen zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Die Eigentumsfrage, in: Dichmann/Fels (Hrsg.), Gesellschaftliche und ökonomische Funktionen des Privateigentums, Köln 1993, S. 206 ff. (dazu auch das Korreferat von Haffner, Probleme des Übergangs vom Sozialismus zur Marktwirtschaft, ebd. S. 243 ff., und die Diskussion, ebd. S. 260 ff.).
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3 pauschaler hätte erfolgen können22 • Der Wiedergutmachungsgedanke wäre dabei ohnehin ebenso weitgehend auf der Strecke geblieben wie die besondere Nähe des früheren Eigentümers zu seinen Vermögens werten - ein auch eigentums- und wirtschaftsordnungspolitisch relevanter Aspekt - und die gerade daraus (Affektionsinteresse!) zu gewinnende Autbauleistung.
Diese - keineswegs abschließend aufgelisteten - externen Rahmenbedingungen zielen, wie gesagt, nicht einheitlich in eine Richtung. Sie weisen vorwärtsdrängende und retardierende, einander verstärkende und widerstrebende Elemente auf. Die darin liegende politische und ökonomische Vieldimensionalität und Heterogenität hat sich - von seinem Entstehungsprozeß her folgerichtig - auch im normativen Regelwerk niedergeschlagen. Kaum ein Bereich des Rechts der Wiedervereinigung weist eine so unsystematische Aufspaltung und Verklammerung, ja Widersprüchlichkeit auf wie das Recht der offenen Vermögensfragen 23 • Grundsatzentscheidungen des Gesetzgebers werden von Ausnahmebestimmungen eingerahmt, diese wieder von Ausnahme-Ausnahmen begrenzt. Vieles davon ist beständig im Fluß, ja in rascher Bewegung eben "Loseblattrecht". Der Gesetzgeber hat überdies dieselbe Materie in mehreren Normwerken verschiedener Altersstruktur und Herkunft untergebracht. Einzelne Spezialregelungen wurden "ausgelagert" (etwa das Investitionsvorranggesetz oder das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz), andere durch eher unklare Rück- und Querverweisungen eingebunden. Zudem wurden Tatbestände z.T. (un-)systematisch aneinandergereiht und nicht integriert, Anspruchsgrundlagen über mehrere Normwerke hinweg verschränkt, Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Rechten innerhalb der Vorschriften noch einmal verschachtelt. Alles in allem ist das Recht der offenen Vermögensfragen eine schwere Kost - nicht nur für die betroffenen Alteigentümer, für Investoren, Pächter, Mieter usw., sondern auch für die vollziehenden Behörden und die Rechtsprechung sowie für die nachbessernde und anstückelnde Gesetzgebung selbse4 • 22 Vgl. aus Treuhandsicht Keil, Ungeklärte Eigentumsverhältnisse als praktische Probleme bei der Privatisierung von Treuhandunternehmen, VIZ 1992, S. 121 ff. 23 Vgl. etwa das Zusammenspiel von Einigungsvertrag, Gemeinsamer Erklärung, Vermögenszuordnungsgesetz, Kommunalvermögensgesetz, Vermögens gesetz, Investitionsvorranggesetz, Treuhandgesetz, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, Grundstücksverkehrsordnung, Anmeldeverordnung usw. 24 Im Ergebnis läuft die vermögensgesetzliche Regelung, nimmt man die unklaren Tatbestände, die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und die - insbesondere im Privatisierungsbereich - reichlich vorhandenen Ermessensspielräume zusammmen, auf eine weitgehende Überantwortung der Probleme von der Ersten auf die Zweite und insbesondere auf die Dritte Gewalt hinaus - eine Verantwortungsverlagerung, die aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht keineswegs bedenkenfrei ist. Zur Verlagerung selbst vgl. Märker, Die Regelung der offenen Vermögensfragen in den neu-
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Diese Unübersichtlichkeit beginnt mit der allgemeinen Einordnung des Gesetzeszwecks. Sie setzt sich bei der Auslegung der zentralen Vorschriften fort. Das Vermögensgesetz ist im Kern Wiedergutmachungsrecht. Es steht also insoweit in einer Linie mit anderen Unrechtsbereinigungsvorschriften, etwa zur strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und berufsrechtlichen Rehabilitation. Andererseits soll das Gesetz die offenen Vermögensfragen - seiner bereits zitierten rechtspolitischen Einkleidung in der Gemeinsamen Erklärung folgend - zugleich "sozialverträglich" lösen; es soll der "Rechtssicherheit" und "Rechtseindeutigkeit" dienen; und es soll den Grundsatz des "Rechts auf Eigentum" fördern. Diese für sich genommen schon nach verschiedenen Seiten hin offene Zweckbindung ist eingebunden in die allgemeine Aufgabe des Rechts der Wiedervereinigung: Mitwirken beim Aufbau freiheitlicher und marktwirtschaftlicher Strukturen im Beitrittsgebiet. Von daher wird der Wirkungskreis des Vermögensgesetzes sowohl begrenzt wie erweitert. Es besteht eine Präferenz wirtschaftsförderner, d.h. investiver Maßnahmen vor Restitutionsansprüchen: Investitionen vor Rückgabe. Die Sozialbindung der Restitution im Vermögensgesetz hat vor allem in den Vorschriften über einen Restitutionsausschluß (wegen Besitzstandswahrung nach redlichem Erwerb usw.) ihren Niederschlag gefunden. Diesem - wie gesagt, nicht durchgängig dominierenden, teilweise gewiß vorgegebenen - Zielkonflikt von Restitution und Investition und dem Interessengegensatz von Restitution und Besitzstandswahrung vorgelagert ist ein weiterer Interessenkonflikt: die Zuordnung und Verteilung des ehemals volkseigenen Vermögens im Bundesstaat des Grundgesetzes (mit ausgebauter kommunaler Selbstverwaltung). Bund, Länder, Kreise und Gemeinden wurden bei der Neuregelung der Vermögens- und Eigentumsordnung unterschiedlich berücksichtigt, z.T. noch von der DDR-Volkskammer (Treuhandgesetz, Kommunalverfassungsgesetz, Kommunalvermögensgesetz), sodann vom Einigungsvertragswerk (Art. 21, 22). Streitig ist hier insbesondere der "öffentliche" Bereich des Volksvermögens 25 : die Abgrenzung zum "privaten" en Bundesländern - eine Aufgabe für die Richterschaft, DRiZ 1993, S. 262 ff.; zur Perspektive der Dritten Gewalt s. etwa M. Redeker, Praktische Erfahrungen im vermögensrechtlichen Verwaltungsprozeß, LKV 1994, S. 160 ff.; s.a. die bezeichnende, den bisher nur latenten judicial activism dieses Bundesgerichts gleichsam veröffentlichende Einschätzung des Präsidenten des BVerwG (Pressemitteilung 6/1994), LKV 1994, S. 178: "Daher sind ständige neue Eingriffe des [Vermögens-]Gesetzgebers jedenfalls dort kontraproduktiv, wo auch die Rechtsprechung die Aufgabe eines ,Reparaturbetriebs' übernehmen kann." Wann und inwieweit aber kann und darf sie dies? 25 Zusammenfassend dazu Försterling, Recht der offenen Vermögensfragen, München 1993, Rn. 8 ff. - Besondere Beachtung verdient dabei die bundesstaatliche Vermögenszuordnung; zu ihr einerseits Hahn, Voraussetzungen und Umfang des Rechtserwerbs nach Art. 21 III Einigungsvertrag und dessen Verhältnis zu den Art. 134 und 135 GG, Bonn 1993 - aus Sicht des Bundes -; andererseits Mußgnug, Die
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Vermögen einerseits, die Aufteilung zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen und die Zuordnung zu Bund, Länder und Kommunen andererseits (Stichworte: Vermögen des ehemaligen Preußen, Restitution unter Hoheitsträgern, kommunale Energieversorgung etc.).
ß. Problemstellung und Gang der Untersuchung Nachfolgende Studie behandelt einen Ausschnitt aus dem Problemkreis Restitution und Investition. Sie beschäftigt sich mit dem Komplex, der einer rechtsstaatlichen und effektiven Handhabung des Rechts der offenen Vermögensfragen - jedenfalls aus Sicht der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung - von Anfang an große Schwierigkeiten bereitet hat: dem Anwendungsbereich des Restitutionsgrundsatzes, genauer seinen Exemtionen, insbesondere seinen funktionalen und zeitlichen Grenzen. Der Wiedervereinigungsgesetzgeber hat im Vermögens gesetz bekanntlich, ausgehend von der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990, dem Grundsatz der Rückgabe unrechtsstaatlich entzogener Vermögenswerte eine ganze Reihe unterschiedlicher Tatbestände zugeordnet (diskriminierende Enteignungen, Fälle "kalten" Eigentumsentzugs, Eigentumsentzug durch unlautere Machenschaften, aber auch Beschränkungen durch staatliche Zwangsverwaltung etc.). Auf der anderen Seite wurde eine Reihe von Enteignungstatbeständen ausgenommen, die - wäre allein der Grundgedanke der Wiedergutmachung entscheidend - zweifellos dem Restitutionsgrundsatz unterfielen. Die quantitativ wie qualitativ wichtigste Ausnahme betrifft diskriminierende Konfiskationen und Enteignungen der Besatzungsjahre, die teils von sowjetischen Stellen, teils von deutschen Behörden auf Weisung oder unter Anleitung der Besatzungsmacht oder von deutschen Stellen auf "eigene Faust" - mit oder ohne Duldung der Sowjetunion - vorgenommen worden waren. Nach § 1 Abs. 8 lit. aVermG, der sich auf Eckwert Nr. I der Gemeinsamen Erklärung sowie Art. 41 Abs. 1 EV stützt und seine verfassungsrechtliche Legitimation primär aus Art. 143 Abs. 3 GG bezieht, sind "EntVermögensausstattung der ostdeutschen Bundesländer. Rechtsgutachten über die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Art. 21, 22 EV, Heidelberg 1993 (n.v.); Steinberger/Richter, Rechtsgutachten: Ist das Land Brandenburg im Wege der Rechtsnachfolge in das auf seinem Territorium gelegene Vermögen des ehemaligen Staates Preußen eingetreten?, Heidelberg 1993 (n.v.) (Kurzfassung u.d.T.: Ministerium des Landes Brandenburg [Hrsg.], Die Vermögensausstattung der ostdeutschen Bundesländer, [Magdeburg] 1993); H.-P. Schneider/Bertit, Ländervermögen im Bundesstaat. Gutachten zu Fragen der Rechtsnachfolge des Landes Sachsen-Anhalt in das Vermögen des preußischen Staates, Hannover 1992 (mit Ergänzung 1994) (n. v.) - aus Sicht der neuen Bundesländer -.
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eignungen von Vennögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" vom Geltungsbereich des Vennögensgesetzes und damit vom Grundsatz der Restitution ausgenommen. Um diese Ausnahmebestimmung geht es im folgenden. Sie hat weitreichende Wirkungen, nicht nur für die betroffenen Objekte und ihren vermögensrechtlichen Status, sondern vor allem für die betroffenen Alteigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger, für die Mieter oder Pächter der zwischenzeitlich volkseigenen Vennögenswerte, daneben auch für den Verfügungsberechtigten, für den Fortgang der Privatisierung und Reprivatisierung, ja für das Gelingen des Aufschwungs Ost insgesamt. Die Qualifikation der jeweiligen Enteignungsvorgänge als besatzungsrechtlich bzw. besatzungshoheitlich hat nicht nur zur Folge, daß ein Anspruch auf Rückübertragung der Vennögenswerte nicht besteht; die betreffenden Objekte fallen dadurch auch aus dem Anwendungsbereich des Investitionsvorranggesetzes heraus - mit der Folge, daß der staatliche Verfügungsberechtigte (zumeist die Treuhandanstalt) das Objekt freihändig verwerten, d.h. verkaufen kann. Für den Alteigentümer (und dessen Rechtsnachfolger) bedeutet der Ausschluß der Rückübertragung, daß er nicht nur vom Reprivatisierungskomplex ausgeschlossen, sondern auch grundSätzlich vom weiteren Schicksal des Vennögenswertes abgeschnitten ist. Er hat nach h.M. weder einen Anspruch auf Beteiligung und Berücksichtigung im Investitionsvorrangverfahren 26 noch - sieht man von mittlerweile vorgesehenen gewissen Ausnahmen im land- und forstwirtschaftlichen Bereich ab27 - ein eigenständiges, d.h. in seiner Alteigentümerschaft wurzelndes Recht auf käuflichen Rückerwerb, weder zu Vorzugskonditionen noch wenigstens zu Marktpreisen. Der Alteigentümer hat in diesem Fall allein einen Anspruch auf Ausgleichsleistung in Geld; wertmäßig rangiert dieser Anspruch weit unter dem Verkehrswert des entzogenen Eigentums. Aus Sicht des Verfügungsberechtigten wiederum bedeutet die Qualifikation des betreffenden Objekts als besatzungsenteignet eine vollständige Freistellung von Ansprüchen des früheren Eigentümers (auf Rückgabe, Verfahrensbeteiligung usw.) und damit die Zuordnung des Objekts zum Privatisierungskomplex - mit allen dort gegenüber dem Repriviatisierungskomplex geltenden, wenn auch nicht unentgeltlichen Erleichterungen. Für den "Dritten im Bunde": den Investor, bedeutet diese Zuordnung schließlich eine erhebliche Erleichterung im Erwerbsvorgang, sowohl was die zeitliche Dimension als auch was die Planungssicherheit und finanzielle Realisierbarkeit des Unternehmens betrifft. Vorgenannte Konstellation betrifft grundsätzlich alle Enteignungsvorgänge auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage. Indes be-
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Dazu unten Zweiter Teil, III. Dazu unten Dritter Teil, IV, V.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
stehen Besonderheiten, die auf rechtlichen und tatsächlichen Unterschieden beruhen. Einer solchen Sonderlage gilt unsere Untersuchung (Erster Teil). Sie behandelt Fragen, die im Rahmen zahlreicher, derzeit beim Verwaltungsgericht Berlin und beim Bundesverwaltungsgericht anhängiger Streitsachen eine Schlüsselrolle spielen. In allen diesen Verfahren geht es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer bestimmten Gruppe von Bescheiden der Treuhandanstalt. In diesen wird Investoren gegenüber Alteigentümern der Vorrang für Erwerb und Nutzung von 1945-1949 "besatzungskonfiszierten" (zu Einzelheiten und Differenzierungen sogleich) Grundstücken im Gebiet des ehemaligen Ost-Berlin zugesprochen. Parallel zu diesen, auf Erteilung von Investitionsvorrangbescheiden für Dritte gerichteten Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz hat der frühere Eigentümer oder sein Rechtsnachfolger beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Senatsverwaltung für Finanzen) Berlin zumeist einen Anspruch auf Rückübertragung des entzogenen Grundstücks nach dem Vermögensgesetz (i.V.m. der Anmeldeverordnung) angemeldet. Diese Ansprüche werden von den Vermögensämtern unter Hinweis auf § 1 Abs. 8 lit. aVermG regelmäßig abgelehnt. Auch hiergegen sind zahlreiche Klagen vor dem Verwaltungsgericht Berlin anhängig. Hier wie dort sind bislang nur wenige Entscheidungen zur Hauptsache ergangen; kein Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen. In beiden Verfahrensarten steht die vermögensrechtliche Zu- und Einordnung der betroffenen Objekte (zumeist Grundstücke und Gebäude) im Mittelpunkt. Die Kläger sind zumeist Nachfolger der früheren Rechtsinhaber, welche regelmäßig bis in die fünfziger Jahre im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen waren. Irgendwann nach 1949 wurde dann in der Regel als Eigentümer im Grundbuch vermerkt: "Eigentum des Volkes, Rechtsträger ... , Berlin". Infolge der gesetzlichen Regelungen (Vermögenszuordnungsgesetz) sind diese Objekte nach der Einigung Deutschlands aufgrund Art. 22 Abs. 1 Einigungsvertrag (EV) in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergegangen und (jedenfalls vorübergehend) Teil des Bundesvermögens geworden. Der in den fünfziger Jahren im Grundbuch vorgenommene Eigentümereintrag erfolgte in vielen Fällen in Vollzug der sog. Liste 3. Bei dieser handelt es sich um eine mit Datum vom 14. November 1949 vom Magistrat Ost-Berlin beschlossene und im VOBl. für Groß-Berlin - (Ausgabe Ost) 1949 I S. 425 ff., ausgegeben am 2. Dezember 1949 - publizierte Aufstellung von Enteignungsobjekten. Die Enteignungsmaßnahmen wurden auf das Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBl. für Groß-Berlin [Ausgabe Ost] 1949 I S. 34) gestützt. In dieser Liste 3 sind über 1.000 Vermögens werte (gegliedert nach A.: Gewerbliche Vermögenswerte, und B.: Grundstücke) aufgeführt. Alle diese Vermögenswerte waren laut Beschluß des Ost-Berliner Magistrats "als
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Vennögen von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten entschädigungslos einzuziehen und in das Eigentum des Volkes zu überführen". Diese Einziehung vollzog die Publikation der Liste 3 am 2. Dezember 1949 (das Gesetz enthielt keine Individualisierung der einzuziehenden Vennögenswerte). Die Überführung wurde endgültig durch den jeweiligen Grundbucheintrag in den anschließenden Jahren besiegelt. In den zahlreichen anhängigen Verwaltungsstreitsachen kommt es vor allem auf die rechtliche Beachtlichkeit und Wirkung dieser ,,Einziehung" und "Überführung" im Kontext des Vennögensgesetzes und des Investitionsvorranggesetzes an. Von ihrer rechtlichen Bewertung und Einordnung hängt ab, - ob die früheren Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Rückübertragung nach § 3 VennG geltend machen können, - und ob sie im Investitionsvorrangverfahren - vorausgesetzt, sie haben fristgerecht zumindest gleiche oder annähernd gleiche investive Maßnahmen zugesagt, § 7 Abs. 1 S.2 InVorG - den Vorzug vor den Mitbewerbern genießen. § 1 S. 1 InVorG i.V.m. §§ 1, 2 VennG stellt diese Abhängigkeit her. Nur wenn die Objekte Gegenstand eines Rückübertragungsanspruchs nach dem Vennögensgesetz sind, findet das Investitionsvorranggesetz Anwendung. Ist der frühere Eigentümer bzw. sein Rechtsnachfolger nicht Berechtigter i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 VennG - und existieren, wovon auszugehen ist, keine weiteren Anmelder i.S.v. § 5 InVorG -, bedarf es keines Investitionsvorrangverfahrens. Berechtigter i.S.v. § 2 Abs. 1 VennG kann der frühere Eigentümer nur sein, wenn der Eigentumsentzug dem Anwendungsbereich des Vennögens gesetzes unterfällt. Dies ist der Fall, wenn - erstens - der betroffene Vennögenswert entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt wurde (§ 1 Abs. 1 lit. a VennG) , und wenn - zweitens - ein Ausschlußtatbestand nach § 1 Abs. 8 VennG nicht vorliegt. In letzterer Hinsicht kommt allein der Vorbehalt des § 1 Abs. 8 lit. a VennG in Betracht: das Vorliegen einer Enteignung "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage". Die mit dieser Zuordnung aufgeworfenen Rechtsfragen sind in Rechtsprechung und Literatur bislang allesamt streitig.
Die Rechtslage ist zunächst vor allem deshalb so unübersichtlich, weil der Liste 3-Enteignungsvorgang, der den Vennögensverlust herbeigeführt hat, zeitlich an der Schnittstelle zwischen (alliierter und insbesondere) sowjetischer Besatzungsherrschaft und Gründung der DDR lokalisiert ist. Insofern geht es schwerpunktmäßig um ein Stichtagsproblem. Während die Liste 3 nonntechnisch-fonnal auf das Gesetz vom 8. Februar 1949 gestützt wurde (seine "Gesetzes"-Qualität, Rechtsgrundlage, inhaltliche Aussagen usw. werden uns noch beschäftigen [s.u. Erster Teil, c.mD, wurde sie ihrem Inhalt
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nach, d.h. materiell, im Sommer 1949 magistratsintern konzipiert, also von deutschen (Verwaltungs-)Stellen; die Bekanntmachung der Konfiskationen wurde aus weislich des Abdrucks im Verordnungsblatt sodann am 14. November 1949 beschlossen; das Verordnungsblatt selbst datiert vom 2. Dezember 1949; der Vollzug der Maßnahmen - einschließlich der Einspruchsverfahren - erstreckte sich bis ins Jahr 1950 hinein. Mitten in diese Zeitläufte fällt die Gründung der DDR am 7. Oktober 1949. Es liegt zumindest nahe, dieses Datum zur Abgrenzung von (alter) Besatzungshoheit und (neuer) Staatlichkeit heranzuziehen, also auch für relevant zu halten für die Scheidung von noch besatzungsgetragenen - nach Einigungsvertrag und Vermögensgesetz deshalb nicht zu restituierenden - Konfiskationen einerseits und schon schwerpunktmäßig deutschen - nach § 3 Abs. 1 VermG grundsätzlich rückabzuwickelnden - Enteignungen andererseits. Beachtlich könnte in diesem Zusammenhang auch sein, daß jene Stichtagsregelung u.U. ohne Rücksicht auf spezifisch Ost-Berliner besatzungsrechtliche Besonderheiten erfolgt ist. Die Rechtslage ist aber auch deshalb undeutlich, ja verworren, weil die von der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 8 lit. aVermG geforderte "besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage" der Enteignungen bezüglich der Berliner Liste 3 auf den ersten Blick weder zweifelsfrei bejaht noch zweifelsfrei verneint werden kann. Die Maßstäbe für ein überzeugendes Urteil liegen nicht fest, sind jedenfalls nicht evident. Sie könnten entweder - erstens - dem seinerzeit geltenden Recht im Gebiet Ost-Berlins entnommen werden. Dann wäre im Detail zu überprüfen, ob die Konfiskationen formell und materiell rechtmäßig vorgenommen wurden. Auf die Erarbeitung der Maßstäbe und die anschließende Detailüberprüfung könnte aber auch - zweitens - ganz verzichtet (bzw. müßte vielleicht sogar ganz verzichtet) werden, wenn § 1 Abs. 8 lit. aVermG nur am formellen Vorhandensein irgendeiner Besatzungs-Grundlage anknüpfen sollte oder es dem Rechtsanwender gar verböte, die seinerzeit getroffenen Maßnahmen überhaupt an rechtlichen, insbesondere an materiell-rechtsstaatlichen Maßstäben zu messen. Die Norm selbst gibt hierüber keine sichere Auskunft. Denkbar wäre - drittens - auch, daß die Konfiskationen gern. Berliner Liste 3 - gleichgültig ob als besatzungsgetragen oder als (ost-)"deutschrechtlich" legitimiert bzw. bestimmt eingeordnet - überhaupt nicht dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes unterfielen, weil Sachverhalte der genannten Art durch dieses Gesetz generell nicht erfaßt werden sollen (Stichwort: Teilungsunrecht). Unter diesen Vorzeichen ist es verständlich, daß die mit der Liste 3 aufgeworfenen Fragen bisher nicht einheitlich beantwortet werden. Teilweise werden die auf der Liste 3-Grundlage vorgenommenen Konfiskationen sowohl dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes im allgemeinen als auch dem Restitutionstatbestand der §§ 1 Abs. 1 lit. a, 3 Abs. 1 VermG im be-
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sonderen zugeordnet28 • Teilweise werden die Liste 3-Fälle dem Geltungsbereich des Vermögensgesetzes entzogen, weil dem Ausnahmekomplex "Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" zugeschlagen29 • Auch unentschiedene Stimmen sind zu vernehmen. Die Fronten verlaufen dabei quer durch Rechtsprechung und Schrifttum30 • 2R In zeitlicher Reihenfolge: OVG Berlin vom 2.4.1992 - 8 S 40.92, ZIP 13 (1992), S. 1181 ff. (die Vorinstanz korrigierend, vgl. VG Berlin vom 13.1.1992 - 25 A 661. 91, ZOV 1992, S. 114 ff.) - "Friedrichstadt-Passage" -; VG Berlin vom 4.12.1992 21 A 540.92, ZOV 1993, S. 69 f. - "Wertheim"; VG Berlin vom 29.1.1993 - 21 A 541.92, ZOV 1993, S. 116 ff. - "Wertheim"; VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115/93 (s.u. Anhang 3) - "Wertheim"; von Trott zu Solz/Biehler, Die "Listenenteignungen" im Ostsektor Berlins nach dem "Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten" vom 8. Februar 1949, ZOV 1991, S. 10 ff.; Frantzen, Die "Listenenteignungen" im Ostsektor Berlins in den Jahren 1945 - 1949, VIZ 1993, S. 9 ff.; Frantzen/von Lenthe, Nochmals: Berliner Liste 3. Anwendbarkeit des § 1 VIII Iit. a VermG?, VIZ 1993, S. 147 ff.; Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach u.a. (Hrsg.), VermG - Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, München Lbl. Stand August 1993, § 1 Rn. 189 f.; - Enteignung von Banken und Versicherungen von Trott zu Solz, Restitutionsansprüche bei Enteignungen nach der "Verordnung zur Überführung vom Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum" des Magistrats von GroB-Berlin vom 28. April 1949, ZOV 1993, S. 2 ff.; s.a. Ulrich, Die Bankenenteignung in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, WM 1992, S. 633 ff.; dazu auch VG Magdeburg vom 21.9.1993 - 4 A 883/92, in: Brandt/ Kittke (Hrsg.), Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Regelung offener Vermögensfragen - RGV, Baden-Baden Lbl. Stand Juni 1994, B 11 48. 29 VG Berlin vom 13.1.1992 - VG 25 A 661.91, ZOV 1992, S. 114 ff.; ebenso VG Berlin vom 11.4.1994 - VG 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2); Klaus, Untersuchung der Frage einer grundsätzlichen Restitutionsfähigkeit von enteigneten Vermögenswerten der am 2. Dezember 1949 veröffentlichten sogenannten Liste 3, ZOV 1992, S. 190 ff.; Feddersen, Zur Effektivität der "Vorfahrtsregelung". Ausgewählte Probleme bei der Anwendung des § 3a VermG, ZGR 21 (1992), S. 534 ff. (540 f.); K. Kilian, Rückgängigmachung von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in Berlin? Insbesondere zur Problematik der Enteignungen aufgrund der am 2. Dezember 1949 veröffentlichten sog. Liste 3, ZOV 1993, S. 7 ff.; Wasmuth, Zum besatzungshoheitlichen Charakter der Berliner Liste 3, VIZ 1993, S. 186 ff.; ders., in: Ciemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. 377. 30 So etwa Petter, in: Kimme (Hrsg.), Offene Vermögensfragen. Kommentar, Köln Lbl. Stand April 1994, VermG § 1 Rn. 235 ff. Zum Pro und Contra der vermögensrechtlichen Qualifizierung der Berliner Liste 3 - und den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Unsicherheiten - vgl. jüngst Hasselblatt, Vermögenswerte der Berliner Liste 3 als Spekulationsobjekte, VIZ 1994, S. 111 ff. Hinweise auf die Probleme finden sich auch bei Graf VitZlhum, Wiedergutmachungsregelung und Willkürverbot, DZWiR 4 (1994), S. 1 ff. (5). Zusammenfassend zu den verschiedenen Denkmodellen und Theorien des besatzungsgetragenen Restitutionsausschlusses für Berliner Fälle Schubert, Der RestitutionsausschluB bei Enteignungen in Berlin auf besatzungshoheitlicher Grundlage, VIZ 1994, S. 277 ff.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Daß eine herrschende Meinung von Anfang an nicht zu erkennen war und sich auch im Jahre 4 der deutschen Einheit noch nicht herausgebildet hat, beruht auf den unsicheren einfachgesetzlichen Grundlagen, auf den nicht gefestigten gesetzlichen Rahmenbedingungen außerhalb des Vermögensgesetzes und auf den schwierigen, weithin - auch nach Ergehen des Bodenreform-Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1991 - nicht konsentierten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die mit diesen Unsicherheiten einhergehende Argumentationsschwäche wird dadurch verstärkt, daß für die Auswahl und Gewichtung der Argumente und für die Ableitung und Begründung der Ergebnisse neben der normativen, also rechtlich-dogmatischen Stringenz, die hier in besonderem Maße gefordert ist, eine gewisse Folgenorientierung nicht zu übersehen ist. So setzt sich das Schrifttum zu den Berliner Listenenteignungen bisher weithin aus Stimmen zusammen, die aus der (staatlichen und nichtstaatlichen) Rechtspraxis kommen und an einschlägigen Verfahren entweder auf Behörden- oder auf Betroffenenseite - mittelbar oder unmittelbar - beteiligt sind; eine vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Fragen hat bislang nicht stattgefunden3l . Während sich von daher ein gewisses "Erkenntnisinteresse", ja eine gewisse ,,Ergebnisorientierung" kaum ganz vermeiden läßt, spielen offenbar auch auf Behördenseite - zumindest indirekt - Aspekte der Folgenorientierung eine jedenfalls partielle Rolle. Da es sich bei den kommunistischen Konfiskationen qualitativ und quantitativ um eine bedeutsame Größe handelt, greifen, bewußt oder unbewußt, neben rechts- und ressortpolitischen sowie integrations- und "einigungspolitischen" Überlegungen wohl auch Opportunitätsgesichtspunkte und föderale sowie - vor allem - fiskalische Aspekte Platz32 • 31 Dies gilt cum grano salis nahezu für das gesamte Recht der offenen Vermögensfragen, sieht man von einigen Ausnahmen (vor allem Dissertationen sowie Veröffentlichungen engagierter Wissenschaftler) ab. Die literarische Diskussion, die sich im wesentlichen auf wenige spezielle Fachzeitschriften (etwa ,,zeitschrift für Vermögensund Investitionsrecht" - VIZ; ,,zeitschrift für offene Vermögensfragen" - ZOV; "Landes- und Kommunalverwaltung" - LKV, "Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift DtZ) konzentriert, wird von einem überschaubaren Kreis von Praktikern beherrscht. Dies gilt auch für den Buchmarkt; hier überwiegen Ratgeber für Anwälte und Betroffene, Praxis-Handbücher für Behörden und Referenten-Kommentare. Über Herrschafts- bzw. Insiderwissen verfügen vor allem am Gesetzgebungsverfahren beteiligte Ministerialbeamte und (abgeordnete) Richter. 32 Ordnet man die Liste 3-Fälle dem Restitutionstatbestand zu, so sind die Vermögenswerte für das Finanzvermögen des Bundes und der Länder "verloren". Entzieht man sie dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes, sind die Objekte nach Art. 22 Abs. I S. 3 EV Bund und Ländern zuzuordnen, werden bzw. bleiben also "verstaatlicht". - Gleichwohl verlaufen die Frontlinien im Bundesstaat des Grundgesetzes keineswegs geradlinig, nicht einmal zwischen den Fachressorts. Während das
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Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung steht noch am Anfang ihrer Bemühungen um eine gefestigte Auslegung des Vermögensgesetzes. Höchstrichterliche Judikatur zu § lAbs. 8 lit. aVermG fehlte bis vor kurzem ganz 33 . Eine obergerichtliche Rechtsprechung ist - wegen des Berufungsausschlusses in § 37 Abs. 2 VermG - nur noch beim einstweiligen Rechtsschutz möglich und auch dort bisher nur spärlich vorhanden. Die meisten anhängigen Hauptsacheverfahren befinden sich noch in bzw. vor der ersten Tatsacheninstanz. Soweit bislang verwaltungsgerichtliche Judikate vorliegen, ist einerseits eine (mitunter vorsichtige) Bejahung der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes und damit eine positive Entscheidung zur Anmelderstellung der Alteigentümer, andererseits eine klare Exemtion dieser Fälle zu konstatieren 34 • Bundesjustizrninisterium (vgl. Schreiben der Bundesrninisterin der Justiz LeutheusserSchnarrenberger an den Bundestagsabgeordneten Baum vom 20.1.1994, s.u. Anhang 1) die Vermögensverluste durch die Berliner Liste 3 für restitutionsfähig hält, kommt die Berliner Justizverwaltung (Stellungnahme der damaligen Justizsenatorin Limbaeh, o.D., ZOV 1992, S. 195 f.) zum gegenteiligen Ergebnis - auf gleicher Tatsachengrundlage. 33 Nunmehr (in zeitlicher Reihenfolge): BVerwG, B. (Nzb.) vom 2.4.1993 - 7 B 28.93, in: RGV, B II 19 ; B. (Nzb.) vom 16.4.1993 - 7 B 3.93, in: RGV, B II 21; B. (Nzb.) vom 29.9.1993 - 7 B 148.93, in: Buchholz, 112 VermG, § 1 Nr. 8; U. vom 29.4.1994 - 7 C 47.93, ZOV 1994, S. 320 ff. ("Boswau & Knauer" [Liste 1]); U. vom 29.4.1993 - 7 C 59.93, VIZ 1994, S. 411 m. Anm. Wasmuth, ebd. S. 474 f. (Liste 1); U. vom 30.6.1994 - 7 C 58.93, VIZ 1994, S. 539 ("Brambacher Sprudel" [Liste A, Sachsen]). - Zur Arbeitsbelastung des BVerwG durch Verfahren aus den neuen Ländern vgl. dessen Pressernitteilung 6/1994, LKV 1994, S. 178. Die Zuständigkeit in Restitutionsdingen liegt beim 7. Senat, den der frühere Präsident Sendler ebenso leitete wie der jetzige Präsident Franßen es seit Frühsommer 1994 tut. 34 In diesem Zusammenhang wird gelegentlich übersehen, daß es - abgesehen von den "Wertheim"-Entscheidungen des VG Berlin, dessen Urteile im Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig sind - in den einschlägigen Judikaten nicht auf die besatzungsrechtliehe bzw. besatzungshoheitliche Zuordnung der Konfiskationen ankam. Zudem wird bisweilen zu Unrecht nicht danach unterschieden, ob es sich bei der pro und contra ins Feld geführten Rechtsprechung wirklich um Fälle der Berliner Liste 3 oder um andere Listenenteignungen handelt. Vgl. VG Berlin vom 19.12.1990 - 1 A 656.90, NJW 1991, 376 ff. - Liste A; KG Berlin vom 26.4.1991 - 7 W 1908/91, DtZ 1991, S. 209 ff. - Liste 1; OVG Berlin vom 11.6.1992 - 8 S 94.92, VIZ 1992, S. 405 ff. - Liste 1; BVerwG vom 29.4.1994 -7 C 47.93 (ZOV 1994, S. 320 ff.) und 7 C 59.93 (VIZ 1994, S. 411 ff.) - Liste 1; KG vom 8.7.1993 - 16 W 1735/93, VIZ 1994, S. 31 f. - Liste 1; VG Halle vom 28.7.1993 - 2 VG A 222/91, ZOV 1993, S. 453 ff. - Liste A; VG Berlin vom 29.10.1993 - 30 A 7.93, ZOV 1994, S. 73 ff. Liste C; s.a. VG Halle vom 23.6.1993 - I VG A 135/92, VIZ 1994, S. 32 ff., und BVerwG vom 30.12.1993 - 7 B 182.93, in: RGV, B II 51 - I.G. Farben. Eine (fast vollständige) Zusammenstellung der Judikatur zu Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage enthält RGV, B II. Dort wird auch die besonders eindeutige, restriktive Linie des 7. Senats des BVerwG deutlich.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Der Gang der nachfolgenden Untersuchung 35 ist wie folgt. In einem ersten Schritt (unten B.) wird die Frage nach dem generellen Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes behandelt. Im Vordergrund steht die Frage, ob das Gesetz nur sog. "Teilungsunrecht" erfaßt, oder ob eine darüber hinausgehende Wiedergutmachung bezweckt wird. In einem zweiten, hauptsächlichen Schritt (unten c.) wendet sich die Studie ihrem Schwerpunkt zu: der Auslegung des Restitutionsausschlusses in § 1 Abs. 8 lit. aVermG, thematisiert anhand der Berliner Liste 3. Hier wird zunächst der Frage nachgegangen, welche tragenden Gründe die Ausgrenzung der "Enteignungen von Vermögens werten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" hatte. Haben diese Gründe seit ihrer verfassungsgerichtlichen Anerkennung im Bodenreform-Urteil eine Modifizierung erfahren, die für die Beurteilung dieser AusnahmeklauseI einschlägig sein könnte? Sodann wird untersucht, welche Anforderungen das (Schlüssel-)Kriterium "besatzungshoheitlicher" Konfiskationen an den Zusammenhang zwischen Besatzungsregime und deutschen Stellen stellt und wie die Liste 3 im Licht dieses Konnexes und Komplexes zu interpretieren ist36 • Anschließend wird die Frage beantwortet, welche Bedeutung die zeitliche Abgrenzung zwischen UdSSR-Besatzungshoheit und DDR-Staatlichkeit auf die Einordnung der Liste 3-Fälle hat. Welche Kriterien sind dabei ausschlaggebend? Der Komplex Berliner Liste 3 eignet sich für die Respektierung der Teloi Rechtssicherheit, Rechtseindeutigkeit und Recht auf Eigentum, so wie von der Gemeinsamen Erklärung vorgegeben, in besonderer Weise. Zum einen besteht gegenwärtig weder auf seiten der Enteignungsopfer noch auf seiten der das Vermögensrecht vollziehenden Behörden und Gerichte Sicherheit über die Einordnung dieser Ost-Berliner Besonderheiten in das legislative Schema - ein nahezu einheitsvermeidender und jedenfalls investitionsfeindlicher, auch mit hohem Verwaltungsaufwand verbundener Rechtszustand. Zum anderen zeigt jener Problemkreis einmal mehr die Schwierigkeiten, Akte eines Unrechtsregimes wiedergutzumachen, ohne selbst in die Gefahr rechtsstaatswidrigen, nämlich willkürlichen HandeIns zu geraten 37 • Insofern 35 Zu Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Konfiskationsopfer in Investitionsvorrangverfahren s.u. Zweiter Teil. 36 Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Gemeinsamen Erklärung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 zu, der späteren Anlage III zum EV, abgedruckt bei SternISchmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag und Wahlvertrag (= Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 2), München 1990, S. 823 ff.; Einzelheiten zur Präambel der Gemeinsamen Erklärung bei Motsch, Vom Sinn und Zweck der Regelung offener Vermögensfragen, VIZ 1993, S. 41 ff. (42 f.). 37 Zu den besonderen Bedingungen rechtsstaatlichen HandeIns im Zusammenhang
B. Zum Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes
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mag die Untersuchung auch ein Beispiel dafür sein, wie schnell neben der Zweckmäßigkeit auch die Gerechtigkeit von Grundentscheidungen des Wiedervereinigungsgesetzgebers fragwürdig werden kann 38 • "Einfache", "glatte" Lösungen gibt es hier - wie so oft - nicht, wohl aber solche, die "näher an" der einheitsbildenden und -stabilisierenden Gerechtigkeit liegen. Sie zu identifizieren und zu begründen ist Aufgabe der Untersuchung.
B. Zum Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes I. Ursprung und Inhalt der Lehre vom Teilungsunrecht Eine vermögensrechtliche Beurteilung der Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 hat zur Voraussetzung, daß die einschlägigen Vermögenswerte und -verluste überhaupt vom Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen erfaßt und geregelt werden: Sie müssen in seinen sachlichen Geltungsbereich fallen. Zweifelhaft könnte dies dann sein, wenn das Vermögensgesetz aus immanenten Gründen die Restitution dieser Eigentumseingriffe überhaupt nicht erfassen würde, wenn also dem Gesetz ein Anwendungsgrundsatz immanent wäre, der den Liste 3-Komplex von vornherein ausgrenzt. Ein solcher - negativer - Anwendungsgrundsatz könnte in der Lehre vom Teilungsunrecht liegen. Auf ihn hebt die Praxis der Treuhandanstalt und teilweise auch die der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen ab. Die Lehre vom Teilungsunrecht gehörte seit dem Jahr 1990 zu einem verbreiteten Bestand der vermögensrechtIichen und -politischen Argumentation. Im Entstehungsprozeß des Vermögensgesetzes findet sich dieser wiedervereinigungspolitische Leitgedanke erstmals in der Präambel der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 199039 : "Die Teilung Deutschlands, die damit verbundene Bevölkerungswanderung von Ost nach West und die unterschiedlichen Rechtsordnungen haben zu zahlreichen vermögensrechtlichen Problemen geführt, die viele Bürger in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland betreffen."
mit der Einigung Deutschlands Fiedler, Stillstand oder Fortentwicklung des Rechtsstaatsprinzips nach der Wiedervereinigung Deutschlands?, in: Martinek u.a. (Hrsg.), Vestigia iuris. Festschrift für Günther Jahr zum 70. Geburtstag, Tübingen 1993, S. 71 ff.; von Münch, Rechtsstaat versus Gerechtigkeit?, Der Staat 33 (1994), S. 165 ff.; Schlink, Rechtsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit, NJ 48 (1994), S. 433 ff. 3R Vgl. dazu Dreier, Rechtsphilosophische Aspekte juristischer Vergangenheitsbewältigung, ZG 8 (1993), S. 300 ff. (301). 39 SternlSchmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 823. 3 Vitzthum/März
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Dieser Ausgangsgedanke wird rechtspolitisch fortgesetzt in den amtlichen Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz in der Fassung des Einigungsvertrages 40 , freilich nicht auf den Terminus "Teilungsunrecht" zugespitzt. In den Erläuterungen wird, bezogen auf den in § 1 VermG umgrenzten sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes, dessen Zweck dahingehend umschrieben, daß nicht jedwede Form von Enteignungen in der DDR erfaßt und korrigiert werden soIIe. Es gehe im wesentlichen vielmehr nur darum, "die spezifischen Nachteile auszugleichen, die Bundesbürger und Ausländer aufgrund der Tatsache hinnehmen mußten, daß sie über ihr Eigentum - sei es weil sie das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik legal oder illegal verlassen haben, sei es, weil sie dort nie einen Wohnsitz hatten - bislang nicht oder nicht mehr selbst verfügen konnten. Enteignungen, von denen Bürger der DDR, Bundesbürger und Ausländer gleichermaßen betroffen waren (z.B. Enteignungen aufgrund der Bestimmungen des Verteidigungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik), sind grundsätzlich nicht Gegenstand dieses Gesetzes. ,,41 Ausgehend von diesen Erläuterungen wurde der Begriff "Teilungsunrecht" von offiziöser Seite in die Diskussion eingeführt42 • Daraus wurde folgende grundsätzliche normative Entscheidung des Vermögensgesetzes abgeleitet: Nur diejenigen Sachverhalte würden von seinem Geltungsbereich erfaßt, die jene Qualität aufwiesen. Mit anderen Worten: AIIein als spezifisches Teilungsunrecht einzuordnende Enteignungen und enteignungsähnliche Eingriffe soIIten überprüft und gegebenfaIIs rückabgewickelt werden. Alle anderen - zahIIosen, vielgestaltigen - Unrechtstatbestände seien nicht Gegenstand des Vermögensgesetzes. Sie seien gegebenenfaIIs durch andere Wiedergutmachungsvorschriften o.ä. zu regeln; im übrigen blieben sie eben unberührt. Hinter dieser Lehre, die im Schrifttum einige Gefolgschaft und auch in der Rechtsprechung einen gewissen Niederschlag gefunden hat43 , stand rechtspolitisch zweierlei: 40 BT-Drs. 11/7831 (zu Drs. 11/7817); abgedruckt in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, E 100.1. 41 Ebd., S. 3 (zu § I) = Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, E 100.1, S. 4 (Hervorhebungen hinzugefügt). 42 Vgl. Fieberg / Reichenbach, Zum Problem der offenen Vermögensfragen, NJW 1991, S. 321 ff. (323). Beide Autoren waren (vom Bundesministerium der Justiz delegierte) Mitarbeiter der Arbeitsgruppe, welche im Auftrag der Regierung de Maiziere das VermG ausarbeitete. 43 Nachweise jeweils bei Wasmuth, Wider die Irrlehre vom Teilungsunrecht, VIZ 1993, S. 1 ff. (1 mit Fn. 4, 5); ergänzend etwa Neuhaus, in: Fieberg / Reichenbach, VermG, § 1 Rn. 37 ff.; im Zusammenhang mit der Berliner Liste 3 vertreten die "Irrlehre" etwa K. Kilian, ZOV 1993, S. 9, und Limbach, Stellungnahme, ZOV 1992, S. 196.
B. Zum Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes
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Zum einen reflektierte sie die Überlegung der letzten ostdeutschen Regierung, daß Vermögensverluste auf dem Gebiet der DDR dann nicht wiedergutzumachen seien, wenn sie al1e Bürger gleichermaßen, ohne Ansehen der Person, der Nationalität usw. betroffen hatten. In diesem Sinne systembedingte Enteignungen seien nach den DDR-Gesetzen mit einem Entschädigungsanspruch des Eigentümers gekoppelt gewesen; diese Entschädigungen seien auch bezahlt worden (was al1erdings, rechtstatsächlich betrachtet, nicht auf al1e, sondern nur das Gros der DDR-Enteignungen zutrifft). Eine etwaige nachträgliche Wiedergutmachung dürfe allenfalls den Standard erreichen, den DDR-Bürger z.Zt. der Enteignung innehatten - nicht mehr. Ein interlokaler Bezug sei also Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes. - Zum anderen war aus der damaligen bundesdeutschen Sicht ausschlaggebend, daß die Lehre vom Teilungsunrecht sowohl eine für die Rechtspraxis - wie es zunächst den Anschein hatte - sympathisch klare, griffige Abgrenzung erlaubte als auch eine restriktive Auslegung der gesetzlichen Tatbestände ermöglichte; letzteres kam u.a. fiskalischen Rücksichten, gerade auf seiten Berlins und der neuen Länder, entgegen.
11. Tragweite und Grenzen der Lehre vom Teilungsunrecht Über die generel1e Verortung in der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 und die Erläuterungen zum Vermögensgesetz vom 23. September 1990 hinaus soll sich diese restriktive Sichtweise, so einzelne Stellungnahmen, speziell in der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 199044 niedergeschlagen haben. Auf deren angeblichen dogmatischen Beweisgehalt jedenfalls rekurrieren die Vertreter des Konzepts vom Teilungsunrecht vornehmlich. In § I AnmVO werden in der Tat fast nur solche Eigentumseingriffe einbezogen, die Teilungsunrecht darstellen, d.h. einen interlokalen Bezug aufweisen. Im wesentlichen handelt es sich um Beschlagnahmen und Treuhandverwaltungen bezüglich des Vermögens von "Republikflüchtlingen" und Ausländern 45 . Freilich zeigt bereits § 2 (heute: § 3) AnmV046 , daß die Lehre vom Teilungsunrecht nicht beliebig weit trägt.
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GBI. DDR I S. 718.
Dies ist verständlich, waren doch diese gegen Westeigentümer und Ausländer gerichteten Maßnahmen und Schikanen Zentralpunkte der im Grundlagenvertrag von 1972 offengehaltenen Vermögensfragen; vgl. Motsch, Systematische Darstellung der Regelung offener Vermögensfragen in den neuen Bundesländern, in: Rädler / Raupach/Bezzenberger, Vermögen, Teil 2 B Rn. 34. 46 S.a. den Katalog der aufgehobenen Vorschriften in § 39 VermG Ld.F. des EV (abgedruckt in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, F 100.1). 45
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
Die vermögensrechtliche Anmeldung erlaßt vielmehr auch Vermögenswerte, die "aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter" erworben wurden. Das sind allesamt Vorgänge, denen DDR-Bürger gleichermaßen ausgesetzt waren, die also kein Teilungsunrecht i.e.S. voraussetzten. Die - in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1992 enthaltene - Verweisung auf die Behandlung devastierter landwirtschaftlicher Betriebe (§ 1 Abs. 1 lit. h AnmVO) enthält erst recht keinen interlokalen Bezug47 • Eine genauere Untersuchung des Vermögensgesetzes, seiner Änderungen und der Art und Weise, wie es gehandhabt wird, zeigt demnach, daß von einem Rechtsgrundsatz spezifischen Teilungsunrechts, der seinen Anwendungsbereich beschränken soll oder beschränken könnte, nicht die Rede sein kann. Das Gesetz kennt zwar in seinem Kernbereich48 zahlreiche Fälle von Teilungsunrecht, und diese mögen dem Gesetzgeber in der damals bereits in rascher Auflösung befindlichen DDR auch in erster Linie vor Augen gestanden haben. Das ursprüngliche rechtspolitische Konzept, fußend auf der Gemeinsamen Erklärung von 1990, ist jedoch schon bei der Umsetzung der Einzeltatbestände, erst recht nach und nach bei Novellierungen des gesamtdeutschen Gesetzgebers durch zahlreiche Ausnahmen relativiert und wesentlich erweitert worden; es läßt sich mittlerweile nur noch durch enumerative positive und negative Abgrenzungen fassen. Eine normkorrigierende generalklauselartige Fixierung und Radizierung auf einen zentralen Anwendungsbereich ist demgegenüber nicht (mehr) möglich 49 • So Motsch, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen, Teil 2 B Rn. 35. So jetzt auch - damit ihre früheren Aussagen revidierend - Fieberg / Reichenbach, in: dies., VermG, Einf. Rn. 36 (auf die Gemeinsame Erklärung abhebend). 49 Brunner, Das Recht zur Regelung offener Vermögensfragen, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen (Erstbearbeitung 1991), Syst. Darst. I Rn. 20; jetzt auch VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 6 f.; VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 11 f. Wenn das BVerwG (Urteil [7. Senat] vom 24.3.1994 - 7 C 11.93, ZOV 1994, S. 205 ff.) die Anmeldeverordnung zum "gesetzgeberischen Leitbild" des Vermögensgesetzes erklärt (ebd., S. 206 oben), so mag dies zwar für den Bereich der Vermögensrestitutionen hinnehmbar sein, die solche Fälle erfassen sollten (vor allem die in § I Abs. I lit. a-h AnmVO aufgeführten Vorschriften), die auch aus einer sich rechtsstaatlichem Handeln nähernden DDR-Sicht des Jahres 1990 diskriminierend und rückblickend unhaltbar waren. Weitergehende Schlüsse auf den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes lassen sich aus der zeitlich knapp vorgelagerten, nur Fragen der Verfahrenseinleitung regelnden Verordnung schon deshalb nicht ziehen, weil insoweit keine Regelungsdifferenz besteht. Beide Normwerke entstanden zeitlich parallel; sie deckten den gleichen Sachbereich ab. Für die Frage, welche Tatbestände restitutionsfähig sind, kann allein das VermG Auskunft geben. Dessen "gesetzgeberisches Leitbild" aber ist die staatspolitische Gemeinsame Erklärung, nicht die verwaltungstechnische Anmeldeverordnung. 47
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B. Zum Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes
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Zum Bereich Teilungsunrecht gehören die Fallgruppen unter § 1 Abs. I lit. a-d VennG (entschädigungs lose Enteignungen, Enteignungen gegen zu geringe Entschädigung, Veräußerungen durch staatlichen Verwalter und Unternehmensenteignungen aufgrund Ministerrats-Beschlusses vom 9. Februar 1972) sowie unter § 1 Abs.4 VennG (staatliche Zwangsverwaltung). Alle anderen Fallgruppen des Vermögensgesetzes gehen über den Aspekt Teilungsunrecht weit hinaus. Die hier erfaßten Maßnahmen betrafen DDR-Bürger wie Bundesbürger und Ausländer. Sie beruhen weder auf der Teilung Deutschlands nach 1945 noch sind sie auf die Aufarbeitung solcher Tatbestände beschränkt50 . Auch bei den vom Gedanken des Teilungsunrechts getragenen posItIven Abgrenzungen in § 1 Abs. 1 VermG sind Fälle denkbar, in denen diskriminierendes Staatshandeln ausnahmsweise auch DDR-Bürger getroffen hat, etwa bei tatsächlich nicht erfolgter Entschädigung trotz entsprechenden Anspruchs51 • Wollte man hier durchgängig auf dem Erfordernis interlokalen Bezuges bestehen, stünde der DDR-Bürger schlechter als das westdeutsche Enteignungsopfer; letzteren steht kein Entschädigungsanspruch, wohl aber ein Anspruch aus dem Vermögensgesetz zu. Mit Art. 3 Abs. I GG wäre dies nicht vereinbar. Das einzige Differenzierungskriterium: der formale Entschädigungsanspruch nach (untergegangenem) DDR-Recht, könnte die Willkürlichkeit der Ungleichbehandlung nicht aufheben 52 • Diese Konstellation zeigt bereits, daß jedenfalls eine strikt normative Betrachtungsweise bei entschädigungslosen Enteignungen - in deren Kontext die Berliner Liste 3, bei der es um Konfiskationen ging, ja fällt - nicht weit genug trägt. Abgesehen von gleichheitsgrundrechtlichen Schieflagen im Ost! West-Verhältnis würde jener Begründungsansatz bereits verkennen, daß Normativität im Rechtssystem der DDR einen ganz anderen, weit schwächeren Stellenwert hatte als im bundesdeutschen Recht. Die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs etwa bedeutete nicht automatisch, daß der Enteignete tatsächlich eine Leistung erhielt; diese konnte vielmehr unschwer mit irgendwelchen staatlichen Forderungen verrechnet werden (und dieser Weg wurde 50 Zur Zuordnung der einzelnen Anwendungsbereiche des VermG zusammenfassend Försterling, Recht der offenen Vermögensfragen, Rn. 228, 497, 502, 506, 509- 511. 51 In diesen nicht ganz seltenen Fällen (vgl. Wasmuth, VIZ 1994, S. 386 ff.) will Neuhaus (in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § I Rn. 38 ff., 45 f.) dem Betroffenen allenfalls einen (zivilrechtlichen?) Anspruch gegen den jetzigen Vermögenswertinhaber einräumen; eine Rechtsgrundlage hierfür wird allerdings nicht mitgeteilt. 52 Wasmuth, VIZ 1993, S. 3; treffend fragt Motsch, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen, Teil 2 B Rn. 34: "Diskriminiert eine solche Auslegung nicht ihrerseits den ,DDR-Inländer'?" Man muß hinzufügen: Konnte das der Sinn der vom DDR-Gesetzgeber dem VermG zugrundegelegten Zweckbindung sein?
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
auch häufig eingeschlagen)53. Außerdem geht es nicht an, die DDR-typischen (extrem niedrigen!) Entschädigungsbeträge nach Art und Güte mit dem gleichzusetzen, was Art. 14 Abs. 3 GG gebietet. Ausgangspunkt des Vermögensgesetzes - und anderer, verwandter Teile des Wiedergutmachungskomplexes - ist auf der anderen Seite nicht die Wiederherstellung allgemeiner Gerechtigkeit oder die generelle Wiedergutmachung von Unrecht - dies wäre vom Staat, denkt man nur an die Vielzahl der immateriellen Schäden, nicht zu leisten. Es geht vielmehr um die Revision bestimmter, politisch bedingter, insofern gezielt diskriminierender Vermögenseinbußen 54 . Auf den Punkt gebracht: "Diejenigen Eigentumseingriffe sollen durch Rückübertragung (Rückgabe), hilfsweise durch Entschädigung ausgeglichen werden, die Diskriminierungen darstellen. Als wichtige, wenngleich unklar abgegrenzte Teilgruppe diskriminierender Eingriffe lassen sich Fälle von ,Teilungsunrecht' herausheben. ,,55 Besonders deutlich wird dieser Grundansatz in Art. 19 S. 2 EV. Danach können vor dem Beitritt ergangene Verwaltungsakte der DDR (nur) dann aufgehoben werden, "wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ... unvereinbar sind"56. Auch das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz57 und das 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz58 sehen in der politisch motivierten, also 53 Neuere Dokumente erhärten überdies die verbreitete Vermutung, daß die ehemalige DDR die Überschuldung von zwangs verwalteten Grundstücken systematisch betrieben hat, um die Objekte dann faktisch entschädigungslos übernehmen zu können. Vgl. SchnabellTatzkowlHenicke, "Kalte Enteignungen" von Grundstücken nach der ZwangsverkaufsVO '68, Berlin 1994. 54 Matsch, VIZ 1993, S. 44; ders., in: RädlerlRaupachlBezzenberger, Vermögen, Teil 2 B Rn. 37 ff.; allgemein dazu Rüfner, Wiedergutmachung von DDR-Unrecht, in: Stern (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. 11 / 2, Köln 1992, 105 ff.; Quaritsch, Strafrechtliche und berufsrechtliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, in: Festschrift für Werner Thieme, Köln u.a. 1993, S. 329 ff. Zur (unter Art. 3 Abs. I GG-Gesichtspunkten nicht immer sichergestellten) Feinjustierung des Anwendungsbereichs des VermG vgl. Diekmann, Das System der Rückerstattungstatbestände nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, Frankfurt a.M. u.a. 1992. 55 Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, Köln 21993, § 13 Rn. 73. 56 Vgl. zu diesem Zusammenhang Kimme, in: ders., Offene Vermögensfragen, VermG § 1 Rn. 5 ff.
57 Vgl. KecklSchröderlTappert, Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz im Überblick, DtZ 1993, 2 ff.; zum dort angelegten, im Gegensatz zum VermG bewußt "offenen Rehabilitierungsgrund" Bruns I SchröderlTappert, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz. Kommentar, Heidelberg 1993, vor § 1 Rn. 16 ff.; Ladner, in: Herzier u.a., Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz. Potsdamer Kommentar, Stuttgart u.a. 1993, § 1 Rn. 10 ff. 58
Aus rechtspolitischer Sicht vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, Das Zweite Gesetz
B. Zum Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes
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willkürlichen Ungleichbehandlung, nicht aber im Ausgleich von "Teilungsunrecht" den zentralen Bewertungsmaßstab. Letzterer beschreibt nur einen - nicht einmal abgeschlossenen - Ausschnitt aus dem Kreis der vermögensrechtlichen Restitutionstatbestände. Die Lehre vom Teilungsunrecht ist, soweit sie einen ausgrenzenden normativen Anspruch erhebt, demnach abzulehnen. Sie ist, wie das VG Berlin zutreffend anführt59 , kein vorgegebenes allgemeines Interpretationsprinzip. Sie war lediglich ein Motiv für die Bildung einiger spezieller, freilich zentraler Fallgruppen des Vermögensgesetzes60 • Auf diese radizierten Tatbestände mag die Teilungsunrecht-Lehre, als zusätzliche Begründung, angewandt werden. Sie mag dort helfen, Abgrenzungskriterien gegenüber einer allgemeinen, u.U. "ausufernden" Wiedergutmachung zu finden. Einen darüber hinausgehenden, allgemeinverbindlichen normativen Gehalt besitzt sie nicht. Für die Berliner Liste 3-Fälle bedeutet dies: Allein der gelegentlich fehlende interlokale Bezug - die Konfiskationen trafen Bürger des Ostsektors Berlin, aber auch Westberliner und Bürger in den westlichen Besatzungszonen sowie Ausländer mit Vermögenswerten in Ost-Berlin - schließt die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vermögens gesetzes nicht aus61 • Ob diese Verrnögensverluste restitutionsfähig sind, beurteilt sich weder nach einer "Teilungsunrechts-Lehre" noch nach § 1 Abs. 1 lit. a VermG. Entscheidend sind vielmehr die in § 1 Abs. 8 lit. aVermG genannten negativen Anwendungskriterien. Diesen legislativen Restitutionsausschlußgründen ist nun nachzugehen, zunächst generell, sodann speziell in bezug auf die Berliner Liste 3.
zur Bereinigung von SED-Unrecht, DtZ 1993, S. 162 ff. (164) (zum VwRehaG-E), 165 ff. (zum BerRehaG); zum Gesetz selbst s. LehmannlTrittlWimmer, Das Zweite Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Teil 1), NI 48 (1994), S. 350 ff.; Wimmer, Das Zweite Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht. Teil 2: Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, NI 48 (1994), S. 401 ff. 59 VG Berlin vom 29.1.1993 - 21 A 541.92, ZOV 1993, S. 116 ff. (118); VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2); VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3). 60 Motsch, VIZ 1993, S. 41 ff. (47); Kimme, in: ders., Offene Vermögensfragen, VermG § 1 Rn. 4; Wasmuth, VIZ 1993, 1 ff. (4 f.); ders., in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. lO ff. 61 Zu diesem Ergebnis müssen auch die Vertreter der Lehre vom Teilungsunrecht kommen, die als Voraussetzung für § 1 Abs. 1 lit. a VermG das Fehlen eines Rechtsanspruchs auf Entschädigung und eine in der Enteignung liegende besondere Diskriminierung fordern (etwa Neuhaus, in: FieberglReichenbach, VermG, § 1 Rn. 41).
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 Iit. a VermG I. Der Restitutionsausschluß als prürungsgegenstand § 1 Abs. 8 lit. a VennG enthält eine negativ definierte Anwendungsregel. Für "Enteignungen von Vennögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" gilt das Vennögensgesetz vorbehaltlich seiner Regelungen für Zuständigkeiten und Verfahren nicht. Anträge, die unter diese Ausnahmebestimmung fallen, sind zwar nach den Zuständigkeiten und Verfahrensregeln des Vennögensgesetzes zu bearbeiten 62 ; einen primären Restitutionsanspruch lösen sie aber nicht aus. Vielmehr eröffnen sie nur ein Verfahren, das auf gesetzliche Ausgleichsleistungsansprüche gerichtet ist, wie sie die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 in Nr. 1 S. 4 offengehalten und das Bodenrefonn-Urteil des Bundesverfassungsgerichts dem Grund nach zwingend vorgeschrieben hat63 • Für die Berliner Liste 3 bedeutet dies - vorbehaltlich der Verfassungsmäßigkeit dieser einfachgesetzlichen Ausnahmebestimmung -: Sind die in ihr erfaBten Konfiskationen "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" erfolgt, sind sie vennögensgesetzlich nicht restitutionsfähig.
Dieser Ausschluß der Anwendung des Vennögensgesetzes ist im folgenden zu prüfen. Dabei ist in mehreren Schritten vorzugehen. In einem ersten, vorgelagerten Zugriff (unten 11.) wird untersucht, ob die Ausnahmebestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht generell eine zulässige Anwendungsschranke des Vennögensgesetzes darstellt. Die in Folge des BodenreformUrteils aufgeworfenen Zweifel an der Tatsachengrundlage sowohl der gesetzlichen Regelungen als auch der verfassungsgerichtlichen Entscheidung selbst zwingen zu einer solchen Prüfung. In einem nächsten Schritt (III.) wird die Frage beantwortet, welche allgemeinen interpretatorischen Maßstäbe an den Ausschlußtatbestand in § 1 Abs. 8 lit. a VennG anzulegen sind. Ist also eine Detailprüfung der Tatbestandsmerkmale - und wenn ja, in welcher Breite und Tiefe - vorzunehmen? Und anhand welcher Kriterien? Anschließend (unten IV.) wird die Rückbindung der Ausschlußklausel an andere gesetzliche oder verfassungsrechtliche Rahmendaten und Vorgaben behandelt; insbesondere wird der Zusammenhang von Vennögensgesetz, Gemeinsamer Erklärung und Art. 143 GG untersucht - bezogen auf die Berliner Liste 3-Konfiskationen. In diesem Zusammenhang wird sodann das Problem einer Stichtagsregelung geprüft; eine solche Regelung könnte (alternativ oder kumulativ) dem Resti62 Zur Genese dieser nachträglich eingefügten Wendung Neuhaus, in: Fieberg / Reichenbach, VermG, § I Rn. 237. Zu Ansprüchen auf Verfahrensbeteiligung s.u.
Zweiter Teil, 111. 63 BVerfGE 84, 90 (128 f.). Zu diesen gesetzlichen Ausgleichsleistungsansprüchen unten Dritter Teil, IV, V.
c. Der Restitutionsausschluß nach
§ 1 Abs. 8 Ht. a VermG
tutionsausschluß zugrundeliegen (unten V.) Konsequenzen?
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gegebenenfalls mit welchen
11. Restitutionsausschluß und Bodenreform-Urteil 1. Die Verfassungsmäßigkeit des Restitutionsausschlusses
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 23. April 1991 die Vereinbarkeit von Art. 143 Abs. 3 GG i.d.F. des Art. 4 Nr. 5 Einigungsvertrag mit Art. 79 Abs. 3 GG festgestellt. Es hat damit den Restitutionsausschluß für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, wie er in Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung, Art. 41 Abs. 1 EV und § 1 Abs. 8 lit. aVermG niedergelegt wurde, für verfassungsmäßig erklärt. Der Gesetzgeber wurde freilich aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, auch für diese Konfiskationen eine Ausgleichsregelung zu schaffen 64 . Das - im Schrifttum durchgängig nicht konsentierte65 - Bodenreform-Urteil rechtfertigt den grundsätzlich gleichheitswidrigen Ausschluß einer Restitution für Besatzungsenteignungen allein mit den außen- und wiedervereinigungspolitischen Vorgaben und Zwangslagen der Bundesrepublik Deutschland. Die DDR und die Sowjetunion hätten ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Zeugnisse auf dem Ausschluß der Restitution i.S.d. späteren gesetzlichen Regelung bestanden. Die Bundesregierung hätte nach ihrer pflichtgemäßen Einschätzung sich dieser "Bedingung" oder "Vorbedingung" beugen müssen, um die Einheit Deutschlands zu erreichen66 • Bereits unmittelbar nach Abschluß der Gemeinsamen Erklärung und des Einigungsvertrages, während des Karlsruher Verfahrens sowie vor allem seit dem Bodenreform-Judikat sind zahlreiche Stimmen laut geworden, die jene Tatsachenbasis und die damit verbundene Legitimierung der Rechtslage in BVerfGE 84, 90 ff. Vgl. nur die Besprechungen von Leisner (Das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1991, S. 1569 ff.), Maurer (Die Eigentumsregelung im Einigungsvertrag, JZ 1992, S. 193 ff.), Herdegen (Die Eigentumsregelungen des Einigungsvertrages vor dem Bundesverfassungsgericht, JURA 1992, S. 21 ff.), Ehrenfarth (Bodenreform und Enteignungsentschädigung, Ber. Ldw. 69 [1991], S.489 ff.) und Graf Vitzthum (Das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Analyse und Kritik, in: Stern [Hrsg.], Deutsche Wiedervereinigung, Bd. 11 /1, Köln u.a. 1992, S. 3 ff.); s.a. Schah, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kommentar, München Lbl. Stand Dezember 1992, Art. 143 Rn. 29 ff. Aus ausländischer Sicht vgl. die Wiedergabe des Bodenreform-Urteils durch Stewart, AJIL 85 (1991), S. 690 ff. 66 BVerfGE 84, 90 (94 ff. - Tatsachenvortrag, 127 f. - Würdigung durch das Gericht). 64
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Zweifel ziehen. Die von der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung wie bereits anläßlich der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes zum Einigungsvertrag vorgetragene Faktenlage sei real nicht (oder nicht mehr) gegeben gewesen; jedenfalls die darauf fußende Einschätzung sei objektiv unrichtig gewesen oder jedenfalls geworden. Diesen - vornehmlich im Zusammenhang mit einer korrigierenden Änderung de lege ferenda aufgeworfenen - Fragen kann im vorliegenden Fall nicht im Detail nachgegangen werden 67 • Es ist indes zu überlegen, ob und gegebenenfalls inwieweit die seither bekannt gemachten Tatsachen - vorausgesetzt, sie sind zutreffend - bereits de lege lata zu berücksichtigen sind. Könnten die neuen Grundlagen auch zu einer Neubewertung des Restitutionsausschlusses an sich und in seiner Folge zu einer Neuinterpretation - nicht notwendigerweise: zu einer vollständigen Nichtanwendung - des negativen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 8 Iit. a VermG führen, etwa im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung? 2. Grenzen der Bindungswirkung des Bodenreform-Urteils
Die Antwort hängt von der Bindungswirkung des Bodenreform-Urteils ab. Hätte man davon auszugehen, daß die gesamten in der Entscheidung genannten Urteilsgründe, d.h. auch die vom Gericht referierte oder vorgenommene Auslegung der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" und die rechtliche Bewertung der Vertragsverhandlungen Bindungswirkung entfalten, so wäre - sieht man von der Möglichkeit einer erneuten Anrufung des Bundesverfassungerichts durch Betroffene (Urteilsverfassungsbeschwerde) oder einfache Gerichte (konkrete Normenkontrolle) ab - eine vom Bodenreform-Urteil abweichende Auslegung der Tatbestandsmerkmale ausgeschlossen. Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden, d.h. auch - um nur diese zu erwähnen - die Treuhandanstalt, die (Landes-)Ämter für Offene Vermögensfragen 67 Dazu Graf Vitzthum, DZWiR 4 (1994), S. 11; Einzelheiten bei Wasmuth, Zur Verfassungswidrigkeit des Restitutionsausschlusses für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, NJW 1993, S. 2476 ff.; ders., Das Verbot des Rückgängigmachens besatzungshoheitlicher Enteignungen in Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung, VIZ 1994, S. 108 ff.; ders., Nochmals: Restitutionsausschluß und Willkürverbot, DtZ 1994, S. 142 ff., jeweils m.w.N. Gegen ihn insb. Motsch, Sachgründe für den Restitutionsausschluß bei besatzungsrechtlichen Enteignungen, DtZ 1994, S. 19 ff.; ders., Wider die Irrlehre von der Verfassungswidrigkeit des Restitutionsausschlusses bei besatzungsrechtlichen Enteignungen, VIZ 1994, S. 279 ff. - Zu den Gründen einer (auch nach BVerfGE 84, 90 ff. möglicherweise fortdauernden) Verfassungswidrigkeit von § 1 Abs. 8 lit. a VermG unabhängig von Art. 143 Abs. 3 GG vgl. Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. 314 ff.
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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und die Verwaltungs gerichte. Bindung bedeutet: Die Entscheidung muß von jedem dieser Hoheitsträger beachtet werden. Der für verfassungsmäßig erklärte Restitutionsausschluß darf von den staatlichen Stellen nicht als verfassungswidrig angesehen werden 68 . Diese Bindung gilt gleichermaßen für Parallelfälle. Den Bodenkonfiskationen in der SBZ stehen insoweit die Enteignungen aufgrund der Berliner Liste 3 gleich. Die Reichweite der Urteils-Bindung ist streitig, soweit sie über den Tenor der Entscheidung hinausgeht und sich auch auf die "tragenden Gründe" erstrecken so1l69. Da der Tenor selbst für die Interpretation der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" nichts hergibt - er nennt sie nur in Leitsatz Nr. 4 im Zusammenhang mit dem Gebotensein einer Ausgleichsregelung, rekurriert also insoweit auf die Gründe -, stellt sich die Frage, in welchem Umfang die verfassungsgerichtliche Auslegung des Restitutionsausschlusses in die Bindungswirkung mit einbezogen werden muß. Sie wird vom Gericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Verfassungs beschwerden vorgenommen 70 ; in diesem Zusammenhang dient sie dazu, die Betroffenheit der Beschwerdeführer durch das Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag nachzuweisen - nicht mehr. Ausgelegt wird in diesem Kontext allein einfaches Recht. Weder die Gemeinsame Erklärung noch der Einigungsvertrag oder das Vermögensgesetz haben - ganz oder in Teilen - den Rang von Verfassungsrecht. Die ersteren bei den gelten nach dem Untergang der DDR als einfaches Bundesrecht fort (Art. 45 Abs. 2 EVfl. Das Vermögensgesetz wurde in Anlage 11, Kapitel III, Sachgebiet B, Abschnitt I Nr. 3 EV als Bundesgesetz übergeleitet. Die Auslegung und Anwendung einfacher Gesetze ist Sache der sachnäheren Fachgerichte. Die Interpretation des Restitutionsausschlusses wird schon aus diesem Grund nicht von der Bindungswirkung des Bodenreform-Urteils umfaßt72 • 68 Vgl. i.e. Rennert, in: Umbach/ Clemens (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Heidelberg 1992, § 31 Rn. 57 ff.; zur Bindungswirkung von BVerfGE 84, 90 vgl. - z.T. zu weitgehend - VG Leipzig vom 17.2.1993 - 2 K 33/92, in: RGV, B 11 23 (S. 88). 69 So das Bundesverfassungsgericht in st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 1, 14 (36 f.); 19, 377 (392); 24, 289 (297), 40, 88 (93) u.ö.; s.a. Vogel, Rechtskraft und Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Bd. I: Verfassungsgerichtsbarkeit, Tübingen 1976, S. 568 ff. (570 ff.) m.w.N. 70 BVerfGE 84, 90 (114 f.). 71 Die Regeln des EV gelten - samt Anlagen, Protokollerklärung und Durchführungsvereinbarung - daneben auch als staatsrechtlicher Vertrag fort; Einzelheiten dazu bei Wagner, Der Einigungsvertrag nach dem Beitritt. Fortgeltung, Bestandssicherheit und Rechtswahrung vor dem Bundesverfassungsgericht, Berlin 1994, S. 86 ff., 156 ff. n Vgl. BVerfGE 40,88 (94); 42, 243 (249 f.); s.a. E. 42, 258 (260); 72,119 (121);
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Gegen eine Einbeziehung des einfachrechtlichen Verständnisses besatzungsrechtlich oder besatzungshoheitlich bestimmter Enteignungen in die Bindungswirkung des Urteils spricht außerdem, daß das Gericht die vorgenommene begriffliche Abgrenzung nicht selbständig vornimmt. Es heißt sie vielmehr auf der Grundlage der Auslegung gut, welche die Bundesregierung ihr im Gesetzgebungsverfahren zum Einigungsvertrag und in der mündlichen Verhandlung gegeben hat. Diese Auslegung aber hat keinen selbständigen Rechtsgehalt. Sie beruht ihrerseits einseitig auf den von Bonn nur zur Kenntnis genommenen "Vorbedingungen und Bedingungen" der Sowjetunion und der DDR. Sollten diese die im Bodenreformverfahren vom Gericht akzeptierte73 Interpretation so nicht (oder so nicht mehr) tragen, ist es allein eine materiellrechtliche, d.h. einfachgesetzliche (vermögensrechtliche) Frage, wie der fragliche Konfiskationsausschluß zu interpretieren ise 4 • Eine verfassungsprozessuale Bindungswirkung ist mit der bloßen Bezugnahme auf Rechtsmeinungen eines Prozeßbeteiligten nicht verbunden.
ebenso Vogel, Rechtskraft und Gesetzeskraft, S. 571; BendalKlein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, Heidelberg 1991, § 37 Rn. 1240. Ausnahmen von dieser Regel erkennen Gericht und Schrifttum nur im Fall der verfassungskonformen Auslegung einer Norm an; Maunz, in: Maunz u.a., Bundesverfassungsgerichtsgesetz, München Lbl. Stand März 1992, § 31 Rn. 17; Rennert, in: UmbachlClemens, BVerfGG, § 31 Rn. 73. In letzterer Hinsicht ist zuzugeben, daß eine trennscharfe Beschränkung der Bindungswirkung nicht immer möglich ist; dazu Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, München 31991, § 20 Rn. 92. 73 Vgl. BVerfGE 84, 90 (114): "Der Geschehensablauf efgibt jedenfalls ... " "Aus dem Ablauf der Vertragsverhandlungen ... ergibt sich im übrigen zweifelsfrei ... " usw. Das Gericht legt die Aussagen der Bundesregierung schlicht zugrunde - nicht mehr. Vgl. insoweit auch VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 6. Allgemein dazu Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Tübingen 1976, Bd. I, S. 458 ff. (466 ff.). 74 So BVerfG vom 24.6.1991 - 1 BvR 915/91, in: RGV, B 11 5; ebenso zur parallelen Frage des Verhältnisses von § 1 Abs. 6 VermG und § 1 Abs. 8 VermG BVerfGE 86, 15 (22 ff.). - Die nachfolgende einfache Rechtsprechung, angeführt vom 7. Senat des BVerwG (Urteile vom 29.4.1994 - 7 C 47.93 [VIZ 1994, S. 320 ff.] und 59.93 [VIZ 1994, S. 411 ff.]), führt die Bindungswirkung vor allem gegen eine erneute Befassung des BVerfGs mit dem Restitutionsausschluß im Wege des Art. JOO Abs. 1 GG ins Feld: Nur wenn sich seit dem 23.4.1991 neue Tatsachen ergeben hätten, die geeignet wären, eine andere verfassungsgerichtliche Entscheidung zu rechtfertigen, käme ein Verfahren der konkreten Normenkontrolle in Betracht. Dies ist, für sich genommen, richtig; nicht überzeugend erscheint indes, jedenfalls im Herbst 1994, die - entsprechende Klägervorträge knapp und formelhaft abwehrende Behauptung des BVerwG, es lägen keinerlei neue Tatsachen vor. S. dazu die Nachweise in Fn. 33.
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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Anderes kann man auch nicht dem Verweis in Nr. 4 des Tenors entnehmen. Die Frage der Reichweite des Restitutionsausschlusses hat unmittelbar nichts mit der Verpflichtung der Ersten Gewalt zu tun, für diese - damit noch nicht verfassungsautoritativ radizierten - Fälle eine Ausgleichsleistung vorzusehen. Wenn tragende Gründe nur solche sind, die als notwendige argumentative Stützen für das in der Entscheidungsformel zum Ausdruck kommende Ergebnis dienen75 , so kommt es für die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Wiedergutmachung auch der Konfiskationsopfer allenfalls darauf an, daß solche Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage stattgefunden haben. Nicht aber kommt es auf deren exakte Abgrenzung zu den Restitutionstatbeständen im Einzelfall an. Gerade darum - nur darum - geht es indes in den Berliner Liste 3-Fällen sowie in sonstigen Konstellationen, die in besonderem Maße an der historischen Wasserscheide zwischen Besatzungsregime und DDR-Staatlichkeit angesiedelt sind. Für das Bodenreform-Judikat besteht demnach (nur) eine beschränkte Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG, bezogen auf den Regelungsgegenstand Restitutionsausschluß. Der Gesetzgeber hat ausweislich des Urteils eine gleichheitsgrundrechtliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung auch der Konfiskationen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungs hoheitlicher Grundlage. Welchen Rechtsgehalt dieser Tatbestand hat, wann also solche Enteignungen (im Unterschied zu solchen auf anderer Grundlage) vorliegen und wie der Restitutionsausschluß gegen die grundsätzliche Rückgabeverpflichtung in § 1 Abs. 1 lit. a VermG abzugrenzen ist, bleibt eine Auslegung einfachen Rechts; von der Bindungswirkung des Urteils sind sie nicht umfaße 6 . Behörden wie Gerichte sind daher ohne Verstoß gegen § 31 BVerfGG berechtigt, eine von den Obiter dicta des Bodenreform-Urteils abweichende Interpretation der Abgrenzung von § 1 Abs. 1 lit. a VermG einerseits, § 1 Abs. 8 lit. aVermG andererseits vorzunehmen, solange nur überhaupt diese Abgrenzung als solche erhalten bleibt. Im folgenden ist daher die Frage zu beantworten, welchen Gehalt die "besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage" haben muß, um einen Restitutionsausschluß von Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 zu rechtfertigen.
75 So Benda/Klein, Lehrbuch des VerfassungsprozeBrechts, § 37 Rn. 1239 in Anlehnung an WilU Geiger. 76 So auch Biehler, Zur Bindungswirkung von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, DVBI. 1991, S. 1237 ff. (1239); ders., Die Bodenkonfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 nach Wiederherstellung der gesamtdeutschen Rechtsordnung 1990, Berlin 1994, S. 102 ff. (106).
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In. Zur "besatzungsrechtIichen oder besatzungshoheitIichen Grundlage" 1. Interpretationsaufgabe und -gang
Ein Ausschluß der Restitution der Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 ist nur dann rechtmäßig, wenn diese Enteignungen "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" erfolgt sind. Die Prüfung dieser Kernfrage ist in mehreren Schritten zu unternehmen. Zunächst ist zu klären, welche allgemeinen Maßstäbe an die Auslegung von § 1 Abs. 8 lit. a VermG anzubringen sind, d.h. ob und inwieweit die Grundlagen dieser Konfiskationen überhaupt am Kriterium rechtlich LS. v. rechtmäßig / rechtswidrig - dem "Code" des Rechts LS.v. Luhmann - gemessen werden können (unten 2.). Sodann ist die Frage zu beantworten, wie die fraglichen Tatbestandsmerkmale im einzelnen inhaltlich näher konkretisiert werden können. Dies geschieht an hand von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischer Stellung und Sinn und Zweck der Norm (unten 3.). In einem späteren Schritt ist zu untersuchen, ob und inwieweit - alternativ oder parallel zur inhaltlichen Prüfung - eine temporäre Abschichtung von besatzungsgetragenen Konfiskationen einerseits und DDR-staatlichen Enteignungen andererseits möglich oder gar notwendig ist. Was sind die "Grundlagen" der Liste 3-Konfiskationen; wie war der Gang des Berliner Entscheidungsprozesses usw. (unten IV.)? Welche Stichtagsregelung kommt hierfür gegebenenfalls in Betracht (unten V.)? 2. Der Interpretationsmaßstab für den Restitutionsausschluß
Ob eine Rückgabe von Vermögenswerten aus der Zeit vor der Gründung der DDR in Betracht kommt, hängt davon ab, ob es nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG überhaupt Konfiskationen gegeben haben kann, die nicht auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage stattgefunden haben. Wäre diese Möglichkeit zu verneinen, erübrigte sich eine Überprüfung der Rechtsakte der einzelnen Enteignungen; die Vereinbarkeit dieser Vermögenszugriffe mit ihren Rechtsgrundlagen und Ermächtigungen brauchte dann nicht untersucht zu werden. Der Restitutionsausschluß wäre rein formal zu verstehen. Er schlösse den gesamten Zeitraum der Besatzung und alle in dieser Zeit oder auf dieser Grundlage vorgenommenen Enteignungen ein, gleichgültig ob diese im Einzelfall formell und materiell rechtmäßig zustandegekommen waren. Dies entspräche im Ergebnis der seinerzeitigen politischen Gesamtkonzeption der sog. "Demokratischen Bodenreform" in der SBZ und der kommu-
c. Der Restitutionsausschluß nach
§ 1 Abs. 8 lit. a VermG
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nistischen Konfiskationen im Wirtschaftsbereich, zu denen die Fälle der Berliner Liste 3 zählen, eher als die gegenteilige Position. Das Fortschreiben einer solchen Sichtweise der sozialistischen Revolution bedeutete heute: Alle besatzungsgetragenen Vermögens ein ziehungen wären ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als dauerhaft wirksam anzusehen. Zu prüfen wäre, legte man dieses grobe, ebenso simple wie flächendeckende Schema zugrunde, dann lediglich, ob eine irgendwie geartete besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage aufzufinden wäre: Eben dies ist mit dem Begriff ,formelle Betrachtungsweise" gemeint. Nicht käme es darauf an, ob sich die konkret in Frage stehende Konfiskation im Rahmen der Ermächtigung hielt, ob die formellen und prozeduralen Vorschriften eingehalten wurden etc. Auch Exzesse und Willkürakte würden in dieser Deutung des § 1 Abs. 8 lit. aVermG aufrechterhalten. Im Kern geht es also um eine das gesamte Wiedergutmachungsrecht durchziehende Frage: Welche Maßstäbe sind nach der Wiedervereinigung an die Bewältigung des sozialistischen Unrechts anzulegen? Für den Restitutionsausschluß - unser Thema - ist diese Frage von besonderer Bedeutung. Den Verantwortlichen war es bei der Erarbeitung sowohl der Gemeinsamen Erklärung als auch der vermögensrechtlichen Tatbestände und Ausschlußklauseln ersichtlich darum gegangen, einen klaren Schlußstrich unter die Ereignisse von vor 1949 zu ziehen. So heißt es in den amtlichen Erläuterungen zum Vermögensgesetz pauschal und ohne Ansehung der Einzelumstände, daß "diese Maßnahmen" grundsätzlich - und damit ist hier gemeint: insgesamt, ohne Ausnahme - nicht rückgängig gemacht werden sollen. Unter "diese Maßnahmen" verstand die Erläuterung alle Enteignungen auf "besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" - auch dieses Kriterium wird allein formell abgegrenzt -, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (8. Mai 1945 - 7. Oktober 1949) stattgefunden hatten - wiederum keine materielle Limitierung77 • Die Erläuterungen nehmen damit Bezug auf die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990, in der davon die Rede ist, daß "die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) [ ... ] nicht mehr rückgängig zu machen" seien; "die damals getroffenen Maßnahmen" ließen sich nicht mehr revidieren 78 . In Ermangelung weiterer, den Anwendungsbereich definierender Kriterien konnten damit nur alle Maßnahmen dieser Kategorien gemeint sein. Eben dies war ausweislich der Aussage von Mitautoren des Vermögensgesetzes, in dessen § 1 Abs. 8 lit. a dann diese Formel (wenn auch nicht vollständig) ohne weitere Zusätze übernommen wurde, auch das Motiv der Regelung: Alle in der Besatzungszeit nach der deutschen Kapitulation getroffenen Maß77
78
Erläuterungen zum VermG. BT-Drs. 11/7831, S. 3 unten. StemISchmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 823, NT. I.
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nahmen (formeller Ansatz) sollten erfaßt, d.h. von der Restitutionsfähigkeit ausgeschlossen werden 79 . Diese griffige und erschöpfende Lösung haben Rechtsprechung und Schrifttum frühzeitig aufgegriffen, wenngleich sie aus ihr höchst unterschiedliche Folgerungen gezogen haben. Am konsequentesten i.S. vorstehender formeller Betrachtungsweise, damit aus der Sicht der Betroffenen am restriktivsten, entschied das Kammergericht. Es vertrat - im Zusammenhang mit der damals noch nicht in § 1 Abs. 8 lit. a 2. Hs. VermG gesetzlich geregelten Ausnahme für NS-Opfer - die Auffassung, es könne keine Ausnahmen vom grundsätzlichen Restitutionsausschluß geben, auch nicht für einzelne "Sonderopferlagen". Begründung: Die "Erklärungen der Sowjetunion zeigen, daß es dieser um den endgültigen Bestand schlechthin aller unter ihrer Besatzungshoheit bewirkten Enteignungen ging"so. Der Gesetzgeber ist dem Kammergericht darin freilich zu Recht nicht gefolgt. Dies zeigt schon die o.a. Novellierung des § 1 Abs. 8 lit. a durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz. Auch im übrigen hat die Rechtsprechung in fast allen S1 bislang entschiedenen Fällen von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht allein auf die formelle, genauer: auf die zeitlich eingegrenzte und loder besatzungsgebietliche Zuordnung der Vermögensverluste abgestellt. Es wurde vielmehr zusätzlich ein materieller Ansatz verfolgt. So wurde geprüft, ob weitere Kriterien gegeben waren, die eine Zuordnung des Sachverhalts zu einer der alternativ erforderlichen Grundlagen erlaubte oder ausschloß s2 . 79 Vgl. - vom Teilungsunrecht ausgehend - Fieberg/Reichenbach, NJW 1991, S. 322 f.; K. Kilian, ZOV 1993, S. 7 f.; zu diesem Motiv auch Biehler, Bodenkonfiskationen, S. 173. 80 KG vom 18.10.1991 - 9 U 3930/91, VIZ 1992, S. 65 ff. (67); ebenso Wasmuth, Wiedergutmachung für entzogene Vermögens werte von NS-Verfolgten im Beitrittsgebiet, VIZ 1992, S. 81 ff. (84); darauf aufbauend Wesel, Wiedergutmachung für NSUnrecht und Enteignungen auf der Grundlage sowjetischer Besatzungshoheit, VIZ 1992, S. 337 ff.: "Also ist [§ 1] Absatz 6 [VermG] gegenüber Absatz 8 Buchst. a subsidiär, weil dieser sein Geltungsgebiet offensichtlich erschöpfend regeln will" (Hervorhebung hinzugefügt). Zur unterschiedlichen Behandlung der NS-Opfer nach dem Krieg und der DDR-Enteignungsopfer heute vgl. Niederleithinger, Restitution nach NS-Verfolgung und DDR-Enteignung, in: Klaus Letzgus u.a. (Hrsg.), Für Recht und Staat. Festschrift für Herbert Heimrich, München 1994, S. 109 ff. 81 Ausnahme aus den Anfangszeiten der Rspr.: BG Schwerin vom 6.11.1991 - 2 BDR 14/91, in: RGV, B 11 10: faktische Entziehung in der Besatzungszeit reiche aus. 82 S. etwa KG vom 14.10.1991 - 24 W 4582/91, VIZ 1992, 70 f. (71): "Die Gesamtheit der Regelungen des Einigungsvertrages kann [... ] nicht dahin aufgefaßt werden, daß etwa bisher schon nichtige Hoheitsakte, jedenfalls wenn sie besatzungsrechtliehe Grundlagen haben oder angeben, nunmehr als wirksam anzunehmen wären."
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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Dabei sind allerdings Unterschiede erkennbar. Während in allen Fällen eine "besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage" jedenfalls bestanden haben - wenngleich nach materiell-rechtsstaatlichen Maßstäben nicht notwendig einschlägig gewesen sein - muß, prüft ein Teil der Judikate im einzelnen den Rückbezug auf die Ermächtigungsgrundlage - wobei dem Bodenreform-Urteil entsprechend auch Exzesse und WiIIkürakte einbezogen werden - und läßt den formellen Zusammenhang ausreichen 83 • Ein anderer (kleinerer Teil) der Entscheidungen zu § 1 Abs. 8 lit. aVermG geht bei besatzungshoheitlichen Enteignungen einen Schritt weiter und legt zusätzliche Prüfkriterien an. Auf die Tragfähigkeit dieser inhaltlichen Interpretationskriterien wird noch zurückzukommen sein (unten 3.). Rechtsprechung und Schrifttum legen also - in unterschiedlicher Breite und Tiefe - (auch) materiell-rechtsstaatliche Kriterien an die Voraussetzungen des Restitutionsausschlusses an. Die Praxis der Vermögensämter verfährt, soweit hierüber bereits ein Urteil möglich ist, ebenfalls nicht ausschließlich formal-schematisch nach dem Grundsatz, alle besatzungsrechtlich oder besatzungshoheitlich fundierten Enteignungen seien restitutionsfeindlich. So wurden Opfer des Nationalsozialismus schon vor der Novellierung des Vermögensgesetzes privilegiert behandelt; Bodenreformenteignungen wurden trotz (oder auch wegen) mangelnden Willens der Besatzungsmacht restituiert USW. 84 allesamt sind dies Erosionen des ursprünglich in den Eckwerten der Gemeinsamen Erklärung vorgezeichneten, schlanken, weil formal-strikten Restitutionsausschlusses. Diese Modifikationen, genauer: Differenzierungen, 83 BVerfGE 84, 90 (115); vgl. zur Variationsbreite: KG vom 26.4.1991 - 7 W 1908/91, DtZ 1991, S. 298 ("Im übrigen kommt es nicht darauf an, daß die Einzelheiten des Enteignungsvorganges heutigen Rechtsanforderungen entsprechen"); KG vom 14.10.1991 - 24 W 4582/91, ZIP 13 (1992), 136 (" ... die rechtsstaatlichen Grundsätze aus dem bisherigen Geltungsbereich des Grundgesetzes [können nicht] rückwirkend bei der Beurteilung der Wirksamkeit und Beachtlichkeit früherer Vorgänge im Beitrittsgebiet herangezogen werden"); VG Berlin vom 24.10.1991 - 25 A 450.91, VIZ 1992, S. 156; VG Leipzig vom 26.8.1992 - III K 416/91, in: RGV, B 11 15 (nur eine sachwidrige Berufung auf SMAD-Befehle wäre beachtlich); VG Meiningen vom 18.8.1993 - SU 2 K 92.291, in: RGV, B 11 47 (ersichtlich ungewollte "Mitenteignung" eines Grundstücks, das an ein zu enteignendes Unternehmen verpachtet war, unterfällt dem Restitutionsaussch1uB); zu Recht zurückhaltender hingegen VG Dresden vom 15.1.1993 - 11 K 123/92, in: RGV, B 11 17 (eine auf etwas Unmögliches gerichtete Enteignung unterfällt nicht dem RestitutionsausschluB); hiergegen VG Dresden vom 29.4.1993 - 3 K 801/92, in: RGV, B 11 38. Zum Willkürbegriff bei besatzungshoheitlichen Enteignungen VG Weimar vom 21.9.1993 - 6 K 318/92 We, in: RGV, B 11 49. R4 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Kosewähr, in: Jayme/Furtak (Hrsg.), Der Weg zur deutschen Rechtseinheit, Heidelberg 1991, S. 318; Einzelheiten bei Biehler, Die Praxis der Rückgabe 1945 - 1949 enteigneten Vermögens in SonderfalIen, Verw Arch. 84 (1993), S. 514 ff.; ders., Bodenkonfiskationen, S. 172 ff. m.w.N.
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tragen dem Verfassungserfordernis materiell-rechts staatlicher Interpretation der Wiedergutmachung sozialistischen Unrechts - und damit auch seiner negativen Anwendungsfälle - Rechnung. Indem allein die generelle Formulierung des Restitutionsausschlusses und nicht auch eine erläuternde, detaillierte Definition seines Inhalts und seiner Grenzen Eingang in das Vermögensgesetz gefunden hat, hat der Wiedervereinigungsgesetzgeber die vordem - in der Gemeinsamen Erklärung - politisch gemeinte Restriktion ohne Umformulierung oder Neufassung normativ verfaßt und verfestigt. Diese Verrechtlichung unterliegt nunmehr juristischdogmatischer, rechtsstaatlich angeleiteter Interpretation. Sie setzt einem umfassenden ganzheitlichen Restitutionsausschluß, der allein auf formale Kriterien abstellt (wie sie etwa eine Stichtagsregelung verkörpert), Grenzen. Kurz: Die Vielschichtigkeit der Konfiskationslagen muß bei der Auslegung des § 1 Abs. 8 lit. aVermG insoweit beachtet werden, als sie im Einzelfall eine besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage ausschließt. Eine solche Detailprüfung des Restitutionstatbestandes, wie sie nun für die Berliner Liste 3 zu unternehmen ist, stößt aber an Grenzen, wenn und soweit der Tatbestand selbst - aus entstehungsgeschichtlicher, systematischer oder teleologischer Sicht - eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Konfiskationsaktes ausschließt. Inwieweit dies der Fall ist, ist nun zu untersuchen. 3. Inhaltliche Kriterien der Interpretation
Das Vermögensgesetz enthält - sieht man von der hier nicht zu untersuchenden Besonderheit der NS- und Nach-NS-Vermögensverluste ab - keine Regelung über die Behandlung der Konfiskationen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die über den Rechtsgehalt der Ausnahmeregelung des § lAbs. 8 lit. aVermG Auskunft geben könnte. Auch die Norm selbst erschließt weder Inhalt noch Grenzen dieses negativen Anwendungsfalles. Sie ist aus sich heraus nicht verständlich. Nachvollziehbar ist diese Lakonie, ja Abstinenz des Gesetzgebers aus zwei Gründen. Zum einen war man wohl - in Verkennung der komplizierten und vielschichtigen Tatsachen- und Rechtslage, die vor über 40 Jahren geschaffen wurde - davon ausgegangen, daß es sich um einen absoluten Restitutionsausschluß handele, der eine genauere inhaltliche Aufbereitung nicht benötige; dazu wurde schon oben (unter 1II.2), diese Fehleinschätzung korrigierend, Stellung genommen. Zum anderen glaubte sich der (ostdeutsche) Vermögensgesetzgeber der Definitionspflicht dadurch enthoben, daß die Vorstellung der Beteiligten dahin ging, man besitze jedenfalls in der zeitlichen Limitierung
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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des Ausschlusses ein fonnales, Rechtssicherheit und Eindeutigkeit erzeugendes Mittel, den Anwendungsbereich nach vorne, d.h. gegenüber den zu restituierenden Enteignungstatbeständen der DDR-Staatlichkeit abzuriegeln. Letzteres anzunehmen, ohne im Nonntext selbst auch nur Fingerzeige einer solchen Limitierung zu geben bzw. anzulegen, war geradezu naiv; ersteres erwies sich wegen der rechtsstaatlichen Grundorientierung der Bundesrepublik Deutschland als so nicht perpetuierbar. Eine Verfeinerung der groben, beinahe nur rahmenrechtlichen Grundlage in § 1 Abs. 8 lit. a VennG ist also unumgänglich. Sie ist mit den allgemeinen sowie den spezifisch verfassungsrechtlichen Auslegungsmethoden zu durchzuführen.
a) Die Entstehung des Restitutionsausschlusses Die vennögensrechtliche Regelung wiederholt in nicht vollständiger - weil zeitlich nicht näher eingegrenzter - Fonn den Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990. Jene Erklärung verkörpert die Quintessenz der Verhandlungen und Absprachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und der Sowjetunion und der DDR andererseits, so wie die Bundesregierung sie sah und später vor dem Bundesverfassungsgericht schilderte. Wie in der Gegenäußerung zu den Verfassungsbeschwerden und in der mündlichen Verhandlung zum Bodenrefonn-Judikat vorgetragen, sei die Unantastbarkeit der Enteignungen für beide o.a. Vertragspartner eine nicht negotiable (Vor-)Bedingung gewesen85 • Während der DDR vor allem daran gelegen gewesen sei, den sozialen Frieden nicht durch Infragestellen der geschaffenen Besitz- und Eigentumsverhältnisse zu gefährden, sei es der Sowjetunion im ganzen darauf angekommen, daß "die unter ihrer Oberhoheit durchgeführten Maßnahmen, die ihren rechts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen entsprachen, nicht nachträglich zur Disposition des seinerzeit besiegten Deutschland gesteHt wurden". Was hatte man unter diesem vagen "Nicht-nachträglich-zur Disposition-Ste11en" konkret zu verstehen? Ein Blick auf Vorgeschichte und Gang der Verhandlungen zu Zwei-plusVier-Vertrag und Gemeinsamer Erklärung verdeutlicht das Anliegen der Vertragsparteien, so wie es sich uns heute - gut drei Jahre nach dem Bodenrefonn-Urteil und vor dem Hintergrund der jüngsten, weiterführenden Erklä85 BVerfGE 84, 90 (109 f., 127 f.), auch zum folgenden (Zitat ebd., S. 128). Zum folgenden auch Graf Vitzthum, DZWiR 4 (1994), S. 10 ff. Die Rechtsprechung, an striktesten und kürzest angebunden der 7. Senat des BVerwG, beharrt bislang darauf, daß seit dem Bodenreform-Urteil keine neuen Tatsachen LS.v. Art. 100 Abs. I GG bekannt geworden seien; s. dazu oben Fn. 33, 74.
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rungen des ehemaligen sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow und seiner Verhandlungsführer86 - darstellt und soweit Verhandlungslage und -motive bislang en detail bekannt sind. Dieses Nachzeichnen der Forderungen der untergehenden DDR, insbesondere aber der ausschlaggebenden, unlängst authentisch verdeutlichten außenpolitischen und völkerrechtlichen Positionen der Sowjetunion ist wesentlich für die juristische Beurteilung von Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses. Es bedarf dieses Vergewisserns nicht um der Klärung des seinerzeit darunter von der Bundesregierung verstandenen Gehalts willen. Das von der Sowjetunion objektiv Gewollte - und zu seinem Verständnis tragen die neuen sowjetischen Äußerungen nicht unerheblich bei - bildet vielmehr die wesentliche Grundlage der heute gültigen Interpretation von § 1 Abs. 8 lit. aVermG. Den ersten offiziellen Vorstoß der DDR in Sachen Restitutionsausschluß unternahm die (SED-)Regierung Modrow am 1. März 1990, knapp drei Wochen vor der Volkskammerwahl, zwei Wochen nach Modrows letztem Besuch in Bonn am 13. Februar 1990. In der Sitzung des Ministerrates wurde eine Erklärung verabschiedet, die den Rahmen der bereits bei Bundeskanzler Kohls Besuch in Dresden am 19. Dezember 1989 beschlossenen Verhandlungen über eine Vertragsgemeinschaft, d.h. eine Währungs- und Wirtschaftsunion zwischen beiden deutschen Staaten, abstecken sollte. Nachdem der 86 V gl. dazu in chronologischer Reihung die einschlägigen Presseberichte von Ende August! Anfang September 1994: FAZ Nr. 199 vom 27.8.1994, S. 1-2 ("Gorbatschow: Moskau hat die Enteignungen in der Sowjetzone nicht für unantastbar erklärt"); Nr. 200 vom 29.8.1994, S. 1-2 ("Für die Bundesregierung bleibt die Unantastbarkeit der Bodenreform Moskaus Bedingung für die Einheit"); Nr. 201 vom 30.8.1994, S. 6 ("Die erbetene Bedingung"); Nr. 202 vom 31.8.1994, S. 1-2 ("Bonn, Moskau und die Suche nach der Wahrheit über Bodenreform und Wiedervereinigung"), S.2 ("Der Ruf nach dem großen Bruder"); Nr. 203 vom 1.9.1994, S. 10 ("Ein Riß zwischen Ost und West"); Nr. 204 vom 2.9.1994, S. 8 ("Modrow widerspricht de Maiziere" , "Begriffsverwirrungen über die ,Bodenreform' zwischen 1945 und 1949"); Nr. 205 vom 3.9.1994 ("Kohl und Gorbatschow haben offenbar nie über die Enteignungen gesprochen"); Nr. 206 vom 4.9.1994 ("Kohl: Forderung des Politbüros"); Nr. 207 vom 6.9.1994, S. 14 ("Die Beweisnot wird immer größer"); Nr. 209 vom 8.9.1994 ("Genseher widerspricht Schewardnadse"). S. parallel dazu: SZ Nr. 199 vom 30.8.1994, S. 1 ("Modrow: DDR wollte die Bodenreform retten"), S.4 ("Die neue Angst vor Michail Gorbatschow"); Nr. 200 vom 31.8.1994, S. 2 ("Bonn: Gorbatschows Äußerung unverständlich"); Nr. 202 vom 2.9.1994, S. 9 ("Die zwei Seiten der einen Wahrheit"); Nr. 204 vom 5.9.1994 ("Enteignungen keine Vorbedingung der Einheit"); Nr. 209 vom 10. -11.9.1994, S. 2 (SZ-Gespräch mit Michail Gorbatschow). Presseberichten zufolge wird der außenpolitische Berater Staatspräsident Gorbatschows, Tschemajew, in absehbarer Zeit eine Veröffentlichung mit allen einschlägigen Dokumenten und Verhandlungs protokollen über die Wiedervereinigung Deutschlands vorlegen. - Das Bundesverfassungsgericht wird Anfang 1995 an1äßlich noch anhängiger Verfassungsbeschwerden erneut die Bodenreformfrage behandeln, vgl. Bericht in SZ Nr. 199 vom 30.8.1994, S. 2.
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DDR-Ministerpräsident das generelle Anliegen einer Aufrechterhaltung der Vennögensverhältnisse (und der zugehörigen Rechtsstrukturen) bereits früher, in einer Erklärung vor der Volkskammer der DDR am 20. Februar 1990, angesprochen hatte 8?, wurden nun die Einzelheiten thematisiert. Die Eigentumsverhältnisse in der DDR dürften, so hieß es, nicht in Frage gestellt werden; das Volksvennögen sei in seinen wesentlichen Rechtskategorien zu wahren; Volkseigentum und genossenschaftliches Eigentum seien als wirtschaftliche Erscheinungsfonnen zu erhalten; die elementaren sozialen Errungenschaften seien zu bewahren. Diese Position sei ein unverzichtbarer Bestandteil der anstehenden Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland88 • Um seinen breit angelegten Anspruch auf Konservierung sozialistischer Strukturen und Inhalte zu untennauern, übersandte Ministerpräsident Modrow 89 am 2. März 1990 diese Erklärung Staatspräsident Gorbatschow und forderte ihn in einem Brief zu gemeinsamem, koordiniertem Auftreten auf. Die Sowjetunion solle "mit ihren Rechten als Siegennacht des zweiten Weltkrieges" für die Sicherung der Eigentumsverhältnisse in der DDR eintreten9(). 87 Vgl. ,Erklärung von DDR-Ministerpräsident Hans Modrow auf der 17. Tagung der Volkskammer am 20. Februar 1990', in: Außenpolitische Korrespondenz 34 (1990), Nr. 7, S. 49 ff. (50 f.): "Es muß der bindende Grundsatz gelten, daß die im Ergebnis des zweiten Weltkrieges auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens und der Gesetze des Alliierten Kontrollrates durchgeführten Reformen an Eigentums- und Besitzverhältnissen geltendes Recht sind und bleiben." 8R ,Erklärung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu den Eigentumsverhältnissen ' vom 1.3.1990, in: Außenpolitische Korrespondenz 34 (1990), Nr. 8, S. 57 f. (Auszug in Anhang 4 ["Bodenreform"-Dokumentation]). R9 Die Initiative zu diesem Schritt ging allerdings nicht von Modrow selbst aus, sondern von Wolfgang Ullmann, GlÜndungsmitglied der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" und seinerzeit Minister ohne Geschäftsbereich in Modrows "Regierung der nationalen Verantwortung". Er hat auch den an Gorbatschow gerichteten Brief Modrows entworfen. Hintergrund dieses Vorstoßes war die am Runden Tisch mehrfach erhobene, dann aber schnell gescheiterte - weil durch das (dann Gesetz gewordene) Privatisierungskonzept abgelöste - Forderung nach einer ("echten") Privatisierung des Volkseigentums in Form der Vergabe von Anteilsscheinen an die Bevölkerung der ehemaligen DDR. Vgl. dazu eingehend Kemmler, Die Entstehung der Treuhandanstalt, Frankfurt a.M.lNew York 1994, S.48 ff. (Wahrung des Volkseigentums als ursplÜnglicher Auftrag der Treuhandanstalt), 96 f. (Ullmanns Vorstoß bei Modrow). 90 ,Erklärung der Regierung der DDR zu den Eigentumsverhältnissen an Michail Gorbatschow und Helmut Kohl übermittelt', in: Außenpolitische Korrespondenz 34 (1990), Nr. 9, S. 68 f. (s.a. auszugsweise in Anhang 4 ["Bodenreform"-Dokumentation]). Vgl. Hacker, Die außenpolitische Lage der DDR und die deutsch-deutschen Beziehungen, in: Deutschland im weltpolitischen Umbruch, Berlin 1993, S. 55 ff. (63 ff.); zum Wandel der sowjetischen Haltung in der deutschen Frage Meissner, Das "neue Denken" Gorbatschows und der Umbruch in der sowjetischen Europa- und Deutschlandpolitik, ebd., S. 23 ff. (38 ff.); zu den einzelnen (sich z.T. widersprechenden) Stadien i.e. Wettig, Die Rolle der UdSSR bei der Vereinigung Deutschlands, in:
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Die Reaktion der Sowjetunion auf dieses Ansinnen schlug sich sogleich beim ersten Zwei-plus-Vier-Treffen (auf Beamtenebene) am 14. März 1990 in Bonn nieder. Der Vertreter Moskaus verlangte, den Schutz der in der DDR entstandenen Eigentumsordnung auf die Tagesordnung der Gespräche zu setzen. Die Delegationen der Bundesregierung und der Drei Mächte lehnten dies rundweg ab91 : Sie wollten den Gegenstand nicht als Thema einer abschließenden Regelung in bezug auf Deutschland, sondern als deutsch-deutsche Frage behandelt wissen 92 • Die Reaktion Moskaus hierauf fand sich in einer TASS-Erklärung vom 27. März 1990. Die Pressemitteilung griff die Hinweise der DDR-Erklärung auf die historische und juristische Verankerung der Eigentumsordnung in der Besatzungszeit auf, ohne doch (wie gefordert) ein Festschreiben dieser Rechtsordnung und ihrer Institute in der gewünschten Breite und Tiefe zu fordern. Das sowjetische Anliegen war enger gefaßt. Es bestand aus einer (ost-)deutschen und einer genuin sowjetischen Komponente. Erstere läßt sich mit dem Stichwort "Bestands- und Vertrauensschutz für DDR-Bürger" umschreiben, letztere mit "Integrität der Besatzungsakte in den Jahren 1945 - 1949": "Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und Verantwortung in den deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der DDR ein, und sie ist gegen die Versuche, die Vermögensverhältnisse in der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens eines einheitlichen Deutschlands in Frage zu stellen. Das setzt voraus, daß beide deutsche Staaten im Prozeß ihrer Annäherung und Vereinigung davon ausgehen, daß die 1945 bis 1949 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsrnaßnahmen gesetzmäßig waren. Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögenswerten in der DDR in Abrede zu stellen, die seinerzeit mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite, die sich dabei von der Erklärung über die Niederlage Deutschlands, vom Potsdamer Abkommen und von anderen vierseitigen Beschlüssen und Entscheidungen leiten ließ, erworben wurden."93 Löw (Hrsg.), Ursachen und Verlauf der deutschen Revolution 1989, Berlin 1991, S.45 ff. Die interne sowjetische Sicht Z.Zt. der Zwei-plus-vier-Verhandlungen beschreiben Dawydow/Trenin, Die Haltung der Sowjetunion gegenüber der Deutschen Frage, EA 45 (1990), S. 251 ff. 91 Kiessler / Eibe, Ein runder Tisch mit scharfen Kanten. Der diplomatische Weg zur deutschen Einheit, Baden-Baden 1993, S. 185. 92 So ausdrücklich StS Kastrup bei deutsch-deutschen Vorgesprächen zu den Zweiplus-Vier-Verhandlungen am 9.3.1990, s.u. Anhang 4 ("Bodenreform"-Dokumentation). 93 Text (in deutscher Übersetzung) bei Neuhaus, in: Fieberg / Reichenbach, VermG, § I Rn. 178; mit geringfügigen Textabweichungen auch in Anhang 4 ("Bodenre-
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Das Thema Restitutionsausschluß war damit auf die multilateriale Ebene gehoben worden, während Ministerpräsident Modrows Vorstoß noch auf die zweiseitigen Verhandlungen zum Staatsvertrag gezielt und die Vermögensfragen vorerst zu einem innerdeutschen Problem erklärt hatte. Durch die TASS-Erklärung sollte das Thema zu einem Gegenstand der Zwei-plus-VierVerhandlungen über die Rechtsstellung eines vereinigten Deutschland als Ganzes aufgewertet werden, wie schon deren zeitliche Nähe zur Vereinbarung von Ottawa am 13. Februar 1990 zeigt. Welche Ziele die Sowjetunion damit im einzelnen verfolgte, läßt sich aus ihren nachfolgenden diplomatischen Schritten entnehmen. In einem Gespräch mit dem deutschen Verhandlungsführer, Staatssekretär Kastrup vom Auswärtigen Amt, am 9. April 1990 in Moskau sprach sich der sowjetische Verhandlungsführer für eine Einordnung der Potsdamer Beschlüsse in die laufenden Gespräche aus. Die langfristigen Ziele dieser Beschlüsse seien nach wie vor in Kraft; sie müßten im Rahmen der Sechs berücksichtigt werden 94 • Es war dies ein Ansinnen, das in engem Zusammenhang mit dem (seinerzeit noch vertretenen, später ebenfalls aufgegebenen) Wunsch der Sowjetunion stand, die Verantwortlichkeit der Vier Mächte für Deutschland als Ganzes so lange wie möglich über den Zeitpunkt einer etwaigen Wiedervereinigung hinaus zu konservieren. Nach den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 präzisierte Moskau seinen Standpunkt erstmals schriftlich, und zwar in einem Aide-memoire vom 28. April 1990. Unter Bezugnahme auf die vor ihrem Abschluß stehenden deutsch-deutschen Verhandlungen zum Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion forderte die Sowjetunion nun: "Nichts im Vertragsentwurf zwischen der BRD und der DDR darf dazu berechtigen, die Gesetzlichkeit der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die Vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder jede in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliegt keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane. ,,95 form"-Dokumentation). Die Datierung der TASS-Erklärung bei Steinberg (Die Verfassungsmäßigkeit des Restitutionsausschlusses sowjetzonaler Enteignungen im Einigungsvertrag, NJ 45 [1991], S. 1 ff. [5 m. Fn. 69]) ist unrichtig. Mit gleichem Inhalt des sowjetischen Verlangens Schweisfurth, Entschädigungslose Enteignungen von Vermögens werten (Betrieben) auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, BB 1991, S. 281 ff. (282 m. Fn. 8): Die Sowjetunion erwartete von bei den deutschen Staaten nur, daß sie "von der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft ausgehen, die in den Jahren 1945 bis 1949 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland durchgeführt worden sind" (so in ,Pravda' v. 28.3.1990). 94 Kiessieri EIbe, Ein runder Tisch mit scharfen Kanten, S. 186. 95 Zitiert nach Badura, Der Verfassungsauftrag der Eigentumsgarantie im wieder-
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Anders als noch die TASS-Erklärung, deren Wortlaut ein Aufgreifen und Einbeziehen der Modrow-Forderungen zumindest nicht ausschließt, konzentrierte dieses Memorandum die Forderung der Sowjetunion jetzt ganz auf die deutsch-sowjetische, also einseitig auf die besatzungsrechtliche Komponente der Vermögensfragen: Deutsche Stellen sollten nicht berechtigt sein, die seinerzeit von der Besatzungsmacht vorgenommenen Vermögenseingriffe und -verschiebungen nachträglich rechtlicher (d.h. vornehmlich gerichtlicher) Kontrolle zu unterwerfen oder deren Rechtskraft sonst rückwirkend durch Gesetz oder VerwaItungsmaßnahmen in Frage zu stellen. Von einem Konservieren der Wirtschafts- und Vermögensrechtsordnung der DDR pro futoro war hier nicht (mehr) die Rede. Dieses Thema konnte nach nunmehr übereinstimmender Lesart nicht Gegenstand des Zwei-plus-Vier-Vertrages sein. Es mußte vielmehr bilateral zwischen den deutschen Staaten selbst ausgehandelt und gelöst werden 96 • Alle späteren Erklärungen Moskaus halten diese Reduzierung auf die vom Status der Besetzung Deutschlands nach 1945 abhängenden Rechtsgeltungsfragen für Maßnahmen der Besatzungsmacht aufrecht; eben diese Reduzierung wird durch die jüngst erfolgten Erläuterungen beteiligter sowjetischer Verhandlungsführer noch einmal klargestellt97 • Außenminister Schewardnadse erklärte bei der ersten Außenminister-Konferenz der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen am 5. Mai 1990 in Bonn, selbstverständlich dürfe Deutschland die Legitimität der Maßnahmen und Verfügungen, die durch die Vier Mächte in ihren Besatzungszonen erfolgt seien, nicht revidieren oder in Zweifel ziehen. Der sowjetische Botschafter in Bonn, Kwizinskij, erklärte vier Tage später, daß bestimmte aus alliierter Zeit herrührende Bestimmungen festgeschrieben werden sollten, z.B. Beschlüsse über Landeigentum und Liegenschaften und andere Beschlüsse der Alliierten, deren Gültigkeit danach nicht mehr vor deutschen Gerichten angefochten werden dürfte. Der sowjetische Außenminister vertrat gegenüber seinem deutschen Amtskollegen am 23. Mai 1990 in Genf die Position, das vereinte Deutschland müsse die historische Legitimität der Maßnahmen der Vier Mächte anerkennen, wozu die Vergesellschaftung von Eigentum und insbesondere Maßnahmen hinsichtlich von Grundbesitz gehörten 98 . vereinigten Deutschland, DVBI. 1990, S. 1256 ff. (1259); s.a. in Anhang 4 ("Bodenreform"-Dokumentation). 96 Zum Zusammenhang zwischen äußerer Souveränität, Selbstbestimmungsrecht und innerer Eigentumsordnung Seiftert, Selbstbestimmungsrecht und deutsche Vereinigung, Baden-Baden 1992, S. 149 ff. 97 Vgl. die Nachweise oben Fn. 86. 98 Kiessler/Elbe, Ein runder Tisch mit scharfen Kanten, S. 186 f., auch zum folgenden; ergänzend aus sowjetischer Sicht Kwizinskij, Vor dem Sturm. Erinnerungen eines Diplomaten, Berlin 1993, S. 40 ff.; Text (mit geringfügigen übersetzungsbeding-
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Die genaueren Vorstellungen der Sowjetunion zum Inhalt einer abschließenden Regelung, die damals noch Bestandteil des Zwei-plus-Vier-Vertrages werden sollte, präzisierte auf Beamtenebene ein Papier vom 9. Juni 1990. Gefordert wurde darin die "Anerkennung der Legitimität und Unumkehrbarkeit der Maßnahmen, die von den Vier Mächten in ihren Besatzungszonen zu politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fragen getroffen wurden". Beim nachfolgenden Außenministertreffen in Berlin am 22. Juni 1990 legte die Sowjetunion die Forderung erneut und noch etwas mehr ins Detail gehend vor, ohne ihr Grundanliegen zu ändern: ,,4. Das vereinte Deutschland erkennt die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen und Beschlüsse an, die von den vier Mächten in den Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder einzeln in den jeweiligen Besatzungszonen getroffen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, darunter auch zu Fragen der Vermögen und des Eigentums an Grund und Boden, dürfen von deutschen Gerichten oder anderen deutschen Staatsorganen nicht überprüft oder revidiert werden.,,99
Ein letzter Moskauer Entwurf zur abschließenden völkerrechtlichen Regelung der Vermögensfragen datiert vom 17. August 1990; er wurde bei einem Treffen der bei den Außenminister vorgelegt: "Die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland erklären, daß das vereinte Deutschland ... die Legitimität der Maßnahmen und Verordnungen anerkennt, die von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder von jeder in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen bzw. erlassen wurden. Die RechtmäBigkeit dieser Beschlüsse, darunter auch in Vermögens- und Bodenfragen, wird von deutschen Gerichten und anderen staatlichen Stellen nicht revidiert."loo
Die Frage der historischen Legitimität von Besatzungsrnaßnahmen wurde erneut gestellt bei einem Gespräch zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Verhandlungsführer am 27./28. August 1990 in Bonn. Die sowjetiten Abweichungen, die indes an der Sachaussage selbst nichts ändern) auch in Anhang 4 ("Bodenreform"-Dokumentation). 99 Kwizinskij, Vor dem Sturm, S. 42. Eine absolut unverrückbare Position der Sowjetunion war auch damit sicher nicht beschrieben; vgl. ebd., S. 47 die resignierende rhetorische Frage Schewardnadses nach einem Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister Baker: "Was wird von diesem Papier wohl übrigbleiben?" - Bruchlos in diese Linie fügt sich die bei Wasmuth (DtZ 1994, S. 142 m. Fn. 4) mitgeteilte, in der ("offiziösen") Darstellung von Kiessler/Elbe nicht enthaltene Entgegnung Kwizinskijs auf den deutschen Einwand ein, die Enteignungen im Rahmen der Bodenreform seien keine besatzungsrechtIichen oder besatzungshoheitlichen Maßnahmen, sondern solche der deutschen Länder und Stellen gewesen: Der UdSSR gehe es lediglich um alliierte, nicht um deutsche Entscheidungen. 100 Zitiert nach Wasmuth, NJW 1993, S.2476 ff. (2478); jetzt auch in Anhang 4 ("Bodenreform"-Dokumentation). Dazu Kwizinskij, Vor dem Sturm, S. 53 ff.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
sche Seite insistierte noch einmal nachdrücklich darauf - und untermauerte diese Forderung mit der innenpolitischen Lage, insbesondere mit der Notwendigkeit einer Ratifizierung durch den Obersten Sowjet -, daß eine Aussage der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Frage unverzichtbar sei. Die Frage, ob dem Interesse Moskaus - gerade im Hinblick auf seine eigene innenpolitische Lage - nicht schon durch eine (einfache) offizielle Mitteilung des Standes der bilateralen Verhandlungen Rechnung getragen werden können, wurde angesprochen, konnte aber nicht bejaht werden. Diese endgültige Entscheidung - nämlich der Beschluß, die bloße Mitteilung der Gemeinsamen Erklärung als Bestandteil des Einigungsvertrages durch einen Gemeinsamen Brief der beiden deutschen Außenminister an die Vier Mächte ausreichend sein zu lassen 101 - konnte dann beim letzten Zwei-plus-Vier-Beamtentreffen vom 4. - 7. September 1990 in Berlin getroffen werden. Dementsprechend verzichtete die Sowjetunion auf eine im Zwei-plus-Vier-Vertrag enthaltene Regelung der deutsch-deutschen Vermögensfragen; sie begnügte sich mit dem erwähnten Briefwechsel. Dieser sollte nicht einmal durch eine offizielle Bestätigung formal aufgewertet werden (und behielt damit seinen minderen Status). In eben diese Richtung gehen auch die neueren Einlassungen des ehemaligen sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow und anderer sowjetischer Verhandlungsführer lO2 • Auf oberster Ebene ist das Thema "Eigentumsordnung der sterbenden DDR" nach übereinstimmenden Aussagen nicht behandelt worden. Es gab insoweit aber auch keine verbindlichen Vorgaben für die nachgeordneten Detailberatungen des Zwei-plus-Vier-Vertrages, ganz zu schweigen von festen sowjetischen Verhandlungslinien für die deutsch-deutschen Wiedervereinigungsgespräche. Der ausschlaggebende, nicht verhandelbare Eckpunkt für die Sowjetunion war allein die Forderung nach Indemnität ihrer eigenen besatzungsrechtlichen Tätigkeit in den Jahren J945 -1949. Es sollte schlicht verhindert werden, daß die ehemalige Besatzungsmacht wegen der (unbestritten völkerrechtswidrigen) Konfiskationen im nachhinein noch juristisch belangt werden konnte - nicht mehr. Moskau hat weder die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und im Ostsektor Berlins für die Zukunft für unantastbar erklärt noch eine entsprechende Bedingung für die deutsch-deutschen Verhandlungen gestellt. Eine Deckungsgleichheit von historischer Indemnität der Konfiskationen und Verbot einer gesamtdeutschen 101 Gemeinsamer Brief des Bundesministers des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher, und des amtierenden Außenministers der DDR, Ministerpräsident de Maiziere, in: Stern/ Schmidt-Bleibtreu, Zwei-plus-Vier-Vertrag. Partnerschafts verträge, EG-Maßnahmenpaket (= Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 3), München 1991, S. 93. Zu Entstehung und Bedeutung des Zwei-plus-Vier-Vertrags i.e. Brand, Souveränität für Deutschland, Köln 1993, S. 95 ff., 243 ff. m.w.N. 102 Vgl. die Nachweise oben Fn. 86.
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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Neuordnung des besatzungsgeschichtlichen Enteignungskomplexes hat aus Sicht der Sowjetunion ersichtlich nicht bestanden 103 • Die Entwicklung der bilateralen, innerdeutschen Verhandlungen von ihren Anfängen über die Gemeinsame Erklärung bis zum Vermögensgesetz in Kürze nachzuzeichnen und zu bewerten, fällt etwas schwerer. Bisher sind nur wenige Stationen und Positionen der beiden Vertragspartner bekannt 104 . Zudem erfährt diese Binnenseite der Vermögensfragen insoweit zu Recht geringere Beachtung, als Kontinuität und Verhandlungsstärke der DDR unter dem Protest (Montagsdemonstrationen usw.) und Exodus ihrer Bürger und unter den allgemeinen AufIösungs- und Demokratisierungserscheinungen ebenso gelitten haben wie unter der instabilen parteipolitischen Lage der letzten Koalitionsregierung. Möglicherweise darf man daraus in der Tat die generelle Folgerung ziehen, die DDR habe "mangels Masse" keinerlei Vorbedingungen mehr stellen kännen 105 ; sie habe sich überall letztlich der bundesdeutschen 103 Die Bundesregierung versucht zwar offiziell, wie ihre Reaktion auf die jüngsten sowjetischen Erläuterungen (vgl. dazu unten Anhang 4 ["Bodenreform"-Dokumentati on]) zeigt, diese Identität weiterhin als sowohl seinerzeit gegeben als auch heute noch existent zu behaupten. In der Sache selbst hat sie allerdings den Boden der in der mündlichen Verhandlung zum Bodenreform-Urteil dargestellten Sachlage bereits ein gutes Stück verlassen. Den einschlägigen Presseberichten zufolge wird heute zumindest zugegeben, daß es nicht nur keine aktenkundigen Hinweise auf die behaupteten Forderungen der Sowjetunion gibt, sondern daß es im Sommer 1990 nur noch "politisch, nicht rechtlich" (Bundesminister Bohl in der Pressekonferenz anläßlich der Vorstellung der "Bodenreform"-Dokumentation am 2.9.1994) klar gewesen sei, daß diese Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen seien; ja es sei schlicht "vermutet" worden, die deutsche Einheit sei ohne den besatzungsbezogenen Restitutionsausschluß nicht zu erreichen. Im Klartext bedeutet dies: Ein rechtsverbindliches Verbot der Wiedergutmachung von Besatzungskonfiskationen durch Rückübereignung bzw. Rückübertragung hat die Sowjetunion nicht ausgesprochen. Warum hätte sich die UdSSR, die ihrerseits für ihr eigenes Land bereits die "Entkommunisierung" von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft eingeleitet hatte, bezüglich eines stets wenig geliebten ehemaligen Verbündeten auch anders verhalten, sich also für die Beibehaltung gerade der - nunmehr größtenteils überholten und vergangenen - kommunistischen "Errungenschaften" verkämpfen sollen? 104 So zeichnet etwa Neuhaus (in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § 1 Rn. 178 ff. die sowjetische Position in groben Zügen nach. Hier werden indes die Motive der DDR-Regierung ebenso ausgeblendet wie der Gang der deutsch-deutschen Verhandlungen zum Staats- und zum Einigungsvertrag. Dazu nunmehr die "Bodenreform"Dokumentation der Bundesregierung in Anhang 4.
105 So die heute wohl h.M.; vgl. Wasmuth, NJW 1993, S. 2481; a.A. etwa Motsch, DtZ 1994, S. 19 f.: "Gerade weil sie [die DDR] am Ende war und sich der Beitrittstermin trotz Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in immer kürzeren Abständen näherte, gerieten die Verhandlungen unter immer größeren Zeitdruck." Die daraus gezogene Schlußfolgerung, die DDR habe gerade wegen ihrer innenpolitischen Schwäche eine "verhandlungstaktische Stärke" ausspielen können, erscheint eher akademisch als realistisch; mit der Wirklichkeit der Umbruchzeit 1989/90 ist sie nicht
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Position fügen müssen. Diese Frage kann hier dahinstehen. Stark war die ostdeutsche Position in den Vermögensfragen gewiß nicht - jedenfalls seit sich die Sowjetunion nicht mehr "automatisch" hinter ihre Forderungen stellte bzw. seit kein Schulterschluß zwischen den beiden Ländern mehr existierte. Wie dem auch im einzelnen gewesen sein mag - für die Abwehr der im Zuge der Wiedervereinigung zwangsläufig auf der Tagesordnung stehenden Umgestaltung der sozialistischen Eigentumsordnung und ihrer Rechtsdoktrin jedenfalls war eine Unterstützung durch Moskau aus vielerlei Gründen nicht mehr gegeben lO6 • Die mit den Volkskammerwahlen im März 1990 ins Amt gekommene Regierung de Maiziere hatte Modrows Forderung nach Integrität der vermögensrechtlichen Lage im Bodenbereich übernommen. Wie weit diese Integrität reichen sollte, verdeutlicht ein Programmsatz aus den Koalitionsvereinbarungen vom 12. April 1990: "Auf dem Gebiet der Eigentumsproblematik sind folgende Maßnahmen erforderlich: Anerkennung der alliierten Rechtsprechung, Gesetz zur Sicherung der Eigentumsrechte aus der Bodenreform ••• ,,107. In der Regierungserklärung am 19. April 1990 erneuerte Ministerpräsident de Maiziere das Verlangen, die Verhältnisse jedenfalls im Landwirtschaftsbereich unangetastet zu lassen: "Im Namen der Regierung stelle ich fest: Die Ergebnisse der Bodenreform auf dem Territorium der DDR stehen nicht zur Disposition. Wir gehen aber davon aus, daß künftig alle Eigentumsformen gleichgestellt werden müssen. ,,108 Ursprünglich war bereits bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag über eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion geplant gewesen, die vermögensrechtlichen Probleme einzubeziehen und die diskriminierenden Enteignungen ebenso wiedergutzumachen wie die Konfiskationen der Besatzungsjahre. Dies gelang indes nicht, zum einen wegen des Moskauer Drucks auf die DDR-Regierung, zum anderen wegen des zentralen Anliegens Ost-Berlins, die bereits privaten - bzw. gerade auf dem Weg zur Privatisierung befindlichen - Besitz- und Nutzungsverhältnisse an Grund und Boden zu stabilisieren.
In einer Reihe von Verhandlungsrunden auf Staatssekretärsebene (Kinkel/ Krause) wurde dann noch vor Ratifizierung des Staatsvertrages die Gemeinvereinbar. Zudem spielte die DDR auf außenpolitischem Gebiet in den Zwei-plusVier-Verhandlungen eine reine Statistenrolle; dazu die Insidersicht bei Kiessler/Elbe, Ein runder Tisch mit scharfen Kanten, S. 189 ff. 106 So zutreffend Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § 1 Rn. 180. 107 Auszugsweise abgedruckt bei Motsch, DtZ 1994, S. 19 m. Fn. 3. lOH ,Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maiziere, auf der 3. Tagung der Volkskammer der DDR am 19. April 1990', in: Außenpolitische Korrespondenz 34 (1990), NT. 11/12, S. 85 ff. (90 f.).
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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same Erklärung vom 15. Juni 1990 formuliert. Sie sollte die Eckwerte des Übergangs von einer sozialistisch-kollektiven zu einer demokratisch-rechtsstaatlichen Eigentumsordnung festlegen. Die ursprünglichen Forderungen nach einer Konservierung der Vermögenslage - unter Aufrechterhaltung und Einbeziehung der Rechtsinstitute Volkseigentum und genossenschaftliches Eigentum -, wie sie von de Maiziere unter dem Stichwort: Kampf gegen jede Form der Restauration alter, d.h. vorsozialistischer Eigentumsstrukturen geführt worden war lO9 , konnten dabei von der DDR nicht durchgesetzt werden. Die Gemeinsame Erklärung näherte sich in ihren Rahmendaten, ausgenommen Nr. I, vielmehr ganz den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden materiell-rechts staatlichen Grundsätzen einer freiheitlichen, privatnützigen Eigentums- und Wirtschaftsordnung, wie sie schon der Staatsvertrag (Präambel, Art. 1 Abs. 3, 11 ff. StV) festlegt 11o • Wichtige rechtsstaatswidrige Enteignungen und Vermögensbelastungen waren rückgängig zu machen (Eckwert Nr. 3), es sei denn, vorrangige öffentliche Interessen oder der Schutz des Vertrauens von Eigentümern oder dinglich Nutzungsberechtigten verdienten Vorrang (ebd., lit. a, b). Bezüglich der Restitution von Vermögensverlusten, die nach der Besetzung Mitteldeutschlands durch die sowjetische Armee im Zuge der Umgestaltung zu einer sozialistischen Eigentums- und Wirtschaftsordnung vorgenommen worden waren, konnte bei den deutsch-deutschen Verhandlungen keine Einigkeit erzielt werden. Dies galt unabhängig davon, ob diese Konfiskationen durch die Besatzungsmacht selbst, durch deutsche Stellen auf deren Anweisung oder Veranlassung oder infolge eigener, "deutsch-hoheitlicher" Entscheidung beschlossen worden waren. Die Formulierung des Restitutionsausschlusses in Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung entstammt den Verhandlungen auf Staatssekretärsebene in den Wochen vor dem 15. Juni 1990. Als Kompromißformel - "der Komprorniß bedeutete, daß wir das Problem zwar nicht lösten, es aber zur Kenntnis nahmen"l1l - faßt sie den damaligen Stand der Verhandlungen sowohl auf Zwei-plus-Vi er-Ebene als auch im innerdeutschen Verhältnis zusammen - nicht mehr. Der Anteil der DDR-spezifischen Komponente des Restitutionsausschlusses wird weder dokumentiert noch besonders ausgewiesen. Er schlug sich im Text allein in den Schutzvorschriften für die eigenen Bürger (etwa in Eck109 So de Maiziere in einem Vortrag anläßlich der Jahrestagung der Deutsch-deutschen Juristischen Vereinigung e.V. in Berlin am 5.12.1993, zitiert nach Wasmuth, VIZ 1994, S. 108 m. Fn. 9. 110 Eine dem Grundgesetz entsprechende Schutzgewähr für privates Eigentum sollte damit aber, Intentionen eines "sozialistischen Kapitalismus" (Gemeineigentum) aufnehmend, nicht verbunden sein; vgl. den Diskussionsbeitrag von Everling, in: Jayme/ Furtak, Der Weg zur deutschen Rechtseinheit, S. 312 ff. 111 So Schäuble, Der Vertrag, S. 106.
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wert 3 lit. a, b, 5) nieder. Mehr war aus der Sicht der Beteiligten (auf bei den Seiten) nicht möglich, aber auch nicht erforderlich. Zum einen war die Willensbildung gegenüber den (zurückhaltenden) Forderungen der Sowjetunion noch nicht zum Abschluß gelangt. Zum anderen handelte es sich bei der Gemeinsamen Erklärung nur um eine politische Absichtserklärung, die erst noch juristisch umgesetzt werden mußte 112 , nicht um einen Vertragsentwurf oder gar eine völker- oder staatsrechtliche Vereinbarung ll3 . Nicht außer acht gelassen werden darf schließlich, daß bereits das Ziel Wiedervereinigung durch Beitritt (nach Art. 23 GG a.F.), für sich genommen, eine Aufrechterhaltung des Rechtsinstituts Volkseigentum und seiner Ordnungsgehalte ausschloß. Insoweit trägt indes das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klärung der DDR-Position in den Verhandlungen zur Vennögensfrage bei l14 • Die Haltung der letzten DDR-Regierung und ihre Interessen bzw. Forderungen werden dort im Sachverhaltsbericht an hand der Aussagen der auf Regierungsseite Beteiligten ausführlich referiert; auf sie kommt es in der Tat an. Die DDR habe, heißt es dort, zunächst eine generelle Ablehnung des Restitutionsgrundsatzes verfolgt. Nachdem sich diese wegen der abwehrenden Haltung der Bundesregierung nicht habe durchsetzen lassen, habe Ministerpräsident de Maiziere den Standpunkt bezogen, daß aufgrund völkerrechtlicher Gesichtspunkte jedenfalls die Enteignungen unter sowjetischer Besatzungshoheit in der Zeit von 1945 bis 1949 nicht zur Disposition der beiden deutschen Staaten stünden. Die sowjetische Regierung habe diesen Standpunkt geteilt und im o.a. Aide-memoire bekräftigt. Einen spezifisch deutschen Begründungsansatz, der zum besatzungs(völker)rechtlichen Verlangen Moskaus hinzutritt, beinhaltet diese Aussage nicht (mehr). Daß man sich im weiteren Gang der deutsch-deutschen Verhandlungen nicht einigen konnte, dokumentierten das in dürre Worte gefaßte Bedauern und das - wie man heute sagen muß: zu optimistische - Caveat einer substitutiven späteren Regelung: "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies [die Unumkehrbarkeit der besatzungsgetragenen Enteignungen] im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß."
112 Vgl. den abgestimmten Katalog der Verhandlungsthemen für den Einigungsvertrag vom 9.7.1990, s.u. Anhang 4 ("Bodenreform"-Dokumentation). 113 Stern/ Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (= Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. I), München 1990, S.72. 114 BVerfGE 84, 90 (109 f.). Dieser Aspekt der Entscheidung ist bisher noch nicht ausreichend gewürdigt worden; angesichts der dürftigen deutsch-deutschen Quellenlage ist dies erstaunlich.
C. Der RestitutionsausschluB nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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Eckwert Nr. 13 lit. a der Gemeinsamen Erklärung beauftragte die DDR zum Erlaß der erforderlichen Rechtsvorschriften, also auch zum normativen Umsetzen der Eckwerte 1 und 3. Beides wurde sogleich unternommen: für Eckwert 1 zunächst in § 4 lit. a Anmeldeverordnung vom 11. Juli 1990 ("Diese Verordnung gilt nicht für a) Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungs hoheitlicher Grundlage") - ohne zeitliche Limitierung! -, sodann im Vermögensgesetz. Während für Eckwert 3 in §§ 3 ff. VermG eine detaillierte Regelung erarbeitet wurde, blieb es in § 1 Abs. 8 lit. aVermG für den Restitutionsausschluß bei der schematischen Übernahme des - ja politisch formulierten, nicht juristisch aufgearbeiteten oder gar ausgefeilten - lapidaren programmatischen Satzes in Eckwert 1; dabei wurde dieser indes nicht vollständig übernommen. Um dem politischen Programm der Gemeinsamen Erklärung ein normatives Korsett zu verpassen, erklärte Art. 41 EV die Gemeinsame Erklärung mittels Einbeziehung als Anlage III in den Einigungsvertrag zum Bestandteil des Wiedervereinigungsvertragswerkes und zugleich zu geltendem Bundesrecht. Abs. 3 dieser Vorschrift trägt i.V.m. Art. 44 EV dem Untergang des Vertragspartners dadurch Rechnung, daß Rechte zugunsten der DDR von jedem der neuen Bundesländer geltend gemacht werden können 1l5 . In Ermangelung anderer erreichbarer Unterlagen muß sich die Entstehungsgeschichte des Restitutionsausschlusses im Vermögensgesetz selbst auf einen referierenden Rückgriff auf die Erläuterungen der Bundesregierung beschränken I 16. Die Autoren - das Gesetz wurde von einer deutsch-deutschen Arbeitsgruppe formuliert, von der Volkskammer der DDR kurz vor der Wiedervereinigung beraten und vom Einigungsvertrag in Kraft gesetzt - umschreiben den negativen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 8 lit. a VermG mit einer doppelten Stoßrichtung. Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage würden - erstens - vorrangig durch eine zweifache Stichtagsregelung gegenüber dem in § 1 Abs. 1 lit. aVermG enthaltenen Restitutionsgrundsatz abgegrenzt: nach hinten durch das offizielle Kriegsende am 8. Mai 1945, nach vorne durch die Staatsgründung der DDR am 7. Oktober 1949. Über diese formale Einordnung der nicht zu restituierenden Tatbestände hinaus wird - zweitens - die Differenzierung in "besatzungsrechtlich" und "besatzungshoheitlich" erläutert. Gemeint sei, ob die Enteignungen in formeller Hinsicht auf entsprechenden Befehlen bzw. Anordnungen der sowjetischen Militäradministration oder auf Rechts- bzw. Hoheitsakten der Länder der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone oder kommunaler Stellen des sowjetischen Sektors von Berlin beruhten. Ergänzend zu diesen beiden Kriterien verdeutlichen die Erläuterungen das Normver115
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Dazu im einzelnen Wagner, Einigungsvertrag, S. 169 ff., 244 ff. BT-Drs. 11/7831.
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ständnis des Gesetzgebers bezüglich der zeitlichen Komponente insoweit, als es für die Beurteilung des Rechtscharakters der Maßnahme auf den Eingriffszeitpunkt - nicht also auf die spätere Abwicklung - ankomme l17 . Vorstehendes Nachzeichnen der Entstehung des Restitutionsausschlusses in § 1 Abs. 8 lit. aVermG ergibt - zusammenfassend - folgendes Bild. Die Formel von der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage geht auf die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 zurück. Bei ihr handelt es sich um eine politische Absichtserklärung, die erst über Art. 41 EV normativen Aussagegehalt erhielt, ohne ihre Ambivalenz dadurch zu verlieren. Die Bedeutung dieser Formel für die Akteure erschließt sich aus dem Bemühen der Sowjetunion und der DDR, die nach Kriegsende in Mitteldeutschland und im sowjetisch besetzten Sektor Berlins errichtete Eigentumsund Wirtschaftsordnung in ihrer Legitimität gegen rückwirkende Rechtsakte des wiedervereinigten Deutschland abzusichern. - Dieses Bemühen gründete auf seiten der Sowjetunion auf dem Verlangen, die in den Jahren 1945 - 1949 vorgenommenen Konfiskationen insoweit unberührt zu lassen, als sie von der Besatzungsmacht, d.h. von der Sowjetischen Militäradministration oder von den sowjetischen Stellen im Ostsektor Berlins aufgrund ihrer allgemeinen völkerrechtlichen Stellung im Rahmen der Viermächteherrschaft über Deutschland und Berlin veranlaßt oder durchgeführt wurden. Dieses Besatzungsrecht - und nur dieses - sollte keiner nachträglichen gerichtlichen oder legislativen deutschen Überprüfung unterliegen; ein späteres Zur-Verantwortung-Ziehen der Sowjetunion, der Erlaß von Unwerturteilen oder gar das Sanktionieren früherer Rechtsbrüche sollte ausgeschlossen werden. Ein Konservieren der sozialistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung war damit ersichtlich nicht bezweckt; es konnte angesichts des Wegfalls ihrer Grundlagen auch nicht (mehr) ernsthaft angestrebt werden. Eine Identität von besatzungsbezogenem Indemnitätsverlangen und Verbot der Wiedergutmachung durch Rückübertragung hat folglich aus sowjetischer Sicht nicht bestanden. - Auf seiten der DDR bestand anfänglich die Absicht, die mit der sozialistischen Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung verbundenen Rechtsinstitute und -lagen über die Wiedervereinigung hinüber zu retten (Regierung Modrow). Unter der Regierung de Maiziere reduzierte sich dieses Verlangen letztlich auf die Forderung, den Schutz des Vertrauens von Eigentümern oder dinglich Nutzungsberechtigten sicherzustellen (dieser Vertrauensschutz und jene Rückübertragung schließen sich bekanntlich nicht aus). Ausweislieh der Sachverhaltsfeststellung des Bodenreform-Urteils bezog die DDR-Regierung daneben (nur) den Standpunkt, wie er von
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Ebd., S. 3 f.
C. Der RestitutionsausschluB nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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der früheren Besatzungsmacht Sowjetunion selbst eingenommen wurde. Ein darüber hinausgehendes Verlangen der DDR, mittels eines Restitutionsausschlusses genuin "sozialistische Errungenschaften" zu konservieren, ist nicht feststellbar. Es hat jedenfalls keine normative Kraft erlangt. b) Objektivrechtliche Auslegung des Restitutionsausschlusses
Die Vorstellungen der am Entstehungsprozeß der Gemeinsamen Erklärung und des Vermögens gesetzes Beteiligten haben Bedeutung im Rahmen einer historischen bzw. genetischen Auslegung des Restitutionsausschlusses. Sie waren auch Grundlage für die verfassungsgerichtliche Nichtbeanstandung der Freistellungsklausel in Art. 143 Abs. 3 GG. Diese Interpretation steht freilich nicht für sich. Zwar kann sie im vorliegenden Fall erhebliches Gewicht beanspruchen, da es sich bei Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung und bei § 1 Abs. 8 lit. aVermG um Normen handelt, für deren Auslegung sich feste Grundsätze noch nicht haben bilden können l18 • Maßgebend für die Interpretation dieser Normen ist trotz allem aber der in ihnen zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, so wie er sich aus dem (übereinstimmenden) Wortlaut der Bestimmungen und aus dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt sind l19 • Die subjektive Meinung der am Entstehungsprozeß beteiligten Personen, also der Verhandlungsführer und der mit der Ausarbeitung der Verträge befaßten Regierungsmitglieder, ist unterstützend heranzuziehen; sie läßt sich aber nur mit der gebotenen Zurückhaltung verwerten 120. Diese Zurückhaltung ist im vorliegenden Fall aus zwei Gründen besonders angezeigt. Zum einen sind an der objektiven Richtigkeit der im Rahmen der Klagerwiderung und der mündlichen Verhandlung der Verfassungsbeschwerden zur Bodenreform von der Bundesregierung vorgetragenen Auslegung und Einschätzung des sowjetischen und ostdeutschen Restitutionsvorbehalts Zweifel aufgetaucht, die durch die zwischenzeitliche Veröffentlichung von Quellen und Erinnerungen Beteiligter verstärkt und durch die jüngsten Erklärungen des früheren sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow noch einmal aufgewertet und bestätigt wurden 121. Zum anderen hat der gesamtdeutsche Gesetz118
(45).
Vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE I, 117 (127); 55, 207 (226 f.); 62, I
119 St. Rspr., vgl. BVerfGE I, 199 (312); 8, 274 (307); 11, 126 (130 f.); 53, 135 (147); 79, 106 (121) u.ö. 120 BVerfGE 11, 126 (130). S.a. BVerfGE 6,55 (75), wonach die Meinung einzelner, an der Normsetzung beteiligter Personen über Sinn und Zweck einer Norm für ihre Auslegung nicht maBgebend sein kann. 121 Nachweise s.o. Fn. 87; dazu - eine Neubewertung ablehnend - BVerfG vom
5 Vitzthum/März
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geber selbst, wie gesagt, von der im Bodenreformverfahren noch behaupteten einigungsvertraglichen Verbindlichkeit einer strikt einheitlichen (extensiven) Interpretation der Restitutionssperre für alle vor 1949 angesiedelten Konfiskationen - auch solche exzessiver Natur oder willkürlicher Anwendung der ermächtigenden Vorschriften 122 - Abstand genommen. Er hat den negativen, formal bestimmten Anwendungsbereich der Vorschrift dadurch rechtsstaatlich objektiviert und partiell "materialisiert". Dies geschah zumindest in dreierlei Richtung; Das ursprüngliche (Vorrang-)Verhältnis von Konfiskationen der Jahre 1945 - 1949 zu Enteignungen der vorangegangenen NS-Zeit wird zugunsten der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung - entgegen der skizzierten Rechtsprechung des Kammergerichts 123 - umgestellt; - im Bereich der strafrechtlichen Rehabilitierung werden vor 1949 angesiedelte, im Zusammenhang mit Strafverfolgungsmaßnahmen stehende Konfiskationen rückgängig gemacht, auch wenn sie auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind 124 ; bei der Überprüfung des Erwerbs von Partei vermögen nach materiellrechtsstaatlichen Grundsätzen werden Konfiskationen zugunsten der Parteien aus der Besatzungszeit einbezogen und gegebenenfalls restituiert 125 • 15.4.1993 - 1 BvR 1885/92, VIZ 1993, S. 301; BVerwG vom 2.4.1993 - 7 B 28.93, DtZ 1993, S. 352; BVerwG vom 29.4.1994 - 7 C 47.93 (ZOV 1994, S. 320 ff.) und 7 C 59.93 (VIZ 1994, S. 411); vgl. Wasmuth, DtZ 1993, S. 334 ff.; Motsch, DtZ 1994, S. 19 f.; Wasmuth, VIZ 1994, S. 474 f. Der äußerst zurückhaltenden, eine Richtervorlage nach wie vor ohne vertieftes Eingehen ablehnenden Rechtsprechung des BVerwG (7. Senat) haben sich die Verwaltungsgerichte nolens volens angeschlossen; s. etwa VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 8 f. 122 BVerfGE 84, 90 (115). 123 § lAbs. 6 LV.m. Abs. 8 lit. a a.E. VermG; a.A. das KG (s.o. Fn. 80); dazu Niederleithinger, EWiR 1992, S. 199 f.; Rübsam, VIZ 1992, S. 69 f.; Düx, VIZ 1992, S. 257 ff.; Wesei, VIZ 1992, S. 337 ff.; s.a. BVerfGE 86, 15 ff. 124 § 1 Abs. 7 VermG LV.m. §§ 1, 3 11 StrRehaG; dazu Bruns/Schröder/Tappert, StrRehaG, § 3 Rn. 8 ff. 125 Dazu Papier, Das Partei vermögen in der ehemaligen DDR. Aktuelle Rechtsfragen der Feststellung, Sicherung und Verwendung, Berlin/New York 1992, S. 16 f.; von Amim, Wem steht das Vermögen der DDR-Parteien zu?, Baden-Baden 1993, S. 81 ff.; Starck, Die Behandlung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, Staatswissenschaften und Staatspraxis 2 (1991), S. 316 ff. (325 f.). Streitig ist hier allein, ob die Rückgabe der konfiszierten Vermögenswerte an die Alteigentümer zulässig (oder gar geboten) ist, oder ob der Wert statt dessen zugunsten gemeinnütziger Zwecke im Beitrittsgebiet zu verwenden ist (Anlage 11, Kapitel 11, Sachgebiet A, Abschnitt I1I, Nr. I lit. d EV LV.m. §§ 20a, b PartG DDR v. 21.2.1990); dazu Kunig, Die Parteien und ihr Vermögen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, Heidelberg 1995 (im Erscheinen), § 213, C III 6 m. Fn. 63 f.
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Es bedarf also einer von den historischen Zufälligkeiten - und von den im Laufe der Übersetzungen angefallenen fremdsprachlichen Nuancierungen 126 des individuellen Verständnisses der beteiligten Personen abstrahierenden, objektivrechtlichen Auslegung. Ihr Ziel ist die Feststellung des Inhalts von § 1 Abs. 8 lit. aVermG, wie er sich aus dem Wortlaut und vorrangig 127 aus dem Sinnzusammenhang ergibt. Dabei ist nicht am Wortlaut haltzumachen. Vielmehr ist dem sachlogischen Zusammenhang und dem im Gesamtkontext maßgeblichen Sinn und Zweck der Vorschrift nachzugehen 128 • Die in Rechtsprechung und Schrifttum bislang anzutreffenden Deutungen des Restitutionsausschlusses erfüllen diese Anforderungen größtenteils. Allerdings gehen vor allem die neueren Judikate (unausgesprochen) davon aus, daß - abgesehen von der zeitlichen Limitierung - die Ausführungen des Bodenreform-Urteils zur "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" der Konfiskationen für die einfachen Gerichte autoritative Wirkung bezüglich der Auslegung und Anwendung des Vermögensgesetzes entfalten. In diesem weiten Umfang ist dies indes nicht der Fall. Abgesehen vom bereits oben (unter C.I1) nachgewiesenen Fehlen einer generellen Bindung an die Interpretation einfachen Gesetzesrechts besteht eine solche auch in bezug auf die hier in Frage stehenden speziellen Elemente des Vermögensgesetzes nicht. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in zwei dem Bodenreform-Judikat nachfolgenden Entscheidungen - auf Kammer_ 129 wie auf Senatsebene 130 - klargestellt: Die Interpretation des Restitutionsausschlusses in seiner konkreten Reichweite muß am einzelnen Fall durch die Fachgerichte entschieden werden. Deren Auslegung ist vom Bundesverfassungsgericht hinzunehmen, solange sie nicht offensichtlich unhaltbar und das Ergebnis damit willkürlich ist. Eine verfassungsgerichtliche Vorgabe, genauer: eine authenti126 Insbesondere bei einem Vergleich der sowjetischen Verhandlungspapiere und Vertragsentwürfe rallt auf, daß mitunter Wortlaut und begrifflich exakte Bedeutung einzelner Termini voneinander abweichen je nachdem, ob die Übersetzung von deutschen Behörden, von sowjetischen Stellen oder von Dritten herrührt. Auch SatzsteIlung und Zusammenhang einzelner Wörter differieren vereinzelt mehr oder weniger stark. 127 Vgl. zum Nachrang der grammatischen Auslegung im vorliegenden Fall das zurückhaltende Votum in BVerfGE 84, 90 (114): " ... wenn man allein von deren Wortlaut ausginge ... Gleichwohl ... " 128 Vgl. BVerfGE 35, 263 (278 f.); 48, 246 (255 f.); 51, 304 (317). 129 BVerfG vom 24.6.1991 - I BvR 915/91, in: RGV, B 11 5: "Inwieweit nach der einfachrechtlichen Lage besondere Fälle, insbesondere solche von Willkür, nicht unter die angegriffene Regelung fallen, ist eine Frage des einfachen Rechts, deren Klärung den Fachgerichten vorbehalten bleibt." 130 BVerfG vom 25.3.1992 - I BvR 1859/91, BVerfGE 86, 15 (23 ff.); in der gleichen Richtung auch BVerfG vom 19.5.1992 - I BvR 986/91, BVerfGE 86, 133 (141 ff.).
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sche Interpretation der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" in § 1 Abs. 8 lit. aVermG, besteht somit nicht. Es gibt allerdings gute Gründe, die obiter dicto vorgenommene höchstgerichtliche Interpretation des Tatbestandes ernstzunehmen, solange und soweit sich die Grundlage der Auslegung nicht als brüchig oder gar als unrichtig erweist. Daß in Nachgang zum Bodenreform-Urteil solche Unsicherheiten aufgetreten, ja Bruchstellen aufgedeckt worden sind, wurde bereits festgestellt. Die Frage, wie weit sie dazu zwingen, die Auslegung der Restitutionssperre neu zu überdenken und den nun bekannt gewordenen Rechtstatsachen anzupassen, wird sogleich beantwortet. Hier ist vorerst nur daran festzuhalten, daß die Fachgerichte von Verfassungs wegen frei (i.S.v. nicht gesperrt) sind, sich diese neuen Rechtstatsachen zu erschließen und die vermögensrechtlichen Einzelfragen auf einer revidierten - sicheren - Tatsachengrundlage zu beantworten l3l . Mangels Sperre sind die Fachgerichte dazu nicht nur berechtigt, sondern - wie in jedem anderen Rechtsstaat - dazu auch verpflichtet. Zwei im Schrifttum wiederholt aufgeworfene und uneinheitlich beantwortete Fragen stellen sich im Zusammenhang mit einer objektivrechtlichen Auslegung des § 1 Abs. 8 lit. aVermG mit großer Dringlichkeit: In welchem Verhältnis stehen die hierfür heranzuziehenden Rechtsgrundlagen? Gibt es dabei gegebenfalls sachimmanente Restriktionen für die Berücksichtigung einzelner Interpretationsvarianten ? Sind einzelne nichtnormative Interpretationsgrundlagen in bestimmter Weise zu gewichten? Die erste Frage betrifft (in zeitlicher Reihung) das Verhältnis von Gemeinsamer Erklärung, Einigungsvertrag, Zwei-plus-Vier-Vertrag und Vermögensgesetz. Die zweite nimmt das Problem in den Blick, daß einzelnen regierungsamtlichen Erläuterungen im Zusammenhang mit dem Vermögensgesetz das Erklärungsgewicht versagt wird, das Motiven des Gesetzgebers im Regelfall zukommt. Die Formel von der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheltlichen Grundlage" entstammt, wie gesagt, der Gemeinsamen Erklärung. Sie wurde über Art. 41 EV Bestandteil des Wiedervereinigungsvertragswerks. In Art. 143 Abs. 3 GG wurde auf sie Bezug genommen. Auf internationaler Ebene wurden der Restitutionsausschluß durch den Gemeinsamen Brief der III Zu dieser Selbstverständlichkeit vgl. BVerfGE 7, 342 (351), wonach eine Gesetzesbestimmung "bei gleichbleibendem Wortlaut durch Veränderung der Verhältnisse einen Bedeutungswandel erfahren" kann; ergänzend dazu BVerfGE 14, 142 (149): "Eine rechtsirrige Handhabung kann für die Handhabung einer Norm nicht von Bedeutung sein."
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beiden deutschen Außenminister in den äußeren Kontext des Zwei-Plus-VierVertrages eingeführt. In § 1 Abs. 4 lit. a AnmVO und in § 1 Abs. 8 lit. a VermG wurde die Sperrformel übernommen - welch eine technisch-normative Karriere für ein bewußt nur politisch-diplomatisch formuliertes "agreement to disagree"! Nicht auf alIen jenen Ebenen finden sich Ansätze zu einer inhaltlichen Erklärung dieser Formel. Niederschlag im Text selbst hat der Restitutionsausschluß allein in der Gemeinsamen Erklärung, in der Anmeldeverordnung und im Vermögensgesetz gefunden. Die anderen Texte nehmen auf die getroffene Regelung lediglich Bezug, ohne zu ihrer Ausdeutung etwas beizutragen. Dies betrifft zunächst Art. 41 EV und - mit ihm unmittelbar zusammenhängend - Art. 143 Abs. 3 GG. Die im Zusammenhang mit dem Einigungsvertrag in das Grundgesetz eingeführte Bestimmung enthält eine Freistellung des Art. 41 EV und der auf ihm bzw. auf der dort implementierten Gemeinsamen Erklärung aufbauenden Durchführungsregelungen von verfassungsrechtlichen Maßstäben: Die Frage der Wiedergutmachung von "Eingriffen in das Eigentum" zwischen 1945 und 1949 solI nicht an Art. 14 GG gemessen werden; seinerzeit erfolgte Enteignungen sollen also mit der sachlich nächsten Grundrechtsgarantie nicht kollidieren können. Welche Eingriffe damit gemeint sind, sagt die Freistellungsregelung nicht. Sie nimmt hierzu nur Bezug - regelungstechnisch ist das alles andere als gelungen - auf andere Rechtsvorschriften und dort normierte Inhalte, ohne diese damit auf Verfassungsebene zu heben und dort festzuschreiben. Soweit im Kontext des Art. 41 EV Kollisionen einfachen Rechts mit Art. 14 GG in Betracht kommen, nimmt das Grundgesetz seinen Geltungsanspruch zurück. Dies bedeutet oder bewirkt freilich keine Verfassungsqualität des Restitutionsausschlusses. § 1 Abs. 8 lit. aVermG erhält nicht dadurch Rang und Verbindlichkeit von Verfassungsrecht, daß darauf dort Bezug genommen wird 132. Wollte der Gesetzgeber den Restitutionsausschluß modifizieren oder gar streichen, wäre hiergegen von Grundgesetzes wegen nichts vorbringen. Die partielle Freistellung des Gesetzgebers (Art. 1 Abs. 3 GG) von regulären verfassungsrechtlichen Geboten führt nicht zu der Verpflichtung, diese Abweichungen auf Dauer zu konservieren.
132 Vgl. Jarass / Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, München 21992, Art. 143 Rn. 2: "Art. 143 Abs. 3 verleiht diesen Regelungen keinen Verfassungsrang, sondern sichert lediglich ihre Verfassungsmäßigkeit"; ebenso Wasmuth, VIZ 1992, S. 81 ff. (84); ders., in: Clernm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. 320 m.w.N. Insoweit unterscheidet sich Art. 143 Abs. 3 GG nicht von anderen Bestimmungen des GG, die auf einfaches Recht Bezug nehmen oder seine Existenz voraussetzen. Eine rangangleichende und den Gesetzgeber bindende grundgesetzliche Rezeption des Restitutionsausschlusses liegt in Art. 143 Abs. 3 GG nicht. Unrichtig daher WeseI, VIZ 1992, S. 337 ff. (341).
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Auch auf internationaler Ebene wurde an den Restitutionsausschluß in Eckwert NT. 1 der Gemeinsamen Erklärung angeknüpft. Der Gemeinsame Brief der bei den deutschen Außenminister von Mitte September 1990 teilte den Vier Mächten Stand und Inhalt der bilateralen Verhandlungen mit. Insbesondere wurden die Aussagen der Gemeinsamen Erklärung zur Behandlung der Vermögensverluste aus Besatzungszeiten übermittelt. Daraus folgt indes nichts für den Inhalt des Restitutionsausschlusses, was über den Stand der Interpretation hinausgeht, wie er sich den Verhandlungspartnern des Zweiplus-Vier-Vertrages und vor allem der Sowjetunion und der DDR aufgrund der laufenden deutsch-sowjetischen bzw. deutsch-deutschen Verhandlungen (s. oben unter C.III.3.a) darstellte. Zur Interpretation von § 1 Abs. 8 lit. a VermG trägt auch dieser Vorgang also nichts bei. Die in diesem Zusammenhang vieldiskutierte Frage, ob eine Streichung jener Sperrvorschrift mit den von der Bundesrepublik Deutschland im Zwei-plus-Vier-Vertrag eingegangenen völkerrechtlichen Pflichten kollidieren würde, stellt sich im Fall der Berliner Liste 3 nicht; sie wäre ohnehin zu verneinen 133 . Im Zusammenhang mit den objektivrechtlichen Grundlagen einer Auslegung der besatzungsgetragenen Sperrklausel stellt sich schließlich die Frage: Weisen einzelne Materialien zur Entstehung und Deutung des § 1 Abs. 8 lit. aVermG aus singulären Gründen ein besonderes (leichteres oder schwereres) Gewicht auf? Bedenken gegen eine Einbeziehung solcher Unterlagen wurden im Schrifttum teilweise bezüglich der amtlichen Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz geäußert, die im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum Einigungsvertrag dem Deutschen Bundestag als Unterrichtung zugeleitet wurden 134. Vor allem Wesel wehrt sich - in Zusammenhang mit den Änderungen des § 1 Abs. 8 VermG durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz - gegen eine Berücksichtigung dieser Erläuterungen 135. Bundesregierung und Bundestag hätten, so WeseI, dieses Gesetz nicht zu verantworten; es handele sich um ein solches der DDR. Die Erläuterungen könnten daher nicht die Begründung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz darstellen; sie gäben allein Auskunft über die Haltung der Bundesregierung zur Interpretation eines Gesetzes der DDR. Eine authentische Interpretation des Vermögensgesetzes enthielten diese Erläuterungen demzufolge nicht. Sie seien daher grundsätzlich auch nicht zur Auslegung dieser Vorschriften heranzuziehen. Diese enge, überspitzte Sicht überzeugt nicht. Beim 133 Nachweise bei Graf Vitzthum, DZWiR 4 (1994), S. 11 m. Fn. 57; Blumenwitz, Die besatzungshoheitlichen Konfiskationen in der SBZ, BayVBI. 1993, S. 705 ff. 134 BT-Drs. 11 /7831; abgedruckt auch in: Clemm, Rechtshandbuch Vennögen und Investitionen, E 100.1.
135
Wesel, VIZ 1992, S. 337 ff. (338 f.).
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Vennögensgesetz handelt es sich - erstens - nicht um ein Gesetz, das die DDR in "souveränem Alleingang", ohne Rücksicht auf Inhalte und Zwänge der parallel laufenden deutsch-deutschen Verhandlungen, entworfen und beschlossen hat. Eckwert Nr. 13a der Gemeinsamen Erklärung übertrug vielmehr bewußt der DDR - auf ihren Wunsch - die Aufgabe, die "erforderlichen Rechtsvorschriften und Verfahrensregelungen" zur Umsetzung der in den anderen Eckwerten gemeinsam politisch vorfonnulierten Vennögensfragen zu erarbeiten. Es handelte sich also um ein abgestimmtes Verhalten, nicht um eine selbständige Aktion der DDR: Kooperation, nicht Alleingang. Das Vennögensgesetz wurde - zweitens - von Experten beider deutscher Staaten in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe geschaffen; insofern ist die Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland Bestandteil des Vennögensgesetzes, steht also nicht außerhalb dieser Vorschriften; eigene Erläuterungen zum Gesetz aus DDR-Feder gibt es angesichts der geschilderten Sachlage niche 36 . Der - dritte - Vorwurf schließlich, die Erläuterungen könnten nicht den Anspruch erheben, eine authentische Interpretation des Gesetzesinhalts zu sein, liegt schon im Ansatz neben der Sache. Erläuterungen zu Gesetzentwürfen enthalten immer nur Rechtsmeinungen der damit befaßten Personen oder Organe, nie eine autoritative Entscheidung. Eine authentische Interpretation kann unter dem Grundgesetz immer nur der Normgeber selbst auf gleicher Nonnebene leisten - im Rahmen der Verfassung 137 • Daß die Erläuterungen dies enthalten oder leisten wollen, wird auch Wesel nicht behaupten. Es bestehen also keine Bedenken, die Erläuterungen zum Vennögensgesetz (nur) als das zu nehmen und heranzuziehen, was sie sein wollen: die Offenlegung der Rechtsmeinung u.a. der Bundesregierung zu Motiven und Inhalt der Vorschriften, wie sie im Rahmen der gemeinsamen Erarbeitung auf Beamtenebene entwickelt und verstanden wurden. Daß diese Meinung vom Gesetzgeber selbst rezipiert wurde und weiterhin aufrechterhalten wird, zeigt der Umstand, daß das Vennögensgesetz seither mehrfach geändert wurde, gerade im Bereich des Restitutionsausschlusses, und daß der Deutsche Bundestag in diesem Zusammenhang sich jene frühen Erläuterungen stets zu eigen gemacht hat. An der Zulässigkeit eines Heranziehens dieser ursprünglichen Erläuterungen zu zweifeln, besteht demnach kein Anlaß. Matsch, VIZ 1993, S. 41 ff. (44 m. Fn. 11). Treffend Jenny, Zur Lehre und Praxis der authentischen Interpretation, ZSchwR 128 I = NF 106 I (1987), S. 213 ff. (218): "Die Auslegung, die der Normgeber selbst in einer mit der auszulegenden Norm gleichstufigen Norm mit Bindungskraft für alle Anwendungsfälle vornimmt, wird herkömmlicherweise als authentische Interpretation bezeichnet." Einzelheiten hierzu bei Droste-Lehnen, Die authentische Interpretation. Dogmengeschichtliche Entwicklung und aktuelle Bedeutung, Baden-Baden 1990, S. 269 ff.; M. Schmidt, Authentische Interpretation und Verfassung, ÖJZ 42 (1987), S. 428 ff. 136
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Ziel einer sachgerechten Auslegung des Restitutionsausschlusses hat - zusammenfassend betrachtet - eine von historischen Zufälligkeiten freie, objektivrechtliche Entfaltung des Gehalts von § 1 Abs. 8 lit. aVermG zu sein, wie er sich aus Wortlaut und Sinnzusammenhang ergibt. Dabei ist dem im Gesamtkontext maßgeblichen Sinn und Zweck der Vorschrift nachzugehen. Rechtsgrundlagen dieser Auslegung sind (nur) die Gemeinsame Erklärung und die nachfolgenden einfachgesetzlichen Ausformungen, vorrangig die Sperrklausel des Vermögensgesetzes. Weder Art. 143 Abs. 3 GG noch die Einführung des Eckwerts Nr. 1 in die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen tragen zur Vergewisserung des Inhalts der Sperrklausel bei. Hingegen bestehen keine Bedenken, zur Ermittlung des von der Bundesregierung im Rahmen der Wiedervereinigungsgesetzgebung Gemeinten auf die Erläuterungen zum Vermögensgesetz zurückzugreifen. c) Besatzungsrecht und Besatzungshoheit
Die Entstehung des Restitutionsausschlusses hat bei allen Unsicherheiten in der exakten Feststellung der sowjetischen und ostdeutschen Forderungen die Bundesrepublik Deutschland nahm diese, wie gesagt, ausdrücklich nur "zur Kenntnis", verhielt sich also bewußt lediglich rezeptiv - gezeigt, daß das Ergebnis der Formulierung in Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung zwei Stoßrichtungen aufwies: eine sowjetische und eine DDR-staatliche. Erstere verlangte die Exklusion ihrer alliierten, auf der Verantwortung der Vier Mächte für ganz Deutschland und der Sowjetunion für ihr Besatzungsgebiet ruhenden Tätigkeit. Das Besatzungsregime in allen seinen Rechtsgrundlagen, Handhabungen, Rechtfertigungen und Rechtsfolgen sollte der Revision durch deutsche Organe verschlossen bleiben - nicht mehr. Dieses Motiv, die Recht- bzw. "Gesetzmäßigkeit" der besatzungsgetragenen Maßnahmen nicht in Frage zu stellen, unterstützte die DDR von Anfang an, wenngleich es für sie nicht die tragende Komponente war. Die Regierungen Modrow und de Maiziere zielten nicht nur auf den Ausschluß einer Restitution von Vorgängen in den Jahren der Besatzung, sondern auch der DDRZeit, um dadurch sowohl den seinerzeit als auch den nach und nach erworbenen Besitzstand ihrer Bürger, insbesondere die privaten Eigentums- und dinglichen Nutzungsverhältnisse im Bereich der Landwirtschaft, zu konservieren. Letzteres (Restitutionsausschluß auch für die Jahre 1949 - 1989) war, wie gezeigt, 1990 nicht durchzusetzen. Auch das anfangs mehr, dann immer weniger parallel verfolgte generelle Bemühen um eine Aufrechterhaltung allgemeiner sozialistischer Wirtschafts- und Vermögens strukturen wurde am Ende der Verhandlungen ganz aufgegeben. Was blieb, war neben der Besitzstandswahrung bei "redlichem Erwerb" die unbesehene Propagierung des
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Standpunkts: Aufgrund Völkerrechts stünden die besatzungsbestimmten Konfiskationen nicht zur gesamtdeutschen Disposition. Nur in dieser Zuspitzung macht die Aussage des letzten DDR-Ministerpräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht Sinn 138 • Die DDR-Regierung hatte zum einen die Wahrung des Besitzstandes ihrer Bürger in der Gemeinsamen Erklärung absichern können (vgl. Eckwert 3 lit. a und b, 5, 8). Zum anderen mußte sie als vermögensrechtliche Generalklausel akzeptieren, daß unter diskriminierenden Umständen (vgl. Präambel) enteignetes Grundvermögen den ehemaligen Eigentümern bzw. ihren Erben zurückzugeben war (Eckwert 3). Ausnahmsweise seien bestimmte Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen: die Konfiskationen "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage". Für sie sähen die Sowjetunion und die DDR - man beachte die Reihenfolge in einer deutsch-deutschen Vereinbarung! keine Revisionsmöglichkeit. Eckwert Nr. 1 enthielt aus DDR-Sicht also keine "eigene" qualitative Forderung mehr; das Vertrauensschutzmotiv war bereits an anderer SteIle berücksichtigt worden. Andere legitime, "nationale" Motive für einen Restitutionsausschluß sind nicht ersichtlich; sie wurden auch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht von der letzten Regierung der ehemaligen DDR nicht vorgetragen. Für eine letztendliche Beschränkung der Haltung der sterbenden DDR auf das Adaptieren und Intensivieren der Forderung nach Anerkennung der sowjetischen besatzungs(völker)rechtlichen Position durch die Bundesrepublik Deutschland spricht auch ein Aspekt, der bislang nicht erörtert wurde: der einer verfassungsrechtlichen Bindung der DDR zum Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertragswerkes. Auf ihn hat Wasmuth zu Recht aufmerksam gemacht 139 . Seit dem Inkrafttreten des Verfassungsgrundsätzegesetzes am 17. Juni 1990 140 unterlag die Regierung der DDR demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzipien, wie sie das Grundgesetz u.a. in Art. 20 enthält. Die Vorschriften der alten sozialistischen Verfassungsordnung waren fortan (nur noch) in diesem Sinne anzuwenden (Art. lAbs. 2 S. 1); die vormalige einseitige Verpflichtung auf die sozialistische Staats-, Wirtschafts- und Rechtsordnung war aufgehoben (Art. 1 Abs. 2 S. 2).
138 139
Vgl. BVerfGE 84, 90 (109). Wasmuth, VIZ 1994, S. 108 ff.
140 Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 17. Juni 1990, GBI. DDR I S. 299; dazu Mampel, Das Ende der sozialistischen Verfassung der DDR, DA 23 (1990), S. 1377 ff. (1387 f.); Hannemann/Bergmann, Zur Gesetzgebung in der DDR nach dem 18.3.1990, DtZ 1990, S. 183 ff. (183). - Der Sache handelte es sich nicht um Verfassungsergänzung (so aber die Präambel), sondern um Verfassunggebung; vgl. Quaritsch, Eigenarten und Rechtsfragen der DDR-Revolution, VerwArch. 83 (1992), S. 314 ff. (319 f.).
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Von besonderer Bedeutung ist in unserem Zusammenhang der Verfassungsgrundsatz in Art. 1 Abs. 1 S. 1, wonach die DDR nun ein "freiheitlicher ... Rechtsstaat" nach verfassungsstaatlichem Vorbild sein sollte. In Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 S.2 der DDR-Verfassung von 1974 ("Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich") galt seit dem 17. Juni 1990 auch in Mitteldeutschland also das Verbot, gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln. Es bedurfte m.a.W. angesichts der Grundsatzentscheidung für die Rückgabe in Eckwert 3 (Regel) einer besonderen Rechtfertigung für den RestitutionsausschluB in Eckwert 1 (Ausnahme). Wegen der Sperre in Art. 1 Abs. 2 S. 2 Verfassungsgrundsätzegesetz konnte diese Rechtfertigung nicht mehr in einer Berufung auf "sozialistische Errungenschaften" wie Volkseigentum oder die in Art. 9-15 DDR-Verf. 1974 verankerten ökonomischen Grundlagen sozialistischer Staatlichkeit bestehen. Letztere war überdies bereits durch die Festlegungen des Staatsvertrages weitestgehend entwertet worden. Gegen diese verfassungsfeste, rechtlich sanktionierte (vgl. Art. 1 Abs. 3 S. 1 Verfassungsgrundsätzegesetz) Bindung der ostdeutschen Verhandlungsposition könnte nur der (im Ergebnis stark formalistische) Einwand erhoben werden, die Gemeinsame Erklärung datiere vom 15. Juni 1990, das Verfassungsgrundsätzegesetz sei aber erst zwei Tage später in Kraft getreten 141, erstere könne also nicht an letzterem gemessen werden. Der Einwand geht schon deshalb fehl, weil es sich bei der Gemeinsamen Erklärung damals noch um eine (nur) politische Absichtserklärung handelte. Normativen Charakter erhielten die Eckwerte, wie gesagt, erst mit Aufnahme in den Einigungsvertrag im August 1990 und dann in § 1 Abs. 8 lit. aVermG, ein Gesetz, das zeitgleich mit dem Einigungsvertrag in Kraft trat. Zu diesen Zeitpunkten aber war die DDR längst an die Inhalte des Verfassungsgrundsätzegesetzes gebunden. Die DDR-Regierung war demzufolge schon kraft eigenen Verfassungsrechts daran gehindert, im Rahmen der deutsch-deutschen Verhandlungen einen RestitutionsausschluB zu fordern, der nicht von sachgerechten Gründen getragen wurde. Solche Gründe konnten nicht mehr im Konservieren von Grundsätzen der sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung liegen. Gesichtspunkte des Bestandsschutzes für DDR-Bürger (Rechte von Siedlern, Pächtern, dinglich Nutzungsberechtigten usw.) waren für die vollständige Exemtion aller Konfiskationen nicht tragfähig; ihnen wurde ja 141 Wasmuth zufolge (DtZ 1994, S. 142 m. Fn. 7) hat Altministerpräsident de Maiziere anläBlich der Jahrestagung der Deutsch-deutschen Juristischen Vereinigung am 5.12.1993 darauf hingewiesen, die DDR habe bewuBt das Verfassungsgrundsätzegesetz erst nach Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung in Kraft gesetzt, um im Hinblick auf den RestitutionsausschluB keinen demokratisch-rechtsstaatlichen Bindungen zu unterliegen. Hier hat offensichtlich der geradezu sophistisch argumentierende Anwalt im Staatsmann letzteren in die Irre geführt.
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durch andere, besondere Schutzvorschriften in der Gemeinsamen Erklärung und im Vermögensgesetz Rechnung getragen. Als einziger legitimierender Grund für das Revisionsverbot kann daher - verfassungskonformes Handeln der DDR-Regierung vorausgesetzt - nur das sowjetische, auf besatzungs(völker)rechtliche Grundsätze gestützte Verlangen ins Feld geführt werden. Damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie es um die besatzungs(völker-)rechtlichen Grundsätze konkret bestellt ist, auf welche sich die Sowjetunion (und ihr folgend die DDR) ausweislich der oben dargestellten Genese des Restitutionsausschlusses (s. C.m.3.a) berufen hat, und die von der Bundesrepublik Deutschland aus wiedervereinigungspolitischen Gründen "zur Kenntnis genommen" wurden. Der Restitutionsausschluß spricht von Vorgängen in der Besatzungszeit. Er unterscheidet zwischen einer besatzungsrechtlichen und einer besatzungshoheitlichen Grundlage. Der Mangel einer näheren authentischen Erklärung des Verständnisses dieser Grundlagen durch den Normgeber selbst legt die Annahme nahe, daß Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung damit außerhalb der Vertragsverhandlungen feststehende oder doch in ihrem Kernbestand geläufige und konsentierte Topoi rezipiert hat. In der Tat kennt das Kriegsvölkerrecht den (Sammel-)Begriff des Besatzungsrechts. Hierunter werden - auf der Grundlage der Haager Landkriegs-
ordnung von 1907 und der Vierten Genfer (Rotkreuz-)Konvention von 1949 - alle Rechtsvorschriften, Einzelakte und Judikate verstanden, durch welche die Besatzungsgewalt ausgeübt wird. BesatzungsgewaIt ist militärische Gewalt über fremdes Staatsgebiet, Besatzungsrecht ihre normative Ausprägung. Die Besatzungsmacht übt im besetzten Gebiet eigene hoheitliche Gewalt aus, die ganz oder teilweise an die Stelle der verdrängten Hoheitsgewalt des besetzten Staates tritt. Diese Gewalt, durch eine effektive Besetzung "tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen" (Art. 43 HLKO), beruht auf Kriegsvölkerrecht, nicht auf der Staatsgewalt des besetzten Landes. Auf der Grundlage dieser völkerrechtlichen Stellung erläßt die Besatzungsmacht Vorschriften für das besetzte Gebiet. Diese sind eigene, vom Recht des Okkupierten zu unterscheidende Rechtsnormen; sie müssen den völkerrechtlichen Vorgaben entsprechen. Sie besitzen zeitlich und inhaltlich begrenzte, weil vorläufige und funktionell limitierte Gültigkeie 42 • 142 Vgl. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 11: Kriegsrecht, München 1969, S. 122 ff.; WengIer, Völkerrecht, Bd. 11, Berlin u.a. 1964, S. 1415 ff., jeweils m.w.N. Gerade das BVerfG hat diesen Unterschied zwischen "eigenem" und "fremdem" Recht betont; s. E 41, 126 (159, 166). Zu den Hintergründen Blankenagel, Verfassungsgerichtliche Vergangenheitsbewältigung, ZNR 13 (1991), S. 67 ff. (79). - Zur Vorläufigkeit des alliierten Besatzungsrechts und zu den (vertraglichen) Grundlagen seiner Geltung s.a. Herdegen, Extrakonstitutionelle Grundnormen der deutschen Rechtsordnung?, Staat und Recht 39 (1990), S. 697 ff.
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Besatzungsgewalt kann in verschiedenen Formen wahrgenommen und durchgesetzt werden 143. Die Besatzungsmacht kann - erstens - die besatzungsrechtsetzende und -vollziehende Tätigkeit durch eigene Organe ausüben, d.h. Rechtshandlungen gegenüber der Bevölkerung des besetzten Gebiets selbst und unmittelbar, ohne Zwischen schaltung der Behörden des besetzten Staates, vornehmen. Die Besatzungsmacht kann - zweitens - Organe des besetzten Staates für die Ausübung der Besatzungsgewalt in Pflicht nehmen, sei es, daß diese im Einzelfall angewiesen werden, konkrete Rechtshandlungen auf der Grundlage besatzungserlassener Vorschriften vorzunehmen, sei es, daß sie ermächtigt werden, auf bestimmten Gebieten im bindenden Auftrag der Besatzungsmacht und unter deren direkter Kontrolle zu handeln, also (stellvertretend) z.B. Vorschriften zu erlassen und diese zu vollziehen. Je nach Intensität dieser Einflußnahme, z.T. auch je nach formeller Ableitung der einzelnen Rechtshandlungen läßt sich die Ausübung der Besatzungsgewalt entweder als direktes (offenes) oder indirektes (verdecktes) Besatzungsrecht bezeichnen, wobei die Übergänge fließend sind '44 • Entscheidend ist in jedem Fall die Abhängigkeit der Rechtsakte vom Willen der und von der Legitimierung durch die Besatzungsmacht. Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage sind in dieser allgemein akzeptierten besatzungs(völker)rechtlichen Sicht, bezogen auf unseren Sachverhalt, Enteignungen, die 1. direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, entweder weil sie in ihnen selbst vorgenommen (= Legalenteignungen) oder weil sie aufgrund dieser Rechtsvorschriften von den Organen der Besatzungsmacht selbst vollzogen wurden (= Administrativenteignungen); die 2. direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, aber von deutschen Behörden auf dieser bindenden Grundlage vollzogen wurden; oder die 3. auf deutsche Rechtsvorschriften zurückgehen und von deutschen Behörden vollzogen wur143 Zusammenfassend Bothe, Art. "Occupation, belligerent", in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Inst. 4, Amsterdam u.a. 1982, S. 64 ff.; für die Nachkriegsjahre s.a. Schweisfurth, Germany, Occupation after World War 11, in: Encyclopedia, ebd., Inst. 3, S. 191 ff.; eingehend zu Völkerrechtslehre und Staatspraxis Schwarzenberger, International Law. Bd. 11: The Law of Armed Conflicts, London 1968, S. 163 ff. Zu Einzelheiten der - mit der Lage in SBZ und Ost-Berlin nichts gemein habenden - westlichen Besatzungs(rechts)lage im Nachkriegsdeutschland von Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, Tübingen 1951, §§ 20 ff. 144 Vgl. BVerfGE 2, 181 (199 ff.); dazu Maier, "Verdecktes Besatzungsrecht", JZ 1953, S. 367 ff.; Hoepfner, Die rechtliche Natur der bizonalen Wirtschafts verwaltung, MDR 1949, S. 197 ff. Zum Verhältnis von Besatzungsrecht und Recht des Besetzten aus völkerrechtlicher Sicht allgemein Morgenstern, Validity of the Acts of the BelIigerent Occupant, BYIL 28 (1951), S. 291 ff.; Schwarzenberger, International Law 11, S. 183 ff.
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den, wenn und soweit dieses Handeln von der Besatzungsmacht vollständig vorgeschrieben war 145 . Daß auch letztgenannte Konstellation der Kategorie der besatzungsrechtlichen Grundlage zugeordnet wird, obwohl die Besatzungsmacht an Genese und Vollzug der Enteignungen formal und unmittelbar nicht beteiligt ist, ja ihre Urheberschaft nicht einmal nach außen dokumentiert zu sein braucht, beruht auf der Notwendigkeit funktionaler Betrachtungsweise. Die Besatzungsmacht muß sich kraft ihrer völkerrechtlichen Bindungen alle - aber auch nur diese - Rechtsakte zurechnen lassen, deren Urheber sie ist, die also gezielt auf ihrem Willen beruhen. Alle anderen Akte, die von deutschen SteIlen vorgenommen wurden und denen der Hintergrund einer Weisung der Besatzungsmacht fehlt, mag diese Macht auch politisch hinter den Akten stehen und sie gutheißen oder gar anregen und unterstützen, sind nicht Besatzungsrecht, sondern deutsches Recht. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: "Was die Intensität der Einflußnahme anlangt, so beeinträchtigten Anregungen und Wünsche der Besatzungsmacht sowie Ermächtigungen zur Gestaltung nach freiem Ermessen die freie Willensbildung der deutschen Instanzen nicht; es wird deshalb nirgends bezweifelt, daß es sich in solchen Fällen nicht nur der Form, sondern auch dem Wesen nach um deutsches Recht handelt, daß die Einflußnahme der Besatzungsmacht rechtlich keine Rolle spielt."146 Inhalt und Reichweite jener besatzungsrechtlichen Grundlage der Enteignungen im Restitutionsausschluß sind, sieht man von hier nicht näher zu betrachtenden Zweifelsfällen - einzelne Exzesse, "privates" Handeln von Besatzungsorganen 147 etc. - ab, konsentiert. In Rechtsprechung und Schrifttum bestehen indes Unklarheiten hinsichtlich der Bestimmung der Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Diese Irritationen beruhen in unserem Kontext vor allem darauf, daß Eckwert 1 und § 1 Abs. 8 lit. aVermG anscheinend - vom Normtext aus gesehen - von einem anderen, engeren Differenzierungskriterium ausgehen. In den amtlichen Erläuterungen zum Vermögensgesetz als den einzigen Materialien, die über das im Entstehungsprozeß der Vorschrift Gemeinte Auskunft geben können, finden sich zwei Anhaltspunkte. Zum einen wird 145 Neuhaus, in: FieberglReichenbach, VermG, § 1 Rn. 183; Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § I Rn. 366. - Das "deutsche", verdeckte Besatzungsrecht braucht dabei seine Weisungsabhängigkeit nicht ausdrücklich zu nennen; von Mangoldtl Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, Berlin/Frankfurt a.M. 21957, S. 13. 146 BVerfGE 2, 181 (199) (Hervorhebung hinzugefügt). 147 Zu einem solchen Fall (Privatkonfiskation eines sowjetischen Offiziers) BGHZ 7,64 = NJW 1952, S. 1289 f.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
den Enteignungen insgesamt Rechtscharakter beigelegt, d.h. die Konfiskationen werden nicht nur als faktische Vermögensverluste gesehen, sondern als rechtlich zumindest wirksam behandelt; zum zweiten soll die Differenzierung in " ... rechtlich" einerseits und " ... hoheitlich" andererseits einen formellen Hintergrund haben dergestalt, daß besatzungshoheitliche Enteignungen "auf Rechts- bzw. Hoheitsakten der Länder der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und kommunaler Stellen des sowjetischen Sektors von Berlin beruhen". Bei einer solchen, den Wortlaut isolierenden Betrachtungsweise wäre die Enteignung von den Behörden und Gerichten nun allein daraufhin zu untersuchen, von welchen Stellen sie seinerzeit vorgenommmen wurde und auf wessen Rechtsgrundlagen sie erfolgte. Läßt sich die Konfiskation dann formal entweder sowjetischen oder deutschen Organen und deren Vorschriften und Anordnungen zuordnen, soll sie dem RestitutionsausschluB unterfallen. Diese Deutung begegnet zwei schweren Bedenken. Sie hat - erstens - zur Folge, daß das formale Abgrenzungskriterium jedenfalls insoweit ungeeignet ist, als es keine vernünftige Abgrenzung zu leisten vermag - ja vielleicht soll es sogar keine Abgrenzung leisten können; damit wäre dann auf andere, normtextfeme (Stichtag) Kriterien zurückzugreifen. Besieht man sich die Spannbreite der möglichen Enteignungstatbestände und -konstellationen unter der sowjetischen Besatzungsmacht, so erfassen besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen zusammen die gesamte Breite des möglichen Konfiskationsspektrums. Bei der von den Erläuterungen vorgeschlagenen formellen Eingruppierung ist kein Enteignungsfall denkbar, der nicht unter eine der beiden Kategorien fällt. Die Differenzierung wäre in dieser Sichtweise überflüssig, ein Nichtunterscheiden unschädlich. Die vom Normgeber bewußt vorgenommene Kategorisierung wäre also wertlos mit der Folge, daß allein das Besatzungselement als Grundlage der Enteignungen eine limitierende und gegenüber den Fällen der Regel-Restitution (§ 3 VermG) aus- und abgrenzende Funktion erfüllen kann. Dieses Element ist aber bei der gewählten formellen Betrachtungsweise nicht in der Lage, eine sachgerechte Abgrenzung vorzunehmen. Die Besatzungslage entspricht in keiner Weise dem von den Autoren der Gemeinsamen Erklärung gewollten Zustand. Vor allem ist sie ein höchst unsicheres, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit (Präambel der Gemeinsamen Erklärung) nicht förderndes Kriterium. Wann die Besatzungslage konkret geendet hat, steht nicht fest und wird auch nicht fixiert. Stellt man insoweit wieder - dem genetischen Grundansatz des Restitutionsausschlusses folgend - auf die formelle Lage ab, so endete die Besatzungslage in der sowjetischen Zone frühestens mit der Souveränitätsgewährung am 25.3.1954 148 , vielleicht auch erst mit der 148 Beschluß der sowjetischen Regierung über Aufhebung der von der Sowjetischen Militäradministration und der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland erlas-
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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Aufhebung des zonalen Besatzungsrechts am 6.8.1954, wenn nicht gar - das formale Element noch weiter "konsequent durchführend" - erst mit der Auflösung der Hohen Kommission der UdSSR vom 20.9.1955 149 - dies alles also Daten, die weit jenseits des Gewollten und des von der Sowjetunion Geforderten und von der Bundesrepublik Deutschland Zugestandenen liegen. Noch absurder erscheint dieser Ansatz, wenn man die Berliner Sonderlage bedenkt. Diesbezüglich wurde ein eindeutiges Ende der Besatzungsgewalt nie offen ausgesprochen, und bestimmtes Besatzungsrecht galt bis zur Wiedervereinigung fort l50 • Das Besatzungsende lag jedenfalls nicht vor dem Jahr 1955 151 • Vielleicht fiel es sogar - zugegeben eine krasse Extremposition erst mit dem Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages zusammen. Ein alleiniges Abstellen auf eine formelle Unterscheidung des o.a. Inhalts hat - zweitens - zur Folge, daß es die tatsächliche Lage Deutschlands in der Besatzungszeit und deren Rechtsgrundlagen verkennt. Es suggeriert, es habe enteignendes Staatshandeln allein in den genannten Formen gegeben, nämlich als immer von der Besatzungsgewalt abhängig. Dieser Ansatz widerspricht aber - auch in bezug auf die Lage der SBZ und des Ostsektors Berlins dem Besatzungsvölkerrecht. Die Besatzungsmacht tritt nicht vollständig an die Stelle der Staatsgewalt des okkupierten Landes; sie überlagert diese nur. Deutsche Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit blieben also auch unter der sowjetischen Besatzung bestehen, soweit ihr nicht die höherrangigen Befugnisse der Besatzungsmacht entgegenstanden. senen Anordnungen (6.8.1954); abgedruckt bei: Krüger/ Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands. Nationale und internationale Texte zur Rechtslage Deutschlands, Frankfurt a.M. / Berlin 1962, S. 238. 149 Erklärung der Regierung der UdSSR über die Gewährung der Souveränität an die Deutsche Demokratische Republik vom 25. März 1954; Beschluß des Ministerrates der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der UdSSR in Deutschland vom 20. September 1955 (" ... hat der Ministerrat der UdSSR beschlossen, daß die in den Jahren 1945 -1948 in Ausübung der Besatzungsrechte der vier Mächte vom Kontrollrat in Deutschland erlassenen Gesetze, Direktiven, Befehle und anderen Verordnungen auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ihre Gültigkeit verlieren"); beides abgedruckt in: von Münch (Hrsg.), Dokumente des geteilten Deutschland, Bd. I, Stuttgart 1968, S. 329 ff., 331. Für dieses Datum Schweisfurth, BB 1991, S. 282. 150 Vgl. für West-Berlin die umfängliche Sammlung von Schräder, Das geltende Besatzungsrecht, Baden-Baden 1990. 151 Zumindest bis 1955 gehörte nach übereinstimmendem Verständnis aller Vier Mächte, also auch der Sowjetunion, kein Teil Berlins zu einem der beiden deutschen Staaten; Schräder, Das geltende Besatzungsrecht, S. 19. Der Vierrnächtestatus Berlins gemäß Vierrnächteabkommen der Jahre 1944/45 galt formell unbestritten jedenfalls bis zum 27.11.1958, dem Tag der Übergabe der sowjetischen Noten an die drei Westmächte, in denen diese Abkommen als ungültig bezeichnet wurden; vgl. Krüger/Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands, S. 248 Pn. 1.
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
Die Befugnis der Besatzungsmacht, im besetzten Gebiet selbst Rechtsnormen zu setzen und zu vollziehen oder sie durch abhängige deutsche Stellen setzen und vollziehen zu lassen, läßt die deutsche Staatsgewalt nicht untergehen; diese wird vielmehr nur verdrängt. Auf demselben Gebiet stehen also zwei Rechtsordnungen und damit auch zwei prinzipiell der Enteignung fähige Regime nebeneinander; dabei war das eine, das deutsche Regime, dem anderen, sowjetischen, rechtlich und faktisch hier insoweit untergeordnet, als in concreto kein Freiraum für deutsche Konfiskationsentscheidungen bestand. Dies bedeutet im Umkehrschluß, daß Enteignungen nur insoweit stattfinden konnten, als in dem von der Besatzungsmacht freigegebenen Rechtsraum deutsche Staatsgewalt ausgeübt wurde, und zwar von besonders dazu legitimierten deutschen - z.B. kommunalen - Organen. Deren Rechtsvorschriften und Vollzugsakte konnten sich dann nicht auf Besatzungsrecht berufen. Sie mußten mit der eigenen Rechtsordnung in Übereinstimmung stehen, es sei denn, die Besatzungsmacht befreite sie auch von der Beachtung höherrangigen deutschen Rechts. Setzt man nun jene eindimensionale formelle Sichtweise der Erläuterungen zum Vermögensgesetz in Beziehung einerseits zum abweichenden Gefüge der tatsächlichen Wahrnehmung staatlicher Aufgaben unter der Besatzungsgewalt und andererseits zur Zweckbindung des Restitutionsausschlusses: dem Verlangen nach einer Freistellung der Sowjetunion von der nachträglichen Verantwortung für ihre besatzungs(völker)rechtliche Tätigkeit, so kann die formelle Deutung der besatzungshoheitlichen Grundlage in § 1 Abs. 8 lit. a VermG für sich genommen nicht richtig sein. Sie greift zu weit, indem sie alle Enteignungen deutscher Stellen einbezieht, ohne den funktionalen Besatzungskontext ernstzunehmen. Sie befreit vom Restitutionsgrundsatz ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Konfiskationen handelt, für welche die Sowjetunion kraft ihrer Besatzungsgewalt Verantwortung zu tragen hat, oder ob es sich um Enteignungen handelt, die aufgrund freigegebener oder nicht verdrängter deutscher Staatsgewalt, also in eigener Regie durchgeführt wurden. Der legislative Zweck der Sperre wird mit dieser Deutung überschritten. Der tragende Grund für den Restitutionsausschluß wird zumindest überdehnt, wenn nicht gar vertauscht: § 1 Abs. 8 lit. a VermG wird von einer legitimen (und ganz üblichen) besatzungs(völker)rechtlichen Indemnitätsklausel zu einer "besatzungspolitischen" Freistellung für alle irgendwie in das sozialistische Konzept passenden Konfiskationen umgedeutet. Mit der Genese der Vorschrift ist diese Metamorphose so wenig zu vereinbaren wie mit dem konsentierten Sinn und Zweck der Norm. Für genuin deutsch verantwortete Enteignungen besteht, wie gesagt, keine Besatzungsverantwortlichkeit der Sowjetunion; daß solche "eigenmächtigen", besser: eigenverantwortlichen Konfiskationen in den Jahren 1945-1949, auch
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 Iit. a VermG
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im Ostsektor Berlins, stattgefunden haben, ist nachgewiesen I52 . Demzufolge läuft jene einseitig formelle Deutung darauf hinaus, daß nicht nur besatzungsrechtliches Verhalten, sondern auch deutschrechtliches, nicht besatzungsverantwortetes Handeln der Indemnitätsforderung der Sowjetunion zugeschlagen wird. Deren Einbeziehung war aber, wie oben gezeigt (unter C.III.3.a), von der Sowjetunion nicht gefordert und von der Bundesrepublik Deutschland nicht zugestanden worden. Einer parallelen Forderung der DDR-Regierung nach Indemnität ihrer (bzw. der SBZ) eigenverantwortlich vorgenommenen Konfiskationen aber fehlte - schon nach der Argumentation der sterbenden DDR selbst (Besatzungsvölkerrecht) - die Legitimität. Es fehlt demzufolge jeder vernünftige Grund dafür, zwischen diskriminierenden Enteignungen des DDR-Staates nach 1949 - die zu restituieren sind und selbstverantworteten diskriminierenden Enteignungen (ost-)deutscher Behörden vor 1949 zu unterscheiden. Wollte die DDR-Regierung schließlich 1990 nicht gegen ihr eigenes, soeben demokratisch und rechtsstaatlich reformiertes Verfassungsrecht verstoßen, mußte sie darauf dringen bzw. akzeptieren, daß alle diese "nationalen" Konfiskationsfälle gleichbehandelt werden. Eckwert I der Gemeinsamen Erklärung wie § lAbs. 8 lit. a VermG befreien also nicht von der Notwendigkeit, zwischen besatzungsrechtlich und besatzungshoheitlich zu unterscheiden. Diese Differenzierung hat anhand tragfahiger, der Sache angemessener, nicht nur formeller Kriterien zu erfolgen. Der Legitimationsanker für den Restitutionsausschluß liegt (nur) in der Forderung der Sowjetunion, von einer gesamtdeutschen Revision ihrer besatzungs(völker)rechtlichen Maßnahmen freigestellt zu werden. Es ist dies ein bloßes, traditionelles Indemnitätsverlangen. Ihm ist die Bundesrepublik Deutschland nachgekommen: keine Revision der "Gesetzmäßigkeit" der Konfiskationen - mehr nicht. Dieses begrenzte, übrigens auch etwa in Dekolonisationsfällen übliche, völkerrechtlich anerkannte Indemnitätsverlangen ist Grund wie Grenze der vermögensrechtlichen Sperrklausel. Nur was von der sowjetischen (Besatzer-)Gesamtverantwortung umfaßt wird, unterfällt demnach nicht der Rückübertragungsverpflichtung. Diese teleologische Reduktion des Normgehalts von Gemeinsamer Erklärung und Vermögensgesetz entspricht nicht nur einer objektivrechtlichen Interpretation der einschlägigen Vorschriften, sondern auch einer im Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts obiter dicto angesprochenen Auslegung. Nicht allein auf die politische Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht kommt es für die Qualifizierung einer Enteignung als "auf besatzungs152 Vgl. TatzkowlHenicke, Die Enteignungen im sowjetischen Sektor von Berlin sowjetisches Besatzungsrecht oder deutsche Willkür?, ZOV 1993, S. 80 ff.; Tatzkowl HenickelGreve, Die Enteignung unbelasteten Fremdvermögens unter dem Deckmantel des Besatzungsrechts, ZOV 1994, S. 362 ff. 6 VitzthumlMärz
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
hoheitlicher Grundlage" an, sondern darauf, ob besatzungs(völker)rechtlich eine Verantwortlichkeit für die Konfiskationen nachweisbar ist. Diese müssen "durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht worden ... [sein] und maßgeblich auf deren Entscheidung beruht haben"153; der Geschehensablauf muß ergeben, daß die Enteignung "von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht nur hingenommen wurde, sondern ihrem erklärten Willen entsprach"154. Vermögensämter und Gerichte kommen demzufolge nicht umhin, die konkreten Enteignungen - und nicht nur deren Grundlagen - daraufhin zu überprüfen, ob sie bei funktionaler Betrachtungsweise der rechtlichen Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht zugeordnet werden können (bzw. müssen) dann greift der Restitutionsausschluß -, oder ob sie auf einer gegebenenfalls vom generellen Wohlwollen der Sowjetunion getragenen, jedoch von (ost-) deutschen Stellen selbst verantworteten, ja sogar durch besatzungswidrige "Eigenmächtigkeiten" geschaffenen Rechtsgrundlage und I oder Vollzugshandlung beruhen - dann ist der Vermögensverlust grundsätzlich restitutionsfähig und zu restituieren. Der Rechtsanwender ist somit der Möglichkeit enthoben, allein auf der Grundlage einer formellen Zuordnung über ein Restitutionsbegehren zu entscheiden. Die Differenzierung zwischen besatzungs- und "deutschhoheitlichen" Enteignungen muß bei jedem einzelnen Verfahren durchgeführt werden. Die vom Bundesverfassungsgericht eingeführten, an seiner alten Rechtsprechung zur Abgrenzung von verdecktem Besatzungsrecht und deutschem Recht orientierten Unterscheidungstopoi geben die richtige Richtung an. Die Vermögensämter und die Rechtsprechung haben diesen schwierigen Weg zu Recht ganz überwiegend bereits beschritten. Sie haben insoweit das Vermögensrecht ein gutes Stück in Richtung Rechtssicherheit und Rechtsfrieden vorangebracht. Wie ihre z.T. divergierenden Ergebnisse indes zeigen, bedür153
BVerfGE 84, 90 (113).
BVerfGE 84, 90 (114); ihm folgend etwa VG Dresden vom 13.10.1993 - 11 K 1296/92, in: RGV, B 11 50; VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3). Nur bei strikter Einhaltung dieser - im Restitutionsverfahren nachzuprüfenden und nachzuweisenden - Voraussetzungen werden zudem Wertungswidersprüche zwischen vermögensrechtlichen Ansprüchen und anderen Bereichen der Wiedergutmachung vorrechtsstaatlichen sozialistischen Unrechts vermieden. So wird etwa im Kontext der strafrechtlichen Rehabilitierung der Verantwortungsbereich sowjetischer Militärtribunale eng ausgelegt und auf deren unmittelbare Entscheidungen radiziert. Der Vollzug rechtsstaatswidriger Besatzungsurteile durch DDR-Organe in DDR-Einrichtungen unterfällt hingegen nicht (mehr) der Verantwortlichkeit der Besatzungsmacht - mit der Folge, daß für zu Unrecht erlittene Haft in DDR-Justizvollzugsanstalten auch dann Entschädigung gewährt wird, wenn der Freiheitsentzug selbst von Entscheidungen der Besatzungsmacht getragen wird. Vgl. OLG Rostock vom 14.12.1993 - 11 Ws RH 27/93, VIZ 1994, S. 374. 154
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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fen die Differenzierungskriterien noch der Verfeinerung. Diese soll nachfolgend nicht abstrakt, sondern beispielhaft konkret anhand der Zuordnung von Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 erfolgen (dazu unten IV.). Auf ein generelles Kriterium (bzw. Nicht-Kriterium) ist jedoch vorab kurz einzugehen. Es ist für alle Fälle einer restitutionsfeindlichen Gesamtverantwortlichkeit der Besatzungsmacht von Bedeutung. Gemeint ist das Problem materiellrechtlicher Wirksamkeit und Richtigkeit der Konfiskationen. Vor dem Hintergrund einiger Aussagen des Bodenreform-Urteils mag diese Fragestellung auf den ersten Blick nebensächlich oder überflüssig erscheinen. Das Gericht hat die Möglichkeit offengehalten - wiewohl diesen Weg nicht vorgeschrieben -, in den RestitutionsausschluB auch EnteignungsmaBnahmen einzubeziehen, "bei denen die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Maßstäben willkürlich angewendet worden sind"l55. Auf der anderen Seite wird die Notwendigkeit einer Überprüfung der Rechtlichkeit von Konfiskationen sehr wohl gesehen und auch durchgeführt, mag der Gang der Überprüfung einen Teil der Rechtsfragen ausblenden und bei einem anderen an bestimmten Stellen abbrechen und ein Non liquet konstatieren. Eine einheitliche Meinung besteht zu diesem Problem in unserem Kontext nicht. Überwiegend werden aber wohl weder die Völkerrechts widrigkeit einer Konfiskation noch Mängel der Form oder das Fehlen einer (tragfähigen) Ermächtigungsgrundlage als Gründe für die Unwirksamkeit einer Enteignung anerkanne s6 • Diese Zurückhaltung von Rechtsprechung und Schrifttum in bezug auf die Überprüfung der normativen Grundlagen bei besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen hat naheliegende Gründe. Wenngleich das von der Sowjetunion geforderte Revisionsverbot für Vermögensverluste unter der Besatzung nicht pauschal alle Konfiskationsfälle der Jahre vor 1949 erfassen kann, muß doch die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Vermögenszugriffe und -verluste als Maßstab einer Überprüfung nach § 1 Abs. 8 lit. aVermG ausscheiden. Die sowjetische Forderung läßt sich, soweit sie nach dem o.a. unter objektivrechtlichen Gesichtspunkten 155
BVerfGE 84, 90 (115).
S. etwa Neuhaus, in: Fieberg / Reichenbach, VermG, § I Rn. 186 (keine Rechtmäßigkeitsprüfung, Exzesse und Willkürakte sind einzubeziehen); Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG Einf. Rn. 109, § 1 Rn. 302, 388 (keine Rechtmäßigkeitsprüfung); Petter, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, VermG § I Rn. 229 f. (keine Rechtmäßigkeitsprüfung, außer bei nachgewiesenem Handeln gegen die Besatzungsmacht); a.A. etwa Trott zu Solz, ZOV 1991, S. 10 ff. und ZOV 1993, S. 2 ff. (Nichtigkeit der Enteignungen wegen Fehlens ordnungsgemäßer Rechtsgrundlage und Verstoßes gegen Völkerrecht). Zu einem Sonderfall - gegen die h.M. - etwa VG Dresden vom 15.l.l993 - 11 K 123/92, in: RGV, B 11 17 (Enteignung eines bereits Toten war rechtlich wirkungslos). 156
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
besteht, wie gesagt nur als Verlangen nach Indemnität deuten. Ohne Rücksicht auf ihre Rechtlichkeit bzw. "Gesetzlichkeit" sollen die fraglichen Vorschriften und Handlungen demnach als wirksam gelten. Weder sollen die rechtsstaatlichen Maßstäbe des Grundgesetzes angelegt werden können, noch soll eine Überprüfung und Wirksamkeitskontrolle anhand der seinerzeitigen sowjetischen Maßstäbe stattfinden. Sinn und Zweck des speziellen Restitutionsausschlusses, ja das allgemeine Rangverhältnis von Besatzungsrecht und Landesrecht würden verfehlt, wollte man die Rechtsakte der Besatzungsmacht nachträglicher Kontrolle des seinerzeit besetzten Staates unterwerfen. Zwar besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung für den besetzten Staat oder seinen Rechtsnachfolger, Maßnahmen des Besatzungsrechts nach dem Ende der Besetzung aufrechtzuerhalten, wenn die Besatzungsmacht mit ihren Maßnahmen die völkerrechtlichen Befugnisse überschritten hat I5?; umgekehrt existiert aber auch kein Verbot, solche Maßnahmen nachträglich anzuerkennen oder ihre Wirksamkeit fortgelten zu lassen, obwohl sie gegen besatzungsvölkerrechtliche Vorschriften verstoßen. Gerade letzteres hat die Sowjetunion mit dem Verlangen nach einem Ausschluß der Restitution ihrer Enteignungen erreichen wollen. Insoweit unterscheidet sich ihr von der Bundesrepublik Deutschland akzeptiertes Indemnitätsverlangen übrigens nicht von entsprechenden Forderungen der westlichen Besatzungsrnächte l58 . Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung bzw. § 1 Abs. 8 lit. aVermG hindern deutsche Stellen nur an einer Überprüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Diese Sperre gilt nicht für Enteignungen auf "deutschrechtlicher" Grundlage. Wengler, Völkerrecht 11, S. 1429. Vgl. für viele Münch, Der Staat und sein fremdbesetztes Gebiet, JZ 1967, S. 208 ff. (209); Böhmer, Verfassungsrechtliche Fragen der Enteignung nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, AnwBI. 1991, S. 456 ff. (458 f.): "Das [Hindern deutscher Gerichte und anderer Stellen, die damaligen Enteignungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls deren Völkerrechtswidrigkeit festzustellen] ... entspricht im übrigen dem Standpunkt der Westalliierten im Zusammenhang mit den Besatzungs- und Reparationsschäden"; ebenso Herzog, Das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Sobotka (Hrsg.), Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern, Stuttgart 1993, S. 141 ff. (147): "das [nämlich sich bei ihrer Beendigung für die Maßnahmen der Besatzungszeit möglichst volle Indemnität zu sichern] haben sogar die drei Westalliierten beim Abschluß des Besatzungssystems in der alten Bundesrepublik getan". Vgl. dazu den Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besetzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) vom 26.5.1952 Ld.F. vom 23.10.1954, abgedruckt in: von Münch, Dokumente I, S. 235 (dort insb. Art. 2-5); zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts s. die Zusammenstellung bei Leibholzl Rinckl Hesselberger, Grundgesetz, Köln Lbl. Stand 1993, Einf. Rn. 114 ff. Zu einem solchen Fall jüngst BayObLG, DtZ 1994, S. 37 f. 157
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C. Der RestitutionsaussehluB nach § lAbs. 8 Iit. a VermG
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Ausgangspunkt der objektivrechtlichen Interpretation des Restitutionsausschlusses ist damit, zusammenfassend betrachtet, das besatzungsvölkerrechtlich gestützte, von der Bundesrepublik Deutschland akzeptierte Verlangen der früheren Sowjetunion, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage einer Überprüfung und gegebenenfalls Revision durch deutsche Behörden und Gerichte zu entziehen. Soweit die Rechtsposition der ehemaligen DDR diesen Standpunkt unterstützte, wurde sie einigungsvertraglich abgesichert. Eine darüber hinausgehende Restitutionssperre für sämtliche damalige Konfiskationen konnte die frühere DDR schon wegen ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Bindungen (Verfassungsgrundsätzegesetz 1990) nicht erreichen. Der Mangel einer näheren authentischen Erklärung des besatzungsbezogenen Inhalts von Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung und § 1 Abs. 8 lit. aVermG und Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses zwingen zu einer Adaption des herkömmlichen Besatzungsvölkerrechts. Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage sind demnach nur die Vermögensentziehungen, die direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, entweder weil sie in diesen Vorschriften selbst vorgenommen wurden (Legalenteignungen), oder weil sie aufgrund dieser Vorschriften von den Organen der Besatzungsmacht selbst vollzogen wurden (Administrativenteignungen). Dem stehen Enteignungen gleich, die direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, aber von deutschen Behörden auf dieser für sie bindenden Grundlage vollzogen wurden. Gleiches gilt für die Vermögensentziehungen, die auf deutsche Vorschriften zurückgehen und von deutschen Behörden vollzogen wurden, die aber von der Besatzungsmacht insoweit vollständig vorgeschrieben waren. Die im Normtext angelegte rein formelle Abgrenzung muß demzufolge um eine funktionale Betrachtungsweise erweitert werden. Für die Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage bedeutet dies: Ihr Anwendungsbereich reduziert sich dergestalt, daß sie nur dann dem Restitutionsausschluß unterfallen, wenn sie von der rechtlichen - und nicht nur politischen - Gesamtverantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht erfaßt werden. Die Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage müssen also gezielt durch Akte der Besatzungsmacht ermöglicht worden sein, und sie müssen ihrem ausdrücklichen, nachweisbaren Willen entsprechen. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist allerdings nicht die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der besatzungsrechtlichen Vorschriften und Anweisungen, insbesondere nicht deren Vereinbarkeit mit Besatzungsvölkerrecht einzubeziehen; die mit dem RestitutionsausschluB getroffene Indemnitätsregelung verbietet eben gerade die Überprüfung der RechtmäBigkeit des Besatzungsrechts.
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
IV. Zuordnung der Liste 3-Kontlskationen 1. Subsumtionsaufgabe und -gang
Die Frage, ob Konfiskationen aus der Besatzungszeit, die nicht auf besatzungsrechtlicher Grundlage erfolgten, gleichwohl als "besatzungshoheitlich" der rechtlichen Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht zugeordnet werden können - dann Restitutionsausschluß -, oder ob sie auf selbstverantwortetem (deutschen) Handeln beruhen - dann grundsätzlich Restitution -, kann angesichts von Staatspraxis und Rechtsprechung zu § 1 Abs. 8 lit. aVermG im Regelfall nur mit einigem Aufwand anhand der gebotenen Einzelfallprüfung beantwortet werden. Für die entschädigungslosen Enteignungen aufgrund der Berliner Liste 3 liegen die Dinge noch komplizierter l59 • So ist unklar, ob es sich bei diesen Konfiskationen - erstens - um Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage handelt. Umstritten ist zweitens, welche Anforderungen gegebenenfalls an eine Zuordnung zu den Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage zu stellen sind. Nicht konsentiert ist schließlich drittens, ob (zusätzlich oder alternativ) der in der Gemeinsamen Erklärung - nicht aber im Vermögensgesetz - angesprochene zeitliche Rahmen eine ausschlaggebende Rolle spielt (zu letzterem unten V.). Alle diese Fragen sind im folgenden zu beantworten. Dies erfolgt in zwei Schritten. Die erste Weichenstellung muß zwischen den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und denen auf besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen werden. Sowohl die Genese des Restitutionsausschlusses und die Auslegung des Vermögensgesetzes als auch das Bodenreform-Urteil und die nachfolgende Diskussion, vor allem aber der Telos der sowjetischen (Vor-)Bedingung und sein besatzungs(völker)rechtlicher Hintergrund zwingen dazu, diese Unterscheidung ernstzunehmen und eine eindeutige Qualifizierung der Berliner Liste 3-Fälle vorzunehmen. Maßgeblich sind dabei die oben (unter C.III.3) entwickelten Zuordnungskriterien. - Sollte sich herausstellen, daß eine besatzungsrechtliche Grundlage nicht besteht, wäre - zweitens - der Nachweis einer besatzungshoheitlichen Grundlage zu erbringen. Hierzu bedarf die dürre Formel von der Besatzungshoheit einer Verfeinerung mit dem Ziel einer Erarbeitung von Kriterien, an hand derer die Einbeziehung der Enteignungen unter die besatzungsvölkerrechtlich legitimierte Gesamtverantwortung der Sowjetunion zuverlässig vorgenommen werden kann. Diese Verfeinerung baut auf der teleologischen (im Ergebnis restriktiven) Interpretation des Restitutionsaus159 Vgl. hierzu die o. Fn. 28 - 30 angeführte Rechtsprechung und Literatur; zusammenfassend Hasselblatt, VIZ 1994, S. 111 ff.; Schubert, VIZ 1994, S. 277 ff.
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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schlusses und den im Bodenrefonn-Judikat sowie in der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Besatzungsrecht angelegten Topoi auf. In mehreren zeitlich gestaffelten, legislativen und exekutiven Schritten sind die Enteignungen aufgrund der Berliner Liste 3 nonniert und vollzogen worden. Beide Prüfstationen: die besatzungsbezogene Differenzierung wie auch die gegebenenfalls erforderliche Entfaltung der besatzungshoheitlichen Grundlage, benötigen zur Subsumtion genau aufbereitetes Tatsachenmaterial. Insbesondere die Lösung der letztgenannten Aufgabe ist in erster Linie von der Klärung der Beziehungen zwischen Besatzungsmacht und deutschen Stellen abhängig, ebenso vom Auffinden und Zuordnen von Rechtsgrundlagen und Vorgängen, die für oder gegen die Verantwortlichkeit der Besatzungsmacht sprechen. Ein einführender rechtsgeschichtlicher Überblick über Entstehung und Gang der Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 ist daher unumgänglich. 2. Hintergrund und Entstehung der Liste 3-Konfiskationen
Die Berliner Liste 3 war Teil der in der sowjetischen Besatzungszone und im Ostsektor Berlins von 1945 bis 1949 unternommenen Umgestaltung aller Wirtschafts- und Rechtsverhältnisse in Richtung auf das sozialistisch-kommunistische Staats- und Gesellschaftsmodell l60 • Im Mittelpunkt dieser weit ausgreifenden Umstrukturierung standen mehrere große Bereiche: Entnazifizierung, Bodenrefonn, ,,Demokratisierung" der Wirtschaft, Refonn des Schulund Bildungswesens, "Demokratisierung" der Justiz USW. 161 . Der Komplex Berliner Liste 3 gehört fonnell - d.h. wegen der ihm zugrundeliegenden bzw. zugrundegelegten Vorschriften - zum Bereich der Entnazifizierung. Der Sache nach handelt es sich indes um ein Herzstück der "Demokratisierung" der 160 Zur rechtspraktischen Durchführung der Umgestaltung in Richtung Volkseigentum nach 1945 Biehler, Bodenkonfiskationen, S. 19 ff.; Weber/Wilhelm, Die Enteignungen unter sowjetischer Besatzungsherrschaft und ihre Behandlung im Einigungsvertrag, BB 1991, Beil. 3, S. 12 ff.; Schweisfurth, BB 1991, S. 281 ff.; Lochen, Grundlagen der Enteignungen zwischen 1945 und 1949, DA 24 (1991), S. 1025 ff. Aus sozialistischer Sicht Schöneburg u.a. (Bearb.), Errichtung des Arbeiter- und Bauemstaates der DDR 1945 - 1949, Berlin (Ost) 1983, S. 132 ff. ("antifaschistisch-demokratische Bodenreform"), 153 ff. ("Enteignung des Monopolkapitals"); Fally-Sell, Politische Macht und gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln, in: Köhnl Rode (Hrsg.), Eigentum - Beiträge zu seiner Entwicklung in politischen Gesellschaften, Weimar 1987, S. 278 ff. 161 Dazu zusammenfassend Staritz, Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat, München 1984, S. 37 ff.; H. Weber, Die DDR 1945 - 1986, München 1988, S. 1- 25.
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Wirtschaft; Ziel der Konfiskationen war die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und die Kreation von Volkseigentum 162 . Die legislative und exekutive Umsetzung des radikalen sozialistischen "Reform"-Programms wurde sowohl von der Besatzungsmacht selbst als auch von deutschen Organen gesteuert und durchgeführt. Wenngleich dabei, bezogen auf den hier einschlägigen Ausschnitt "Sozialisierung der Produktionsmittel in Privathand"163, im gesamten sowjetischen Einflußbereich dasselbe Grundschema durchgehalten wurde - erst Beschlagnahme der Vermögenswerte (Sequestration), dann sozialistische "Treuhandverwaltung", schließlich (im Regelfall) entschädigungslose Konfiskation, ausnahmsweise (bei Irrtum etc.) Rückgabe an den Eigentümer -, unterscheiden sich doch die einzelnen Konfiskationsfälle und -gruppen, und zwar in mehr als nur in Nuancen. Für die Auswahl der Objekte, den Ablauf des Beschlagnahmeverfahrens, den Ausgang der Sequestrierung, den Erfolg der Sozialisierung und seine Absicherung durch flankierende Maßnahmen und den Vermögensentzug finalisierende und abrundende Eingriffe usw. - für alle diese Schritte war vor allem ausschlaggebend, ob die östliche Besatzungsmacht ihr Programm selbständig durchführen konnte, oder ob ein mäßigender Einfluß anderer Akteure, vor allem der westlichen Besatzungsmächte, bestand. Die Konfiskationslagen in der SBZ unterscheiden sich insofern wesentlich von denen im sowjetisch besetzten Sektor von (Groß-)Berlin. Dies betrifft zwar weder das grobe Gefüge der Enteignungen noch die Grundauswahl der erfaßten Objekte, wohl aber den zeitlichen Ablauf, die rechtlichen Grundlagen und den administrativen Vollzug. Enteignungen in der SBZ (vor allem die nur dort durchgeführte Bodenreform) und im Ostsektor Berlins sind also voneinander zu trennen. Insofern bedarf es einer gesonderten Betrachtung der Berliner Liste 3-Fälle. Dies beruht in erster Linie auf der seinerzeitigen speziellen völkerrechtlichen Rechtslage der Stadt: dem Viermächtestatut l64 • Aufgrund des Londoner 162 Einzelheiten bei Matschke, Die wirtschaftliche Entwicklung in der SBZ: Vorgeschichte - Weichenstellungen - Bestimmungsfaktoren, in: Fischer (Hrsg.), Studien zur Geschichte der SBZ/DDR, Berlin 1993, S. 97 ff. m.w.N. 163 Zum (dramatischen, häufig gewaltsamen) Ablauf der Bodenreform in der SBZ anhand von Erlebnisberichten Betroffener vgl. von Kruse, Weißbuch über die "Demokratische Bodenreform" in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Dokumente und Berichte, Neuauflage München/ Stamsried 1988, insb. S. 22 ff.; Schicksalsbuch des Sächsisch-Thüringischen Adels 1945, Limburg 1994 (Aus dem Deutschen Adelsarchiv, Bd. 11) (Einzelschicksale bei der Bodenreform). 164 Zu ihm Mahncke, Berlin im geteilten Deutschland, München/Wien 1973, S. 40 ff.; Zivier, Verfassung und Verwaltung von Berlin, Berlin 21992, S. 31 ff., jeweils m.w.N.; Einzelheiten bei Mampel, Der Sowjetsektor von Berlin. Eine Analyse seines äußeren und inneren Status, Frankfurt a.M.lBeriin 1963; Schiedermair, Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971,
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Protokolls vom 12. September 1944 165 stand das Gebiet von Groß-Beriin (i.S.d. Preußischen Gesetzes von 1920) unter der gemeinsamen Besatzungsgewalt der Vier Mächte. Als Organ war für die besonderen Angelegenheiten der Reichshauptstadt - zusätzlich zum Alliierten Kontrollrat für ganz Deutschland - eine Kommandantur vorgesehen. Als im Juni! Juli 1945 die westlichen Besatzungsmächte die ihnen zugewiesenen Sektoren Berlins in Besitz nahmen, existierte bereits eine von der sowjetischen Besatzungsmacht kurz zuvor eingesetzte deutsche Verwaltung auf Stadt- und Bezirksebene, die - traditionellem Berliner Schema folgend - aus der Stadtverordnetenversammlung (Gemeindeparlament) und dem Magistrat (Verwaltung mit dem Oberbürgermeister an der Spitze) bestand l66 . Auch das Besatzungsregime für ganz Berlin hatte der sowjetische Stadtkommandant bereits am 28. April 1945 begründet l67 • Die Ausübung ging nach der sektoralen Aufteilung der Stadt auf die jeweiligen alliierten Stadtkommandanten über. Über den (zuerst drei, dann vier) Stadtkommandanten wurde im Juli 1945 die Alliierte Kommandantur eingerichtet, die - wie auch der über dieser Kommandantur stehende Alliierte Kontrollrae 68 - aus Vertretern der Vier Mächte bestand. Sie übte auf der Grundlage einstimmiger Beschlußfassung die Besatzungshoheit für ganz Berlin aus. Die Alliierte Kommandantur arbeitete bis zum 30. Juni 1948 unter der Teilnahme aller Vier Mächte. Am 1. Juli 1948 zogen sich die sowjetischen Vertreter aus ihr zurück l69 • Auch die Berlin u.a. 1975; zuletzt Hans von Mangoldt, Zur Rechtslage Berlins, ROW 34 (1990), S. I ff. - Daß das Vermögensgesetz auch auf die Wiedergutmachung diskriminierender Enteignungen in Ost-Berlin Anwendung findet, ist unbestritten; vgl. nur KG vom 26.4.1991 -7 W 1908/91, DtZ 1991, S. 298; OVG Berlin vom 11.6.19928 S 94.92, VIZ 1992, S. 405 ff. (407); VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 7; Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § I Rn. 195. 165 Text in: von Münch, Dokumente I, S. 25 ff. (dort auch die Ergänzungsvereinbarungen). 166 Vgl. Ribbe, in: ders. (Hrsg.), Geschichte Berlins. Bd. 11: Von der Märzrevolution bis zur Gegenwart, München 21988, S. 1027 ff.; Breunig, Verfassunggebung in Berlin 1945 -1950, Berlin 1990, S. 50 ff. (zum Verwaltungsaufbau); s.a. Leonhard, Die Revolution entläßt ihre Kinder (1955), Köln 1990, S. 411 ff. 167 Befehl bei Mampel, Sowjetsektor, S. 19: "Heute bin ich zum Chef der Besatzung und zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt worden. Die gesamte administrative und politische Gewalt geht laut Bevollmächtigung des Kommandos der Roten Armee in meine Hände über ... " 168 Zusammenfassend Mai, Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945 - 1948. Von der geteilten Kontrolle zur kontrollierten Teilung, APuZ 38 (1988), B 23, S. 3 ff. 169 Zum gleichen Zeitpunkt erfolgte auch der Rückzug der Sowjetunion aus dem Alliierten Kontrollrat; seine Aufgaben wurden für Westdeutschland durch die Alliierte Hohe Kommission wahrgenommen. Zu den (bislang weitgehend ungeklärten) Hintergründen - und zur Mehrdimensionalität sowjetischen Besatzungshandelns allgemein -
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bis dahin einheitliche kommunale Selbstverwaltung zerfiel in Ost-Berliner und West-Berliner Organe. Die Kommandantur bestand zwar fort und übte die ihr zugewiesenen Aufgaben, soweit möglich, auch ohne den sowjetischen Kommandanten aus; faktisch durchsetzen ließen sich die Gesetze und Einzelanweisungen nun indes im Ostsektor Berlins nicht mehr. Der sowjetische Stadtkommandant regierte - in enger Tuchfühlung mit der Sowjetischen Militäradministration - von diesem Zeitpunkt an den Ostsektor weitgehend alleine.
Weil, soweit und solange Berlin als Einheit behandelt wurde, unterstand der Ostsektor dem gleichen rechtlichen Regime wie die übrigen Sektoren. Nur in Angelegenheiten, die nicht für die ganze Stadt zentral geregelt werden konnten, standen den Stadt- bzw. Sektorenkommandanten eigene Normsetzungs- und Normdurchsetzungskompetenzen zu; diese Befugnisse galten ausschließlich innerhalb der jeweiligen Sektoren 170. Im übrigen unterstanden die Sektoren gleichmäßig der Besatzungsgewalt der Alliierten Kommandantur. Diese hatte in Form von allgemeinen wie einzelfallbezogenen Befehlen eine einheitliche Handhabung der Politik und die Umsetzung der im Alliierten Kontrollrat beschlossenen Prinzipien für alle wesentlichen, ganz Deutschland betreffenden Fragen sicherzustellen 171. Die Besatzungsgewalt in den einzelnen Zonen wurde, unabhängig von den Berliner Besonderheiten, von jeder Besatzungsmacht in eigener Verantwortung wahrgenommen. Von der Sowjetunion war für diese Aufgaben und Befugnisse eine zentrale, stark hierarchisierte, organisatorisch breit angelegte Verwaltung aufgebaut worden: die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (mit Sitz in Berlin)172. Während sie Lau/er, Konfrontation oder Kooperation? Zur sowjetischen Politik in Deutschland und im Alliierten Kontrollrat 1945 -1948, in: Fischer (Hrsg.), Studien zur Geschichte der SBZIDDR, Berlin 1993, S. 57 ff. (78 ff.). 170 Vgl. BKIO [= Berlin Kommandatura Order] (46) 45 vom 21.1.1946, abgedruckt bei Mampel, Sowjetsektor, S. 37: "Gesetze, Erlasse, Verordnungen, Veröffentlichungen, Bestimmungen und Anordnungen der russischen, amerikanischen, französischen und britischen Militärregierungen in den betreffenden Sektoren Berlins haben Gültigkeit nur in solchen Sektoren." Daß für Ost-Berlin auch aus DDR-offiziöser Sicht gegenüber der SBZ und ihrem Rechtsregime ein Sonderstatus bestand, beweisen sämtliche Veröffentlichungen, die sich unter sozialistischen Vorzeichen mit der Nachkriegszeit und der Staatsgründung der DDR befassen - der "demokratische Sektor" Berlins (und die dort erfolgten massiven Konfiskationen von Produktionsvermögen wird in allen diesen Darstellungen peinlich genau ausgespart. J7J Vgl. zu den Rechtsetzungsformen der Alliierten Kommandantur Schröder, Das geltende Besatzungsrecht, S. 20 ff. 172 Vgl. Foitzik, Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD), in: Broszat/Weber (Hrsg.), SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990, S. 7 ff. m.w.N.
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in der SBZ, von den Westmächten ungehindert, die oberste Gewalt ausübte, besaß sie für das Stadtgebiet von Groß-Berlin keine Kompetenzen; ihre Befehle und Anordnungen galten hier nicht automatisch, ebensowenig die Anordnungen der ihr nachgeordneten (nicht-Berliner) deutschen Behörden oder die Gesetze der Länderorgane, soweit und solange diese noch bestanden, in der SBZ I73 . In diese hierarchisierte Herrschaftsordnung (Kontrollrat - Kommandantur - Stadtkommandant - Stadtverordnetenversammlung - Magistrat) fügten sich die Vorgänge um die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 zumindest formal ein. Verfolgt man die Entwicklung ihrer Rechtsgrundlagen, wie sie in den offiziellen normativen Begründungsketten hervortreten, stand am Anfang das Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates vom 20. Dezember 1945174 • Es behandelte die Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten. Es sollte für ganz Deutschland eine einheitliche Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung und Verurteilung von Nationalsozialisten schaffen. Nach Art. 11 § 3 lit. d dieses Gesetzes konnte der solchermaßen für schuldig Befundene und Verurteilte u.a. mit einer Vermögenseinziehung oder der Verpflichtung zur Rückgabe unrechtmäßig erworbenen Vermögens bestraft werden. Dieses vom Gericht als eingezogen bestimmte Vermögen sollte dem Kontrollrat zur weiteren Verfügung ausgehändigt bzw. zugeordnet werden. Jeder Zonenbefehlshaber hatte dabei Sorge zu tragen, daß die Urteile hinsichtlich der Vermögenseinziehung "so ausgeführt werden, wie es der Gerechtigkeit entspricht" (Art. III § 6 Gesetz Nr. 10). Art. III § 1 lit. a erlaubte der Besatzungsmacht in ihren Zonen, zu diesem Zweck vorbeugend das Ver173 Aufgrund der strikt territorialen Radizierung der sowjetischen Besatzungsgewalt "um Berlin herum" - praktisch jedenfalls bis Herbst 1948 - konnten Enteignungsmaßnahmen in der SBZ im Stadtgebiet von Groß-Berlin keine rechtliche Geltung entfalten. Unrichtig daher VG Berlin vom 13.1.1992 - 25 A 661.91, ZOV 1992, S. 114 ff.; OVG Berlin vom 2.4.1992 - 8 S 40.92, ZIP 13 (1992), S. 1181 ff., wonach Konfiskationsanordnungen der Provinzverwaltung Mark Brandenburg auch in Berlin belegene Grundstücke erfaßt haben sollen. Zumindest zum Zeitpunkt der Enteignung (1947/48) - aber auch später - bestand aus sowjetischer Sicht (und aus der der Westmächte ohnehin) eine strikte Trennung zwischen der SBZ und Groß-Berlin. Wie hier Frantzen, VIZ 1993, S. 9 ff. (13). 174 Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S.50 (= Nr. 3 vom 31.1.1946, S. 22). - Um bestimmte, in den drei westlichen Besatzungszonen gelegene Vermögenswerte, an deren Übersicht und Erhaltung die Alliiierten ein besonderes Interesse hatten, "einzufrieren", wurde auch hier ein Beschlagnahme- und Katalogisierungsregime eingerichtet: das Gesetz Nr. 52 (bereits Ende März 1945 bekanntgmacht). Es galt auch in den drei Westsektoren Berlins und erfüllte dort z.T. - freilich auf deutlich engerer Grundlage - den Zweck von SMAD-Befehl Nr. 124. Vgl. dazu Döllel Zweigert, Gesetz Nr. 52 über Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen. Kommentar, Stuttgart 1947.
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mögen Verdächtiger unter Aufsicht zu stellen, bis darüber endgültig entschieden wurde. Auf diesen Strafrechtsnormen zur Ahndung von NS-Unrecht bauten detaillierte Durchführungsbestimmungen des Kontrollrates auf. Die Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946175 teilte die deutsche Bevölkerung in einzelne Gruppen ein (Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete). Für die jeweiligen Gruppen sah sie ausgewählte, der Schuld korrespondierende Sanktionen vor. Die bereits im Gesetz Nr. 10 angedrohte Vermögenseinziehung wurde auf Hauptschuldige, Belastete und - in bestimmten Fällen - auf Minderbelastete beschränkt. In allen übrigen Fällen - und das war die weit überwiegende Mehrzahl - war die vermögensrechtliche Maximalsanktion ausgeschlossen. Das Erfordernis einer gerichtlichen Verurteilung, also eines justiziellen Einzelfallverfahrens mit individueller Schuldprüfung, blieb bestehen. Die bisher behandelten Vorschriften des Kontrollrates bezogen sich nicht auf die Verwendung des eingezogenen Vermögens. Die Verwendungsfrage wurde erst in Direktive Nr. 57 vom 15. Januar 1948176 geregelt. Vermögen, das weder an alte (rechtmäßige) Eigentümer noch an deren Rechts- oder Funktionsnachfolger zurückgegeben werden konnte, war demnach in Berlin den Verwaltungsbezirken zu übertragen, in denen es sich befand; es war darüber nach den oben erwähnten, für das übrige Deutschland festgesetzten Grundsätzen zu verfahren (Art. VII S. 1). Die in den Zonen den Befehlshabern übertragenen Vollzugskompetenzen standen hier, in Berlin, den Befehlshabern in den einzelnen Sektoren zu (Art. VI). Die dort den Landes- bzw. Provinzregierungen obliegenden Aufgaben wurden hier, in Berlin, von den Berliner Verwaltungsbezirken wahrgenommen (Art. VII S. 3). In allen Zonen wurden diese Kontrollratsanweisungen befolgt und durch eigene Durchführungsvorschriften ergänzt. Die Sowjetische Militäradministration erließ schon am 30. Oktober 1945 den Befehl Nr. 124 betr. Auferlegung der Sequestration und Übernahme in zeitweilige Verwaltung einiger Vermö-
VOBl. für Groß-Berlin 1947, S. 33. 176 VOBl. für Groß-Berlin 1948, S. 65. - Diese Direktive betrifft nicht die Konfiskation beschlagnahmter Vermögenswerte, sondern regelt die Verhältnisse um die Verwertung des Eigentums nach Konfiskation, also die Modalitäten der (neuen) Zueignung bzw. sonstigen Verwendung. In bezug auf diesen Gegenstand war jeder Sektorkommandant berechtigt, alle notwendigen Maßnahmen in bezug auf die Verfügungen im eigenen Sektor zu treffen, die im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 10 und der Direktive Nr. 38 des Kontrollrates standen. Der Schluß von Klaus (ZOV 1992, S. 190 ff. [191]) auf die besatzungsrechtliche Zuständigkeit des sowjetischen Stadtkommandanten zur Regelung von Konfiskationen geht daher fehl, weil zu weit; unrichtig insoweit auch von Trott zu Solz/Biehler, ZOV 1991, S. iO ff. (13). 175
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genskategorien 177 • Als unter Sequestration, also Beschlagnahme befindlich erklärt wurde u.a. - neben der Habe führender oder besonders aktiver Nationalsozialisten - das Vennögen der "Personen, die von dem sowjetischen Militärkommando in besonderen Verzeichnissen oder auf anderen Wegen angegeben werden" (Nr. 1 lit. f)178. Gemäß der zugehörigen Instruktion des Chefs der SMAD-Wirtschaftsverwaltung vom seI ben Tag 179 unterlagen dieser zeitweiligen Verwaltung alle Immobilien, alle Handels-, Industrie-, landwirtschaftlichen und anderen Unternehmen, alle wertvolleren Mobilien etc.; ihr unterlagen auch die Vennögensgegenstände juristischer Personen (Nr. 3). In Berlin selbst erging schon früher, am 2. Juli 1945 - also vor der Aufspaltung der Besatzungsgewalt auf Alliierte Kommandantur und Stadtkommandanten - eine eng gefaßte Verordnung des Magistrats l80 , die sich auf den Auftrag der SMAD und des sowjetischen Stadtkommandanten stützte. Mit Zustimmung des letzteren wurde das Vennögen der Personen, die sich "aktiv faschistisch betätigt haben", der Anmeldepflicht und Beschlagnahme unterworfen. Das beschlagnahmte Vennögen konnte von der Stadt zur Aufbewahrung in Besitz und Verwaltung genommen werden. Während in der sowjetischen Besatzungszone diese Beschlagnahmen auf der Grundlage eigener Vorschriften nach und nach zu entschädigungslosen Enteignungen führten, sind weitere Berliner Rechtsvorschriften aus den Anfangsjahren der Besatzungszeit nicht ersichtlich. Sie waren indes auch nicht erforderlich. Der sowjetische Stadtkommandant ging davon aus - und diese Rechtsauffassung wurde auch im Frühjahr 1946 gegenüber dem Magistrat durchgesetzt -, daß der SMAD-Befehl Nr. 124 über seinen territorial auf die SBZ beschränkten Geltungsbereich hinaus ausnahmsweise auch im Ostsektor Berlins Anwendung finden müsse l8l . Man berief sich dazu auf ein Communique der Alliierten Kommandantur vom August 1945 182 , wonach "bezüglich
177 Abgedruckt u.a. in: Gesamtdeutsches Institut/Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.), Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, Bonn 1971, S. 50 (Anlage 6). 178 Befehl Nr. 124 enthielt weiter die Verpflichtung der Betroffenen, über die Vermögensgegenstände schriftlich Zeugnis abzulegen; die örtlichen Behörden hatten diese Angaben zu überprüfen und Gesamtverzeichnisse der Vermögenswerte anzulegen. 179 Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, S. 51 (zu Anlage 6). 180 Verordnung über die Anmeldung und die Beschlagnahme des Vermögens der Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben, vom 2.7.1945, abgedruckt ebd., S. 78 (Anlage 40). 181 Vgl. Klaus, ZOV 1992, S. 190 Fn. 2. 182 Communique NT. 7 vom 24.8.1945 (unveröffentlicht), zitiert nach Klaus, ZOV 1992, S. 190 Fn. 2.
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der Frage der Vermögenskontrolle in Berlin die in den einzelnen Besatzungszonen Deutschlands geltenden Bestimmungen von den Militärregierungen in den einzelnen Zonen Berlins entsprechend angewendet werden sollen". Daß diese - für das Verhältnis Ost-Berlin -SBZ singuläre - Auffassung zutraf, zeigen zwei Befehle der Kommandantur aus dem Jahr 1947 183 • Wie selbstverständlich gingen sie von einer analogen Anwendung der Sequestrations- und Vermögens verwaltungs vorschriften der einzelnen Besatzungszonen in den politisch zugehörigen Sektoren Berlins aus. Die Sequestrationen des Industrievermögens wurden im Ostsektor Berlins also auf SMAD-Befehl Nr. 124 gestützt. Bis hierher gleicht die Ost-Berliner Rechtslage der in der sowjetischen Besatzungszone. Danach trennen sich die Wege. Hier, in der SBZ, wurde ungehindert von alliierten Einsprüchen in der Sozialisierung von Grund und Boden ebenso fortgefahren wie in der Verstaatlichung des Produktionsvermögens. Mit SMAD-Befehl Nr. 97 vom 29. März 1946 184 wurden die von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Vermögenswerte an die deutschen Behörden "zur Kompetenz" übergeben, d.h. sie, die deutschen Behörden, nicht (mehr) die Besatzungsmacht, übernahmen die Durchführung der und die Verantwortung für die endgültigen Konfiszierungen durch Gesetze oder Verordnungen; z.T. wurden die Enteignungen nun auch auf Volksentscheide gestützt. Für die Abwicklung der Konfiskationsverfahren wurde im Februar 1947 die Deutsche Wirtschaftskommission gegründet, die (neben anderen ökonomischen Aufgaben) in aufwendigen Abstimmungsprozessen gemeinsam mit SMAD-Fachleuten die Listen erstellte und die Enteignungen durchführte l85 • Daß das Verstaatlichungs programm in der SBZ im großen und ganzen im Frühjahr 1948 - auch mangels Masse - an seinem Ende angelangt war und es nur noch darum gehen konnte, die endgültige entschädigungslose Einzie183 BK/O (47) 50 vom 21.2.1947 und BK/O (47) 172 vom 28.7.1947, in: VOBI. für Groß-Berlin 1947, S. 68 bzw. S. 225. Die Befehle erinnerten die deutschen Gerichte an das Verbot, selbständig in Gerichtsverfahren zu judizieren, die sequestrierte Vermögensgegenstände betrafen; auch Grundbucheintragungen oder -änderungen waren in bezug auf dieses Eigentum unzulässig. Damit könnten etwa Konstellationen wie der oben (in Fn. 147) genannte Fall gewesen gemeint sein. - Auch aus westdeutscher Sicht war die Geltung von SMAD-Befehl Nr. 124 in Ost-Berlin unproblematisch; vgl. BaumbachlLauterbach, Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, München/Berlin 2°1951, S. 1736 f. 184 Abgedruckt in: Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, S. 53 (Anlage 8). 18S Zur Deutschen Wirtschaftskommission vgl. Zank, Wirtschaftliche Zentralverwaltungen und Deutsche Wirtschaftskommission (DWK), in: Broszat/Weber (Hrsg.), SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 -1949, München 1990, S. 253 ff.
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hung der beschlagnahmten Vermögens werte zu sanktionieren und die Objekte in staatlicher Herrschaft zu verwerten, zeigt SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 186 • Auf Bitten der Deutschen Wirtschaftskommission bestätigte die SMAD hier die vorgelegten Listen der konfiszierten Betriebe, "die gemäß den Beschlüssen der Länderregierungen aufgrund der von den Kommissionen des Blocks der demokratischen Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen in der sowjetischen Besatzungszone gemachten Vorschläge enteignet und in den Besitz des Volkes überführt wurden". Deutlicher konnte die besatzungshoheitliche Grundlage einerseits und die Zuordnung (um nicht zu sagen: Überbürdung) der Verantwortung für die Enteignungen an die deutschen Behörden andererseits nicht formuliert werden. Im gleichen Atemzug wurde SMAD-Befehl Nr. 124 außer Kraft gesetzt und jede weitere Sequestrierung nicht: Enteignung! - auf Grund des erwähnten Befehls - nicht aber aufgrund anderer Befehle - verboten I87 • Die Vorschriften im Ostsektor Berlins regelten indes bislang nur die Beschlagnahme, nicht die Enteignung. Sie sind deshalb nicht in der Lage, eine besatzungsrechtliehe Grundlage für die Konfiskationen der Berliner Liste 3 abzugeben, und zwar unabhängig davon, ob SMAD-Befehl Nr. 124 in Berlin direkt oder nur entsprechend angewandt wurde; vorsichtige verwaltungs gerichtliche Andeutungen in dieser Richtung 188 liegen daher neben der Sache. Auch später sind keine besatzungsrechtlichen Vorschriften oder Anordnungen zu einer Konfiskation ergangen 189 .
IR6 Abgedruckt in: Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, S. 70 (Anlage 32). 187 Zutreffend deshalb der Hinweis in OVG Berlin vom 2.4.1992 - 8 S 40.92, in: ZIP 13 (1992), S. 1181 ff. (1184), daß bereits sequestriertes Vermögen damit noch nicht automatisch freigegeben werden sollte - nur die Beschlagnahme neuer Objekte sollte ausgeschlossen werden. Diese wichtige Unterscheidung von Sequestrierung und Konfiszierung übersieht VG Berlin (vom 27.5.1993 - 7 A 10.93 [in: RGV, B 11 41] und vom 13.9.1993 - 31 A 9.93 [n.v.]), wonach die besatzungshoheitliche Grundlage für eine Konfiskation (der "Liste I ") bereits in der Beschlagnahme der Vermögenswerte gesehen werden könne, ohne daß es noch auf Rechtsträger und -verantwortlichkeit der konkreten Eigentumsentziehung ankomme. 188 Etwa VG Berlin vom 13.1.1992 - 25 A 661.91, in: ZOV 1992, S. 114 ff. (116) mit Bezugnahme auf Horn. 189 von Trott zu Salz, ZOV 1991, S. 10 ff. (12). - Die Ursache hierfür vermutet Schweisfurth (BB 1991, S.281 ff. [288 f.]) mit guten Gründen im besatzungs(völker)rechtlichen Bewußtsein der Sowjetunion: "Die Besatzungsmacht kannte die Haager Landkriegsordnung und sie kannte ihre Alliierten .... Nur so [d.h. durch ,Abschieben' der Konfiskationsverantwortung auf deutsche Stellen] konnte die Besatzungsmacht sich vor dem Vorwurf schützen, ihre Besatzungshoheit völkerrechtswidrig auszuüben. "
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Daß man nicht daran gedacht hat, in Berlin - wie schon bei der Beschlagnahme, so auch bei der Enteignung - erneut die bereits vorhandenen sowjetzonalen Vorschriften zu übernehmen oder sie zumindest analog anzuwenden, zeigen die Vorgänge um den im ersten Anlauf gescheiterten Versuch von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, für den Ostsektor eine eigene besatzungshoheitliche Rechtsgrundlage für die anstehenden - und wegen der alliierten Vorbehalte in der Kommandantur bislang nicht durchführbaren Konfiskationen des Produktionsvermögens, damit auch der Objekte der Berliner Liste 3, zu schaffen, die jenseits des Rahmens des geltenden Gesamtberliner Besatzungsrechts lag. Die Stadtverordnetenversammlung hatte schon am 13. Februar 1947 190 - zeitgleich mit den Anfängen der Konfiskationen in der SBZ - einem Gesetzentwurf zugestimmt, wonach geeignete Konzerne, Großunternehmen und Monopoluntemehmen in Gemeineigentum überführt werden sollten. Entschädigungen seien nach Recht und Billigkeit festzusetzen; bis zur Regelung eines gesamtdeutschen Lastenausgleichs sollten sie ruhen. Enteignungsbehörde sei nach noch zu beschließenden Durchführungsbestimmungen der Magistrat. Die nach Besatzungsrecht erforderliche Genehmigung der Alliierten Kommandantur - nicht nur des Stadtkommandanten - wurde beantragt. Am 5. März 1947 wurde der Eingang des "Planes zur Überführung von Konzernen und anderen wirtschaftlichen Unternehmungen in Gemeineigentum" seitens der Alliierten Kommandantur zwar zur Kenntnis genommen, aber näherer Prüfung überantwortet; bis zu einer Entscheidung durften keine Schritte zur Verwirklichung des Stadtverordnetenbeschlusses unternommen werden l91 • Nach erneuter kontroverser Beratung des Themas in der 72. Sitzung der Alliierten Kommandantur am 26. August 1947 wurde der Gesetzentwurf an den Magistrat mit der Forderung nach genaueren Ausführungsbestimmungen (insbesondere zu Umfang der Sozialisierung und Entschädigung) zurückgegeben 192 • Eine Einigung der Alliierten oder gar eine Genehmigung der Konfiskationen fand in späteren Beratungen nicht statt l93 • Einige Zeit nach dem Auszug der Sowjetunion beschloß die Alliierte Kommandantur dann am 30. März 1949 - Anfang Dezember 1948 hatte der Ost-Berliner (Ebert-)Magistrat auf eigene Faust einen Ausschuß zur Überprüfung des blokkierten Gesetzes von 1947 eingerichtet und begann dessen "Verwirklichung" 190 15. Ordentliche Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13.2.1947, nach: Berlin. Behauptung von Freiheit und Selbstverwaltung 1946 - 1948, hrsg. vom Senat von Berlin, Berlin 1959, S. 147 f. 191 BK/O (47) 58 vom 5.3.1947, abgedruckt bei: von Trott zu Salz, ZOV 1993, S. 2 ff. (6); s.a. den Bericht in: Berlin. Behauptung von Freiheit und Selbstverwaltung 1946-1948, S. 167. 192 Vgl. den Bericht in: Berlin. Behauptung von Freiheit und Selbstverwaltung 1946-1948, S. 294, 296; BK/O (47) 190 vom 29.8.1947. 193 Vgl. von Trott zu Solz, ZOV 1993, S. 2 ff. (3,6), auch zum folgenden.
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vorzubereiten -, daß der Gesetzentwurf "in der jetzigen Fassung ... für unannehmbar befunden" worden sei l94 . Obgleich die erforderliche alliierte Genehmigung nie erteilt wurde, setzte der Magistrat sein Vorhaben zur Schaffung einer besatzungshoheitlichen Grundlage fort l95 • Er mußte zwar anerkennen, daß das Gesetz infolge Nichtgenehmigung seitens der westlichen Militärregierungen nicht hatte in Kraft treten können, und er gab wohl auch den Versuch auf, das Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit nachträglich in Kraft zu setzen. Er - und nicht die zuständige Stadtverordnetenversammlung - beschloß indes die Verabschiedung einer völlig neuen Rechtsgrundlage, genauer: einer - auf kein Gesetz gestützten - Verordnung, die "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des am 13. Februar 1947 beschlossenen Gesetzes" die Enteignung von Wirtschaftsunternehmen regelte, welche in drei Listen (A-C) der Verordnung beigefügt waren 196. Dieses Verfahren war weder mit der damals formell noch gültigen Vorläufigen Verfassung vom 13. August 1946 197 - Verstoß gegen Art. 5, 11, 13 VorI. Verf. - noch mit geltendem Besatzungsvölkerrecht 198 mangels Genehmigung der Alliierten Kommandantur - vereinbar l99 , ganz ab194 Im einzelnen wurde das wie folgt begründet bzw. substantiiert: Die Bezugnahmen auf die SBZ überschritten die Kompetenz des Magistrats; jede einzelne Sozialisierungsmaßnahme und nicht nur das gesamte Vorhaben sei genehmigungspflichtig; die auf den Vermögens werten lastenden Passiva seien auszugleichen oder zu übernehmen; die Entschädigung müsse genau definiert und zeitnah ausbezahlt werden; auf Unternehmen von Kriegsverbrechern und Nationalsozialisten dürfe kein Bezug genommen werden, da dieses Thema unter die Kompetenz des Kontrollrates falle usw. Vgl. dazu die Angaben in: Berlin. Quellen und Dokumente 1945 - 1951, Berlin 1964, 2. Halbbd., Nr. 1052, S. 1835 m. Fn. 71. 195 Zur treibenden Kraft der SED und ihres Ost-Berliner Oberbürgermeisters bei den Konfiskationen vgl. Voßke, Friedrich Ebert. Ein Lebensbild, Berlin (Ost) 1987, S. 146, 148, 151. 196 Beschluß Nr. 162 des Magistrats von Groß-Berlin vom 28. April 1949 zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum (VOBl. für Groß-Beriin [Ausgabe Ost] 1949 I S. 111, ausgegeben am 19.5.1949) LV.m. Verordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum vom 10.5.1949 (ebd.). 197 VOBl. für Groß-Berlin 1946 S. 295; s. dazu Breunig, Verfassunggebung, S. 154 ff.; Reichhardt (Hrsg.), Die Entstehung der Verfassung von Berlin. Eine Dokumentation, Berlin / New York 1990, Bd. I, S. 177 ff. 199 Dazu eingehend Seidl-Hohenveldem, Gutachten über die völkerrechtliche Beurteilung der Enteignungen von Unternehmen gemäß der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 10.5.1949 zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum unter besonderer Berücksichtigung der Enteignung von Unternehmen in ausländischer Hand, Wien 1991 (n.v.), insb. S. 7-22 m.w.N. 199 Vgl. von Trott zu Solz, ZOV 1993, S. 2 ff.
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gesehen davon, daß der "demokratische" (Ebert-)Magistrat nicht ordnungsgemäß zustandegekommen war. Die Verordnung war unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten zweifellos rechtswidrig und nichtig; sie verstieß auch gegen das (gesamt-)alliierte Recht. Aus vermögensrechtlicher Sicht ist diese Fehlerhaftigkeit allerdings nur insoweit beachtlich, als sie das Vorhandensein einer besatzungshoheitlichen Grundlage berührt. Solange die "deutschrechtIichen" Konfiskationen der besatzungs völkerrechtlichen Verantwortung der Sowjetunion zugerechnet werden können, kommt es, wie gesagt, auf Verfahrensfehler, Eigenmächtigkeiten, Kompetenzüberschreitungen, Kompetenzanmaßungen usw. nicht an. Ob diese restitutionsausschließende Verantwortung der Sowjetunion für die Enteignungen aufgrund der Listen A - C bestand, soll nun im Zusammenhang mit unserem Konfiskationsthema untersucht und entschieden werden. 3. Der Gang des Berliner Entscheidungsprozesses Eine Prüfung der Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 ergibt eine weitgehende Übereinstimmung im Gang des Entscheidungsprozesses innerhalb der deutschen Behörden und in der Steuerung durch die Besatzungsmacht. Im einzelnen gilt folgendes. Von ihrem Gegenstand her waren die Liste 3-Enteignungen der "Verordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum" zuzurechnen. Die Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne der sozialistischen Wirtschafts- und Rechtsordnung, nicht die vermögensrechtliche Bestrafung von Nationalsozialisten, war hier das normative Ziel. Gleichwohl wurden die Liste 3-Enteignungen auf eine andere, sachlich verfehlte Rechtsgrundlage gestützt: auf das Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Nationalsozialisten vom 8. Februar 194fjloo, das sich auf die generelle AufgabensteIlung der Besatzungsmacht zur Entnazifizierung berief - im Ergebnis zu Unrecht, schon weil es sich nach den Vorschriften des Kontrollrates und der Alliierten Kommandantur um eine Nebenstrafe handelte und daher eine gerichtliche Einzelfall- und Einzelschuldprüfung Voraussetzung gewesen wäre. Auch hier handelte es sich um die Neuauflage eines Vorhabens, das gemeinsam mit der Erfassung des Produktionsvermögens 1947 begonnen worden und am Genehmigungsvorbehalt der Alliierten gescheitert war. Aufgrund dieses vom Magistrat kompetenzwidrig erlassenen Gesetzes wurde "das gesamte Vermögen von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten [... ] entschädi-
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VOBl. für Groß-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 34 (ausgegeben am 9.2.1949).
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gungslos eingezogen" (§ 1). Hinsichtlich des personellen Anwendungsbereichs wurde auf die (grundsätzlich einschlägige) Kontrollrats-Direktive Nr. 38 abgestellt (§ 2); die Einziehung selbst - und damit die konkrete Erfassung und Konfiskation der Vermögenswerte - erfolgte wahlweise durch Listen oder individuelle Einziehungsbescheide (§ 8). Gegen die Enteignung stand den Betroffenen ein Einspruchsrecht zu. Das Gesetz ist aus sich heraus nicht verständlich. Sein besatzungspolitischer Gesamtzusammenhang mit den Konfiskationen der Produktionsmittel in Gestalt der Listen A - C ist zwar nicht zu übersehen; er läßt sich aber nicht eindeutig einordnen. Erst der Beschluß des Magistrats vom gleichen Tag, der mit dem Gesetz veröffentlich wurde und das entscheidende Dokument darstellt - er wurde im Verordnungsblatt dem Gesetz vorangestellt, zudem durch Großdruck herausgehoben201 - , enthält die Erklärung: Es handelte sich bei diesem Gesetz um den vorletzten Schritt hin zu Abschluß und Verfestigung der Sozialisierungsmaßnahmen im Ostsektor Berlins, d.h. um den Eintritt in die Aufarbeitung aller Sequestrationen von Vermögens werten, die von der Besatzungsmacht den deutschen Behörden "zur Kompetenz" übergeben worden waren. Ein Teil der Enteignungen wurde später mit der bereits erwähnten Verordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum vom 10. Mai 1949 i.V.m. den Listen A-C beschlossen. Der quantitativ größere Teil sollte mittels des Enteignungsgesetzes konfisziert, über einen kleinen Rest sollte anderweitig entschieden werden. Zu diesem Zweck wurden dem Enteignungsgesetz Listen zugeordnet, welche die Vermögenswerte bezeichneten, die entschädigungslos zu enteignen waren. Im einzelnen bestimmte der Magistratsbeschluß: Die in der Liste I erfaßten Objekte waren sofort zu enteignen (Nr. 1); die in Liste 2 enthaltenen (ursprünglich ebenfalls sequestrierten) Objekte waren den Eigentümern zurückzugeben (Nr. 2). Bezüglich der dann noch verbleibenden (erheblichen) Vermögenswerte wurde die Magistratsabteilung für Wirtschaft beauftragt, Verwertungsvorschläge auszuarbeiten und dem Magistrat zur Genehmigung vorzulegen (Nr. 3). Zur Leitung der in Volkseigentum übergegangenen Betriebe war ein Hauptamt für volkseigene Betriebe zu bilden. Die für die bloße Se201 Beschluß des demokratischen Magistrats von Groß-Berlin über die Durchführung des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8.2.1949, VOBl. für Groß-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S.33. Dies war freilich der zweite Anlauf zur Durchführung der Entnazifizierung in OstBerlin. Bereits am 27.3.1947 hatte die (damals noch Gesamt-Berliner) Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der SED hin beschlossen, eine "Verordnung zur entschädigungslosen Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten zugunsten des deutschen Volkes" zu erlassen. Vgl. Berlin. Behauptung von Freiheit und Selbstverwaltung 1946 - 1948, S. 192.
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
questration bislang zuständige Treuhandverwaltung war aufzulösen - ihre Aufgaben waren erledigt. Schließlich stellte der Ost-Berliner Magistrat fest, daß infolge des westalliierten Vetos (bzw. der Nichtgenehmigung) die praktische Durchführung des Gesetzes nur im sowjetischen Sektor möglich sei, obgleich es - wahrheitswidrig - für ganz Groß-Berlin Geltung beanspruche. Die Durchführung des Gesetzes - und damit die konkrete Erfassung der Vermögens werte - oblag gleichfalls dem Magistrat, ebenso die Entscheidung über Einsprüche gegen die Konfiskationen. Gemeinsam mit dem Gesetz wurde bereits die Liste 1 bekanntgemacht202 • Sie enthielt 465 laufende Positionen, größenteils kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch Teile von Konzernen und nicht-produktive Vermögenswerte203 • Auch die Liste 2 wurde zeitgleich - im Verordnungsblatt sogar früher abgedruckt - bekanntgemacht204 • Bei ihr handelte es sich um 247 aus der Treuhandverwaltung entlassene Objekte, fast ausschließlich Privathäuser und kleinere Handwerks- und Handelsbetriebe. Der Magistrat machte sich nun an die Entscheidung über die Verwertung der aus der Sequestration freigegebenen, noch nicht so oder so zugeordneten Objekte. Das zuständige Hauptamt und die in Liquidation befindliche (deutsche) Treuhandverwaltung bzw. eine - später eingerichtete, der Entlastung der (sich in Liquidation befindlichen) Treuhandverwaltung dienende - Verwaltungsstelle für Sondervermögen arbeiteten im Frühjahr I Sommer 1949 gemeinsam an der Erstellung der Liste 3 (zu konfiszierende Objekte) und der Liste 4 (zurückzugebende Vermögenswerte). Parallel dazu entschied der Magistrat über die Verwendung des besatzungssequestrierten, nun den deutschen Behörden "zur Kompetenz" überstellten beweglichen Vermögens 205 •
202 Bekanntmachung über nach dem Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 eingezogene Vermögenswerte (Liste I) vom 9.2.1949, VOBI. für GroB-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 43 (ausgegeben am 11.2.1949). 203 Etwa die Pferderennbahn Karlshorst des Vereins für Hindernisrennen e.V.
(Nr. 465).
204 Bekanntmachung über nach dem Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 zurückzugebende Vermögenswerte (Liste 2) vom 9.2.1949, VOBl. für GroB-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 38 (ausgegeben am 10.2.1949). 205 Vgl. Verordnung über die Verwertung sequestrierter Hausratsgegenstände vom 6.8.1949, VOBl. für GroB-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 251 (ausgegeben am 5.9.1949). Alle Hausratsgegenstände wurden entschädigungslos enteignet und durch Verkauf verwertet, auch wenn die Voraussetzungen für die Beschlagnahme und Enteignung nicht vorgelegen hatten. In diesen Fällen durfte nur eine Entschädigung gezahlt werden; die Rückgabe der Gegenstände selbst an die Alteigentümer durfte in diesen Fällen nur erfolgen, wenn keine Vorkaufsberechtigten (d.h. keine Personen, die zwischenzeitlich Nutzungsberechtigte geworden waren) vorhanden waren. Letzteres dürfte indes regelmäßig nicht der Fall gewesen sein.
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Infolge der schon quantitativ aufwendigen Verwertungsentscheidung und der Überlastung und schlechten Ausstattung des Magistrats wurde der vorgesehene Zeitplan - der gesamte Sequesturzustand sollte ursprünglich bis zum 1. September 1949 abgeschlossen sein; bis dahin war über die weitere Verwendung aller beschlagnahmten Vermögens werte so oder so zu entscheiden 206 - erheblich überschritten. Erst am 10. November 1949 beschloß der Magistrat über die ihm vom Hauptamt am 4. November 1949 zur Bestätigung vorgelegte Liste 3 und Liste 4; er billigte ihren Inhalt. Am 14. November 1949 wurde die Veröffentlichung der Listen in der gebilligten Form endgültig beschlossen. Die Veröffentlichung der Liste 4 mit den freigegebenen Objekten erfolgte dann 30. November 1949207 , die Veröffentlichung der Liste 3 am 2. Dezember 1949208 • Damit war die Sozialisierung des Produktivvermögens - wie auch des Haus- und Grundvermögens - im Ostsektor Berlins zunächst formell abgeschlossen 209 . Die Berliner Liste 3 enthielt den Restbestand der aus der Sequcstrierung freigegebenen Objekte, über deren Verwendung zuvor noch nicht anderweitig entschieden war. Sie umfaßte nicht weniger als 991 Positionen. Z.T. waren dies einzelne Vermögenswerte, Z.T. Sammelpositionen mit mehreren ObjekV gl. Tatzkow I Henicke, ZOV 1993, S. 80 ff. (86). 207 Bekanntmachung über weitere Freigaben sequestrierter Vermögens werte (Liste 4) vom 14.1l.l949, VOBI. für Groß-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 401 (ausgegeben am 30.11.1949). Es handelte sich um 395 gewerbliche Objekte (zumeist kleine Handwerksbetriebe und Geschäfte etc.) und 807 Grundstücke (durchgängig Einfamilien- und kleine Mietshäuser, Gartenlauben usw.). 206
208 Bekanntmachung über weitere Einziehungen auf Grund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 (Liste 3) vom 14.1l.l949, VOBI. für Groß-Berlin (Ausgabe Ost) 1949 I S. 425 (ausgegeben am 2.12.1949). 209 Den betroffenen Alteigentümern stand freilich ein Einspruchsrecht zu einer besonderen Stelle beim Berliner Magistrat zu (vgl. Durchführungsverordnung zum Gesetz vom 8. Februar 1949 zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 23.2.1949, VOBI. für Groß-Berlin [Ausgabe Ost] 1949 I S.64 [ausgegeben am 14.3.1949]; die insgesamt ca. 1.200 Verfahren zogen sich bis in das Frühjahr 1950 hin; sie wurden in acht großen Sitzungen vom Magistrat (ganz überwiegend negativ) beschieden; vgl. TatzkowlHenicke, ZOV 1993, S.88. Liste 5 vom 25.5.1950 enthält die auf Einsprüche Betroffener hin aus der Konfiskation entlassenen (49) Vermögenswerte der Liste 3. Sie wurde - abweichend von der bis dahin geübten Publikationspraxis - nicht im amtlichen Teil I des Verordnungsblattes, sondern im nichtamtlichen Teil 11 veröffentlicht (VOBl. für Groß-Berlin [Ausgabe Ost] 1950 11 S. 152, ausgegeben am 5.6.1950). - Für das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR zog Art. 24 Verf. von 1949 einen formalen Schlußstrich unter die kommunistischen Konfiskationen: "Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten sind enteignet und gehen in Volkseigentum über (Abs. 2) .... Der private Großgrundbesitz, der mehr als 100 ha umfaßt, ist aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt. Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das Privateigentum an ihrem Boden geWährleistet" (Abs. 5).
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ten. Größere Handwerksbetriebe und Handelsunternehmen waren ebenso enthalten wie große Namen von Handel und Industrie. Die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3: die Ausarbeitung ihrer Rechtsgrundlage, die Erarbeitung der von der Liste erfaßten konkreten Vermögenswerte, die Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die Bekanntgabe der Entscheidung über die Konfiskation, die Behandlung von Einsprüchen, haben, wie gesagt, keine besatzungsrechtliche Grundlage. Alle rechtlich erheblichen Vorgänge wurden von deutschen Behörden in eigener Regie vorgenommen. Für eine besatzungshoheitliche Grundlage bedarf es demnach des Nachweises, daß die Liste 3-Enteignungen der besatzungs(völker)rechtlichen Gesamtverantwortung der Sowjetunion zuzurechnen sind. Dieser Schlüsselfrage ist im folgenden nachzugehen. 4. Legalenteignung oder Administrativenteignung? § lAbs. 8 lit. aVermG ordnet den Restitutionsausschluß an für "Enteignungen" auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Vor dem Hintergrund der skizzierten zeitlichen und kompetenzrechtlichen Stufung des Verfahrens, welches zur Liste 3 führte, ergeben sich auf den ersten Blick mehrere Anknüpfungspunkte für einen Enteignungstatbestand. Ein Großteil von ihnen erweist sich freilich bei näherer Betrachtung als nicht einschlägig. So ist zunächst davon auszugehen, daß unter "Enteignung" i.S.d. Gemeinsamen Erklärung und des Vermögensgesetzes der Enteignungsakt zu verstehen ist, also das rechtlich erhebliche Verhalten der Behörden, welches den vollständigen Vermögensverlust unmittelbar zur Folge hae lO • Damit scheiden sowohl Anknüpfungspunkte aus, die keinen vollständigen Vermögensverlust verursachen etwa die Sequestration oder Beschlagnahme, die nur die Besitzverhältnisse neu ordnet und die Verfügbarkeit des Objekts beschränkt - als auch Maßnahmen, die den Vermögens verlust nicht unmittelbar herbeiführen, sondern ihn nur vorbereiten oder nach der Enteignung deren Rechtswirkungen vollziehen oder dokumentieren (z.B. der Grundbucheintrag).
Der Enteignungsakt enthält demgegenüber den konkreten Eingriff in das vermögens werte Recht. Einer gleichzeitigen Übereignung des Objekts an einen neuen Eigentümer - dem alten zivilrechtlich getönten Modell des Zwangs kaufes nachempfunden - bedarf es nicht21l • Jener konkrete Eingriff 210 Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § I Rn. 33: "Vermögensverlust durch Hoheitsakt"; Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. 19: "formaler einseitiger Hoheitsakt". 211 Vgl. Kimminich, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Heidelberg Lbl. Stand Oktober 1993, Art. 14 Rn. 367 m.w.N.
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kann herkömmlich durch verschiedene Rechtsgrundlagen und in verschiedenen Verfahren erfolgen: durch Gesetz (Legalenteignung) oder aufgrund eines Gesetzes durch Einzelakt (Administrativenteignung). Diese für alle Listenenteignungen im Ostsektor Berlins wesentliche Unterscheidung - allein sie gibt über die rechtliche und zeitliche Lokalisierung des Eingriffstatbestandes Auskunft - beruht auf dem Inhalt und Ergebnis der Enteignung: dem Vermögensentzug. Sein Erfolg, d.h. die mit ihm verbundenen Rechtswirkungen, erfolgt bei der Legalenteignung durch das Gesetz. Die Rechtsnorm selbst bestimmt den Zugriff auf das konkrete Objekt. Sie führt die beabsichtigten Rechtsfolgen unmittelbar herbei. Die Verwaltung vollzieht in diesen Fällen die Enteignung nicht, sondern ordnet nur ihre Rechtsfolgen (etwa die Umschreibung im Grundbuch oder die Leistung einer Entschädigung). Bei der Administrativenteignung hingegen erfolgt der Vermögen se ntzug zwar auch auf einer gesetzlichen Grundlage; er wird aber von der Verwaltung bewirkt, d.h. diese - nicht das Gesetz - führt die Rechtswirkungen herbei. Das Enteignungsgesetz muß sich daher, will es eine Legalenteignung regeln, an einen bestimmten Personenkreis richten und konkrete einzelne Objekte bezeichnen 212 • Als Verwaltung durch Gesetz greifen Legalenteignung wie Administrativenteignung auf konkrete Eigentumsobjekte bestimmter Bürger zu 213 • Wendet man diese gemeinrechtlichen - nicht auf das Grundgesetz oder sonstige demokratische Verfassungen beschränkten - Lehren auf die Berliner Liste 3 an, so kann es sich bei den auf ihrer Grundlage erfolgten Konfiskationen nicht um eine Legalenteignung handeln, auch wenn die formale Bündelung der Vermögens zugriffe in einer listenmäßigen Vorschrift diese Qualifizierung auf den ersten Blick nahelegt. Das vom Magistrat gewählte rechtliche Schema des Konfiskationsvorgangs besteht aus zwei Teilen. Das Gesetz vom 8. Februar 1949 bestimmt den Enteignungstatbestand nur grundsätzlich, nämlich danach, welche Vermögensobjekte erfaßt und konfisziert werden sollen. Diese Zuordnung erfolgt abstrakt (§§ 1, 2: "Kriegsverbrecher und Naziaktivisten"). Das Gesetz benennt weder einzelne Objekte noch bestimmte Eigentümer. Es überläßt die Festsetzung des personalen Anwendungsbereichs dem Magistrat, der ihn durch Listen der betroffenen Objekte bestimmen SOll214.
212 Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 353; s.a. Papier, in: Maunz/ Dürig u.a., Grundgesetz, Art. 14 Rn. 448 ff. 213 Grundlegend hierzu BVerfGE 45, 297 (325 ff.); 52, I (27); 58, 300 (330 f.); s.a. Bryde, in: von Münch/ Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, München 41992, Art. 14 Rn. 74. Legal- und Administrativenteignung schließen sich gegenseitig aus, BVerfGE 58, 300 (331). 214 Daß dabei Gesetzgebung und Vollzug der Enteignung in einem Organ zusam-
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Es handelt sich demnach bei der Berliner Liste 3 um den Fall einer Administrativenteignung2l5 • Für die später (s.u. V.) noch zu beantwortende Frage der zeitlichen Einordnung der Konfiskationen (Stichtagsregelung) spielt dieses Zwischenergebnis eine erhebliche Rolle. 5. Gesamtverantwortung der Sowjetunion? Für die von Gemeinsamer Erklärung und Vermögensgesetz gebotene Zuordnung zur besatzungs(völker)rechtlichen Verantwortlichkeit der Sowjetunion ist, wie gesagt, mehr gefordert als eine sowjetische Hinnahme des deutschen Verwaltungshandelns oder ein besatzungspolitischer Gleichklang der durchgeführten Maßnahmen. Geboten ist die Steuerung der deutschen Tätigkeit durch die Besatzungsmacht: die gezielte Einflußnahme durch Zustimmung oder Genehmigung. Es bedarf also deutlich mehr als eines Duldens oder gleichgültigen Gewährenlassens der deutschen Organe2l6 . Erklärt die Besatzungsmacht deutsche Vorschriften andererseits für "gesetzkräftig" oder "bestätigt" sie Maßnahmen ausdrücklich, so reicht dies aus. Kurz: Das deutsche Handeln muß erkennbar dem erklärten - und nicht nur dem mutmaßlichen oder "privat" geäußerten - Willen der Besatzungsmacht entsprechen. Für eine Qualifizierung der Konfiskationen als "auf besatzungshoheitlicher Grundlage" erfolgt sind also Kontrolle und Aufsicht der Besatzungsmacht erforderlich. Diese können in verschiedenen Formen stattfinden, und sie können unterschiedliche Breite und Tiefe erreichen. Sie können (negativ) hemmend oder (positiv) gestaltend eingreifen. Ihre Abgrenzung zur direkten Beund Einwirkung - also zur besatzungsrechtlichen Grundlage - finden sie darin, daß sie prinzipiell davon absehen, mit eigenen nachgeordneten Behörden (seien es auch deutsche Organe, die direkt, fortlaufend und vollständig einem Weisungsrecht der Besatzungsmacht unterliegen) tätig zu werden. Die besatzungshoheitliche Grundlage ist zu bejahen, wenn die Besatzungsmacht über menfallen, ändert nichts an den beschriebenen Zuordnungskriterien, da diese struktureller, nicht kompetentieller Natur sind. Ob i.S.d. Gewaltenteilung Normsetzung und Normvollzug unterschiedlichen Organen zugewiesen sind, ist nicht ausschlaggebend für die Unterscheidung von Legal- und Administrativenteignung. Entscheidend ist vielmehr, ob bereits im Gesetz selbst der unmittelbare Zugriff auf konkrete Vermögenswerte erfolgt. Denkt man im vorliegenden Fall die Listen hinweg, wird das Ergebnis klar: Das Enteignungsgesetz führt, für sich genommen, keinen Vermögensverlust herbei. 215 So jetzt auch VG Berlin vom 11.4.1993 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 12. Demgegenüber wurde die Bodenreform in der SBZ zumeist durch Legalenteignung anfänglich mit einem Volksentscheid verbunden - vorgenommen; vgl. etwa den Fall bei VG Greifswald vom 5.10.1993 - 3 (1) A 1201192, VIZ 1994, S. 77 ff. 216 BVerfGE 84, 90 (114).
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die obersten Behörden des besetzten Gebiets in Fonn von Richtlinien, Direktiven, Befehlen usw. generelle Anweisungen erteilt und in deren Rahmen den einheimischen Stellen das Tätigwerden überläßt, ohne indes im Einzelfall auf detaillierte Eingriffe völlig zu verzichten 217 • Eine erste Abgrenzung an hand dieser Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht bereits zu Beginn seiner Rechtsprechung entwickelt hat218 und die im vorliegenden Fall fruchtbar zu machen sind, beruht auf der Unterscheidung von verdecktem Besatzungsrecht und deutschem Recht. Diese Differenzierung knüpft an die Intensität der Einflußnahme an. Während eine unverbindliche Einflußnahme durch Anregungen, Wünsche, Ersuchen etc. nichts am deutschrechtlichen Charakter der Maßnahmen ändert, sind Rechtsvorschriften oder Einzelakte, die vollständig von der Besatzungsmacht vorgeschrieben werden, auch dann besatzungshoheitlich, wenn sie fonnal von deutschen Stellen erlassen und vollzogen werden und keinen äußerlichen Rückschluß auf den Einfluß der Besatzungsmacht erkennen lassen 219 • Werden von der Besatzungsmacht hingegen einzelne Bereiche den deutschen Stellen zur eigenen Zuständigkeit freigegeben 220 und diese Stellen zu ihrer Gestaltung nach eigenem Ennessen ennächtigt, so sind die auf dieser Grundlage ergehenden Rechtsvorschriften und Einzelakte deutsches, also nicht besatzungsverantwortetes Recht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Besatzungsmacht für das gesamte Rechtsgebiet oder einzelne seiner Bereiche einen Zustimmungs- oder Genehmigungsvorbehalt in Anspruch nimmt und diesen konkret betätigt. In solchen Fällen handelt es sich grundSätzlich um besatzungshoheitliches Handeln i.S.d. Gemeinsamen Erklärung bzw. des Vennögensgesetzes - die Besatzungsmacht übernimmt insoweit die Gesamtverantwortung. Ob und inwieweit die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 auf besatzungshoheitlicher Grundlage ergangen sind, hängt demzufolge davon ab, ob die fragliche Verwaltungs tätigkeit den deutschen Stellen zur eigenen Verantwortung übergeben wurde, der Magistrat - er hat alle entscheidenden Rechtshandlungen vorgenommen - also nicht auf konkrete Anweisung hin tätig geworden ist; ob bejahendenfalls sich die Besatzungsmacht Kontrollrechte (z.B. Genehmigungsvorbehalte) reserviert hat, und ob diese konkret in Anspruch ge217 Zur Typologie der besatzungsrechtlichen Methoden und Instrumente von Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, §§ 22-24a, m.w.N. 218 Zusammenfassend hierzu Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Einf. Rn. 89 ff.; von Mangoldt/Klein, Bonner Grundgesetz, Bd. I, Ein!. V (S. 12 ff.). 219 Grundlegend dazu BVerfGE 2, 181 (199). 220 Vg!. BVerfGE 1,372 (391).
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nommen und dadurch die Übernahme der Verantwortung dokumentiert wurde. Diese Fragen sind ohne umfassende rechtstatsächliche Befundnahme nicht zu beantworten. Es muß dazu ermittelt werden, wie die Verantwortlichkeit zwischen Besatzungsmacht und deutschen Organen im fraglichen Konfiskationsbereich ausgestaltet war. Es ist ferner zu klären, ob die Verantwortlichkeit im konkreten Fall der Berliner Liste 3 in Anspruch genommen (oder nicht in Anspruch genommen) wurde. Die Klärung dieser Voraussetzungen erfordert einen erheblichen Aufwand an Rechtstatsachenforschung. Vorliegend kann dieser Aufwand nur unvollkommen geleistet werden. Nachfolgende Überlegungen beruhen primär auf dem Stand der juristischen und historischen Zeitgeschichte, wie er für die Listenenteignungen im allgemeinen und für die Berliner Liste 3 im besonderen bereits dokumentiert ist (Stand: Herbst 1994). Dieser Forschungsstand bietet eine breite, weitestgehend sichere Grundlage. Er erlaubt jedenfalls eine eindeutige Antwort auf die obigen Fragen. Die Grundentscheidung über das Verhältnis der Besatzungsmacht zu den deutschen Organen im Bereich der Konfiskationen im Jahr 1949 läßt sich zeitlich und normativ fixieren. Während die in der allerersten Nachkriegszeit durchgeführten Sequestrationen von der Besatzungsmacht selbst veranlaßt, gesteuert und - immer unter Berufung auf Vorgaben des Kontrollrates und der Alliierten Kommandantur - verantwortet wurden, änderte sich die politische und kompetenzrechtliche Zuordnung der Agende im Jahr 1946/47. Dies galt sowohl für die SBZ als auch für den Ostsektor Groß-Berlins. Durch SMAD-Befehl Nr. 97 wurde im Frühjahr 1946221 das in der SBZ beschlagnahmte Eigentum den entsprechenden deutschen Verwaltungs behörden, wie gesagt, "zur Kompetenz" übergeben. Die deutschen Stellen richteten zu diesem Zweck eigene, selbständige wirtschaftliche Zentralverwaltungen ein. Diesen übertrugen sie die rechtstechnische und verwaltungsmäßige Durchführung der Konfiskationen, die durch deutsche Gesetze oder Verordnungen beschlossen worden waren. Dieses Schema wurde von der SMAD ausdrücklich bestätigt. Im Ostsektor Berlins fand - wegen der hemmenden (west-)alliierten Einflußnahme mit zeitlicher Verschiebung - eine parallele "Arbeitsteilung" zwischen Stadtkommandantur und deutschen Behörden statt. Die Sequestrationen wurden aufgehoben 222 , die Vermögens werte wurden den deutschen Organen 22\ Die gen aue Datierung dieses Befehls ist unklar. Der Abdruck im VOBl. der Provinz Sachsen 1946, S. 226 nennt als Datum den 29.3.1946; im Text des Befehls wird indes der 21.5.1946 genannt. 222 Dies erfolgte wohl direkt auf Moskauer Druck, wie die Differenzen zwischen Berliner Zentralkommandantur und Sowjetischer Militäradministration im Sommer 1947 zeigen. Ursprünglich war man davon ausgegangen, die Konfiskationslisten in
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überstellt. Unter allen weiteren Akten findet sich keine besatzungsrechtliche Grundlage mehr: Die Durchführung der Sozialisierung im Wirtschaftsbereich i.w.S. war seit 1946/47 also eine deutsche Aufgabe geworden. Dies bedeutete indes nicht automatisch eine Unabhängigkeit der deutschen Organe vom programmierenden, dirigierenden oder kontrollierenden Einfluß der Besatzungsmacht. Die Sowjetunion übernahm vielmehr weiterhin die Verantwortung für die Überführung des Produktiveigentums in die staatliche (bzw. "gesellschaftliche") Gewalt. Nur die Formen waren andere; sie waren nun subtiler, und sie waren nach außen nicht immer erkennbar. Besieht man sich die Beziehungen zwischen Besatzungsmacht und Magistrat in den Jahren 1946-1949 näher, so stellt man fest: Durchgängig bestand eine feste, energisch in Anspruch genommene Oberaufsicht der Sowjetunion über die OstBerliner Verwaltung, auch und gerade in Wirtschafts- und Enteignungsfragen; gleiches galt für die SBZ223 • Stets mußten die Basisentscheidungen, also die Rechtsgrundlagen für Eingriffsakte, von der Besatzungsmacht gebilligt werden. Gleiches galt für die Konfiskationslisten - auch sie unterlagen einem strikten Genehmigungsvorbehalt. Die Tatsache, daß sich der Vorbehalt auf die wesentlichen Schritte des Sozialisierungsprozesses: auf Rechtsgrundlage und Vollzug, bezog, zeigt bereits, daß die Gesamtverantwortung von der Besatzungsmacht sorgfältig übernommen und konsequent gehandhabt wurde. Plein pouvoir gab es für den Magistrat nicht; cartes blanches auszuteilen gehörte weder zum Führungs- und Verwaltungsstil noch zum Selbstverständnis dieser Besatzungsmacht.
der SBZ und im Ostsektor Berlins gleichzeitig verabschieden zu können; dazu kam es jedoch nicht. Vgl. zu den Gründen TatzkowlHenicke, ZOV 1993, S. 80 f. 223 Zur Berliner Situation VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 8: "... ist es nahezu ausgeschlossen, daß deutsche Stellen ohne Erlaubnis oder Zustimmung der sowjetischen Besatzungsmacht handeln konnten". Einzelheiten zur Lage in der SBZ bei TatzkowlHenicke, " ... ohne ausreichende Begründung ... ". Zur Praxis der "Enteignung der Naziaktivisten und Kriegsverbrecher" in der SBZ, ZOV 1992, S. 182 ff. (183): "Die SMAD war vehement darauf bedacht, daß besatzungshoheitliche Entscheidungen, für die sie die Verantwortung trug, korrekt realisiert wurden" - dies, obwohl dort, in der SBZ, keine Rücksichten auf alliierte Vorbehalte und Vorhaltungen genommen werden mußten. Zum damaligen Verhältnis Moskau-OstBerlin zusammenfassend BonwetschlBordjugov, Stalin und die SBZ, va 42 (1994), S. 279 ff. (281): "Im Konflikt mit Moskau (oder hinter dem Rücken Moskaus) hat die SED-Führung zweifellos nicht gehandelt. Nichtsdestoweniger war sie auch keine reine Marionette. Auch wenn sie bis zum Tode Stalins einen Spielraum gehabt und genutzt hat, dann im wesentlichen nur aufgrund unklarer Moskauer Weisungen oder Meinungsäußerungen, die auf Unschlüssigkeit und möglicherweise auch Meinungsverschiedenheiten im Kreml selbst zurückzuführen waren. Das war wohl häufiger der Fall, als man dem Stalinismus gemeinhin unterstellt."
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Die strenge Oberaufsicht der Stadtkommandantur über Magistrat und Bezirksverwaltungen hatte gleichwohl nicht zur Folge, daß auch die Einzelfragen der Sequestration, der Treuhandverwaltung der beschlagnahmten Vermögenswerte und der Entscheidung über ihre Verwendung ausnahmslos hierarchisch gelenkt oder auch nur einvernehmlich entschieden wurden. Sowohl zwischen der Stadtverwaltung und der Kommandantur als auch zwischen der Stadtverwaltung und der Deutschen Kommission für Sequestrierung und Konfiskation (ZDK)224 sowie zwischen ZDK und Kommandantur kam es häufig zu Konflikten über Art und Umfang des Fortgangs der Sozialisierung. Dies betraf vor allem Ausmaß und Dauer der Beschlagnahmen und Nachsequestrationen, die Genehmigungspflichtigkeit von Enteignungen, die Frage eines einheitlichen Vorgehens in Groß-Berlin usw. Kompetenzvorschriften im Verhältnis von Besatzungsmacht einerseits und deutschen Stellen andererseits wurden nicht immer beachtet, bisweilen bewußt überschritten. So wurden etwa im Ostsektor Berlins noch eigenmächtig neue Sequestrationen durchgeführt, nachdem Befehl Nr. 124 bereits aufgehoben worden war225 • Angesichts dieser Rechtstatsachen kann jedenfalls nicht automatisch auf eine besatzungshoheitliche Grundlage aller Enteignungen geschlossen werden, die von deutschen Stellen bis Ende 1949 in Ost-Berlin vorgenommen wurden. Für die Berliner Liste 3 liegt das Problem insoweit etwas einfacher, als sich hier die Inanspruchnahme der Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht, soweit sie denn erfolgte, nahezu lückenlos nachvollziehen läßt226 . So wurde die Treuhandverwaltung, wie geschildert, auf sowjetische Anweisung hin aufgelöst und deren Aufgaben auf den Magistrat übertragen. Auch der Beschluß des Magistrats über den Erlaß der Verordnung vom 10. Mai 1949 und seine Durchführung wurden sowjetischerseits genehmigt. Ebenfalls genehmigt wurde - hier bestehen allerdings kleinere Unsicherheiten - das Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949, sicher aber die Listen 1 und 2. Letzte224 Vgl. dazu - und zu den Rivalitäten und Kompetenzkonflikten - Zank, Zentralverwaltungen, S. 256 ff.; zur (strikt linientreuen) Zusammensetzung der ZDK ebd., S. 281. 225 TatzkowlHenicke, ZOV 1993, S. 84: "Der Befehl Nr. 64 hinterließ offenbar seitens der SMAD I SZK für Berlin einen rechtsfreien Raum ... Dieses Vakuum nutzte die DTV [Deutsche Treuhandverwaltung] weitgehend aus." Einzelheiten hierzu bei TatzkowlHenickelGreve, ZOV 1994, S. 362 ff. 226 V gl. dazu die Darstellungen von Klaus, ZOV 1992, S. 190 ff., und von TatzkowlHenicke, ZOV 1993, S. 80 ff., jeweils m.w.N., auch zum folgenden. - Für die Listenenteignungen aufgrund der Verordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen (Listen A -C) wäre der Frage einer Gesamtverantwortung im Einzelfall gesondert nachzugehen. Vgl. dazu Papier, Rechtsfragen des Restitutionsauschlusses bei besatzungshoheitlichen Enteignungen, ZIP 14 (1993), S. 806 ff. - er kommt für diese Listen zum gleichen Ergebnis wie unsere Studie -; zur einschlägigen Rechtsprechung s.o. Fn. 34.
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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res war nach ständiger Praxis der Besatzungsmacht schon deshalb erforderlich, weil es sich bei den Rechtsgrundlagen regelmäßig um weit gefaßte, nach rechtsstaatlichen Maßstäben - selbst wenn man diese stark zurücknimmt - überaus unbestimmte Ermächtigungstatbestände handelte. Ihre Einhaltung konnte und wollte die selbst- und kontroll bewußte sowjetische Kommandantur nur durch einen strikten Genehmigungvorbehalt auch für die erfaßten Vermögenswerte sicherstellen; so wurde es auch immer praktiziert. Dieser Genehmigungsvorbehalt für die Konfiskationslisten betraf die Enteignungsaufstellungen ebenso wie die Freigabeentscheidungen227 • Bestätigt wurde von der Besatzungsmacht auch der Fortgang der Sozialisierungen insoweit, als der Magistrat (d.h. die zuständige Abteilung) Vorschläge über die weiteren Verwendung der Objekte zu erarbeiten hatte. Darüber hinaus sind keine Genehmigungen ersichtlich. Ausweislich der einschlägigen, offenbar vollständig aufgearbeiteten Unterlagen in den Berliner Archiven wurden weder die Liste 3 (Konfiskationen) noch die Liste 4 (Freigaben) von der Besatzungsmacht genehmigt. Der Magistrat hat insofern nicht einmal um eine Genehmigung ersucht, obgleich die seit jeher bestehende und strikt gehandhabte Verpflichtung zur Einholung der Genehmigung von Enteignungs- und von Freigabelisten seitens der Besatzungsmacht weder ausdrücklich noch stillschweigend aufgehoben worden war. Die Gründe für dieses Nichteinholen der Genehmigung bzw. das Ausbleiben der Genehmigung im November 1949 sind nicht bekannt228 • Denkbar sind verschiedene Konstellationen. Für die Beurteilung der Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht und damit für die etwaige besatzungshoheitliche Grundlage der Enteignungen kommen sie allesamt - mit Ausnahme einer einzigen, völlig unwahrscheinlichen Variante - zum gleichen (negativen) Ergebnis. 1. Die Genehmigung könnte vom Magistrat deshalb nicht eingeholt worden sein, weil sie - wegen der Staatsgründung der DDR am 7. Oktober 1949 oder wegen der Übertragung aller Berliner Verwaltungsbefugnisse von der Sowjetischen Stadtkommandantur auf den Ost-Berliner Magistrat am 227 Der Beschluß des Magistrats vom 8.2.1949 (VOBl. für GroB-Berlin [Ausgabe Ost] 1949 I S. 33) betont diesen Vorbehalt sogar besonders, ebd., Nr. 2: "Die ... freigegebenen und in Liste 2 aufgeführten Vermögens werte sollen ... zurückgegeben werden. Die sowjetische Besatzungsmacht ist um die Genehmigung dieser Liste zu ersuchen." 228 Im VerwaltungsprozeB führt dieses ,non liquet' dazu, daß aus Beweislastgründen eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage nicht festgestellt werden kann. Diese tatsächliche Unsicherheit geht zu Lasten des Verfügungsberechtigten - das Objekt ist also grundSätzlich restitutionsfähig. Vgl. VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 8.
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Erster Teil: RestitutionsausschluB und Berliner Liste 3
11. November 1949 - nicht mehr erforderlich war bzw. als nicht mehr erforderlich angesehen wurde229 . In diesem Fall bestand für die Konfiskationen der Berliner Liste 3 und die Freigabeentscheidungen der Liste 4 keine Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht mehr; es handelte sich nicht um Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage (Folge: Restitutionsfähigkeit der Vermögenswerte). 2. Es könnte aber auch so gewesen sein, daß die Genehmigung vom Magistrat nicht eingeholt wurde, obwohl sie aus Sicht der Besatzungsmacht und des Besatzungsrechts noch Voraussetzung für die Übernahme der Gesamtverantwortung für die Konfiskationen aufgrund der Berliner Listen 3 und 4 war. In diesem Fall einer deutschrechtlichen Kompetenzanmaßung, der von der Besatzungsmacht nicht unterbunden wurde (werden konnte), können die fraglichen Enteignungen erst recht nicht der Gesamtverantwortung der Sowjetunion zugerechnet werden; eine besatzungshoheitliche Grundlage fehlt somit ebenfalls (Folge: wie Variante I). 3. Die Genehmigung könnte zwar beantragt, aber von der sowjetischen Kommandantur nicht (mehr) erteilt worden sein. Bestand seinerzeit der Genehmigungsvorbehalt noch, so fand keine Übernahme der Gesamtverantwortung für diese Konfiskationen statt - eine besatzungshoheitliche Grundlage besteht also nicht (im Ergebnis wie Variante 2). Bestand seinerzeit kein sowjetischer Genehmigungsvorbehalt mehr, dann übernahm die Besatzungsmacht für das Handeln des Ost-Berliner Magistrats auch keine besatzungs(völker)rechtliche Gesamtverantwortung mehr - eine besatzungshoheitliche Grundlage für die Enteignungen besteht demzufolge ebenfalls nicht (im Ergebnis wie Variante 1). Folge auch hier: wie Variante I. 4. Die Genehmigung könnte schließlich beantragt und erteilt worden sein; Gesuch und Genehmigung wären nur bislang nicht auffind- und nachweisbar. Allein in dieser - ganz hypothetischen, von keiner (auch nicht von interessierter Berliner) Seite bisher behaupteten oder gar belegten - Konstellation hätte die Besatzungsmacht die Gesamtverantwortung für die Konfiskationen übernommen; eine besatzungshoheitliche Grundlage der Enteignungen wäre dann gegeben. Angesichts der von kompetenten Seiten anhand der Berliner Akten rechtshistorisch wie zeitgeschichtlich minutiös zurückverfolgten und im Ergebnis auch gut belegten Geschichte der Liste 3 ist diese Konstellation indes gänzlich unwahrscheinlich. Sie kann und muß insofern nachfolgend ausgeblendet werden. Die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 fügen sich, zusammenfassend betrachtet, in die besatzungspolitischen Vorgaben der Sowjetunion und der sozialistisch programmierten und dominierten deutschen Stellen ein. 229 Dafür spricht, daß - anders als bei der Liste 2, s. dort den Vorspann sowie die zugehörige Erklärung des Magistrats - die Liste 4 keinen ausdrücklichen Genehmigungsvorbehalt enthält.
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Sie sind Teil der Umgestaltung der Wirtschafts- und Rechtsverhältnisse in Richtung auf das kommunistische Staats- und Gesellschaftsmodell. Insofern unterscheiden sich die damaligen Enteignungen im Ostsektor Berlins nicht von denen in der SBZ. Unterschiede resultieren indes aus dem Viermächtestatus der Stadt. Die Liste 3-Enteignungen gründen formal auf dem Entnazifizierungsrecht des Kontrollrates und der Alliierten Kommandantur für Berlin; dabei wurde das konsentierte Besatzungsrecht, in völkerrechts- und rechtsstaatswidriger Weise erweitert, uminterpretiert. Besatzungsrechtliche Vorschriften bestanden im Ostsektor nur für die Sequestration, nicht für die Konfiskation. Es kommt daher auf den Nachweis einer besatzungshoheitlichen Grundlage für alle diese Enteignungen an. Die 1947 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Gesetze zur Entnazifizierung und zur Überführung von Wirtschaftsunternehmen in Volkseigentum sahen die einschlägige Konfiskation der Liste 3-Objekte zwar vor; sie wurden indes von der Alliierten Kommandantur nicht genehmigt. Gleichwohl beschloß der Magistrat im Februar 1949 ein Enteignungsgesetz und im April 1949 eine Enteignungsverordnung. Auf der Grundlage dieser - mit dem damals geltenden Recht unbestreitbar nicht zu vereinbarenden Normen wurden die von der Besatzungsmacht den Deutschen zur eigenverantwortlichen Entscheidung übergebenen - zuvor sequestrierten - Vermögenswerte in zwei Enteignungs- und drei Freigabelisten konfisziert bzw. (teilweise dann wieder) freigegeben. Für die von Gemeinsamer Erklärung und Vermögensgesetz bezüglich eines Restitutionsausschlusses geforderte besatzungshoheitliche Grundlage bedarf es mehr als der bloßen Hinnahme des deutschen Verwaltungshandelns durch die Sowjetunion oder des besatzungspolitischen Gleichklangs der durchgeführten Maßnahmen. Erforderlich ist die Steuerung der deutschen Tätigkeit: die gezielte Einflußnahme durch Zustimmung oder Genehmigung. Hat die Besatzungsmacht die fragliche Agende den deutschen Stellen zur eigenverantwortlichen Erledigung übergeben, so kann ihr die Verantwortung hierfür nur insoweit zugerechnet werden, als sie sich Rechte zur begleitenden oder nachträglichen Kontrolle (LS.v. "contre röle") vorbehalten und diese konkret in Anspruch genommen hat. Im Fall der Berliner Liste 3 hat die Besatzungsmacht 1946/47 den OstBerliner Organen die sequestrierten Vermögens werte zur "eigenen Kompetenz" übergeben; die deutschen Behörden richteten hierfür eigene Verwaltungen ein. Damit war indes keine Unabhängigkeit der deutschen Stellen von der Besatzungsmacht verbunden. Gerade in Wirtschafts- und Enteignungsfragen nahm die Sowjetunion, aus Sicht des Marxismus-Leninismus konsequenter-, ja gebotenerweise, durchgängig eine umfassende, energisch gehandhabte Oberaufsicht über die Ost-Berliner Verwaltung in Anspruch. So mußten die Rechtsgrundlagen für Konfiskationen ebenso genehmigt werden wie die listenmäßig erfaßten Enteignungen bzw. die Freigaben selbst. Während ein
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Teil der einschlägigen Rechtsvorschriften und die darauf aufbauenden Listen 1 und 2 - diesem Schema entsprechend - von der Besatzungsmacht ausdrücklich genehmigt wurden, wurde für die Verwendung der in den Listen 3 und 4 erfaßten Vermögens werte bei der Besatzungsmacht weder eine Zustimmung oder Genehmigung beantragt noch von ihr eine solche erteilt. Sieht man von der mittlerweile gänzlich unwahrscheinlichen Konstellation ab, daß ein in den Berliner Archiven hierüber gegebenenfalls vorhandener Schriftwechsel noch aufgefunden würde, besteht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine besatzungs(völker)rechtliche Verantwortlichkeit der Sowjetunion für die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3. Diese entbehren demzufolge auch einer besatzungshoheitlichen Grundlage. Aus vermögensrechtlicher Sicht bedeutet das: Diese Vermögenswerte sind restitutionsjähig, ein Restitutionsverbot greift insofern nicht. V. Der Zeitrahmen des Restitutionsausschlusses 1. Kriterien und Stichtage
Der in § 1 Abs. 8 lit. aVermG angelegte negative Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes weist mit dem Erfordernis einer besatzungsrechtIichen oder besatzungshoheitIichen Grundlage für Enteignungen ein anspruchsvolles materielles Kriterium auf. Dieses Kriterium gibt dem Rechtsanwender eine Reihe von Prüfpunkten vor, die, wie dargelegt, nur aus einer funktionalrechtlich orientierten Sichtweise zutreffend beantwortet werden können. Rechtsprechung und Schrifttum haben diese aufwendige Auslegung des Restitutionsausschlusses bislang eher verhalten verfolgt. Angesichts der knappen Ressourcen Recht und Zeit mag diese Zurückhaltung verständlich sein 230. Das Erfordernis einer besatzungsrechtIichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage hat aber auch eine formelle Komponente: den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen solche Konfiskationen stattgefunden haben können. Je nachdem, wie dieser Rahmen verstanden und welches Gewicht ihm neben oder zusätzlich zur Enteignungsgrundlage zuerkannt wird, findet der Ausschlußtat230 Die höheren qualitativen Anforderungen an eine funktional rechtliche Interpretation dürfen auf der anderen Seite auch nicht überschätzt werden. Liegen die rechtstatsächlichen Grundlagen für eine solche Beurteilung der Verantwortlichkeit der Besatzungsmacht für das Konfiskationsverhalten deutscher Stellen einmal vor, sind alle Enteignungen derselben Liste grundsätzlich gleich zu beurteilen, es sei denn, es handele sich um Vermögens werte , die bereits zeitlich früher einem Konfiskationszugriff ausgesetzt waren. Nur diese "Doubletten" (Klaus) sind einer Einzelprüfung bedürftig. Zu einer solchen - wohl zweifelhaften - Konstellation etwa VG Halle vom 23.6.1993 - 1 VG A 135/92, VIZ 1994, S. 32 ff. - I.G. Farben; ohne Umschweife bestätigt durch BVerwG (Nzb.) vom 30.12.1993 -7 B 182.93, in: RGV, B 11 51.
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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bestand Anwendung oder nicht. Daß der Zeitrahmen überhaupt eine Rolle spielen muß, ist dabei unbestritten. Schon der Wortlaut von § lAbs. 8 lit. a VermG etabliert den engen Bezug zur Besatzungszeit; allein innerhalb dieser Zeit hat die besondere, gegebenenfalls restitutionsausschließende Verantwortung der Sowjetunion bestanden. Eben diese Verantwortung - und, wie gezeigt, nur sie - legitimiert und limitiert die Ausnahme vom Grundsatz der Rückübertragung enteigneter Vermögenswerte (§ 3 VermG). Sie hat insofern eine zeitliche Komponente, als eine verantwortlichkeitsbegründende (juristische) Besatzungsgewalt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und Ost-Berlins ja nur für einen bestimmten Zeitraum bestanden hat. Unklar und näherer Prüfung zu unterziehen ist in diesem Zusammenhang zweierlei: Welche Bedeutung hat das zeitliche, formale Element neben dem grundlagenbezogenen, materialen Element oder an seiner Stelle? Wie ist es gegebenenfalls auszulegen? Beide Fragen haben bislang keine konsentierte Antwort erfahren. Ein Teil der Judikatur vertritt die Auffassung, es komme nicht auf die temporäre - wie auch immer festzulegende - Limitierung der Besatzungszeit an, sondern allein auf das Vorhandensein einer "Grundlage", mag diese die Konfiskation auch erst nach einem bestimmten (noch genauer festzulegenden) Zeitpunkt bewirkt haben 231 • Andere Entscheidungen stellen primär auf die zeitliche Limitierung der sowjetischen Besatzungsgewalt ab; einen Restitutionsausschluß lehnen sie ab, wenn der Zugriff auf das konfiszierte Objekt nach einem bestimmten Stichtag - regelmäßig der Tag der Staatsgründung der DDR (7.10. 1949) - stattgefunden hatm . Wieder andere Judikate kombinieren beide Kriterien und begrenzen eine besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage jedenfalls immer mit dem o.a. Stichtag233 • Auch im Schrifttum finden sich unterschiedliche Ansätze. Z.T. wird die geforderte besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage weit verstanden i.S.e. - fast 231 VG Berlin vom 13.1.1992 - 25 A 661.91, ZOV 1992, S. 114, wohl davon ausgehend, daß die zeitliche Limitierung keine Rolle spielt, wenn und solange eine besatzungsrechtliche Grundlage vor der Gründung der DDR nachweisbar ist; dabei sei auf die Rechtsgrundlage der Konfiskation abzustellen, nicht auf den konkreten Vermögenszugriff. Da die besatzungshoheitlichen Enteignungen (nach Horn) erst 1952 abgeschlossen worden seien, spiele das Zeitkriterium keine Rolle. 232 OVG Berlin vom 2.4.1992 - 8 S 40.92, ZIP 13 (1992), S. 1181 ff. (1184); VG Berlin vom 4.12.1992 - 21 A 540.92, ZOV 1993, S. 69 f.; VG Berlin vom 29.1.1993 - 21 A 541.92, ZOV 1993, S. 116 ff. (117). 233 So VG Halle vom 28.7.1993 - 2 VG A 222/91, ZOV 1993, S. 453: Letztendlich entscheidet der zeitliche Zurechnungszusammenhang; ähnlich VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 6 ff.
8 Vitzthum/März
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
schon (besatzungs-)politisch aufgefaßten - Gesamtverantwortung und deshalb entscheidend auf die zeitliche Limitierung abgestellt234 • Teilweise wird die geforderte Grundlage zwar ebenfalls weit verstanden, die zeitliche Limitierung gleichwohl für unbeachtlich erklärt23S • Richtigerweise enthält § 1 Abs. 8 lit. aVermG eine Kombination von materiellen (Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht) und fonnellen Tatbestandselementen (zeitliche Limitierung). Im einzelnen gilt folgendes. Die Unsicherheit über den Stellenwert einer zeitlichen Begrenzung in Rechtsprechung und Schrifttum rührt zunächst davon her, daß nicht durchgängig klar wird, auf welches Tatbestandsmerkmal in § 1 Abs. 8 lit. a VermG eine etwaige Limitierung Anwendung finden soll. Einmal wird die Rechtsgrundlage der Berliner Liste 3 als ausschlaggebend benannt, ein anderes Mal die Liste selbst. Wie bereits erläutert, handelt es sich bei den Konfiskationen der Liste 3 um Administrativkonfiskationen. Der Enteignungsakt liegt in der Bekanntmachung und Inkraftsetzung der Liste; dies erst bewirkt den staatlichen Eingriff, den Vermögensentzug arn konkreten Objekt. Daß bei diesen Listenkonfiskationen236 keine Legalenteignung vorlag, beweist schon die ausdrückliche Festschreibung des Zeitpunktes der Wirksamkeit von Enteignungen in § 8 des Enteignungsgesetzes einerseits, im Vorspann zur Liste 3 andererseits. Bei den Enteignungen aufgrund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 galt im Fall der Listenkonfiskation (nicht hingegen bei der Zustellung eines individuellen Einziehungsbescheides) der Tag der Verkündung im Verordnungsblatt als Tag der Zustellung des Einziehungsbescheides. Dieser Zeitpunkt war als Anknüpfungspunkt für die Wirksamkeit des Vermögensverlustes festgelegt worden; auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ermächtigungsgrundlage wurde demgegenüber nicht abgestellt. Für die Zuordnung der Enteignungsmaßnahme zur zeitlichen Limitierung muß daher der Zeitpunkt des Enteignungsaktes selbst ausschlaggebend sein.
234 So Neuhaus, in: FieberglReichenbach, VerrnG, § 1 Rn. 187; Frantzen, VIZ 1993, S. 9 ff. (11); Frantzenlvon Lenthe, VIZ 1993, S. 147 ff. (148); in dieser Richtung auch Petter, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, VerrnG § 1 Rn. 236. m So Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § 1 Rn. 386 f.; ders., in: VIZ 1993, S. 186 ff. (189). Zum .. Ausgleich" für seine extensive Deutung des Restitutionsausschlusses geht Wasmuth davon aus, daß § 1 Abs. 8 Iit. a VermG trotz BVerfGE 84, 90 ff. verfassungswidrig und nichtig sei, einer Restitution der Besatzungskonfiskationen also generell nichts im Wege stehe. 236 Anderes mag bei den Konfiskationen aufgrund der Listen A-C gelten. Dort fallen Konfiskationserrnächtigung und Konfiskationsvollzug in einer Norm zusammen. Aus diesem Grund bedurfte es hier auch nicht - anders als bei der Liste 3 - einer Regelung des Zeitpunktes des Wirksamwerdens der Enteignung.
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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Man könnte einwenden, daß es bei isoliertem Verständnis des Wortlauts von § 1 Abs. 8 lit. aVermG allein darauf ankommen müsse, ob die Enteignung überhaupt auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage stattgefunden habe. Liege eine solche Grundlage vor - und hierunter sei die Rechtsgrundlage zu verstehen, nicht der Vollzugsakt oder eine spätere Dokumentierung der Konfiskation im Grundbuch oder anderen amtlichen Urkunden -, so komme es auch nur auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Grundlage an. Hieran müsse sich die zeitliche Limitierung des Restitutionsausschlusses orientieren237 • Weder mit der Entstehungsgeschichte noch mit Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses ist eine solche Argumentation vereinbar. Gerade die wie referiert - strikte und enge Handhabung der Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht in dem Sinne, daß nicht nur die generellen Rechtsgrundlagen, sondern auch und gerade die speziellen Entzugsmaßnahmen (und selbst die Freigabeentscheidungen) genehmigt werden mußten, zwingt dazu, den Zeitpunkt des konkreten Eingriffs in das Eigentum nicht nur für die Zurechnung zur Besatzungsmacht, sondern auch für die zeitliche Limitierung ausschlaggebend sein zu lassen. Fällt die zeitliche Begrenzung des Restitutionsausschlusses mit dem Ende der besatzungs(völker)rechtlichen Verantwortung der Sowjetunion zusammen, so muß darauf abgestellt werden, welche Rechtsakte diese Gesamtverantwortung umfaßte - eben auch die in den Listen geregelten Vollzugsakte. Für die Zuordnung der Konfiskationen zur zeitlichen Limitierung des Restitutionsausschlusses ist demzufolge auf den formalen Zeitpunkt des Vermögensverlustes abzustellen, nicht auf den des Wirksam werdens der Ermächtigungsgrundlage. Für die Berliner Liste 3 bedeutet dies, daß das entscheidende temporäre Kriterium nicht das Inkrafttreten des (ja ohnehin "unpassenden") Enteignungsgesetzes (9. Februar 1949) sein kann, sondern der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der konkreten Enteignung sein muß. Für die Liste 3 war dies der 2. Dezember 1949. Mit der Klärung des für die zeitliche Limitierung des Restitutionsausschlusses ausschlaggebenden Anknüpfungspunktes ist noch nicht darüber entschieden, ob und bejahendenfalls welcher Zeitpunkt für das Ende des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 8 lit. aVermG maßgeblich ist. Insbesondere von
237 So nunmehr VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 11: "Maßgeblich ist also die Grundlage der Enteignung, nicht die Frage, ob es sich unmittelbar um eine besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Enteignung handelt." A.A. VG Berlin vom 4.5.1994 - 7 A 115.93 (s.u. Anhang 3), S. 9: Es kommt auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Enteignungakts (Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste) - und nicht auf den seiner Rechtsgrundlage - an.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
Wasmuth238 wird seit jeher bestritten, daß im Restitutionsausschluß das zeitliche Kriterium überhaupt eine Rolle spiele. Zum einen habe das Vermögensgesetz selbst auf jede direkte Zeitangabe verzichtet. Zum anderen habe die Sowjetunion den Restitutionsausschluß niemals auf einen strengen zeitlichen Rahmen beschränkt; sie habe vielmehr auf die besatzungsbezogene Grundlage ihrer Indemnitätsforderung abgestellt239 • Was das letztgenannte Argument betrifft, hat die o.a. Interpretation des Moskauer Verlangens gezeigt, daß sich die Indemnitätsforderung der früheren Besatzungsmacht nur auf die Konfiskationen bezog, die ihrem besatzungs(völker)rechtlichen Verantwortungsbereich unterfielen. Endet diese Verantwortung mit dem Ende der Besetzung, so endet zu diesem Zeitpunkt auch die Legitimation der einen Restitutionsausschluß enthaltenden Indemnitätsforderung. Es kommt also durchaus auf den Zeitpunkt des Endes der sowjetischen Verantwortung an. Beachtlicher ist auf den ersten Blick das Argument, das Vermögensgesetz enthalte im Normtext keinen Hinweis auf eine feste zeitliche Limitierung des Restitutionsausschlusses240 • Zwar habe die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 in Eckwert Nr. 1 darauf abgestellt, daß die "Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) nicht mehr rückgängig zu machen" seien; dieser Klammerzusatz habe indes weder im Vermögens gesetz einen Niederschlag gefunden noch sei er aus sich heraus eindeutig auf die Enteignung bezogen - er könne auch die Grundlage der Konfiskationen, also die gesetzliche Ermächtigung meinen. Eine derartige extensive Auslegung des Restitutionsausschlusses kollidiert indes mit dem Willen des Vermögensgesetzgebers, die Ausnahmebestimmung in § 1 Abs. 8 lit. aVermG nicht nur durch ein materielles Kriterium: die besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage, zu definieren, sondern ihr auch eine klare, formelle Stütze zu geben 241 • Die Begrenzung der 238 Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, B 100, VermG § I Rn. 386-392; ders., VIZ 1993, S. 186 ff. 239 Wasmuth vertritt seit längerem mit beachtlichen Argumenten zugleich die Auffassung, die Sowjetunion habe überhaupt keine Forderung erhoben bzw. (Vor-)Bedingung gestellt, die eine Rückgabe des konfiszierten Eigentums auch aus Zeiten der Besatzung ausschließe. S. dazu oben bei Fn. 86. 24() So jüngst VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 8 ff. 241 Unter diesem Aspekt ist es unhaltbar, auf eine zeitliche Limitierung ganz zu verzichten, wie es das VG Berlin vom 11.4.1994 - 25 A 265.93 (s.u. Anhang 2), S. 9 erwägt, aber dann dahingestellt sein läßt. Wollte man allein auf das Vorhandensein einer beliebigen besatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Grundlage abstellen und den Zeitpunkt des konkreten Konfiskationseingriffs für unbeachtlich erklären, müßten auch Enteignungen, die noch lange nach 1949 durch DDR-Behörden stattgefunden haben, insoweit unter den Restitutionsausschluß fallen, als sie sich in
C. Der RestitutionsausschluB nach § lAbs. 8 lit. a VermG
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besatzungs völkerrechtlich geforderten Sperre auf einen festen, überschaubaren Zeitraum war von Anfang an in der Gemeinsamen Erklärung angelegt, zwar nicht mit exakten Daten, aber doch mit der Begrenzung auf die besondere Verantwortlichkeit der Sowjetunion für ihre Besatzungszone und für den Ostsektor Berlins. So hat sie auch das Bundesverfassungsgericht im Bodenreform-Urteil verstanden 242 . Nur diese Verantwortlichkeit - nicht mehr - konnte Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung legitimieren. Mag mancher noch dahingestellt sein lassen, zu welchem exakten Zeitpunkt diese Verantwortlichkeit in Ost-Berlin endete - daß eine feste, formale Limitierung erforderlich und gewollt war, war bei den Verhandlungen sowohl mit der Sowjetunion als auch mit der DDR unbestritten. Auch das Bodenreform-Urteil geht mit klaren Worten davon aus, daß vom Restitutionsausschluß nicht nur die Konfiskationen der ersten Nachkriegsjahre, sondern "auch noch spätere, auf die genannten Grundlagen gestützte entschädigungslose Enteignungen in der Zeit bis zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik einbezogen werden" sollten 243 . Mit dieser Rezeption der regierungsamtlichen Interpretation des Restitutionsausschlusses bekräftigt das Bundesverfassungsgericht zugleich, daß es für die zeitliche Abgrenzung nicht auf die Grundlage der Enteignung, sondern auf den Enteignungseingriff selbst ankommt. Die Erläuterungen zum Vermögensgesetz - das bekanntlich von einer deutsch-deutschen Arbeitsgruppe formuliert wurde - nennen von Anfang an exakte Zahlen bzw. Termine: Gemeint seien in § 1 Abs. 8 lit. a VermG "Enteignungen ... in der Zeit zwischen Kriegsende (8. Mai 1945) und Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (7. Oktober 1949)"244. Die Erläuterungen verdeutlichen auch, warum es solcher exakter Zahlen bedurfte: wegen der seinerzeit nur als formelle Unterscheidung zu lesenden "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage". Da der Vermögensgesetzgeber bewußt darauf verzichtet hatte, den Anwendungsbereich des Restitutionsausschlusses durch eine materielle Detaillierung der besatzungsbezogenen Grundlagen abzugrenzen, mußte er auf ein klares, praktikables, in seinem Verständnis grundSätzlich sachgerechtes Kriterium zurückgreifen. Dies war das äußerliche Ende der sowjetischen Besatzungsgewalt, das in der Staatsgründung der DDR seinen Niederschlag gefunden hatte. Andernfalls wäre der Umfang des Restitutionsausschlusses für den Rechtsanwender nicht mehr irgendeiner Weise auf den Willen der Besatzungsmacht zurückführen lassen. Dies wäre in Ost-Berlin bis zum Ende der formellen Besatzungszeit, d.h. bis zur Auflösung der sowjetischen Hohen Kommission am 20.9.1955 (s.o. bei Fn. 149) der Fall, keinesfalls aber bis zur Wiedervereinigung, wie das VG behauptet; der bis 1990 fortbestehende Viermächtestatus der Stadt war auch in Ost-Berlin kein Besatzungsregime i.e.S. 242 BVerfGE 84, 90 (115, 117). 243 BVerfGE 84, 90 (115) (Hervorhebung hinzugefügt). 244 BT-Drs. 11/7831, S. 3.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
bestimmbar gewesen: materiell nicht, weil die Begrifflichkeit nicht materiell gemeint war; fonnell nicht, weil der Nonntext nur das zur Abgrenzung insoweit untaugliche Kriterium der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage enthielt. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, die Erläuterungen beschränkten sich auf die Darlegung einer (beliebigen) Rechtsmeinung, die mit der objektiven Rechtslage grundsätzlich nicht übereinstimme und daher unbeachtlich sei - Aufgabe der Stichtagsregelung war es ja, eine solche objektiv einsichtige Rechtslage erst herbeizuführen. Ebensowenig läßt sich einwenden, der Gesetzgeber habe absichtlich auf den Klammerzusatz verzichtet, um die Interpretation des § 1 Abs. 8 lit. a VennG insoweit nicht zu präjudizieren - der Gesetzgeber glaubte im Gegenteil, wegen der in Verbindung mit dem Klammerzusatz in der Gemeinsamen Erklärung komplettierten Rahmenregelung auf das zeitliche Element im Vennögensgesetztext verzichten zu können. Daß der Wiedervereinigungsgesetzgeber insoweit plan widrig noch immer nicht alle Unsicherheiten in der Auslegung des Anwendungsbereichs des Restitutionsausschlusses beseitigt hat, zeigt der nun abgeschlossene, freilich wiederum partiell gescheiterte Anlauf des Deutschen Bundestages, den Zeitrahmen des negativen Anwendungsbereichs von besatzungsgetragenen Konfiskationen durch eine authentische Interpretation zu zementieren. Bereits die erste Fassung eines Referentenentwurfs zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz245 hatte eine Legaldefinition enthalten, die sowohl mit dem seinerzeit in der Gemeinsamen Erklärung Gemeinten (aber wegen deren politischen Charakters nicht Präzisionsbedürftigen) als auch mit dem im Vermögensgesetz Gemeinten (aber nur in den Erläuterungen zum Ausdruck Gekommenen) übereinstimmte: § I Anspruch auf Ausgleichsleistung
(2) lAis Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gelten alle Einziehungen von Vermögenswerten im Sinne von § 2 Abs. 2 des Vermögensgesetzes zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 6. Oktober 1949 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (sowjetisch besetzte Zone Deutschlands und sowjetischer Sektor von Berlin), die einzelne Personen oder Personengruppen in diskriminierender Weise belastet haben; ... 246 245 Referentenentwurf (Rohfassung) vom 6.11.1991 (Az.: VI A 6 und VI A 7 1319 BMF - 89/91) (n.v.). Zur Entstehung des EALG S.U. Dritter Teil, 11. 246 In der zugehörigen Begründung wird zutreffend klargestellt, daß das Kriterium "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" zeitlich, also durch eine Stichtagsgrenze, definiert werden sollte und soll: "Der innere Grund hierfür ist die rechtliche und faktische Abhängigkeit aller deutschen Stellen in der sowjetisch besetzten Zone und im sowjetischen Sektor von Groß-Berlin von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD)."
C. Der Restitutionsausschluß nach § lAbs. 8 Iit. a VermG
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Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte diese Legaldefinition aufgegriffen und durch die künftige Einfügung einer Verweisungsklausel in § 1 Abs. 8 lit. aVermG weiter verdeutlicht247 • Anders als andere Teile des EALG war diese Regelung in den Ausschußanhörungen wie in den schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden. Auch von den gesetzgebenden Körperschaften selbst war sie in den Ausschußdebatten und Plenarsitzungen einhellig konsentiert worden; das vom Bundestag ursprünglich verabschiedete Gesetz enthielt die o.a. Interpretation noch 248 • Auch in den bei den Vermittlungsverfahren nach Art. 77 GG beantragte keiner der Antragsteller die Änderung gerade dieser Bestimmung; der Streit kreiste hier allein um das Ob und die Modalitäten eines Rückerwerbsrechts der Konfiskationsopfer (sowie um die Rückgabe der beweglichen Habe). Gleichwohl sah sich der Vermittlungsausschuß im ersten Verfahren am 29. Juni 1994 veranlaßt, Art. 2 § 1 Abs. 1 S. 1 EALG insoweit zeitneutral zu fassen, als die authentische Interpretation der Stichtagsregelung gegen die neutrale Formel von der besatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Grundlage ausgetauscht wurde249 • Diese Fassung wurde sodann Gesetz. Die Gründe, die den Vermittlungsausschuß dazu veranlaßt haben, die authentische Interpretation der Konfiskationsfälle durch den vorgesehenen temporären Rahmen aus dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu entfernen, sind dunkel und nicht bekannt. Am ehesten könnte sich der Vermittlungsausschuß zur Streichung dadurch veranlaßt gesehen haben, daß er die Festschreibung des Zeitrahrnens als überflüssig, weil bereits als Auslegungsregel in der Begründung zum Vermögensgesetz 1990 enthalten, ansah; hierfür spricht vor allem, daß die nunmehr weggefallene Formel im gesamten Gesetzgebungsverfahren - einschließlich zweier aufwendiger Hearings, in denen u.a. die Besonderheiten der "Mauer-Grundstücke" ausgiebig erörtert wurden - als unstreitig zutreffend angesehen wurde. Denkbar wäre auch, daß 247 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitIicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG -) vom 10.5.1993, BT-Drs. 12/4887; dort Art. 10 Nr. I: ,Jn § 1 Abs. 8a [VermG] werden nach dem Wort ,Grundlage' die Wörter ,im Sinne von § 1 Abs. 1 und 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes' eingefügt." Im übrigen s.u. Anhang 5. 248 Vgl. die Gesetz gewordene Beschlußempfehlung des Finanzausschusses, BTDrs. 12/7588, S. 31 (nunmehr Art. 2 § 1 Abs. 1 S. 1 EALG). 249 Vgl. die erste Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 29.6.1994, BT-Drs. 12/7832, S. 2 (Nr. I). Die zweite Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 1.9.1994 (BT-Drs. 12/8413) bezieht diese Vorschrift nicht ein, so daß die vom Bundestag in seiner 238. Sitzung am 30.6.1994 verabschiedete Fassung insoweit unverändert, also ohne die Interpretationsklausel, Gesetz wurde.
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
man es als Legislative vermeiden wollte, der Dritten Gewalt gesetzesinterpretativ gegenüberzutreten und eine Regelung zu treffen, die ihrer Funktion nach - authentische Interpretation des Gesetzestextes - genuin eine Leistung der Rechtsprechung sein sollte. Denkbar wäre schließlich auch - wenngleich dies als äußerst unwahrscheinlich erscheint -, daß der Gesetzgeber inhaltlich von der exakten zeitlichen Eingrenzung, wie sie die Begründung zum Vermögensgesetz enthält, abrücken und einer Auslegung den Weg öffnen wollte, die von einem Zeitrahmen gänzlich abstrahiert. Um dies zu erreichen, hätte es indes mehr bedurft als eines schlichten Nichtregelns (bzw. kommentarlosen Streichens einer zunächst aufgenommenen Regelung aus der Schlußfassung der Gesetzesvorlage): Der dokumentierte objektive Wille des Vermögensgesetzes, wie er in der Begründung aus dem Jahr 1990 zum Ausdruck kommt, kann allein dadurch geändert werden, daß der Gesetzgeber eine neue, inhaltlich abweichende Regelung trifft - Nichtregeln ist nach allgemeinen methodischen Grundsätzen nur dann rechtlich relevant, wenn es sich um "beredtes Schweigen" handelt. Regelt eine Gesetzesnovelle indes in einem bestimmten Punkt nichts (Neues), bleibt es solange bei der alten Bedeutung der Norm, wie sich dem neuen Gesetz nichts Gegenteiliges entnehmen läßt. Angesichts des umfänglichen, parteiübergreifenden parlamentarischen Konsenses, der das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz in diesem Punkt auszeichnet, hätte es für eine Änderung des Bedeutungsgehalts von § I Abs. 8 lit. aVermG also eines ausdrücklichen Abweichens vom bisherigen Rechtszustand bedurft. Dies ist nicht geschehen. Das Entfallen der ursprünglich im Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vorgesehenen authentischen Interpretation eines Zeitrahmens des Restitutionsausschlusses ist demzufolge, für sich genommen, für die Auslegung von § 1 Abs. 8 lit. aVermG unbeachtlich - die planwidrige Lücke im Vermögensgesetz besteht fort und ist weiterhin unter Heranziehen des seinerzeit Gewollten, in den Erläuterungen zur Urfassung Dokumentierten zu schließen. § 1 Abs. 8 lit. aVermG ist also im obigen Sinne zu lesen, d.h. unter Einziehung der genannten zeitlichen Schranken: 8. Mai 19456. Oktober 1949. Konfiskationen "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" können demzufolge nur bezüglich der Zeit der offiziellen besatzungs(völker)rechtlichen Verantwortung der Sowjetunion angenommen oder ausgeschlossen werden. Diese sowjetische Verantwortung aber endete mit dem Inkrafttreten der Verfassung der DDR. Das Rekurrieren auf eine vorherige, noch besatzungsgetragene "Grundlage" der Enteignung vermag die ausschließliche Relevanz des konkreten Entzugsakts (des Eingriffs) nicht zu überspielen.
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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2. Berliner Sonderlage? Nicht gegen eine im Restitutionsausschluß an sich enthaltene Stichtagsregelung, wohl aber gegen deren unbesehene Erstreckung auch auf Fälle der Berliner Liste 3 könnten Bedenken geäußert werden. Sie könnten sich auf den ersten Blick darauf stützen, daß für den sowjetischen Sektor von Berlin eine Sonderlage insofern bestanden habe, als die offizielle Besatzungszeit nicht zeitgleich mit dem Inkrafttreten der DDR-Verfassung am 7. Oktober 1949, sondern erst mit der Übergabe der Verwaltungsbefugnisse der sowjetischen Militärkommandantur an den Ost-Berliner Magistrat am 11. November 1949 endete250 . Während also für die SBZ eine grundsätzlich sachgerechte Stichtagsregelung vorliege, könne gleiches für Ost-Berlin nicht gelten. Vielmehr müßten die tatsächlichen Unterschiede dahingehend berücksichtigt werden, daß für die Berliner Listenenteignungen ein besonderer Stichtag gelte: eben der 11. November 1949. "Ost-Berliner Besonderheiten"251 finden indes anerkanntermaßen und unstreitig weder im Vermögens gesetz noch in der Gemeinsamen Erklärung oder in den anderen einschlägigen Vorschriften Berücksichtigung. Der Wiedervereinigungsgesetzgeber hatte die besonderen Aspekte zwar gesehen, sich aber - wie die Erläuterungen zum Vermögens gesetz zeigen - um der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit willen (unklares Ende der Besatzungszeit in OstBerlin!) für eine einheitliche Lösung (auch) bei der zeitlichen Limitierung des Restitutionsausschlusses entschieden; er hat dabei das weitaus größere quantitative und qualitative Gewicht der SBZ-Konfiskationen zum Ausgangspunkt genommen 252 • Ob diese bewußte zeitliche Vereinheitlichung grundsätzlich verschiedener Tatbestände zulässig ist, hängt in erster Linie vom verfassungsrechtlichen Maßstab für solche Stichtagsregelungen ab, deren das Vermögens ge setz meh250 Zivier, Der Rechtsstatus des Landes Berlin, Berlin 41987, S. 89; Erklärung des Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission zur Übergabe von Verwaltungsfunktionen an deutsche Behörden, in: von Münch, Dokumente I, S. 325 f.; Antwortrede des Ost-Berliner Oberbürgermeisters Ebert bei der Übergabe, in: Dokumente zur Berlin-Frage 1944-1966, München 41987, S. 142. S. dazu auch Berlin. Quellen und Dokumente 1945 -1951,2. Halbbd., Nr. 1036, S. 1801 m. Fn. 33. 251 Zu ihnen zuletzt Kadelbach, Zum völkerrechtlichen Status Ost-Berlins, ROW 30 (1986), S.221 ff.; Schräder, "Berlin, Hauptstadt der DDR", ArchVR 25 (1987), S.418 ff.; Lieser-Triebnigg, Ost-Berlin - Status und Entwicklung, DÖV 1987, S. 377 ff., jeweils m.w.N. 252 Vgl. die Erläuterungen in BT-Drs. 1117831, S. 3, wo die vom Ost-Berliner Magistrat vorgenommenen Konfiskationen den Enteignungen in der SBZ in jeder Hinsicht gleichgestellt wurden. Daß dies bewußt geschah, zeigt u.a. der (aus Berliner Sicht) bedauernde Hinweis von K. Kilian, ZOV 1993, S. 8.
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rere aufweist (vgl. § 1 Abs. 6, 8 lit. a, § 3 Abs. 3 S. 9, § 4 Abs. 2 S. 2 VermG)253. Folgt man dem Bodenreform-Urteil, so scheidet Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab für die restitutionsbezogene Stichtagsregelung aus, da der grundrechtliche Eigentumsschutz auf diese Sachverhalte keine Anwendung findet (s.u. Zweiter Teil, m.). Als Maßstabsnorm kommt allein Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Jede gesetzliche Regelung, die sich auf Sachverhalte von einiger Dauer bezieht und an Änderungen der Sach- und! oder Rechtslage anknüpfen will, muß bestimmen, welche Tatbestandsmerkmale für die Zuordnung der Rechtsfolgen zum alten oder neuen Recht maßgebend sein sollen. Diese exakte zeitliche Limitierung geschieht vielfach mit Hilfe von Stichtagen. Dieser Zeitfaktor spielt beim Restitutionsausschluß eine Schlüsselrolle. Nur mit seiner Hilfe . läßt sich den Grundsätzen in der Präambel zur Gemeinsamen Erklärung (Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, aber auch dem Recht auf Eigentum) Rechnung tragen. Solche Stichtagsregelungen sind grundsätzlich zulässig, solange bestimmte Voraussetzungen vorliegen: Ihre Einführung überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts muß am gegebenen Sachverhalt orientiert, also sachlich vertretbar sein254 • Die Einführung der Stichtagsregelung ging zwar nicht direkt auf das Verlangen der Sowjetunion zurück; sie stand aber in engem Zusammenhang mit der normativen Umsetzung der besatzungsbezogenen Indemnitätsforderung Moskaus. Da die Umschreibung des negativen Anwendungsbereichs der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" von Anfang an auf Schwierigkeiten stieß und der Gesetzgeber sowohl beim Implantieren der Gemeinsamen Erklärung in den Einigungsvertrag als auch beim Erarbeiten des Vermögensgesetzes erkannt hatte, daß die genannten Kriterien zwar einen bestimmten Begriffskem - "besatzungsrechtlich" -, nicht aber einen deutlich m Am umstrittensten ist und bleibt § 4 Abs. 2 S. 2 VermG. Er benennt den 18.10. 1989 als Stichtag für den redlichen Erwerb bei Haus- und Grundstückskäufen. Vgl. dazu den Meinungsstand bei FieberglReichenbach, in: dies. (Hrsg.), VermG, § 4 Rn. 98 ff. Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung - anhand von Art. 14 GG BVerwG vom 12.11.1993 -7 C 7.93, VIZ 1994, S. 125 ff.; dazu pro und contra Jaekel, BVerwG-Entscheidung nicht zu beanstanden, NJ 48 (1994), S. 261 ff.; Enderlein, Stichtagsregelung verfassungswidrig, NJ 48 (1994), S. 263 f.; LansnickerlSchwirtzek, Verfassungswidrigkeit der Stichtagsregelung alter Fassung im Vermögensgesetz?, VIZ 1994, S. 505 ff.; Purps, Verfassungswidrigkeit der Stichtagsregelung neuer Fassung im Vermögensgesetz?, VIZ 1994, S. 509 ff. - Das Land Brandenburg hat hierzu nunmehr beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle angestrengt. 254 BVerfGE 13, 31 (38); 87, I (43 f.); st. Rspr. Zu der mit Stichtagsregelungen immer einhergehenden Typisierung vgl. Pemice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, Baden-Baden 1991, S. 250 ff., zur "Übergangsgerechtigkeit" ebd. S. 261 ff. m.w.N.
C. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG
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bestimmbaren Begriffshof - "besatzungshoheitlich - aufwiesen, lag es nahe, die vom Regel-/ Ausnahmeverhältnis in §§ 3, 1 Abs. 8 lit. aVermG vorgegebene Unterschiedlichkeit in den Rechtsfolgen der vermögensrechtlichen Wiedergutmachung für die Betroffenen und die Rechtsanwender jedenfalls auf eine eindeutige, leicht handhabbare, weil formale Grundlage zu stellen. Die Stichtagsregelung stellt eine solche Eindeutigkeit her. Die temporäre Gleichbehandlung von SBZ-Konfiskationen und Ost-Berliner Enteignungen beruht auf vernünftigen Erwägungen. Sie setzt auf zeitlicher Ebene nur die einheitliche Behandlung beider Sachverhalte fort, die bereits in ihrer grundsätzlich gleichen vermögensrechtlichen Zuordnung ihr Vorbild finden. Obgleich die Rechtsgrundlagen von Enteignungen in der SBZ, wie gezeigt, z.T. andere waren als im Ostsektor Berlins, obwohl andere Behörden zuständig waren, obwohl aus besatzungs(völker-)rechtlicher Sicht die vom Magistrat vorgenommenen Enteignungen einen (noch) größeren Unrechtsgehait aufwiesen, waren Sowjetunion und Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990 übereingekommen, das Indemnitätsverlangen der Besatzungsmacht auf alle Konfiskationsfälle gleichermaßen zu erstrecken, ohne Rücksicht auf die Belegenheit der Vermögenswerte. In dieses System einer Gesamtregelung der vermögensrechtlichen Wiedergutmachung fügt sich die einheitliche Regelung des Stichtags nahtlos ein 255 • Differenzierende Regelungen wären zwar denkbar gewesen; der Gesetzgeber wäre dazu aber nur verpflichtet, wenn die Interessenlage der Betroffenen dies zwingend geböte. Eine solche ist hier nicht ersichtlich. Allein die Berliner Liste 3-Fälle fallen unter den Problembereich der einheitlichen zeitlichen Regelung des Restitutionsausschlusses. Sie erleiden dadurch keinen Nachteil, wenn zu ihren Gunsten die Ablösung des Besatzungsregimes "buchungstechnisch" etwas früher stattfindet - nämlich am 7.10.1949 - als tatsächlich geschehen. Aus diesem Grund bestehen gegen die Einbeziehung der Berliner Konfiskationen in diese Stichtagsregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Neben dem materiellen Kriterium der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" spielt für den Restitutionsausschluß, zusammenfassend betrachtet, der zeitliche Rahmen und seine Limitierung eine wesentliche Rolle. Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Sinnzusammenhang fordern einen engen Bezug der Enteignungen zur Besatzungszeit. Dieser Bezug stellt - entgegen neuerer Rechtsprechung - nicht auf die generellen Grundlagen der Konfiskation ab, sondern, da es sich um eine Administrativenteignung handelte, auf den konkreten Enteignungsakt selbst. An ihm als dem ausschlaggebenden formalen Zeitpunkt des Eigentumseingriffs muß sich
255
Vgl. BVerfGE 80, 297 (311).
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die Limitierung des Restitutionsausschlusses orientieren. Das Vermögensgesetz enthält keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Relevanz einer Stichtagsregelung. Diese planwidrige Lücke ist vor allem durch Rückgriff auf Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung zu schließen. Wiedervereinigungsgesetzgeber wie Sowjetunion waren übereinstimmend davon ausgegangen, daß mit der Gründung der DDR die besatzungs(völker)rechtliche Verantwortung der früheren Besatzungsmacht (auch in Ost-Berlin) erloschen sei, und daß jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Eigenverantwortlichkeit der DDR ausschlaggebend sein müsse. Hierfür sprechen nicht nur die Erläuterungen zum Vermögensgesetz, sondern auch die durchgängige - was die ehemaligen Sowjetunion angeht, geradezu legalistische - Staatspraxis. Um gleichwohl bestehende Unsicherheiten für die Zukunft zu beseitigen, hatte der Gesetzgeber im Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) eine Legaldefinition vorgesehen, die die schon bislang ganz überwiegend vertretene Stichtagsregelung - das Ende der Besatzungszeit - positivierte, nämlich auf den Ablauf des 6.10.1949 fixierte: eine im Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle und zu keiner Zeit öffentlich umstrittene authentische Interpretation, die sich allerdings im endgültigen Text des Gesetzes nicht mehr wiederfindet. Berliner Besonderheiten, insbesondere das gegenüber der SBZ (etwas) spätere formelle Ende der Besatzungszeit, spielten und spielen bei der Stichtagsregelung keine Rolle. Wegen der besonderen Nähe zum einheitlich und zeitidentisch verstandenen, insoweit in sich schlüssigen und sachgerechten Indemnitätsverlangen der Sowjetunion ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn um der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit des Restitutionsausschlusses willen der geringe zeitliche Unterschied in den faktischen Lagen vernachlässigt wird. Dies gilt umso mehr, als die primär Betroffenen - die Opfer der kommunistischen Konfiskationen - dadurch keinen Rechtsnachteil erleiden.
D. Zusammenfassung: Grenzen des Restitutionsausschlusses 1. Die Lehre vom Teilungsunrecht ist abzulehnen, soweit sie den normativen Anspruch erhebt, für den gesamten Bereich des Vermögensgesetzes Rechtsgrundsatz und Interpretationsrichtschnur zu sein. Sie ist kein vorgegebenes allgemeines Rechtsprinzip, sondern war nur Motiv für die Bildung einiger spezieller, freilich zentraler Fallgruppen des Vermögensgesetzes. Auf diese radizierten Tatbestände mag die Teilungsunrechts-Lehre, als zusätzliche Begründung, angewandt werden. Sie mag dort helfen, Abgrenzungskriterien gegenüber einer allgemeinen, u.U. ausufernden Wiedergutmachung zu finden. Einen darüber hinausgehenden, allgemeinverbindlichen normativen Gehalt
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besitzt sie nicht. Für die Berliner Liste 3-Fälle bedeutet dies, daß der fehlende interlokale Bezug für sich allein - jene Konfiskationen trafen Bürger des Ostsektors Berlin, aber auch Westberliner und Bürger in den westlichen Besatzungszonen sowie Ausländer mit Vermögenswerten in Ost-Berlin - die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes nicht ausschließt. Ob diese Vermögensverluste restitutionsfähig sind, beurteilt sich weder nach einer "Teilungsunrechts-Lehre" noch nach § 1 Abs. 1 lit. aVermG. Entscheidend sind vielmehr die in § 1 Abs. 8 lit. aVermG genannten negativen Anwendungskriterien. 2. Eine generelle, umfängliche Bindung von Behörden und Gerichten an die einfachgesetzliche Auslegung des Restitutionsgrundsatzes im Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts besteht nicht. Es existiert gleichwohl eine inhaltlich beschränkte Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG, bezogen auf die grundrechtlichen Aspekte des Restitutionsausschlusses. Der Gesetzgeber hat insoweit eine gleichheitsgrundrechtliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung auch der Konfiskationen auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage. Welchen Rechtsgehalt dieser Tatbestand hat, wann also solche Konfiskationen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorliegen und wie der Restitutionsausschluß in § 1 Abs. 8 lit. a VermG gegen die grundsätzliche Rückgabeverpflichtung in § 3 VermG abzugrenzen ist, bleibt eine Auslegung einfachen Rechts, die von der Bindungswirkung des Urteils nicht umfaßt wird. Behörden wie Gerichte sind berechtigt, ja verpflichtet, eine von den Obiter dicta des Bodenreform-Urteils abweichende Interpretation der Abgrenzung von § 1 Abs. I lit. a VermG einerseits, § 1 Abs. 8 Iit. aVermG andererseits vorzunehmen, solange nur überhaupt diese Abgrenzung erhalten bleibt. 3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, § 1 Abs. 8 Iit. a VermG materiell-rechtsstaatlich auszulegen, muß die faktische Vielschichtigkeit der Konfiskationslagen insoweit Beachtung finden, als sie im Einzelfall eine besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage ausschließen kann. Ein absoluter Restitutionsausschluß existiert nicht. Die materiell-rechtsstaatliche Auslegung hat Entstehungsgeschichte, systematische Stellung und Sinn zusammenhang zu erschließen. Entstehungsgeschichtlich geht die Formel von der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" auf die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 zurück, auf eine politische Absichtserklärung also, die erst über Art. 41 EV normativen Aussagegehalt erhielt, ohne ihre Ambivalenz dadurch zu verlieren. Die Bedeutung der Formel für die Akteure erschließt sich aus dem Bemühen der Sowjetunion und der DDR, die nach Kriegsende in Mitteldeutschland und im sowjetisch besetzten Sektor Berlins errichtete Eigentumsund Wirtschaftsordnung in ihrer historischen Legitimität gegen Rechtsakte
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des wiedervereinigten Deutschland abzusichern. Dieses Bemühen gründete auf seiten der Sowjetunion auf dem Verlangen, die 1945 - 1949 vorgenommenen Konfiskationen (nur) insoweit unberührt zu lassen, als sie von der Besatzungsmacht - auch im Ostsektor Berlins - aufgrund ihrer Stellung im Rahmen der Viermächteherrschaft über Deutschland veranlaßt oder durchgeführt wurden. Dieses Besatzungsrecht - und nur dieses - solle keiner deutschen Überprüfung und Revision unterliegen; von seiner Rechtmäßigkeit und "Gesetzmäßigkeit" sei auszugehen. Ein überschießendes Konservieren der sozialistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung war mit diesem klassischen, engbegrenzten Indemniätsverlangen nicht bezweckt. Auf seiten der DDR bestand anfänglich die Absicht, auch die mit der sozialistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung verbundenen Rechtsinstitute über die Wiedervereinigung hinüber zu retten (Regierung Modrow); unter der Regierung de Maiziere reduzierte sich dieses Verlangen auf die Forderung, den Schutz des Vertrauens von Eigentümern oder dinglich Nutzungsberechtigten sicherzustellen (was erfolgte und nun im Sachenrechts- und im Schuldrechtsbereinigungsgesetz sowie im Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz geradezu überobligationsmäßig ausgebaut wurde; zu letzterem s.u. Dritter Teil, IV, V). Ausweislich der Sachverhaltsfeststellung des Bodenreform-Urteils des Bundesverfassungsgerichts bezog die DDR-Regierung daneben (nur) den Standpunkt, wie er auch von der früheren Besatzungsmacht Sowjetunion selbst eingenommen wurde. Ein darüber hinausgehendes Verlangen der DDR, mittels des Restitutionsausschlusses genuin "sozialistische Errungenschaften" zu konservieren, ist nicht feststellbar; es hat jedenfalls keine normative Kraft erlangt. Die DDR war schon kraft eigenen Rechts (Verfassungsgrundsätzegesetz von 1990) daran gehindert, einen Restitutionsausschluß zu fordern, der nicht von sachgerechten Gründen getragen wurde. Solche Gründe konnten erst recht nicht mehr in den Grundsätzen der sozialistischen Ordnung liegen. (Berechtigte) Gesichtspunkte des Bestandsschutzes für DDR-Bürger hätten eine vollständige Exemtion aller Konfiskationen ohnehin nicht gedeckt. Die systematische und teleologische Auslegung des Restitutionsausschlusses hat nur die Gemeinsame Erklärung und die nachfolgenden einfachgesetzlichen Ausformungen, vorrangig die Sperrklausel des Vermögensgesetzes als Rechtsgrundlage. Weder Art. 143 Abs. 3 GG noch die Einführung des Eckwerts Nr. 1 in die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen tragen zur Vergewisserung des Inhalts der Sperrklausei bei. Hingegen bestehen keine Bedenken, zur Ermittlung des von der Bundesregierung im Rahmen der Wiedervereinigungsgesetzgebung Gemeinten auf die amtlichen Erläuterungen zum Vermögensgesetz zurückzugreifen. 4. Ausgangspunkt der objektivrechtlichen Interpretation des Restitutionsausschlusses ist das besatzungsvölkerrechtlich gestützte, von der Bundesrepublik Deutschland akzeptierte Verlangen der früheren Sowjetunion, Enteig-
D. Zusammenfassung: Grenzen des Restitutionsausschlusses
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nun gen "auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitIicher Grundlage" einer Überprüfung und gegebenenfalls Revision durch deutsche Behörden und Gerichte zu entziehen. Der Mangel einer näheren authentischen Erklärung des besatzungsbezogenen Inhalts von Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung bzw. § 1 Abs. 8 lit. aVermG und der Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses zwingen zur Adaption des herkömmlichen Besatzungsvölkerrechts. Enteignungen auf besatzungsrechtIicher Grundlage sind demnach nur die Vermögensentziehungen, die direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, entweder weil sie in ihnen selbst vorgenommen wurden (Legalenteignungen), oder weil sie aufgrund dieser Vorschriften von den Organen der Besatzungsmacht selbst vollzogen wurden (Administrativenteignungen). Dem stehen Enteignungen gleich, die direkt auf Rechtsvorschriften der sowjetischen Besatzungsmacht zurückgehen, aber von deutschen Behörden auf dieser für sie bindenden Grundlage vollzogen wurden. Gleiches gilt für die (besatzungshoheitlichen) Vermögensentziehungen, die auf deutsche Vorschriften zurückgehen und von deutschen Behörden vollzogen wurden, die aber von der Besatzungsmacht insoweit vollständig vorgeschrieben waren. Die im Normtext angelegte rein formelle Abgrenzung muß um eine funktionale Betrachtungsweise erweitert werden. Für die Enteignungen auf besatzungshoheitIicher Grundlage - nur hierum kann es bei der Liste 3 gehen bedeutet dies: Ihr Anwendungsbereich reduziert sich dergestalt, daß sie nur dann dem Restitutionsausschluß unterfallen, wenn sie von der rechtlichen - und nicht nur politischen - Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht erfaßt werden. Die Enteignungen auf besatzungshoheitIicher Grundlage müssen also gezielt durch Akte der Besatzungsmacht ermöglicht worden sein, und sie müssen ihrem ausdrücklichen, nachweisbaren Willen entsprechen. Bei Prüfung dieser Voraussetzungen ist allerdings nicht die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der besatzungsrechtlichen Vorschriften und Anweisungen, insbesondere nicht deren Vereinbarkeit mit Besatzungsvölkerrecht einzubeziehen; die mit dem Restitutionsausschluß getroffene Indemnitätsregelung verbietet gerade die Überprüfung der Rechtlichkeit der Besatzungsmaßnahmen. 5. Die Liste 3-Konfiskationen fügen sich in die besatzungspolitischen Vorgaben der Sowjetunion und der sozialistisch dominierten deutschen Stellen ein. Die Enteignungen gründen formal auf dem Entnazifizierungsrecht des Kontrollrates und der Alliierten Kommandantur für Berlin. Besatzungsrechtliehe Vorschriften bestanden im Ostsektor freilich nur für die Sequestration, nicht für die Konfiskation. Die 1947 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Gesetze sahen die Konfiskation der Liste 3-0bjekte zwar vor; sie wurden indes von der Alliierten Kommandantur nicht genehmigt. Gleichwohl beschloß der Magistrat im Februar 1949 ein Enteignungsgesetz und im
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Erster Teil: Restitutionsausschluß und Berliner Liste 3
April 1949 eine Enteignungsverordnung. Auf dieser - mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbarenden - Grundlage wurden die von der Besatzungsmacht den Deutschen zur eigenverantwortlichen Entscheidung übergebenen Vermögenswerte in zwei Enteignungs- und drei Freigabelisten konfisziert bzw. freigegeben. Damit war indes eine Unabhängigkeit der deutschen Stellen von der Besatzungsmacht nicht verbunden. Gerade in Enteignungsfragen nahm die Sowjetunion durchgängig eine umfassende, energisch gehandhabte Oberaufsicht in Anspruch; die Rechtsgrundlagen für Konfiskationen mußten ebenso genehmigt werden wie die listenmäßig erfaBten Enteignungen bzw. Freigaben selbst. Während ein Teil der einschlägigen Vorschriften und die darauf aufbauenden Listen 1 und 2 - diesem Schema entsprechend - von der Besatzungsmacht ausdrücklich gebilligt wurden, wurde für die Verwendung der in den Listen 3 und 4 erfaBten Vermögenswerte bei der Besatzungsmacht weder eine Zustimmung oder Genehmigung beantragt noch von ihr eine solche erteilt. Insofern besteht eine besatzungs(völker)rechtliche Verantwortlichkeit der Sowjetunion für die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 nicht. Demzufolge entbehren diese auch einer besatzungshoheitlichen Grundlage. Die Vermögenswerte sind insofern restitutionsfähig. 6. Neben dem materiellen Kriterium der "besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage" spielt für den Restitutionsausschluß ein formelles: der zeitliche Rahmen, eine wesentliche Rolle. Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Sinnzusammenhang fordern eilten engen Bezug der Enteignungen zur Besatzungszeit. Abzustellen ist nicht auf die allgemeinen Rechtsgrundlagen der Konfiskation, sondern auf den konkreten Enteignungsakt selbst. An ihm als dem ausschlaggebenden formalen Zeitpunkt des Eigentumseingriffs - es handelte sich ja um Administrativ-, nicht um Legalenteignungen - muß sich die Lirnitierung des Restitutionsausschlusses orientieren. Das Vermögensgesetz enthält keine Stichtagsregelung. Diese Lücke ist durch Rückgriff auf Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung zu schließen. Der deutsche Wiedervereinigungsgesetzgeber wie die Sowjetunion waren übereinstimmend davon ausgegangen, daß mit der Gründung der DDR die besatzungs(völker)rechtliche Verantwortung der früheren Besatzungsmacht (auch in Ost-Berlin) erloschen sei, und daß jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Eigenverantwortlichkeit der DDR ausschlaggebend sein müsse. Um gleichwohl bestehende Unsicherheiten für die Zukunft zu beseitigen, hatte der Gesetzgeber im Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz eine Legaldefinition vorgesehen, die die schon bislang ganz überwiegend vertretene Stichtagsregelung - das Ende der Besatzungszeit - positivierte, nämlich auf den Ablauf des 6. Oktober 1949 fixierte. Behörden und Gerichte müssen bei et-
D. Zusammenfassung: Grenzen des Restitutionsausschlusses
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waigen Unklarheiten über die zeitliche Begrenzung nun die interpretationsund ermessensleitende Wirkung auch dieser (in die endgültige Gesetzesfassung allerdings nicht aufgenommene) Interpretation des Gesetzgebers in die Entscheidung über den RestitutionsausschluB einbeziehen.
7. Berliner Besonderheiten, insbesondere das gegenüber der SBZ spätere formelle Ende der Besatzungszeit, spielen bei der Stichtagsregelung keine Rolle. Wegen der besonderen Nähe zum einheitlich und zeitidentisch verstandenen, insoweit in sich schlüssigen, sachgerechten Indemnitätsverlangen der Sowjetunion ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn um der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit des Restitutionsausschlusses willen der geringe zeitliche Unterschied in den faktischen Lagen vernachlässigt wird. Dies gilt umso mehr, als den Betroffenen dadurch ein Rechtsnachteil nicht entsteht. 8. Die Untersuchung kommt damit zu folgendem Gesamtergebnis: (I) Die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 beruhen weder auf besatzungsrechtlicher noch auf besatzungshoheitlicher Grundlage. (2) Die Konfiskationen aufgrund der Berliner Liste 3 unterfallen insoweit nicht der Stichtagsregelung in § 1 Abs. 8 lit. aVermG; sie fanden erst nach dem relevanten Zeitpunkt statt. (3) Somit bestehen für diese Liste 3-Enteignungen Restitutionsansprüche aus § 3 VermG.
9 VitzthumlMärz
Zweiter Teil
Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung I. Einführung: Wiedergutmachung besatzungsgetragener Konf'lSkationen
Die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit in der ehemaligen DDR ist auf wichtigen Feldern normativ weitgehend befestigt. Teilweise ist sie bereits abgeschlossen 1. Mit zwei SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen wurde eine Grundlage dafür geschaffen, daß Personen rehabilitiert werden können, die zu SBZ- und DDR-Zeiten Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgung oder einer sonst rechtsstaatswidrigen gerichtlichen Entscheidung oder behördlichen Maßnahme geworden sind (Art. 17, 19 Einigungsvertrag [EVJt Das im Frühherbst 1994 verabschiedete Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)3 setzt nunmehr auch einen (freilich angreifbaren) Schlußpunkt unter die Regelung offener Vermögensfragen. Für die Opfer von entschädigungslosen oder sonst diskriminierenden Enteignungen wird der bereits dem I Zu Anforderungen und Maßstäben für eine solche Bewältigung der Vergangenheit vgl. die - im vermögens- und wiedergutmachungsrechtlichen Schrifttum zu Unrecht kaum beachteten - Referate von Starck, Berg und Pieroth, Der Rechtsstaat und die Aufarbeitung der vor-rechts staatlichen Vergangenheit, Berlin / New York 1992 (VVDStRL, H. 51), S. 7 -176; s.a. den titelgleichen Begleitaufsatz von Schulze-Fielitz, DVBI 1991, S. 893 ff. 2 Wiedergutmachung vor-rechtsstaatlichen Unrechts ist nicht auf diese wichtigen Bereiche beschränkt. Hierzu gehört nicht nur die straf-, berufs- und verwaltungsrechtliche Wiedergutmachung, sondern im weiteren Umkreis auch die generelle Delegitirnierung des SED-Regimes, die personelle Demokratisierung und rechtsstaatliche Ausgestaltung der Zweiten und Dritten Gewalt etc. Vgl. dazu zusammenfassend Wassermann, Zur Aufarbeitung des SED-Unrechts, APuZ 43 (1993), B 4, S. 3 ff.; s.a. 40 Jahre SED-Unrecht - Eine Herausforderung für den Rechtsstaat (Zeitschrift für Gesetzgebung [ZG]; Sonderheft), München/Frankfurt a.M. 1992. Zu - meist vermeidbaren - Wertungswidersprüchen in der Wiedergutmachung vor-rechts staatlichen Unrechts Haft, Die "Bereinigung" des SED-Unrechts. DtZ 1994, S. 258 ff. 3 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG -) vom 27.9.1994, BGBl. I S. 2624. Dazu unten Dritter Teil und Anhang 5.
I. Einführung: Wiedergutmachung besatzungsgetragener Konfiskationen
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Grund nach im Vermögensgesetz (VermG) angelegte Entschädigungsanspruch nach Höhe und Zahlungs weise ausgestaltet. Die Opfer der Konfiskationen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage erhalten erstmals einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung in Geld, verbunden mit der Beteiligungsmöglichkeit an einem Flächenerwerbsprogramm. Um letztere Gruppe geht es im folgenden. Ihr wiedergutmachungsrechtlicher Status wird im Ausgleichsleistungsgesetz erstmals geregelt. Anders als den Enteignungsopfern der Jahre 1949-1990 wurde den Konfiskationsopfern der sowjetischen Besatzungszeit nicht nur kein primärer Restitutionsanspruch zugestanden; es wurde auch eine Berücksichtigung dieser Personengruppe in den Reprivatisierungs- und Privatisierungsverfahren weder vorgeschrieben noch überhaupt vorgesehen. Konfiskationsopfer haben nach diesem Schema keinen Anspruch auf Teilnahme am (Re-)Privatisierungsverfahren. Ein Recht auf gleichberechtigte oder gar vorzugsweise Berücksichtigung bei der Vergabe des ehemaligen Volkseigentums steht ihnen erst recht nicht zu. Diese rigide Ausgrenzung beruht auf den Vorgaben des Rechts der offenen Vermögensfragen - es hat die Rechtspositionen der beiden Opfergruppen (vor 1949/ nach 1949) unterschiedlich ausgestaltet und gewichtet4 . Das Vermögensgesetz schließt, von NS-Opfern abgesehen, eine Anwendung auf Konfiskationsopfer der Jahre 1945-1949 gänzlich aus, eröffnet diesen also keinen Zugang zu Verfahren der Reprivatisierung. Das Treuhandgesetz nimmt von ihnen keine Notiz, bezieht sie also weder ausdrücklich noch stillschweigend in die (Re-)Privatisierung des früheren Volkseigentums ein. Das Ausgleichsleistungsgesetz schließlich erkennt Opfern der Bodenreform- und der Produktivvermögenskonfiskationen zwar einen geldwerten Anspruch zu; es eröffnet ihnen aber den Rückgriff auf ihr früheres Eigentum nur höchst rudimentär; dieser Rückgriff ist zudem gegenüber anderen, scheinbar "objektnäheren" Interessenten nachrangig ausgestaltet5. Einen sekundären Rückerwerbsanspruch - unter weIchen Bedingungen auch immer - kennt das Gesetz für diese Opferkategorie nicht. Ganz anders, nämlich wesentlich besser, hat der Gesetzgeber die Rechtsstellung der Enteignungsopfer der Jahre 1949-1990 ausgestaltet. Sie haben Anspruch auf Rückübertragung ihrer enteigneten Vermögenswerte oder - teils wahlweise, teils exklusiv - auf Entschädigung. Im Fall vorrangiger Investitionsinteressen eines anderen Käufers haben die Opfer DDR-verfügter 4 Dazu allgemein Motsch, VIZ 1993, S. 41 ff.; ders., Systematische Darstellung der Regelung offener Vermögensfragen in den neuen Bundesländern, in: Rädler / Raupach/Bezzenberger, Vermögen, Teil 2 B. 5 Dazu unten Dritter Teil, V ("Vorerwerbsrecht" für Pächter, "Nacherwerbsmöglichkeit" für nicht selbstwirtschaftende Alteigentümer).
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Enteignungen (also "nach 1949") einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses bis zur Höhe des Verkehrswerts. In allen sein früheres Eigentumsobjekt betreffenden Verfahren ist der Restitutionsberechtigte darüber hinaus - und dieser Aspekt soll nachfolgend im Vordergrund stehen - zu beteiligen: Er muß stets angehört werden; er hat im Investitionsvorrangverfahren das Recht zur Abgabe von Gegenangeboten; er kann eigene Investitionsvorhaben vorrangig geltend machen. Die demnach höchst unterschiedliche Behandlung beider Gruppen von Enteignungsopfern bei der (Re-)Privatisierung knüpfte ab initio an die normativen Vorgaben des Wiedervereinigungsgesetzgebers und der nachfolgenden Novellierungen an. Im Kern geht die Unterscheidung indes auf eine gedanklich und zeitlich vorgelagerte, differenzierte rechtliche Betrachtung der Gründe zurück, die zur Eröffnung einer Wiedergutmachung im Einzelfall geführt haben. Bereits die Gemeinsame Erklärung 6 spricht einmal von Entschädigung, ein anderes Mal von Ausgleich, und diese gespaltene Terminologie hält der Gesetzgeber bis hin zum EALG durch. Hinter dieser begrifflichen Differenz und legislativen Konsequenz steht bekanntlich die Vorstellung, die legitimierenden Rechtsgründe für die Zuerkennung von primären und sekundären Ansprüchen im Vermögensrecht seien verschieden je nachdem, ob die Vermögensverluste vor oder nach der historischen Wasserscheide des Jahres 1949 erfolgt sind. Die Enteignungen nach 1949 sind nach h.L. (auch) aus Gesichtspunkten des grundrechtlichen Eigentumsschutzes rückabzuwickeln. Jedenfalls steht, so die vorherrschende Argumentation, der neu eingerichtete Anspruch auf Primärrestitution unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes, wenn nicht gar schon die seinerzeit erfolgte sozialistische Enteignung wegen Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze aus ordre public-Gesichtspunkten unwirksam war und das Eigentum auf zivilrechtlichem Wege wiedererlangt werden kann? Könne jener Rückgabeanspruch bezüglich der kommunistischen Bodenreformkonfiskationen ("vor 1949") aus "DDR-vererbten" übergeordneten öffentlichen Interessen nicht mehr erfüllt werden oder stünden ihm neue öffentliche Interessen (Investitions vorrang) entgegen, so müsse das Eigcntums6 Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15.6.1990, abgedruckt in: StemISchmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 823 ff.; s.a. die Erläuterungen ebd., S. 43 ff. 7 Letzteren - in der Rechtsprechung bislang nicht aufgegriffenen - Ansatz befürwortend Graf von Schlieffen, Zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der 1945 enteigneten Gegenstände (Art. 6 EGBGB), ZOV 1994, S. 151 ff.; ablehnend Rapp, Rückgabe des besatzungsrechtlich enteigneten Vermögens nach Zivilrecht?, VIZ 1994, S. 324 ff.
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Enteignungs-Entschädigungs-Schema des Art. 14 GG doch auf diese Konstellation ("nach 1949") Anwendung finden - Inhalt und Höhe des sekundären Entschädigungsanpruchs sind damit programmiert. Legt man diesen Ansatz zugrunde und bezieht man die im Zuge der Wiedervereinigung vorgenommenen Verfassungsänderungen ein, die pointiert auf eine Freistellung von Art. 14 GG-Verpflichtungen zielten (vor allem Art. 143 Abs. 3 GG), läßt sich der qualitative Unterschied zwischen der Bereinigung der Vermögensverluste vor und nach 1949 einleuchtend begründen. Wenn man wie der Wiedervereinigungsgesetzgeber davon ausgeht, daß der Gesamtkomplex Vermögensrestitution im Umkreis des eigentumsrechtlichen Grundrechtsschutzes angesiedelt ist, mußte der Teil der Vermögensverluste nach 1949 so behandelt werden, wie wenn er dem Schutz des Art. 14 GG unterfallen würde (Enteignung ohne Entschädigung ~ Rückübereignung oder Entschädigung). Der andere Teil der Vermögensverluste, also die Bodenreformkonfiskationen und Industrieenteignungen vor der DDR-Gründung im Herbst 1949, konnte - so der Regelungsansatz - infolge der verfassungsrechtlichen Befreiung vom Eigentumsschutz anders, d.h. im Ergebnis schlechter behandelt werden (keine "Enteignung" ohne Entschädigung ~ keine Rückübereignung oder Entschädigung ~ allenfalls Ausgleichsleistung). Diese materiellrechtliche Qualifikation wirkt zwangsläufig auf die RechtssteIlung der Betroffenen in den (Re-)Privatisierungsverfahren ein - unser Thema. Die nicht mit einem eigentumsabgeleiteten Restitutionsrecht "nobilitierten" Konfiskationsopfer brauchen, so die bisher herrschende Argumentation, in den vermögens-, investitionsvorrangs- und treuhandrechtlichen Verfahren nicht berücksichtigt zu werden. Der nunmehr, im Herbst 1994, vom Gesetzgeber ausgeformte Ausgleichsleistungsanspruch ändert an diesem Grundansatz nichts. Er knüpft nicht an das individuelle verlorene Eigentumsrecht an. Sein Ansatzpunkt ist vielmehr im Kern die generelle sozialstaatliche Verpflichtung zur Wiedergutmachungs. Eine grundrechtliche Affinität dieser Anspruchsgrundlage besteht in dieser Lesart - sieht man einmal von den (später noch zu vertiefenden) Art. 3 GG-Gesichtspunkten ab - nicht. Tragfähigkeit und Reichweite dieser Zuordnung der Rechtspositionen von Enteignungsopfern einerseits und Konfiskationsopfern andererseits werden im folgenden näher betrachtet. Um Klarheit über die Hintergründe und Folgen der Qualifikation des Restitutionsanspruchs bzw. des Ausgleichsleistungsanspruchs zu gewinnen, wird zunächst untersucht, welche Zuordnungskriterien der Wiedervereinigungsgesetzgeber an die beiden Konstellationen angelegt S Vgl. BVerfGE 84, 90 (125 f.) - Bodenreform. Zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG, den das BVerfG bei der Zurichtung des Anknüpfungspunktes ebenfalls (zu Recht) heranzieht, s.u. IV.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
hat (11.). Sodann wird der Frage nachgegangen, inwieweit diese Zuordnung angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Bodenreform-Urteils des Bundesverfassungsgerichts - Bestand haben kann, insbesondere wie weit die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (III.) bzw. der Gleichheitsgrundsatz (IV.) eine unterschiedliche Behandlung der Enteignungssachverhalte gebieten oder untersagen. Dabei wird insbesondere die Rechtsposition der Konfiskationsopfer (" vor 1949") in (Re-) Privatisierungsverfahren einer kritischen Betrachtung unterzogen; insoweit könnten sich verfassungsrechtliche Maßstäbe insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG entnehmen lassen. Abschließend sind die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Folgerungen aus diesen Differenzierungen zu ziehen (V.). 11. Wiedergutmachung durch Beteiligungsrechte
Das Recht zur Regelung offener Vermögensfragen: Gemeinsame Erklärung, Einigungsvertrag, Vermögensgesetz, Treuhandgesetz, Investitionsvorranggesetz und Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (um nur, in zeitlicher Reihung, die wichtigsten unterverfassungsrechtlichen Regelwerke zu nennen), hat für die Opfer entschädigungsloser Enteignungen zwischen 1949 und 1990 einen Rechtsanspruch auf Restitution entzogener Eigentumspositionen festgelegt. Eigentumsverluste durch diskriminierende Eingriffe staatlicher Stellen der SBZ und der späteren DDR sollen rückgängig gemacht werden. Die eigentumsrechtliche Sachherrschaft soll wieder den Personen bzw. deren Rechtsnachfolgern zugeordnet werden, die vordem Inhaber der Rechte waren. Diese in der Öffentlichkeit mitunter holzschniuartig, weil ganzheitlich verstandene, gemeinhin überhöhte und zum Rechtsgrundsatz erkorene Regel "Rückgabe vor Entschädigung"9 wurde von Beginn an durch eine Reihe von Ausnahmen einer rechtsgrundsätzlichen Interpretation i.S. strikter Geltung und Anwendung entzogen und als einfaches Vorrangprinzip ohne Ausschließlichkeitsanspruch eingerichteeo. Allgemein erkannt oder gar anerkannt wurde 9 Vgl. Claussen, Der Grundsatz "Rückgabe vor Entschädigung", NI 1992, S. 297 ff.; Bleckmannl Pieper, Die verfassungsrechtlichen Probleme der Vermögensregelung des Einigungsvertrages, in: RädlerlRaupachlBezzenberger, Vermögen, Teil 2 A Rn. 83 ff. 10 Zum Zusammenspiel von Restitution und (Entschädigung auslösendem) Investitionsvorrang Försterling, Recht der offenen Vermögensfragen, Rn. 225 ff. m.w.N. Das Rangverhältnis Investitionen vor Restitution hat auch behördenintern verfahrensrechtliche Auswirkungen; vgl. etwa den Prioritätenkatalog des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögens fragen, letzte Fassung in ZIP 14 (1993), S. A 57.
11. Wiedergutmachung durch Beteiligungsrechte
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diese immanente Restriktion allerdings nicht immer. An der prinzipiellen restitutiven Ausrichtung des Regelwerkes änderte die vorrangige Berücksichtigung wirtschaftlicher Investitionen im Beitrittsgebiet freilich nur insoweit etwas, als der Primäranspruch auf Wiedererlangung der Eigentumsrechte durch einen wertgleichen Sekundäranspruch auf Auskehr des Verkaufserlöses, u.U. sogar aufgestockt auf die Höhe des Verkehrswerts, abgelöst wurde. Auch in diesen Fall wird jedenfalls etwas gegeben, das dem Primäranspruch bewußt gleichwertig ausgestaltet ist ll . Vergleichbares gilt für die Fälle, in denen das Vermögensgesetz die allgemeine Rückübertragung der Eigentumsrechte aus anderen vorrangigen Gründen (Unmöglichkeit, Anerkennung redlichen Erwerbs, Substanzveränderung oder besondere Widmung) ausschließt (§§ 4, 5 VermG). Der Restitutionsberechtigte hat hier ebenfalls einen an die Stelle der "Wiedereinsetzung in den vorigen Eigentumsstand" tretenden Entschädigungsanspruch gegen den Verfügungsberechtigten bzw. den Entschädigungsfonds (§ 9 VermG; zukünftig § I EntschG = Art. 1 EALG). Seine durch die Restitution in Form von Objektrückgabe oder Geldleistung (oder wahlweise auch Tauschangebot, vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 VermG) gesicherte Rechtsposition kann - abweichend von den Fällen investiven Vorrangs - allenfalls dadurch in ihrem realen Wert beeinfIußt werden, daß die sekundäre, substitutive Entschädigung hinter dem Wert der primären Objektrestitution zurückbleibt. In der Tat hat der Gesetzgeber sich für eine weit klaffende, verfassungsrechtlich höchst fragwürdige Wertschere zugunsten der unbelasteten Objektrestitution und zu Lasten der Entschädigung in Geld entschieden 12 • Dieses Regelwerk deckt die Mehrzahl der Fälle diskriminierender - zumeist entschädigungsloser oder entschädigungswertloser - Enteignungen nach 1949 ab. Es berücksichtigt hingegen nicht - sieht man von den zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallenden NS-Fällen ab, § 1 Abs. 6 VermG - die Fälle der entschädigungslosen Konfiskationen auf "besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage" aus der Zeit der sowjetischen Besatzungsherrschaft (1945-1949): weder im Hinblick auf einen Primäranspruch auf Objektrückgabe (§ 1 Abs. 8 lit. aVermG schließt diesen eben gerade aus) noch - aus der Sicht der Nichterfassung der genannten Fallkonstellation konsequent - im Hinblick auf eine sekundäre geldwerte Entschädigung für erlittene Eigentumseinbußen (§ 9 VermG). Der Grund für diese rigide Aus11 Zum Surrogatcharakter des vom Gesetzgeber neutral formulierten, nicht "Entschädigung" genannten - Anspruchs aus § 16 InVorG ("so kann jeder Berechtigte ... die Zahlung eines Geldbetrages ... verlangen") und zum Gebot wirtschaftlicher Gleichstellung des Anspruchsberechtigten Wegner, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, In VorG § 16 Rn. 21. 12 Dazu unten Dritter Teil, III.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
schlußregelung ist bekannt: Der Wiedervereinigungsgesetzgeber, der sich in seinen materiellrechtlichen Entscheidungen als teilweise gebunden ansah, glaubte aus einer Reihe von Gründen, von einer Einbeziehung der Konfiskationsopfer (Bodenreform und Produktivvermögen) absehen zu können, ja absehen zu müssen. Für den Gesetzgeber war bereits die einheitsvertragliche und legislative Befassung mit dieser in der sowjetischen Besatzungszeit gründenden Materie, um so mehr die etwaige Restitution dieser Eigentumsverluste, gleich ob als Rückgabe der Vermögenswerte oder als Geldentschädigung, keine "offene Vermögensfrage". Diese besonders von der ehemaligen DDR vertretene Position fand ihren ersten, zunächst nur rechtspolitischen Niederschlag in den Eckwerten Nr. 1 und Nr. 3 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990: Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 - 1949) seien "nicht mehr rückgängig zu machen"; Möglichkeiten, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren, seien nicht erkennbar. Diese - für die Bundesrepublik Deutschland als fremde Forderung gekennzeichnete, weil "von außen" an sie herangetragene und von ihr nur nolens volens "zur Kenntnis genommene" - Position der DDR und (vorrangig) der UdSSR in Eckwert Nr. 1 wurde allein durch das einseitige Caveat abgemildert, daß eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen dem gesamtdeutschen Gesetzgeber vorbehalten bleiben müsse. Dies bedeutete in notdürftig verschlüsselter Form: Der Gesetzgeber behielt sich zwar die Option vor, jenseits der bis dato immer offengehaltenen Behandlung und Entscheidung offener deutsch-deutscher Vermögensfragen auch die Eigentumsverluste der Konfiskationsopfer im Ergebnis irgend wie auszugleichen oder abzumildern; er behielt sich damit aber ausdrücklich auch die Option vor, einen solchen Ausgleich - gleichgültig ob aus politischer Inopportunität, finanzieller Überforderung oder fehlender politischer Akzeptanz - ganz zu unterlassen l3 • 13 Vgl. Kimminich, Bemerkungen zur Überleitung der Eigentumsordnung der ehemaligen DDR, in: Stern (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung - Die Rechtseinheit. Bd. I: Eigentum - Neue Verfassung - Finanzverfassung, Köln u.a. 1991, S. 3 ff. (13): "eine sehr vorsichtige Formulierung". - Folgt man Schäuble (Der Vertrag, S. 101 ff.), so bestand aus der Sicht beider Vertragsparteien keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer Ausgleichsregelung: "Der letzte Satz eröffnete dem gesamtdeutschen Souverän die Option, das zu tun, was er für richtig hält." - Der damit ins Feld geführte politische Gestaltungsspielraum ist allerdings so schrankenlos nicht. Abgesehen von gleichheitsgrundrechtlichen Bindungen verpflichtet auch die Präambel der Gemeinsamen Erklärung den gesamtdeutschen Gesetzgeber auf die Schaffung eines sozialen Ausgleichs, der Rechtsicherheit, Rechtseindeutigkeit und das Recht auf Eigentum zu beachten hat. Vgl. Kimme, in: ders., Offene Vermögensfragen, Gemeinsame Erklärung, Rn. 9 ff.; Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, VermG Einf. Rn. 136 ff. Im übrigen s.o. Erster Teil, C.III.3.
11. Wiedergutmachung durch Beteiligungsrechte
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In diametralem Gegensatz hierzu gestaltete die Gemeinsame Erklärung in Eckwert Nr. 3 die Bewältigung derjenigen offenen Vermögensfragen aus, die nach 1949, also unter der Herrschaft und Verantwortung des anderen deutschen Staates, entstanden waren. Diese Ga nur um ein Geringes zeitnäheren) Fälle sollen, jedenfalls dem weiten Wortlaut der Erklärung zufolge, allesamt dahingehend bereinigt werden, daß enteignetes Grundvermögen den ehemaligen Eigentümern oder ihren Rechtsnachfolgern zurückgegeben werden soll (S. 1), es sei denn, eine Rückübertragung der Vermögenswerte wäre wegen Vorrangs der gegenwärtigen Nutzung oder aus der Natur der Sache heraus (substanzverändernde Eingriffe in das Objekt) nicht möglich (lit. a). In diesen Fällen wird dem Enteignungsopfer eine Entschädigung zugesprochen, und zwar auch dann, wenn der ehemalige Eigentümer bzw. sein Rechtsnachfolger auf die Inanspruchnahme der Primärrestitution verzichtet (lit. c). In den (nicht eben seltenen) Fällen eines "redlichen Erwerbs" von Eigentum oder dinglichen Nutzungsrechten durch DDR-Bürger ist ein sozial verträglicher Ausgleich durch einen (im konkreten Fall regelmäßig schwierigen, jedenfalls aufwendig zu bewerkstelligenden) Austausch von Grundstücken oder durch Entschädigung herzustellen (lit. b). Bereits die Gemeinsame Erklärung differenzierte also deutlich. Sie unterwarf die einzelnen Sachverhalte unterschiedlichen Rechtsfolgen, und zwar hinsichtlich der primären wie der sekundären Inhalte einer anzustrebenden Wiedergutmachung: einerseits Restitution durch Wiedereinräumung der Eigentümerstellung hier ("nach 1949"), und Ausschluß der Rückgängigmachung dort ("vor 1949"); andererseits sekundäre Entschädigung in Geld oder Natur hier, primäre etwaige Ausgleichsleistung dort. Die Gründe, die den Wiedervereinigungsgesetzgeber dazu bewogen haben, für die Eigentumsopfer der Jahre nach 1949 viel, für die Konfiskationsopfer der SBZ-Zeit ("vor 1949") wenig, unter Umständen sogar nichts an Wiedergutmachungsleistungen vorzusehen, liegen nach wie vor wohl nur zum kleineren Teil auf der Hand. Gewiß, das Sich-Sperren der DDR-Regierung und der Sowjetunion gegen ein generelles Rollback der Bodenreform - dieses Sich-Sperren einmal als vorliegend unterstellt - ist eine hinreichende Erklärung für das Ausgrenzen der Bodenreformopfer aus der PrimälTestitution; für einen Ausschluß dieser Opfergruppe aus einer sekundären Entschädigungslösung gibt sie nichts her (erst recht nicht für die Behandlung der Industriekonfiskationen). In ihrer Rigidität ist diese Rechtsposition nur insoweit nachvollziehbar, als schutzwürdige Interessen späterer Eigentümer oder Nutzungsberechtigter (Bodenreformland nun in Siedler- oder Pächterhand) einer Restitution im Landwirtschaftsbereich entgegenstehen - gerade dieser sensible Bereich ist indes durch die Sperrklausel "redlichen Erwerbs" (Eckwert 3 lit. b) im wesentlichen ausreichend geschützt. Daß im übrigen die Rechts-
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
folgen der Bodenrefonn, also in erster Linie die pauschale Verstaatlichung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu "Volkseigentum" und ihre Bewirtschaftung in LPGs und VEGs, konserviert werden sollten, muß als Begründung ausscheiden. Schon der Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 hat für die ehemalige DDR verbindlich die Weichen in Richtung Privateigentum an Grund und Boden, soziale Marktwirtschaft etc. gestellt: keine Konservierung der sozialistischen Eigentumsverhältnisse 14 , sondern "Entsozialisierung". Durch das Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17. Juni 1990 wurde der DDR diese verfassungsstaatliche Neuorientierung dann de constitutione lata vorgegeben lS • Der in der Gemeinsamen Erklärung vorgenommenen, zunächst nur politisch-programmatischen Differenzierung wurde in Einigungsvertrag und Vermögensgesetz nonnative Kraft verliehen. Während Art. 41 Abs. 1 EV mit dürren Worten das Problem einer Regelung offener Vennögensfragen anspricht und ihm in erster Linie Rechtsqualität und Verbindlichkeit verleiht, enthält das Vennögensgesetz - den Gesetzgebungsauftrag in Eckwert 13 lit. a der Gemeinsamen Erklärung vollziehend - auf der einen Seite eine Spezifizierung der Restitutionsfälle, auf der anderen eine Festschreibung des Restitutionsausschlusses. Erstmals wurde nun auch die Stellung der Betroffenen individualisiert. Sie wurde in das Schema subjektiver öffentlicher Rechte eingekleidet, einschließlich gewisser Beteiligungsrechte an (Re-)Privatisierungsverfahren. Daß der DDR selbst nicht daran gelegen war, die Wiedereinsetzung der nach 1949 Enteigneten in ihre Eigentumsrechte großzügig auszugestalten, zeigte sich weniger im Vennögensgesetz selbst als im zeitgleich - also ebenfalls noch zu DDR-Zeiten - ergangenen Investitionsgesetz 16 • Es schrieb zwar die volle (Verkehrswert-)Entschädigung vor, räumte dem Restitutionsberechtigten aber weder das Recht auf Anmeldung gleichwertiger Investitionen noch einen Vorrang geeigneter eigener Vorhaben vor anderen Interessenten ein (§ 3 InvG). Die Teilnahme des Restitutionsberechtigten am Verfahren 14 Zusammenfassend dazu Schmidt-Bleibtreu, in: Stern/ Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 56 ff. Die ersten Schritte auf dem Weg zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion hat die untergehende DDR noch selbst unternommen, s. etwa das Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen vom 7.3.1990 (GBI. DDR I S. 141), das Gewerbegesetz vom 6.3.1990 (GBI. DDR I S. 138) usw. 15 Vgl. dazu Stern, in: Stern/Schmidt-Bleibtreu, Staatsvertrag, S. 24 f.; s. oben Erster Teil, C.III.3.c. 16 Gesetz über besondere Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik (Einigungsvertrag, Anlage 11, Kap. III, Sachgebiet B, Abschnitt I Nr. 4), BGBI. 1990 11 S. 1157.
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beschränkte sich auf die Anhörung zum geplanten Vorhaben (§ 4 InvG). Im übrigen galt der Grundsatz: Dulde den Investitionsvorrang und liquidiere den Verkaufserlös. Die demnach einseitig auf fremde Investoren, nicht auf eigene Reprivatisierer zugeschnittene Vorrangregelung (Investition vor Rückerwerb) gab nicht nur die (restriktive) Richtung an, die eine Restitutionslösung aus DDR-Sicht nehmen soHte. Sie bildete anfangs vielmehr den auch auf Bonner Seite - sie hatte beim Vermögens- und beim Investitionsgesetz ohnehin bereits tatkräftig mitgeholfen - grundsätzlich für richtig gehaltenen Ausgangspunkt. Erst in den folgenden Novellierungen wurde das Schema nach und nach zugunsten eines erweiterten, verfahrensrechtIich abgesicherten Zugangs des Alteigentümers zum verlorenen Objekt gelockert. Zunächst wurde im Bereich der Unternehmensrestitution die Stellung des Berechtigten durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz 17 aufgewertet. Im Rahmen seiner vorläufigen Einweisung in den Besitz des zurückzugebenden Unternehmens (§ 6a VermG) konnte der Restitutionsberechtigte das Erteilen der Investitionserlaubnis an den Verfügungsberechtigten selbst (regelmäßig die Treuhandanstalt) verhindern, indem er seinerseits gleiche oder annähernd gleiche Investitionsmaßnahmen zusagte (§ 3 Abs. 7 S. 4 VermG a.F.). Hierzu war er über den Antrag des Fremdinvestors zu unterrichten (§ 3 Abs. 7 S. 3 VermG a.F.). Im Fall der Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung des Unternehmens durch den Verfügungsberechtigten an einen Dritten war dem Berechtigten ebenfaHs Gelegenheit zur SteHungnahme zu geben. Der Verfügungsberechtigte hatte bei seiner Verwertungsentscheidung aber nur zu berücksichtigen, ob der Alteigentümer gleiche oder annähernd gleiche investive Maßnahmen zugesagt hatte (§ 3a Abs. 3 S. 3 VermG). Das Rückübertragungsverfahren wurde dadurch nicht unterbrochen. Einen ausdrücklichen Investitionsvorrang des Alteigentümers vor Drittinvestoren (oder ein sonstiges Prä des Alteigentümers) kannte das Gesetz jedenfalls seinem Wortlaut nach niche s.
17 Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22.3.1991 (Hemmnisbeseitigungsgesetz PrHBG -), BGBI. I S. 766. 18 Auch im übrigen wurde die Position des Alteigentümers in der Rechtsprechung restriktiv interpretiert. So mußte er die Investitionen selbst durchführen, durfte das Unternehmen also nicht - wie der Verfügungsberechtigte - verpachten, auch wenn der Pächter eben diese Investitionen beabsichtigen sollte; vgl. VG Berlin vom 19.7.1991 - 25 A 365.91, ZOV 1991, S. 56. Zur starken Stellung des Investors gegenüber dem Alteigentümer im Verfahren nach dem InVorG vgl. Strohm, Beratungspraxis zu Ost-Immobilien nach dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz, NJW 1992, S. 2849 ff. (2853 f.). - Eine gewisse Parallele zu dieser Restriktion findet sich in der "Selbstbewirtschaftungs"-Schranke des Ausgleichsleistungsgesetzes, s.u. Dritter Teil, V.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Dieses zurückhaltende, höchst moderate NäheITÜcken des Alteigentümers an sein früheres Objekt hatte das Gesetz, seinem Primärzweck folgend, auf die Unternehmensrestitution beschränkt. Es hatte dem Berechtigten im Verfahren selbst nur die jedermann ohnehin zustehende Befugnis zuerkannt, sich in Konkurrenz mit Dritten um den Erwerb seines Grundstücks zu bemühen. Von der Anerkennung einer besonderen Nähe zum Vermögens wert durch den Gesetzgeber konnte insoweit keine Rede sein. Ebensowenig - aus Sicht des Investitionsförderzwecks der Regelungen freilich verständlich - ging es um ein Herabsetzen der Anforderungen an sein Investitionsangeboe 9 • Vor allem aber ließ die Teilregelung im Hemmnisbeseitigungsgesetz zwei praktisch bedeutsame Fragen offen: WeIche Rechtsstellung kam - erstens - dem Berechtigten in Investitionsverfahren zu, die nicht Unternehmen, sondern Grundstücke, Gebäude, land- oder forstwirtschaftliche Flächen o.ä. zum Gegenstand hatten? Mußte sein Angebot hier ebenfalls berücksichtigt werden? Und wie war - zweitens - das etwaige Gebot des Berücksichtigens auszulegen? Mußte der Verfügungsberechtigte bei (auch nur annähernd) gleichwertigem Angebot dem Alteigentümer den Zuschlag erteilen? Kam diesen also doch ein zumindest indirekter Vorrang zu? Beide Fragen wurden von Rechtsprechung und Schrifttum, den (im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommenen, weil zugunsten der Praxis vor Ort "weich" gehaltenen) rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers folgend 20 , zugunsten des Berechtigten - des Alteigentümers bzw. seines Rechtsnachfolgers also - entschieden 21 • Die Begründung war allerdings uneinheit19 Schon die amtliche Begründung zum Investitionsgesetz (BR-Drs. 70/91, S. 40) hatte einen Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung des Alteigentümers im Investitionsbescheinigungsverfahren ausgeschlossen. Darauf beruft sich, den Beschleunigungszweck der Novelle einseitig in den Vordergrund stellend, Hübner, Das Gesetz über besondere Investitionen in der DDR und seine Novellierung, DtZ 1991, S. 161 ff. (167). 20 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/449. Die Differenzierung zwischen Unternehmen einerseits und den übrigen Vermögens werten andererseits zeigt, daß der Investitionsgesetzgeber die besondere Nähe des früheren Eigentümers zum Objekt nicht in einer grundrechtlieh fundierten Sonderstellung gesehen hat - andernfalls wäre die gewählte Differenzierung letztlich willkürlich gewesen -, sondern in der Erwartung, den "Aufbau Ost" auf diesem Weg (Verfahrensbeteiligung des Alteigentümers) schnell, tatkräftig und nachhaltig (Stichwort: "Affektionsinteresse") unterstützen zu können. Vorrangig war also die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Einschätzung, nicht eine irgendwie verfassungsrechtlich (Art. 14 GG, Art. 3 Abs. I GG, sozial-rechtsstaatliche Wiedergutmachung etc.) geprägte Lage. 21 VG Berlin vom 15.1.1991 - I A 693/90, in: RGV, K 1; VG Berlin vom 21.10. 1991 - 25 A 555.91, VIZ 1992, S. 23; OVG Berlin vom 8.11.1991 - 8 S 231.91, DVBI. 1992, S.286; Fieberg/Reichenbach, VermG, § 3a Rn. 29 f.; Försterling, Rechtsprobleme der Investitionsförderung und der Regelung der Eigentumsordnung in den neuen Ländern, DVBI. 1992, S. 497 ff. (507); zweifelnd K. KiLian, Die Stellung
11. Wiedergutmachung durch Beteiligungsrechte
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lieh. Teilweise wurde der Grundsatz "Restitution vor Entschädigung" i.V.m. Art. 41 EV herangezogen; teilweise wurde auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip abgestelle2 ; teilweise wurde die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG für eine Vorrangstellung ins Feld geführt23 • Die Ersetzung der bisherigen, ohnehin an systematisch falscher Stelle angesiedelten vermögensrechtlichen Vorfahrtregelungen durch das Investitionsvorranggesetz24 brachte hinsichtlich der Anhörung von Rückübertragungsberechtigten keine sachliche Änderung und schon gar keine Verbesserung. Die Beteiligungsrechte der Alteigentümer wurden vielmehr erheblich "beschleunigt" - wiederum nicht in ihrem Interesse, sondern nach dem Motto "Investitionen vor Rückgabe". Zum einen führte § 5 Abs. 2 S. 1 InVorG eine neue Präklusionsvorschrift ein dahingehend, daß innerhalb einer Zweiwochen frist nicht nur die Restitutionsberechtigung glaubhaft gemacht werden muß, sondern auch eine etwaige Zusage zur Vornahme eigener Investitionen abzugeben ist. Für diese angekündigten eigenen Vorhaben enthält § 5 Abs. 3 In VorG einen rigiden Berücksichtigungsausschluß. Hat der Berechtigte nicht innerhalb von sechs (unter Einrechnung der Äußerungsfrist im Ergebnis: vier) Wochen einen eigenen Vorhabenplan vorgelegt, ist sein Vorhaben ohne Rücksicht auf dessen Inhalt präkludiert. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 InVorG hat die zuständige Stelle investive Angebote nur zu berücksichtigen, wenn sie fristgemäß zugesagt und ihre Durchführung glaubhaft gemacht wurde. Hat der der Alteigentümer im Wettbewerb um Grundstücke zu Investitionszwecken - Lohnt sich der Aufkauf von Rückübertragungsansprüchen?, ZOV 1991, S. 63 ff.: Näher läge im Umkehrschluß die Annahme, der Gesetzgeber wollte die Vorzugsregelung für Unternehmen nicht auf ("normale") Grundstücke und Gebäude erstrecken. Kilian will gleichwohl im Ergebnis eine Bevorrechtigung des Alteigentümers bejahen, und zwar aus Art. 14 GG-Gesichtspunkten. 22 So bei Fieberg/Reichenbach, VermG, § 3a Rn. 29: Die Vorschrift sei Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sei der Alteigentümer ebensogut wie der Drittinvestor bereit und in der Lage, die vom Gesetz privilegierten investiven Zwecke zu verwirklichen, so gebühre ihm der Vorrang. Diese Vorschrift sei entsprechend im Bereich der Singularrestitution anzuwenden. 23 Deutlich KrG Leipzig-Stadt vom 6.8.1991 - 11 K 18/91 (VG), in: RGV, K 4, S. 17 ff.: Der Restitutionsanspruch des Einigungsvertrages habe für die Berechtigten eine duch Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition eingerichtet, die durch das Investitionsgesetz zugunsten öffentlicher Interessen enteignet werde; i.V.m. dem Grundsatz "Restitution vor Entschädigung" müßten die Interessen des Alteigentümers, der selbst kein Investitionsbescheinigungsverfahren anstoßen könne, nicht nur Berücksichtigung in allen Investitionsverfahren finden, sondern auch vorrangig in Rechnung gestellt werden, wenn sein Angebot annähernd gleichwertig eingeschätzt werden könne. 24 Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz (Investitionsvorranggesetz - InVorG -) vom 14.7.1992, BGBI. I S. 1268.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Berechtigte diese (hohe!) Hürde genommen und "gleiche oder annähernd gleiche investive Maßnahmen zugesagt", so genießt er in der Regel 25 den Vorzug (§ 7 Abs. 1 S. 3 InVorG), und zwar nicht nur im Rahmen der Unternehmensvorfahrt, sondern in allen Investitionsvorrangverfahren. Neueingeführt wurde die Möglichkeit, daß der Berechtigte selbst einen Investitionsvorrang anstrengt, wobei die privilegierten Zwecke in Quantität und Qualität nach unten hin erweitert wurden (§ 21 Abs. 1, 2InVorG). Die demnach schrittweise erfolgte Verbesserung der prozeduralen Rechtsposition des AIteigentümers betraf, wie gesagt, nur die Restitutionsberechtigten ("nach 1949"). Sie bezog sich nicht auf die Konfiskationsopfer ("vor 1949"). Diese - und ihre grundsätzlich ja nicht geringere Nähe zum enteigneten Vermögens wert - fanden insoweit bislang keine Beachtung, obgleich der größte Teil der Argumente auch auf diese Opfergruppe zutraf. Dies gilt insbesondere für den Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz26 , der zumeist eigentlich den Gleichheitsgrundsatz (genauer: ein Recht auf bevorzugende Ungleichbehandlung) meinen sollte, ohne daß dies klar zum Ausdruck kam. Aus Sicht der Gesetzgebung und der Rechtsprechung - von Bundes- und Landesregierungen, den kommunalen Instanzen und der Treuhandanstalt einmal ganz abgesehen - schlägt jener Ausschluß der primären Restitution also auf die gesamte Rechtsstellung der Konfiskationsopfer durch: Einmal aus dem geschlossenen legislativen Regelungsschema: Eigentumsrückgabe - Investitionsvorrang - Entschädigung herausgefallen, tauchen die Opfer 2S Kritisch zu dieser Regel-Ausnahme-Ausnahme von der Ausnahme-Formel Obst, in: RädlerlRaupachlBezzenberger. Vermögen, InVorG § 7 Rn. 36: "Das Gesetz konstituiert insoweit eine Durchbrechung der Anmelderpriorität, ohne mit der hinreichenden Bestimmtheit erkennen zu lassen, welche Voraussetzungen für eine derartige Gesetzesdurchbrechung bestehen." - Insiderberichten zufolge hat die Treuhandanstalt mit der Reprivatisierung von Unternehmen bisher bessere Erfahrungen (im Hinblick auf Investitionsbereitschaft, Arbeitsplatzgarantien usw.) gemacht als mit der Privatisierung. Das gilt jedenfalls offenbar für mittelständische und Familienunternehmen. Affektionsinteresse, Familienengagement und -tradition usw. können ersichtlich einen (Kapital- und Arbeits-)Mobilisierungseffekt haben, der dann auch positive fiskalische Konsequenzen besitzt. 26 Er prägt nunmehr ausschließlich die Begründungen, die zugunsten der "Alteigentümervorfahrt" genannt werden; vgl. etwa Wessel-Terharn, in: RodenbachlSäfkerl Lochen, Kommentar zum Investitionsvorranggesetz, Herne I Berlin, Lbl. Stand 1993, § 7 Rn. 2 (Ausforrnung des allgemeinen VerhäItnismäßigkeitsgrundsatzes); Obst, in: RädlerlRaupachlBezzenberger, Vermögen, InVorG § 7 Rn. 18 ff. (Bewertung des Verhältnisses der Investitionsvorhaben anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes); Frantzen, in: Kimme, Offene Verrnögensfragen, InVorG § 7 Rn. 2; vgl. auch Winterstein, in: Jesch u.a., Investitionsvorranggesetz. Kommentar, Berlin I New York 1993, § 7 Rn. 13 (Mißachtung des Alteigentümervorrangs wäre Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil darin eine "zweite Enteignung des investitions willigen Anmelders" liegen würde).
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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an keiner späteren Stelle dieses Schemas wieder auf (eine gewisse Ausnahme stellt nunmehr das Flächenerwerbsprogramm in § 3 AusglLeistG dar). Wenngleich aus der Sicht von Art. 3 GG zumindest begründungsbedürftig, ist jene von Gesetzgeber, Rechtsprechung und Schrifttum von Anfang an mehr oder weniger - jedenfalls mehrheitlich - konsentierte Einordnung des Restitutionsanspruchs bzw. seines Entschädigungssurrogats aus eigentumsrechtlicher Perspektive folgerichtig. Ordnet man den primären Restitutionsanspruch dem Eigentumsgrundrecht zu, liegt im Zurücktretenlassen des Rückübertragungsanspruchs zugunsten dritter Investoren ein Eingriff in diese geschützte Rechtsposition. Dieser kann - argumentiert man in diesem Schema nur verhältnismäßig sein, wenn der verfolgte Zweck: die Förderung von Investitionen im Beitrittsgebiet, nicht ebenso gut durch den Restitutionsberechtigten selbst vorgenommen werden kann. Ist letzteres der Fall, muß dem Alteigentümer der Vorrang zukommen. Bleibt sein Angebot hinter dem Drittvorhaben zurück, darf der Gesetzgeber den Untergang des - nach diesem Schema - eigentumsgeschützten Primäranspruchs vorsehen, darf ihn aber wegen Art. 14 III GG nur gegen eine (Verkehrswert-)Entschädigung aussprechen.
In. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche 1. SubjektivrechtIiche Eigentumsposition?
Ob und gegebenfalls welche Nähe der Restitutionsanspruch einerseits, der Ausgleichsleistungsanspruch andererseits zu grundrechtlich geschützten Rechtspositionen wirklich aufweist, ist im folgenden zu untersuchen - zunächst bezogen auf das Eigentumsrecht (hierzu sogleich), sodann bezüglich des Gleichheitssatzes (unten IV.). Die Analyse der etwaigen eigentumsgrundrechtlichen Position erfolgt in zwei Schritten. Im Vordergrund steht zunächst der Restitutionsanspruch, wie ihn Gemeinsame Erklärung, Einigungsvertrag und Vermögensgesetz ausgeprägt haben. Ist dieses im System der Aufarbeitung vor-rechtsstaatlicher Vergangenheit als Primäranspruch ausgestaltete Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Eigentumsstand27 nicht von der Eigentumsgarantie des Art. 14 27 Diese Formel ist zugegeben insoweit unscharf, als sie den Eindruck erwecken kann, der Berechtigte werde so gestellt, wie wenn der Eingriff nie stattgefunden habe; er habe also einen Anspruch auf volle Naturalrestitution. Dies ist nur bedingt richtig. Der Alteigentümer erhält den Vermögenswert in dem Zustand, in dem sich dieser zum Zeitpunkt des Übergangs der EigentümersteIlung befindet. Ein Wertersatz für Verfall, Abnutzung, Umbauschäden etc. wird nicht geleistet.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
GG erfaßt, kann auch sein Substitut, der Entschädigungsanspruch, nicht eigentumsgrundrechtlich fundiert sein; der Entschädigungsanspruch i.S.v. Art. 14 GG hängt ja vom Vorliegen eines Enteignungstatbestandes ab. Bezogen auf einen - nicht normierten - primären Restitutionsanspruch der Konfiskationsfälle ("vor 1949") bedeutet diese Weichenstellung eine entsprechende Bejahung oder Vemeinung der eigentumsgrundrechtlichen Qualifikation. Abgesehen von der (ja nur ganz geringfügig) größeren zeitlichen Distanz und der eventuell anders gelagerten Verantwortlichkeit für diese Vermögensverluste (Besatzungsmacht statt deutscher Stellen) sind zwischen beiden Tatbeständen ("vor" bzw. "nach" 1949) keine substantiellen Unterschiede erkennbar. Ist jener Restitutionsanspruch der Enteignungsopfer (1949 - 1990) kein Eigentum, kann ein Anspruch auf Restitution der Konfiskationsfälle - gleichgültig ob als Naturalrestitution oder als Geldersatz - ebenfalls nicht auf Art. 14 GG gestützt werden; das gilt erst recht für die Fundierung des Anspruchs auf Ausgleichsleistung. In allen diesen Fällen muß die verfassungsrechtliche Verortung, wenn sie denn möglich ist, an anderer Stelle erfolgen (s.u. IV.). Die im Einigungsvertragswerk zum Ausdruck gekommene Zuordnung und Ausgestaltung der fraglichen Rechtsposition sind für die Beantwortung der Frage nach der Rechtsqualität der Restitution (bzw. ihres Ausschlusses) ebenso heranzuziehen wie die Vorstellungen des Wiedervereinigungsgesetzgebers. Besondere Bedeutung kommt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu, insbesondere dem Bodenreform-Urteil. Ihm lassen sich zur Qualifikation des Restitutionsanspruchs - obgleich in der Entscheidung an keiner Stelle ausdrücklich angesprochen - eindeutige Aussagen entnehmen. Auszugehen ist, wie gesagt, von der einJachgesetzlichen Ausgestaltung des Restitutionsanspruchs. § 3 Abs. 1 S. 1 VermG erkennt - Eckwert 3 der Gemeinsamen Erklärung aufnehmend - dem Berechtigten einen öffentlich-rechtlich ausgestalteten Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten i.S.v. § 1 VermG zu. Er wird z.T. als Rückübertragungs-, z.T. als Rückgaberecht bezeichnees. Ob der Gesetzgeber diesen Anspruch als eigentumsgrund28 Zu den uneinheitlichen Formulierungen im Gesetz selbst Marotzke, Der Einfluß des Insolvenzverfahrens auf Restitutionsansprüche nach dem Vermögensgesetz, ZIP 14 (1993), S. 885 ff. (888 Fn. 31); zur (aus zivilrechtlicher Sicht "unharmonischen") Rechtsfolgenordnung dieser nicht-dinglichen, gegenüber dem Verfügungsberechtigten obligatorischen Lösung Kohler, Zivilrechtliche Sicherung der Rückerstattung von Grundstücken in den neuen Bundesländern, NJW 1991, S. 465 ff. (466). - Inwieweit dieser Anspruch die Rechte der früheren Eigentümer exklusiv beschreibt, also zivilrechtliche Rechtsbehelfe (etwa § 894 BGB) ausschließen will, ist streitig. Vgl. die unterschiedlichen Standpunkte in Rechtsprechung und bei Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, VermG § 3 Rn. 33 ff.; Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach, VermG, § 1 Rn. 22 ff.; Leipold, Rechtsweg und Rechtsgrundlagen bei der Rückforderung von Vermögen in der ehemaligen DDR, JZ 1993,
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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rechtlichen Rückenteignungsanspruch, als sozialstaatlichen Wiedergutmachungsanspruch, als atypischen Folgenbeseitigungsanspruch o.ä. hat ausgestalten wollen, ist aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ersichtlich. Von einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Rückgängigmachen nichtiger Enteignungen ist jedenfalls nicht die Rede. Die den Anwendungsbereich des Restitutionsanspruchs festlegenden Tatbestände in § 1 VermG haben nicht durchgängig eine Enteignung i.S.v. Art. 14 GG zur Voraussetzung. Der dem Restitutionstatbestand zugeordnete, ihn legitimierende und limitierende verfassungsrechtliche Hintergrund wird deutlicher sichtbar, wenn S. 703 ff. - Das BVerfG geht nunmehr (in einem Beschluß der 1. Kammer des 1. Senats vom 16.8.1994 - I BvR 1321194, ZOV 1994, S. 378) davon aus, daß die Verwaltungsgerichte im VermG keine abschließende Regelung für alle (privat- oder öffentlich-rechtlichen) Ansprüche von Alteigentümern auf Vermögensrückgabe sehen. Diese verfassungsgerichtliche Deutung der einfachen Rechtsprechung ist, vorsichtig gesprochen, mehr als gewagt. Das BVerwG jedenfalls - U. vom 30.6.1994 - 7 C 19.93, VIZ 1994, S. 537 - schreibt dem VermG Exklusivität für alle öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Rückgabe / Rückübereignung konfiszierten oder enteigneten Vermögens in der ehemaligen DDR zu, schließt also verwaltungsrechtliche Verfahren über "fehlgeschlagene" Enteignungen oder Rückgabeansprüche bei nachträglichem Wegfall des Enteignungszwecks aus, wenn sie auf andere Vorschriften als die des VermG gestützt werden (etwa Aufbaugesetz, Baulandgesetz, Baugesetzbuch etc.). Diese überrestriktive Auslegung des VermG führt zu erheblichen Lücken im Restitutionsrecht, Lücken, deren Aufreißen den Betroffenen sogar schlechter stellt, als er unter dem Recht der ehemaligen DDR - faktisch ohne Grundrechtsschutz und verwaltungsrechtliche Generalklausel - gestellt war. Musterfall für eine solche "Verböserung" der Rechtslage ist das bisherige Schicksal der Mauer- und Grenzgrundstücke, insbesondere in Berlin. Während das Verteidigungsgesetz der DDR eine bundesdeutschen Vorschriften entsprechende Rückfallklausel bei Wegfall des Enteignungszwekkes kannte, fehlt ein (vermögensrechtlicher oder anderer) Anspruch auf "Rückenteignung" für diese Opfergruppe nach der Wiedervereinigung. Die Praxis hat auf diese mißliche Lage unterschiedlich reagiert: Der Berliner Senat verfuhr anfänglich so, als ob den früheren Eigentümern ein Rückübertragungsanspruch nach dem VermG zustehen würde und wandte das InVorG entsprechend an (vgl. die Mitteilung in ZOV 1993, S. 162); diese Praxis scheint indes nicht von allen Verfügungsberechtigten so geübt worden zu sein. Das Verwaltungsgericht Berlin (st. Rspr., z.B. B. vom 12.7. 1994 - 9 A 29.93, ZOV 1994, S. 408) hat diese Praxis insoweit verworfen, als Anträge von Mauergrundstückeigentümern im Investitionsvorrangverfahren wegen offensichtlichen Nichtbestehens ihrer Restitutionsansprüche verworfen werden können; Abhilfe sei nur durch die Erste Gewalt möglich. Vgl. dazu Entschließung des Bundesrates vom 29.4.1994, BR-Drs. 264/94, Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das Vermögensgesetz, BT-Drs. 12/8427. Diese Thematik ist auch in sozialpolitischer, also rechtstatsächlicher Hinsicht besonders brisant, weil die meisten "Maueropfer", vor allem außerhalb Berlins, "kleine Leute" (Gartenbesitzer, Bauern etc.) sind. Hilft der Gesetzgeber hier nicht ab - korrigiert er also nicht die letztlich allein (bundes-)fiskusfreundliche Haltung von Exekutive und Judikative -, so toleriert er, zugespitzt formuliert, ein 2., des sozialen Rechtsstaats unwürdiges "Bauernlegen". 10 Vitzthum/März
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
man sein normatives Umfeld in den Blick nimmt. Die gezielte Ausrichtung auf den Themenkreis Eigentum I Enteignung weisen schon, wie angedeutet, die Eckwerte 1 und 3 der Gemeinsamen Erklärung auf. Die Eckwerte ergänzen einander. Eckwert 3 enthält den - gegenüber der späteren gesetzlichen Regelung deutlich weiter gefaßten - Grundsatz, daß enteignetes Grundvermögen grundsätzlich zurückgegeben werden soll. Eckwert 1 nimmt davon die besatzungs getragenen Konfiskationen aus, ordnet sie damit mittelbar aber zu Recht grundsätzlich demselben Themenkreis zu. Daß die Wiedergutmachungsleistung eine ausschließlich eigentumsgestützte Qualität haben sollte, zeigt zudem die Tatsache, daß die Aufarbeitung anderer vor-rechtsstaatlicher Eingriffe - also die Wiedergutmachung bzgl. anderer Opferkategorien - entweder in anderen Eckwerten (etwa in Nr. 9) oder an anderer Stelle (etwa im DDR-Rehabilitierungsgesetz) geregelt wurde. Der eigentumsgrundrechtliche Kontext, dem der Gesetzgeber im Recht der offenen Vermögensfragen breiten Raum eingeräumt hat, ist nicht nur äußerlich. Er kommt auch indirekt dadurch zur Geltung, daß dem Berechtigten die Option eröffnet wurde, anstelle des Rechts auf Rückübertragung Entschädigung zu verlangen (Eckwert 3 lit. c). Wenngleich Art. 14 GG wegen des Vorrangs der Substanz- vor der Wertgarantie ein solches Wahlrecht nicht kennt, weist doch die teils im Belieben des Alteigentümers stehende, teils wegen vorrangiger öffentlicher Interessen vom Gesetz abstrakt vorgeschriebene Austauschbarkeit von primärem Eigentumswiederverschaffungs- und sekundärem Wertersatzanspruch auf das Eigentums-Enteignungs-Muster hin. Ein entsprechender, allerdings strengerer (Stufen-)Zusammenhang besteht dort; auch Terminologie ("Entschädigung") und Gefüge der Ansprüche korrespondieren weitestgehend 29 • Der quantitative Zusammenhang von Nichtrückgabe und Vermögenswertersatz ist ebenfalls nicht zu übersehen 30 . 29 Sie entsprechen sich allerdings nicht vollständig. So kennt das Investitionsvorrangrecht vom InvG (1990) bis zum InVorG (1992) Tatbestände zugunsten Privater, Tatbestände, die im Bereich des Art. 14 GG keinen hinreichenden Enteignungstatbestand bilden würden; vgl. Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 44. 30 Die Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von primärem und sekundärem Restitutionsanspruch entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Höhe der Enteignungsentschädigung; vgl. dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, München 41991, § 20; Aust / Jakobs, Die Enteignungsentschädigung, Berlin / New York 31991, S. 68 f. - Indem der Betroffene - anders als bei Art. 14 GG, jedenfalls seit der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 58, 300) - ein uneingeschränktes Wahlrecht in Anspruch nehmen kann und beim Investitionsvorrang (unabhängig vom Kaufpreis des Investors) eine volle Verkehrswertentschädigung erhält, gibt der Gesetzgeber auch Rahmendaten für das Wiedergutmachungssystem vor, die bei anderen Leistungen desselben Kontexts (Ausgleichsleistung, Wiedergutmachung immaterieller Schäden) als qualitativer Maßstab heranzuziehen sind; s.u. Dritter Teil, III.
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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Von ausschlaggebender Bedeutung für das Nachvollziehen der Intentionen des Gesetzgebers - und damit für die Analyse und Interpretation der Legislativakte - ist indes die veifassungsrechtliche Einkleidung, die das Wiedervereinigungsvertragswerk gewählt hat. Als beitrittsbedingte Änderung des Grundgesetzes verfügte Art. 4 EV die Wiedereinfügung des Art. 143 in das Grundgesetz. Dessen Abs. 3 entzog die in Art. 41 EV unmittelbar angesprochenen sowie die zu ihrer Durchführung notwendigen Regelungen dem Schutzbereich des Art. 14 GG. Diese Exemtion wäre unverständlich und überflüssig, hätte sie - immer in der Vorstellung des Normgebers - nicht zur Voraussetzung, daß jene Vermögensfragen und vor allem deren problematische zeitliche Abgrenzung in Kollision mit dem Eigentumsgrundrecht stünde oder doch unschwer in eine solche Kollision geraten könnte. Beides ist aber nur möglich, wenn der Ausschluß eines Restitutionsanspruchs für die Konfiskationsopfer und damit auch der Anspruch auf Rückübertragung der Enteignungen selbst überhaupt unter den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt. Davon ist der Wiedervereinigungsgesetzgeber ersichtlich ausgegangen 31 • Diese Sicht hat die eigentumsgrundrechtliche Qualifikation des Restitutionsanspruchs, vor allem im Zusammenhang mit seinen investiven Ausnahmen, bis heute bestimmt32 • Die Gründe für die Zuordnung des Anspruchs auf Rückübertragung verlorener Vermögenswerte zu Art. 14 GG sind damit noch nicht geklärt. Die Tatsache, daß das Vermögensgesetz den Alteigentümern einen Anspruch auf Rückübertragung zuspricht, kann zum einen darauf beruhen, daß die seinerzeit (1949 - 1989) vorgenommenen und vom Gesetz erfaßten Enteignungen - sie besaßen allesamt diskriminierenden Charakter - als fortwirkendes, rechtsstaatswidriges Unrecht von der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt werden. Alle Alteigentümer, auch die Konfiskationsopfer (1945 - 1949), hätten in dieser Sicht ihr Eigentum nie wirklich verloren. Der Rückübertragungsanspruch wäre zwar öffentlich-rechtlich ausgestaltet worden; in der Sache selbst handelte es sich aber um einen (nur gehemmten) regulären zivilrechtlichen Herausgabeanspruch, der Art. 14 GG 31 Dazu die in der Denkschrift zum Einigungsvertrag (BT-Drs. 11/7760) enthaltene Begründung, hier zitiert nach StemISchmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 119 ff. (128): " ... vor allem aber wird diese Vorschrift für die Regelung der Entschädigungsmodalitäten von Bedeutung sein, die der gesamtdeutsche Gesetzgeber im Zusammenhang mit denjenigen gesetzlichen Regelungen zu treffen haben wird, die zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung ... noch notwendig sind". S.a. Leisner, NJW 1991, S. 1569 ff. (1573 f.): "Nun hat aber der Verfassungsgesetzgeber ... eindeutig eine Eigentumsregelung treffen wollen." S.a. Graf Vitzthum, Bodenreform-Urteil, S. 10. 32 S. nur die minutiöse Prüfung der Verfassungs mäßigkeit von §§ I, 2 InvG, § 3a VermG und den Vorschriften des InVorG bei Schmidt-Preuß, Die Treuhandanstalt und ihr gesetzlicher Auftrag, Die Verwaltung 25 (1992), S. 327 ff. (350 ff.) m.w.N.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
zuzuordnen sei (für diese Konstruktion spricht vieles bezüglich der nach dem Ausgleichsleistungsgesetz - mit Einschränkungen - zurückzuübertragenden beweglichen Habe, s.u. Ditter Teil, IV). Zum anderen kann der Rückübertragungsanspruch vom Vermögensgesetzgeber neu eingerichtet worden sein, ohne daß ihm fortwirkende eigentumsrechtliche Positionen zugrundegelegen hätten. In diesem Fall begründet nicht das herkömmliche bürgerlich-rechtliche Eigentum, sondern das neu eingerichtete subjektive öffentliche Recht auf Rückübertragung das Schutzobjekt der Eigentumsgarantie. Die Nichtberücksichtigung der Opfer der kommunistischen Konfiskationen stellte im ersten Fall (Vollentzug eines Vermögenswertes) eine Enteignung (durch den Vermögensgesetzgeber) dar. Im zweiten Fall (mangels fortwirkender Rechtsposition) handelte es sich jedenfalls nicht um einen Fall des Art. 14 GG, sondern um ein Problem, das allenfalls im Kontext des Art. 3 Abs. 1 GG und des Rechtsstaatsprinzips anzusiedeln wäre (unten IV.). Welchen grundrechtlichen Gehalt oder Hintergrund der Restitutionsanspruch auch hat - fest steht zunächst, daß nicht der Gesetzgeber frei darüber entscheiden kann, ob das Recht auf Rückübertragung eine alte vermögenswerte Rechtsposition nur neu, d.h. öffentlich-rechtlich einkleidet und über den Untergang der ehemaligen DDR hinweg fortschreibt, oder ob er für die Berechtigten erst eine qualitativ neue Rechtsposition schafft. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG öffnet der Ersten Gewalt zwar das Recht zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums; er erlaubt indes nicht, bereits gefestigte vermögenswerte Rechtspositionen in ihrer Substanz ersatzlos zu entziehen 33 • Das Nichtperpetuieren der Rückgabeansprüche von Konfiskationsopfern über die Wiedervereinigung hinweg wäre in dieser Lesart Vollentzug des Eigentums, also Enteignung gewesen 34 ; das Hinüberretten der Restitutionsansprüche der Enteignungsopfer stellte sich als Konservierung anerkannter Rechte dar.
33 Zusammenfassend Bryde, in: von Münchl Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 50 ff.; Papier, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 449 f., jeweils m.w.N. J4 Insoweit handelte es sich in der Tat nicht um ein Rückwirkungs-, sondern ein Überleitungsproblem, so Kimminich, Überleitung, S. 9; Wiegand, Rechtsphilosophisehe Anmerkungen zur Behandlung offener Vermögensfragen in der PfIiehtenlehre von M. Tullius Cicero und im Vermögensgesetz, ZRP 1992, S. 286. - Die Frage eines rechtsstaatlichen Übergangs stellt sich auch auf anderen Rechtsgebieten. V gl. etwa Merten, Verfassungsprobleme der Versorgungsüberleitung, Berlin 1993; Lerche, Fortgeltung von DDR-Recht und Gesetzesvorbehalt, in: Letzgus u.a. (Hrsg.), Für Recht und Staat. Festschrift für Herbert HeImrich zum 60. Geburtstag, München 1994, S. 57 ff.
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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Damit beginnen freilich die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten. Sie sind, wie das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts35 gezeigt hat, letztlich unüberwindbar. Weder läßt sich schlüssig begründen, daß die in der ehemaligen SBZ/DDR gelegenen Vermögenswerte zu irgendeinem Zeitpunkt dem Schutz des Art. 14 GG unterfielen - das Grundgesetz beschränkte seine territoriale Geltung in Art. 23 GG a.F. ausdrücklich auf das Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland36 - , noch sind Gründe ersichtlich, wonach die 1945 - 1949 vorgenommenen Konfiskationen unter den Schutzbereich des erst 1949 in Kraft getretenen, nicht zurückwirkenden Grundgesetzes gefallen sein sollen 3? Der einzige Ansatzpunkt zugunsten einer Zuordnung des Rückgabeanspruchs für die Jahre 1949-1990 (und damit des Fehlens eines Anspruchs für die Jahre 1945 - 1949) zu Art. 14 GG könnte darin liegen, daß die anerkanntermaßen rechtsstaats- und menschenrechtswidrigen Konfiskationen durch die Nichteinbeziehung in das Vermögensgesetz aufrechterhalten und von der Bundesrepublik Deutschland als rechtmäßig anerkannt wurden. Aber auch insoweit war selbst unter (hier allerdings nicht abschließend geprüften) ordre pubIic-Gesichtspunkten kaum zu beweisen, daß zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch eine vermögens werte Rechtsposition vorhanden gewesen war, die hinüberzuretten oder untergehen zu lassen Sache des Gesetzgebers gewesen sei.
BVerfGE 84, 90 ff. Dazu Graf Vitzthum, Bodenreform-Urteil, S. 3 ff. Vgl. nur von Münch, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 11, München 21983, Art. 23 Rn. 20 f.; Stern, Staatsrecht I, München 21984, S. 238 f. 37 So schon BVerfGE 2, 237 (246); jetzt von Mangoldt/ Klein/von Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 14, München 31991, Art. 143 Rn. 43; kritisch - unter Hinweis auf Art. 153 WeimRV (der aber allenfalls als einfaches Recht weitergalt) Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 143 Rn. 22; FriauflHorscht, Rechtsfolgen der Enteignung von Grundbesitz und Wohngebäuden in der ehemaligen DDR zwischen 1949 und 1990. Die "offenen Vermögensfragen" aus verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Sicht, Stuttgart 1993, S. 88 ff.; ablehnend Kimminich, Die Eigentumsgarantie im Prozeß der Wiedervereinigung, Frankfurt a.M. 1990, S. 77 ff. - Aus diesem Grund liegt auch die von lohn (Offene Vermögensfragen, besondere Investitionen und Eigentumsgarantie, LKV 1992, S. 119 ff. [121]) vorgetragene Begründung, die Rechtspositionen der früheren Eigentümer seien durch Art. 41 EV wieder aufgelebt, neben der Sache: Wo keine Rechtspositionen nach dem Recht der ehemaligen SBZ/DDR vorhanden waren - und sie bestanden weder als zivilrechtlicher Herausgabeanspruch des Eigentümers noch als öffentlich-rechtlicher Rückgabe- oder Entschädigungsanspruch fort -, kann nichts wieder aufleben. Treffend Badura, Rezension von FriauflHorscht, AöR 118 (1993), S. 678 ff. (679).: "Vermögens werte Rechte im Hinblick auf die sozialisierten oder konfiszierten Güter ... konnten unter diesen Umständen nicht mehr vorhanden sein." 35
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Folgt man der Verfassungsrechtsprechung38 , so kann der Restitutionsanspruch aus § 3 VermG jedenfalls keine Perpetuierung einer noch zu DDRZeiten valutierenden Vermögensposition beinhalten 39 • Vice versa kann der Ausschluß eines Rückgabeanspruchs für die Konfiskationsopfer keine Enteignung darstellen. Die Vermögensverluste unter dem sowjetischen Besatzungsregime sind folglich aus Art. 14 GG-Sicht nicht anders zu behandeln als die Enteignungen der DDR-Zeit. Das Ziel des Art. 143 Abs. 3 GG: eine Kollision von Art. 41 EV und Art. 14 GG dadurch auszuschließen, daß die fragliche Regelung außerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 GG gestellt wurde, hat der Wiedervereinigungsgesetzgeber freilich verfehlt - nicht weil die Exemtionsklausel wegen Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig wäre, sondern weil solche Kollisionen mangels einer eigentumsgrundrechtlich relevanten Rechtsposition nicht denkbar sind, die Befreiung von Art. 14 GG also ins Leere läuft4O • Zu beantworten bleibt noch die Frage nach der eigentumsgrundrechtlichen Qualität des Restitutionsanspruchs insoweit, als dieser den Enteignungsopfern einen vermögenswerten Anspruch neu zuordnet. Hier bestehen die o.a. territorialen und temporalen Beschränkungen nicht. Diese Frage kann nicht abstrakt, sondern nur im Blick auf die konkrete (Vermögens-)Rechtsordnung beantwortet werden 41 . Der Gesetzgeber hat bei der Einrichtung des Restitutionsanspruchs (wie zumeist) keine grundrechtliche Zuordnung dieser Rechtsposition vorgenommen. Er hat jedoch indirekt, durch die Verknüpfung von investivem Entzugstatbestand und vollem Verkehrswertausgleich, erkennen lassen, daß er jedenfalls eine Werthaltigkeit des Restitutionsanspruchs für geboten hält. Eben 38 BVerfGE 84, 90 (122 ff.); so schon früher Badura, DVBI. 1990, S. 1256 ff. (1261); Papier, Verfassungsrechtliche Probleme der Eigentumsregelung im Einigungsvertrag, NJW 1991, S. 193 ff. (195); Degenhart, Verfassungsfragen der deutschen Einheit, DVBI. 1990, S. 973 ff. (979). Zur jedenfalls teilweisen Fragwürdigkeit der IPR-Argumente im Bodenreformjudikat Graf Vitzthum, Bodenreform-Urteil, S. 16 ff.; s.a. Maurer, JZ 1992, S. 183 ff. (188 f.); Leisner, NJW 1991, S. 1569 ff. (1572 f.). 39 Vgl. BVerfGE 23, 153 (166), wonach in bezug auf Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches der Schutz des Art. 14 GG "überhaupt erst wirksam werden [kann], wenn und soweit die gesetzliche Regelung die Leistungspflicht der Bundesrepublik Deutschland ... begründet hat". 40 Zutreffend Heintzen, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Wiedergutmachung des SED-Unrechts, DÖV 1994, S. 413 ff. (414): " ... Art. 143 Abs. 3 GG (ist) eine bloß deklaratorische KlarsteIlung, weil es die Ansprüche, von deren Existenz ausgegangen wird, in Wahrheit gar nicht gibt". So bereits Weis, Verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, AöR 116 (1991), S. 3 ff. (27); ebenso GrafVitzthum, Bodenreform-Urteil, S. 10. 41 BVerfGE 84, 90 (122).
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
151
diese Werthaltigkeit zeichnet auch das Verhältnis von Eigentum und Enteignungsentschädigung aus. Vor allem wegen dieser Parallelität geht das Schrifttum - meist ohne Begründung - durchgängig davon aus, daß der Restitutionsanspruch dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zuzuordnen ist. Der vom Investitionsvorrang erzwungene Wechsel vom Primär- auf einen Sekundäranspruch stelle eine Enteignung dar42 , die nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des Abs. 3 des Art. 14 GG zulässig sein könne und die bekannte Rechtsfolge auslösen müsse43 • Auch die Rechtsprechung zu Vennögensgesetz und Investitionsvorrang ist dieser Zuordnung teilweise gefolgt44 • Soweit sich in den (wenigen) einschlägigen Entscheidungen und in der Literatur überhaupt eine Begründung für die eigentumsrechtliche Zuordnung finden läßt, wird die Nähe zum Entschädigungstatbestand aus Enteignung ins Feld geführt. Diese Überlegung zäumt indes das Pferd von hinten auf. Nicht weil im Investitionsvorranggesetz eine Verkehrswertentschädigung geleistet wird, muß es sich automatisch um eine Enteignung handeln45 - eine Entschädigung dieser Art und Höhe ist vielmehr grundsätzlich erforderlich, wenn es sich um eine Enteignung handelt.
42 Wie der im Belieben des Berechtigten stehende Wechsel von Objektrückgabe auf Entschädigung (§ 8 VermG) in dieses Schema passen soll, bleibt unerfindlich. Die Sollbruchstellen in dieser Argumentation zeigen sich zudem daran, daß das VermG zahlreiche Ausschlußtatbestände für die Objektrestitution kennt, die qualitativ mit dem Investitionsvorrang auf einer Stufe stehen dürften (etwa § 5 VermG). In diesen Fällen hat der Gesetzgeber indes keine volle Verkehrswertentschädigung vorgesehen. Mit seinen Pauschalierungen und rigorosen Degressionsabschlägen bleibt das EALG vielmehr weit hinter einer solchen Entschädigung zurück. S.u. Dritter Teil, 11, III. 43 Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, VermG § 3 Rn. 5; Horn, Privatisierung und Reprivatisierung von Unternehmen. Eigentumsschutz und Investitionsförderung im Lichte der neuesten Gesetzgebung, in: Hommelhoff (Hrsg.), Treuhandunternehmen im Umbruch. Recht und Rechtswirklichkeit beim Übergang in die Marktwirtschaft, Köln 1991, S. 133 ff. (144 ff.); ders., Das Zivilund Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, § 14 Rn. 9 ff. m.w.N.; a.A. etwa Frantzen, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, InVorG § 4 Rn. 22 f., § 7 Rn. 2 f. 44 So etwa KrG Leipzig Stadt vom 6.8.1991 - 11 K 18/91 (VG), in: RGV, K 4; deutlich in diese Richtung auch BVerfG vom 27.7.1993 - 1 BvR 339/93, ebd. K 25: " ... Dabei bedarf es keiner Prüfung, welche Formen der Finanzierung [eines Investitionsvorrangvorhabens] insoweit von Verfassungs wegen - sei es unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots oder auch des Art. 14 Abs. 1 GG, dessen Anwendbarkeit auf den vermögensrechtlichen Rückgabeanspruch hier unterstellt werden kann - zuzulassen sind."
45 Zudem ist unklar, ob der Investitionsvorrang eine Legalenteignung oder eine Ermächtigung zur Administrativenteignung vorsieht. Für ersteres Friauf/ Harscht, Rechtsfolgen, S. 166 m.w.N.; dagegen - zutreffend - Badura, AöR 118 (1993), S. 680. Zu den Unterscheidungskriterien s.o. Erster Teil, C.lV.4.
152
Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Eine Verkehrswertentschädigung ist aber natürlich nicht an diese Voraussetzung gebunden. Der Gesetzgeber kann sie auch in anderen Fällen einrichten. Der Restitutionsanspruch ist als öffentlich-rechtlicher Anspruch nur dann eigentumsgeschützt - und damit enteignungsentschädigungsfähig -, wenn diese öffentlich-rechtliche Rechtsposition dem von Art. 14 GG geschützten Typus von Vermögenswerten entspricht. Die Zuordnungskriterien sind dabei insgesamt unklar. Sie sind bislang weder von der Verfassungsrechtsprechung generell offengelegt noch vom Schrifttum konsentiert herausgearbeitet worden. In der immer unübersichtlicher werdenden öffentlich-rechtlichen Eigentumstopographie sind im großen und ganzen nur drei trigonometrische Punkte anerkannt: 1. Art. 14 GG ist weder auf alle subjektiven Rechte noch auch nur auf alle vermögenswerten subjektiven öffentlichen Rechte zu erstrecken46 • 2. Voraussetzung dafür, ob eine vermögensrechtliche subjektive öffentliche Rechtsposition Eigentum i.S.v. Art. 14 GG darstellt, muß sein, ob sie so stark ist, daß es nach dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes als ausgeschlossen erscheint, daß der Staat sie ersatzlos entziehen kann 47 • 3. Entscheidend für die Bewertung eines Rechts als Eigentum ist zudem, inwieweit es sich als Äquivalent eigener Leistung erweist oder auf staatlicher Gewährung beruht48 • Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere zahlreiche sozialversicherungsrechtliche Positionen (Renten einschI. Anwartschaften, Krankenversicherungsleistungen u.ä.) in den Schutz der Eigentumsgarantie einbezogen 49 • Zu diesen Rechtspositionen zählt der Restitutionsanspruch sicherlich nicht. Er steht auf den ersten Blick - Bezüge zu Art. 135a GG vielmehr den Forderungen aus Verbindlichkeiten der ehemaligen DDR nahe, daneben auch - genereller Wiedergutmachungsgedanke - den innerstaatlichen Lastenausgleichsvorschriften oder - wie das Bodenreform-Urteil andeutet den Kriegsfolgelasten im weiteren Sinn (letzteres scheint indes eher entlegen). Diesen drei Anspruchskategorien hat die Verfassungsrechtsprechung die
46 BVerfGE 4, 219 (240 f.) u.ö. dies gegen BGHZ 6, 270 (278); neuerdings wieder in dieser Richtung Rittstieg, in: Azzola u.a., Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Reihe Alternativkommentare), Neuwied 21989, Art. 14 Rn. 114: Gefordert sei auch im öffentlichen Recht nur ein vermögenswertes subjektives Recht. 47 BVerfGE 16,94 (111 0; 18, 392 (397). 48 BVerfGE 14, 288 (294); 18, 392 (397); 69, 272 (299 ff.); 72, 175 (193); st. Rspr. 49 Rechtsprechungsnachweise und weiterführende Literatur bei Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 26 f.
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
153
Qualität von Eigentum i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG abgesprochen 50• Die überaus zurückhaltende Linie des Gerichts sieht in diesen einfachgesetzlichen Leistungsansprüchen eine Ausprägung (nur) des Sozialstaatsprinzips - dabei soll der Fürsorgegedanke im Vordergrund stehen, auch die Vorstellung vom Ausgleich für Schicksalsschläge -; eine eigene Leistung des Berechtigten habe dieser Qualifizierung nicht zugrundegelegen. Daneben dürften politisch-praktische Folgenerwägungen - konkret: fiskalische "Zwänge" - die Hauptrolle für die Negation des Eigentumsbezugs gespielt haben 5l • Ob dieser Zuordnung sowohl generell wie in jedem Einzelfall gefolgt werden kann, sei dahingestellt52 • Insbesondere scheint das "Eigene-Leistung"Kriterium, dessen rechtshistorische Fundierung und rechts- und gesellschaftspolitische Legitimation hier nicht hinterfragt werden kann, noch keineswegs rechts staatlich einwandfrei erhärtet. Es kann freilich kaum bestritten werden, daß ein ausschließlich auf sozialstaatlicher Fürsorge beruhender, ohne eigenes vorheriges Zutun gewährter Anspruch einer qualitativen Vergleichbarkeit dieser Position mit zivilrechtlichen Eigentumsrechten und ihren Erwerbstatbeständen prinzipiell widerstreitet. Auf der anderen Seite unterscheidet sich unser (vermögensrechtlicher) Restitutionsanspruch in mehrfacher Hinsicht von (eigentumsfemen) Lastenausgleichs-, Besatzungsschäden- oder Reparationsansprüchen. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der erste negative Zugriff auf Art. 14 GG: der öffentlich-rechtliche Charakter für sich genommen nicht ausschlaggebend sein kann 53 • Gerade in Überleitungssituationen wie der der Vereinigung Deutsch50 Vgl. BVerfGE 27, 253 (270 f.) Besatzungsschäden; 32, 111 (128) - Lastenausgleich; 41, 126 (151 f.) - Kriegsfolgeschäden, Reparationsschäden. 51 Deutlich etwa BVerfGE 41, 126 (151 f.): "Eine Bindung an diese Maßstäbe [Eigentumsgarantie] hätte den staatlichen Wiederaufbau unmöglich gemacht"; ebenso heute Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 122 (Kollision mit dem Sozialstaatsprinzip). Die frühe Gesamtwürdigung bei Wemer Weber (Öffentlich-rechtliche Rechtsstellungen als Gegenstand der Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung, AöR 91 [1966], S. 382 ff. [398]) zugunsten einer Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Positionen in den Eigentumsschutz hat nichts von ihrer Berechtigung verloren: "wenn man den Gegenstand seines [eine Einbeziehung wegen zu fester Bindung des Gesetzgebers ablehnenden] ideologisierenden Beiwerks entkleidet, [ist] die Frage des Eigentumsschutzes für öffentlich-rechtliche Rechtsstellungen doch wohl nicht so problematisch". 52 Auch innerhalb des Gerichts selbst war die Zuordnung einzelner Ansprüche nicht unumstritten, s. etwa BVerfGE 32, 111 (129 ff.) - Sondervotum Rupp-von Brünneck. Zur Zirkularität der verfassungsgerichtlichen Argumente bereits Nicolaysen, Eigentumsgarantie und vermögenswerte subjektive öffentliche Rechte, in: Hamburger Festschrift für Friedrich Schack, Hamburg 1966, S. 107 ff. (109). 53 So schon - seine eigene spätere Rechtsprechung damit im voraus konterkarierend - BVerfGE 16, 94 (111 f.): ..Dann [d.h. bei einem entsprechend starken rechtsstaatli-
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
lands würde dem Gesetzgeber damit die Option eröffnet, vordem privatrechtliche Ansprüche - die nach dem Beitritt den Schutz des Art. 14 GG in Anspruch nehmen können 54 - durch ihre Transformation in subjektive öffentliche Rechte zu "enteignen"ss. Wesentliche Bedeutung ist demgegenüber dem Rechtsgrund zuzuerkennen, der die Einrichtung des fraglichen Anspruchs legitimiert bzw. legitimieren soll. Dieser ist beim Restitutionsanspruch nicht der Fürsorgegedanke: Einerseits ist diesem bereits durch den früher angefallenen Lastenausgleich Genüge getan, andererseits wird der Restitutionsanspruch ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit, sozialen und wirtschaftlichen Status des Berechtigten etc. eingeräumt. Im Zentrum steht vielmehr der Grundsatz der Wiedergutmachung vorrechtsstaatlichen Unrechts. Dabei geht es hier um ein Unrecht, das nicht allen Bewohnern der ehemaligen DDR oder allen dort Grundeigentum Besitzenden, sondern einzelnen Gruppen von Eigentümern gezielt und mit der Absicht ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung, ja Vernichtung zugefügt wurde. Nicht vom generellen Ausgleich von kriegs-, besatzungsoder sozialismusbedingten Nachteilen oder Vermögenseinbußen handelt das Recht der offenen Vermögensfragen (wie überhaupt das Recht der heute anstehenden materiellen und immateriellen Wiedergutmachung), sondern von der Korrektur einseitiger, personal exakt zuzuordnender Unrechtstatbestände; nur um deren Behebung für die Zukunft geht es also. Die dem Restitutionsanspruch zugrundeliegende Individualisierung der Wiedergutmachung S6 knüpft demzufolge an das für die Zuordnung des Anehen Gehalt des Anspruchs] kann es aber nicht entscheidend sein, ob sie [die Rechtsposition] im privaten oder im öffentlichen Recht wurzelt und ob sie ,privatrechtliehe' Elemente aufweist." 54 Vgl. dazu Degenhart, Der Schutz des Grundeigentums im Beitrittsgebiet. Eigentumsgarantie und Sachenrechtsbereinigung, DVBI. 1994, S. 553 ff.; s.a. Stümer, Sachenrechtsbereinigung zwischen Restitution, Bestandsschutz und Rechtssicherheit, JZ 1993, S. 1074 ff. (1079 ff.). 55 Dazu folgende Kontrollüberlegung: Der Wiedervereinigungsgesetzgeber ist im Recht der offenen Vermögensfragen davon ausgegangen, daß diskriminierende Enteignungen keinen Bestand haben sollen. Dies umzusetzen, war entweder dadurch möglich, daß die Enteignung selbst für nicht rechtsbeständig und nichtig erklärt wurde - mit der Folge, daß der zivilrechtliehe Herausgabeanspruch wieder auflebte; dasselbe Ergebnis war aber auch zu erreichen, indem der Staat als über das ehemalige Volkseigentum Verfügungsberechtigter dem Alteigentümer einen öffentlich-rechtlichen Rückgabeanspruch einräumte. Das Ergebnis war in beiden Fällen das gleiche. Die Wege wären aber bei einer einseitigen Orientierung an der Rechtsform des Anspruchs eigentumsrechtlich höchst unterschiedlich abgesichert - einerseits vollständige Integration in Art. 14 GG, andererseits im Extremfall vollständige Exemtion. S6 Sie liegt wohlgemerkt keineswegs allen Wiedergutmachungsleistungen im Zusammenhang mit der Bewältigung der deutschen Teilung zugrunde. So fehlt diese
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
155
spruchs zu Art. 14 GG ausschlaggebende Kriterium an. Die Individualisierung erstrebt einen Ausgleich einseitiger, anderen nicht zugefügter Nachteile. Es geht auch um einen Ausgleich von Opfern, die nur und gerade diese Gruppen von Eigentümern auf dem Altar der sozialistischen Rechtsordnung erbringen mußten. Nicht eine vorgängige "eigene" Leistung soll hier berücksichtigt, nicht eine viele oder alle treffende Benachteiligung soll in diesen Fällen ausgeglichen oder sonstwie "bewältigt" werden, sondern - analog zum Aufopferungsanspruch des Staatshaftungsrechts57 - das besondere Opfer, das die Einbuße aus der großen Zahl der Geschädigten individuell heraushebt, kurz: das diskriminierende Opfer der Alteigentümer. Auf einen Nenner gebracht: Nicht Zufall oder Schicksal, sondern eine gezielt und bewußt herbeigeführte Sonderlage soll - soweit wie möglich - wiedergutgemacht werden: Restitutionsanspruch als Äquivalent eigenen (Sonder-)Opfers. In dieser Hinsicht unterfällt der Anspruch dann in der Tat Art. 14 GG. Keinen eigentumsrechtlichen Schutz genießen hingegen die Rechtspositionen im Vermögensgesetz, die bislang nur dem Grund nach eingerichtet sind, dem Geschädigten aber noch keinen individualisierten Anspruch auf nach Inhalt, Zeitpunkt und Höhe bestimmte oder bestimmbare Leistungen einräumen. Diese Einschränkung betrifft vor allem zwei Kategorien: den Entschädigungsanspruch für nicht zu restituierende Vermögens verluste und den Ausgleichsleistungsanspruch für Konfiskationen der Besatzungszeit. In beiden Fällen hat das Vermögensgesetz den früheren Eigentümern keinen Anspruch auf bestimmte Leistungen eingeräumt, sondern ihnen nur eine Option auf das spätere Uetzt in Form des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes erfolgte) Tätigwerden des Gesetzgebers zugeordnet. Für die Qualifikation als Eigentum reicht dies nicht aus 58 . Komponente etwa bei der Ausgleichsleistung für die in der ehemaligen DDR ansässigen Vertriebenen. S.u. Dritter Teil, I. 11. 57 Zu ihm zusammenfassend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 12-13; s.a. BVerfGE 53, 336 (348) - Ersatzanspruch für Aufopferung privater Rechte im Einzelfall. Grundlegend hierzu bereits Dürig, Der Staat und die vermögenswerten öffentlichrechtlichen Berechtigungen seiner Bürger, in: Maunz u.a. (Hrsg.), Staat und Bürger. Festschrift für Willibalt Apelt zum 80. Geburtstag, München / Berlin 1958, S. 13 ff. (49): Es handele sich hier - gezeigt anhand der Häftlingsentschädigung für NS-Unrecht (man denke an das 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz!) - nicht um breit gestreute Fürsorge, sondern um einzelfall orientierte Wiedergutmachung, um Ansprüche also, die ohne derartige gesetzliche Sonderregelungen auf der allgemeinen Anspruchsgrundlage der Staatshaftung entstanden wären. 58 Vgl. BVerfGE 17, 67 (79); 23, 153 (166): "Der Schutz des Art. 14 GG kann überhaupt erst wirksam werden, wenn und soweit die gesetzliche Regelung die Leistungspflicht der Bundesrepublik Deutschland ... begründet hat." Ebenso BVerfGE 24, 203 (214 f.); 29, 413 (425, 429); 41, 126 (152, 168). Jetzt BVerfGE 84, 90 (132): "Soweit sich diese Vorschrift [Art. 135a Abs. 2 GG] danach überhaupt noch nachtei-
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Im Ergebnis besteht für die eigentumsrechtliche Zuordnung der Wiedergutmachungsansprüche im Vennögensrecht also eine (zugegeben unbefriedigende) gespaltene Rechtslage: Der primäre Restitutionsanspruch unterfällt Art. 14 GG; die noch nicht "durchnonnierten" Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsrechte können diesen Status erst durch Tätigwerden des Gesetzgebers erwerben; dies ist nun mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz geschehen. Letzterer Status bedeutet nicht automatisch einen den anderen zivil- oder öffentlich-rechtlichen Eigentumspositionen gleichrangigen, d.h. vollwertigen Schutz vor Eingriffen59 • Für die Wiedergutmachung dieses SBZ- und DDRUnrechts gilt vielmehr Besonderes. Der Wiedervereinigungsgesetzgeber hat über Art. 4 Nr. 4 EV eine speziell auf die hier in Rede stehenden Fälle einer Regelung offener Vennögensfragen zugeschnittene Verfassungsänderung vorgenommen. Sie unterwirft einen Teil der dort eingeräumten Ansprüche einem außerordentlichen Rechtsregime. Alle zukünftig einzurichtenden (und mittlerweile eingerichteten) Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche sind dem Schutz des Eigentumsgrundrechts insoweit entzogen 60 , als diese Verbindlichkeiten des Bundes, die mit dem Übergang von Vennögenswerten der ehemaligen DDR in Zusammenhang stehen oder auf deren Maßnahmen beruhen, nicht oder nicht in voller Höhe erfüllt werden müssen (Art 135a Abs. 2 GG). Man tut dem Wiedervereinigungsgesetzgeber gewiß nicht Unrecht, wenn man die Inkorporierung der "DDR-Altlastenbewältigung" in den Kriegsfolgenkontext des Art. l35a Abs. 1 GG als prima facie "systematisch irreführend" kennzeichnet61 • Die Vorschrift steht in der Tat in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Bewältigung von Kriegsfolgelasten 62 , es sei denn, lig für die Beschwerdeführer auswirken könnte, würde deren Betroffenheit jedenfalls nicht schon unmittelbar durch diese Verfassungsnorm, sondern erst durch die - etwa - unzureichende gesetzliche Regelung entstehen." 59 Dies mag im Ergebnis die Vermutung von Bryde (in: von MünchlKunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 28) bestätigen, wonach die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - und damit die gesamte Qualifikationsproblematik - mehr dogmatische als praktische Konsequenzen hat. 60 Dies galt schon für den - 1957 eingefügten - Art. 135a Abs. 1 GG; s. Maunz, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 135a Anm. 11 3; Weiler, Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz, MDR 1957, S. 705 ff.; vgl. auch FriauflHorscht, Rechtsfolgen, S. 188 f. m.w.N. 61
So Herdegen, Die Verfassungsänderungen im Einigungsvertrag, Heidelberg 1991,
S. 15.
62 Siehe BleckmannlPieper, in: RädlerlRaupachlBezzenberger, Vermögen, Teil 2 A Rn. 16 f.
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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man wollte darunter alle Verbindlichkeiten verstehen, die nach 1945 in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und seinen Folgeerscheinungen entstanden sind; damit würde man allerdings Sinn und Zweck der Vorschrift bis ins Uferlose überdehnen 63 • Gemeint war nur die Übernahme eines "passenden" Rechtsgedankens: der eigentumsrechtlichen Bedeutung der Vorschrift, auf einen der Grundkonstellation - nicht der konkreten Lage - ähnlichen Sachverhalt64 • Die Bundesrepublik Deutschland wollte sich die Möglichkeit offenhalten, wie nach 1949 die Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches, so nach 1990 die Verbindlichkeiten der ehemaligen DDR und der mit ihrem Untergang verbundenen Vermögensübergänge - deren Gesamtumfang seinerzeit nicht überschaubar war und wohl auch heute noch nicht definitiv bekannt ist - ganz oder teilweise durch Gesetz abzuschütteln, also auch Entschädigungen und Ausgleichsleistungen nach Maßstäben zu bedienen, die nicht der strengen Verkehrswertorientierung des Art. 14 Abs. 3 GG entsprechen65 . Dieser mit Art. 79 Abs. 3 GG zu vereinbarende66 Vorbehalt führt im Ergebnis zu einem Zwei-KLassen-System der Wiedergutmachung: Eigentumsschutz für den primären Restitutionsanspruch dort, keine Wertgarantie i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG für die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche hier. Die im Zusammenhang mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vieldiskutierte Wertschere zwischen primären und sekundären Wiedergutmachungsleistungen hat bei oberflächlicher Betrachtung hier ihren - offenbar auch grundrechtlich, jedenfalls eigentumsrechtlich abgesicherten -
63 Diese Tendenz ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 135a Abs. I GG nicht zu verkennen, s. etwa E 53, 164 (176): Die Vorschrift erfasse sämtliche "Regelungen zur Bewältigung der außerordentlichen Probleme ...• die ihren Ursprung in historischen Vorgängen aus der Zeit vor der Entstehung der Bundesrepublik haben". Diese zeitliche Limitierung würde auf den größten Teil der anstehenden Entschädigungsansprüche ohnehin nicht passen; sie sind per definitionem nach 1949 entstanden. 64 Badura. DVBI. 1990. S. 1261: sachgerechte Parallelisierung; daß mit der "entsprechenden Anwendung" in Art. 135a Abs. 2 GG kein Rückbezug auf die Voraussetzungen von dessen Abs. I gemeint sein konnte. übersieht Maunz. in: Maunz IDürig , Grundgesetz. Art. 135a Anm. III. 65 Stern. in: SternISchmidt-Bleibtreu. Einigungsvertrag. S.44 f.; Maunz. in: MaunzlDürig. Grundgesetz. Art. 135a Anm. III. Zur Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. neben den Aktiva auch die Passiva der ehemaligen DDR zu übernehmen. Gornig. Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands. Teil II: Staatsvermögen und Staatsschulden. Berlin 1992, insb. S. 99 ff. 66 Herdegen. Verfassungsänderungen. S. 16; unklar. weil unnötig zurückhaltend. BVerfGE 84. 90 (131).
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Ursprung 67 . Ob diese Unterschiede bei näherer Untersuchung in der Tat bestehen bzw. aufrechtzuerhalten sind, ist im folgenden zu untersuchen. 2. Bedeutung der objektivrechtlichen Eigentumsposition
Das - sieht man vom primären Restitutionsanspruch ab - weitgehende Fehlen eines abwehrrechtlichen Eigentumsschutzes für Wiedergutmachungsansprüche im Recht der offenen Vermögens fragen stellt die Berechtigten nicht schutzlos, wenngleich das Grundgesetz keinen ausdrücklichen Verfassungsauftrag zur Wiedergutmachung enthält und das Thema nur aus der Sicht der bundesstaatlichen Kompetenzordnung (Art. 74 Nr. 9 GG) und der Ausschlüsse und Beschränkungen dieser Materie (Art. 135a, 143 Abs. 3 GG) verfaßt hat68 • Bei der Einrichtung und Ausgestaltung solcher Ansprüche ist der Gesetzgeber im wesentlichen an drei verfassungsrechtliche Rahmendaten gebunden: Er hat das Prinzip des sozialen Rechtsstaates zu beachten (Art. 20 Abs. I GG); er ist an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden (Art. 3 Abs. I GG); und er ist der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verpflichtet, soweit sie objektiv-rechtliche Vorgaben für die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit beinhaltet. "Die Wiedergutmachung früheren Unrechts ... kann ihre Wurzeln nur im Rechts- und Sozialstaatsprinzip haben.,,69 Damit ist von Bundesverfassungsgerichts wegen die generelle Einordnung der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche des Vermögensgesetzes ebenso festgelegt wie die Qualität der Leistungen für andere Wiedergutmachungsberechtigte (vgl. das Erste und Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz). Diese "selbstverständliche Aufgabe des freiheitlich-demokratischen Staates,,70 resultiert aus der im 67 Weitergehend, weil alle im Recht der offenen Vermögensfragen wurzelnden Ansprüche, also auch den Restitutionsanspruch, unter Art. 135a Abs. 2 ziehend, Sendler, Eigentumsgarantie in der Verfassungsdebatte, ZfBR 15 (1992), S.55 ff. (59) unter Berufung auf Fieberg/Reichenbach, Offene Vermögensfragen und Investitionen in den neuen Bundesländern, NJW 1991, S. 1977 ff. (1979); a.A., weil die Anwendbarkeit von Art. 135a Abs. 2 GG auf Entschädigungsansprüche des VermG generell verneinend (es handele sich nicht um Verbindlichkeiten der DDR), Huber, Kompensationsansprüche bei der Regelung offener Vermögensfragen, in: Festschrift zur Wiederrichtung des Oberlandesgerichts in Jena, München 1994, S. 271 ff. (277). 68 Heintzen, DÖV 1994, S. 414 f. (Offenheit dieses Kompetenztitels auch für sozialistisches Unrecht); die ältere Sicht bei Maunz, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 125 (Wiedergutmachung = Ausgleich nur für Schäden, die durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen verursacht wurden). 69 BVerfGE 84, 90 (126) (Hervorhebung hinzugefügt). Dies schließt jedenfalls eine vordergründig naturrechtliche Begründung von Wiedergutmachung aus; vgl. Herdegen, Staat und Recht 39 (1990), S. 701 ff. 70 So schon früh BVerfGE 6, 132 (203).
III. Zur eigentumsgrundrechtlichen Verortung der Ansprüche
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Zuge der Wiedervereinigung erfolgten Übernahme und Perpetuierung der diskriminierenden Konfiskationen und entschädigungslosen Enteignungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die anerkanntermaßen mit rechtsstaatlichen Maßstäben nicht zu vereinbarenden Vermögensentziehungen haben eine noch nicht abgeschlossene Wirkung. Sie können nicht bruch los, ohne Ansehen ihrer Motive und ohne Rücksicht auf ihre nunmehr weggefallene sozialistische "Geschäftsgrundlage", in die allgemeine Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland überführt und dort unbesehen konserviert werden 71. Wenngleich die Fakten des Unrechts nicht ungeschehen gemacht werden können, fordert das Rechtsstaatsprinzip, daß die Folgen des Unrechts ausgeglichen werden, das den Betroffenen angetan wurden - ein Rechtsgedanke, der (in unmittelbarer und weit stärkerer Bedeutung) dem Staatshaftungsrecht seit jeher zugrundeliege 3, indes auch hier, in unserem Kontext - mit modifiziertem und abgeschwächtem Inhalt - fruchtbar zu machen ist. Die generelle rechtsstaatliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung gewinnt an Gewicht und normativer Absicherung, wenn man den Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Anforderungen an entsprechende Leistungen auch im allgemeinen Gleichheitssatz sieht. Wiedergutmachung ist ein Gebot der Gleichheitsgarantie i.S.e. gerechtigkeitsgetragenen74 Verpflichtung, die von den Alteigentümern erbrachten, sie gezielt treffenden Vermögensopfer auszugleichen. Individuell zugefügtes, bewußt rechtsstaatswidrig durchgesetztes Unrecht verletzt die Gleichheit unter den Bürgern besonders stark. Daß staatlicherseits willkürlich herbeigeführte Ungleichheit ausgeglichen wird, fordert bereits der in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatz der Lastengleichheies, 71 Starck, Der Rechtsstaat und die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit, S. 31; Badura, DVBI. 1990, S. 1262; ders., Der Ausgleich für sozialistisches Unrecht als Wiedergutmachung nach den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates, in: Festschrift für Walter Remmers, 1994 (im Erscheinen), Ms. S. 4. 72 So schon - anhand der Wiedergutmachung von NS-Unrecht (Ausbürgerungen) BVerfGE 23,98 (107). 73 V gl. Lücke, Rechtsstaatsprinzip und Staatshaftungsreform, AöR 104 (1979), S. 225 ff.; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee I Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, Heidelberg 1987, § 24 Rn. 88. 74 Gerechtigkeit LS.v. ausgleichender Gerechtigkeit; vgl. zu diesem Zusammenhang Bäcken/ärde, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 47, Berlin/New York 1989, S. 95; ebenso mit Bezug auf das Vermögensrecht der (seinerzeit die einschlägigen Verhandlungen mit der DDR führende) Bundesminister der Justiz Kinkei, Deutsche Rechtseinheit - eine Standortbestimmung, NJW 1991, S. 340 ff. (342). Daß dem Gerechtigkeitsgedanken über seine positivrechtliche Verankerung in Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungs- und rechtspolitisch Bedeutung für die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit zukommt, weist Dreier, ZG 8 (1993), S. 300 ff. nach. 75 So BVerfGE 55, 274 (303 f.); im Zusammenhang mit dem systematisch hierher gehörenden Aufopferungsanspruch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 12.2. Einzel-
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wie ihn die Verfassungsrechtsprechung zum Abgaben- und Steuerrecht entwickelt hae 6 • In seiner Ausprägung als legislatives Gerechtigkeitsgebot weist das Willkürverbot in die gleiche Richtung77 • Darüber hinaus verlangt die - insoweit den Gerechtigkeitsgedanken mit dem Demokratieprinzip verbindende - Wertordnung des Grundgesetzes im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip, daß die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt und ausgleicht, die aus einem gemeinsam zu tragenden Schicksal entstanden und von denen nur einzelne Bürger oder bestimmte Gruppen betroffen sind78 (Stichwort Solidar- oder Schicksalsgemeinschaft). Das Rechts- und Sozialstaatsprinzip sowie der allgemeine Gleichheitssatz enthalten demzufolge die wesentlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Ob einer Wiedergutmachung diskriminierender Enteignungen. Wie bereits oben (III.I) ausgeführt, kommt der eigentumsgrundrechtlichen Garantie des Art. 14 GG hingegen - aus der Sicht der Betroffenen und ihres Rechtsschutzes - keine abwehrrechtliche Bedeutung zu, jedenfalls was die Einführung und Ausgestaltung des Ausgleichsleistungsanspruchs für besatzungsgetragene Konfiskationen betrifft. Ob ihr hingegen (nicht unmittelbar einklagbare) verfassungsunmittelbare Vorgaben für die Ausgestaltung der Wiedergutmachungsleistungen durch den Gesetzgeber entnommen werden können, wird unterschiedlich beantwortet. Während das Bundesverfassungsgericht im Bodenreform-Urteil jedenfalls einen abwehrrechtlichen (und damit verfassungsbeschwerdefähigen) Eigentumsschutz für die Vermögensverluste der SBZund DDR-Zeit ausschloß79 , läßt sich dem Judikat keine Aussage pro oder contra Berücksichtigung der objektivrechtlichen Gehalte des Art. 14 GG für unser Thema entnehmen. Der Schwerpunkt legislativer Beschränkungen des einfachen Wiedergutmachungsrechts liegt dem Urteil zufolge zweifellos beim allgemeinen Gleichheitssatz. Gleichwohl spielt Art. 14 GG für die Umgestaltung der sozialistischen Eigentumsverhältnisse eine zentrale Rolle, wenngleich sich die Bedeutung der heiten zu dieser traditionell besonders gelagerten Gleichheitsgewährleistung bei Sachs, Die Auswirkungen des allgemeinen Gleichheitssatzes auf die Teilrechtsordnungen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, Heidelberg 1992, § 127 Rn. 9 ff. 76 Einzelheiten bei Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rn. 51; Sachs, a.a.O., § 127 Fn. 35 ff.; jeweils m.w.N. 77 Zu dieser Orientierung des Art. 3 Abs. 1 GG - und der Freiheitsrechte allgemein - auf materielle Gerechtigkeit (und zur parallelen Entlastung des Rechtsstaatsprinzips) Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, Tübingen 1986, S. 335 ff.; s.a. Huster, Rechte und Ziele. Zur Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes, Berlin 1994, S. 29 ff. 78 Vgl. BVerfGE 27, 253 (283); 32,111 (124); 38,187 (197 f.) u.ö.; st. Rspr.; zuletzt E 53, 164 (172 ff.); 84,90 (125 f.). 79 BVerfGE 84, 90 (122 ff.).
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Eigentumsgarantie mehr in politischen Grundentscheidungen für eine weitgehende (Re-)Privatisierung des Volkseigentums an Produktionsmitteln und in einfachgesetzlichen Überleitungsvorschriften zeigt als im direkten Zugriff auf die konstitutionellen Garantien80 . Durch die auch eigentumsrechtliche Wiedervereinigung besonders angesprochen sind dabei die Garantie der Existenz frei verfügbarer Vermägenswerte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und das Verbot des Herauslösens wesentlicher Vermögenswerte aus der Privatrechtsordnung einerseits, die Verpflichtung des Gesetzgebers auf eine rechtsstaatliche Eigentumsordnung andererseits. Beides sind Elemente der in Art. 14 GG enthaltenen Institutsgarantie für Eigentum. Art. 14 GG schützt nicht nur Bestand, Gebrauch und Nutzung individueller Eigentumsrechte in der Hand des Berechtigten und gibt diesem im Fall eines Konflikts mit übergeordneten öffentlichen Interessen zumindest eine Eigentumswertgarantie (Art. 14 Abs. 3 GG). Die Vorschrift enthält vielmehr auch die konstitutionelle Versicherung, daß Privateigentum überhaupt als Rechtseinrichtung und soziale und wirtschaftliche Erscheinung erhalten bleibt und daß dieses Eigentum das Prinzip der Privatnützigkeit respektiert 81 . Diese Einrichtungsgarantie und die in ihr mitgeschriebenen Schutzaspekte repräsentieren das öffentliche Interesse am Komplex Eigentum, d.h. die Art. 14 GG unterliegende Ordnungsentscheidung der Verfassung, und sie enthalten eine "wertentscheidende Grundsatznorm"82. Bezogen auf die Überleitung der sozialisierten Eigentumsverhältnisse der ehemaligen DDR folgt aus Art. 14 GG in seiner objektivrechtlichen Dimension ein Zweifaches: - der Verfassungsauftrag zur Privatisierung des in die Verfügungsbefugnis des Staates übergegangenen Volkseigentums und - die Einrichtung einer rechtsstaatlichen Eigentumsordnung. 80 Von einer "nur akademischen Fragestellung", ob Art. 14 GG Maßstäbe für die nachsozialistische Eigentumsordnung enthält (so Bryde, in: von Münchl Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 143 Rn. 44), kann jedenfalls keine Rede sein. 81 Beste neuere Zusammenfassung bei Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, Göttingen 1989, S. 39 ff.; Einzelheiten bei Papier, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 1-17; Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 101 ff.; jeweils m.w.N. 82 Grundlegend Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart (Verhandlungen des 49. DJT, Bd. 11, Teil T), München 1972, S. 13 ff. (14); s.a. BVerfGE 14, 267 (277): Eigentumsgarantie als objektivrechtliche "Wertentscheidung des Grundgesetzes von besonderer Bedeutung für den sozialen Rechtsstaat". Zu den - hier nicht einschlägigen - Grenzen einer Objektivierung des Eigentumsgrundrechts, die zu Lasten des subjektivrechtlichen (Abwehr-)Gehalts erfolgt, BVerfGE 50, 290 (345) (gegen Badural Rittner I Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976 und Grundgesetz. Gemeinschaftsgutachten, München 1977, S. 220 ff.).
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Die eigentumsrechtliche Institutsgarantie beinhaltet - als "basic basic" der Substratsicherung des Grundrechts - die Existenzsicherung frei verfügbarer Vermögenswerte. Sie verbietet, daß Sachbereiche und Güter der Rechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören83 . Zwar muß nicht jedes Rechtsgut der privatrechtlichen Herrschaft unterworfen werden; es wäre aber mit Art. 14 GG nicht vereinbar, sollte das der Verfügungsgewalt des Staates zugeordnete - und mangels Privatnützigkeit keinen Grundrechtsschutz genießende84 - ehemalige Volksvermögen nicht privatisiert, also den regulären zivilrechtlichen Zuordnungsverhältnissen und dem ihnen anhaftenden grundrechtlichen Schutz wieder zugeführt werden. Nur in Privathand kann dieses Eigentum als "Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein,,85. Der Verfassungsauftrag zur Privatisierung des ehemaligen Volksvermögens ist auf die Wiederherstellung einer rechtsstaatlichen und sozial gerechten Eigentumsordnung gerichtet. Wie bei der Ausübung der durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erteilten Ermächtigung muß der Gesetzgeber auch bei der Entscheidung über die Regelung offener Vermögensfragen - schon die Präambel der Gemeinsamen Erklärung betont diese Bindung an das "Recht auf Eigentum" - sowohl die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums beachten als auch alle übrigen Verfassungsnormen, insbesondere den Gleichheitssatz, das Grundrecht der (auch wirtschaftlich) freien Entfaltung der Persönlichkeit und das Prinzip der Rechts- und Sozialstaatlichkeit86 . Im Gegensatz zu allen anderen Komplexen der Wiedergutmachung vorrechtsstaatlichen Unrechts besteht hier die Besonderheit, daß die entzogenen Werte und Rechte noch vorhanden sind, einer neuen eigentumsrechtlichen Zuordnung harren und, abgesehen von den Fällen redlichen Erwerbs, keinen anderen eigentumsrechtlichen Bindungen unterliegen. Aus der Perspektive der Betroffenen bzw. ihrer Rechtsnachfolger besteht zudem ein besonderes Näheverhältnis, das aus der früheren Eigentümer-Objekt-Beziehung resultiert. Eben diese Beziehung wurde in rechtsstaats widriger Weise gezielt zerstört; sie kann nunmehr (unter Wahrung etwaiger Rechte Dritter) wiedergutgemacht werden. In diesen - seltenen und bislang dogmatisch kaum aufgearbeiteten 87 BVerfGE 24, 367 (388 ff.).; s.a. E 58, 300 (339). 84 S. BVerfGE 61, 82 (108 f.): "Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater"; s.a. Böhmer, Eigentum, S. 56 f. 85 Zu dieser Voraussetzung BVerfGE 52, I (30); 61, 82 (108); 79, 283 (289); 81, 29 (32); s.a. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, S. T 13 f. 86 Vgl. BVerfGE 14,263 (278). 87 Eine eigentumsrechtliche Parallele besteht in dem aus Art. 14 GG abgeleiteten Anspruch des früheren, rechtmäßig enteigneten und entschädigten Eigentümers auf 83
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- Fällen, die mit westdeutschen Wiedergutmachungsregelungen nach 1945 nicht verglichen werden können, wird man eine eigentumsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers annehmen müssen, bei der Privatisierungsentscheidung den Wiedergutmachungsgedanken und damit den Reprivatisierungspfad mit zu berücksichtigen. Konkret bedeutet dies, daß der Gesetzgeber der unabhängig von Art. 14 GG bestehenden Verpflichtung zum Ausgleich des vor-rechtsstaatlichen Unrechts dadurch zu genügen hat, daß die frühere personale Zuordnung der Vermögenswerte möglichst weitgehend wieder hergestellt wird, wenn und soweit hiergegen keine übergeordneten öffentlichen Interessen sprechen 88 • Über Einzelheiten eines solchen gesetzlich auszugestaltenden Rückerwerbsoder Rückübertragbungsanspruchs, zumindest eines gesicherten Beteiligungsrechts in (Re-)Privatisierungsverfahren, ist damit noch nichts gesagt.
Rückerwerb seines Vermögenswertes in Fällen einer späteren Nichtverwirklichung des Enteignungszwecks; vgl. BVerfGE 38, 175 (181 ff.); Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 403 ff.; Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, Berlin 1978; Bleckmann/Pieper, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen, Teil 2 A Rn. 78 ff. Diese verfassungsunmittelbar begründete, nicht notwendig gesetzlich geregelte Konstellation kann im Vermögensrecht eine gewisse Rolle in den Fällen zwischenzeitlichen Wegfalls des ehemaligen Enteignungszwecks spielen; dazu zusammenfassend Wessels, Rückenteignung - Restitution außerhalb des Vermögensgesetzes?, DVBl. 1994, S. 458 ff.; Drobnig, Rückenteignung bei Verfehlung oder Wegfall des Zweckes von "ordentlichen" Enteignungen in der DDR, DtZ 1994, S.228 ff.; ablehnend jetzt BVerwG vom 30.6.1994 - 7 C 19.93, VIZ 1994, S. 537. Zu den Mauergrundstücken s.o. Fn. 28. 88 So Badura, Verfassungsauftrag, S. 1262 f.; ders., Ausgleich für sozialistisches Unrecht, S. 8 ff. - Hierin liegt keine unzulässige Verselbständigung des objektiven Grundrechtsgehalts des Abwehrrechts in Art. 14 GG (dazu Leisner, Eigentum, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, § 149 Rn. 14 f.), wie Heintzen (DÖV 1994, S. 416) meint. Die Position des Alteigentümers im Vermögensrecht unterscheidet sich nicht wesentlich von der des regulär enteigneten und nach Zweckwegfall rückübertragungsberechtigten Eigentümers. In beiden Fällen kann der Anspruch auf Rückübereignung nur in der früheren personalen Zuordnung des Vermögenswertes liegen - ein Anspruch, der von Art. 14 GG vorrangig berücksichtigt wird. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß der Rückgabeverpflichtete in dem einen Fall die Enteignung selbst vorgenommen hat und über das Objekt verfügt, in dem anderen Fall nur das Ergebnis der Enteignung, d.h. die Verfügungsbefugnis über das Volkseigentum, erhalten hat, für die Enteignung selbst aber keine Verantwortung trägt. Der entscheidende Punkt für eine Parallelisierung der Konstellationen dürfte darin liegen, daß der Entzug eigentumsrechtlicher Positionen auch die Frage des Behaltendürfens des Objekts aufwirft. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen indes keine gravierenden Unterschiede - die Geschäftsgrundlage für den Eingriff ist hier wie dort weggefallen.
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IV. Die gleichheitsgrundrechtIiche Verortung der Ansprüche Die unbestrittene prinzipielle Verpflichtung zur Wiedergutmachung hat der Wiedervereinigungsgesetzgeber - allerdings ohne Berücksichtigung ihrer eigentumsgrundrechtlichen Komponenten - bereits in der Gemeinsamen Erklärung und im Einigungsvertrag anerkannt. Er hat dort eine Reihe von Unrechtsthemen und -konstellationen als wiedergutmachungsbedürftig bezeichnet: die Behandlung diskriminierender Enteignungen, Art. 41 EV, ebenso die strafrechtliche Rehabilitierung, Art. 17 f. EV, oder die verwaltungsgerichtliche Wiedergutmachung, Art. 19 EV. Teilweise hat der Gesetzgeber bereits zeitgleich einfaches Wiedergutmachungsrecht gesetzt, übergeleitet oder der zukünftigen Regelung aufgegeben: etwa das hier im Mittelpunkt stehende Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, das DDR-Rehabilitierungsgesetz, das Erste und Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz und nun das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Wiedergutmachung von DDR-Unrecht ist aus der Sicht der Betroffenen von ausschlaggebender Bedeutung. Infolge des rechtsprinzipiellen Charakters der Aufarbeitung vor-rechtsstaatlichen Unrechts und der Leistungsqualität der Ansprüche89 hat der Gesetzgeber bekanntlich einen weiten Gestaltungsspielraum für die Entscheidung über Inhalt und Ausgestaltung der einzelnen Rechtspositionen. Stellt man nicht auf die soeben behandelte, nicht allgemein konsentierte und vom Vermögensrecht nur teilweise - nämlich im Zusammenhang mit dem Investitionsvorrang für Alteigentümer - rezipierte Bindung an Art. 14 GG ab, kommt es für die Rechtspositition der Konfiskations- und Enteignungsopfer entscheidend darauf an, welche Grundsatzentscheidungen das Recht der offenen Vermögensfragen für Restitution, Entschädigung und Ausgleichsleistung bislang getroffen hat, genauer: welches Wiedergutmachungskonzept hinter den einzelnen Ansprüchen steht. Diese Ordnungsvorstellung ist verfassungsrechtlich in mehrfacher Hinsicht beachtlich. Sie entscheidet über die Abgrenzung des für Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Prüfungsprogramms; sie bestimmt die Maßstäbe der legislativen Differenzierungen; sie entscheidet über die Legitimation dieser Unterscheidungskriterien und der an sie geknüpften Rechtsfolgen90 • Alles zusammen hat die Aufgabe, die Anforderungen, die der allgemeine Gleichheitssatz an die staatliche Rechtsetzungstätigkeit stellt und die herkömmlich mit dem (noch nicht ausdifferenzierten) Sammelbegriff "WiIlkürverbot" gekennzeichnet werden, einer stärkeren Struktu89 BVerfGE 13, 31 (36): "Bei der Gewährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche für Verfolgte besteht ein besonders weiter Ermessensspielraum"; st. Rspr. Vgl. BVerfGE 46, 299 (310); 84, 90 (125). 90 Zu diesem gleichheitsgrundrechtIichen Prüfungs programm zusammenfassend Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 783 ff.
IV. Die gleichheitsgrundrechtliche Verortung der Ansprüche
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rierung zuzuführen mit dem Ziel, einen Gewinn an Rationalität und Nachvollziehbarkeit der Gleichheitspostulate und -defizite zu gewährleisten 91 • Die Auswertung und Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat dabei im Vordergrund zu stehen. Sie läßt sich im wesentlichen in drei formelhaften, die einzelnen Begründungselemente zusammenfassenden und aus sich heraus nicht selbstverständlichen Eckpunkten zusammenfassen: - Art. 3 Abs. 1 GG, verstanden als Bindung des Gesetzgebers, verbietet, daß wesentliches Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt wird92 • - Der Gleichheitssatz ist also verletzt, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung sich nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß93 • - Wann dies der Fall ist, kann nicht abstrakt - also anhand etwa eines allgemeinen Gerechtigkeitsverständnisses94 - entschieden werden. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt seine notwendige Präzisierung jeweils erst im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs 95 . Schon von daher bedarf es einer Verfeinerung des gleichheitsgrundrechtIichen Normgehalts.
91 Treffend Rüjner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 I Rn. 19: "Das Willkürverbot bringt nur eine minimale Bindung, erschöpft den Gleichheitssatz nicht und ist nicht mit ihm identisch." 92 BVerfGE 4, 144 (155); 9, 334 (337); 11, 64 (71) u.ö., st. Rspr. Insbesondere letzteres Gebot der Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte (einerseits investitionswillige Enteignungsopfer, andererseits beliebige Drittinvestoren) ist hier einschlägig. Einzelheiten zu Art. 3 Abs. I GG als Differenzierungsgebot bei Stern, Das Gebot zur Ungleichbehandlung, in: Maurer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz. Festschrift für Günter Dürig zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 207 ff. 93 Vgl. etwa BVerfGE I, 14 (52); 61, 138 (147); 68, 237 (250).
94 Gleichheit vor dem Gesetz (und "hinter" dem Gesetz) stellt Anforderungen an staatliches Handeln, die ein rechts philosophisch oder staatstheoretisch aufgeladenes, zumeist absolutes Gerechtigkeitspostulat nicht leisten kann. Nicht von ungefähr spricht das Bundesverfassungsgericht immer nur von einer (im Ergebnis also "nur" relativen) Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, nicht von seiner verpflichtenden Eindimensionalität; vgl. schon BVerfGE 17, 319 (330): "Es ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob er [der Gesetzgeber] jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat ... ". Zu "optimistisch" in bezug auf die rechtsdogmatische Steuerungskraft philosophischer Erkenntnisse im Bereich des Art. 3 Abs. I GG daher Zippelius, Der Gleichheitssatz (VVDStRL, 47), Berlin/New York 1989, S. 10 ff. 95 BVerfGE 75, 108 (157); 78, 249 (278, 287); 79, 223 (236) u.ö.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Den ersten Schritt zur Konturierung der Differenzierungsgrundlagen und -inhalte hat die Rechtsprechung selbst unternommen. Folgt man dem gemeinhin als "neue Formel" apostrophierten Leitsatz des Gerichts, so ist der Gleichheitssatz vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten - hier: die Restitutionsberechtigten - im Vergleich zu anderen Normadressaten - hier: die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsberechtigten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede VOn solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können96 • Dieser Ansatz verdeutlicht, bezieht man die Aussagen der älteren Rechtsprechung ein, vier Teilgehalte des allgemeinen Gleichheitssatzes: neben der - hier nicht einschlägigen - Statusgleichheit97 das Gebot der Sachgerechtigkeit, den weiterreichenden Regelungsanspruch der Folgerichtigkeit, und als äußerste Auffanglinie das Gebot rechtsstaatlicher Objektivität98 • Die Prüfung der Vereinbarkeit der Nichtberücksichtigung einzelner Konfiskations- oder Enteignungsopfergruppen mit Art. 3 Abs. 1 GG hat sich auf das Erfordernis der Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beschränken, wobei diese Kriterien zu den zu differenzierenden Sachverhalten, zu den Unterscheidungskriterien und zu dem Differenzierungsziel in Bezug zu setzen sind. Die Feststellung, ob die fraglichen Sachverhalte als gleich oder ungleich anzusehen sind, setzt ihre Abgrenzung ebenso voraus wie Klarheit über das vom Gesetzgeber zugrundegelegte Differenzierungskriterium. Das Recht der offenen Vermögens fragen hat aus dem großen Kreis der anstehenden Aufarbeitung vor-rechtsstaatlichen Unrechts einen wichtigen Teilbereich herausgegriffen. Dieser wurde einer normativ geschlossenen Wiedergutmachung zugeführt, die auf die politisch formulierten Grundsatzentscheidungen der Gemeinsamen Erklärung zurückgeht und im Vermögensgesetz normativen 96 Ansatzweise schon BVerfGE 55, 72 (88); dann E 75, 382 (393); 75, 348 (357) u.ö.; dazu Maaß, Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz - Ein Neuansatz?, NVwZ 1988, S. 14 ff.; Rüjner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 I Rn. 25 ff. m.w.N. - Mit Normadressat sind dabei nicht nur die von der Norm rechtlich Erfaßten, sondern alle im Umfeld der Vorschrift Stehenden gemeint; s. Robbers, Der Gleichheitssatz, DÖV 1988, S. 749 ff. (751). 97 D.h. der Grundvoraussetzung der Gleichheit jedes Menschen in Personalität und Würde; dazu und zum folgenden grundlegend P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, Heidelberg 1992, § 124 Rn. 193 ff. Die im Schrifttum mitunter abweichend gegliederten Inhalte des allgemeinen Gleichheitssatzes - Systemgerechtigkeit, Gebot der Konsequenz, Sachgemäßheit, Systemgebundenheit etc. - meinen im Ergebnis das gleiche. 98 Gemeint ist damit der - hier wiederum nicht einschlägige - Auffangtatbestand in Art. 3 Abs. 1 GG, der eine grob fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts von Verfassungs wegen überprüfbar macht. Vgl. zu diesen "absoluten" WilIkürfällen Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rn. 45.
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Ausdruck gefunden hat. Diese Wiedergutmachung ist insofern eigenständig konzipiert, als in Anlehnung an frühere Wiedergutmachungssysteme - insbesondere an das alliierte und das bundesdeutsche Rückerstattungsrecht99 eine primäre Naturalrestitution für nach 1949 enteignetes Grundvermögen und bewegliche Habe vorgesehen wurde. An die Stelle der Rückgabe von Vermögenswerten trat im Vermögensgesetz z.T. exklusiv, z.T. wahlweise eine Entschädigung in Geld. Wenngleich der letztere Entschädigungsmodus hinsichtlich der von ihm verwendeten Mittel in die Nähe der sonst üblicherweise und auch in den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen verwendeten Entschädigungsleistungen gerät, unterscheidet sich das Recht der offenen Vermögensfragen in zweierlei Hinsicht deutlich von den anderen DDR-Unrechtsbereinigungskomplexen. Zum einen ist nur hier eine materielle Naturalrestitution vorgesehen. Zum anderen orientiert sich diese Leistung ihrer Höhe nach dadurch am Verkehrswert, daß die Wiedergutmachung in der einfachen Rückübertragung der alten Eigentümerstellung besteht. Die anderen Gruppen der anstehenden Wiedergutmachungsleistungen legen für die Bemessung der Entschädigungshöhe andere, teilweise massiv abweichende Wertmaßstäbe zugrunde (s.u. Dritter Teil, I1I). Die Wiedergutmachung sozialistischen Unrechts als oberste, noch einen gemeinsamen Nenner aufweisende (Teil-)Rechtsordnung gliedert sich also auf einerseits in das Recht der offenen Vermögens fragen, andererseits in das allgemeine Unrechtsbereinigungsrecht. Um das Verhältnis dieser bei den Teile geht es hier nicht, wenngleich die in diesem Bereich auftretenden Relationen und Disparitäten einer eigenen Untersuchung wert wären 1OO • Die abzugrenzenden und in ihrem Verhältnis zueinander zu untersuchenden Subsysteme sind vielmehr die Tatbestände einer Wiedergutmachung von DDR-betroffenen Enteignungsopfern hier, von besatzungsgeschädigten Konfiskationsopfern dort. Beiden wird bekanntlich ein bereits im Ansatz unterschiedlich angeleg99 Kurze Darstellung bei Schwarz, Zur Einführung: Das Recht der Wiedergutmachung und seine Geschichte, JuS 1986, S. 433 ff.; allgemein zur Wiedergutmachung durch Geldentschädigung Pawlita, "Wiedergutmachung" als Rechtsfrage?, Frankfurt a.M. u.a. 1993; aus interdisziplinärer Sicht vgl. den von HerbstlGoschler hrsg. Sammelband ,Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland', München 1989. wo Die vom Bodenreform-Urteil in den Mittelpunkt gerückte Maßgeblichkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes (E 84, 90 [131: "Allerdings muß der Gesetzgeber bei der gesamten Wiedergutmachungsregelung Art. 3 Abs. 1 GG beachten"]) hat auch in diesem Verhältnis ihre Bewährungsprobe noch zu bestehen. Die Zulässigkeit unterschiedlicher Maßstäbe und Entschädigungshöhen unterliegt freilich - schon wegen der Immaterialität und Heterogenität der wiedergutzumachenden Tatbestände - dann besonderen Maßstäben, wenn sich das Unrecht wegen immaterialen Gehalts des (Sonder-)Opfers nicht in Geld beziffern und "wieder gut machen" = heilen läßt.
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tes und dann in getrennte Rechtsfolgen auseinanderdriftendes Rechtsregime zugeordnet, obgleich sie einen im Kern einheitlichen Sachverhalt repräsentieren: die Wiedergutmachung von diskriminierenden Eingriffen in Eigentum auf dem Gebiet der DDR nach 1945 101 • Allen diesen Sachverhalten ist Belegenheit im Beitrittsgebiet, Zeitrahmen ("Vor-Rechtsstaatlichkeit"), allgemeiner Anlaß und Typus des Eingriffsobjekts gemeinsam. Unterschiedlich ist das Ausmaß der Eingriffe, die Summe der erfaßten Objekte, das Ausmaß der Vermögensverluste etc., aber auch die Tiefe der Eingriffe - grob rechtsstaats- und menschenrechts widriges Konfiskationsunrecht hier, "sozialistisch-normales", rechtlich mehr oder weniger verfaßtes Enteignungsunrecht dort. Dieser durch gemeinsame Anknüpfungspunkte geprägte, aus der Masse der wiedergutmachungsbedürftigen Sachverhalte herausgehobene Komplex, vom Gesetzgeber "offene Vermögensfragen" genannt, weist unterschiedliche, in sich gestufte Rechtsregime auf. Die Gemeinsame Erklärung benennt in "Eckwert" NT. 3 die - zunächst nur rechtspolitische, dann durch Implementierung in den Einigungsvertrag unbesehen zur Norm aufgewertete - Gesamtrichtung: Enteignetes Grundvermögen wird grundsätzlich den ehemaligen Eigentümern oder ihren Rechtsnachfolgern zurückgegeben. Damit wurde für einen dem Wortlaut nach nicht klar abgegrenzten, weil nur in der Präambel mit den dürren Worten "zahlreiche vermögensrechtliche Probleme" und "anstehende Vermögensfragen" angedeuteten Teilbereich offensichtlichen Staatsunrechts eine klare Leitlinie zugunsten der Wiedereinsetzung bestimmter Betroffener in ihren früheren Eigentumsstand ausgegeben die anstehende Wiedergutmachung, in Eckwert NT. 13 lit. a noch der "Abwicklung" durch die DDR-Organe anheimgestellt, sollte in Form einer Naturalrestitution stattfinden. Ohne daß es zunächst auf Wertveränderungen ankommen sollte (dieses Thema wurde einer gesonderten Regelung überantwortet), war die Rückübertragung der zivilrechtlichen EigentümersteIlung das quantitativ vorherrschende, das Regime qualitativ prägende Mittel. Sogar in Fällen redlichen Erwerbs sollte der Alteigentümer nicht nur auf Geldersatz, sondern alternativ auf tauschweise Objekterstattung einen Anspruch haben (Eckwert 3 lit. b). Demgegenüber trat die Ausformung der Wiedergutmachung als Geldentschädigung zurück. Die in Eckwert Nr. 3 genannten Ausnahmen betrafen Fälle, die auch nach bundesdeutschem Recht einer "Rückenteignung" nicht zugänglich gewesen wären (substantielle Veränderung von Nutzungsart oder Zweckbestimmung). 101 Auch dieser Komplex, so geschlossen er auf den ersten Blick erscheint, ist vom Vermögensgesetz keineswegs vollständig erfaßt worden. Der Anwendungsbereich in § I VermG wurde im Zuge der verschiedenen Novellen teils um heterogene Fälle erweitert, teils durch restriktive Interpretation um zugehörige Sachverhalte "entlastet". Eine "runde" Lösung dieser Fragen ist weniger denn je in Sicht.
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Jenem Restitutionsprinzip stellte die Gemeinsame Erklärung in Eckwert 1 das Regime der besatzungsgetragenen Konfiskationen in scharfer Ausgrenzung gegenüber. Diese Gruppe von Enteignungen sei "nicht mehr rückgängig zu machen", weder die Sowjetunion noch die DDR sähen eine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. War damit schon in die eigentumsbezogene Restitutionsfront eine breite Lücke geschlagen, vertiefte die Gemeinsame Erklärung die Diskrepanz zum restitutiven Wiedergutmachungsprinzip noch weiter dadurch, daß sie nicht - wie in den Fällen einer Unmöglichkeit der Objektrückgabe - ersatzweise Entschädigung anordnete, sondern dem Gesetzgeber einerseits die Option offen hielt, überhaupt Wiedergutmachung zu leisten, und andererseits den Sekundäranspruch schon terminologisch - "Ausgleichsleistungen" - und damit auch qualitativ deutlich vom Regelfall des Sekundäranspruchs - "Entschädigung" - abhob lO2 • Damit waren die bei den großen Sachbereiche rechtsprinzipiell ausgeprägt und geschieden. Das Vermögensgesetz schlüsselte die einzelnen Fallkonstellationen dann regelhaft auf und ordnete Grundsatzentscheidung und Ausnahmetatbestände einander zu. Das Ausgleichsleistungsregime wurde etwaiger späterer Gesetzgebung überantwortet; das Restitutionsregime wurde um zusätzliche Einzelansprüche ausgebaut. Den Enteignungsopfern wurden Rückgabekonstellationen entzogen, zugleich aber neue Rechte eingeräumt; diese knüpften an ihre eigentlich bestehende restitutive Primärberechtigung an, indem sie diese zugunsten investiver Vorfahrtregelungen zurückdrängten. Der Investitionsvorrang wiederum wurde dadurch abgemildert, daß den Berechtigten gegenüber Drittinvestoren in bestimmten Fällen ein Recht des besseren Zugriffs eingeräumt wurde. Dieses komplizierte System von Rückgabe - Rückgabeschranke - Rückgabenschrankenschranke, in den nachfolgenden Novellen des Vermögensgesetzes und des Investitionsvorrangrechts an einigen Rändern korrigiert, nicht aber grundlegend reformiert, war auf die Enteignungsfälle ("nach 1949") beschränkt. Die Konfiskationsopfer (1945 - 1949) wurden nach dem Alles-oderNichts-Grundsatz "außen vor" gelassen. Unabhängig vom Inhalt einer etwaigen späteren Ausgleichsleistungsgesetzgebung stand bereits jetzt - 1990/91 fest, daß dieser Opfergruppe kein irgendgearteter Anspruch auf Rückgewinnung ihrer Vermögenswerte zustehen sollte, weder durch bloße Rückgabe noch durch Einräumung von Rückerwerbsmöglichkeiten. Ob diese legislative Strukturierung noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist - unsere Fragestellung in diesem Unterabschnitt -, hängt davon ab, ob der Gesetzgeber die im Regelungsgegenstand "Wiedergutmachung offener Ver102 Zur Entstehungsgeschichte dieser Unterscheidung aus erster Hand Schäuble, Der Vertrag, S. 255 f.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
mögensfragen" vorgefundenen rechtlichen und tatsächlichen Ordnungsgefüge aufgenommen und als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung zutreffend herangezogen hat. Dieser als Sachgerechtigkeit zu bezeichnende Maßstab 103 verbindet Tatsachengrundlage und rechtliche Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers dergestalt, daß das Gesetz die im Regelungsgegenstand vorgefundenen rechtlichen und tatsächlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzunehmen und in Form eines Differenzierungskriteriums zu bewerten hat 104 • Die Auswahl dieses Kriteriums und seine Gewichtung im Rahmen der jeweiligen Teilrechtsordnung obliegt zunächst dem Gesetzgeber 105 • Im Recht der offenen Vermögensfragen hat dieser das Kriterium der "besatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Grundlage" (Gemeinsame Erklärung, Eckwert 1; § 1 Abs. 8 lit. aVermG) als Unterscheidungsmerkmal eingeführt. Die Nähe bzw. Distanz zu dieser "Grundlage" entscheidet über das weitere Schicksal der Wiedergutmachung. Inwieweit wird dieses - zunächst von den Regierungen in der Gemeinsamen Erklärung, dann vom Gesetzgeber im Vermögensgesetz "gegriffene" - Kriterium den vorgefundenen Tatsachen und der geltenden Rechtsordnung gerecht? In den vorgefundenen Tatsachen findet die Abgrenzung insoweit wenig Halt. Historisch gesehen bestehen zwar in der Tat Unterschiede zwischen den Konfiskationen unter sowjetischer Herrschaft und den Enteignungen des DDR-Regimes. Erstere waren der Gesamtverantwortung der (weitgehend eine mehr oder weniger strenge Kontrolle ausübenden) Besatzungsmacht unterstellt, auch wenn die ausführenden Rechtsakte größtenteils von deutschen Stellen erlassen und vollzogen wurden; die späteren Enteignungen hingegen wurden von der DDR in eigener Verantwortung vorgenommen. Dieser Unterschied hat allerdings keinerlei Bezug zum Unrechtsgehalt der nunmehr wiedergutzumachenden Vermögensverluste. Die kommunistischen Konfiskationen durch Bodenreform und Verstaatlichung von Produktivvermögen waren aus besatzungsvölkerrechtlicher Sicht ebensowenig rechtmäßig 106, wie sich die späteren entschädigungslosen oder diskriminierenden Enteignungsakte der DDR-Behörden auf eine rechtsstaatlich einwandfreie Grundlage berufen 103 Einzelheiten bei P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, § 124 Rn. 205 ff. m.w.N. 104 Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 I Rn. 29. Zu dieser Wertentscheidung schon Dürig, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 3 I Rn. I; Bryde, in: von Münchl Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rn. 17. 105 BVerfGE 9, 201 (206); 19, 354 (367 f.); 51, 257 (267 f.); zur Abgrenzung des Personenkreises vgl. BVerfGE 23, 12 (28); 29, 337 (339); 44, 70 (91); 51, 295 (301). Daß die zu vergleichenden Lebenssachverhalte immer nur in einzelnen Elementen gleich sein können, versteht sich; vgl. BVerfGE 6, 273 (280) u.ö.; zuletzt E 87, I
(36).
106
Nachweise hierzu oben Erster Teil, Fn. 198.
IV. Die gleichheitsgrundrechtliche Verortung der Ansprüche
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konnten. Die Unrechtsqualität unterscheidet sich nicht nur nicht wesentlich; es spricht im Gegenteil vieles dafür, daß die Besatzungseingriffe wegen ihres ganzheitlichen Verfolgungs- und Vernichtungscharakters für bestimmte gesellschaftliche und ökonomische Gruppen einen noch größeren Unrechtsgehalt - und damit an sich einen gesteigerten Wiedergutmachungsanspruch in sich trugen. Nicht nur, ja nicht in erster Linie Individuen sollten getroffen, sondern die angebliche "Klasse" der ,,Junker" bzw. der "Kapitalisten" als solche sollte "bestraft", um ihre sozio-ökonomische Machtstellung gebracht und damit ein für allemal "ausgeschaltet" werden. Auch in anderer Hinsicht bestehen zwischen beiden Gruppen keine fortwirkenden relevanten Unterschiede. Alle diese Vermögenswerte wurden - z.T. mit besonderen Nutzungsrechten belastet - ohne Unterschied dem volkseigenen Vermögen der ehemaligen DDR zugeführt und einem einheitlichen Rechtsregime unterworfen. Auf die zeitliche und funktionale Herkunft der Objekte nahm dieses Regime keine Rücksicht. In diesem Zustand hat die Bundesrepublik Deutschland die Objekte im Jahr 1990 auch übernommen, sie je nach ihrer bisherigen Zweckbindung und Nutzungsbestimmung als Verwaltungs- oder Finanzvermögen klassifiziert und verschiedenen Verfügungsberechtigten treuhänderisch zugeordnet. Die Masse des ehedem volkseigenen Vermögens weist hinsichtlich der Erwerbstatbestände keinerlei Unterschiede mehr auf - weder tatsächlich noch rechtlich. Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz differenziert denn auch bezüglich der Höhe der Leistungen nicht nach Konfiskationen und Enteignungen I07 • Es bleibt also die Frage und Suche nach dem vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden Grund für die Differenzierung von besatzungsgetragenen Konfiskationen einerseits, DDR-staatlichen Enteignungen andererseits. Die im Sachbereich ,Wiedergutmachung offener Vermögensfragen' vom Gesetzgeber vorgefundenen tatsächlichen und rechtlichen Ordnungsgefüge können jedenfalls nicht ausschlaggebend gewesen sein, hatte doch die ehemalige DDR selbst jahrzehntelang keine solchen, an den Vermögenswerten - ihrer Herkunft, Beschaffenheit oder Verwendbarkeit - anknüpfenden Unterschiede gekannt. Gegenüber früheren Wiedergutmachungssystemen besteht jedoch bei den offenen Vermögensfragen eine Sonderlage, die diesem neuen Ordnungsbereich eigentümlich ist. Es handelt sich bei der anstehenden Wiedergutmachung um eine unmittelbare Folge der Wiedervereinigung, also um einen Sachbereich, der von außenpolitischen Konstellationen und einigungsvertraglichen Vorbehalten, Widerständen und Handlungsspielräumen geprägt war. Wie bereits ausgeführt, bestanden auf seiten der ehemaligen DDR, nicht
107
Vgl. Art. 2 § 2 Abs. 1 EALG.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
aber seitens der Sowjetunion, erhebliche Widerstände gegen ein Aufweichen oder gar Umkehren bestimmter "sozialistischer Errungenschaften"108. Diese Widerstände konnten in den deutsch-sowjetischen und deutsch-deutschen Verhandlungen nicht vollständig ausgeräumt werden. Ohne daß hier noch einmal auf die Reichweite dieser Vorbehalte eingegangen zu werden braucht, steht doch fest, daß eine realitätsgerechte Wertung und Gewichtung des bundesdeutschen Handlungsspielraums in den offenen Vermögensfragen diese einigungspolitische Sachgesetzlichkeit in der einen oder anderen Form respektieren mußte. Da weder der Vertragspartner DDR noch die hinter ihm stehende, an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen maßgeblich beteiligte Sowjetunion einer Primärrestitution der besatzungsgetragenen Vermögenseingriffe - in Form einer die Legitimität der Besatzungsmaßnahme in Frage stellenden Rückgabe dieser Objekte und Rückübertragung des Eigentumsrechts - zustimmen wollte, hatte der Wiedervereinigungsgesetzgeber diese Differenzierung - soweit sie real und nicht nur vorgeschoben war - jedenfalls dem Grunde nach zu akzeptieren. Ein sich aus der Natur der Sache ergebender Grund liegt insofern vor. Ausschließlich die Einbeziehung der außenpolitischen und deutsch-deutschen Besonderheiten, ihr faktisches Vorliegen einmal unterstellt, rechtfertigt demnach die vorstehend nachgezeichnete Kategorienbildung im Recht der offenen Vermögensfragen. Sie läßt die Aufspaltung der Vermögensopfer in zwei Gruppen und die Verweigerung eines primären Rückübertragungsanspruchs für eine bestimmte Teilgruppe: die besatzungsgeschädigten Konfiskationsopfer, nicht als sachungerecht erscheinen lO9 • Die Zulässigkeit dieses Unterscheidungskriteriums für die Kategorienbildung und Anspruchsausgestaltung gibt indes noch keine Auskunft darüber, ob die Gesetz gewordene vollständige Ausgrenzung der Konfiskationsopfer aus dem Vermögens- und Investitionsvorrangrecht und ihre Verweisung auf einen erst noch zu regelnden (mittlerweile im Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz geregelten) S.O. Erster Teil, C.III.3, auch zum folgenden. Dieses Zwischenergebnis referiert die Rechtslage, wie sie sich im Licht des Bodenreform-Urteils des Bundesverfassungsgerichts darstellt (s.a. unten Anhang 4 ["Bodenreform"-Dokumentation]). Ob zwischenzeitlich gewonnene neuere Erkenntnisse über Inhalt und Ziel der sowjetischen Vorbehalte an diesem Ergebnis etwas ändern können, ist bekanntlich streitig. In dieser primär zeithistorischen Debatte, für deren Bilanzierung, geschweige denn "Entscheidung" der Jurist nur begrenzt professionalisiert ist, soll hier nicht eingegriffen werden. Die Indizien und Stimmen für eine Neubewertung des Restitutionsausschlusses mehren sich jedenfalls, die Gegenstimmen werden schwächer oder argumentieren nur noch "dezisionistisch". Für eine Neubewertung etwa Wasmuth, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen, VermG § 1 Rn. 302 ff.; gegen die verfassungsrechtliche Relevanz neuer Daten Sendler, Restitutionsausschluß verfassungswidrig?, DÖV 1994, S. 401 ff.; im Ergebnis ebenso 7. Senat des BVerwG, s.o. Erster Teil, Fn. 33, 74. 108
109
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Ausgleichsleistungsanspruch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Sie kann es nur sein, wenn der Gesetzgeber bei der Einführung dieses Unterscheidungsmaßstabs in das Recht der offenen Vermögensfragen und bei seiner Ausgestaltung logisch konsequent, d.h. systemgerecht gehandelt hat. Die Frage lautet also: Kann dieses Differenzierungskriterium seiner Zielrichtung nach auch die weiterreichende Unterscheidung der beiden Opfergruppen, so wie sie nun erfolgt ist, in dem durchgeführten Umfang rechtfertigen? Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, daß der Gesetzgeber die erfaßten Tatbestände innerhalb der (Teil-)Rechtsordnung folgerichtig normiert. Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten müssen auch im Innenbereich des Normkomplexes gleichmäßig bestimmt und umgesetzt werden. Dies erfordert nicht nur die laufende wechselseitige Abstimmung von altem und neuem Recht, sondern vor allem das konsequente Einhalten der einmal gesetzten Prämissen. Hat sich der Gesetzgeber für eine bestimmte, systematisch ausgestaltete Behandlung der einzelnen Rechtsfragen entschieden, so hat er dieses Konzept durchzuhalten, kann es also nicht ohne zureichende sachliche Gründe durchbrechen 110. Die vom Gesetzgeber der Ordnung eines Lebensbereichs als maßgeblich zugrundegelegten Wertentscheidungen müssen auch insoweit weiter verfolgt werden, als ihr Anwendungs- und Wirkbereich keine Sachverhalte einschließen darf, die außerhalb ihres Funktionsbereichs liegen 111. Das zulässigerweise gewählte Differenzierungskriterium beinhaltet also Grund wie Grenze der unterschiedlichen Behandlung. Der Grundsatz der Folgerichtigkeit und System bindung des Gesetzgebers beansprucht Geltung auch innerhalb des Rechts der offenen Vermögensfragen. Der legislative Spielraum ist hier, im Bereich der Leistungsverwaltung i.w.S., allerdings größer als bei staatlichen Eingriffen. Betroffen ist insbesondere der vollständige Ausschluß der objektbezogenen Wiedergutmachung bei besatzungsgetragenen Vermögenseingriffen. Nicht nur die Differenzierung von Konfiskationsopfern und Enteignungsopfern an sich und die divergierende Regelung der primären Wiedergutmachung ist Thema des allgemeinen Gleichheitssatzes, sondern auch die Art und Reichweite der gesetzlichen Differenzierung. Es muß sich aus dem Sachverhalt, der die Teilung der Wiedergutmachungsgruppen rechtfertigt, auch ein sachlich vertretbarer Grund für lJO Vgl. BVerfGE 18, 315 (334); 25, 236 (251). Dieser Gedanke der Systemgerechtigkeit, der in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 86, 148 [252] - Finanzausgleich) wieder stärker Bedeutung erlangt hat, schließt freilich Neubewertungen bereits geregelter Lebensbereiche nicht aus, solange und soweit hierfür hinreichende Gründe des Gemeinwohls ersichtlich sind (BVerfGE 60, 16 [43]). Im übrigen s.u. Dritter Teil, III. 111 Zu diesen gleichheitsgrundrechtlichen Anforderungen von Mangoldt/Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl. München 1985, Art. 3 I Rn. 33 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, § 124 Rn. 231 ff.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
die Folgeunterschiede anführen lassen ll2 , sollen diese ebenfalls gerechtfertigt sein. Die Unterschiede etwa in der Nähe der Berechtigten zum Objekt müssen ihren Rechtsgrund im Differenzierungskriterium selbst finden. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der vollständige Ausschluß der besatzungsgetragenen Konfiskationen von einer Rückkehr in die frühere EigentümersteIlung - sei es in Form eines begünstigten Rückerwerbsrechts, eines Beteiligungs- oder Vorkaufrechts im Investitionsvorrangverfahren oder (nur) einer Beteiligung bei der Privatisierungsentscheidung des Verfügungsberechtigten von den sowjetischen und ostdeutschen Vorgaben und Vorbehalten in der Gemeinsamen Erklärung getragen wird, und ob bejahendenfalls eine solche Auslegung der Norm mit anderen Verfassungsgrundsätzen vereinbar ist. Die erstgennnnte Frage nach dem Inhalt von Eckwert 1 der Gemeinsamen Erklärung (" ... sind nicht mehr rückgängig zu machen") wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Bestimmung von Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses beantwortet. Das Ergebnis braucht hier nur rekaputuliert zu werden 1l3. Der Sowjetunion lag daran, die in den Jahren 1945 - 1949 vorgenommenen Konfiskationen insoweit "unangetastet" zu lassen, als sie von der Besatzungsmacht durchgeführt oder bei deutschen Stellen veranlaßt und damit verantwortet wurden. Dieses Besatzungsrecht - nur dieses! - sollte keiner gerichtlichen, exekutiven oder legislativen deutschen Überprüfung und gegebenenfalls Revision unterliegen. Ein Fortschreiben der sozialistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung war damit nicht bezweckt; es hätte schon wegen entgegenstehender völkerrechtlicher Schranken nicht erreicht werden können. Zudem begann sich die UdSSR selbst gerade von jenem sozialistischen Wirtschaftsmodell zu lösen. Warum hätte sie darum kämpfen sollen, daß es in (Ost-)Deutschland sakrosankt bleiben müsse? Auch ein etwaiges Verlangen der ehemaligen DDR dahingehend, daß über den Ausschluß der Rückübertragung von Vermögenswerten an die früheren Eigentümer hinaus genuin sozialistische "Errungenschaften" konserviert werden sollten, hat jedenfalls - schon wegen entgegenstehenden eigenen (neuen) Verfassungs- und Völkervertragsrechts - keine normative Kraft erlangt. Zudem hatte sich ja auch die DDR selbst damals bereits auf den Weg der "Entkommunisierung" gemacht. Cum grano salis hat der Restitutionsausschluß demzufolge (nur) zum Inhalt: Eine Revision der unter sowjetischer Besatzung getroffen Maßnahmen sollte, anders als bei den Enteignungen unter DDR-Herrschaft, nicht mehr stattfinden. Unter Revision verstanden Sowjetunion und DDR übereinstimmend die Wiedereinsetzung der früheren Eigentümer in den vorigen Stand, d.h. die Wiedereinräumung der alten Eigentümerrechte ohne (marktübliche) 112 113
BVerfGE 17, 122 (130 f.); 21, 6 (11 f.). S.o. Erster Teil, C.III.3.
IV. Die gleichheitsgrundrechtliche Verortung der Ansprüche
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Gegenleistung. Diese einfache Rückgabe - in Fonn der rechtlichen und faktischen Einräumung der zivilrechtlichen Besitzer- und EigentümersteIlung wurde aus der Sicht der Vertragspartner als eine indirekte Überprüfung und Korrektur der Bodenrefonn- bzw. Konfiskationsergebnisse der Nachkriegszeit durch die Bundesrepublik Deutschland interpretiert und deshalb abgelehnt. Die Frage des künftigen Schicksals des ehemaligen Volkseigentums und seiner Verwendung hingegen war u.a. durch die Festlegungen im Staatsvertrag (z.B. Art. 2, 11, 14) bereits dahingehend präjudiziert worden, daß die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Grundsätze der Eigentumsordnung und der Sozialen Marktwirtschaft auch für die beitretenden Länder volle Gültigkeit haben sollten. Dies bedeutete, daß es wegen eklatanten Widerspruchs zur grundgesetzlichen Ordnung nach dem Beitritt weder die sozialistische Eigentumskategorie "Volkseigentum" noch solches Volksvennögen selbst geben konnte. Wie und in welchem Zeitrahmen die Bundesrepublik Deutschland dieses Volksvennögen durch Schaffung neuen Privateigentums und zivilrechtliche Zuordnung desselben in "Eigentum" i.S.v. Art. 14 GG transformierte, war ebensowenig Gegenstand des Restitutionsausschlusses wie die personalen Kriterien, nach welchen das frühere Volkseigentum privatisiert oder reprivatisiert werden sollte. Wer das Volkseigentum unter welchen Bedingungen zu Privateigentum bekommen sollte, war nicht im einzelnen festgelegt worden; dies konnte im Wiedervereinigungsvertragswerk auch nicht festgelegt werden. Die Gemeinsame Erklärung enthält insoweit keine Aussagen. Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses bezüglich der besatzungsgetragenen Konfiskationen (1945 - 1949) beschränken sich demnach einzig und allein darauf, die Bundesrepublik Deutschland daran zu hindern, offen oder implizit die Legitimation ("Gesetzmäßigkeit") jener Konfiskationen in Frage zu stellen. Die einfache Rückgabe der Objekte an die früheren Eigentümer, wie sie für die Enteignungen späterer Jahre vorgesehen ist, wäre - immer die ungünstigste, fonnalste Interpretation unterstellt - eine solche Infragestellung. Weiterreichende Verpflichtungen enthält der Restitutionsausschluß nicht. Er hindert die Bundesrepublik Deutschland insbesondere nicht, die Konfiskationsopfer in die Privatisierungs- und Reprivatisierungsverfahren einzubeziehen, solange und soweit diesen nicht die gleichen primären Wiedergutmachungsrechte wie den Enteignungsopfern ("nach 1949") eingeräumt werden. Ein "Unwerturteil" gegenüber den besatzungsgetragenen Maßnahmen - so die nicht mehr nachvollziehbare neuere Befürchtung des Bundesverwaltungsgerichts 1l4 - ist darin nicht enthalten. Das die kategoriale Unterscheidung von Restitution und Entschädigung hier, Ausgleichsleistung und Flächenerwerbsprogramm dort rechtfertigende Differenzierungskriterium der
114
Dazu unten bei Fn. 124 sowie oben Erster Teil, C.III.3.b.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
sowjetischen Besatzungsverantwortlichkeit - das Vorliegen der entsprechenden sowjetischen (Vor-)Bedingung unterstellt - wirkt folglich nur für die Ebene der primären Wiedergutmachung durch Rückübertragung von Eigentum. Es legitimiert darüber hinaus keine weiterreichenden Differenzierungen in den Rechtsfolgen der Wiedergutmachung. Eine weitere wichtige, die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers einschränkende Bindung folgt aus dem Übermaßverbot. Es weist mit dem Willkürverbot innere Beziehungen auf, ist aber doch von ihm abzugrenzen 1l5 • Das gewählte Differenzierungskriterium "besatzungsrechtliche bzw. besatzungshoheitliche Grundlage" muß nicht nur geeignet sein, das Differenzierungsziel (durchgängiger Ausschluß der Konfiskationsopfer von den Restitutionsberechtigten eingeräumten Wiedergutmachungsansprüchen in Form einer schlichten Objektrückgabe) zu erreichen - diese Bedingung wird unschwer erfüllt -; sie muß vielmehr auch dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen ll6 . Es kommt also darauf an, ob das Differenzierungskriterium das mildeste Mittel darstellt oder ob andere Kriterien der Erreichung des Ziels besser hätten dienen können. Auch insoweit dürften, bezogen auf die hier untersuchten Rechtsfragen 117, verfassungsrechtliche Vorbehalte kaum zu erheben sein. 11S Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, Berlin 1980, S. 62; zu diesem Zusammenhang jetzt Huster, Rechte und Ziele, S. 67 ff. - Die Nähe des (dann isolierten) Willkürverbots zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt deutlich zum Ausdruck in den Fällen, in denen Art. 3 Abs. 1 GG vollständig losgelöst von einem Vergleichsmaßstab angewandt wird; zu diesen Fällen Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Rn. 21 ff. Die Aufgabe, schlechthin unvertretbares Staatshandeln verfassungsrechtlich zu sanktionieren, unterfällt zweifellos den Grundrechten. Man mag freilich daran zweifeln, ob es sich in diesen - zumeist auf schlicht unrichtiger Anwendung einfachen Rechts oder evident fehlerhafter Aufbereitung des Tatsachenstoffs durch die Fachgerichte beruhenden - Fällen noch um eine GleichheitspTÜfung im herkömmlichen Sinn handelt. Die Nähe zu einem (subjektivierten) Rechtsstaatsprinzip ist unübersehbar. S.a. P. Kirchhof, Gleichheitssatz, § 124 Rn. 235 ff. ("Objektivitätsgebot"). 116 Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 62 f.; Wendt, NVwZ 1988, S. 785; Schoch, DVBI. 1988, S. 874; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, § 124 Rn. 163, 250. A.A. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rn. 29. Sein pauschaler Hinweis, der Gesetzgeber würde dadurch zu sehr eingeschränkt, trägt schon, für sich genommen, nicht; zudem ist unklar, wie Gubelt auf dieser Grundlage dann die von ihm geforderte Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes i.e.S. begründen will. 117 Dies bedeutet nicht, daß bereits mit der Ausschlußformel in § lAbs. 8 lit. a VermG der von der Gemeinsamen Erklärung in Eckwert Nr. 1 gemeinte Kreis von Vermögensopfern vollständig und richtig erfaßt und abgegrenzt wurde. Die höchst unklare Reichweite der funktionalen Wiedergutmachungsrestriktion läßt eine deutliche, allgemein konsentierte Grenzziehung zwischen nur auszugleichenden Konfiskations- und voll zu restituierenden Enteignungsfällen weder hinsichtlich des Personenkreises (etwa Ausländer?) noch der Objekte (formales zeitliches und I oder materiales
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Ausweislich der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht - die Richtigkeit des Sachvortrags der Bundesregierung argumentationshalber nach wie vor unterstellt - war die Akzeptanz dieser Differenzierung unverzichtbare Voraussetzung für das Zustandekommen der Wiedervereinigung. Besondere Bedeutung hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.e.S. Mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 118 ist zu fordern, daß der Gesetzgeber das Gebot der Angemessenheit beachtet. Nichts anderes ist mit der "neuen Formel" des Gerichts gemeint, wonach Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung legitimieren können 119. Anders gewendet: Der Unterschied von besatzungsgetragenen Konfiskationen einerseits und DDR-staatlichen Enteignungen andererseits muß von solcher Art und solchem Gewicht sein, daß er die Ungleichbehandlung - einerseits volle Wiedergutmachung durch primären Restitutionsanspruch und Vorrang im Investitionsvorrangverfahren, andererseits Ausgleichsleistungsanspruch ohne Einbeziehung in objektbezogene Verfahren und Veräußerungen - zu rechtfertigen vermag 120. Im vorliegenden Fall ist nicht die kategoriale Unterscheidung zwischen den verschiedenen Gruppen von Wiedergutmachungsberechtigten als solchen problematisch. Daß zudem die in Eckwert 1 enthaltene legislative Option, eine Wiedergutmachung für Konfiskationen in Form von ("etwaigen") Ausgleichsleistungen überhaupt nicht vorzusehen, mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren - weil unangemessen - war, hat das Bodenreform-Urteil zutreffend klargestellt l21 • Es kommt vielmehr darauf an, ob das zur Erreichung des anvisierten Ziels eingesetzte Mittel nach Art und Umfang angemessen ist 122 • In diesem letzten, anspruchsvollsten und für die Effektivität der gleichheitsgrundrechtlichen Gesetzeskontrolle regelmäßig ausschlaggebenden Stadium Kriterium?) zu. Während dort der Tatbestand der Differenzierung, d.h. seine Anwendungsreichweite zur gleichheitsgrundrechtlichen Prüfung ansteht, kommt es hier auf die Reichweite der Ausschlußformel in bezug auf die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen an. Beides ist zu unterscheiden. 11R BVerfGE 51, 1 (24) u.ö., zuletzt E 81, 208 (224). 119 St. Rspr. des 1. Senats; vgl. BVerfGE 55, 72 (88); zuletzt 84, 133 (157); 85, 238 (244 f.); 87, 1 (36); 88, 5 (12).
120
Vgl. BVerfGE 70, 230 (240 f.); 71, 146 (156).
121
BVerfGE 84, 90 (128 f.).
122 Einzelheiten zu dieser Proportionalität, die strukturell in mancher Hinsicht von der Prüfung des Übermaß verbots bei Eingriffen in Freiheitsrechte abweicht, bei Huster, Rechte und Ziele, S. 139 ff. 12 VitzthumlMärz
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
der Gleichheitsprüfung kommt es auf die Abwägung des Gewichts der zu beurteilenden Ungleichbehandlung gegenüber dem Gewicht der als Anknüpfungspunkt gewählten Verschiedenheit der beiden Gruppen von Wiedergutmachungsberechtigten an. Voraussetzung ist also, daß sich die Gründe für den vollumfanglichen Ausschluß der Konfiskationsopfer aus dem Anwendungsbereich des Vermögens- und Investitionsvorranggesetzes - was die den Restitutionsanspruch begleitenden Rechte und Verfahrenspositionen betrifft - aus dem Differenzierungsziel ableiten lassen. Der Eckwert, besatzungsgetragene Konfiskationen nicht rückgängig zu machen, müßte auch das Verbot umfassen, den Opfern der besatzungsgetragenen Vermögenseingriffe selbst jene über eine sekundäre Ausgleichsleistung hinausgehende Wiedergutmachung solchen Inhalts zu versagen, wie sie Restitutionsberechtigten - sieht man vom primären Anspruch auf Objektrückgabe ab - dem Grund nach zusteht. Ein solches Verbot läßt sich dem Restitutionsausschluß nicht entnehmen. Als Begründung für die Breite und Tiefe der Ungleichbehandlung 123 führt der Gesetzgeber allein wie vorgetragen, aber zunehmend bestritten wird - die Weigerung der Sowjetunion und der DDR an, diese Opfergruppe in den Kreis der Rückgabeberechtigten einzubeziehen, weil damit eine Revision der besatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Maßnahmen einhergehen, ihre "Gesetzwidrigkeit" evident werden würde. Diese Begründung trägt allerdings den Ausschluß der Konfiskationsopfer aus den Elementen der Wiedergutmachung nicht, die keinerlei Bezug zu einer Revision oder zu einem Rückgängigmachen der besatzungsgetragenen Eingriffe aufweisen. Sinn und Zweck der Rückübertragungssperre war es, der Bundesrepublik Deutschland solche Maßnahmen zu untersagen, die als Wiederaufgreifen und Korrigieren der Konfiskationen nach rückwärts gedeutet werden können: als Indemnitätsverlangen. Indem der Restitutionsberechtigte sein früheres Eigentum rückübertragen erhält, ohne hierfür eine marktübliche Gegenleistung, ja - nach Wegfall des Konzepts einer Vermögensabgabe (s.u. Dritter Teil, 11, ill) - überhaupt eine Gegenleistung erbringen zu müssen, wird der Vorgang des Eigentumsentzugs revidiert. Zugleich wird deutlich gemacht, daß ein Recht des Staates zum Behaltendürfen gegenüber dem Betroffenen nicht (mehr) besteht. Die Lage ist hier wertungsmäßig letztlich nicht anders als im parallelen Fall der "Rückenteignung" nach Art. 14 GG. Die mit diesem Institut bezweckte Wiederherstellung der alten Eigentümer-Objekt-Beziehung setzt ebenfalls voraus, daß 123 Auf sie kommt es ganz wesentlich an. Aus der Deutung des Gleichheitssatzes als Willkürverbot folgt ein Gebot, Differenzierungskriterium und -ziel zu begründen. Vgl. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rn. 31; allgemein Lücke, Begründungszwang und Verfassung, Tübingen 1987.
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der staatliche Zugriff auf das Eigentum - weil ohne fortwirkende Zweckbestimmung - keine in die Zukunft gerichtete Legitimität mehr hat: Die Geschäftsgrundlage für die Enteignung ist entfallen. Ein Recht zum Behaltendürfen des Staates besteht nicht mehr. Diese Wande1ung des Rechtsverhältnisses Enteignungsbegünstigter - Enteignungsopfer enthält das retroaktive Element, das Anlaß für den Restitutionsausschluß der Konfiskationsfälle war. Ein solches retroaktives Element ist bei Restitutionsansprüchen indes nur insoweit vorhanden, als es um eine schlichte Wiedereinräumung der früheren Eigentümerstellung geht. Dies ist immer der Fall bei der einfachen Rückübertragung nach § 3 Abs. 1 VermG. Es ist nicht der Fall beim Investitionsvorrang, also dann, wenn der Anmelder tatsächlich Berechtigter ist, seinen Vorrang nachweisen kann und das Objekt zwar unentgeltlich übernimmt, dieses aber dem Vorbehalt investiver Maßnahmen unterliegt. Es ist auch nicht mehr der Fall, wenn der Anmelder im Investitionsvorrangverfahren zwar glaubhaft machen kann, Berechtigter zu sein, sich aber im späteren vermögensrechtlichen Verfahren Gegenteiliges herausste11t und der nicht rückgabe berechtigte Investor den Verkehrswert auskehren muß (etwa nach § 21 Abs. 5 InVorG). Kurzum: Ein retroaktives - und damit die mit dem Restitutionsausschluß bezweckte Sperrwirkung aktivierendes - Element fehlt immer dann, wenn die Ansprüche des früheren Eigentümers ihrem Inhalt und ihrer Zielrichtung nach nicht dem rückwärtsgerichteten Ungeschehenmachen der früheren Enteignung dienen sollen, sondern ausschließlich zukunftsgerichtet wirken und dabei den früheren Eigentumsverlust nur als Aktivposten für den Berechtigten in die Entscheidung einstellen - wenn die Ansprüche also nur retrospektiven Gehalt aufweisen. Die Prüfung der Rechtslage anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ergibt folgendes Ergebnis. Abgesehen vom primären Restitutionsanspruch enthalten alle anderen Rechte, die den Enteignungsopfern nach Vermögens- und Investitionsvorranggesetz zustehen, keine retroaktiven Elemente. Sie sind daher nicht vom Besatzungsvorbehalt in Eckwert 1 umfaßt. Solche retrospektiven (sekundären Restitutions-)Ansprüche, einschließlich der entsprechenden Beteiligungsrechte, stehen den Konfiskationsopfern anders als den Enteignungsopfern nach der Regelung des Wiedervereinigungsgesetzgebers indes nicht bzw. nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz nur in äußerst verkürztem Umfang (s.u. Dritter Teil, IV, V) zu. Der rechtliche oder faktische Ausschluß dieser Gruppe kann insoweit nicht durch den Besatzungsvorbehalt gerechtfertigt werden. Die besondere Nähe der Konfiskationsopfer zum früheren, rechtsstaatswidrig entzogenen Objekt besteht bei ihnen insoweit in mindestens gleicher Intensität wie bei den von DDR-staatlichen Enteignungen Betroffenen l24 , ohne daß vernünftige Gründe des Gemeinwohls 124
Der Restitution / Entschädigung einerseits, Ausgleichsleistung andererseits glei-
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
für die vom Gesetzgeber in dieser Tiefe vorgenommene Differenzierung ersichtlich sind. Die weitestgehende Nichtberücksichtigung der Konfiskationsopfer in (Re-)Privatisierungsverfahren ist nicht angemessen. Sie verletzt das Übermaß verbot. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist diese Regelung nicht vereinbar.
v. Ausblick:
VerfassungsrechtIiche und einfachgesetzliche Folgerungen
Die verfassungswidrige SchlechtersteIlung der Konfiskationsopfer ("vor 1949") gegenüber der Gruppe der Restitutionsberechtigten ("nach 1949") betrifft die Nichteinräumung von Ansprüchen auf Beteiligung und vorrangige Berücksichtigung in (Re-)Privatisierungsverfahren. Die darin liegende Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes wirft die Frage auf, inwieweit ein Anspruch der besatzungsgeschädigten Wiedergutmachungsberechtigten auf Einräumung dieser - oder einer vergleichbaren - Rechtsposition gegenüber dem Gesetzgeber besteht oder ob ein solcher Anspruch bereits nach geltender einfachgesetzlicher Lage anzuerkennen ist. Hierbei ist wegen der besonderen chermaßen tragende Rechtsgrund der Wiedergutmachung führt nicht nur zu einer grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich des Ob, sondern auch zu einer gleichmäßigen Bewertung des zu "heilenden" vor-rechtsstaatlichen Unrechts selbst. Unter diesem Aspekt ist es weder mit Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses noch mit dem Bodenreform-Urteil des BVerfGs vereinbar, wenn das BVerwG in zwei neueren Entscheidungen (Urteile vom 29.4.1993 - 7 C 47.93 [ZOV 1994, S. 320 ff.] und 7 C 59.93 [VIZ 1994, S. 411 ff.]) § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht nur gegen die zunehmend erhobenen Vorwürfe einer zu weiten Auslegung in Schutz nimmt, sondern dieser Vorschrift einen über den bloßen Ausschluß der Rückgabe weit hinausgehenden Gehalt zuschreiben will: "Denn diese Vorschrift hat ... den Zweck, die frühere Besatzungsmacht Sowjetunion hinsichtlich der von ihr zu verantwortenden Enteignungen von dem die Restitution begleitenden Unrechtsvorwurf freizustellen. Das bedeutet, daß diese Enteignungen nach dem Willen des Gesetzgebers von jeder Bewertung als Unrecht und infolgedessen auch von der Restitution ausgenommen sind." Wäre dies richtig, stünde es dem Gesetzgeber - entgegen BVerfGE 84, 90 (128 f.) - nicht nur frei, Ausgleichsleistungen für Konfiskationen zu unterlassen; die Erste Gewalt wäre vielmehr sogar gehindert, die unter diesen Vorzeichen als rechtmäßig fingierten Bodenreform- und Unternehmenskonfiskationen überhaupt auszugleichen - eine weit überzogene Interpretation des sowjetischen Ansinnens. Bislang ist von niemandem auch nicht von der Bundesregierung - behauptet worden, der Restitutionsausschluß verbiete es der Bundesrepublik Deutschland, das vor 1949 offensichtlich verübte Unrecht jedenfalls als Unrecht zu bezeichnen; vgl. nur Badura, Eigentum, in: Bendal Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, Berlin/New York 21994, § 10 Rn. 47: "Sie [die Bundesregierung] hat dieses Unrecht nicht anerkannt." Unzulässig ist allein eine bestimmte Form der Wiedergutmachung: das schlichte Wiedereinräumen der alten EigentümersteIlung als Ausdruck der Rückabwicklung eines dann als solchen nachträglich gekennzeichneten Unrechtstatbestandes.
V. Ausblick: Verfassungs rechtliche und einfachgesetzliche Folgerungen
181
dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte zwischen der von Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten formalen Rechtsposition des Grundrechtsträgers einerseits und dem subjektiven öffentlichen Recht auf ein bestimmtes Verhalten des Gesetzgebers andererseits zu unterscheiden 125 • Nach seiner formalen Seite enthält der allgemeine Gleichheitssatz, darin den Freiheitsrechten gleich, ein subjektives öffentliches Recht auf Abwehr staatlicher "Eingriffe"126 - Eingriffe hier nicht verstanden als Abwehr von rechtswidrigen Beeinträchtigungen eines materiell vorgeprägten und mit bestimmten Schrankenziehungen versehenen Schutzbereichs. Das gleichheitsgrundrechtliche Abwehrrecht geht vielmehr auf Abwehr von Ungleichbehandlung. Sein Ziel ist Gleichbehandlung mit anderen 127. Diesen Anspruch auf Abwehr von Ungleichbehandlungen haben auch die Opfer der besatzungsgetragenen Konfiskationen. Er ist indes durch seine Zielsetzung darauf limitiert, das verfassungswidrige Verhalten des Gesetzgebers zugunsten einer gleichen Behandlung zu korrigieren. Aus legislativer Sicht kann diese grundrechtsgebotene Korrektur - theoretisch gesprochen - entweder in einer Angleichung der "schlechteren" Rechtsstellung der Besatzungsgeschädigten an die "bessere" Position der Restitutionsberechtigten bestehen oder in einer Absenkung jener bislang "besseren" Position auf ein mittleres oder auch unteres Niveau. Die Korrektur kann aber auch, soweit dies seinerseits verfassungsrechtlich zulässig ist, auf einen Entzug jeder "besseren" Rechtsstellung für alle Konfiskations- und Enteignungsbetroffenen hinauslaufen. Ein subjektives öffentliches Recht auf eine positive materielle Gleichbehandlung enthält das modale Abwehrrecht des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht 128 • Der Gesetzgeber kann die Gleichbehand125 Vgl. Sachs, Zur dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte als Abwehrrechte, DÖV 1984, S. 411 ff.; Pietzcker, Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung nach Art. 3 I GG, JZ 1989, S. 305 ff.; s.a. Rüjner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Rn. 5-10,125 ff. m.w.N. 126 Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Übertragung des Denkens in Schutzbereich-Eingriff-Eingriffsschranken-Kategorien auf Art. 3 Abs. I GG Huster, Rechte und Ziele, S. 225 ff.; s.a. ders., Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JZ 1994, S. 541 ff. (548): Ein Eingriff in das Gleichheitsgrundrecht liegt immer dann vor, wenn der Gesetzgeber Gerechtigkeitsmaßstäbe durchbricht, die von ihm willkürfrei ausgewählt worden waren. 127 von Mangoldt / Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 3 Rn. 150; Schach, DVBI. 1988, S. 867. 128 Vgl. BVerfGE 15,46 (75): Verletzt eine gesetzliche Regelung durch die Nichtberücksichtigung einer bestimmten Gruppe den Gleichheitssatz (teil weises Unterlassen des Gesetzgebers), so kann das Bundesverfassungsgericht die erforderliche Ergänzung des Gesetzes "weder selbst vornehmen noch durch seinen Beschluß anordnen; es ist auf die Feststellung beschränkt, daß das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz durch eine Unterlassung der Rechtsetzungsorgane des
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
lung im Regelfall bekanntlich auch dadurch herbeiführen, daß die ursprünglich begünstigte Gruppe von Wiedergutmachungsberechtigten auf ihre Begünstigung (ganz oder teilweise) verzichten muß. Die damit bezweckte Sicherung der verfassungsgebotenen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers muß in verschiedenen Fällen hinter das Gleichheitsgebot zurücktreten. So liegt etwa dann kein Eingriff in die geschützte legislative Freiheit vor, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber bei Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GO die weitere Erstreckung der Begünstigung vorgenommen haben würde l29 • Von dieser Konstellation ist hier nicht auszugehen. Das ,,relative Unterlassen" der Einbeziehung von Konfiskationsopfern beruht ja nicht auf legislativem Versehen, sondern auf der gezielten Ausgrenzung bzw. - wenn dieser belastete Ausdruck noch verwendet werden darf - "Selektion" dieser Gruppe von Wiedergutmachungsberechtigten. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird auch dann nicht unangemessen beeinträchtigt, wenn für die Herstellung der Gleichheit bei der Sachverhalte nur die eine, "bessere" Regelung möglich wäre 130. In diesem Zusammenhang hat der Betroffene ein subjektives öffentliches Recht auf Einbeziehung seines Sachverhalts in die begünstigende Regelung, wenn er sich entweder auf einen zusätzlichen konkreten Verfassungsauftrag 131 oder auf andere grundrechtlich verbürgte Positionen berufen kann 132 • Das gleiche gilt, wenn im Einzelfall die Ausführung des vom Gesetzgeber selbst gewählten Regelungsprinzips (Stichworte: Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit) jede andere Regelung als die der Einbeziehung zwingend als sachwidrige Differenzierung erscheinen läßt 133 . Art. 14 GG konstituiert einen derartigen Verfassungsauftrag. Zwar hat der besatzungsgeschädigte Eigentümer keinen Anspruch auf Rückübereignung, da - jedenfalls in der hier argumentationshalber übernommenen Interpretation Bundes verletzt ist"; st. Rspr. Zum modalen Abwehrrecht Sachs, DÖV 1984, S. 414 unter Hinweis auf Schwabe und H.-P. Ipsen. 129 BVerfGE 8, 28 (36 ff.), 9, 250 (255); 14,308 (311 f.) u.ö. 130 BVerfGE 15, 121 (125). 131
So etwa in BVerfGE 6, 257 (264); 23, 242 (249).
BVerfGE 74, 9 (24). Dabei sind dem Gesetzgeber umso engere Grenzen gesteckt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann; BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96). 133 So etwa in BVerfGE 8, 28 (37); 22, 349 (362); 27, 391 (399); Gubelt, in: von MünchlKunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 35. Zu diesen Fällen nur einer möglichen gleichheitskonformen Lösung P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, § 124 Rn. 273. Zum hier vorliegenden relativen Unterlassen des Gesetzgebers von Mangoldtl KleinlStarck, Bonner Grundgesetz, Art. 3 Rn. 170 f. 132
V. Ausblick: Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Folgerungen
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des Bodenrefonn-Judikats - zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung keine eigentumsgeschützte Rechtsposition (mehr) bestand und die Restitutionsansprüche der Enteignungsbetroffenen nicht auf der subjektivrechtlichen Komponente des Eigentumsgrundrechts beruhen. Gleichwohl folgt aus der besonderen (Opfer-)Nähe der Konfiszierten zum entzogenen Objekt i.V.m. ihrem generellen Anspruch auf Wiedergutmachung erlittenen Unrechts eine Bindung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Diese Bindung wirkt auf den Verfassungsauftrag zur (Re-)Privatisierung des ehemaligen Volkseigentums ein: Den Konfiskationsopfern kommt prinzipiell ein "besseres" Recht zur Wiedererlangung der früheren Objekte zu als beliebigen Dritten. Der in seiner Zielrichtung zugunsten der Konfiskationsopfer modifizierte Verfassungsauftrag, der hier vorgestellt wurde, stellt zugegeben keine starke Rechtsposition dar. Insoweit befindet er sich mit Art. 3 Abs. 1 GG in - je nach Perspektive - guter oder schlechter Gesellschaft 134 • Von den in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung herangezogenen Verfassungsaufträgen, die zugunsten eines subjektiven öffentlichen Rechts auf Ausweitung der einmal eingeräumten Begünstigung wirken, unterscheidet er sich vor allem dadurch, daß er sich dem Grundgesetz nicht unmittelbar entnehmen läßt - wie überhaupt der Wiedergutmachungsgedanke dort ein Schattendasein fristet 135 . Überdies ist jener Verfassungsauftrag in seinen Anforderungen an den Gesetzgeber vergleichsweise offen. Ausschlaggebend zugunsten eines subjektiven öffentlichen Rechts der Konfiskationsopfer gegenüber dem Gesetzgeber auf restitutions gl eiche oder -entsprechende Einbeziehung in die (Re- )Privatisierungsveifahren ist das dem Vennögensrecht zugrundeliegende und es prägende Ordnungsprinzip. Im Recht der offenen Vennögensfragen - und nur hier - ist Wiedergutmachung grundsätzlich durch Rückgabe der entzogenen Vennögenswerte zu leisten. Dies ist (auch) Ausdruck der Anerkennung einer besonderen Nähe der Geschädigten zum Objekt. Er beherrscht das Vennögensrecht auch und gerade in den Fällen, in denen aus übergeordneten Interessen Entschädigung anstelle von Rückgabe beansprucht werden kann l36 • Ausweislich der Entstehungsge134 Treffend Pietzcker, IZ 1989, S. 305: "Art. 3 I GG ist kein sehr ,starkes' Grundrecht." 135 Die bisherige Verfassungsrechtsprechung bezog sich auf vergleichsweise konkrete Verfassungsaufträge: auf Art. 3 Abs. 2, 6 Abs. 5, 117 Abs. 1 und 131 GG. 136 Dies bedeutet - wohlgemerkt - nicht, daß der Wiedervereinigungsgesetzgeber zum Aufgreifen der besonderen Nähebeziehung Alteigentümer - Objekt in diesem Umfang verpflichtet gewesen wäre. Mit seiner (auch werthaltig gewichtigen) Berücksichtigung bewegt er sich, verglichen mit anderen Wiedergutmachungsansprüchen, ohnehin am oberen Rand seines Gestaltungsspielraums. Vgl. in diesem Zusammenhang den vom Gesetzgeber bislang nicht recht rezipierten Hinweis in BVerfGE 84, 90 (131): "Allerdings muß der Gesetzgeber bei der gesamten [Hervorhebung hinzu ge-
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
schichte des Restitutionsausschlusses - jedenfalls so wie sie bisher dem Bodenrefonn-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundegelegt worden ist hätte der Gesetzgeber ohne gegenläufige Intervention von Sowjetunion und DDR auch die Konfiskationen der Besatzungszeit in die Restitutionsregelung einbezogen. Daß dies nicht geschehen ist, beruht ausschließlich auf diesen (in ihrem realen, also nicht nur perzipierten oder gar herbeigewünschten oder vorgeschobenen Vorliegen zunehmend umstrittenen) außen- und deutschlandpolitischen Besonderheiten. Die damit einhergehende Selbstbindung des Gesetzgebers erfaßt nicht nur den primären Restitutionsanspruch, sondern auch die im Falle seiner Nichtdurchsetzbarkeit eintretenden sekundären Beteiligungs- und Vorzugsrechte Wiedergutmachungsansprüche, di" ihrem Sinn und Zweck nach nicht vom Restitutionsausschluß erfaßt werden. Jede andere Regelung als die Einbeziehung der Konfiskationsopfer in die bevorzugte Verfahrensstellung der Restitutionsberechtigten wäre sachwidrig und willkürlich. Weder ist es dem Gesetzgeber heute, gut 4 Jahre nach Wiedervereinigung und Errichtung des Systems der vennögensrechtlichen Wiedergutmachung, möglich, die RechtssteIlung der Enteignungsopfer ersatzlos zu streichen; noch wäre dies mit dem eigentumsgrundrechtlichen Schutz des Restitutionsanspruchs und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar. Will der Gesetzgeber keinen neuen Verfassungs verstoß begehen, kann er die Ungleichbehandlung beider Gruppen nur zugunsten einer Einbeziehung der Opfer der kommunistischen Konfiskationen (\945 - 1949) in die veifahren.rrechtliche Position der Restitutionsberechtigten (1949 - 1989) heilen. Dies alles spricht für ein subjektives öffentliches Recht der Konfiskationsopfer auf die Erweiterung des vennögens- und investitionsvorranggesetzlichen Anwendungsbereichs. Wie der Gesetzgeber diesen Anspruch auf prozedurale Gleichbehandlung rechtstechnisch umsetzt, obliegt seiner Gestaltungsfreiheit. Fest steht nur, daß aufgrund der besonderen Rechtslage eine schematische Erstreckung der zugunsten der Restitutionsberechtigten wirkenden Vennögens- und Investitionsvorrangregelungen auf die Gruppe der Konfiskationsopfer nicht möglich ist. Die gefestigte Rechtsposition der Enteignungsbetroffenen im Investitionsvorrangverfahren hängt von der Zuerkennung eines primären Restitutionsanspruchs ab. Sie knüpft an seine positive Feststellung - oder doch zuminfügt] Wiedergutmachungsregelung Art. 3 Abs. 1 GG beachten." Ernstzunehmende Warnungen über Defizite i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG finden sich etwa im Verhältnis der Wiedergutmachung materieller und immaterieller Schäden. Aber auch im Verhältnis Restitutionswertl Entschädigungs- und Ausgleichsleistungswert sind gleichheitsgrundrechtliche Verwerfungen ("Wertschere") nicht zu übersehen. Dazu unten Dritter Teil, 11- V.
V. Ausblick: Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Folgerungen
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dest an dessen Glaubhaftmachung - an; sie soll den Verlust des Primäranspruchs substituieren, und zwar durch den Vorrang des investiven Zugriffs auf den früheren Vermögenswert. Wo aber - wie für die Konfiskationen 1945 - 1949 - kein Rückgabeanspruch besteht, kann keine Vorrangregelung i.d.S. Platz greifen. Schon der in § 1 InVorG definierte und auf § 1 VermG rekurrierende Grundsatz der Anwendbarkeit von Investitionsvorrangverfahren schließt eine solche einfache Erweiterung des Kreises der (Verfahrens-)Begünstigten aus. Diese - früher schon durch die Einbindung in das Vermögensgesetz (vgl. § 3a VermG a.F.) - dokumentierte Abhängigkeit von Rückgabeanspruch und Investitionsvorrang führt bei isolierter Betrachtung der Gesetzeslage notgedrungen dazu, daß für die Objekte, die auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage konfisziert worden waren, der Systematik des Vermögensrechts zufolge keine Investitionsvorrangverfahren vorgeschrieben sind. Sie können - ungeachtet besonderer Vorschriften - von den Verfügungsberechtigten grundsätzlich freihändig veräußert werden. Die einzige wichtige EinbruchsteIle für Konfiskationsopfer in das Investitionsvorrangverfahren stellt die Pflicht zur Anhörung des Anmelders nach § 5 InVorG dar. Diese Regelung hat mehrere Gründe. Die Gültigkeit des Restitutionsausschlusses war lange Zeit streitig. Sie wurde erst 1991 im Bodenreform-Urteil verbindlich bejaht (und ist doch weiterhin wegen ihrer immer mehr zerbröckelnden Tatsachenbasis höchst umstritten). Die Abgrenzung zwischen beiden Opfergruppen kann zudem nur im Einzelfall entschieden werden. Sie ist in Rand- und Überschneidungsbereichen schwierig. Schließlich wurde die Anmeldeverordnung - entgegen dem in ihr enthaltenen Vorbehalt 137 - jedenfalls praktisch auch auf die Konfiskationsfälle angewandt. Alles zusammen hat dies dazu geführt, daß der (auch für die investive Entscheidung zuständige [vgl. § 4 Abs. 2 InVorGD Verfügungsberechtigte (zumeist die Treuhandanstalt) über die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen Kenntnis von der formalen Anmelderstellung auch der Konfiskationsopfer hat. Das Fortwirken dieser Praxis führt dazu, daß diese Gruppe im Verfahren praktisch größtenteils wie Restitutionsberechtigte behandelt wird. Die Kon137 Vg!. schon § lAbs. 4 Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11.7.1990 (GBI. DDR I S. 718): "Diese Verordnung gilt nicht für a) Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ... "; heute wortgleich § 1 Abs.5 AnmVO i.d.F. d. Bek. vom 3.8. 1992 (BGB!. I S. 1481). Auch die Bestätigung des Eingangs der Anmeldung (§ 4 Abs. 2 AnmVO) kann auf diese Wiedergutmachungsgruppe an sich keine Anwendung finden. Gleichwohl haben die zuständigen Behörden zu Recht auch Anmeldungen für konfiszierte Vermögenswerte ("vor 1949") anstandslos entgegengenommen. - Anderes soll im Verwaltungsprozeß gelten: Der Anmelder, der nicht rückgaberechtigt ist, kann durch einen rechtswidrigen Investitionsvorrangbescheid nicht in seinen Rechten verletzt sein, VG Leipzig vom 10.6.1993 - 1 K 154/91, in: RGV, K 44.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
fiskationsopfer werden angehört (§ 5 InVorG). Der Investitionsvorrangbescheid wird ihnen zugestellt (§ 9 Abs. 1 InVorG); sie können hiergegen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen (§ 12 InVorG)138, und in offenbar nicht wenigen Fällen erfolgt dies auch. Infolge dieser bereits praktizierten Einbeziehung in das Verfahren des Investitionsvorrangs können das Beteiligungsrecht und der Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung bei der Investorentscheidung unbedenklich im Investitionsvorranggesetz selbst verankert werden. Wegen der eine primäre Restitution sperrenden Differenzierung ist eine Gleichstellung mit Restitutionsberechtigten freilich insoweit ausgeschlossen, als eine unentgeltliche Übertragung des Eigentums ausscheiden muß. Es ist vielmehr eine Gleichstellung mit Drittinvestoren dahingehend vorzunehmen, daß auch die Konfiskationsopfer grundsätzlich einen angemessenen Kaufpreis aufzubringen haben 139. Die Erstreckung restitutionsbedingter Verfahrensvorrechte auf Konfiskationsopfer ist, wie gesagt, gleichheitsgrundrechtlich geboten. Gesetzestechnisch ist sie unschwer zu bewältigen. Eine empfindliche Lücke im Umkreis des Rechts der offenen Vermögensfragen verbleibt; auf sie ist noch kurz einzugehen. Auch jenseits des Investitionsvorrangverfahrens, d.h. bei der "einfachen" Privatisierung, haben die Opfer der kommunistischen Konfiskationen einen Anspruch auf verbesserten Zugang zu ihren früheren Vermögenswerten. Dieser kann gleichheitsgrundrechtlich allerdings nicht auf eine Schlechterstellung gegenüber den Restitutionsberechtigten gestützt werden, sind deren Rechte doch vollständig im Vermögensgesetz - das insoweit als Spezialregelung gilt - erfaßt. Die Privatisierung des ehemaligen Volkseigentums erfolgt hingegen auf der Grundlage des Treuhandgesetzes und des Einigungsvertrages - beides Grundlagen, die kaum konkrete Vorgaben für diese allgemeine Aufgabe enthalten (v gl. § 1 Abs. 1 S. 1 THG: "Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren"; Art. 25 Abs. 1 EV: "Die Treuhandanstalt ist auch künftig damit beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Treuhandgesetzes die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren")I40. 138 Zu den damit verbundenen verwaltungsprozessualen Problemen Wegner, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, InVorG § 12 Rn. 20; s.a. Ley, in: Jesch u.a., Investitionsvorranggesetz, § 12 Rn. 18. 139 Dieser mag, ohne daß Art. 3 Abs. 1 GG dazu genauere Anforderungen entnommen werden können, solange gestundet werden, bis der Ausgleichsleistungsanspruch fällig wird, und dann mit jenem verrechnet werden; auch die Einräumung eines Investitionsbonus ist natürlich denkbar usw. Zu dem im EALG gewählten Modell (partiell begünstigter Flächenerwerb) s.u. Dritter Teil, IV, V. 140 Zusammenfassend zu dieser Aufgabe Weimar, Treuhandgesetz. Kommentar, Stuttgart u.a. 1993, § 1 Rn. 1 -4; Horn, Privatisierung und Reprivatisierung von Unternehmen, S. 137 ff.; Einzelheiten bei Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im
V. Ausblick: Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Folgerungen
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Erfolglos schließlich wäre eine Suche nach Detailnormierungen für die Abwicklung der einzelnen Privatisierungsfälle: Es gibt sie nicht. Dies ist kein Zufall, sondern beruht auf dem unterschiedlichen legislativen Konzept. Anders als im Recht der Reprivatisierung hat sich der Wiedervereinigungsgesetzgeber bei der Privatisierung für eine zivilrechtlich ausgestaltete Überführung des DDR-Volksvermögens in rechtsstaatliche und marktwirtschaftliche Strukturen entschieden. Die Treuhandanstalt (THA) ist zwar nicht Eigentümer im herkömmlichen Sinn; sie ist indes ein dieser Rechtsposition weitestgehend angenäherter Verfügungsberechtigter l41 • Ihre Privatisierungstätigkeit wird mit Mitteln des Zivilrechts wahrgenommen 142, es sei denn, das neuen Bundesgebiet, § 18 (Treuhandvermögen), § 20 (Privatisierung außerhalb des THG). - Weder die o.a. Aufgabenbestätigung in Art. 25 EV - der als einfaches Bundesgesetz fortgilt (zum EV als "Nichtverfassungsrecht" Dehnhllrd, Darf der Bund über das DDR-Vermögen verfügen?, DtZ 1994, S. 233 ff. [234]) - noch die spezialgesetzliche AufgabensteIlung verleihen der THA besondere, über die gesetzlichen Regelungen hinausreichende, verfassungsrechtlich abgesicherte "Weihen", gar einen "verfassungsmäßigen Charakter" (wie etwa Rechenberg, Zur Frage der Rechts- und Fachaufsicht über die Treuhandanstalt, DtZ 1994, S. 238 f. [239] annimmt). Auch eine Exemtion der THA von Rechts- und Fachaufsichtsmaßnahmen kennen weder THG noch EV. Art. 25 Abs. 1 S. 3 EV weist vielmehr beides ausdrücklich der Federführung des Bundesministers der Finanzen zu. Eine - nur dem privaten EigentümerUnternehmer zukommende, weil grundrechtlich abgesicherte - privatrechtliche Gestaltungsfreiheit, die der Einflußnahme der Fachaufsicht entzogen sein soll, kann die THA ebenfalls nicht in Anspruch nehmen - einer solchen Freiheit steht die aus der Ausgabenzuweisung fließende gesetzliche Bindung des Privatisierungsauftrags entgegen. 141 Zur komplizierten Zwitterstellung der THA zwischen anstaltlich organisierter Verwaltungsbehörde einerseits und "größter Holding der Welt" (so Weimar, Handlungsformen und Handlungsfelder der Treuhandanstalt - öffentlich-rechtlich oder privatrechtlieh?, DÖV 1991, S. 813) andererseits Mäschel, Treuhandanstalt und Neuordnung der früheren DDR-Wirtschaft, ZGR 1991, S. 175 ff. (181 f.); zu daraus zu ziehenden (z.T. weitreichenden) Folgerungen (z.T. überzogen) Schuppert, Öffentlichrechtliche Vorgaben für die Treuhandanstalt bei der Leitung der Treuhandunternehmen, ZGR 1992, S. 454 ff. (456 f.): "... die Singularität der AufgabensteIlung und der historischen Situation können es erforderlich machen, die Tätigkeit der Treuhandanstalt und das ihre Tätigkeit steuern sollende Treuhandgesetz nicht mit der herkömmlich und möglicherweise zu kleinkarierten Elle rechtsstaatlicher Standardanforderungen zu messen ... ". Zur Entstehung der Treuhandanstalt s. die gleichnamige Arbeit von Kemmler. 142 Dies hat auf den ersten Blick vor allem eine Scheidung des Grundverständnisses der Aufgabenerfüllung zur Folge: bürokratische Verwaltungstätigkeit hier, freies Wirtschaften am Markt dort - mit den bekannten Konsequenzen nicht nur einer Differenzierung nach Verfahrensziel, -gestaltung und -inhalt, sondern auch nach Entscheidungsform und gerichtlichem Rechtsschutz. Vgl. einerseits Kloepfer/von Unger, Öffentlich-rechtliche Vorgaben für die Treuhandanstalt, anderseits Westermann, Der rechtliche Rahmen und seine Veränderung, jeweils in: Fischer u.a. (Hrsg.), Treuhandanstalt - das Unmögliche wagen, S. 41 ff. bzw. 85 ff., jeweils m.w.N.
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
Gesetz ordnet ihr Aufgaben und Befugnisse zu, die öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind (etwa die Durchführung der Investitionsvorrangverfahren). Im Bereich der Privatisierung ist dies durchgängig nicht der Fall. Die privatrechtliche Ausgestaltung schließt zwar eine unmittelbare Übernahme der für das Investitionsvorranggesetz entwickelten Rechtsgedanken aus; sie entbindet aber nicht von einer verfassungsgerechten Berücksichtigung des allgemeinen Wiedergutmachungsanspruchs, wie er den gleichheits grundrechtlichen Überlegungen zugrundeliegt l43 • Unklar ist freilich, wie diese - nur als prinzipielle Entscheidung zugunsten der Konfiskationsopfer zu verstehende, nicht regelhaft normierte - Rechtsposition Eingang in den Prozeß der Privatisierung des ehemaligen Volkseigentums finden kann. Daß der Wiedergutmachungsanspruch wegen der umfassenden Grundrechtsbindung des Staates überhaupt zu berücksichtigen ist, dürfte wegen Art. 1 Abs. 3 GG nicht bestritten werden. Für das Einfließen öffentlich-rechtlicher Bindungen des privatrechtlichen Handeins sind - wie auch sonst - zwei Modelle denkbar. Ihre Anwendbarkeit hängt davon ab, wie die Privatisierungstätigkeit im einzelnen strukturiert ist: entweder als Verwaltungsprivatrecht oder als gestuftes öffentlich- und privatrechtliches Verfahren 144. Die Meinungen hierüber sind geteilt. Die bislang dabei aufgetretenen Unsicherheiten haben bereits zu einer Reihe gerichtlicher Kompetenzkonflikte geführt. Während die Rechtsprechung nach anfänglichem Schwanken die Privatisierungstätigkeit - nicht aber die anderen Aufgaben der Treuhandanstalt als (verwaltungs-)privatrechtlich einstuft und Rechtsstreitigkeiten hierüber den ordentlichen Gerichten zuweise 45 , wird im Schrifttum die Auffassung favorisiert, es handele sich um ein gestuftes Verwaltungshandeln analog der Zwei-Stufen-Theorie; die Grundentscheidung über die Privatisierung (Zuordnung des Objekts zum Eigentümer) sei Verwaltungsakt 143 Dies gilt gleichermaßen für die THA selbst - als Anstalt des öffentlichen Rechts - wie für die "ausgelagerten Töchter": Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH und Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH. Zu den Rechtsnachfolgern der THA s.u. Dritter Teil, IV, V. 144 Die dritte Möglichkeit in Bukett staatlichen Handeins in Privatrechtsform: die fiskalische Verwaltung, kommt wegen der besonderen öffentlichen Aufgabe der THA nicht in Betracht. Zur Fiskustheorie zusammenfassend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, Berlin 1984, S.75 ff.; von Münch/Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Auf!. Berlin/New York 1992, § 2 Rn. 58 ff. Eine Flucht aus grundrechtlichen oder verfassungsprinzipiellen Bindungen läßt zudem auch das fiskalische Verwaltungshandeln nicht zu; vgl. Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des VerwaltungshandeIns, Tübingen 1978, S. 361 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, Baden-Baden 1988, S. 221 ff., jeweils m.w.N. 145 Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Brandt/ Kittke, RGV, Teil I.
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und vor den Verwaltungsgerichten anzugreifen, die Abwicklung durch privatrechtlichen Kaufvertrag unterfalle dem Bürgerlichen Recht, gehöre folglich vor die Zivilgerichte 146 • Eine umfassende Antwort auf die Frage nach der rechtskategorialen Zuordnung der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt kann wegen Folgenlosigkeit in unserem Zusammenhang dahingestellt bleiben, wenngleich die besseren, nicht nur prozeßökonomischen Gründe für die Einordnung als Verwaltungsprivatrecht - und damit für die Verweisung vor die Zivilgerichte sprechen 147 • Weder ist ein nach herkömmlichem Verständnis der ZweiStufen-Lehre unverzichtbarer Grundverwaltungsakt im außen wirksamen Handeln der Treuhandanstalt zu erkennen - das Privatisierungsverfahren wird förmlich mit dem Abschluß eines Kaufvertrags nach BGB beendet -, noch wird deutlich, warum allein die öffentliche Aufgabe der Treuhandanstalt eine prozeßrechtliche Zuordnung begründen kann 148 - immerhin wird eine Vielzahl öffentlicher Aufgaben anderer Institutionen seit jeher in Privatrechtsform wahrgenommen. Die hinter dem Streit stehende, wenn auch regelmäßig allenfalls angedeutete Befürchtung, der Zivilrichter könne mit den vergleichsweise intransparenten öffentlich-rechtlichen Bindungen wenig anfangen und unterschreite daher u.U. sein Prüfungsrecht, mag nicht völlig aus der Luft gegriffen sein 149 • Es wäre dann allerdings Sache des Gesetzgebers, diese Bindungen durch Normierung von entsprechenden Rahmenbedingungen der Privatisie146 Nachweise zum Streitstand bei Kloepjerlvon Unger, Öffentlich-rechtliche Vorgaben für die Treuhandanstalt, S. 71 ff.; Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht, Köln 1993, S. 172 ff. Eine Zwischenposition nimmt Weides ein (Rechtsweg bei Streitigkeiten über die Veräußerung von Geschäftsanteilen einer GmbH durch die Treuhandanstalt - OVG Berlin, NJW 1991, 715 f., und VG Berlin, NJW 1991, 1969 f., JuS 1991, S. 818 ff.): Es handele sich weder um einen Fall der Zwei-Stufen-Lehre noch um genuin verwaltungsprivatrechtliches Handeln; gleichwohl sei die öffentliche Hand bei der Privatisierung des Volksvermögens den sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Sonderbindungen unterstellt (JuS 1991, S. 821). 147 Hierfür Kloepjerlvon Unger, Öffentlich-rechtliche Vorgaben für die Treuhandanstalt, S.73; Weimar, DÖV 1991, S. 817; ders., Die Treuhandanstalt im Verwaltungsprivatrecht, ZIP 14 (1993), S. 1 ff. (2); für Verkäufe ebenso Krebs, Rechtsschutzprobleme bei Entscheidungen der Treuhandanstalt, ZIP 11 (1990), S. 1513 ff. (1520). 148 Darauf wird überwiegend - allein oder in Verbindung mit der öffentlich-rechtlichen Organisation der THA - abgestellt; so für viele KerberlStechow, Das Treuhandrecht, DZWiR 1 (1991), S. 105 ff. 149 So für viele (vor allem gegen Weides) Spoerr, Treuhandanstalt, S. 178: "Unverständlich ist aber, wie die konsentierten öffentlich-rechtlichen Bindungen (hier: Gleichbehandlung, Verfahren und Ermessensausübung) im Wege privatrechtlicher Abwehransprüche durchgesetzt werden sollen. Wohl kaum ein Zivilrichter würde auf der Suche nach einer Anspruchsgrundlage fündig."
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Zweiter Teil: Restitutionsausschluß und Verfahrensbeteiligung
rung transparent zu machen. Für unsere Fragestellung trägt indes weder die kategoriale Qualifikation noch die prozessuale Zuordnung Wesentliches bei. Es ist allgemein anerkannt, daß die Erfüllung staatlicher Aufgaben in Privatrechtsfonn über die Einhaltung zivilrechtlicher Handlungsfonnen und -inhalte hinaus besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt. Dies bedeutet Bindung an die einschlägigen Grundrechte und die verfassungsrechtlichen und loder einfachgesetzlichen Vorgaben ISO. Anders als ein Privater kann die Treuhandanstalt zwischen mehreren Bietern nicht frei entscheiden. Sie muß vielmehr unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit abwägen, welcher Bieter die bestmögliche Erfüllung des Privatisierungsauftrags sicherstellen würde. Solange sich die Treuhandanstalt hierbei von ihrem gesetzlichen Auftrag und den allgemeinen Ennessensgrundsätzen leiten läßt, ist ihre Entscheidung nicht zu beanstanden. Hierbei hat sie auch zu beachten, daß einzelne Bieter ein Bevorzugungsverhältnis in Anspruch nehmen können l51 • Ein solches ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem verfassungsgestützten Wiedergutmachungsanspruch der Konfiskationsopfer. Anders als beliebige Bieter kann der besatzungsgeschädigte Eigentümer ("vor 1949") - und nur er - ein eigengeartetes Näheverhältnis zu seinem früheren Objekt geltend machen. Dieses Näheverhältnis kann zwar nicht zu einem Anspruch auf alleinige Berücksichtigung bei der Vergabeentscheidung erstarken (ein solches könnte nur der Gesetzgeber einrichten); es ist aber im Rahmen der Ennessensentscheidung besonders zu berücksichtigen. Diese spezielle Berückschtigung beginnt mit dem Recht auf Verfahrensbeteiligung und endet - womöglich - mit dem Erwerb des zwischen 1945 und 1949 konfiszierten Vennögenswertes oder Teilen davon. Für diesen Erwerb gilt folgendes: Bietet das Konfiskationsopfer in gleicher Weise wie die anderen Bieter die Gewähr, den Privatisierungsauftrag bestmöglich zu fördern, und stehen einer Vergabe an ihn keine durchgreifenden öffentlichen Interessen entgegen, so ist seinem Wiedergutmachungsvorrang Rechnung zu tragen, ist ihm also der Zuschlag zu erteilen. Wie beim Investitionsvorrang hat das Konfiskationsopfer allerdings keinen Anspruch auf kostenfreie Übereignung. An die Festsetzung des Kaufpreises ist es in gleicher Weise gebunden wie andere, objektfernere Interessenten.
ISO Dazu grundlegend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 212 ff. m.w.N.; für die THA vgl. Weimar, Treuhandgesetz, § 1 Rn. 46 ff.; ders., ZIP 14 (1993), S. 12 ff.; Hohmeister, Handlungsbefugnisse der Treuhandanstalt und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener, BB 1992, S. 285 ff. (288). 151 Hierzu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 190 ff.; s.a. BVerwGE 34, 213 (214 f.); BVerwG, DVBI. 1970, S. 866 f.; s.a. Spoerr, Treuhandanstalt, S. 180 f.
Dritter Teil
Restitutionsausschluß und Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz I. Einführung: Offene Vermögensfragen und Wiedergutmachungsauftrag Am 23. September 1994 stimmte der Bundesrat dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) in der Fassung zu, auf die sich der Gemeinsame Ausschuß von Bundestag und Bundesrat (Vermittlungsausschuß) am 1. September 1994 geeinigt hatte. Der Bundestag hatte diese Kompromißfassung bereits am 6. September 1994 gebilligt. Das am 30. September 1994 im Bundesgesetzblatt verkündete Artikelgesetz tritt gern. Art. 13 EALG am 1. Dezember 1994 in Kraft ' . Mit dem "Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG)" schlossen die gesetzgebenden Körperschaften eine seit 1989/90 klaffende doppelte Lücke2 • Geregelt wurde - erstens - die Entschädigung der Alteigentümer, deren in den Jahren 1949 bis 1989 in der damaligen DDR entschädigungslos enteignete Vermögens werte nun wegen Unmöglichkeit oder redlichen Erwerbs Dritter nicht - wie als Regel im Vermögensgesetz (VermG) von 19903 vorgesehen - zurückgegeben werden, oder die statt der Rückgabe Entschädigung gewählt haben. Mitgeregelt wurde - zweitens - die Ausg1eichsleistung für die - wie es erstmals in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 19904 geheißen hatte - "nicht mehr rückgängig zu BGB!. I S. 2624. S.u. Anhang 5. Nachweise bei Graf Vitzthum, DZWiR 4 (1994), S. I ff.; ders., Für die einen zu viel, für die anderen zu wenig, in: FAZ vom 14.4.1994, S. 12; ders., Unterwegs zur Willkür, in: DIE WELT vom 3.12.1993, S. 7; ders., Ausgleich von Unrecht und zudem sinnvoll, in: FAZ vom 13.6.1992, S. 8. 3 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) Ld.F. vom 21.12.1993. Das Gesetz erfuhr verfassungsrechtlich z.T. bedenkliche Änderungen durch Art. 10 EALG. Sie traten am 28.9.1994 in Kraft (Art. 13 S. 2 EALG). 4 Veröffentlicht als Anlage III zum Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGB!. 11 S. 889, 1237); vg!. Art. 41 Abs. I EV sowie Art. 143 Abs. 3 GG n.F. I
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
machenden" Enteignungen, die auf "besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949),,5 durchgeführt worden waren, also in der damaligen sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und im Ostsektor Berlins. Als Teil dieser Ausgleichsleistungs-Regelung normierte der Gesetzgeber nun spezielle Rückerwerbs- und Erwerbsmöglichkeiten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (Art. 2 § 3 EALG). Bewegliche Sachen sind zurückzu übertragen (Art. 2 § 5 EALG). Normierungsbedürftig waren ebenfalls, in einem größeren Kontext, die Entschädigung für NS-Verfolgte sowie die Zuwendung an die in den neuen Ländern lebenden Vertriebenen. Auch diese Komplexe wurden nun geregelt: Art. 3 EALG enthält das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz; Art. 9 EALG das Gesetz über eine einmalige Zuwendung an die im Beitrittsgebiet lebenden Vertriebenen. Letzteres Gesetz ist rückwirkend bereits zum 1. Januar 1994 in Kraft getreten (Art. 13 S. 2 EALG)6. Beide (Teil-)Gesetze enthalten aus der Sicht unseres Gesamtthemas Sonderregelungen. Insofern werden sie nachfolgend nicht berücksichtigt. Dauer und Konfliktreichtum der Entstehung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes belegen: Beim Schließen dieser letzten legislativen Lücken stand der Gesetzgeber vor einer schwierigen Aufgabe. Sie war politisch brisant und fachlich komplex. Beim Aufarbeiten der Hinterlassenschaften des real mißglückten Sozialismus im nach mehr als vier Jahrzehnten der Trennung wiedervereinten Deutschland ging es um den Aufbau und Ausbau einer freiheitlichen und sozialen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in den neuen Ländern. Dabei waren auch die entsprechenden finanzpolitischen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen und die gesellschaftlichen und ökologischen Lebensbedingungen anzugleichen. Der Gesetzgeber hatte darüber hinaus die Wiedergutmachung von Vermögensschäden aus SBZ- und DDR-Zeiten zu regeln, und zwar in einer Weise, die das Zusammenwachsen Deutschlands nicht hindert, sondern fördert 7 • 5 Nr. I der Gemeinsamen Erklärung fährt fort: "Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß." S.o. Erster Teil, C.III; Zweiter Teil, I. 6 Für über 75jährige ist die Entschädigung von 4.000,- DM sofort fällig, für 70jährige am 1.1.1995, für 63jährige am 1.1.1996, für alle anderen am 1.1.1997. 7 Die Legislative sah sich seit 1990 insofern der komplizierten Agende gegenüber, nicht nur das Enteignungsunrecht östlich der Eibe zu bereinigen. Mittels einer gerechten, zukunftsweisenden Zuordnung der Vermögenspositionen war vielmehr auch eine
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Die Aufgabe, für all das Unrecht und Leid jener realsozialistischen Zeit zumindest einen partiellen Ausgleich zu schaffen, hat der Gesetzgeber mittels einer Kaskade von miteinander zusammenhängenden, aufeinander autbauenden Gesetzen zügig und immer wieder nachbessernd und ergänzend gelöst mit Ausnahme eben der erwähnten Agenden. Deren Nichtbewältigung schmerzte politisch, wirtschaftlich und menschlich über die Jahre immer mehr. Ohne Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz fehlte mehr als nur der Schlußstein im legislativen Gesamtgebäude der inneren Einigung. Es fehlte sozusagen das zusammenhaltende Dach, insbesondere über den "auf dem Lande" so existentiellen wie dramatisch veränderten Verhältnissen in der Land- und Forstwirtschaft8 •
11. Entstehungsgeschichte und Schwerpunkte des EALG Die Federführung für das Schließen jener seit 1990 klaffenden Wiedergutmachungs-, Integrations- und Autbaulücken lag beim Bundesminister der Finanzen. Ein knappes Jahr nach der Deutschen Einigung, am 6. November 1991, war ein erster und, wie sich zeigen sollte, in vieler Hinsicht richtungbestimmender Entwurf erarbeitet9 • Äußerlich orientierte er sich nicht zuletzt am "Bodenreform-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 10 • Das Gericht (Erster Senat) hatte bekanntlich die in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Anlage III (Gemeinsame Erklärung) vorgenommene, in Art. 4 EV, Art. 135a Abs. 2, 143 Abs. 3 GG verfassungstextlich abgesicherte und einSchlüsselvoraussetzung für den Aufschwung Ost und das erfolgreiche Gestalten der Einigung insgesamt zu schaffen. 8 Diese Verhältnisse - wie viele Elemente im Prozeß der Vereinigung - waren (und sind) durch einen tiefgreifenden Strukturwandel gekennzeichnet. Insbesondere für die Ostdeutschen ist er mit großen Härten und Schwierigkeiten verbunden, in der Landwirtschaft i.w.S. vor allem mit einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit und Investitionsschwäche. Zur Lage in der Landwirtschaft Eckart, Agrarpolitische Rahmenbedingungen und Ergebnisse des Agrarstrukturwandels in den neuen Bundeesländem, DA 27 (1994), S. 926 ff. 9 BMF, VI A6/ A7-013 19 BMF - 89/91. Dazu Leisner, Rückerwerbsrecht von Alteigentum Ost - nach Gesetz oder Verwaltungspraxis?, DVBI. 1992, S. 131 ff. Der 32seitige Text, zu dem auch eine 30seitige Begründung gehörte, war zurückhaltend bezeichnet als bloße "Rohfassung eines Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Höhe der Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über die staatlichen Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungsgesetz - EntschG -)." JO BVerfGE 84, 90. Das wichtige, einstimmig ergangene Judikat (im einstweiligen Verfügungsverfahren stimmte das Gericht noch mit 4:4) hat in der Literatur bisher eine erstaunlich geringe Resonanz hervorgerufen (s.o. Erster Teil, Pn. 65) - ein Versagen, historisch gesehen, der ,,5. Gewalt", d.h. der Wissenschaft? 13 VitzthumlMärz
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
fachgesetzlich insbesondere in § 1 Abs. 8 lit. a VennG umgesetzte Differenzierung zwischen Enteignungen vor und nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 hingenommen. Sie sei "mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar". Die zeitliche Abschichtung und inhaltliche Differenzierung führte rechtspolitisch zu der bekannten Konsequenz: Rückgabe bzw. Entschädigung nur für DDRVerfolgte (1949 - 1989), allenfalls Ausgleichsleistungen für besatzungsgetragene Enteignungen (1945 - 1949). Die bei der Regelung von Kriegsfolgen vertraute Respektierung der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch die Karlsruher Richter!! erfolgte hier allerdings mit der Maßgabe, daß der allgemeine Gleichheitssatz den Gesetzgeber bezüglich des Ob einer staatlichen Leistung binde: Ausgleichsleistungen für besatzungsgetragene Enteignungen müßten vorgesehen werden!2. Bezüglich des Wie hielt sich das Gericht weitestgehend zurück. Mit dem Gesetz wird die Ausgleichsleistung nun dem Grunde wie der Höhe nach nonniert. Trotz jenes auf den ersten Blick so gesichert scheinenden verfassungsrechtlichen Fundaments, trotz des vom Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Ob vorgezeichneten gesetzgeberischen Auftrags, trotz des im Fachressort zügig erstellten ersten, bereits kompletten Entwurfs des Gesetzes brachte die Bundesregierung ihre Vorlage erst zwei Jahre später, nämlich am 10. Mai 1993, beim Bundestag ein 13 • Inhaltlich war in den zwei Jahren manches modifiziert worden. Zu den Gründen für die Verzögerung und die Veränderung gehörten: Meinungsunterschiede in und zwischen den beteiligten Ressorts; tatsächliche oder auch nur vorgeschobene (und venneidbare) Spannungen zwischen Investitionsförderung und Ausgleich vor-rechtsstaatlichen Unrechts, zwischen Pächtern und Mietern vor Ort einerseits und nicht selbst11 "Passierenlassen" eines Gesetzes o.ä. bedeutet bekanntlich nicht, daß das Gericht die vom Gesetzgeber gefundene Lösung für die gerechteste Regelung der Sachfrage hält. Insoweit prüft und judiziert das Gericht, wie es stets erneut hervorgehoben hat, nicht. Gleichwohl ist das gerichtliche Hinnehmen dessen, was die Politik entschieden hat, natürlich auch eine politische Entscheidung: Die Enthaltsamkeit des Gerichts wirkt auch politisch. Bei judicial activism ist es allerdings auch nicht anders. Wir haben es beim Bundesverfassungsgericht eben mit einem auch in der Sphäre des Politischen operierenden Verfassungsorgan zu tun. 12 Vgl. Leitsatz 3: "Art. 3 Abs. I GG gebietet es, daß der Gesetzgeber auch für Enteignungen auf besatzungsrechtIicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne von Anlage III Nr. I des Einigungsvertrages eine Ausgleichsregelung schafft." Bzgl. der Wiedergutmachung früheren Unrechts hieß es in E 84, 90 (126) zudem, sie könne "ihre Wurzeln nur im Rechts- und Sozialstaatsprinzip haben ... Die Wiedergutmachung ist nicht Ausfluß einzelner Grundrechte ... ". S.a. oben Zweiter Teil, III. 13 BT-Drs. 12/4887; BT-Drs. 12/5108 (ablehnende Stellungnahme des Bundesrates); VerhBT 12/158/13.5.1993/13361 ff. (I. Lesung und Ausschußüberweisung).
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wirtschaftenden Berechtigten (meist in den alten Bundesländern) andererseits, zwischen Bund und Ländern, zwischen West- und Ostdeutschland, zwischen Finanzrahmen '4 und Wiedergutmachungsauftrag; - Koordinierungsprobleme innerhalb der Koalitionsparteien (etwa zwischen West- und Ost-Abgeordneten) und Spannung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und der Koalition wegen zu erwartender Mindereinnahmen bei allgemein höheren Kosten der Wiedervereinigung; - Schwierigkeiten beim Regeln des vom Bodenreform-Urteil aufgegebenen, aber natürlich nicht beantworteten Wie der Ausgleichsleistungen: In Frage käme u.a., so das Gericht gleich an zwei Stellen, daß den Opfern besatzungsgetragener Enteignungen "auch die Möglichkeit eines Rückerwerbs ihres ehemaligen Eigentums eingeräumt wird"'5. Dies alles bewirkte, daß die von so vielen, Betroffenen wie Investitionswilligen, Treuhandanstalt wie Vermögensämtern, Ländern wie Kommunen 16, dringend erwartete und für den sozialen Frieden wie für den wirtschaftlichen Fortschritt und die finanzpolitische Planung gleichermaßen essentielle Gesetzesvorlage erst ungewöhnlich spät und in deutlich modifizierter Form eingebracht wurde. Erfolg war ihr trotz dieser vielfältigen "Nachhilfen" zunächst nicht beschieden. Bei der gemeinsamen Anhörung des Finanz- und des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 15. /16. September 1993 stieß die Vorlage vielmehr - wie im Frühsommer bereits im Bundestag und bei vielen Ländern - auf erhebliche Kritik fast aller Sachverständigen 17 • 14 Er war und ist natürlich begrenzt. Erinnert sei an die dreistelligen, jährlichen Milliardentransfers von West- nach Ostdeutschland. Insgesamt belief sich die finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Kassen seit 1990 auf netto rund 500 Mrd. DM - pro Kopf der Bevölkerung über 30.000,- DM. Aus der ungewöhnlich hohen Belastung der Staatsfinanzen wurde abgeleitet, reguläre Haushaltsmittel dürften für Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen nicht in Anspruch genommen werden (sog. "Haushaltsneutralität"). Die Folgerung, statt Entschädigung/ Ausgleichsleistung Rückübertragung o.ä. zu wählen - was im Endergebnis fiskalisch möglicherweise günstiger käme -, wurde für die "vor 1949"-Opfer nicht gezogen, möglicherweise nicht nur wegen der angeblichen (Vor-)Bedingungen der UdSSR/DDR. S.o. Erster Teil, C.III; Zweiter Teil, 11, III. 15 BVerfGE 84, 90 (127, 131). 16 So machte etwa der Freistaat Sachsen bereits bald nach der Wende auf ehemals volkseigene Güter (VEG) Restitutionsansprüche geltend. Ganz allgemein haben die Länder und Gemeinden sowie die SPD, CDU und FDP - bisher mit Erfolg - die Auffassung vertreten, die "sowjetische Bedingung" bzw. die "DDR-Vorbedingung" (s.o. Erster Teil) gelten für sie (bzgl. ihrer Restitutionsansprüche) nicht. 17 Vgl. das unkorrigierte stenographische Protokoll der Öffentlichen Sitzung des Finanz- und des Rechtsausschusses (Prot. 12/57 bzw. 12/86) vom 15.-16.9.1993. Vgl. im übrigen etwa FAZ vom 16. September 1993; wib (= Woche in Bonn) 17/93 - VIIII156 vom 29. September 1993, S.49. - Erste Lesung des Gesetzentwurfs:
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
Beschränkt man sich auf die verfassungsrechtlichen Expertisen 18 bzgl. der Schlüsselpunkte des Entwurfs, so wurden im Entschädigungsgesetz-Teil (Art. 1 EALG [EntschG]) vor allem die damals noch vorgesehene Vermögensabgabe als solche (mit ihr sollten die Rückgabeberechtigten belastet werden) und die Weite des Wertabstands zwischen Rückübertragung der Vermögenswerte einerseits und Entschädigung bei Nichtrückgabe andererseits für grundgesetzwidrig angesehen l9 • Im Ausgleichsleistungsgesetz-Teil (Art. 2 EALG [AusgILeistG]) wurde die (Rück-)Erwerbsmöglichkeit der Alteigentümer, also der Opfer der Bodenreform von 1945 bis 19492°, als mangelhaft ausgestaltet kritisiert. Keine Bedenken wurden dagegen geäußert, daß die Höhe der Ausgleichsleistung und die Art der Erfüllung sich nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes richten 21 . VerhBT 12/158/13.5.1993/13 361 ff.; s.a. BT-Drs. 12/5503. - Gutachtliche Stellungnahme für das Hearing Graf Vitzthum, DZWir 4 (1994), S. 1 ff. 18 Zu den überragend wichtigen, im Gesetzgebungsverfahren indes stark vernachlässigten wirtschafts- und finanzpolitischen Aspekten Willgerodt, Wiedereinsetzung der Alteigentümer (Reprivatisierung), S. 246 ff. 19 Nach einhelliger Meinung war die Schere zwischen dem als Entschädigung bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vorgesehenen 1,3fachen des Einheitswertes von 1935 und dem heutigen Verkehrswert (also dem derzeit marktüblichen Wert) zu groß. Die Entschädigung für Grundstücke, die nach dem Vermögensgesetz nicht restituiert werden können, müsse - so wurde durchweg gefordert - wesentlich erhöht werden. Sonst liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Die für eine höhere Entschädigung erforderlichen Mittel könnten zudem nicht zu Lasten derjenigen aufgebracht werden, die ihre Grundstücke zurückerhalten; Opfer dürften nicht Opfer entschädigen. Die Aufbringung der Entschädigungsmittel müsse auf eine breitere Basis gestellt werden. - Die Verteidiger von Vermögens abgabe und Wertabstand meinten dagegen im Kern, die Kritiker des Entwurfs verließen angesichts der Finanzprobleme der öffentlichen Hände den Boden der Realität. 20 Daß die "Bodenreform" keine war, sondern ein Enteignungsakt mit Bestrafungscharakter, ist bekannt. Es handelte sich um den ersten, eine ganze Bevölkerungsgruppe erfassenden Akt der Abweichung der Sowjetzone von bis dahin allgemein gültigen Rechtsätzen. 100 ha Land war die - vielfach in der Praxis noch weit unterschrittene Grenze, von der an alles Land enteignet wurde. Die Eigentümer, keineswegs allesamt "Rittergutbesitzer", viele eher "Arbeiter und Bauern", wurden als "Klassenfeinde" (,Junker", "Unkraut") verfolgt, nicht selten umgebracht ("ausgerottet"). Die notwendige Wiederverbindung größerer Bevölkerungsteile mit dem Bodeneigentum war nicht das Ziel der SED, sondern die Bildung eines Agrarproletariats, das in die LPG-Kolchosen gedrängt und "entrechtet" wurde. 21 Die Bodenreforrnopfer müßten - so wurde gefordert - zumindest einen Teil ihrer Flächen zurückerhalten; Mauergrundstücke sollten den früheren Eigentümern zurückgegeben werden, vgl. FAZ vom 16.9.1993 sowie BT-Drs. 12/8427 vom 2.9.1994 (Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das VermG); s.o. Zweiter Teil, Fn. 28. Die Zwangsenteigneten, von denen übrigens nicht wenige im Osten geblieben waren, fürchteten überdies (im Ergebnis zu Recht), gerechnet in Wählerstimmen als eine Quantite negligeable angesehen zu werden.
11. Entstehungsgeschichte und Schwerpunkte des EALG
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Einmal mehr wurde, z.T. gestützt auf neue Informationen und Argumente, die verfassungsrechtliche Haltbarkeit der grundlegenden Differenzierung zwischen Enteignungen "vor" und "nach 1949" in Zweifel gezogen. Der besondere rechtfertigende Grund für die Ungleichbehandlung soll bekanntlich in der von der Bundesregierung behaupteten Unmöglichkeit liegen, die Zustimmung der UdSSR und der DDR zur Vereinigung Deutschlands zu erlangen, wenn nicht die Bodenreform garantiert worden wäre22 . Außerhalb des zweitägigen, intensiven Bundestags-Hearings, etwa in den Leserbriefspalten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, kulminierten die Verdikte23 in drastischen ("die Legende von der Vorbedingung", "Staatskartell des Unrechts"), emotionalisierten ("Hehlergut-Verwertungs-Gesetz") Formulierungen. Die nun häufiger auftauchende Formel von der Hehlerei hing mit dem bereits im Karlsruher Verfahren geäußerten Vorwurf zusammen, der Staat habe sich "die Beute gesichert"24. Die Rückübertragung sei abgeschnit22 Im Bodenreform-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hatten die Beschwerdeführer demgegenüber bereits vorgetragen: "Es sei bisher weder nachvollziehbar behauptet noch gar belegt worden, daß die Verhandlungspartner auf seiten der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion insoweit unnachgiebig gewesen seien. Hiergegen spreche auch, daß die Bundesrepublik deren Standpunkt lediglich zur Kenntnis genommen hatte", BVerfGE 84, 90 (106). - Später wurde (v gl. etwa Wasmuth, DtZ 1994, S. 142 ff.) dargelegt, die UdSSR habe dem vereinten Deutschland freie Hand bei den tatsächlichen Behandlungen der Konfiskationen gern. deutschem Recht eingeräumt; Moskau habe nur - naheliegender- und üblicherweise gefordert, seine damaligen Befehle nicht "in toto als null und nichtig zu behandeln". S.o. Erster Teil, C.III.3. 23 Manche ließen Einsicht in die Zusammenhänge und Großmut vermissen; so wenn ausnahmsweise die schlichte, abstrichlose Wiederherstellung des Status quo ante verlangt wurde. Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen, bleibt es aber bei der Versicherung und Bereitschaft, fremden Besitz usw. (also z.B. die Pächterrechte) zu respektieren. 24 Vgl. bereits die in BVerfGE 84, 90 (106) referierte Auffassung der Beschwerdeführer: "Da sich rund 70 vom Hundert des Bodenreformlandes nach wie vor im Volkseigentum oder genossenschaftlichen Eigentum befanden, könne der weit überwiegende Teil des Eigentums ohne weiteres an die früheren Eigentümer zurückgegeben werden. Insoweit sei es die Bundesrepublik, die sich das Land entschädigungslos aneigne." - Die angebliche "Chance, das Volkseigentum der DDR in das bundesrepublikanische Staatsvermögen zur Finanzierung , größerer Aufgaben' zu überführen" (Leserbrief FAZ vom 22.3.1991), erwies sich, finanzwirtschaftlich betrachtet, bisher als trügerisch. Jede Nicht-Rückgabe bleibt für die öffentliche Hand (letztlich für den Steuerzahler) mit erheblichen Kosten verbunden, stets auch mit hohen Verwaltungsausgaben. Nicht wenige Kreise und Gemeinden ächzen mittlerweile unter dem Instandsetzungs- und Unterhaltungsaufwand für Gutshäuser, (säkularisierte) Kirchen, Sammlungen usw. - für Vermögenswerte, die den Alteigentümem wohl auch deshalb nicht ohne weiteres zurückgegeben wurden, weil die unerfahrenen Kommunalpolitiker sie ursprünglich für "Gold wert" gehalten hatten. Der Treuhandanstalt mag
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
ten und die Rückerwerbsmöglichkeiten seien deshalb so unzureichend ausgestaltet worden, weil sich die öffentliche Hand in ihrer überzogenen Einnahmeorientierung an der Verwertung des ihr mit der Herstellung der deutschen Einheit zugefallenen ehemaligen "Volkseigentums"25, das ja tatsächlich wie rechtlich noch da, also prinzipiell rückübertragungsfähig ist, "bereichern" wollte26 . Nach der für das federführende Ressort, die Bundesregierung und die Unionsfraktionen niederschmetternden - ersten - Expertenanhörung wurde im Spätherbst 1993, nun unter Leitung des Bundeskanzleramtes, ein modifizierter Text erarbeitet. Dieser lag seit Mitte Januar 1994 - mittlerweile war man in ein großes Wahljahr eingetreten - dem Bundestag VO~7. Die Vermögensabgabe, tragendes Element der Regelungsarchitektur, war nun fallengelassen worden. Im Gesetz nebst "Bohl-Papier" fanden sich jetzt detaillierte, wenig transparente Regelungen zu einer Erwerbsberechtigung für Alteigentümer und einem sog. Siedlungskauf. Anfang Februar 1994 mußte sich die auch in anderen Punkten geänderte Gesetzesvorlage der gleichen Feuerprobe wie ihre vorherige Fassung unterziehen: einer - zweiten - Anhörung. Obwohl nicht nur die Vorlage wesentlich modifiziert worden war, sondern auch der Kreis der Sachverständigen gegenüber dem ersten Hearing wichtige Zu- und Abgänge erfahren hatte, stieß die "Kanzleramts-Fassung" überwiegend auf Ablehnung. Auch sie, wurde mehrheitlich vorgetragen und begründet, hielt rechtsstaatlichen Ansprüchen (noch) keineswegs stand 28 .
es mit zahlreichen Rinder- und Schweinezuchtbetrieben, mit überdüngten land- und ausgedünnten forstwirtschaftlichen Flächen nicht anderes gegangen sein. 25 _ eben die in der SBZ entschädigungslos enteigneten Güter, Forsten und Gebäude. 26 Das durch "Diebstahl" zustandegekommene Volkseigentum der DDR werde nun als "Beute" der Bundesrepublik behandelt, lautete das Verdikt. Der Verfassungsstaat trete als "Hehler" des Unrechtsstaats auf. Die Treuhand, gedeckt auch durch ein AntiJunker-Ressentiment weiter Kreise in West wie Ost, verkaufe ungeniert fremdes Eigentum und "bereichere" den Bund mit dem "Hehlereierlös". Zudem seien die "Junker" nicht die einzigen Opfer gewesen; unter diesen seien vielmehr zahllose ,,kleine Leute", etwa unter den Zonenrandopfern und unter den vielen in Ostdeutschland verbliebenen Opfern der Bodenreform. 27 Der entsprechende Koalitionsbeschluß datiert vom 23.11.1993. Der von der ,,Bahl-Kommission" überarbeitete Entwurf (n.v.), mit den Änderungsanträgen der CDU / CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, lag seit Mitte Januar 1994 vor. S. vor allem die "Formulierungshilfe des BMF' (Staatssekretär Grünewald) vom 12. Januar 1994. 28 Vgl. das unkorrigierte stenographische Protokoll der Öffentlichen Sitzung des Finanz- und des Rechtsausschusses (Prot. 12/68 bzw. 12/111) vom 2.2.1994. Gutachtliche Stellungnahme für das Hearing Graf Vitzthum, FAZ vom 14.4.1994, S. 12.
11. Entstehungsgeschichte und Schwerpunkte des EALG
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Das Problem des Wertabstands, Schlüsselfrage des Entschädigungsgesetzes, war durch das Bauemopfer Vermögensabgabe und die Anhebung der Bemessungsgrundlage für die Entschädigungen (bei der Grundstücksart Landund Forstwirtschaft statt des 1,3fachen des Einheitswertes von 1935 nun das 3fache)29 nicht hinreichend entschärft worden. Als zu gewaltig erwiesen sich die Degressionsschritte, die jetzt in das Entschädigungssystem ab Beträgen von mehr als DM 10.000 eingebaut worden waren. Als deutlich zu massiv erschienen die Abzugsregelungen, insbesondere bezüglich bereits empfangenen Lastenausgleichs30• Das Programm zur "Verwertung ehemals volkseigener landwirtschaftlicher Flächen" zudem, Kernelement des vorweihnachtlichen Kompromisses, hatte die Erwerbschancen für Alteigentümer weder prozedural fair noch materiell verfassungs gerecht gesichert. So sah es jedenfalls die deutliche Mehrheit der Sachverständigen. Überdies hatten die Zweifel an der faktischen Grundlage der Differenzierung zwischen "vor" und "nach 1949" weiter zugenommen. Wo Rückgabe möglich sei, also bei den (Bodenreform-)Treuhandflächen, müsse statt - zudem zu geringe - Entschädigung oder Ausgleichsleistung als Wiedergutmachung Rückübertragung gewählt werden. Gleichwohl verabschiedete der Deutsche Bundestag das Entschädigungsund Ausgleichsleistungsgesetz am 20. Mai 1994 in 2. und 3. Lesung in dieser - erneut modifizierten - Fassung3 !. Am 10. Juni 1994 befaßte sich der Bun29 Bei Grundstücken bemißt sich die Höhe der Entschädigung also nach dem Einheitswert von 1935. Er wird mit einem nach Grundstücksarten differenzierten Faktor multipliziert. Beträgt der Faktor für Unternehmen 1,5 und für Land- und Forstwirtschaft 3,0, so beläuft er sich bei Einfamilienhäusern und Geschäftsgrundstücken auf 7,0 und bei unbebauten Grundstücken auf 20,0 (§ 3 EntschädigungsG). 30 Mit dem Vennögenswert verbundene langfristige Verbindlichkeiten (Forderungen und Schutzrechte) sowie bereits erhaltene Entschädigungen oder Gegenleistungen werden von dem gern. § 3 EntschädigungsG ennittelten Wert abgezogen. Bei verschiedenen Ansprüchen werden die Werte addiert. Der errechnete Wert wird dann scharf degressiv gekürzt. Ist der Wert vor Degression z.B. 50.000,- (500.000,- oder 3.000.000,-) DM, so beträgt er nach der Degression nur 32.000,- (bzw. 127.000,oder 402.000,-) DM. Nach Durchführung dieses ungewöhnlich großen Degressionsschrittes, der die Unterschiede zwischen "großen" und "kleinen" (Bodenreform-)Opfern stark nivelliert, werden Leistungen, z.B. erhaltener Lastenausgleich, mit der Entschädigungssumme verrechnet. - Waren zum Zeitpunkt der Entziehung der Grundstücke bzw. des Vennögens mehrere Berechtigte, Bruchteilgemeinschaften, Erbengemeinschaften oder Stiftungen vorhanden, so erfolgt keine Gesamtdegression, sondern bei jedem einzelnen Berechtigten nach seiner Anspruchshöhe gesondert. 31 Die aufgrund der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses BT-Drs. 12/7588 (vom 18.5.1994) - vom Bundestag in namentlicher Abstimmung verabschiedete Fassung des EALG trägt die BR-Drs. Nr. 467/94 (vom 20.5.1994); VerhBT 12/229/20.5.1994/19863 ff. (zur Geschäftsordnung), 19908 ff. (2. und 3. Lesung). - Zu dieser von maßgeblichen Koalitionsabgeordneten als verfassungswidrig
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
desrat, von einer SPD-Mehrheit bestimmt, (erneut) mit dem Gesetz. Er beschloß, ihm nicht zuzustimmen32 • Die Bundesregierung verlangte daraufhin am selben Tag die Einberufung des Vermiulungsausschusses (Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG). Die Kritik des Bundesrates entzündete sich vor allem am Ausgleichsleistungsgesetz, besonders an der Rechtsstellung der Pächter und der Nachfolgegesellschaften von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften 33 . Auch Brandenburg sowie CDU-geführte neue Länder wie Mecklenburg-Vorpommern hielten diese Positionen und damit den "sozialen Frieden auf dem Lande" nicht für hinreichend gesichert - das "Superwahljahr" 1994 kannte, obwohl erst zur Hälfte abgelaufen, bisher nur einen ubiquitären Sieger: die PDS mit ihrem neofeudalistischen Programmpunkt eines vorrangigen Überführens des ehemaliges Volks- bzw. Staatseigentums der DDR in kommunales und genossenschaftliches Eigentum. Der Bundestag befaßte sich dann intensiv mit dem im Vermittlungsausschuß beschlossenen Einigungsvorschlag34 • In dieser Fassung drohte das Gesetz indes im Bundesrat erneut zu scheitern, nicht zuletzt wegen der immer pointierter Pächter- und LPG-freundlichen Position östlicher Länder. Deshalb beschloß der Bundesrat am 7. Juli 1994 seinerseits, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. Der Ausschuß erarbeitete daraufhin - erneut hinter verschlossenen Türen - eine weitere, modifizierte Fassung insbesondere des Ausgleichsleistungskomplexes35 . Sie ist nun Gesetz geworden. Den Kern des Kompromisses bildet ein einheitliches Flächenerwerbsprogramm mit gleichen Bedingungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Wieder- und Neueinrichtern wird ebenso wie Alteigentümern ein als "begünstigt" bezeichneter Kauf von Nutzflächen ermöglicht (ob die als "begünstigt" bezeichneten Kaufpreise [dreifacher Einheitswert] angesichts des großen Angebots [mehr als 1,5 Mio. ha] tatsächlich zu erzielen sein werden, muß bezweifelt werden). Das Entschädigungsgesetz (Art. 1 EALG) blieb demgegenabgelehnten Fassung FAZ vom 19.5.1994, S. 1: "Mit ihrer Abwehrhaltung gegen die Rechte der Eigentümer gehen sie [die Abgeordneten und die Bundesregierung] ein auf die widerrechtliche Vorstellungswelt der einstigen SED, machen sie sich Teile darin zu eigen. Das ist, als hätte der wiedervereinigte deutsche Staat ein wesentliches Stück seiner bisherigen Rechtsstaatlichkeit an der Garderobe abgegeben, nachdem er die Eingangspforte zur Wiedervereinigung passiert hatte. Anpassung des Rechtsstaates an den einstigen Staat des Unrechts? Ein fatales Ergebnis" (K.P. Krause). 32 BR-Drs. 467/94 (Beschluß) vom 10.6.1994. 33 Letzterer Aspekt hatte, im Unterschied etwa zum pointiert fiskalischen Denken der Bundesregierung bezüglich der Höhe der Entschädigung und damit auch der Ausgleichsleistung, in beiden Bundestags-Hearings keine Rolle gespielt. 34 Vgl. auch BT-Drs. 12/7875, 12/7839, 12/7832, 12/8281. 3S BT-Drs. 12/8413 vom 1.9.1994.
11. Entstehungsgeschichte und Schwerpunkte des EALG
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über unverändert. Im Ergebnis wurden die Rechte der Pächter deutlich verstärkt, die Erwerbsmöglichkeiten für nicht selbstwirtschaftende Alteigentümer drastisch beschnitten (Art. 2 § 3 EALG)36. Im Nullsummenspiel Alteigentümer / Pächter hatten letztere mit Hilfe des Bundesrates und der Ministerialbürokratie gesiegt. In dieser Fassung wurde das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom Bundestag, wie gesagt, am 6. September 1994 gebilligt. Nachdem sich die neuen Länder im Bundesrat zu Lasten der Betroffenen nochmals durchgesetzt hatten, erfolgte dessen Zustimmung am 23. September 1994, knapp drei Wochen vor den Bundestagswahlen. Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz tritt am ersten Tage des auf die Verkündigung folgenden dritten Kalendermonats in Kraft, am 1. Dezember 1994 also. Zur Geltendmachung der Ausgleichsleistungsansprüche verbleibt dann eine Frist von 6 Monaten3? Das Gesetz ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Hervorgehoben seien hier nur die deutlich zu geringe Höhe und zumal die zu scharfe Degression der (Minimal-)Entschädigung im Entschädigungsgesetz-Teil (Art. 1, unten III.) sowie der Umstand, daß im Ausgleichsleistungsgesetz-Teil (Art. 2, unten IV.) zusätzlich38 die Rückerwerbsmöglichkeit für Alteigentümer unzureichend ausgestaltet ist (unten V.)39. Insofern ist das Entschädigungsgesetz - gemes36 Die selbstwirtschaftenden Wieder- oder Neueinrichter haben im Rahmen des ihnen zustehenden Rechts auf Flächenerwerb Vorrang, wenn Alteigentümer dieselben Flächen beanspruchen. Alteigentümer werden nachrangig behandelt, wenn in Konkurrenz zu ihnen der landwirtschaftliche Pächter innerhalb von sechs Monaten seine Bereitschaft zum Kauf bekundet. Experten rechnen damit, daß mehr als 7.000 Pächter von einer solchen Option Gebrauch machen, Alteigentümer also verdrängen werden. 37 Die Frist zur Ausübung des Wahlrechts zwischen Entschädigung und Restitution beträgt 6 Monate, für Berechtigte mit Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland 3 Jahre. Die Kompromißfassung des EALG beinhaltet u.a. eine entsprechende Änderung des Vermögensgesetzes. 38 Die Entschädigungsregelung in Art. 1 §§ 7 f. EALG schlägt ja auf die Höhe der Ausgleichsleistung und die Art und Weise der Erfüllung durch (Art. 2 § 2 EALG). 39 Vgl. demgegenüber die SPD-Kritik am EALG (in dessen "vorletzter" Fassung): In großem Umfang könnten Personen Land erhalten, die nicht die Absicht hätten, selbst Landwirtschaft zu betreiben; es würden Menschen gefördert, die überwiegend in den alten Ländern lebten, statt daß die Bewirtschafter von Grund und Boden begünstigt würden, FAZ vom 8.7.1994. Im Kern handele es sich - eine Meinung, die noch stereotyp geäußert wurde, nachdem der Vermittlungsausschuß bereits empfohlen hatte, in den neuen Ländern juristische Personen ohne Einschränkung den Wiederoder Neueinrichtern gleichzustellen - um ein "Vermögensbildungs-Programm für Besitzende"; Ostdeutsche würden "nach wie vor schlechter gestellt als Alteigentümer"; daran wolle die SPD nicht mitwirken, FAZ vom 1.7.1994. Insbesondere die SPD Mecklenburg-Vorpommern stellte sich im Bundestagswahlkampf 1994 dann als Anwalt der Ost- und Landesinteressen dar (sich darin - letztlich für sie wenig erfolgreich - mit der PDS-Wahlkampfkonzeption überschneidend). Vgl. das SPD-Wahl-
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
sen an der Rückübertragung als der seit 1990 ersten Wahl des Wiedergutmachungsgesetzgebers - systemwidrig. Gemessen am Zweck, das Unrecht jener Zeit wenigstens partiell auszugleichen, ist das Ausgleichsleistungsgesetz zweckwidrig. Im Zuge seiner langjährigen, gewundenen, interventionsreichen Entwicklung hat das Gesetz natürlich auch (minimale) Verbesserungen gegenüber dem ersten Entwurf erfahren 40 • Dies gilt allerdings nicht für seinen Kern, die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsagende. Hier sind, aus der Perspektive der Wiedergutmachung, letztlich nur kontinuierliche Verschlechterungen feststell bar. Für das Gros der Berechtigten ist das Flächenerwerbsprogramm ein zu mager ausgestattetes Versprechen. Über den komplizierten Regelungsdetails des Gesetzes darf die rechts-, sozial- und integrationspolitische Kernaufgabe des Vorhabens nicht aus dem Blick verloren werden. Es ging über all die Jahre und es geht weiterhin nicht nur um eine Entschädigung bzw. Ausgleichsleistung in einem engen wirtschaftlich-finanziellen Sinne. Es geht vielmehr auch und primär um eine Wiedergutmachung. Ist es dem Gesetzgeber, so lautet die zusarnrnenfassende Schlüsselfrage, gelungen, mittels dieses neuen Gesetzes wenigstens teilweise einen zentralen Teil des vor-rechtsstaatlichen Unrechts wiedergutzumachen (unten VI.)41 - zumal die von Anfang an bestehenden Zweifel an der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung der vor und nach 1949 Enteigneten bis in die letzten Tage der Verabschiedung des Gesetzes hinein immer stärker geworden sind?
plakat, das eine Familie vor einer Wochenend-Datsche zeigt, darüber der Slogan: "Was uns gehört, muß unser bleiben." 40 Etwa in Art. 2 § 5 EALG (Rückgabe beweglicher Sachen) und in Art. 9 EALG (Vertriebenenzuwendungsgesetz). - Insbesondere die Rückgaberegelung bei "Kunstgegenständen" läßt aus der Sicht von Eigentums- und Rechtsstaatsgarantie allerdings nach wie vor viel zu wünschen übrig. Die Bewertung richtet sich zunächst vor allem nach der Auslegung des § 5 Abs. 2 EntschG. Im ungünstigsten Falle bleibt die Bestimmung über die Rückübertragung von Kulturgut mangels Stichtagsregelung o.ä. eine leere Hülse. Darüber hinaus ist bisher bzgl. der Mobilien allgemein eine Enteignungs-Rechtsgrundlage noch nicht aufgetaucht. Insofern sind sie auch nach damaligem Recht entweder gestohlen (so z.B. auch zahllose Augenzeugenberichte) oder nur beschlagnahmt worden. Dann aber wäre heute weder die Vorenthaltung des Eigentums noch des Besitzes zulässig. Wenn jetzt das Eigentum zurückübertragen wird (was u.U. eine rechtliche Unmöglichkeit ist), fehlt es bei Kunstgegenständen nach wie vor an der Legitimität für die Vorenthaltung des unmittelbaren Besitzes. Diese Vorenthaltung heute zu regeln (im EALG) , ist unter Gesichtspunkten des Art. 14 GG problematisch. 41 Dabei sollte zugleich die kommunistische Diktatur konsequent mitaufgearbeitet werden.
III. System widrigkeit des Entschädigungsgesetzes
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ill. Systemwidrigkeit des Entschädigungsgesetzes Basis der Regelung des Entschädigungsgesetzes (Art. 1 EALG) und, wie wir sehen werden, wichtigster Schlüssel zur Beurteilung des gesamten Komplexes ist das bereits bestehende, in den ersten beiden Teilen unserer Studie schon vorgestellte legislative System in Sachen "offene Vermögensfragen". Gewiß, eine "Selbstbindung" des Gesetzgebers durch früher erlassene Gesetze gibt es in diesem schematischen Sinne nicht. Sie widerspräche der nur durch die Verfassung gebundenen politischen Gestaltungsfreiheit der Legislative. Der Gesetzgeber ist jedoch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz gern. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, eine von anerkennenswerten Gründen bestimmte Folgerichtigkeit ("Systemgerechtigkeit") zu wahren. Aus dem rechts staatlichen Rechtssicherheitsgebot folgt zudem die Pflicht, schutzwürdiges Vertrauen zu respektieren42 . Das vermögens bezogene Legislativsystem mit dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 i.V.m. der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 und dem Vermögensgesetz vom 23. September 1990 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1992) als Eck- und Bezugspunkten hat die Bereinigung der entschädigungslosen Enteignungen - erstens - einem zeitlich abgeschichteten Regime unterworfen, je nachdem, wie gesagt, ob vor oder nach der Gründung der DDR enteignet worden war. Bei den vor 1949 entschädigungslos Enteigneten handelt es sich vor allem um die Opfer der sog. "sozialistischen Bodenreform" und Industriereform. Innerhalb der - großen Gruppe der seitens der DDR (also seit 1949) entschädigungslos Enteigneten hat der Wiedervereinigungsgesetzgeber - zweitens - getreu dem frühzeitig vorgegebenen Leitprinzip ,,Rückgabe vor Entschädigung"43 drei Kategorien gebildet. Einer ersten Gruppe ordnete er einen Rückübertragungsanspruch zu. Diese Berechtigten erhalten somit ihr Eigentum zurück (§ 3 VermG). Statt Rückübertragung können sie ,,Entschädigung in Geld wählen" (§ 8 VermG). 42 Vgl. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, München 1976. - Das Gebot einer hinreichenden Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit hat z.B. bei der Gemeindegebietsreform eine Schlüsselrolle gespielt, vgl. BVerfGE 50, 50; 50, 195. Nicht weniger wichtig ist es (einschließlich des Gebots der Sachgerechtigkeit von Typisierungen) im Steuerrecht. 43 Es ist dies ein gewiß umständlicher, Komplikationen und Verzögerungen bewirkender Grundsatz. Indes ist er zweifellos näher an der Heilung der zugrundeliegenden Gerechtigkeitsprobleme als es eine Orientierung am reinen Entschädigungsprinzip gewesen wäre. Letztlich dürfte das Leitprinzip sich angesichts der hohen Kosten der Entschädigungsverfahren auch als wirtschafts-, finanz- und verwaltungspolitisch richtig erweisen - von seiner größeren Affinität zum Eigentums- und Wiedergutmachungsaspekt ganz zu schweigen.
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
Einer zweiten Gruppe erkannte der Gesetzgeber zwar grundsätzlich auch einen Anspruch auf Rückübertragung zu (§ 3 VermG). Dieser ist jedoch - ein keineswegs seltener Fall - wegen sog. vorrangiger öffentlicher Interessen (auch wegen Investitionsvorrangs) nicht durchzusetzen. Insofern wandelt er sich um in einen Entschädigungsanspruch (bzw. in einen Anspruch auf den Veräußerungserlös) des Alteigentümers gegen den Verfügungsberechtigten (§ 16 Investitionsvorranggesetz [InVorG], §§ 3 Abs. 4, 6 Abs. 6a VermG). Der Anspruch geht auf Auskehrung des Veräußerungserlöses durch den Veräußerer (etwa Treuhandanstalt). Im Ergebnis entschädigen also die Neuerwerber die Alteigentümer (von denen übrigens ein hoher Prozentsatz im Osten geblieben ist, also zu den Ostopfern gehört). Einer dritten Gruppe stand nach diesem System wegen sog. vorrangiger öffentlicher Interessen oder aus der Natur der Sache zwar kein Anspruch auf Rückübertragung zu; dieser Gruppe wurde aber von Anfang an ein Anspruch auf ,,Entschädigung in Geld" gewährt (§§ 4, 5 LV.m. § 9 VermG). Dabei kann die Entschädigung teilweise auch "durch Übereignung von Grundstücken mit möglichst vergleichbarem Wert erfolgen" (§ 9 Abs. 2 VermG). Diese Kategorien besitzen eine entscheidende Gemeinsamkeit: Den Berechtigten steht jeweils grundsätzlich ein Anspruch auf Rückübertragung (wahlweise Entschädigung) bzw. - dritte Kategorie - auf Entschädigung zu. Die Entschädigungsansprüche gehen auf "den Erlös" (§ 2 Abs. 4 VermG) , auf "Grundstücke mit möglichst vergleichbarem Wert" (§ 9 Abs. 2 S. 1 VermG) bzw. auf "Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf den von ihm zu beanspruchenden Vermögenswert entfallenden Geldleistungen aus dem [Veräußerungs-]Vertrag" (§ 16 Abs. 1 S. 1 InVorG), maximal in Höhe "des Verkehrswertes" (§ 16 Abs. 1 S. 3 InVorG). Zur erhofften Erleichterung von Investitionen mag der Gesetzgeber die Restitution seit 1990 immer weiter eingeschränkt haben - im Grundsatz, als ja bereits von der Gemeinsamen Erklärung festgelegtes Leitprinzip der gesamten Wiedergutmachungsregelung in Vermögensdingen, hat der Gesetzgeber die Restitution bis heute beibehalten44 • 44 Konkret bedeutet dies: Soweit der Anspruch auf Rückübertragung nicht durchgesetzt werden kann oder nach dem Willen des Berechtigten nicht durchgesetzt werden soll, soweit also entweder die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist (Unmöglichkeit, redlicher Erwerb, vgl. § 4 VermG) oder der Berechtigte die Alternative Entschädigung wählt (vgl. § 8 VermG), substituiert der Anspruch auf Entschädigung den auf Rückübertragung ("können ... stattdessen Entschädigung ... wählen", § 8 VermG). Der Rechts- und Wertverlust soll zumindest durch Entschädigung ("in Geld" oder z.T. durch Übertragung von Ersatzgrundstücken als "sachnäherer" Entschädigungsform) ausgeglichen werden. - Inwieweit die Investitionsvorrang-Regelung, also das Konstrukt der Bevorrechtigung eines x-beliebigen Investi-
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Hier ist nun auch die legislative Systementscheidung im Bereich der offenen Vermögensfragen angesiedelt: Der Entschädigungs- oder, wie man angesichts dieses Schemas auch sagen kann, der Sekundäranspruch muß an jenen nicht zu erfüllenden oder nicht gewählten Rückübertragungs- oder eben: Primäranspruch wertmäßig rückgebunden sein. Primär- und Sekundäranspruch bilden die beiden Seiten der Medaille ,,Recht der offenen Vermögensfragen". Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gebietet angesichts dieses im Jahre 1990 festgelegten und seither durchgehaltenen Schemas, daß der Sekundäranspruch auch im sonstigen Bereich der offenen Vermögens fragen in einer sach- und systemorientierten, von Privilegierungen und Diskriminierungen freien Relation zum Primäranspruch und seinem Wert steht. Innerhalb der Teilrechtsordnung ..Bereinigung des DDR-Enteignungsunrechts" müssen Rückübertragung und Entschädigung demnach qualitativ annähernd gleichwertig sein 45 • Solange Gemeinsame Erklärung, Vermögensgesetz und Einigungsvertrag den Grundsatz der Rückgabe aufrechterhalten 46 und als Regel (Primäranspruch) ausgestalten, muß der (sekundäre) Anspruch auf Entschädigung im tionswilligen vor dem Alteigentümer eine ..administrative Fehlgeburt" (Willgerodt) ist, ist hier nicht zu untersuchen. Richtig ist, daß sich der Staat hier anmaßt, besser zu wissen, was mit einem Vermögenswert geschehen soll, als der Eigentümer. 45 Dieses Schema hat vor allem in den Teilen des Wiedervereinigungsvertragswerkes seinen Niederschlag gefunden, die sich mit dem austauschbezogenen Verhältnis bei der Modalitäten der Wiedergutmachung beschäftigen. Das Vertragswerk geht vom Grundsatz der Rückübertragung aus. Bereits die Gemeinsame Erklärung spricht ihn im Eckwert Nr. 3 aus; § 3 VermG wiederholt und regelt ihn. In einer Reihe von Fällen ist allerdings, wie gesagt, eine Rückübertragung ausgeschlossen (§§ 4, 6 VermG, §§ 1-3, 16 InVorG). Die (zahlreichen) Fälle vorrangigen Interesses an der NichtRückübertragung ändern nichts an jener Grundsatzentscheidung pro Rückübertragung - sie ist Basis und Leitprinzip des Gesamtsystems. Konsequenterweise wird die Unmöglichkeit der Rückübertragung durch Einräumen eines gleichwertigen Ersatzanspruchs ausgeglichen (§§ 9, 21 VermG, §§ 1, 16 f. InVorG). Der Verlust des primären Rückübertragungsanspruchs wird also durch Einräumung eines sekundären Anspruchs auf gleichwertigen Geld- oder Sachersatz kompensiert. 46 Der im InVorG von 1992 zum Ausdruck gekommene Grundsatz .. Investition vor Rückgabe" ändert an diesem Schema nichts, im Gegenteil: Die Orientierung am Verkehrswert in § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG bekräftigt indirekt das auf dem Grundsatz der Rückübertragung basierende Schema. Wäre die Nichtrückgabe verallgemeinert worden, dann wäre das Investitionsvorrangverfahren möglicherweise zum Normalverfahren, die Ausnahme Entschädigung also zur Regel geworden. Manche Verfechter allgemeiner Rückgabeverweigerung wollten allerdings offenbar möglichst gar keine Entschädigung gewähren. Sie motivierten dies mit dem verfassungsgerichtlichen Diktum, es sei legitim, auf die allgemeine Haushaltslage Rücksicht zu nehmen. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft ist in dieser Richtung offen. Eine volle Verkehrswertentschädigung hat man jedenfalls nicht gefordert, sondern das Problem offengelassen.
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Prinzip den Wert jener Primärwiedergutmachung, die übrigens weder eine absolute Wertgrenze noch eine Degression kennt, erreichen 47 ; mitwirkende Gesichtspunkte mögen gewisse Abstriche erzwingen und erlauben, dürfen aber das Prinzip nicht überwuchern. Andernfalls setzt sich der Gesetzgeber zu seinem eigenen Regelungssystem und damit zu den Verfassungsgeboten der Folgerichtigkeit und des Vertrauensschutzes in Widerspruch48 . Das deutet bereits das BodenreformUrteil selbst an: ,,Der Gesetzgeber hat für die entschädigungslosen Enteignungen, die nicht unter die Regelung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung fallen, eine Wiedergutmachungsregelung getroffen, die vom Grundsatz der Rückgabe der enteigneten Objekte ausgeht ... , was auch für die Höhe der anstelle einer Restitution zu gewährenden Entschädigung von Bedeutung sein kann,,49. Der Gesetzgeber hat bei der Entschädigungsregelung demnach zu berücksichtigen, daß anderen ihr Gut zurückgegeben wird 50 . Die prinzipielle, systemgebotene materielle Gleichwertigkeit von Primärund Sekundäranspruch hatte sich in der ersten ("Finanzministeriums"-) Gesetzesvorlage insofern ansatzweise niedergeschlagen, als jedenfalls versucht wurde, keinen sachwidrig großen Wertabstand entstehen zu lassen zwischen den Restitutionsberechtigten einerseits und andererseits denjenigen, die auf Entschädigung verwiesen werden oder für diese optieren. Das wichtigste einschlägige Instrument war die Vermögensabgabe. Verfassungsrechtlich wie finanz-, wirtschafts- und verwaltungspolitisch war sie indes so unhaltbar ausgestaltet51 - von den wiedergutmachungspolitischen Schwachpunkten ("Opfer entschädigen Opfer" lautete der erhobene, polemisch zugespitzte Vorwurf) 47 Der wirtschaftliche Wert, der Marktpreis des Gutes, für welches entschädigt wird, darf bekanntlich bei der Enteignungsentschädigung unterschritten werden: BVerfGE 24, 367, LS 11 (sowie S. 420 ff.). Für die Entschädigung in Wiedergutmachungsdingen gilt das ebenfalls. 48 Dies ist unabhängig davon, ob der Gesetzgeber künftig das teils vorgegebene, teils selbstgewählte Programm durchhalten, also weiterhin am Anspruch auf Rückübertragung als legislativem Hauptgrundsatz festhalten wird. Weder Art. 135a Abs. 2 GG noch Art. 143 Abs. 3 GG suspendieren von der Beachtung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. Insofern steht dem Berechtigten auch dann das Grundrecht auf Gleichbehandlung zu, wenn das im VermG programmierte Schema in Richtung auf eine schwerpunktmäßige Entschädigungsregelung (Super-Plus-Vorfahrtsregelung) verschoben werden sollte. Das über die Jahre fixierte System der Wiedergutmachung ließe eine solche Binnenverschiebung wegen Art. 41 Abs. 3 EV ohnehin nur in engen Grenzen zu. Selbst dann aber müßten die Wiedergutmachungsleistungen in natura (Rückübertragung) und in Geld, bezogen auf denselben Berechtigten, wertmäßig annähernd gleiches Gewicht haben. 49 BVerfGE 84, 90 (129). so Vgl. Leisner, DVBI. 1992, S. 131 (132). SI Vgl. Stem/Aussem, Die Vermögensabgabe, Die Verwaltung 27 (1994), S. I ff.
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einmal ganz abgesehen -, daß die Bundesregierung dieses Regelungselement nach dem Fiasko des ersten Hearings wie eine heiße Kartoffel fallenließ s2 • Um die Schere ohne Vermögensabgabe nun nicht noch weiter auseinander klaffen zu lassen, hob die ("Kanzleramts"-)Gesetzesvorlage (Ende 1993/ Anfang 1994) die Bemessungsgrundlage der Entschädigung zugunsten der Berechtigten an. Gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EALG ist dieser Maßstab für die Entschädigung für Grundvermögen bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen jetzt das 3fache (für Mietwohngrundstücke z.B. das 4,8fache) des Einheitswertes von 1935. Die frühere Fassung der Vorlage hatte, neben der Vermögensabgabe, nur das 1,3fache des damaligen Einheitswertes bzgl. landund forstwirtschaftlicher Flächen angesetzt - vor allem wohl in der Annahme, zu DDR-Zeiten sei maximal der 1,3fache Einheitswert entschädigt worden: Man wollte nicht neue Begehrlichkeiten der in der DDR "ordnungsgemäß" Enteigneten wecken (die Grundannahme war allerdings falsch; Grundstücke wurden auch in der DDR von Sachverständigen bewertet usw.). Andererseits bleibt es bei dem prinzipiellen Orientierungsbruch. Er war von Anfang an im Entschädigungsgesetz (Art. 1 EALG) angelegt: Rückübertragung bzw. - in Wertkategorien - Verkehrswert dort, beim Primäranspruch, dies ganz im Sinne der Gesamtsystematik des Rechts der offenen Vermögensfragen; bloße Orientierung am (wenn auch verdreifachten) Einheitswert hier bei der Entschädigung, beim Sekundäranspruch also nach § 3 EntschG. Bereits dieses Austauschen der Bemessungsgrundlage muß Zweifel an der Folgerichtigkeit der so nun beschlossenen Entschädigungsregelung wecken. Die einen, die laut Investitionsvorranggesetz zurücktreten müssen, erhalten den Verkaufserlös, mindestens den Verkehrswert. Die anderen, deren Rückübertragungsansprüche aus technischen Gründen nicht erfüllt werden können, erhalten nur eine Entschädigung, die auf der Grundlage der viel niedrigeren Einheitswerte von 1935 berechnet wird und den fiktiven Verkehrswert verfehlt; eine Ersatzmöglichkeit für Entzogenes sichert diese Entschädigung nichtS3 . S2 Nach einem Änderungsantrag der SPD-Fraktion (BT-Drs. 12/7638) sollte zu einem späteren Zeitpunkt erneut über die Vermögensabgabe der Rückübertragungsberechtigten (also der zwischen 1949 und 1989 entschädigungslos Enteigneten) entschieden werden, um die Wertschere zwischen Rückgabe und Entschädigung zu verringern. Der Bundestag lehnte diesen Änderungsantrag zum Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 12/4887, 12/5108) am 18.5.1994 ab. Zu Recht: Allein schon die Administration der Vermögensabgabe würde einen Großteil der Einnahmen absorbieren (man erinnere sich der enormen Kosten der Lastenausgleichsverwaltung), von den negativen Auswirkungen auf den Aufschwung Ost ganz zu schweigen. S3 Auf diesen "allgemeinen Grundsatz des Entschädigungsrechts" weist etwa Leisner, DVBI. 1992, S. 131 (132) hin.
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Systemgerechtigkeit oder -ungerechtigkeit der Regelung der Entschädigung entscheiden sich im konkreten Fall indes nicht einmal in erster Linie an dieser Grundlage der Bemessung. Wesentlicher sind vielmehr drei zusätzliche, in Art. 1 §§ 7 f., § 3 Abs. 4 EALG enthaltene Elemente. Diese Detailregelungen - die scharfe, diskriminierende, in der amtlichen Begründung euphemistisch als "sozial" bezeichnete Degressionsregelung54 ; die volle Anrechenbarkeit der Altverbindlichkeiten; die Verrechnung erhaltenen Lastenausgleichs, und zwar erst nach der ohnehin massiven degressiven Kürzung, mit der Entschädigungssumme (Art. 1 § 8 EALG) - enthalten jede für sich verfassungsrechtlich problematische Elemente. Sie vergrößern das mit dem Auswechseln der Bemessungsgrundlage (Einheits- statt Verkehrswert) bereits angelegte Ungleichgewicht zwischen Rückübertragung und Entschädigung. Je größer der ursprüngliche Vermögenswert war, desto größer wird das Ungleichgewicht. Umgekehrt formuliert: Insbesondere die Degression hat - je größer der Vermögenswert, desto mehr - stark nivellierende Wirkung; der Vermögenswert konnte noch so groß sein - "am Ende", nach allen Degressionen, ist er bzw. die Entschädigungssumme nicht viel größer als bei einem schon ursprünglich wesentlich kleineren Vermögenswert. Es ist dies ein Ungleichgewicht, das, wie gesagt, dem Gesamtsystem der Regelung der offenen Vermögensfragen nicht entspricht. In ihrer Summe (Einheitswertorientierung, Abzug von Altverbindlichkeiten, anschließend scharfe Degressionsschniue, danach noch Abzug von Lastenausgleich) ist das Bild klar: Wegen dieser zentralen Teile des Entschädigungsgesetzes liegen Rückgabe und Entschädigung im Ergebnis, was ihren jeweiligen Wert angeht, zu weit auseinander. Einer Rückgabe kommt diese Entschädigung wertmäßig nicht einmal nahe. Die Kompensation ist näher an der Konfiskation als an der Restitution. Das vom anerkennenswerten Grund der Wiedergutmachung bestimmte System des Rechts der offenen Vermögensfragen wird hier ohne zureichenden sachlichen Grund verlassen. Fehlende Folgerichtigkeit dieses Ausmaßes verletzt das Grundgesetz. Daß die einheitswertorientierte Entschädigung nach Art. 1 § 3 i.V.m. § 7 EALG der Rückgabe bzw. dem (Verkehrs-)Wert der Flächen auch nur nahekäme, wurde weder vom Gesetzgeber noch von den regierungsamtlichen Verteidigern des Gesetzes je behauptet. In den Vordergrund wurden von diesen 54 Nur bei der Entschädigung, nicht bei der Rückübertragung gibt es einen generellen Kürzungsfaktor; er geht anteilig bis zu 95%, Art. 1 § 7 Abs. 1 EALG. Die Rückübertragung ist in ihrer Höhe demgegenüber nicht beschränkt. Die Differenzierung hat damit allein finanzwirtschaftliche Gründe. Dieser Bewertung dürfte auch von den Verteidigern der Wertschere nicht widersprochen werden. Das verfassungsrechtliche Problem steckt insofern letztlich in der Frage: Wie stark darf bei der legislativen Entschädigungsregelung aus fiskalischen Gründen vom (Verkehrswert-)Gesamtsystem abgewichen werden?
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Seiten vielmehr "fiskalpolitische Zwänge" und gesamtwirtschaftliche Überlegungen ("Aufschwung Ost") gerückt. Unter diesen Zwängen stehe der Wiedervereinigungsgesetzgeber allgemein und im konkreten Fall bei der Dotierung des Entschädigungsfonds (§§ 9 f. EntschG)55. Das Ungleichgewicht zwischen Rückgabe und Entschädigung wird dadurch weiter verschärft, daß die Rückübertragung bereits heute erfolgt; der Entschädigungsanspruch dagegen wird "durch Zuteilung von übertragbaren Schuldverschreibungen des Entschädigungsfonds (§ 9) erfüllt, die [erst] ... vom Jahr 2004 an ... getilgt" (und verzinst) werden, und zwar durch Auslosung in fünf gleichen Jahresraten bis zum Jahre 2010, Art. 1 § 1 Abs. 1 EALG. Die Papiere sind handeIbar, d.h. sie können abgezinst sofort nach Zuteilung verkauft werden. In der Summe dieser Regelungselemente klafft die Wertschere zwischen Rückgabe und Entschädigung zu weit auseinander. Während das Gesetz nach der unumgänglichen Amputation der Vermögensabgabe dem Rückübertragungsberechtigten den vollen gegenwärtigen Verkehrswert beläßt, hier also dem Schema der Rückübereignung und damit dem Äquivalent einer Enteignungsentschädigung gern. Art. 14 Abs. 3 GG entspricht, orientiert es sich beim Entschädigungsberechtigten im Ergebnis an ganz anderen, für den Berechtigten letztlich weit niedrigeren Maßstäben. Im Bereich land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen entsprechen diese Entschädigungssummen, wenn Insiderberechnungen zutreffen, im Schnitt maximal 20% des heutigen Verkehrswertes. Gewiß, eine maßvolle Öffnung des Wertabstands zwischen Rückgabe und Entschädigung ist verfassungsrechtlich hinnehmbar. Aber bei einer Differenz der skizzierten Dimension kann von Folgerichtigkeit - Art. 3 Abs. 1 GG - nicht mehr die Rede sein. Der Gesetzgeber ignoriert das frühzeitig festgelegte "Rückgabe vor Entschädigung"-Schema. Er verstößt gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit und Konsequenz56 . Dieser Bruch mit dem seit 1990 auf- und ausgebauten System des Vermögens- und Wiedergutmachungsrechts, diese Abkehr also vom vorherrschenden Rückgabe-, d.h. im 55 In der Tat schlugen bei den drastischen, i.V.m. dem Wegfall der Vermögensabgabe massiv verschärften Degressionsschritten und bei den in Umfang und Ausgestaltung nicht weniger einschneidenden Anrechenbarkeitsregelungen offensichtlich fiskalpolitische Vorabfestlegungen der Bundesregierung bzw. der Koalitionsspitze durch. Die Fixierung auf, wie erklärt wurde, "das Verteilen eines eng begrenzten Finanzvolumens" preßte die Entschädigungsregelung in das Prokrustesbett einer absoluten finanziellen Obergrenze. Zudem wurde die Entschädigung nicht nur höchst sparsam bemessen - in Extremfällen entstehen nach Expertenberechnungen sogar Minusbeträge -, sondern in hohem, letztlich gleichheitswidrigem Maße, wie es in der amtlichen Begrundung falschlicherweise heißt, "sozial" gestaffelt. Man erinnert sich an F. v. Hayeks Diktum, was mit dem Begriff "sozial" gemeint sei, könne er sich nicht vorstellen. Dient der Begriff hier nicht als Leerformel, mittels derer bestimmte verteilungs- und agrarstrukturpolitische Ziele gefördert werden sollen? 56 Vgl. etwa Badura, Staatsrecht, München 1986, Rdnr. D 95, F 10, I 13.
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Ergebnis: Verkehrswert-Äquivalenz-Prinzip beruht allein auf fiskalischen, demnach nicht an der Sache selbst (Wiedergutmachung vor-rechtsstaatlichen Unrechts) orientierten Erwägungen. Trotz seines (schwankenden) Gewichts in Staatsrechtslehre und Verfassungsrechtsprechung darf der System- und Gleichheitsgedanke nicht überspannt werden. Das Angemessene, gerade bei einer Unrechtsbereinigung und juristischen Vergangenheitsbewältigung nach Jahrzehnten, ist stets schwer zu bestimmen57 • Ohnehin kann man ..geschehene Ungerechtigkeit nicht rückgängig machen" (Martin Walser). Aber da sich der Gesetzgeber - nach den Festlegungen in der Gemeinsamen Erklärung - im Einigungsvertrag und im Vermögensgesetz selbst dafür entschieden hat, dem Rückgabeberechtigten, soweit irgend möglich und von ihm gewünscht, das volle Eigentum der entschädigungslos entzogenen Objekte in ihrem gegenwärtigen (wenn auch oft beklagenswerten) Zustand zu übertragen, hat er die Entschädigungsberechtigten im Prinzip annähernd so zu stellen, wie wenn diese die ungeschmälerten Vermögenswerte erhielten. Das Verfassungsgebot der Systemgerechtigkeit und Konsequenz erzwingt ein weitestgehendes Parallelisieren von Primärund Sekundäranspruch58 • Eine bereits angedeutete Kontrollüberlegung unterstreicht diese Schlußfolgerung. Sie verdeutlicht erneut das von der Legislative selbst seit 1990 errichtete, seither immer wieder bekräftigte ..System der Regelung der offenen Vermögensfragen". Diese Ordnung durfte der Gesetzgeber nun, im Herbst 1994, nicht ignorieren. Der Gesetzgeber hat sich bereits frühzeitig in Richtung auf die wertmäßige Gleichbehandlung von Rückgabe- und Entschädigungsanspruch festgelegt. In den Fällen eines sog. vorrangigen Investitionsinteresses hat er dem Rückübertragungsberechtigten seit 1991/92 Getzt § 16 InVorG) einen Anspruch auf den aktuellen Verkaufserlös eingeräumt. "Unterschreitet dieser den Verkehrswert, den der Vermögenswert in dem Zeitpunkt hat, in dem der Investitionsvorrangbescheid vollziehbar wird, ... so kann der Berechtigte Zahlung des Verkehrswertes verlangen", § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG. Hier hat der Gesetzgeber das Schema einer echten Enteignungsentschädigung gewählt. Wie kann es mit dem Verbot willkürlicher Erwägungen vereinbar sein, wenn in den im Kern gleichgelagerten Fällen nur eine Entschädigung geleistet wird, die mittels einer einheitswertorientierten, stark ni57 Vgl. Günther, Der Sinn für Angemessenheit, Frankfurt a.M. 1988, S. 309 ff. (Angemessenheitsargumentation im Recht). 58 Unterfällt der Primäranspruch keiner Degression bzw. wird er nicht durch eine Vermögensabgabe o.ä. nennenswert abgeschmolzen - dies, die ungeschmälerte Rückübertragung also, ist der Eckpunkt des von der Legislative gewählten, ihr ja ohnehin im wesentlichen vorgegebenen Systems -, dann darf der Sekundäranspruch einer solchen Degression (oder einem sonstigen massiven ..Deckeln" oder egalisierenden Abschmelzen) prinzipiell ebenfalls nicht unterworfen werden (Art. 3 Abs. 1 GG).
IV. Zweckverfehlung des Ausgleichsleistungsgesetzes
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vellierenden Bemessungsgrundlage berechnet wird und von der dann auch noch Altverbindlichkeiten sowie bereits erhaltene Entschädigungen oder Gegenleistungen abgezogen werden? Das Gleichheits- und Gerechtigkeitsproblem wird dadurch weiter verschärft, daß der verbleibende Betrag je nach Höhe einer (rasch zunehmenden) Kürzung ("soziale" Degression) unterliegt und dann auch noch empfangener Lastenausgleich abgezogen wird. Werden bei der Höhe des Rückgabeanspruchs keine wertmäßigen Abstriche gemacht (etwa durch eine verfassungskonform ausgestaltete Vermögensabgabe), muß die Entschädigung dem Niveau einer Verkehrswertentschädigung zumindest im wesentlichen angenähert werden 59 . Zu dieser Folgerichtigkeit ist der Gesetzgeber trotz seiner prinzipiellen und etwa aus der Sicht des Demokratieprinzips dringend gebotenen politischen Gestaltungsfreiheit verpflichtet (Art. 3 Abs 1 GG). IV. Zweckverfehlung des Ausgleichsleistungsgesetzes Während das Entschädigungsgesetz nach den grundsätzlichen Weichenstellungen im Winter 1993/94 unverändert geblieben ist, wurde das Ausgleichsleistungsgesetz (Art. 2 EALG) bis zuletzt immer wieder verändert60 • Im Mittelpunkt der massiven Interventionen und der immer einschneidender ausfallenden Modifikationen standen die Land- und Forsterwerbsregelungen und - dies war allerdings politisch weniger brisant - die Rückgabe der beweglichen Sachen. In der neuen "Flächenerwerbs"-Regelung des § 3 AusglLeistG, die die bisherigen § 3 Landerwerb und § 4 Siedlungskauf in einer einzigen Bestimmung zusammenfaßt, wurden die Rechte der Pächter verS9 Das Bundesverfassungsgericht wird, wenn es sich mit diesem Kemproblem des Entschädigungsgesetzes befassen wird - und das dürfte bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1995 der Fall sein -, auch die Frage zu beantworten haben, ob sich der Staat darauf berufen kann, trotz normierter Rückübertragungs- bzw. korrespondierender Entschädigungspflicht wolle er sein eigenes riesiges (Finanz-)Vermögen letztlich nicht angreifen. Ein Schuldner kann sich seiner Schuld nicht mit dem Argument entziehen, er brauche sein Geld für andere Zwecke. Gilt für den Staat etwa anderes? Das Gegenteil ist der Fall: Unrechts bereinigung und Wiedergutmachung in Vermögensdingen als Gesetzgebungsauftrag intensivieren die Pflicht, die Entschädigung sachangemessen und konsequent zu regeln. Die hier konstatierte Pflichtverletzung ist zudem auch gesamtwirtschaftlich schädlich. Das Gleichheitsgebot versperrt dem Bundesverfassungsgericht den Weg einer den Dingen ihren Lauf lassenden, damit auch politisch in einer bestimmten Richtung wirkenden Enthaltsamkeit. 60 Unverändert bleibt die inhaltliche Verschränkung beider (Teil-)Gesetze im Artikelgesetz EALG: Die Höhe der Ausgleichsleistung und die Art und Weise der Erfüllung richten sich nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes. Die Probleme der Systemgerechtigkeit treten deshalb auch bzgl. des Ausgleichsleistungsgesetzes auf.
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
stärkt. Die Erwerbsmöglichkeiten für nicht selbstwirtschaftende, also nicht sofort rückkehrwillige oder -fähige Alteigentümer wurden immer weiter geschwächt. Gern. § 5 AusglLeistG werden bewegliche Sachen, die nicht im Einheitswert des Betriebsvermögens enthalten waren (private Habe) und zwischen 1945 und 1949 enteignet worden sind, dem früheren Eigentümer zurückübertragen, sofern dies nicht von der Natur der Sache her ausgeschlossen ist oder Dritte (natürliche Personen, Religionsgemeinschaften oder gemeinnützige Stiftungen) "in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum erworben haben". Kulturgut verbleibt auf die Dauer von 20 Jahren zur unentgeltlichen Nutzung im Museumsbesitz, sofern es nicht mehr als zwei Jahre nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist61 • So unbefriedigend die hier nicht näher analysierte Regelung bezüglich der beweglichen Habe ist - im Mittelpunkt der Probleme dieses Gesetzes stehen, sieht man von der auch hier durchschlagenden fehlenden Balance zwischen Rückgabe- und Entschädigungsregelung (Art. 2 § 2 Abs. 1 EALG) ab (s.o. III), die privilegierte Erwerbsberechtigung für Pächter und die weiter beschnittene Erwerbsmöglichkeit für Alteigentümer, die nicht selbstwirtschaften. Nach Art und Umfang bleibt diese Regelung, bezogen auf die Rechtsstellung dieser Hauptkategorie der Alteigentümer, hinter dem vom allgemeinen Gleichheitssatz i.V.m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip Geforderten (der Basis des Wiedergutmachungsauftrags) zurück. Es kommt zur Diskriminierung besonders der nicht selbstwirtschaftenden Alteigentümer. Der Gesetzgeber erleichtert den Erwerb seitens der entschädigungslos Enteigneten (Reprivatisierung) selbst dann nicht, wenn die Treuhandanstalt über die landwirtschaftlichen Flächen verfügt - die Erwerbsmöglichkeit bezüglich Waldflächen ist etwas weniger ungünstig ausgestaltet62 - , eine Privatisierung 61 Anders formuliert: Kunstwerke (und sonstiges Kulturgut), die zur öffentlichen Ausstellung bestimmt sind, erhält der frühere Eigentümer nur mit der Einschränkung eines 20jährigen unentgeltlichen, danach entgeltlichen öffentlichen Nutzungsrechts zugunsten der jeweiligen öffentlichen Einrichtung zurück - eine dem bisherigen Kulturgüterschutzrecht unbekannte, äußerst weitreichende, verfassungsrechtlich zweifelhafte Inpflichtnahme. Wird das Kunstwerk mehr als zwei Jahre nicht ausgestellt, entscheidet auf Antrag des Berechtigten die oberste Landesbehörde über das öffentliche Interesse an der Zweckbestimmung und damit über die Fortdauer des Nutzungsrechts. Die Kosten für überlassenes Kulturgut trägt der Nießbraucher. Der zum Nießbrauch Berechtigte kann die Fortsetzung des Nießbrauches gegen angemessenes Entgelt (was nur eine dem Wert entsprechende angemessene Verzinsung bedeuten kann) verlangen. 62 Auf die fehlende Folgerichtigkeit der Regelung - bezogen auf das System der Wiedergutmachungsgesetzgebung - wirft das ein bezeichnendes Licht. Der Staat will sich von Kostenträgem entlasten, deshalb ist er hier "großzügiger". Die unterschiedli-
IV. Zweckverfehlung des Ausgleichsleistungsgesetzes
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ohnehin zu erfolgen hat (schon um das Treuhandvermögen einem marktwirtschaftlichen Rationalisierungsdruck auszusetzen) und bessere Rechte Dritter nicht entgegenstehen63 . Gewiß, der Gesetzgeber hat bei der Wiedergutmachung einen weiten Spielraum. Der oberste Gesichtspunkt dabei hat aber das in der Gemeinsamen Erklärung grundsätzlich festgelegte Prinzip der Rückgabe zu sein. Es ist daher willkürlich bzw. verstößt gegen die Wiedergutmachungspflicht, wenn der Staat statt der möglichen Rückgabe eine - zudem zu geringe - Entschädigung oder Ausgleichssumme zahlt. Wo der Vermögenswert noch da und in der Hand des Staates (der Treuhandanstalt) ist, wo Rückgabe also möglich ist, muß diese gewählt werden (§ 1 Abs. 8 lit. a VermG analog). Die Verweisung des Berechtigten auf eine bloße Zahlung ist unzulässig, wenn der Gegenstand noch vorhanden ist - tatsächlich wie rechtlich -, und zwar in der Hand des zur Privatisierung wie zu Entschädigung / Ausgleichsleistung Verpflichteten. Mit dem stark verwässerten Erwerbsrecht - eingerichtet wurde nur eine zudem quantitativ begrenzte Erwerbsmöglichkeit, kein Anspruch auf Landerwerb, gar auf Erwerb gerade des ja rechtlich wie tatsächlich noch vorhandenen "Eigenen" - verfehlt der Gesetzgeber die Aufgabe, Konfiskationsunrecht zu bereinigen64 • Das im Bodenreform-Urteil hervorgehobene Gebot (Art. 3 Abs. 1 GG), ein System staatlicher Ausgleichsleistungen zugunsten der Opfer der sozialistischen Enteignungen auch und gerade der Besatzungsjahre 1945 - 1949 zu schaffen, wird mißachtet. Im Kern ist hier, urteilt man vereinfachend über das Resultat der Einwirkungen auf den Gesetzgeber, ein umfangreiches Land- und Forstsiedlungsprogramm-Gesetz dem ursprünglichen Ausgleichsleistungsgesetz aufgepfropft worden. Der Ausgleichsgedanke tritt
che Rückerwerbsmöglichkeit bzgl. Forstflächen einerseits und landwirtschaftlich genutzen Flächen andererseits ist damit einer der Punkte, an denen sich die inkonsequente Linie der Regelung nachweisen läßt. Zugespitzt formuliert: Folgerichtig ist der Gesetzgeber in fiskal-, nicht in wiedergutmachungspolitischer Hinsicht. Aus der Sicht der übergreifenden Aufgabe der Ausgleichsleistung ist dies eine Folgerichtigkeit, die nicht von einem insofern anerkennenswerten Grund bestimmt ist. - Zu befürchten ist im übrigen, daß sich der Fiskus auch bei den landwirtschaftlich genutzen Flächen verrechnet oder bereits verrechnet hat. Verkauft soll erst in ferner Zukunft werden; die bis dahin einfließenden Pachterträge u.ä. werden vermutlich von gleichzeitigen Subventionierungen mehr als aufgezehrt, wobei die LPG-Nachfolger es sicher verstehen werden, nicht zu kurz zu kommen. Rechnet man mögliche Verluste an Steuerzahlungen hinzu, wird das fiskalische Ergebnis immer magerer. Andererseits: Auch in den alten Bundesländern zahlt die Landwirtschaft per saldo kaum Steuern. 63 Vgl. bereits Badura, DVBI. 1990, S. 1256 (1263), sowie Graf Vitzthum, DZWir 4 (1994), S. 1 ff. 64 Der "Möglichkeit eines Rückerwerbs" hatte BVerfGE 84, 90 (127, 131), wie gesagt, ausdrücklich offengehalten. Zur (ausnahmsweisen) Restitution von Konfiskationen, die vor 1949 erfolgt waren, vgl. Biehler, VerwArch. 84 (1993), S. 514 ff.
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
zurück, der Pächterschutz- und Pächtererwerbsgedanke dominiert. Verbrieft wird den nicht selbstwirtschaftenden Alteigentümern zwar etwas mehr als das ihnen im rechtsstaatlichen Vergabeprozedere ohnehin zustehende Recht auf Verfahrensteilnahme, aber es ist eben kein substantielles Recht. Der Gesetzgeber zündet kaum mehr als eine Nebelkerze: keine entscheidende Verbesserung der Rechtsstellung dieser Enteignungsopfer, keine nachhaltige Orientierung am Gedanken des Ausgleichs. Überspitzt formuliert ist es eher ein Diskriminierungsgesetz, u.a. ein Gesetz zum ,)unker-Legen", als ein Gesetz zur Wiedergutmachung erlittenen Leids und Unrechts65 • Man kann sich die konkrete Gestalt vorstellen, die der an sich zugrundeliegende (Wiedergutmachungs-)Regelungsanspruch beim Marsch der Normen durch die Exekutive annehmen wird. V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm Die Analyse des Land- und Forstsiedlungsprogramms des § 3 AusglLeistG hat auszugehen von der Grunddifferenzierung zwischen Berechtigten, die selbstwirtschaften (also das unternehmerische Risiko tragen) und Berechtigten, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbstwirtschaften. Für letztere 66 erweist sich das Füllhorn des Programms als weitgehend leer. Ihre Er65 Man wird im Ergebnis - sit venia verbo - an die kommunistische Ost-Berliner "Verordnung über die Verwertung sequestrierter Hausratsgegenstände" aus dem Jahre 1949 erinnert. Hausrat wurde damals entschädigungslos enteignet (Unternehmen, Grundstücke und Häuser waren ohnehin bereits konfisziert worden). Hatten die Voraussetzungen für die Konfiskation ("Kriegsverbrecher", "Naziaktivist" usw.) nicht vorgelegen, sollte nachträglich zwar entschädigt werden; eine Rückgabe an den Alteigentümer aber, also die nächstliegende Form der Korrektur des Unrechts, durfte nur erfolgen, wenn "Vorkaufsberechtigte" (d.h. zwischenzeitlich Nutzungsberechtigte) nicht vorhanden waren: "allen, nur ja nicht den früheren Eigentümern" als unausgesprochene Maxime. - Historisch gesehen, sind bei der preußischen Bauern-"Befreiung" (nämlich nicht selten von deren Eigentum) sicher Fehler begangen worden. Fehler, vor 160 Jahren begangen, dürfen aber nicht an unschuldigen Nachfahren "gerächt" werden. Fehler korrigiert man allenfalls - wenn sie nicht vom historischen Ablauf von selbst korrigiert werden. Die Selbstkorrektur hat sich im 20. Jahrhundert mit der Vergrößerung der optimalen landwirtschaftlichen Betriebsgröße inzwischen vollzogen, und der Prozeß setzt sich vor unseren Augen fort. Insofern treffen die ,,Junker"- und die "Bodenreform"-Argumentationen und -Begriffe schon längst nur noch höchst bedingt zu. Vieles ist offensichtlich nur vorgeschoben. 66 Sie konnten in die Pächter- bzw. Wiedereinrichterposition, die sich nun als verfahrens- und erwerbsrechtlich so wichtig erweist, ja nur einrücken, wenn die Vergabestelle, konkret: Ld.R. die THA, daran mitwirkte, wenn sie diese Rechtsstellung also einräumte. Dies war in den vergangenen Jahren häufig nicht der Fall. Alteigentümer wurden von der monopolistisch agierenden Anstalt hingehalten; bereits eingestellte Pächter mußten wieder entlassen werden. Investitionswillige erhielten keinen Vertrag.
V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm
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werbsmöglichkeit ist auf 3.000 Bodenpunkte und 50% ihres Ausgleichsleistungsanspruchs - vor Abzug von empfangenem Lastenausgleich - begrenzt. Für den restlichen Anspruch auf Ausgleichsleistung können Waldflächen gekauft werden. Am Flächenerwerb teilnehmen können alle heute in den neuen Ländern tätigen Landwirte: Wiedereinrichter, d.h. natürliche Personen, die auf den ehemals volkseigenen gepachteten Flächen ihren ursprünglichen Betrieb wieder eingerichtet haben und ortsansässig sind67 ; am 3. Oktober 1990 ortsansässige Neueinrichter, d.h. natürliche Personen, die einen Betrieb auf diesen Flächen neueingerichtet haben und bereits am Tag der deutschen Einigung ortsansässig waren68 ; selbstwirtschaftende Alteigentümer. Auf Intervention vor allem aus den neuen Ländern wurde in das Gesetz die Erwerbsberechtigung für LPG-Nachfolgebetriebe, die am 1. Oktober 1996 landwirtschaftliche Treuhandflächen langfristig gepachtet haben, aufgenommen. Auch die Gesellschafter der juristischen Person sind erwerbsberechtigt, die am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren und hauptberuflich in der Gesellschaft tätig sind, sich zudem verpflichten, ihre erworbenen Flächen auf 18 Jahre an ihre Gesellschaft zu verpachten und mit diesen Flächen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften 69 . Diese Präzisierungen sollen beim Landerwerb juristischer Personen Mißbrauch verhindern. Schutzwürdiges Vertrauen (in das Offenhalten und Offenbleiben der Rückerwerbsfrage; mündliche Zusagen der THA usw.) wurden mißachtet. Insofern besteht für den Staat eine Verantwortung aus vorangegangenem Tun. Diese müßte sich nun zugunsten, nicht zu Lasten der Alteigentümer auswirken. - Die Aufgaben der THA werden künftig von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) und neben ihr der TLG (Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH) und der BVVG (Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH) wahrgenommen. 67 Als Wiedereinrichter gelten auch natürliche Personen, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist (Ld.R. Enteignungen nach 1949), sowie natürliche Personen, denen land- und forstwirtschaftliche Vermögenswerte von 1945 bis 1949 entzogen wurden. 68 Zu den Neueinrichtern gehören auch diejenigen, die als unbeschränkt haftende Gesellschafter in einer Personengesellschaft selbstwirtschaften. Als Neueinrichter gelten auch juristische Personen, die ein landwirtschaftliches Unternehmen betreiben, die Umwandlung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ordnungsgemäß durchgeführt haben und deren Anteile zu mehr als 75% von natürlichen Personen gehalten werden, die bereits am 3.10.1990 ortsansässig waren. 69 Voraussetzung für den Erwerb von angepachteten Flächen im Rahmen einer Personengesellschaft ist also, daß der erwerbende Gesellschafter persönlich unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haftet. Bisher schon vereinbarte Regelungen über Haf-
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
Ein Flächenerwerb ist jenen natürlichen wie diesen juristischen Personen, also den Pächtern wie den LPG-Nachfolgebetrieben selbst, bis zu einer Obergrenze von 6.000 Bodenpunkten (600.000 Ertragsmeßzahlen, das sind bei 50 Bodenpunkten - also mittlerer Qualität - ca. 120 ha landwirtschaftliche Nutzfläche) möglich. Die Berechtigung ist auf 50% der bewirtschafteten Fläche beschränkt. Bei Personengesellschaften und juristischen Personen gilt jene Obergrenze für die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter insgesamt. Haben Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Flächen persönlich angepachtet und eingebracht, bezieht sich die 50%-Grenze also auf die Betriebsfläche der GbR, nicht auf die von den einzelnen Gesellschaftern angepachtete Fläche. Im übrigen werden bereits vorhandenes Eigentum oder Ansprüche auf Eigentum auf alle diese Flächen umgerechneeo. Unabhängig vom Erwerb landwirtschaftlicher Flächen71 können die Berechtigten zusätzlich bis zu 100 ha Waldflächen zu einem Durchschnittspreis von DM 1.680,pro Hektar erwerben. Dies gilt allerdings nur, wenn der Erwerb dieses "Bauernwaldes" für die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Betriebe sinnvoll ist. Deutlich negativer sieht die Rechtslage für nicht selbstwirtschaftende Berechtigte aus. Diese Regelung bezieht sich auf Bodenreformopfer oder auf Personen, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist; letztere sind in der Regel entschädigungslos Enteignete nach 1949. Dieser Personenkreis ist berechtigt, ohne selbstwirtschaften zu müssen, land- und forstwirtschaftliche Flächen zu erwerben, soweit diese nicht von selbstwirtschaftenden Berechtigten in Anspruch genommen würden. Konkret: Die Erwerbsberechtigung für Pächter für die von ihnen gepachteten Flächen hat Vorrang vor der für nicht selbstwirtschaftende Alteigentümer. Im Ergebnis läuft das, für wichtige Teilflächen, auf ein Pächter- Vorerwerbsrecht hinaus. Dieses Schema ist insofern von besonders einschneidender Bedeutung, als die Präferenzentscheidung auch für LPG-Nachfolgegesellschaften gilt. Sie tungsbeschränkungen müssen also überarbeitet werden, wenn von der Erwerbsberechtigung Gebrauch gemacht werden soll. 70 Anders formuliert: Hat eine Personengesellschaft gepachtet, können ihre Gesellschafter insgesamt bis zu diesen Grenzen erwerben: Gleichstellung mit juristischen Personen. Gesellschafter von juristischen Personen können Flächen dann erwerben, wenn die juristische Person den ihr möglichen Erwerb nicht ausschöpft. 71 Erworben werden können nach dem Text des AusgleichsleistungsG nur Treuhandflächen, nicht auch sonstige in der Verfügungsgewalt des Bundes stehende Grundstücke. Damit würde an sich der begünstigte, in mancher Hinsicht wünschenswerte Erwerb von Flächen von Truppenübungsplätzen entfallen. In der vorgesehenen Durchführungsverordnung sollte insoweit noch eine Korrektur bzw. KlarsteIlung erfolgen.
V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm
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haben nicht nur das Recht, vorab - durchschnittlich - 120 ha landwirtschaftliche Fläche für sich zu beanspruchen; sie können vielmehr auch die Flächen bestimmen, die ihnen genehm sind. Damit rücken die Pächter in die Position der beati possidentes ein, mit dem Recht des ersten Zugriffs - auf die besten Flächen. Je nach Größe und Beschaffenheit der Fläche mag dieser erste Zugriff bereits der letzte - weil alle vernünftigen wirtschaftlichen Möglichkeiten ausschöpfende oder erschöpfende - Zugriff sein. Bedenkt man, daß im Anschluß an das Bodenrefonn-Urteil vom Gesetzgeber dem Wiedergutmachungsgedanken entsprechend eine Zeitlang erwogen wurde (Ende 1991/ Anfang 1992), den "vor 1949" Betroffenen ein ausschließliches Rückerwerbsrecht (während kurzer Zeit) zu verhältnismäßig günstigen Bedingungen einzuräumen72, wird die gezielte Rückstufung dieser Bodenrefonnopfer deutlich: ein Kurswechsel des Gesetzgebers in zweieinhalb Jahren um 180 Grad. Nicht das den Opfern der Bodenrefonn zugefügte Leid und Unrecht wird wiedergutgemacht, sondern die Pächter werden nicht nur in ihrer neuen Pacht-Position geschützt (wofür alles Verständnis herrscht), sondern sogar - im Hinblick auf den Erwerb zu Eigentum - nachhaltig im Verhältnis zum Alteigentümer privilegiert. Für letzteres ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich. Die Alteigentümer-Erwerbsmöglichkeit kann innerhalb von Erbengemeinschaften und auch an Verwandte ersten und zweiten Grades (Ehegatten, Kinder, Geschwister) abgetreten werden. Eine Erbengemeinschaft kann die Möglichkeit des Erwerbs auf ein oder mehrere Mitglieder aufgeteilt übertragen. Dies erlaubt es, daß ein Miterbe oder Verwandter begünstigt kaufen kann, ohne die Entschädigungsansprüche der übrigen negativ zu berühren?3. Der Alteigentümer ist auf Antrag des Pächters verpflichtet, bestehende Pachtverträge auf bis zu 18 Jahre zu verlängern. Im Einzelfall können Pächter somit Flächen aus der Bodenrefonn bis zu 24 Jahre bewirtschaften. Hat die Treuhand dem Pächter gegenüber eine Veräußerungsverpflichtung übernommen, so können diese Flächen nur mit seiner Zustimmung verkauft werden. So oder so: Dem Pächter wird bewußt und auf Dauer der längere Hebel in die Hand gegeben. Auch hinsichtlich des Umfangs ihrer Erwerbsmöglichkeiten sind die nicht selbstwirtschaftenden Alteigentümer gegenüber den Wieder- und den Neueinrichtern?4 zurückgesetzt. Der Kauf von landwirtschaftlichen Flächen ist für Vgl. die Hinweise bei Leisner, DVBI. 1992, S. 131 ff. Klärungsbedürftig (und nach dem System des AusgleichsleistungsG wohl zu bejahen) ist die Frage, ob ein Alteigentümer-Pächter in seiner Eigenschaft als Pächter 6.000 Bodenpunkte beanspruchen, seine Alteigentümer-Erwerbsmöglichkeit von 3.000 Bodenpunkten aber zugleich an einen nahen Verwandten abtreten kann. 74 _ natürlich auch gegenüber selbstwirtschaftenden Alteigentümern und juristischen Personen (LPG-Nachfolgebetriebe). 72 73
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
erstere auf bis zur Hälfte der nach der Ausgleichsleistung (§ 2 Abs. 1 EntschG) möglichen Fläche beschränkt (§ 3 Abs. 5 AusgILeistG). Zudem ist der Erwerb auf höchstens 3.000 Bodenpunkte (300.000 Ertragsmeßzahlen) begrenzt (erreichbar ohnehin nur von dem, der zuvor eine Fläche von ca. 1.000 ha - mittlerer Bodenqualität - hatte). Im übrigen können, wie erwähnt, Waldflächen bis zur Höhe der verbleibenden Ausgleichsleistung erworben werden. Ist dabei ein Erwerb bezüglich des ehemaligen Eigentums nicht möglich - etwa wegen eines bereits ausgeübten Erstzugriffsrechts eines Pächters -, sollen Flächen aus ortsnahen Bereichen angeboten werden. Ein Anspruch auf bestimmte Flächen besteht nicht (§ 3 Abs. 9 AusgILeistG)75. Neu ist die sog. Nachschlagregelung. Ihr zufolge können Berechtigte, auch Alteigentümer, nach dem 31. Dezember 2003 den begünstigten Landerwerb unter Umständen auf 800.000 Ertragsmeßzahlen (bzw. 400.000 Ertragsmeßzahlen für nicht selbstwirtschaftende Alteigentümer) aufstocken. Dahinter steht die Überlegung, daß derzeit nicht abzusehen ist, wie hoch die Inanspruchnahme der Flächen sein wird 76 . Der "Nachschlag" soll sicherstellen, daß die zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche von ca. 1 Mio. ha tatsächlich privatisiert wird77 • Die Richtlinien für den Walderwerb gelten auch für alle natürlichen Personen, die ihren in den neuen Ländern gelegenen Forstbetrieb wieder einrichten und ortsansässig sind oder in Zusarnrnhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden. Dies bezieht sich auch auf die Neueinrichter, die am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren. Alteigentümer - Bodenrefonn- wie DDR-Ent15 Konkret bedeutet dies: Betrug die enteignete Fläche z.B. 200 (500 oder 1.(00) ha, kann der selbstwirtschaftende Alteigentümer 41 (84 bzw. 134) ha begünstigt erwerben. Für den nicht selbstwirtschaftenden Alteigentümer geht es demgegenüber um jeweils nur die Hälfte, also um 20,5 (42 bzw. 67) ha. Dabei handelt es sich stets um Durchschnittswerte. 16 Über eine bisher nur schleppende Privatisierung im land- und forstwirtschaftlichen Bereich berichtet z.B. FAZ vom 11.10.1994. - Die jeweils zu bildenden Beiräte können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles Zu- und Abschläge vornehmen, insbesondere bei Gebäuden. Bei Forst gilt der Wertansatz von 1:3 (im Verhältnis zum Einheitswert) nur für Flächen, die weniger als 10% hiebreife Bestände haben. Darüber hinausgehende, also bessere Bestände sind zum Verkehrswert anzusetzen. Bei einem Erwerb dieser Flächen bereits in den Jahren 1995 und 1996 (Kaufvertrag genügt wohl, der u.U. recht aufwendige Eigentumsübergang selbst braucht noch nicht erfolgt zu sein) können Abschläge bis DM 200,- pro ha vorgenommen werden. 11 Ein Berechtigter, dem lediglich forstwirtschaftliches Vermögen entzogen wurde, kann landwirtschaftliche Flächen nur in bestimmtem Umfang erwerben. Der Erwerbswunsch ist gegenüber der für die Privatisierung zuständigen Stelle nach Bestandskraft des Ausgleichs- und Entschädigungsbescheides zu erklären. Die berechtigten Selbstwirtschafter haben dieser Stelle bei Anspruch eines nicht selbstwirtschaftenden Berechtigten, wie gesagt, mitzuteilen, welche Flächen sie vorrangig erwerben wollen.
V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm
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eignungs-Opfer78 - können einen forstwirtschaftlichen Betrieb kaufen; Voraussetzung ist jeweils die unbeschränkte persönliche Haftung und Selbstbewirtschaftung 79. Sowohl für den Pächter- als auch für den Alteigentümer-Erwerb gilt im Land- wie im Forstbereich als Kaufpreis, wie gesagt, grundsätzlich der dreifache Einheitswert der zu erwerbenden land- bzw. forstwirtschaftlichen Flächen. Statt des Einheitswertes von 1935 kann auch ein Maßstab in Anlehnung an die Bodenqualität zugrunde gelegt werden. Vermutlich werden demnach die Ertragsmeßzahlen herangezogen. Aufstehende Gebäude können miterworben werden 8o . Sämtliche in diesem Rahmen erworbene Grundstücke sind für 20 Jahre der Spekulation entzogen: keine Veräußerung ohne Genehmigung. Nur dann, wenn der den Erwerbspreis ggfs. übersteigende Veräußerungserlös der Treuhandanstalt oder deren Rechtsnachfolger zufließt, darf genehmigt werden. In § 4 AusglLeistG werden die Grundsätze für die künftigen Beiräte festgelegt. Diese Gremien werden bei den für die Privatisierung zuständigen Stellen eingerichtet. Sie können bei widerstreitenden Interessen im Zusammenhang mit der Durchführung der Erwerbsmöglichkeiten angerufen werden. Die Mitglieder werden zur Hälfte vom Bund und vom Land ernannt. Den Vorsitz führt ein weiteres Mitglied, das vom Bund im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land ernannt wird. Der Beirat spricht Empfehlungen aus. Abweichende Entscheidungen sind zu begründen 81 • Dies alles ist kein ungewöhnliches oder gar wegen einer Bund-Länder-,,Mischverwaltung" bedenkliches Schema. 78 Auch Alteigentümer von landwirtschaftlichen Betrieben können sich also für eine Teilnahme an dem Forstprogramm entscheiden. Das setzt allerdings voraus, daß sie dann keine landwirtschaftlichen Flächen zum begünstigten Preis in Anspruch nehmen. - Wiedereinrichter und am 3.10.1990 ortsansässige Neueinrichter von Forstbetrieben können Forstflächen bis zu 1.000 ha und zu einem Durchschnittspreis von 1.680,DM pro Hektar erwerben. 79 Die zu erwerbenden Forstflächen können bis zu 1.000 ha pro Berechtigten betragen. Voraussetzung ist dabei, daß keine landwirtschaftlichen Flächen nach dem Flächenerwerbsprogramm erworben werden. Der Betriebsleiter muß über eine für die Bewirtschaftung eines Forstbetriebes erforderliche Qualifikation verfügen. 80 Die nicht völlig klare Regelung dürfte bedeuten, daß Gebäude zwar in Anlehnung an den durch Gutachten zu ermittelnden Verkehrswert, aber doch unterhalb dieses Wertes gekauft werden können. 81 Für Einzelheiten wird die Bundesregierung ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Ändert sich die Zusammensetzung der Gesellschafter einer juristischen Person erheblich, wird die Nutzung modifiziert oder der Betrieb aufgegeben, kann jeweils Rückabwicklung verlangt werden. Dafür sind u.a. jährliche Mitteilungspflichten vorgesehen. Verwaltungstechnisch weist dies alles keine Besonderheiten auf.
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
Betrachtet man diese Detailregelungen im Zusammenhang, so tritt der Auftrag der staatlichen Ausgleichsleistung für Alteigentümer (Art. 3 Abs. 1 GG) hinter den eines bevorzugten Pächter-Erwerbs (einschließlich LPGNachfolgeorgnisationen usw.) nahezu gänzlich zurück. Im Kern geht es weniger um die Wiedergutmachung der Verluste der Opfer realsozialistischer Verfolgungs- und Enteignungswellen als um die Sicherung der Position der neuerdings etablierten oder derzeit in die entsprechenden Rechtsstellungen (mit Hilfe der Treuhandanstalt bzw. der BVVG) einrückenden Pächter. Diese können regelmäßig keine besondere eigentums- und wiedergutmachungsrechtliche Nähe zu den jeweiligen Vermögens werten und Enteignungsschicksalen geltend machen, von einem Affektionsinteresse, das durch langfristiges Eigentum und traditionsreiches Engagement begründet wird, ganz zu schweigen. Wie könnte dieses schematische Gleichsetzen so unterschiedlicher Sachverhalte dem Rechtsstaats- und dem Gleichheitsgebot genügen, wie der objektiven Wertentscheidung des Grundgesetzes für das Privateigentum und die Entschädigung für Sonderopfer? Wichtig hinsichtlich der Gesamtbewertung ist nicht nur der vorstehend skizzierte Vorrang der Pächter i.w.S. Zu beachten bleibt vielmehr auch folgendes: Der Wert der landwirtschaftlichen Erwerbsfläche darf, wie erwähnt, bei den nicht selbstwirtschaftenden Alteigentümern die Höhe der Hälfte der wie skizziert durch spezielle Anrechnungs- bzw. Abzugsregelungen ohnehin drastisch reduzierten - Ausgleichsleistung nicht übertreffen. Der erwerbswillige Alteigentümer bleibt im Rahmen dieses Programms also insoweit unberücksichtigt, als er aus vorhandenen eigenen Mitteln - was ja für den Aufschwung Ost nicht hinderlich wäre - in die Arrondierung seines Betriebes, in die Schaffung einer betriebs wirtschaftlich sinnvolleren Größe investieren will 82 • Diese Anti-Mobilisierungs-Regelung ist widersinnig. Die stark abgeschmolzenen, partiell nahezu gegen Null tendierenden Ausgleichsleistungssummen reichen für sich allein nach allen bislang vorliegenden Berechnungen nicht aus, einen vernünftig zugeschnittenen Betrieb wieder zu erwerben. So wird ein nicht selbstwirtschaftender Alteigentümer von seinen ehemals z.B. 500 ha landwirtschaftlicher Fläche mittlerer Güte nun nur ca. 42 ha zu den Sonderkonditionen des Gesetzes erwerben dürfen. Dies ist allemal zu 82 Unbenommen bleibt natürlich der Zukauf aus eigenen Mitteln zum Verkehrswert, soweit der monopolartige Anbieter - die THA - den Alteigentümer bzgl. seines ehemaligen Eigentums wenigstens insoweit zum Zuge kommen läßt. Die Chance für eine Realisierung dieses "Erwirb es, um es zu besitzen" ist aber angesichts der Interessenten vor Ort, die im Rahmen des für sie finanziell und prozedural günstigeren Erwerbsprogramms zugreifen und sich die Filetstücke oder gar alles sichern können, höchst ungewiß. Immerhin: Investitionsvorrang gilt weiterhin, insoweit ist ein Vorrang vor Pächtern Lw.S. also möglich.
V. Diskriminierendes Flächenerwerbsprogramm
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wenig für ein Wiedereinrichten seines Betriebes. Der Ausgleich mißlingt. Eine reale Beteiligung am ostdeutschen Aufbau wird sowenig möglich wie eine Wiedergutmachung erlittenen Unrechts. Der verfassungsgebotene, verfassungsgerichtlich bekräftigte Wiedergutmachungsauftrag wird sehenden Auges nicht zureichend ausgeführt 83 • Man kann sich zudem ausmalen, was bei den "an sich" gewollten normativen Zielsetzungen im ostdeutschen Vollzug tatsächlich herauskommen wird. Daß die spezifische Nähe des ehemaligen Eigentümers zu den ihm widerrechtlich entzogenen Vermögensgegenständen in einer sozialistischen Staatsund Gesellschaftsordnung (,,Eigentum ist Diebstahl") nicht honoriert wurde, sondern gerade diese "special relationship" ihm bei der etwaigen Wiedergutmachung sozusagen die allerletzte Rangstelle zuwies, war bis 1989 konsequent84 • Dem unter der Herrschaft des Grundgesetzes vereinigten Deutschland indes gebieten der Verfassungsauftrag der Eigentumsgarantie und die verfassungsgebotene Wiedergutmachung die entgegengesetzte Reaktion: die positive Diskriminierung der Alteigentümer, die Respektierung des Restitutionsgebotes (im Rahmen des sowjetischen Indemnitätsverlangens). Von einer gesicherten Rückerwerbsmöglichkeit zu Vorzugskonditionen, von einem Erfüllen des Ausgleichsleistungsgebotes in diesem Sinne, kann nicht die Rede sein. Materiell betrachtet ist die Erwerbsmöglichkeit für den Alteigentümer, jedenfalls für den nicht selbstwirtschaftenden, im wesentlichen eine Art Scheinrecht ("Almosen"), die bloße Andeutung einer besonderen Rechtsstellung. Dieses "Ausgrenzen" ist das Gegenteil des gebotenen Ausgleichens und Wieder-Einbeziehens. Die Schwierigkeiten des Zusammenwachsens Deutschlands und der Deutschen werden, auf einem wichtigen Teilbereich, verschärft. Auf die indirekten positiven Effekte der Reprivatisierung wird verzichtet: auf 83 Der über lebens notwendige Strukturvorteil der ostdeutschen Landwirtschaft - die relative Größe und Geschlossenheit vieler Betriebseinheiten - wird hier ohne Not verqueren, meist nur vorgeschobenen "Bauemlegen"- und Latifundien-Ängsten geopfert. Wiederaufbau und Wettbewerbsfähigkeit werden beeinträchtigt, der Rückerwerb behindert. Der Pächter kann hingegen zu den günstigen - für ihn sogar noch günstiger ausgestalteten - Konditionen eine erheblich größere Fläche erwerben. Den Preis hat er erst nach Ablauf der Pacht zu entrichten, maximal also in singulären Fällen erst nach bis zu 24 Jahren. Die Latifundienwirtschaft der früheren LPGs wird indirekt perpetuiert: Es werden Betriebseinheiten konserviert oder zusammengefügt, die größer sind als die der ,,Junker", deren angebliche Macht man doch zerschlagen (1945-1949) bzw. (seit 1990) nicht wieder entstehen lassen wollte. 84 Entgegen ihrer Eigenpropaganda waren UdSSR und DDR in Wirklichkeit nicht einmal "antifaschistische Bastionen". Auch dieser "Ietzte Mythos der DDR bröckelt: Das SED-Regime ... deckte Hunderte von NS-Verbrechem, um sie für seine eigenen Zwecke einzusetzen ... Das Eigenlob vom besseren, weil antifaschistischen Deutschland ... war eine der größten Propagandalügen", Der Spiegel 19/1994, S. 84.
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
Investitionen von ,,Alt"-Eigentümern, die sich aus Verantwortungsgefühl und Traditionsbewußtsein heraus zusätzlich engagieren (wollen), ohne den ausschließlichen oder doch primären Blick auf die Rendite. Nicht einmal aus fiskalischen Gründen (Steigerung der Steuereinnahmen in den neuen Bundesländern, Minderung von Verwaltungsaufwendungen usw.) handelt der Gesetzgeber folgerichtig 85 • Nur das Fernhalten der meisten Alteigentümer "gelingt". Ausgleich und Wiedergutmachung mißlingen damit zu einem erheblichen Teil. Dem Aufbau einer leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft in den jungen Ländern dient dies nicht. VI. Ausblick: Schlechterfüllung des Wiedergutmachungsauftrags Der Restitution von DDR-enteignetem Eigentum zum heutigen Zeitwert, wie vom Gesetzgeber seit 1990 vorgeschrieben, sowie der teilweise vollen Verkehrswertentschädigung für Adressaten des Investitionsvorranges (seit 1991 /92) stellt das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz für weitgehend gleich Geschädigte nur eine stark pauschalierte, deutlich degressiv ausgeformte Entschädigung / Ausgleichsleistung in Form von Schuldverschreibungen gegenüber. In der gewählten Ausgestaltung ist diese Lösung mit Art. 3 Abs. 1 GG LV.m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar. Dem einen wird der Zeitwert belassen, dem anderen zu wenig gegeben. Zum Bewirken der Gleichbehandlung wäre angesichts der frühzeitig getroffenen, immer wieder bekräftigten Grundentscheidung des Gesetzgebers für Rückübertragung gesetzgeberisches Nachbessern bei der Höhe der Entschädigung / Ausgleichsleistung geboten gewesen. Das Gegenteil war, bezieht man die scharfen Degressions- und Abzugsregelungen in die Betrachtung ein, der Fall. Gewiß, ein vollständiges Schließen der Schere zwischen Rückübertragung und Entschädigung verließe den Boden der fiskalpolitischen Realität. Der Gesetzgeber hat aber gebotene und mögliche Schritte in die richtige Richtung unterlassen. So mußte das Gesamtvorhaben der Unrechtsbereinigung in Enteignungsdingen verfassungsrechtlich auf die schiefe, nämlich auf eine nicht mehr von den sachnächsten Gründen bestimmte Bahn geraten. Für die Korrektur der Folgen der Bodenreform (1945 - 1949) gelten diese Bedenken und Folgerungen in besonderem Maße. Die "demokratische Bodenreform" der unmittelbaren Nachkriegszeit war, wie gerade Bewohner der frü85 Viele Alteigentümer kennen die Güter und Wälder und ihre Umgebung nach wie vor am besten. Sie und ihre Familien sind in besonderer Weise rückkehrwillig. Fiskalisch betrachtet ist der Rückerwerb (die Reprivatisierung also) trotz einiger Hilfen für Alteigentümer regelmäßig weniger aufwendig als eine komplexe Entschädigungsregelung. Die Reprivatisierung belastet die Verwaltung im Vergleich zu den Alternativen weniger. Nicht zuletzt begünstigt sie das sofortige Entstehen neuer Steuerzahler.
VI. Ausblick: Schlechterfüllung des Wiedergutmachungsauftrags
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heren DDR nicht müde werden zu betonen, ein rechtloser Gewaltakt. Die Opfer, als "Klasse" erfaßt, wurden durchweg brutal vertrieben, häufig an Leib und Leben bedroht, nicht selten erschlagen86 . In den späteren (DDR-) Enteignungsfällen sah jedenfalls der äußere Sachverhalt durchweg anders aus. Daß jene Bodenreform- und damit Gewaltopfer der Jahre 1945 bis 1949 gegenüber diesen ab Gründung der DDR bis 1989 entschädigungslos Enteigneten nun, was die reale Rückkehrmöglichkeit angeht, benachteiligt werden, ist deshalb besonders denen unverständlich, die Gegner des Kommunismus waren oder die sich jetzt für die innere Einigung Deutschlands einsetzen. Gelegentlich gelangt konfisziertes Grundvermögen zudem an Nutznießer des alten Regimes bzw. verbleibt vorerst in der Hand früherer lokaler Machthaber und staatsnaher Freunde. Indem es die Rückkehr der Enteignungsopfer in ihre Heimat nicht gerade erleichtert, schiebt das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz jedenfalls dieser - sit venia verbo - Nomenklatura-Privatisierung keinen starken Riegel vor8? "Den schwierigen Prozeß der Vereinigung nach einer Umwälzung, welche die Elemente der Selbstbestätigung einer Revolution nicht hatte" (F.K. Fromme)88, fördert dies nicht. International anlagebereites, für den Wiederaufbau dringend notwendiges Kapital wird mit dieser insgesamt eigentumsfeindlichen, den Rechtsstaat und das Rechtsbewußtsein nicht als ideologiefrei gesichert vorführenden Haltung schwerlich angelockt. "Fiat iustitia et pereat mundus" wäre andererseits kein Leitmotiv für die Wiedergutmachung der Taten des sozialistischen Unrechtssystems. Zugunsten des inneren Friedens und der auch finanziellen Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens sind Abstriche bei der Verwirklichung der Gerechtigkeit - jeden86 V gl. Schicksals buch des Sächsisch-Thüringischen Adels 1945 (dort auf S. XXXII Abbildung des Plakats "Junkerland in Bauernhand! Rottet dieses Unkraut aus!"). Das schwere Schicksal der vor dem Real-Sozialismus Geflohenen ist bisher weitgehend unbekannt. Viele konnten nur durch Aufgeben aller Habe bzw. nach dem Freikauf aus der Gefangenschaft ein neues Leben fern der Heimat (wenngleich nicht selten anderswo in der DDR) beginnen. 87 Vgl. FAZ (Leserbrief) vom 22.8.1994: "Schon zu Beginn der Wiedervereinigung waren unübersehbare Signale gegeben, daß sich an den ,Errungenschaften des Sozialismus', soweit es die klassenkampfbedingte Eigentumsfrage anging, wenig ändern sollte. Das hat die ostdeutsche Bevölkerung richtig erkannt und setzt es inzwischen in durchaus rationale Wählerentscheidungen um. Für viele Ostdeutsche ist dies umso mehr geboten, weil sich mit der Erhaltung von DDR-Eigentumsstrukturen auch die Machtstrukturen alter Kader erhalten haben, die als Leiter von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Gewerbebetrieben über Weiterbestehen oder Zuteilung von Arbeitschancen entscheiden. Als Verstärker wirkt hier auch die Tatsache, daß sich die Treuhand in den mittleren und unteren Chargen häufig der Altfunktionäre des vergangenen Regimes bedient." 88 _ nach einer Revolution also, "die gewissermaßen mit der Kerze in der Hand gemacht wurde" (Quaritsch).
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
falls in Zeiten großer Umbrüche wie den jetzigen - hinnehmbar. Um diesen Aspekt geht es indes nicht. Der Gesetzgeber bestimmt zwar nach politischen Kriterien der Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit den Inhalt und den Zeitpunkt für den Erlaß eines bestimmten Gesetzes; hier hat er sich aber selbst, jedenfalls bezüglich des Zeitraums 1949-1989, für das System der vollen Rückübertragung des noch vorhandenen Alteigentums bzw. für im wesentlichen gleichwertige Entschädigung entschieden, und zwar bereits im Jahre 1990. Dieses Grundschema wurde immer weiter ausgebaut, immer wieder bekräftigt. Die Verwaltung hat es vieltausendfach umgesetzt. Der Bürger hat es als Grundlage seiner Dispositionen gewählt. Die Legislative mußte sich deshalb auch bezüglich des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, des zusammenhaltenden "Daches" über den zahlreichen Ausprägungen jenes Grundschemas, an diesem System orientieren. Das ist nicht hinreichend geschehen. Politisch-fiskalische und agrar-, forst-, struktur- und sozialpolitische Orientierungspunkte haben die Gebote des Rechtsstaats (Vertrauensschutz) und des Gleichheitssatzes (Gebot der Folgerichtigkeit) in den Hintergrund gedrängt. Die Distanz zwischen dem, was die Entschädigten per zunächst nicht verzinster Schuldverschreibung dereinst einmal erhalten werden, und dem, was die Rückübertragungsberechtigten real und jetzt erhalten, ist einfach zu groß. Seine politische Gestaltungsfreiheit in diesem Sinne zu nutzen, also zu überdehnen, erlaubt die Verfassung dem Gesetzgeber nicht89 • Pächter, Siedler, Mieter, sonstige Nutzer - ihrer aller Rechte sind oder werden nun zusätzlich geschützt, ihre Rechtsstellung, Entwicklungschance und Erwerbsmöglichkeit will niemand antasten. Insofern ist für den sozialen Frieden im ländlichen Raum gesorgt, mögen auch noch so viele Ressentiments von interessierter Seite geschürt werden. Es geht bei der Unrechtsbereinigung in Vermögensdingen, stellt man diese in einen ordnungspolitischen Zusammenhang, weniger um ein West-Ost- oder ein Eigentümer-BesitzerVerhältnis als um die Relation Staat-Bürger. Den Fiskus (auch) zugunsten der Bodenreformopfer (von denen nicht wenige übrigens die DDR nicht verlassen konnten - sie sind nun doppelt geschädigt) zu entreichern, lautet der 89 Im Kontext der Bodenreform kommt ein Weiteres hinzu. Hier ist in besonders hohem Maße Grundvermögen betroffen, das seit den kommunistischen Konfiskationen nicht an Private rückübertragen, sondern vom Staat einbehalten worden ist, und über das dieser - über die THA - häufig nach wie vor verfügt. Es handelt sich also insoweit für den Gesetzgeber primär nicht um eine Interessenabwägung zwischen ostdeutschen "Arbeitern und Bauern" ("Das Land muß dem gehören, der es bebaut") einerseits und westdeutschen "Erben und Rentiers" andererseits. Es geht nicht um "Besatzer aus dem Westen" versus "Besitzer aus dem Osten". Im Mittelpunkt steht vielmehr die Wiederzuweisung grob illegal erlangten Staatsvermögens an Private, seien diese Ost- oder Westdeutsche.
VI. Ausblick: Schlechterfüllung des Wiedergutmachungsauftrags
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verfassungsgestützte Privatisierungsauftrag. Von ihm ist der Gesetzgeber aus nicht anerkennenswerten Gründen abgewichen. ,.1unkerland in Ex-Funktionärshand" ist dabei die nicht seltene, für viele Alteigentümer und sonstige Opfer des real existierenden Totalitarismus östlich der Eibe besonders schmerzliche Realität. Dies alles ist mehr als ein Seitenthema des Gesamtvorhabens "Revision vor-rechts staatlichen Unrechts"90. Die Differenzierung in der Behandlung der vor und nach 1949 entschädigungslos Enteigneten ist unzulässig. Sie ist dies zumindest geworden, seit sich herausgestellt hat, daß die zur Legitimierung der SchlechtersteIlung der Bodenreformopfer - auch gegenüber dem Bundesverfassungsgericht - vorgetragene sowjetische (Vor-)Bedingung ("Restitutionsverbot") so nicht gestellt worden war91 • Die Unumkehrbarkeit der Konfiskationen in der ehemaligen SBZ läßt sich nicht (mehr) auf den Wunsch nach Schonung von Empfindlichkeiten der dahingegangenen Sowjetunion zurückführen. Die Differenzierung kann auch nicht auf angebliche DDR-Forderungen gestützt werden. Zum einen konnten die Aspirationen der Regierungen Modrow und de Maiziere 92 mangels realer Verhandlungsmacht nicht zu juristischen (V or-) Bedingungen gerinnen. Zum anderen hätten ohnehin weder die Bundesrepublik Deutschland noch die DDR eine permanente materielle Schlech-
90 Die SPD des ländlich geprägten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern verurteilte demgegenüber in Pressemitteilungen die Zerstörung eines zu DDR-Zeiten errichteten Denkmals, das unter dem Motto ,,Junkerland in Bauernhand" an die sozialistische Konfiskation des Bodens erinnerte, vgl. FAZ vom 18.5.1994. Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern ist die kommunistische Bodenreform in der Tat eine weiter wirkende Wirklichkeit. Die bisherige Regierung in Schwerin muß sich allerdings fragen lassen, "ob sie in der Weiterbewirtschaftung notdürftig umgewandelter landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, oft weiter unter Leitung des Vorsitzenden aus der Zeit der SED, den richtigen Weg sieht für eine Reorganisation der Landwirtschaft", FAZ vom 10.6.1994. 91 S.o. Erster Teil, C.III.3; Zweiter Teil, 11, IV. S.a. unten Anhang 4. 92 Auch der letzte Ministerpräsident der DDR, de Maiziere, schien in der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht (vgl. FAZ vom 23.1.1991) der Vorstellung nachzuhängen, damals, 1945 - 1949, sei wirklich eine Art neuen, echten Bauerntums geschaffen worden, das zu schützen Aufgabe der Übergangsregierung der DDR gewesen sei. In Wirklichkeit handelte es sich bekanntlich um das Gegenteil einer sozialen Bodenreform. Von den 2,1 Mio. ha enteigneten Agrarlands (Wald kam ohnehin in Staatsbesitz) waren rund 2 Mio. ha an die "Bodenfonds" zurückgefallen, aus denen 1945 die Landverteilung vorgenommen worden war, also in Staatseigentum. Die Neubauern hatten kein vollwertiges Eigentum erworben (bloßer Pachtbesitz war es auch nicht, sondern ein Zwitter zwischen bloßem Besitz ohne Eigentum und echtem Eigentum). Konnten oder wollten sie ihrer "Bewirtschaftungspflicht" nicht mehr folgen, fiel ihr Land, das sie nicht verkaufen, verpachten, ja nicht einmal beleihen durften, an die "Bodenfonds" zurück. Dieses Land ist nun, wie alles frühere "Volkseigentum", in der Hand der THA.
15 VitzthumlMärz
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Dritter Teil: Restitutionsausschluß und EALG
terstellung bestimmter, sachwidrig abgegrenzter Enteignungsopfer vereinbaren dürfen. Beide Staaten waren daran durch das Gleichheitsgebot gehindert. Für die DDR galt dieses spätestens seit dem Verfassungsgrundsätzegesetz von
1990.
Das von einer anderen Faktenlage aus anders gewichtende BodenreformUrteil aus dem Frühjahr 1991 hindert insoweit nicht. Der Gesetzgeber verfügt mittlerweile über bessere Erkenntnisse93 • Das Bundesverfassungsgericht selbst wird ihn zu ihrer Umsetzung anhalten94 , wenn es - nach dem Inhalt des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes ist das unvermeidlich - erneut und diesmal nicht nur aus Sicht der Betroffenen letztlich erfolgreich angerufen werden wird. Mit dem Gesetz in der vorliegenden Form wird es schwerlich gelingen, die Vereinigung in diesem Schlüsselbereich der offenen Vermögensfragen erfolgreich zu gestalten, die Land- und Forstwirtschaft zu reorganisieren, die 93 Demgegenüber BVerwG vom 2.4.1993 - 7 B 28.93, VIZ 1993, S.499: Auch wenn der Restitutionsausschluß nicht zur (Vor-)Bedingung gemacht worden sein sollte, ändere dies nichts an der bisherigen verfassungsrechtlichen Beurteilung; die Verhandlungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit seien in dieser Frage jedenfalls von einer entsprechenden Einschätzung seitens der Bundesregierung bestimmt gewesen. Die Einschätzung des Erreichbaren (vgl. BVerfGE 84, 90 [128]) habe der eigenverantwortlichen, pflichtgemäßen Beurteilung der Bundesregierung unterlegen; sie sei insofern der gerichtlichen Nachprüfung entzogen. - Das Bundesverfassungsgericht selbst (1. Kammer des 1. Senats, DtZ 1994, S. 275) sah in den zwischenzeitliehen Erkenntnisfortschritten (noch) keinen Grund für ein "Nachaufklären" (vgl. § 19 BVerfGG) und gegebenenfalls Neuinterpretieren. Zusammenfassend kritisch demgegenüber Wasmuth, NJW 1993, S. 2476 ff. 94 Das Bundesverwaltungsgericht lehnte (Urteile vom 29.4.1994 - 7 C 47.93 und 59.93; s.o. Erster Teil, Fn. 33) die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ab; es gebe keine "neuen Tatsachen". Daß die Bundesregierung dem Gericht Dokumente nicht vorgelegt habe, aus denen sich ergeben soll, daß die Sowjetunion lediglich die Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität der Enteignungen aus jener Zeit gefordert habe, nicht aber deren Unurnkehrbarkeit, wird nicht bestritten. Die Unterscheidung von "Rechtmäßigkeit" und "Legitimität" einerseits, "Unurnkehrbarkeit" andererseits gehe aber an "Sinn und Zweck des Restitutionsauschlusses vorbei"; sie spiele rechtlich keine Rolle. Die Sowjetunion habe im Sinn gehabt, die Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte zu verhindern, "weil sie damit zwangsläufig einem Unrechtsvorwurf ausgesetzt gewesen wäre". Diesem Wunsch sei im Einigungsprozeß Rechnung getragen worden; hieran sei das vereinigte Deutschland gebunden. - Träfe diese Auffassung zu, dürfte der Gesetzgeber eine erleichterte Rückerwerbsmöglichkeit für Bodenreformopfer selbst in dem minimalen Umfang des EALG nicht einrichten. Das aber behauptet selbst die Bundesregierung - zu Recht - nicht, hat doch das Bodenreform-Urteil selbst, wie gesagt, die Rückerwerbsmöglichkeit für Alteigentümer gleich zweimal als gangbaren Weg bezeichnet. Insofern stellt das Judikat des Bundesverwaltungsgerichts eine - auch gemessen am Urteil des Bundesverfassungsgerichts unzulässige Überinterpretation der Position der ehemaligen UdSSR dar.
VI. Ausblick: Schlechterfüllung des Wiedergutmachungsauftrags
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Wirtschaft zu beleben und eine Kapitalzufuhr durch Alteigentümer und Ausländer zu bewirken. Die Enteignungsopfer kommen weder zu einer Entschädigungs- oder Ausgleichsleistung, die diesen Namen verdient, noch zu einer entsprechenden realen Rückerwerbsmöglichkeit. Der gesamte Komplex wird den Prozeß des Zusammenwachsens weiterhin belasten. Angesichts des nach wie vor zu beklagenden Gerechtigkeitsdefizits im deutschen Einigungsrecht richten sich hilfesuchende Blicke wieder einmal nach Karlsruhe.
Anhang 1. Schreiben der Bundesministerin der Justiz vom 20. Januar 1994
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger MdB Bundesministerin der Justiz An das Mitglied des Deutschen Bundestages Herrn Gerhart Rudolf Baum Bundeshaus
Bonn, den 20. Januar 1994
53113 Bonn
Sehr geehrter Herr Kollege Baum, ich beziehe mich auf Ihr mit Herrn Richter am Bundespatentgericht Reichenbach geführtes Telefonat vom 13. Januar 1994 zur Problematik der Enteignungen aufgrund der sog. "Liste 3"-Berlin. Ihrem Wunsch, Ihnen hierzu die Haltung meines Hauses darzulegen, komme ich gern nach. Rechtsgrundlage für die Enteignungen aufgrund der Liste 3 war das Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBI. für Groß-Berlin I Nr. 5 S. 34). § 8 dieses Gesetzes bestimmte, daß die Einziehung den Betroffenen u.a. durch Veröffentlichung einer Liste bekanntgegeben werde. Diese Liste ("Liste 3"; VOBl. für Groß-Berlin I 1949 S. 425) ist am 8. Dezember 1949 veröffentlicht worden. Die Frage, ob Enteignungen aufgrund der Liste 3 nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes rückgängig zu machen sind oder nicht, ist umstritten. Dagegen könnte § 1 Abs. 8 Buchst. aVermG sprechen, der die Rückgängigmachung von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage ausschließt. Das Bundesministerium der Justiz vertritt hierzu folgende Auffassung: In den amtlichen Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz vom 12. September 1990 (BT-Drs. 11/7831) wird der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG als "Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in der Zeit zwischen Kriegsende (8. Mai 1945) und Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (7. Oktober 1949)" beschrieben. Dadurch wird deutlich, daß der Gesetzgeber bei diesem Ausschlußtatbestand immer nur von solchen Enteignungen ausging, die bis zur Gründung der DDR wirksam geworden waren. Soweit die DDR nach dem 6. Oktober 1949 weiterhin Rechtsvorschriften aus
I. Schreiben der Bundesministerin der Justiz vom 20.1.1994
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der Zeit vor ihrer Gründung angewandt hat, hat sie dieses Recht damit als ihr eigenes, d.h. als DDR-Recht übernommen. Bei den auf derartigen Rechtsgrundlagen ergangenen Maßnahmen handelt es sich deshalb nicht mehr um Maßnahmen auf "besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage" im Sinne des Vermögensgesetzes. Soweit den Enteignungen aufgrund der Berliner Liste 3 konstitutive, d.h. rechtsgestaltende Eingriffswirkung zukam, sind diese nicht mehr bis zur Gründung der DDR (7. Oktober 1949) wirksam geworden. Denn der Zeitpunkt des Eingriffs ist hier - wie von niemandem bestritten wird - auf den Tag der Veröffentlichung der Liste 3, d.h. auf den 2. Dezember 1949 anzusetzen. Folglich handelt es sich bei den "Liste 3"-Enteignungen grundsätzlich (d.h. von solchen Ausnahmen abgesehen, in denen der Listenveröffentlichung lediglich deklaratorische Wirkung zukam, weil der betreffende Vermögenswert bereits vor dem 7. Oktober 1949 von einer anderweitigen Enteignungsmaßnahme erfaßt war) nicht um Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § lAbs. 8 Buchst. a VermG, so daß einer Restitution grundsätzlich nichts im Wege steht. Diese Auffassung entspricht herrschender Ansicht im Schrifttum. Sie wird auch vom Verwaltungsgericht Berlin geteilt (vgl. Beschl. v. 4. Dezember 1992 - VG 21 A 540.92 -, veröffentlicht in VIZ 1993, 74; Urt. v. 29. Januar 1993 - VG 21 A 541.92 -, veröffentlicht in VIZ 1993, 168 = ZOV 1993, 116). Die genannten Entscheidungen sind jeweils in Ablichtung beigefügt. Die (u.a. vom Berliner Senat vertretene) Gegenmeinung, für deren Begründung im einzelnen auf den gleichfalls anliegenden Aufsatz von Kilian in ZOV 1993 S. 1 ff. verwiesen werden kann, sieht die Enteignungen aufgrund der Liste 3 als Maßnahmen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage an und leugnet demzufolge ihre Restitutionsfähigkeit. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß die Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Justiz für die mit der Durchführung des Vermögensgesetzes befaßten Behörden nicht bindend ist. Diese entscheiden über einen geltend gemachten Restitutionsanspruch in eigener Verantwortung. Die endgültige Entscheidung obliegt im Streitfall den Gerichten, die in ihrer Spruchtätigkeit unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Was die hier in Rede stehende Thematik angeht, kann davon ausgegangen werden, daß schon in absehbarer Zeit das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren Gelegenheit haben wird, zu dem Meinungsstreit Stellung zu nehmen. Mit freundlichen Grüßen Ihre S. Leutheusser-Schnarrenberger
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Anhang
2. {"Liste 3")-Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. April 1994 - 25 A 265.93· VG 25 A 265.93
Verkündet am 11.04.1994
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache Klägerin, Beklagten, hat die 25. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch den den den den den
Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Pee, Richter am Verwaltungs gericht Dahm, Richter am Verwaltungsgericht Calsow, ehrenamtlichen Richter Häntze, ehrenamtlichen Richter Sählbrandt
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 1994 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. 121
Tatbestand Die Klägerin begehrt die Rückübertragung der Eigentumsrechte an dem Unternehmen Buchdruckerei L. .. sowie an dem Grundstück ... Straße 29 in Berlin-Mitte. Die Buchdruckerei wurde vom Großvater der Klägerin im Jahre 1891 gegründet. 1945 - nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs - wurde der Betrieb beschlagnahmt. In der "Bekanntmachung über weitere Einziehungen auf Grund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 (Liste 3)" des Magistrats vom 14. November 1949 (VOBI. für GroßBerlin vom 2. Dezember 1949, S. 425, 433) ist unter Nr. 263 u.a. folgendes verzeichnet:
* Zwischen Striche gestellte Zahlen (121 usw.) bezeichnen die Seitenzählung des Umdrucks.
2. ("Liste 3")-Urteil des VG Berlin vom 11.4.1994
231
L. .. Buchdruckerei,
Berlin N 4, ... Straße 29 ... und das Grundstück Berlin N 4, ... Straße 29
Mit Entscheidung vom 1. April 1950 lehnte der Magistrat - Ausschuß zur Entscheidung der Einsprüche gegen Einziehungsbescheide - den Einspruch gegen die Enteignung ab. In das Grundbuchblatt für das Grundstück ... Straße 29 wurde am 4. Dezember 1950 eingetragen: "Eigentum des Volkes, eingetragen aufgrund des Gesetzes ... vom 8. Febraur 1949 ... , der Bekanntmachung vom 14. November 1949, Nr. 263". Am 28. März 1951 beantragte der Magistrat - Abt. Wirtschaft - beim Handelsregister die - daraufhin erfolgte - Löschung der Firma L. .. Buchdruckerei, da die Firma aufgrund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 enteignet worden sei. Im August 1990 beantragte die Klägerin die Rückübertragung der Buchdruckerei und des Grundstücks. Sie sei die alleinige Erbin des ehemaligen Eigentümers. Der Sohn und Erbe des L. .. , A ... L. .. , sei ausweislich des "Entlastungsscheins" vom 14. Januar 1949 entnazifiziert worden. Diese Entscheidung sei auch von der zuständigen Militärbehörde bestätigt worden. Die Konfiszierung von Unternehmen und Grundstück sei willkürlich und mißbräuchlich und gegen den Willen der Sowjetischen Besatzungsmacht erfolgt. 131 Zu der beabsichtigten Ablehnung der Rückübertragung vom Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) angehört, führte die Klägerin aus, der damalige Eigentümer, A ... L. .. , falle nicht unter das Gesetz vom 8. Februar 1949, denn er sei kein "Naziaktivist" gewesen. Die Enteignungen durch die Liste 3 seien wegen der Veröffentlichung nach Gründung der DDR keine Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 8 a VermG. Außerdem handele es sich bei dem Grundstück um ein Mauergrundstück. Diese Grundstücke sollten nach dem Willen des Senats von Berlin zurückgegeben werden. Mit Verfügung vom 4. Januar 1993 zog das LAROV das Verfahren auch hinsichtlich des Grundstücks gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 VermG an sich. Mit Bescheid vom 4. Januar 1993 lehnte das LAROV den Antrag der Klägerin ab. Ein Rückübertragungsanspruch stehe ihr nicht zu. Das Vermögensgesetz finde auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, da die Enteignung durch die Veröffentlichung in der Liste 3, die sich auf das Unternehmen und das Grundstück erstreckt habe, auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sei. Die Liste 3 sei aufgestellt worden aufgrund des Gesetzes vom 8. Februar 1949, das seinerseits auf den SMAD-Befehl 124 zurückgehe. Die hierauf beruhenden Enteignungsvorschläge seien am 10. November 1949 in Listen zusammengefaßt und zur Veröffentlichung angewiesen worden. Erst am 11. November 1949 sei die Verwaltungsbefugnis von der sowjetischen Militärkommandantur dem Magistrat übertragen worden. Mit ihrer am 5. Februar 1993 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Enteignungen durch die Liste 3 weiterhin nicht für besatzungsrechtliche Enteignungen und beruft sich auf eine Entscheidung der 21. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin. Außerdem sei die Aufnahme in 141 die Liste 3 wegen der von der sowjetischen Militärbehörde bestätigten Entnazifizierung des Herrn A ... L ... ein offensichtliches Versehen.
232
Anhang
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufbebung des Bescheides des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 4. Januar 1993 zu verpflichten, das Eigentum an der Buchdruckerei L. .. und dem Grundstück ... Straße 29 in Berlin-Mitte an die Klägerin zurückzuübertragen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt er aus, unabhängig von der Frage der besatzungsrechtlichen Enteignung erfüllten die Fälle der sogenannten Listenenteignungen keine Tatbestände des Vermögensgesetzes, da es sich hierbei nicht um Teilungsunrecht, sondern um typische Kriegsfolgen handle, die nicht nach dem Vermögensgesetz zu beurteilen seien. Er weist darauf hin, daß bei anderer Beurteilung alle von der Liste 3 Betroffenen ihre Vermögenswerte zurückerhalten würden, und zwar auch dann, wenn es sich tatsächlich um Personen oder Unternehmen handele, die wegen ihrer Tätgkeit zwischen 1933 und 1945 belastet seien. Demgegenüber sehe der Entwurf des Entschädigungsund Ausgleichsleistungsgesetzes eine Mißbrauchsklausel vor, die für diese Fälle sogar den Anspruch auf eine Entschädigung versage. Jedenfalls handle es sich bei den Fällen der Liste 3 um Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Ausgangspunkt sei der SMAD-Befehl 124, der auch im sowjetischen Sektor Berlins angewendet worden sei und 151 dort Gültigkeit gehabt habe. Zwar sei das auf dieser Grundlage erlassene Gesetz vom 27. März 1947 wegen des Vorbehalts der Westalliierten nicht in Kraft getreten; nach der Spaltung der Stadt habe aber im Dezember 1948 der Magistrat beschlossen, das Gesetz vom 27. März 1947 durchzuführen. Dieser Beschluß sei von dem sowjetischen Militärkommandanten ausdrücklich bestätigt worden. Demzufolge sei am 8. Februar 1949 das "Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten" ergangen und durch Beschluß des Magistrats in Kraft gesetzt worden. In der Folgezeit seien noch im Februar 1949 die Listen I und 2 und später - im Mai 1949 - aufgrund der Verordnung vom 10. Mai 1949 die Listen A, Bund C veröffentlicht worden. Die Zusammenfassung bisher nicht erfaßter Vermögenswerte in Listen habe sich verzögert. Am 10. November 1949 habe der Magistrat den die Liste 3 betreffenden Beschluß gefaßt und deren Veröffentlichung angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt habe der Magistrat noch keine eigene Verwaltungsbefugnis gehabt, diese sei ihm vielmehr erst am 12. November 1949 von dem sowjetischen Militärkommandanten übertragen worden. Trotz Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 handele es sich noch um eine besatzungsrechtliche Maßnahme, denn weder im Vermögensgesetz noch in der Gemeinsamen Erklärung finde sich ein konkretes Beendigungsdatum für besatzungsrechtliche Maßnahmen. Auch wenn die sowjetische Besatzungsmacht sich über den 4-Mächte-Status Berlins hinweggesetzt haben sollte, berühre dies die Wirksamkeit der Enteignungen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge (2 Hefter) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind. 161
2. ("Liste 3")-Urteil des VG Berlin vom 11.4.1994
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Entscheidungsgrunde Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die beantragte Rückgabe der Vermögenswerte (§ 113 Abs. 5 Satz I VwGO). Die Klägerin hat zwar ihre Erbberechtigung nach A ... L. .. , dem Sohn des ... L. .. , durch Vorlage der Testamentskopien glaubhaft gemacht. Es liegt auch der Tatbestand des § lAbs. 1 aVermG vor, denn die Enteignung aufgrund der Liste 3 bzw. des § I Abs. I des Gesetzes vom 8. Februar 1949 erfolgte "entschädigungslos" . Der Einwand, eine Rückübertragung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei den Listenenteignungen nicht um "Teilungsunrecht" handele, greift - ungeachtet der Frage, ob dieser Begriff für die Restitutionsausschluß-Tatbestände des Vermögensgesetzes überhaupt Bedeutung gewinnen kann - nicht durch. Mögen auch gesetzgeberisches Leitbild für die Restitutionstatbestände in § I VermG die in § I Abs. I der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 1990 (AnmVO, GBl. I S. 718) aufgeführten Rechtsvorschriften sein (BVerwG, Urteil vom 24. März 1994, ZOV 1994 S. 205, 206), hat doch der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des Vermögensgesetzes eigene und neue Regelungen geschaffen. Anders noch als die AnmVO, die sich auf einzelne Enteignungstatbestände beschränkte, beschreibt § I VermG abstrakt verschiedene Rückübertragungstatbestände. Dieser Wechsel in der Gesetzessystematik erlaubt es nicht, das Vermögensgesetz nur auf "Teilungsunrecht" zu beschränken (so aber Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz, BT-Drs. 11/7831, S. 2). Dies zeigen auch § lAbs. 2 und 3 VermG, bei denen es sich nicht um sogenanntes Teilungsunrecht handelt, und auch § lAbs. 8 a VermG. Besatzungsrechtliche Enteignungen sind nicht nach dem Kriterium durchgeführt worden, ob der Betroffene in der damaligen sowjetischen Besatzungszone lebte. Wollte man auch auf diese Enteignungen den Maßstab des Teilungsunrechts anwenden, liefe § 1 Abs. 8 aVermG 171 weitgehend leer. Es hätte dieses Ausschlußtatbestandes nicht bedurft, da ohnehin alle entsprechenden Enteignungen kein Teilungsunrecht darstellen. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber mit § lAbs. 8 a VermG eine überflüssige Norm schaffen wollte (ebenso Neuhaus in: Fieberg 1Reichenbach 1Messerschrnidtl Schrnidt-Räntsch, VermG § I Rdnr. 190, obwohl die Autorin sonst Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz auf Teilungsunrecht beschränken will: § I Rdnr. 37 ff.). Dem Umstand, daß es sich bei dem Grundstück B ... Straße um ein "Mauergrundstück" handelt, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Einmal unterliegen Mauergrundstücke jedenfalls zur Zeit noch keiner besonderen Regelung, zum anderen zielt auch die Bundesratsinitiative Berlins nur auf solche Mauergrundstücke, die zum Zweck des Mauerbaues enteignet wurden, nicht aber auf bereits vorher enteignete Grundstücke. Ein Rückübertragungsanspruch besteht jedoch nicht, weil das Vermögensgesetz auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Nach § lAbs. 8 a VermG gilt das Gesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen trotz der hiergegen geäußerten Einwände (vgl. zuletzt Wasmuth, VIZ 1994 S. 108 ff., m.w.N.) keine Bedenken. Gegenüber dem Sachstand, der der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
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richts vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 ff.) zugrunde lag, haben sich keine wesentlichen Änderungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit sinngemäß ausgeführt (Beschluß vom 2. April 1993 - BVerwG 7 B 28.93 -, VIZ 1993 S.49): Auch wenn seitens der ehemaligen Sowjetunion der Restitionsausschluß für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage tatsächlich nicht zur Vorbedingung für die Wiedervereinigung gemacht 181 worden sein sollte, ändere dies nichts an der bisherigen verfassungsrechtlichen Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht und rechtfertige keine erneute Verfassungsgerichtsvorlage, da die Verhandlungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit in dieser Frage jedenfalls von einer entsprechenden Einschätzung seitens der Bundesregierung bestimmt gewesen ist. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Die Einschätzung des bei den Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen Erreichbaren unterlag der eigenverantwortlichen, pflichtgemäßen Beurteilung der Bundesregierung und entzieht sich der (verfassungs-) gerichtlichen Nachprüfung (BVerfGE 84, 90, 128). Ob eine Maßnahme als ..besatzungsrechtlich" oder als ..besatzungshoheitlich" einzuordnen ist, beurteilt sich je nach dem, ob sie in formeller Hinsicht auf entsprechenden Befehlen bzw. Anordnungen der sowjetischen Militäradrninistration oder auf Rechts- bzw. Hoheitsakten der Länder der ehemaligen sowjetischen Zone und kommunaler Stellen des sowjetischen Sektors von Berlin beruhen (Erläuterung der Bundesregierung, BT-Drs. 11/7831, S. 3). Danach kommt für die Listenenteignungen nur eine besatzungshoheitliche Grundlage in Betracht. Eine zeitliche Begrenzung für eine besatzungshoheitliche Maßnahme enthält das Vermögensgesetz nicht. § 1 Abs. 8 aVermG stellt einen materiellen Maßstab auf und erstreckt die Nichtanwendbarkeit des Vermögensgesetzes, d.h. den Rückübertragungsausschluß, auf alle Fälle, in denen eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte, ohne ein Enddatum zu setzen. Auch die Anmeldeverordnung, ..gesetzgeberisches Leitbild" für das Vermögensgesetz (so BVerwG, ZOV 1994 S. 205, 206), schließt in § lAbs. 5 a nur die Geltung der Verordnung für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, ohne eine zeitliche Grenze zu setzen. Eine Zeitbestimmung findet sich in der ..Gemeinsamen Erklärung" vom 15. Juni 1990, die gemäß Art. 41 Bestandteil des Einigungsvertrages und damit Bundesrecht geworden ist. 191 Dort heißt es unter Nr. I: ..Die Enteignungen auf besatzungsrechtIicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 - 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen". Auch wenn Vermögensgesetz und Gemeinsame Erklärung als gleichrangige Regelung zusammen zur Auslegung des Begriffs Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage herangezogen werden müsse, läßt sich ein ..Enddatum" 7. Oktober 1949 hieraus nicht ableiten. Denn auch Nr. I der Gemeinsamen Erklärung legt keine exakten Zeitgrenzen fest, wie sich für die Zeit vor Kriegsende von selbst versteht. Vielmehr läßt sich diese Regelung am ehesten so verstehen, daß Enteignungen erfaßt sein sollten, deren besatzungsrechtliche oder -hoheitliche Grundlage bis 1949 gelegt sein mußte. Diese Bestimmung wäre insofern von Bedeutung, als das Besatzungsregime jedenfalls in Berlin lange über 1949 hinaus - genau genommen bis zur Wiedervereinigung - andauerte.
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Was unter einer Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zu verstehen ist, ist maßgeblich unter Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu bestimmen (vgl. Neuhaus in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Schmidt-Räntsch, VermG, § 1, Rdnr. 178). In der TASS-Erklärung vom 27. März 1990, die die insoweit maßgebliche Haltung der Sowjetunion wiedergibt, heißt es, die ,,1945 bis 1949 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsrnaßnahmen" seien als gesetzmäßig hinzunehmen. Absolut unannehmbar seinen Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögenswerten in Abrede zu stellen, die seiner Zeit mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite erworben worden seien. Eine entsprechende Aussage enthält das aide-memoire vom 28. April 1990 (beide abgedruckt bei Fieberg-Reichenbach, a.a.O., Rdnr. 178, 179). Auch hier findet sich mithin nur dieselbe - unbestimmte - Zeitgrenze wie in der Gemeinsamen Erklärung. Die bisher dargestellten Regelungen führen (nur) zu dem Schluß, daß der Rückgabeausschluß nur Enteignungen betreffen soll, die auf bis 1949 geschaffenen besatzungsrechtlichen oder -hoheitlichen Grundlagen beruhen. Ein genaues Enddatum enthält die Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz (BT-Drs. 11/7831, S. 3), wo es zu § 1 Abs. 8 heißt, hiervon erfaßt seien "Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in der Zeit 1101 zwischen Kriegsende (8. Mai 1945) und Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (7. Oktober 1949)". Die Kammer brauchte der Frage nicht im einzelnen nachzugehen, welche Bedeutung die "Motive", d.h. die subjektive Auffassung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, für die Auslegung einer Bestimmung haben, und welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß einerseits die Erläuterung der Bundesregierung nicht als "amtliche Begründung" zu dem von der DDR erlassenen Vermögensgesetz herangezogen werden kann, andererseits das Vermögensgesetz kein "normales" DDR-Gesetz ist, sondern unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustande gekommen ist und auch die späteren Änderungen des Vermögensgesetzes durch den Bundesgesetzgeber auf die Erkläuterung der Bundesregierung Bezug nehmen. Jedenfalls steht auch die Erläuterung der Bundesregierung einer Auslegung nicht entgegen, die eine zwar nach dem 7. Oktober 1949 ausgesprochene Enteignung als besatzungshoheitlich ansieht, wenn sie ihre Grundlage im Besatzungsrecht und in der Zeit vor dem 7. Oktober 1949 hat. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 84, 90, 115) hat ausgeführt, der zeitliche Rahmen in der Gemeinsamen Erklärung (1945 - 1949) ergebe, daß auch noch spätere auf besatzungsrechtliehe Grundlagen gestützte entschädigungslose Enteignungen "in der Zeit bis zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik" in den Restitutionsausschluß einbezogen werden sollten. Eine bindende Interpretation dahingehend, daß Enteignungen nach Gründung der Deutschen Demokratischen Republik nicht mehr unter § 1 Abs. 8 a VermG fallen können, liegt auch hierin nicht, denn aus dem Zusammenhang der Entscheidung - Beurteilung der Bodenreform - ergibt sich, daß das Bundesverfassungsgericht damit nur belegen wollte, daß nicht nur Enteignungen in den ersten Nachkriegsjahren erfaßt sein sollten. Daß das Bundesverfassungsgericht damit von einem festen Enddatum, nämlich dem 7. Oktober 1949 - zumal für die Listenenteignungen in Berlin - ausgehen wollte, ist nicht erkennbar. 1111 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (abgedruckt bei Kimme, Offene Vermögensfragen, Band 11, 61), der in Art. 10 Nr. I i.V.m. Art. 2 § 1 Abs. 1 Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder
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besatzungshoheitlicher Grundlage auf die Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 6. Oktober 1949 begrenzt, kann schon wegen seines Entwurfscharakters für die Auslegung des Vermögensgesetzes keine maßgebende Bedeutung gewinnen. Der Gesetzeswortlaut des Vermögensgesetzes nennt nur Enteignungen auf "besatzungsrechtlicher oer besatzungshoheitlicher Grundlage", die Gemeinsame Erklärung ergänzt dies durch den Zusatz ,,(1945 bis 1949)". Maßgeblich ist also die Grundlage der Enteignung, nicht die Frage, ob es sich unmittelbar um eine besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Enteignung handelt. Eine teleologische Reduktion auf Enteignungen vor dem 7. Oktober 1949 (vgl. VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 1993, ZOV 1993 S. 116 ff.) erscheint nach dem Wortlaut weder geboten noch möglich. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Regelung des § lAbs. 8 a VermG als Ausnahme von der grundsätzlichen Rückgabe eng auszulegen ist, kann den veröffentlichen Erklärungen der Sowjetunion, die insoweit maßgeblich den Geltungsumfang des § lAbs. 8 aVermG (mit-)bestimmen, nicht entnommen werden, daß "schlagartig" mit dem 7. Oktober 1949 jeder Vorbehalt hinsichtlich der Aufhebung von Maßnahmen entfallen wäre. Vielmehr war Hintergrund des sowjetischen Vorbehalts der, daß Maßnahmen der Sowjetunion als Siegermacht des Zweiten Weltkriegs nicht zur Disposition des besiegten Deutschlands gestellt werden sollten und als solche unantastbar bleiben müßten (vgl. Neuhaus, a.a.O., § I Rdnr. 180). Die von der Sowjetunion "verwirklichten Maßnahmen" (TASS-Erklärung) sind von deutschen Behörden und Gerichten als unüberprüfhar hinzunehmen. Diesem Verständnis und auch dem Wortlaut des § lAbs. 8 a VermG entspricht es, eine Enteignung dann als nicht aufhebbar anzusehen, wenn sie auf eine besatzungshoheitliche Grundlage zurückgeht, mag sie 1121 auch nach dem 7. Oktober 1949 tatsächlich ausgeführt worden sein. Maßgeblicher Eingriffsakt ist allerdings die Aufnahme in die Liste 3, nicht schon das Gesetz vom 8. Februar 1949; es handelt sich in diesen Fällen nicht um eine Legalenteignung. Das Gesetz enthielt nur allgemeine Grundsätze der Enteignung; welche Vermögenswerte im einzelnen darunter fallen, läßt sich erst den entsprechenden Listen entnehmen. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Enteignung den Betroffenen durch Veröffentlichung einer Liste oder durch Zustellung eines Einziehungsbescheids bekanntzugeben war und der Tag der Verkündung im Verordnungsblatt als der Tag der Zustellung des Einziehungsbescheides galt (§ 8). Die Liste 3 hat aber eine besatzungshoheitliche Grundlage; die von ihr erfaßten Fälle fallen daher unter den Rückübertragungsausschluß gemäß § lAbs. 8 a VermG. Dies ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Liste 3 (vgl. zum Folgenden: Tatzkow / Henicke, Die Enteignungen im sowjetischen Sektor von Berlin ... , ZOV 1993 S. 80 ff.; Klaus, Restitutionsfähigkeit von enteigneten Vermögens werten der Liste 3, ZOV 1992 S. 190 ff.). Die Vermögenswerte "führender oder aktivistischer Nationalsozialisten" wurden in Berlin bereits durch die Verordnung des Magistrats vom 2. Juli 1949 beschlagnahmt. Die Beschlagnahme erstreckte sich auf das gesamte Vermögen von "Naziführem". Die Verordnung wurde nach ihrer Präambel im Auftrag und mit Zustimmung des obersten Chefs der sowjetischen militärischen Administration erlassen und im Verordnungsblatt der Stadt Berlin vom 20. August 1945, S. 45 f., veröffentlicht und hiermit in Kraft gesetzt. Auch der SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945, der ebenfalls die Beschlagnahme von Vermögens werten regelt, fand in Berlin Anwen-
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dung, wie durch die BK/O (47) 50 vom 21. Februar 1947 (VOB\. für Groß-Berlin 1947 S. 68) bestätigt wird. 1131 Auf dieser Grundlage wurden in allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone Enteignungsgesetze erlassen. Das Berliner "Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten" vom 27. März 1947 konnte allerdings wegen der damals auch noch von der Sowjetunion respektierten besonderen besatzungsrechtlichen Situation Berlins aufgrund des Einspruchs der westalliierten Kommandanten nicht in Kraft treten. Erst nach der Spaltung Berlins im Herbst 1948 wurden weitere Enteignungsschritte vorgenommen. Am 2. Dezember 1948 beschloß der Magistrat (Magistratsbeschluß Nr. 7/48) die "Durchführung des von der Stadtverordnetenversammlung am 27. März 1947 angenommenen Gesetzes ... "; dieser Beschluß wurde ausdrücklich durch das Schreiben des sowjetischen Militärkommandanten, Generalmajor Kotikow, vom 22. Dezember 1948 gebilligt. Auch das "Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten", das der Magistrat von Groß-Berlin am 8. Februar 1949 beschloß und der entsprechende Beschluß des Magistrats zur Durchführung des Gesetzes vom gleichen Tag (veröffentlicht im VOBl. für Groß-Berlin 1949 S. 33, 34) erfuhr die Bestätigung durch den sowjetischen Stadtkommandanten (Schreiben des Generalmajors Kotikow vom 9. Febraur 1949). Daß inzwischen durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 eine weitere Sequestrierung aufgrund des Befehls Nr. 124 verboten wurden war, führt schon deswegen zu keiner anderen Beurteilung, weil der Befehl Nr. 64 nur für die sowjetische Besatzungszone galt. Berlin einschließlich des Ostsektors gehörte nach der damals auch von der Sowjetunion vertretenen Auffassung nicht zur sowjetischen Besatzungszone. Darüber hinaus enthielt der Befehl Nr. 64 in Nr. 5 die Regelung, daß der Befehl Nr. 124 "nach seiner Durchführung" außer Kraft gesetzt werde. Im Ostteil Berlins stand aber die Enteignung der sequestrierten Vermögenswerte anders als in den anderen Ländern der sowjetischen Besatzungszone - noch aus. Im Befehl Nr. 64 ist schließlich nur geregelt, daß keine weitere Beschlagnahme mehr erfolgen sollte, nicht aber, daß sequestriertes, aber noch nicht enteignetes Gut aus der 1141 Beschlagnahme zu entlassen sei. Das ergibt sich aus den §§ 1 und 4 des Gesetzes vom 8. Februar 1949, das - wie ausgeführt - von der sowjetischen Besaztungsmacht bestätigt wurde, die davon ausgehen, daß die Beschlagnahme aufgrund des SMADBefehls Nr. 124 und der Verordnung des Magistrats vom 2. Juli 1945 fortbestand. Zugleich mit dem Gesetz vom 8. Februar 1949 beschloß der Magistrat auch die Listen 1 und 2, die ebenfalls im Schreiben Kotikows vom 9. Februar 1949 bestätigt wurden. Damit wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht ebenfalls bestätigt die Nr. 3 des Beschlusses vom 8. Febraur 1949, nach der die Abteilung für Wirtschaft beauftragt wurde, Vorschläge für die Verwertung der nicht in den Listen 1 und 2 genannten Vermögens werte auszuarbeiten. Über die Aufstellung dieser Liste (der Liste 3) fand am 5. Juli 1949 eine Besprechung von Vertretern des Magistrats und der SMAD statt, deren Tagesordnung offenbar von der SMAD vorgegeben war, und in der vereinbart wurde, daß bis zum 31. Juli 1949 die entsprechenden Listen an die Zentralkommandantur eingereicht werden sollten. Die Sequestrierung sollte bis zum 1. September 1949 beendet, d.h. bis dahin entweder die Enteignung ausgesprochen oder die Freigabe angeordnet werden. Diese Zeitvorgabe wurde nicht eingehalten. Erst mit Beschluß Nr. 306 vom 10. November 1949 faßte der Magistrat den "Beschluß über die Verwertung der aus dem Sequester freigegebenen aber nicht in den gemäß Beschluß des Magistrats vom 8. Februar 1949 veröffentlichten Listen 1 und 2 genannten sonstigen Vermögenswerte", die Liste 3. In dem Beschluß heißt es u.a., die
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in Liste 3 genannten Vermögens werte würden "aufgrund des § I des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Fabruar 1949 zugunsten des Volkes entschädigungslos eingezogen". Die Liste 3 ist Inhalt der "Bekanntmachung" des Magistrats vom 14. November 1949 und wurde im Verordnungsblatt für Groß-Berlin vom 2. Dezember 1949 veröffentlicht. 1151 Dieser Geschehensablauf führt zu dem Schluß - wenn auch eine Bestätigung der Liste 3 durch sowjetische Stellen nicht bekannt ist -, daß es sich bei der Liste 3 um eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage handelt. Die Veröffentlichung am 2. Dezember 1949 war nur der letzte Schritt eines grundsätzlich von der Besatzungsmacht bestimmten Prozesses. Dies ergibt sich beispielsweise auch daraus, daß von der SMAD ausdrücklich angeordnet wurde, das Vermögen der IG Farbenindustrie auf die Liste 3 zu setzen (vgl. Klaus, a.a.O., S. 194), wie es auch tatsächlich unter Nr. 534 ff. geschehen ist. Es kann nicht angenommen werden, daß die Sowjetunion in den zur Wiedervereinigung führenden Verhandlungen eine unterschiedliche Behandlung dieser Vermögenswerte hinnehmen wollte, je nach dem, ob sie in Ostberlin oder in den Ländern der sowjetischen Besatzungszone lagen. Es wäre unverständlich, daß die Sowjetunion ihren Vorbehalt, der zur Regelung des § 1 Abs. 8 a VermG führte, nur für Maßnahmen in den übrigen Ländern ihrer Besatzungszone gelten lassen, Maßnahmen im Ostteil Berlins aber hiervon ausnehmen wollte (vgl. zu diesem Argument Petter in: Kimme, Offene Vermögensfragen, VermG, § 1 Rdnr. 239). Auf eine etwaige Verletzung des damaligen Vier-Mächte-Status Berlins kommt es nicht an. Das Vermögensgesetz nimmt insoweit den Rechtsstandpunkt der Sowjetunion hin, nach der Teilung der Stadt 1948 habe ihr die Besatzungshoheit im Ostsektor allein zugestanden (so schon die Kammer im Beschluß vom 13. Januar 1992, ZOV 1992 S. 114). Auch in den Erläuterungen der Bundesregierung (BT-Drs. 11/ 7831 S. 3) sind ausdrücklich die Länder der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und der sowjetische Sektor von Berlin insoweit gleichgestellt. Schließlich ist es unbeachtlich, ob der Enteignete tatsächlich zu den "Kriegsverbrechern und Naziaktivisten" gehörte. Auch Enteignungsmaßnahmen, bei denen die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Maßstäben 1161 willkürlich angewendet worden sind, sind vom Rückübertragungsausschluß des § 1 Abs. 8 a VermG erfaßt, wenn sie auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhten (BVerfGE 84, 90, 115). Für ein Handeln von Berliner Stellen gegen eine ausdrückliche Anweisung sowjetischer Behörden ist im vorliegenden Fall nichts zu erkennen. Hierfür ergibt sich auch nichts aus dem von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, daß der damalige Eigentümer unter Beteiligung sowjetischer Stellen entnazifiziert worden ist. Sequestration und spätere Enteignung wurden hiervon, wie der Geschehensablauf zeigt, nicht berührt. Auch die 1950 von deutschen Stellen auf den Einspruch des Betroffenen hin erfolgte BestätigllDg der Enteignung ändert nichts an ihrer besatzungsrechtlichen Grundlage. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung gegen dieses Urteil ist gemäß § 37 Abs. 2 VermG ausgeschlossen. Die Revision war gemäß § 135 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundSätzliche Bedeutung hat. Die in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortete Frage, ob eine und ggf. welche zeitliche Grenze für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gilt, insbesondere ob Enteignungen nach der Berliner Liste 3 unter § lAbs. 8 a VermG fal-
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len, ist für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung und bisher höchstgerichtlich nicht geklärt. 1171 Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Revision zulässig. Die Revision ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich hierbei auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Die Frist für die Einlegung der Revision endet einen Monat nach Zustellung dieses Urteils. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist beim Bundesverwaltungsgericht, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, eingelegt wird. Die Revisionsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht einzureichen. Sie muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben (§ 139 Abs. 3 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung). Pee
Calsow
Dahm
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3. ("Liste 3")-Urteil des Verwaltungsgerichts BerUn vom 4. Mai 1994 - 7 A 115.93· VG 7 A 115.93
Schriftliche Entscheidung Mitgeteilt durch Zustellung ... VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache Klägerin, Beklagten, hat das Verwaltungsgericht Berlin, 7. Kammer, im Wege der schriftlichen Entscheidung durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Weber, den Richter am Verwaltungsgericht Bath, die Richterin Junker, die ehrenamtliche Richterin Stimming, den ehrenamtlichen Richter Jesse nach Beratung am 4. Mai 1994 für Recht erkannt: 121 Der Beklagte wird unter teil weiser Aufhebung des Bescheides des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29. September 1992 verpflichtet, der Klägerin das Eigentum an dem Grundstück Leipziger Straße 126-130, Liegenschaftskataster Mitte, Gemarkung 110001, Flur 721, Flurstücke 11 und 12, nach Maßgabe der Vorschriften des Vermögensgesetzes zurückzuübertragen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 330.000,DM vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird zugelassen.
* Zwischen Striche gestellte Zahlen (121 usw.) bezeichnen die Seitenzählung des Umdrucks.
3. ("Liste 3")-Urteil des VG Berlin vom 4.5.1994
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Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung des Grundstücks Leipziger Straße 126-130, das zu dem Areal gehört, auf dem früher das durch Kriegseinwirkung zerstörte Kaufhaus Wertheim stand (4.402 m2 ; früher Grundbuch Friedrichstadt, Bd. 17, Flurstück 113 /70; nach dem Liegenschaftskataster des Bezirksamts Berlin-Mitte jetzt Flurstücke 11 und 12, Flur 721). Die Klägerin war seit 1911 als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Das Grundstück wurde aufgrund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Naziverbrecher und Kriegsaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBI. f. Groß-Berlin I S. 34) durch die Bekanntmachung über weitere Einziehungen auf Grund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 (Liste 3) vom 14. November 1949 (VOBI. f. Groß-Berlin I S.425) unter der Ifd. Nr. A 15 Buchstabe b entschädigungslos "eingezogen". Am 3. April 1950 wurde im Grundbuch "Eigentum des Volkes" eingetragen; Rechtsträger war die volkseigene Grundstücksverwaltung "Heimstätte Berlin", Anstalt des öffentlichen Rechts. Ab 1. Juli 1951 war Rechtsträger die Gebietskörperschaft Groß-Berlin, vertreten 131 durch den Magistrat von Groß-Berlin, Abt. Finanzen, Hauptgrundstücksamt. Zuletzt war Rechtsträger für das Flurstück 11 das Dienstleistungsamt für ausländische Vertretungen in der DDR; für das Flurstück 12 der Rat des Stadtbezirks Mitte, Abt. Finanzen. Zur Zeit befindet sich das letztgenannte Flurstück in der Hand des Beklagten; das Flurstück 11 in der Hand der Beigeladenen. Die Gesellschaftsanteile der Klägerin wurden von der Warenhaus Wertheim GmbH als Rechtsnachfolgerin der AW AG Grundstücksgesellschaft mbH gehalten. In den 50er Jahren wurde die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1990 beantragte die Warenhaus Wertheim GmbH die Rückübertragung des Grundstücks nach dem Vermögensgesetz. Auf Antrag der Warenhaus Wertheim GmbH bestellte das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluß vom 9. April 1992 - 96 HR B 52 235 - für die Klägerin Nachtragsliquidatoren. Den Antrag auf Rückgabe des Grundstücks lehnte der Beklagte mit Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29. September 1992 ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, daß das Vermögensgesetz nicht für solche Vermögens werte gelte, die auf besatzungsrechtIicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden seien. Zwar seien die Enteignungen durch Vorschriften deutscher Stellen erfolgt. Sie beruhten jedoch auf besatzungshoheitlicher Grundlagen; ein Zugriff wäre entgegen dem Willen der sowjetischen Besatzungsmacht nicht möglich gewesen. Die Liste 3 sei durch Beschluß des Magistrats von Groß-Berlin Nr. 306/49 vom 10. November 1949 bestätigt und zur Veröffentlichung angewiesen worden. Die Verwaltungsbefugnis sei erst am 11. November 1949 vom sowjetischen Stadtkommandanten auf den Magistrat übergeben worden. Mithin sei die Enteignung noch unter Besatzungshoheit beschlossen worden. Auch stünden Verstöße gegen den Vier-Mächte-Status und seinerzeitiges Verfassungsrecht dem Restitutionsausschluß nicht entgegen, weil sein Zweck gerade darin liege, Enteignungsmaßnahmen der Besatzungsmächte, die nicht rechtskonform waren, von einer erneuten Überprüfung durch deutsche Steilen auszunehmen. 141 Mit der am 29. Oktober 1992 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rückgabebegehren weiter. Sie meint: Ein Restitutionsausschluß nach § I Abs. 8 a VermG liege nicht vor. Die Enteignung des Grundstücks sei nach Gründung der ehemaligen DDR (7. Oktober 1949) erfolgt. Der Eingriff in das Eigentum der 16 VitzthumlMärz
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Klägerin sei erst durch Bekanntmachung des Magistratsbeschlusses vom 10. November 1949 im Verordnungsblatt vom 2. Dezember 1949 erfolgt und ausschließlich deutschen Stellen zuzurechnen. Eine gezielte Ermöglichung durch die sowjetische Besatzungsmacht oder ein maßgebliches Beruhen auf deren Entscheidung sei für die sog. Liste 3 nicht ersichtlich. Unabhängig von der allgemeinen Einordnung der Liste 3 habe die Enteignung der Klägerin im ausdrücklichen Widerspruch zu besatzungsrechtlichen Vorschriften und Anordnungen gestanden. Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teil weiser Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Finanzen - Landesausgleichsamt, Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen - vom 29. September 1992 zu verpflichten, ihr das Grundstück Leipziger Straße 126 - 130, eingetragen im Grundbuch Friedrichstadt von Berlin, Flurstück 113/70 zurückzuübertragen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird neben der Streitakte nebst dazugehörigem Anlagenbeistück sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. 151 Entscheidungsgrunde
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten; sie hat nach § 3 Abs. 1 des Vermögensgesetzes - VermG - Anspruch auf die Rückübertragung des Grundstücks (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Eine Enteignung der Klägerin auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gemäß § 1 Abs. 8 a VermG liegt nicht vor (1.). Das Grundstück der Klägerin ist durch entschädigungslose Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 a VermG in Volkseigentum überführt worden (2.). Ausschlußgründe, die einer Rückübertragung entgegenstehen könnten, liegen nicht vor (3.). 1. Das Vermögensgesetz ist auf den von der Klägerin geltend gemachten Rückübertragungsanspruch anwendbar; § 1 Abs. 8 aVermG greift nicht ein.
a) Ob eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage vorliegt, entscheidet sich danach, ob die Enteignung ihre Grundlage in Bestimmungen, Anordnungen oder Befehlen des Besatzungsrechts findet. Das kann für die Enteignung der Klägerin durch die Liste 3 ausgeschlossen werden. Sie fand ihre Grundlage in einer Rechtsvorschrift deutscher Stellen und wurde von deutschen Stellen bekanntgemacht und durchgeführt.
3. (..Liste 3")-Urteil des VG Berlin vom 4.5.1994
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b) Eine Maßnahme auf besatzungshoheitlicher Grundlage läßt sich nicht feststellen. Eine Enteignung beruht auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht worden sind und maßgeblich auf 161 deren Entscheidung beruht hat (vgl. Bodenreformurteil des BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 - I BvR 1170, 1174, 1175/90 - NJW 1991, S. 1592). Dieser Umschreibung des materiellen Gehalts dieses Merkmals schließt sich die Kammer an (vg\. bereits Urteil der Kammer vom 27. Mai 1993 - VG 7 A 10.93 -). aa) Der Wortlaut der Regelung läßt sich nicht in zeitlicher Hinsicht bis zur Staatsgründung der ehemaligen DDR am 7. Oktober 1949 mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Regelung beschränken mit der Folge, daß die Enteignungen durch die Liste 3, die am 10. November 1949 beschlossen und am 2. Dezember 1949 bekanntgemacht wurden, von vornherein nicht erfaßt wären. Dagegen sprechen die Entstehungsgeschichte der Regelung und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen. Die Bestimmung ist in Ausfüllung der - mit Gesetzeskraft ausgestatteten - Nr. I der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 - Anlage III zum Vertrag über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - (BGB\. 11 S. 1237) in das Vermögensgesetz aufgneommen worden. Zur Auslegung muß daher auf diese Gemeinsame Erklärung zurückgegriffen werden. Sie lautet hinsichtlich des ersten ..Eckwertes": ..Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß." Zwar nennt die Gemeinsame Erklärung den Zeitraum 1945 bis 1949. Sie spiegelt aber vor allem die Haltung der Sowjetunion wieder, die sich während des Einigungsprozesses konsequent auf den Standpunkt gestellt hat, daß die unter ihrer Besatzungshoheit 171 durchgeführten Enteignungsmaßnahmen nicht zur Disposition der beiden deutschen Staaten stünden, insbesondere keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder Staatsorgane unterlägen. Diese Haltung kommt klar in der TASS-Erklärung vom 27. März 1990 und in dem Aide-memoire der Sowjetischen Regierung vom 28. April 1990 (abgedruckt bei Fieberg 1Reichenbach 1MesserschmidtlVerstegen, Vermögensgesetz, § I Rdnr. 123 f.), zum Ausdruck. Der ..Eckwert" Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung bringt somit zum Ausdruck, daß die vertragschließenden Seiten die Haltung der Sowjetunion gleichsam als Rahmenbedingung der Wiedervereinigung akzeptiert haben. Das heißt zugleich, daß besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Maßnahmen nicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden sollen. Es gilt umfassend, also auch für die Enteignungen, die im sowjetisch besetzten Sektor Berlins durchgeführt wurden. Die Gemeinsame Erklärung bezieht sich auf Deutschland als Ganzes und läßt eine Einschränkung auf die sowjetisch besetzte Zone nicht zu (vg\. Urteil der Kammer vom 27. Mai 1993, S. 8 des Abdrucks, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 - BVerwG 7 C 47.93 - S. 9 f. des Abdrucks).
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Eine teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals "besatzungshoheitlich" in zeitlicher Hinsicht (so Urteil der 21. Kammer vom 29. Januar 1993 - VG 21 A 541.92 -) ist mit dieser Motivation der vertragschließenden Seiten nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat sich zur Ausfüllung des ersten Eckwertes der Gemeinsamen Erklärung nicht auf den Zeitraum 1945 bis 1949 bezogen, sondern ausschließlich auf den sachlichen Charakter der Maßnahme abgestellt. Es darf angenommen werden, daß sowohl der deutsche Gesetzgeber als auch die Sowjetunion von der historischen Tatsache ausgegangen sind, daß die Staatsgründung der DDR nicht zu einem Ende der Besatzungshoheit und zur vollen Souveränität geführt hat. Aus Sicht der Besatzungsmacht liegt die Erlangung der vollen Souveränität frühestens 1954, spätestens 1955 (Erklärung der Regierung der UdSSR über die Gewährung der Souveränität an die DDR vom 25. März 1954 181 bzw. Beschluß der Ministerrats der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der UdSSR in Deutschland vom 20. September 1955, abgedruckt in: Dokumente des geteilten Deutschlands, Hrsg. von Münch, Bd. I, S. 329/331). Es wäre auch schwerlich eine sachgerechte Differenzierung im Sinne des Art. 3 Abs. I GG, wenn nach der Kapitulation bis zur Gründung der DDR von Enteignungen durch die Besatzungsmacht Betroffene von der Rückgabe ausgeschlossen wären, während nach Gründung der DDR durch - nach allem noch denkbare - besatzungshoheitliche Maßnahmen Geschädigte die Rückgabe beanspruchen könnten. bb) Es kann indes nicht festgestellt werden, daß die mit der Liste 3 vorgenommene Enteignung der Klägerin auf besatzungshoheitlicher Grundlgae beruht. Weder kann ausgeschlossen werden, daß eine so intensive Einflußnahme durch die sowjetische Besatzungsmacht vorlag, daß von einer "gezielten" Enteignung der Besatzungsmacht gesprochen werden muß, noch kann ein maßgeblich deutschen Stellen zuzurechnendes Verhalten angenommen werden. Diese - nicht näher aufklärbare - tatsächliche Unsicherheit geht zu Lasten des Beklagten. Denn er trägt die materielle Beweislast für den Ausschluß der Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes. Diese Bewertung erscheint durch den historischen Geschehensablauf vor dem Hintergrund der Gemeinsamen Erklärung gerechtfertigt. Denn solange die sowjetische Besatzungsmacht die uneingeschränkten Verwaltungsbefugnisse im Ostsektor von Berlin für sich in Anspruch nahm, also im Zeitraum zwischen Kapitulation (8. Mai 1945) bis zur Übergabe der Verwaltungsbefugnisse an deutsche Stellen mit der Erklärung des Vertreters der Sowjetischen Kontrollkommission zur Übergabe von Verwaltungsfunktionen an deutsche Behörden vom 11. November 1949 (vgl. Dokumente des geteilten Deutschland, a.a.O., S. 325) ist es nahezu ausgeschlossen, daß deutsche Stellen ohne Erlaubnis oder Zustimmung der sowjetischen Besatzungsmacht handeln konnten; nach diesem Zeitpunkt kann primär die Verantwortlichkeit deutscher Stellen - unter Duldung der sowjetischen Besatzungsmacht - vermutet werden. 191 Die tatsächliche Beurteilung wird dadurch erschwert, daß die Entstehung der Liste 3 nur unvollkommen dokumentiert ist (vgl. Klaus, ZOV 1992, 190 [193 f.]). Sowjetische Einflußnahmen können in Vorabstimmungen und mündlichen Verhandlungen erfolgt sein. Die Ausarbeitung der Liste 3 geht auf den Magistratsbeschluß Nr. 91/ 49 vom 8. Februar 1949 unter Ziffer· 3 zurück, mit dem die Abteilung Wirtschaft beauftragt wurde, Vorschläge über die Verwertung der nicht in den Listen I und 2 genannten beschlagnahmten Vermögenswerte auszuarbeiten. Die Vorarbeiten der Liste 3 fallen daher eindeutig in den Zeitraum, für den uneingeschränkte sowjetische Kontrolle über das Handeln deutscher Stellen anzunehmen ist. Beschlossen WUf-
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de die Liste 3 vom sog. demokratischen Magistrat am 10. November 1949 (Magistratsbeschluß Nr. 306/49), also noch vor Übergabe der Verwaltungsbefugnisse an die deutschen Stellen. Das reicht jedoch nicht aus, um eine gezielte Einflußnahme der sowjetischen Besatzungsmacht oder ein maßgebliches Beruhen auf ihren Entscheidungen anzunehmen. Denn der eigentliche Enteignungsakt fällt in die Zeit nach Übergabe der Verwaltungsbefugnisse an deutsche Stellen. Der Eigentumsverlust ist erst mit der Bekanntmachung der Liste 3 eingetreten. Die Veröffentlichung galt nach § 8 des Gesetzes vom 8. Februar 1949 als Zustellung des Einziehungsbescheides. Erst sie konnte die Wirksamkeit der Einziehungsakte bewirken (v gl. OVG Berlin, Beschluß vom 2. April 1992 - OVG 8 S 40.92 -; Urteil der 21. Kammer a.a.O.; a.A. Beschluß der 25. Kammer vom 13. Januar 1992 - VG 25 A 661.91 -). Dagegen kommt es auf den Zeitpunkt, in dem die Maßnahme im Grundbuch vollzogen wurde, nicht an. Wirksamkeit erlangte die Enteignung der Klägerin demnach erst mit dem 2. Dezember 1949. Die Umsetzung des Magistratsbeschlusses, ohne die dieser Beschluß eine bloße Absichtserklärung geblieben wäre, ist demnach zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die primäre Verantwortlichkeit bereits bei den deutschen Stellen lag. Für eine besatzungshoheitliche Grundlage der Enteignung würe daher der Nachweis einer Einflußnahme der sowjetischen Besatzungsmacht erforderlich. Ein solcher Nachweis fehlt. 1101 Eine Bestätigung für die Liste 3 durch sowjetische Stellen gibt es nach dem Erkenntnisstand der Kammer nicht. Für eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der Entstehung der Liste 3 allgemein oder hinsichtlich der Einbeziehung der Klägerin in diese Liste fehlen sinnvolle Anknüpfungspunkte. Insbesondere besteht keine Aussicht, solche Unterlagen aus den Archiven der ehemaligen Sowjetunion erlangen zu können. Ein entsprechender Vorstoß des Beklagten bei der diplomatischen Vertretung der Russischen Föderation ist erfolglos geblieben. c) Da nicht mit der zur Überzeugungsbildung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß die Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte, kommt es darauf an, wer in dieser Situation die materielle Beweislast zu tragen hat. Insoweit entspricht es Sinn und Zweck der Regelung des § lAbs. 8 a VermG und trägt auch den historischen Fakten am ehesten Rechnung, die Regelung jedenfalls für solche Sachverhalte, die nach Gründung der DDR liegen, als Ausschlußtatbestand zu begreifen. Für dessen Eingreifen obliegt es dem Beklagten, die tatsächlichen Voraussetzungen darzulegen und nachzuweisen. Lediglich bei Enteignungen, die vor Gründung der DDR erfolgten, erscheint es gerechtfertigt, in der Regelung einen Rechtsanwendungsausschluß, das heißt eine Anspruchsvorausetzung zu sehen, die derjenige zu widerlegen hat, der sich Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz berühmt. Denn in diesem Zeitraum spricht nach den historischen Fakten eine Vermutung dafür, daß es sich um eine durch § 1 Abs. 8 a VermG ausgeschlossene Maßnahme auf besatzungshoheitlicher Grundlage gehandelt hat. 2. Die Enteignung der Klägerin ist entschädigungslos erfolgt. Sie ist deshalb eine Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 a VermG, deren Vorliegen den Rückgabeanspruch des Berechtigten nach § 3 Abs. 1 VermG begründet. Der Auffassung, der Tatbestand der entschädigungslosen Enteignung nach § 1 Abs. 1 a VermG sei teleologisch auf Fälle mit "interlokalem" Bezug im Sinne von Teilungsunrecht zu reduzieren, mithin den vorliegenden Fall nicht erfasse (offengelassen BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 7 C 32.92 - S. 7 des amtlichen Abdrucks mit 1111 ausführlichen Nachweisen zum Meinungsstand im Schrifttum), vermag die Kammer nicht zu folgen. Der Gedanke des Teilungsunrechts ist nicht ein den Anwendungsbereich
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des Vermögensgesetzes beherrschendes, ihm sozusagen vorgegebenes Prinzip, vielmehr nur das Motiv für die Bildung einiger - nicht aller - Fallgruppen, für die das Gesetz gelten soll (so die 21. Kammer des VG Berlin a.a.O. unter Hinweis auf Wasmuth, Wider die Irrlehre vom Teilungsunrecht, VIZ 1993, 1 ff.). Keinesfalls kann dem Gesetz ein umfassendes Prinzip des Inhalts entnommen werden, daß es nur für Teilungssachverhalte Geltung beanspruchen wolle. Schließlich läßt sich nicht bestreiten, daß sich bereits 1945 in den von der Sowjetunion besetzten Gebieten Deutschlands eine vermögensrechtliche Entwicklung vollzog, die mit dem aus der Weimarer Republik überkommenen Verständnis der Eigentumsordnung in Deutschland nicht in Einklang zu bringen war. Gerade deshalb werden selbst Sachverhalte, bei denen das Gesetz infolge des § 1 Abs. 8 aVermG nicht gilt, als entschädigungswürdig angesehen (vgl. Urteil des BVerfG, a.a.O.). Die Klägerin ist trotz ihrer bereits erfolgten Löschung im Handelsregister auch Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG. Für den hier vorliegenden Fall der Einzelrestitution sind insoweit die Grundsätze, die für die Unternehmensrestitution gelten (§ 6 Abs. 1 aVermG), entsprechend anzuwenden. Insofern bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Anspruch von der Warenhaus Wertheim GmbH angemeldet wurde. Denn ihr gehören sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin. 3. Ausschlußtatbestände nach §§ 4, 5 VermG liegen nicht vor. Nach der Auskunft des Bezirksamts Mitte von Berlin, Abt. Bauwesen, vom 3. März 1994 ist das Grundstück bis zum 29. September 1990 insbesondere nicht mit erheblichem baulichem Aufwand in seiner Nutzungsart oder Zweckbestimmung in fortbestehendem öffentlichem Interesse verändert, nicht dem Gemeingebrauch gewidmet oder im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau verwendet worden. 1121 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren von der Kostentragungslast des Beklagten auszunehmen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und damit keine Kostenrisiko übernommen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 709 ZPO. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung sitzt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Abgesehen davon, daß die Rückgabe der in Liste 3 erfaßten Vermögenswerte von volkswirtschaftlich beachtlicher Bedeutung ist zu klären, wer die materielle Beweislast für das Vorliegen einer Enteignung besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zu tragen hat.
beder ist, auf
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Revision Z'Jlässig. Die Revision ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich hierbei auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.
3. {"Liste 3")-Urteil des VG Berlin vom 4.5.1994
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Die Frist für die Einlegung der Revision endet einen Monat nach Zustellung dieses Urteils. Die Revisionsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Hardenbergstr. 31, lO623 Berlin, einzureichen. Sie muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werde, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Weber
Junker
Bath
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4. "Bodenreform"-Dokumentation der Bundesregierung" Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Friedrich Bohl, legt heute die vom Bundeskabinett am 30. August 1994 in Auftrag gegebene "Bodenreform"-Dokumentation vor und erklärt dazu: Auf Grund der Äußerungen des ehemaligen sowjetischen Partei- und Staatschefs Michael Gorbatschow, die Sowjetunion habe im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung nicht die Unantastbarkeit der Enteignungen in der sowjetisch besetzten Zone zwischen 1945 und 1949 verlangt, hat die Bundesregierung noch einmal das vorliegende Aktenmaterial sogfältig geprüft. Ich habe darüber hinaus veranlaßt, daß in anderen Archiven, insbesondere im Bundesarchiv in Potsdam, weitere Recherchen erfolgen. Sollten sich hieraus zusätzliche Erkenntnisse ergeben, werden diese selbstverständlich ebenfalls unverzüglich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Bundesregierung hat die einschlägigen Erklärungen und Gespräche in einer Chronologie 1) zu den 2+4-Verhandlungen über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit und 2) zu den deutsch-deutschen Verhandlungen über offene Vermögens fragen zusammengestellt. Diese Chronologie steht Ihnen hier zur Mitnahme zur Verfügung. Ebenfalls beigefügt ist noch einmal die Gemeinsame Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990. Aus der Chronologie sird deutlich, daß die Sowjetunion und die DDR im Jahre 1990 von Anfang an sowohl bei dem 2+4-Abkommen wie auch bei dem Einigungsvertrag mit allem Nachdruck auf die Unumkehrbarkeit der sogenannten Bodenreform bestanden haben. Die ausführliche Stellungnahme der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 22. Januar 1991 wird durch diese Dokumentation noch einmal bestätigt. Die jüngsten Äußerungen des ehemaligen sowjetischen Partei- und Staatschefs Michael Gorbatschow bleiben daher für die Bundesregierung unverständlich. Die Bundesregierung hält an den Vereinbarungen zur Unumkehrbarkeit der Maßnahmen im Zusammenhang mit der sogenannten Bodenreform fest. Sie begrüßt die gestrige Einigung über das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz im Vermittlungsausschuß. Mit dieser Einigung wurden über drei Jahre intensive und kontroverse Beratungen über eines der schwierigsten Gesetze dieser Legislaturperiode zu Ende gebracht. Das Gesetz schließt die letzte große Lücke der Regelungen der sogenannten offenen Vermögensfragen. Mit der abschließenden Regelung der Entschädigungen wird ein langjähriges erhebliches Investitionshindernis in den neuen Ländern beseitigt. Damit ist zugleich Klarheit und Sicherheit für die betroffenen Menschen geschaffen.
* Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung vom 2. September 1994, Nr. 327/94 (Korrigierte Fassung). - Vom Abdruck der dieser Chronologie angefügten Gemeinsamen Erklärung der bei den deutschen Regierungen vom 15.6.1990 wurde abgesehen.
4. "Bodenreform"-Dokumentation der Bundesregierung
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Chronologie zur Frage der Enteignungen von 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone im Zusammenhang mit den 2+4-Verhandlungen über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit 2. März 1990: Schreiben von Ministerpräsident Modrow an Generalsekretär Gorbatschow: " ... die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik geht davon aus, daß die Eigentumsordnung der Deutschen Demokratischen Republik, wie sie sich nach dem Sieg über den Hitler-Faschismus in der damaligen sowjetischen Besatzungszone herausgebildet hat, bei Schaffung einer Währungsunion und Wirtschafts gemeinschaft mit der Bundesrepublik Deutschland und auch in einem späteren einheitlichen Deutschland nicht in Frage gestellt werden darf. Ich darf daher die Bitte äußern, daß die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken mit ihren Rechten als Siegermacht des 2. Weltkrieges in Bezug auf ein späteres Gesamtdeutschland ... für die Sicherung der Eigentumsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik eintritt." 6. März 1990: Generalsekretär Gorbatschow bestätigt (so TASS vom gleichen Tag), daß die volle Berücksichtigung der Rechte und Interessen der Vier Siegermächte unabdingbare Voraussetzung für den Weg zu einem vereinten Deutschland sei. 9. März 1990: In Vorgesprächen zu den 2+4-Verhandlungen zwischen Regierungsdelegationen beider deutscher Staaten in Berlin (Ost) lehnt Abteilungsleiter Kastrup den Wunsch der DDR-Delegation ab, daß die Eigentumsfragen im Rahmen der Verhandlungen über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit (2+4-Verhandlungen) diskutiert werden. Eigentumsfragen seien bei den deutsch-deutschen Gesprächen zu behandeln. 14. März 1990: Beim ersten 2+4-Treffen auf hoher Beamtenebene wird die Position der Bundesrepublik Deutschland von den USA, Frankreich und Großbritannien unterstützt. Die sowjetische Seite besteht darauf, daß die Frage der Eigentumsordnung im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Fragenkomplex bei den 2+4-Verhandlungen erörtert wird. 27. März 1990: TASS veröffentlicht eine Erklärung der sowjetischen Regierung: "Im Zusammenhang mit der Erklärung der Regierung der DDR vom 01. März 1990 zu Fragen des Eigentums in der DDR erachtet es die sowjetische Regierung für erforderlich, folgendes zu konstatieren: ... Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und ihrer Verantwortung in den deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der DDR ein, und sie ist gegen die Versuche, die Vermö-
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gens verhältnisse in der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens des einheitlichen Deutschlands in Frage zu stellen. Das setzt voraus, daß beide deutsche Staaten im Prozeß ihrer Annäherung und Vereinigung davon ausgehen, daß die 1945-1949 von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsrnaßnahmen gesetzmäßig waren. Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögens in der DDR in Abrede zu stellen, die seinerzeit mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite, die sich dabei von der Erklärung über die Niederlage Deutschlands, vom Potsdamer Abkommen und von anderen vierseitigen Beschlüssen und Entscheidungen leiten ließ, erworben wurden." 28. April 1990: Das sowjetische Außenministerium übergibt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau im Zusammenhang mit den deutsch-deutschen Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion ein Aide Memoire, in dem es heißt: "Nichts im Vertragsentwurf zwischen der BRD und der DDR darf dazu berechtigen, die Gesetzlichkeit der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die Vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder jeder in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliegt keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane. Dies gilt auch für diejenigen Verpflichtungen, die die DDR zur Abänderung ihrer Verfassung und ihrer Gesetze über das sozialistische Eigentum in der Stadt und auf dem Lande eingehen soll." 5. Mai 1990: Bei der ersten Außenministerkonferenz im 2+4-Rahmen in Bonn erklärt Außenminister Schewardnadse: " ... Selbstverständlich darf Deutschland die Legitimität der Maßnahmen und Verfügungen, die durch die Vier Mächte in den Besatzungszonen erfolgt sind, nicht revidieren oder in Zweifel ziehen." 9. Mai 1990: Der sowjetische Botschafter in Bonn Kwizinskij, der als Vize-Außenminister die sowjetische Verhandlungsdelegation übernehmen soll, führt bei seinem Abschiedsbesuch gegenüber dem Bundespräsidenten mit Blick auf das abschließende Dokument der 2+4-Gespräche aus, daß bestimmte aus alliierter Zeit herrührende Bestimmungen festgeschrieben werden sollten, z.B. Beschlüsse über Landeigentum und Liegenschaften und andere Beschlüsse der Alliierten, deren Gültigkeit danach nicht mehr vor deutschen Gerichten angefochten werden dürfte. 23. Mai 1990: Bei einem Gespräch in Genf wiederholt Außenminister Schewardnadse gegenüber Bundesminister Genscher, daß das einheitliche Deutschland die Legitimität der Maß-
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nahmen der Vier Mächte anerkennen müsse, wozu die Vergesellschaftung von Eigentum und insbesondere Maßnahmen hinsichtlich von Grundbesitz gehörten. 9. Juni 1990: Bei einem 2+4-Treffen auf hoher Beamtenebene in Berlin legt die sowjetische Seite ein Papier vor, das ihre Vorstellungen zum Inhalt einer abschließenden Regelung enthält. U.a. heißt es darin: .. Anerkennung der Legitimität und Unurnkehrbarkeit der Maßnahmen, die von den Vier Mächten in ihren Besatzungszonen zu politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fragen getroffen wurden." 22. Juni 1990: Beim Treffen der Außenminister im 2+4-Rahmen in Berlin unterbreitet die Sowjetunion ein Papier über die Grundprinzipien für eine abschließende völkerrechtliche Regelung mit Deutschland. Hierin heißt es u.a.: ..4. Das vereinte Deutschland wird die Legitimität jener Maßnahmen und Verfügungen anerkennen, die von den Vier Mächten gemeinsam oder in jeder ihrer ehemaligen Besatzungszonen hinsichtlich der Entnazifizierung, der Entmilitarisierung und der Demokratisierung getroffen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse einschließlich der Vermögens- und Bodenfragen, wird einer Überprüfung bzw. Revision durch deutsche Gerichte bzw. durch andere deutsche Staatsorgane nicht unterliegen. " 13. August 1990: Vizeaußenminister Kwizinskiy zitiert gegenüber Abteilungsleiter Kastrup in Moskau aus einem neuen Verhandlungsentwurf der sowjetischen Seite: .. Diese Regierungen erklärten, daß das vereinte Deutschland die Legitimität derjenigen Maßnahmen und Verordnungen anerkenne, die von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder von jeder einzelnen in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen worden seien. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, darunter zu Eigentums- und Bodenfragen, würden von deutschen Gerichten oder anderen deutschen staatlichen Behörden keiner Revision unterzogen." 17. August 1990: Bei einem Treffen von Bundesminister Genseher mit Außenminister Schewardnadse in Moskau legt die Sowjetunion den Entwurf einer abschließenden völkerrechtlichen Regelung mit Deutschland vor. In dem Entwurf heißt es u.a.: .. 8. Die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland erklären, daß das vereinte Deutschland - die Legitimität der Maßnahmen und Verordnungen anerkennt, die von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder von jeder in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen bzw. erlassen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, darunter auch in
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Anhang Vermögens- und Bodenfragen, wird von deutschen Gerichten oder anderen deutschen staatlichen Stellen nicht revidiert;"
27.128. August 1990: Bei einem Gespräch zwischen Abteilungsleiter Kastrup und Vize-Außenminister Kwizinskij in Bonn insistiert die sowjetische Seite, daß mit Blick auf den Obersten Sowjet Aussagen von deutscher Seite zur Eigentumsproblematik erwartet würden. In diesem Gespräch wird erstmals die Frage angesprochen, ob dem sowjetischen Interesse nicht dadurch Rechnung getragen werden könne, daß beide deutsche Staaten der sowjetischen Seite die zwischen ihnen getroffene Regelung mitteilten. 1. September 1990: Der sowjetische Botschafter in Bonn, Terechow, erklärt gegenüber Abteilungsleiter Kastrup, die Sowjetunion wäre ggfs. bereit, auf eine Bestimmung in der abschließenden Regelung zu verzichten, falls entsprechende Aussagen in einem Brief der beiden deutschen Außenminister gegenüber den vier Mächten enthalten seien und der Brief von sowjetischer Seite in das Ratifikationsverfahren in Moskau eingebracht werden könnte. 4. - 7. September 1990: Beim 2+4-Treffen auf hoher Beamtenebene in Berlin wiederholt Abteilungsleiter Kastrup den schon zu Beginn der Verhandlungen vorgetragenen Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, daß die Eigentumsmaterie nicht in die abschließende Regelung gehöre. Es werde einen Brief der bei den deutschen Außenminister an die Außenminister der anderen vier Teilnehmer geben. Dieser Brief solle nicht bestätigt werden. Jeder Empfanger sei jedoch frei, ihn zu veröffentlichen, auch im Zusammenhang mit seinem Ratifikationsverfahren. 12. September 1990: Der Brief der beiden deutschen Außenminister wird im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des "Vertrags über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" in Moskau übergeben. Nummer 1 dieses Briefes gibt den Wortlaut der Nummer 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 wieder, die als Anlage III gemäß Artikel 41 Bestandteil des "Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands" (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 ist.
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Chronologie zur Frage der Enteignungen von 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone im Zusammenhang mit den deutsch-deutschen Verhandlungen über offene Vermögensfragen 1. März 1990 Erklärung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu den Eigentumsverhältnissen, in der es unter anderem heißt: "Sie (die Regierung) geht davon aus, daß es im unmittelbaren Interesse aller Bürger der Deutschen Demokratischen Republik liegt, aber auch Anliegen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sein sollte, die Eigentumsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik, wie sie sich nach dem zweiten Weltkrieg aufgrund völkerrechtlicher Abkommen, der Gesetze des Alliierten Kontrollrates für Deutschland und Bestimmungen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone sowie der Gesetze und Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik herausgebildet haben, nicht in Frage zu stellen. Dabei handelt es sich letztlich darum, das von den Bürgern in der Deutschen Demokratischen Republik in über 40jähriger Arbeit geschaffene Volksvermögen in seinen wesentlichen Rechtskategorien zu wahren. Es geht um Rechtssicherheit, die mit wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit verbunden sein muß. Die Herausbildung und Entwicklung des Volkseigentums auf dem heutigen Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik vollzog sich im Ergebnis des zweiten Weltkrieges und hat seine Grundlage im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 mit der Zielrichtung der Entmilitarisierung und Entnazifizierung in Deutschland sowie der Bestrafung der Kriegsverbrecher. ... Die demokratische Bodenreform ermöglichte, landarmen und landlosen Bauern, die zum großen Teil Umsielder waren, 3,3 Millionen Hektar Grund und Boden zur Verfügung zu stellen. Der enteignete Boden und mit ihm Gebäude und Inventar gingen in das Eigentum der Kleinbauern und Landarbeiter über. Die Verfassungen der Länder garantierten den Bauern ihre auf dem Wege der Bodenreform erworbenen Eigentumsrechte. Diese Rechte wurden durch Artikel 24 der ersten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 ausdrücklich bekräftigt." 2. März 1990 Schreiben von Ministerpräsident Modrow an Bundeskanzler Kohl, mit dem die Erklärung der Regierung der DDR vom 01. März übersandt wurde. In dem Schreiben heißt es unter anderem: "In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darüber informieren, daß meine Regierung zunehmend von großer Sorge getragene Fragen von Bürgern, gesellschaftlichen Vereinigungen und Parteien erreichen, in denen Rechtssicherheit zu den Eigentumsverhältnissen in der Deutschen Demokratischen Republik im Zusammenhang mit den aufgenommenen Verhandlungen über eine Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft gefordert wird. Darüber hinaus scheint es mir nicht nur unter dem Gesichtspunkt des deutschen Einigungsprozesses, sondern auch im Hinblick auf einen weiteren konstruktiven Verlauf der gesamteuropäischen Zusammenarbeit erforderlich, die nach dem zweiten Weltkrieg in der Deutschen Demokratischen Republik entstandene Eigentumsordnung nicht in Frage zu stellen."
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12. April 1990 Koalitionsvereinbarung zwischen den Fraktionen der CDU, der DSU, dem DA, den Liberalen (DFP, BFD, F.D.P.) und der SPD vom 12. April 1990, in der es unter anderem heißt: - "Auf dem Gebiet der Eigentumsproblematik sind folgende Maßnahmen erforderlich: - Anerkennung der alliierten Rechtsprechung (gemeint ist: Rechtsetzung) - Gesetz zur Sicherung der Eigentumsrechte aus der Bodenreform - Vor dem Hintergrund öffentlicher Informationen zu einem geplanten Staatsvertrag DDR/BRD und auf der Grundlage der Koalitionsverhandlungen zur Wirtschaftsund Finanzpolitik sind die folgenden Punkte im Staatsvertrag zu regeln: - Anerkennung der Eigentumsformen, einschließlich Bodenreform und der anderen durch die Siegermächte festgelegten Enteignungen sowie der anderen Regelungen zu Eigentumsfragen gemäß der Koalitionsvereinbarung - Land- und Forstwirtschaft -
Nichtinfragestellung der Eigentumsverhältnisse, die im Ergebnis der Bodenreform auf dem Territorium der DDR entstanden sind. Überprüfung unrechtmäßiger Enteignungen nach der Bodenreform und gegebenenfalls Entschädigungen oder andere Formen der Wiedergutmachung".
19. April 1990 Regierungserklärung von Ministerpräsident de Maiziere in der es unter anderem heißt: "In den nächsten acht bis zehn Wochen wollen wir die Grundlagen für die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion legen, damit diese vor der Sommerpause in Kraft treten kann. Dabei ist 1: 1 der grundlegende Kurs. Dazu gehört die Sicherung der Eigentumsrechte aus der Bodenreform und aus Eigentumsübertragungen, die nach Treu und Glauben rechtens waren und daher auch rechtens bleiben müssen. ... Ziel der Regierung ist es, eine vielfältig strukturierte, leistungsfähige und ökologisch orientierte Land- und Forstwirtschaft in unserem Lande zu schaffen. In diesem Zusammenhang müssen wir sehr schnell unter anderem folgende Probleme lösen: Erstens: Die offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Eigentum an Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft. Im Namen der Regierung stelle ich hier fest: Die Ergebnisse der Bodenreform auf dem Territorium der DDR stehen nicht zur Disposition." 8. Juni 1990 Verhandlungen von Bundesminister Seiters, Bundesminister Schäuble, Graf Lambsdorff und den Staatssekretären Kinkei, Köhler, Voß mit Ministerpräsident de Maiziere, der erklärte, daß das Thema 1945 bis 1949 mit ihm nicht verhandelbar sei; dafür habe er kein Mandat. Als Kompromißmöglichkeit zeichnete sich nur eine Öffnungsklausel für Ausgleichsleistungen ab.
4. "Bodenreform"-Dokumentation der Bundesregierung
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15. Juni 1990 Gemeinsame Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen, deren Nummer 1 lautet: "Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 - 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß." 6. Juli 1990 Die erste Verhandlungsrunde über den Einigungsvertrag in Berlin wird von Ministerpräsident de Maiziere mit einem längerem Statement eröffnet, in dem er unter anderem ausführte, die "Enteignungsfrage" müsse in einer Weise geregelt werden, die nach einem Beitritt auch Bestand vor der "einfachen Gesetzesmehrheit" und vor dem Bundesverfassungsgericht habe. Im Laufe der Verhandlungsrunde betont Staatssekretär Krause, es komme der DDR darauf an, die diesbezüglichen Regelungen "bestandskräftig" zu gestalten. 9. Juli 1990 Abgestimmter Katalog der Verhandlungsthemen für den Einigungsvertrag, in dem es zu 1.6. c) heißt: "Der Schutz der Vereinbarungen zum Eigentum; Umsetzung der ,Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögens fragen , vom 15. Juni 1990 in rechtliche Regelungen." 3. August 1990 Erklärung von Ministerpräsident de Maiziere zum Beitritt und den gesamtdeutschen Wahlen am 14. Oktober 1990, in der es u. a. heißt: "Im Grundgesetz soll der Einigungsvertrag so abgesichert werden, daß seine Inhalte auch künftig Bestand haben. Dies gilt insbesondere für die Eigentumsfragen, einschließlich der Ergebnisse der Bodenreform. Ich lege darauf im Interesse der Deutschen in der DDR, aber ebenso im Interesse des Rechtsfriedens im vereinten Deutschland großen Wert." 3. August 1990 Erster Entwurf der DDR für den Einigungsvertrag, dessen Artikel 32 (Regelung von Vermögensfragen) vorsah, die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 zum Bestandteil des Einigungsvertrages zu machen und die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, "keine Rechtsvorschriften zu erlassen, die dieser Gemeinsamen Erklärung widersprechen".
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23. August 1990 Beschluß der Volkskammer über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Dieser Beschluß wird erst gefaßt, nachdem die Bundesregierung der Festschreibung der Gemeinsamen Erklärung im Einigungsvertrag (Artikel 41 Einigungsvertrag) und der verfassungsrechtlichen Absicherung der Nichtrückgängigmachung von Enteignungen (Artikel 4 Nr. 5 Einigungsvertrag betr. die Einfügung des Artikels 143 Abs. 3 in das Grundgesetz) gegenüber der Regierung der DDR zugestimmt hatte.
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)
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5. Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungs rechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG) vom 27. September 1994 (BGBI. I S. 2624)
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offenerVermögensfiagen (Entschädigungsgesetz - EntschG) §1 Grundsätze der Entschädigung (1) Ist Rückgabe nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) ausgeschlossen (§ 4 Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 5 des Vermögensgesetzes) oder hat der Berechtigte Enschädigung gewählt(§ 6 Abs. 7, § 8 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 des Vermögensgesetzes), besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Der Entschädigungsanspruch wird durch Zllteilung von übertragbaren Schuldverschreibungen des Entschädigungsfonds (§ 9) erfüllt, die über einen Nennwert von 1 000 Delltsche Mark oder einem ganzen Vielfachen davon lauten und ab 1. Januar 2004 mit sechs vom Hundert jähr1ich verzinst werden. Die Zinsen sind jähr1ich nachträglich fällig, erstmals am 1. Januar 2005. Die Schuldverschreibungen werden vom Jahr 2004 an in fünf gleichen Jahresraten durch Auslosung - erstmals zum 1. Januar 2004 - getilgt. Ansprüche auf Herausgabe einer Gegenleistung nach § 7a Abs. 1 des Vermögensgesetzes und Schadensersatz nach § 13 des Vermögensgesetzes sowie Ansprüche auf Wertminderungen nach § 7 des Vermögensgesetzes in der bis zum 22. Juli 1992 geltenden Fassung werden nach Bestandskraft des Bescheides durch Geldleistung erfüllt. § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes gilt entsprechend. (1 a) Ein Anspruch auf Entschädigung besteht im Fall der Einziehung von im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerten durch Entscheidung eines ausländischen Gerichts auch, wenn hinsichtlich der mit der Entscheidung verbundenen Freiheitsentziehung eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes erteilt worden ist. (2) Absatz 1 gilt auch, wenn der nach § 3 Abs. 2 des Vermögensgesetzes von der Rückübertragung Ausgeschlossene den Vermögenswert in redlicher Weise erworben hatte. Absatz 1 gilt ferner für Begünstigte (§ 18b Abs. 1 Satz 1 des Vermögensgesetzes) früherer dinglicher Rechte an Grundstücken, die mangels Rückgabe des früher belasteten Vermögenswertes oder wegen Rückgabe nach § 6 des Vermögensgesetzes nicht wieder begründet und nicht abgelöst werden. Ist eine Forderung des Begünstigten, die der früheren dinglichen Sicherung
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zugrunde lag, vor der bestandskräftigen Entscheidung über den Entschädigungsanspruch erfüllt worden, entfällt der Anspruch auf Entschädigung. Mit der bestandskräftigen Entscheidung über den Entschädigungsanspruch erlischt die Forderung. (3) Für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 des Vermögensgesetzes, die durch Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden, wird keine Entschädigung gewährt. (4) Eine Entschädigung wird nicht gewährt 1. für private geldwerte Ansprüche im Sinne des § 5, bei denen der Schadensbetrag nach § 245 des Lastenausgleichsgesetzes insgesamt 10 000 Reichsmark nicht übersteigt und für die den Berechtigten oder seinem Gesamtrechtsvorgänger Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz gewährt wurden. Dies gilt nicht, wenn im Schadensbetrag auch andere Vermögensver1uste berücksichtigt sind. Die Rückforderung des Lastenausgleichs nach § 349 des Lastenausgleichsgesetzes entfällt; 2. für Vermögensverluste, bei denen die Summe der Bemessungsgrundlagen insgesamt 1 000 Deutsche Mark nicht erreicht, ausgenommen buchmäßig nachgewiesene Geldbeträge; 3. für Vermögensver1uste, für die der Berechtigte oder sein Gesamtrechtsvorgänger bereits eine Entschädigung nach einem Pauschalentschädigungsabkommen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik oder der Bundesrepublik Deutschland erhalten hat oder für die ihm eine Entschädigung nach diesen Abkommen zusteht. (5) In den Fällen des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes besteht ein Entschädigungsanspruch nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes. §2 Berechnung der Höhe der Entschädigung (1) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach der Bemessungsgrundlage (§§ 3 bis 5), von welcher gegebenenfalls 1. Verbindlichkeiten nach § 3 Abs. 4, 2. erhaltene Gegenleistungen oder Entschädigungen nach §6, 3. der Zeitwert von nach § 6 Abs. 6a des Vermögensgesetzes zurückgegebenen Vermögensgegenständen nach § 4 Abs. 4, oder 4. Kürzungsbeträge nach § 7 abgezogen werden. Von der nach den Nummern 1 bis 4 gekürzten Bemessungsgrundlage wird Lastenausgleich nach § 8 abgezogen.
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(2) Entschädigungen über 1 000 Deutsche Mark werden auf Tausend oder das nächste Vielfache von Tausend nach unten abgerundet.
§3 Bemessungsgrundlage der Entschlidigung für Grundverm6gen und land- und forstwirtschaftliches Verm6gen
(1) Bemesungsgrundlage der Entschädigung für Grundvenmögen einschließlich Gebäudeeigentum sowie für land- und forstwirtschaftliches Venmögen ist 1. bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen das 3fache, 2. bei Mietwohngrundstücken mit mehr als zwei Wohnungen das 4,8fache, 3. bei gemischtgenutzten Grundstücken, die zu mehr als 50 vom Hundert Wohnzwecken dienen, das 6,4fache, 4. bei Geschäftsgrundstücken, Mietwohngrundstücken mit zwei Wohnungen, nicht unter Nummer 3 fallenden gemischtgenutzten Grundstücken, Einfamilienhäusern und sonstigen bebauten Grundstücken das 7fache, 5. bei unbebauten Grundstücken das 20fache des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes. Bei Grundstücken, für die ein Abgeltungsbetrag nach der Verordung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer vom 31. Juli 1942 (AGBI.I S. 501) entrichtet worden ist, ist dieser dem Einhenswert hinzuzurechnen. Ist der Abgeltungsbetrag nicht mehr bekannt, so ist der Einheitswert um ein Fünftel zu erhöhen. (2) Ist ein Einheitswert nicht festgestellt worden oder nicht mehr bekannt, aber im Verfahren nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz ein Ersatzeinheitswert ermittelt worden, so ist dieser maßgebend. Er wird der zuständigen Behörde von der Ausgleichsverwaltung im Wege der Amtshilfe mitgete~t. (3) Ist weder ein Einheitswert noch ein Ersatzeinhenswert vorhanden oder sind zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks eingetreten, deren Berücksichtigung zu einer Abweichung um mehr als ein Fünftel, mindestens aber 1 000 Deutsche Mark führt, berechnet das Amt oder das Landesamt zur Regelung offener Venmögensfragen einen Hilfswert nach den Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBI. I S. 1035) in der Fassung des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. September 1970 (Sonderdruck Nr. 674 des Gesetzblattes). Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinne des § 580 der Zivilprozeßordnung ist auf Antrag ein solcher Hilfswert zu bilden. (4) Langfristige Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Schädigung mit Venmögen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 in wirtschaftlichem Zusammenhang standen oder an solchem Venmögen dinglich gesichert waren, sind in Höhe ihres zu diesem Zeitpunkt valutierenden Betrages abzuziehen. Als valutierender Betrag gilt der Nennwert des früheren Rechts vorbehaltlich des Nachweises von Tilgungsleistungen oder anderer Erlöschensgründe seitens des Berechtigten. Dies gilt für Verbindlichkeiten aus· Aufbaukrediten nur, wenn eine der Kreditaufnahme zuzuordnende Baumaßnahme zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage geführt hat. Die Höhe des Abzugsbetra-
ges bemißt sich nach § 18 Abs. 2 des Venmögensgesetzes. Verpflichtungen auf wiederkehrende Leistungen sind mit dem Kapitalwert nach den §§ 15 bis 17 des in Absatz 3 genannten Bewertungsgesetzes abzuziehen. Sonstige dingliche Belastungen sind entsprechend zu berücksichtigen. (5) Sind in den Einheits-, Ersatzeinheits- oder Hilfswert für land- und forstwirtschaftliches Venmögen Betriebsmittel oder Gebäude einbezogen, die dem Eigentümer des Grund und Bodens nicht gehören, sind die Wertanteile am Gesamtwert festzustellen und jeweils gesondert zu entschädigen. (6) Für land- und forstwirtschaftliches Venmögen gelten § 4 Abs. 4 und § 8 Abs. 2 entsprechend.
§4 Bemessungsgrundlage der Entschlidigung für Unternehmen
(1) Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Unternehmen oder Anteile an Untemehmen mit Ausnahme von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die bis einschließlich 31. Dezember 1952 enteignet wurden, ist das 1,5fache des im Hauptfeststellungszeitraum vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes. Ist ein Einheitswert nicht festgestellt worden oder nicht mehr bekannt, oder ist das Untemehmen ab 1. Januar 1953 enteignet worden, und ist ein Ersatzeinheitswert nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz enmittelt worden, ist das 1,5fache dieses Wertes maßgebend; der Ersatzeinheitswert wird dem zuständigen Landesamt zur Regelung offener Venmögensfragen von der Ausgleichsverwaltung im Wege der Amtshilfe mitgeteilt. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozeßordnung vorliegen und wenn deren Berücksichtigung bei einer Bemessung nach Absatz 2 zu einem Wert führt, der um mehr als ein Fünftel, mindestens aber 1 000 Mark vom Einheitswert oder Ersatzeinheitswert abweicht. (2) Ist kein verwertbarer Einheitswert oder Ersatzeinheitswert vorhanden, so ist er ersatzweise aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen des Untemehmens und denjenigen Schulden, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Untemehmens in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Reinvenmögen), zu enmitteln. Das Reinvenmögen ist anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung oder einer sonstigen beweiskräftigen Unterlage nach folgenden Maßgaben festzustellen: 1. Betriebsgrundstücke sowie Mineralgewinnungsrechte sind mit dem Einheitswert, dem Ersatzeinheitswert oder einem Hilfswert nach § 3 Abs. 3 anzusetzen. § 3 Abs. 4 gilt entsprechend. 2. Wertausgleichsposten für den Verlust von Wirtschaftsgütem im Zuge der Kriegsereignisse bleiben außer Ansatz. 3. Forderungen, Wertpapiere und Geldbestände sind im Verhältnis 2 zu 1 umzuwerten. 4. Sonstiges Anlage- und Umlaufvenmögen ist mit 80 vom Hundert des Wertansatzes in Bilanzen oder sonstigen beweiskräftigen Unterlagen zu berücksichtigen, sofem sich diese auf Wer1verhältnisse seit dem 1. Januar 1952 beziehen.
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) 5. Mit Wirtschaftsgütem im Sinne der Nummem 3 und 4 in unmittelbarem Zusammenhang stehende Betriebsschulden sind im dort genannten Verhältnis zu mindem. Soweit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen bestimmten Wirtschaftsgütem und bestimmten Betriebsschulden nicht besteht, sind die Schulden den einzelnen Wirtschaftsgütem anteilig zuzuordnen. (2a) Bei Untemehmen mit höchstens 10 Mitarbeitern einschließlich mitarbeitender Familienmitglieder ist auf Antrag des Berechtigten die Bemessungsgrundlage anstelle von Absatz 1 oder 2 mit dem siebenfachen Einheitswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Geschäftsgrundstücks zuzOglich des sonstigen nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 bis 5 und Satz 3 zu bewertenden Betriebsvermögens zu ermitteln. (3) Ist eine Bemessungsgrundlage nach den Absätzen 1 und 2 nicht zu ermitteln, so Ist sie zu schätzen. (4) Hat der Berechtigte nach § 6 Abs. 6a Satz 1 des Vermögensgesetzes einzelne Vermögensgegenstände zurückbekommen, so ist deren Wert im Zeitpunkt der Rückgabe von der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Untemehmens abzuziehen. Dieser ist zu mindem 1. um den Wert der nach § 6 Abs. 6a Satz 2 des Vermögensgesetzes übemommenen Schulden oder 2. um etwaige Rückzahlungsverpflichtungen nach § 6 Abs. 6a Satz 1 2. Halbsatz des Vermögensgesetzes oder § 6 Abs. 5c Satz 3 des Vermögensgesetzes.
§5 Bemessungsgrundlage der EntschAdlgung für Forderungen und Schutzrechte (1) Bemessungsgrundlage der Entschädigung von privaten geldwerten Ansprüchen, z. B. Kontoguthaben, hypothekarisch gesicherte Forderungen, Hinterlegungsbeträge und Geschäftsgu1haben bei Genossenschaften, die durch Abführung an den Staatshaushalt enteignet wurden, ist vorbehaltlich des Satzes 2 der im Verhältnis 2 zu 1 auf Deutsche Mark umgestellte buchmäßige Betrag im Zeitpunkt der Schadigung. Für in Reichsmark ausgewiesene Beträge gm § 2 Abs. 2 des Ausgleichsleistungsgesetzes, wenn die Schädigung vor dem 24. Juni 1948 erfolgte. Ist der bei der Aufhebung der staatlichen Verwaltung oder der am 31. Dezember 1992 ausgewiesene Betrag höher, gilt dieser, es sei denn, die Erhöhung rührt aus der Veräußerung eines Vermögenswertes her, der jetzt an den Berechtigten zurückübertragen worden ist. Eine rückwirkende Verzinsung findet nicht statt. Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten, die schon vor der Inverwaltungnahme entstanden waren, danach angefallene Erbschaftsteuer sowie privatrechtliche Verbindlichkeiten, insbesondere Unterhaltsschulden des Kontoinhabers, bleiben abgezogen. Für nicht enteignete Kontogu1haben beläuft sich die Bemessungsgrundlage der Entschädigung auf den entsprechenden Unterschiedsbetrag. (2) Entschädigungsansprüche werden nach Maßgabe der verfügbaren Mittel des Entschädigungsfonds bis zum Betrag von 10 000 Deu1sche Mark in Geld erfüllt. (3) Ansprüche aus nach dem 23. Juni 1948 enteigneten lebensversicherungen sind mit 50 vom Hundert ihres auf Deutsche Mark der Deu1schen Notenbank, Mark der
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Deu1schen Notenbank oder Mark der Deutschen Demokratischen Republik lautenden Rückkaufswertes zu bemesSen. Kann ein Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht nachgewiesen werden, ist die Bemessungsgrundlage hilfsweise ein Neuntel der in Reichsmark geleisteten Beträge oder ein Drittel der in Mark der Deutschen Notenbank geleisteten Beträge. (4) Ansprüche aus Nießbrauch und aus Rechten auf Renten, Altenteile sowie andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen sind mit dem Kapitalwert nach den §§ 15 bis 17 des in § 3 Abs. 3 genannten Bewertungsgesetzes anzusetzen. (5) Gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte sowie verwandte Schutzrechte sind mit dem Betrag zu entschädigen, der sich unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahreserträge und der tatsächlichen Verwertungsdauer nach der Schädigung als Kapitalwert nach § 15 des in § 3 Abs. 3 genannten Bewertungsgesetzes ergibt.
§6 Anrechnung einer erhaltenen Gegenleistung oder einer Entschldigung (1) Hat der Berechtigte nach § 2 Abs. 1 des Verrnögensgesetzes oder sein Gesamtrechtsvorgänger für den zu entschädigenden Vermögenswert eine Gegenleistung oder eine Entschädigung erhalten, so ist diese einschließlich zugeflossener Zinsen unter Berücksichtigung des Umstellungsverhältnisses von zwei Mark der Deutschen Demokratischen Republik zu einer Deu1schen Mark von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Dies gilt nicht, wenn die Gegenleistung an den Verfügungsberechtigten schon herausgegeben oder noch herauszugeben ist. Ist die Gegenleistung oder die Entschädigung dem Berechtigten, einem Anteilsberechtigten oder deren Gesamtrechtsvorgänger nicht oder nur teilweise zugeflossen, ist dies bei der Ermittlung des Abzugsbetrages zu berücksichtigen; Beträge, die mit rechtsbeständigen Verbindlichkeiten des Berechtigten wie Unterhaltsschulden, Darlehensforderungen, nichtdiskriminierenden Gebühren oder Steuem verrechnet wurden, gelten als ihm zugeflossen. (2) Ist der Berechtigte eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts und ist die Gegenleistung oder die EntSChädigung einem Anteilsberechtigten gewährt worden, so gilt diese für die Zwecke der Anrechnung als dem Berechtigten zugeflossen.
§7 Kürzungsbeträge (1) Übersteigt die auf einen Berechtigten entfallende Summe aus Bemessungsgrundlage und Abzügen nach § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 4 sowie § 6 den Betrag von 10 000 Deu1sche Mark, so ist die Entschädigung um jeweils folgende Beträge zu kürzen: - der 10 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 20 000 Deutsche Mark reichende Betrag um 30 vom Hundert, - der 20 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 30 000 Deu1sche Mark reichende Betrag um 40 vom Hundert, - der 30 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 40 000 Deu1sche Mark reichende Betrag um 50 vom Hundert, - der 40 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 50 000 Deu1sche Mark reichende Betrag um 60 vom Hundert,
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- der 50 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 100 000 Deutsche Mark reichende Betrag um 70 vom Hundert, - der 100 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 500 000 Deutsche Mark reichende Betrag um 80 vom Hundert, - der 500 000 Deutsche Mark übersteigende, bis 1 Million Deutsche Mark reichende Betrag um 85 vom Hundert, - der 1 Million Deutsche Mark übersteigende, bis 3 Millionen Deutsche Mark reichende Betrag um 90 vom Hundert, - der 3 Millionen Deutsche Mark übersteigende Betrag um 95 vom Hundert. (2) Hat ein Berechtigter Ansprüche auf Entschädigung oder auf Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz für mehrere Vermögenswerte, ist Absatz 1 auf deren Summe anzuwenden. Die Kürzung wird im nachfolgenden Bescheid vorgenommen. Ist ein Vermögenswert zu entschädigen, der zum Zeitpunkt der Entziehung mehreren Berechtigten zu Bruchteilen oder zur gesamten Hand zugestanden hat, ist Absatz 1 auf jeden Anteil gesondert anzuwenden. Bei mehreren Rechtsnachfolgern eines Berechtigten steht diesen nur ihr Anteil an der nach Absatz 1 gekürzten Entschädigung zu. (3) Ist die Kürzung nach Absatz 2 Satz 1 insbesondere wegen der Zuständigkeit verschiedener Ämter oder Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen unterblieben, setzt die zuständige Behörde, die zuletzt entschieden hat, den Gesamtentschädigungsbetrag fest. §8 Abzug von lastenausgleich
(1) Hat der Berechtigte nach § 2 Abs. 1 des Vermögensgesetzes oder sein Gesamtrechtsvorgänger für zu entschädigende Vermögenswerte, für die ein Schadensbetrag nach § 245 des Lastenausgleichsgesetzes ermittelt oder für die ein Sparerzuschlag nach § 249a des Lastenausgleichsgesetzes zuerkannt wurde, Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz erhalten, ist von der nach § 7 gekürzten Bemessungsgrundlage der von der Ausgleichsverwaltung nach den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes bestands kräftig festgesetzte Rückforderungsbetrag abzuziehen. Die der Ausgleichsverwaltung von der zuständigen ~hörde mitgeteilte nach § 7 gekürzte Bemessungsgrundlage gilt als Schadensausgleichsleistung in Geld im Sinne des § 349 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes. (2) § 6 Abs. 2 gilt für den Abzug von Lastenausgleich entsprechend. §9 Entschidlgungsfonds
(1) Entschädigungen nach diesem Gesetz, Ausgleichsleistungen nach den §§ 1 bis 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes, Entschädigungen nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz sowie Leistungen nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz werden aus einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes (Entschädigungsfonds) erbracht. Der Entschädigungsfonds ist ein Sondervermögen im Sinne des Artikels 110 Abs. 1 und des Artikels 115 Abs. 2 des Grundgesetzes; Artikel 115 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes findet auf den Entschädigungsfonds keine Anwendung. Das Sondervermögen ist von
dem übrigen Vermögen des Bundes, seinen Rechten und Verbindlichkeiten getrennt zu halten. Der Bund haftet für die Verbindlichkeiten des Entschädigungsfonds. (2) Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen verwaltet das Sondervermögen auf Weisung und unter Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. (3) Das Sondervermögen kann unter seinem Namen im rechtsgeschäftlichen Verkehr handeln, klagen oder verklagt werden. Der allgemeine Gerichtsstand des Sondervermögens ist Berlin. (4) Der Entschädigungsfonds ist berechtigt, Schuldverschreibungen durch Eintragung in das Bundesschuldbuch zu begeben. Die Ausgabe von Stücken ist für die gesamte Laufzeit ausgeschlossen. (5) Schuldverschreibungen des Entschädigungsfonds stehen solchen des Bundes gleich. Die Schulden des Entschädigungsfonds werden durch die Bundesschuldenverwaltung nach den für die allgemeine Bundesschuld jeweils geltenden Grundsätzen verwaltet. (6) Der Entschädigungsfonds ist berechtigt, Schuldverschreibungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 zum Zwecke der Marktpflege in Höhe von bis zu zehn vom Hundert der umlaufenden Schuldtitel anzukaufen.
(7) Die mit der Begebung oder Verwaltung der Schuldverschreibungen beauftragten Einrichtungen sind berechtigt, den für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Stellen zu Kontrollzwecken Angaben über die zugeteilten Schuldverschreibungen zu übermitteln, wenn Anhaltspunkte für eine Doppelleistung oder für eine Überzahlung insbesondere wegen Außerachtlassung einer Kürzung nach § 7 oder eines Abzuges nach § 8 bestehen. (8) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Einzelheijen der Erfüllung des Entschädigungsanspruchs und des Verfahrens (wie z. B. Begebung und Ausgestaltung der Schuldverschreibungen, Zusammenwirken der beteiligten Stellen) zu regeln. §10 Einnahmen des Entschädigungsfonds
(1) An den Entschädigungsfonds sind abzuführen: 1. von der Treuhandanstalt drei Milliarden Deutsche Mark aus ihren Veräußerungserlösen. Das Bundesministerium der Finanzen setzt die paUSChalen Jahresbeträge unter Berücksichtigung des Finanzbedarfs des Entschädigungsfonds fest; 2. 50 vom Hundert des Gesamtwertes des Finanzvermögens in Treuhandverwaltung des Bundes nach Artikel 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages, fällig in jährlichen Raten entsprechend den Erlösen aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das Bundesministerium der Finanzen setzt die Höhe der Raten fest; 3. von Gebietskörperschaften oder sonstigen Trägem der öffentlichen Verwaltung, z. B. Sozialversicherung, Bahn, Post, der 1,3fache Einheijswert von Grundstücken, die wegen der Zugehörigkeit zu deren Verwaltungsvermögen nach Artikel 21 des Einigungsvertrages nach den §§ 4 und 5 des Vermögensgesetzes nicht restituierbar sind oder die wegen der Wahl von Entschädigung nicht restituiert werden;
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) 4. das nach § 19 Abs. 2 des Westvennögen-Abwicklungsgesetzes vom Präsidenten des Bundesausgleichsamtes treuhänderisch verwaltete Vennögen von ehemaligen öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten mit Sitz im Beitrittsgebiet; 5. nicht anderweitig zuzuordnende Vermögenswerte aus dem Bereich des früheren Amtes für den Rechtsschutz des Vennögens der Deutschen Demokratischen Republik und Überweisungen der HinterlegungssteIlen nach § 4 Abs. 2 des Schuldbuchbereinigungsgesetzes; 6. Wertausgleich nach § 7 des Vermögensgesetzes und herauszugebende Gegenleistungen oder Entschädigungen nach § 7a Abs. 2 Satz 3 des Vennögensgesetzes; 7. Veräußerungserlöse nach § 11 Abs. 4 des Vennögensgesetzes und sonstige nicht beanspruchte Vermögenswerte. die bis zum 31. Dezember 1992 unter staatlicher Verwaltung standen, wenn der Eigentümer oder Inhaber sich nicht nach öffentlichem Aufgebot, das vom Bundesamt zur Regelung offener Vennögensfragen zu beantragen ist, innerhalb einer Frist von vier Jahren gemeldet hat. Ein Aufgebotsverfahren ist nicht erforder1ich, wenn der Veräußerungser1ös oder der Wert des sonstigen nicht beanspruchten Vennögens den Betrag von 1 000 Deutsche Mark nicht erreicht; 8. Regreßforderungen gegenüber staatlichen Verwaltem nach § 13 Abs. 3 des Vennögensgesetzes; 9. Forderungen nach § 18b Abs. 1 des Vennögensgesetzes sowie diejenigen Er1ösanteile aus Veräußerungen nach § 16 Abs. 1 des Investitionsvorranggesetzes, die nicht dem Berechtigten, dem Verfügungsberechtigten oder einem privaten Dritten zustehen; 10. ab 1. Januar 1994 vereinnahmte Rückflüsse nach § 349 des Lastenausgleichsgesetzes; 11. Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von ehemals volkseigenem Grund und Boden nach dem 27. Juli 1990 an die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte für Eigenheime und Entgelte für die Nutzung ehemals volkseigenen Grund und Bodens durch die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte für Eigenheime, wenn die Rückübertragung nach § 4 des Vermögensgesetzes ausgeschlossen oder wegen der Wahl von Entschädigung entfallen ist; 12. Vennögenswerte, die nach § 1b des Vennögenszuordnungsgesetzes in der Fassung des Artikels 16 Nr. 4 des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes dem Entschädigungsfonds zugeordnet werden; 13. Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ab 1. Januar 2004. Ein Anspruch der Berechtigten gegen den Entschädigungsfonds auf Einforderung seiner Einnahmen besteht nicht. (2) Zur Überbrückung etwaiger Uquiditätsengpässe können aus dem Bundeshausha~ zinslose Liquiditätsdar1ehen nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsplans geleistet werden. Die Rückzahlung an den Bund erfolgt bei Einnahmeüberschüssen. Einzelheiten rege~ das Bundesministerium der Finanzen.
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§ 11 Bewirtschaftung des Entschädigungsfonda (1) Die Einnahmen und Ausgaben des Entschädigungsfonds werden für jedes Rechnungsjahr in einem Wirtschaftsplan veranschlagt. Der Wirtschafts plan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. (2) Das Bundesministerium der Finanzen stellt am Schluß eines jeden Rechnungsjahres die Jahresrechnung für den Entschädigungsfonds auf und fügt sie als Anhang der Haushaltsrechnung des Bundes bei. Die Jahresrechnung muß in übersichtlicher Weise den Bestand des Sondervennögens einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten erkennen lassen sowie die Einnahmen und Ausgaben nachweisen. (3) Auf die Verpflichtung des Entschädigungsfonds, Abgaben an den Bund, die Länder, die Gemeinden (Gemeindeverbände) und Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten, finden die allgemein für Bundesbehörden geltenden Vorschriften Anwendung. (4) Die Kosten für die Verwaltung des Entschädigungsfonds trägt der Bund. §12
Zuständigkeit und Verfahren (1) Für die Durchführung dieses Gesetzes gelten die Bestimmungen des Vermögensgesetzes entsprechend. Ist ein Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums aus den Gründen des § 3 Abs. 2 des Vermögensgesetzes unanfechtbar abgewiesen worden, entscheidet das Amt oder Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen auf Antrag des Betroffenen über dessen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1. Der Antrag kann vorbehaltlich des Satzes 4 nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft der Entscheidung nach dem Verrnögensgesetz gestellt werden (Ausschlußfrist). Die Antragsfrist endet frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes. (2) In den Fällen des § 10 Nr. 3, 7, 8, 9 und 11 setzen die für die Entscheidung über die Entschädigung zuständigen Stellen als Vertreter des Entschädigungsfonds den an diesen abzuführenden Betrag durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verpflichteten fest. Der Entschädigungsfonds kann den Abführungsbetrag selbst festsetzen.
Artikel 2 Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz - AusglLeistG) §1
Anspruch auf Ausgleichsleistung (1) Natürliche Personen, die Vennögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vennögensgesetz) durch entschädi-
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gungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) erhalten eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes. § 1 Abs. 7 des Vermögensgesetzes bleibt unberührt. (1 a) Ein Anspruch auf Ausgleichsleistung besteht im Fall der Einziehung von im Beitrittsgebiet belegenen Venn6genswerten durch Entscheidung eines ausländischen Gerichts auch, wenn hinsichtlich der mit der Entscheidung verbundenen Freiheitsentziehung eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes erteilt worden ist. § 1 Abs. 7 des Vermögensgesetzes bleibt unberührt. (2) Ein Eingriff auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage liegt bei der Enteignung von Vermögen einer Gesellschaft oder einer Genossenschaft vor, wenn diese zu einer Minderung des Wertes der Anteile an der Gesellschaft oder der Geschäftsguthaben der Mitglieder der Genossenschaft geführt hat. Das gleiche gilt für Begünstigte (§ 18b Abs. 1 Satz 1 des Vermögensgesetzes) früherer dinglicher Rechte an Grundstücken, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet wurden. § 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 des Entschädigungsgesetzes gilt entsprechend. Ist das Vermögen einer Familienstiftung oder eines Familienvereins mit Sitz im Beitrittsgebiet enteignet worden, sind den daran Beteiligten Ausgleichsleistungen so zu gewähren, als wären sie an dem Vennögen der Familienstiftung oder des Familienvereins zur gesamten Hand berechtigt gewesen; die Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 11. November 1964 (BGBI. I S. 855) gilt entsprechend. (3) Ausgleichsleistungen werden nicht gewährt für 1. Schäden, die durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern auf Veranlassung der Besatzungsmacht entstanden sind, sofern diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden oder bei der Wegnahme eine dahingehende Absicht bestand (Reparationsschäden im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7 des Reparationsschädengesetzes), 2. Schäden, die dadurch entstanden sind, daß Wirtschaftsgüter, die tatsächlich oder angeblich während des Zweiten Weltkrieges aus den von deutschen Truppen besetzten oder unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Gebieten beschafft oder fortgeführt worden sind, durch Maßnahmen oder auf Veranlassung der Besatzungsmacht in der Absicht oder mit der Begründung weggenommen worden sind, sie in diese Gebiete zu bringen oder zurückzuführen (Restitutionsschäden im Sinne des § 3 des Reparationsschädengesetzes), 3. Schäden, die dadurch entstanden sind, daß WirtsChaftsgüter zum Zwecke der Beseitigung deutschen Wirtschaftspotentials zerstört, beschädig1 oder, ohne daß die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 des Reparationsschädengesetzes vorliegen, weggenommen worden sind (Zerstörungsschäden im Sinne des § 4 des Reparationsschädengesetzes), 4. Verluste an den im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil 111, Gliederungsnummer 653-1, veröffentlichten bereinigten Fassung genannten Vermögenswerten, 5. Gläubigerverluste, die im Zusammenhang mit der Neuordnung des Geldwesens im Beitrittsgebiet stehen,
6. verbriefte Rechte, die der Wertpapierbereinigung unterlagen oder unterliegen, 7. auf ausländische Währung lautende Wertpapiere, 8. Schuldverschreibungen von Gebietskörperschaften und 9. Ansprüche, die in § 1 Abs. 8 Buchstabe c und d des Vermögensgesetzes genannt sind. (4) leistungen nach diesem Gesetz werden nicht gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtig1e oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Untemehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Ma8e seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblichen Vorschub geleistet hat. §2 Art und Höhe der Ausgleichsleistung (1) Ausgleichsleistungen sind vorbehaltlich der §§ 3 und 5 aus dem Entschädigungsfonds nach Maßgabe der §§ 1 und 9 des Entschädigungsgesetzes zu erbringen. Sie werden, soweit dieses Gesetz nicht besondere Regelungen enthält, nach den §§ 1 bis 8 des Entschädigungsgesetzes bemessen und erfüllt. Beim Zusammentreffen mit Entschädigungen nach dem Vermögensgesetz sind die einzelnen Ansprüche vor Anwendung des § 7 des Entschädigungsgesetzes zusammenzurechnen. (2) Auf Reichsmark lautende privatrechtliche geldwerte Ansprüche, die nicht in einen Einheitswert einbezogen sind, sind mit folgendem Anteil am jeweiligen Nennbetrag zu bemessen: - für die ersten 100 Reichsmark:
50 vom Hundert,
- für den übersteigenden Betrag bis 1 000 Reichsmark:
10 vom Hundert,
- für 1 000 Reichsmark übersteigende Beträge:
5 vom Hundert.
(3) Auf Deutsche Mark der Deutschen Notenbank lautende privatrechtliehe geldwerte AnsprüChe sind mit 50 vom Hundert ihres jeweiligen Nennbetrages zu be-
messen.
(4) Die Bemessungsgrundlage für in Wertpapieren verbriefte Forderungen ist gemäß § 16 des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes in der bis zum 30. Juli 1992 geltenden Fassung und § 17 des Feststellungsgesetzes zu ermitteln. Die Ausgleichsleistung beträgt fünf vom Hundert der Bemessungsgrundlage. lauten Wertpapiere im Sinne des Satzes 1 auf Mark der Deutschen Notenbank, sind die Ausgleichsleistungen mit 50 vom Hundert zu bemessen. (5) Die Summe der Ausgleichsleistungen nach den Absätzen 2 bis 4 darf 10 000 Deutsche Mark nicht überschreiten. (6) Die Bemessungsgrundlage für Rechte, die einen Anteil am Kapital eines Untennehmens vermit1eln, ist der Teilbetrag der nach § 4 des Entschädigungsgesetzes zu ennit1elnden Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis des Nennbetrages des Anteils zum Gesamtnennbetrag des Kapitals entspricht.
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) (7) Keine Ausgleichsleistungen sind zu gewähren, soweit die Forderungs- oder Anteilsrechte nach den Absätzen 2 bis 6 gegen den ursprünglichen Schuldner oder seinen Rechtsnachfolger wieder durchsetzbar geworden sind. §3
Fliehenerwerb (1) Wer arn 1. Oktober 1996 ehemals volkeigene, von der Treuhandanstalt zu privatisierende landwirtschaftliche Flächen langfristig gepachtet hat, kann diese Flächen nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 4 und 7 erwerben. (2) Berechtigt sind natürliche Personen, die auf den in Absatz 1 genannten Flächen ihren ursprünglichen Betrieb wieder eingerichtet haben und ortsansässig sind (Wiedereinrichter) oder einen Betrieb neu eingerichtet haben und am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren (Neueinrichter) und diesen Betrieb allein oder als unbeschränkt haftender Gesellschafter in einer Personengesellschaft selbst bewirtschaften. Dies gilt auch für juristische Personen des Privatrechts, die ein landwirtschaftliches Untemehmen betreiben, die Vermögensauseinandersetzung gemäß den §§ 44 11. des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1991 (BGBI. I S. 1418), das zuletzt durch Gesetz vom 31. März 1994 (BGBI. I S. 736) geändert worden ist, nach Feststellung durch die zuständige Landesbehörde ordnungsgemäß durchgeführt haben und deren Anteilswerte zu mehr als 75 vom Hundert von natürlichen Personen gehalten werden, die bereits am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren. Wiedereinrichter im Sinne des Satzes 1 sind auch solche natürlichen Personen, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs aus rechtlichen oder tatsächlichen Grühden ausgeschlossen ist, sowie natürliche Personen, denen land- und forstwirtschaftliche Vermögenswerte durch Enteignung auf beSatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind. Berechtigt sind auch Gesellschafter der nach Satz 2 berechtigten juristischen Personen, die arn 3. Oktober 1990 ortsansässig waren, hauptberuflich in dieser Gesellschaft tätig sind und sich verpflichten, den von ihrer Gesellschaft mit der für die Privatisierung zuständigen Stelle eingegangenen Pachtvertrag bis zu einer Gesamtlaufzeit von 18 Jahren zu verlängem und mit diesen Flächen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. (3) Nach Absatz 2 Satz 1 bis 3 Berechtigte können vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 bis zu 600 000 Ertragsmeßzahlen erwerben. Soweit die Flächen von einer Personengeseilschaft langfristig gepachtet sind, können die nach Absatz 2 berechtigten Gesellschafter insgesamt Flächen bis zur Obergrenze nach Satz 1 erwerben. Soweit eine nach Absatz 2 berechtigte juristische Person die Obergrenze nach Satz 1 nicht ausgeschöpft hat, können deren nach Absatz 2 Satz 4 berechtigten Gesellschafter die verbleibenden Ertragsmeßzahlen nach näherer Bestimmung durch die Gesellschaft erwerben. Die Erwerbsmöglichkeit nach Absatz 1 besteht, soweit ein Eigentumsanteil von 50 vom Hundert der landwirtschaftlich genutzten Fläche nicht überschritten wird; auf den Eigentumsanteil sind die einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftem gehörenden Flächen anzurechnen; auch nach Absatz 5 zustehende oder bereits erworbene Flächen werden auf den Vomhundertsatz und auf die Ertragsmeßzahlen angerechnet.
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(4) Berechtigte nach Absatz 2 Satz 1 bis 3 können ehemals volkseigene, von der Treuhandanstalt zu privatisierende Waldflächen bis zu 100 ha zusätzlich zu landwirtschaftlichen Flächen erwerben, falls dies unter Berücksichtigung des vorgelegten Betriebskonzepts eine sinnvolle Ergänzung des landwirtschaftlichen Betriebsteils darstellt und nachgewiesen wird, daS der landwirtschaftliche Betrieb im wesentlichen auf eigenen oder für mindestens zwölf Jahre gepachteten Flächen wirtschaftet. (5) Natürliche Personen, denen land- oder forstwirtschaftliches Vermögen entzogen worden ist und bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist oder denen solche Vermögenswerte durch Enteignung auf beSatzungsrechtlicher oder beSatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind und die nicht nach den Absätzen 1 und 2 berechtigt sind, können ehemals volkseigene, von der Treuhandanstalt zu privatisierende landwirtschaftliche Flächen und Waldflächen erwerben, die nicht für einen Erwerb nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch genommen werden. Landwirtschaftliche Flächen können nur bis zur Höhe der halben Ausgleichsleistung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Entschädigungsgesetzes, höchstens aber bis zu 300 000 Ertragsmeßzahlen, Waldflächen bis zur Höhe der verbleibenden Ausgleichsleistung erworben werden. Dies gilt nicht, soweit die Ausgleichsleistung zum Erwerb gemäß den Absätzen 1 bis 4 verwendet werden kann. Ist ein Erwerb des ehemaligen Eigentums nicht möglich, sollen Flächen aus dem ortsnahen Bereich angeboten werden. Ein Anspruch auf bestimmte Flächen besteht nicht. Ein Berechtigter nach Satz 1, dem forstwirtschaftliches Vermögen entzogen worden ist, kann landwirtschaftliche Flächen nicht oder nur in einem bestimmten Umfang erwerben. Will der Berechtigte nach Satz 1 seine Erwerbsmöglichkeit wahrnehmen, hat er dies der für die Privatisierung zuständigen Stelle innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Bestandskraft des Ausgleichsleistungs- oder Entschädigungsbescheides zu erklären. Wird dem nach den Absätzen 1 bis 4 Berechtigten von der für die Privatisierung zuständigen Stelle mitgeteilt, daS von ihm bewirtschaftete Flächen von einem nach diesem Absatz Berechtigten beansprucht werden, muß er innerhalb einer Frist von sechs Monaten der für die Privatisierung zuständigen Stelle mitteilen, welche Flächen er vorrangig erwerben will. Die Erwerbsmöglichkeit nach diesem Absatz kann der Berechtigte auf den E~egatten, an Verwandte in gerader Unie sowie an Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie übertragen. Soweit eine Erbengemeinschaft berechtigt ist, kann die Erwerbsmöglichkeit auf ein Mitglied übertragen oder auf mehrere Mitglieder aufgeteilt werden. (6) Gegenüber einem Pächter muß sich der Erwerber nach Absatz 5 bereit erklären, bestehende Pachtverträge bis zu einer Gesamtlaufzeit von 18 Jahren zu verlängem. Ist die für die Privatisierung zuständige Stelle gegenüber dem Pächter verpflichtet, die verpaChteten Flächen an ihn zu veräußem, so sind diese Flächen in den Grenzen der Absätze 1 bis 4 für einen Erwerb nach Absatz 5 nur mit Zustimmung des Pächters verfügbar.
(7) Der Wertansatz für landwirtschaftliche Flächen ist vorbehaltlich des Satzes 2 das Dreifache des Einheitswerts der jeweiligen Fläche, der nach den Werlverhältnissen arn 1. Januar 1935 festgestellt ist oder noch ermittelt wird (Einheitswert 1935). Werden aufstehende Gebäude miterworben, können unter Berücksichtigung der Um-
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stände des Einzelfalles, insbesondere des Zustands des Gebäudes Zu- oder Abschläge aufgrund einer Empfehlung des Beirats nach § 4 Abs. 1 festgelegt werden; hierbei soll der Verkehrswert des Gebäudes mitber\icksichtigt werden. Für Waldflächen mit einem Anteil hiebsre~er Bestände von weniger als zehn vom Hundert ist der Wertansatz auf der Grundlage des dreifachen Einheitswerts 1935 unter Beachtung des gegenwärtigen Waldzustandes zu ermitteln. Werden Waldflächen in den Jahren 1995 und 1996 erworben, können Abschläge bis zu 200 Deutsche Mark pro Hektar vorgenommen werden. Beträgt der Anteil hiebsreifer Bestände zehn vom Hundert oder mehr, ist insoweit der Verkehrswert anzusetzen. Die für die Privatisierung zuständige Stelle kann im Einze~all verlangen, daß der Berechtigte anderweitig nicht verwertbare Restflächen zum Verkehrswert mitübemimmt. (8) Natürliche Personen, die a) ihren ursprünglichen, im Beitrittsgebiet gelegenen forstwirtschaftlichen Betrieb wiedereinrichten und ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden oder b) einen forstwirtschaftlichen Betrieb neu einrichten und am 3. Oktober 1990 ortsansässig waren oder c) nach Absatz 5 Satz 1 zum Erwerb berechtigt sind und einen forstwirtschaftlichen Betrieb neu einrichten und diesen Betrieb allein oder als unbeschränkt haftender Gesellschafter in einer Personengesellschaft selbst bewirtschaften, können ehemals volkseigene, von der Treuhandansta~ zu privatisierende Waldflächen bis zu 1000 ha erwerben, wenn sie keine landwirtschaftlichen Flächen nach den Absätzen 1 bis 7 erwerben. Als forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Satzes 1 gi~ auch der forstwirtschaftliche Teil eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die Berechtigten müssen für die gewünschte Erwerbsfläche ein forstwirtschaftliches Betriebskonzept vorlegen, das Gewähr für eine ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bewirtschaftung bietet. Der Betriebsleiter muß über eine für die Bewirtschaftung eines Forstbetriebes erforderliche Qualifikation verfügen. Absatz 7 gilt entsprechend. (9) Sind ehemals volkseigene, von der Treuhandanstalt zu privatisierende landwirtschaftliche Flächen bis zum 31. Dezember 2003 nicht nach den Absätzen 1 bis 5 veräußert worden, können sie von den nach diesen Vorschriften Berechtigten erworben werden. Der Kaufantrag muß bis spätestens 30. Juni 2004 bei der für die Privatisierung zuständigen Stelle eingegangen sein. Absatz 7 gi~ entsprechend. Erwerb nach Absatz 3 und Satz 1 ist nur bis zu einer Obergrenze von insgesamt 800 000 Ertragsmeßzahlen, Erwerb nach Absatz 5 und Satz 1 ist nur bis zu einer Obergrenze von insgesamt 400 000 Ertragsmeßzahlen mäglich. (10) Die nach dieser Vorschrift erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen dürfen vor Ablauf von 20 Jahren ohne Genehmigung der für die Privaiisierung zuständigen Stelle nicht veräußert werden. Eine Genehmigung darf nur unter der Voraussetzung ertei~ werden, daß der den Erwerbspreis übersteigende Veräußerungseriös der Treuhandansta~ oder deren Rechtsnachfolger zufließt. Das Veräußerungsverbot nach Satz 1 bedarf zu seiner Wirksamkeit der Eintragung im Grundbuch; das Nähere rege~ die Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 3.
(11) § 4 Nr. 1 des Grundstückverkehrsgesetzes vom 28. Juli 1961 (6GBI. I S. 1091), das zuletzt durch das Gesetz vom 8. Dezember 1986 (BGBI. I S. 2191) geändert worden ist, ist auf die Veräußerung landwirtschaftlicher und forstwirfschaftlicher Grundstücke durch die mit der Privatisierung betraute Stelle entsprechend anzuwenden.
§4 ~nrtundVenwdnungsennlchtigung
(1) Bei den nach dem Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 (GBI. I Nr. 33 S. 300), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. August 1994 (BGBI. I S. 2062), in der jeweils geltenden Fassung für die Privatisierung zuständigen Stellen werden Beiräte eingerichtet, die bei widerstreitenden Interessen im Zusammenhang mit der Durchführung der Erwerbsmäglichkeiten nach § 3 angerufen werden können. Das land kann den Beirat auch in Verpachtungsfällen anrufen, wenn die für die Privatisierung zuständige Stelle im Rahmen des für die Verpachtung vorgesehenen Verfahrens von einem Entscheidungsvorschlag des landes abweichen will. (2) Die Mitglieder des Beirats werden je zur Hälfte vom Bund und vom Land benannt. Den Vorsitz führt ein weiteres Mitglied, das vom Bund im Einvernehmen mit dem land benannt wird. Der Beirat spricht nach Anhörung der Beteiligten eine Empfehlung aus. Hiervon abweichende Entscheidungen hat die für die Privatisierung zuständige Stelle zu begründen. (3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten der Erwerbsmäglichkeit nach § 3, des Verfahrens sowie des Beirats zu regeln. In der Verordnung kann auch bestimmt werden, daß 1. der Wertermittlung abweichend von § 3 Abs. 7 ein vergleichbarer Maßstab in Anlehnung an die Bodenqualität zugrunde gelegt wird, 2. Rückabwicklung verlangt werden kann, wenn sich die Zusammensetzung der Gesellschafter einer juristischen Person nach dem begünstigten Erwerb von Flächen in der Weise verändert, daß 25 vom Hundert oder mehr der Anteilswerte von am 3. Oktober 1990 nicht ortsansässigen Personen oder Berechtigten nach § 1 gehalten werden, 3. bei Nutzungsänderung oder Betriebsaufgabe die Rückabwicklung verlangt werden kann, 4. jährliche Mitteilungspflichten über etwaige Betriebsaufgaben, Nutzungsänderungen oder Gesellschafter festgelegt werden oder sonstige Maßnahmen zur Verhinderung von mißbräuchlicher Inanspruchnahme ergriffen werden, 5. aus agrarstrukturellen Gründen oder in Härtefällen von einer Rückabwicklung abgesehen werden kann.
§5 Rückgabe beweglicher Sachen (1) Bewegliche, nicht in einen Einheitswert einbezogene Sachen sind zurückzuübertragen. Die Rückübertragung ist ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her nicht mehr mäglich ist oder natürliche Personen, Religionsgemeinschaften oder gemeinnützige Stiftungen in redlicher Weise an dem Vermägenswert Eigentum erworbenhaben.
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) (2) Zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmtes bleibt für die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich den Zwecken der Nutzung seitens der Öffentlichkeit oder der Forschung gewidmet (unentgeltlicher öffentlicher Nießbrauch). Der Nießbrauchsberechtigte kann die Fortsetzung des Nießbrauchs gegen angemessenes Entge~ verlangen. Gleiches gilt für wesentliche Teile der Ausstattung eines denkmalgeschützten, der Öffentlichkeit zugänglichen Gebäudes. Wenn das Kulturgut mehr als zwei Jahre nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, endet auf Antrag des Berechtigten der Nießbrauch, es sei denn, daß die oberste Landesbehörde triftige Gründe für die Nichtzugänglichkeit und das Fortbestehen der in Satz 1 genannten Zweckbestimmung feststellt. Ku~urgut
(3) § 10 des Vermögensgesetzes gilt entsprechend. Die Aufwendungen für das übenassene Kulturgut trägt der Nießbraucher. §6 Zuständigkeit und Verfahren (1) AnsprüChe auf Ausgleichsleistungen sind bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen, soweit für die Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen oder die Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen zuständig wären, bei diesen geltend zu machen. Bereits gestel~e, noch anhängige Anträge nach dem Vermögensgesetz, die nach § 1 Abs. 8 Buchstabe ades Vermögensgesetzes ausgeschlossen sind, werden als Anträge nach diesem Gesetz gewertet. Die Antragsfrist endet mit Ablauf des sechsten Monats nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (Ausschlußfrist).
heitswert festgestellt wird, bemißt sich die Höhe der Entschädigung nach dem Vierfachen des vor der Schädigung zuletZt festgestel~en Einheitswertes. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 bis 6 und § 4 Abs. 2 bis 4 des Entschädigungsgesetzes gelten entsprechend; § 3 Abs. 4 des Entschädigungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, daß die in der Zeit vom 15. September 1935 bis 8. Mai 1945 entstandenen Verbindlichkeiten unberücksichtigt bleiben und die übrigen Verbindlichkeiten vorbehaltlich des Nachweises eines höheren verfolgungsbedingten Anteils mit der Hälfte ihres zum Zeitpunkt der Schädigung valutierenden Nennwertes abgezogen werden. Sind Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Schäden, die in diesem Zeitraum eingetreten sind, bereits im Rahmen anderer Wiedergutmachungsregelungen entschädigt worden, sind diese leistungen nach § 3 in Abzug zu bringen. Bei Synagogen und jüdischen Friedhöfen sowie sonstigen unbeweglichen Vermögenswerten, die im Eigentum einer jüdischen Gemeinde oder einer sonstigen jüdiSChen Vereinigung standen, bemißt sich die Entschädigung für das Grundstück mindestens nach dem Zweifachen des Wertes am 1. April 1956 in dem damaligen Geltungsbereich des Bundesrückerstattungsgesetzes. Bei den übrigen Vermögenswerten bemißt sich die Entschädigung nach dem Zweifachen des Schadensersatzbetrages nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Bundesrückerstattungsgesetzes, wobei für die Berechnung des Wiederbeschaffungswertes nach § 16 Abs. 1 des Bundesrückerstattungsgesetzes auf den Wert abzustellen ist, den der Vermögenswert am Stichtag in dem damaligen Geltungsbereich des Bundesrückerstattungsgesetzes hatte.
§3
(2) Für die Durchführung dieses Gesetzes gelten die Bestimmungen des Vermögensgesetzes entsprechend.
Artikel 3 NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz (NS-VEntschG)
§1 Grundsätze der Entschäcjigung (1) Ist in den Fällen des § 1 Abs. 6 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) die Rückgabe ausgeschlossen (§ 4 Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 5 des Vermögensgesetzes) oder hat der Berechtigte Entschädigung gewählt (§ 6 Abs. 7, § 8 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 des Vermögensgesetzes), besteht ein Anspruch auf Entschädigung in Geld gegen den Entschädigungsfonds. (2) § 1 Abs. 4 des Entschädigungsgesetzes gilt entsprechend. Femer wird eine Entschädigung nicht gewährt für Vermögensverluste, für die der Berechtigte bereits leistungen nach dem Bundesrückerstattungsgesetz oder anderen rückerstattungsrechtlichen Vorschriften erhalten hat. §2 H6he der Entschädigung Für die Entschädigung gelten die §§ 16 bis 26, ausgenommen § 16 Abs. 2 Satz 2. des Bundesrückerstattungsgesetzes. Bei Vermögensgegenständen, für die ein Ein-
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Anrechnung einer erhaltenen Gegenleistung oder einer Entschädigung Die §§ 6 und 8 des Entschädigungsgesetzes und § 7a Abs. 2 des Vermögensgesetzes gelten entsprechend.
Ebenfalls anzurechnen sind Entschädigungsleistungen nach den §§ 51 und 56 Abs. 1 Satz 1 des Bundesentschädigungsgesetzes, die mit dem nach diesem Gesetz zu entschädigenden Vermögenswert unmittelbar in Zusammenhang stehen, mit der Maßgabe, daß sich der Anrechnungsbetrag ohne darin enthaltene Zinsen oder Zinszuschläge um zwei vom Hundert jährlich ab Zahlung der Entschädigung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes erhöht.
§4 Zuständige Beh6rde, Verfahren Über den Anspruch entscheidet die Oberfinanzdirektion Benin. Für das Verfahren die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, soweit das Vermögensgesetz nichts anderes bestimmt. (Bundesvermögensverwa~ng)
ge~en
Artikel 4 Änderung des Einkommensteuergesetzes Das Einkommensteuergesetz in der Fassung der BekanntmaChung vom 7. September 1990 (BGBI. I S. 1898, 1991 I S. 808), zuletzt geändert durch Artikel 12 Abs. 39 des Gesetzes vom 14. September 1994 (BGBI. I S. 2325), wird wie folgt geändert:
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1. § 3 Nr. 7 wird wie lolgt geiaßt: "7. Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz, Leistungen nach dem Flüchtlingshillegesetz, dem Bundesvertriebenengesetz, dem Reparationsschädengesetz, dem Vertriebenenzuwendungsgesetz, dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz sowie Leistungen nach dem Entschädigungsgesetz und nach dem Ausgleichsleistungsgesetz, soweit sie nicht Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 sind;". 2. § 52 Abs. 2a wird wie lolgt geiaßt: .(2a) § 3 Nr. 7 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (8GBI. I S. 2310) ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1993 anzuwenden. § 3 Nr. 7 in der Fassung des Gesetzes vom 27. September 1994 (BGBI. I S. 2624) ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994 anzuwenden."
ArtikelS Änderung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1991 (BGBI. I S. 468), zuletzt geändert durch ArtikeC 18 des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBI. I S. 2310), wird wie lolgt geändert: 1. In § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe d wird am Ende das Semikolon durch ein Komma ersetzt, und es werden lolgende Buchstaben e und I angefügt: .e) Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBI. I S.829),
f) Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBI.I S. 2624, 2635);". 2. § 37 wird wie lolgt geändert: a)
In Absatz 9 werden vor dem Wort • linden" die Wörter "sowie § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe e" eingefügt.
b)
In Absatz 10 werden die Wörter ., § 13 Abs. 1 Nr. 2a" durch die Wörter .§ 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe I und Abs. 2a" ersetzt
Artikel 6 Änderung des Bewertungsgesetzes Das Bewertungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (BGBI. I S. 230), zuletzt geändert durch Artikel 12 Abs. 38 des Gesetzes vom 14. September 1994 (BGBI. I S. 2325), wird wie lolgt geändert: 1. In § 111 Nr. 5 Buchstabe d wird am Ende das Semikolon durch ein Komma ersetzt, und es werden 101gende Buchstaben e und I angefügt: .e) Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBI. I S.829),
f) Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBI. I S. 2624, 2635);". 2. § 124 wird wie lolgt geändert: a) Absetz 4 wird wie lolgt geiaßt: .(4) Die §§ 129a und 136 sind erstmals zum 1. Januar 1991 anzuwenden." b) In Absetz 7 werden das Wort .sowie" durch ein Komma ersetzt und vor dem Wort .sind" die Wörter "sowie § 111 Nr. 5 Buchstabe e" eingelügt. c) Absatz 8 wird wie folgt gefaßt: .(8) § 111 Nr. 5 Buchstabe I und § 122 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBI. I S. 2310) sind erstmals zum 1. Januar 1994 anzuwenden." 3. In § 129 Abs. 2 werden vor der Nummer 1 die Wörter .§§ 130 und 131" durch die Wörter .§§ 129a bis 131" ersetzt.
4. Nach § 129 wird folgender § 129a eingelügt:
.§ 129a Abschläge bei Bewertung mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete (1) Ist eine Emnäßigung wegen des baulichen Zustandes des Gebäudes (§ 37 Abs. 1, 3 und 4 der weiter anzuwendenden Durchlührungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz) zu gewähren, tritt der Höchstsatz 50 vom Hundert anstelle des Höchstsatzes von 30 vom Hundert. (2) Der Wert eines Grundstücks, der sich aus dem Viellachen der Jahresrohmiete ergibt, ist ohne Begrenzung auf 30 vom Hundert (§ 37 Abs. 3 der weiter anzuwendenden Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz) zu ermäßigen, wenn die Notwendigkeit baldigen Abbruchs besteht. Gleiches gilt, wenn derjenige. der ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden oder aufgrund eines Erbbaurechts errichtet hat, vertraglich zum vorzeitigen Abbruch verpflichtet ist."
Artikel 7 Änderung des Wertausgleichsgesetzes Das Wertausgleichsgesetz vom 12. Oktober 1971 (BGBI. I S. 1625), geändert durch Artikel 9 Nr. 11 des Gesetzes vom 3. Dezember 1976 (BGBI. I S. 3281). wird wie folgt geändert: 1. § 8 Abs. 1 Satz 2 wird wie lolgt geiaßt: .Beträgt der Ausgleichsanspruch voraussichtlich weni-
ger als 8 ()()() Deutsche Mark, so kann von seiner Gel-
tendmachung abgesehen werden, wenn damit ein unangemessener Verwaltungsaufwand verbunden wäre."
2. § 30 wird wie folgt geiaßt: .§30 (1) § 1 wird für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet in folgender Fassung angewandt:
5. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) .§ 1 (1) Ist im Aufenthansgebiet im Sinne des Artikels 1 Nr. 4 des deutsch-sowjetischen Vertrages über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Oktober 1990 (BGBl. 1991 11 S. 258) mit einern Grundstück, das durch die sowjetische Besatzungsmacht oder die im Aufenthansgebiet stationierten sowjetischen Truppen zur Nutzung oder zum Gebrauch in Anspruch genommen worden war, während der Dauer der Inanspruchnahme auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsmacht oder der im Aufenthansgebiet stationierten sowjetischen Truppen eine Sache verbunden worden, so bestimmen sich die Rechtsverhännisse an dem Grundstück und an der Sache nach den nachstehenden Vorschriften. (2) Ansprüche auf Wertausgleich oder Entschädigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes sind ausgeschlossen, wenn die Befriedigung dieser Ansprüche nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen, des Entschädigungsgesetzes oder des Ausgleichsleistungsgesetzes vertangt werden konnte oder kann." (2) § 7 Buchstabe a wird tür das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet wie folgt ergänzt: .Öffentlichen Mitteln stehen die Mittel gleich, mit denen die sowjetische Seite eine Sache finanziert hat, die sie mit einem ihr zur Nutzung zugewiesenen Grund· stück verbunden hat." (3) Die §§ 26, 27 und 29 finden tür das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet keine Anwendung." 3. § 31 wird wie folgt geändert: a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1. b) Folgender Absatz 2 wird angefügt: .(2) In dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet tritt dieses Gesetz abweichend von Anlage I Kapitel N Sachgebiet A Abschnitt I Nr. 21 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBI. 1990 11 S. 885, 965) am 1. Dezember 1994 in Kraft."
ArtikelS Gesetz zur Behandlung von Schuldbuchforderungen gegen die ehemalige Deutsche Demokratische Republik (DDR-Schuldbuchbereinigungsgesetz - SchuldBBerG)
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1. dern Gesetz über die Entschädigung bei Inanspruchnahmen nach dem Aufbaugesetz - Entschädigungsgesetz - vom 25. April 1960 (GBI. I S. 257), 2. dem Gesetz über die Entschädigung für die Bereitstellung von Grundstücken - Entschädigungsgesetz - vom 15. Juni 1984 (GBI. I S. 209) begründet wurden. (2) Dieses Gesetz gin nicht für Ansprüche aus ehemals
gegen die Deutsche Demokratische Republik gerichteten
Schuldbuchforderungen, die einer staatlichen Verwaltung unterlagen und aus diesem Grunde bereits gelöscht wurden. §2 Schuklbuchforderungen mit be..,ncIeren Vermerken
(1) Bei Schuldbuchforderungen mit besonderen Vermerken können Entschädigungsberechtigte und ihre Gläubiger oder deren Rechtsnachfolger bis spätestens 31. Dezember 1995 Anträge auf Auszahlung ihres Anteils an der Schuldbuchforderung stellen. Nach Ablauf dieser Frist ertöschen die Ansprüche. (2) Die Anträge sind bei den jeweiligen SchuldbuchsteIlen der Kreditanstan für den Wiederaufbau, in deren Teilschuldbuch die Schuldbuchforderung eingetragen ist, zu stellen. Diese Stellen sind für die Bearbeitung der gestellten Anträge, für die Auszahlung an die Berechtigten sowie für die Löschung der entsprechenden Schuldbuchforderung zuständig. (3) Der Nachweis der einzelnen Ansprüche ist bei der AntragsteIlung nach Absatz 1 durch schriftliche Vereinbarungen der Berechtigten mit beglaubigten Unterschriften oder durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu erbringen. (4) Wenn die Ansprüche auf Erben übergegangen sind, ist dies durch Erbnachweis gegenüber der SchuldbuchsteIle zu belegen. Für die Erteilung eines Erbscheines wird eine Gebühr nicht erhoben, wenn der Erbschein nur für Zwecke der Auszahlung aus Schuldbuchforderungen verwendet werden soll. Bei Abtretungen der Schuldbuchforderung ist der Nachweis durch Vortage einer entsprechenden UrI