Berliner Moden: Produktionsnetzwerke und Raumkonstrukte Berliner Modedesign-Unternehmen 9783839444481

The Berlin fashion industry and the socioeconomic interdependencies of its production processes.

258 49 3MB

German Pages 338 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Teil I: Kontext
1. Einleitung
2. Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft: die Modedesignbranche
Teil II: Theorie
3. Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte in der Produktionsorganisation der Kultur- und Kreativwirtschaft und das kreative Feld der Stadt
4. Produktionsnetzwerke in der Modebranche: theoretische Verortung im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und sozialen Netzwerken
5. Forschungsmethode und -ansatz: qualitative Analyse von Ego-zentrierten Netzwerken
Teil III: Ergebnisse und Empirie
Einleitung
6. Struktur des Produktionsnetzwerks
7. Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld
8. Wertschöpfungsmechanismen
Teil IV: Schlussfolgerungen
Einleitung
Literaturverzeichnis
Transkriptionssonderzeichen
Danksagun
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Berliner Moden: Produktionsnetzwerke und Raumkonstrukte Berliner Modedesign-Unternehmen
 9783839444481

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Marco Copercini Berliner Moden

Urban Studies

Für Marta

Marco Copercini (Dr. rer. pol.), geb. 1984, lebt in Berlin und forscht zu urbanen Ökonomien und Produktions- und Wertschöpfungsstrukturen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kreativwirtschaft und Produktionsformen in der Modebranche. Er war Leiter der Graduate Studies Group des Georg-SimmelZentrums an der Humboldt-Universität zu Berlin und hat seine Promotion an der Universität Potsdam abgeschlossen.

Marco Copercini

Berliner Moden Produktionsnetzwerke und Raumkonstrukte Berliner Modedesign-Unternehmen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat & Satz: Jan Wenke Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4448-7 PDF-ISBN 978-3-8394-4448-1 https://doi.org/10.14361/9783839444481 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

T eil I: K ontext 1 Einleitung  | 13 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Modedesign zwischen industrieller und kreativer Produktion  | 13 Präsentation des Forschungsstandes und der verwendeten Begriffe  | 15 Offene Frage  | 17 These, Hypothesen und Fragestellungen  | 18 Die Berliner Modedesignbranche als Fallstudie  | 20 Gliederung der Arbeit  | 21

2

Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft: die Modedesignbranche  | 25

2.1 Die Berliner Wirtschaft zwischen 1989 und 2015 – ein Überblick  | 25 2.2 Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft  | 33 2.2.1 Berlin als Standort der Modeproduktion, eine lange Tradition  | 37 2.2.2 Der Berliner Modesektor: quantitative Daten zur Branche  | 38 2.3 Mode, Modedesign, Modedesigner: die Grenzen einer Definition  | 40 2.3.1 Mode und Modedesign  | 40 2.3.2 Modedesigner, eine Arbeitsdefinition  | 44

T eil II: T heorie 3

Räumliche Konzentrationen, Raum­k onstrukte in der Produktionsorganisation der Kultur- und Kreativwirtschaft und das kreative Feld der Stadt  | 49

3.1 Räumliche Konzentration, Raumkonstrukte und Netzwerke  | 49 3.2 Beziehung zwischen sozialem Handeln und Raum  | 53

3.3 Cluster | 56 3.3.1 Clusterbegriff | 56 3.3.2 Vertikale und horizontale Dimension  | 59 3.3.3 Wissen | 62 3.4 Milieus | 66 3.4.1 Kreatives / Innovatives Milieu  | 68 3.4.2 Kreative Milieus als Raumkonstrukte  | 72 3.5 Raumkonstruktionen zeitlich begrenzter Natur: Szene und temporäre Cluster  | 73 3.5.1 Szene | 73 3.5.2 Temporärer Cluster  | 77 3.6 Zwischenfazit | 80 3.7 Kultur- und Kreativwirtschaft in urbanen Räumen  | 82 3.8 Kultur- und Kreativitätsbegriffe aus einer stadtökonomischen Perspektive  | 83 3.8.1 Kulturökonomie, creative industries und Kulturwirtschaft  | 83 3.8.2 Die kreative Klasse: das Konzept Richard Floridas und seine kritische Rezeption  | 92 3.9 Die ökonomische Rolle der Kreativität  | 93 3.9.1 Urbaner Wettbewerb  | 93 3.9.2 Kreativität, Innovation und Lernen  | 96 3.9.3 Die kreative Stadt  | 98 3.9.4 Die Beziehung zwischen Kreativität und Innovation: das kreative Feld  | 102 3.10 Fazit | 106

4

Produktionsnetzwerke in der Modebranche: theoretische Verortung im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und sozialen Netzwerken  | 107

4.1 Der Netzwerkbegriff  | 107 4.2 Beschreibung und Eingrenzung des ökonomischen Netzwerkbegriffs  | 110 4.3 Modelle der Wertschöpfung: Wertkette und Global Commodity Chain | 114 4.3.1 Wertkette | 114 4.3.2 Global Commodity Chain | 117 4.3.3 Kritik an der Linearität der Kettenmetapher  | 120

4.4 Überwindung der Kettenmetapher: Global Production Network | 124 4.4.1 Analytischer Blickwinkel des Global-Production-Network-Ansatzes  | 124 4.4.2 Abgrenzung von Kettenmetapher-basierten Modellen: Vorteile des GPN-Ansatzes  | 127 4.4.3 Basiskategorien des GPN-Ansatzes: Wert, Macht und embeddedness | 128 4.5 Das Produktionsnetzwerk  | 130 4.5.1 Abgrenzung vom GPN  | 130 4.5.2 Produktionsnetzwerk, eine Arbeitsdefinition  | 133 4.6 Soziale Netzwerke in der Produktionsstruktur: Projekte und Sozialkapital  | 137 4.6.1 Projektökonomien und die soziale Ebene im Arbeitsleben  | 138 4.6.2 Sozialkapital | 141 4.7 Produktionsnetzwerk der Berliner Modebranche: ein theoretischer Ansatz  | 144 4.8 Das kreative Feld und das Produktionsnetzwerk: Produktionsstruktur im urbanen Raum  | 148

5

Forschungsmethode und -ansatz: qualitative Analyse von Ego-zentrierten Netzwerken  | 153

5.1

Kurzer Überblick über die soziale Netzwerkanalyse  | 153 5.1.1 Vorbemerkungen | 153 5.1.2 Ego-zentrierte Netzwerke  | 155 5.1.3 Die Netzwerkkarte als Visualisierungsmittel  | 157 5.1.4 Grad der Standardisierung in der Ego-zentrierten Netzwerkerhebung  | 159 5.2 Forschungsdesign und Samplingkriterien  | 159 5.3 Qualitative Forschung und Methoden  | 164 5.3.1 Qualitative Interviews  | 166 5.3.2 Qualitative (Ego-zentrierte) Netzwerkanalyse  | 169 5.3.3 Anwendung des Ego-zentrierten Netzwerkansatzes  | 170

T eil III: E rgebnisse und E mpirie 6 Struktur des Produktionsnetzwerks  | 177 6.1 Anschaffung von Stoffen und Zulieferbeziehungen  | 179 6.1.1 Stofflieferanten und -hersteller  | 179 6.1.2 Serienproduktion | 186 6.2 Vermarktung | 195 6.2.1 Beziehungen zu den Einkäufern  | 197 6.2.2 Fashion Weeks und Berliner Fashion Week  | 200

6.3 Die Strukturen des Produktionsnetzwerks  | 211

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld  | 217 7.1 Kooperationsbeziehungen | 218 7.1.1 Beziehungen innerhalb des Labels  | 219 7.1.2 Beziehungen zu anderen Akteuren  | 220 7.1.3 Beziehungen zu anderen Designern  | 233 7.2 Soziale Beziehungen und Umgebung der kreativen Produktion  | 242 7.2.1 Sozialkapital als externes Element des Produktionsnetzwerkes  | 242 7.2.2 Berlin als Standort und Modestadt  | 248 7.3 Verschiedene Formen des Produktionsnetzwerks und ihre Interaktionen mit dem kreativen Feld  | 262 7.3.1 Typologievorschlag zur Systematisierung der Interaktion zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld  | 264 7.3.2 Produktionsnetzwerke und kreatives Feld der Berliner Modedesignbranche: eine strukturierte Komplexität  | 271 8 Wertschöpfungsmechanismen  | 273 8.1 Räumliche Dimensionen von Wertschöpfung  | 273 8.1.1 Fast und Slow Fashion | 274 8.1.2 Die Akteure der Slow-Fashion-Wertschöpfung | 277 8.2 Materielle und immaterielle Elemente der Wertschöpfung  | 279 8.2.1 Materielle Elemente  | 280 8.2.2 Immaterielle Elemente  | 284 8.3 Konvergente Strategien in der Wertschöpfung und in der Positionierung gegenüber dem Wert  | 288

T eil IV: S chlussfolgerungen Literaturverzeichnis | 301 Transkriptionssonderzeichen | 333 Danksagung | 334

»Es ist doch lange hergebracht, Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.« J.W. G oethe , Faust : E ine Tragödie, K apitel  24: Walpurgisnacht

TEIL I: Kontext

1

Einleitung

1.1 M odedesign z wischen industrieller und kre ativer P roduktion Der Gegenstand dieser Arbeit, das Modedesign, wird sowohl als eine kreative als auch als eine industrielle Branche verstanden. Betrachtet man Modedesign als kreativen Sektor, dann steht die Kreativität des Designers1 bei der Realisierung des Produktes und der Wertschöpfung als zentrales Element im Mittelpunkt, schließlich sind Designer in ihrer Tätigkeit systematisch dazu veranlasst, Symbole und kulturelle Kodierungen mit materiellen Formen zu verknüpfen (vgl. Bertola 2008). In diesem Sinne wird Modedesign von Politik und Verwaltungen in den Branchendefinitionen der Kreativindustrie zugeordnet (vgl. BMWi 2009; Senat WiTF 2009; DCMS 2001) und die Realisierung der Produkte und ihres Konsums wird als Ergebnis »sozialen, wirtschaftlichen und ästhetischen Handelns« aufgefasst (Lehnert 2013, 8). Diese Perspektive richtet ihren Fokus, auch vonseiten akademischer Autoren, auf spezifische Aspekte dieser Branche, wie auf die kreativen Tätigkeiten und Akteure (insbesondere die Designer), auf die Wahrnehmung bzw. Ästhetisierung der gefertigten Produkte sowie auf die damit verbundene kulturelle Bedeutung der Konsumund Produktionspraktiken.2 Als industrielle Branche wird das Modedesign hingegen verstanden, wenn man sich auf die industriellen Produktionsprozesse als wesentliche Elemen1 | In diesem Buch wird, um die Lesbarkeit zu erleichtern, das männliche Geschlecht für Designer verwendet (der Designer, die Designer), wenn es ein abstrakter Designer oder wenn die Designer im Allgemeinen gemeint sind. Das weibliche Geschlecht (die Designerin, die Designerinnen) wird nur dann verwendet, wenn ausschließlich weibliche Designerinnen gemeint sind. 2 | Vgl. McRobbie 1998; Entwistle / R ocmora 2006; Bertola 2008; Lehnert 2013. Diese symbolische und ästhetisierte Perspektive des Modedesigns schließt aber nicht die Betrachtung ökonomischer Produktionsprozesse und -phasen aus, die sich insbesondere auf Modeevents oder auf die Person des Designers konzentrieren (vgl. Entwistle 2010; Skov 2004a, 2004b, 2006; Kawamura 2005).

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te der Branche konzentriert, und zwar sowohl in einzelnen Phasen als auch im Gesamtablauf der Herstellung. Hier werden hinsichtlich der Produktion schwerpunktmäßig materielle Transformationsprozesse und Interaktionen zwischen Akteuren, hauptsächlich Unternehmen, und ihre räumliche Verteilung erfasst.3 Beide Betrachtungsweisen des Modedesigns müssen aber nicht scharf voneinander getrennt werden, da sie komplementäre und mitwirkende Aspekte der Produktion in dieser Branche ansprechen, obwohl sie in der wissenschaftlichen Theorie über die Produktionsstrukturen im Modedesign nicht als solche angesehen werden (vgl. Kap. 4). Da Modedesign sowohl als Branche der Kreativwirtschaft als auch als industrielle Branche begriffen werden kann, ändern sich je nach Perspektive die als wesentlich erachteten Produktionsstrukturen, Akteure und Beziehungen.4 Somit entscheiden diese beiden Perspektiven, wie die Produktionsstrukturen einbezogen werden, insbesondere welche Phasen, Akteure und Beziehungen für relevant gehalten werden. Da die Produktionsstrukturen des Modedesigns als kreative Branche in der Wirtschaftsgeografie bislang kaum untersucht wurden, ist es an der Zeit, diesen Aspekt genauer zu analysieren. Eine Untersuchung der Produktionsstrukturen des Modedesigns als kreative Branche, die aber auch die Elemente der ökonomisch-industriellen Perspektive integriert, kann zu einem tieferen Verständnis der Produktionsstrukturen und der Handlungen kreativer Unternehmer in dieser Branche beitragen. »Fashion business is both a creative sector and an old-fashioned manufacturing industry« (Aspers / Skov 2006, 802), und diese Dualität wird in der vorliegenden Arbeit integriert, da nur damit die Produktionsstrukturen der Branche analysiert werden können. Modedesign wird somit als eine kreative Branche betrachtet und die kreativen Akteure der Branche (die Designer) werden als zentral in Bezug auf die Produktionsstrukturen identifiziert, ohne aber die indust3 | Vgl. Schamp 2000; Gereffi 1994; Uzzi 1997; Weller 2008; Dicken 2011; Becattini 1991; Power /  Jansson 2008. Diese unternehmens- und produktionszentrierte Perspektive fokussiert auf Interaktionen zwischen Unternehmen in den globalen Produktionsprozessen und den damit verbundenen Wissensaustausch, aber auch die räumliche Konzentration der Akteure in Cluster und Distrikte (vgl. Scott 1988; Dicken 2011). 4 | Diese Dualität zwischen industriezentrierten und kreativitätszentrierten Perspektiven auf Modedesign ist in einigen Phasen der Produktion und Präsentation der Produkte deutlich zu erkennen, da z. B. eine Kollektion nach der Bestellung in der Produktionsstätte industriell gefertigt wird, während Modeevents (wie z. B. die Fashion Week) mehr auf die Produktpräsentation und Medienexposition sowohl der Produkte als auch der Designer hin orientiert sind. In solchen Veranstaltungen ist die Verbindung zwischen der Kreativität des Designers und der Orientierung zum kommerziellen Erfolg deutlich, obwohl die Designarbeit selbst auf individueller Kreativität beruht, was aber keine direkte Verbindung mit kommerziellen Aspekten impliziert.

1 Einleitung

riellen Produktionsaspekte zu vernachlässigen genauso wie die verschiedenen Beziehungsformen und Einflüsse, die damit verbunden sein können.

1.2 P r äsentation des F orschungsstandes und der verwende ten B egriffe Aufgrund der extremen Heterogenität der unter dem Begriff Kreativwirtschaft zusammengefassten Branchen ist es nicht möglich, die Produktionsformen bzw. -strukturen des Modedesigns durch branchenübergreifende Modelle zu beschreiben. Die Auseinandersetzung mit den Produktionsstrukturen spiegelt die Betrachtung der Modebranche als industrielle oder kreative Branche wider, sodass verschiedene Elemente in deren Darstellung integriert werden. Daher wird in dieser Arbeit eine Rekonstruktion der Produktionsstrukturen des Modedesigns als Kreativwirtschaft angestrebt, die sich auf eine akteurszentrierte Perspektive stützt, d. h., es werden die für die Produktion relevanten Akteure, deren Beziehungen und Handlungen in den Mittelpunkt gestellt und integriert. Um dieses Ziel erreichen zu können, setzt sich die Arbeit mit den folgenden Begriffen und damit verbundenen Aspekten auseinander: Produktionsstrukturen und -netzwerke, Raumkonstrukte, Akteursbeziehungen untereinander und mit der Stadt sowie Kreativität. Die Produktionsstrukturen der Modebranche, d. h. die raumzeitliche Organisation der Produktion in dieser Branche, wird, wenn sie als Ganzes betrachtet wird, in zwei bestimmten Perspektiven präsentiert: Es werden entweder globale industrielle Produktionen (vgl. Dicken 2011) oder lokale Unternehmensagglomerationen (vgl. Dunford 2006; Scott 1988) hervorgehoben. Diese Polarisierung schränkt eine übergreifende Prespektive auf die Produktionsstrukturen des Modedesigns ein. Wenn hingegen die Produktionsstrukturen nicht als eine Einheit einbezogen werden, konzentriert man sich auf spezifische Elemente der Wertschöpfung – wie z. B. Fachmessen und temporäre Veranstaltungen (vgl. Skov 2004a, 2006) oder den Verkauf mit Fokussierung auf die Standortentscheidung für Modeläden und ihre räumlich-symbolische Komponente (vgl. Moore / Fernie 1998; Jansson / Power 2010). Neben den Begriffen, die die Produktionsstrukturen beschreiben, spielt in einer akteurszentrierten Perspektive auf die Produktionsstrukturen der Begriff Netzwerk eine zentrale Rolle. Netzwerke ergeben sich aus Interaktionen unterschiedlicher Art zwischen verschiedenen Akteuren. Für die Produktionsstrukturen der Modebranche sind sowohl ökonomische als auch soziale Netzwerke relevant, die mit dem Begriff Produktionsnetzwerke thematisiert werden (Kap. 4). Im Fall der Kreativwirtschaft und des Modedesigns ist dabei das Zusammenwirken der ökonomischen und sozialen Beziehungen zwischen den Akteu-

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ren der Branche zu berücksichtigen. Beispielsweise ergeben sich Anreize zur Entwicklung von Produktideen und zur Produktionsorganisation häufig aus den Beziehungen der ökonomischen Akteure zueinander, den kulturellen und materiellen Gegebenheiten des Standorts sowie den am Ort wirkenden kreativen und professionellen Inputs durch andere Branchen und Produktionsformen. Dieses Zusammenwirken wurde bis jetzt nur für einige Branchen der Kreativwirtschaft (Musikwirtschaft, Filmwirtschaft, Grafikdesign und Medienwirtschaft) untersucht (vgl. unter anderem Lange 2007; Lange / Bürkner 2010, 2013; Scott 2010; Heur 2010; Mundelius 2008; Krätke 2002a); alternativ dazu wurde die Kreativwirtschaft als eine Einheit betrachtet, ohne dass nach Branchen (z. B. Modebranche) differenziert wurde (vgl. unter anderem Landry 2000 Florida 2002; Hall 2000; Merkel 2012). Die Akteure dieser Branche kennzeichnet, dass sie oft die Tendenz zur räumlichen Konzentration an bestimmten (urbanen) Standorten zeigen. Die räumliche Konzentration der Akteure in der Kreativwirtschaft ist bisher mithilfe von theoretischen Begriffen erklärt worden, die bereits in älteren wirtschaftsgeografischen Ansätzen entwickelt wurden, z. B. Cluster, Milieu und Szene (vgl. Heebels / Aalst 2010; Moore / Fernie 1998; Merkel 2008; Lange 2007). Das Modedesign operiert mit variablen räumlichen Kontexten und seine Betrachtung als kreative Branche umfasst auch den Aspekt des Austausches und der Aufteilung symbolisch-kultureller Elemente unter den Akteuren (sowohl am selben Standort als auch außerhalb der Stadt). Es ist fraglich, ob im Fall des Modedesigns universelle wissenschaftliche Raumkonstrukte, die produktionsabhängige Agglomerationsformen beschreiben, geeignet sind, um die sozioökonomische Dynamik und räumliche Auffächerung der Produktion dieser Branche vollständig beschreiben zu können (Kap. 3). In der Literatur über die Kreativwirtschaft wird dargestellt, dass Produktions-, Kreativitäts- und Wertschöpfungsformen soziale (d. h. relationale) Komponenten beinhalten, die branchen- und kontextabhängig sind und eine enge Verbindung mit urbanen räumlichen Kontextbedingungen zeigen (vgl. unter anderem Lange / Bürkner 2010; Krätke 2011; Mundelius 2008; Anderson 1985). Daher ist im weiteren Sinne von einer kreativen Stadt die Rede (vgl. Hall 2000; Florida 2002; Landry 2000; Helbrecht 2005). Die Akteure der Kreativwirtschaft, und somit die Modedesigner, tendieren dazu, sich auf bestimmte Städte und Quartiere zu konzentrieren, die durch eine besondere soziale und kulturelle Prägung gekennzeichnet sind. Es entwickeln sich Sozialitätsformen, die auf flexibler Interaktion heterogener Akteure, spannungsreichen kulturellen Mischungen, sozialen und ökonomischen Experimenten sowie besonderen performativen Praktiken und Repräsentationsformen beruhen. Daher ist es erforderlich, den jeweiligen urbanen Kontext als Bedingung der Wirtschaftstätigkeiten zu berücksichtigen (vgl. Merkel 2008).

1 Einleitung

Wenn man sich mit der Kreativwirtschaft auseinandersetzt, muss auch der Begriff Kreativität betrachtet werden. Was unter Kreativität in städtischen Kontexten verstanden wird und wie Kreativität als Bestandteil unternehmerischer Aktivitäten konzipiert werden kann, sind komplexe Fragen, die von unterschiedlichen Disziplinen gestellt werden (z. B. Wirtschaftsgeografie, ‑soziologie oder Regionalökonomie). Es können bislang zwei grundlegende Positionen dargestellt werden: Auf der einen Seite wird Kreativität als personengebundene Eigenschaft verstanden (vgl. Legrenzi 2005; Landau 1969; Vernon 1989), auf der anderen Seite wird sie als das Ergebnis sozialer Interaktionen thematisiert (vgl. Merkel 2008, 2012; Hall 1998). Diese beiden Vorstellungen von Kreativität schließen sich nicht gegenseitig aus und können beide zusammen in Analysen der Kreativwirtschaft und der kreativen Stadt eingesetzt werden, wie die Arbeiten von Allen J. Scott (vgl. 2010, 2006b) bewiesen haben. Diesem Ansatz nach wird Kreativität als Ergebnis einer individuellen und einer sozialen Komponente angesehen, die beide in einem kreativen Feld der Stadt präsent sind (vgl. Scott 2006b, 2010.). Dieses fungiert als potenzieller wirtschaftlicher Entwicklungsmotor und als Element zur Charakterisierung des regionalen ökonomischen Profils. Daher, um die Wirtschaftsdynamiken der Produktion in der Kreativwirtschaft zu verstehen, sind neben den ökonomischen auch die sozialen Beziehungen, d. h. die Produktionsnetzwerke, die Akteure einer Branche in einem kreativen Feld, einzubeziehen.

1.3 O ffene F r age In dieser Darstellung theoretischer Bezüge sind drei miteinander verbundene Aspekte der Theoriebildung hervorzuheben, die für die Auseinandersetzung mit dem Modedesign als einer kreativen Branche relevant sind: Erstens sind wissenschaftliche Raumkonstrukte bedeutsam, die produktionsabhängige Agglomerationsformen beschreiben (Kap. 3). Sie können die Beteiligung unterschiedlicher Maßstabsebenen an den Produktionsstrukturen der Modedesignbranche allerdings nur teilweise erfassen. Zweitens kann das Ergebnis der Interaktion zwischen kreativen Akteuren sowie den von ihnen hervorgebrachten Produktionsstrukturen mit der Stadt nur ansatzweise theoretisch erfasst werden: Planungstheoretische oder entwicklungspolitische Begriffe wie z. B. »kreative Stadt« oder »Kreativquartier« (Kap. 3) subsumieren eher Merkmale von Akteuren, Organisationen und Teilräumen, die pauschal als kreativ deklariert werden, als dass sie detailliert über deren soziale und ökonomische Genese Auskunft geben können. Drittens müssen die Konzepte zur Organisation der Produktion sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Beziehungsformen als auch der Akteurstypologien, die sie thematisieren, betrachtet werden. Die Theoretisierung der Produktionsstruktur aus einer wirtschaftlichen Perspek-

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tive konzentriert sich hauptsächlich auf die Produktionsphasen, die eine materielle Transformation des Produktes bewirken und auf die Schöpfung monetärer Werte gerichtet sind (Kap. 4). Demgegenüber gibt es bei den immateriellen und symbolischen Elementen, die in den Produktionsformen der Kreativwirtschaft und folglich auch im Modedesign festzustellen sind, noch theoretischen Nachholbedarf. Es entsteht also ein erhebliches Erklärungsdefizit, wenn die Produktionsorganisation des Modedesigns lediglich als Bestandteil einer kreativen Branche thematisiert wird. Die beteiligten ökonomischen und sozialen Dimensionen reichen über solche ökonomischen Konstrukte wie »Branche« hinaus und sind grundsätzlich explikationsbedürftig – einzeln wie auch in ihrem Interaktionszusammenhang. Ebenso müssen die verschiedenen räumlichen Dimensionen der Produktion (urbane, regionale, globale, lokal-temporäre) in ihrem Zusammenhang mit ökonomischen und sozialen Dimensionen erfasst und innerhalb eines integrierenden theoretischen Ansatzes berücksichtigt werden. Diese Arbeit zielt deswegen auf eine trennschärfere und zudem empiriebasierte Theoriebildung der Produktionsstrukturen des Modedesigns als Kreativwirtschaft ab, die die zwei Perspektiven auf das Modedesign in Verbindung bringen kann. Die in Frage kommenden Elemente der Theoriebildung werden im Teil II eingehend diskutiert, ebenso wie der diesbezügliche Stand in der Literatur. Um die Produktionsstrukturen der Modedesignbranche als Kreativwirtschaft analytisch untersuchen zu können, müssen, neben den verschiedenen ökonomischen Beziehungen, auch die sozialen Interaktionen der Akteure betrachtet werden, die zusammen das unternehmerische Handeln in den einzelnen Phasen der Produktion prägen. Die jeweiligen Beziehungsformen können eine räumliche Komponente haben, die entweder auf der lokalen Ebene oder auf der überregionalen Ebene entsteht. Sie können auf Dauer angelegt oder auch zeitlich begrenzt sein. Diese räumliche Komponente wird aber gegenüber den sozialen und ökonomischen Tätigkeiten in dieser Arbeit nachrangig behandelt; im Vordergrund steht hier eine dezidiert akteurszentrierte Perspektive. Deswegen wird das kreative Feld der Stadt als relationaler räumlicher Kontext der Produktionsnetzwerke konzipiert, der die unternehmerischen Handlungen der Modedesigner begleitet. Standortwahlen oder räumliche Nähe stellen in dieser Perspektive abhängige Variablen unterschiedlicher Beziehungsformen und Handlungsorientierungen der Akteure dar.

1.4 These , H ypothesen und F r agestellungen Diese akteurszentrierte Forschungsarbeit basiert auf der folgenden These: Die Produktionsstrukturen des Modedesigns als Branche der Kreativwirtschaft, bezeichnet als Produktionsnetzwerke, ergeben sich als Zusammenhang der öko-

1 Einleitung

nomischen und sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren und sind in der Regel räumlich konnotiert (z. B. in Form erkennbarer urbaner Konzentrationen ähnlicher kreativer Akteure). Die unternehmerischen Handlungen führen jedoch über einzelne Maßstabsebenen und raumzeitliche Begrenzungen prinzipiell hinaus. Diese Arbeit zielt auf die Rekonstruktion der Produktionsstrukturen und Handlungsformen des Modedesigns als kreative Branche ab und ihr liegen zwei untersuchungsleitende Hypothesen zugrunde. Die erste Hypothese bezieht sich auf die Rekonstruktion der Struktur der Produktionsnetzwerke in der Modedesignbranche und lautet, dass für die kreative Arbeit des individuellen Designers wie auch in der Arbeitsorganisation der Modedesignbranche insgesamt jeweils besondere Verknüpfungen von ökonomischen und sozialen Beziehungsformen konstitutiv sind. Hiermit wird aber nicht thematisiert, ob ökonomische und soziale Beziehungen tatsächlich eine Rolle in der Produktion des Modedesigns als Kreativwirtschaft spielen, sondern wie und in welcher Form sie die Produktionsstrukturen in dieser Branche gestalten. Die zweite Hypothese besagt, dass sich die Produktionsstrukturen der Designer aus Interaktionsformen und Handlungen ergeben, die sich sowohl zwischen den Produktionsphasen als auch zwischen den Akteuren deutlich unterscheiden. Daher kann angenommen werden, dass immer mehrere Produktionsstrukturen zugleich existieren. Jeder Versuch, beispielsweise Produktionsnetzwerke auf eine einheitliche Struktur ökonomischer und sozialer Beziehungen zu reduzieren oder eine einzige räumliche Organisationsform zu postulieren, ist aus dieser Perspektive heraus als übermäßig reduktionistisch zurückzuweisen. Insbesondere die Raumbezüge der Produktionsstruktur sind als mehrfach kodierte, sozial konstruierte und veränderliche Elemente zu betrachten. Daher wird die Rekonstruktion der Produktionsnetzwerke unter anderem darauf abzielen, variable sowie heterogene Raumbezüge der Designertätigkeiten herauszuarbeiten. Basierend auf der Hauptthese und den zwei Hypothesen werden in dieser Arbeit die konkreten Konfigurationen der Produktionsnetzwerke des Modedesigns und ihre Entstehung untersucht. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird nachfolgend gefragt: • Welcher Art ist die Rolle der sozialen Netzwerke kreativer Akteure (hier der Designer) im Hinblick auf die Produktionsorganisation? Welche Unterschiede bestehen zwischen den Tätigkeiten der Designer und genuin unternehmerischen Tätigkeiten? • Welches sind die erkennbar strategischen unternehmerischen Handlungen der Modedesigner?

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• Welcher Art sind die jeweiligen räumlichen Organisationsformen des Produktionsnetzwerks? Von dieser Frage wird auch die Rolle der Modeevents und Fashion Weeks für die Produktionsformen der Designer erfasst. • Welcher Art sind die Beziehungen der Designer und ihrer Produktionsnetzwerke zum weiteren urbanen Raum und dem kreativen Feld der Stadt? Damit ist auch die Frage angesprochen, welche Rolle die Stadt in der Designerarbeit spielt und inwieweit sie als Inspirationsquelle thematisiert werden kann. Außerdem wird danach gefragt, welche Attraktionsmomente und Verankerungsangebote die jeweiligen urbanen Kontexte für die Designer bereithalten.

1.5 D ie B erliner M odedesignbr anche als F allstudie Die Untersuchung der Modebranche in Berlin liefert aussagekräftige empirische Ergebnisse zu offenen Fragen, deren Beantwortung Ziel dieser Arbeit ist. Berlin spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Kreativwirtschaft. Sie weist eine der höchsten Konzentrationen an Modedesignern in Europa auf, in Deutschland steht sie diesbezüglich an der Spitze. Die meisten Modelabels der Stadt sind kleine und mittlere Unternehmen.5 Diese Branche hat für Berlin und die Region eine hohe wirtschaftliche und imagebildende Bedeutung (z. B. durch überregionale Veranstaltungen wie die Fashion Week oder mehrere modebezogene Ausbildungsstätten), obwohl es, im Unterschied zu anderen in der Mode relevanten Städten, keine zentralen Institutionen für die Steuerung der Branche als Ganzes gibt (z. B. die Camera Nazionale della Moda in Mailand, die Fédération Française de la Couture in Paris und das British Fashion Council in London). Die Textil- und Modebranche ist in der ökonomischen Geschichte Berlins in den letzten zwei Jahrhunderten immer eine Konstante gewesen und die Bedeutung dieser Branche für die Stadt ist in den vergangenen 150 Jahren – mit einigen Schwankungen – stets gewachsen und erhalten geblieben. Die Anzahl der Akteure und Institutionen im Modedesign (Designer, Labels, Ausbildungsstätten, Modemessen) ist nach den 2000er-Jahren jedoch besonders deutlich gewachsen. Daher ist die Ballung der Modebranche in Berlin zwar stabil, aber relativ jung (Kap. 2). Dies führt zu potenziell flexiblen unternehmerischen Handlungsformen und Produktionsstrukturen unter den Berlin-basier5 | Im Alltag wird die Modebranche gedanklich mit komplexen industriellen Produktionsstrukturen im globalen Maßstab (z. B. H&M) oder mit sehr bekannten Modehäusern und bekannten kreativen Designern (z. B. Armani) assoziiert, die ein global weitverbreitetes Image haben. Beide Verbindungen treffen aber für die Mehrheit der Unternehmen in der Modedesignbranche nicht zu, da diese von vielen kleinen Labels gebildet wird, die sich oft in bestimmten urbanen Räumen konzentrieren.

1 Einleitung

ten Akteuren, sodass die Effekte der ökonomischen und sozialen Netzwerke auf die Produktionsstrukturen der Designer hier besser als an anderen Standorten identifiziert werden können. Aufgrund der hohen Anzahl an Akteuren, ihrer stabilen Präsenz in der Stadt, der dynamischen unternehmerischen Organisation und der schwachen institutionellen Strukturierung erlaubt die Auswahl dieser Fallstudie die Untersuchung routinierter Handlungsformen und Produktionsstrukturen in dieser Branche, die deren Rolle in ökonomischen und sozialen Netzwerken nachweisen.

1.6 G liederung der A rbeit Dieses Buch gliedert sich in vier Teile, die die acht Hauptkapitel strukturieren und den Entdeckungs- und Analyseprozess nachzeichnen. Teil I stellt eine Einleitung in den Kontext der Analyse dar, wobei im Kapitel 1 hauptsächlich die theoretischen Positionen geschildert, während im nächsten Kapitel die grundlegenden Strukturen der Berliner Modedesignbranche dargestellt und kontextualisiert werden. Mithilfe statistischer Sekundärdaten wird die Wirtschaftsentwicklung Berlins seit 1990 dargelegt und die wachsende Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Stadt beschrieben. Die Fallauswahl und Arbeitsdefinitionen der Begriffe »Mode«, »Modedesign« und »Modedesigner« werden hier erörtert. Teil II präsentiert die theoretischen Auseinandersetzungen bezüglich des Themas der Produktionsformen der Modedesignbranche und deren Raumkonstrukte, insbesondere in Verbindung mit den urbanen Ökonomien. Das dritte Kapitel setzt sich mit Theorien bzw. Modellen der sozialen Konstruktion von Raum auseinander, und zwar jeweils mit Blick auf die soziale und ökonomische Praxis innerhalb von Produktionsnetzwerken. Basierend auf der wirtschaftsgeografischen Literatur über die Kreativ- und Modewirtschaft werden vier Raumkonstrukte identifiziert, die eine mögliche Raumdynamik im Rahmen dieser Fallstudie erklären können: Zwei sind zeitlich und räumlich stabil (Cluster und kreatives Milieu), zwei weitere haben eine zeitlich begrenzte Natur (Szene und temporäre Cluster). Hier werden die Grenzen dieser Begriffe mit der Betrachtung der Produktion des Modedesigns als kreative Branche konfrontiert, um eine geeignete konzeptionelle Basis zur Erklärung der räumlichen Dynamiken der Produktionsstrukturen in dieser Branche entwickeln zu können. Darüber hinaus wird in diesem Kapitel die Beziehung zwischen Kreativwirtschaft und Stadt erörtert, beginnend mit denjenigen Begriffen, die von den Sozialwissenschaften zur Charakterisierung der Verbindungen zwischen Kultur bzw. Kreativität und der Wirtschaft herangezogen werden. Kapitel 4 führt in theoretische Debatten über relevante Produktionsstrukturen ein. Es werden lineare und nichtlineare Modelle der Wertschöpfung und

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Berliner Moden

darauf bezogene Produktionsstrukturen dargestellt (Wertkette, Global Commodity Chain, Global Production Network). Zudem wird darüber reflektiert, ob derartige Modelle zur Untersuchung der Produktionsstrukturen in der Kreativwirtschaft bzw. der Modedesignbranche geeignet sind. Anschließend wird aus einer kritischen Reflexion der Modelle heraus eine eigene Definition des Produktionsnetzwerkes entwickelt, die mit der grundsätzlichen Blickrichtung der relationalen Wirtschaftsgeografie (vgl. Bathelt / Glückler 2002) übereinstimmt und neben den ökonomischen Produktionsphasen und ihren räumlichen Implikationen auch die sozialen Netzwerke einschließt. Im fünften Kapitel werden die Forschungs- und Erhebungsmethoden dargestellt. Dabei wird die qualitative Ego-zentrierte Netzwerkanalyse, die hier zur Anwendung kommt, als Teil der sozialen Netzwerkanalyse diskutiert. Sie setzt ein Forschungsdesign voraus, das den Grundprinzipien der Grounded Theory folgt. Die Einzelheiten dieses Designs werden im Detail erläutert. Teil III präsentiert die Ergebnise der Interviews aus der Fallstudie. In Kapitel 6 wird die Organisation der Produktionsnetzwerke der Berliner Modedesigner präsentiert, mit den entsprechenden Variationen und unternehmerischen Entscheidungen, die in Variationen der Produktionsstruktur resultieren. Kapitel 7 zeigt die verschiedenen Handlungsformen der Designer differenziert nach den Entwicklungsphasen des Produktionsnetzwerks und der jeweiligen Beziehung der Akteure zur Stadt auf. Diese münden in eine vierteilige Typologie, die die Handlungsformen und Strategien der Berliner Modedesigner widerspiegelt. Im achten Kapitel werden die Mechanismen der Wertschöpfung erörtert, zusammen mit deren dualer Komposition von materiellen und immateriellen Elementen, die die Erzeugung des Wertes im Berliner Modedesign kennzeichnet. Teil IV schließlich beinhaltet eine Schlussfolgerung, die sowohl die Ergebnisse zusammenfasst als auch über deren Bedeutung reflektiert. Die zwei Hauptteile (II und III) bauen aufeinander auf und sind dabei hilfreich, den jeweils anderen Teil besser zu verstehen. Nichtdestotrotz können sie auch unabhängig voneinander gelesen werden. Dieses Buch bietet verschiedene Lesarten an. Es richtet sich aber insbesondere an zwei Lesergruppen. Auf der einen Seite sind das diejenigen, die an den akademischen und theoretischen Debatten über die Kreativwirtschaft, Raumkonstrukte und urbane Ökonomien genau so wie über Handlungsformen der Produktionsprozesse und das Modedesign interessiert sind. Auf der anderen Seite sind sowohl Modedesigner und in der Modedesignbranche Aktive wie auch an der Kreativ- und Modeökonomie Berlins Interessierte angesprochen. Teil II, wenngleich stets im Zusammenhang mit Teil III, hat seinen Schwerpunkt in der Schilderung von und Positionierung in den akademischen Debatten über urbane Ökonomien, Kreativität und Produktionsstrukturen, weist

1 Einleitung

mithin einen deutlichen theoretischen Fokus auf und ist daher mehr auf die erste Gruppe von Lesern bezogen. Teil III hingegen dürfte – auch ohne Verbindung mit dem theoretischeren Teil II – für die Leser der zweiten Gruppe von größerer Relevanz sein. Er versucht strukturiert darzustellen, wie die Produktion der Modedesignbranche (in Berlin) organisiert ist, und kann daher als Anhaltspunkt und Reflexionsanreiz über die (eigene) unternehmerische Strategie und Produktionsorganisation dienen – genauso wie, in einem weiteren Sinne, über die Kreativwirtschaft Berlins insgesamt.

23

2

Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft: die Modedesignbranche

2.1 D ie B erliner W irtschaf t z wischen 1989 und 2015 – ein Ü berblick Berlin weist aufgrund seiner einzigartigen Geschichte eine besondere wirtschaftliche Entwicklung auf, die sich von denjenigen anderer europäischer Groß- und Hauptstädte unterscheidet. Das schwierige Erbe der deutschen Teilung, deren Folgen die Entwicklung bis auf den heutigen Tag bestimmen, musste in den Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung verwaltet werden. In diesem Kapitel wird der Kontext der Analyse dargestellt. Hier wird der Fall Berlin präsentiert: Wie hat sich die Ökonomie der Stadt entwickelt, welche Rolle hat die Kreativwirtschaft gespielt und insbesondere das Modedesign? Die folgende Darstellung der Entwicklung der Berliner Wirtschaft kann nur im Überblick erfolgen und liefert daher keine vollständige Beschreibung, sondern dient zur Skizzierung des Kontextes, womit sowohl die theoretischen Begriffe des Teils II als auch die Ergebnisse des Teils III1 verbunden sind. Mit der gleichen Absicht setzt sich der Abschnitt 2.3 mit den Begriffen Mode, Modedesign und Modedesigner auseinander. Die Problematiken hinter einer Definition solcher Begriffe sollen dargestellt werden und damit eine Kontextualisierung der Positionen, die bezüglich dieser Begriffe im Laufe des Buches eingenommen werden. Um die wirtschaftliche Lage der Stadt nach 1989 verstehen zu können, muss die Entwicklung der beiden Teile Berlins nach 1961 berücksichtigt werden. Mit dem Mauerbau entwickelten sich zwei unterschiedliche Wirtschaftsdynamiken in den beiden Teilen der Stadt: West-Berlin verlor fast jede überregionale ökonomische Bedeutung, mit Ausnahme des Kultursektors, der staatlich subventioniert war (vgl. Gornig / Häussermann 2002). Die schwache damalige Lage des Arbeitsmarktes in West-Berlin wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass der wichtigste Arbeitgeber die Stadtverwaltung war, die 50 Prozent ihrer 1 | Die Daten sind aus dem Jahr 2015, um das Zeitfenster der Interviews im Teil III widerzuspiegeln.

26

Berliner Moden

Förderung aus Westdeutschland bekam (vgl. Gornig / Häussermann 2002). Ost-Berlin dagegen wurde die wichtigste Stadt der DDR, in der sich ein Drittel der Dienstleistungsbeschäftigten konzentrierte (vgl. Gornig 2012). Nach der Wiedervereinigung verlor Ost-Berlin seine zentrale Rolle in der (über-)regionalen Industriestruktur; zugleich wurden viele Industriebetriebe in den westlichen Stadtteilen, deren Massenproduktion zuvor insbesondere mit den westdeutschen Subventionen für West-Berlin am Leben erhalten worden war, nun aufgrund ihrer strukturellen Schwäche geschlossen (vgl. Krätke 2004). Trotz der sich abzeichnenden Übernahme der Hauptstadtfunktion durch die Stadt Berlin sank die Zahl der Arbeitsplätze nicht nur in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung, sondern auch in den folgenden beiden Jahrzehnten.2 Die ersten zehn Jahre nach der Wiedervereinigung zeigen eine sozioökonomische Entwicklung für die Hauptstadt, die von der Entwicklung der anderen Metropolregionen Deutschlands abweicht (vgl. Krätke / Borst 2000). Im Vergleich zu den wichtigsten westdeutschen Wirtschaftszentren (Hamburg, München, Frankfurt a. M.) wurde eine allgemeine Schwäche der Berliner Wirtschaft und des Arbeitsmarktes konstatiert. In der ersten Hälfte der 1990erJahre wies Berlin eine geringe Anzahl an F&E-intensiven Industrien auf. Der Schwerpunkt innerhalb der Branchenstruktur lag auf den »traditionelleren« Branchen, z. B. der Metallindustrie, dem Bausektor und den haushaltsbezogenen Dienstleistungen.3 Im Dienstleistungssektor verzeichnete Berlin einen überdurchschnittlich hohen Anteil an gering qualifizierten Dienstleistungen (51,2 % gegenüber 37,3 % in München und 40,2 % in Hamburg), während mittel qualifizierte Dienstleistungsbeschäftigte ungefähr im Durchschnitt lagen (20,3 %, gegenüber 17,6 % in München und 22,8 % in Hamburg). Hoch qualifizierte Dienstleistungen waren hingegen in Berlin deutlich unterrepräsentiert (28,5 % im Gegensatz zu 45,1 % in München und 37,5 % in Hamburg).4 2 | Zwischen 1989 und 1992 gingen ca. 40 Prozent der Arbeitsplätze verloren (vgl. Gornig 2012) und zwischen 1991 und 2007 reduzierte sich die Zahl der Arbeitsplätze in wichtigen Industriebranchen nochmals um 178.000 (vgl. Krätke 2011, 160). 3 | Vgl. Krätke / B orst 2000, 46; Krätke 1999. Verglichen wird Berlin mit den anderen westdeutschen Metropolregionen, die zusammengefasst betrachtet werden, obwohl es auch zwischen diesen Städten Unterschiede in der Branchenstruktur gibt. So weist z. B. Frankfurt a. M. eine stärkere Finanzaktivität auf und München beherbergt einen wichtigen Elektrotechniksektor (vgl. Krätke /  B orst 2000, 46). 4 | Vgl. Krätke /  B orst 2000, 54. Die beiden Autoren erfassen als »gering« qualifizierte Dienstleistungen folgende Branchen: Einzelhandelssektor, personenbezogene Dienstleistungen, Gebäude- und Reinigungsdienste, Wach- und Sicherheitsdienste; als »mittel« qualifizierte Dienstleistungen Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermögensverwaltung, Wirtschaftswerbung, Ausstellungs- und Messeeinrichtungen, Kultur- und

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t

Das überproportionale Gewicht des Bausektors, der Anfang der 1990er-Jahre einen der wichtigsten Sektoren der Berliner Wirtschaft stellte, entstand aus der anfänglichen Euphorie angesichts eines erwarteten Dienstleistungswachstums nach der Wiedervereinigung und dem prognostizierten Zuwachs an benötigten Büroflächen. Das Immobilienmarktwachstum erfüllte die Erwartungen jedoch nicht und führte zu einer Sektorkrise, die auf die Stadt zurückwirkte (vgl. Krätke 2004, 2011, 161 f.). Die negative Abweichung im Vergleich zu anderen westdeutschen Metropolen war nicht nur im Bereich F&E, sondern in den 1990er-Jahren auch im Bereich Kultur zu erkennen, nachdem viele staatliche Subventionen gestrichen worden waren (vgl. Krätke / Borst 2000, 30). Die Veränderungen auf dem Berliner Arbeitsmarkt nach Wirtschaftsbereichen sind in der Erwerbsstatistik gut zu erkennen (Tab. 1 und 2).5 Während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen nur leichte Änderungen zeigte, sanken zwischen 1991 und 2015 die Beschäftigtenzahlen in den industriellen Branchen stetig, wohingegen der Dienstleistungssektor immer mehr an Bedeutung gewann. Die Abnahme industrieller Aktivitäten in der Stadt Berlin ist auch im Textil- und Bekleidungsgewerbe zu erkennen (Tab. 3); sowohl die Anzahl der Betriebe als auch die Beschäftigtenzahlen sind seit 1990 stetig gesunken. Im Gegensatz dazu wurde die Präsenz von Modedesignern und Modedesigneinrichtungen (wie Modehochschulen und -agenturen) relevanter, sodass auch in der Modebranche der Übergang von Industrie- zu Dienstleistungstätigkeiten in Berlin repräsentiert wird.

Mediensektor (ohne Druckgewerbe); als »hoch« qualifizierte Dienstleistungen Wirtschafts- und Rechtsberatung, Ingenierbüros, Planer / A rchitekten, Laboratorien, Kredit- und Versicherungsgewerbe. 5 | Die angewendeten Kategorien weichen leicht voneinander ab. Daher wurden zwei Tabellen vorbereitet, eine für die 1990er-Jahre und die andere ab dem Jahr 2000. Die allgemeinen Tendenzen und Variationen in und unter den Kategorien können immer noch erkannt werden.

27

7,9

7,8

1626,8

1623,2

1596,4

1563,7

1552,8

1552,2

1994

1995

1996

1997

1998

1999

8,9

186,9

193,6

200,6

210,3

225,6

242,3

268,0

299,4

343,9

produzierendes Gewerbe ohne Bau­ gewerbe

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2011, 73

7,4

8,6

9,0

8,7

8,6

1647,6

1640,0

9,9

1993

1673,1

1991

Landund Forstwirtschaft, Fischerei

1992

insgesamt

Jahr

165,3

171,3

177,0

185,8

200,2

215,3

240,6

270,7

314,5

darunter verarbeitendes Gewerbe

114,2

121,7

130,9

138,0

146,7

147,2

141,8

134,9

128,8

Baugewerbe

355,2

360,8

367,6

384,1

396,9

406,5

423,5

430,1

448,2

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

299,1

285,0

277,4

274,7

271,2

263,5

250,3

233,3

210,9

Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister

Tabelle 1: Erwerbstätige in Berlin (Arbeitsort) 1991 bis 1999 nach Wirtschaftsbereichen, Werte in 1000 Personen

589,5

584,0

579,2

580,7

573,9

558,7

547,8

540,9

531,5

öffentliche und private Dienstleister

28 Berliner Moden

1,2

1,1

1595,6

1568,6

1545,7

1554,7

1556,7

1582,5

1616,1

1645,7

1671,5

1689,0

1707,6

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

0,6

0,6

0,6

1,0

1,0

1,0

1,3

1,2

1,2

1,1

1615,0

2000

Landund Forstwirtschaft, Fischerei

insgesamt

Jahr

138,3

135,4

135,7

136,3

134,7

136,4

139,9

144,9

149,4

159,0

169,2

174,0

produzierendes Gewerbe ohne Bau­ gewerbe

119,0

115,4

115,8

115,7

113,7

115,0

117,5

121,8

125,6

133,2

142,2

145,0

darunter verarbeitendes Gewerbe

77,7

75,6

75,6

75,5

74,9

73,6

75,7

79,8

83,2

90,0

98,4

113,2

Baugewerbe

440,2

426,3

422,6

419,2

415,2

404,0

398,7

398,9

392,4

395,7

403,5

405,2

371,6

369,8

365,4

357,8

346,4

335,0

323,7

319,3

310,6

305,5

312,8

314,4

Handel, Finanz-, VersiVerkehr, cherungs-, UnGastgewerbe, ternehmensInformation dienstleister, und Kommu- Gründstücksnikation und Wohnungswesen

679,2

681,3

671,7

655,9

643,9

632,4

617,5

610,5

608,9

617,3

610,5

607,0

öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit

Tabelle 2: Erwerbstätige in Berlin (Arbeitsort) 2000 bis 2015 nach Wirtschaftsbereichen, Werte in 1000 Personen (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t

29

1747,3

1774,7

1810,3

1846,3

2012

2013

2014

2015

0,5

0,5

0,5

0,6

Landund Forstwirtschaft, Fischerei

140,1

139,3

138,8

140,4

produzierendes Gewerbe ohne Bau­ gewerbe

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2016, 79

insgesamt

Jahr

120,7

119,9

119,6

120,2

darunter verarbeitendes Gewerbe

81,1

81,3

81,1

80,3

Baugewerbe

492,6

479,3

467,1

455,1

405,7

392,2

384,9

381,1

Handel, Finanz-, VersiVerkehr, cherungs-, UnGastgewerbe, ternehmensInformation dienstleister, und Kommu- Gründstücksnikation und Wohnungswesen

726,3

717,7

702,3

689,8

öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit

30 Berliner Moden

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t

Tabelle 3: Betriebe und Beschäftigte in den Bereichen Herstellung von Textilien und Bekleidung Jahr

Anzahl der Gewerbe / Beschäftigten im … Textilgewerbe

Bekleidungsgewerbe

1990

84 / 4231

175 / 3989

1995

48 / 1357

85 / 2173

2000

47 / 803

65 / 1152

2005

8 / 617

4 / 301

2010

7 / 370

3 / 226

2015

5 / 498

3 / 154

Quelle: Statistisches Landesamt 1991, 1996, 2001, 2006; Amt für Statistik BerlinBrandenburg 2011, 2016

Berlin wies in den 2000er-Jahren, und insbesondere seit 2005, einen positiven Wirtschaftstrend auf (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2015b, 523), da sich besonders die Bruttowertschöpfungsentwicklung im Dienstleistungssektor verbessert hat (vgl. Gornig 2012), obwohl das Niveau der wirtschaftlichen Aktivitäten unterdurchschnittlich blieb. Dieses niedrige Ausgangsniveau führte zu einem der höchsten Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts aller Bundesländer nach 2005 (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2016). Auch die Anzahl der Erwerbstätigen ist in Berlin stärker gestiegen als in Deutschland insgesamt (vgl. Brenke 2010). Selbst von der globalen Wirtschaftskrise 2008 wurde die Berliner Wirtschaft kaum getroffen, da die meisten Unternehmen einen lokalen Markt bedienten und deswegen stärker von lokalen Fluktuationen abhängig waren (vgl. Brenke 2010). Die Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivitäten in Berlin ist von einer dynamischen Unternehmenslandschaft geprägt; es ist ein überdurchschnittlicher Anteil an Neugründungen und Schließungen von Betrieben im Vergleich mit den anderen deutschen Metropolregionen zu erkennen (vgl. Gornig 2012): 36 Prozent der Berliner Betriebe wurden nach 1995 gegründet und gut 47 Prozent wieder geschlossen.6 Diese Dynamik kann einerseits als positives unternehmerisches Potenzial des 6 | Beide prozentualen Werte sind überdurchschnittlich im Vergleich mit anderen deutschen Agglomerationsregionen. Um einen Vergleichswert zu haben: Zwischen 1995 und 2004 betrug die Wachstumsrate für Betriebe 27,2 %, geschlossen wurden dagegen 28,5 % der Betriebe (vgl. Gornig 2012). 2015 wurden in Berlin insgesamt 42.124 Gewerbe angemeldet und 34.557 abgemeldet (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2016, 428).

31

32

Berliner Moden

Standortes verstanden werden, andererseits kann sie aber auch auf unternehmerische Unfähigkeit und strukturelle Marktschwäche hinweisen. Abseits der Beschäftigungseffekte der Hauptstadtfunktion ist ein Wachstum der Berliner Wirtschaft hauptsächlich in drei Sektoren bzw. »islands of economic growth« (Krätke 2011, 162) zu erkennen: dem Tourismus, den forschungs- und wissensintensiven Industriebranchen und der Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Gornig et al. 2012). Die Anzahl an Touristen und Übernachtungen ist in den 2000er-Jahren in Berlin mehr als in anderen deutschen Metropolregionen gewachsen, was sich einem positiven Trend des Stadttourismus verdankt (vgl. Brenke 2010) und in der Steigerung der Erwerbstätigenzahl ab 2004 in der Kategorie »Handel, Gastgewerbe und Verkehr« zum Ausdruck kommt (Tab. 2). Unter den wissensintensiven Branchen spielen die Biotechnologien eine besondere Rolle, da für sie Berlin einer der wichtigsten Standorte in Deutschland ist.7 Eine Tendenz zur räumlichen Konzentration ist sowohl für die wissensintensiven Industrien als auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin zu erkennen, weil mit Ausnahme von spezifischen Clustern (wie Adlershof) die Innenstadt von den Akteuren derselben oder jeweils komplementären Branchen bevorzugt wird (vgl. Krätke 2004; Heebels / Aalst 2010). Trotz der positiven Entwicklung der letzten Jahrzehnte weist Berlin eine schwächere Wirtschaftsleistung als andere deutsche Großstädte auf (niedrigeres Bruttoinlandsprodukt je Einwohner) und hat die höchste Arbeitslosenquote unter deutschen Großstädten (vgl. Brenke 2010; Gornig et al. 2012). Allerdings ist der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosenquote seit 2010 ständig gesunken, von über 13,6 auf 10,7 Prozent 2015 (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2011, 2012b, 2013, 2014, 2015b, 2016). Darüber hinaus weist die Bevölkerung Berlins ein relativ niedriges Durchschnittsalter und eine hohe kulturelle und ethnische Diversität auf. Zwischen 1992 und 2015 war die Altersgruppe der 25bis 45-Jährigen die größte.8 Unter den Einwohnern Berlins sind 160 verschiedene Staatsangehörigkeiten vertreten. Der größere Teil dieser Gruppe stammt aus europäischen Ländern und aus der Mittelmeerregion, dennoch decken die Bewohner Berlins von ihrer Herkunft her alle fünf Kontinente ab (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2012a). Beide Merkmale sind in den Innenstadtbezirken besonders deutlich ausgeprägt, wo sich auch die Aktivitäten des Modedesigns und der Kreativwirtschaft im Allgemeinen konzentrieren: Hier ist die Gruppe mit einem Alter zwischen 18 und 45 Jahren am größten, die Bezirke weisen mithin ein niedriges Durchschnittsalter auf. Auch die kulturelle Vielfalt 7 | Vgl. Rakau 2011; Krätke 2011, 162. Adlershof ist das bedeutendste Ballungsgebiet für Technologie und Wissensindustrie, während sich andere wissensintensive Branchen in Buch und Schöneweide räumlich konzentrieren (vgl. Gornig et al. 2012). 8 | Vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2012a für die Jahre 1992 bis 2012 bzw. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2015a für 2013 bis 2015).

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t

ist höher, hier lebt eine große Anzahl an nichtdeutschen Einwohnern, während in den Außenbezirken überwiegend Deutsche wohnen. Betrachtet man Berlin im Ost-West-Vergleich, so sind die östlichen Bezirke diejenigen mit einem höheren Anteil an Ausländern (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2012a). Abgesehen von den Merkmalen, die mit dem Alter und der Staatsangehörigkeit verbunden sind, ist die Bevölkerung Berlins auch durch stadtinterne Migrationsflüsse in beide Richtungen (Ost und West) gekennzeichnet, d. h., ein großer Teil der Einwohner hat (statistisch betrachtet) den Wohnort gewechselt. In der Tat sind zwischen 1995 und 2015 jedes Jahr zwischen ca. 115.000 und 180.000 neue Einwohner nach Berlin gekommen (sowohl aus Deutschland als auch aus dem Ausland), während in denselben Jahren ca. 105.000 bis 140.000 Einwohner die Stadt verlassen haben (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2017). Ausgehend von einer Einwohnerzahl von 3,5 Millionen Menschen in Berlin und unter der Annahme, dass diejenigen, die ankommen, nicht dieselben sind wie diejenigen, die weggehen, wurde in einem Zeitraum von zehn Jahren ein Drittel der Bevölkerung der Stadt ausgewechselt. Diese hohe Mobilität ist insbesondere in der Gruppe der 20- bis 35-Jährigen zu erkennen; die Fluktuation bei jüngeren Altersgruppen, sowohl bei Deutschen als auch Ausländern, ist in der Stadt am größten (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2012c).

2.2 B edeutung der K ultur - und K re ativ wirtschaf t In Deutschland ist die Kultur- und Kreativwirtschaft zwischen 2009 und 2015 in höherem Maße als die Gesamtwirtschaft gewachsen, mit einer leicht steigenden Tendenz, insbesondere der Anteil der Unternehmen und der Erwerbstätigen an der Gesamtwirtschaft hat sich vergrößert (vgl. BMWi 2012c, 2017). 2,54 Prozent der Umsätze, die im Jahr 2015 in Deutschland erwirtschaftet wurden, sind der Kultur- und Kreativwirtschaft zuzurechnen (vgl. BMWi 2017). 2015 wurde die Zahl der Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland auf fast 1,1 Millionen geschätzt (vgl. BMWi 2017). Wachstumstendenzen der Unternehmen dieses Wirtschaftssektors sind in Berlin sowie auf Bundesebene zu erkennen: In Deutschland ist die Anzahl dieser Unternehmen zwischen 2003 und 2008 von gut 190.000 auf knapp 240.000 und ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft von 6,7 auf 7,4 Prozent gestiegen (vgl. BMWi 2009); zwischen 2009 und 2015 erhöhte sich die Anzahl dieser Unternehmen noch einmal um 10.000 auf über 250.000, ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft ist bei 7,6 Prozent in etwa stabil geblieben (vgl. BMWi 2017).9 9 | Trotz der relativ geringen Anzahl an Unternehmen und Erwerbstätigen sowie der relativ niedrigen Umsätze hat die Kultur- und Kreativwirtschaft politisches und akademisches Interesse geweckt, besonders aufgrund ihrer hohen Wachstumsraten und der

33

34

Berliner Moden

Tabelle 4: Eckdaten zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland zwischen 2009 und 2015 Kultur- und Kreativwirtschaft (Anteil an der Gesamtwirtschaft)

Designwirtschaft

Designwirtschaft: Industrie-, Produkt- und Modedesign

Umsatz (in Mio. Euro) 2009

134.329 (2,74 %)

17.595

237

2010

137.333 (2,62 %)

18.243

327

2011

140.970 (2,48 %)

18.353

419

2012

143.338 (2,49 %)

18.535

475

2013

143.155 (2,48 %)

18.338

544

2014

146.895 (2,50 %)

18.566

599

2015

152.067 (2,54 %)

19.078

625

Anzahl Unternehmen 2009

238.479 (7,61 %)

48.332

1606

2010

239.534 (7,57 %)

50.111

2164

2011

244.299 (7,60 %)

52.439

2586

2012

245.816 (7,56 %)

53.676

2975

2013

246.353 (7,60 %)

54.454

3372

2014

246.967 (7,62 %)

55.624

3590

2015

250.439 (7,69 %)

57.127

3792

2009

952.932 (3,10 %)

125.426

3332

2010

952.520 (3,06 %)

125.878

4247

2011

976.777 (3,07 %)

128.425

4871

2012

1.011.770 (3,11 %)

131.768

5643

2013

1.037.267 (3,16 %)

134.274

6551

Erwerbstätige

2014

1.056.034 (3,16 %)

137.262

7134

2015

1.084.927 (3,19 %)

141.297

7989

Quelle: BMWi 2015, 2017

Wirtschafts- und Imageeffekte für die Stadtregionen, in denen sich die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft konzentrieren (vgl. Scott 2008, 2000; Krätke 2002a, 2011).

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein urbanes Phänomen; die Unternehmen dieser Branche konzentrieren sich in den Städten. Berlin spielt für diese Konzentration innerhalb Deutschlands eine zentrale Rolle. Hier befinden sich ca. 10 Prozent der Beschäftigten der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Brenke 2007; Senat WiTF 2014). 2012 waren in Berlin 28.187 Unternehmen und im Jahr 2013 186.020 Erwerbstätige tätig.10 Bereits zwischen 2000 und 2005 war die Zahl der Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft um 30 Prozent gestiegen, das war eine höhere Steigerungsrate als für die anderen deutschen Großstädte (vgl. Geppert / Mundelius 2007; Senat WiTF 2008). Zwischen 2009 und 2012 betrug der Zuwachs immer noch 14 Prozent (vgl. Senat WiTF 2014, 6). Diese Steigerung ist nicht nur der Attraktivität Berlins als einem kulturellen Zentrum zuzurechnen, sie ergibt sich auch aus der Kleinteiligkeit der Unternehmen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist hier durch viele kleine Betriebe gekennzeichnet; fast die Hälfte der Unternehmen in diesen Branchen besteht aus einzelnen Selbstständigen und freien Mitarbeitern (vgl. Geppert / Mundelius 2007; Mandel 2007), die in Kooperations- und Konkurrenzbeziehungen miteinander verbunden sind. Berlin weist insgesamt eine allgemein starke Zunahme an Selbstständigen auf (vgl. Brenke 2010). Obwohl keine branchenspezifischen Wachstumsraten erhoben wurden, ist anzuerkennen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft zu den wichtigsten Trägern dieses Trends zählt.11 Die Designbranche ist eine Branche, die das Standortprofil Berlins innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft prägt. In der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickeln die Städte, nicht zuletzt aufgrund der großen Vielfalt der betrachteten Branchen, spezifische Branchenprofile. Diese sind häufig in der räumlichen Konzentration spezifischer Teilsektoren in einer Stadt erkennbar. Auf Bundesebene steht die Designbranche unter den anderen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft an erster Stelle, was die Anzahl der Unternehmen betrifft, an vierter Stelle bei den Erwerbstätigen und den Umsätzen.12 Die 10 | Vgl. Senat WiTF 2014. Dieser Bericht mit Stand 2014 ist der aktuellste. Die Daten über Unternehmen sind in dieser Studie aus dem Jahr 2012 und die Daten über Erwerbstätige von 2013, daher dienen diese Daten hauptsächlich dafür, ein Verständnis von der Größe der Kultur- und Kreativwirtschaft in Bezug auf die Bundesebene zu vermitteln. 11 | 1997 hat Berlin eine Landesinitiative, das Projekt Zukunft, zur Förderung relevanter Wirtschaftssektoren (Informations- und Kommunikationstechnik, Medien und Kreativwirtschaft) gestartet. Ziel dieser Initiative ist einerseits, das Land Berlin als eine Plattform zu gestalten, die private und öffentliche Akteure zusammenbringt. Andererseits soll diese Plattform dazu verwendet werden, das Image Berlins als attraktiver Standort für wissensbasierte Unternehmen und Kreativunternehmen aufzubauen. 12 | Vgl. BMWi 2017. In den Berichten des Berliner Senats zur Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Senat WiTF 2008, 2014) werden zwar Daten über Unternehmensanzahl,

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Designbranche weist zwischen 2002 und 2014 den höchsten Anteil an Unternehmensgründungen unter den Teilmärkten der Kreativwirtschaft auf (vgl. BMWi 2015), während zwischen 2014 und 2016 die Branche Software- / Gamesindustrie deutlich an erster Stelle und die Designwirtschaft an dritter Stelle steht (vgl. BMWi 2017). In Berlin ist die Designbranche innerhalb der lokalen Kultur- und Kreativwirtschaft seit dem Jahr 2000 deutlich gewachsen; auch im Vergleich mit anderen Großstadtregionen Deutschlands zeigt sie eine überdurchschnittliche Wachstumsrate, genauso wie die gesamte Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Geppert / Mundelius 2007; Gornig et al. 2012). Eine zentrale Rolle inneralb der Designbranche spielt das Modedesign. Es hatte in Berlin zwischen 2000 und 2007 die höchste Wachstumsrate bei der Erwerbstätigenanzahl.13 Die Zahl der Modeunternehmen ist in Berlin um das Jahr 2010 stark gestiegen, aber der Zuwachs in dieser Branche setzte sich auch in den darauffolgenden Jahren fort (vgl. Senat WiTF 2005, 2008, 2014), sodass Berlin mittlerweile die Stadt mit der höchsten Dichte an Modeunternehmen in Deutschland ist.14 Das Image Berlins als Modestadt ist nicht nur durch die vielen Designer geprägt, die in der Stadt ihr Atelier haben, sondern auch durch Veranstaltungen wie die Fashion Week15 und die StudienabschlussmöglichkeiUmsatz und Zahl der Erwerbstätigen bekannt gegeben, aber aufgrund der unterschiedlichen Kategorisierung und der betrachteten Jahrgänge ist ein Vergleich mit den Daten des BMWi (vgl. 2015, 2017) nicht möglich. Im Berliner Senatsbericht (vgl. Senat WiTF 2008) werden unter Designwirtschaft die folgenden statistischen Wirtschaftszweige verstanden: Herstellung von Bekleidung und Schuhen; Herstellung von Haushaltswaren und Ziergegenständen aus Porzellan usw.; Herstellung von Schmuck aus Edelmetallen; Herstellung von Gold- und Silberschmiedewaren; Ateliers für Textil-, Schmuck- und Möbeldesign; Versandhandel mit Bekleidung; Büros für Industriedesign. Im nächsten Berliner Senatsbericht über die Kreativwirtschaft (vgl. Senat WiTF 2014) sind hingegen die Wirtschaftszweige zum Teil verändert worden: Ateliers für Textil-, Schmuck-, Grafikdesign usw.; Herstellung von Bekleidung; Herstellung von Schuhen; Herstellung von Holzwaren und Keramik; Herstellung von Schmiedewaren (Gold / S ilber usw.); Werbeagenturen; Versand- und Internet-Einzelhandel mit Bekleidung. 13 | Vgl. Gornig et al. 2012. Die von den Autoren identifizierte Kategorie ist das Textilund Möbeldesign, während in den letzten Jahren und nach 2010 die schnellwachsende Branche der Kreativwirtschaft in Berlin, genauso wie in Deutschland, eher die Softwareund Gamesbranche ist (vgl. Senat WiTF 2014). 14 | Die Daten über die Modeunternehmen in Berlin variieren, weitgefasst können darunter ca. 3670 Unternehmen genannt werden. Unabhängig davon ist Berlin die Stadt in Deutschland mit der höchsten Anzahl an Akteuren in der Modebranche (vgl. Berlin Partner 2013). 15 | Die Mercedes Benz Fashion Week ist ein Event, das in Berlin seit 2007 zweimal im Jahr stattfindet.

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ten im Bereich Modedesign.16 Alles in allem signalisiert dies eine zentrale Stellung Berlins für die Mode in Deutschland. Zugleich zeigt sich eine enge Verbindung der jüngeren Entwicklung mit der lokalen Geschichte der Branche. Berlin war schon einmal eine wichtige europäische Modestadt, nämlich zwischen der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als hier die Bekleidungskonfektionen international eine führende Rolle einnahmen.

2.2.1 Berlin als Standort der Modeproduktion, eine lange Tradition Zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den 1920er-Jahren war Berlin eines der wichtigsten Zentren der Bekleidungsindustrie weltweit. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde, im Zuge der Expansion der Textil- und Bekleidungsbranche, die Konfektion als neues Produktionssystem für Bekleidung eingeführt. Statt aufgrund von Bestellungen nach Maß zu produzieren, wie es bis dahin üblich war, wurde es für effizienter gehalten, vorab verschiedene Modelle in verschiedenen Größen herzustellen, ohne jeweils eine besondere Bestellung dafür zu haben. Die Beziehung zwischen Bekleidungsproduzenten und Kunden wurde damit von einer Nachfrageorientierung in eine neue Angebotsorientierung umgeleitet. Dies bildete die Grundlage für die Entwicklung der industriellen Serienproduktion in der Modebranche. Aufgrund wachsender Exporte sowohl ins europäische Ausland als auch nach Nord- und Südamerika gewann die Konfektionsherstellung zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1920er-Jahren rasch auch an internationaler Bedeutung (vgl. Westphal 1992, 70). Kleinunternehmen spielten in dieser Branche eine zentrale Rolle: 1907 wurden unter der Rubrik »Schneiderei und Kleiderkonfektion« in Deutschland 320.235 registrierte Betriebe mit 600.128 Beschäftigten gezählt. 96,8 Prozent dieser Unternehmen arbeiteten entweder als Ein-Mann-Betriebe oder als Kleinbetriebe mit maximal fünf Personen (vgl. Westphal 1992, 66 f.). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts fand in Berlin die sogenannte Berliner Durchreise statt, eine Modemesse, die für die Vereinbarung von Verkaufs- und Orderterminen von Stoffen der Berliner Konfektionäre wichtig war (vgl. Geisler 1993, 18). In den 1920er-Jahren waren in Berlin mehr als 90 Prozent der Konfektionsunternehmen Deutschlands tätig. Zu dieser Zeit war Berlin das wich16 | In Berlin gibt es derzeit 13 Einrichtungen (Universitäten, Hochschulen und Ausbildungsstätten) mit modebezogenen Studiengängen und Ausbildungen: Universität der Künste, Kunsthochschule Weißensee, Hochschule für Technik und Wirtschaft, ESMOD Internationale Kunsthochschule für Mode, Lette Verein, BEST-Sabel-Bildungszentrum, MDH Mediadesign Hochschule, AMD Akademie Mode & Design, EBC Hochschule, OSZ Oberstufenzentrum Textiltechnik und Bekleidung, Business School Berlin Potsdam, EMBA Europäische Medien- und Business Akademie, BBW Hochschule Berlin.

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tigste Zentrum der Bekleidungsproduktion der Welt (vgl. Verband der Berliner Bekleidungsindustrie 1987; Geisler 1993). In den 1930er-Jahren schrumpfte diese Branche drastisch, da fast die Hälfte der Eigentümer Juden waren. Vor allem aufgrund rassistischer Gesetze und steigender Emigrationszahlen kam es zu vielen Schließungen oder Umstellungen von Unternehmen (vgl. Westphal 1992). Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen zahlreiche der verbliebenen Unternehmen Berlin in Richtung Westdeutschland, insbesondere nach Düsseldorf. Viele derjenigen, die blieben, ließen sich in der Nähe des Bahnhofs Zoologischer Garten und der Gedächtniskirche nieder. Zwischen den 1950er- und 1960er-Jahren wuchs die industrielle Aktivität in diesem Bereich in Berlin wieder. Die Zahl der Berliner Beschäftigten in der Konfektionsbranche erreichte ca. 60.000 (vgl. Geisler 1993, 22). Dennoch verlor Berlin mit dem Mauerbau 1961 und der Eröffnung einer weiteren Modemesse in München – zusätzlich zu derjenigen in Düsseldorf – auf Bundesebene an Bedeutung. Viele Unternehmen zogen in westdeutsche Städte, mit dem Effekt, dass die Zahl der Arbeitskräfte danach abnahm (vgl. Geisler 1993, 24). In Westberlin wurde zwischen 1969 und 1982 die Modemesse Interchic in den Messehallen am Funkturm organisiert. Sie versuchte, ein moderneres Format als die Durchreise anzubieten, aber dieser Versuch scheiterte schnell aus unbekannten Gründen (vgl. Geisler 1993, 24 ff.). Obwohl die Abnahme der Arbeitsplätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht mit dem Mauerfall endete und die Bedeutung Berlins als Konfektionsort sich auch bis in die 1990er-Jahre hinein weiter verringerte, gab es auch Gegentendenzen. Zum einen nahmen in den 1980er-Jahren vermehrt avantgardistische Modedesigner ihre Arbeit auf. Zum anderen wurde die Mode-Messe-Gesellschaft gegründet, um das Image der Stadt als kreativer Modestandort in Deutschland zu entwickeln (vgl. Verband der Berliner Bekleidungsindustrie 1987; Geisler 1993). Eine weitere Bedeutungszunahme erfolgte seit dem Jahr 2000; die Modebranche übernahm nicht nur eine wichtige Rolle für die Kreativwirtschaft in der Stadt Berlin, sondern auch für die deutsche Modebranche insgesamt (vgl. Berlin Partner 2013; BMWi 2009).

2.2.2 Der Berliner Modesektor: quantitative Daten zur Branche Berlin ist in Deutschland die Stadt mit den meisten Modeläden und Boutiquen und den größten Modemessen. Außerdem ist Berlin ein stark wachsender Modeproduktionsstandort, deshalb gilt Berlin auch als wichtigste Modestadt Deutschlands (vgl. IBB 2011, 2). Obwohl zur Modebranche in Berlin nur einige Publikationen des Senats im Rahmen der Kreativwirtschaft zu finden sind (s. Senat WiTF 2009, 2010, 2011; Berlin Partner 2013), können trotzdem einige Merkmale dieser Branche in Berlin genannt werden: Die Berliner Modebranche ist durch viele junge kleine und mittlere Unternehmen gekennzeichnet, diese

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Designerlabel haben nur wenige Mitarbeiter und meistens weisen sie auch nur niedrige Umsätze auf. Die Vermarktung der Produkte ist aber vielfältig und kann von der lokalen Ebene bis hin zur internationalen bzw. globalen Ebene reichen. Darüber hinaus finden Designer in Berlin ein passendes Arbeitsumfeld, vor allem aufgrund der Institutionen und Events, die in Berlin angesiedelt sind. Dazu gehören hauptsächlich Intermediäre und flankierende Ausbildungseinrichtungen wie die Berliner Modehochschule, aber auch die Modemessen, die es auf der einen Seite Labels, Einkäufern und Presse ermöglichen, sich zu treffen, die aber auch die Entstehung bzw. Konsolidierung von professionellen Netzwerken ermöglichen. Auf der anderen Seite stärken Modemessen die soziale Konstruktion und Anerkennung der Modedesigner, da die Figur des Modedesigners und die entsprechenden Designprodukte nicht aufgrund objektiver Kriterien von der Bekleidungsindustrie getrennt werden können. Wie viele Modedesigner oder Modedesignunternehmen sind in Berlin tätig? Zu dieser einfach anmutenden Frage kann dennoch keine direkte und eindeutige Antwort gegeben werden. Die genaue Zahl der Modedesignunternehmen ist wegen des Mangels an quantitativen Daten und der Abwesenheit genauerer Kategorien in den offiziellen Statistiken nicht berechenbar (vgl. Creigh-Tyte 2005). Ein weiterer Aspekt, der eine Untersuchung der Unternehmen in der Modebranche erschwert, ist ihre allgemeine Inhomogenität hinsichtlich ihrer Größe, der Marktsegmente und der Umsätze; ferner der schnelle Wechsel der beteiligten Akteure, die unterschiedlichen Produktionsorganisationen sowie die durchlässigen Grenzen zwischen Designermode und Bekleidungsindustrie (vgl. Crewe / Davenport 1992). Genauere Daten über die Modebranche in Berlin17 sind in der Studie der IBB (vgl. 2011) über die Mode als Wirtschaftsfaktor für Berlin und in der Broschüre für den Berliner Modestandort (vgl. Berlin Partner 2013) verfügbar. Die IBB ordnet die folgenden Sektoren der Modewirtschaft zu: Einzelhandel mit Bekleidung, Einzelhandel mit Schuhen und Lederwaren, Versandhandel mit Bekleidung, Ateliers für Textil, Schmuck, Möbel und Design, Herstellung von Bekleidung, Lederbekleidung und Schuhen. In dieser Definition werden mehrere Produktions- und Wertschöpfungsakteure des Modedesignsektors berücksichtigt, aber die Designer und die Modelabels können wegen fehlender detaillierterer Daten nicht quantitativ ermittelt werden. Eine offizielle Liste der Modedesigner bzw. der Modelabels wird weder von der Berliner IHK noch vom Senat oder von anderen Institutionen bereitgestellt, 17 | In sonstigen Studien über die Kultur- und Kreativwirtschaft in den amtlichen Branchenstatistiken ist die Modebranche immer mit anderen Branchen gekoppelt, z. B. »Herstellung von Bekleidung und Schuhen« und »Ateliers für Textil-, Schmuck- und Möbeldesign« (vgl. Senat WiTF 2008) oder »Industrie-, Produkt- und Modedesign« (vgl. BMWi 2012c; Statistisches Bundesamt 2008).

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sodass keine sichere Aussage über die genaue Anzahl dieser Akteure gemacht werden kann. Dazu sind die statistischen Daten nicht differenziert genug; ihre Verteilung auf Labels und Unternehmen wird nicht erkennbar. Auch Ateliers werden in einer einzelnen Kategorie (Textil, Schmuck, Möbel und Design) zusammengefasst (vgl. Senat WiTF 2008, 2014), d. h., auch die genaue Anzahl der Modedesignateliers in Berlin (diese würde nicht mit der Zahl der Designer übereinstimmen) ist nicht zu ermitteln. Der größte Teil der Akteure der Modedesignbranche konzentriert sich in der Innenstadt. Diese Bezirke weisen, wie schon erwähnt, hohe Anteile an jungen Einwohnern (18 bis 45 Jahre) und viele Menschen mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten auf. In diesen Stadtteilen konzentrieren sich auch die Unternehmen und Organisationen der Berliner Kreativen im Allgemeinen (vgl. Senat WiTF 2008, 2014). Die räumliche Verteilung ihrer Unternehmen kann darüber hinaus auch marketingstrategische Ursachen haben. Beispielsweise werden die Innenstadtbezirke stärker als die Randbezirke von Touristen besucht, weshalb Designerprodukte hier auch ein nicht lokal ansässiges Publikum erreichen (vgl. IBB 2011). Ein weiterer Faktor für die räumliche Konzentration der Akteure in Berlin hat einen mittelbaren Einfluss: die Lebenshaltungskosten, die im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten und deutschen Großstädten in den letzten Jahrzehnten relativ gering gewesen sind (vgl. Manske / Merkel 2008; Heebels / Aalst 2010; Fasche / Mundelius, 2008; Krätke / Borst 2000, Kap. 5). Dieser Zustand hat sich im letzten Jahrzent dadurch rasch verändert, dass der Zugang zu günstigen Wohnungen und die Verfügbarkeit freier Räume (für private Zwecke und als Atelier) knapper geworden ist (vgl. Aalbers 2016; Fields / Uffer 2014; Hesse / Preekwinkel 2009; Holm 2013; Uffer 2009). Diese Tendenz wird sich wahrscheinlich in den kommenden Jahren verschärfen. Obwohl sich die Lebenshaltungskosten seitdem zuungunsten der niedrigen Einkommen entwickelt haben (vgl. Caspari 2015; o. A. 2014), hat sich, zumindest bis zuletzt, die Wahrnehmung vieler Akteure gehalten, dass es, wenngleich immer schwieriger, immer noch möglich ist, relativ günstige Räume zu finden (vgl. House of Research 2015).

2.3 M ode , M odedesign , M odedesigner : die G renzen einer D efinition 2.3.1 Mode und Modedesign Das Modedesign ist, wie die anderen Branchen der Kreativwirtschaft, von kreativen und industriellen (nichtkreativen) Phasen im Produktions- und Wertschöpfungsprozess geprägt. Als Sektor kann das Modedesign sowohl als Teil

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der Kreativwirtschaft betrachtet werden als auch als Teil der Textil- und Bekleidungsindustrie (vgl. Scott 1996; Dicken 2011; McRobbie 2002; Wenting 2008). Bei der einen oder anderen Zuordnung des Modedesigns ist die Rolle, die den Modedesignern zuerkannt wird, entscheidend, da sie als kreative Akteure eine zentralere Positionierug in der Betrachtung der Branche und ihre Produktionsprozesse haben. Unter den Studien über die Modebranche sind wirtschaftsgeografische Beiträge kaum zu finden, wohingegen sich andere Sozialwissenschaften  – wie Wirtschaftssoziologie, Medienwissenschaften oder Managementwissenschaften – durchaus damit auseinandergesetzt haben.18 Der Begriff Modedesign ist abstrakt, schwer abzugrenzen und nicht eindeutig, sodass auch eine Operationalisierung kontextabhängig ist und aus einer Beschäftigung mit der empirischen Realität hergeleitet werden muss. Die wichtigsten Fragen sind die folgenden: Welches sind die kennzeichnenden Merkmale des Modedesigns und welche Unterschiede gibt es zwischen einem Designprodukt und einem Produkt der Bekleidungsindustrie? Die Antwort ist an eine voraussetzende und eine folgende Frage geknüpft. Zuerst muss man klarstellen, was man unter »Mode« versteht, dann kann die Rede von »Modedesign« sein; erst im Anschluss kann man danach fragen, was ein Modedesigner macht. Aus diesem Grund werden zuerst die Begriffe Mode und Modedesign zu klären versucht und dann Modedesigner. Mode und Modedesign sind zwei breite Begriffe, die sowohl in der Alltagssprache als auch in der akademischen Diskussion vielfältige Facetten zeigen, von historischen bis zu ästhetischen, von soziologischen bis zu wirtschaftlichen. Das präzise Verständnis dieser Perspektiven und deren Beziehungen miteinander sind sehr komplex und gingen über die Ziele dieser Arbeit hinaus. Daher soll diese Komplexität hier nur angesprochen werden. »Mode« kann nur in einer relationalen Perspektive der sozialen Kontexte gefasst werden. Wie schon Simmel beobachtet hatte, bezieht sich Mode grundsätzlich auf sozialen Wandel: »Fashion is the imitation of a given example and satisfies the demand for social adaption; it leads the individual upon the road which all travel, it furnishes a general condi18 | Studien, die die Produktion in der Modewirtschaft thematisieren, konzentrieren sich oft auf spezifische Teile der Produktionsstruktur, beispielsweise Veröffentlichungen über die Schneider im Berliner Bezirk Neukölln (vgl. INPOLIS UCE 2010), über Models und Einkäufer (vgl. Entwistle 2009), über die Produktionsfirmen und Modemärkte (vgl. Aspers 2010; Uzzi 1997), über die Entwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland (vgl. Schüßler 2008), die globale Distribution der Produktion in der Bekleidungsindustrie (vgl. Dicken 2011, Kap. 10) oder die Cluster der Modeunternehmen (vgl. Crewe 1996; Scott 1996; D’Ovidio 2010) und Modeverkaufspunkte (vgl. Moore /  F ernie 1998).

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Berliner Moden tion, which resolves the conduct of every individual into a mere example. At the same time it satisfies in no less degree the need of differentiation, the tendency towards dissimilarity, the desire for change and contrast, on the one hand by a constant change of contents.« (Simmel 1904, 133)

Daher kann das Phänomen Mode nur zu einem spezifischen historisch-geografischen Kontext gehören, der soziale Mobilität erlaubt (vgl. Kawamura 2005). Dieser soziale Kontext und seine interne Mobilität setzen Macht- und Zugehörigkeitsbeziehungen unter den Personenvoraus, genauso eine Reflexion über den Körper und die Symbolik der Bekleidung, sodass »the history of fashion is a story of codification of visual appearance as a measure of ranks and power. Historically it has been expressed in ways that secures a hegemonic reading of fashion signification as follows: controlling what one can wear, […] controlling the gaze.« (Tseelon 2012, 3) Die Bedeutung und die Symbolik der Bekleidung ist daher sozial konstruiert und ergibt sich aus einer konstanten Interaktion zwischen einzelnen Individuen und die Gesellschaft, d. h., Mode, die individuelle und kollektive Identitäten genauso hervorbringt wie die damit verbundenen Machtstrukturen, kann nicht ohne Selbstinszenierungen stattfinden (vgl. Lehnert 2013, 36). Diese muss eine gewisse Balance zwischen Zugehörigkeit und Individualität wahren: »[D]enn Mode wird nur das, was viele tragen, aber wenn zu viele das gleiche auf gleiche Weise tragen, ist Uniformität das Ergebnis. Die Mode als modernes Phänomen bedarf aber zumindest der Illusion von Individualität, um zu funktionieren.« (Lehnert 2013, 28) Mode ist daher der Ausdruck persönlicher Bestrebungen nach Individualität und Zugehörigkeit (vgl. Fletcher / Grose 2012, 138). Neben den materiellen sind immaterielle und diskursive Elemente ebenso ein wesentlicher Teil der Mode, und aus der Kombination dieser beiden Ebenene entsteht das Neue in der Mode (vgl. Lehnert 2013, 21). In diesem Sinne ist Mode etwas mehr als die reine sichtbare Bekleidung, sondern entwickelt sich aus dem Zusammenhang der immateriellen Elemente, die darin eingegliedert sind (vgl. Kawamura 2005). Modeprodukte sind dann kulturelle Waren, die von immateriellen Komponenten gekennzeichnet sind und die spezifische Inhalte und identitäre Elemente kommunizieren (vgl. Bertola 2008, 32), denn: »[O] hne diese ›Aufladung‹ [von ästhetischen und symbolischen Werten; M.C.] gäbe es keine Mode, sondern nur Kleidung.« (Lehnert 2013, 43) Mode kann auch als eine kreative wirtschafts- und marktorientierte Branche betrachtet werden und dann wird Mode »[e]ngaged in the creation of marketable outputs whose competitive qualities depend on the fact that they function at least in part as personal ornaments, modes of social display, forms of entertainment and distraction, or sources of information and self-aware-

2 Fallstudie zur Berliner Kultur- und Kreativwir tschaf t ness, i. e. as artefacts whose symbolic value to the consumer is high relative to their practical purposes.« (Scott 2000, 3)

Auch in diesem Fall aber kommt die Komplexität und die gesellschaftliche Verankerung dieser Branche zum Vorschein, in der ökonomische und kulturellsymbolische Elemente nicht voneinander getrennt werden können. Mode ist daher das Ergebnis der Interaktion verschiedener Prozesse, der materiellen genauso wie der immateriellen Elemente, die ein kontextbedingtes akzeptiertes Verständnis benötigen: »Mode besteht nicht aus Kleidern und Accessoires, vielmehr sind diese nur ein materielles Angebot, das in Folge von komplexen Zuschreibungen, von Akzeptanz sowie Inszenierungen durch Einzelne und Gruppen kurzfristig zu Mode wird. Mode ist als Ergebnis des Zusammenspiels von Materialität, Design, Diskursen und Handlungen zu verstehen. Sie konstituiert sich in einem Prozess, in den Kleider, Körper, Wahrnehmung, ökonomische wie ästhetische Aktivität und Bedeutungszuweisungen verwickelt sind.« (Lehnert 2013, 15)19

Aus diesem Grund kann nur Mode sein, was als solche anerkannt und legitimiert wird. Dies ist die Rolle nicht nur der sozialen Kontexte, sondern auch der Institutionen der Mode, und es gilt unter anderem ebenso für das, was unter Modedesign verstanden, präsentiert und anerkannt wird (vgl. Kawamura 2005, D’Ovidio 2015). Eine allgemeine Definition des Begriffs Modedesign ist schwer zu formulieren (vgl. Creigh-Tyte 2005; Entwistle 2009). Modedesign kann aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Auf einer Seite ist das Design ein wesentlicher Teil des Produktionsprozesses, der eine relevante Rolle in der Wertschöpfung hat. Design ist dann die Fähigkeit, »not only in preparing samples and prototypes, but also in translating concepts into varieties of finished designs« (Tewari 2006, 2336), und stellt eine Quelle des komparativen Wettbewerbsvorteils eines Unternehmens dar (vgl. Tewari 2006). Das (Mode-)Design tendiert dazu, sich in den Wertschöpfungsprozessen mehr auf die immateriellen Komponenten des Produktes zu konzentrieren: »The perception of ›value‹ 19 | Eine weitere Definiton, die diese verwickelte Komplexität und Interaktionsebene thematisiert, wird von Moura (vgl. 2008, 37) vorgeschlagen: »[F]ashion is an important area of production and expression of contemporary culture. It features both reflections and references of society and the everyday habits and customs. The fashion dynamic allows to reflect, create, participate, interact, spread these habits. Therefore, the fashion development and expression occur from the interrelations between the creation, culture and technology as well as the historical, socio-political and economic aspects.« (Lago /  M oura 2016).

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in design and design practice is shifting from the tangible to the intangible; while form may follow function, the product’s ability to deliver emotional value to the user must become an increasing focus for designers if they are to attract and sustain consumer loyalty.« (Faerm 2017, 11) Auf der anderen Seite ermöglicht Design die Zuschreibung symbolischer und ästhetischer Werte (vgl. Lehnert 2013, 96), genauso, wie es persönliche und soziale Bedürfnisse erfüllt (vgl. Fletcher / Grose 2012). In diesem Sinne ermöglicht Desing laut Bonsiepe (2011, 230) »new experiences in everyday life in a society – experiences in the use of products, signs, services, including aesthetic experiences, that in turn depend on a socio-cultural dynamics.« Das Modedesign ist dann die Produktionsphase bzw. die Tätigkeit, die die Zuschreibung immaterieller bzw. kultureller Symbole und Werte ermöglicht, wodurch diese sich in der Wertschöpfung widerspiegeln. Darüber hinaus sind Modedesigner gemäß den ökonomischen Branchendefinitionen in der Produktionspraxis zentrale Akteure der Mode, mithin muss sich eine tragfähige sozialwissenschaftliche Definition des Modedesigns besonders mit der Figur des Modedesigners auseinandersetzen.

2.3.2 Modedesigner, eine Arbeitsdefinition Als Modedesigner kann, laut McRobbie, identifiziert werden, wer einen Designhochschulabschluss erworben hat und bei einem Modelabel für die symbolischen Inhalte verantwortlich ist (vgl. McRobbie 1998, 4). Mit dieser Definition werden alle diejenigen nicht als Designer behandelt, die diese Tätigkeit als Autodidakten, aufgrund eigener Erfahrungen und Ideen oder ohne formalen Bildungsabschluss erlernt haben.20 McRobbie definiert das Aktivitätsfeld des Designers als »the application of creative thought to the conceptualisation and execution of items of clothing so that they can be said to display a formal and distinctive aesthetic coherence which takes presence over function, and which is recognised as such by those whose expertise allows them to categorise and evaluate work according to criteria established as part of a professional repertoire of meaning and judgement« (McRobbie 1998, 14).

Ausgehend von einem ausgeprägten Verständnis der eigenen Arbeit als künstlerische Tätigkeit wird der Designer als kreativer Entwickler im Modesektor verstanden. Neben der künstlerischen müssen auch technische bzw. praktische Fähigkeiten entwickelt werden, um die eigenen Ideen umsetzen zu können (vgl. McRobbie 1998, 45). Darüber hinaus sind unternehmerische Kompe20 | Dies würde z. B. Coco Chanel und Rei Kawakubo ausschließen, die keine modespezifische Ausbildung erworben haben (vgl. Kawamura 2005, Kap. 3.3).

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tenzen relevant, besonderes im Fall kleinerer Modelabel, in denen der Designer nicht nur rein kreative Aufgaben übernimmt. Die Tätigkeiten des Designers können aufgrund ihrer Vielfalt und der Vielfalt der Elemente, die in der Definition des Modedesigns zusammenfließen, nicht unter einem gewissen Abstraktionsgrad beschrieben werden. Designer können auf sehr unterschiedliche Art und Weise arbeiten. Daher ist das einzige wesentliche Element der Arbeit des Modedesigners eine konzeptionelle symbolische Aktivität, die zur Produktentwicklung und zur entsprechenden Zuschreibung von Symbolen und Werten führt, sodass »designers must shift the focus from creating mere artifact (the ›what‹ of design) to developing highly complex narratives and design processes (the ›how‹ of design) that will create new forms of perceived – and emotional – value.« (Faerm 2017, 208). Dies schließt sich an die breite Definition für Designer an, die von Paola Bertola (vgl. 2008, 22) erarbeitet wurde, in der der Designer Produktsysteme, die sich in ihren kulturellen Inhalten erneuern, neu interpretiert und weiterentwickelt. Die Tätigkeit des Designers ist dann in der ersten Linie konzeptionell und nur in einem darauffolgenden Schritt, eventuell, eine materielle Aktivität. Eine Definition, die auf den konkreten Tätigkeiten des Designers basiert, ist deshalb vage, weil jeder auf seine eigene Art und Weise arbeitet, sodass es Designer gibt, die z. B. ihre Entwürfe selbst nähen, während andere sogar die Skizzen von anderen zeichnen lassen (vgl. Kawamura 2005). Es gibt aber auch Schwierigkeiten mit einer Definition, die bei dem Produkt als dem Ergebnis der Designerarbeit ansetzt (vgl. Bertola 2008). Die Bezeichnung Designerkleidung ist nicht so deutlich, wie sie zunächst klingt, was auch bei den Definitionen von Mode und Modedesign erkannt wurde. Auf der einen Seite sind die Arbeit und der Name der Designer Merkmale für eine hohe Qualität der Textilien, der Verarbeitung und die verbundenen symbolischen Elemente (die maßgeblich zu der Wertschöpfung des Endproduktes beitragen). Auf der anderen Seite hat das Wort Designer keinen direkten und eindeutigen Sinn, der auf konkrete Merkmale zurückgeführt werden kann (vgl. Entwistle 2009, 85), sodass man ein Designerstück oft nur als solches erkennen kann, wenn es einem (explizit oder implizit) als solches präsentiert wird. Darüber hinaus muss der Designer auch als solcher in spezifischen sozialen und professionellen Kontexten anerkannt werden, sodass Modedesigner als ein Status bzw. Zustand aufgefasst werden kann, der sozial konstruiert und institutionell bekräftigt wird (vgl. Kawamura 2005). Auf bauend auf den Arbeiten von Kawamura (vgl. 2005) und Lehnert (vgl. 2013), werden in der vorliegenden Schrift als Modedesigner diejenigen Personen definiert, die als solche anerkannt werden (wollen) und die – unabhängig von ihrer Ausbildung und ihrer Rolle innerhalb eines Labels – im Modelabel für die symbolische Schöpfung, konzeptionelle Planung und die immaterielle Zuschreibung von Werten verantwortlich sind, genauso wie eventuell auch

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für die materielle Herstellung von Kleidungsstücken, die noch nicht auf dem Markt sind.21

21 | Die Tätigkeiten der Modedesigner, obwohl nicht einfach zu definieren, haben eine symbolische Wirkung auf den urbanen Raum, in dem sie angesiedelt sind, und nicht nur auf ihre Produkte. Neben der Marktpositionierung durch den Beitrag des Designers (vgl. Aspers 2010; Entwistle 2009) wurde auch thematisiert, dass die Designermode und die Events, die damit verbunden sind, nicht nur die Beteiligten dieser Branche beeinflussen, sondern sie erzielen auch Image- und Wirtschaftseffekte für den Ort, wo sie angesiedelt sind (vgl. IBB 2011; Schepers 2011; Senat WiTF 2009; McRobbie 1998, 69). Das kann für einen einzelnen Designer (z. B. Armani für Mailand), für eine weitverbreitete Designerszene (z. B. London) oder für Events (z. B. Fashion Week oder Settimana della Moda) gelten, sodass die Modeunternehmen und -events auch wirtschaftliche Effekte in benachbarten Branchen antreiben können.

TEIL II: Theorie

Die ökonomischen und sozialen Komponenten der Produktion in der Kreativwirtschaft sind in bestimmte territoriale Kontexte eingebettet und können branchenspezifische Konfigurationen entwickeln, die wiederum auch die Produktionsformen beeinflussen. In diesem zweiten Teil werden, vom Allgemeinen ausgehend immer spezifischer werdend, die theoretischen Begriffe und Auseinandersetzungen bezüglich der Produktionsformen der Modedesignbranche und deren Raumkonstrukte präsentiert, insbesondere in Verbindung mit den urbanen Ökonomien. Zuerst wird die räumliche Komponente thematisiert, mit den verschiedenen Raumkonstrukten, die für die Analyse der Produktionsformen in der Modedesignbranche von Bedeutung sind. Dann wird der Fokus auf die kreativen Ökonomien, in der Stadt und im urbanen Raum, gelegt. In einem weiteren Kapitel wird über die Produktionsstrukturen reflektiert, um daraus einen theoretischen Begriff für die Analyse der Modedesignbranche zu bilden. Die folgenden zwei Kapitel legen den theoretischen Grundstock dieser Arbeit, während im Kapitel 5 die Methoden der empirischen Untersuchung dargestellt werden.

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Räumliche Konzentrationen, Raum­ konstrukte in der Produktionsorganisation der Kultur- und Kreativwirtschaft und das kreative Feld der Stadt

3.1 R äumliche K onzentr ation , R aumkonstrukte und N e t z werke Räumliche Konzentrationen ökonomischer Akteure1 bezeichnen räumlich konzentrierte ökonomische und soziale Interaktionen, die einen strategischen Vorteil für diese Akteure und für den Konzentrationsort generieren können. Diese Art der Konzentration stellt geeignete räumliche Organisationsformen für zwei unterschiedliche Wirtschaftstypen dar: Lokalisations- und Urbanisationsökonomien (vgl. Krätke 2011, 93 ff.). Lokalisationsökonomien beinhalten Externalitäten, die von den Unternehmen einer Branche der räumlichen Konzentration generiert werden und die die Entwicklung neuer sowie die Etablierung alter Beziehungen fördern. Außerdem vereinfachen diese Ökonomien die Beobachtung von Konkurrenten, schaffen einen spezialisierten Arbeitsmarkt und stimulieren Innovationsprozesse (vgl. Krätke 2011, 93). In Urbanisationsökonomien werden dagegen positive Externalitäten durch die Diversifizierung der Wirtschaftsbranchen einer urbanen Region generiert. Urbanisationsökonomien ermöglichen einen Zugang zu vielfältigen Impulsen und Anreizen, die nicht nur innerhalb einer Branche bemerkbar sind, sondern auch Synergien zwischen mehreren Branchen ermöglichen, sodass ein günstiges Umfeld bzw. Milieu für die Produktion und soziale Interaktion geschaffen wird. Darüber hinaus werden Urbanisationsökonomien von weiteren Kontextelementen beeinflusst, wie der Beschaffenheit des lokalen urbanen Arbeitsmarktes und der Organisation und Typologie der lokalen Industriestruktur (vgl. Krätke 2011, 93).

1 | Der Begriff der räumlichen Konzentration ökonomischer Akteure hat seine theoretischen Grundlagen in der Arbeit Alfred Webers (vgl. 1909).

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So stellen diese beiden Wirtschaftstypen der räumlichen Konzentration (Lokalisations- und Urbanisationsökonomien) sowohl Beziehungen zwischen Akteuren einer Branche als auch zwischen verschiedenen Sektoren dar, die in einem regionalen (und oft urbanen) Raum stattfinden. Diese Interaktionen zwischen räumlich nahen Akteuren ermöglichen die Entstehung von Innovationen und darauf basierende Wettbewerbsvorteile. Dabei werden nicht nur die einzelnen Unternehmen wettbewerbsfähig, sondern auch die urbanen und regionalen Räume selbst (vgl. Porter 2000), denn: »In the context of a globalizing economy, centers of geographical agglomeration are centers of innovation […] because they offer to the wide collectivity a well consolidated network of contacts, knowledge, structure and institutions.« (Amin / T hrift 1992, 13) Obwohl Modelle der räumlichen Konzentration in der jüngeren Wirtschaftsgeografie wegen ihrer theoretischen Undurchsichtigkeit kritisiert werden (vgl. Scott 2006b, 95), können sie zumindest einen ersten Rahmen für Reflexionen über die Auswirkungen räumlicher Nähe auf ökonomische Aktivitäten abgeben, da z. B. postindustrielle Modelle, im Gegensatz zu den älteren Agglomerationen des Industrialismus, differenzierte Beschreibungen der Nähe- und Distanzrelationen der beteiligten Akteure erfordern. Für wissensbasierte Industrie- und Dienstleistungsbranchen sowie für Branchen der Kreativwirtschaft sind daher in der wirtschaftsgeografischen Literatur (wie in diesem Kapitel dargestellt wird) mehrere Raumkonstrukte diskutiert worden, die für die Entstehung von räumlichen Konzentrationen ausschlaggebend sein sollen. Es handelt sich dabei um Cluster, Milieus, Szenen und temporäre Cluster.2 Um die Raumdeterminismen älterer Agglomerationsmodelle zu vermeiden, ist es sinnvoll, diese Raumkonstrukte von vornherein mit dem Netzwerkbegriff zu verbinden, der eine zentrale Rolle im Verständnis der Produktionsprozesse in dieser Arbeit spielt (vgl. Kap. 4). Da diese Raumkonstrukte soziale und ökonomische Komponenten der jeweiligen Produktionsformen als Ausgangspunkte variabler Verräumlichungen sozialer und ökonomischer Handlungen begreifen, lässt sich der Netzwerkbegriff umstandslos damit verbinden. Er stellt zudem sicher, dass die analytische Blickrichtung zunächst von den Akteuren und den von ihnen etablierten sozialen bzw. ökonomischen Beziehungen zu den jeweiligen Verräumlichungsformen und Artefakten geht und nicht umgekehrt. Erst danach wird die Räumlichkeit, d. h. das räumliche Verhalten bzw. die Interaktion mit dem Raum, der Produktionsnetzwerke ihrer2 | Verschiedene Autoren haben sich mit einzelnen Raumkonstrukten in der Kreativwirtschaft im Allgemeinen oder für spezifische Branchen auseinandergesetzt: Cluster (vgl. Bagwell 2008; Heebels /  A alst 2010; Krätke 2002a, 2002b; Mommaas 2004; Pratt 2008b), Milieu (vgl. Merkel 2008, 2012; Mundelius 2008), Szene (vgl. Lange / B ürkner 2013) und temporäre Cluster (insbesondere für Modeevents vgl. Entwistle / R ocamora 2006; Skov 2006; Skov /  M eier 2011; Weller 2008).

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seits als Handlungs- und Interaktionsbedingung thematisiert. Berücksichtigt werden muss dabei auch, dass die Räumlichkeit der Produktionsnetzwerke der Modebranche nicht durch ein einziges Raumkonstrukt hinreichend beschrieben ist, sondern durch Elemente aus verschiedenen Raumkonstrukten geschaffen und variabel verändert wird. Daher, und um die Argumentation zu begründen, werden in diesem Kapitel grundlegende Raumkonstrukte dargestellt, die für die Beschreibung des räumlichen Verhaltens der Kreativwirtschaft verwendet werden. Auf dieser Basis kann die spätere Rekonstruktion der Produktionsnetzwerksräumlichkeit der Berliner Modebranche durch Vergleiche mit den bereits bekannten Raumkonstrukten abgesichert werden. Wie in diesem Kapitel dargestellt wird, werden die Raumkonstrukte von ihren Autoren jeweils in Verbindung mit anders gelagerten raumzeitlichen Kontexten sowie Akteurstypologien und ‑beziehungen theoretisiert. Eine Untersuchung der Kreativwirtschaft bzw. der Modebranche könnte allein auf dieser Grundlage nicht mit ausreichendem Spielraum für die Entwicklung induktiver Analysebestandteile angelegt werden. Darüber hinaus muss betont werden, dass die hier diskutierten Raumkonstrukte nicht das Resultat völlig unterschiedlicher Konstruktionsprozesse sind, sondern eher unterschiedliche Perspektiven auf räumliche Konzentrationen und ihre Formierungsmechanismen thematisieren. Je nach Blickwinkel werden einzelne Akteursbeziehungen hervorgehoben und anders akzentuiert, ohne dass die Folgen dieser Akzentuierungen für das Verhältnis der Akteure zu anderen Modellelementen beleuchtet würden. Die in dieser Arbeit vorgeschlagene theoretische Bestimmung der Funktion und Wirkungsweise von Netzwerken (vgl. Kap. 4) – verstanden als Gesamtheit der Beziehungen einer Akteursgruppe in einem bestimmten Kontext – kann dagegen maßgeblich zu einer präziseren Rekonstruktion der Mechanismen der Produktionsorganisation und ihrer Raumformationen beitragen, als dies mit vorgefertigten Modellen räumlicher Konzentration der Fall gewesen wäre. Deswegen wird hier vorgeschlagen, dass die Ballungs- und Interaktionsform ausschließlich mithilfe derjenigen Netzwerke thematisiert wird,3 die als konstitutive Elemente der Produktionsformen der Kreativwirtschaft bzw. Modebranche identifiziert werden können. Außerdem wird hierbei eine relationale wirtschaftsgeografische Perspektive4 verfolgt (vgl. Bathelt / Glückler 2002, 2003), 3 | Diese Perspektive erweitert bezüglich der anderen Raumkonstrukte den Vorschlag von Krätke (vgl. 2002b), der ein Cluster mittels der sozialen Netzwerkanalyse (SNA) untersucht, womit das Cluster auch dargestellt werden kann, obwohl hier kein Raumkonstrukt in der Netzwerkuntersuchung vorliegt. Für eine zusammenfassende Darstellung der SNA in der Humangeografie vgl. Steinbrink et al. 2013. 4 | Die relationale Wirtschaftsgeografie »is a meta-conceptualization for formulating research questions and conducting research in economic geography. This conceptuali-

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wobei ökonomisches Handeln und ökonomische Praxis in ihrem sozialen Kontext betrachtet werden. Das ökonomische Handeln wird relational definiert, d. h. nicht als abstraktes Handeln, sondern als »soziales Handeln in konkreten Strukturen zeitlich fortdauernder Beziehungen« (Bathelt / Glückler 2002, 35, mit Bezugnahme auf Granovetter 1985). Das ökonomische Handeln der Akteure bezieht sich auf einen konkreten Kontext; dieser ist immer ein »Ausschnitt des Sozialen und vom Sozialen untrennbar« (Bathelt / Glückler 2002, 35). Ökonomisches Handeln ist somit immer auch soziales Handeln, eine Trennung zwischen diesen Aspekten ist (in der Praxis und theoretisch) nicht möglich. Aus diesem Grund konzentriert sich die relationale Blickrichtung auf die Praktiken der Akteure: »[P]ractice offers not so much a new theory but an alternative epistemological strategy that can help scholars to examine and interpret socioeconomic processes through a focus on the actions and meanings through which and wherein the everyday world is constituted. We believe that such an approach can, if it is clarified conceptually and methodologically, provide a grounded theoretical lens for understanding how a diverse range of processes and phenomena (e.g. learning, networks, governance, development, livelihood strategies) occur, evolve, and /  o r become transformed over time and in space.« (Jones  /  M urphy 2010, 371)

Diese relationale Perspektive betrachtet die sozioökonomischen Beziehungen in Bezug auf ihren Kontext, sodass das Handeln der Akteure und die sozioökonomischen Implikationen in einer räumlichen Perspektive integriert werden können. Raum ist dann nicht nur als physisches Element zu betrachten, das Handeln beinhaltet, sondern vielmehr als sozial konstruiertes Element, das auch von den sozioökonomischen Tätigkeiten der Akteure beeinflusst wird und gleichzeitig einen Einfluss auf diese Tätigkeiten hat (vgl. Scarpelli 2003). Mit diesem Verständnis von Raum und Handeln als relationale soziale Konstruktion gewinnt die Untersuchung der Produktionsnetzwerke und ihrer Raumkonstrukte eine zentrale Bedeutung in der wirtschaftsgeografischen Erforschung der Kreativwirtschaft, in der die ökonomische und alltägliche soziale Praxis eine untrennbare Einheit bilden. Die Raumkonstruktionen entstehen dann als Relationen zwischen den Akteuren sowie zwischen den Akteuren und dem Raum, folglich ist das Netzwerk der Akteure ein mit dem Raum verbundenes Element, dessen Analyse die Beziehungen zwischen den Akteuren ebenso wie zwischen den Akteuren und dem Raum erklären kann.

zation provides a bottom-up logic of how economic action unfolds in a spatial perspective and leads to a wider spatial pattern that can differ from place to place.« (Li /  B athelt 2011, 3)

3 Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte und das kreative Feld der Stadt

Relevante Netzwerke für diese Untersuchung der Produktionsformen der Modebranche beruhen deswegen auf ökonomischen und sozialen Beziehungen, die in die Produktionsstrukturen der Branche involviert und verflochten sind. Sie bilden das Produktionsnetzwerk im oben definierten Sinne.5 Bevor die einzelnen Raumkonstrukte dargestellt werden, sind Überlegungen zur Beziehung zwischen Netzwerk und Raum notwendig. Netzwerke, verstanden als Modell sozialer Interaktion, in dem deswegen auch ökonomische Tätigkeiten als Teil sozialen Handelns betrachtet werden, werden daher folgend als Elemente der sozialen Konstruktion des Raums verdeutlicht.

3.2 B eziehung z wischen sozialem H andeln und R aum Die Beziehung zwischen Netzwerken und Raumkonstrukten bzw. Raum muss betont werden, weil die Akteursbeziehungen in der sozialen Netzwerkanalyse oft in einer nichträumlichen Perspektive betrachtet werden (vgl. Stegbauer / Häußling 2010; Jansen 1999; Hollstein / Straus 2006), ohne dass dies Konsequenzen für die innerhalb des Netzwerkmodells angenommene Netzwerkstruktur hat. Hierzu ist es hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, dass »Raum« in den Sozialwissenschaften weithin als soziale Konstruktion verstanden wird – mit den Worten von Lefebvre: »([S]ocial) [S]pace is a (social) product« (Lefebvre 1991, 30). Genauso betonte Dematteis (vgl. 1985, 123) aus einer humangeografischen Perspektive, dass die Geografie sozial relevante Fakten in den Formen des physischen Raums darstellt. Sozialen Beziehungen, als einem Bestandteil jeder Gesellschaft, werden gegenständliche Merkmale wie Evidenz und Stabilität zugewiesen, als unterlägen solche menschlichen Beziehungen naturgesetzlichen Fakten (vgl. Dematteis 1985, 74 f.). Somit wird der physische Raum Teil der sozialen Beziehungen und Strukturen (vgl. Dematteis 1985, 74). Etwas anders formuliert, kommt Löw zu der Aussage, dass räumliche Strukturen jeweils Formen gesellschaftlicher Strukturen sind (vgl. Löw 2001, 167). Aus diesem Grund wird im Folgenden in die Raumdarstellung von Pierre Bourdieu (vgl. 1991) eingeführt. Sie bietet die Möglichkeit, eindeutig zwischen dem Prozess der sozialen Konstruktion und seinem Resultat, dem Raumkonstrukt, zu unterscheiden. Bourdieu nimmt an, dass zwei Ebenen des Raums existieren, die miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen: eine physische und eine soziale. Zum physischen Raum gehören die physischen Elemente – wie Gebäude, Straßen, Quartiere –, wohingegen der soziale Raum aus sozialen Interakti5 | Hier wird, um der Argumentation besser folgen zu können, das Wort Netzwerk verwendet, ohne jedes Mal die Attribute sozial und ökonomisch zu wiederholen, außer wenn dieser Unterschied relevant für die Argumentation ist.

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onen und darauf bezogenen Gruppen gebildet wird. Bourdieu behauptet: »Der soziale Raum ist nicht der physische Raum, realisiert sich aber tendenziell und auf mehr oder minder exakte und vollständige Weise innerhalb desselben. […] Der in bestimmter Weise von uns bewohnte und uns bekannte Raum ist sozial konstruiert und markiert.« (Bourdieu 1991, 28) Die sozialen Interaktionen und diejenigen mit dem physischen Raum führen daher zur Produktion des sozialen Raums bzw. zu einer von einer sozialen Gruppe geteilten Sinngebung, die das Handeln beeinflusst. Der Mensch wird, da sein alltägliches Handeln im physischen Raum stattfindet, davon auch beeinflusst (eingeschränkt oder unterstützt). Deswegen ergibt sich unter Menschen, die dieselben physischen Räume miteinander teilen, die Tendenz, jeweils einen für sie verbindlichen sozialen Raum zu entwickeln (vgl. Bourdieu 1991, 33). Die Zusammensetzung dieses sozialen Raums und die Beziehung zwischen seinen Elementen ist nicht absolut, sondern relativer Natur, da laut Bourdieu die sozialen Akteure genau wie ihre Eigenschaften und die physischen Gegenstände den sozialen Raum besetzen. Dabei kann eine Position nur in Bezug auf andere Positionen und Elemente dieses Raums definiert werden (vgl. Bourdieu 1991, 26). Daraus folgt, dass der soziale Raum sich aus dem Zusammenwirken grundlegender Prozesse der sozialen Positionierung ergibt, diese werden als Prozesse der Kapitalbildung aufgefasst. Bourdieu geht von drei Kapitalarten (sozial, ökonomisch, kulturell) aus, die mit ihren verschiedenen Kombinationen Ähnlichkeiten und Unterschiede generieren. Auf Basis dieser Ähnlichkeiten und Unterschiede untereinander stehen die Akteure in den Feldern des sozialen Raums einander gegenüber (vgl. Bourdieu 1991, 28). Da die Akteure jeweils um soziale Statuspositionen konkurrieren, ist die Formierung des sozialen Raums ein dynamischer Prozess. Dies spiegelt sich schließlich auch im physischen Raum wider. Der Raumbegriff Bourdieus enthält allerdings auch eine Vorstellung, von der ich mich in der Analyse der Beziehung zwischen Netzwerken und Raumkonstrukten in dieser Arbeit abgrenzen will. Es ist die unterstellte unmittelbare Relation des physischen Raums zum sozialen Raum, denn Bourdieu behauptet, »der soziale Raum weist die Tendenz auf, sich mehr oder weniger strikt im physischen Raum in Form einer bestimmten distributionellen Anordnung von Akteuren und Eigenschaften niederzuschlagen« (Bourdieu 1991, 26). Der physische Raum wird mit Bedeutungen und Sinn aufgeladen, die auf der sozialen Ebene geschaffen werden; sie determinieren die Beziehungen sozialer Gruppen mit ähnlicher Kapitalausstattung (sozial, ökonomisch und kulturell).6 In diesem Sinne wäre ein physischer Raum ein sekundäres Element, das nur in 6 | Ein positives Beispiel sind exklusive Orte, zu denen nur bestimmte Gruppen Zugang haben, während umgekehrt ein ähnlicher Mechanismus einen Ghettoeffekt erzeugen kann, d. h. einen Ort, an dem Gruppen mit wenig Kapital lokalisiert sind (vgl. Bourdieu 1991, 32).

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seiner Beziehung zum sozialen Raum Sinn hätte und damit Ausdruck von Machtbeziehungen zwischen sozialen Gruppen bzw. zwischen verschiedenen Kapitalformen wäre. Im Gegensatz dazu möchte ich den Akzent darauf legen, dass nicht nur physischer und sozialer Raum sich gegenseitig beeinflussen, sondern auch die soziale Konstruktion des physischen Raums sich sowohl zwischen sozialen Gruppen als auch innerhalb einer Gruppe in Bezug auf die internen Bedürfnisse und Eigenschaften ändern kann (vgl. Lange / Bürkner 2010; Lange 2006, 2007). Darüber hinaus tendieren soziale Gruppen auch in sehr unterschiedlicher Weise dazu, sich gegenseitig wahrzunehmen und darzustellen. Die Raumkonstruktion muss dann als dynamischer relationaler Prozess verstanden und an ständige Verhandlungsmechanismen gebunden werden, die sowohl zwischen den sozialen Gruppen als auch innerhalb einer Gruppe zwischen den beteiligten Akteuren wirksam sind. Der Raumbegriff Bourdieus wird hier nicht als theoretische Basis für die Entwicklung des Netzwerkbegriffs verwendet; vielmehr ist er wichtig, um zu unterstreichen, dass Netzwerke eine Anzahl von Beziehungen darstellen, die nicht mit dem physischen Raum verbunden sind. Zugleich muss hervorgehoben werden, dass Netzwerkbeziehungen einen sozialen Raum schaffen, der sich im physischen Raum niederschlagen kann; in diesem Fall können umgekehrt einige Einflüsse auf die soziale Ebene entstehen – nämlich als wahrgenommener Kontext und Handlungsrahmen. Ebenso kann sich die soziale Raumkonstruktion mit der Zeit ändern. Räumliche Agglomerationen ökonomischer Akteure (die gleichzeitig auch soziale Akteure sind) begünstigen folglich Relationen bzw. Netzwerke, die – durch die Formation sozialer Räume, die ihrerseits unvermeidlich mit physischen Räumen verbunden sind – mehrfach revidierte Raumkonstrukte schaffen. Mit dem hier verfolgten Netzwerkansatz ist eine Analyse der Raumkonstrukte und Agglomerationsformen möglich, weil aufgrund der Kontextualisierung der Kategorie Netzwerk eine theoretisch konsistente und empirisch validierbare Basis der Identifikation branchenspezifischer Raumkonstrukte geschaffen wird. Aus diesem Grund werden in den nächsten Unterkapiteln die relevanten Raumkonstrukte in der Kreativwirtschaftsforschung dargestellt, zuerst in ihren theoretischen Grundlagen, dann werden diese Begriffe mit den Merkmalen der Kreativwirtschaft und dem Netzwerkansatz beleuchtet.

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3.3 C luster 3.3.1 Clusterbegriff Das erste hier präsentierte Raumkonstrukt ist der Cluster, der oft für die Betrachtung der räumlichen Konzentrationen von Akteuren unterschiedlicher Phasen der Produktion verwendet wird (vgl. für einen Überblick Bathelt / Glückler 2002, 211 ff.). Unter Cluster wird im engeren Sinne die »Verbindung von wirtschaftlicher und räumlicher Bündelung« (Tichy 2001, 183) verstanden.7 Er wird ferner definiert als »a geographically proximate group of interconnected companies and associated institutions in a particular field, linked by commonalities and complementarities. The geographic scope of a cluster can range from a single city or state to a country or even a group of neighbouring countries.« (Porter 2000, 254) In dieser Definition erkennt man schon als wesentliches Element eines Clusters nicht nur die räumliche Nähe von Unternehmen und Akteuren einer Branche, sondern auch deren Interaktion innerhalb einer bestimmten Produktions- und Wertschöpfungskonfiguration. Es gibt aber bislang keine Einigung über eine allgemeine Definition des Clusterbegriffs, ebenso wenig wie über die Merkmale, die geeignet sind, eine räumliche Konzentration wirtschaftlicher Akteure zu identifizieren. Weitere Definitionen betonen wenige ausgewählte Eigenschaften des Clusters (vgl. Benner 2009).8 Dabei legen sie ihren Schwerpunkt entweder auf die Netzwerkbe7 | Die theoretischen Grundsteine der Clusterforschung sind in der Arbeit von Alfred Marshall (vgl. 1907, Buch IV) dargelegt, in der positive »Externalitäten« in Bezug auf die regionale räumliche Konzentration von Firmen aus derselben Branche thematisiert werden. Insbesondere geht es um Industriedistrikte, in denen Unternehmen von der industriellen Atmosphäre profitieren können (d. h. von der Gesamtheit formeller und informeller Gebräuche, Traditionen und Praktiken), die aus der Konzentration vieler Unternehmen derselben Branche an einem Standort resultiert. So ergibt sich beispielsweise der Vorteil, am Standort qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Ein weiteres Element der industriellen Agglomerationsforschung wurde von Alfred Weber (vgl. 1909) und seiner Standorttheorie vorgegeben, in der die Standortentscheidungen der Unternehmen als individuelle Entscheidungen dargestellt werden. Sie haben zum Ziel, die Transport- und Produktionskosten zu minimieren. 8 | In seiner Auseinandersetzung mit der Clusterliteratur identifiziert Benner (vgl. 2009) einige Eigenschaften, die Agglomerationsvorteile generieren: qualifizierte Arbeitskräfte aus lokalen Universitäten, Mobilität von Angestellten zwischen Unternehmen oder Forschungsinstituten, Beschäftigung von Studierenden in Unternehmen, Spin-off-Generierung, Verfügbarkeit von Venturecapital, Kooperationen zwischen Universitäten oder Forschungsinstituten und Unternehmen, horizontale und vertikale Kooperationen zwischen Unternehmen, lokaler Unternehmenswettbewerb, Wettbewerb in der lokalen sozialen Hi-

3 Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte und das kreative Feld der Stadt

ziehungen in der Produktion und Wertschöpfung, ohne die räumliche Nähe zu erwähnen (vgl. Roelandt / den Hertog 1999), oder sie konzentrieren sich auf die räumliche Nähe von Akteuren derselben oder komplementärer Branchen, ohne Netzwerkbeziehungen unter räumlich nahen Akteuren systematisch zu berücksichtigen (vgl. Enright 1998).9 Die Möglichkeit von Clustermodellen, unterschiedliche Maßstabsebenen abzubilden, so wie dies unter anderem die Definition Porters nahelegt, wird seltener angesprochen. Mit diesem Begriff sind hauptsächlich regionale bzw. lokale räumliche Konzentrationen von Akteuren (meistens Unternehmen) gemeint. Immerhin werden Face-to-Face-Beziehungen, die als originäres Clustermerkmal hervorgehoben werden, als potenzielle Wettbewerbsvorteile erkannt (vgl. Benner 2009),10 während Annahmen über die Effekte auf die regionalen Ökonomien und auf die politische Ebene, die dahingehend gerechtfertigt werden, dass Clusterbildungen der Schlüssel für unternehmerische und regionale Wettbewerbsvorteile sind, angesichts der geringen Tragweite der Clusterdefinitionen fraglich bleiben (vgl. Martin / Sunley 2003). Die unternehmerischen räumlichen Konzentrationen können aber auch negative Effekte auf die regionale Ökonomie haben, da eine intensive Interaktion zwischen räumlich nahen Unternehmen auch ungünstige oder suboptimale Organisations- und Technologiepfade (Lock-in Gefahr) verursachen kann (vgl. Grabher 1993). In seiner Literaturübersicht zu Clusterdefinitionen beschreibt Tichy (vgl. 2001) Cluster als Bündelungen, die durch Netzwerke der Produktion unabhängiger Firmen, Forschungseinrichtungen und Ausbildungsstätten charakterisiert sind. Diese Organisationen sind durch einen Standort und durch die Spezialisierung bei einigen Produkten und Wertschöpfungen miteinander verbunden. Diese Bündelung kann wiederum als lernende Organisation beschrieben werden, obwohl nicht alle Clusterfirmen zusammenarbeiten (vgl. Tichy 2001, 184). Eine fundierte wissenschaftliche Definition der Cluster hat sich aber auch aufgrund dieser vagen Merkmale noch nicht herauskristallisiert (vgl. Tichy 2001, 184; Benner 2009; Martin / Sunley 2003).

erarchie, informelle soziale Netzwerke zwischen lokalen unternehmerischen Akteuren. Diese Eigenschaften sind nicht alle zugleich in jedem Cluster erkennbar, eher sind sie als mögliche Elemente einer räumlichen Konzentration zu verstehen. 9 | »Clusters are often cross-sectoral (vertical and /  o r lateral) networks, made up of dissimilar and complementary firms specialising around a specific link or knowledge base in the value chain.« (Roelandt /  H ertog 1999, 12) »Regional clusters are defined here as a group of firms in the same industry, or in closely related industries that are in close geographic proximity to each other.« (Enright 1998, 337) 10 | Für eine Übersicht über die Literatur zu den Mechanismen, die die Clusterbildung steuern und somit einen Wettbewerbsvorteil schaffen, vgl. Benner 2009.

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Cluster heben die Rolle der räumlichen Nähe für ökonomische Interaktionen hervor und stellen deswegen den Raum ins Zentrum des unternehmerischen Handelns. Durch räumliche Nähe können die Transaktionskosten zwischen Unternehmen, ebenso wie Unsicherheit und opportunistisches Verhalten, vermindert werden (vgl. Scott 1988, Kap. 3-4; s. auch Bathelt / Glückler 2000). Die Erzeugung räumlicher Nähe kann dann als Strategie unternehmerischer Handlungen thematisiert werden,11 die persönliche Interaktionen, direkte Beobachtung der Konkurrenten und Informationsflüsse einschließt (vgl. Storper 1997; Storper / Venables 2002). Daher ist das Netzwerk ein zentrales Element des Clusterbegriffs, genauer gesagt, Interaktionen von Akteuren, die direkt oder indirekt in der Produktion und im persönlichen Austausch miteinander verbunden sind und Beziehungen generieren, die ihrerseits Cluster als (für Akteure und Orte) potenziell vorteilhafte ökonomische Ballungsräume beschreiben (vgl. Benner 2009). Von einigen Ausnahmen abgesehen (vgl. Krätke 2002) werden aber Cluster und die dort entstehenden Relationen häufig nicht als Netzwerk dargestellt und analysiert (vgl. Benner 2009; Glückler 2010, 2012). Stattdessen werden allgemein die Art der Beziehungen und die immateriellen Produkte, die dadurch generiert werden, als Cluster formierende Merkmale verstanden: vertikale und horizontale Beziehungen, Wissen. Diese Kategorien können aufgrund ihrer Allgemeinheit vieles thematisieren. Sie können die Interaktionen und ihre Wirkungen im Cluster ebenso erklären wie grundlegende Elemente der Clusterinteraktion bezeichnen. Wegen ihres universellen Erklärungsanspruchs ist die Begrifflichkeit unpräzise. Der Clusterbegriff benötigt jeweils operationale Definitionen auf der empirischen Ebene, um die Clusterdynamiken konkreter Fälle auch nur annähernd beschreiben zu können. In den nächsten zwei Unterkapiteln werden zunächst die Beziehungsarten der Clusterakteure (vertikale und horizontale Beziehungen) und das Produkt ihrer Interaktionen (Wissen) dargestellt. Obwohl Beziehungen und Wissen nicht die einzigen Clusterbestandteile sind, werden sie in der Literatur selektiv hervorgehoben, um die Clusterdynamiken und ihre Vorteile für die Unternehmen identifizieren zu können (vgl. Benner 2009; Tichy 2001; Krätke 2004; Gertler 2003; Bathelt et al. 2004). Vertikale und horizontale Beziehungen sowie Wissen werden dabei einzig für erklärungsrelevant gehalten, obwohl sie keineswegs exklusive Merkmale sind. Sie können ebenso in anderen Agglomerationsformen und Raumkonstrukten nachgewiesen werden.

11 | Die Organisation der Produktion in räumlicher Nähe hat Einfluss auf die Transaktionskosten und kann zu ihrer Senkung führen, indem drei Arten von Kosten verringert werden: Informationskosten, Anpassungskosten und Kommunikationskosten (vgl. Scott 1988, Kap. 3-4; Storper /  Walker 1989, Kap. 3).

3 Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte und das kreative Feld der Stadt

3.3.2 Vertikale und horizontale Dimension Die Interaktionen der Clusterakteure können auf zwei grundlegende Dimensionen12 zurückgeführt werden: die vertikale und die horizontale Dimension (vgl. Richardson 1972; Li 2011). Die vertikale Dimension beinhaltet komplementäre Beziehungen, die ein Unternehmen mit Zulieferern, Dienstleistern und Abnehmern unterhält (vgl. Bathelt / Glückler 2002, 213). In der vertikalen Dimension werden Kooperationsbeziehungen betrachtet, die ein Unternehmen in dem Cluster mit Akteuren der unterschiedlichen Phasen der Produktion eingeht. Diese Dimension ist für den Agglomerationsprozess des Standortes relevant, weil der Ansiedlungsanreiz umso größer wird, je größer die Arbeitsteilung in der Produktion wird (vgl. Bathelt / Glückler 2002, 213). Die Knoten der vertikalen Dimension, d. h. die Elemente bzw. Akteure eines Netzwerks, erfüllen komplementäre Aufgaben, die zur Diversifizierung des Unternehmens und ihrer Integration in die Produktionsphasen im Cluster führen. Die horizontale Dimension beschreibt hingegen Unternehmen, die für dieselben Wertschöpfungsphasen zuständig sind und deswegen in einer Wettbewerbsbeziehung zueinander stehen. Der Wettbewerb treibt jeweils fortschreitende Lernprozesse13 unter den Konkurrenten an. Der Innovations- und Lernanreiz entsteht aus der Beobachtung der Produktionsbedingungen und der Qualität der Produkte, ferner aus persönlichen informellen Beziehungen

12 | Bathelt und Glückler (vgl. 2002, 213 f.) erkennen in ihrer Darstellung der Literatur zum Thema »Theorie der regionalen Clusterbildung« zwei weitere Clusterdimensionen: die institutionelle und die externe. Mit der institutionellen Dimension sind formelle und informelle Institutionen gemeint, die zur Herausbildung eines Systems spezifischer Normen und Regeln führen und mit der Clusterstruktur in Interdependenz stehen. Die externe Dimension betrachtet die Beziehungen, die Clusterakteure mit externen Partnern haben, die am Cluster beteiligt sind. In dieser Arbeit werden hingegen die institutionelle und die externe Dimension nicht als zwei weitere Clusterdimensionen thematisiert, da es nicht darum geht, diese beiden Dimensionen gegenüber der vertikalen und horizontalen Dimension abzugrenzen. Vielmehr wird die institutionelle Dimension als Element des Kontextes verstanden, der von den Clusterakteuren geteilt wird, wobei die Cluster sich gegenseitig überschneiden können. Die externe Dimension stellt nur kooperative oder kompetitive Beziehungen dar, die mit externen Akteuren unterhalten werden; aber aus der Unternehmensperspektive kann diese Dimension immer auch als Variante vertikaler und horizontaler Beziehungen verstanden werden. 13 | Lernen ist der Prozess des Erwerbs von Informationen, die neues Wissen hervorbringen und damit das Potenzial für Innovationen schaffen (Kap. 3.3.3).

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und gesteigerter Jobmobilität (vgl. Li 2011). Zusammengenommen werden dadurch die Variation und die Vielfalt der Aktivitäten und Beziehungen erhöht.14 Der Unterschied zwischen vertikaler und horizontaler Dimension besteht darin, »that a vertical view of clusters presumes firms to learn via transactions, while a horizontal framework argues that learning is possible without transaction and that this kind of learning is quite common« (Li 2011, 9). Die analytische Rekonstruktion vertikaler und horizontaler Beziehungen beschreibt somit die möglichen Interaktionen, die in einem Produktionscluster unter ökonomischen Akteuren stattfinden können. Darüber hinaus identifiziert diese analytische Rekonstruktion einige relevante Lernmechanismen, die die Innovationsfähigkeit der Clusterunternehmen zum Teil begründen. Das Lernen durch die Beobachtung konkurrierender Unternehmen und durch Anreize, die von Partnern kommen, fördern demnach Innovationen. Letztere können sicherlich als Elemente der Begründung selektiver Vorteile für einzelne Clusterunternehmen und -regionen angenommen werden, lassen die Clusterdynamik jedoch nur partiell erkennbar werden. Trotz des Anspruchs, allgemeine Entstehungs- und Entwicklungsmechanismen von Clustern erklären zu wollen, bleiben die empirischen Einzelfälle aufgrund der Schwammigkeit der theoretischen Begriffe schwer zugänglich. Eine vage Unterscheidung zwischen einer vertikalen und einer horizontalen Dimension ist in der Beschreibung beliebiger unternehmerischer Beziehungen fast immer möglich. Es können z. B. verschiedene Möglichkeiten des Informationsaustausches über die Produktionsorganisation angegeben werden, aber genauere Aspekte der Interaktionsformen und die Rolle der Distanz innerhalb der Clusterentwicklung werden damit immer noch nicht nachvollziehbar; daher müssen sie für jeden Fall gesondert ermittelt und theoretisch rekonstruiert werden. Horizontale und vertikale Beziehungen begründen nicht nur Kooperationsund Wettbewerbsformen, sondern auch Lernmechanismen und die Senkung der Transaktionskosten (vgl. Scott 1988). Gleichzeitig werden solche sozialen Komponenten, die informell sind oder aus der privaten bzw. kulturellen Sphäre kommen, selten betrachtet. Diese Art der Beziehungen und Einflüsse werden in der Clustertheorie zum Teil durch Elemente der Clusterinteraktionen thematisiert, z. B. Wissen und Lernen, obwohl diese Art der Beziehung sich nicht darauf beschränken lässt. Neben clusterinternen Einflüssen spielen andere Umgebungsbedingungen eine wichtige Rolle, d. h. sowohl kontextspezifische Beziehungsarten als auch ihre raumzeitlichen Komponenten, die dann von anderen abweichen können. Darüber hinaus ist diese horizontal-vertikale Bezie14 | Um einen solchen Austausch zu ermöglichen, müssen die Produktionsbedingungen bekannt und es muss eine ähnliche Wissensbasis zwischen den Unternehmen vorhanden sein (vgl. Bathelt / G lückler 2002, 213). Das ist wahrscheinlicher bei räumlicher und kultureller Nähe (vgl. Lundvall 1988; Gertler 1993).

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hungsstruktur eher in traditionellen Branchen anzutreffen als in der Kreativwirtschaft, die von großer Heterogenität der Produkte und Produktionsformen sowie ihrer materiellen und sozialen Kontexte gekennzeichnet ist. Deswegen ist für die Kreativwirtschaft in der Folge die Art der vertikalen und horizontalen Beziehungen zu klären. Weil die ökonomische Dimension in diesen Branchen sich oft deutlich mit sozialen und kulturellen raumbezogenen Dimensionen überlappt, kann das, was unter diesen Beziehungen zu verstehen ist, sich von einer Branche zur anderen maßgeblich voneinander unterscheiden. Die branchenbezogene Vielfalt der räumlichen Praxis bzw. Verankerung der kreativen Unternehmen ist in zwei Studien über die Agglomerationen der Kreativwirtschaft in Berlin thematisiert worden: Auf der einen Seite wird von Bas van Heur behauptet, dass Clusterunternehmen von der räumlichen Nähe und der »creative atmosphere« (Heur 2010, 111) profitieren, die das Ergebnis der Interaktion bzw. Nähe zu Akteuren aus derselben oder anderen Branchen darstellt. Da diese Akteure dasselbe soziale Umfeld teilen, wird angenommen, dass ihre Nähe als potenziell positiver – sowohl materieller als auch immaterieller – Einfluss auf die kreativen ökonomischen Tätigkeiten interpretiert werden kann. Darüber hinaus sind kleine Unternehmen nicht hauptsächlich an die lokale Ebene gebunden (vgl. Heur 2010, 111), d. h., dass die vertikalen Beziehungen auch für kleine Unternehmen nicht nur an den lokalen Cluster gebunden sind, sondern an ein globales branchenbezogenes Netzwerk. Auf der anderen Seite behauptet Marco Mundelius, dass kleine kreative Unternehmen im ökonomischen lokalen Netzwerk, insbesondere in dem darin entwickelten gegenseitigen Vertrauen, einen strategischen Agglomerationsvorteil erkennen (vgl. Mundelius 2008, 63), sodass die vertikalen Beziehungen lokaler Akteure eine zentrale Rolle für die räumliche Konzentration und ihre Vorteile spielen.15 Um die oben skizzierten unterschiedlichen Beziehungen im Rahmen vertikaler und horizontaler Netzwerkdimensionen16 insbesondere für die Kreativ­ 15 | Diese beiden Studien haben nicht dieselben Branchen der Kreativwirtschaft zum Gegenstand. Sie bringen daher nicht etwa antithetische Positionen zum Ausdruck, sondern beschreiben lediglich zwei mögliche Konfigurationen im Spektrum der räumlichen Produktionsstrukturen, die in Kreativwirtschaftsagglomerationen angetroffen werden können. Dieses Beispiel weist auf die Notwendigkeit hin, die Branchen der Kreativwirtschaft als einzelne Fälle zu untersuchen. Sie beinhalten jeweils unterschiedliche Produktionsnetzwerke, die von branchenbezogenen Strategien beeinflusst werden. Dadurch unterscheidet sich ihr räumliches Arrangement von anderen Branchen der Kreativwirtschaft. 16 | Die Kategorie des Netzwerks wurde bereits in der Clusterforschung erfolgreich verwendet, um die Produktionsbeziehungen in einem Cluster darzustellen (vgl. Krätke 2002a, 2002b; Gordon / M cCann 2000; für einen Überblick über die Anwendung der Netzwerkanalyse in der Humangeografie vgl. Steinbrink et al. 2013).

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wirtschaft thematisieren zu können, stellt der Begriff des Produktionsnetzwerks eine Möglichkeit dar, unterschiedliche soziale und ökonomische Interaktionen in einem Konzept zu integrieren und die rigide Trennung der vertikalen und horizontalen Dimensionen, wie sie in Clusterkonzepten vorgenommen wird, zumindest teilweise zu überwinden.

3.3.3 Wissen Nachdem im letzten Abschnitt die Beziehungsformen dargestellt wurden, die in der vertikalen und horizontalen Clusterdimension zu erkennen sind, beziehen sich die folgenden Überlegungen auf die Kategorie Wissen, verstanden als ein Ergebnis der Interaktionen der Akteure untereinander und mit dem Cluster.17 Krätke begreift Wissen als ein immaterielles Produkt von Interaktionen, das einerseits Wettbewerbsvorteile der Agglomerationen erklärt, andererseits aber auch eine personenbezogene Komponente aufweist: »the outcome of a learning process by which information is incorporated into an actor’s reasoning and decision making« (Krätke 2011, 97). Wissen wird in der jüngeren Literatur zudem differenziert in explizites bzw. kodifiziertes und implizites bzw. nichtkodifiziertes Wissen (vgl. Entwistle 2010; Gertler 2003; Owen-Smith / Powell 2004; Amin / Cohendet 2004; Bathelt et al. 2004; Glückler 2005; Grabher 2002a; Krätke 2011; Markusen 1996; Oinas 1999; Polanyi 1967). Kodifiziertes Wissen kann im Zeitalter der globalisierten Beziehungen und Telekommunikation überall vorhanden sein und potenziell von jedem Akteur in der gleichen Form verwendet werden. Umgekehrt ist der Zugang zu implizitem Wissen18 nicht kodifizierbar, nur zum Teil bewusst und nur in bestimmten relationalen Kontexten verfügbar. Diese Kontexte sind oft auch zugleich die Orte der Agglomerationen. Die Entstehung regionaler Wissensnetzwerke ist dann als Effekt der Lokalisations- und Urbanisationsökonomien zu verstehen (vgl. Krätke 2011, 95). Als Folge kann explizites Wissen oft in vergegenständlichter (z. B. Bücher oder PDF-Dateien) und in standardisierter Form verbreitet werden, während der Zugang zu implizitem Wissen eher situationsabhängig und nur durch direkte Beobachtung oder soziale (z. B. Face-to-Face-) Interaktion möglich ist. Der Erwerb impliziten Wissens findet zwischen Akteuren nur bei räumlicher und sozialer Nähe oder durch direkte Interaktion statt. Die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen und darauf bezogene positive regio17 | Die Bedeutung von Wissen in Unternehmensagglomerationen wurde zuerst von Alfred Marshall (1907) thematisiert, allerdings in recht allgemeiner Form. 18 | Der Begriff »implizites Wissen« stammt von Michael Polanyi (vgl. 1967), der damit verdeutlicht, dass man mehr weiß, als man ausdrücken kann. Persönliche und auch wissenschaftliche Erfolge sind nicht nur als auf explizitem Wissen beruhende Ereignisse zu verstehen; vielmehr spielt dabei auch das implizite Wissen eine wesentliche Rolle.

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nale Effekte sind gemäß der Clustertheorie oft mit dem Zugang zu implizitem Wissen verbunden. Je nachdem, ob sich Unternehmen im Cluster als Konkurrenten oder als Kooperationspartner gegenüberstehen, sind die Wissenstransfermechanismen unterschiedlich (vgl. Tichy 2001, 185). In vertikalen Beziehungen bezieht sich die Formierung impliziten Wissens auf die Kommunikation in formellen und informellen Kontexten, während sie sich in horizontalen Beziehungen mehr durch Beobachtung und informelle Interaktion vollzieht, so z. B. in der von Marshall sogenannten »industrielle[n] Atmosphäre« (Marshall 1907).19 Darüber hinaus profitieren die Akteure auch von der räumlichen Konzentration verteilter Ressourcen und allgemein von der Vermarktung bzw. dem Image einer Region (vgl. Berghoff / Sydow 2007). Der Erwerb impliziten Wissens ist mit persönlichen Beziehungen und direkter Beobachtung im Cluster verbunden, sodass die räumliche Konzentration für Unternehmen zu kompetitiven Vorteilen führt. Daher können räumliche Konzentrationen, aber auch die lokale Ebene insgesamt jeweils Unternehmen anziehen (vgl. Markusen 1996; Amin / T hrift 1992; Gertler 1993; Krätke 2011). Dennoch darf man nicht der irreführenden Idee folgen, dass die mit Lernen verbundenen Vorteile jeweils Eigenschaften der Orte seien. Sie entstehen vielmehr aufgrund der räumlichen Konzentration der Akteure und der Interaktionen, die an einem Ort stattfinden (vgl. Camagni 1991a; Scott 1996). Die Netzwerke der Akteure generieren die Agglomerationsvorteile, die einen Ort als wiederkehrenden Bezugspunkt von Interaktionen, als »sticky places« (vgl. Markusen 1996), etablieren  – und nicht umgekehrt. Daher wird Wissen ein Produkt der Akteursinteraktionen, und nicht ausschließlich des Clusters als Raumkonstrukt, und kann deswegen auch mit anderen Raumkonstrukten verbunden sein. Die Interaktions- und Lernformen sind oft nicht auf die räumliche Dimension des Clusters bezogen, sondern können sich auch auf die Verbreitung von Normen und Werten erstrecken: »Spaces of shared meaning and identity are established through ongoing interactions between actors and firms over time. The resulting values, norms and other institutional arrangements may easily include actors which are located outside the region. In addition, not all regional actors and firms are part of the cluster and share its particular values and interpretative schemes.« (Bathelt et al. 2004, 45)

Deswegen können durch die relationale Nähe (mehr noch als durch die physische Nähe, vgl. Amin / Cohendet 2004; Oinas 1999; Allen 2000; Glückler 2005) 19 | Tichy (vgl. 2001) unterscheidet drei Typen von Clustern: Marshall-Arrow-RomerCluster, Porter-Cluster und Jacobs-Cluster, und zwar anhand der Unterschiede bei den Wissenstransfer- und Wettbewerbsformen.

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und die Interaktion der Akteure communities of practice 20 entstehen, die, obwohl sie durch eine spezifische räumliche Dimension verbunden sind, Wissen, Normen und Handlungspraktiken, die über die räumliche Dimension des Clusters hinausgehen können, miteinander teilen. In diesem Sinne werden der Cluster und seine Beziehungen hauptsächlich als eine relationale Konstruktion begriffen, die selektiv an bestimmte räumliche Elemente gebunden ist. Diese Perspektive wird von der Buzz-Pipeline-Theorie (vgl. Bathelt et al. 2004) ergänzt, um interne und externe Clusterbeziehungen in einem Begriff zu integrieren, der die schwierige Aufgabe der Abgrenzung der Clustermaßstabsebene umgeht. Lokale Cluster zeichnen sich demnach wesentlich durch das Vorhandensein von Buzz21 aus. Es entsteht durch eine »information and communication ecology created by face-to-face contacts, co-presence and co-location of people and firms within the same industry and place or region« (Bathelt et al. 2004, 38). Diese lokale Atmosphäre, die den Akteuren viele Stimuli bietet, fördert Inspiration und Informationsflüsse (vgl. Kap. 3). Der Einfluss des lokalen Buzz reicht, trotz seiner Wichtigkeit als Wissensund Informationsfluss im Cluster, nicht für die Entwicklung neuen Wissens aus. Dieses benötigt auch externe Impulse und die Zusammenarbeit naher und ferner Interaktionen (vgl. Oinas 1999, 365); nur damit können die Clusterakteure ihre Wettbewerbsvorteile erneuern. Der Buzz als relationales Element kann sich auf verschiedene Maßstabsebenen beziehen, die von den Dynamiken einer Branche beeinflusst werden und sich deswegen zwischen einzelnen Branchen 20 | Vgl. unter anderem weiter Bathelt et al.: »These consist of agents which are bound together through day-to-day interaction, based on the same expertise, a common set of technological knowledge and similar experience with a particular set of problem-solving techniques. […] Shared experience in the same technologies and ongoing attempts to solve the same sort of problems, based on basic understandings and similar technological paradigms, support the development of mutual engagement, joint enterprise, shared repertoire and negotiation of meaning.« (Bathelt et al. 2004, 39) 21 | Das englische Wort buzz kann mit »schwirren« oder »dröhnen« übersetzt werden. Ähnliche Begriffe sind local broadcasting (vgl. Owen-Smith / P owell 2002) und noise (vgl. Grabher 2002a). Im Unterschied dazu ist der buzz-Begriff auf die engeren Akteursbeziehungen innerhalb eines Clusters beschränkt. Dies wurde auch als local buzz (vgl. Storper /  Venables 2002, 2004) thematisiert und in diesem Sinne von Bathelt et al. (vgl. 2004) verwendet, während vom global buzz (vgl. Schuldt / B athelt 2009; Bathelt /  S chuldt 2008) in temporären Massenveranstaltungen gesprochen wird. All diese Begriffe, die auf die industrielle Atmosphäre von Marshall zurückgeführt werden (vgl. Schuldt /  B athelt 2009), sind mit der Idee verbunden, dass ein stimulierendes Milieu bzw. ein gemeinsam geteilter Erfahrungsraum mit Face-to-Face-Interaktionen und körperlicher Anwesenheit von Menschen und Firmen eine Inspirations- und Informationsquelle sind.

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auch stark unterscheiden. Daher kann Buzz in Verbindung mit dem Clusterbegriff im Allgemeinen nur sehr vage Erklärungen liefern. So gilt z. B. für die Modebranche: »[G]eographical distance does not limit what counts as local ›buzz‹ in fashion and, therefore ›local‹ and ›global‹ do not refer to fixed spatial boundaries but the global circulation of local buzz / knowledge« (Entwistle 2010, 10). Mit dem Begriff Pipeline wird genau dieser Wissensumlauf angesprochen. Die Pipeline stellt stabile Unternehmensbeziehungen dar, die über die Clustergrenzen hinausgehen und dabei einen Kommunikationskanal zwischen dem Cluster und anderen externen wertschöpfungsrelevanten Akteuren schaffen. Um an eine Pipeline anzuknüpfen, orientieren sich die Akteure an der Reputation des potenziellen Partners, die dieser innerhalb der Branche entwickelt hat. Sie mobilisieren weak ties (schwache Bindungen, vgl. Granovetter 1973), beispielsweise indem sie an Fachmessen und conventions teilnehmen, d. h. formellen Treffen von Akteuren einer Branche, die dazu dienen, sich über Themen gegenseitigen Interesses auszutauschen (vgl. Bathelt et al. 2004). Das durch die Pipeline gewonnene Wissen wird anschließend durch den lokalen Buzz im Cluster verbreitet. Erfolgreiche Innovationen resultieren somit aus einer kombinierten Nutzung lokaler und globaler Wissensquellen (vgl. Cappellin / Wink 2009, 78 ff.).22 Mit der Einführung der Buzz-Pipeline-Theorie in die Clusterliteratur ist die konzeptionelle Teilung zwischen lokalem Raum / implizitem Wissen und globalem Raum / kodifiziertem Wissen nicht mehr so starr. Der Cluster und die darauf bezogenen Innovationsmechanismen werden nicht mehr ausschließlich als lokal isoliert konzipiert, sondern zugleich auch als extern vernetzt. Bezogen auf die Diffusion impliziten Wissens, die zuvor als ortsgebunden deklariert wurde (vgl. Gertler 2003), wird nun eine Perspektive eingeführt, die nicht die physische Nähe als zentrale räumliche Dimension darstellt, sondern die relationale Nähe (vgl. Amin / Cohedent 2004; Oinas 1999; Allen 2000; Glückler 2005). Mit der Buzz-Pipeline-Theorie werden die Relationen lokal / implizit und global / explizit nicht als selbstverständlich akzeptiert, da die Clusterbeziehungen in diesem Ansatz ebenfalls als vielfältig und über die lokalen Clustergrenzen hinausreichend begriffen werden. 22 | Pipelines und horizontale Beziehungen spielen für relevante Innovationen und Kreativitätsstimuli eine zentrale Rolle: Für radikale Innovationen sind alle Informationen wichtig, die über das Clusterwissen hinausgehen und von neuen und externen Firmen eingebracht werden, während die Kontakte mit Zulieferern und Kunden vor allem zu »inkrementellen Innovationen« (Tichy 2001, 186) führen. Gleichzeitig ist aber die räumliche Nähe zu wissens- und innovationsgenerierenden Akteuren (z. B. Forschungseinrichtungen) oder Kunden wesentlich für radikale Innovationen, obwohl die inkrementellen Innovationen auch durch Interaktionen über große Entfernung stattfinden können (vgl. Tichy 2001, 186).

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Wissen stellt in diesem Denkansatz ein Produkt der Interaktion dar. Dies ermöglicht eine relationale Sichtweise auf die Entstehung von Agglomerationsvorteilen für Unternehmen und Regionen: Der Zugang zu implizitem Wissen kann nämlich als Ergebnis persönlicher Interaktionen und des Buzz begriffen werden; diese beiden relationalen Elemente stellen sicher, dass Agglomerationsvorteile generiert und genutzt werden können. Andere Vorteile, z. B. die Transaktionskostenreduktion, sind weiterhin vorhanden, hängen aber nicht unbedingt vom Zugang zu implizitem Wissen ab. Wissen ist in dieser Perspektive das Produkt von Interaktionen der Akteure sowohl innerhalb eines Clusters als auch mit externen Akteuren, sodass neues Wissen in das Cluster hineinfließen kann. Zugleich kann Wissen aber auch innerhalb von Branchennetzwerken geteilt werden, wobei sich jedoch die räumliche Reichweite dieses Wissenstransfers von Branche zu Branche stark unterscheiden kann. Der Begriff Wissen, der in seinem Grundverständnis sehr allgemein ist, bedarf daher einer genaueren Definition, um spezifische Branchendynamiken und Raumkonstrukte erklären zu können. Er muss aus seiner bisherigen Verwendungsweise als einer deterministisch verstandenen Voraussetzung von Innovationen herausgelöst werden. Zugleich muss er als ein Phänomen definiert werden, das aus Interaktionen innerhalb eines spezifischen sozioökonomischen Kontextes hervorgeht.

3.4 M ilieus Der Milieubegriff23 wurde in der Soziologie als eine Alternative zu traditionellen Klassen- oder Schichtungskonzepten24 entwickelt. Dieser Begriff nimmt eine Lokalisierung unterschiedlicher Handlungen, Lebensstile und Werthal23 | In der Soziologie des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff nur biologisch verstanden (Comte), während von Taine und auch Durkheim (vgl. Hegner 2011, 444) den Begriff erweitert haben, damit auch die geistige Umgebung als Teil des Milieus erfasst werden kann (vgl. Rammstedt 2011, 444). Für einen Überblick über den Begriff »Milieu« vgl. auch Vester 2014, 310 ff. 24 | Eine soziale Klasse kann definiert werden als eine »dimension of social differentiation based on how people are positioned relative to the distribution of social goods, including land, property, money, and housing, or located within the division of labour. A class is therefore a social group that shares a similar income and / o r position in the economic hierarchy of its society. Class position is both a cause and consequence of power relations, and closely associated with relative degrees of well-being.« (Castree et al. 2013, 62). Unter einer sozialen Schicht versteht man hingegen »im weiteren Sinn jedes Element vertikaler Ungleichheit. […] Im engeren Sinne versteht man unter Schicht ein Element vertikaler Ungleichheit, zu dem ein Mensch als Mitglied je nach der bei ihm vorhandenen Ausprägung von Eigenschaften eingestuft wird, die in der Gesellschaft

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tungen sozialer Gruppen vor. Nicht die äußeren Lebensstilbedingungen der Menschen stehen dabei im Vordergrund, sondern ihr Denken und Verhalten (vgl. Hradil 2001, 425). Allgemein geht die Konzeption sozialer Milieus von der Annahme aus, dass innerhalb eines sozialen Kontextes jeweils Lebensstile erzeugt und verbreitet werden, die mit bestimmten Handlungsformen und Repräsentationsweisen verknüpft werden (vgl. Hradil 2001, 426).25 Im Unterschied zu einem allumfassenden Milieubegriff, der darauf abhebt, dass die »Gesamtheit der äußeren, natürlichen (geographische Bedingungen, Klima) und der sozialen Umwelt (Normen, Gesetze, ökonomische und politische Bedingungen) des Einzelnen bzw. einer Gruppierung, die auf die Entwicklung, Entfaltungsmöglichkeit und die Modalität sozialen Handelns Einfluss nimmt« (Rammstedt 2011, 444), intendiert die Position von Hradil eine stärkere Eingrenzung. Demnach »fassen ›soziale Milieus‹ Gruppen Gleichgesinnter zusammen, die gemeinsame Werthaltungen und Mentalitäten aufweisen und auch die Art gemeinsam haben, ihre Beziehungen zu Menschen einzurichten und ihre Umwelt in ähnlicher Weise zu sehen und zu gestalten« (Hradil 2001, 45). In dieser Definition sozialer Milieus erkennt man deutlich die Rolle der Interaktion in der Wertschaffung und -verbreitung, aber auch die Effekte auf den Raum, der von den Milieuakteuren kodiert und gestaltet wird. Obwohl ein derartiger Milieubegriff die Kategorien »räumliche Nähe« und »persönliche Bekanntschaft« nicht explizit in seine Basisdefinition integriert (vgl. Hradil 2001, 45), wird das Milieu häufig als eine ortsgebundene institutionelle und soziale Struktur dargestellt. Es wird davon ausgegangen, dass mit der Entstehung eines Milieus jeweils soziale Interaktionen und eine lokale räumliche Dimension verbunden sind (vgl. Lessat 1998). Die in dem Milieu geteilten Vorstellungen, Überzeugungen, Handlungsorientierungen und Werte werden durch persönliche Interaktionen generiert und verbreitet. Die räumliche Nähe der Akteure erleichtert diesen Vorgang. Es wird angenommen, dass einander nahestehende Akteure dabei wichtige Kontext- und Sozialmerkmale miteinander teilen. Laut Janet Merkel (2008; 2012) sind Milieus stets sozialräumlich verankert, da sich »durch räumliche Nähe ein enger Kommunikationszusammenhang ergibt« (Merkel 2008, 71). Die räumliche Nähe ist jedoch eine fakultative Bedingung, d. h., sie kann zwar die Kommunikation und die Wert- und Lebensstilverbreitung durch die Akteure verstärken, ist aber nicht als unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung eines Milieus zu verstehen. Daher sind Milieus für die hier durchgeführte Betrachtung als Raumkonstrukt Vergemeinals wichtig angesehen werden. […] Soziale Folge der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht ist insbesondere ein jeweils entsprechend unterschiedlicher Zugang zu sozialen Ressourcen, Lebenschancen und Lebensstilen.« (Endruweit / B urzan 2014, 417) 25 | Für eine Vertiefung der Anwendung sozialer Milieus als analytisches Instrument in der sozialen Ungleichheitsforschung vgl. neben Hradil 2001 auch Burzan 2005.

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schaftungsformen, die eine hohe Intensität der Binnenkommunikation und -interaktion aufweisen (vgl. Matthiesen 1998) und deren wesentliche Merkmale die gemeinsamen Werthaltungen und Repräsentationsweisen sind, ebenso wie die Betrachtung der Akteure untereinander als Gleichgesinnte und die Präsenz einer von den Akteuren geteilten sozioökonomisch-institutionellen Struktur.

3.4.1 Kreatives / Innovatives Milieu Das Konzept des kreativen bzw. innovativen Milieus sucht die regionalen ökonomischen Unterschiede durch die Betrachtung formeller und informeller Interaktionen zwischen Akteuren zu erklären, die dieselbe sozioinstitutionelle Umgebung teilen. Die Interaktionen zwischen heterogenen Akteuren in diesem Kontext erleichtern die Entstehung von Kreativität und Innovation und schaffen daher einen strategischen regionalen Vorteil. In diesem Unterkapitel konzentriere ich mich auf den Begriff des kreativen bzw. innovativen Milieus26 als Raumkonstrukt, während ich im nächsten Unterkapitel die Grenzen seiner Anwendung darstelle. Die Übernahme von Milieubegriffen durch die Wirtschaftsgeografie ist mit einer Hinwendung der Forschung zu lokalen bzw. regionalen Wachstums- und Innovationsdynamiken verbunden. Letztere wurden als besondere institutionelle, ökonomische und soziale Interaktionen angesehen. Die ersten theoretischen Milieukonzepte gingen davon aus, dass lokale Produktionssysteme und -beziehungen jeweils auf Lernprozessen und intensivierter Innovationstätigkeit beruhten.27 Dadurch 26 | Die Adjektive »kreativ« und »innovativ« werden in der Literatur zum Thema verwendet, ohne dass ein deutlicher Unterschied der Begriffe erkennbar wäre. Deswegen werde ich hier zugunsten der Deutlichkeit nur eines der beiden Adjektive verwenden. 27 | Törnquist (vgl. 1983) definierte in diesem Zusammenhang als Erster den Begriff »kreatives Milieu«, der ab den 1980er-Jahren besonders von der GREMI-Forschungsgruppe auch unter dem Namen »innovatives Milieu« weiterentwickelt wurde. In diesem Unterkapitel wird der Begriff Milieu im Sinne von GREMI verwendet. Es wird dabei aber beachtet, dass es konkurrierende Begriffe gibt, die Vernetzung und Flexibilität der regional eingebetteten Akteure ebenfalls thematisieren, so wie der Begriff des Industriedistrikts. Der »Industriedistrikt« wurde von Alfred Marshall (vgl. 1907) eingeführt, der ihn durch kleine und mittelgroße Unternehmen charakterisiert sieht, die oft in einer industriellen Branche tätig sind. Seine Akteure sind gekennzeichnet durch eine hohe Spezialisierung, Flexibilität und Verflechtung sowie eine soziale Verbundenheit mit der Region (vgl. Beccattini 1991; Porter /  K etels 2009). In diesem Sinne kann der Industriedistrikt auch als eine bestimmte Form des Clusters bezeichnet werden (für die Unterschiede zwischen Cluster und Industriedistrikt vgl. Porter / K etels 2009). In der Forschung zu Industriedistrikten und flexibler Spezialisierung wurden Agglomerationen im Dritten Italien oft in Fallstudien thematisiert (vgl. Piore /  S abel 1984; Loda 1989; Storper 1997, 137-

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würde die Wettbewerbsfähigkeit einer Region positiv beeinflusst. Ein Milieu wäre dann als innovativ zu bezeichnen, wenn einschlägige Lernmechanismen ein hohes Potenzial für Innovationen schaffen würden (vgl. Camagni 1995). Eine wichtige Voraussetzung dafür sei ein dichtes Netzwerk von Beziehungen, in das die ökonomischen Akteure eingebettet sind (vgl. Camagni 1991b, 1995; Crevoisier / Maillat 1991; Fromhold-Eisebith 1995; Perrin 1991; Becattini 1991). Die Akteure des lokalen Produktionssystems entwickeln intern ein Netzwerk formalisierter Beziehungen, das die einzelnen Phasen der Produktion miteinander verbindet. Außerdem teilen die Milieuakteure einen sozialen und institutionellen Rahmen, der informelle Beziehungen, Normen, Gewohnheiten und Vertrauen beinhaltet (vgl. Becattini 1991). In der Definition des innovativen Milieus werden die ökonomischen Akteure mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen jeweils weiteren institutionellen Elementen zugeordnet. Dabei wird angenommen, dass es eine gemeinsame Milieukultur gibt und das Milieu als eine räumlich abgrenzbare Einheit in Erscheinung tritt (vgl. Fromhold-Eisebith 1995; Camagni 1991a, 1995). Daher wird das Milieu von Camagni definiert als »the set, or the complex network of mainly informal social relationships on a limited geographical area, often determining a specific external ›image‹ and a specific internal ›representation‹ and sense of belonging, which enhance the local innovative capacity through synergic and collective learning processes.« (Camagni 1991a, 3) 28

Die formalisierten Netzwerke, die sich zwischen den Unternehmen selbst sowie zwischen Unternehmen und Institutionen (wie z. B. F&E-Einrichtungen und Universitäten) entwickeln, werden in die Marktbeziehungen und Produktionsstrukturen des Milieus eingebettet. Darüber hinaus stellen sich die persönlichen, informellen Beziehungen als eine weitere Dimension des Milieus dar. Sie überlappen sich mit formalisierten Netzwerken, sodass die informelle Ebene als »supporting space« zusammen mit den funktionalen Verflechtungen des »market space« und »production space« (Ratti 1991, 72) einen komplexen Zusammenhang bildet. Dieser Zusammenhang führt einerseits zur Verringerung von Unsicherheit (vgl. Camagni 1991b) und andererseits zur Innovationsund Kreativitätssteigerung. Ausschlaggebend dafür ist ein deutlicher Zuwachs an Informationen und Wissen. Im Milieu bestehen dichte Kompetitions- und 147), die neben hoher Flexibilität und Vernetzung der Akteure auch deren soziale Einbettung in der Region zeigen. 28 | Eine andere Definition, die diejenige von Camagni ergänzt, stellt das Milieu dar als »complex of actors (firms, public administration, financial system, system of services) operating in a particular territory and recognised relations (both formal and informal) between them.« (Bramanti /  S enn 1991, 94)

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Kooperationsbeziehungen nicht nur aufgrund von formalisierten Netzwerken, sondern auch aufgrund der informellen Institutionen und geteilten Gewohnheiten (vgl. Beccattini 1991). Dieses »Milieu-Bewusstsein« (Fromhold-Eisebith 1995, 34) bildet eine zweite Bindungsform für die regionalen Akteure: Sie sind sowohl materiell als auch immateriell aneinander gebunden. Die industriellen Distrikte, die auf diese Weise entstehen, zeichnen sich durch eine kollektive Verflechtung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen aus. Das sogenannte Dritte Italien der 1960er- und 1970er-Jahre liefert dafür ein wichtiges Beispiel. Die Integration privater Beziehungen in ökonomische Tätigkeiten ist hier deutlich zu erkennen, so etwa dann, wenn die Familie statt eines einzelnen Unternehmens als eine zentrale soziale Grundform wirtschaftlicher Organisationen fungiert (vgl. Storper 1997, 137-146; Becattini 1991; Loda 1989; Schamp 2000, 70 ff.). Marktrelevante Beziehungen eines Akteurs zu einem anderen sind daher stets durch das Milieu vermittelt; sie kommen aufgrund von persönlichen Beziehungen zustande. Zugleich werden unternehmerische Risiken durch familiäre Beziehungen reduziert, mit dem Effekt, dass die Bereitschaft und Fähigkeit zur Innovation erhöht wird (vgl. Camagni 1991b). Die Milieubeziehungen bilden sich aber nicht ausschließlich intern, sondern können auch zwischen Milieuakteuren und externen Akteuren in mehr oder minder formalisierten Netzwerken entstehen (vgl. Markusen 1996). Letztere bringen neue Impulse ins Milieu, sodass sich unter anderem auch die internen Beziehungen weiterentwickeln können.29 Innovationen sind dann das Ergebnis interaktiver Prozesse, die exogene und endogene Konnotationen haben (vgl. Ratti 1991). Die Innovationsfähigkeit des Milieus ist somit wesentlich durch seine Offenheit für fachfremdes Wissen und externe Beziehungen gewährleistet (vgl. Camagni 1991b; Bathelt / Glückler 2002, 190 f.). Es kann zunächst resümiert werden: »The milieu brings together in a coherent whole a production system (technology, production, capital and market relations), a technical culture and protagonists. The coherence between the various protagonists consists of a common mode of apprehending situations, problems and opportunities. The spirit of enterprise, organisational practices, corporate behaviour patterns, ways of using technology, apprehending the market and know-how, are both an integral and constituent part of the milieu.« (Crevoisier / M aillat 1991, 19)

29 | Hier wird eine Übereinstimmung mit der Buzz-Pipeline-Theorie deutlich. Auch dort wird angenommen, dass durch einige fokale Akteure externes Wissen in das lokale System eingeführt wird, sodass die betroffenen Akteure davon profitieren können.

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Darüber hinaus werden dem Milieu eine gemeinsame Kultur und ein gemeinsames Repräsentationssystem zugeschrieben, zwei Elemente, die Interaktionen vereinfachen und Unsicherheiten reduzieren, sodass sich für die internen Lernprozesse und Innovationen ein kumulativer Effekt ergibt (vgl. Camagni 1991b, 1995). Das kreative Milieu ist folglich ein Modell zur Erklärung regionaler Entwicklungspfade und beinhalte die Idee, dass Netzwerke in einer Region verankert sind (vgl. Mundelius 2008, 41). In diesem Sinne entwickeln sich innovative Milieus vor allem in Stadtregionen, da Städte nodale Schnittstellen in den Informationsnetzwerken sind und Orte, an denen Markt- und Territorialinnovationsnetzwerke zusammenlaufen (vgl. Merkel 2008, 2012; Davelaar / Nijkamp 1989, 571; Perrin 1991, 44). Sie nehmen genauso wie Akteure und Institutionen auf, die aufgrund der räumlichen Nähe direkte und indirekte Beziehungen entwickeln können. Obwohl sie relevante Kontexte für die Entstehung innovativer Milieus bilden, müssen urbane Räume aber nicht als eine unmittelbare Voraussetzung dafür angesehen werden. Im Falle des Dritte Italien haben Kleinstädte hauptsächlich aufgrund ihres regionsspezifischen sozioökonomischen Kontexts (d. h. ihrer handwerklichen Tradition und der engen Verflechtung von Gesellschaft, Ökonomie und Politik) ein erfolgreiches Produktionsmodell hervorgebacht. Allein die Tatsache, dass die Beziehung zwischen Milieu und Raum in diesem besonderen Fall komplex und mehrdimensional angelegt ist, weist prinzipiell über einen engeren städtischen Kontext hinaus. Einflusspotenziale sind in beide Richtungen nachgewiesen worden, was Crevoisier unterstreicht: »Diese Konzeption des Milieus lässt sich nicht auf die Idee der Lokalität reduzieren, weil das Territoire 30 des Milieus aus Beziehungen in der Nähe (zum Beispiel die Dynamik des Know-how) und entfernteren Beziehungen (zum Beispiel mit dem Markt- und Technologie-Umfeld) besteht. Es besteht aber ein Unterschied zwischen den Funktionen dieser Beziehungen und den Modalitäten ihrer Mobilisierung. Dieser Unterschied schafft die räumliche Form des Milieus und seine lokale / g lobale Verankerung.« (Crevoisier 2001, 250, Hervorhebung im Original)

Es handelt sich hier nicht um physische Distanz oder Nähe, das Milieu hat immer eine relationale Dimension, die von den Beziehungen und den Ähnlichkeiten unter den Akteuren sowie von deren Fähigkeiten bestimmt ist, Knowhow (Wissen) und Ressourcen zu mobilisieren, obwohl die räumliche Nähe die Möglichkeiten für Informationsaustausch, informelle Beziehungen, ähnliche 30 | Bezüglich dieses Begriffes vermerkt der Autor: »[D]ie Begriffe territoire und approce territoriale lassen sich nur schwer übersetzen, weil das Wort Territorium im Deutschen anders konnotiert ist. Als Annäherung könnte Sozialraum und sozialräumlicher Ansatz dienen.« (Crevoisier 2001, 255, Hervorhebung im Original)

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kulturelle Einstellungen und Werte sowie persönliche Kontakte durchaus erhöht (vgl. Camagni 1991a, 1995).

3.4.2 Kreative Milieus als Raumkonstrukte Der Begriff des innovativen Milieus zielt unter anderem darauf ab, räumliche Konzentrationen von Unternehmen und ihre regionalen Unterschiede zu erklären. Milieus sind diesem Verständnis zufolge nicht klar vom Begriff des Clusters zu trennen. Vielmehr führen sie eine andere Perspektive auf die räumliche Nähe und ihre Bedeutung für regionale Entwicklungsdynamiken ein. Im Milieu sind neben den formellen Beziehungen zwischen den Akteuren des Produktionsprozesses auch informelle Beziehungen in einer besonderen sozioinstitutionellen Umgebung enthalten. Auf die Analyse von Clustern angewendet, rückt die Milieuperspektive die sozialen Interaktionen sowie die innerhalb lokaler Produktionssysteme geteilten Institutionen und Normen als Entwicklungsfaktoren in den Mittelpunkt des Interesses. Innovationen entstehen demnach milieuintern durch formell-ökonomische und soziale, lokal eingebettete Beziehungen. Beide können als einzigartige regionale Faktorkonstellationen von Produktionsprozessen angesehen werden. Wie bereits angesprochen, kennt der Ansatz »innovative Milieus« nicht nur offen konzipierte soziale Beziehungen, sondern auch den Begriff Netzwerk. Formelle Produktionsbeziehungen und informelle Milieubeziehungen werden in der Arbeit der GREMI-Forschungsgruppe auch als Netzwerke beschrieben (vgl. Camagni 1991b). Obwohl das »innovative Milieu« die soziale Ebene in die Analyse regionaler Produktionsstrukturen eingeführt hat, lässt dieser Begriff zwei theoretische Grenzen erkennen, die ihn für die Untersuchung der Produktionsstrukturen der Kreativwirtschaft, und insbesondere der Modebranche, als wenig geeignet erscheinen lassen. Zunächst wurde der Begriff des innovativen Milieus für die Darstellung der urbanen und regionalen industriellen Dynamik entwickelt, daher konzentriert sich seine Darstellungsfähigkeit hauptsächlich auf diese räumlichen Ebenen, während andere Elemente, wie temporäre Produktionsphasen oder überregionale Handlungspraktiken, nur schwer in den Milieubegriff integriert werden können. Zweitens steht hinter der Wirtschaftsdynamik und der Art Innovationsförderung durch das Milieu eine zirkuläre Argumentaiton: »Innovation occurs because of a milieu, and a milieu is what exists in regions where there is innovation.« (Storper 1997, 17) Darüber hinaus wird es auch kritisiert, dass wesentliche Dimensionen des Milieukonzepts, wie z. B. informelle persönliche Netzwerke und regionales Bewusstsein, in der Theorie zwar als wichtige Indikatoren der Milieupraxis beschrieben, in empirischen Erhebungen jedoch nur marginal oder indirekt herausgearbeitet werden (vgl. Fromhold-Eisebith 1995).

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3.5 R aumkonstruktionen zeitlich begrenz ter N atur : S zene und tempor äre C luster Das wissenschaftliche Interesse an Raumkonstrukten basiert auf der Betrachtung von räumlichen Ergebnissen ökonomischer und sozialer Interaktionen, die räumlich und zeitlich stabil sind. Es gibt aber auch Raumkonstrukte, die eine temporärere zeitliche Natur und eine höhere räumliche Labilität zeigen: Zwei dieser Konstrukte sind die Szene und der temporäre Cluster. Diese Raumkonstrukte ermöglichen ein erweitertes Verständnis der räumlichen Organisation und Interaktion der Akteure in den Produktionsprozessen der Kreativwirtschaft bzw. der Modedesignbranche. Der Begriff Szene kann in der ökonomischen Analyse der Kreativwirtschaft einige Aspekte der Produktion thematisieren, die mehr mit sozialer Interaktion und dem Austausch kultureller und symbolischer Werte verbunden sind (wie z. B. in gesellschaftlichen Subkulturen). Temporäre Cluster ermöglichen es, zeitlich begrenzte Raumkonstrukte z. B. Messen zu beleuchten, sodass auch wichtige Bestandteile der Modebranche, wie Modeevents und Fashion Weeks, analysiert werden können.

3.5.1 Szene Szene ist ein soziologischer Begriff, der informelle und temporäre Vergemeinschaftungsformen beschreibt, und zwar als thematisch fokussierte Netzwerke von Personen. Eine Szene ist definiert als »eine Form von lockerem Netzwerk; einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften. In eine Szene wird man nicht hineingeboren oder hineinsozialisiert, sondern man sucht sie sich aufgrund irgendwelcher Interessen selber aus und fühlt sich in ihr eine Zeit lang mehr oder weniger ›zu Hause‹. Eine Szene weist typischerweise lokale Einfärbungen und Besonderheiten auf, ist jedoch nicht lokal begrenzt, sondern, zumindest im Prinzip, ein weltumspannendes, globales […] Gesellungsgebilde bzw. eine ›globale Mikrokultur‹« (Hitzler / N iederbacher 2010, 15 f.).

Die Szene besteht also aus sozialen Netzwerken, die sich um bestimmte Interessen bzw. Themen entwickeln und eine zeitlich begrenzte Wirksamkeit zeigen. Sie beruhen auf freiwilligen temporären Wahlhandlungen. Dies bedeutet einerseits, dass die Mitglieder nicht den ganzen Tag bzw. jeden Tag in einer Szene aktiv teilnehmen, sowie andererseits, dass ein und dieselbe Person gleichzeitig Mitglied mehrerer Szenen sein kann.31 Die Beteiligung an Szeneevents 31 | Die Teilnahme und der Grad ihrer Intensität werden durch bestimmte Kommunikationsformen und die Anwesenheit an bestimmten Szeneorten bzw. -events markiert.

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zielt darauf ab, die anderen Teilnehmer zu sehen und von ihnen gesehen zu werden, um so als Szeneangehöriger anerkannt zu werden (vgl. Blum 2001).32 Szene ist auch ein theoretischer Begriff, der dazu genutzt wird, Handlungen und Vergemeinschaftungsformen kreativer Akteure und Unternehmer zu untersuchen und zu beschreiben (vgl. Lange 2005a, 2005b, 2006, 2007). Szenen stellen für kreative Unternehmer – die von Lange (vgl. 2006) sogenannten Culturepreneurs – sowohl Felder der Vergemeinschaftung als auch Märkte dar. Die Teilnahme an gemeinsamen Events und Projekten sowie die Entwicklung gemeinsam genutzter Symbole und Praktiken vereinfachen die Interaktionen, strukturieren zugleich die Produktionssysteme der Culturepreneurs (vgl. auch Lange / Bürkner 2010) und beeinflussen die Konsumorientierung der Teilnehmer. Deswegen sind Szenen, als Marktsegmente und ‑nischen betrachtet, nicht nur für Unternehmer und Kulturproduzenten von Bedeutung, sondern können auch in ihrer Rolle als Produktions- und Konsumrahmen kulturell kodierter Produkte positive Einflüsse auf urbane Ökonomien haben. Sie lassen sich daher leicht in die wirtschaftspolitischen Entwicklungsstrategien von Städten integrieren (vgl. Lange 2005b). Die Culturepreneure können in zwei unterschiedlichen Rollen jeweils Teil derselben Szene sein, d. h. sowohl als Produzenten als auch als Konsumenten der Produkte und Symbole, die innerhalb der Szene kursieren. Die Szenegänger nehmen durch Geschmacks- und Reputationsbildung großen Einfluss auf die Bildung kultureller und symbolischer Werte, die wiederum auf der Produktionsseite von den ökonomischen bzw. künstlerisch tätigen Akteuren vorangetrieben wird.33 Neben der Produktion von Symbolen und Lebensstilen beinhaltet eine derartige Szene auch eine ökonomische Ebene, die mit der Produktion von spezifischen materiellen und immateriellen Gütern verbunden ist, die in der Szene vermarktet und konsumiert werden. Oft können die Akteure, die in der WertHitzler und Niederbacher (vgl. 2010, 15 ff.) identifizieren vielfältige Bedeutungsformen: Szenen sind Gesinnungsgemeinschaften, thematisch fokussierte soziale Netzwerke, kommunikative und interaktive Teilzeit-Gesellungsformen, Szenen dienen der sozialen Verortung, haben ihre je eigene Kultur, sind labile Gebilde, haben typische Treffpunkte, sind Netzwerke von Gruppen, Szenen sind vororganisierte Erfahrungsräume, strukturieren sich um Organisationseliten, sind dynamisch, sie liegen quer zu bisherigen Gesellungsformen und großen gesellschaftlichen Institutionen. 32 | Dieses Merkmal ist, laut Blum (vgl. 2001), mit der Theatralität und performancebasierten Natur der Szene verbunden und kann meines Erachtens auch für die Interpretation der Handlungen und Teilnahme kreativer Akteure an thematisch fokussierten Events (wie z. B. die Teilnahme der Modedesigner an der Fashion Week) verwendet werden. 33 | Ein Beispiel dafür sind die Produktions- und Konsumformen elektronischer Musik (vgl. Lange / B ürkner 2010, 2013), die enge Interaktion und Mitwirkung des lokalen Publikums bei Musikerperformances voraussetzen.

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schöpfung aktiv sind, als Teilnehmer der Szene identifiziert werden, in der die Produkte hergestellt, getestet, angeboten und konsumiert werden. In diesem Sinne steht mit Szene ein theoretischer Begriff zur Verfügung, mit dessen Hilfe die Akteursnetzwerke in der Produktion und im Konsum von Kulturgütern zusammen betrachtet werden können. Der Begriff Szene wird auch zur theoretischen Beschreibung einiger Branchen der Kreativwirtschaft und ihrer Märkte verwendet, z. B. der Design- und Musikwirtschaft (vgl. Lange 2007; Lange / Bürkner 2010). Er eignet sich besonders zur Erfassung informeller, unstrukturierter Interaktionsformen, die mit Lebensstilen und alltäglichen Konsumformen verbunden sind. Dieser Szenebegriff könnte zur Beschreibung der Struktur und Aufgabe sozialer Netzwerke herangezogen werden. Dies wäre jedoch mit einer starken Bedeutungsreduktion verbunden. Szenen stellen in diesem Verständnis thematisch fokussierte Gebilde dar, während soziale Netzwerke dies in der Regel in geringerem Maße sind; sie haben eine größere Reichweite in der Thematisierung sozialer Zwecke und der Gestaltung der jeweiligen Interaktionen. Die informelle Ebene der Interaktion ist für die Szene von zentraler Bedeutung: Hier werden interne Informationen verbreitet, die neuesten Geschmackstrends diskutiert und Reputationshierarchien von Künstlern, Produkten, Produzenten und Medien verhandelt sowie zentrale Gegenstände symbolisch kodiert und dekodiert. Aus einer Netzwerkperspektive könnte gesagt werden, dass eine Szene das temporäre Produkt bestimmter sozialer und ökonomischer Netzwerke ist. Aufgrund ihres symbolproduzierenden Charakters haben Szenen jeweils Einfluss auf Orte, d. h. durch die Generierung territorialer Diskurse und die Kopplung mit kulturellen Symbolen, die durch Orte kodiert sind. Diese Kodierung, genauso wie die Szene selbst, hat einen flüchtigen Charakter, zeigt aber eine hohe symbolische Kraft, sodass die Szenenorte auch für Nichtteilnehmer deutlich zu erkennen sind.34 Da die Szene auf Interaktion und Austausch basiert, benötigt sie aber auch überdauernde Orte, an denen die Interaktion stattfinden kann und sich die Teilnehmer als Szenegänger (gegenseitig) zu erkennen geben. Obwohl die kulturelle Kodierung, die von den Interaktionen der Szenegänger generiert wird, ein wesentliches Element des Szenebegriffs ist, muss zwischen Produktionsszenen (d. h. an der Produktion orientiert) und offenen kulturellen Szenen (bzw. Publikumsszenen, die am Konsum orientiert sind) unterschieden werden. Beide Szenearten wirken an der gemeinsamen oder ähnlichen Symbolvorräteproduktion mit. Symbole werden somit auf zwei verschiedenen, aber dennoch verbundenen Ebenen produziert: in größeren Konsumenten-(Subkultur-)Szenen (bzw. offenen kulturellen Szenen) und 34 | Ein und derselbe physisch-materielle Ort kann auch von mehreren Szenen symbolisch genutzt werden; er kann daher mit einer Reihe unterschiedlicher Raumkonstruktionen verbunden sein (vgl. Löw 2001).

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in Produktionsszenen. Die Symbole der Konsumenten- oder Publikumsszenen werden von den Produzierenden adressiert, um passende (d. h. szenespezifisch kodierte) Produkte lancieren zu können. Gleichzeitig entwickeln die Produzenten untereinander aber auch Codes und Symbole, die von den Symbolen der allgemeinen Konsumenten abweichen und nur für die interne (meist elitäre) Kommunikation und Selbststilisierung genutzt werden. Deswegen kann auch lediglich die Teilnahme an der Szene, sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten, schon ein Ziel an sich sein, um sich als ein Teil davon zu fühlen und als solches anerkannt zu werden. Manchmal sickern derartige Kodes auch zurück in die allgemeinen Szenen und werden von den dortigen Konsumenteneliten aufgegriffen (so entstehen häufig Hypes). Daher kann die Szene auch als Handlungsraum der Unternehmen betrachtet werden, d. h. als Markt bzw. ökonomische Nische. Die Reichweite des Szenebegriffs für die Beschreibung ökonomischer Strukturen und Prozesse ist naturgemäß begrenzt. Viele Branchen und Produktionsnischen lassen sich nur teilweise als Szenen beschreiben. Außerdem können einzelne Phasen der Produktion szeneförmig verlaufen oder organisiert sein, während andere unabhängig von den umgebenden Szenen bleiben. Die Modebranche lässt sich nicht als »reine« Szene darstellen, da etliche Produktionsschritte nach traditionell-industriellem Muster in Werkstätten, in direkter Kommunikation mit anderen Produzenten sowie unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden (vgl. D’Ovidio 2010). Nur bestimmte szenenahe Treffen oder Veranstaltungen werden von den Akteuren als Begegnungsorte der Branche genutzt. Dort spielt die Symbolkodierung oder die kollegiale Anerkennung anderer Modedesigner häufig eine doppelte Rolle: als offen vorgezeigte Repräsentation für eine offene Szene ebenso wie als Möglichkeit der ökonomischen Produktpräsentation und der Pflege von Geschäftsbeziehungen. Letztere kann von einer deutlichen Trennung zwischen Produktion und Konsum gekennzeichnet sein. Eine Vergemeinschaftung bildet in der Regel keine unmittelbare Voraussetzung dafür. Wenn beispielsweise die Anfangsphase der kreativen Entwicklung einer Kollektion oder die Endphase des Konsums Teile einer oder unterschiedlicher Szenen sind, so können andere Phasen des Produktionsnetzwerkes mit ausschließlich industrieller Prägung deutlich zu erkennen sein und nicht mehr unter die Szenedefinition fallen. Ebenso wie der Produktionsverlauf innerhalb eines einzelnen Unternehmens nicht durchgängig als szeneabhängig oder -bezogen dargestellt werden kann, sind auch die Szenebezüge einer ganzen Branche oder Teilbranche eher locker und punktuell angelegt.35 35 | Grüne Mode oder die von Popkünstlern vermarktete Streetwear können beispielsweise eine höhere Szeneaffinität für sich beanspruchen; Letztere dürfte aber kaum ein ganzes Produktionsnetzwerk oder die gesamte Modedesignbranche prägen.

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3.5.2 Temporärer Cluster Internationale Messeveranstaltungen bringen die Akteure einer Branche zusammen, die an unterschiedlichen Standorten wirtschaften. In diesem zeitlich begrenzten institutionellen Rahmen können sie miteinander interagieren und ihre Produkte zeigen. Die Messeveranstaltungen bilden dann relationale Räume, in denen die wirtschaftlichen und kreativen Prozesse stets sozial konstruiert sind. Analog zu Szenen handelt es sich um temporäre, kollektiv und individuell gewählte Proximitätsformen zwischen Akteuren, die im Alltag geografisch oder technologisch voneinander entfernt sind (vgl. Rinallo / Golfetto 2011). Die Messeveranstaltungen ermöglichen es den Teilnehmern, sowohl neues Wissen und neue Partnerschaften auf der Grundlage von Face-to-Face-Interaktionen zu gewinnen als auch andere Teilnehmer und Konkurrenten auf einer internationalen Ebene zu beobachten. Diese zeitlich und räumlich begrenzten Events werden temporäre Cluster36 genannt, da ihre Informations- und Wissensflüsse ähnlich wie diejenigen der permanenten Cluster strukturiert sind, allerdings mit einer vorgegebenen zeitlichen Limitierung (vgl. Maskell et al. 2004, 2; Bathelt / Schuldt 2005). Temporäre Cluster fungieren ebenso wie permanente Cluster als räumliche und strukturierende Kontexte der Interaktion von Unternehmen innerhalb einer Wertschöpfungskette oder -konfiguration, inklusive der beteiligten Netzwerke. Temporäre Cluster sind Räume der Präsentation und Interaktion der Akteure, in denen Wissensproduktion und -austausch stattfinden (vgl. Bathelt / Zakrzewski 2007). Bei der Analyse der relationalen Elemente und Produkte von Messeveranstaltungen werden aufgrund der behaupteten Ähnlichkeit mit dauerhaften Clustern dieselben Begriffe wie für die Clusterbeschreibung verwendet, hauptsächlich »vertikale / horizontale Beziehungen« und »Wissen«. Bei Messeveranstaltungen, als temporären Clustern, entstehen zwischen den Akteuren vertikale und horizontale Beziehungen, die zur Netzwerkbildung führen, was zu einer relationalen Nähe, Face-to-Face-Interaktionen und Wissenstransfer führen kann (vgl. Rinallo / Golfetto 2011). Mit den horizontalen Beziehungen (zu Konkurrenten oder Akteuren derselben Phase der Wertschöpfung) kann man Informationen über Produkte und Strategien der Konkurrenten gewinnen, um selbstkritisch über die eigene Produktion zu reflektieren und Entscheidungen über zukünftige Investitionen und Innovationen zu treffen (vgl. Bathelt / Zakrzewski 2007; Rinallo / Golfetto 2011). Diese Interaktionen finden während der Events mit hoher Intensität statt (vgl. Rinallo / Golfetto 2011). Das primäre Ziel 36 | Power und Jansson (2008) bevorzugen den Begriff »cyclical Cluster« für Messen, um deren Relevanz für die Markt- und Unternehmensorganisation einer Branche zu betonen, während andere Autoren (vgl. Lange et al. 2014; Lampel / M eyer 2008) den Begriff »field configuring events« nutzen.

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vieler Messeveranstaltungen ist aber die Generierung vertikaler Beziehungen. Dies bedeutet, dass ausstellende Unternehmen mit ihren Kunden und Zulieferern in Kontakt treten (vgl. Bathelt / Zakrzewski 2007). Diese Begegnungen ermöglichen, zusätzlich zu routinemäßigen Kontakten, einen Informationsaustausch über Markttrends, Erfahrungen ebenso wie über die Qualität der eigenen Produkte. Sie helfen insbesondere dabei, Ideen für Produktverbesserungen zu entwickeln (vgl. Rinallo / Golfetto 2011; Bathelt / Zakrzewski 2007). Neben Beziehungen zu bestehenden Partnern werden in temporären Clustern auch neue Kontakte zu potenziellen Partnern aus anderen Regionen geknüpft. Die Interaktionen, die während der Messen stattfinden, generieren zwei Elemente, die für die teilnehmenden Akteure von Bedeutung sind. Erstens wird Wissen geschaffen, das aus neuen Beziehungen und der Pflege etablierter Kontakte entsteht, sodass aus einer Netzwerkperspektive formuliert werden kann, dass neues Wissen hier aus der Erweiterung des persönlichen Netzwerkes und der »Aktivierung« von Knoten entsteht, die bereits zum Netzwerk gehören. Zweitens spielen Messeveranstaltungen eine identitätsstiftende Rolle für die Branchenteilnehmer, da sich hier communities of practice treffen, die ungezielte Wissenstransfers generieren: Sie erzeugen einen globalen Buzz37 (vgl. Schuldt / Bathelt 2009; Bathelt / Schuldt 2008); außerdem bilden sich auf Messen trotz der zunächst ungerichteten Kommunikation fokussierte Communitys: »Auf Messen kommen sowohl communities of practice […] als auch epistemic commmunities […] zusammen, die über eine erhebliche Schnittmenge an gemeinsamem Verständnis, Visionen und Erfahrungen verfügen.« (Schuldt / Bathelt 2009, 242, Hervorhebung im Original). Die internationalen Messen sind zentrale Knoten der globalen Ökonomie (vgl. Schuldt / Bathelt 2009; Bathelt / Zakrzewski 2007), die in einer raumzeitlichen Abgrenzung von den branchenüblichen Alltagsroutinen jeweils Wissenstransfers, Netzwerkkontakte und die Entstehung einer spezifischen Branchenidentität ermöglichen. Der Begriff »temporärer Cluster« hat den Vorteil, dass die strukturbezogenen Kategorien der Clusteranalyse (wie vertikale / horizontale Beziehungen und Wissen) auf die Untersuchung der Produktionsbeziehungen zeitlich be37 | Der globale Buzz (vgl. Li 2011; Bathelt /  S chuldt 2008), der in temporären Clustern entsteht, unterscheidet sich vom lokalen Buzz (vgl. Storper / Venables 2002; Bathelt et al. 2004) permanenter Cluster. Auf der lokalen Ebene stellen die Wissensformen, die die Clusterakteure in ihrer expliziten und impliziten Form miteinander teilen, eine Eigenschaft der permantenten Cluster dar, die sie von anderen unterscheidet und die als Wettbewerbsvorteil gilt. Demgegenüber besteht der globale Buzz aus dem Wissensaustausch der Akteure einer Branche, die sich abseits institutionalisierter Beziehungen treffen. Damit wird ein erweiterter gemeinsamer Wissensbestand generiert, der zusammen mit den Interaktionen und der Teilnahme an den Messeveranstaltungen die Zugehörigkeit der Akteure zu einer community of practice festigt.

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grenzter Veranstaltungen übertragen werden können. Damit kann man nicht nur lokale Unternehmenskonzentrationen analysieren, sondern auch temporäre regionale und internationale Branchenveranstaltungen.38 Außerdem nimmt man so auch angelagerte Strukturierungsprozesse in Augenschein, z. B. im Zusammenhang mit vertikalen Beziehungen, die zwischen räumlich voneinander entfernten Akteuren entstehen (Pipeline), oder formelle und informelle Wissensflüsse innerhalb der Branche (Buzz), die hier quasi gebündelt werden. In diesem Sinne stellt das Konzept temporärer Cluster zusammen mit der Buzz-Pipeline-Theorie die Möglichkeit zur Verfügung, eine Erklärungslücke zu schließen: Temporäre Cluster vermitteln demnach zwischen lokalen Agglomerationen und intraregionalen sowie globalen Produktionsnetzwerken. Mit temporären Clustern werden als Rekonfigurationsorte bzw. Orte der potenziellen Neuentstehung globaler Netzwerke thematisiert, gleichzeitig wird die soziale Ebene der Interaktionen hervorgehoben. Daher können auch Modeevents39 als temporäre Cluster angesehen werden, insbesondere in ihrer Rolle als Rekonfigurationsorte der professionellen Netzwerke der Modebranche. Die Akteure können die Teilnahme an diesen Events 38 | Es gibt noch keine akzeptierte Klassifikation oder Typisierung der Messeveranstaltungen; für eine Literaturübersicht zum Thema vgl. Bathelt / Z akrzewski 2007. Die beiden Autoren schlagen zwei Klassifikationsmerkmale vor: den Einzugsbereich der Messeveranstaltungen (international, national, regional) und ihre Art (Investitionsgütermesse, Dienstleistungsmesse, Konsumgüterfachmesse, Konsumgüterverkaufsmesse), die »Aussagen über die Ziele der Aussteller erleichtert« (Bathelt / Z akrzewski 2007, 19). Eine andere Klassifikation unterscheidet zwischen import- und exportorientierten Veranstaltungen; je nach den teilnehmenden Akteuren werden Events dabei als regional, national oder europäisch klassifiziert (vgl. Rinallo / G olfetto 2011). 39 | Während einer Fashion Week finden in der Stadt viele unterschiedliche modebezogene Veranstaltungen statt (unter anderem Showrooms, Catwalks, tradeshows und Partys), die Möglichkeiten bieten, Personen und Produkte aus der Modewelt kennenzulernen sowie sich Branchenwissen anzueignen und auszutauschen. Dies ist eine Gelegenheit für Einkäufer, neue Kollektionen der Designer zu sehen und zu bestellen sowie die Designer kennenzulernen, und gleichzeitig eine Gelegenheit für die Designer, die Aufmerksamkeit der (Fach-)Medien zu erregen. So bietet die Fashion Week ein Raum-Zeit-Fenster, in dem Designer, Medien, Journalisten und Einkäufer sich treffen können, wobei es mehr darum geht, Kontakte zu knüpfen und Bestellungen für weitere Produktionsphasen zu vereinbaren, als direkt zu verkaufen. In der Modebranche gibt es neben Fashion Weeks oder Modemessen auch Stoffmessen, die für die Produktionsorganisation vieler Designer bzw. Labels relevant sind. Dort werden die Stoffe für die jeweiligen Produkte ausgewählt und Kontakte zu den Stofflieferanten geknüpft. Auf dieser Art von Messen sind aber die Interaktionsdynamiken unterschiedlich, da die Designer als Kunden daran teilnehmen und diese Events sich vor allem an ein Fachpublikum richten.

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auch nutzen, um andere Messeteilnehmer zu sehen und um gesehen zu werden. Sie signalisieren ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche bzw. Community, weil die Modemessen »help reproduce the community of fashion workers, bringing them together to circulate and ›perform‹ fashion knowledge.« (Entwistle 2010, 8) In diesem Sinne können Messeveranstaltungen auch als temporäre Raumerscheinungen eines Milieus oder einer Szene erscheinen, die an die professionellen Netzwerke einer Wirtschaftsbranche gebunden sind bzw. dort entstanden sind, oder als community of practice, indem z. B. etwas Gemeinsames aufgrund der Tätigkeiten und Branchenkultur geteilt wird. Darin zeigen sich die konzeptionellen Grenzen des Begriffs temporärer Cluster. Der Terminus ist prinzipiell für ein breites Spektrum an potenziell beschreibbaren Fällen geeignet, sodass sich eine schwache Erklärungskraft im Detail ergeben kann. Somit weisen die Begriffe »Wissen« und »vertikale / horizontale Beziehungen«, wie schon für die permanenten Cluster dargestellt, nur auf allgemeine Interaktionsstrukturen und -ergebnisse hin und müssen jeweils empirisch gefüllt werden. Darüber hinaus trifft die Darstellung der Messeveranstaltungen, die mit dem temporären Cluster einhergehen, nur zum Teil auf den Fall der Modebranche zu, weil hier nicht alle Akteure an branchenspezifischen Messen teilnehmen. Andere Strategien, die nicht mit einer Teilnahme an einer Fachmesse verbunden sind, werden durch den Begriff »temporärer Cluster« a priori ausgeschlossen, sodass ein Teil der Akteure einer Branche als repräsentativ für die gesamte Branche dargestellt wird. Des Weiteren sind die Modeevents – die Fashion Week, die Modemessen sowie auch andere Messen, z. B. die Stoffmesse – unvermeidlich nur ein Teil des Produktionsnetzwerks. Daher können an ihrem Beispiel auch nur Teile der Strukturen und Prozesse aufgezeigt werden, die die Entwicklung und auch die Räumlichkeit der Modebranche beeinflussen.

3.6 Z wischenfa zit In diesem Kapitel habe ich mich mit den Raumkonstrukten auseinandergesetzt, die in der Beschreibung der räumlichen Konzentrationen sozialer und ökonomischer Akteure der Kreativwirtschaft, inklusive der Modedesignbranche, von Bedeutung sein können. Es wurde festgestellt, dass die dargestellten Raumkonstrukte nicht in der Lage sind, einen zufriedenstellenden konzeptionellen Rahmen für die räumliche Konzentration der Modedesignakteure und ihrer Interaktionen über den gesamten Produktionsprozess hinweg zu liefern. Alle dargestellten Raumkonstrukte bringen, obwohl sie notwendige Elemente der territorialen und sozioökonomischen Darstellung der Formen räumlicher Konzentration sind, auch theoretische Unstimmigkeiten bzw. Verallgemeinerungen mit sich. Diese können vor allem dann irreführend oder nicht zutref-

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fend sein, wenn sie kontextfrei aufgefasst und beispielsweise nicht dezidiert auf die Interpretation der Produktionsformen in der Modedesignbranche abgestellt werden. So kann die Raumkonfiguration der betrachteten Akteure zwar einige Eigenschaften aus vorab definierten Raumkonstrukten aufweisen, aber grundsätzlich fehlinterpretiert werden, solange nicht die Produktionsstruktur und die darauf bezogenen Interaktionsformen berücksichtigt werden. Eine gültige Rekonstruktion würde in jedem Falle eine Analyse der feld- bzw. kontextbezogenen Interaktionsformen und der zurechenbaren Raumkonstrukte erfordern. Erklärungsdefizite bestehen vor allem im Hinblick auf zwei Sachverhalte: Erstens lassen sich Produktionsphasen, die auf verschiedenen Maßstabsebenen stattfinden, nur schwer mithilfe eines Begriffes erfassen, der die Akteursinteraktionen lediglich auf einer einzigen Maßstabsebene darstellen kann. Zweitens sind besondere soziale Beziehungsformen außerhalb der Orte räumlicher Konzentration inklusive ihrer direkten und insbesondere indirekten Rollen für die Gestaltung der Produktion schwer durch die diskutierten Raumkonstrukte zu beschreiben. Darüber hinaus wurde Wissen als weitere Kategorie problematisiert. Es handelt sich um einen Begriff, der aus der bisherigen Engführung der wirtschaftsgeografischen Debatte um die strategischen Vorteile von Clustern und anderen Agglomerationsformen befreit werden sollte, um unter anderem die weiter gefasste Beschreibung der Interaktionsergebnisse zwischen Akteuren zu ermöglichen. Produktionswissen wird durch die Interaktion zwischen Akteuren generiert und stellt oft einen immateriellen strategischen Vorteil für Akteure dar, die einander räumlich nah sind (insbesondere durch Face-toFace-Interaktionen). In den dargestellten Raumkonstrukten wird Wissen aber hauptsächlich als Ergebnis der (formellen oder informellen) Interaktion zwischen Akteuren in einer ökonomischen Beziehung (d. h. sowohl in vertikalen als auch horizontalen Beziehungen) konzipiert. Dennoch können vor allem außerökonomische soziale Beziehungen (z. B. mit Freunden oder der Familie) für die konkrete Ausprägung der Produktionsstruktur der Kreativwirtschaft von Bedeutung sein, die von dem dort verwendeten Wissensbegriff ausgenommen bleiben. Eine partielle Ausnahme stellt das Konzept der Szene dar. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Raumbezüge des Produktionsnetzwerks in der Modedesignbranche nicht durch die analytische Rekonstruktion eines einzelnen Raumkonstrukts abgedeckt werden können. Dies würde lediglich zu einer partiellen Darstellung der Produktionsstrukturen und ihrer konstitutiven Beziehungsformen beitragen. Dieses Problem kann umgangen werden, indem nicht das Raumkonstrukt als zentrales Element der Rekonstruktion etabliert wird, sondern die Beziehungen zwischen den im Produktionsprozess involvierten Akteuren, d. h. vor allem ihre Netzwerke.

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3.7 K ultur - und K re ativ wirtschaf t in urbanen R äumen Die Annahme, dass die urbane und regionale Wirtschaftsentwicklung von kulturellen und kreativitätsbezogenen Produktionen profitieren kann, hat das Interesse an der Kultur- und Kreativwirtschaft gefördert, insbesondere seit den 2000er-Jahren (vgl. Florida 2002, 2005; Landry 2000). Die Branchen, die unter dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft erfasst werden können, sind sehr heterogen – vom Modedesign bis zur Gamingindustrie, von der Musikproduktion bis zur bildenden Kunst, von der Werbung bis zum Verlagswesen (vgl. DCMS 2001; Senat WiTF 2014; BMWi 2015). Sie weisen jedoch einige Gemeinsamkeiten auf: Die individuelle Kreativität und die Relevanz symbolischer Aspekte für die Wertschöpfung sind zentrale Elemente der Arbeit in diesen Branchen. Jede Branche hat mithin ihre besonderen Merkmale sowie ihre eigenen Innovationsund Kreativitätsformen (vgl. Sunley et al. 2008), dennoch identifiziert die Politik die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Raumkonstrukte als pauschal strategische Elemente für urbanes Wirtschaftswachstum. Obwohl branchenspezifische Strukturen im Produktionsprozess zu erkennen sind, fügen sich die Produktionsnetzwerke der Branchen der Kreativwirtschaft im Ganzen oder auch nur zum Teil in urbane Kontexte ein. Diese urbanen Kontexte der Produktion spielen eine wichtige Rolle im Produktionsnetzwerk, weil die Interaktionen der kreativen Akteure mit den materiellen und symbolischen Dimensionen der Stadt, genauso wie die Interaktion mit anderen Akteuren derselben oder anderen kreativen Branchen, sowohl ihre wertschöpfenden Handlungen im Produktionsprozess als auch die Eigenschaften der Produkte beeinflussen können. Diese Interaktionen der kreativen Akteure und ihrer Produktionsnetzwerke mit der Stadt können auch, z. B. aufgrund des Austausches unter den Akteuren und der Integration in lokale Netzwerke, zur Entstehung lokalisierten Wissens und lokaler Handlungsformen führen, die unter anderem strategische Standortvorteile und urbanes Wirtschaftswachstum generieren. Gleichzeitig  – wenn statt der intraurbanen Ebene die interurbane bzw. überregionale Ebene betrachtet wird – können Städte als Rekonfigurations- und Entwicklungsorte von überregionalen und globalen Produktionsstrukturen betrachtet werden. Daher sind in dieser zweiten Perspektive die dynamischen lokalisierten Interaktionen und die damit verbundenen Produktionsstrukturen als Grundlage des Wettbewerbs zwischen Städten zu verstehen, weil darin die Möglichkeit einer urbanen Wirtschaftsentwicklung liegt. Die Beziehungen zwischen kreativen Branchen und urbanem Wachstum sind komplex und nicht linear, daher werden in diesem Kapitel die Interaktionen zwischen kreativen Akteuren, ihren Produktionsnetzwerken und dem urbanen Raum erörtert, sodass die Elemente und Phasen des Produktionsnetzwerks in ihrer räumlichen Konfiguration in Verbindung mit der regionalen

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Wirtschaftsdynamik gebracht werden. Vorher ist aber eine Diskussion des Kultur- und Kreativwirtschaftsbegriffes notwendig.

3.8 K ultur - und K re ativitätsbegriffe aus einer stadtökonomischen P erspektive Was die sehr unterschiedlichen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft verbindet, ist die menschliche Kreativität, die in dem Herstellungsprozess der Produkte eine zentrale Rolle spielt und die sich in den Produkten widerspiegelt. Produkte können materielle Objekte sein (wie ein Kleid, eine Musik-CD oder ein Designstuhl) oder Dienstleistungen (wie eine Party oder ein Theaterstück; vgl. DCMS 2001; Senat WiTF 2014; BMWi 2015). Diese Produkte weisen als wichtigste gemeinsame Eigenschaften symbolische bzw. kulturelle Attribute auf, die eine zentrale Rolle in der Wertschöpfung und Wahrnehmung dieser Produkte spielen. Unter dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft werden unterschiedliche Wirtschaftszweige kreativer und kulturell basierter Branchen zusammengefasst, es gibt jedoch keine allgemein akzeptierte Definition. Außerdem gibt es auch andere Begriffe  – Kulturökonomie, creative industries, Kulturwirtschaft und kreative Klasse –, die verwendet werden, um die Sektoren und die Menschen zu beschreiben, die von ihren kreativen Fähigkeiten leben. Die Herkunft dieser Begriffe ist unterschiedlich; genauso unterschiedlich sind auch die impliziten Bedeutungen und die Anspielungen, die mit diesen Begriffen verbunden sind. Deswegen ist es nützlich, deutlich zu machen und zu verstehen, was mit jedem dieser Begriffe gemeint ist.

3.8.1 Kulturökonomie, creative industries und Kultur wirtschaft Das Interesse der Wirtschaftsgeografie an der Kulturwirtschaft geht insgesamt mit dem sogenannten cultural turn und der Neuen Kulturgeografie einher; allgemein ist eine Hinwendung zu kulturellen Aspekten und Dimensionen ökonomischer Praktiken festzustellen (vgl. Mossig 2005, 100). Es gibt verschiedene Begriffe, die diese Aspekte thematisieren, und obwohl eine inhaltliche Trennung zwischen den Begriffen »Kulturökonomie und -wirtschaft« sowie »creative industries« schwer zu ziehen ist, zeigen sie unterschiedliche Herkünfte, Definitionsschwerpunkte und Anwendungen.

Kulturökonomie Der Begriff Kulturökonomie ist ursprünglich analytisch-akademisch und wird für die Beschreibung der »verstärkt[en] einsetzende[n] Ökonomisierung und ökonomische[n] Inwertsetzung von kulturellen Produkten in der Spätmoder-

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ne« (Lange 2007, 76 f.) verwendet. Dieser Begriff bezieht sich auf eine bestimmte Interpretation der Kultur, die mit der These der commodification of culture verbunden ist, d. h. »die weltweite Durchsetzung der Marktgesellschaft auch in Form der marktförmigen Produktion von Kulturgütern und der marktbezogenen Selbststilisierung der Individuen im Wettbewerb um soziale Positionen unter der Vorherrschaft einer Mediatisierung gesellschaftlicher Kommunikation, Konsummuster und Lebensstile.« (Krätke 2002, 7)

Als Hinweis auf das Zutreffen dieser Theorie sowie auch als Folge des beschriebenen Prozesses wird die Verschmelzung von Kultur und Markt erkannt, wobei diese beiden (analytischen) Ebenen nicht mehr als sauber voneinander getrennte Einheiten betrachtet werden können. Mit anderen Worten: Um verstanden zu werden, muss die Kulturproduktion als Teil eines politisch-ökonomischen Prozesses aufgefasst werden (vgl. Mitchell 2000, 84). Der Begriff des commodification of culture verbindet die unterschiedlichen Massenproduktionen von Kulturgütern (z. B. in den Bereichen Musik, Theater, Film, TV), die Teil der allgemeinen Hoffnungen auf andauerndes wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungswachstum sind (vgl. Lange 2007, 77). Die ökonomischen Güter werden mit Symbolen bzw. symbolischen Werten assoziiert, die in diesen Produkten eine höhere Relevanz im Vergleich zu den physischen Merkmalen haben, sodass »competition thus increasingly shifts from the ›use-value‹ of (tangible) products to the ›sign-value‹ of (intangible) brands« (Lash / Urry 1994, 122). Der symbolische Wert der Güter, der durch Marketingstrategien (vgl. Helbrecht 2005, 131) und Lebensstilpraktiken (vgl. Lange 2007, 77) erzeugt wird, hat eine doppelte Funktion in Bezug auf den Konsum: Auf der einen Seite werden den Gütern Symbole zugeschrieben, die für eine bestimmte Zielgruppe von Bedeutung sein können; auf der anderen Seite werden durch den Konsum der Güter innerhalb von Milieus und Szenen (bzw. innerhalb eines sozialen Interaktionsrahmens) Kodes und Symbole bereitgestellt, die Zugehörigkeitsgefühle durch ihren Konsum schaffen. Im ersten Fall richtet sich das Gut nach seinem Publikum, im zweiten Fall richtet sich das Publikum nach dem Gut, bedingt durch sein Interesse an der Zugehörigkeit zu einer erkennbaren Konsum- und Lebensstilgruppe. Diese beiden Möglichkeiten sollen nicht im Sinne eines Entweder-oder verstanden werden, da es wahrscheinlich ist, dass beide Richtungen dieser Relation zwischen Symbolen und Gütern gleichzeitig in einem einzigen Fall vorkommen können. Die Kulturökonomie umfasst nicht nur die Kunstproduktion, sondern auch die Kulturindustrie (hier nicht im Sinne der Frankfurter Schule), Liveperformances und die bildenden Künste (vgl. Benhamou 2004, 16). Hier werden die Kulturprodukte in einer ökonomischen klassifikatorischen Perspektive verstanden, in der die materiellen Produkte der Künste und die Veranstaltungen,

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die Einrichtungen und die Performances, die einen Konsum dieser künstlerischen Produkte erlauben, als Teile einer spezifischen Wirtschaftsbranche verstanden werden. Unter Kulturökonomie werden die klassischen Künste gefasst, die Kulturindustrie (Literatur, Musik, Kino), die darstellenden Künste und die Liveperformances, die Angebote für die Kulturgüternachfrage darstellen, während die Medien (Rundfunk, Fernsehen, Presse, Internet) ausgeschlossen sind (vgl. Benhamou 2004). In der deutschsprachigen Wirtschaftsgeografie wird eine weiter gefasste Definition der Kulturökonomie verwendet, die sich – auf bauend auf den Arbeiten von Allen J. Scott (vgl. 1996; 2000)  – an den jeweiligen Produktionsaktivitäten orientiert. Neben die schönen und bildenden Künste (Theater, Literatur, Malerei) treten dabei solche Aktivitäten, bei denen die resultierenden Produkte und Dienstleistungen Ergebnis der Entfaltung persönlicher Fähigkeiten und Vorlieben sind, individuelle Unterhaltungsformate darstellen (z. B. Unterhaltungsindustrie, Medienwirtschaft) oder sich aus Tätigkeiten der Weitergabe sozialer und kultureller Botschaften ergeben (z. B. Werbewirtschaft; vgl. Mossig 2005, 101). In diesem Sinne sind diese Branchen als Branchen der Kulturökonomie (vgl. Krätke 2002) oder als cultural industries (vgl. Scott 1996; 2000) identifizierbar. Neben Eigenschaften der Beziehungen zwischen Produkten und »Herstellern« sind auch die Modalitäten des Konsums sowie die Beziehungen zwischen Produkten und Konsumenten von Bedeutung. Viele Güter und Dienstleistungen der Kulturökonomie sind, so Mossig (vgl. 2005, 106), von der Nichttrivialität im Konsum gekennzeichnet, d. h., dass der Konsum eines Produktes nicht andere Konsumenten ausschließt, auch wenn gleichzeitig dasselbe Produkt konsumiert wird. Die ökonomische Besonderheit dieser Eigenschaft ist, dass »bei einem Erfolg des Produkts die Audience leicht vervielfacht werden, ohne dass zusätzlich nennenswerte Produktionskosten entstehen« (Mossig 2005, 106). Diese Eigenschaft ist z. B. bei Konzerten und bei Museumsbesuchen zu erkennen. In einer solchen Konsumstruktur gibt es soziale Mechanismen und Strukturen, die mit dem Konsum bestimmter kultureller Güter verbunden sind, z. B. die Etablierung einer Szene durch Menschen, die dieselbe Musik hören bzw. die in dieselben Clubs gehen (vgl. Hitzler / Niederbacher 2010). Zur Kulturökonomie werden, meistens in einer standortorientierten Definition des Begriffes, nicht nur die Kulturschaffenden, sondern auch die Institutionen gerechnet, die die Interessen der Künstler vertreten oder die Kunstwerke und das Publikum zusammenbringen, z. B. Museen (vgl. Benhamou 2004; Hartley 2005, 30). Folglich werden in dem Begriff der Kulturökonomie öffentliche (Museen) und private (Künstler) Akteure vereinigt. Die Berücksichtigung öffentlicher Kultureinrichtungen ist nicht im Sinne einer unternehmerischen Perspektive zu verstehen, sondern als Attraktionsfaktor im Sinne weiterer öko-

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nomischer Vorteile, z. B. Tourismus, oder als Inspirationsfaktor für Unternehmer und Arbeiter, die kreative Stimuli für ihre Tätigkeiten benötigen.

Creative industries Der Begriff creative industries hat, im Vergleich zu denjenigen der Kulturökonomie und Kulturindustrie,40 keinen akademischen, sondern einen politischen Ursprung. Die creative industries sind mit der Kulturpolitik von Tony Blairs La40 | Der Begriff der Kulturindustrie wurde von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno eingeführt und erschien das erste Mal in Dialektik der Aufklärung (vgl. Horkheimer / A dorno 1969). Für die beiden Autoren hat das Konzept eine negative Bedeutung und bezeichnet die Massenproduktion kultureller Güter. Diese Art der Produktion habe auch gesellschaftliche Folgen: Sie sehen in der Massenproduktion des Kunstwerkes eine Verringerung des Wertes jedes Kunstwerkes, da der (sowohl monetäre als auch künstlerische) Wert in der Einzigartigkeit des Werkes selbst liegt, denn »zur allgemeinen Struktur der Kulturindustrie gehören die Standardisiertheit, Monotonie und der Warencharakter der Kultur« (Moebius 2009, 49). Die Realisierung eines neuen kulturellen Produktes wird im Zeitalter der Kulturindustrie als Verbindung unterschiedlicher, standardisierter Teile verstanden. Eine Folge des Konsums massenhaft produzierter kultureller Produkte wird z. B. in einer verminderten Kritikfähigkeit der Kunstadressaten gesehen (vgl. Horkheimer /  A dorno 1969). Aus dieser Perspektive ist der freie Denker eine Gefahr für die Massengesellschaft, da er nicht uniformiert denkt. Die Kulturindustrie bietet, laut Horkheimer und Adorno, Mittel an, um alternative, ungewollte kritische Denkweisen bzw. Tätigkeiten zu vermeiden und eine allgemein verbreitete Moral zu entwickeln. Die Produkte der Kulturindustrie, obwohl in größerer Anzahl verfügbar, werden so realisiert, dass sie keine intellektuellen Anreize, Schwierigkeiten oder Anstrengungen verlangen, um konsumiert zu werden, damit wird der Verbraucher nicht zum Denken stimuliert. Die Möglichkeiten einer Befreiung aus diesem verbreiteten Kultur-als-Unterhaltungssystem ist, so die Analyse von Horkheimer und Adorno, nicht vorauszusehen. Die ersten kritischen Beiträge zu massenhaft produzierten Kulturgütern bzw. Kunstwerken stammen aus der Philosophie. Zur technischen Reproduktion des Kunstwerkes hat Walter Benjamin (vgl. 2004) einen wichtigen Beitrag geleistet: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Darin hebt Benjamin hervor, dass durch die technischen Möglichkeiten, ein Kunstwerk zu reproduzieren (z. B. Fotografie oder Film), die Natur des Kunstwerkes selbst verändert wird. Die Aura eines Kunstwerks sei »an die Einzigeartigkeit und einmalige Präsenz im Hier und Jetzt gebunden« (Lehnert 2013, 99). Benjamin beschreibt die Verkümmerung der Aura eines Kunstwerkes durch seine technische Reproduktion (vgl. Benjamin 2004, 13). Nicht nur die »Natur« des Kunstwerkes wird verändert, sondern auch »das Verhältnis der Masse zur Kunst« (Benjamin 2004, 32) verändert sich, und in diesem neuen Verhältnis sieht Benjamin einen Handlungsraum für den Einfluss politischer Kräfte auf die Massen. Der Begriff der Kulturindustrie zielt auf eine kritische Betrachtung der Kommodifizierung der Kunst (vgl. Hesmondhalg / P ratt 2005, 3), während

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bourpartei in den 1990er-Jahren zu verbinden.41 Anknüpfend an die Arbeit von Holert und Terkessidis (vgl. 1996), merkt Lange (vgl. 2007, 79) an, dass die Interpretationsüberlappung aufgrund der unscharfen Definition des Begriffs Kulturindustrie zu einer neuen Positionierung des Begriffes Kultur geführt hat. Die Unterschiede zwischen Hoch- und Subkultur wurden dabei aufgeweicht. Die wahrgenommenen Wertunterschiede, die sich auf der sozialen Ebene aus dem Konsum kultureller Artefakte ergeben und einen unterschiedlichen Grad an »Wichtigkeit« der konsumierten Produkte anzeigen, werden im Creative-industries-Begriff bewusst »bekämpft«. Laut Lange verband sich »dieser Begriff von ›Kultur‹ […] mit Marktwerten und dadurch mit der Möglichkeit, mit Kulturprodukten komplexe Wertschöpfungsketten zu generieren« (Lange 2007, 79). 1998 wurden die Ergebnisse der Arbeit der Creative Industries Task Force in dem mapping document der britischen Regierung präsentiert und die Liste der betrachteten Sektoren vorgestellt: Werbung, Architektur, Kunst und Antiquitäten, Kunsthandwerk, Design, Designermode, Film und Video, interaktive Unterhaltungssoftware (Games), Musik, darstellende Künste, Verlagswesen, Software und Computerdienstleistungen, Fernsehen und Rundfunk (vgl. DCMS 2001). Hier werden Sektoren betrachtet, die vor der Zuordnung zu den creative industries zu den traditionellen Kulturindustrien und Künsten gehörten. Hinzugenommen wurde zudem der Telekommunikationssektor, der im Zuge der digitalen Revolution neue Formen der Produktion und Distribution nutzt (vgl. Lange 2007, 80). Die creative industries umfassen knowlege industries, information industries und intellectual property industries, ohne dass eine strukturelle Homogenität oder spezifische Verfahren zu erkennen sind (vgl. Lange 2007, 80). Die Definition der creative industries in dem mapping document bleibt daher recht allgemein: »Those industries that have their origin in individual creativity, skill and talent and which have a potential for wealth and job creation through the generation and exploitation of intellectual property.« (DMCS 2001, 5) Der Fokus dieser Definition liegt auf einzelnen Personen und ihren Fähigkeiten (»individual creativity, skill and talent«), die »von unten« die entsprechenden Wirtschaftssektoren bilden. Dies kehrt die Perspektive im Vergleich zu allen Definitionen um: Dort wurde zunächst ein homogener Sektor (z. B. die Autoindustrie) betrachtet und erst danach die zugehörigen Personen. Eine intuitive die dazugehörige Kultur- und Gesellschaftskritik meistens auf akademische Debatten beschränkt bleibt (vgl. Lange 2007, 76). 41 | Das Konzept creative industries vereint zwei ältere Begriffe: die kreativen Künste und die Kulturindustrie (vgl. Hartley 2005, 6), dieser Ausdruck wurde im politischen Sinne von der (New) Labour Party verwendet, bevor der Begriff cultural industries verwendet wurde, um dieselben Tätigkeiten und Branchen zu bezeichnen, ohne dass eine offizielle Erklärung für diesen Wechsel gegeben worden wäre, obwohl ein impliziter Wille politischer Abgrenzung deutlich ist (vgl. Pratt 2005).

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Folge dieser kurzen Definition der creative industries ist die große Heterogenität der nachfolgend betrachteten Sektoren. Diese Sektoren weisen dennoch gemeinsame Eigenschaften bezüglich der Produktion und Wertschöpfung auf. John Hartley (vgl. 2005) präsentiert ein pyramidenförmiges Modell, in dem die creative industries in Beziehung zu ihrer Wertkette in der Kulturindustrie als Anfangspunkt (Pyramidenspitze) dargestellt sind (Abb. 1); die creative industries stehen in dieser Darstellung in der Mitte, sodass sie auch die Kulturindustrie beinhalten, und die Distributionsindustrie bildet die Pyramidenbasis, die zusammen mit den anderen beiden Teilen die Copyrightindustrien darstellen.42 In diesem Schema sind die creative industries auf eine allgemeine Wertkettenstruktur bezogen, die kreative und nichtkreative Tätigkeiten verbindet, obwohl die Verallgemeinerung dieser Darstellung und die implizierte Linearität zu groß sind, um die Produktionsbeziehungen in den einzelnen Branchen einzubeziehen. Die Kreativität ist der Input einer Wertkette bzw. Produktionsstruktur und hauptsächlich in den ersten Phasen der Produktion zu finden, wobei keine Wirtschaftsbranche oder Produktions- und Wertschöpfungsprozesse von Anfang bis Ende »kreativ« sind. Um das Besondere der Kreativität zu betonen, modifiziert Mundelius das Schema von Hartley und setzt auf die Pyramidenspitze die Künstler. Dadurch wird deutlich, dass Kreativität ein notwendiger Input des Produktionsprozesses ist, aber die Kreativität immer mehr abnimmt, je weiter man in der Pyramide nach unten geht (vgl. Mundelius 2006, 11 f.; Hartley 2005). Nach Andy Pratt besteht die Rolle der creative industries in dem mapping document meistens in der Eröffnung neuer Fördermöglichkeiten und der Förderung wirtschaftlicher Anerkennung für die beteiligten Branchen. AndererseitsAndererseits sei die Wertschätzung der creative industries in jüngerer Zeit darauf zurückzuführen, dass »Wissen« als neuer Wettbewerbsvorteil in einer weiter gefassten Handels- und Industriewirtschaft angesehen wird (vgl. Pratt 2005, 33). Die creative industries würden neben anderen klassischen Wirtschaftsbereichen (z. B. Hightech, Biotechnologien und Pharmaindustrie) als künftige Entwicklungsmotoren regionaler Ökonomien interpretiert. Sie spielten aus diesem Grund eine wesentliche Rolle in den politischen Diskursen und in der Entwicklungspolitik. Auch wegen der Rolle der creative industries als regionale Entwicklungs- und Regenerierungsmotoren (vgl. Hesmondhalgh / Pratt 2005, 5) ist Pratt überzeugt von der Unmöglichkeit einer allgemeinen und für alle geltenden Definition der creative industries: »[T]here is no universal defini42 | Die Teile der von Hartley gezeichneten Wertkettenpyramide sind wie folgt definiert: Kulturindustrien sind durch öffentliche politische Funktionen und Fördermaßnahmen charakterisiert; creative industries sind von der Natur des Inputs, d. h. von kreativen Individuen, abhängig; Copyright-Industrien sind von der Assetnatur und den Outputs abhängig (vgl. Hartley 2005, 30).

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tion as cultural formations are situated in spaces and times; the answer must be locally, culturally and politically defined« (Pratt 2005, 33). Abbildung 1: Schema der Wertkette in der Kreativwirtschaft und Copyright-Industrie und ihre Beziehung zu kreativen Akteuren

Quelle: Mundelius 2006, eigene Darstellung

Die Definitionsschwierigkeiten werden auch in der Analyse von Bastian Lange hervorgehoben, in der er behauptet: »Kultur und ihre Akteure werden romantisiert und idealisiert, sie arbeiten weithin mit einem isolierten begrifflichen Verständnis des Künstlers als Genie. Die Creative Industries repräsentieren dagegen ein kulturpolitisches Konzept, bei dem es nicht um autonome Kunst und Kultur als öffentliches Gut geht, sondern um direkt kommerziell verwertbare kreative Leistungen einerseits und um Modifizierung des in den Kulturindustrien vorherrschenden Verständnisses von vormals auf breiter Basis staatlich geförderter Kultur andererseits.« (Lange 2007, 81)

Kultur wirtschaft Der Begriff der Kulturwirtschaft fand in den 1990er-Jahren in Deutschland große Aufmerksamkeit durch entsprechende Berichte der Bundesländer – der erste Kulturwirtschaftsbericht kam 1992 in Nordrhein-Westfalen heraus (vgl. Lange 2007, 77).43 Diese Berichte hatten das Ziel, die Standortpotenziale von 43 | Mit der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder am 14. und 15. Dezember 2009 wurde eine bundeseinheitliche Definition der Branchen und ihrer Teilmärkte beschlos-

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Kulturbetrieb und Wirtschaft sowie auch das Verhältnis der öffentlich geförderten und privatwirtschaftlichen Kulturbranchen zu analysieren. Bastian Lange hebt hervor, dass in diesen Berichten die Grundannahme zu erkennen ist, dass die private Kulturwirtschaft von dem mit öffentlichen Kulturausgaben geförderten kreativen Potenzial profitiert (vgl. Lange 2007, 78). Eine zweite Grundannahme der Kulturwirtschaftsberichte ist, dass die regionale Wirtschaftslage von der öffentlich geförderten Kultur- und Kreativbranche profitieren kann (vgl. BMWi 2012a, 4 f., 2012b, 1 f.).44 Im Kulturwirtschaftsbericht der UNESCO45 für Deutschland findet man eine weitere allgemeine Definition der Kulturwirtschaft: »The concept of culture industries comprises all enterprises and self-employed persons whose economic activities focus on the production, dissemination and intermediation of artistic and cultural products or services. In other words: all sub-sectors and market segments that are related to ›culture in a wide sense‹, e.g. music industry, publishing in-

sen (vgl. BMWi 2012b). Diese Entscheidung, die sich auf den Schlussbericht der Enquete-Kommission (2007) stützt, identifiziert folgende Branchen: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Kunst, Designwirtschaft, Arkitekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt, Software- und Games-Industrie. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur für die ökonomische Darstellung Deutschlands und der Bundesländer, sondern auch für urbane Ökonomien ein relevantes Thema und wird als Wachstumsmotor betrachtet, sodass die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur in Berlin, Hamburg und Bremen, sondern auch in anderen deutschen Großstädten wie München, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart, Köln und Dortmund thematisiert wird. 44 | Die Kulturökonomie regt auch das wissenschaftliche Interesse für Organisationsformen an, die in ihren Branchen als dynamische und flexible Vorbilder dienen können, insbesondere im Vergleich zu anderen Branchen, die nicht zur Kulturökonomie gehören (vgl. BMWi 2012a, 2012b). Zu den Vertretern dieser Auffassung gehört Stephan Krätke (2002a, 8), der folgendes Argument formuliert hat: »Die Kulturökonomie der Gegenwart kann als ›Vorreiter‹ der Restrukturierung von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsformen betrachtet werden, indem sie institutionelle Formen der kreativen und wissensbasierten Produktion, der flexibilisierten Arbeit sowie der Kreuz- und Quervermarktung von neuen Produkten in immer kürzeren Zyklen hervorbringt, die sich künftig in vielen Zweigen gesellschaftlicher Arbeit durchsetzen könnten.« 45 | Die UNESCO war die erste Einrichtung, die die Kulturindustrie in einem internationalen politischen Rahmen interpretiert hat, vor allem in Bezug auf die ungleiche Nord- / S üdverteilung kultureller Ressourcen. Die UNESCO hob die wirtschaftliche Dimension der Kultur und ihren Einfluss auf die Entwicklung hervor (vgl. Hesmondhalgh /  P ratt 2005, 3).

3 Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte und das kreative Feld der Stadt dustry, arts, film industry, etc. […] The culture industries include, for example, all market-oriented economic enterprises.« (Fesel / S ödermann 2007, 16)

Hier wird die Breite der beteiligten Branchen offensichtlich. Dieser Begriff bezeichnet Tätigkeiten aus unterschiedlichen Wirtschaftssektoren sowie unterschiedliche Phasen der Wertschöpfung (Produktion, Dienstleistung und Distribution). In diesem Verständnis unterscheidet sich die Kulturwirtschaft hinsichtlich ihrer sektoralen Heterogenität von traditionellen Industriebranchen wie der Auto- oder Chemieindustrie (vgl. Fesel / Södermann 2007, 11). Dieser Unterschied leitet unter anderem die Formierung der Kulturwirtschaftsdefinitionen innerhalb unterschiedlicher politisch-kultureller Kontexte an. Im angelsächsischen Raum bezieht sich die Definition der Kulturwirtschaft mehr auf die Design-, Neue-Medien-, Gaming- und Werbesektoren (vgl. Fesel / Södermann 2007, 9), während sie sich im französisch- und deutschsprachigen Raum auf die öffentlich geförderte Kultur und die (öffentlichen) Kultureinrichtungen konzentriert.46 Die Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft werden vom BMWi (vgl. 2009) als zwei getrennte, aber miteinander verbundene Sektoren betrachtet (vgl. Fesel / Södermann 2007; Benhamou 2004) und als Einheit thematisiert. Im Zusammenhang mit der Kulturwirtschaft werden folgende Branchen genannt (seit 2009 bundesweit anerkannt): Verlagsgewerbe, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Künstler und sonstige Gruppen, Journalisten- und Nachrichtenbüros, Museen und Kunstausstellungen, Handel mit Kulturgütern, Architekturmarkt, Designwirtschaft. Dagegen werden zu den Kreativbranchen der Werbemarkt und die Software- und Gamingindustrie gerechnet. Als Kulturwirtschaft werden diejenigen Sektoren bezeichnet, die eine deutliche Verbindung zu »klassischen« künstlerischen Aktivitäten und den Kontakt von Künstlern zum Publikum haben. Für die Kreativwirtschaft wird angenommen, dass die menschliche Kreativität eine zentrale Rolle in den Produktionsprozessen spielt, auch wenn sie sich nicht in rein künstlerischen Ausdrucksformen niederschlägt. Beide Wirtschaftsbereiche werden als untereinander verfloch-

46 | Auch die Beziehungen zwischen der Kulturwirtschaft und der Kulturpolitik sind nicht unproblematisch, besonders aufgrund der Annahmen und Vorstellungen, die politische Handlungen im Kulturbereich beeinflussen und diese von Alltagspraktiken ablenken können. Darunter erkennt man die romantische Idee des isolierten Künstlergenies, der in Armut und für die Liebe zur Kunst lebt; die Kultur als öffentliches Erbe, das für alle erhalten werden muss; der wahre Wert eines Kunstwerks kann nur von Experten erfasst werden und nicht durch den Markt (vgl. Benhamou 2004); die Idee, die Kultur sei gut für die Seele und die Kunst habe einen zivilisierenden Effekt (Hesmondhalgh /  P ratt 2005, 7).

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ten verstanden und dargestellt, deswegen wird oft von Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen, wie z. B. vom BMWi: »Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und /  o der medialen Verbreitung von kulturellen / k reativen Gütern und Dienstleistungen befassen. […] Der wirtschaftlich verbindende Kern jeder kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivität ist der sogenannte schöpferische Akt. Damit sind alle künstlerischen oder kreativen Inhalte, Werke, Produkte, Produktionen oder Dienstleistungen gemeint, die als wirtschaftlich relevanter Ausgangskern den elf Teilmärkten zugrunde liegen.« (BMWi 2009, 3 f.)

In dieser Definition ist die Schwierigkeit zu erkennen, eine klare Trennung zwischen zugehörigen und ausgeschlossenen Branchen vornehmen zu können. Auch innerhalb der einzelnen Produktionsprozesse und Wertschöpfungen ist eine Trennung zwischen kreativen bzw. künstlerischen Tätigkeiten und nichtkreativen Produktionsphasen schwierig.

3.8.2 Die kreative Klasse: das Konzept Richard Floridas und seine kritische Rezeption Das Interesse der Politik an der Kultur- und Kreativwirtschaft hat zwei Gründe: die schnellen Zuwachsraten (vgl. Mossig 2005) und die urbane Qualität dieser Sektoren. Denn einerseits sind Unternehmensgründungen in vielen kreativen Bereichen nicht mit hohen Einstiegskosten verbunden, andererseits zeichnen sich diese Sektoren mit ihrer Konzentration auf die Städte im Allgemeinen durch umweltfreundliche Produktionsprozesse aus (vgl. Scott 2008). Bezüglich dieser Eigenschaften kann es zwischen den einzelnen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft natürlich auch große Unterschiede geben. Die Entwicklungsdynamiken zwischen Stadt, Kultur- und Kreativwirtschaft wurden durch die Arbeiten des amerikanischen Wirtschaftsgeografen Richard Florida bekannt, ebenso die Entstehung der sogenannten kreativen Klasse. Kreative Arbeit ist durch neue Ideen, Technologien und kreative Inhalte sowie durch komplexes problem solving gekennzeichnet (vgl. Florida 2002, 8). Florida sieht die kreativen Arbeiter als wesentliche Träger einer neuen kreativen Klasse, die mit ihrer Arbeit »add economic value through creativity« (Florida 2002, 68). Laut Florida brauchen talentierte und kreative Menschen eine tolerante und kulturell vielfältige Umgebung, um ihr Potenzial entfalten zu können. Eine solche Umgebung fördert die unternehmerische Vielfalt und den Wettbewerb in kreativen und wissensbasierten Branchen, wodurch über den unternehmerischen Erfolg hinaus auch das regionale Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert sowie die Anziehungskraft für andere Kreative erhöht werden (Talent,

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Technologie und Toleranz sind die »3 Ts«, aufgrund derer regionales Wachstum entsteht). Diese These bezieht sich auf spezifische regionale Verhältnisse (z. B. lokale Gesellschaften und Kulturen, besondere Stadtentwicklungspolitiken) – in diesem Falle solche, wie sie in den USA oder anderen angelsächsischen Ländern zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorherrschten (vgl. Oakley 2004, 5 ff.). Sie wurde jedoch auch in anderen politischen Kontexten umstandslos rezipiert. Die Thesen von Florida wurden von verschiedenen Autoren kritisiert (vgl. Krätke 2011; Glaeser 2005; Fritsch / Stützer 2007; McRobbie 2002; Törnqvist 2004; Peck 2005; Scott 2006a; Storper / Scott 2009). Bemängelt wird, dass der Begriff Klasse in Floridas Vergleich zwischen kreativer Klasse und anderen sozialen Klassen nicht eindeutig verwendet wird: Florida unterscheidet zwischen der kreativen Klasse, der Serviceklasse, der Arbeiterklasse und der Landwirtschaftsklasse (vgl. Florida 2002, 74). Der Begriff der Klasse basiert auf Arbeitsformen und Einkommensgruppierungen (vgl. Krätke 2011, 40); dies trifft jedoch nicht auf die kreative Klasse zu, die als ökonomisch heterogene Gruppierung künstlerische bzw. hochgebildete Arbeiter umfasst. Kreativität wird zunächst mit Kompetenzen assoziiert, die meistens mit einem Universitätsabschluss einhergehen (man sieht hier die Überlappung mit dem Begriff des Humankapitals). Kreativität beschreibt jedoch, was die Menschen machen, und nicht, was sie wissen (vgl. Glaeser 2005; Törnqvist 2004). Auch die Beziehung zwischen regionalen Eigenschaften, sozialen Prozessen und ökonomischem Erfolg ist fraglich. Insbesondere alle lineare Beziehung zwischen Künstlern vor Ort und der Attraktivitätssteigerung dieses Ortes für andere Kreative wird angezweifelt (vgl. Fritsch / Stützer 2007). Die von Florida als sicher gesetzte Annahme, dass Offenheit und Toleranz im kreativen Sektor die Norm sind, wird ebenso in Frage gestellt. Kategorien wie Geschlecht, Ethnie und Alter können auch in diesen Sektoren als Diskriminierungskriterien gelten (vgl. McRobbie 2002). Ein weiterer Kritikpunkt kommt von Peck (vgl. 2005) in Bezug auf die Beziehungen zwischen lokaler Politik und ökonomischem Erfolg; hier können sich erhebliche soziale und räumliche Spaltungen auftun. Darüber hinaus betonen Storper und Scott (vgl. 2009) die Rolle des jeweiligen historischen und ökonomischen Pfades einer Region oder einer Gesellschaft für die Entwicklung ökonomischer urbaner Systeme.

3.9 D ie ökonomische R olle der K re ativität 3.9.1 Urbaner Wettbewerb Das Interesse für die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie für Raumkonstrukte kreativitätsbasierter und wissensintensiver Branchen kann auf die ideologische Grundannahme eines urbanen und regionalen Wettbewerbs zurückgeführt

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werden. Diese Annahme47 ist von Turok präzise beschrieben worden: »The idea of competitiveness implies identification of a fundamental determinant of place prosperity, i. e. the basis for sustainable growth in modern economies. Competitiveness is not really an end in itself, more an indication of the drivers and dynamics of economic success.« (Turok 2004, 1070) In diesem Sinne wird Wettbewerbsfähigkeit als Indikator für ökonomisches Wachstum und Wohlstand der Städte interpretiert, d. h. die Fähigkeiten der Sektoren einer Stadt, überregionale und globale Märkte zu erreichen, wobei gleichzeitig die Lebensqualität auf einem bestimmten Niveau gehalten wird (vgl. Lever / Turok 1999). Die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt kann mit der Produktivitätssteigerung ihrer oder anderer Regionen, mit denen sie ökonomische Beziehungen unterhält und dadurch gemeinsam positive Wachstumseffekte generiert, einhergehen (vgl. Ciampi 1996, 144). Zwischen ökonomischen Akteuren und Events verschiedener Städte auf der gleichen hierarchischen Ebene gibt es Wettbewerb (vgl. Cuadrado-Roura / Rubalcaba-Bermejo 1998; Gordon 1999), da die Positionierung der Städte in internationalen Netzwerken eine wichtige Rolle für lokale ökonomische Tätigkeiten spielt (vgl. Amin / T hrift 2002; Moretti 2013). In den Städten wird Wissen  – durch verschiedene Akteure und Netzwerke – ausgetauscht, gleichzeitig können die Unternehmen voneinander lernen, miteinander konkurrieren und kooperieren, obwohl sie in unterschiedliche regionale Entwicklungsformen und historische Pfade eingebunden sind (vgl. Hall 1998; Massey 1984; Krugman 1996a; Martin / Sunley 1996). Die Wettbewerbsfähigkeit der Städte ist abhängig von der räumlichen Konzentration der Akteure spezifischer Wirtschaftsbranchen und von der sozialen und kulturellen Diversität, die »plays a fundamental role, both as a potential source of novelty and as a valuable asset providing complementary capabilities. In this way, the cumulative, localized nature of know47 | Es gibt zwei entgegengesetzte Ansichten darüber, ob Wettbewerb zwischen Städten stattfindet, die von Porter und Krugman vertreten werden. Auf der einen Seite ist Porter (vgl. 1995, 1996) der Meinung, dass Städte und Regionen miteinander in Wettbewerb stehen, z. B. um Investitionen, Tourismus, Events. Als Instrumente des Wettbewerbs dienen den Städten z. B. qualifizierte Arbeitskräfte, eine effiziente Infrastruktur, der Immobilienmarkt, die Umwelt- und Lebensqualität. Auf der anderen Seite argumentiert Krugman (vgl. 1996c, 1996b), dass Wettbewerb nur zwischen Unternehmen stattfinden kann, nicht zwischen Städten, die jeweils nur Orte sind, an denen Firmen angesiedelt sind. Der Ausgang des Wettbewerbs wird durch Kosteneffizienz, Innovation, Marketing und andere interne Unternehmensfaktoren entschieden, während die Städte nicht vom unternehmerischen Wettbewerb beeinflusst werden. Ortsattribute können als Bedürfnisse oder als Voraussetzung der Firmen für den Wettbewerb dienen, die Städte spielen jedoch keine aktive Rolle im unternehmerischen Wettbewerb (vgl. Lever / Turok 1999; Begg 1999; Boddy 1999).

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ledge creation and learning has been extended from the organizational to the territorial level.« (Boschma 2004, 1006) Die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt bzw. Region ist direkt mit ihrer ökonomischen Basis verbunden, die sich vor allem auf die eigene Infrastrukturausstattung und Regulierung stützt. Diese können die lokale wirtschaftliche Vielfalt fördern, obwohl Branchen- und Kompetenzentwicklungen auch mit spezifischen historischen Phasen und Pfaden verbunden sein können (vgl. Boschma 2004, 1010). Der Wettbewerb urbaner Systeme hat an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch eine gestiegene Verflechtung urbaner und regionaler Ökonomien, die in zwei Elementen der Globalisierung zu identifizieren ist: erhöhte Mobilität des Kapitals und offene Nationalmärkte. Öffnungsprozesse entstehen, weil urbane und regionale Ökonomien durch erhöhte Importe und Exporte und ausländische Direktinvestitionen stärker miteinander verflochten sind (vgl. Turok 2004). In diesem Sinne werden unternehmerische Effizienz und Spezialisierung auf lokaler Ebene als strategische Wettbewerbsvorteile der Städte gedeutet, die ihre Position in globalen Produktionsnetzwerken und Märkten sichern sollen. Ian Gordon identifiziert vier Aspekte, die das urbane System der Wettbewerbsbeziehungen zusammenfassen: • der hierarchische Charakter der Stadt; • die Schemata der (horizontalen) Spezialisierung bzw. Differenzierung, der Aktivitäten und Ortsproduktionen; • die funktionale Arbeitsteilung; • die Rolle der Netzwerke zwischen Städten (vgl. Gordon 1999, 1003). Der Wettbewerb zwischen Städten sowie zwischen Regionen weist eine komplexe Dynamik auf, dies ist jedoch nur ein Teilaspekt urbaner Phänomene, weil Städte und Regionen komplexere Strukturen als diejenigen in Unternehmen haben. Sie sind stets auch durch andere Akteure und Elemente gekennzeichnet, die nicht wettbewerbsabhängig sind. Mithilfe von Gordons Gliederung kann man zwei Ebenen der Interaktion unterscheiden, die als »urbaner Wettbewerb« bezeichnet werden können: Auf der ersten Ebene gibt es die Unternehmen mit ihrer Produktionsorganisation, die Cluster und andere Raumkonstrukte, sodass durch Spezialisierung, auch dank spezialisierter Arbeitskräfte, die Stadt eine bestimmte Position in urbanen und professionellen Netzwerken einnehmen kann. Auf der zweiten Ebene handeln Städte und Regionen, um ihre Infrastruktur und Institutionen zu stärken, die wiederum die erste unternehmerische Ebene positiv beeinflussen können. Diese beiden Ebenen fördern das urbane Wirtschaftswachstum sowie ein spezifisches Image der Stadt und der Region. Dieses Image (z. B. das Image einer kreativen und kulturellen Stadt) wird auch durch den Auf bau architektonischer Wahrzeichen und gezielter Stadtmarketingkampagnen realisiert, die unter anderem mit der Veranstal-

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tung großer Events (z. B. Olympische Spiele, Europäische Kulturhauptstadt, Expo) verbunden werden (vgl. Evans 2003; De Carlo et al. 2009; Cochrane / Jonas 1999). Die beiden Ebenen sind miteinander verbunden, aber sie entwickeln ihre eigenen Netzwerke und Wettbewerbsformen, die sich nur zum Teil gegenseitig beeinflussen. Ein Berührungspunkt zwischen der Ebene der Stadt und den angesiedelten Firmen ist durch die Personen gekennzeichnet, die auf dem Arbeitsmarkt als Unternehmer, Angestellte und Selbstständige agieren, die eigene Bedürfnisse und Freizeitinteressen haben. Der Begriff der kreativen Stadt ist aus der Perspektive des urbanen Wettbewerbs zu interpretieren, da Kreativität sowohl in akademischen Debatten als auch auf politischer Ebene oft als Eigenschaft für Innovationen, wirtschaftliches Wachstum und kulturelle Vielfalt verstanden wird (vgl. Batten 1995; Florida 2002, 2005; Hall 2000; Landry 2000; Scott 2000, 2006a), während räumliche Konzentrationen von Unternehmen der Kreativ- und Wissenswirtschaft als Motoren des urbanen Wachstums gekennzeichnet werden. Die Interaktionen zwischen diesen Elementen sind aber komplexer, deshalb muss man sich zuerst mit dem Aspekt der Kreativität und dann mit der kreativen Stadt auseinandersetzen.

3.9.2 Kreativität, Innovation und Lernen Die akademische und politische Diskussion über die Kultur- und Kreativwirtschaft hat die Kreativität als potenziellen wirtschaftlichen Faktor hervorgehoben. Die Begriffe Lernen, Innovation und Kreativität (vgl. Scott 2010) sind ausschlaggebend für das Verständnis wesentlicher Aspekte kreativer Produktionsprozesse und ihrer Verbindung mit dem relationalen Raum der Städte. Lernen meint die Akquisition, welche die Individuen und die Organisationen in Bezug auf den Erwerb von neuem (implizitem und explizitem) Wissen, Informationen und Fähigkeiten betreiben. Das reicht aber nicht aus, um Innovation zu generieren, wenn Innovationen aus einer ökonomischen Perspektive definiert werden als »the search for, and the discovery, experimentation, development, imitation and adaptation of new products, new production processes and new organisational set-ups« (Dosi 1988, 222). Innovation ist also das Ergebnis eines Erneuerungsprozesses (vgl. Segler 2000), der im Lernen (oft in der interaktiven Form der Beobachtung, des Vergleichs und der Kommunikation) und in der kreativen Anwendung des gewonnenen Wissens seinen Ursprung und immer ein relatives Ergebnis hat. Ein Produkt oder eine Idee ist nur im Vergleich mit etwas anderem, etwas Besserem innovativ bzw. neu. Wenn etwas neu geschaffen wird, wird es mit ähnlichen Produkten bzw. Ideen oder Bedürfnissen verglichen, um somit die Innovation als solche anzuerkennen. Deswegen braucht die Innovation nicht nur Kreativität, sondern auch ein Publikum oder Experten, die die Qualität der Innovation anerkennen und bewerten: Das

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wird unter anderem in der Kunst deutlich, wo Künstler von Kritikern »bewertet« werden. Ähnliche Mechanismen sind aber auch in der Wirtschaft zu erkennen, wo neue Produkte von Experten und Konsumenten getestet werden, oder in der Wissenschaft, wo neue Ideen der wissenschaftlichen Gemeinschaft unterbreitet werden. Selbstverständlich hat jede Branche ihre eigenen Evaluationsmechanismen und Bewertungskriterien. Innovation ist als Ausdruck menschlicher Kreativität und gelernter Fähigkeiten also nur in einem (sozialen) relationalen Kontext zu verstehen. Kreativität ist somit ein komplexer und unscharfer Begriff, der in verschiedenen Nuancen verwendet wird. Daher ist für das Ziel dieser Arbeit eine Präzisierung notwendig. Unter Kreativität wird an erster Stelle die Fähigkeit der Individuen verstanden, neue Lösungen zu finden (problem solving, problem finding; vgl. Legrenzi 2005, 41), ohne sie auf Problemlösungen zu reduzieren.48 Kreativität weist immaterielle, personengebundene Elemente und Eigenschaften auf, die auf angeborene Talente (siehe die Idee des Kreativen als Genie), aber auch auf gelernte Kompetenzen zurückgeführt werden.49 Kreativität als personengebundene (angeborene ebenso wie erlernte) Eigenschaft benötigt dann für ihren Einsatz einen Kontext, der auf der sozialen Ebene angesiedelt ist. Der soziale Kontext, der in urbane kreative Ökonomien in Netzwerken und Raumkonstrukten (wie Milieu und Cluster) einbezogen ist, wirkt als Anreiz für die Kreativität (vgl. Merkel 2008, 2012; Hall 1998; Florida 2002; Scott 2010, 2014), da durch Interaktionen und Beobachtungen, insbesondere durch kreative, stimulierende Personen und Kontexte, die persönliche Kreativität gefördert wird (vgl. Batten 1995; Gladwell 2003). Dieser Aspekt wird von Scott betont, wenn er schreibt: »The individuals who compose each community typically internalize elements of their daily environment and reflect these back in more or less socially conditioned creative efforts.« (Scott 2010, 119) Darüber hinaus lenkt ein spezifi48 | »Kreativität steht nicht nur für die angewandte Problemlösung, sondern auch für das Unplanbare, das Unvorhergesehene, die Rekombination verschiedener Ideen zu einer neuen Synthese, die nicht zwingend innovativ und damit letztlich nicht immer ökonomisch verwendbar sein muss.« (Merkel 2012, 694) 49 | Kreativität ist in der psychologischen Forschung zuerst eine menschliche Eigenschaft, welche die menschliche Fähigkeit beinhaltet, Neues (als Ideen, Denkschemata, künstlerische Gegenstände) zu schaffen. Kreativität wird folglich als Voraussetzung und Prozess zur Identifizierung des Neuen, des nicht Vorgegebenen beschrieben. Obwohl anerkannt wird, dass einige soziale Kontexte die Kreativitätsmanifestationen erleichtern und fördern, wird Kreativität im Sinne einer persönlichen Eigenschaft als verbesserungsfähig angesehen, aber nicht als erlernbar dargestellt, obwohl sie auf erlernbarem Wissen basiert (vgl.Vernon 1989; Hennessey /  A mabile 1988; Sternberg / L ubart 1999; Landau 1969). Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Definitionen der Kreativität vgl. Suwala 2014.

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scher Kontext die persönliche Kreativität in bestimmte Richtungen, sodass einige Kreativitätsformen und Folgen kreativer Prozesse weitaus mehr erwünscht sind als andere. Dieser Einfluss schafft eine Verbindung zwischen Kreativität und Innovation: In einer räumlichen Konzentration werden z. B. Kreativitätsformen, die von den Akteuren geschätzt werden, eher gesucht und erkannt, sodass Scott von einer Tendenz zur Pfadabhängigkeit der kreativen Tätigkeiten ausgeht (vgl. Scott 2010, 120). Kreativität benötigt einen sozialen Kontext, um als solche anerkannt zu werden. Diese Beschreibung der Kreativität und ihrer diversen Komponenten unterstreicht die nichtdeterministische Beziehung zwischen Kreativität, Innovation und ökonomischem Vorteil. Kreativität hat sehr viele Erscheinungsformen, von denen nicht alle zu praktischen Anwendungen und unmittelbarem Nutzen führen. Es ist deswegen ungenau, z. B. wie Florida (vgl. 2002, 2005) zu argumentieren, dass kreative Akteure, die miteinander interagieren, Innovation generieren und deswegen einen ökonomischen Vorteil für Städte und Regionen schaffen. Kreativität muss als potenzieller Vorteil verstanden werden, weil nur ein Teil der kreativen Produktionen (d. h. die materiellen und immateriellen Produkte der Kreativität) als Träger einer Innovation rezipiert und deswegen angewendet werden. Darüber hinaus führt auch nur ein Teil der angewendeten Innovationen tatsächlich zu ökonomischen Vorteilen.

3.9.3 Die kreative Stadt Die Stadt spielt eine zentrale Rolle für unternehmerische Tätigkeiten, weil sie nicht nur Akteure derselben Branche miteinander in Verbindung bringt, sondern auch Akteure unterschiedlicher Branchen, die am selben Standort zu finden sind. Interaktionen mit Akteuren, die ähnliche Werte teilen oder auch ganz andere Lebensstile, können die Inspiration steigern und als Kreativitätspotenzial der Städte gelten (vgl. Jacobs 1961; Merkel 2008; Florida 2002), auch weil die Städte eine »Verdichtung« (Merkel 2012, 695) der Menschen, ihrer Lebensstile und kreativen Prozesse ermöglichen. Die Stadt hat als Ort der Begegnung von Personen, Ideen und Symbolen das Potenzial, ein kreativer Ort zu werden, obwohl dieses Potenzial allein für die Entwicklung eines kreativen Milieus nicht genügt. Peter Hall betont in Cities in Civilization (vgl. 1998), anknüpfend an Anderson (vgl. 1985), dass nur in bestimmten Städten kreative und innovative Milieus entstehen können, und zwar in solchen, die passende, dynamische soziale Kontexte aufweisen. Die Entstehung der kreativen Städte ist unvorhersehbar und kann nur retrospektiv nachvollzogen werden. Hall stellt einige Beispiele für kreative Städte50 vor, die auf 50 | Als kulturell kreative Städte gelten: Athen im 5. Jahrhundert v. Chr., Florenz im 14. Jahrhundert, London zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert (Shakespeare-Zeit),

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ihren historischen Pfaden jeweils besondere Kombinationen sozioökonomischer Elemente entwickelt haben, die ihnen einen ökonomischen oder künstlerischen Vorsprung gegenüber anderen Städten sichern konnten. So kam es beispielsweise zu einer Konzentration kreativer Akteure, und es entstand ein stimulierendes Umfeld, infolgedessen diese Orte durch große soziale und intellektuelle Turbulenzen gekennzeichnet waren (vgl. Hall 2000, 646). Die kreativen Akteure nutzen die Stadt und das urbane Milieu als Katalysatoren für neue Ideen und Inspirationsquellen (vgl. Mundelius 2008, 26), die nur aufgrund der Dichte des Kommunikationsnetzwerks in urbanen Regionen entstehen können (vgl. Anderson 1985, 18; Davelaar / Nijkamp 1989, 571). Eine kreative Stadt hält einen urbanen Kontext vor, der sowohl unternehmerische als auch kulturelle Kreativität direkt und indirekt fördert. Ein derartiger Konzext bezieht sich auf die Akteure, die kreativen Branchen ebenso wie die politische governance. Eine grundlegende Idee des Konzeptes »kreative Stadt« ist, dass die Kreativwirtschaft und die wissensintensiven Branchen zu Motoren des urbanen Wirtschaftswachstums werden. Räumlichen Konzentrationen kreativer Akteure und daraus entstehenden Raumkonstrukten wird eine stimulierende Wirkung auf die Interaktion und einen Austausch zugesprochen, was wiederum zu Spezialisierung und Innovation führen soll. Das Konzept erstreckt sich auch auf die Privatsphäre der Individuen, ihren Konsum und ihre Freizeitorganisation, da das städtische Angebot sowohl Entscheidungen für Wohnen und Freizeit beeinflussen als auch ein Stimulus für neue Ideen und ein Signal für Offenheit darstellen kann. Hieraus werden positive Einflüsse auf das Arbeitsleben und die unternehmerischen Leistungen abgeleitet (vgl. Bagwell 2008; Evans 2009; Helbrecht 1998; Catungal et al. 2009; Zukin 1995; Pratt 2008a). Wenn die kreative Stadt nicht als historisches, sondern als gegenwärtiges, dynamisches Phänomen betrachtet wird, dann sind mindestens zwei grundlegende Positionen zu erkennen, die kausale Relationen des urbanen Wirtschaftswachstums in kreativen und wissensintensiven Branchen postulieren: Die eine Auffassung identifiziert die Eigenschaften kreativer urbaner Regionen als eine Folge von kulturellen und sozialen Faktoren, materiellen Gegenständen und Orten, was zur Kreativitätssteigerung der bereits angesiedelten Akteure und zum Zuzug neuer kreativer Akteure führt. Die zweite Ansicht betrachtet dagegen den wirtschaftlichen Erfolg einer urbanen Region als eine Voraussetzung

Wien zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert, Paris zwischen 1870 und 1910, Berlin in den 1920er-Jahren; während als technologisch kreative Städte gelten: Manchester von 1760 bis 1830, Glasgow von 1770 bis 1890, Berlin von 1840 bis 1930, Detroit von 1890 bis 1915 und Tokio von 1890 bis 1990. Einige Städte können zur gleichen Zeit verschiedene Formen der Kreativität zeigen, wie z. B. Hollywood von 1920 bis 1945 und Berlin in den 1920er-Jahren.

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für Innovation und kulturelle Vielfalt, was dann wiederum auf die urbane Region einwirkt. Zwei wichtige Vertreter der ersten Position sind Charles Landry und Richard Florida. Landry beschreibt die Stadt als Milieu für Innovation und Kreativität, sodass gilt: »A creative milieu is a place – either a cluster of buildings of a city, a city as a whole or a region – that contains the necessary preconditions in terms of ›hard‹ and ›soft‹ infrastructure to generate a flow of ideas and inventions. Such a milieu is a physical setting where a critical mass of entrepreneurs, intellectuals, social activists, artists, administrators, power brokers or students can operate in an open-minded, cosmopolitan context and where face to face interaction creates new ideas, artefact, products, services and institutions and as a consequence contributes to economic success.« (Landry 2000, 133)

In dieser Definition entstehen neue Produkte und ökonomisches Wachstum als Interaktion der vorhandenen (materiellen und immateriellen) Infrastruktur mit den lokalen Akteuren. Breite Aufmerksamkeit erfuhr die Vorstellung, dass eine Stadt eine bestimmte Infrastruktur benötigt, um kreative Akteure zu gewinnen, durch die Arbeiten von Richard Florida (vgl. 2002, 2005; vgl. auch Landry 2000; Hall 1998). Die kreativen Akteure, so Florida, seien sehr mobil und suchten in den Städten die Nähe anderer Kreativer und Kulturschaffender sowie ein tolerantes Umfeld.51 Die Konzentration und Interaktion der Kreativen und deren unternehmerische Tätigkeiten seien das wichtigste Element nicht nur für den unternehmerischen Erfolg, sondern auch für das regionale bzw. städtische Wirtschaftswachstum (vgl. Youl Lee et al. 2004). Für Stadtplanung und politische Entscheidungsträger stellen daher die drei »Säulen« Technologie, Talent und Toleranz wichtige Variablen dar (vgl. Florida 2002). In diesen Darstellungen wird die Stadt fast als idyllischer Ort beschrieben, in dem die intellektuellen Turbulenzen, die Hall (vgl. 1998, 2000) als ein wesentliches Element der kreativen Stadt identifiziert, nicht angesprochen werden. Nichtdestotrotz: Wenn man davon ausgeht, dass die Innovation sich aus der Interaktion und Begegnung kreativer Akteure ergibt, dann sind Städte die Orte, wo diese Interaktionen stattfinden, und daher: wo Kreativität entstehen kann. Die Beziehung zwischen unternehmerischen Tätigkeiten und Kreativität in einer Region ist auch von Staber betont worden: 51 | Andere Autoren erweitern die Idee Floridas und betonen die Rolle der Unterhaltsamkeit und des ästhetischen Wertes der Orte im Rahmen der Standortentscheidung kreativer Akteure (vgl. Helbrecht 2005; Clark et al. 2002; für einen Überblick über die Verbindung von kreativen Akteuren und urbanem Wachstum vgl. Storper / S cott 2009).

3 Räumliche Konzentrationen, Raumkonstrukte und das kreative Feld der Stadt »Cultural regions specialize the way firms do, and ideas that are consistent with the core ideas defining the region will have a survival advantage. The reason for this is that an environment filled with semantic associations, symbolic meanings and cultural representations that reflect the core set of ideas can trigger people to perceive a new idea as being consistent with that set than when such associations are absent.« (Staber 2008, 573)

Aus dieser Perspektive werden Elemente der zwei grundlegenden Positionen integriert, da auf der einen Seite ein stimulierendes und kulturell geprägtes Umfeld wesentlich ist, um neue Ideen zu entwickeln und zu erkennen, und auf der anderen Seite Unternehmen einer Branche, die sich an einem Standort konzentrieren, die Spezialisierung der urbanen Region und damit auch die Branchen steuern, wodurch es wahrscheinlicher wird, dass dabei Innovationen herauskommen. Während beiden Positionen gemeinsam ist, dass sie Städte als Orte der Innovation und Kreativität begreifen, die durch (soziale) Interaktionen entstehen und die für die regionale Verankerung der Wirtschaftsstruktur eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Hoffmann / Lompscher 1998, 252), unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Erklärungslogik. Für die zweite Auffassung, die von Storper und Scott vertreten wird (vgl. Storper / Scott 2009; Scott 2008, 2006a, 2006b, 2014; Storper 2013), basiert urbanes Wirtschaftswachstum nicht nur auf der Fähigkeit der Städte, kreative und hochgebildete Arbeiter anzuziehen, sondern hauptsächlich auf der Existenz eines dynamischen Arbeitsmarkts und einer lebendigen Unternehmenslandschaft. Ein dynamischer Arbeitsmarkt ist ein wichtigerer Grund für die Akteure, sich in einer Region anzusiedeln, als »weiche« soziale oder kulturelle Merkmale, die entweder schon vorhanden sind oder sich als Folge des Zuzugs der Kreativen erst entwickeln werden. Diesen beiden Autoren zufolge soll sich eine urbane Region nicht auf die Förderung von Annehmlichkeinten (amenities) konzentrieren, um kreative Akteure anzuziehen, sondern auf die Entwicklung des lokalen Arbeitsmarktes und des Unternehmensumfeldes. Innovation, stellt sich als eine Folge dieser Situation ein, nicht umgekehrt. Diese Position betont, dass eine Stadt nicht als kreativ aufgrund ihres Kulturangebotes und ihres lockeren Lebensstils definiert werden kann, obwohl diese Merkmale wichtig für die Entwicklung kreativer Produkte sind, sondern aufgrund ihres Arbeitsmarktes für kreative und hochgebildete Akteure. Diese Dynamik kann auch die Produkte einer Branche im Sinne eines ortsgebundenen Produktdesigns beeinflussen (vgl. Scott 2000, 11, 2008, Kap. 6). Mit anderen Worten: Die Städte, in denen viele kulturelle Produkte entstehen, haben einen symbolischen Einfluss auf das Ergebnis des Produktionsprozesses (z. B. einen Hollywoodfilm, ein Broadwaytheaterstück oder ein Kleid aus Paris). Diese Prägung, diese »Herkunftsgarantie«, wird auch als strategische Positionierung der Firmen und der anderen Akteure im kulturellen und kreativen

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Bereich benutzt, um Vorteile aus ihrem Standort zu ziehen. Wenn also einige Städte durch hochspezialisierte kulturelle und kreative Produktionen neue Unternehmen und Akteure anziehen, ist dies häufig darauf zurückzuführen, dass sich in vergangenen Entwicklungsphasen dort Unternehmen und Akteure konzentriert haben, die durch ihre Tätigkeiten zur Innovationsentstehung und zum kreativen Image einer Region beigetragen haben. Die Innovation muss in regionale bzw. überregionale Netzwerke und Märkte eingegliedert werden. Falls auch diese Phase eine positive Rückkopplung generiert, können wirtschaftliche Wachstumseinflüsse zuerst der Branche und dann der urbanen Region zugute kommen. Deswegen müssen kreativitätsbasierte urbane Wachstumsstrategien skeptisch betrachtet werden: Kreativität kann letztendlich zu Innovation und zu Wirtschaftswachstum führen, aber dies ist nur eine Möglichkeit, die von Kontingenzen und der Ausprägung lokaler Entwicklungspfade abhängt; es gibt hier keinen Determinismus. Darüber hinaus muss betont werden, dass die Beziehung zwischen Kreativität, Innovation und ökonomischem Wachstum nicht kausal ist, sondern latent. Kreativität und Kreativitätsförderung durch stimulierende soziokulturelle Kontexte können Innovationen generieren, aber man braucht dann einen unternehmerischen und institutionellen Kontext, der sie erkennt und umsetzt, d. h. das kreative Feld.

3.9.4 Die Beziehung zwischen Kreativität und Innovation: das kreative Feld Kreativität, betrachtet sowohl als Ergebnis persönlicher Fähigkeiten als auch sozialer Interaktionen, und die mit ihr verbundenen Akteursinteraktionen spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaftsdynamiken auf der urbanen Ebene.52 Die Akteure sind in einen sozioinstitutionellen Kontext eingegliedert, der ihre Haltung zu Innovationsprozessen und interpersönlichem Wissensaustausch beeinflusst, gleichzeitig wirken sie auf das Innovationspotenzial der Region ein: Dieser Kontext wird von Scott »kreatives Feld« genannt (vgl. Scott 2010, 2008, 2014, 2006b, Kap. 2).53 Es stellt eine Beziehungsstruktur zwischen kreativen 52 | Die urbane Ebene ist relevant, aber auf keinen Fall die einzige, auf der die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. Wissenswirtschaft operieren: Globale Netzwerke, regionale Einflüsse, infra-urbane Interaktionen und kulturelle Prägungen spielen ebenfalls eine Rolle. In dieser Arbeit konzentriere ich mich zwar auf die städtische Ebene, aber die anderen Ebenen spielen dabei natürlich auch eine gewisse Rolle. 53 | Der field-Begriff wird in dieser Arbeit gemäß der Definition Scotts verwendet, mit dem field-Begriff von Bourdieu (vgl. 1996, 2005) wird sich hier nicht auseinandergesetzt. Für eine Anwendung des field-Begriffs von Bourdieu in der Analyse der Modedesignbranche vgl. D’Ovidio 2015.

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Akteuren und anderen Elementen der Städte sowie zwischen den Städten und ihren auf Kreativität beruhenden Wachstumsstrategien her. Das kreative Feld »is represented by sets of industrial activities and related social phenomena forming spatially differentiated webs of interaction that mould entrepreneurial and innovative outcomes in various ways. […] both the field on the one side and its effects on entrepreneurship and innovation on the other are reflexively interwined with one another.« (Scott 2006b, 54)

Scott erkennt als weitere Elemente des kreativen Feldes, dass es den Akteuren imaginative Stimuli für das Arbeits- und Privatleben in urbanen Orten zur Verfügung stellt, dass kreative und innovative Elemente und Handlungen im kreativen Feld integriert sind und dass Individuen in diesem Kontext zur Interaktion und zum Informationsaustausch stimuliert werden. Darüber hinaus absorbieren die Individuen Elemente der lokal verbundenen epistemischen und kulturellen Traditionen, sodass soziale Praktiken in den Produktions- und urbanen Sozialräumen verinnerlicht werden. Dies führt zu einem Wettbewerbsvorteil sowohl für die Akteure als auch für die Städte, aber auch zu Dynamiken der Pfadabhängigkeit (vgl. Scott 2010).54 Diese Definition unterstreicht die Komplexität der Beziehungen zwischen den kreativen Akteuren, aber auch zwischen ihnen und dem lokalen sozioinstitutionellen Kontext: Kreative Akteure tragen ihr Fachwissen und ihre kreativen Eigenschaften in sich, aber sie lernen auch Normen, Strategien und Handlungsformen aus ihrem Kontext bzw. dem Milieu, in dem sie agieren, was dann 54 | »The creative field of the city can be seen, in short, as a system of cues and resources providing materials for imaginative appropriation by individuals and groups as they pursue the business of work and life in urban space. But it is also a sort of canvas on which creative and innovative acts are variously inscribed. Within this field, individuals are continually if intermittently entangled in transactional exchanges with one another, and in this manner they receive and emit signals that are variously charged with information. The same individuals consciously and unconsciously absorb elements of locally accumulated epistemic and cultural traditions; they become habituated to routines in urban production space as in urban social space; they encounter and deal with numerous challenges thrown out by the evolving local economy; and with the development of their creative energies, as expressed above all in specific forms of competitive advantage, an urban and regional dynamic of path-dependent development is set in motion.« (Scott 2010, 121 f.). Die allgemeine Idee des beidseitigen Einflusses zwischen Akteuren und sozioinstitutionellem lokalem Kontext kann auch im Milieu- und Clusterbegriff erkannt werden, genauso wie in den Begriffen der lernenden Region und der regionalen Innovationssysteme (vgl. Storper 1996; Morgan 1997; Oinas /  M alecki 1999; Asheim 1996).

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wiederum ihre Produktion beeinflusst. Dieses Wissen ist zunächst an die urbanen Regionen gebunden, sodass deren ökonomisches Profil durch lokale unternehmerische Eigenschaften und Handlungsformen geprägt ist, aber auch an professionelle Netzwerke, die über die lokale Ebene hinausgehen und branchenspezifisches Wissen verbreiten. Darüber hinaus ist der pfadabhängige Charakter des kreativen Feldes einer Region zu betonen, weil jeweils ein oder mehrere Sektoren die wirtschaftliche Profilierung und Innovationsfähigkeit einer Stadt prägen.55 Die Etablierung eines bestimmten Sektors und die entsprechende Spezialisierung des Arbeitsmarktes steuern die kreativen Kräfte vor Ort und die Innovationsrichtung. In diesem Sinne ist das Bedürfnis nach Anerkennung kreativer Ergebnisse zu verstehen: Ist in einer Stadt ein bestimmter Sektor stark vertreten, so besteht ein Bedarf nach kreativen Impulsen in jenem Sektor und diese werden gefördert, während andere nicht erkannt werden.56 Diese Dynamik darf nicht als deterministisch interpretiert werden, denn auch wenn ein dynamisches Arbeitsumfeld die Kreativität stimulieren kann (vgl. Amabile / Mueller 2008),57 nimmt die unternehmerische Nutzung von Netzwerkbeziehungen Zeit in Anspruch oder haben kreative Akteure nicht unbedingt immer eine Handlungsstrategie. Diesen Mangel an unternehmerischer Handlungsstrategie kann man als »Bohemien«-Lebensstil bezeichnen (vgl. Florida 2002), der unter Umständen wenig mit einem Karriereplan gemein hat (vgl. Heur 2010, 119). Trotzdem können die Nähe zu anderen kreativen Akteuren und der Zugang zu vielfältigen Kulturangeboten sowie zu einem sozialen, ökonomischen oder kulturellen Umfeld die räumliche Konzentration kreativer Akteure und die In-Wert-Setzung des kreativen Potenzials erleichtern. 55 | Beispiele dafür sind Detroit Mitte des 20. Jahrhunderts für die Fahrzeugproduktion, das Silicon Valley für die Halbleiterindustrie, Los Angeles für Hollywood und die Filmproduktion, London für den Finanzsektor oder Paris für die Mode (vgl. auch Storper 2013; Scott 2008; Hall 1998). 56 | Wenn Kreativität als ein aus sozialen Interaktionen entstehendes Produkt wahrgenommen wird (vgl. Mundelius 2006; Mommaas 2004; Banks et al. 2000; Merkel 2008; Drake 2003; Helbrecht 2005, Anderson 1985), ist Kreativität, die in ökonomische bzw. unternehmerische Innovationen einfließt, stark von außerökonomischen sozialen Kontexten abhängig. 57 | Amabile und Mueller (vgl. 2008) identifizieren den kreativen Prozess als ein Konstrukt, das aus vier Komponenten besteht. Drei davon sind interne Komponenten des Individuums (intrinsische Motivation, Fachkenntnisse, kreativitätsbezogene Prozesse), die vierte hängt als externe Komponente von der Arbeitsumgebung ab, in der die kreativen Prozesse stattfinden. In diesem Sinne wird betont, dass ein soziales und unternehmerisches Umfeld, das Kreativität akzeptiert und fördert, eine positive Wirkung auf die menschliche Kreativität hat.

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Die Vielfalt potenzieller Stimuli ist in urbanen Räumen größer als außerhalb städtischer Kontexte, sodass sich kulturelle bzw. kulturschaffende Gemeinschaften und unternehmerische Agglomerationen häufig in Städten konzentrieren. Städte können damit als zentrale räumliche Komponenten der Netzwerke kreativer Akteure fungieren, d. h. als kreative Felder (vgl. Scott 2006a, 2008, 2010, 2014). Im Kern des kreativen Feldes nach Scott (vgl. 2010) stehen die Sektoren der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie komplementäre Tätigkeiten und Branchen, die in der Produktion sowohl materieller als auch immaterieller Produkte gebraucht werden. Diese Sektoren und die damit verbundenen kreativen Energien verstärken sich selbst. Sie sind dabei auf urbane Produktionssysteme und den lokalen Arbeitsmarkt gerichtet (vgl. auch Storper / Scott 2009; Storper 2013).58 Der Selbstverstärkungseffekt basiert auf sechs Eigenschaften urbaner Orte: lokale Traditionen und Normen, die bestimmte kreative Impulse bewahren und übermitteln; eine visuelle »Landschaft« (landscape), die die kreativen Ambitionen der Stadt widerspiegelt; Annehmlichkeinten (amenities) und Freizeiteinrichtungen, die insbesondere auf die Bedürfnisse der Kreativen ausgerichtet sind; geeignete bauliche Strukturen und Wohnmöglichkeiten für die Kreativen; Entwicklungsmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte der lokalen Produktionssysteme; soziale Netzwerke, die sowohl private Bedürfnisse erfüllen als auch arbeitsbezogene Informationsflüsse gewährleisten. Als Rahmung des kreativen Feldes dienen Governance-Strukturen und Institutionen, die die anderen Ebenen durchdringen und sie beeinflussen bzw. steuern können (vgl. Scott 2010, 125 f.). Aus der Struktur des kreativen Feldes ist zu erkennen, dass jede urbane Region ihr Profil der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt hat, das aus einer Interaktion zwischen ökonomischen Akteuren und physischen sowie sozioinstitutionellen Elementen besteht. Diese Interaktionen können kreative Ergebnisse und damit verbundene Wachstumsprozesse beeinflussen, aber nicht steuern, weil diese als pfadabhängige Prozesse vom lokalen Arbeitsmarkt und der 58 | Den Begriff des kreativen Feldes sowie die Dynamiken der Interaktionen der Akteure im kreativen Feld somit mit der Stadt leitet Scott aus seinem Konzept des kognitiv-kulturellen Kapitalismus (cognitive-cultural capitalism) ab. Unter kognitiv-kulturellem Kapitalismus versteht er diejenigen ökonomischen Tätigkeiten, die auf der gezielten Nutzung der intellektuellen Fähigkeiten der Arbeitskräfte beruhen. Die jeweiligen Nutzungsformen spielen eine wesentliche Rolle für das Wirtschaftswachstum der Städte (vgl. Scott 2014). Obwohl eine Verbindung zwischen den Begriffen »kreatives Feld« und »kognitiv-kultureller Kapitalismus« besteht, konzentriert sich diese Arbeit auf das kreative Feld, da die Interaktionsformen der Akteure und ihre Produktionsstrukturen damit interpretiert werden können, während die Anwendung des Begriffes kognitiv-kultureller Kapitalismus für die Ziele dieser Arbeit nicht relevant ist.

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Produktionslandschaft abhängig sind. Deswegen kann das kreative Feld als einzigartige Eigenschaft eines Ortes verstanden werden, die nicht identisch in anderen Orten wiederholt werden kann und die als Kontext der innovations- und kreativitätsbasierten Produktionsprozesse fungieren kann.

3.10 F a zit In diesem Kapitel wurden relevante Raumkonstrukte genauso wie Definitionen und Ansätze zur Erklärung kreativitätsbasierter Tätigkeiten dargestellt, die mit der Analyse der Produktionsstrukturen in der Modedesignbranche von Bedeutung sein können. Gemeinsam ist den genannten Asätzen, dass sie die Tätigkeiten in den kreativen Branchen jeweils als das Ergebnis kontextbezogener Entscheidungen beschreiben. Außerdem gehen sie davon aus, dass die Produktionsprozesse selbst nur zum Teil durch kreative Phasen gekennzeichnet sind. Diese Charakterisierung wird innerhalb der vorliegenden Untersuchung übernommen. Darüber hinaus sind die Dynamiken der räumlichen Konzentration kreativer Akteure in der stadt- und regionalwissenschaftlichen Literatur, insbesondere auf der städtischen Ebene, unter dem Aspekt des globalen Wettbewerbs zwischen urbanen Regionen und zudem unter Verwendung des Begriffs der kreativen Stadt thematisiert worden. Diese Aspekte zielen darauf ab, die komplexe Relation der kreativen unternehmerischen Tätigkeiten mit städtischen Räumen zu erfassen. Das Konzept der kreativen Stadt thematisiert diese beiden Aspekte (d. h. die Interaktion kreativer Akteure mit dem urbanen Raum und den Wettbewerb der Städte um die Gewinnung von Kreativen) und versucht, die jeweiligen Effekte für das städtische Wirtschaftswachstum zu erklären. Diese Perspektive ist in ihren verschiedenen Variationen mehr oder minder mit der Annahme verbunden, dass aus der Konzentration kreativer Akteure ein oder mehrere Raumkonstrukte (Cluster, Milieu, Szene) entstehen können und sich daraus positive Effekte für die Wirtschaftsdynamiken der Stadt ergeben. Das kreative Feld hebt die Vielfalt sowohl der zu betrachtenden Akteure als auch der möglichen Interaktionen zwischen den Akteuren und dem Raum hervor, sodass die lokalen (materiellen und immateriellen) Elemente, ebenso wie die potenziellen Effekte auf unternehmerische Strategien und urbane Wirtschaftsdynamiken thematisiert werden können. Dies dient als Kontext der innovations- und kreativitätsbasierten Produktionsprozesse auf der urbanen Ebene und wird daher als erstes Element des theoretischen Gebildes für die Analyse der Produktion in der Berliner Modedesignbranche verwendet.

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Produktionsnetzwerke in der Modebranche: theoretische Verortung im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und sozialen Netzwerken

4.1 D er N e t z werkbegriff Je nach Autor wird der Netzwerkbegriff in den Sozialwissenschaften mit unterschiedlichen Bedeutungen und auf unterschiedlichen analytischen Ebenen verwendet. Es werden Beziehungsstrukturen, Interaktionen und das Handeln der Akteure in ihren sozialen und ökonomischen Tätigkeiten beschrieben (vgl. Smith-Doerr / Powell 2005; Glückler 2010; Sydow 1992; Sydow / Möllering 2004). Grundsätzlich bietet dieser Terminus eine relationale Sichtweise (vgl. Windeler 2001), nach der die Akteure nicht als Einzelne angesehen werden, sondern in ihren Beziehungen zu anderen, die auf vielfältige Art und Weise gestaltet sind und im Hinblick auf ihre Struktur analysiert werden müssen. Der Begriff Netzwerk wird in den Wirtschaftswissenschaften mit mindestens zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet: Auf der einen Seite kann man ein Netzwerk als Metapher verstehen, mit deren Hilfe Verflechtungen zwischen Akteuren hervorgehoben werden, die Folgen im Bereich des Handelns haben. Auf der anderen Seite ist ein Netzwerk als eine konkrete, messbare Beziehungsstruktur aufzufassen, die im Zuge der Interpretation relationaler Phänomene (z. B. sozialer Verhältnisse sowie unternehmerischer Strategien) und Handlungsmöglichkeiten der Akteure verwendet wird. In dieser zweiten Auffassung von Netzwerken sind die Struktur der Interaktion, die Art der Beziehungen und die Eigenschaften der Akteure zentrale Elemente, um das Handeln der Akteure zu interpretieren. Mit dieser Sichtweise auf den Begriff Netzwerk können dann zwei Arten von Netzwerken erkannt werden, die sich durch die betrachtete Beziehungsstruktur voneinander unterscheiden: Gesamtnetzwerke, in denen alle Beziehungen einer spezifischen Art für eine abgegrenzte Akteursgruppe repräsentiert werden, und Ego-zentrierte Netzwerke, die sich auf

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die Beziehungen eines fokalen Akteurs konzentrieren, die gleichzeitig aber auch einen Ausschnitt eines größeren Netzwerks darstellen.1 Auf jeden Fall, unabhängig von der Art des Netzwerks, ermöglicht die Netzwerkperspektive ein spezifisches Verständnis der sozialen Beziehungen. So identifiziert Windeler (vgl. 2001, 35 ff.) in seiner Literaturuntersuchung zum Thema Netzwerkforschung vier Punkte, die die Netzwerkperspektive als relational in Bezug auf das Soziale (und im Folgenden auch auf das Ökonomische) definieren: • Netzwerke umfassen immer mehr als dyadische Beziehungen, denn Interaktionen zwischen zwei Akteuren generieren kein Netzwerk. Dieses entsteht in der Tat aus den Interaktionen mehrerer Akteure mit einem fokalen Akteur. Deswegen werden Dyaden in der Netzwerkanalyse immer als Teil eines Netzwerks betrachtet. • Die Netzwerkperspektive stellt genau deswegen eine universelle Perspektive im Hinblick auf soziale Beziehungen dar, weil die Struktur der Beziehungen zwischen Akteuren oder Netzwerkteilen innerhalb ihrer relationalen Kontexte untersucht werden können. • Die Netzwerkperspektive bleibt neutral bezüglich der Aspekte der Vergesellschaftung, da sie nichts über die Effizienz des Netzwerks als Regulationsmechanismus des sozialen Geschehens aussagen kann. • Die Netzwerkperspektive stellt keine Netzwerktheorie bereit, sondern nur eine Grundidee von Vernetzung.2 In diesen vier Punkten sind die grundlegenden Merkmale der Netzwerkperspektive zusammengefasst. Für die Ziele dieser Arbeit ist es wichtig, nicht nur die Beziehungen zwischen Personen zu beachten, sondern auch zwischen Unternehmen. Netzwerke von Unternehmen bzw. zwischen ökonomischen Akteuren können aus zwei Blickwinkeln berücksichtigt werden. Aus der ersten werden durch Unternehmens- und strategische Netzwerke Beziehungen zwischen unabhängigen Unternehmen erfasst, die weder rein marktorien1 | Für eine detaillierte Beschreibung der Netzwerkarten vgl. Kap. 5. 2 | Ein Netzwerk ist zunächst ein »methodisches Konstrukt« (Sydow 1992, 75) des Forschers, damit er die relevanten Akteure und Beziehungen aufgrund seiner Untersuchungsobjekte und -ziele definieren kann und damit diese als eine spezifische relationale Struktur dargestellt werden können. In dieser Arbeit wird die Netzwerkperspektive, angenähert an die Positionen von Windeler (vgl. 2001) und Sydow (vgl. 1992), nicht als Theorie betrachtet, obwohl, insbesondere in der sozialen Netzwerkanalyse, die Netzwerkperspektive auch als Theorie verstanden werden kann (für eine gesamte Betrachtung der sozialen Netzwerkanalyse vgl. unter anderem Holzer 2006; Stegbauer / H äußling 2010; Jansen 1999; Gamper / R eschke 2010).

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tiert (d. h. an Zulieferbeziehungen orientiert) noch hierarchisch (d. h. organisationsinternen Beziehungen nachgebildet) sind. Die Beziehungen zwischen Unternehmen können sowohl formell als auch informell sein und aus diesen Interaktionen können unterschiedliche Arten der Kooperation und des Wissenstransfers entstehen (vgl. Kap. 3.3). Daher konzentriert man sich in dieser Perspektive auf Interaktionsformen zwischen Unternehmen und ihre Ergebnisse. Gemäß des zweiten Standpunkts, der sich auf die Produktionsbeziehungen konzentriert, entwickeln Unternehmen starke formalisierte Beziehungen, um Güter zu produzieren und Dienstleistungen zu erbringen. Diese Art von Interaktion wird in den Modellen »Wertkette« und »Commodity Chain« verwendet (Kap. 4.3). Für beide Blickrichtungen sind die involvierten Akteure, außer den Produktionsbeziehungen (die formell oder informell sein können), auch immer in ein soziales Netzwerk integriert. Deswegen stellt der Begriff »soziales Netzwerk«, definiert als »ein Beziehungsgeflecht, das Menschen mit anderen Menschen und Institutionen sowie Institutionen mit anderen Institutionen verbindet« (Institut für deutsche Gebärdensprache 2008, o. S.), einen konzeptionellen sozialwissenschaftlichen Rahmen für die Untersuchung der Beziehungsstrukturen dar. Dieser Rahmen beeinflusst das individuelle Handeln und verbindet Individuen, gleichzeitig gestaltet er aber auch Informationsflüsse und Machtbeziehungen (vgl. Holzer 2006; Gamper / Reschke 2010; Weyer 2000b; Uzzi 1997). Die sozialen Beziehungen zwischen Individuen und zwischen Unternehmen (d. h. die Produktionsbeziehungen) überlappen sich und interagieren miteinander. In der vorliegenden Arbeit werden, für das Modedesign als Branche der Kreativwirtschaft, sowohl die Beziehungen zwischen Unternehmen und Akteuren als auch ihr sozialer Zusammenhang als Elemente betrachtet, die auf die Produktion einwirken. Meines Erachtens ist die Betonung dieser Verbindung relevant für die Kreativwirtschaft und damit auch für das Modedesign, sodass ökonomische und soziale Handlungen nicht zwei getrennte, sondern mitwirkende Elemente darstellen: Ökonomische Handlungen haben auch eine soziale Komponente.3 Um ein kohärentes theoretisches Gebilde für die Produktionsstrukturen in der Modedesignbranche in Berlin zu entwerfen, das sowohl ökonomische als auch soziale Aspekte integriert, setzt sich die Arbeit zuerst mit drei Modellen auseinander. Mit diesen Wertschöpfungsmodellen werden die Produktionsfor-

3 | Die Entscheidung, die soziale und ökonomische Ebene als zwei komplementäre Ebenen unternehmerischer Handlungen zu betrachten, ist natürlich nicht neu (vgl. unter anderem »Szene« in Lange 2007; »kreatives Milieu« in Camagni 1991a, b; Hall 1998; »Industriedistrikte« in Piore /  S abel 1984 und Marshall 1907).

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men und die damit verbundenen Beziehungen bzw. Netzwerke thematisiert:4 Wertkette, Commodity Chain und Global Production Network (Kap. 4.3 und 4.4). Diese drei Modelle haben unterschiedliche analytische Reichweiten, sodass ihre Anwendung auf den jeweils ausgewählten Fall eingeschränkt ist. Diese drei Begriffe werden in der Beschreibung der ökonomischen Netzwerke der Produktion verwendet, daher ist es notwendig, zuerst den Begriff »ökonomische Netzwerke« zu definieren, bevor ich mit der Auswertung der einzelnen Begriffe fortfahre.

4.2 B eschreibung und E ingrenzung des ökonomischen N e t z werkbegriffs Bevor die Modelle der Produktionsbeziehungen erörtert werden, ist es nötig, einen allgemeinen Begriff des ökonomischen Netzwerks zu entwickeln. Spontane, auf Kauf und Verkauf basierende Beziehungsformen existieren, seitdem es Unternehmen und Arbeitsteilung gibt. Sie können als Unternehmensnetzwerke bezeichnet werden, die zur Entstehung von Märkten geführt haben (vgl. Sydow 1992, 54). Das Netzwerk wird in den Wirtschaftswissenschaften definiert als »spezifische Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und unternehmensinterner Hierarchie oder auch jenseits dieser beiden Pole [und es; M.C.] gilt heute vielfach als die ökonomische Struktur der Zukunft« (Berghoff / Sydow 2007, 10, Hervorhebung im Original). Diese Definition thematisiert die Netzwerke als Organisationsform und bezieht sich auf zwei unterschiedliche Perspektiven, die auf der Beziehung zwischen Markt und unternehmerischer Hierarchie basieren. Die erste Perspektive betrachtet Unternehmensnetzwerke als eine Organisationsform zwischen Markt und unternehmerischer Hierarchie und basiert auf dem Transaktionskostenansatz in der Institutionenökonomie (vgl. Williamson 1985).5 Unternehmen haben Kosten für Transaktionen, wie unter anderen 4 | Diese Modelle wurden nicht explizit für die Kreativwirtschaft entwickelt, aber für die Wertschöpfungs- bzw. Produktionsanalyse industrieller Branchen, darunter auch die Modebranche, verwendet (vgl. Koch 2006, 124-136; Gereffi 1994; Dicken 2011, Kap. 10). 5 | Williamson gründet seine Überlegung auf die Arbeit The nature of the Firm von Ronald Coase (vgl. 1937). Coase interpretiert die Unternehmensgrenzen als abhängig von den Produktionsschritten, die integriert werden, und von denen, die an andere Akteure ausgelagert werden. Diese Entscheidungen beeinflussen die Steuerung und Überwachung der Transaktionen. Nach Coase existieren zwei Koordinationssysteme: Unternehmen, die von ihrer hierarchischen Struktur charakterisiert sind, und Märkte, in denen die Transaktionen preisgesteuert ablaufen (vgl. auch Bathelt / G lückler 2002, 155 ff.).

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für die Informationssuche und ‑beschaffung, die Vertragsvereinbarung, die Kontrolle und Qualitätssicherung oder für die Koordination und Steuerung dieser Transaktionen (vgl. Bathelt / Glückler 2002, 156). Die Unternehmen müssen für jede Transaktion entscheiden, bis zu welcher Kostenhöhe es vorteilhaft ist, die Transaktion intern, d. h. in einem »hierarchisch organisierten Unternehmen« (Eichhorn 1998, 54), durchzuführen, und ab wann sie unternehmensextern, d. h. über den Markt, erbracht werden sollte.6 Transaktionen mit hohen Kosten, einer starken Kontrolle und einmaligem Auftreten (z. B. bei der Übertragung von Know-how und Qualifikationsfunktionen) werden in der Regel in hierarchisch organisierten Unternehmen integriert, während repetitive Transaktionen, die weniger Kontrolle benötigen und von mehreren Vertragspartnern durchgeführt werden können (z. B. Lagerung- und Kundenservices), in der Regel über den Markt realisiert werden (vgl. Williamson 1985).7 Zwischen den beiden Polen, d. h. dem Markt auf der einen Seite und der unternehmerischen Organisation (Hierarchie) auf der anderen, gibt es viele mögliche intermediäre Organisationsformen (z. B. Joint Venture, Subkontrakt, strategische Allianz), die einen dritten Weg zur Lösung des Transaktionskostenproblems darstellen. Diese intermediären Organisationsformen sind als Unternehmensnetzwerke definiert. Sie sind durch bestimmte Koordinations- und Steuerungsmechanismen gekennzeichnet (vgl. a. Windeler 2001), die zum Teil über den Markt und zum Teil hierarchisch organisiert werden. Auf dem Markt erfolgen die Koordination und Steuerungsmechanismen über den Preis, in hierarchischen Unternehmen stattdessen durch Pläne einer zentralen Koordination (vgl. Eichhorn 1998, 53 ff.; Windeler 2001, 39 ff.). In den Netzwerken werden die Koordinations- und Steuerungsformen durch eine gemeinsame Planung der involvierten Akteure oder durch fokale Unternehmen erstellt (vgl. Sydow 1992; Glückler 2012). Unter allen möglichen Unternehmensnetzwerken kann man, laut Glückler (vgl. 2012), drei Netzwerkarten anhand der Akteurstypen und der Art der jeweiligen Beziehungen differenzieren: totale Netzwerke, die die Gesamtheit der Akteure über eine einzige Beziehungsform typologisch abgrenzen; fokale Netzwerke bzw. Ego-zentrierte Netzwerke, die einen 6 | Das daraus entstehende Entscheidungsdilemma wird als make-or-buy-problem bezeichnet (vgl. Sydow / M öllering 2004, Kap. 2). 7 | Mit seinem Transaktionskostenansatz kritisiert Williamson (vgl. 1985, Kap. 2) die Idee eines rational handelnden Akteurs (Homo oeconomicus) und fügt als weitere wichtige Definitionskriterien hinzu: Erstens, die Akteure handeln nur zum Teil rational (bounded rationality), d. h., sie verfügen nicht über vollständige Informationen und können die vorhandenen Informationen nur teilweise verarbeiten, sodass sie nicht immer optimale Entscheidungen treffen. Und zweitens, Akteure können sich opportunistisch verhalten, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen, wodurch Informationsasymmetrien entstehen können (vgl. auch Sydow 1992; Bathelt / G lückler 2002, 156).

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Ausschnitt eines totalen Netzwerks darstellen, der sich um einen fokalen Akteur herum entwickelt; organisierte Netzwerke, die einen freiwilligen und absichtsvollen Zusammenschluss der Akteure zum Zweck der gegenseitigen Kooperation darstellen. Die zweite Perspektive thematisiert die Unternehmensnetzwerke als eine Organisationsform, die sich vom Markt und von Unternehmenshierarchien unterscheidet, denn die Netzwerke haben sich als Kooperationsformen früher und auf anderen Wegen als die Organisation über Märkte und Hierarchie entwickelt (vgl. Powell 1990). Laut Powell kann diese Perspektive, die Netzwerke allein unter dem Gesichtspunkt des Kontinuums zwischen Markt und Hierarchie adressiert, die Eigenständigkeit und Komplexität der Sozial- und Austauschphänomene in Netzwerken verschleiern (vgl. Powell 1990, 299). Trotz dieser Unterscheidung zwischen Netzwerken auf der einen Seite sowie Markt und Hierarchie auf der anderen Seite wird nur von unternehmerischen Netzwerken gesprochen, wenn es eine bestimmte Koordination zwischen den Akteuren gibt, d. h., wenn organisatorische oder kooperative Beziehungen (mithin keine marktförmigen Beziehungen) zwischen den Unternehmen entstehen (vgl. Windeler 2001, 37; Bathelt / Glückler 2002, 164; Berghoff / Sydow 2007). Aus diesem Grund werden Unternehmensnetzwerke8 definiert als »eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten […], die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständig, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet.« (Sydow 1992, 79)

Da die Unternehmen durch Netzwerke Wettbewerbsvorteile erzielen wollen, ergeben sich nicht nur Beziehungen mit Zulieferern und Abnehmern, sondern sie zielen auch auf Interaktionen mit anderen Partnern und anderen Modalitä8 | Sydow präzisiert diese Definition, indem er Unternehmungsnetzwerke folgendermaßen bestimmt: »Ein Unternehmungsnetzwerk besteht folglich aus einer endlichen Zahl von rechtlich und […] wirtschaftlich selbstständigen Einheiten. Diese werden als Netzwerkunternehmungen bezeichnet. Die zwischen den Netzwerkunternehmungen bestehenden Beziehungen sind zumeist langfristig vertraglich geregelt und personell-organisatorisch […] sowie technisch-organisatorisch […] strukturiert.« (Sydow 1992, 80 f.) Zwischen Unternehmungsnetzwerk, Unternehmensnetzwerk und unternehmerischem Netzwerk sind kleine Unterschiede zu erkennen: Der erste Begriff stellt nur die formellen Beziehungen zwischen rechtlich unabhängigen Akteuren dar; der zweite schließt die Betrachtung unternehmungs- bzw. konzerninterner Netzwerkstrukturen nicht aus; der letzte Begriff hingegen ist auch für interpersonale und intraorganisationale Netzwerke offen, sodass auch informelle und persönliche Beziehungen in Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen betrachtet werden können (vgl. Berghoff / S ydow 2007, 17).

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ten (wie Projekte oder Joint Ventures; vgl. Siebert 2010). Im Allgemeinen kann von Unternehmensnetzwerken die Rede sein, wenn Beziehungen zwischen rechtlich unabhängigen Akteuren bestehen. Wenn in einem Netzwerk ein fokaler Akteur entsteht, der die Netzwerkbeziehungen so entwickelt, dass er aus der Teilnahme an den Netzwerkbeziehungen einen strategischen Vorteil für die eigenen unternehmerischen Ziele zieht, wird es als strategisches Netzwerk definiert (vgl. Sydow 1992, 81; Jarillo 1988, 32). Obwohl in der Literatur mit dem Begriff Unternehmensnetzwerk eher kooperative als kompetitive Beziehungsformen thematisiert werden, die unabhängige Akteure mit dem Ziel zusammenbringen, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, sind dies nicht die einzigen Interaktionsformen, die als Netzwerke identifiziert werden können. Ein Netzwerk ist in seiner Grundkonzeption eine Interaktionsstruktur zwischen miteinander verflochtenen Akteuren. Im Falle von Unternehmen können neben kooperativen Beziehungen auch Produktionsbeziehungen mit Zulieferern und Abnehmern mit dem Begriff Netzwerk erfasst werden. Deshalb ist ein Unternehmensnetzwerk nicht nur anhand der Kooperationsformen einzugrenzen (und deswegen die Marktbeziehungen auszulassen), sondern die in der Produktion involvierten Beziehungen und Akteure sollten miteinbezogen werden.9 Die Konzeption des Netzwerks als Beziehungszusammenhang zwischen Unternehmen, die durch Produktionsdynamiken miteinander verbunden sind, wird in den Modellen »Wertkette« und »Commodity Chain« verwendet. Beide thematisieren die Produktionsorganisation als Zusammenhang von miteinander verbundenen unternehmerischen Beziehungen und Tätigkeiten. 9 | Die Interpretation unterschiedlicher Produktionsformen aus der Perspektive der Netzwerktheorie ist schon seit langer Zeit ein wichtiges Thema der Wirtschaftsgeografie und der benachbarten Wirtschaftswissenschaften. Die meisten Studien sind der industriellen Produktion gewidmet (vgl. Schamp 2000; Sydow 1992; Sydow /  M öllering 2004; Piore /  S abel 1989) oder beschreiben Netzwerke als Elemente räumlicher Agglomerationen, insbesondere innovationsintensiver Branchen (vgl. Krätke 2002a, 2002b, 2011; Bathelt et al. 2004; Staber 2001; Saxenian 1994), während die Produktionsformen der Kreativwirtschaft selten in Verbindung mit Netzwerkkonzepten thematisiert wurden. Insbesondere für die Kreativwirtschaft werden Netzwerke nicht nur als informelle oder kooperative Komponenten der Produktionsphasen betrachtet, wie dies oft in Untersuchungen zu industriellen Branchen der Fall ist, sondern eher als Produktionsstruktur (vgl. Steets 2008; Lange /  B ürkner 2010, 2013; Staber 2008). Da die Netzwerke jeweils Relationen zwischen einzelnen Akteuren darstellen, sind nur diejenigen Produktionsstrukturen und ‑prozesse betrachtungsrelevant, die zwischen den Unternehmen realisiert werden. Hingegen werden unternehmensinterne Tätigkeiten (die potenziell in ähnlicher Weise als netzwerkartige Prozesse thematisiert werden könnten) ausgelassen, da das Unternehmen als geschlossene Netzwerkeinheit betrachtet wird.

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4.3 M odelle der W ertschöpfung : W ertke tte und G lobal C ommodit y C hain Die Wertschöpfung besteht in der Realisierung des Wertes, der mit dem gefertigten Produkt verknüpft ist, sodass Produktion und Wertschöpfung zwei Aspekte ein und desselben Prozesses darstellen: Die Produktion stellt eine Abfolge von Tätigkeiten dar, die zum Produkt führen; auf die Produktion folgt meist unmittelbar die Zuweisung und Realisierung eines monetären Wertes (vgl. Weber 1993, 4660; Porter 2010, 64). Die Wertschöpfung beinhaltet aber auch nichtphysische Transformationen in der Realisierung des Produktes (vgl. Schamp 2000, Kap. 2).10 In den nächsten Abschnitten werden theoretische Ansätze und Modelle der Wertschöpfungs- und Produktionsstrukturanalyse, die Wertkette und die Commodity Chain, vorgestellt.11 Beide Begriffe schließen Unternehmensnetzwerke bei der Produktion ein. Sie sollen hier in Bezug auf ihre Erklärungsreichweite und ihre Erklärungsgrenzen für die Analyse der Kreativwirtschaft bzw. des Modedesigns thematisiert werden.

4.3.1 Wertkette In dem Modell der Wertkette ist »Wert« ein zentraler Begriff. Der Wert wird als Betrag definiert, den die Abnehmer für die Leistung bzw. das Produkt zu zahlen bereit sind (vgl. Porter 2010, 64). Der Gewinn ergibt sich aus der Differenz des Wertes und der Kosten, die die Wertaktivitäten verursacht haben (vgl. Porter 2010, 68 ff.). Der Begriff Wertschöpfung bezeichnet den vom Unternehmen geschaffenen Wert, aber nicht unbedingt den betrieblichen Prozess, der zur Schaffung des Wertes führt (vgl. Weber 1993, 4660). Der Wert ist dann das Ergebnis dieses Prozesses und der durch ihn erfolgten Wertschöpfung, die die Differenz zwischen dem Wert der durch den Betrieb geschaffenen Güter und dem Wert der Abgabeleistung für den Markt darstellt (vgl. Strauss / Bruhn 2007, 5). Der Wert ergibt sich aus der Summe aller Zwischenwerte, die in jeder 10 | Ein ähnlicher Begriff wie »Wertkette« ist das Filière-Konzept, das für die industriellen Produktionsketten als Gesamtheit die Phasen eines Herstellungsprozesses von den Rohstoffen über die Produktionsprozesse bis hin zur Distributionsphase beschreibt (für eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Begriffen vgl. Schamp 2000, 29 f.). 11 | Die Wertschöpfungsmodellierung ist auch von der Art der zentralen Akteure in der Analyse beeinflusst worden. Davon abhängig sind nicht nur Modelle des Betriebes, sondern auch andere, die Shareholder oder Kunden als zentrale Akteure nehmen (vgl. Strauss / B ruhn 2007). Hier werden nur die Ansätze betrachtet, in deren Mittelpunkt das Unternehmen steht, weil die Forschung sich auf die Produktionsphase der unternehmerischen Akteure konzentriert.

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Phase der Produktionskette generiert wurden. Er resultiert aus der Bewertung der Kosten und den erwarteten bzw. realisierten Gewinnen (vgl. Adam 1997). Der Wert ist eine monetäre Einheit, die als Ergebnis eines Produktionsprozesses zustande kommt, wohingegen die Wertschöpfung das Ergebnis des Prozesses des Schaffens von Wert ist. Um Wettbewerbsvorteile zu erzielen, streben Unternehmen die Optimierung der betrieblichen Prozesse an, die mit der Wertschöpfung verbunden sind.12 Die Phasen der Wertschöpfung, die Transformationsprozesse von Input- zu Outputfaktoren (d. h. vom Rohstoff über das Zwischen- bis zum Endprodukt) beinhalten, werden oft durch das Modell der Wertkette dargestellt.13 Die Wertkette wurde zuerst 1985 von Michael Porter (vgl. 2010) als Wertschöpfungsmodell eingeführt, um die Wettbewerbsvorteile auf der Unternehmensebene hervorzuheben und zu analysieren. Die Wertkette wird von diesem Autor als Zusammenhang von Wertaktivitäten definiert, und er schreibt weiter: »[M]it dem Konzept der Wertkette werden immer feinere Unterscheidungen bestimmter Aktivitäten herausgearbeitet, wenn sich aus der Analyse wettbewerbsrelevante Unterschiede ergeben« (Porter 2010, 77). Als Wertaktivitäten werden in der Wertkette »die physisch und technologisch unterscheidbaren, von einem Unternehmen ausgeführten Aktivitäten« (Porter 2010, 68) ausgewiesen. Diese Wertaktivitäten in der Wertkette teilen sich in zwei Arten auf: primäre Aktivitäten (Versorgung des Marktes), die direkt die Wertschöpfung generieren, und unterstützende Aktivitäten (interne Versorgung des Unternehmens), die eine Hilfestellung primärer Aktivitäten ermöglichen (vgl. auch Benkenstein et al. 2007, 54).14 12 | Über die Wertschöpfung erläutert Michael E. Porter: »Ein Unternehmen arbeitet gewinnbringend, wenn seine Wertschöpfung über den Kosten für die Erstellung des Produktes liegt. Für Abnehmer einen Wert zu schaffen, der über den dabei entstehenden Kosten liegt, ist Ziel eines jeden Strategietyps.« (Porter 2010, 64) 13 | In der Betriebswirtschafts- und Managementliteratur sind zwei weitere »grundlegende Logiken der Wertschöpfung« (Woratschek et al. 2007, 32) zu beobachten: Wertshop und Wertnetz. Diese werden als Variationen der Wertkette entwickelt, um Wertschöpfungsphasen und -analysen in betrieblichen Strukturen darzustellen, die nicht aus der industriellen Produktion stammen (vgl. Stabell / F jeldstad 1998; Woratschek et al. 2007; Kraus 2005). 14 | Porter unterscheidet zwischen primären und unterstützenden Aktivitäten. Primäre Aktivitäten »befassen sich mit der physischen Herstellung des Produktes und dessen Verkauf und Übermittlung an den Abnehmer sowie den Kundendienst.« (Porter 2010, 69) Sie sind in fünf Kategorien unterteilt: Eingangslogistik, Operationen, Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie Kundendienst (vgl. Porter 2010, 70 f.). Unterstützende Aktivitäten »halten die primären Aktivitäten unter sich selbst gegenseitig dadurch aufrecht, dass sie für den Kauf von Inputs, Technologie, menschlichen Ressourcen und

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Eine andere Definition von Wertkette beschreibt die Perspektive dieses Begriffes: »The value chain analysis framework postulates that competitive advantage is understood by disaggregating the value creation process of the firm into discrete activities that contribute to the firm’s relative cost position and create a basis for differentiation.« (Stabel / Fjeldstad 1998, 416) Daraus ist ersichtlich, dass in der Wertkette die Produktentstehung als Transformationsprozess interpretiert wird, der, ausgehend von Inputs und Rohmaterialien, Zwischenund Endprodukte generiert, und dass der Wettbewerb zwischen Unternehmen die zentrale analytische Kraft dieses Begriffes ist. Der Kunde, der die Produkte wählt, spielt in der Wertkette eine passive Rolle und wird nicht in die Wertschöpfung integriert. Dieser Fokus auf Transaktionsprozesse spiegelt sich in der Konfiguration der industriellen Produktion wider, für die das Modell der Wertkette entwickelt wurde, obwohl es oft auch für die Analyse der Wertschöpfung in Dienstleistungsunternehmen verwendet wird.15 Aus dieser Perspektive laufen die Wertschöpfungsprozesse wiederholt und identisch ab, dieselben Tätigkeiten werden immer wieder durchgeführt und dieselben Outputs generiert (wie z. B. in der Autoherstellung). In der Wertkette ist die Wertschöpfung eine Abfolge verschiedener, spezifisch abgrenzbarer Aktivitäten der Produktion (vgl. Woratschek et al. 2007, 33). Aufgrund ihrer Definition und Kategorienauswahl kann abgeleitet werden, dass der Entwicklung der Wertkette die Analyse der Produktionsphasen in einem Unternehmen zugrunde liegt, um strategische Wettbewerbsvorteile in den unterschiedlichen Produktionsphasen zu untersuchen. Diese Perspektive auf die Produktion hat aber zwei grundlegende Grenzen: Erstens konzentriert sich das Modell der Wertkette auf die Produktionsphasen und -akteure, die monetären Wert produzieren, und auf ihre Möglichkeiten, diesen Wert zu maximieren (vgl. Pratt 2008b). In diesem Sinne bezieht sich die Produktion auf eine Transvon verschiedenen Funktionen fürs ganze Unternehmen sorgen.« (Porter 2010, 69) Unterstützende Aktivitäten sind in vier Kategorien unterteilt: Beschaffung, Technologieentwicklung, Personalwirtschaft, Unternehmensinfrastruktur (vgl. Porter 2010, 71 ff.). In jeder Kategorie primärer und unterstützender Aktivitäten gibt es drei Typen von Aktivitäten, die für die Wettbewerbsvorteile relevant sind: direkte und indirekte Aktivitäten sowie Qualitätssicherung (vgl. Porter 2010, 75). 15 | Woratschek et al. (vgl. 2007, 31-34) stellen die Erklärungskraft des Wertkettenmodells für Unternehmens- und Produktionsformen außerhalb des industriellen Sektors in Frage und fragen sich, ob die Logik des Transformationsprozesses die Wertschöpfung der Organisationen erklären kann (vgl. Stabell /  F jeldstad 1998). Es wird auch kritisch auf die Beziehung zwischen Unternehmensstrategie und Wertschöpfung bzw. -steigerung hingewiesen, denn diese Beziehung erfolgt in keiner systematischen, allgemeingültigen Darstellung der Wertkette (vgl. Pfannenberg 2010, 19).

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aktionskostenperspektive, die nur die quantifizierbaren und deutlich (bzw. rechtlich) definierbaren Beziehungen zwischen Unternehmen und keine weitere Produktionsformen und -beziehungen in Betracht zieht (z. B. soziale und informelle Beziehungen, den Standort oder potenzielle Agglomerationsvorteile). Die Wertkette ist deswegen ein geeignetes Modell für die Wertschöpfungsanalyse der Branchen, die durch eine industrielle und standardisierte Produktion gekennzeichnet sind. Sie ist aber weniger geeignet für Branchen, die immaterielle und informelle Elemente in ihre Produktion einschließen, denn diese Aspekte sind kaum in das Modell integrierbar. Zweitens wird die Grenzziehung der Wertkette schwierig, wenn statt der Wertschöpfung eines Unternehmens diejenige eines Produktes im Fokus der Analyse steht, denn »a firm’s value chain is embedded in a system of interlinked value chains. […] The overall system is thus a chain of sequentially interlinked primary activity chains that gradually transform raw materials into the finished product valued by buyers.« (Stabell / Fjeldstad 1998, 417)

4.3.2 Global Commodity Chain Die Global Commodity Chain (GCC; vgl. Gereffi et al. 1994; Hughes 2000; Smith et al. 2002; Leslie / Reimer 1999) führt eine produktorientierte Perspektive in die Wertschöpfungs- und Produktionsstrukturforschung ein. Die Commodity Chain ist im Allgemeinen definiert als »network of labour and production processes whose end result is a finished commodity« (Hopkins / Wallerstein 1986, 159). Im Fokus einer Commodity Chain stehen die Bewegungen eines Produktes durch die sequenziellen Phasen der Produktions-, Konsum- und Handelsverflechtungen. Die GCC konzentriert sich hauptsächlich auf die globalen Dynamiken16 der genannten Phasen, obwohl einige Autoren auch lokale und regionale Elemente in Betracht ziehen (vgl. Smith et al. 2002). Folglich verstehen Gereffi et al. unter GCC »sets of interorganizational networks clustered around one commodity or product, linking households, enterprises, and states to one another within the world economy. These networks are situationally specific, socially constructed, and locally integrated, underscoring the social embeddedness of economic organization.« (Gereffi et al. 1994, 2)

Auf diese Weise werden mit dem Begriff GCC Produktflüsse zwischen Akteuren in der Produktionskette dargestellt, die ihre Knoten17 im physischen Raum 16 | Die Zentralität der globalen Maßstabsebene in der Global Commodity Chain wird von Leslie / R eimer (vgl. 1999) zum analytischen Erbe der Weltsystemtheorie erklärt. 17 | Dieser Aspekt muss präzisiert werden: Auf der einen Seite haben Wörter wie Knoten und Netzwerk hier keine Verbindung mit der Netzwerkanalyse, auf der anderen Seite

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haben. Deswegen wird in die Analyse der Produktionsstrukturen eine räumliche Ebene integriert, die sich, wie auch der Name zeigt, auf die globale Maßstabsebene und auf die Beziehungen zwischen Staaten konzentriert. Darüber hinaus hat laut Gereffi (vgl. 1994, 96 f.) eine GCC drei Dimensionen: • eine Input-Output-Struktur, in der die wertaddierenden Aktivitäten in der Produktion miteinander verbunden sind; • eine Territorialität, die die Akteure und ihre Tätigkeiten im Produktionsprozess durch ihre spezifische geografische Dimension und Aufstellung charakterisiert; • eine Governance-Struktur, d. h. Machtbeziehungen und -asymmetrien, durch die materielle, finanzielle und menschliche Ressourcenflüsse in der Wertschöpfungskette18 bestimmt werden. Es gibt zwei grundlegende Formen der Governance-Struktur in der GCC, die zugleich die beiden Extrempunkte des Spektrums industrieller Organisationsmöglichkeiten darstellen: »producer-driven« und »buyer-driven« (Gereffi 1994, 97). Producer-driven Commodity Chains beziehen sich auf Produktionsdynamiken, in denen transnationale bzw. Großunternehmen eine zentrale Rolle auf der Ebene der Kontrolle der Produktionssysteme spielen (das gilt unter anderem für die Automobil- und Computerindustrie). Diese Produktionssysteme sind ihrerseits durch eine Kontrolle seitens zentraler transnationaler Unternehmen gekennzeichnet. Hingegen sind buyer-driven Commodity Chains durch »large retailers, brand-named merchandizers, and trading companies« (Gereffi 1994, 97) charakterisiert, die eine zentrale Rolle in der Produktionsstruktur in verschiedenen Exportstaaten spielen (zu dieser Gruppe gehören arbeitsintensive Industrien und die Konsumgüterindustrie, z. B. die Bekleidungs-,19 Schuhund Spielzeugherstellung).

führt die Thematisierung der Global Commodity Chain durch Gereffi den Netzwerkbegriff in der zitierten Definition nicht konsequent durch, da dieses Modell auf der Metapher der Kette basiert. 18 | Die Wertschöpfung kann als linearer Prozess – und daher wird die Metapher der Kette verwendet – oder als nichtlinearer Prozess oder Wertschöpfungskonfiguration konzipiert werden, d. h. als Ergebnis der Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren und ihren Kontexten in einer Branche (vgl. Suwala 2014, 204 f.; Lange / B ürkner 2010, 2013). 19 | Modedesign wird in dieser Arbeit hauptsächlich als Branche der Kreativwirtschaft und nur indirekt als Teil der Bekleidungsindustrie gesehen. Aus diesem Grund würde seine Betrachtung als buyer-driven Commodity Chain wesentliche Elemente der Produktionsorganisation und Wertschöpfung auslassen.

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Im Zentrum dieses Commodity-Chain-Ansatzes stehen die Transformationsprozesse und nicht die Wertproduktion, wie im Fall der Wertkette, obwohl sich beide Aspekte oft überschneiden. Wie von Gereffi et al. (vgl. 1994, 6) gezeigt, hat die GCC einige Ähnlichkeiten zu Porters Modell der Wertkette, da die Wertkette, wie die Commodity Chain, einen Aktivitätszusammenhang darstellt, in dem Beziehungen dadurch entstehen, dass eine Aktivität Einfluss auf andere hat (z. B. auf die Kosten oder die Effizienz). In beiden Ansätzen wird auch betont, dass es für Unternehmen von Vorteil ist, den Produktionsprozess in Segmente zu unterteilen, um präzise Managementstrategien zur Steigerung der Produktivität und des Gewinns zu entwickeln. Ein Unterschied zwischen den beiden Modellen besteht in der Rolle der räumlichen Organisation der Produktion. Der Wertkettenansatz beschreibt den Versuch, Produktionsabläufe im Sinne eines maximal erzielbaren Profits durch eine Minimierung der Kosten zu optimieren. Dies kann innerhalb ein und desselben Unternehmens geschehen, kann sich aber auch über Zulieferketten und räumlich verteilte Produktionsstandorte erstrecken. Dabei stehen die räumlichen Arrangements aber nicht im Vordergrund. Im Modell der GCC dagegen stehen die räumlichen Arrangements von Teilproduktionen im Mittelpunkt des Geschehens; sie helfen dabei, Kosteneinsparungen zu realisieren. Insofern ist das Management dieser Produktionsbeziehungen entscheidend für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. Aufgrund der dargestellten Merkmale ist das Konzept der Commodity Chain trotz seiner Fähigkeit, industrielle Produktionsprozesse zu erklären, nicht geeignet, kreative Tätigkeiten und flexible Medienproduktionen zu beschreiben, wie von Lange / Bürkner (vgl. 2010) und Power / Hallencreutz (vgl. 2005) gezeigt. Derselben Meinung ist auch Andy Pratt (2008b), wenn er anmerkt, dass, obwohl die Commodity Chain für die Kreativwirtschaft ein höchst sinnvoll verwendbares Tool sei, das Modell an die Besonderheiten kreativer Produktionsprozesse angepasst werden müsse. Pratt bemerkt auch zum GCC-Begriff in der Kreativwirtschaft, dass er sich auf regionale und internationale Untersuchungsebenen konzentriere. Demgegenüber bewegten sich die Produktionsprozesse in der Kreativwirtschaft in vielen Branchen auf der lokalen und regionalen, nicht aber auf der internationalen Ebene. Ein weiterer Kritikpunkt liegt im weitgehenden Ausschluss der Akteure. So würden z. B. die Rolle der Kunden sowie die akteursbezogenen Kontexte, die jeweils die Wertschöpfung und die Produktion beeinflussen, kaum angemessen erfasst (vgl. Weller 2008, 106; Lange / Bürkner 2010). Smith et al. (vgl. 2002) identifizieren weitere Grenzen des GCC-Ansatzes: • In den Prozessen, die sich extern entlang der analysierten GCC entwickeln, werden wichtige Akteure nicht berücksichtigt (insbesondere der Staat), obwohl sie eine zentrale Rolle in der regionalen Entwicklung spielen. Der An-

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satz konzentriere sich stattdessen auf Dynamiken zwischen den Unternehmen innerhalb einer GCC. • Unternehmen sind die hauptsächlich berücksichtigten Akteure im GCCAnsatz, aber strategisches Handeln, das intern in Unternehmen stattfindet (insbesondere bezüglich der Arbeitsdynamiken und -bedingungen der Kette), wird in diesem Ansatz nicht berücksichtigt. • Die lokalen und regionalen Dimensionen der GCC werden nicht genügend theoretisiert, da die meiste Aufmerksamkeit in der Analyse auf eine nationale Ebene und eine internationale Dimension der Produktion und Arbeitsteilung gerichtet wird. Die lokalen und regionalen Dimensionen einer GCC sollten jedoch auch berücksichtigt werden, zum einen weil sie für bestimmte Produktionsprozesse oder -phasen die zentrale Maßstabsebene darstellen, zum anderen weil es grundsätzlich kein triftiges Argument für den Vorzug einer einzelnen (hier: globalen) Maßstabsebene gegenüber anderen (hier: regionalen und lokalen) Ebenen gibt (vgl. auch Storper 1997). • Die Unterteilung in producer-driven und buyer-driven Commodity Chains schafft eine rigide dualistische Struktur, die die Unterschiede zwischen governance und Macht sowohl in den einzelnen Branchen als auch in ähnlichen Ketten in verschiedenen nationalen Kontexten betont. Darüber hinaus werden auch die Linearität der Kettenmetapher und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Analyse ökonomischer Praxis kritisiert (vgl. auch Hughes 2000; Leslie / Reimer 1999).

4.3.3 Kritik an der Linearität der Kettenmetapher Die hier dargestellten Modelle für die Wertschöpfung erklären hauptsächlich die Dynamiken industrieller Produktionsformen sowie diejenige der Aktivitäten mittlerer und großer Unternehmen. Diese Modelle nutzen für die Beschreibung der Prozesse und für die Thematisierung ihrer Struktur die konzeptuelle Metapher20 der Kette. Eine Metapher funktioniert als ein analogisches Inferenzmodell, das in der Lage ist, aus zwei durch eine Analogiebeziehung verbundenen Systemen Ideen und Implikationen von einem System zu transferieren, die normalerweise mit dem anderen assoziert werden (vgl. Dematteis 1985, 133). Das Ziel der metaphorischen Interaktion zwischen Begriffen ist die Erhöhung der Erkenntnis über gewisse Gegenstände und Systeme, die in dem Prozess der Metaphernbildung involviert sind (vgl. Dematteis 1985, 122 ff.) Aus diesem Grund wird die Metapher der Kette einige Grenzen in der Beschreibung der

20 | Vgl. Lakoff /  J ohnson (1980) für den Begriff »konzeptuelle Metapher«, während für die Anwendung der Metapher in der Humangeografie und in den Prozessen der Theoriebildung Dematteis (vgl. 1985) zurate gezogen werden kann.

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Produktionsstrukturen in den postindustriellen und kreativen Ökonomien zeigen, die Bei Verwendung der Netzwerkmetapher überwunden werden können. Der Kettenbegriff kann aufgrund der Linearität der Kette, die der Wirklichkeit in Bezug auf eine visuelle Darstellung nur unvollkommen entspricht, und demzufolge aufgrund seines minderen Erklärungspotenzials in Frage gestellt werden, insbesondere wenn nichtindustrielle bzw. postfordistische Produktionsformen auf dem Prüfstand stehen (vgl. Raikes et al. 2000). Der metaphorische Inhalt der Modelle Wertkette und GCC wirft das Problem auf, dass die einzelnen Phasen der Produktion stets in einer sequenziellen Folge imaginiert werden. Insbesondere die Commodity Chain wird nach ihrem Endprodukt (commodity) definiert und beschreibt das Organisationsfeld und seine Beziehungen zur Wertschöpfung als linienförmig, obwohl in der Produktion jeweils Zwischenprodukte zustande kommen. Die Wertkette konzentriert sich hingegen auf einzelne Phasen und Akteure, die jeweils monetären Wert produzieren, sowie auf die Möglichkeiten, diesen Wert zu maximieren (vgl. Pratt 2008b).21 Die Beschreibung der zwei Variationen erfolgt nicht immer trennscharf; so kann man beispielsweise davon ausgehen, dass einige Phasen der Wertkette auch einigen Phasen der Commodity Chain entsprechen, während andere Phasen nur eine der zwei Ketten charakterisieren. Es gibt Phasen, in denen kein monetärer Austausch zwischen den Akteuren stattfindet, die aber wesentliche formale Elemente der Wertschöpfung im Produktionsverfahren sind (z. B. wenn Gefallen erwiesen werden);22 es gibt aber auch Phasen, die einen Wert generieren, ohne dass eine physische Transformation des Produkts vorgenommen wird (z. B. im Fall der Steigerung der Reputation der 21 | Die Integration der Akteure, die in die Produktion involviert sind, wird deutlich im Begriff Produktionskette (bzw. production chain). Eine Produktionskette wird definiert als »a transactionally linked sequence of functions in which each stage adds value to the process of production of goods or services.« (Dicken 1998, 7) In diesem Sinne überschneidet sich dieser Begriff mit denen der Wertkette und Wertschöpfungskette (vgl. Bathelt /  G lückler 2002, 30). Darüber hinaus hat sich eine akteurszentrierte Perspektive auf die Produktion über den Begriff der Produktionskette zu demjenigen des Global Production Network entwickelt, was in den verschiedenen Auflagen des Buches Global Shift von Peter Dicken deutlich wird (vgl. Dicken 1998, 2011). Daher wird in dieser Arbeit die Produktionskette nicht als ein drittes Beispiel der Anwendung der Kettenmetapher betrachtet. 22 | Ein Beispiel aus den durchgeführten Interviews ist ein Designer, dessen Bekannte einen Laden betreiben und von anderen Designern Stoffe geschenkt bekommen (ID17). Ein anderes Beispiel ist, wenn Fotografen und Grafikdesigner ihre Arbeit für das Lookbook als Gefälligkeit kostenlos leisten (ID15, ID16). »ID« ist die Abkärzung für »Interview mit Designer« und die Zahl steht für das Interview. Für weitere Informationen über die metholdologische Herangehensweise s. Kap. 5.3

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Produzenten).23 Dieses zweite Beispiel gilt für die Kreativwirtschaftspraxis besonders dann, wenn den Produkten zunächst nur symbolische bzw. kulturelle Werte zugeordnet werden, die sich dann erst unter bestimmten Bedingungen in einen monetären Wert verwandeln. Problematisch ist in diesen Modellen auch die Abgrenzung der Akteurstypen, die in den verschiedenen Produktionsphasen tätig sind. So wird auf der einen Seite der Fokus auf spezifische Aspekte der Wertschöpfung und Produkttransformation in der Produktion gerichtet, was eine Konzentration auf unternehmensinterne Akteure bewirkt. Demgegenüber werden Akteure, die keine rechtliche Beziehung zu den Unternehmen haben oder keine Transformation bzw. Wertsteigerung schaffen, aus den Modellen ausgeschlossen, obwohl sie auch eine Rolle in der Produktion spielen. Die linearen Transformationsprozesse, die mit der Kettenmetapher verbunden sind, stellen somit eine extreme Simplifizierung der ökonomischen Praxis dar. Da man vernachlässigt, dass in eine einzelne Produktionskette auch die Resultate anderer Ketten einfließen, wird die ökonomische Praxis weiter vereinfacht, denn die Zwischenprodukte und die Dienstleistungen, die für die Fertigung eines Produktes notwendig sind, haben jeweils ihre eigene Produktionskette. Diese Problematik wird in der Beschreibung des ökonomischen Systems als mitwirkendes Ergebnis von verflochtenen einzelnen Wertketten oder Commodity Chains registriert, doch die Theoretisierung der Modelle spiegelt diese Beschreibung nicht wider (vgl. Stabell / Fjeldstad 1998). Diese beiden Modelle mit ihrer ökonomisch basierten Kategorieauswahl sorgen für eine Ausblendung des Kontextes, in den die Produktionsprozesse eingebettet sind, und führen daher zu einem kategorialen Ausschluss der geografischen, institutionellen, kulturellen und sozialen Kontextelemente (vgl. Raikes et al. 2000; Pratt 2008b; Lange / Bürkner 2010, 2013; Coe et al. 2008a). Diese Elemente beeinflussen jedoch die einzelnen Produktionsketten direkt oder auch in Form einer mittelbaren Kontextabhängigkeit. Da die Produktionsstruktur so komplex ist und von so unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird, kann die stark simplifizierende Kettenmetapher kaum in eine kausale Erklärungsstruktur eingebunden werden.24 Die Linearität der Wertkettenmodelle wurde auch in Bezug auf die Koordination und Kontrolle der Produktionsorganisation kritisiert, insbesondere im Zusammenhang mit der GCC und der Global Value Chain (vgl. Coe et al. 2008a), denn, wie Ray Hudson betont: »Economic processes must be conceptu23 | In der Modedesignbranche kann die Reputation beispielsweise durch Mundpropaganda (ID06, ID07) oder bei Messeauftritten und Events (ID22, ID18) gesteigert werden. 24 | Im Unterschied dazu stellt die Kategorie Netzwerk ein theoretisch begründetes und zugleich flexibleres Erklärungsmoment für flexible, nicht immer finalisierbare Produktionsprozesse dar.

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alized in terms of a complex circuitry with a multiplicity of linkages and feedback loops rather than just ›simple‹ circuits or even worse, linear flows.« (Hudson 2004, 462) Wertschöpfung wird als Hybrid aufgefasst: Zum einen werden nichtlineare Prozesse angenommen und lineare Interpretationen für problematisch erklärt (vgl. Henderson et al. 2002; Smith et al. 2002); dies wird unter anderem damit begründet, dass jede Stufe des Produktionsprozesses in mehrere nichtlineare Relationen eingebettet sei (vgl. Coe et al. 2008a). Zum anderen wird davon ausgegangen, dass das Ziel der Wertschöpfung innerhalb eines Netzwerkes durch die Transformation materieller und immaterieller Inputs erreicht wird; dies wiederum wird als ein unvermeidliches Element der Linearität und Vertikalität seiner Struktur angesehen (vgl. Coe et al. 2008a). Zusammenfassend ergibt sich in dieser Analyse, dass die kettenbasierten Begriffe zur kategorialen Unschärfe und zur unpräzisen Verwendung der Kettenmetapher führen, denn die Produktionsstruktur wird in der Forschungspraxis sowohl als Kette als auch als Netzwerk beschrieben. Dies ist wegen der wechselseitigen Überlappung beider Elemente verständlich, auch wenn es aus theoretischer Sicht nicht unproblematisch ist. Aus der faktischen Unmöglichkeit, eine scharfe Trennung zwischen beiden Kategorien vorzunehmen, erfolgten bislang nur zaghafte Versuche, diese Unschärfe theoretisch genauer zu beschreiben (vgl. Coe et al. 2008a).25 Problematisch ist weiterhin, dass sich die Ansätze Wertkette und GCC auf die monetären Aspekte und Transformationsprozesse der Produktion konzentrieren, während die sozialen Komponenten und Kontexteigenschaften des ökonomischen Handelns, die für bestimmte Branchen oder Standorte charakteristisch sind, ausgeblendet werden.

25 | Versuche, dieses Problem aus der Netzwerkperspektive herauszulösen, haben bislang allenfalls zu Teillösungen geführt. Sie setzen bei der Beobachtung an, dass in der Metapher der Kette nicht zu erkennen ist, wo Anfangs- und Endpunkte einer linearen Entwicklung liegen. Ersatzweise werden in der Netzwerkforschung (mit Bezug auf die Gesamtnetzwerke) und auch in der Commodity-Chain-Forschung jeweils Netzwerkgrenzen gezogen, anhand derer sich die erste Phase der Produktions- und Wertschöpfungskette identifizieren lässt und eine Abgrenzung der Knoten voneinander möglich ist. Eine alternative Lösung liegt in der Identifikation eines fokalen Unternehmens, um sein Ego-zentriertes Netzwerk, d. h. seine Beziehungen mit anderen Akteuren und deren Beziehungen untereinander, untersuchen zu können (vgl. Glückler 2012).

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4.4 Ü berwindung der K e ttenme tapher : G lobal P roduction N etwork Aufgrund der im letzten Abschnitt dargelegten Analyse kann gefolgert werden, dass das Netzwerk nicht nur eine passendere Metapher für die Produktionsstrukturen der Kreativwirtschaft darstellt, sondern zugleich auch Ansatzpunkte für die Entwicklung eines kontextsensiblen analytischen Instruments liefert. Dies ist angesichts der besonderen Produktionsstrukturen der Branchen der Kreativwirtschaft ein zentrales Erfordernis, werden hier doch unterschiedliche Akteurstypen und variable Kontextbedingungen unmittelbar erklärungsrelevant.

4.4.1 Analytischer Blickwinkel des Global-Production-Network-Ansatzes Um die Linearität des Kettenbegriffs zu vermeiden und unterschiedliche Akteurstypen und Einflüsse im Produktionsprozess zu erfassen, haben Forscher der Universität Manchester26 das Modell des Global Production Network (GPN) entwickelt (vgl. Coe et al. 2008b, 2008b; Yang / Coe 2009; Yeung 2009; Henderson et al. 2002).27 Die Autoren verfolgen mit der Verwendung des Netzwerkbegriffes das Ziel, die strukturellen und relationalen Eigenschaften von Organisationen in der Produktion, Distribution und im Konsumbereich zu analysieren, sodass das GPN eine integrierende Perspektive aller relevanten Akteursgruppen, Netzwerkbeziehungen und sonstigen Beziehungsarten ermöglicht (vgl. Coe et al. 2008a). Der GPN-Ansatz wurde für die Analyse der Produktionsstrukturen im globalisierten ökonomischen System und in seiner Wirkung auf raumbezogene Dynamiken hin entwickelt.28 Das Modell betrachtet Netzwerke als »relational processes, which, when realized empirically within distinct time- and spacespecific contexts, produce observable patterns in the global economy« (Dicken et al. 2001, 91). Das Netzwerk der Produktion29 verbindet auf der einen Seite 26 | Bathelt (vgl. 2006) bezeichnet sie als »Manchester School«. 27 | Ein weiterer unabhängiger Beitrag zur Entwicklung des Begriffes wurde von Ernst und Kim (vgl. 2002) geleistet. 28 | Für eine Anwendung des GPN in der Analyse der Dienstleistungen vgl. Kleibert 2016. 29 | Mit »Netzwerk der Produktion« ist hier die direkte Übersetzung des Begriffs production network gemeint, der in Global Production Network beinhaltet ist. Dies ist nötig, um den Unterschied zum Begriff »Produktionsnetzwerk«, der in den Kap. 4.5 und 4.7 dargestellt wird, deutlich zu machen. Die beiden Begriffe (Netzwerk der Produktion und Produktionsnetzwerk) werden in dieser Arbeit unterschieden.

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Akteure aus unterschiedlichen nationalen und lokalen Kontexten miteinander, und zwar derart, dass räumliche Beziehungen (z. B. das Herkunftsland, im Fall einer Netzwerkstruktur mit einem dominierenden Unternehmen, oder Orte, an denen die Produktion stattfindet) bestimmte Handlungsformen innerhalb des Netzwerkes erfordern (vgl. Dicken 2000, 2003; Mikler 2007). Auf der anderen Seite beeinflusst das Netzwerk der Produktion in umgekehrter Richtung dann die Handlungen der einzelnen Firmen und kann sogar, in einer radikalen Interpretation, einen Einfluss auf die sozialen Gemeinschaften ausüben, die mit jenen Firmen verbunden sind (vgl. Coe et al. 2008a). Das GPN hebt die Akteure und ihre Beziehungen in Produktionsprozessen innerhalb globaler Vernetzungen hervor (vgl. Bathelt 2006) und interpretiert Netzwerke als »a generic form of economic organization. They are not some kind of hybrid form existing in the void between markets and hierarchies« (Coe et al. 2008a, 272, Hervorhebung im Original). Die Verfechter des GPN nehmen indirekt die Argumente Powells über Unternehmensnetzwerke (vgl. 1990) auf, der die Netzwerke als eine Organisationsform beschreibt, die sich deutlich vom Markt und dem einzelnen Unternehmen unterscheiden (Kap. 4.2). Damit ist die Absicht verbunden, die Erklärungsrelevanz der beiden letztgenannten Organisationsformen nicht reduzieren zu wollen. Folgerichtig wird GPN von den Autoren definiert als »the nexus of interconnected functions, operations and transactions through which a specific product or service is produced, distributed and consumed. A global production network is one whose interconnected nodes and links extended spatially across national boundaries and, in so doing, integrates parts of disparate national and subnational territories.« (Coe et al. 2008a, 274) 30

In der Analyse eines Netzwerks der Produktion können daher sowohl verschiedene Maßstabsebenen als auch unterschiedliche Akteurs- und Beziehungsarten miteinander kombiniert werden. Die Verflechtung zwischen Unternehmen sowie zwischen globalen und lokalen Kontextebenen wird mit dem GPN-Begriff hervorgehoben: »The precise nature and articulation of firm-centered production networks are deeply influenced by the concrete socio-political contexts within which they are embedded.« (Henderson et al. 2002, 446) Es folgt, dass

30 | Eine aktuellere Definition von GPN, die aber nicht von der im Text vorliegenden abweicht, lautet: »We define global production network as an organizational arrangement, comprising interconnected economic and non-economic actors, coordinated by a global lead firm, and producing goods or services across multiple geographical locations for worldwide markets.« (Coe /  Yeung 2015, 1 f.)

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GPN mehr als ökonomische Phänomene sind, sie sind zugleich auch grundlegende soziale, kulturelle und politische Systeme (vgl. Levy 2008).31 Im GPN-Ansatz ist eine größere Flexibilität zu beobachten als bei den Modellen, die auf der Kettenmetapher beruhen: Insbesondere vermeidet der GPNAnsatz eine lineare Konzeption der Produktion und hebt neben »traditionellen« unternehmerischen Beziehungen auch die Beziehungen zwischen unternehmerischen und nichtunternehmerischen Akteuren hervor (vgl. Coe 2009).32 Die Produktion wird im GPN als Ergebnis einer doppelten Interaktion verstanden: einerseits der Interaktion zwischen Akteuren, die sich an einem oder mehreren Netzwerken beteiligen, und andererseits der Interaktion zwischen Netzwerken, die durch gemeinsame Akteure bzw. Schnittstellen miteinander verflochten sind. Das Netzwerk der Produktion wird konsequenterweise als abwechslungsreiche Struktur interpretiert, die sich in einem dynamischen Kontext befindet. Seine organisatorischen und räumlichen Komponenten können deswegen an wechselnde interne und externe Bedingungen angepasst werden (vgl. Yang / Coe 2009). Deshalb weisen die im GPN-Ansatz berücksichtigten Netzwerke auf unterschiedliche Grade der Stabilität (d. h., sie können stabil oder labil sein), der Raumverankerung (lokalisiert oder geografisch verbreitet und flexibel) und der Komposition (Akteure mit verschiedenen Zielen und Tätigkeiten) hin. Strukturell sind die Netzwerke der Produktion als zusammenhängende Verflechtung zwischen vertikalen und horizontalen Netzwerken mit unterschiedlicher Größe und Komplexität zu interpretieren (vgl. Lambert / Cooper 2000, 71 f.). Bezüglich seiner Rolle innerhalb des GPN bestimmt ein Unternehmen hingegen seine relative Position durch die verfügbare Macht im Netzwerk (vgl. Yang / Coe 2009). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Netzwerkmetapher, im Gegensatz zur Kettenmetapher in der Wertkette und Com-

31 | Diese Konzeption der Integration verschiedener Handlungsmaßstabsebenen ist auch in der strategischen Kopplung (vgl. Yeung 2009) der GPN-Akteure zu erkennen, in der Städte und Regionen als relationale Konstruktionen und soziale Formationen verstanden werden, die einzelne Akteure nicht allein beeinflussen können. Diese Kopplung zwischen Regionen und GPN kann sich mit der Zeit ändern, daher kann der Fall eintreten, dass die Akteure der GPN bestimmte Funktionen vereinheitlichen, diese jedoch unterschiedliche geografische Ebenen beinhalten, die sich einerseits als global, andererseits als lokal präsentieren (vgl. Yeung 2009, 212). 32 | Dank der Integration der Actor-Network-Theory (vgl. Latour 2005) werden in das GPN-Verständnis der Produktion nicht nur nichtunternehmerische Akteure, sondern auch nichtmenschliche, aber mitwirkende Elemente (wie z. B. kontextschaffende Elemente, unter anderem Gesetze) und die Beziehungen zur Umwelt integriert (vgl. Coe et al. 2008a).

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modity Chain, die strukturelle und relationale Dimension der globalen Produktion ausdrücklich einschließt (Yeung 2009; Coe et al. 2008b; Dicken 2005).

4.4.2 Abgrenzung von Kettenmetapher-basierten Modellen: Vorteile des GPN-Ansatzes Das GPN hat seine theoretischen Wurzeln in Produktionsorganisationsmodellen, die sich an Wertketten (vgl. Porter 1990) und insbesondere an der GCC und der Global Value Chain (GVC) orientieren (vgl. Gereffi 1994; Gereffi et al. 2005; Bair 2008; Hess / Yeung 2006). Sein Interesse ist auf die epistemologische Ebene gerichtet, auf »understanding the social and developmental dynamics of contemporary capitalism at the global-local nexus« (Bair 2005, 154). Das GPN konzentriert sein analytisches Interesse auf transnationale Unternehmen, die die Untersuchung einer solchen Perspektive erleichtern (vgl. Yeung 2009; Johns 2006; Dicken 2011; Yang / Coe 2009). Einige Autoren, denen die Ähnlichkeiten der Grundkonzeptionen von GPN und GCC / GVC bewusst sind, erkennen auch wesentliche Unterschiede zwischen diesen Begriffen, die zu gewissen Vorteilen und einer höheren Flexibilität des GPN als analytisches Instrument führen: Erstens schließt GPN alle relevanten Akteure und Beziehungen mit ein, während GCC / GVC sich auf die governance der Transaktionen zwischen Unternehmen konzentriert; zweitens überwindet GPN die mit der GCC / GVC verbundene Linearität; drittens erlaubt der Netzwerkansatz eine multiskalare und intranationale Analyse; und viertens berücksichtigt GPN sowohl wirtschaftliche als auch soziale und kulturelle Formationen, die sich auf verschiedenen Maßstabsebenen gegenseitig beeinflussen (vgl. Yang / Coe 2009; Coe et al. 2008b, 2008a). Die Verbindung eines analytischen Begriffs für die Produktionsstrukturen mit einem Netzwerkansatz bietet somit mehrere Vorteile (vgl. Coe et al. 2008a; Weller 2008). Erstens können unternehmerische und nichtunternehmerische Akteure im Produktionsprozess analysiert werden. Zweitens wird die lineare Betrachtungsweise der Produktion durch die Darstellung komplexer Bewegungen des Kapitals, des Wissens und von Personen ersetzt. Drittens gestattet die Verknüpfung eine multidimensionale Netzwerkperspektive, mit der Phänomene einerseits auf einer territorialen Maßstabsebene, andererseits aber auch als Teile unterschiedlicher Netzwerke der Produktion mit verschiedenen Akteurstypologien und in ihren regionalen und urbanen Kontextualisierungen untersucht werden können (vgl. Dicken et al. 2001; Yeung 2009).33

33 | Die analytische Flexibilität des Begriffes wird darüber hinaus durch die Fähigkeit des GPN unterstrichen, über Akteure zu reflektieren, die indirekt mit der Produktion verbunden sind (vgl. Levy 2008, 944).

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4.4.3 Basiskategorien des GPN-Ansatzes: Wert, Macht und embeddedness Der GPN-Ansatz basiert auf drei konzeptionellen Kategorien, die das Verständnis der Struktur der Produktion ermöglichen: Wert, Macht und embeddedness (vgl. Henderson et al. 2002; MacKinnon 2012; Johns 2006).34 • Mit Wert, so schreiben Henderson et al., »we mean both Marxian notions of surplus value and more orthodox ones associated with economic rent« (Henderson et al. 2002, 448). Dadurch werden drei Aspekte hervorgehoben: erstens, auf welche Weise Wertbeiträge in jedem Unternehmen des GPN geschaffen werden; zweitens, welche Formen und Mechanismen der Wertvermehrung auftreten; und drittens, welche Möglichkeiten entstehen, um Werte an bestimmten Standorten zurückzubehalten (vgl. Henderson et al. 2002). Damit wird versucht, den Wertbegriff im Vergleich zur Wertkette und der GCC zu erweitern, sodass neben der monetären Komponente auch die Beziehungen der Wertschöpfung zu den Arbeitskräften und Standortelementen bzw. lokalen Elementen der globalen Produktionsformen in die Analyse einbezogen werden können. • Quellen und Anwendungsformen von Macht sowie daraus folgende Governance-Formen spielen eine entscheidende Rolle in den Prozessen der Wertvermehrung und -ortsbindung (vgl. Henderson et al. 2002). Drei Formen der Macht werden unterschieden (vgl. Henderson et al. 2002): unternehmerische, institutionelle und kollektive Macht. Unter unternehmerischer Macht versteht man die Fähigkeit des zentralen Unternehmens im GPN, Entscheidungen und Ressourcenverteilungen zu beeinflussen, da normalerweise im Netzwerk der Produktion keine Machtmonopole bestehen, sondern unterschiedliche Governance-Formen und relationale Formen der Machtausübung. Institutionelle Macht bezieht sich auf politische Institutionen (Staat, EU), Bretton-Woods-Institutionen (FMI, Weltbank), UN-Agenturen und internationale Ratingagenturen. Kollektive Macht geht von solchen

34 | Coe und Yeung (vgl. 2015) entwickeln den Begriff von GPN weiter und nennen ihn GPN 2.0, um die konzeptionelle Präziserung ihrer Erarbeitung hervorzuheben. Die grundlegenden Kategorien von Wert, Macht und embeddedness sind aber immer noch in diesem Begriff (GPN 2.0) enthalten, genauso wie die grundlegenden Positionen. Aus diesem Grund wird diese Unterscheidung hier nicht eingeführt, weil sie über die Ziele dieser Arbeit hinausgeht und ich mich mit GPN in seiner grundlegenden Konzeptionalisierung auseinandersetze.

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kollektiven Akteuren aus, die bestimmte Unternehmen an bestimmten Schnittstellen der GPN beeinflussen, z. B. Gewerkschaften und NGOs.35 • Embeddedness36 steht für die Konzeption des Unternehmens und seines Kontextes als Netzwerk sozialer Relationen: »GPNs do not only connect firms functionally and territorially but also they connect aspects of the social and spatial arrangements in which those firms are embedded and which influence their strategies and the values, priorities and expectations of managers, workers and communities alike. The ways in which the different agents establish and perform their connections to others and the specifics of embedding and disembedding processes are to a certain extent based upon the ›heritage‹ and origin of these agents.« (Henderson et al. 2002, 451)

Es werden drei Formen von embeddedness unterschieden: Territoriale embeddedness bezieht sich auf die Verankerung der Unternehmen an bestimmten Orten, wodurch die Unternehmen auch in ihrer Entwicklung beeinflusst werden können. Territorial eingebettete Unternehmen können zur Clusterformierung führen und sowohl eine zentrale Rolle in den regionalen Wirtschaftsdynamiken spielen als auch als Schnittstelle des GPN dienen. Damit kann die Wertschöpfung einiger Produktionsphasen in bestimmten Städten und Regionen verortet 35 | Diese Machtkonzeption hebt sich deutlich von der Governance-Theoretisierung in den Ansätzen der Global Commodity Chain und Global Value Chain ab. Beide hatten bereits eine Erklärung für die Koordinationsformen der Flüsse zwischen Firmen in der globalen Ökonomie geliefert, aber es fehlte ihnen eine ausreichende Thematisierung der Beziehungen in territorialen und institutionellen Kontexten, sodass die Produktionsbeziehungen »placeless« waren (Bair 2008, 357; vgl. auch Coe et al. 2008a; Gereffi et al. 2005; Hess  /  Yeung 2006). 36 | Der Begriff wurde von Mark Granovetter eingeführt. Granovetter (vgl. 1985) argumentiert in seiner Kritik einer untersozialisierten Handlungsperspektive bei Coase und Williamson mit dem Ökonomischen der Transaktionskostentheorie, dass nämlich das Unternehmen in einen Kontext sozialer Relationen eingebettet ist. Wirtschaftliche Tätigkeiten und Transaktionen finden in einem Netz sozialer Beziehungen statt, die für das Verstehen ökonomischen Handelns mit in Betracht gezogen werden müssen, obwohl die meisten Untersuchungen und theoretischen Reflexionen sich nur auf Unternehmensbeziehungen konzentriert haben, ohne die Märkte auch als eingebettete soziale Strukturen zu betrachten (vgl. Bair 2008, 354). Der Embeddedness-Begriff wurde von mehreren Autoren erweitert und definiert, obwohl er nur in die allgemeine Konzeption einer (sozialen) kontextbasierten ökonomischen Interaktion Einsicht gibt, sodass Oinas (vgl. 1997) und Markusen (vgl. 1999) die Vagheit des Begriffes kritisieren, die eine konzeptionelle Verschärfung benötigt. Für eine ausführliche Betrachtung der embeddedness im GPN vgl. Bair 2008; Hess 2004; Henderson et al. 2002.

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werden (vgl. Henderson et al. 2002). Die Vorteile der embeddedness an einigen Orten sind nicht als zeitlich stabil zu verstehen.37 Eine zweite Form der embeddedness im GPN ist die Netzwerk-embeddedness, die die Netzwerkakteure unabhängig von ihrer räumlichen Position verbindet und sowohl formelle als auch informelle Beziehungen beinhaltet (vgl. Henderson et al. 2002). Diese Form der embeddedness stellt die »Architektur« des Netzwerks dar (vgl. Henderson et al. 2002, 453), weil die Struktur und die Entwicklung des GPN als Ganzes von den formellen und den informellen Beziehungen der einzelnen Akteursnetzwerke beeinflusst wird. Die dritte Form der embeddedness, die gesellschaftliche (societal embeddedness), die die Akteure in ihren gesellschaftlichen Kontexten thematisiert (kultureller, politischer Hintergrund), wird von Hess definiert. Gesellschaftliche embeddedness bezieht sich nicht nur auf das unternehmerische Handeln, sondern auch auf die »business system idea of an institutional and regulatory framework that affects and in part determinates an actor’s behaviour, […] on the individual level […] or on the aggregate level of the firm« (Hess 2004, 177).

4.5 D as P roduktionsne t z werk 4.5.1 Abgrenzung vom GPN Ein erhebliches Defizit der GPN-Literatur besteht in der Betrachtung der Firma als Black Box (vgl. Coe et al. 2008a),38 d. h. als einen nicht direkt beobachtbaren Untersuchungsgegenstand. Die GPN-Studien haben sich auf die Beziehungen zwischen Unternehmen konzentriert, während diejenigen innerhalb eines Unternehmens ausgeblendet blieben. Dabei wurde allerdings angenommen, dass auch die interne Unternehmensstruktur eine entscheidende Rolle für die Organisation der Netzwerke der Produktion spielt:

37 | Falls ein fokales Unternehmen z. B. seine Beziehungen an einem Ort beendet, sind auch die damit verbundenen strategischen Vorteile der Einbettung und ggf. das lokale Wachstum gefährdet (vgl. Pike et al. 2000). 38 | Coe et al. (vgl. 2008b) identifizieren zwei weitere Literaturlücken bezüglich der Interaktion zwischen den globalen Netzwerken der Produktion und dem physischen Raum: Die Gleichgültigkeit der Forscher gegenüber physischen und funktionalen Flüssen zwischen Orten und Akteuren des Netzwerks der Produktion, d. h. die Logistikherausforderungen, werden in den Analysen des GPN oft ausgelassen. Zweitens nimmt GPN, obwohl über das analytische Potenzial verfügend, die Umweltproblematik in Produktion, Distribution und Konsum nicht mit auf.

4 Produktionsnet zwerke in der Modebranche »[F]irms are networks embedded within networks, with varying degrees of imbrication and interconnection. […] the boundaries between internalization and externalization of functions are in a continous state of flux, involving a complex reconfiguring of organizational boundaries, including the proliferation of various forms of inter-firm collaboration.« (Coe et al. 2008a, 277 f.)

Diese Betrachtung von Unternehmen als netzwerkförmige Organisationen, deren interne Beziehungen für die Produktion relevant sind, basiert auf Analysen von transnationalen Unternehmen und Großunternehmen (vgl. Yeung 2009; Dicken 2011; Johns 2006; Yang / Coe 2009). Diese werden als zentrale unternehmerische Akteure identifiziert. Aufgrund der globalen Ökonomieperspektive werden im GPN Akteure einbezogen, die zu transnationalem Handeln fähig sind und eine entscheidende Rolle in der governance der GPN spielen können, d. h. transnationale Unternehmen (Coe / Yeung 2015). Kleine Unternehmen haben unterdessen oft eine kleinere Reichweite und werden deswegen zu marginalen Akteuren der GPN deklariert.39 Eine zweite Grenze des GPN-Modells ist mit der Definition und Anwendung des Begriffs zu erkennen, da es für die Analyse globaler Akteure und Netzwerke entwickelt wurde, die in unterschiedlichen territorialen Kontexten handeln: »[W]e define a global production network as an organizational arrangement, comprising interconnected economic and non-economic actors, coordinated by a global lead firm, and producing goods or services across multiple geographical locations for worldwide markets« (Coe / Yeung 2015, 1 f.).40 Kleinunternehmen und -produktionen, die lediglich eine regionale Reichweite haben und in gemeinsame (z. B. nationale rechtliche und politische) Institutionen und soziokulturelle Kontexte eingebettet sind, wurden nicht untersucht. Diese globale Perspektive ist auch in der Netzwerkdefinition des GPN zu finden, denn »networks are both social structures and ongoing processes, which are constituted, transformed and reproduced through asymmetrical and evolving power relations by international social actors and their intermediaries« (Dicken 39 | Im Gegensatz zu Großunternehmen können meines Erachtens kleine Unternehmen eine andere Perspektive hinsichtlich der Produktionsstrukturen entwickeln, denn ihre interne Netzwerkstruktur verbindet ökonomische Interaktionen mit sozialen, privaten und informellen Beziehungen. Letztere können mit dem GPN nicht genau beschrieben werden (vgl. Kap. 4.4 und 4.6.). 40 | Diese Definition wird noch präzisiert und grenzt sich damit noch deutlicher von der Analyse mittlerer und kleiner Unternehmen der Modedesignbranche ab, wenn die Authoren hinzufügen: »[O]ur focus is clearly on the actors that constitute global production networks, with a lead firm being a central and necessary prerequisite, and on the multiple locations that are bound together by the economic relations between those actors« (Coe /  Yeung 2015, 2).

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et al. 2001, 105, Hervorhebung im Original). So steht, wenn auf der einen Seite das Verständnis der Beziehungsstrukturen als soziale Konstruktionen und dynamische Prozesse eine konstruktive Darstellung der Produktionsformen über mehrere Ebenen erlaubt, auf der anderen Seite die Idee im Raum, dass diese Prozesse auf globaler Ebene stattfinden oder dass ihre Folgen dort zu erkennen sind. Darüber hinaus entwickeln sich die Machtbeziehungen, insbesondere für regionale Produktionsformen, nicht nur aus dem Handeln der Akteure, das nur zum Teil einen Einfluss auf Machtbeziehungen haben kann, sondern auch aus den Positionen und den Rollen eines Akteurs im Produktionsprozess, wie schon Gereffi (vgl. 1994) zu unterschiedlichen Governance-Strukturen der GCC angemerkt hat. Die Fokussierung auf globale Produktionsformen hat zur Folge, dass »traditionelle« Industriebranchen untersucht werden (vgl. Kleibert 2016), während andere Branchen, wie z. B. die Kreativwirtschaft, die oft auf anderen Maßstabsebenen agieren, nicht berücksichtigt werden können. Das ist deutlich an den beiden GPN-Kategorien Macht und Wert zu erkennen. Die Machtbeziehungen und -akteure des GPN-Modells sind offensichtlich auf die globale Ökonomie ausgerichtet und damit nicht in der Lage, trotz der multiskalaren analytischen Ausrichtung des Machtbegriffes, die Akteure einer Region zu thematisieren, die hauptsächlich lokal handeln und nicht in globale Produktionsnetzwerke integriert sind. NGOs oder Staaten fallen daher als Machtakteure fast vollständig aus, wenn das gesamte Netzwerk der Produktion in einer einzigen Region liegt. Sie können zwar in der Definition des Kontextes mitwirken, spielen aber keine aktive Rolle in einem solchen Netzwerk der Produktion. Darüber hinaus sind kleine Unternehmen in ihrem Handeln und ihrer Organisation, im Vergleich zu transnationalen Unternehmen, von weniger internen hierarchischen Machtmechanismen und von einer stärkeren sozialen Komponente gekennzeichnet. Auf der anderen Seite basiert der Wert innerhalb eines GPN, obwohl erweitert um die mitwirkenden Akteure und Produktionsformen, auf Transformationsprozessen von Zwischenprodukten zum Endprodukt, so wie er auch in der GCC und der Wertkette konzipiert wurde. Beide Kategorien, Macht und Wert, werden im GPN grundsätzlich als Vergleichs­elemente definiert, die nicht nur die unterschiedlichen Produktionsphasen kennzeichnen, sondern auch die verschiedenen Kontexte der Produktion geografisch, ökonomisch und sozial unterscheiden. Darüber hinaus spielt die Räumlichkeit (d. h. die räumliche Verteilung der Produktionsphasen und die Interaktionen der Akteure und Produkte mit dem Raum) des gesamten Produktionsnetzwerkes oder einiger seiner Knoten auch eine aktive Rolle in der Wertschöpfung der Kreativwirtschaft (vgl. Graham 2003; Helbrecht 2005; Krätke 2011; Jansson / Power 2010) und deswegen auch in der Modedesignbranche. Daher können die Orte in der Kreativwirtschaft als von zwei miteinander verflochtenen Ebenen gekennzeichnet verstanden

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werden, einer ökonomischen und einer symbolischen41 (vgl. Scott 2010; Storper 2013). Neben der Räumlichkeit des symbolgenerierten Wertes spielt die räumliche Verteilung der Produktionsphasen auch eine Rolle bei der Ausdifferenzierung der Produktion, weil die verschiedenen Phasen oft, aufgrund unternehmerischer Entscheidungen, räumlich strategisch verteilt sind. So können diese Phasen nicht nur räumlich voneinander getrennt sein, sondern auch unterschiedliche Maßstabsebenen haben, obwohl im Fall der Kreativwirtschaft die lokale urbane Ebene eine wesentliche Dimension ist (vgl. Pratt 2008a,b).

4.5.2 Produktionsnetzwerk, eine Arbeitsdefinition Der wichtigste Impuls des GPN-Begriffs ist die angestrebte Flexibilität in der Betrachtung der Produktionsorganisation, die dabei hilft, unterschiedliche Maßstabsebenen und Akteurstypologien zu erschließen, obwohl per definitionem der Ausgangspunkt der Analyse auf globale Produktionsformen gerichtet ist. In dieser Arbeit wird daher, basierend auf der holistischen Konzeption des GPN, der Begriff Produktionsnetzwerk verwendet,42 da er seinen Ausgangspunkt bei den regionalen Akteuren hat und insbesondere für die Produktion in der Modedesignbranche geeignet ist. Das Produktionsnetzwerk wird dabei nicht als Ergebnis einer Übertragung des GPN auf die lokale Ebene konzipiert. Stattdessen wird es als Bestandteil eines separaten analytischen Rahmens betrachtet, unter anderem weil die konzeptionellen Kategorien und die untersuch41 | So kann z. B. der Hauptsitz eines Haute-Couture-Modehauses aufgrund ökonomischer bzw. strategischer Erwägungen in Mailand oder Paris liegen; dennoch hat die jeweilige Stadt auch besondere symbolische Konnotationen im Bereich Mode, die einen Einfluss auf den finalen Wert der mit ihr assoziierten Produkte haben. Auch die zeitlich begrenzte Räumlichkeit wirkt an der Generierung des Wertes mit. Z. B. ist die Pariser Fashion Week ein wichtigeres lokales und globales Modeevent als andere Fashion Weeks, an dem die Akteure wegen seiner Multidimensionalität teilnehmen – um Kontakte zu knüpfen und neue Modetendenzen zu entdecken, um gesehen zu werden oder auch einfach nur um Teil des Events zu sein und damit einen symbolischen, und wahrscheinlich auch ökonomischen, Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen zu haben, die nicht anwesend waren. Für die Analyse der Wertschöpfungsmechanismen der Berliner Modedesigner vgl. Kap. 8. 42 | Das Wort oder der Begriff Produktionsnetzwerk werden hier sicherlich nicht neu erfunden, da er auch schon bezüglich der Modebranche eingeführt wurde: »Production networks are also social scenes in which complex dynamics take place.« (Aspers / S kov 2006, 809) »Produktionsnetzwerk« wird, wie in diesem Kapitel beschrieben, aber hier in einer spezifischen und systematischen Art verwendet, die es von anderen Anwendungen des Worts unterscheidet.

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ten Produktionsstrukturen des GPN nicht für die Analyse der Kreativwirtschaft geeignet sind. Der Begriff Produktionsnetzwerk beruht dennoch, ähnlich wie im GPN, auf der Vorstellung, dass die Produktionsstruktur ein Ergebnis der Interaktion zwischen Netzwerken und Akteuren unterschiedlicher Natur ist. Der Geltungsbereich dieser Kategorie kann dann auch fallweise auf die überregionale bzw. globale Ebene ausgedehnt werden, ohne dass dies zu einer generellen Voraussetzung für die Analyse gemacht werden müsste. Mit dem Begriff Produktionsnetzwerk wird vorgeschlagen, die Produktion ins Zentrum der Analyse zu stellen. Dies wurde auch schon im GPN-Modell realisiert (vgl. Henderson et al. 2002). Der Begriff Produktion hebt, im Unterschied zu Wert oder Commodity, nicht den monetären Gewinn oder das Produkt als zentrales Objekt hervor, sondern den (sozialen) Prozess der Erzeugung eines Gutes und seines Wertes, gemeinsam mit seinen Phasen und Akteuren. Der Begriff Netzwerk wird, wie auch bereits für das GPN geschehen (vgl. Henderson et al. 2002; Coe et al. 2008a, 2008b), zunächst aufgrund seiner metaphorischen und methodologischen Flexibilität gewählt. Er ermöglicht es auf der einen Seite, Strukturen und Beziehungen zu rekonstruieren, die nicht unbedingt aus linearen Prozessen bestehen, obwohl Linearität in einem Netzwerk nicht per se ausgeschlossen werden kann. Auf der anderen Seite werden unterschiedliche Beziehungs- und Akteursarten in ein Netzwerk hineingezogen, sodass auch solche Produktionsstrukturen thematisiert werden können, die nichtlinear sind, sondern informelle soziale Komponenten und in einigen Phasen eine deutlich lokalisierte und urbane Verankerung beinhalten (vgl. Lange / Bürkner 2010; Heur 2010; Krätke 2002a; Heebels / Aalst 2010; Merkel 2008; Lange 2007). Netzwerke werden hier in Anlehnung an den GPN-Ansatz in erster Linie definiert als »relational processes, which, when realized empirically within distinct time- and space-specific contexts, produce observable patterns« (Dicken et al. 2001, Hervorhebung im Original), obwohl sie nicht unbedingt in Verbindung mit der globalen Ökonomie stehen müssen. Netzwerke sind dann nicht einfach eine Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie, sondern ein Beziehungszusammenhang zwischen Akteuren, die direkt und indirekt am Produktionsprozess beteiligt sind. Das Netzwerk stellt auf der theoretischen Ebene eine breitere Beziehungsverflechtung dar.43 Für die regionalen Produktionsnetzwerke, die eine zentrale Rolle in vielen Branchen der Kreativwirtschaft spielen, müssen die beiden Kategorien Wert und Macht neu skaliert und mehr als Kontextelemente interpretiert werden, als dies das GPN mit seiner Ausrichtung auf die globale Ökonomie vorsieht. 43 | Obwohl dieses Begriffsverständnis näher an der Position Powells (vgl. 1990) liegt, wird das Netzwerk hier nicht als Organisationsform angesehen, auch wenn ausführlich über die Frage diskutiert wird, ob Netzwerke als Organisationsform zwischen oder jenseits von Markt und Hierarchie liegen.

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Auf kleinere Unternehmen und die Handlungsmaßstabsebenen einer Region können diese Kategorien ebenfalls angewendet werden. Diese Kategorien sind auch in der Lage, Gruppen von Unternehmen zu beschreiben, die untereinander ähnliche Netzwerkstrukturen und Produktionspraktiken entwickelt haben, sodass keine Unterschiede in der Produktionsstruktur und im Handeln zwischen den Unternehmen dieser Art mehr begründet werden können. In diesen Fällen, wenn die Wertschöpfung in einer Branche oder in einer Akteursgruppe ähnliche Strukturen und Begründungen hat, kann die Rolle der Kategorie Wert und ihre analytische Bedeutung unter den regionalen Akteuren verteilt werden, da kein besonderes Alleinstellungsmerkmal unter den Akteuren jener Guppe erkennbar ist. Darüber hinaus hat auch die Kategorie Macht keine relevante analytische Bedeutung, wenn sie nicht von fokalen Netzwerkakteuren ausgeübt (wie im GPN behauptet wird), sondern von der Struktur der Produktion und ihren Bedingungen definiert wird. Wenn die Produktionsform und ihre Phasen die Machtbeziehungen strukturieren, die auf alle Akteure einer Phase ähnlich wirken (wie z. B. im Fall klein- und mittelgroßer Unternehmen, die Produktionspartner suchen: Egal welchen Partner sie wählen, die Beziehungsund Machtstruktur ändert sich nicht aufgrund der Unterschiede der Partner, sondern mit deren Funktion im Produktionsprozess), dann ist Macht als analytische Kategorie fast nicht mehr von Bedeutung, oder sie kann lediglich eine Rolle in der Kontextdefinition spielen. Daraus folgt, dass das Produktionsnetzwerk in seiner grundlegenden Form als die Mitwirkung der Akteure und Prozesse definiert werden kann, die zur Realisierung eines Produktes und seiner Vermarktung beitragen. Selbstverständlich gibt es zwischen dem Produktionsnetzwerk klein- und mittelgroßer regional basierter Unternehmen und dem GPN wesentliche Unterschiede. Der Erste ist, dass sich die Analyse in dem Produktionsnetzwerk primär auf die regionale Maßstabsebene (und nicht die globale) richtet. Dies schließt nicht aus, dass einzelne Produktionsnetzwerkphasen und Akteure auch auf anderen (d. h. nichtregionalen) Maßstabsebenen identifiziert werden können. Ein weiterer Unterschied ist in den angewendeten analytischen Kategorien zu erkennen. Mit dem Begriff Produktionsnetzwerk wird es möglich, einen theoretischen Rahmen zu entwickeln, der sicherstellt, dass die lokalen Produktionsstrukturen (hier: in der Berliner Modedesignbranche) sowohl hinsichtlich ihrer sozioökonomischen als auch ihrer räumlichen Komponenten angemessen thematisiert werden können. Innerhalb dieses Rahmens sind für die zentralen Akteure des Produktionsnetzwerkes die jeweiligen handlungsbezogenen Entscheidungen und die Wahl von Produktionsformen von drei Elementen abhängig, nämlich von Positionierungen bezüglich des Produkts, des Wertes und des Raums. Positionierung bezüglich des Produkts zeigt die Entscheidungen der Akteure, bestimmte Produkte zu realisieren, um ein bestimmtes Marktsegment bzw. eine Nische abzudecken. Eine Positionierung mit Bezug auf den

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Wert beruht auf Erwartungen zur Konkretisierung eines symbolischen, kulturellen und materiellen Werts, den ein Produkt am Ende beinhaltet und zur Formierung eines monetären Wertes führt. Räumliche Positionierung beschreibt die Entscheidungen, die die Akteure in bestimmten Phasen der Produktion an bestimmte Orte geführt haben. Die Produktionsnetzwerke sind in sozial-räumliche Kontexte eingebettet, deswegen wird hier die konzeptionelle Kategorie »embeddedness« aus dem GPN übernommen, jedoch in einer vereinfachten Konzeptualisierung, weil die es erlaubt, sie an die Produktion des Modedesigns anzupassen. So wird in der vorliegenden Arbeit embeddedness in seiner zweifachen Bedeutung verwendet, nämlich als territoriale und netzwerkmäßige embeddedness (vgl. Hendersen et al. 2002). Dagegen wird die dritte Variante von embeddedness im GPN, die gesellschaftliche embeddedness (vgl. Hess 2004), nicht verwendet, weil dieser Begriff entwickelt wurde, um soziokulturelle Einflüsse auf das Handeln im Kontext internationaler Netzwerke zu beschreiben. Deswegen hat diese Dimension des Begriffs kaum Relevanz für lokale und regionale Produktionsformen. Wenn von regionalen Produktionsnetzwerken die Rede ist, teilen die Akteure denselben sozioökonomischen Kontext, und deswegen sind Unterschiede in diesem Sinne nicht zu erkennen. Darüber hinaus wird der Embeddedness-Begriff oft auf der lokalen Ebene angewendet, obwohl er keine explizite räumliche Abgrenzung aufweist (vgl. Bair 2008; Hess 2004). Der duale Embeddedness-Begriff,44 wie er hier vorgeschlagen wird, erlaubt es, die Besonderheiten von Unternehmensbeziehungen in der Kreativwirtschaft zielgenau zu beschreiben. Kleine regional agierende Unternehmen, wie sie etwa im Fall des Modedesigns vorherrschen, sind auf der einen Seite in ihre ökonomischen Netzwerke eingebettet. Diese erzeugen materielle und immaterielle Flüsse zwischen den Akteuren, und zwar auch dann, wenn sie einander räumlich nicht nahe sind. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen in soziale Netzwerke und territoriale Diskurse eingebettet, die auf der Ebene des unternehmerischen Handelns (z. B. bei der Suche nach Produktionspartnern, im Hinblick auf die Wertschöpfungsstrategien oder die Selbstwahrnehmung kreativer Akteure) mitwirken können. Das ist besonders dann relevant, wenn die Unternehmen klein sind und deswegen die sozialen Elemente der Unternehmensorganisation die Unternehmensgrenzen überschreiten können. Deswegen ist es meines Erachtens notwendig, den Begriff Produktionsnetzwerk in den Begriff »soziales Netzwerk« zu integrieren.

44 | Um den Unterschied für den Leser deutlich zu machen, wenn von theoretischen Kategorien die Rede ist, wird zwischen embeddedness und Einbettung unterschieden: Mit embeddedness wird die Kategorie der GPN und mit Einbettung eine Kategorie des Produktionsnetzwerks verstanden.

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4.6 S oziale N e t z werke in der P roduktionsstruktur : P rojekte und S ozialk apital Ein soziales Netzwerk kann definiert werden als »a specific set of linkages among a defined set of persons, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behaviour of the persons involved« (Mitchell 1969, 2). Soziale Beziehungen haben einen Einfluss auf wirtschaftliche Tätigkeiten: Einerseits können sie der Strukturierung von Handlungssituationen und -formen dienen – Nichthandeln und unvollständige Strukturierung inbegriffen. Andererseits dienen Netzwerke als Informations- und Innovationsquellen und üben einen Einfluss auf wirtschaftliche Tätigkeiten aus, indem sie Lernprozesse, schnelle Reaktionen und Ressourcenmobilisierung möglich machen (vgl. Amin 2010; Marx 2010; Jansen 1999; Holzer 2006; Manger 2006; Uzzi 1997; Weyer 2000a; Trezzini 1998; Mizruchi 1994; Smith-Doerr / Powell 2005). In dieser Arbeit werden soziale Netzwerke nicht als eine umfassende, sämtliche soziale Beziehungen abbildende Kategorie definiert. Vielmehr werden lediglich solche sozialen Beziehungsformen einbezogen, die sich aus Überlappungen zwischen der sozialen und der ökonomischen Ebene ergeben. Das ist insbesondere bei Kleinunternehmen und Akteuren der Kreativwirtschaft relevant; die urbane Dimension der Branchen und vieler ihrer Akteure, ebenso wie die immateriellen Elemente kreativer Produkte, legen es nahe, soziale Netzwerke als Bestandteil der Produktionsstruktur zu konzipieren und nicht als produktionsexterne, gelegentlich intervenierende Kategorie. Ein wirtschaftsgeografisches Verständnis der Produktionsdynamiken sollte daher die soziale Dimension ökonomischer Phänomene an zentraler Stelle in die Theoriebildung einbeziehen (vgl. Bathelt 2006; Martin / Sunley 2001). Unternehmer sind ebenso wie alle anderen ökonomischen Akteure in einen sozialen Kontext eingebettet: Sie »do not behave or decide as atoms outside a social context, nor do they adhere slavishly to a script written for them by the particular intersection of social categories that they happen to occupy. Their attempts at purposive action are instead embedded in concrete, ongoing systems of social relations.« (Granovetter 1985, 487)

Daher sind soziale Akteure, und dazu gehören auch Unternehmen, miteinander durch mehrere heterogene Netzwerke verbunden, die ihre Interessen, Tätigkeiten und Bindungen (z. B. Familie und Freunde) miteinander verflechten. Über den direkt beobachtbaren Beziehungsaspekt hinaus werden ökonomische Akteure auch indirekt an einen spezifischen Kontext gebunden, indem Lebensstile, kulturelle Vorlieben, Freizeitaktivitäten, Marktpositionen und unternehmerische Beziehungen zueinander in Relation gesetzt werden. Heterogene so-

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ziale Beziehungen gestalten den Kontext, in dem der Unternehmer handelt. In diesem Sinne sind ökonomische Akteure in soziale Netzwerke eingebettet. Daraus folgt, dass soziale Netzwerke den Kontext darstellen, in dem und durch den ökonomisches Handeln stattfindet. Obwohl eine verbreitete Kritik an der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse lautet, dass sie sich mit zu starkem Nachdruck auf die Struktur der Beziehungen richte, ohne eine genügende Vertiefung ihrer Inhalte vorzunehmen (vgl. Smith-Doerr / Powell 2005), wird diese strukturorientierte Seite des Begriffs soziales Netzwerk für die Zwecke dieser Arbeit als zielführend angesehen. Sie ermöglicht es, den Überschneidungsbereich sozialen und ökonomischen Handelns in seiner Kontextabhängigkeit genauer in den Blick zu nehmen. Deswegen wird in dieser Arbeit ein soziales Netzwerk als der kontextspezifische Zusammenhang sozialer Beziehungen verstanden, in den die ökonomischen Akteure eingebettet sind. Diese Einbettung wird als Ausgangspunkt der Produktionsstrukturen in der Kreativwirtschaft begriffen. Zu den Handlungselementen, die Kontexte formieren und strukturierend auf die Produktion wirken können, zählen persönliche Kontakte innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die Möglichkeit, Geschmäcker und Modetrends zu kennen und eventuell zu steuern, sowie der Zugang zu Informationen außerhalb eines engeren ökonomischen Umfeldes. Diese Durchdringung der ökonomischen Ebene mit (»nichtökonomischen«) sozialen Handlungen und Beziehungen ist in der wirtschaftssoziologischen und -geografischen Literatur bereits im Zusammenhang mit zwei Phänomenen diskutiert worden, die in der Kreativwirtschaft und in den postfordistischen Organisationsformen verbreitet sind: der Organisation der Arbeit in Projekten und dem sozialen Kapital.

4.6.1 Projektökonomien und die soziale Ebene im Arbeitsleben Eine deutliche Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben ist in vielen heutigen Berufen nicht mehr zu erkennen, sodass angenommen werden kann, dass die sozialen Komponenten dieser beiden Bereiche häufig miteinander verschmolzen sind. Diese Tendenz ist besonders dort zu erkennen, wo Projekte als Teile der Produktionsstruktur etabliert werden (vgl. Sennett 1998), außerdem in der Arbeitsorganisation von Selbstständigen, kleinen Unternehmen und projektförmig angelegten Feldern der Wissens- und Kreativwirtschaft (vgl. Gesterkamp 2000; Florida 2002; Steets 2008). Die Modedesignbranche ist durch viele kleine Unternehmen gekennzeichnet, die in einem saisonalen Rhythmus arbeiten, um Kollektionen von Bekleidungsstücken zu produzieren. Dieser Rhythmus besteht jedoch nicht aus gleichförmigen Produktionsprozessen. Für die Produktion und Vermarktung jedes einzelnen Produkts oder für die Kollektion als Ganzes werden wiederholt unterschiedlich gestaltete Beziehungen mit jeweils wechselnden Akteuren benötigt. Andererseits können die De-

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signer auch neben ihrer Arbeit an der Kollektion andere Aktivitäten verfolgen, um ihre Kreativität gewinnbringend einzusetzen. Projekte sind zeitbegrenzte Organisationsformen zwischen Akteuren innerhalb eines Unternehmens oder solchen, die die Unternehmensgrenzen überschreiten (vgl. Grabher 2002a, 2002b, 2004), und können grundsätzlich in drei Hauptkontexten gefunden werden (vgl. Grabher 2002a, 207): Projekte sind Standardorganisationspraktiken in Sektoren, die von einzigartigen Aktivitäten gekennzeichnet sind (Ingenieur-, Bauwesen; Beratung; Werbung, Film); Projekte sind Teil von anderen Sektoren, was oft in F&E-Abteilungen der Fall ist; Projekte sind keine Standardpraktiken, sondern Ausnahmemaßnahmen (z. B. im Rahmen einer Organisationsrestrukturierung). Projekte ermöglichen eine hohe Flexibilität und eine genaue Ressourcenverteilung. Dabei wird die unternehmerische Perspektive von den Interaktionen zwischen Unternehmen zu Interaktionen zwischen Personen verlegt (vgl. Grabher 2002a, 2004). In Projekten finden an erster Stelle Interaktionen zwischen Personen und nur an zweiter Stelle zwischen Unternehmen statt. Deswegen gehen die persönlichen Netzwerke, die in Projekten entstehen, über die projekteigenen Pfade hinaus; sie decken ein breiteres Feld ab als das Produktionsnetzwerk (vgl. Grabher 2004). Wenn ein Unternehmen mit Projekten arbeitet, ist es gleichzeitig ein Projekt, da sich seine Infrastruktur entsprechend den eingesetzten Projektlogiken weiterentwickelt (vgl. Grabher 2002a). Beispielsweise werden Personen aus dem Unternehmen und außerhalb des Unternehmens zusammengebracht. Durch die Projektarbeit erlangen die Teilnehmer bestimmte Kenntnisse über die anderen Teilnehmer. Auf der einen Seite gewinnen sie einen persönlichen Eindruck von der Arbeit der anderen, auf der anderen Seite fließen Informationen über vergangene Projekte und Partner in die Projektarbeit ein. Dies findet selbstverständlich nicht nur in Projekten statt, aber der begrenzte Zeitrahmen erzwingt eine Beschleunigung der Interaktionen und verschafft den sozialen Prozessen im Unternehmen eine zentrale Rolle in den Produktionsabläufen. Eine Folge dieser sozialen Mechanismen ist die Entwicklung und Verbreitung einer bestimmten Reputation, die in dem professionellen Netzwerk kommuniziert wird, sowohl für einzelne Personen als auch für die Unternehmen (vgl. Grabher 2002a, Glückler 2004). Nach einigen Projekten entwickelt man ein Netzwerk potenzieller Kontakte, die die eigene Rolle in der Arbeitsgruppe und im professionellen Netzwerk determinieren: »In the absence of personal experience with a particular person or firm, project members rely on word-of-mouth judgments of friends or trusted collaborators. Although less reliable than personal experience, networked reputation conveys a far more personal and dependable credibility than public reputation that circulates freely in the project ecology.« (Grabher 2004, 1504)

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Die mit dem Projekt geschaffene Arbeitsorganisation ist laut Sennett (vgl. 1998) mit der Konzeption der Unternehmensstruktur als Netzwerk verbunden und führt zu einer zweifachen Flexibilisierung: Auf der einen Seite hat man durch die Einführung der Projekte als Arbeitseinheit eine zielorientierte und schnell rekonfigurierbare Struktur für unterschiedliche Arbeitszwecke zur Verfügung, auf der anderen Seite ist eine höhere Flexibilisierung in den Arbeitszeiten zu erkennen, da die klassische 40-Stunden-Woche (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr) in dieser Phase des Kapitalismus nicht mehr die Norm ist. Ohne zu sehr zu verallgemeinern, kann man behaupten, dass die Anwendung von Projekten als Produktionsorganisation in Unternehmen und größeren Produktionsfeldern zu erhöhter Flexibilität führen kann. Dadurch werden individuelle Fähigkeiten und soziale Beziehungen aufgewertet; sie erhalten unternehmensstrategische Relevanz, da sie den Zugang zu relevantem Wissen und die Stärkung der eigenen Reputation erleichtern. Diese Veränderung der Organisation und die erhöhte Flexibilität führen zu einer gesteigerten unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Grabher 2004) und zu einer erschwerten Sinngebung für die einzelnen Mitarbeiter, was Art und Umfang selbst steuerbarer Tätigkeiten angeht (vgl. Sennett 1998; Gesterkamp 2000). Durch die Projektnetzwerke werden Werte, Normen und Fachwissen einer Branche vergrößert, weil die Beziehungen oft die Unternehmensgrenzen überschreiten können, gleichzeitig werden sie in der Branche als Gemeinschaftsgüter geteilt. Die Überlappung zwischen persönlichen und beruflichen Beziehungen ist nicht nur an den Projektnetzwerken zu erkennen, die aus Beziehungen, die in Projekten realisiert wurden, entstehen, sondern auch in zwei weiteren Formen des Netzwerks: professionellen Netzwerken und informellen sozialen Netzwerken (vgl. Henninger 2004). Professionelle Netzwerke »basieren auf berufsbezogenen Kontakten zwischen Erwerbstätigen in einem bestimmten Spezialisierungsgebiet, die auf persönlichen Kontakten und Berufsverbänden als Knotenpunkten beruhen« (Henninger 2004, 147). Die Kontakte zu anderen Kollegen ermöglichen die Weitergabe von Informationen sowie die Möglichkeit, Feedback zu erhalten und potenzielle Lösungen für berufsbezogene Probleme zu finden (vgl. Henninger 2004). Informelle soziale Netzwerke hingegen bieten mehr Unterstützung im privaten Bereich, z. B. finanziell, durch Ratschläge oder in der Alltagsorganisation mit Kindern (vgl. Henninger 2004; Dilcher 1995; Manske 2007). Diese Aspekte können von großer Relevanz für die Unternehmensentwicklung sein, insbesondere in den ersten Zeiten nach einer Unternehmensgründung und für die strategische Marktpositionierung kleiner Unternehmen. Wenn beispielsweise in der Anfangsphase relativ kleine Kapitalsummen gebraucht werden, können familiäre und persönliche Kontakte dafür genutzt werden. Persönliche soziale Netzwerke sind zu einer zentralen Komponente der Arbeitsorganisation vieler Branchen der postfordistischen Produktion geworden,

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darunter auch der kreativen Arbeit, sodass »sich insgesamt eine informelle Professionalisierung und damit exklusive Vernetzungsstrukturen ab[zeichnen]« (Manske 2007, 144). In diesem Sinne können strategische Anwendungen in den professionellen und den informellen sozialen Netzwerken als mittlerweile übliche Praktiken und Elemente des alltäglichen Arbeitslebens betrachtet werden. Für ihre Entstehung ist die Entwicklung und Nutzung sozialen Kapitals elementar.

4.6.2 Sozialkapital Das Sozialkapital umfasst das Potenzial an Ressourcen, die in persönlichen sozialen Beziehungen verankert sind.45 Die Ressourcen sind nicht im natürlichen Besitz des Individuums, sondern müssen von ihm auf dem Weg über seine sozialen Kontakte geschaffen werden. Im Vergleich zu anderen Kapitalarten, nämlich Sach-, Finanz- und Humankapital, die als private Güter und als Besitz des Individuums verstanden werden, sind die Ressourcen des sozialen Kapitals somit relationale Güter. Sie hängen insbesondere von den sozialen Netzwerken eines Akteurs, von seiner Stellung im Netzwerk und der Stärke der Verbindung zu anderen Akteuren ab (vgl. Franzen / Pointner 2007). Diese Netzwerkeigenschaften sozialen Kapitals sind explizit von Coleman postuliert worden: »[S] ocial capital inheres in the structure of relations between persons and among persons.« (Coleman 1990, 302). Das Sozialkapital weist unter anderem folgende Merkmale auf, die für diese Arbeit relevant sind: Sozialkapital definiert unter den Akteuren implizite reziproke Erwartungen und Verpflichtungen (vgl. Kriesi 2007), die jeweils konkrete Verbindungen zwischen den Akteuren und ihren Positionen schaffen. Sozialkapital unterscheidet sich von anderen Netzwerkelementen bzw. -effekten wie Werten, Normen und Vertrauen darin, dass es direkt mit dem sozialen Netzwerk und seinen Praxisformen verbunden ist (vgl. Franzen / Pointner 2007). Für Unternehmer sind soziales Kapital und soziale Netzwerke zentrale strategische Elemente, da das Unternehmertum grundsätzlich eine soziale netzwerkbasierte Tätigkeit ist (vgl. Preisendörfer 2007). Insbesondere für Start-ups 45 | Für eine erste Entwicklung und Definition des Begriffs sind Pierre Bourdieu, James S. Coleman und Robert D. Putnam ausschlaggebend gewesen. Sie sind aber nicht die Einzigen, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. In dieser Arbeit werden nur die ökonomischen und unternehmerischen Implikationen des sozialen Kapitals betrachtet, andere Applikationsfelder des Begriffs werden hier ausgelassen. Für einen Überblick zum sozialen Kapital vgl. Franzen / F reitag 2007. Für eine Diskussion der Frage, wann von »Kapital« gesprochen werden sollte, vgl. Franzen /  P ointner 2007, 69 ff. Für die Zwecke dieser Arbeit ist bezüglich der Vorteile bzw. der Anwendung der sozialen Netzwerkressourcen im unternehmerischen Kontext von sozialem Kapital die Rede.

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und Kleinunternehmen sind Überschneidungen zwischen sozialen und ökonomischen Netzwerken des Unternehmens die Regel, sodass das Sozialkapital einer Person auch dasjenige ihrer Firma ist (vgl. Preisendörfer 2007, 275; Brüderl et al. 2007, 97). Dies gilt für die Mode, die als »contact sport« (D’Ovidio 2010, 126) gekennzeichnet wird, und für die Modedesigner, die hauptsächlich persönliche Interaktionen benötigen, um ihre Netzwerke auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln und zu pflegen, von unternehmensinternen und anderen Designern bis zu der Mode als globales System (vgl. D’Ovidio 2010). Persönliche Netzwerke haben drei grundlegende Effekte, die in einen unternehmerischen Vorteil umgewandelt werden können (vgl. Preisendörfer 2007): Erstens sind sie ein Kanal, um Informationen zu gewinnen. Durch persönliche Kontakte zu Bekannten, Freunden, Abnehmern und Zulieferern können Informationen gewonnen werden, die für unternehmerisch relevante Zwecke verwendet werden; die Akteure können z. B. nach Tipps fragen oder Erkundigungen zu Konkurrenten und Märkten einziehen. Persönliche Kontakte werden auch bei der Arbeitssuche verwendet (vgl. Granovetter 1973; Voss 2007). Die Kontakte im sozialen Netzwerk führen potenziell eher zu neuen Informationen, wenn eine lockere Beziehung zwischen den beteiligten Akteuren und Gruppen besteht; man spricht in diesen Fällen von »weak ties« (Granovetter 1973, 2003) oder von strukturellen Löchern: »A structural hole is a relationship of non redundancy between two contacts. The hole is a buffer, like an insulator in an electric circuit. As a result of the hole between them, the two contacts provide network benefits that are in some degree additive rather than overlapping« (Burt 1995, 18). Die vorgeschlagene Perspektive Burts auf das Sozialkapital beruht auf einer anderen Begriffsdefinition; es sind nicht die allgemeinen sozialen Kontakte gemeint, mit denen man »das Vertrauen der ›guten Gesellschaft‹ […] zu gewinnen« (Bourdieu 1987, 204) hofft, sondern die nichtredundanten Beziehungen, die Gelegenheit zur Vermittlung zwischen (noch) nicht verbundenen Akteuren bieten. Zweitens erleichtern soziale Netzwerke den Zugang zu bestimmten materiellen und immateriellen Ressourcen. Unter den materiellen Ressourcen ist für Unternehmer die finanzielle Unterstützung von großer Bedeutung, weil Familienangehörige und Freunde mobilisiert werden, falls die Möglichkeit des Zugriffs auf Kredite und Darlehen nicht verfügbar ist (vgl. Manske / Merkel 2008, 30). Zu den immateriellen Ressourcen zählt die Zeit, da die Kontakte innerhalb des sozialen Netzwerks bei Tätigkeiten helfen können, die eventuell später von einem bezahlten Mitarbeiter übernommen werden. Eine weitere Ressource besteht in der sozialen und emotionalen Unterstützung, die besonders in der Anfangsphase für einen Unternehmer wichtig ist (vgl. Preisendörfer 2007; Henninger 2004; Dilcher 1995; Manske 2007). Drittens ist die Reputationsbildung ein Effekt der Netzwerkbeziehungen, vor allem wenn die ersten Kundenkontakte durch soziale Beziehungen entste-

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hen, wobei sich die Reputation aus der Arbeit mit Kunden und Unternehmenspartnern heraus entwickelt. Sie weitet sich dann durch soziale Beziehungen aus, wie z. B. Mund-zu-Mund-Propaganda und Informationen, die zwischen Fachleuten ausgetauscht werden (vgl. Preisendörfer 2007; Glückler 2005, 2007a). Der Ruf, zuverlässig zu sein und überdurchschnittliche Fähigkeiten zu haben, wird im sozialen Netzwerk im Einzelfall auch durch Geschäftspartner aufgebaut. Insgesamt gesehen kann gesagt werden: »An organization’s status is a function of whom it associates.« (Galaskiewicz et al. 2006, 338) Darüber hinaus wird Sozialkapital nicht nur durch bi- und multilaterale soziale Beziehungen zu Personen und Gruppen gebildet, die in professionellen Netzwerken aktiv sind oder ähnliche Interessen und Lebensstile teilen, wie dies in sozialen Milieus der Fall ist. Es entsteht auch in Szenen, die per definitionem nicht auf verlässlichen und wiederkehrenden Interaktionen basieren. Szenen bieten auf der einen Seite einen Zugang zu Informationen über Geschmäcker, Lebensstile und Modetrends, die ihrerseits zu einem Zusammenhangskriterium werden. Auf der anderen Seite eröffnen sie dem Individuum durch seine aktive Teilnahme die Möglichkeit, selbst diese Szene zu beeinflussen. Mit den gewonnenen Informationen kann es unter anderem unternehmerische Aktivitäten entwickeln, die beispielsweise mit kultureller Produktion verbunden sind; diese können wiederum selbst Einfluss auf die Szene nehmen. Derartige Tätigkeiten können die Reputation des Unternehmers prägen und über soziale Netzwerke innerhalb der Szene bekannt werden. Soziales Kapital und eingebettete Netzwerke können aber auch negative Effekte auf unternehmerische Strategien haben, nämlich dann, wenn starke Beziehungen (strong ties) überwiegen. Es besteht dann die Gefahr einer Schließung des Systems, die weniger oder keine Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Beziehungen und Entscheidungen lässt (vgl. Uzzi 1997; Coleman 1988; Bathelt / Glückler 2002, 164-169). Demgegenüber ist in der Diskussion über die Organisationsformen in der Produktion die Annahme zu erkennen, dass vor allem weak ties relevant seien (vgl. Bathelt / Glückler 2002, 164 ff.). Diesem Verständnis zufolge sind das unternehmerische Handeln und die Produktionsformen grundsätzlich veränderungsoffen. Sie sind nicht nur das Ergebnis ökonomischer Beziehungen, die ja bereits eine soziale Komponente beinhalten, sondern auch heterogener sozialer Netzwerkbeziehungen, in die sie außerhalb und innerhalb ihrer professionellen Tätigkeiten integriert sind. In diesem Sinne können die Netzwerke des Web 2.0 (wie Facebook, Twitter, Youtube und Blogs) als unternehmerische Kommunikationsmittel zur Kunden- und Interessentengewinnung durch Mund-zu-Mund-Propaganda angesehen werden. Auch das internetgestützte, oft von sozialen Interessen getragene Crowdfunding kann für eine unternehmerische Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten zur Realisierung von Projekten genutzt und theoretisch entsprechend in-

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terpretiert werden. Deswegen ist, meiner Meinung nach, die Definition des Sozialkapitals von Sandefur und Laumann zutreffend: »An individual’s potential stock of social capital consist[s] of the collection and pattern of relationships in which she is involved and to which she has access, and further to the location and patterning of her associations in larger social space. That is, her potential social capital is both the contact she herself holds and the way in which those contacts link her to other patterns of relations.« (Sandefur / L aumann 1998, 484)

Soziales Kapital wird hier als potenzielles strategisches Element der Akteure betrachtet, dessen Verwendung zum Teil mit persönlichen Fähigkeiten verbunden ist, aber zum Teil auch von den Produktions- und Handlungsdynamiken einer Branche abhängt.

4.7 P roduktionsne t z werk der B erliner M odebr anche : ein theore tischer A nsat z Die Integration von ökonomischen Netzwerken und sozialen Feldern generiert den Wert eines Produktes, unter anderem auch von kulturellen Symbolen, Geschmackspräferenzen, Reputationsbewertungen. Diese Integration ist für die Produktionsformen der Kreativwirtschaft zentral, bei denen die Wertschöpfung nicht nur aus formalisierten Unternehmensbeziehungen oder der Bearbeitung von Zwischenprodukten in einem Unternehmen oder durch mehrere Kooperationspartner besteht (vgl. Lange / Bürkner 2010; Pratt 2008b). Jeder materiellen Wertschöpfung liegen sozial und kulturell vermittelte Bewertungen und Präferenzen zugrunde, die als Bestandteile einer kulturellen Wertschöpfung definiert werden können. Daher spielt in der Kreativwirtschaft das kulturelle Werteverständnis eine größere Rolle für die Herstellung und den Handel von Produkten und Dienstleistungen als in anderen Branchen. Kulturelle Wertschöpfung (vgl. Lange / Bürkner 2010, 51) beruht auf kommunikativen Praktiken, der Reputation der Akteure (vgl. Glückler 2007a, 2007b) sowie qualitativen (vgl. Pratt 2008b) und sozialen Bewertungen, die in der jeweiligen Szene (vgl. Lange / Bürkner 2010; Lange 2007) und in anderen sozialen Kontexten generiert werden. Obwohl auch in der Kreativwirtschaft der Produktwert eine materielle Komponente aufweist, die unter anderem im individuellen Preis, den die Kunden bereit sind zu zahlen, zum Ausdruck kommt, ist hier die materielle Wertschöpfung nur zum Teil das Ergebnis von Produktionsphasen, wie sie vom Modell der Wertkette vorausgesetzt werden. Vielmehr sind sie auch das Ergebnis der sozialen Kontexte, die mit der Integration von kulturellen Symbolen und der Taxierung von kulturellen Gebrauchswerten bei der Generierung eines qualitativen Wertes zusammenwirken.

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Die ökonomischen Modelle der Wertschöpfung (Wertkette, GCC) sind durch die Linearität ihres Ansatzes gekennzeichnet. Was in diesen Modellen weitgehend vernachlässigt wird, sind die sozialen Kontexte, in die die Akteure eingebettet sind (vgl. Lange / Bürkner 2010, 47). In der Kreativwirtschaft spielen diese Kontexte in weit höherem Maße als in anderen Sektoren eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen sowie für die eigentliche Wertgenerierung; branchenspezifische Unterschiede in der Kontextrelevanz bestätigen hierbei die Regel. In diesem Sinne wirken in den Produktionsformen der Kreativwirtschaft, und deswegen auch der Modedesignbranche, neben der ökonomischen Ebene auch Einflüsse der sozialen Ebene der Akteure und der Branche mit. Aus diesem Grund wurde der Begriff Produktionsnetzwerk vorgeschlagen, der trotz der Kritik an ihm und seiner inhaltlichen Entfernung vom GPN auf der analytischen Ebene mit dem GPN die erhöhte Flexibilität bei der Identifizierung und analytischen Rekonstruktion der Produktionsstrukturen und räumlichen Konfigurationen teilt. Die bisher geäußerte Kritik am GPN-Konzept, dass es sich einseitig auf die globale Ebene und auf globale Akteure fokussiert, muss im Fall der Kreativwirtschaft nochmals bekräftigt werden: Einerseits erklärt dieser Ansatz vor allem traditionelle industrielle Sektoren und Akteure für relevant, andererseits trifft er keine Vorkehrungen dafür, dass solche Branchen und Produktionsformen Berücksichtigung finden, die regional verankert sind oder ihre Tätigkeitsbereiche ausschließlich auf der regionalen Ebene entfalten. Der Ansatz Produktionsnetzwerk, der hier in Anschlag gebracht wird, darf daher nicht als lokale und regionale Version des GPN verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um ein eigenständiges Denkmodell, das auf Branchen (Kreativwirtschaft bzw. Modedesign) und Maßstabsebenen (lokal, regional) zugeschnitten ist, die unvermeidlich vom Konzept des GPN nicht erfasst werden können. Die verwendeten Kategorien und die Untersuchungsebene unterscheiden sich deutlich, während nur die Grundidee des GPN beibehalten wird, verschiedene Ebenen und Akteurstypologien im Produktionsprozess zu bedenken. Daher sind die Ansätze Produktionsnetzwerk und GPN als separate analytische Zugriffe auf separate Gegenstände zu verstehen. Ein unternehmerisches Netzwerk wird in dieser Arbeit als Zusammenhang unabhängiger unternehmerischer Akteure verstanden, die durch die Logik ihrer bereichsspezifischen Produktionsstrukturen und die Logik des Tausches der produzierten Güter und Dienstleistungen miteinander verbunden sind. In der Modedesignbranche sowie auch in anderen Branchen der Kreativwirtschaft sind Produktion und Wertschöpfung nicht ausschließlich als ökonomische Prozesse zu verstehen; sie umfassen stets eine soziale Komponente, die die ökonomischen Tätigkeiten beeinflusst oder in vielen Fällen auch unmittelbar anleitet. Diese zwei Komponenten (ökonomische und soziale) sind in bestimmte territoriale Kontexte eingebettet und können branchenspezifische Konfigurati-

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onen entwickeln, die wiederum auch die Produktionsformen beeinflussen. Um diese vielfältigen Einflussfaktoren in einem analytischen Begriff zusammenzubringen, wurde die Anwendung des Begriffs Produktionsnetzwerk vorgeschlagen. Produktionsnetzwerke werden hier als Zusammenwirken heterogener Akteure sowie von sozialen und ökonomischen Prozessen verstanden, die für die Herstellung eines Produktes und seine Vermarktung bedeutsam sind (vgl. Dicken 2011; Henderson et al. 2002). Um die Produktionsformen des Modedesigns als kreative Branche zu untersuchen, wird eine heuristische Definition der Struktur des Produktionsnetzwerks vorgeschlagen, die die verschiedenen Ebenen (ökonomisch und sozial) und ihre raumbezogene Handlungsdimension umfasst. Drei Kategorien werden als relevant für die Beschreibung des Modedesignproduktionsnetzwerkes angenommen: Positionierung, Einbettung und Sozialkapital. Die zentrale Rolle der Designer-Unternehmer in der Steuerung der unternehmerischen Entscheidungen des Produktionsprozesses und die Relevanz dessen, wie in der Modedesignbranche Produkte realisiert und durch welche Kanäle sie präsentiert werden, verlangen eine dedizierte Kategorie (d. h. Positionierung) für das Verständnis von Produktionsnetzwerken. Die räumlichen und professionellen Beziehungen des Produktionsnetzwerks werden (wie auch schon im GPN) mit der Kategorie Einbettung adressiert, obwohl im Fall des Produktionsnetzwerks der Fokus mehr auf der lokalen Ebene und dem kreativen Feld liegt. Zuletzt sind die Produktionsdynamiken auch in soziale Beziehungen integriert, die eine Aktive Rolle im Produktions- und Kreativprozess spielen können. Das Ergebnis ist die Genese der Kategorie Sozialkapital. Diese Kategorien werden als erkennbare Elemente in der unternehmerischen Handlung der Designer angenommen, und aufgrund verschiedener Positionen gegenüber diesen Kategorien können unterschiedliche Handlungen der Designer im Produktionsprozess thematisiert werden. Die nachfolgende Aufstellung skizziert die Fragerichtungen, die von diesen Kategorien nahegelegt werden. 1. »Positionierung« definiert die unternehmerischen Entscheidungen, die die Designer und ihre Labels treffen, um ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Die Positionierung kann über drei verschiedene Wege auf Produktion und Produkt einwirken: a) Produkt: Welche Nischen und Marktsegmente werden mit diesem Produkt abgedeckt? Welche Zielgruppe muss erreicht werden und welche Strategien werden dafür verwendet? b) Wert: Welches sind die Elemente der Wertschöpfung? Wird der Produktwert nur durch Arbeitskosten und Rohstoffe geschaffen oder wirken auch kulturelle und symbolische Elemente mit?

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c) Raum: Welche Entscheidungen, Strategien und Bedürfnisse liegen hinter der räumlichen Organisation der Produktion? 2. »Einbettung« kennzeichnet die räumlichen und professionellen Kontexte, in denen Produktion stattfindet und von denen sie beeinflusst wird: a) professionelle Einbettung: Welchen Einfluss üben professionelle Netzwerke (inklusive der Modemessen und anderer modebezogener Akteure) auf die Produktion aus, die trotz unterschiedlicher Ansiedlungen in verschiedenen Städten die Zugehörigkeit zu einer Branche miteinander teilen? b) territoriale Einbettung: Wie beeinflusst die Verortung in der Stadt (hier: Berlin) die Produktion und die Produkte? Welche Rolle spielen die lokalen Institutionen und Akteure? 3. »Sozialkapital« ermöglicht es den Designern, auf der Basis sozialer Beziehungen materielle und immaterielle Ressourcen zu mobilisieren, sodass die persönlichen Kontakte mit anderen Designern oder Akteuren, die in der Modebranche tätig sind, gemeinsam mit anderen Personen aus ihren sozialen Kreisen einen emotionalen und konkreten Einfluss auf ihr Produktionsnetzwerk haben können. Dank diesen Kategorien sind die Rekonstruktion der Produktionsstrukturen und die Analyse der Designerhandlungen in der Modedesignbranche möglich, und zwar unter Berücksichtigung sowohl ihrer ökonomischen als auch ihrer sozialen Komponenten. Abbildung 2: Interaktionen zwischen den Kategorien des Produktionsnetzwerks und dem kreativen Feld

Quelle: eigene Darstellung

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Die Kategorie Positionierung stellt die drei Elemente (Produkt, Raum und Wert) dar, die die Struktur des Produktionsnetzwerks und zentrale unternehmerische Entscheidungen für die Produktionsorganisation prägen. Diese Kategorie beschreibt die räumliche und ökonomische Organisation der Produktion, d. h., mit dieser Kategorie werden die Phasen und Beziehungen berücksichtigt, die in der Realisierung der verschiedenen ökonomischen und marktbezogenen Handlungen (bzw. Positionen) und der räumlichen Gestaltung der Produktionsphasen mitwirken. Die anderen zwei Kategorien ermöglichen, durch die Einbeziehung verschiedener Beziehungsarten, die Interaktionen des Produktionsnetzwerks der Modedesigner mit den anderen Akteuren der Modebranche und dem kreativen Feld. Die Kategorie Einbettung beschreibt sowohl die territoriale als auch die professionelle Verankerung der Produktion. Damit ist einerseits die Verankerung der zentralen kreativen Akteure der Produktion innerhalb der Stadt sowie im kreativen Feld gemeint, andererseits wird damit aber auch die Räumlichkeit der Wissensflüsse zwischen dem lokalen kreativen Feld und den Netzwerken der Modebranche bezeichnet. Letztere geht prinzipiell über die lokale Ebene hinaus. Die dritte Kategorie des Produktionsnetzwerks, das Sozialkapital der Akteure, wird nicht direkt auf den lokalen Kontext bezogen. Vielmehr setzt diese Kategorie voraus, dass Handlungen und Strategien zunächst innerhalb der Sozialzusammenhänge der Produktion entworfen werden und innerhalb dieses relationalen Raums verbleiben.

4.8 D as kre ative F eld und das P roduktionsne t z werk : P roduktionsstruktur im urbanen R aum In diesem Kapitel wurde mit dem »Produktionsnetzwerk« ein theoretisches mikroökonomisches Instrument entwickelt, das auf die Produktionsmechanismen des Modedesigns als kreative Branche ausgerichtet ist und die ökonomische mit der sozialen Ebene integriert. Das Konzept des Produktionsnetzwerks, das sich von den anderen dargestellten Modellen (Wertkette, GCC, GPN) abhebt, ist deswegen geeignet, die Produktionsformen des Modedesigns als kreative Branche darzustellen. Darüber hinaus können mit diesem Ansatz die Produktionsstrukturen als eine Gesamtheit unterschiedlicher Beziehungen theoretisiert werden, die jeweils professionelle und räumliche Kontexte einschließen. Die drei genannten Kategorien des Produktionsnetzwerks (Positionierung, Einbettung, Sozialkapital) ermöglichen es, verschiedene Beziehungsarten zu identifizieren und sie zueinander in Beziehung zu setzen. Dadurch sind die Produktionsstrukturen und die beteiligten unternehmerischen Handlungen realitätsnah rekonstruierbar. Die Beziehung zwischen den drei Kategorien des Produktionsnetzwerks ist dynamisch und kann deswegen in den jeweiligen Produktionsnetzwerken unterschiedlicher Designer variieren.

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Jedes kreative Feld ist das einzigartige Ergebnis der Kombination verschiedener Elemente, die sich in einem spezifischen raumzeitlichen Kontext ergeben. Daher gilt, in der Identifizierung eines theoretischen Gebildes für die Rekonstruktion der Produktionsstrukturen einer kreativen Branche, das kreative Feld als komplementärer Begriff für das Produktionsnetzwerk, da er den relationalen Kontext und die Verflechtungen des Produktionsnetzwerks mit dem urbanen Raum thematisieren kann. Indem nachfolgend die Beziehung zwischen dem kreativen Feld und dem Produktionsnetzwerk erläutert wird, kann das theoretische Instrument der Arbeit abschließend zusammenhängend beschrieben werden. Das kreative Feld bildet den Kontext der kreativen Produktion, in dem sich direkte (materielle und symbolische Ergebnisse des Produktionsnetzwerks) und indirekte (Konsum- und Lebensstile) Folgen der Interaktion zwischen kreativen Akteuren und in ihren Produktionsnetzwerken entfalten. Darüber hinaus kann dieser Kontext außerökonomische Effekte zeigen, die wiederum auf ökonomische Prozesse zurückwirken. Das kreative Feld besteht also nicht nur aus der wirtschaftlichen Komponente der Interaktionen der Designer, sondern auch aus privaten Interaktionsformen; beide bewirken eine Verankerung der Akteure in der Stadt. Die einzelnen Ebenen innerhalb des Feldes interagieren derart, dass die Trennung in Gesellschaft und Privates oder Ökonomisches und Nichtökonomisches weitgehend aufgehoben ist. Es ist auch zu beachten, dass die Akteure über unterschiedliche Konfigurationen ihrer Produktionsnetzwerke verfügen. Aufgrund ihrer heterogenen Entscheidungen und Handlungen, der unterschiedlichen Intensität ihrer Verzahnung mit dem kreativen Feld und der Stadt sowie der Trennung von ökonomischer und sozialer Ebene innerhalb ihrer Produktionskonzepte kommt es zu einer mehr oder weniger starken Ausdifferenzierung. Darüber hinaus wirken im kreativen Feld auch historische und sozioökonomische Kontextelemente mit, die die räumliche Konzentration der Akteure und ihre raumbezogenen Tätigkeiten beeinflussen. Aus diesen Gründen ist es nötig, auch die Beziehung zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld zu analysieren. Die Interaktionen zwischen kreativem Feld und Produktionsnetzwerk sind osmotisch und dynamisch: Sie sind in dem Sinne osmotisch, dass die Interaktion zwischen den beiden Bereichen in beide Richtungen stattfindet und diese Interaktionen ein dynamisches Gleichgewicht generieren. Darüber hinaus müssen Produktionsnetzwerke und das kreative Feld, obwohl sie in Relation zueinander stehen, nicht als integrale Einheiten, sondern als partielle Überlappungen fragmentierter Strukturen verstanden werden. Externe Elemente (z. B. Akteure eines professionellen Netzwerkes, die außerhalb der Grenzen des kreativen Feldes handeln) können durch Produktionsnetzwerke miteinander verbunden werden und daher zur gegenseitigen Dynamik zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld beitragen.

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Das kreative Feld beherbergt in der Regel mehrere Akteurstypen, die jeweils unterschiedliche Funktionen für das Produktionsnetzwerk haben. Die Vielfalt, die die Zugehörigkeit der Akteure zu verschiedenen Phasen des Produktionsnetzwerks oder verschiedenen Produktionsnetzwerken kennzeichnet, ermöglicht ihnen sowohl Verbindungen mit dem lokalen urbanen Raum als auch Offenheit gegenüber externen Impulsen.46 Umgekehrt können sich die Einflüsse aus dem kreativen Feld im Produktionsnetzwerk und außerhalb der lokalen Ebene verbreiten (vgl. Storper 2013; Scott 2008). Die Akteure des kreativen Feldes werden die Einflüsse aus dem Produktionsnetzwerk und dem kreativen Feld deswegen sowohl aktiv generieren als auch passiv wahrnehmen bzw. in ihrer Tätigkeit integrieren. Daher hebt man mit den Begriffen des Produktionsnetzwerks und des kreativen Feldes auch die Beziehungen der Modedesigner zur sozioökonomischen Sphäre der Stadt hervor. Die soziale Komponente spielt im Produktionsnetzwerk mehrere Rollen. Zum einen gestaltet eine besondere Sozialität die Organisation einiger Produktionsphasen aus, zum anderen leitet sie den Wissensaustausch in den physischen Agglomerations- und Rekonfigurationsphasen an. Letzerer kann sowohl langfristig (vgl. Cluster im Kap. 3.3) als auch temporär (vgl. Events im Kap. 3.5) angelegt sein; zudem ändert sich seine konkrete Bedeutung für jeden einzelnen Akteur fortwährend. Darüber hinaus muss die Rolle der sozialen Komponente zusammen mit der Struktur und Dimension des jeweils eigenen Produktionsnetzwerks eines Akteurs betrachtet werden. Das Produktionsnetzwerk steht nicht in einer deterministischen, sondern in einer possibilistischen Beziehung zum kreativen Feld: Es kann innerhalb einiger oder aller seiner Phasen im kreativen Feld variabel verortet sein und auf das Feld zugreifen. Gleichzeitig haben die Designer auch unabhängige Beziehungen zum kreativen Feld, die sich nicht in jedem Fall mit denjenigen ihres Produktionsnetzwerkes überschneiden. Im Modedesign gibt es zwei verschiedene Netzwerke, die auf unterschiedliche Weise in der Produktionsorganisation eines jeden Designers zusammenfließen: Auf der einen Seite gibt es das (globale) Netzwerk der Mode, in dem Stile verhandelt werden und relevante Akteure durch Medien und internationale Events mobil sind. Darüber hinaus ist das globale Netzwerk mit einigen städtischen Zentren der Modebranche verbunden (vgl. Entwistle 2010; Kawamura 2005; D’Ovidio 2010). Dabei haben Veranstaltungen wie die Fashion Weeks eine wichtige Funktion als Orte und Motoren der Rekonfiguration des Netzwerks. Auf der anderen Seite gibt es eine einzelunternehmerische Ebene, die für die Formulierung von Strategien und die Gestaltung von konkreten Produktionsbeziehungen sorgt. Sie enthält Elemente der sozialen und privaten Sphäre 46 | Ähnliches wird auch in der Buzz-Pipeline-Theorie thematisiert (vgl. Bathelt et al. 2004).

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der Designer, die diese mit anderen Akteuren entwickelt haben (vgl. D’Ovidio 2010). Da diese Elemente für die ökonomische Realisierung eines Produkts wichtig sind, müssen globale und einzelunternehmerische Netzwerke in ihren Anforderungen und Leistungen ausbalanciert werden. Mit dem kreativen Feld interagieren aber nicht nur die Produktionsnetzwerke, sondern auch die Designer, und allgemein die einzelnen Personen und Akteure, die verschiedene Interaktionsformen mit dem kreativen Feld und der Stadt entwickelt haben. Designer unterhalten (mehr oder minder formalisierte) Beziehungen zu anderen Akteuren des kreativen Feldes, die ebenfalls kreativ sind und eine aktive Rolle in der Produktion spielen. Die Beziehungen wie auch die Eigenschaften dieser Akteure können zur Steigerung des materiellen und symbolischen Werts der Modeprodukte beitragen (vgl. Skov 2006; Lange / Bürkner 2010). Designer bringen Inspirationen heterogener Art in ihren Produktionsalltag ein, die sie aus der lokalen Ebene beziehen. Lokal »vorrätige« Anlässe können materieller und symbolischer Natur sein, z. B. die physischen Elemente der Räume der Stadt und ihr Image, die Präsenz von Künstlern und Kreativen oder auch ein multikulturelles Ambiente der Stadt. Sie können aber auch immateriell im engeren Sinne sein, z. B. Gefühle und Ideen aus der Interaktion mit anderen Kreativen sowie allgemein soziale Lernerfahrungen. Zusätzlich sorgen temporäre Modeevents wie die Fashion Week auch für mehrfache symbolische und materielle Verbindungen der Designer (und ihrer Produktionsnetzwerke) mit relevanten Umgebungen, d. h. sowohl mit dem kreativen Feld der Stadt als auch mit dem professionellen (globalen) Netzwerk der Mode. Designer sind nicht nur Teil ihres individuellen Produktionsnetzwerks, sondern auch Teil des kreativen Feldes. Sie tragen sowohl mit ihrer Arbeit als auch mit ihren sozialen Beziehungen und Lebensstilen zur Gestaltung des kreativen Feldes selbst bei. Dies findet unabhängig davon statt, ob das Produktionsnetzwerk lokal oder international organisiert ist; entscheidend ist, dass die Designer als kreative Akteure das kreative Feld generell beeinflussen. Durch die Analyse der Interaktionsformen zwischen kreativem Feld und Produktionsnetzwerk können die Komplexität und Vielfalt der Handlungen der beteiligten Akteure ermittelt werden. Zugleich werden die Beiträge dieser Akteure zur Spezifik des jeweiligen kreativen Feldes deutlich.

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Forschungsmethode und -ansatz: qualitative Analyse von Ego-zentrierten Netzwerken

5.1 K urzer Ü berblick über die soziale N e t z werk analyse 5.1.1 Vorbemerkungen Die soziale Netzwerkanalyse untersucht die Beziehungen von Menschen mit dem Ziel, soziale Beziehungsstrukturen zu erkennen (vgl. Bommes / Tacke 2006, 39; Haas / Malang 2010, 89). Diese Strukturen werden einerseits als potenzielle Erklärung bzw. als Hinweis für das Verhalten von Menschen interpretiert und andererseits als Faktoren des Status bzw. der Positionierung der Netzwerkteilnehmer angesehen. Ein Netzwerk besteht in den Sozialwissenschaften generell zwar aus Beziehungen zwischen Personen, aber die betrachteten Akteure können auch Unternehmen, Organisationen oder sogar Staaten sein (vgl. Holzer 2006). In einem Netzwerk werden, abgeleitet aus der Grafentheorie, die sozialen Akteure im Allgemeinen Knoten und ihre Beziehungen Kanten genannt (vgl. Gamper / Reschke 2010). Von Bedeutung für die Netzwerkstruktur ist zum einen die Beschaffenheit der Knoten, zum anderen aber auch die Art der Beziehung zwischen den Knoten. So ist z. B. die Frage relevant, ob es eine unidirektionale oder eine bidirektionale Beziehung gibt oder ob nur eine oder mehrere Arten von Beziehungen zwischen zwei Knoten bestehen. Netzwerkstrukturen können somit durch die Anzahl der Knoten und die relative Position der Knoten beschrieben werden. Beide Indikatoren bezeichnen zusammengenommen die Wichtigkeit eines jeden Knotens in einem Netzwerk.1 Daher kann ein Netzwerk als »eine abgegrenzte Menge von Knoten oder Elementen und der Menge der zwischen ihnen verlaufenden so genannten Kanten« (Jansen 1999, 52) definiert werden. Die allgemeine Verwendung des Begriffs Beziehung ist natürlich nicht unproblematisch. Was als Beziehung von den Akteuren wahrgenommen wird, 1 | Für einen Überblick über die formalen Begriffe in der Netzwerkanalyse vgl. Holzer 2006, 34 ff.

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kann sehr unterschiedlich sein, denn auch labile, zufällige Kontakte können als Beziehungen interpretiert werden. Im Zuge der Netzwerkanalyse gewinnt eine Beziehung an Bedeutung »wenn sich über gelegentliche Kontakte hinaus ein mehr oder weniger stabiles und vor allem erwartbares Beziehungsmuster herauskristallisiert.« (Holzer 2006, 9; Hervorhebungen im Original) Netzwerkanalysen und die visuelle Darstellung von Netzwerken können für unterschiedliche Akteurstypen realisiert werden. Letztere bestehen aus grafischen Beschreibungen der Beziehungen, d. h. Knoten und Kanten werden in Grafen dargestellt.2 Die soziale Netzwerkanalyse zeigt unter den soziologischen Ansätzen einige Alleinstellungsmerkmale: Ihr Gegenstand sind soziale Beziehungen, die in ein Beziehungsnetzwerk eingebettet sind (vgl. Gamper / Reschke 2010); mit dem Netzwerkansatz vermeidet man analytische Unterscheidungen zwischen Individuum und Gesellschaft (vgl. Weyer 2000b). Die größte Erklärungskraft wird aus der Analyse der strukturellen Position der Akteure und nicht ihrer Eigenschaften bezogen. Die Grafentheorie spielt eine zentrale Rolle für die Darstellung der Beziehungsmuster und Positionen im Netzwerk (vgl. Holzer 2010, 80). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Netzwerke rein analytische Instrumente sind, die ein relationales Verständnis der Beziehungsstruktur der Akteure ermöglichen (vgl. Haas / Malang 2010, 89). »Eine Netzwerktheorie macht, anders gesagt, überhaupt nur unter der Bedingung Sinn, dass soziale Beziehungen nicht als gesellschaftsstrukturell festgelegt, sondern als reflexiv herstellbar verstanden werden.« (Bommes / Tacke 2006, 41) Das Netzwerk ist zugleich auch ein virtuelles Konzept, weil die Grenzen der untersuchten Gruppen und die Art der Beziehungen vordefiniert werden und dieser Umstand Einfluss auf die Analyse der Netzwerkstruktur hat (vgl. Hollstein 2006, 14). Die extreme Flexibilität der Netzwerkanalyse zeigt sich in ihrer Fähigkeit, auch große Unterschiede zwischen den Akteuren bzw. der Art ihrer Beziehungen zu erfassen, und in dem theoretischen Hintergrund, der es ihr erlaubt, recht unterschiedlichen Fragestellungen und empirische Verfahren einzubeziehen. Bislang wurden sowohl quantitativ-mathematische als auch qualitative Verfahren und andere analytische Instrumente entwickelt (vgl. Trezzini 1998, 379; Jansen 1999; Hollstein / Straus 2006), die eine Verbindung zwischen theoretischen Begriffen und Erhebungsmethoden hergestellt haben. Die soziale Netzwerkanalyse kann methodologisch in qualitative und quantitative Methoden unterteilt werden. Obwohl Tendenzen zu erkennen sind, exis2 | Eine andere Möglichkeit, Netzwerkdaten darzustellen, besteht in der Anfertigung einer Soziomatrix, die auch komplexe soziometrische und algebraische Operationen ermöglicht. In einer Soziomatrix werden die Beziehungen zwischen den Akteuren als Felder einer Matrix repräsentiert. Für eine Übersicht der gängigen mathematischen Verfahren und Maße der quantitativen Netzwerkanalyse siehe Trezzini (1998) und Jansen (1999).

5 Forschungsmethode und -ansat z

tiert keine feste Relation zwischen der Art des untersuchten Netzwerkes und der Untersuchungsmethode: Die qualitative Analyse, die in der Regel für die Untersuchung von Ego-zentrierten Netzwerken angewendet wird, ist auch für Gesamtnetzwerke geeignet. Für Ego-zentrierte Netzwerke sind sowohl qualitative als auch quantitative Methoden brauchbar, die mit dem Grad der Standardisierung der Erhebung und der Analyse, also nicht nur mit der Netzwerkkarte, variieren können.

5.1.2 Ego-zentrierte Netzwerke In der sozialen Netzwerkforschung3 wird zwischen Gesamt- und Ego-zentrierten Netzwerken unterschieden. Gesamtnetzwerke berücksichtigen die Beziehungen und die Struktur einer geschlossenen Gruppe: Die Beziehungen, die erhoben, gezeigt und untersucht werden, sind nur diejenigen zwischen den Gruppenzugehörigen, während die Beziehungen, die die Knoten mit externen Akteuren verbinden, ausgelassen werden. Zwei zentrale Fragen, die die Ausrichtung der Gesamtnetzwerkanalyse bestimmen, betreffen die Netzwerkform und richten sich somit darauf, wer zu der untersuchten Gruppe gehört und welche Beziehungsart untersucht wird (vgl. Jansen 1999, 65). Die untersuchte Gruppe und die relevante Beziehung sind Daten, die vor der Netzwerkerhebung ermittelt werden. Als Untersuchungsfälle werden in der Regel Gruppen ausgewählt, die deutliche Grenzen haben – z. B. Organisations- oder Gruppengrenzen (Firmenabteilungen, Schulklassen) oder sozialräumliche Grenzen (Dörfer). In der Analyse werden alle Beziehungen berücksichtigt, die sich innerhalb dieser Grenzen befinden. Ego-zentrierte Netzwerke beschäftigen sich hingegen mit den Beziehungen einzelner Akteure mit ihrer sozialen Umwelt. Ein Ego-zentriertes Netzwerk wird definiert als, »das um eine fokale Person, das Ego, herum verankerte soziale Netzwerk« (Jansen 1999, 74). Deswegen wird dieses analytische Verfahren zur Gewinnung relational-attributiver Informationen verwendet (Trezzini 1998), d. h., um Informationen über die Relationen zwischen zwei Personen und über die Merkmale (Attribute) der in der Beziehung involvierten Akteure zu gewinnen. Mit dieser Art der sozialen Netzwerkanalyse werden Daten nur zu einzelnen fokalen Akteuren erhoben und nicht über eine gesamte Gruppe (vgl. Jansen 1999, 73 ff.).4

3 | Über die Geschichte der Netzwerkforschung vgl. Gamper / R eschke 2010; Stegbauer / H äußling 2010, Kap. 2; Jansen 1999, Kap. 2; Holzer 2006, 29 ff. 4 | Typische Themen sind z. B. die Entwicklung politischer Meinungen, Freundschaftsbeziehungen und Unterstützungsstrukturen in unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen sowie soziale und berufliche Mobilität.

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Die Ego-zentrierte Netzwerkanalyse ist, genauso wie die Gesamtnetzwerkanalyse, ein relationaler Ansatz (vgl. Jansen 1999 73), wobei die Beziehungen eines Akteurs und deren Struktur im Zentrum der Untersuchung stehen. Aufgrund der Beziehungen mit anderen Knoten werden die Rolle der Akteure, ihre Strategien und ihre Handlungen untersucht. Die Netzwerkerhebung basiert dabei auf Fragen über die anderen Netzwerkakteure (Alteri), die dem fokalen Akteur (Ego) mündlich oder schriftlich gestellt werden. Diese Fragen werden Namensgeneratoren und Namensinterpretatoren genannt. Zuerst werden Fragen mit dem Ziel gestellt, eine Namensliste der Alteri zu generieren, die zum Ego-zentrierten Netzwerk gehören. Die Namensinterpretatoren sind Fragen, die Informationen über die Beziehungen zwischen Ego und Alteri und zwischen Alter und Alter generieren. Die Nutzung nur eines Namensgenerators kann dazu führen, dass einige Alteri von den Befragten ausgelassen werden, weil sie nicht mit dem in der Frage genannten Fall übereinstimmen.5 Während die Namensgeneratoren zur Nennung der Alteri dienen (Wolf 2010, 471), haben die Namensinterpretatoren das Ziel, relationale Daten (Ego-Alter-Beziehungen) und attributive Daten (Eigenschaften der Alteri) zu gewinnen. Um eine vollständige Darstellung des Ego-zentrierten Netzwerks zu erhalten, ist es wichtig, die Erhebung nicht nur auf Ego-Alter-Beziehungen und die Attribute der Alteri zu begrenzen, sondern sie auch auf die Alter-Alter-Relationen zu erweitern. Hiermit ist ein relevanter Schritt genannt zur Erkennung der Struktur des Netzwerkes der Egos (vgl. Diaz-Bone 2007, 8). Diese Erweiterung stößt empirisch jedoch auf Schwierigkeiten, da die Alter-Alter-Beziehungen mit der Anzahl der genannten Akteure exponentiell zunehmen. Deswegen wäre es zu komplex, nach jeder Beziehung zu fragen, wenn die genannten Alteri eine bestimmte (bereits geringe) Anzahl überschreiten. In manchen Studien wird nur nach einer zufälligen Auswahl der Beziehungen gefragt (vgl. Wolf 2010, 475). Darüber hinaus ist die Alter-Alter-Beziehung nicht für alle Beziehungsarten gleich relevant. Auch wenn z. B. Freundschaftsbeziehungen unter den Alteri von Bedeutung sein können, sind Produktionsbeziehungen zwischen Alteri verschiedener Produktionsphasen meist weniger bedeutsam, und diese Beziehungen sind dem Ego häufig auch gar nicht bekannt. In der Erhebungspraxis werden jedoch die Alteri nicht befragt und deswegen werden die Beziehungen oft als symmetrisch betrachtet und analysiert (vgl. Jansen 1999, 75). Die Befragung der genannten Alteri oder nur einiger genannter Alteri hat den Vorteil, dass die Aussagen des Egos über die Beziehungen durch diese Überprüfung eine höhere Objektivität gewinnen. Diese

5 | Eine mögliche Lösung für dieses empirische Problem besteht darin, mehr Namensgeneratoren zu demselben Thema vorzubereiten, um keinen wichtigen Alter eines Egos zufällig wegzulassen, z. B. die Namensgeneratoren Burt und Fischer (vgl. Jansen 1999).

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Entscheidung muss jedoch je nach Zeitbedarf und in Abhängigkeit von den Forschungszielen getroffen werden. Die Methode der Ego-zentrierten Netzwerkanalyse hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört die Möglichkeit, sie im Zusammenhang mit konventionellen standardisierten Befragungen einzusetzen; sie ist besonders für Forschungsansätze mit Fragen zur Multiplexität (d. h. wenn mehrere Beziehungen verschiedener Art zwischen zwei Knoten bestehen) und mehreren Beziehungsarten im Netzwerk geeignet (vgl. Jansen 1999, 73 f.), wodurch eine hohe Strukturierung und Standardisierung der Erhebung möglich ist. In explorativen Fallstudien, in denen die Art der Beziehungen nicht immer deutlich ist, und für Fälle, in denen die Netzwerkgrenzen nicht gegeben oder definierbar sind (z. B. Freundschaftsbeziehungen), bieten qualitative Erhebungsinstrumente bessere Möglichkeiten für eine Ego-zentrierte Netzwerkanalyse. Die Ego-zentrierte Netzwerkanalyse kann eine wichtige Methode der wirtschaftsgeografischen Forschung sein, besonders in der Untersuchung kreativer und wissensbasierter Ökonomien, weil sie die Handlungen der Akteure aus ihrer persönlichen Perspektive rekonstruieren kann und damit eine praxisnahe Modellierung ermöglicht. Nachteile von Ego-zentrierten Netzwerkanalysen bestehen darin, dass eine genaue Bestimmung von Positionen und Rollenverflechtungen nicht möglich ist (vgl. Jansen 1999, 73). Außerdem ist die Qualität der gewonnenen Informationen bzw. die Zuverlässigkeit der Informanten fraglich (vgl. Jansen 1999, 78), weil die Aussagen der Befragten die einzige Informationsquelle über ihre Netzwerke sind. Dennoch kann nicht verzichtet darauf werden, die Vorstellung der Interviewten zu ermitteln. Mit Bezug auf dieses Netzwerk werden sie dann nämlich auch handeln. Eine detaillierte Erhebung der persönlichen Beziehungsstrukturen kann somit wichtige Auskünfte über die Gründe einer bestimmten Handlung geben.

5.1.3 Die Netzwerkkarte als Visualisierungsmittel Das Ego-zentrierte Netzwerk kann mittels einer visuellen Darstellung analysiert werden, die Netzwerkkarte genannt wird. Es gibt unterschiedliche Arten von Netzwerkkarten für Ego-zentrierte Netzwerke. Bezogen auf den Grad der Strukturierung von Netzwerken werden drei Typen unterschieden: unstrukturierte, strukturierte sowie strukturierte und standardisierte Karten (vgl. Hollstein / Pfeffer 2010). Die unstrukturierten Netzwerkkarten sind von den Befragten angefertigte Zeichnungen, die sie freiwillig und ohne Anleitung entwerfen.

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Sie dienen als Erzählgeneratoren.6 Diese Karten unterstützen die Beschreibung des eigenen Netzwerkes durch das Ego, sie sind aber an sich nicht mit anderen Karten vergleichbar. Vielmehr ist der im Interview generierte Text die Grundlage des Vergleichs, und der Text dient dann zur Erläuterung der Karte. Die strukturierten und nichtstandardisierten Netzwerkkarten haben Elemente, die zu einer definierten Struktur der Karte führen, ohne eine Standardisierung der Karte vorauszusetzen, z. B. bei Karten mit konzentrischen Kreisen oder Sektoren als Strukturelemente, die aber keine fest definierten Vorgaben haben. Die Karte wird parallel zum Interview ausgefüllt und dient als »Medium der Kommunikation über die Beziehungen und Netzwerke« (Hollstein / Pfeffer 2010, 5). Sie ist ein zusätzlicher Erzählstimulus und ist selbst das Ziel der Erhebung. Dank der strukturierenden Elemente ist ein Vergleich zwischen den Karten teilweise möglich, sowohl zwischen unterschiedlichen Alteri im Netzwerk und ihren Beziehungen mit dem Ego als auch zwischen verschiedenen Karten. Die dritte Gruppe setzt sich aus strukturierten und standardisierten Ego-zentrierten Netzwerkkarten zusammen. Diese haben den Vorteil, dass sie miteinander vergleichbar sind, sie sind das Ziel der Erhebung und keine Hilfsmittel. Dies ist z. B. der Fall, wenn auf der Karte um das Ego konzentrische Kreise angeordnet sind, die eine zuvor vergebene Bedeutung haben (z. B. emotionale Nähe oder Wichtigkeit). Die Strukturierung wird mittels konzentrischer Kreise und die Standardisierung aufgrund der festen Bedeutung mithilfe fixer Stimuli erreicht. Durch eine größere Standardisierung und Strukturierung werden die Aussagekraft der gewonnenen Daten und deren Beziehungen zwar verringert (vgl. Hollstein / Pfeffer 2010, 4), aber die Daten gewinnen an Vergleichbarkeit und werden systematischer dargestellt. Die Linien in der grafischen Darstellung, die die Beziehungen kennzeichnen, werden in der Regel ohne Pfeile dargestellt, da angenommen wird, dass zwischen Ego und Alter eine symmetrische Beziehung besteht, d. h. aufgrund der genannten Beziehung zwischen Ego und Alter sollte auch Alter eine Beziehung zu Ego haben. Diese empirische Annahme kann natürlich, falls benötigt, durch gezielte Forschungsfragen und Namensgeneratoren überprüft werden, denn gerichtete Beziehungen können auch in Ego-zentrierten Netzwerken untersucht werden. Die Ego-zentrierte Netzwerkkarte ist eine Visualisierung des persönlichen Netzwerkes. Sie kann wie andere Daten benutzt und analysiert werden, aber sie ist kein Pflichtelement zur Erhebung in einer (Ego-) Netzwerkanalyse. Die Anwendung der Netzwerkkarte und ihr Standardisierungsgrad sind ein zusätzliches Element in der Ego-zentrierten Netzwerkforschung, das aber neue oder

6 | Als Erzählgeneratoren sind die Elemente gemeint, die die Narration in Interviews stimulieren.

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wesentliche Informationen erbringen kann, was selbstverständlich von den Forschungszielen abhängig ist.

5.1.4 Grad der Standardisierung in der Ego-zentrierten Netzwerkerhebung Die Standardisierung der Namensgeneratoren und -interpretatoren sowie der Netzwerkkarte ist sehr von den Forschungsfragen und vom Forschungsdesign abhängig. Die Generatoren sind hoch standardisiert (immer die gleichen Worte in jeder Befragung), um eine hohe Vergleichbarkeit zwischen den Interviewerhebungen zu erreichen. In diesen Fällen wird in der Regel ein Schlüsselaspekt gewählt und systematisch für eine oder mehrere vordefinierte Fragen untersucht. Ein hoher Grad an Vergleichbarkeit wird auch durch strukturierte Netzwerkkarten erreicht, die mithilfe fixer oder semifixer Namensgeneratoren und ‑interpretatoren von Ego ausgemalt werden. Ausgehend von der Struktur der Interaktion zwischen Forscher und Befragtem kann auf einen niedrigen Grad der Standardisierung geschlossen werden, z. B. bei der Anwendung von spontan gemalten Karten. Wenn die Standardisierung sinkt, gewinnt der Text (oftmals das Interview) eine qualitative Zentralität, d. h., die Aussagen des Interviewten haben eine Aussagekraft und Bedeutung, die eine qualitative Karte allein nicht haben kann. Für die Analyse eines qualitativ untersuchten Ego-zentrierten Netzwerkes ist das persönliche Interview das wichtigste Erhebungsinstrument. Vergleicht man standardisierte, vergleichbaren mit nichtstandardisierten, nichtvergleichbaren Netzwerkkarten ist fraglich, ob es einen trennscharfen Unterschied gibt. Tatsächlich sind Netzwerkkarten mit gleicher Struktur einfacher untereinander zu vergleichen. Abhängig von den einzelnen Forschungsfragen und -zielen ist zu entscheiden, was gemessen und verglichen werden muss. Hingegen ist es nicht möglich, mittels nichtstandardisierter Karten mathematische, statistische Werte zu erzeugen. Jedoch können Fragen, wie diejenige nach der Art der Beziehung oder der sozialen und wirtschaftlichen Rolle der Alteri, mit ausreichender Vergleichbarkeit auch mittels nichtstrukturierter Karten überprüft werden.

5.2 F orschungsdesign und S amplingkriterien Modedesigner wurden als Untersuchungsgruppe ausgewählt, da sie als kreative Akteure im Mittelpunkt der Modebranche stehen. Als zentrale Akteure führen sie die beiden komplementären Bestandteile der industriellen Produktion und der Erfindung von Neuem zusammen. Diese Aufgabe ist in hohem Maße

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kontextbezogen. Der urbane Kontext Berlins bietet sich für Analysen der Modebranche aus folgenden Gründen an: • Erstens spielt die Stadt eine wichtige regionale Rolle (insbesondere in der Avantgarde- und Streetwearmode), und die größte Konzentration an Modeschulen bzw. Ausbildungsstätten für Modedesign in Deutschland ist hier zu finden. Darüber hinaus werden in Berlin internationale Modeveranstaltungen organisiert (Fashion Week und Modemessen). Die Textil- und Modebranche ist aber nicht nur eine aktuell relevante Branche für die Stadt, sondern hat bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle in der Wirtschafts- und Imagedynamik Berlins gespielt. • Zweitens sind in Berlin viele Designerlabel ansässig und ihre Anzahl ist insbesondere nach den 2000er-Jahren gewachsen. Die meisten können hinsichtlich Umsatz und Anzahl der Angestellten als kleine Unternehmen bezeichnet werden (vgl. IBB 2011; Senat WiTF 2014). Auf dieser Grundlage hat Berlin seine Imagepolitik als kreative Stadt entwickelt. Obwohl Berlin selbst kein großer Absatzmarkt für Designermode ist (vgl. Senat WiTF 2008; Schepers 2012), präsentieren Politik und Verbände die Stadt jedoch als Modestadt und betonen die kreative Orientierung der Modebranche. Im Unterschied zu anderen für die Modebranche relevanten Städten gibt es aber in Berlin keine zentralen Institutionen für die Steuerung der Branche als Ganze (wie z. B. die Camera Nazionale della Moda in Mailand, die Fédération Française de la Couture in Paris und das British Fashion Council in London). • Drittens sind in Berlin kaum große Modehäuser bzw. Bekleidungskonzerne zu finden. Deswegen steht hier die Rolle der Designer als einzelne Kreative und als Solounternehmer im Vordergrund. In sehr kleinen Unternehmen hat der Designer, wenn er (wie in den meisten Fällen) auch Unternehmer ist, einen größeren Entscheidungsspielraum, nicht nur in Bezug auf reine Designthemen, sondern auch hinsichtlich der Produktions- und Vermarktungsphasen des Labels. Aus diesen Gründen kann man davon ausgehen, dass die Berliner Modedesigner über einen großen Spielraum in der Gestaltung und Steuerung ihrer Produktionsstrukturen verfügen. Die Effekte ökonomischer und sozialer Netzwerke können hier in den Produktionsstrukturen der Modedesigner deutlich identifiziert werden; dies ist ein zentrales Anliegen dieser Arbeit. Ein weiteres Ziel dieser Forschungsarbeit ist die Rekonstruktion der sozioökonomischen und räumlichen Elemente des Produktionsnetzwerkes der Berliner Modedesignbranche als kreative Branche. Auf der einen Seite werden die Produktionsstrukturen sowie die unternehmerischen Handlungsformen und Strategien identifiziert. Auf der anderen Seite werden die Beziehungen der Designer und

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ihrer Produktionsnetzwerke mit dem kreativen Feld der Stadt sowie im Rahmen ihrer professionellen und sozialen Netzwerke auf verschiedenen Maßstabsebenen thematisiert. In jeder Branche der Kreativwirtschaft ist die Rolle der sozialen Ebene und ihre Beziehung zur ökonomischen Ebene je nach Produktions- und Wertschöpfungsformen anders beschaffen.7 Um die Produktionsstruktur in der Kreativwirtschaft zu untersuchen, muss man die verschiedenen Ebenen der Produktionsnetzwerke kreativer Akteure im Detail einbeziehen, sodass die verschiedenen Beziehungsarten und -elemente zum Vorschein kommen. Die Netzwerkanalyse ist ein etablierter Ansatz für die Untersuchung nicht nur sozialer, sondern auch unternehmerischer Beziehungen. Sowohl Gesamt(vgl. Krätke 2011) als auch Ego-zentrierte Netzwerke (vgl. Schauwecker 2008) sind damit als Untersuchungsgegenstände gut zu erschließen. In der wirtschaftsgeografischen Netzwerkforschung wurde neben der ökonomischen die Einführung einer sozialen Ebene über die gesamte unternehmerische Produktionsstruktur im Modedesign als Kreativwirtschaft bis jetzt noch nicht ausführlich in Betracht gezogen. Um die Produktionsformen im Modedesign zu verstehen, wird der Designer im Modelabel als fokaler Akteur untersucht. Ein wichtiger Grund, den Designer als Ego in der Netzwerkforschung aufzufassen, besteht darin, dass in seinem Arbeitsnetzwerk, insbesondere in Kleinunternehmen, die gesamte Wertschöpfung und das Produktionsnetzwerk organisiert werden.8 Dies be7 | Die sozialen Beziehungen in der Kreativwirtschaft können Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen haben und die Produktion bzw. Wertschöpfung beeinflussen, weil diese in der Kreativwirtschaft oft auch einen symbolisch-kulturellen Anteil haben, sodass die Produkte und ihr Wert in einigen Branchen auch in mehr oder weniger lokalisierten sozialisierten Märkten hergestellt werden (vgl. Lange /  B ürkner 2010). Die Rolle der Kunden bezüglich der Herstellung der symbolisch-kulturellen Komponente des Wertes kann relevant sein, weil die Kunden bzw. der Markt zur Einschätzung der Werte beitragen. In jeder Branche der Kreativwirtschaft ist aber diese Rolle unterschiedlich. Es sind noch zu wenige Studien vorhanden, um allgemeine Aussagen machen zu können oder die Rolle der Kunden in der Kreativwirtschaft und Marktnischeninformationen einschätzen zu können. Die Aspekte des Konsums und die Reaktionen der Kunden bzw. der Märkte, obwohl ihre Relevanz in der Debatte allgemein bekannt ist, betreffen nicht den Forschungsansatz, der hier angewendet wird, und werden deshalb ausgelassen. 8 | In das Ego-zentrierte Netzwerk der Modedesigner können auch die sozialen Elemente aufgenommen werden, die in die Produktion und Wertschöpfung einfließen. Die Relevanz des Einflusses der sozialen Ebene auf das ökonomische Handeln, auch für die Kreativwirtschaft, wird schon seit langer Zeit thematisiert (vgl. Klein 2005; Bathelt et al. 2004; Reid et al. 2008; Gertler 2003; Granovetter 2003), aber die Netzwerkforschung wurde bis jetzt noch nicht dazu verwendet, um praxisnahe Produktionsstrukturen im

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ginnt mit der Stoffauswahl und dem Stoffeinkauf für eine neue Kollektion und endet mit den Modeevents und den Beziehungen mit den Einzelhändlern und Lieferanten, über die die Produkte verkauft werden. Die Stoffe werden hier als Zwischenerzeugnisse betrachtet, die der Designer als Input für sein eigenes Produktionsnetzwerk nutzt. Sie werden deswegen in dieser Untersuchung nicht als originäre Bestandteile grundlegender Produktionsphasen des Designs bedacht.9 Am anderen Ende des Produktionsprozesses werden der Kunde und seine Rolle nicht in die Untersuchung einbezogen. Die Kunden sind zwar insofern Treiber der Wertschöpfung, als sie mittels Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit über den Marktwert einer Ware entscheiden; sie agieren jedoch in der Regel nicht unmittelbar im Produktionsprozess. Daher wird der Kunde in dieser Forschungsarbeit nicht als Akteur des Produktionsprozesses im engeren Sinn berücksichtigt.10 In seiner Rolle als Teil des sozialen Netzwerks des Designers kann der Kunde, falls er eine Rolle für die Produktionsorganisation des Labels spielt, von Fall zu Fall thematisiert werden. Die Untersuchung basiert auf einer qualitativen Ego-zentrierten Netzwerkanalyse, in der semistrukturierte Interviews und Ego-zentrierte Netzwerkkarten als primäre Datenquellen eingesetzt werden. In den Ego-zentrierten Netzwerken werden die Modedesigner, die der kreative Kern eines Modelabels sind, als Ego berücksichtigt. In vielen Fällen sind die Modedesigner nicht Angestellte des Labels, sondern Unternehmer, die ihr eigenes Label führen. Das Ego-zentrierte Netzwerk vereinigt daher sowohl soziale als auch die unternehmerische Komponente des Netzwerks der Designer. Die Designer fungieren sowohl als Unternehmen (vgl. Schauwecker 2008) als auch als Personen und können aus Detail zu erheben. Die Produktionsphasen können intern oder extern an dem Modelabel stattfinden. Weil als fokaler Akteur der Designer angenommen und das Unternehmen nicht als Black Box thematisiert wird, werden beide Arten von Produktionsphasen betrachtet. 9 | Selbstverständlich ist eine Produktionskette bzw. ein Produktionsnetzwerk mit anderen Produktionsketten verflochten, weil Zwischenprodukte und Dienstleistungen in einer Produktionskette Endprodukte anderer Produktionsverfahren sind (vgl. Gereffi et al. 1994; Raikes et al. 2000). Die Interaktionen bestehen dann nicht nur zwischen den Teilnehmern einer Produktionskette, sondern auch zwischen mehreren Ketten, da jeder Akteur ein Teilnehmer an mehreren Produktionsketten ist und jeder eine andere Rolle übernehmen kann. Die Betrachtung der Produktionsstruktur als Netzwerk statt als Kette ändert diese Tatsache nicht. Ebenso bleibt die Abgrenzung der betrachteten Phasen in jedem Forschungsvorhaben gültig. 10 | Die einzigen Ausnahmen sind in der Praxis des Crowdfunding zu erkennen, in der Kunden und Freunde die Arbeit des Designers finanzieren. Obwohl diese Form der Finanzierung auch in der Berliner Modebranche stattfinden kann, ist sie nicht so verbreitet und kann deswegen vernachlässigt werden.

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diesem Grund auch als Alteri in unterschiedlichen Akteurstypologien erfasst werden. Es werden sowohl formelle als auch informelle Beziehungen in der Produktionsorganisation untersucht: Um das gesamte Produktionsnetzwerk des Modedesigners zu rekonstruieren, sind formelle Relationen, d. h. vertraglich fixierte Beziehugen, z. B. mit den Stofflieferanten oder mit den Produktionsstätten, genauso wichtig wie informelle Beziehungen, z. B. mit anderen Designern oder Fotografen, von denen Gefälligkeiten, Empfehlungen oder Tipps kommen können. Die Interaktionen der Akteure mit dem kreativen Feld der Stadt, mit den sozialen Kontexten und den räumlichen Dimensionen der Modebranche sind wesentlich für die Analyse der Produktionsstruktur und das Verständnis der unternehmerischen Handlungen der Modedesigner. Mit der Anwendung der sozialen Netzwerkanalyse, genauer gesagt mit der Analyse der Ego-zentrierten Netzwerke, können ökonomische und soziale Praktiken zusammen bedacht werden. Ego-zentrierte Netzwerkanalysen sind besonders dann nützlich, wenn die Anzahl der Akteure nicht abgrenzbar ist, z. B. aufgrund fehlender statistischer Daten oder weil die Untersuchungsgruppe noch nicht offiziell definiert ist. Sie ist auch dann angezeigt, wenn die Art der zu untersuchenden Beziehung nicht im Voraus bekannt ist, wie im Fall der Berliner Modedesigner. Der Netzwerkansatz ermöglicht dann eine akteurszentrierte Perspektive für die Rekonstruktion des Produktionsnetzwerkes der Modedesigner hinsichtlich ihrer sozialen und ökonomischen Komponenten sowie ihrer Beziehungen mit dem kreativen Feld und überregionalen professionellen Netzwerken. Damit erhält man unter anderem ein genaueres Verständnis der Rolle urbaner Kontexte für das Produktionsnetzwerk. In dieser Arbeit werden die Designer als Untersuchungsgruppe betrachtet, die schon über ein (etabliertes) Netzwerk von Kontakten verfügen, d. h., die bereits aktiv mit ihrem Label produzieren. Durch die Auswahl von aktiven Akteuren wird einerseits die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sie trotz ihrer Entwurfstätigkeiten noch keine unternehmerische Organisation entwickelt haben; andererseits wird mit der Auswahl dieser Akteure die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie über ein Netzwerk verfügen, das alle Phasen der Produktion abdeckt. Darüber hinaus ist es aus erhebungstechnischer S icht einfacher, die Kontaktdaten etablierter Akteure zu finden.11 Für die Befragung wurden sowohl Designer ausgewählt, die seit kurzem auf dem Markt waren, als auch Designer mit einer langjährigen Erfahrung, um eventuelle Unterschiede in ihren unternehmerischen Aktivitäten sowie in der Einbettung ihrer sozialen und ökonomischen Netzwerke im kreativen Feld erfassen zu können. 11 | Das bereits verwendete Wort »etabliert« muss nicht als »seit langer Zeit auf dem Markt« oder »bekannt« verstanden werden (auch aufgrund des schnellen Akteurswechsels in diesem Bereich), sondern als reif und fähig, eine eigene Produktion zu realisieren, zu produzieren und zu vermarkten.

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Als Berliner Designer werden in dieser Arbeit Modedesigner bezeichnet, die ihr Labelatelier in Berlin haben, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer Ausbildung. Sie können unterschiedliche Designrichtungen abdecken, von Avantgarde bis Streetwear, von Patchwork über casual bis Luxus, von Produktion in Großmengen bis zu Einzelstücken, von Upcycling bis zur Anwendung hochwertiger Materialien. Die Arbeit analysiert nur das Bekleidungsdesign für Erwachsene; Design für Kindermode, Schmuck, Schuhe, Accessoires und Dessous wird außer Acht gelassen. Diese Entscheidung beruht auf dem Erfordernis, mit vergleichbaren Produkt- und Kundentypen zu arbeiten. Damit wird sichergestellt, dass eventuelle Unterschiede im Produktionsnetzwerk, die auf unterschiedliche Produkt- und Kundenstrukturen zurückgehen, nicht fälschlicherweise als Ergebnis phasentypischer Prozesse innerhalb des Produktionsnetzwerks interpretiert werden. Es wurden unterschiedliche Quellen verwendet, um Designer zu finden, die als potenzielle Interviewpartner für die empirische Untersuchung in Frage kamen. Erstes Identifikationskriterium netzwerkaktiver Modelabel bzw. Designer war die Teilnahme an Modemessen, allen voran die Berliner Fashion Week als wichtige lokale Modeveranstaltung (vgl. D’Ovidio 2010). Der Besuch von Messen weist symbolisch auf die Bedeutung für den Designer hin. Er ermöglicht es ihm, andere Akteure kennenzulernen und gleichzeitig von anderen Akteuren gesehen und wahrgenommen zu werden. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen belegt auch, dass ein Designer schon eine Kollektion vorweisen kann bzw. seine Produkte vermarktet hat und auf ein aktives Produktionsnetzwerk zurückgreifen kann. Als weitere Veranstaltung wurde die BVG Fashion Station in die Untersuchung einbezogen: Bei dieser Art von Veranstaltungs geht es hauptsächlich um den Direktverkauf. Zweitens wurden auch solche Designer in Betracht gezogen, die in Fachpublikationen aufgeführt wurden, insbesondere in der Sonderausgabe des Stadtmagazins Zitty mit dem Titel »Das Modebuch Berlin« (vgl. Zitty 2010, 2011, 2012). Häufig nehmen die in dieser Publikation genannten Designer auch an der Fashion Week teil; dies ist jedoch nicht immer der Fall. Drittens werden zusätzlich zu den ersten beiden Designergruppen solche Unternehmen berücksichtigt, die in der Datenbank des Netzwerks Deutscher Mode- und Textildesigner e. V. (www.vdmd.de/de/, zuletzt konsultiert am 31.10.2013) zu finden sind.

5.3 Q ualitative F orschung und M e thoden Qualitative Methoden werden auf unterschiedlichen Ebenen der Forschungsarbeit angewendet, nämlich sowohl in der Analyse der Interviewtexte als auch in der einzelfallbezogenen Typenbildung. Qualitative Methoden haben im Kontext dieser Studie drei Vorteile. Erstens ermöglichen die persönlichen In-

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terviews mit den Designern die Identifizierung von Netzwerk- und Produktionspraktiken, die im Voraus nicht bekannt sind. Erforderlich ist eine explorative Befragungsart, die nicht nur die Identifizierung der unterschiedlichen Handlungsformen ermöglicht, sondern auch die Bedeutung offenlegt, die diese Praktiken für den Designer und das Label haben. Der explorative Charakter der Forschung führt somit zu der Entscheidung, ein qualitatives Forschungsdesign mit semistrukturierten Interviews auszuwählen. Die Erarbeitung der Handlungsstrategien und der Struktur des Produktionsnetzwerks der Designer ist ein wesentlicher Schritt, um ein adäquates Verständnis der Praxis der Akteure im Modedesign als Kreativwirtschaftsbranche zu entwickeln. Die Akteure verfügen nur über einen Teil aller potenziell möglichen Informationen. Ihre Handlungen basieren somit nur auf ihren Wahrnehmungen, den vorhandenen Informationen und den sozialen Beziehungen, die zusammen mit den strategischen Entscheidungen der Akteure das Produktionsnetzwerk prägen. Zweitens werden qualitative Methoden beim Vergleich der Einzelfälle im Sinne der Grounded Theory (vgl. Glaser / Strauss 2005) angewendet,12 womit die Einzelinterviews Teile einer instrumentellen theoretischen und empirischen Rekonstruktion werden: Neue Daten werden jeweils reflexiv auf die vorhandenen Informationen bezogen, was zu einer schrittweisen theoretischen Rekonstruktion auf der Grundlage einer fortlaufend erneuerten empirischen Basis führt. Dies ermöglicht unter anderem eine detailliertere theoretische Darstellung der empirischen Praxis (vgl. Giudici 1998, 428-443; Lamnek 2005, 100-117; Glaser / Strauss 2005). Das Modell der Grounded Theory bildet somit einen iterativ-zyklischen Forschungsprozess ab (vgl. Loda 2008, 189; Strübing 2008): Die durch Interviews gewonnenen Daten werden miteinander verglichen, im Zuge der Interviews werden die Forscherannahmen sukzessiv modifiziert, weil in jeder Arbeits- und Analysephase neue und genauere Fragen entwickelt werden können. Schon während der Interviewphase (Datenerhebung) werden theoretische Aussagen generiert, die mit dem Datenwachstum immer präziser werden.

12 | Die Forschungsmethodologie der Grounded Theory wurde seit 1967 von Glaser und Strauss entwickelt. 1992 haben die beiden Autoren unterschiedliche Meinungen über die empirischen und theoretischen Methoden ihres Ansatzes entwickelt, ab Anfang der 1990er-Jahre gibt es also zwei Richtungen in der Grounded Theory. Die Version von Glaser hat eine ausgeprägte induktive Konnotation, während die andere von Strauss und Corbin die ursprüngliche Idee der Grounded Theory weiterentwickelt: Sie gehen von einem ständigen Theorie-Empirie-Wechsel aus, wobei beide Ebenen sich gegenseitig beeinflussen. Gemeinsame Prinzipien wie die theoretische Sättigung und der ständige Vergleich sind in beiden Ansätzen, genauso wie in der ursprünglichen Formulierung, zu erkennen. Für eine detaillierte Beschreibung der Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen, insbesondere derjenigen von Strauss und Corbin, siehe Strübing (2008).

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Die Methode der Grounded Theory stellt eine dynamische Beziehung zwischen Empirie und Theorie dar, in der die neu gewonnenen Daten auf die schon zur Verfügung stehenden und bereits analysierten Daten Einfluss haben. Die Theoriegenese ist folglich das Ergebnis eines Verfahrens des ständigen Vergleiches zwischen den Daten, genauso wie zwischen den Daten und den theoretischen Entwürfen. Neue Fälle werden im Verlauf des Samplingverfahrens bis zu dem Punkt herangezogen, an dem keine neuen kategorialen bzw. theorierelevanten Aspekte mehr erzeugt werden können und ein Stadium der »theoretischen Sättigung« (Glaser / Strauss 2005, 68 ff.) erreicht wird. Um zu diesem Punkt zu gelangen, wird die Samplingstrategie des maximal kontrastierenden Vergleichs angewendet. Es werden möglichst unterschiedliche Fällen gesucht, um die Bandbreite möglicher Unterschiede zwischen den Gegenständen theoretisch erfassen zu können (vgl. Strübing 2008).13 Die theoretische Sättigung ist das Ende der empirischen Erhebung, aber am Erhebungsanfang steht keine theoretische Tabula rasa, sondern der Forscher muss »eine Perspektive besitzen, die ihm die relevanten Daten und die signifikanten Kategorien aus seiner Prüfung der Daten zu abstrahieren erlaubt« (Glaser / Strauss 1998, 13). Nur darf das theoretische Vorwissen die Betrachtung der Daten nicht dominieren. Drittens führte die niedrige Anzahl von Akteuren, die bereit waren, an einem Interview teilzunehmen, im Vergleich zu der Anzahl der Akteure im Feld (weniger als 10 Prozent), und die daraus folgende Unmöglichkeit, statistisch relevante Ergebnisse zu generieren, zum qualitativen Forschungs- und Erhebungsdesign. Trotz dieses kleinen prozentualen Wertes war es möglich, Interviewpartner aus verschiedenen relevanten Unternehmens- und Produktionsstrukturen zu finden.

5.3.1 Qualitative Inter views Diese Forschungsarbeit basiert auf der Erhebung und Analyse qualitativer Daten, die mit semistrukturierten Interviews (vgl. Hopf 2000; Loda 2008, Kap. 9; Becker 1998) gewonnen wurden, wobei die Fragen als Impulse für relativ freie Antworten der Interviewten dienen. Um die Interviews genau zu strukturieren und um die Kriterien für die Samplingstrategie zu identifizieren, standen in einer ersten Phase Experteninterviews an. Insgesamt neun Experteninterviews (gekennzeichnet mit IE und die Zahl des Interviews, z. B. IE05 bedeutet das fünfte durchgeführte Exper13 | Die Anwendbarkeit des Prinzips der theoretischen Sättigung ist laut Strübing »auslegungsbedürftig und nicht objektiv aus den Daten ableitbar« (Strübing 2008, 286 f.), weil die Entscheidungen des Forschers über die Reife einer theoretischen Kategorie und die Legitimation der Entscheidungen über die Gültigkeit einer Interpretation von den Zielen und Fragen der Forschungsarbeit abhängen.

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teninterview) wurden zwischen Oktober 2010 und Juni 2012 und eines im Mai 2014 durchgeführt. Die Dauer der Interviews betrug zwischen 40 und 70 Minuten. Die Experten wurden aus unterschiedlichen Bereichen ausgewählt, die das Umfeld der Modedesigner bilden: Ausbildungsstätten und Fachhochschulen, Journalismus, Fachorganisationen und politische Verwaltung, Agenturen für die Modebranche. Die Auswahl derart heterogener Akteure ergibt sich aus der Notwendigkeit, unterschiedliche Ansichten auf die Modebranche in Berlin sammeln zu müssen. Die Experten im Bereich Ausbildung gaben Informationen über den Werdegang der Designer im Studium und ihren Einstieg in die Mode, über die ersten Schritte der neuen Designer und die Frage, mit welchen Situationen sie umgehen können müssen. Die Expertin aus dem Journalismus vermittelte ein Gesamtbild der Modebranche durch ihre Kenntnisse der wichtigsten Akteure und Events in Berlin. Die beiden Experten der Fachorganisationen und politischen Verwaltung lieferten ein Gesamtbild der Modebranche in Berlin, das die Modebranche ins Verhältnis zu anderen Branchen der Kreativwirtschaft setzte und gemeinsame unternehmerische Probleme und Fördermöglichkeiten aufzeigte. Die Interviews mit den Agenturexperten erbrachten Informationen über unternehmerische Bedürfnisse in der Berliner Modebranche aus einer internen Perspektive. Zudem wurde ein Überblick über die wichtigsten Events und die besonderen Merkmale der Produktionsformen der Berliner Designer gegeben. In einer späteren Phase wurden die insgesamt 25 Interviews mit den Modedesignern geführt (gekennzeichnet mit ID und der Nummer des Interviews, ID07 bezeichnet also das siebte durchgeführte Designerinterview). Sie wurden zwischen September 2011 und Mai 2013 in den Ateliers der Designer aufgenommen und dauerten zwischen 30 und 80 Minuten. Das Instrument des semistrukturierten Interviews ist für die explorative Untersuchung der Praxis einer Akteursgruppe geeignet, weil gleichzeitig die Zielorientierung und die Flexibilität des Erhebungsinstrumentes wichtig sind. Die Themen, die untersucht werden sollten, wurden schon vor der Datenerhebung festgelegt. Daraufhin wurde die Interviewstruktur organisiert. Ein zu rigides Erhebungsinstrument hätte das Risiko in sich getragen, relevante Themen, die im Laufe der Gespräche auftauchen würden, auszulassen. Aufgrund des explorativen Charakters der Forschungsarbeit und der Ungewissheit über die Beschaffenheit des Feldes war es wichtig, einerseits genügend Spielraum für die offene Erfassung der Schilderung der Akteure zu schaffen und andererseits zentrale Themen im Interviewleitfaden vorzuhalten, um eine Vergleichbarkeit der Fälle zu gewährleisten. Zusammen mit dem Interviewtext wurde die Netzwerkkarte als zusätzliches Element der Datenerhebung genutzt; sie wurde gezielt in der Phase der Interviewanalyse und der Rekonstruktion der Produktionsnetzwerke eingesetzt. Die Interviews wurden auf Deutsch, Englisch oder Italienisch geführt, abhängig von der Sprache, in der die Interviewpartner sich wohler gefühlt ha-

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ben. Übersetzt wurden nur die italienischsprachigen Interviewausschnitte, während diejenigen auf Englisch im Original zitiert werden. Die Durchführung der Interviews teilte sich in drei Phasen auf: • In der ersten Phase wurde der Interviewpartner gebeten, seine Produktions- und Unternehmensorganisation zu beschreiben. Diese Informationen dienten als Grundlage, um die Forschungsfragestellung zu präzisieren, zu erweitern und zu strukturieren sowie die Ungewissheit über das empirische Feld zu verringern. Zudem wurden diese Informationen auch in die Netzwerkdarstellung (Namensgeneratoren und Beziehungsbeschreibung) eingegliedert. • In der zweiten Phase wurden die Namensgeneratoren in einer offenen Form verwendet (d. h. nicht genau mit denselben Wörtern). Die Akteure – mit ihren Namen und ihrer Rolle bzw. nur der Rolle (z. B. Designer, Stofflieferant, PR-Agent, Freund usw.; vgl. Franke / Wald 2006) – werden nur nach ihrer Beziehung zum Interviewpartner gefragt (Ego-Alter-Beziehung) und ob Beziehungen zwischen den genannten Akteuren (Alter-Alter-Beziehungen) bekannt sind (d. h. Beziehungsbeschreibung), obwohl in den meisten Fällen aufgrund der verschiedenen Tätigkeiten und Absatzmärkte der Designer Alter-Alter-Beziehungen nicht relevant bezüglich des Produktionsnetzwerkes waren. Um Überlegungen zu sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zu stimulieren, wurden auch die Designer nach der Beziehung zu den genannten Akteuren gefragt und danach, wie sie zu ihnen gekommen sind (z. B. durch Empfehlungen, offizielle Anfragen usw.). • Die letzte Phase der Interviews bestand aus Fragen über die Rolle der Stadt Berlin (Institutionen, Fördermöglichkeiten, Kontaktpotenzial, Räumlichkeiten), der Fachveranstaltungen (insbesondere der Fashion Week) und das soziale und wirtschaftliche Umfeld. Außerdem wurde gefragt, ob Beziehungen zwischen den in dieser Phase genannten Akteuren (Alter-Alter-Beziehungen) bekannt sind. Die Interviews wurden transkribiert und der resultierende Text bzw. im Fall der Designerinterviews die Netzwerkkarten nach den Prinzipien der Grounded Theory analysiert. Die rekonstruierte Struktur der einzelnen Fälle wurde mit den anderen bereits analysierten verglichen, um die Gemeinsamkeiten sowie die unterschiedlichen unternehmerischen Handlungs- und Produktionsformen in der Branche herauszuarbeiten und im nächsten Schritt typologisieren zu können.

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5.3.2 Qualitative (Ego-zentrierte) Netzwerkanalyse Während sozial qualitative Forschung allgemein die Möglichkeit bietet, individuelle Akteure, ihre Wahrnehmungen, Deutungen und Relevanzsetzungen zu analysieren, fokussiert sich die Netzwerkanalyse besonders auf den analytischen Blickwinkel. Sie führt eine relationale Perspektive auf die einzelnen Akteure und ihre Interaktionen ein. Außerdem erlaubt sie, die Beziehungsstruktur mehrerer Akteure zu untersuchen (vgl. Hollstein 2006, 13). Die qualitative Netzwerkforschung wird von Roger Häussling (vgl. 2006, 129) als ideales Instrument für die empirische Erfassung der subjektiven Sichtweisen der Akteure bezeichnet, die abhängig von ihren Interventionsentscheidungen, ‑zielsetzungen und -mitteln sei. In diesem Sinne kann die Ego-zentrierte Netzwerkanalyse als eine Variante der qualitativen Netzwerkanalyse begriffen werden. Florian Straus (vgl. 2006, 483) schlägt eine dreifache Unterteilung vor, die die in dem Band verwendeten Netzwerkanalysemethoden umfasst: • Netzwerke werden als theoretische Figur genutzt, ohne dass die Interviewpartner explizit nach Netzwerken befragt werden. • Die subjektive Konstruktion der Netzwerke wird explizit in den qualitativen Interviews angesprochen und soziale Beziehungen werden erhoben. • Soziale Netzwerke und deren Konstruktion werden in den Interviews nicht nur explizit angesprochen, sondern auch mithilfe bestimmter Instrumente (z. B. visuellen Hilfsmitteln) zusammen mit den Interviewpartnern bearbeitet. Diese drei Varianten sind nicht als klar abgegrenzte Instrumente zu verstehen und daher separat anzuwenden. Die untersuchte Gruppe spielt eine große Rolle in den Entscheidungen über die »Freiheit des Interviewpartners« und die Struktur bzw. Formulierung der angesprochenen Netzwerkthemen. In den hier geführten Interviews wurde z. B. eine Netzwerkkarte verwendet, die nicht direkt von den Interviewpartnern, sondern vom Interviewer gezeichnet wurde, um die Wort- und Gedankenflüsse der Interviewpartner nicht zu unterbrechen.14 Eine weitere Ähnlichkeit zwischen der vorliegenden Forschungsarbeit und der von Straus vorgeschlagenen Variante ist, dass der Interviewer vermeidet, die Wörter Netzwerk oder Networking als Erster anzuwenden. Diese Wörter haben unter den Akteuren der creative industries und der Modedesignbranche eine stark normative, positive Konnotation, die auch im Alltag und in Diskur14 | Diese Intervieworganisation hängt auch damit zusammen, dass die ersten Interviewten mit dem Zeichnen einer Netzwerkkarte Schwierigkeiten haben. Als Folge ließ ihre Spontaneität beim Antworten nach.

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sen vermittelt wird. Es wurde stattdessen von »Beziehungen« und »Kontakten« gesprochen. Mit der Entscheidung, diese Wörter nicht zu verwenden, wurde beabsichtigt, die Interviewpartner nicht zu beeinflussen. Erst nachdem sie während des Interviews diese Begriffe selbst benutzt hatten, um ihre eigene Realität oder ihre Ideen zu beschreiben, wurden sie auch vom Interviewer im weiteren Verlauf des Gesprächs verwendet. Der hier entwickelte qualitative Ansatz basiert auf der Anerkennung der Komplexität bzw. Überlappung der sozialen, wirtschaftlichen und geografischen Ebenen (vgl. Werlen 2000, Kap. 12) in den Fallstudien. Die Beziehungen zwischen den Akteuren sowie zwischen den Akteuren und Orten müssen deshalb als interagierende Einheiten analysiert werden. Eine thematische Trennung bzw. eine Untersuchung nur einer dieser Ebenen hätte einen großen Teil der relationalen Effekte nicht berücksichtigen können. Die dargestellten qualitativen Methoden lassen es zu, die Relevanz der im Interview aufgebrachten Themen auch während und nach der Datenerhebungsphase zu übermitteln und damit eine präzise Rekonstruktion der Designernetzwerke zu erreichen (vgl. Schnegg 2010, 68 f.). In einer quantitativen Netzwerkuntersuchung wäre die Art der Beziehungen im Voraus zu definieren, aber eine solche Entscheidung ist nicht möglich, wenn gerade erst untersucht werden muss, welche Art von Beziehungen zwischen den Akteuren besteht, und nicht nur, ob eine spezifische Beziehung existiert.

5.3.3 Anwendung des Ego-zentrierten Netzwerkansatzes In den Akteursinterviews wird nach den subjektiv wichtigsten Akteuren (Alteri) gefragt, also nach denen, die für die unternehmerischen Ziele und die spezifischen Phasen des Produktionsnetzwerks eine große Rolle spielen. Die Namensgeneratoren konzentrieren sich auf die wichtigsten Personen und Institutionen, die eine persönliche oder strategische Produktionsbeziehung zum Designer haben, sowie auf die wichtigsten unternehmerischen Partner in den verschiedenen Phasen des Produktionsnetzwerks, z. B. Stofflieferanten, Schneider, Werkstätten, Agenturen, Models, Fotografen, Einkäufer, Pressevertretern, Läden und sonstige Distributoren. In einer späteren Phase wird nach den Beziehungen und der Art der genannten Akteure (Ego-Alter-Beziehung) gefragt und ob Beziehungen zwischen den genannten Akteuren bekannt sind (Alter-Alter Beziehungen), obwohl hier eher selten eine positive Antwort gegeben wurde. Die Frage nach den Namen der Akteure ist teilweise problematisch, weil die Befragten sie nicht immer mitteilen wollen oder sich gerade nicht daran erinnern bzw. sie ihnen gar nicht namentlich bekannt sind. Bei manchen Themen, z. B. der Frage, wer eine Empfehlung ausgesprochen hat, waren die Interviewten manchmal zurückhaltend, weil der Name dieser Person eine vertrauliche

5 Forschungsmethode und -ansat z

Information darstellte, die sie nicht weitergeben durften oder wollten. Aufgrund dieses Problems wurde nach der sozialen und wirtschaftlichen Rolle des genannten Akteurs (z. B. Modedesigner, Freund, Bekannter, Lieferant) gefragt (vgl. Hollstein 2006, 15). Diese Wahl war nicht ideal, stellte aber eine pragmatische Entscheidung dar, die sich an der Wahrnehmung der Befragten orientierte: Wenn sie die Namen einiger Akteuren als vertraulich verstehen, werden sie diese nicht weitergeben. Im Gegensatz zur »traditionellen« Ego-zentrierten Netzwerkforschung, die persönliche Beziehungen untersucht, stand in dieser Untersuchung die Rolle der Alteri und nicht die Ermittlung ihrer Namen im Mittelpunkt des Interviews. Die Frage nach den Rollen führte nämlich zu Informationen über Beziehungen zwischen unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Ebenen, die im Zentrum des Forschungsinteresses stehen. Namensgeneratoren sind für die Modellierung der Netzwerkstruktur entscheidend, d. h., wenn verschiedene Namensgeneratoren verwendet werden, werden auch unterschiedliche Netzwerkstrukturen sichtbar, denn die Namensgeneratoren sind an bestimmte Forschungsfragen gebunden. Im Fall der Egozentrierten Netzwerke hängt die ermittelte Netzwerkstruktur folglich nicht lediglich von Ego ab, sondern auch von den Fragestellungen und Erkenntniszielen des Forschers. In Ego-zentrierten Netzwerken von Unternehmen kann es vorkommen, dass den Befragten keine Informationen über die Beziehungen vorliegen, die ihre Partner zu anderen haben. In der Modebranche weiß ein Designer z. B. meistens nicht, welche anderen Designer sein Stofflieferant beliefert. Die Entscheidung des Forschers, unternehmerische Produktionsstrukturen mithilfe der Ego-zentrierten Netzwerkanalyse zu untersuchen, bemüht andere Denkweisen und Wahrnehmungen. Die derart erzeugte Distanz zur sozialen Praxis von Ego muss im Erhebungs- und Auswertungsprozess kritisch reflektiert werden. Eine weitere Information (Namensinterpretatoren), die neben der Rolle der genannten Alteri abgefragt wird, ist, an welchem Ort Alter kennengelernt wurde, wo er tätig ist, ob er in Berlin, in Deutschland oder international operiert und wie der Interviewte in Kontakt mit Alter gekommen ist. Diese Fragen geben Auskunft über die Maßstabsebene der Beziehung und die Funktion, die an alle Alteri und jede Beziehung gekoppelt sind. Eine visuelle Darstellung der Netzwerke wird vom Interviewer angelegt, nicht vom Interviewpartner. Die entsprechende Netzwerkkarte ist leicht strukturiert und nicht standardisiert: Ego wird in der Mitte eines Kreises positioniert und um ihn herum werden die Alteri eingezeichnet. Die Nähe / Distanz zu Ego hat dabei keine Bedeutung und korreliert nicht mit der Wichtigkeit von Alter. Die Beziehungen werden als nichtgerichtet abgebildet (d. h. ohne Pfeile). Es werden auch zunächst keine Sektoren für die räumlichen Ebenen (Stadt, national, international) eingezeichnet, weil derartige Unterteilungen nicht voraussehbar sind. Diese Information kann auch nachträglich noch in die Netzwerk-

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karte aufgenommen werden. Die Interviewpartner zeichnen ihre Karte nicht selbst, weil dies keine Hilfe für ihre Erzählung darstellt. Im Gegenteil, die Karte selbst zu zeichnen wäre ein Hindernis. Es ist für die Erzählung besser, wenn der Interviewer nach den gewünschten Themen fragt und während des Gesprächs die Namen und die Beziehungen nach und nach einzeichnet. Danach werden die eingezeichneten Beziehungen als Anlass verwendet, um genauere Auskünfte über die angesprochenen Alteri und Beziehungen zu erhalten. Der niedrige Grad an Strukturierung und Standardisierung lässt sich damit begründen, dass die Netzwerkkarte zunächst als eine Visualisierung der Interviewdaten und dann als Hilfe für das Verstehen des Produktionsnetzwerks von Ego dienen soll. Die wichtigsten Daten, auf die sich die Analyse konzentriert, werden aus dem Text des Interviews gewonnen. Die Ermittlung der persönlichen Netzwerke hat zum Ziel, die unternehmerischen Beziehungen von Ego zur schöpferischen Tätigkeit als Modedesigner zu dokumentieren, und ist darauf begründet, dass die Handlungen der Designer unter anderem auf den verfügbaren Informationen basieren. Diese Informationen werden durch formelle und informelle Beziehungen gewonnen, die ihrerseits bei bestimmten sozioökonomischen Kontexten zustande gekommen sind. Mithilfe dieser Methode werden die Strukturen und die Handlungspraktiken des Produktionsnetzwerks im Modedesign in deren Beziehungen zum kreativen Feld der Stadt rekonstruiert.

TEIL III: Ergebnisse und Empirie Die Berliner Modebranche und die sozioökonomischen Verflechtungen ihrer Produktionsprozesse

Wie es in den früheren Kapiteln dargestellt wurde, ergibt sich die Produktion im Modedesign als Vermischung fixer-materieller Elemente mit sozialen und symbolischen Elementen, die sich in die Produktionsstruktur einfügen. Deswegen besteht die Modedesignbranche aus zwei zusammenhängenden Komponenten. Dieser Zusammenhang erfordert jedoch eine duale Perspektive. Wenn das Modedesign und allgemein die Bekleidungsproduktion als Industriesektor betrachtet werden, dann nähert sich diese Perspektive den Ansätzen Wertkette und Value Chain. Die unterschiedlichen Phasen zur Produktrealisierung werden dann in einer linearen Struktur gedacht, die relativ wenige Variationen und Alternativen zulässt (vgl. Dicken 2011; Dunford 2006; Gereffi 1994). Aus diesem Blickwinkel stehen die Produkte und die für ihre Produktion benötigten Phasen im Zentrum der Analyse. Wenn man sich andererseits, bezogen auf die Designerarbeit, ausschließlich auf den kreativen Input der Produktion konzentriert, führt eine übersteigerte Gewichtung der ersten kreativen Phasen des Produktionsprozesses in den folgenden Phasen zu einer niedrigeren Aufmerksamkeit für die weniger kreativen Phasen. Diese beiden Perspektiven widersprechen sich grundsätzlich nicht. »Production networks are also social scenes in which complex dynamics take place« (Aspers / Skov 2006, 809); sie müssen deshalb zusammen als zwei Aspekte berücksichtigt werden, die im Modedesign zusammenfließen. Sowohl die handwerklichen und industriellen Prozesse als auch die kreativen Phasen haben ihr Eigenleben, aber sie interagieren auch. Aus diesem Grund habe ich entschieden, die Vorstellung eines linearen Produktionsprozesses beiseite zu lassen und stattdessen einen netzwerkorientierten Ansatz zu verwenden. Die Modedesignbranche ist wie auch die Bekleidungsproduktion insgesamt durch eine räumliche Konzentration spezifischer Produktionsphasen und durch Beziehungs- und Kontaktnetzwerke gekennzeichnet, die für die Entwicklung der Produktion notwendig ist. Diese Produktion setzt sich aus Kom-

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ponenten der lokalen und der globalen Ebene zusammen (vgl. Jansson / Power 2010; Scott 2002; Dicken 2011).1 Die Branche ist durch viele Kleinunternehmen und einen hohen Anteil an Frauenarbeit charakterisiert (vgl. Rainnie 1985). Die meisten Designer handeln auf der lokalen, nicht auf der internationalen Ebene (vgl. Scott 2002), sodass nicht nur direkte Interaktionsformen zwischen den lokalen Akteuren, sondern auch materielle und symbolische Einflüsse ihrer Arbeit auf den Ort geschaffen werden. Insbesondere entsteht eine wechselseitige Verbindung zwischen dem Designer, der Unternehmenskonzentration und dem Image der Orte, die sich auch in den Produkten widerspiegelt (vgl. Jansson / Power 2010; Storper 2013; Scott 2008, 1996; Rantisi 2004; Jansson / Power 2010; Bertola 2008; D’Ovidio 2010).2 Nichtsdestotrotz stellen die urbanen Orte der Unternehmenskonzentration auch Orte der Rekonfiguration globaler Produktions- und Wissensnetzwerke dar, in denen Wettbewerb und Kooperation relativ konfliktfrei koexistieren und produktionsrelevante Wissensflüsse beide Ebene einbeziehen (vgl. Scott 2008). Eine derart enge Integration wird durch wichtige Messen und Events der Branche sowie die internationale Fachpresse gefördert. Hier werden Informationen ausgetauscht und globale Wissensflüsse kanalisiert, die jeweils in urbanen Kontexten in Bewegung gesetzt wurden (vgl. Asers / Skov 2006). Die Agglomerations- und Relationsdynamik im Modedesign, sowohl für Unternehmen als auch für die Teilnahme an Messen, sind mit der Tatsache zu verstehen, dass Modeideen einer temporalen und einer räumlichen Restriktion unterworfen sind (vgl. Weller 2006a). Diese Beschränkung wirkt an den strategischen Entscheidungen der Unternehmer mit, weil »the global fashion system creates hierarchies of knowledge and ›territories‹ of aesthetic influence that exert a massive influence over the structures and locations of production.« (Weller 2006a, 62). Die räumliche Konzentration der Akteure in der Modebranche und in der Bekleidungsproduktion wirft eine Reihe von Forschungsfragen hinsichtlich regionaler Entwicklungsdynamiken auf (vgl. Dunford 2006; Beccattini 1979; Whitford 2001). In ihrer Analyse der New Yorker Modedesignbranche identifi1 | Über das Wechselspiel von global und lokal allgemein vgl. Jansson /  P ower 2010 und Reimer 2009 oder im Hinblick auf spezifische lokale Fälle Scott 2002, McRobbie 1998 und Entwistle 2010, die das Modedesign als lokalisierte Produktion und als kreative Branche darstellen. 2 | Scott (1988, 72) beschreibt die Merkmale der Produktionsorganisation und der unternehmerischen Strategien in der Modebranche: »The clothing industry is typically extremely volatile. Individual producers face uncertain markets, and they are constantly pushed into product differentiation strategies as a means of warding off the market depredations of their competitors. Consequently, the industry is characteristically organized around small labor-intensive plants producing restricted batches of output in limited runs.«

Teil III: Ergebnisse und Empirie

ziert Rantisi (vgl. 2004) eine räumliche Arbeitsteilung, in der die Produktionsphasen einer Zentrum-Peripherie-Struktur entsprechen, sodass die Phasen, die enger mit dem Design verbunden sind, sowie die Vorproduktionsphasen hauptsächlich intern im Unternehmen oder lokal realisiert werden. Hingegen werden die Phasen der industriellen Produktion, die ohne kreative Tätigkeiten ablaufen, extern, also außerhalb des Unternehmens, und oft im Ausland organisiert. Darauf bezogen beschreibt Rantisi die Modebranche als »subject to both globalization and localization tendencies« (Rantisi 2004, 101). Die große Bedeutung der Design- und Produktkonzeptualisierungsphasen in der Mode ist zugleich ein Indikator für die Integration der symbolischen und immateriellen Inhalte der Wertschöpfung in einen Produktionsprozess, der ansonsten stark von industriellen Produktionsstrukturen gekennzeichnet ist (vgl. Reimer 2009, 67). Mit diesen Thematiken setzen sich die nächsten Kapitel mithilfe der Begriffe Produktionsnetzwerk (Kap. 6) und kreatives Feld (Kap. 7) auseinander. Der Teil III ist spiegelbildlich zum Theorieteil in mehrere Kapiteln gegliedert. In Teil II wurden zuerst die räumlichen Interaktionen zwischen den Produktionsprozessen und dem urbanen Kontext behandelt, die letztendlich zur Einführung des Begriffs kreatives Feld geführt haben (Kap. 3). Im weiteren Verlauf habe ich mich mit den Produktionsstrukturen auseinandergesetzt, die für die Erarbeitung des Produktionsnetzwerks als theoretischer Begriff relevant waren und es ermöglichten, die Produktionsstrukturen in der Modedesignbranche und die Beziehungen mit dem kreativen Feld thematisieren zu können (Kap. 4). Hingegen beginne ich hier im Teil III zuerst mit der Rekonstruktion der verschiedenen Strukturen des Produktionsnetzwerks und erweitere sie erst im Anschluss im Zusammenhang mit dem kreativen Feld um die relevanten Beziehungsformen und Strategien der Designer. Diese Sanduhrorganisation der Inhalte ermöglicht eine stufenweise Rekonstruktion der empirischen Dynamiken um die Produktionsprozesse in der Modedesignbranche und einen Aufbau sowohl der theoretischen Begriffe als auch der empirischen Praktiken. Hiermit werden die Unterschiede hervorgehoben, die die verschiedenen Produktionsphasen, die unterschiedlichen Handlungsformen und Maßstabsebenen im Produktionsprozess beeinflussen. Zum Schluss wird ein 8. Kapitel dem Wertschöpfungsprozess gewidmet, da dieser im Gegensatz zu den verschiedenen Strukturen, die in den anderen Kapiteln dargestellt werden, eine erstaunliche Homogenität aufweist. Aufgrund der engen Verflechtung der Kategorien des Produktionsnetzwerks untereinander und des Produktionsnetzwerks mit dem kreativen Feld werden auch die Inhalte der nächsten Kapitel nicht trennscharf entsprechend der theoretischen Kategorien verteilt. Stattdessen wird in Bezug auf die Struktur des Produktionsnetzwerks hauptsächlich die Positionierung (Produkt, Raum) und die Einbettung (professionell) thematisiert. Im Kapitel über die

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Beziehungen zwischen dem Produktionsnetzwerk und dem kreativen Feld werden hauptsächlich die Einbettung (territorial, professionell) und das Sozialkapital beschrieben. Danach werden die präsentierten Variationen in eine Typologisierung der möglichen Interaktionen zwischen dem Produktionsnetzwerk und dem kreativen Feld dargestellt. In dem letzten Kapitel wird die Positionierung (Wert) angewendet, um die Ähnlichkeiten statt der Unterschiede in der Organisation der Wertschöpfung im Modedesign zu betonen. Es ist wichtig, zuletzt hervorzuheben, dass die unterschiedlichen Positionen und Strategien nicht als allumfassend für die Realitäten in der Berliner Modedesignbranche verstanden werden. Vielmehr zeigen sie Variationen einer Praxis auf, die mit jeweils besonderen Organisationsformen der Produktion einhergeht. Somit können typologisch relevante Beispiele für die lokalen Dynamiken dieser Branche gegeben werden. Die angewandte, vorab vorgenommene analytische Differenzierung in Grundtypen wird dafür als Basis für die Entwicklung einer weiter ausdifferenzierten Typologie der Strategien und Handlungsformen des Produktionsnetzwerks in der Berliner Modedesignbranche verwendet.

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Struktur des Produktionsnetzwerks

Die Einteilung der Phasen im Produktionsprozess des Modedesigns kann variieren. Die Anzahl der identifizierten Phasen hängt z. B. davon ab, welche Branchen der Mode analysiert werden, welche durchschnittliche Größe die Unternehmen haben, welche Phase des Produktionsprozesses als Erste und welche als Letzte berücksichtigt wird, welche zentralen Akteure untersucht und welche Standorte und geografischen Ebenen berücksichtigt werden (vgl. Uzzi 1997; Dunford 2006; Dicken 2011, Kap. 10; Scott 1988). Vor diesem Hintergrund soll die Grundstruktur der Produktion in die folgenden vier Phasen unterteilt werden: 1. 2. 3. 4.

Anschaffung von Stoffen (sowie weiterer Materialien und Accessoires), Designarbeiten und Musterkollektion,1 (Serien-)Produktion und Vermarktung.

Auch die Berliner Modebranche kann durch diese grundlegende Produktionsstruktur gekennzeichnet werden.2 Dieses Strukturmodell muss je nach 1 | Die Musterkollektion ist die Gesamtheit der Produkte für die nächste Saison. Diese werden in sehr kleinen Mengen realisiert, in der Regel ein oder zwei Stücke je Produkt, die Einkäufern präsentiert werden. Aus der Musterkollektion werden nur die Produkte, die bestellt werden, in größeren Mengen produziert und dementsprechend geliefert. D. h., das, was in den Läden angeboten wird, ist nur ein Teil der gesamten Kollektion, die der Designer konzipiert hatte. 2 | Hier werden die Produktionsphasen wie folgend geteilt: Anschaffung der Stoffe und weiterer Materialien, materielle Produktion der Stücke mithilfe von Manufakturen oder Schneidern, Vorbereitung der Gegenstände zur Präsentation der Produkte (hauptsächlich das Lookbook) und ihr Verkauf. Die eigentliche Realisierung der Musterstücke, die die hauptsächliche Tätigkeit des Designers darstellt, wird hier nicht als separate Phase des Produktionsprozesses betrachtet, weil sie immer intern im Label erfolgt und an sich keinen relevanten Unterschied im gesamten Produktionsprozess aufweist, da die größte Abweichung in den untersuchten Fällen ist, ob die Designer allein oder mit einigen Mitar-

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Fallanalyse an die empirische Realität angepasst werden. Dies wird durch die Analyse der Transkripte der Interviews mit den Designern gewährleistet. In Berlin, genau so wie auch an anderen internationalen Standorten (für Los Angeles vgl. Scott 1988; für London vgl. McRobbie 1998), sind die meist verbreiteten Unternehmensformen im Modedesign kleine und mittlere Unternehmen, die verschiedene Produktionsstrukturen und -organisationen zeigen. Die Entscheidungen für oder gegen bestimmte Strukturen und Organisationsformen beeinflussen nicht nur die räumliche Verteilung der verschiedenen Produktionsphasen, sondern auch die Beziehungen zwischen den lokalen Akteuren und dem regional verankerten Kontext. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Strukturen des Produktionsnetzwerks und die damit verbundenen unternehmerischen Strategien in der Berliner Modedesignbranche dargestellt. Diese ergeben sich hauptsächlich durch Änderungen der Produktionsstrukturen und der Beziehungen mit anderen Akteuren, die mit den Kategorien Positionierung und Einbettung im Produktionsnetzwerk adressiert werden. Die unternehmerischen Entscheidungen bezüglich der Positionierung des Unternehmens und dementsprechend der Produkte auf dem Markt wirken auf die Produktionsnetzwerkstruktur ein, insbesondere wenn diese Festlegungen das Produkt und den Raum betreffen.3 Die Auswahl der Marktsegmente und Nischen, die das Produkt bedienen soll, und der Organisationsform der verschiedenen Produktionsphasen beeinflusst die Struktur des Produktionsnetzwerks am stärksten. Die Anzahl und Art der in die Produktion involvierten Akteure und damit die Verflechtung der Modedesigner in das professionelle Umfeld (professionelle Einbettung) wird auch, logischerweise, von der Struktur des Produktionsnetzwerks widergespiegelt.

beitern die Musterstücke realisieren. Deswegen eine separate Produktionsphase zu benennen, in der relevante Beziehungsformen für die Produktion zu erkennen wären, habe ich nicht für nötig gehalten, obwohl mir die Wichtigkeit dieser Tätigkeit bekannt ist. Die Inspirationsquelle der kreativen Designertätigkeit zeigt hingegen relevante Unterschiede insbesondere hinsichtlich der Beziehung der Designer zur Stadt und hinsichtlich ihrer sozialen Beziehungen und ist deswegen (im Kap. 7) ausführlich beschrieben. 3 | Selbstverständlich wirkt auch die Positionierung bezüglich des Wertes der Produkte auf die Struktur des Produktionsnetzwerks selbst ein. Im Gegensatz zu den Variationen der anderen Kategorien, scheint die Positionierung des Wertes hier aber einen homogenen Einfluss auf die Produktionsstruktur der kleinen und mittleren Unternehmen des Modedesigns zu haben; dies wird nicht in diesem Kapitel thematisiert, stattdessen ist dieser Kategorie Kapitel 8 gewidmet.

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

6.1 A nschaffung von S toffen und Z ulieferbeziehungen 6.1.1 Stofflieferanten und -hersteller Die Suche nach Stoffen und Materialien ist der erste Schritt des Produktionsprozesses, der hier auch zuerst untersucht wird. Hier wird der Akzent auf die wichtigsten Beziehungsformen zwischen Designern und Stofflieferanten und -herstellern gesetzt. Es wird gefragt wie diese Beziehungen entstehen und wie sie organisiert sind. Designer können sowohl direkt mit den Herstellern arbeiten als auch mit Stofflieferanten, die als Intermediäre zu den Herstellern dienen. In seltenen Fällen sind die Designer direkt in die Stoffproduktion einbezogen. Die Anzahl der von den Designern aktivierten Akteure variiert zwischen einem und mehr als zehn4 Lieferanten. Eine ähnliche Vielfalt erkennt man auch für die Stabilität der Beziehungen zwischen Designern und Stofflieferanten, die mehr zwischen kurzen Kontakten und langjährigen Kooperationen variieren kann. Auf die Auswahl der Stoffe und ihre Verwendung in der Produktherstellung wird große Sorgfalt gelegt. Dies wird von den Interviewten oft erwähnt. Dies erklärt sich oft daraus, dass auf der einen Seite die Entwürfe erst durch die Stoffe ihre Materialität gewinnen und auf der anderen Seite die Stoffqualität zusammen mit hochwertigem Design einen hohen Produktwert schaffen.

Lieferanten suchen nach Designern Stoff hersteller und -lieferanten müssen nicht nur die Beschaffenheit ihrer Produkte im Blick haben, sondern auch die Modetrends für die nächste Saison voraussehen, sodass ein angemessenes Sortiment angeboten werden kann und potenzielle Kunden identifiziert werden können (vgl. Weller 2006a). Stofflieferanten5 kontaktieren die Designer in der Regel, um neue Kunden zu gewinnen oder schon aktive Beziehungen zu pflegen. Im ersten Fall wird der Designer von Lieferanten kontaktiert, die ins Atelier bzw. in den Laden kommen, um ihre Produkte zu präsentieren; in anderen Fällen werden von den Lieferanten Sammeltermine organisiert, an denen die Produkte mehreren Designern gleichzeitig präsentiert werden. Es gibt zwei Faktoren, die die Beziehung zwischen Stofflieferanten und Designer beeinflussen können: Auf der einen Seite stehen die 4 | Die Stofflieferanten und ihre Zahl variiert nicht nur zwischen Designern, sondern auch zwischen einer Kollektion und der nächsten desselben Designers. Der interviewte Designer, der mit mehreren Lieferanten arbeitet, nutzt zwischen zehn und 20 verschiedene Stofflieferanten (ID03). 5 | Da die meisten Designer Beziehungen zu Stofflieferanten haben, wird im Text einfach von Stofflieferanten statt von Herstellern und Lieferanten gesprochen. Stoffhersteller werden dann hervorgehoben, wenn es einen relevanten Unterschied zu erklären gibt.

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Erfahrung und Reputation des Designers; letztere wird hauptsächlich durch Internet und Fachpresse verbreitet (ID06). Wenn der Designer schon relativ bekannt ist, kann die Aufmerksamkeit der Lieferanten für eine Entwurfsarbeit zusätzlich geweckt werden; auf der anderen Seite ist die Produktionsart des Designers ausschlaggebend, also die Frage, ob er mit Kollektionen oder mit kleinen Serien arbeitet, da es einen gewissen Kompatibilitätsgrad mit dem Minimalangebot an Stoffmenge und die Art der Stoffe geben muss. Aus diesem Grund wird ein Stofflieferant sein Angebot zunächst den Designern unterbreiten, die mit Kollektionen arbeiten oder die Kontinuität in Produkten zeigen, und eher weniger den Designern, die mit Einzelstücken arbeiten (ID23). Die Beziehungen zwischen Designern und Lieferanten können stabil werden oder einmalig bleiben. Die wichtigsten Merkmale, von denen die Entscheidung der Designer für die Lieferanten abhängt, sind, verständlicherweise, die Qualität und der Preis der Stoffe (ID06). Darüber hinaus müssen die Stofflieferanten, die sich an kleine Designer wenden, bereit sein, auch kleine Mengen zu verkaufen. Ein Mangel an dieser Bereitschaft stellt eines der größten Hindernisse für die Stoff- und Lieferantenauswahl der Designer dar. Ein weiterer Grund für die direkte Präsentation der Stoffe vor den Designern, abgesehen von der Suche nach neuen Kunden, ist die Erneuerung schon bestehender Beziehungen zwischen Lieferanten und Designern (ID20). Stofflieferanten, die ihre Produkte vor einem oder mehreren Designern präsentieren, sind vom Produkt her unterschiedlich und besuchen ihre Kunden im Kollektionspräsentationsrhythmus, d. h. zweimal im Jahr.

Designer suchen nach Stofflieferanten Eine andere Möglichkeit der Beziehung zwischen Designern und Stofflieferanten besteht in der aktiven Suche der Designer nach Stoffen für ihre Produktion. Diese Suche kann auf formellen oder informellen Wegen stattfinden, wobei neben Internetsuche und Stoffmessen auch der Informationsaustausch zwischen Designern über die Lieferanten eine Rolle spielt (ID24). Die Suche nach Lieferanten für benötigte Stoffe, aber auch für bestimmte (für kleine Labels oft kleine) Stoffmengen, ist für die Designer ein Prozess sowohl konstanter Optimierung der ökonomischen Ressourcen als auch der Anwendung verfügbaren Wissens über die Branche. Designer, die ihr eigenes Label gründen, haben oft wenige Erfahrungen mit und Kontakte in der Welt der Lieferanten. Wenn sie nicht Informationen von erfahrenen Designern oder aus anderen Quellen beziehen können, müssen sie sich durch Versuch und Irrtum in dieses Feld einarbeiten: Das ist natürlich immer ein Lernprozess, […] genauso wie wir auch neue Läden finden, dann lernen wir immer mit dazu. […] am Anfang haben wir unsere, die Stoffe […] auf dem Wochenmarkt in Neukölln gekauft. (…) Aber das machen wir nicht mehr. Das war so am

6 Struktur des Produktionsnet zwerks Anfang, da kriegst du also kleinere Mengen, günstig eigentlich, […] Restware ist es meistens (ID24, 00:23:11). 6

Die Beschaffung geringerer Stoffmengen findet meistens auf der lokalen Ebene statt. Für diese kleineren Tranchen nutzen einige Designer abgesehen von den lokalen Märkten einen oder mehrere Stoffläden in der Stadt (ID13, ID17). Diese Läden ermöglichen den Designern Zugang zu kleinen Stoffmengen, wenn jene sich die Mindestmengen der Stofflieferanten nicht leisten können, weil sie entweder mit Unikaten arbeiten oder mit kleinen Kollektionen. Stoffläden bilden ihr Sortiment aus einer Vorauswahl von verschiedenen Lieferanten. Die Stoffläden werden, auf der anderen Seite, von Designern genutzt, die im Sortiment des Ladens nach spezifischen Produkten und Lieferanten suchen oder wegen ihrer eigenen Ungewissheit keinen eigenen Zugang zu Stofflieferanten haben; genauso kommen auch Designer in die Läden, die kurzfristig kleine Stoffmengen benötigen. Diese letztgenannte Möglichkeit ist für die Designer, die Maßarbeit und -anfertigungen anbieten, stärker von Bedeutung (ID17). Diese Lösung des Problems der Stoffsuche wird grundsätzlich von Designern gewählt, die nicht nur eine sehr eingeschränkte Produktion mit wenigen Stücken oder Unikaten haben, sondern auch von denen, die über eine geringe Mobilität verfügen und ihre Produktion und ihren Verkauf auf Berlin konzentrieren. Anders gelagert ist die Stoffsuche bei Labels, die sich auf Upcycling spezialisiert haben,7 da in diesem Fall die Designer die Stoffproduzenten direkt kontaktieren, sodass sie Zugang zu Produktionsaussortierungen und -abfällen erhalten (ID02, ID08).

Stoffmessen Um Stofflieferanten und -produzenten zu finden, besuchen Designer oft Stoffmessen, wo sie eine große Anzahl potenzieller Lieferanten und Kontakte für ihre nächste Kollektion finden können. Kontakte zu ermöglichen ist die wichtigste Funktion von Messen, Stoffmessen bilden hier keine Ausnahme. Die Teilnehmer sind dort »auf der Jagd nach Visitenkarten« (ID14), sodass vertikale Beziehungen entwickelt werden können und neues Wissen über die Trends im Stoffmarkt generiert werden kann. Daher können Stoffmessen wie andere Fachmessen auch als temporäre Cluster bedacht werden (vgl. Schuldt / Bathelt 2009; Rinallo / Golfetto 2011; Maskell et al. 2004; Bathelt / Schuldt 2005). Berliner Designer besuchen Stoffmessen hauptsächlich auf nationaler Ebene, und wenn sie ins Ausland gehen, dann nach Frankreich und Italien. Aus6 | Für die Bedeutung der Transkriptionszeichen vgl. den Appendix. 7 | Unter Upcycling versteht man den Prozess, bei dem Stoffe, die aussortiert oder aus alten Kleidungsstücken genommen werden, umgenutzt werden, um neue Kleidungsstücke und Accessoires zu realisieren.

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nahmen finden sich in den Interviews nur selten. In Deutschland findet die wichtigste Stoffmesse zweimal im Jahr in München statt (Munich Fabric Start). Diese Messe wurde von vielen der Interviewten regelmäßig besucht. Ansonsten besuchen Berliner Designer in Deutschland auch die Berliner Vision; dies ist jedoch eine kleinere Messe mit begrenzter Anziehungskraft. Außerhalb der nationalen Grenzen tendieren Berliner Designer dazu, ihre Stoffe in Paris bei der Primière Vision, einer der wichtigsten Stoffmessen der Welt, zu suchen (vgl. Dunford 2006; Skov 2006). Eine kleinere Gruppe der interviewten Designer besucht weitere Messen, hauptsächlich in Italien (Mailand, Bologna, Florenz), während nur im Falle eines auf Leder spezialisierten Designers Stoffmessen und Lieferanten weltweit besucht werden. [A]lso weltweit, wir kaufen Leder auf den großen Messen ein, aber auch bei unseren Großhändlern. […] beispielsweise die Großhändler wären zu nennen […] in der Bergmannstraße […], aber ansonsten … die Messen sind in Bologna und in Paris oder in Hongkong, da sind die drei großen Ledermessen, die wir besuchen, und da sind dann die Italiener, die Franzosen, die Japaner, die Chinesen, die Koreaner, die alle entsprechend ihre Spezialitäten an Leder verkaufen. Also die Spanier machen die schönsten Langpelze, die Engländer sind immer noch führend bei Handschuhleder, die Japaner können, als einzige Nation die japanischen Rinder machen, keiner macht so gute Bekleidungslammnappa wie die Italiener, die Koreaner sind spezialisiert auf bedruckte Schweine, also kann man diese Liste beliebig fortführen. (ID21, 00:01:09)

Neben der Kontaktsuche und -pflege besuchen einige Designer die Stoffmessen auch, um von den Stoffen inspiriert zu werden (ID04). Die Beziehungen zwischen Lieferanten und Designern auf diesen Events, wie auch in der Literatur über temporäre Cluster hervorgehoben wird (vgl. Bathelt / Zakrzewski 2007), ermöglichen es den Designern, Empfehlungen und Informationen über die Branche sowie andere Lieferanten und Messen zu erhalten (ID24, ID05). Außerdem ist die Einstellung der Lieferanten gegenüber den Designern nicht neutral; sie hängt sowohl vom Image und der Reputation (vgl. Grabher 2002a, Glückler 2004) des Designers ab als auch von den besonderen Erwartungen, die die Lieferanten haben können (ID22): Und das findest du auf den Messen und wenn du nett bist, dann kriegst du so was auch. Wenn nich … Und wenn sie glauben, du bist gut und du verkaufst auch, dann schenk... dann geben sie dir auch was [zeigt einen Stoffkatalog], sonst kriegst du das nicht. (…) Am Anfang als Designer ist es auch schwer, dann kannst du schwer anrufen und sagen: »Ich brauch mal bitte Muster von dem und dem«, die fragen dich: »Wer bist ’n du? [lacht] Nöö, kriegst du nicht.« (ID15, 00:42:10)

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

Designer produzieren die Stoffe ohne Zwischenhändler Einige Designer, insbesondere diejenigen, die sich aktiv auf dem Gebiet der ökologischen und biologisch produzierten Mode engagieren, entscheiden sich dafür, bei der Produktion von Stoffen selbst aktiv zu werden und sich die für ihre Kollektion benötigten Stoffe gezielt nach eigenen Vorgaben herstellen zu lassen. Die Entscheidung, sich in die Stoffproduktionssysteme einzuarbeiten, hat zum Teil mit den kreativen Bedürfnissen der Designer und ihren Vorstellungen über einzelne Designprodukte zu tun (ID09, ID19, ID03). Sie ist aber auch auf ethische und umweltbezogene Bedürfnisse des Designers zurückzuführen, z. B. dann, wenn die Kleidungsstücke aus Stoffen hergestellt werden sollen, die einem bestimmten ethisch-ökologischen Standard genügen (ID09). Die Designer, die sich für diesen Weg entscheiden, unterhalten enge Beziehungen mit den Webern, die die Designerideen übersetzen müssen, und umgekehrt, sodass in den beiderseitigen Lernprozessen Informationsflüsse gewährleistet sein müssen, damit eine klare Kommunikation entstehen kann: Ich finde sie nicht, ich erfinde sie und lasse sie weben. Sagen wir mal, ich nehme eine Art von Textilie als Anfangspunkt, die existiert, aber nicht biologisch ist, und versuche herauszufinden, ob es möglich ist, sie biologisch zu ›übersetzen‹, (…) daher finde ich die Spinnfaser zusammen mit dem Weber, der mir bei diesem Prozess assistiert, und ich sage ihm: »Lass uns Popeline à 120 Gramm pro Meter machen.« Bei der Spinnfaser kommt es darauf an, manchmal habe ich sie selbst in Ägypten gefunden, die letzten Male habe ich den Weber gebeten, sich darum zu kümmern, aber oftmals gibt es ein Arbeitspingpong zwischen mir und dem Weber, weil die Spinnfaser nicht immer verfügbar ist, und zwar gerade, weil der Markt für biologische Materialien ein sehr begrenzter ist. Es könnte folglich darauf hinauslaufen, wenn jemand viel ausgeben wollte, die Feinheit aus dem Garn spinnen zu lassen, das du haben möchtest, um dann die Textilie zu erhalten, die du möchtest. Aber hier kommt es auch auf den Markt an, es gibt einen biologischen ›Yarn‹-Markt, und du kannst schauen, was es auf dem Markt gibt, du schaust, ob es passt, wenn nicht, änderst du deine Stoffidee entsprechend, du machst ihn etwas gröber, weil du das [Material] gefunden hast, was leicht gröber ist, kurz, so setzt sich das zusammen, ganz grundsätzlich kann ich dir sagen, dass ich zu Geweben mit einer gewissen Textur tendiere, sagen wir mal, ein bisschen haptisch in ihrer Materialität (…). Normalerweise verwende ich schwere Textilien, weil ich sie besonders gerne mag, außer im Wäschegeschäft, da verwende ich leichte Stoffe. Und ich verwende Hanf, verwende Baumwolle, mische manchmal Baumwolle mit Leinen, natürlich alles biologisch. Hanf, Baumwolle und Leinen, oder ich verwende recycelte Wolle, recycelt und kardiert, die CO2-neutral ist, manchmal verwende ich auch so eine. (ID09, 00:37:48) 8 8 | Übersetzung aus dem Italienischen, der Originalwortlaut ist: »Io non li trovo, li invento e li faccio tessere. Diciamo, prendo da sputo qualche tipologia di tessuto che esiste, che però non è biologico e cerco di capire se è possibile tradurlo in biologico, (…)

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Diese Art von Stoffproduktion ist aber nicht sehr verbreitet und stellt auch für die Designer, die ihre Arbeit an umweltbezogenen und ethischen Werten ausrichten, nur einen kleinen Teil ihres Geschäftskonzepts dar.

Stoffbezogene Problematiken und angewandte Lösungen Zu den wichtigsten Merkmalen der Berliner Modebranche zählen zum einen die geringe durchschnittliche Unternehmensgröße der Labels, zum anderen die relative geringe Anzahl der produzierten Stücke. Diese Merkmalskombination wurde bereits in mehreren Studien als typisch für die Modebranche herausgestellt (vgl. Scott 1988; Rainnie 1985; McRobbie 1998). In den Beziehungen zwischen Designern und Stofflieferanten spiegelt sich dies in dem verbreiteten Bedürfnis der Designer wider, Zugang zu kleinen Stoffmengen zu erhalten. Da Stoffe nach bestellten Mengen bezahlt werden, ist es für sie notwendig, nur die tatsächlich verwendete Stoffmenge zu kaufen, um die Produktionskosten niedrig zu halten. Umgekehrt haben die Stoffproduzenten und -lieferanten oft Mindestbestellmengen für ihre Produkte. Diese potenzielle Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der Designer und denen der Lieferanten ist ein wesentliches Element in der Organisation des Labels und eine der ersten Fragen, die bei der Vorbereitung einer neuen Kollektion geklärt werden muss (ID09, ID11, ID12, ID13, ID14, ID18, ID22, ID24). Ob die Lieferanten den Bedürfnissen der Designer entgegenkommen, hängt meistens nicht von der räumlichen Nähe der Akteure zueinander ab, sondern von den unternehmerischen Entscheidungen der Lieferanten. Die Mindestbestellmenge – ob es eine gibt und ob es etwaige Richtwerte dafür gibt – ist oft die erste Information, die ein Designer auf Stoffmessen und bei der Anbahnung neuer Kontakte erfragt. Denn eine Nichteinhaltung dieser Vorgaben ist mit monetären Strafen verbunden, die die Bilanz quindi trovo il filato, insieme al tessitore che mi assiste in questo processo e gli dico ›facciamo un popeline da 120 g al metro‹. Il filato a seconda, a volte mi è capitato di trovarlo io in Egitto, nelle volte più recenti chiedo al tessitore di occuparsene, ma molto spesso c’è un ping pong di lavoro tra me e lui perché non sempre è disponibile, proprio per il fatto che il mercato del biologo è un mercato molto ristretto. Quindi si potrebbe arrivare, se qualcuno volesse spendere tanto, a far filare il titolo di filo che vuoi tu per poi arrivare a un tessuto che vuoi. Però qui dipende anche dal mercato, esiste un mercato di (›yarn‹) biologico e tu vedi cosa c’è sul mercato, vedi se ti va bene, sennò cambi idea sul tessuto, lo fai un po’ più grosso perché hai trovato quello che è leggermente più grosso, insomma si compone così, io in generale ti posso dire che vado verso tessuti con una certa ›texture‹, diciamo un po’ materici (…). Di solito uso tessuti pesanti, perché mi piacciono molto, a parte nella camiceria dove uso dei tessuti leggeri. E uso canapa, uso cotone, mischio il cotone con il lino a volte, tutti biologici ovviamente. Canapa, cotone e lino, o uso delle lane riciclate, carzate e riciclate che sono CO2 neutrali, ogni tanto uso anche questa.« (ID09, 00:37:48)

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

kleiner Unternehmen erheblich belasten können. Selbstverständlich sind hier auch Ausnahmen möglich, wie das folgende Interview bestätigt: [E]s gibt Stoffhersteller, die eigentlich Mindestmengen haben, aber im Zweifel oder in Ausnahmefällen dann, gegen Aufpreis natürlich, kleinere Mengen verschicken. Aber meistens klärt man schon vor Ort auf der Messe ab und dann, danach noch mal, immer also, man muss sich da echt noch ’n bisschen absichern (ID22, 00:06:24).

Aus den Interviews sind verschiedene Lösungen zu erkennen, die die Designer nutzen, um dieses Hindernis zu umgehen: Es können Lieferanten gewählt werden, die keine oder kleine Mindestbestellmengen haben (ID13); es können Stoffe, die für mehrere Kollektionen verwendet werden, mit anderen kombiniert werden, die nur für eine Kollektion ausgewählt wurden, sodass Kontinuität und Innovation in der Designerarbeit erkennbar sind (ID12, ID07). Eine weitere Lösung besteht darin, das Angebot von Restmengen und Lagerwaren der Lieferanten auszunutzen (ID14, ID11). Da die Stoffe in Rollen mit Standardlänge angeboten werden, kann es sein, dass ein Rest unverkauft bleibt und daher später separat verkauft wird, auch wenn er unter der Mindestbestellmenge liegt. Dies ist eine Lösung, die nur für diejenigen Designer gut funktioniert, die ihren Stoff bedarf genau abschätzen können. Anderenfalls, z. B. wenn die gekaufte Menge nicht ausreicht, muss die übliche Mindestbestellmenge des benötigten Stoffes neu bestellt werden; der anfängliche Vorteil wäre damit annulliert. Eine weitere Lösung besteht darin, eine Kollektion vorzubereiten, die wenige, limitierte oder einzelne Stücke beinhaltet, sodass die ursprünglich kalkulierte Stoffmenge für die Anfertigung von Mustern in jedem Fall ausreicht. Damit werden Lager und Nachbestellkosten eingespart (ID18). Die letzte im Interview erwähnte Lösung des Problems der Mindestbestellmenge stellt die Absprache mit dem Stoffproduzenten über noch ungefärbte Stoffe dar. Stoffe werden mit der Mindestmenge bestellt und in einer späteren Phase direkt vom Designer in kleineren benötigten Mengen zugeschnitten und gefärbt (ID18). Darüber hinaus kann der Designer einen besonderen, extra für ihn hergestellten Farbton bestimmen (ID24). In diesem Fall gibt es im Vorfeld verschiedene Austauschphasen zwischen Designern und Stoff herstellern: Nach Absprache über den gewünschten Farbton und Anfertigung einiger Probemuster wird die gewünschte Menge produziert, in der Regel mit einem Aufpreis.9 9 | »Es kommt darauf an. Also es gibt immer Stoffproben, entweder sind die schon fertig, also Grau oder Schwarz ist so Standard, oder halt die werden erst gemacht, so wie mit dem Grün. Also wir kontaktieren den Hersteller so: ›Hallo, wir wollen, wir sind interessiert an 200 Meter Grün, in dem Grünton‹. Wir schicken ein Beispiel, der schickt uns ein Musterteil zurück, oder Musterstoff und dann sagen wir: ›Ja, ok, davon, also die Farbe ist ok, mach davon 200 Meter.‹ Genau, und dann macht er die. Dann müssen wir drei

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Es kann auch vorkommen, dass die Beziehungen zu den Stofflieferanten und -herstellern Merkmale geringer Professionalität oder Reaktionsgeschwindigkeit zeigen, weswegen einige Designer daran zweifeln, ob speziell Berlin und allgemein die deutsche Modebranche grundsätzlich auf internationaler Ebene konkurrenzfähig sind: Das hat ’ne ganze Weile gedauert, ja, und auch in dieser Stadt ist es jetzt auch nicht so, dass man alles die ganze Zeit immer sofort gemacht kriegt, sondern das dauert oft eben, und das ist ja auch leider oft so, dass man gar nicht zurückgerufen wird, also das ist z. B. ’n Thema, was in New York [lacht] belächelt wird, weil in New York wirst du am gleichen Tag noch innerhalb von kürzester Zeit, zack, zack, zack, wird das irgendwie gemacht, und nächstes Thema. (ID05, 00:36:16)

Die Designer stehen nicht immer in direktem Kontakt mit den Stoff herstellern bzw. -lieferanten; diese Beziehung kann jedoch auch mithilfe von Agenturen und Vermittlern geschaffen werden, die über direkte Kontakte mit den Herstellern verfügen und die Stoffe an die Designer weiterverkaufen. Solche Agenturen sind ein weiterer Akteur, der in dieser Phase der Produktion aktiv sein und die Beziehungen zwischen Designern und Stofflieferanten erleichtern kann. Durch diese Agenturen können die Designer Zugang zu kleinen Mengen erhalten, da die Vermittler bei Bestellungen keine Mindestmenge abnehmen müssen. Sie kaufen die Stoffe bereits in Mindestmengen von den Herstellern (ID04, ID16) und können selbst auch Restmengen anbieten (ID05, ID10). Agenturen und Vermittler, die relevant für die interviewten Berliner Designer sind, haben ihre Niederlassungen in Berlin oder in Deutschland und bieten auch hochwertige Stoffe von rennomierten Herstellern an, z. B. Schweizer Wolle und italienische Stoffe (ID16, ID05, ID04), oder auch von weiter entfernten Märkten oder Kulturen wie der Türkei und Indien (ID12).

6.1.2 Serienproduktion Während die Phasen für die Designarbeit und die Realisierung der Musterkollektion eher intern der Labels stattfinden, sind in der dritten Phase des Produktionsprozesses, bei der Serienproduktion der Stücke aus der Musterkollektion, bis vier Mal anrufen, wie ist es dann verschickt, und dann schickt er die hierher und das war’s. Und dann bezahlen, in 30 Tagen (Zahlungsziel nach Lieferung). Das ist so der Prozess, ja genau. Es gibt auch die Möglichkeit, z. B. kommen Vertreter sozusagen, Handelsvertreter von dem Produzent, von dem Hersteller hierher, () noch zwei bis drei mal Leute hier mit Stoffproben und dann sagst: ›Ok, das, das, das ist interessant, schicken Sie noch mal eine Probe hierher‹, und dann kannst du einfach da auch bestellen. Dann schicken sie die Stoffe und dann bezahlen.« (ID24, 00:35:27)

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weitere externe Akteure wie Manufakturen und Schneider involviert. Die Produktionsverhältnisse in der Modebranche sind generell gekennzeichnet durch kurze, schnell aufeinander folgende Entwicklungszyklen der Produkte, kurze Prototypphasen, Kleinserien, eine große Produktvielfalt und unübersichtliche Kostenverteilung auf eine Vielzahl von Gütern (vgl. Dunford 2006, 28). Darüber hinaus findet die Produktion räumlich konzentriert in Clustern statt, die die bekannte vertikale Desintegration der Produktionsphasen aufweisen. Diese Merkmale wurden bereits in den 1950er-Jahren identifiziert (vgl. Scott 1988, 74). Clusterbildung und vertikale Desintegration vereinfachen die persönliche Interaktion, und die damit verbundenen Informations- bzw. Wissensflüsse prägen die konkreten Produktionsbeziehungen und erleichtern die Kontrolle der durch Subunternehmen mitgetragenen Produktionsphasen (Scott 1988, 78). Die Akteurskonzentration dieser Branche hängt von heterogenen Faktoren ab, wie z. B. der Reduktion der Zugangskosten für Materialien und komplementäre Akteure in der Produktion oder der Möglichkeit, sichtbar für ein größeres Publikum auszustellen und zu verkaufen (vgl. Moore / Fernie 1998; Jansson / Power 2010; Scott 1988, 93 ff.). Die Beteiligung von Subunternehmen wird dadurch vereinfacht, dass die involvierten Akteure räumlich nah beieinander liegen: »[C]utting and sewing […] are by far the most significant forms of work regularly subcontracted out by dress manufacturers.« (Scott 1988, 97) Der Hierarchisierung der Unternehmenstypen – hier gewichtige Unternehmen, die Aufträge vergeben können, dort Subunternehmen und Auftragsnehmer – entspricht eine besondere räumliche Arbeitsteilung. Die kreativeren und symbolbezogenen Produktionsphasen tendieren zu innerstädtischen räumlichen Konzentrationen, während die Phasen industrieller Produktion und Manufaktur an der (urbanen, regionalen oder globalen) Peripherie angesiedelt sind (vgl. Dunford 2006; Scott 2002, 1988, 79; Rantisi 2002, 2004; Dicken 2011, Kap. 10). Im Unterschied zu anderen Sektoren der Textil- und Bekleidungsindustrie konzentrieren sich die Akteure des Modedesigns in Städten mit starker Symbolkraft (vgl. Jansson / Power 2010; Rantisi 2004; Wenting 2008). Insbesondere die symbolische und praktische Bezugnahme auf eine besondere kulturelle Atmosphäre ist ein wichtiges Element für die Modedesignbranche im Unterschied zu anderen Sektoren der Bekleidungsbranche, da ein Großteil der Wertschöpfung darauf basiert. Hingegen muss die unterschiedliche Verteilung zwischen kreativen und nichtkreativen Produktionsphasen nicht als Merkmal der Labels der Modedesignbranche angesehen werden. In Berlin verteilen sich die labelintern ausgeübten kreativen Phasen und die an Subunternehmen weitergegebenen Produktionsphasen recht variabel. Kleine Labels haben aufgrund der zu bearbeitenden geringen Mengen prinzipiell die Möglichkeit, alle Produktionsphasen selbst in die Hand zu nehmen. Im Produktionsprozess ist die physische Realisierung des Produktes oft spezialisierten Akteuren, in der Regel Manufakturen oder Schneidern, vorbe-

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halten, abhängig davon, ob große oder kleine Mengen bearbeitet werden. Beide Akteursgruppen tendieren zur Spezialisierung auf bestimmte Stücke oder Bearbeitungen, sodass der Designer hier im Hinblick auf seine industriellen Bedürfnisse entscheiden kann (vgl. Beccattini 1991; Porter / Ketels 2009; Storper 1997; Roelandt / Hertog 1999). Diese Spezialisierung wird an den nächsten Beispielen offensichtlich, wie im Fall einer Manufaktur: Yes, it’s really specialized, like you have manufacturers they only make sports shoes, like tennis Nike shoes, right, and you have to go to them because they are the only people who can do it, and then there is a shirt manufacturer, a sweater manufacturer, there’s everything. Every type of garment has a speciality. So, T-shirts has a special facility for T-shirts, very very different from (…) anything else. (ID20, 00:16:24)

Ebenso verhält es sich im Fall eines Schneiders (hier eines Strickers): Nach Bedarf. Eine selbstständige Schneiderin haben wir noch, die das Gestrickte auch nähen kann. (…) nein, dann immer von der Gleichen, (…) die haben auch verschiedene Maschinen auch und die haben verschiedene, wie meine Mutter immer gesagt hat, sie hat die Mitarbeiter eingestellt, nich gesagt: »Machen Sie mir mal ʼn Pullover«, sondern hat gefragt, was sie können, und dann haben die gesagt: »Ich kann gut Jacquardmuster stricken«, dann hat sie gesagt: »Okay, dann machen wir mal ein Jacquardmuster-Pullover und wir gucken uns den an« und dann wissen wir immer: Frau so und so strickt immer die Jacquardmuster-Pullover. (ID04, 00:32:20)

Designer arbeiten deswegen je nach Bearbeitungsbedarf oft mit mehreren Schneidern bzw. Manufakturen zusammen, obwohl es auch Ausnahmen gibt, bei denen Designer mit nur einem Schneider zusammenarbeiten (ID23). In einigen Fällen sind die Beziehungen zwischen Designern und Schneidern stabil, manchmal sind sie sogar beim gleichen Label angestellt, während in anderen Fällen die Schneider je nach Bedarf kontaktiert werden (ID04). Die Beziehung zu anderen Akteuren in der Produktion ist für die Designer nützlich, um Informationen und Ratschläge für den Preis des Endproduktes zu erhalten. Dies hilft ihnen zu verstehen, welche Bearbeitungsschritte notwendig sind und wie die dafür benötigte Zeit eingeschätzt werden muss (ID16). Wie einige Interviewpartner angaben (ID22, ID12) gibt es in manchen Produktionsnetzwerken auch Vermittler, meistens Agenturen, zwischen Designern und Manufakturen.

Made in Germany Designer entscheiden sich hauptsächlich aus zwei Gründen, ihre Produktion komplett in Deutschland oder in Berlin abzuwickeln. Erstens wurde in mehreren Interviews die große Bedeutung der Arbeitsverhältnisse im Produktionsprozess für die Reputation der Label hervorgehoben. Den Designern kommt es

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darauf an, sich vom Image schneller und billiger Mode zu distanzieren, das in der Öffentlichkeit oft mit sweatshops assoziiert wird (ID12). Darüber hinaus wird mit der Entscheidung einiger Designer, »made in Germany« anzubieten, der Fokus auf die hohe Qualität der Produkte und deren Bearbeitung gesetzt. Damit wird zusätzlich zur hohen materiellen Qualität des Produktes ein symbolischer und ethischer Wert geschaffen (vgl. Kap. 8). Dies beeinflusst in hohem Maße die Entscheidung für die Auftragsvergabe an Manufakturen und hat auch Auswirkungen auf das Endprodukt, wie dieser Designer erläutert: Wenn man unsere Sachen kauft, die Leute tragen die nach Jahren noch (…). Und die haben die Sachen immer wieder an (…) die Sachen halten, das ist eine gute Qualität, wir machen halt alles selber. Das ist das, wo die Leute immer mehr Wert darauf legen, ne, halt, dieses »made in Germany«, was ja meiner Meinung nach immer mehr (im Kommen) ist, weil diese ganze China-Blase irgendwann platzen wird. Das läuft da zwar noch und die meisten produzieren da, aber die Leute wissen halt auch, dass wir das fair herstellen, d. h., wir haben unsere Schneider, die werden hier bezahlt, alles wird hier produziert, es wird nicht irgendwo in chinesischen großindustriellen Anlagen produziert, wo die Leute zusammenklappen vor Arbeit, ne, sondern, also ich sage mal wirklich, wir bauen uns unsere Reputation einfach durch die Qualität und durch die Originalität der Sachen. Weil, man sieht halt einfach, dass es nicht von H&M ist. (ID06, 00:39:03)

Zweitens zeigt sich die Disposition, in materiellen Produktionsphasen vor allem mit lokalen Akteuren zusammenzuarbeiten, auch in der Entscheidung einiger Designer, Schneider direkt in Berlin zu suchen. Diese Entscheidung ist mit der Annahme verbunden, dass dank der Aktivität lokaler Ausbildungsstätten stets spezialisierte Schneider zur Verfügung stehen. Direkte Erfahrungen mit entsprechenden Tätigkeiten und im Zusammenhang damit erworbenes soziales Kapital stellen günstige Bedingungen für dauerhafte Geschäftsbeziehungen und Arbeitsverhältnisse dar: Ja ja, für uns also, ich glaube, ich kann jetzt von mir sprechen, für mich ist es wichtig, weil ich vorher selber (…) als Schneider (…) und für andere Designer gearbeitet habe. Und ich mir gesagt habe, hei, das ist einfach, das ist eigentlich ein toller Job, »Schneider, das macht Spaß«. Und mir war immer wichtig, oder ich hab immer gefragt, ich kann doch nicht die Einzige sein, also es muss so viele Schneider eigentlich in Berlin geben, weil es gibt doch diese Ausbildung, da muss doch so viel Potenzial da sein und so viel Kapazität. Und mir war immer wichtig, dass (…) ich irgendwie die Leute beschäftigen kann, dass es da Arbeit einfach gibt. (ID06, 00:41:11)

Der Wille, lokale Schneider oder Manufakturen für die Produktion zu verwenden, verbindet die Arbeit der Labels mit der urbanen Wirtschaft. Diese Entscheidung spiegelt sich in der territorialen und professionellen Einbettung des

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Produktionsnetzwerks wider, und da sie mit der Auswahl der Produktionspartner verbunden ist, beeinflusst sie auch die Positionierung des Produktionsnetzwerks, d. h. seine Struktur.

Manufakturen Die Suche nach Akteuren für die materielle Produktion (Manufakturen und Schneider) ist für die Designer entscheidend, da ihre Reputation auf dem Markt unter anderem von der Qualität der Materialbearbeitung beeinflusst wird. Deswegen ermitteln Designer Informationen über geeignete Manufakturen und ihre Standorte durch persönliche Kontakte, Freundschaftsbeziehungen mit anderen Designern oder sonstige Kontakte in der Branche, d. h. durch ihr Sozialkapital (ID02, ID24, ID03, ID16, ID12). Einige Designer hingegen halten Informationen über Manufakturen und über Beziehungen zur Produktion bewusst zurück und sind nicht bereit, darüber offen zu reden (ID03, ID24), da solche Informationen als vertraulich angesehen werden. Man findet Manufakturen auch auf dem Weg über Institutionen und Events (z. B. Handelskammern oder Messen für Zwischenmeister und Manufakturen) oder über das Internet (ID11, ID09, ID03, ID15, ID09): Aber es gibt auch da Messen für Produktionsstätten, also in Paris. Da kann man dann auch sich informieren, da sind natürlich auch ganz viele Chinesen, die dann in solchen Stückzahlen produzieren (…). Aber viele Produzenten sind auch auf uns zugegangen, z. B. auch in Paris, ja, weil sie dich dann mehrmals irgendwo gesehen haben, auf irgendwelchen Messen, da laufen sie auch rum, und sich vorstellen können, dich zu produzieren, und dann schreiben sie dich an. Also wir haben da noch ein paar, mit denen wir schon ausprobiert haben, und falls die deutsche Fabrik sagt: »Wir sind überladen, wir können nicht, das ist uns jetzt too much oder die Zeit passt nicht«, das kommt immer wieder vor, dann können wir halt ausweichen, ja. Dann hast du immer Plan-B-, Plan-C- und Plan-DProduzenten, sodass es halt nicht zu Lieferschwierigkeiten kommt, weil, man hat das Label eigentlich nur drei Monate, um auszuliefern. (ID03, 00:31:37)

Die Beziehung zur Manufaktur hängt auch von den Strategien und der Flexibilität des Designers ab, der sich darüber informiert, ob die Manufakturen über die geeignete Maschinerie verfügen und in welchen Bearbeitungsarten sie spezialisiert sind. Normalerweise werden die Manufakturen zuerst mit kleinen Bestellungen getestet. Dabei ist die Kommunikation zwischen Designern und Manufakturen wichtig, egal ob sich die Beziehung aus einer formellen oder informellen Suche entwickelt: Die [eine Designerin] war auch in dem Laden hier in Berlin für, Berlinomat hieß der Laden, den gibt’s leider nicht mehr, und da waren kleine Berliner Designer drin, da bin ich mal mit der ins Gespräch gekommen und dann hat sie mir das empfohlen und dann ha-

6 Struktur des Produktionsnet zwerks ben wir die kontaktiert. Wir haben auch noch nach zwei, drei anderen geschaut, aber die waren im Endeffekt dann die Besten. Dann kam jemand von denen hierher, also der sowieso in Berlin war, und hat sich vorgestellt, wir haben ein bisschen gesprochen und dann haben wir denen drei (…) Beispiele geschickt, also von dem Pulli, von dem Oberteil, von der Hose, und dann haben sie uns einen Preis dafür gemacht. So beispielhaft, was das jetzt (…) kosten würde, genau, und dann haben wir gesagt: »Ok, wird jetzt … für die nächste Kollektion machen wir die zwei Hosen in Polen«, haben dann die Musterteile und einen Grundschnitt. Also, du machst dann noch so einen Schnitt, wie das alles geschnitten, also gemacht wird. Haben wir da hingeschickt, dann haben die den Preis geschickt und dann haben wir gesagt: »Ok, machen wir«, dann haben die es produziert und, genau, hierher geschickt und dann haben wir es bezahlt. Dann musste immer noch die Qualität kontrollieren, ob alles passt, genau. (ID24, 00:37:04)

Die Berliner Designer produzieren hauptsächlich in Berlin, und zwar intern durch das Label und extern durch die lokalen Schneider (oder seltener durch in der Stadt ansässige Manufakturen). Diese räumliche Allokation der Tätigkeiten wird von vielen Interviewten bevorzugt. Darüber hinaus erwähnten die Berliner Designer in den Interviews Geschäftsbeziehungen zu Manufakturen in Brandenburg (ID03, ID05, ID12, ID19) und in Polen (ID11, ID14, ID23, ID24, ID25) sowie, wenn auch mit geringerer Häufigkeit, in anderen europäischen Staaten (ID02, ID14, ID09, ID20, ID22). Es kommt auch vor, dass die Designer ihre Bestellungen bei Manufakturen mithilfe von Vermittlern oder Agenturen aufgeben, die unter anderem die Muster besorgen. Daher tritt oft der Fall ein, dass die Designer nur einen indirekten Kontakt zur Manufaktur haben, weil sie immer nur mit den Vermittlern verhandeln (ID25). Unabhängig von der Rolle des Vermittlers beruht die Beziehung zwischen Designer und Manufaktur auf Vertrauen; man beginnt mit kleinen Mengen, die allmählich erhöht werden: Ja, man muss auch immer erstmal was ausprobieren (…) es ist sehr speziell (…) weil man wirklich, erstmal muss man sich kennenlernen. Man muss zusehen, dass die Leute eigentlich verstehen, was man da (), dann muss die erste Arbeit gebracht werden, und dann muss man darüber diskutieren und sagen, was verbesserungsmöglich ist, und dann muss es aber auch alles natürlich im Preis-Leistungs-Verhältnis sein. Natürlich wollen die Leute auch Geld verdienen, aber ich möchte natürlich auch nur Geld bezahlen für etwas, mit dem ich dann zufrieden bin. So dauert es immer eine Weile, deswegen ist es immer auch ein bisschen ein Investment, also man muss mit jemand sich auseinandersetzen, man investiert in eine bestehende Businessbeziehung, die man mit den Frauen, sind meistens Frauen, hat, und dann versucht man das (…) nach einer Weile vertraut man natürlich denen auch und weiß, ob (man) denen etwas geben kann oder nicht. Oder man weiß, wem man was geben kann. Mittlerweile kenne ich ja auch meine Leute, mit denen ich arbeite. (ID05, 00:35:08)

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Obwohl die Designer in den Manufakturen eine Vielzahl an potenziellen Partnern haben, müssen die strategischen Beziehungen der Designer mit diesen Akteuren sowohl Flexibilität als auch Stabilität aufweisen, damit Bearbeitungsund Auslieferungszeiten unter Kontrolle bleiben und eventuell kurzfristige Alternativen gefunden werden können. Designer entwickeln Vertrauensbeziehungen zu den Manufakturen, mit denen sie regelmäßig arbeiten, da ihnen deren Verarbeitungsqualität und -zeiten bekannt sind. Persönliche vertrauliche Beziehungen werden von den Designern auch bei der Suche nach neuen Manufakturen genutzt, hierfür aktivieren sie ihr Sozialkapital.

Schneider Einige Designer arbeiten mit Unikaten oder kleinen Kollektionen, sodass eine Manufaktur als Produktionspartner nicht geeignet ist. Sie nutzen ihren Zugang zu den Fachkräften der Stadt und engagieren Berliner Zwischenmeister10 und Schneider für schnelle und flexible Arbeitsschritte in der Produktionsphase (ID06). Die Verfügbarkeit kompetenter Personen in der Stadt wird auch durch migrantische Arbeitskräfte unterstützt, hauptsächlich Frauen, die den Modedesignern derartige Tätigkeiten anbieten können (vgl. INPOLIS UCE 2010): [Interviewer: Wie habt ihr die Strickerinnen gefunden?] [A]lso es ist schwierig, aber wir haben einmal angefangen über … sonntags in der Morgenpost, das ist ja auch alles 30 Jahre her (…) die sind alle schon seit langem dabei, also eine richtige Anzeige aufgegeben: »Suche Strickerin«, und dann ist es so üblich auch in der Stadt, dass also eine Strickerin, die vielleicht (…) nicht klarkommt, einfach mal hierher kommt und fragt, ob wir im Moment oder ob wir was zu tun haben für sie, ob sie für uns stricken kann. Und wir haben Schwierigkeiten mit [sucht das richtige Wort], wie soll ich jetzt sagen, wir haben also Osteuropäerinnen, die stricken können. Also früher hatte ich auch noch Frauen, die aus Berlin kamen und stricken konnten, das gibt es ja nicht mehr (ID04, 00:33:57).

Schneider, die für ein Label arbeiten, sind keine Angestellten, sondern Freiberufler, die je nach ihrer Spezialisierung kontaktiert werden (ID07). Die Beauftragung von einzelnen Schneidern darf nicht als Alternative zur Manufaktur verstanden werden. Schneider werden ebenfalls in verlässlicher Weise in die industrielle Produktion integriert. Dies hängt von der benötigten Qualität der Bekleidungsstudie, dem Schwierigkeitsgrad ihrer Herstellung und der zu produzierenden Stückzahl ab. Nach diesen Kriterien entscheiden die Designer, ob sie sich an Manufakturen oder Schneider wenden. Zu den externen Mitarbeitern 10 | Unter Zwischenmeister versteht man jemand, der die ihm übertragene Arbeit an Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende verteilt. In der Modebranche werden solche Akteure unter anderem für die Realisierung der Musterkollektion beauftragt.

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eines Labels zählen manchmal auch einstige Praktikanten. Dies hat den Vorteil, dass die Designer ihre Kompetenzen bereits kennen und von deren schon gesammelter Erfahrung mit der Arbeit des Labels und den Labelprodukten unmittelbar profitieren können (ID05). Wenn aber neue Schneider gesucht werden müssen, nutzen die Designer verschiedene Wege, von der Internetsuche bis hin zu persönlichen Kontakten (ID12, ID13, ID16). Ein Beispiel dieser Vielfalt sei hier gezeigt: [Interviewer: Und wo hast du die Schneiderin oder die Aushilfe gefunden?] Die haben sich, glaube ich, bei mir beworben, also die Schneiderin habe ich mir irgendwann gesucht, genau, die habe ich letztes Jahr gesucht (…) die, die ich jetzt genommen habe, habe ich über Facebook gefunden, also das ist so ’ne Bekannte von ’ner Freundin. Dann, die Aushilfen sind entweder übernommene Praktikanten, wir machen immer eigentlich einen Praktikanten (oder eine), und die andere hatte sich mal für irgendwas beworben, und als ich dann jemanden brauchte, habe ich nochmal alle angeschrieben, die sich mal beworben hatten, die eingeladen, die ich nett fand, oder so. (ID12, 00:43:22)

Bei der Suche nach neuen Schneidern, und in einem geringeren Ausmaß auch bei der Suche nach Manufakturen, werden persönliche Empfehlungen einem auf Versuch und Irrtum basierenden Prozess mit offenen Anzeigen vorgezogen, sodass sichergestellt ist, dass der Schneider über geeignete Fähigkeiten verfügt. Empfehlungen können von anderen Designern oder von anderen Schneidern kommen, sodass sich anhand der persönlichen Beziehungen und Kontakte in der Branche ein Netzwerk für Informationen und Ratschläge entwickelt: [Interviewer: Wie hast du die Schneider kennengelernt?] Manchmal ist halt dann, dass eine gesagt hat: »Ah, nee, das kann ich nicht so gut, aber ich frage mal meine Freundin«. Eine hatte ich auch mal über ’ne Zeitungsanzeige, wobei (…), ich muss sagen, es ist echt schwierig, ja, weil, wenn man eine Anzeige aufgibt, dass man jemanden sucht, dann sagen sie irgendwie alle, sie können nähen. Aber (…) es gibt ja Nähen und Nähen, also, und ich mag bei Schneidern eigentlich am liebsten Leute, die älter sind, weil, das ist wirklich ein Beruf (…) die Erfahrung (…) das ist das Allerwichtigste ja, so ein Berufsanfänger nutzt mir eigentlich gar nichts, weil der noch gar nichts kann. Wenn gerade die älteren Damen, die (…) haben’s dann meistens drauf. (ID16, 00:33:32)

Wie dargestellt, verwenden Berliner Designer bei der Suche nach Schneidern oder Manufakturen jeweils ähnliche Strategien. Dabei nutzen sie hauptsächlich ihr Sozialkapital und Empfehlungen aus ihren persönlichen bzw. branchenspezifischen Netzwerken. Eine weitere Suchmöglichkeit bieten Messen sowie Agenturen, die Designer und andere Akteure miteinander in Verbindung bringen können. Betrachtet man die räumliche Verteilung der Produktionspartner,

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so befinden sich die von Designern kontaktierten Schneider in der Stadt, während bei den Manufakturen eine größere Reichweite zu erkennen ist, die ausgewählten Beispiele befinden sich häufig in benachbarten Regionen und Staaten.

Probleme mit anderen Akteuren innerhalb der Produktion In der Produktionsphase können Hindernisse auftauchen, die zu verspäteten Lieferungen oder zu ungewollten Abweichungen des Endproduktes vom vorgegebenen Modell führen. Zum einen kann es passieren, dass die Manufakturen die Designerproduktionen zugunsten größerer anderweitiger Aufträge verschieben. Das Risiko der nachrangigen Bearbeitung von Designeraufträgen ist insofern groß, als die Designer in der Regel nur kleinere Bestellungen aufgeben (ID16). Erfahrene Schneider sind meist schon im fortgeschrittenen Alter; dies erzeugt Unsicherheiten in der Planung der nächsten Kollektionen (ID05). Außerdem können Sprach- und Kulturbarrieren Unterschiede zwischen Muster und Endprodukt verursachen: [Produktion in Polen] Das Problem ist eher die Kommunikation. Also, ich arbeite inzwischen, auch wenn sie Deutsch sprechen, und auch teilweise echt gut Deutsch sprechen, manchmal kommen die Sachen doch nicht so an, und es gibt jetzt in Ostdeutschland (…) früher in der DDR war ja die Textilproduktion so Raum Erfurt, Suhl, da sind … viele Betriebe davon sind geschlossen, aber da in der Gegend findet man noch sehr viele fähige Leute (…) siedeln sich da wieder Unternehmen an und das Lohnniveau ist da teilweise, muss man sagen, wie in Polen. Also (…) und ich würde sagen, ich bezahle lieber ein bisschen mehr und habe dafür keine Sprachbarriere, weil, man redet und denkt, der andere weiß, was man meint, und dann sieht man die fertigen Hosen und sieht: »Oh nein, er hat das gar nicht verstanden, weil, es ist echt ganz anders geworden.« Und natürlich muss man, das ist in meiner Verantwortung, die Schnitte und die Arbeitsvorbereitung eindeutig zu gestalten, aber das Gute ist halt, dass es dann irgendwie klar ist. Also, in einer Fremdsprache ist es immer schwieriger, etwas zu vermitteln. Also insofern, ich find’s eigentlich gut, wenn die Wege kurz sind, und ich find’s gut, wenn man eine Sprache spricht, weil, das macht das Geschäft viel leichter. (ID16, 00:36:35)

Daher werden Schneider und Manufakturen nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen gewählt, sondern auch wegen der sprachlichen und kulturellen Nähe (vgl. Lundvall 1988; Gertler 1993; Bathelt / Glückler 2002, 2003). Die Designer streben dadurch ein besseres gegenseitiges Verständnis und eine höhere Genauigkeit der Kommunikation über die Produktion an. Somit spielt der mehrdimensionale Kontext, in den die Akteure eingebettet sind – in sozialer, kultureller, ökonomischer und historischer Hinsicht –, eine große Rolle bei der Suche der Designer nach Schneidern und Manufakturen sowie für die Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren im Produktionsprozess.

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Darüber hinaus sind die Produktionszeiten, d. h. die Zeit zwischen Bestellung und Lieferung, so kurz, dass sich der Designer mehrere Optionen offenhalten muss, um eventuell eintretende, unvorhergesehene Verzögerungen auffangen zu können (ID03, ID13). Unabhängig davon können auch in der Anfertigungsphase Fehler auftreten. Wenn sie rechtzeitig erkannt werden, können die Designer mit der Manufaktur über Korrekturen oder Nachbesserungen verhandeln. Häufig ist es aber aufgrund der Kosten und der mangelnden Zeit nicht mehr möglich, fehlerhafte Stücke nachzuarbeiten. Reklamationen und rein monetäre Kompensationen verbleiben dann als einzige Möglichkeiten, sich noch zu verständigen (ID24).

6.2 V ermarktung Die vierte Phase des Produktionsprozesses ist die Vermarktung der Produkte, d. h. ihre Präsentation und Distribution. Hier wird eine markante Unterscheidung in der Produktionsstruktur darin sichtbar, ob die Designer an Messen teilnehmen oder nicht. Die wichtige Phase der Promotion der Kollektion und des Designers bei den Einkäufern findet hauptsächlich auf gezielt organisierten Messen und Events statt (vgl. Entwistle / Rocamora 2006; Kawamura 2004; Kondo 1997; Skov 2004a, 2004b). Hier werden Bestellungen aufgegeben, die für Art und Umfang der Herstellung der Produkte entscheidend sind. Die Einkäufer spielen eine wichtige Rolle in den vertikalen Produktionsbeziehungen, weil durch ihre Bestellungen die Designerstücke, die bis zu dieser Phase nur in der Musterkollektion zu sehen waren, in den Verkauf gelangen. Messen sind von andauernder Wichtigkeit, da sie privilegierte Treffpunkte für Designer und Einkäufer sind. Dennoch sind Messen nicht die einzige Zugangsmöglichkeit der Berliner Designer zu den Einkäufern; direkte Beziehungen zu Ladenbesitzern ohne die vermittelnde Rolle der Messen sind nicht unüblich. Messen und Events sind bedeutsam für den kommerziellen Erfolg des Designers und für seine Reputation. Mit der Teilnahme an der Modemesse bekommen die Akteure, insbesondere die Designer, Werbung für ihr Label und zugleich persönliches Prestige: Sie gelten als »berechtigte« Teilnehmer des Events und werden folglich als Modedesigner anerkannt (vgl. Kawamura 2005). Dies ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, um Verkäufe in der Branche zu organisieren, die in diesem Abschnitt zitierten Designer sind mithin nur für einen Teil der Berliner Modedesigner repräsentativ. Designer, die nicht an Messen teilnehmen und keinen Kontakt zu den Einkäufern haben, haben davon nicht unbedingt einen Nachteil, vor allem dann, wenn sie direkte Kontakte zu Einkäufern aufgrund der besonderen Struktur ihres Produktionsnetzwerkes gar nicht brauchen. Dies ist z. B. bei Designern der Fall, die Einzelstücke produzieren und sie im eigenen Laden oder auf Kommission verkaufen.

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Messen sind für viele Designer noch in einer anderen Hinsicht wichtig. Sie stellen ein wesentliches Element für die Reproduktion der zeiträumlichen Organisation der Wertschöpfung in der Modebranche dar (vgl. Kawamura 2005). Darüber hinaus entwickeln sich an diesen temporären Orten Informationsflüsse und horizontale Beziehungen (vgl. Rinallo / Golfetto 2011; Entwistle 2010). Sie ermöglichen die Beobachtung von Konkurrenten und fördern Lernprozesse, die die Designer veranlassen können, Anpassungen der Organisation und strategischen Positionierung des eigenen Produktionsnetzwerks vorzunehmen (vgl. Kap. 2.3 und 3.5). Messen stellen über die einzelunternehmerische Bedeutung hinaus ein wichtiges Element der ökonomischen (sowie der räumlichen und symbolischen) Konfiguration der Produktion in der Modebranche insgesamt dar. Zu ihrer Entwicklung und Festigung werden besondere politische Rahmensetzungen nötig. So spielen Hierarchien und Beziehungen zwischen Städten und Akteuren, die in den Produktionsprozess (d. h. in die professionelle Einbettung des Produktionsnetzwerks) involviert sind, eine wichtige Rolle. Modemessen finden normalerweise zweimal im Jahr statt (einmal für die Frühling / SommerKollektion und einmal für die Herbst / Winter-Kollektion) und können auf einer Seite als Elemente des Wettbewerbs zwischen den Städten angesehen werden, die sie als Werbung für ihren Standort nutzen (vgl. Weller 2008). Auf der anderen Seite stellen sie Rekonfigurationsorte der professionellen Netzwerke der Modebranche dar, sowohl auf der globalen als auch auf der regionalen Ebene. So sind Modemessen integrale Elemente regionaler Wirtschaftsentwicklung und ermöglichen die Integration der Stadt bzw. des Events in die Modenetzwerke (vgl. für Berlin IBB 2011; Schepers 2011; Senat WiTF 2009; vgl. allgemein McRobbie 1998, 69; Weller 2008; Kawamura 2005). Die wichtigsten Modemessen für die Interviewpartner sind die Fashion Weeks in Berlin und in Paris, während viele andere Fashion Weeks und Modeevents in allen Designerinterviews nur einmal erwähnt wurden.11 Die beiden wichtigsten Messen sind für Berliner Designer die B2B (Business to Business), wo Einkäufer die Stücke einer Kollektion bestellen, um sie dann in ihren eigenen Läden und Boutiquen oder in Läden, für die sie arbeiten, weiterzuverkaufen, und die Direktverkaufsmessen, wo die Besucher private Kunden sind, die direkt vom Designer kaufen. Ausstellen können Designer während einer Saison nur jeweils dort, wo Messen stattfinden, wohingegen der laufende Ver-

11 | Das waren im Einzelnen: Kroatien Fashion Week, CPD Düsseldorf, Direktverkauf auf Messen in Wien und der Wedding Dress, während der Berliner Fashion Week, Bread&Butter, Zürich, München, Stadtfest Bad Freienwalde, BVG Fashion Station, Berliner Durchreise, Milano Settimana della Moda, Pitti Firenze.

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kauf auf mehreren Wegen gleichzeitig stattfindet: in ihrem eigenen Laden bzw. Atelier, in anderen Läden, die ihre Produkte bestellen,12 oder in Onlineshops.

6.2.1 Beziehungen zu den Einkäufern Die Messe Messen und Fashion Weeks werden von den Designern gebraucht, um Kontakte mit Einkäufern aufzubauen, die an diesen Events teilnehmen. Die in einem Laden ausgestellten Kollektionen bestehen immer aus ausgewählten Stücken, die das Konzept des jeweiligen Ladens repräsentieren. Deswegen werden einige Stücke nur von bestimmten Läden bestellt, während andere überhaupt nicht bestellt und deswegen nie produziert werden (ID22). Die Beziehungen zwischen Einkäufern und Designern entwickeln sich im Laufe der Zeit, d. h., der dynamische Charakter dieser Beziehungen ist während der ersten Jahre für neue Designer besonders schwer einschätzen: Oft ist es ja so, dass Einkäufer, die haben dich vielleicht sogar schon früher realisiert, aber die wollen dich beobachten, weil gerade so junge Labels, da muss man erstmal gucken, können die ihren Standard halten? Haben die so eine (…) Kontinuität? Ist die Qualität gewährleistet, wo verkaufen die? Es ist auch ganz wichtig am Anfang, keiner will der Erste sein, es ist wichtig einen guten Namen zu haben, bei einem wichtigen Store, und wenn man das geschafft hat, dann gehen die anderen wieder leichter, weil die sich denken, wenn die da verkauft, dann muss die ja gut sein. Und es dauert einfach, dass die Leute … es gibt wirklich viel guten, oder in meinem Falle gibt ʼs jetzt viel guten Zuspruch, aber ganz oft ist es ja so, dass die ja auch … die Budgets meistens schon voll sind, mit den Designern, die sie ja sowieso schon im Laden haben, und dann, wenn die aber sehen: »Okay, der junge Designer ist spannend«, dann gucken sie eben, dass sie für die nächste Saison … ein bisschen Budget schon beiseite zu legen und sich das noch mal angucken. Deswegen ist es am Anfang nicht so einfach reinzukommen, einfach, in die guten Läden. (ID22, 00:37:57)

Die Teilnahme am Event ist aber nicht zwingend notwendig für die Designer. Die Einkäufer sind bereits wegen der Messe in der Stadt, sodass ein Designer seine Kollektion auch in seinem Atelier vorstellen kann, wo ein persönlicherer Kontakt hergestellt werden kann (ID05). Diese Strategie ist aber für Designer, die noch keine Kontakte mit den Einkäufern haben und deswegen erst deren Interesse erwecken müssen, ein weitaus mühsamerer Weg. 12 | In den Interviews wurden vielfältige Möglichkeiten für die Berliner Modedesigner genannt: in Berlin, in Deutschland, in den deutschsprachigen Ländern oder international, sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene, insbesondere Nordamerika und Asien.

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Sowohl bei Treffen während des Events als auch im Atelier laden die Designer Einkäufer ein, zu denen sie schon Beziehungen unterhalten oder mit denen sie eine Beziehung beginnen möchten (ID20, ID18, ID14). Andere Einkäufer kommen aus spontanem Interesse, obwohl sie nicht direkt eingeladen worden sind. Nur ein kleiner Teil derjenigen, die eine Kollektion begutachten, bestellen auch etwas. Dennoch ist die Präsentation der Kollektion auf jeden Fall eine Möglichkeit, das Label und seine Produkte bekannt zu machen. Mit der Verbreitung des Designernamens müssen aber auch eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Produktion gewährleistet sein, damit der Einkäufer sicher sein kann, dass der Designer ein dauerhaft wertvoller Partner sein wird (ID20). Grundsätzlich sind die Beziehungen mit den Einkäufern dynamisch und müssen von den Designern kontinuierlich gepflegt werden, wie in diesem Beispiel gezeigt wird: Für dich, für deine Marke, für dein Produkt, was du hast, und das funktioniert ja nicht von Anfang an, sonst würden alle, was weiß ich, irgendetwas auf den Markt bringen und tausende von Kunden stehen Schlange. Du musst intensiv arbeiten, immer wieder auf dich aufmerksam machen, auch dezent sein und ja, irgendwann hast du dann die Chance, dass du, ja, jemand mal triffst, große Häuser, sie dann doch mal die Gnade habe, zu dir zu kommen, oder sich zufällig dorthin verirrt haben, und dann denken sie: »Mensch, [Name des Designers] kenne ich doch, da hab ich doch öfter schon von gehört«, das ist ein aufwendiger und mühseliger Prozess, aber (…) Stück für Stück geht es voran, wenn man in der Lage ist, auch all die Versprechungen, die man hat, zu halten. D. h., ein ordentliches Produkt zum ordentlich angesagten Termin auch zu liefern, das ist ja dann der nächste Schritt. Was nützt es dir, wenn alle Welt dich kennt und du ’ne tolle Marketingabteilung hast, ’n tollen Namen, aber alles andere dahinter stimmt nicht. Das muss, sollte schon miteinander einhergehen, um langfristig auch etwas aufzubauen. (ID11, 00:21:07)

Die Einkäufer wählen aus zeitökonomischen Gründen nur die für sie wichtigsten Messen und Fashion Weeks aus, um relevante Stilrichtungen zu begutachten. Daher ist es für die Designer wichtig zu verstehen, an welchen Events die Einkäufer ihres Segmentes teilnehmen, damit sie ihre Produkte dem passenden Publikum präsentieren können, denn nur so erhöhen sie ihre Chancen, auch Bestellungen zu bekommen. In dem nächsten Beispiel ist zu erkennen, dass nicht nur besondere Events relevant sind, sondern auch einzelne Städte eine besondere Bedeutung für Designer und das Produktionsnetzwerk haben: Ja. Na ja, weil die Leute, die uns einkaufen, die kommen von überall aus der Welt, aber die kommen alle nach Paris. Das ist die einzige Stadt, die sie, die auf ihrem Kalender … Ich meine klar, manche fahren auch mal nach New York, die anderen mal nach London, aber es ist nie so regelmäßig und so konstant. (ID03, 00:14:17)

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

Der Laden Die Suche nach Verkaufsstandorten ist wichtig, um höhere Umsätze zu generieren und das Label einem größeren Publikum bekannt zu machen. Diese Suche erfolgt nicht nur über Einkäufer und Modemessen; nicht alle Ladenbesitzer besuchen regelmäßig Messen. Für die Designer, die sich für den Onlineverkauf und den Verkauf in anderen Läden entschieden haben, kann diese Suche auf verschiedenen Wegen erfolgen: Neue Läden können durch persönliche Kontakte und Freundschaften in der Branche gefunden werden (ID14, ID13); Direktkontakte prägen einen Teil dieser Beziehungen (ID02, ID09, ID13), d. h., der Laden kontaktiert den Designer oder umgekehrt, der Designer stellt sich im Laden vor; eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Suche nach neuen Läden Vertriebsagenturen übertragen wird (ID12), sodass der Designer sich nicht selbst darum kümmern muss. All diese Möglichkeiten können auch gleichzeitig in Betracht gezogen werden. Besteht ein persönlicher oder freundschaftlicher Kontakt zwischen Designer und Ladenbesitzer, ist die kommerzielle Beziehung elastischer als unter anderen Umständen. Der Designer kann in jenem Laden mehr experimentieren (ID13), da die Präsenz seiner Stücke dort nicht nur mit ihrem Verkaufserfolg verbunden ist. In anderen Fällen schlagen die Designer Sonderstücke für einen bestimmten Laden vor (ID02). Persönliche Beziehungen, sowohl mit dem Ladenbesitzer als auch mit anderen Akteuren im Produktionsnetzwerk, können als wesentliches Element betrachtet werden, um die immaterielle Komponente des Wertes und das Image des Labels zu entwickeln: Bei uns ist es halt wirklich alles persönlich, d. h., wir sind in jedem Laden gewesen, wir haben unsere Sachen gezeigt, wir kennen die Leute, wir haben mit denen Kaffee getrunken. Wir wissen, wo die Sachen hängen, was das für Leute sind. (ID06, 00:54:07)

Beziehungen zu den Ladenbesitzern Einkäufer und Ladenbesitzer können Designern nützliches Feedback geben (ID24, ID10, ID12, ID06, ID02, ID20), um die Produktion der Kollektion, einzelner Stücke oder des Designs so zu verbessern, dass die verkauften Mengen steigen und sich so die kommerzielle Beziehung weiterentwickeln kann. Diese Art von Feedback kann auf Messen stattfinden, aber auch während des ganzen Jahres, denn Ladenbesitzer fordern einzelne Stücke, die sich gut in ihrem Laden verkaufen, erneut an, und die Designer können aus den Rechnungen, die an die Läden gehen, Schlüsse darüber ziehen, was sich gut verkauft (ID06). Die Feedbacks und die Reaktionen der Einkäufer auf die Produkte fallen nicht immer positiv aus. Es kann auch passieren, dass die Idee eines Stückes oder einer Kollektion von den potenziellen Einkäufern nicht verstanden wird und die Promotion einer bestimmten Kollektion oder einer Designidee im konventionellen Rahmen deswegen schwierig wird:

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Berliner Moden [D]ie Hosen haben jetzt nicht den typischen Bügelsex, also ab und an sehen welche gut aus auf dem Bügel, aber ab und an sehen sie auch normal aus (…) Und gut aussehen tun die Hosen erst am Kunden, das ist auch Sinn und Zweck der Geschichte, wenn sie nur am Bügel gut aussehen, dann bringt’s einem nichts. Und die Einzelhändler kümmern sich nicht so sehr um Kunden, sondern die wollen einfach, du sollst reinkommen, kaufen und rausgehen, ja? Das interessiert sie nicht so unbedingt, ob du zufrieden bist oder nicht. Sie wollen gucken [lacht], zack, hier, Geld einnehmen, ja, und dann haben wir gesagt: »Es lohnt sich nicht, die Messe ist zu teuer, wir verkaufen lieber an unsere eigenen. (ID25, 00:16:30)

Darüber hinaus können die Rollen von Designer und Ladenbesitzer nicht immer als voneinander getrennt verstanden werden. Ein Designer, der einen Laden betreibt, wird sowohl als Designer seiner Kollektion angesehen als auch als Ladenbesitzer, der andere Labels sucht, um deren Produkte in seinem Laden zu verkaufen (ID25). Auch in diesem Fall kann man sowohl persönliche und freundschaftliche Beziehungen als auch formellere und professionellere Beziehungen unterscheiden (ID10, ID17).

6.2.2 Fashion Weeks und Berliner Fashion Week Wie aus den Interviews ersichtlich, haben die Designer unterschiedliche Meinungen über Messen und Fashion Weeks. Messen und Events, die in der Regel zweimal im Jahr stattfinden, spielen für das Produktionsnetzwerk des Modedesigns zwei wichtige Rollen: Sie haben eine Verbindungsfunktion zwischen Designern und anderen Akteuren im materiellen (Einkäufer) und immateriellen (Presse) Produktionsprozess, außerdem spielen diese Events eine Rolle als Kontext bzw. Rahmen, in dem vertikale und horizontale Beziehungen entwickelt werden: »[T]he fashion sensibilities concentrated in AFW [Australia Fashion Week; M.C.] help in reproducing a fashion-based system of consumption and contribute to the development of coherent consumer judgements about fashion and luxury consumables. These, in turn, work to increase consumer valuations – and therefore the prices consumers are willing to pay for products – and to stabilise the volatility of fashion markets. Media involvement is crucial to this process, not only as a source of information about fashion-related commodities, but also as a means of linking producers’ expectations of the product market to consumers’ valuations of production; that is, to roughly coordinate audience judgements to the aesthetic standards of fashion design elites. [E]vents like AFW can be understood as creating new economic spaces that unite a diverse trans-sectoral complex of industries and specialisations in loose organisational relationships.« (Weller 2008, 117 f.)

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In diesem Zitat wird die verbindende Rolle der Events in zwei unterschiedlichen Aspekten aufgezeigt: Auf der einen Seite ermöglichen die Modeevents Begegnungen und diverse Austauschformen zwischen den Akteuren verschiedener Produktionsphasen und verschiedener Herkunft. Auf der anderen Seite bilden sie eine sowohl symbolische als auch materielle Interaktion mit den urbanen Orten, an denen sie stattfinden. Wenn die Modeevents als Räume der Begegnung berücksichtigt werden, müssen die verschiedenen Interaktionsformen hervorgehoben werden. Skov (vgl. 2006, 770) identifiziert drei mögliche Begegnungsarten auf diesen Events: Geschäftstreffen, d. h., um Bestellungen zu vereinbaren; Treffen, um eine schon bestehende Beziehung zwischen Designer und Einkäufer aufrechtzuerhalten; Treffen, um Informationen über Trends, Märkte und Technologien zu gewinnen. Durch diese verschiedenen Interaktionsformen werden nicht nur die unternehmerischen Beziehungen für die Branche relevant, sondern auch die damit generierten Wissensflüsse und Symbolkonstruktionen. Um Events und Messen in dieser Perspektive beschreiben zu können, sind neben dem bereits eingeführten Begriff des temporären Clusters (vgl. Bathelt 2006; Bathelt et al. 2004; Maskell et al. 2004; Schuldt / Bathelt 2009) auch cyclical cluster (vgl. Power / Jansson 2008) und field configuring events (vgl. Lange et al. 2014; Lampel / Meyer 2008) geläufig. Mit diesen Begriffen werden Raumbeziehungen und die Wissensproduktion in Clustern theoretisch erfasst, wobei räumliche Nähe als dynamisches Element der Ausgestaltung von Produktionsstrukturen und zugeordneten Akteursbeziehungen verstanden wird. Die Fashion Weeks sind ein gutes Beispiel für diese Dynamik (vgl. Weller 2008; Rantisi 2004; Skov 2006; Entwistle / Rocamora 2006; Skov / Meier 2011). In ihrer Verbindung mit den Städten fördern Messen und Fashion Weeks die lokale Modebranche. Gleichzeitig konkurrieren sie mit anderen Städten um die Aufnahme in das internationale Netzwerk der Mode und die symbolische Dominanz innerhalb ihrer Region (vgl. Weller 2008). Dies kann dank der Arbeit mehrerer Akteure realisiert werden, die direkt an dem Event teilnehmen (Designer, Einkäufer, Pressevertreter), ferner auch durch die Vernetzung von Institutionen (d. h. der Messen selbst, der Modedesignschulen, der Blogs, der Magazine und Institutionen zur Koordination der lokalen Modebranche, z. B. Camera Nazionale della Moda in Mailand, Federation Française de la Couture in Paris und British Fashion Council in London). Diese Akteure tragen zur Steigerung des symbolischen Werts der Modedesignprodukte bei, sodass die jeweilige Positionierung zwischen Industrie und Kunst dieser Branche durch die Realisierung von Nischen und spezialisierten Events laufend modifiziert wird (vgl. Rantisi 2004). Einige Fashion Weeks, die in den Modehauptstädten (Paris, Mailand, London, New York) organisiert werden (vgl. Weller 2006a), haben globale Bedeutung und spielen eine zentrale Rolle für die Mode im Allgemeinen und ins-

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besondere für wichtige Marktsegmente, gleichzeitig haben sie nicht unbedingt dieselbe Bedeutung auf der kommerziellen Ebene (vgl. Skov 2006).13

Berliner Fashion Week und andere Events: wahrgenommene Unterschiede In Berlin findet seit 2007 die Fashion Week14 statt, die aus mehreren Messen und Events (hauptsächlich B2B) besteht. Weitere unabhängige Messen, unter demselben Dach, nutzen die Anziehungskraft des Hauptevents im Sinne eines wechselseitigen Verstärkungseffekts. Während der Fashion Week in Berlin finden hauptsächlich Events statt, die an verschiedenen Segmenten (Streetwear, Öko-Mode, Premium usw.) orientiert sind. Dazu gibt es unabhängige Events und Showrooms, die einzelne Kollektionen in der Stadt vorstellen, obwohl dies außerhalb der dafür bestehenden organisatorischen Strukturen geschieht. Diese Art von Events basiert auf der Kopräsenz von drei Akteursgruppen (Designern, Einkäufern und Vertreter der spezialisierten Presse), die mit ihrer Anwesenheit und zusammen mit der Anziehungskraft des Events auf ein breiteres, meist internationales Publikum zielen. Daraus leiten sich die Bewertungskriterien des Eventerfolgs und folglich der Stadt ab, die das Event veranstaltet. Unter den interviewten Designern, die auf Messen ausstellen, kann man zwei Hauptgruppen identifizieren, die sich danach unterscheiden, wo sie ihr Produkt positionieren: Entweder stellen sie es auf der Berliner Fashion Week oder gehen nicht nach Berlin, sondern präsentieren ihr Produkt auf der Paris Fashion Week .15 Ich werde mich zuerst auf die Schilderungen jener Designer konzentrieren, die nicht in Berlin ausstellen, sondern hauptsächlich in Paris, und danach auf die andere Gruppe.

13 | Skov (vgl. 2006, 765) unterscheidet vier Achsen, die dabei helfen können, die Fragmentierung der Modeevents und ihre Rolle im Netzwerk der Mode einzuordnen: Die erste Achse beschreibt, welche Art von Bekleidung auf der Messe präsentiert wird; die zweite bestimmt das Marktsegment; die dritte stellt die unterschiedlichen Positionen der Messe in der Wertkette dar; die vierte bezieht sich auf die räumliche Verteilung dieser globalen Branche. 14 | In dieser Arbeit wird hauptsächlich die Berliner Fashion Week behandelt, da dieses Event in Berlin stattfindet und sich fast jeder Berliner Designer damit konfrontiert sieht. Es wird hier aber nicht davon ausgegangen, dass alle Berliner Designer bei diesem Event ausstellen. Vielmehr ist die Fashion Week Teil der Modebranche in Berlin und wirkt an der Gestaltung des Images des kreativen Feldes, insbesondere für diese Branche, mit. 15 | Dies sind die beiden wichtigsten Events für die Berliner Modedesigner, die (wie schon gesagt) auch an anderen Events teilnehmen; es wurde aber in dieser Forschungsarbeit kein weiteres Event identifiziert, dass aufgrund der Relevanz für die Desginer und des Kontrasts in der Wahrnehmung für die Designer ebenso relevant ist.

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Die wichtigsten Ablehnungsgründe der Designer gegenüber der Berliner Fashion Week beziehen sich auf das Publikum, das aus Akteuren der Medien und aus einer relativ kleinen Anzahl an Einkäufern besteht. Darüber hinaus wird bemängelt, dass die meisten Einkäufer fast ausschließlich aus dem deutschsprachigen Raum kommen, sodass das Event eher regionale als internationale Bedeutung hat (ID20, ID14, ID19, ID09, ID18, ID03, ID16). Außerdem sind einige auch der Meinung, dass eine Fashion Week nicht benötigt wird, um aus einer Stadt eine Modestadt zu machen (ID20, IE03). Die wichtigste Alternative zu Berlin ist die Fashion Week Paris, die auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen wird, sowohl was die Anziehungskraft als auch was die Chancen und Handlungspotenziale der Designer betrifft: [Interviewer: What is the difference between Paris and Berlin Fashion Week?] You can’t compare it. (…) is a completely different level, like you are talking about tens of thousands of people who earn their living, earn their salary and feed their families via this one city, or a couple of cites, Paris, Milan, New York. And the reason why there is so few cities is because it needs to work, right? You’ve got people coming from all around the world and they have to meet once every six months and it can’t meet in every city, they’ve got to meet in one city. That´s why there’s only two or three, there can’t be, I don’t know, Dortmund Fashion Week, there can’t be, I don’t know, Trapani Fashion Week, you know what I mean? It got to be really really concentrated, because I mean flights are expensive and if you travel from Japan to Paris that’s a lot of money, you know, and you have to be able to visit the right people and see the right things, and so it’s got to be concentrated, it’s got to be in a handful of places, it can’t be everywhere, it just can’t. (…) it’s like I said, me racing against Michael Schumacher, and I can’t even drive. (ID20, 00:31:05)

Einige Designer kritisieren an der Berliner Messe die Abwesenheit einer Plattform, die für ihre Produkte geeignet ist, oder dass das Publikum nicht zu den angebotenen Produkten passt. Dadurch werde unter anderem der B2B-Anspruch der Events gefährdet. Die gesamte Veranstaltung bewege sich in Richtung eines Unterhaltungsformats (ID04, ID18, ID01, ID16). Dies vermittele eine negative Konnotation der Berliner Fashion Week für solche Designer, die mehr auf ein internationales Publikum hin orientiert sind: [Interviewpartner 1] Also da muss man vielleicht auch ’n bisschen differenzieren, und zwar … es hängt natürlich auch von der Marke ab. Also Bread & Butter ist schon, würde ich sagen, vergleichsweise, also für Deutschland vielleicht schon eine gute Messe, um einfach …, aber nur bestimmte Labels zu präsentieren, die wirklich viel Mainstream machen, die Streatwear machen. Für sie lohnt es sich schon jetzt in Berlin auszustellen, ja weil, da wird wahrscheinlich schon irgendwie gekauft. [Interviewpartner 2] Es hängt vom Segment ab, wir machen Avantgarde und wir machen hochwertige Segmente, da passen wir erstens gar nicht auf die Messen, die in Berlin da sind, weder auf Premium, noch auf

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Berliner Moden Bread & Butter (…). Es gab ein paar kleinere avantgardistische schöne Sachen, die aber nicht funktioniert haben, und es fehlt einfach die Platform für sowas wie uns. Also da gibt’s eigentlich nur in Mailand oder in Paris Sachen, aber auch in London oder New York. [Interviewpartner 1] Also eigentlich überall außer Berlin. (…) [Interviewpartner 2:] Aber klar, ich mein, wenn man was anderes macht, und man jetzt wirklich Jeans, Streatwear oder Mainstream macht, dann kann Berlin schon interessant sein. (ID03, 00:04:05)

Es fehlen somit in Berlin wichtige Plattformen für verschiedene Marktsegmente, zum einen weil sich einige der Berliner Designer nicht in Berlin präsentieren, zum anderen weil eine größere Anzahl an Einkäufern nicht nach Berlin kommt, insbesondere die internationalen. Im nächsten Interviewbeispiel stellt der Befragte die wichtigsten Kritikpunkte an der Berliner Fashion Week heraus, die die Berliner Designer veranlassen, nach Paris zu gehen: Die Leute kommen auch gar nicht hierher. Die meisten Leute, die nach Berlin kommen, sind Leute, die entweder selber in der Mode arbeiten, weil sie Designer sind, oder, ja, halt in relativ großen … also Kaufhaus-artige Geschäfte. Solche Einkäufer kommen immer, und ich hab’ aber den Eindruck, dass die wirklich nach Berlin nur kommen, um hier Party zu machen. Also es ist die Allererste (…), das ist wirklich sehr, sehr früh, es ist zeitgleich mit den Männerschauen in Paris, was auch schon mal … also finde ich gar nicht gut. Deswegen, wirklich wichtige Leute sind zu dem Zeitpunkt in Paris und schauen sich die Männerschauen an und kommen nicht nach Berlin. Die Leute, die hierher kommen, wie gesagt, eröffnen sozusagen den Tanz und machen Party und gehen wieder und denken sich: »Cool, die Saison ist eröffnet«, und das ist halt wirklich sehr, sehr früh, das ist auch ein enormes Problem, also da kommt man logistisch immer im Laufe einer Kollektion ganz schön, also, das ist Megastress, wenn man in Berlin [was] zeigen will. (…) [E]s ist Januar schon, Mitte Ende Januar ist es. Und im Juli, im Sommer, ist es Juli, Anfang Juli schon, da kommen wir mit unseren Zeiten total durcheinander, also wir müssen (…) im Februar unsere Sommersachen, im Juli unsere Wintersachen ausliefern. Wenn wir jetzt Anfang Juli mit der nächsten Kollektion mit der Musterung fertig sein, das ist total ungünstig also, und es bringt uns nichts, also bei dem, was es kostet, die Resonanz, die wir bisher hatten, war wirklich gering in Berlin und also größer in Paris einfach. Und deswegen haben wir beschlossen: »Okay, wir zeigen einfach in Paris und das reicht«. (ID18, 00:21:27)

Das Zitat weist auf interne Schwierigkeiten der Organisation der Berliner Fashion Week als Plattform für bestimmte Produkte hin, aber auch auf Schwierigkeiten der Organisatoren, sich sowohl zeitlich als auch logistisch in das branchenspezifische Eventnetzwerk des Modedesigns einzufügen, sodass ein relevantes internationales Publikum zuverlässig angezogen werden kann. Dies liegt, gemäß Auskunft einiger Designer, hauptsächlich an der zeitlichen Positionierung der Fashion Week: sehr frühzeitig im Vergleich zu ähnlichen Events sowie zeitgleich zu anderen wichtigeren Events (Männermodekollektionen wer-

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den beispielsweise in Paris fast gleichzeitig gezeigt) (ID03). Dieses Dilemma spiegelt sich auch in den strategischen Entscheidungen der Designer wider, die aufgrund der Positionierung ihrer Produkte und der Einbettung in spezifischen professionellen Netzwerken spezifischer Modesegmente eher in Paris als in Berlin präsentieren.

Merkmale der Berliner Fashion Week Während der Fashion Week finden, wie schon erwähnt, mehrere einzelne Messen statt, die verschiedene Segmente der Mode abdecken (ID08, ID14): Auch Showrooms und Ausstellungen von Produzentengruppen oder Einzeldesignern sind hier zu nennen. Dementsprechend sind die Ausstellungsorte räumlich stark fragmentiert. Dies zwingt die Besucher, die mehr sehen wollen oder mehrere Kunden betreuen möchten, lange Wege zwischen den Veranstaltungsorten in Kauf zu nehmen (ID01). Diese räumliche Allokation hängt sicherlich von der Präsenz verschiedener Messen und von den Entscheidungen ihrer Veranstalter sowie der einzelnen Designer ab, ihre Konzepte in passenden Räumen zu präsentieren. Darüber hinaus trägt aber auch die dezentrale Stadtstruktur Berlins dazu bei, dass die einzelnen Aktivitäten während der Fashion Week quer über etliche Bezirke der Innenstadt verteilt stattfinden. Die Möglichkeit, Messezentren für Veranstaltungen der Fashion Week zu nutzen, würde diesen Nachteil sicherlich kompensieren, aber dies würde die Originalität und Unabhängigkeit reduzieren, die die Designer bevorzugen, wenn sie Ausstellungen in Ateliers, Showrooms oder an selbst ausgewählten Orten stattfinden lassen. Um in den offiziellen Events zu präsentieren, können die Designer ihre Kosten und eventuelle Zulassungsbeschänkungen mithilfe ihrer sozialen Kontakte zum Teil umgehen. Z. B. können sie sich in Gruppen oder Kollektiven zusammentun, sodass die Teilnahmekosten für ein einzelnes Label verringert werden (ID23). Andere Designer nutzen die Kontakte ihrer PR-Agenturen, um (ermäßigte) Slots zu bekommen: Eigentlich ist es schon immer, man muss sich bewerben und wird eben ausgewählt (…), in Berlin ist es auch so, dass die IMG, also die Firma, die sozusagen das Ganze organisiert, glaub’ ich, auch ’ne Auswahl trifft. Ich hab das nie so richtig mitgekriegt, weil natürlich durch meinen PR-Agenten, der gut mit denen schon verbandelt ist, ist das jetzt, war das nicht so schwierig, also der hat sich da auch ’n bisschen drum gekümmert. (ID22, 00:27:22)

Die Teilnahme an offiziellen Events und Messen der Fashion Week ist oft mit hohen Kosten verbunden, die sich kleine Designer häufig nicht leisten können. Es gibt aber auch Finanzierungshilfen und Vergünstigungen (IE09). Da die Modalitäten ihrer Inanspruchnahme und die Auswahlkriterien den Desig-

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nern nicht immer klar sind, entsteht bei ihnen der Eindruck, dass immer die Gleichen die ermäßigten Slots bekommen (ID13). Einige Designer entscheiden sich für einen anderen Weg, um sich auch ohne offizielle Teilnahme sichtbar zu machen. Sie organisieren selbst Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Eventrahmens und beziehen von Fall zu Fall auch andere Designer in ihr Projekt mit ein. Die folgende Interviewpassage beschreibt, wie der Designer einen Modeflashmob an Orten organisiert, an denen Schlüsselevents der Fashion Week stattfinden: Es hat nicht wirklich was gebracht jetzt für das Label, aber das war ein Spaß und das war extrem low budget. Also die haben das alle umsonst gemacht, mit Tausch gegen Klamotten oder mit Tasche und es gab jemanden, der gefilmt hat, umsonst halt alles, also das war halt echt cool (…) Berlin ist ja da auch eigentlich empfänglich für so was. (…) Es gab dann einen Tag, wo wir bei Kult Pur das gemacht haben, also da haben wir ’nen kleinen Lauf gemacht und da hatten wir sogar ’ne Band dabei, die so Swing gespielt hat, irgendwie, die sind dann mit uns mitgelaufen, das war super. Das war einfach ’ne schöne Aktion, gebracht hat nicht viel. (ID13, 00:28:22)

In diesem Sinne finden während der Fashion Week offizielle wie auch informelle modebezogene Veranstaltungen statt. Um mediale und kommerzielle Relevanz zu gewinnen, müssen jedoch alle drei Akteurshauptgruppen (Designer, Einkäufer und Pressevertreter) anwesend sein. Das Publikum der Fashion Week ist ein Thema, bei dem die Meinungen der Designer geteilt sind: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die ein spezialisiertes und exklusives Publikum haben möchten, das nur aus fachbezogenen Teilnehmern besteht (ID03, ID18), eine andere Gruppe fordert eine größere Öffnung der Events für alle geschäftlich und privat Interessierten, sodass Ähnlichkeiten zwischen Fashion Week und Berlinale entstünden (ID23, ID12). In diesen beiden Positionen zu der Frage des Publikums erkennt man zwei generelle Einstellungen der Designer gegenüber dem Event und dementsprechend den professionellen Beziehungen, die dort entstehen oder gepflegt werden sollen: Einige sind hauptsächlich geschäftsorientiert und nutzen die Messe als Ort der Begegnung, um Bestellungen von Einkäufern zu generieren, während andere ihre Produkte zeigen und sich über die Produkte der anderen informieren wollen, ähnlich wie sich die Bevölkerung oder Direktkunden dem Modedesign nähern. Als Tendenz ist in den Interviews zu erkennen, dass Erstere in der räumlichen Dimension ihrer Distributions- und Verkaufsnetzwerke von extraurbanen und internationalen Maßstäben ausgehen, während Letztere sich auf die regionale und lokale Ebene konzentrieren. Unabhängig davon schafft die Präsenz eines Events wie die Fashion Week den Berliner Designern eine Plattform, an der sie zum einen durch die räum-

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liche Nähe leicht teilnehmen können und die ihnen zum anderen die Chance bietet aufzufallen: Na dadurch, dass wir selber aus Berlin sind, ist es natürlich für uns insofern bedeutungsvoll, weil wir hier sozusagen am besten uns selber repräsentieren können, das is’ ja jetzt nochmal ’ne andere Nummer, als wenn wir nach Amsterdam fahren, in Amsterdam war ich jetzt auch schon. Also, es ist einfach eine Möglichkeit, den Besucherstrom zu nutzen und (…) seine Sachen zu zeigen und, dadurch dass hier immer wichtiger wird, international auch, spielt es für uns ’ne ziemlich große Rolle doch. Also es entscheidet sich schon auch gerade zur Berliner Fashion Week und eben in den paar Wochen danach, wie unser weiteres Jahr aussieht, auf jeden Fall, finanziell und arbeitstechnisch. (ID12, 00:19:10)

Es darf nicht vergessen werden, dass sich so ein Event in das internationale bzw. globale Netzwerk der Mode einfügen muss, wenn es einen positiven Einfluss auf die ökonomische Seite des Modedesigns haben soll.

Offizielle Teilnahme an der Fashion Week Messen und Fashion Weeks generieren dank der Anziehungskraft auf (branchenbezogene) Touristen Vorteile für die Stadt im Allgemeinen (vgl. IBB 2011; Entwistle 2010; Schuldt / Bathelt 2009; Skov 2006; Weller 2008), aber auch das allgemeine Interesse für Modedesign wird gefördert, was von einigen Interviewpartnern auch erkannt wurde (ID15, ID17, ID04). Darüber hinaus wird die Messe von den Designern als Gelegenheit gesehen, um Informationen über Akteure und Stile zu gewinnen, da Designer mit einem Laden auch als Einkäufer auftreten (ID10, ID25). Designer, die an diesem Event teilnehmen, haben zur Berliner Fashion Week sowie zu den anderen Akteuren während des Events unterschiedliche Beziehungen. Dies soll im Folgenden herausgearbeitet werden, um die von ihnen eingenommenen Haltungen gegenüber dem Event zu verdeutlichen. Die Teilnahme an den Messen besteht aus zahlreichen Interaktionen mit Kunden (Direktkunden oder Einkäufern je nach Art des Events), die nicht nur den Verkauf fördern, sondern auch ein nützliches Feedback zur Kollektion geben und zum Informationsaustausch beitragen (ID24). Für die Designer gewinnen die Messen dank der Interaktion mit den zwei anderen Hauptteilnehmergruppen (Einkäufern und Pressevertretern) an Bedeutung. Einkäufer, die Bestellungen für die nächste Saison aufgeben müssen, besuchen nur die Messen, die für sie relevant sind. Designer müssen dort ausstellen, wo die Einkäufer (oder Direktkunden) ihres Segmentes hingehen, d. h., sie müssen sich in den passenden Formaten positionieren, wo dann auch ihre direkten Konkurrenten vertreten sind (IE04, ID03, ID16, ID11, ID08):

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Berliner Moden Well, we just go where our clients are. It’s not a question of choosing Berlin or Paris, we go where our clients are and our clients for one reason or another don’t come to Berlin to look at the collections or to find things, new things. And we’ve been really successful at Paris so far, so we’re gonna continue going there and then maybe when the label is a little bit bigger then we go to another established capital like Milano, but Berlin, if we do something like I said, it’s gonna be something fun and cocktail or something and for a little bit of press here. (ID20, 00:38:26)

Betrachtet man die Beziehung zwischen Designern und Presseleuten, trägt die Messe dazu bei, den Namen des Labels bekannt zu machen, damit man als Modedesigner auch anerkannt wird. Die Beziehungen zur Presse sind daher sehr wichtig für die Designer. In den Präsentationen wird die eigene Kollektion Einkäufern und Pressevertretern gezeigt (ID07, ID11, ID02), aber natürlich wächst das Publikum, wenn der Designername bekannt ist: Eine Möglichkeit ist tatsächlich: Modenschauen. Also, es gibt nicht so viele Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen in der Modebranche. Man muss an den großen Schauen teilnehmen, wenn hier irgendwie Fashion Week ist, dann ist es gut an der Fashion Week teilzunehmen, eine Modenschau bei der Fashion Week zu machen und dann kommt natürlich die Presse, ne. Wenn die Presse über dich schreibt, hast du gute Karten, und wenn nicht, warst du nie da gewesen.« (ID15, 00:12:53)

Presseberichte sind eine wichtige Voraussetzung, um die Aufmerksamkeit der Einkäufer zu gewinnen. Dadurch wächst die Zahl der Bestellungen, wodurch wiederum das Interesse der Fachpresse zunimmt. Damit wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der nach der Anfangsphase von allein Fahrt aufnimmt. Die Rolle des Designers besteht zu Beginn in der Aktivierung dieses Prozesses, danach geht es nur noch darum, ihn am Laufen zu halten. Designer entwickeln eigene sich stabilisierende Beziehungen zu beiden Gruppen: Beziehungen zur Presse schaffen neue Beziehungen zu weiteren Journalisten; Ähnliches gilt für die Beziehungen zu den Einkäufern.16 Deswegen sind Erkenntnisse darüber wichtig, welches die wichtigsten Events, Einkäufer und Konkurrenten sind, um sich erfolgreich auf dem Markt zu positionieren. Aber nicht alle neuen Designer sind sich dessen bewusst und die Informationsbeschaffung ist oft das Ergebnis eines Trial-and-Error-Prozesses, der Zeit braucht. Ein Beispiel dafür, wie die Beziehung zwischen Designer und Einkäufer organisiert ist, liefert der folgende Interviewausschnitt. 16 | Dieser Perspektive können folgende Behauptungen zugeordnet werden: »Modeschauen sind schön, um sich einen Namen zu machen in der Stadt, aber sie bringen kein Geld.« (ID15, 00:11:48) Und: »auf der Messe, wenn dich niemand kennt, kommt auch niemand« (ID11, 00:37:14).

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

Er verweist auf das Pendeln der Designer zwischen stabilen und neuen Beziehungen, die das Image des Designers im Allgemeinen und auch auf der Messe beeinflussen: Und ’ne Messe ist ja auch ’n guter Ort, wenn ich ’n gutes Haus habe oder wenn ich immer aufmerksam bin, aufmerksam beobachte, was auf dem Markt passiert, fahre ich auf Messen, für mein Modehaus. Ich muss mich orientieren, was gibt es Neues? Wie fängt die Saison an? Vieles ist noch im Wandel, meine alten Firmen will ich nicht mehr, die bringen nichts mehr, die haben keine Bewegung mehr, keine Innovation. Alles ist in Bewegung, die Messe ist ’ne gute Chance, Leute kennenzulernen. Aber es ist auch schon gut, ein paar zu kennen, damit es nicht zu leer auf deinem Stand aussieht, und alles andere ist Arbeit: rumfahren, Kunden suchen, Kollektion vorstellen, versuchen, sie in das Haus zu kriegen, das ist dann wirklich die Arbeit, die dann erst richtig beginnt. Alles andere ist Show, und Mode muss wichtig sein, sonst kauft sich niemand mehr Klamotten, deshalb müssen all die Dinge passieren, die meisten Sachen auf dem Laufsteg zieht ja hinterher kein Mensch mehr an. Wenn du siehst, was irgend ’n bekannter Designer auf dem Laufsteg macht, und dann geh mal ins Geschäft und dann guck dir das an, bist du total enttäuscht, weil dann absoluter Kommerz dort hängt, bis auf ein paar abgefahrene Teile. (ID11, 00:40:09)

Keine offizielle Teilnahme an der Fashion Week Nicht für alle Designer stellen Messen und Fashion Weeks einen wesentlichen Teil des Produktionsnetzwerks dar, da die Arbeitsweise in einigen Produktionsstrukturen während der Phase, die mit Bestellungen und der Produktion von Kollektionen bei Manufakturen oder Schneidern zu tun hat, dies auch verhindern kann. Das betrifft z. B. Designer, die Einzelstücke oder Kleinserien herstellen (ID21, ID02, ID04, ID17), aber auch Designer, die schon über ein Distributionsnetzwerk und Läden verfügen und kein Interesse an einem weiteren Wachstum haben und daher auch keinen konkreten Vorteil in den Messen sehen: [in einer Messe ausstellen] Nee, nicht mehr, ich hab’ früher mit meiner Freundin zusammen das gemacht, aber keine Lust mehr. [Interviewer: Warum keine Lust?] Weil das Quatsch ist. (…) Du brauchst einen Vertrieb dafür und dann kann man das vielleicht machen, aber nicht so einfach, und dann hoffen, dass irgendjemand kommt und, man könnte das vielleicht mal machen, aber zurzeit nicht. Das ist auch irrsinnig teuer, so ’ne Messe kostet auch irgendwie ’n Schweinegeld. (…) man muss wissen, wo man hin möchte (…). Er [ein hypothetischer Designer] (…) hat ja nicht das Bestreben, rauszugehen und groß zu werden, dann, also, wenn man das machen möchte, dann braucht man eine Messe, aber sonst nicht. (ID10, 00:19:07)

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Die Designer, die an Messen teilnehmen, wollen das Interesse der Einkäufer wecken, obwohl ihnen auch bewusst ist, dass die Vorbereitung und Durchführung ihres Auftritts Zeit in Anspruch nimmt. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, fordert die Präsenz auf der Messe Solidität und Kontinuität. Deswegen benötigt der Designer eine unternehmerische und produktionsbasierte Strategie, die über eine Saison hinausgeht, d. h. mindestens eine mittelfristige Planung. Einkäufer beobachten am Anfang neue Designer nur, um sicher zu sein, dass die Qualität der Produkte stabil gehalten wird, und auch um zu herauszufinden, wo diese Anbieter ihre Produkte sonst noch verkaufen. Denn unter den Ersten zu sein, die Produkte eines neuen Labels bestellen, ist ein größeres Risiko, als bei einem Designer einzukaufen, der schon in einigen bekannten Läden verkauft (ID22). Die ersten Schritte, um das Interesse der Einkäufer zu wecken und eine Reputation aufzubauen, sind daher besonders schwierig für die Designer, sodass eine kontinuierliche Präsenz in den Ausstellungen während der ersten Saisons wichtig ist, um gegenüber den Einkäufern die Stabilität der eigenen Produktion nachzuweisen. Nicht alle Designer sind aber bereit, dieser Logik zu folgen, da sie die oft zu hohen Teilnahmekosten scheuen und eine Teilnahme nur zu geringen Gewinnen führt. Sie entscheiden sich alternativ dafür, im eigenen Atelier auszustellen, sodass sie trotzdem für das Publikum der Messen zugänglich sind und direkte Beziehungen zu den Einkäufern entwickeln können (ID05, ID19), ohne die Kosten für die offizielle Teilnahme an dem Event tragen zu müssen: Es ist viel persönlicher, ja. Das bedeutet nicht, dass ich das für alle Ewigkeiten so mache, aber momentan habe ich das Gefühl, so funktioniert das besser, und das ist auch ’ne Entscheidung gewesen, halt zu sagen: »Ich mache lieber ein bisschen stiller, ich mache ein bisschen abseits von der, jetzt der großen Brimborium mit Fashion Week usw.« Weil das für uns jetzt nicht so unbedingt so wahnsinnig bezahlt macht, so viel so laut zu trommeln, wenn am Ende dann doch nicht so furchtbar viel passiert. Das ist nicht so meine Art und ich hasse auch Messen, das findʼ ich ganz schrecklich, und deswegen hab’ ich auch keine Lust mehr gehabt, auf diese Messe zu gehen und dann in der Stadt irgendwo zu sitzen und zu hoffen zu verkaufen. Dann möchte ich gerne lieber hier ein bisschen präziser das arbeiten, was ich mache, und die Einkäufer treten an mich heran und fragen, ob sie die neuen Sachen sehen können, und dann mache ich Termine, und dann kommen die hierher und bestellen, was sie haben wollen. (ID05, 00:40:53)

Die Teilnahmekosten werden von vielen Befragten als sehr hoch wahrgenommen, sodass nicht jeder bereit ist, in dieses Präsentationsformat zu investieren. Die Möglichkeiten, Zuschüsse für Slots zu beantragen, die für junge Designer reserviert werden, ist nicht allen Designern bekannt und wird auch nicht immer positiv bewertet, denn diese Slots garantieren nach Meinung einiger Interviewpartner keine optimalen Positionen, die eine große Sichtbarkeit verspre-

6 Struktur des Produktionsnet zwerks

chen. Daher ist der Zugang zu potenziellen neuen Kunden ausgerechnet für diejenigen, die ihn am dringendsten benötigen, deutlich begrenzt (ID13, ID19). Folglich nehmen sie nicht an dem Event teil, versuchen aber trotzdem, das Messepublikum anzulocken (z. B. im eigenen Atelier oder durch privat organisierte Veranstaltungen). Zudem erfordert die Teilnahme an einem Event nicht nur Geld, sondern auch Zeit, die nicht jeder bereit ist zu investieren (ID16). Einige Designer versuchen, so wenig wie möglich für die Organisation ihrer Präsentationen auszugeben, und benötigen dafür ein hohes Sozialkapital: Also es ist schwierig, mit anderen Worten es ist sehr schwierig, ohne Geld etwas zu machen als Designer. Egal, in welcher Stadt du bist. Du musst viel Kontakte pflegen, du musst selber viel, viel gucken, klar, Kunden sind sehr wichtig, dass du deine Stammkunden, die bei dir einkaufen, dass die immer wiederkommen, dass die zufrieden sind. Und dass über Mund-zu-Mund-Propaganda viel passiert. Aber das ist ein sehr langer Prozess, also es kann nicht von heute auf morgen passieren. Es passiert alles langsam, langsam, langsam entwickelt sich das. Es sei denn, du steckst da viel Geld am Anfang rein und machst Party, Party, Plakate überall. (ID15, 00:18:17)

Wie es hier dargestellt wurde, können die Teilnahme an Messen und Fashion Weeks und die Interaktionen mir anderen Akteuren der Modebranche verschiedene Formen haben. Dies zeigt sich deutlich in der Struktur des Produktionsnetzwerks, wie es im nächsten Unterkapitel zusammengefasst wird.

6.3 D ie S trukturen des P roduktionsne t z werks Wie im vorhergehenden Abschnitt dargelegt wurde, handeln die Berliner Modedesigner in handwerklich organisierten Produktionsphasen nach klar identifizierbaren Mustern, zeigen eine große Ideenvielfalt und konzentrieren sich nicht nur auf bestimmte Segmente oder Produktionsformen. Anhand der Interviews ist zu erkennen, wie die Strategien und Organisationsformen der Modedesigner auf die Struktur des Produktionsnetzwerks wirken. Die Struktur des Produktionsnetzwerks wird hauptsächlich von den Positionierungsentscheidungen beeinflusst: Wie soll sich das Produkt (und das Label) positionieren, welches sind folglich die geeigneten Märkte und Produktionsformen?17 Die dargestellten Strukturvariationen werden als strategische Entscheidungen zur Positionierung des Produkts und des Raums aufgefasst, während die Variationen in der Anzahl und Art der involvierten Akteu17 | Designer müssen entscheiden, z. B. wenn Einzelstücke oder Kollektionen produziert werden, ob sie auf den lokalen oder internationalen Markt zielen, welches das passendere Produktsegment ist usw.

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re, die mit verschiedenen Strukturen verbunden sind, unter dem Stichwort der professionellen Einbettung thematisiert werden. Wie am Anfang dieses Kapitel vorgeschlagen wurde, sind im Produktionsprozess vier Phasen zu erkennen: 1. 2. 3. 4.

Anschaffung von Stoffen, Designarbeiten und Musterkollektion, Produktion, Vermarktung.

Die Variationen und die strategischen Entscheidungen in diesen Phasen, mit Ausnahme der zweiten Phase, die intern im Label stattfindet (und im nächsten Kapitel thematisiert wird), wurden im Laufe dieses Kapitels präsentiert. Diese Art von Entscheidungen findet in jeder Phase statt, aber die Erkennbarkeit und der Unterschied zu den anderen wird mit jeder Phase deutlicher, und insbesondere in der Produktion und Vermarktung der Produkte werden die verschiedenen Strategien auffälliger. In der Anschaffung von Stoffen können die Designer einerseits Stoffmessen oder Läden besuchen, andererseits direkte Kontakte mit Stofflieferanten haben, die von beiden Akteursarten initiiert werden können. Die passende Zahl und Art der Kontakte, um die benötigten Materialien zu bekommen, werden mit der Zeit, der Erfahrung und der angestrebten Produktart verfeinert. In den Fällen, in denen die Produktion nicht intern im Label ausgeführt wird und die Kollektion nicht aus Einzelstücken besteht, werden dann in der Produktionsphase weitere Akteure involviert. Wenn Designer kleine Kollektionen in ihrem eigenen Laden (oder in wenigen Läden) anbieten, arbeiten sie mehr mit Zwischenmeistern und Schneidern, meistens aus Berlin, wohingegen Designer eher mit Manufakturen arbeiten, wenn die Stücke aus der Kollektion von Einkäufern bestellt werden können. Die Hersteller werden hauptsächlich aufgrund ihrer Spezialisierungen gewählt, während ihre geografische Lage zweitrangig ist, obwohl tendenziell auch Manufakturen in der regionalen oder kulturelle Nähe zu den Designern beauftragt werden. Manufakturen können direkt von den Designern gesucht werden oder mithilfe von Agenturen, die als Vermittler handeln. Schneider und Manufakturen stellen keine jeweiligen Alternativen dar, sondern können auch im Produktionsprozess integriert sein. In der Vermarktungsphase haben sich verschiedene Möglichkeiten zur Positionierung der Produkte (und der Designer) in dem und der professionellen Einbettung in das Produktionsnetzwerk herauskristallisiert: • Designer nehmen an Fashion Weeks und Messen nicht teil, da es für ihre Produktionsorganisation nicht sinnvoll ist.

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• Designer nehmen an Events teil, zeigen ihre Kollektionen aber nicht in Berlin, weil sie dort weder das richtige Publikum noch die entsprechenden Käufer für ihre Kollektionen finden. Diese Gruppe entscheidet sich hauptsächlich für die Pariser Fashion Week. • Schließlich gibt es noch eine Gruppe von Designern, die ihre Kollektionen in Berlin präsentieren, sich aber intern noch dahingehend unterscheiden, ob ihre Teilnahme offiziell oder inoffiziell erfolgt. Aufgrund der (wahrgenommenen) globalen Rangunterschiede zwischen den beiden Fashion Weeks (Berlin oder Paris) offenbart sich in den Entscheidungen der Designer für eine Teilnahme oder Nichtteilnahme an den Events, wie sie sich selbst positionieren. Designer, die in Paris ausstellen, zielen auf ein internationaleres Publikum bzw. Einkäufer (d. h. auch Märkte) und Presse, während sich diejenigen, die sich in Berlin präsentieren, mehr an einem regionalen Publikum, hauptsächlich im deutschsprachigen Raum, orientieren, obwohl es sicherlich Ausnahmen in beiden Fällen gibt. Mit der Phase der Vermarktung wird die Positionierung des Designers und seiner Produkte auf dem Markt und für die anderen Akteure der Modebranche sichtbar. In den früheren Phasen ist die Positionierung mehr eine interne Entscheidung der Designer und Label für eine Strategie, an der die Organisation der Produktionsphasen ausgerichtet wird. In allen Phasen aber sind Entscheidungen über die Positionierung eng verknüpft mit den Beziehungen zu den jeweiligen relevanten Akteuren, d. h. mit der professionellen Einbettung. Die Positionierung innerhalb des Raums variiert stark, wie sich in den Interviews gezeigt hat. Während für die Standortentscheidung der Label auch Elemente des Privatlebens der Designer eine Rolle spielen (vgl. Kap. 7), trifft der Designer seine Entscheidung bezüglich der Raumkonstrukte für die Produktion in Abhängigkeit vom Produkt. Wer Einzelstücke für das Luxussegment anfertigt, kann sicherlich nicht mit drei Manufakturen in China arbeiten, die keine Zwischenprodukte in der erforderlichen Qualität liefern können. Die Vielfältigkeit der Positionierung im Raum erkennt man in den Phasen der Produktion und insbesondere der Vermarktung, in denen der Designer entscheiden muss, wo und wie seine Produkte präsentiert werden und welches die für ihn relevanten Events sind, an denen die für ihn wichtigen Einkäufer teilnehmen. Aus der Kombination dieser Positionierungen ergibt sich dann unter anderem, welche Fashion Week für welchen Designer besser geeignet ist.

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Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 3: Rekonstruktion zweier extrem kontrastierender Falltypen der Struktur des Produk­ tionsnetzwerks der Berliner Modedesignbranche mit den verbundenen Phasen und Akteuren

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6 Struktur des Produktionsnet zwerks

Das hier präsentierte Schema (Abb. 3) zeigt die zwei extremen Ausprägungen hinsichtlich der Produktionsnetzwerkstruktur. Die Anzahl der involvierten Akteure im Produktionsnetzwerk kann deutlich schwanken, sodass sich folglich auch unterschiedliche Komplexitätsgrade der Netzwerkstruktur zeigen. Einerseits findet man sehr einfache Strukturen, in denen alle Phasen der Produktion intern innerhalb des Labels abgewickelt werden. Die Produkte werden in kleinen Serien oder als Einzelstücke realisiert und nur im Laden des Designers verkauft. Andererseits kann das Produktionsnetzwerk eine hochkomplexe Struktur aufweisen, in die viele Akteure einbezogen sind. In diesem Fall beschäftigt sich der Designer hauptsächlich mit einzelnen Phasen der Produktion, z. B. dem Design der Musterkollektion. Selbstverständlich ist er dann zum Teil auch in den anderen Phasen der Produktion involviert, aber weniger aktiv als Designer mit einer einfachen Produktionsstruktur.

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Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Das letzten Kapitel hat sich mit der Struktur des Produktionsnetzwerks und den strategischen Phasen und Akteursbeziehungen auseinandergesetzt, die insbesondere für die Realisierung und Positionierung des Produkts von Bedeutung sind. Die räumliche Komponente hat in der Mode eine besondere Bedeutung, da die Produktion mehrere Ebenen miteinander verbindet: die Erzeugung von Symbolen und materiellen Artefakten, brancheninterne und -externe, lokale und globale Kommunikationsformen und raumzeitlich variable Konfigurationsformen von Akteurskonstellationen und Standorten. Dies ist hauptsächlich auf den Messen und Fashion Weeks zu erkennen sowie auch in einzelnen Städten, die als wesentliche Elemente der Produktion global oder regional relevant sind (sogenannte Modehauptstädte). Sowohl die temporären Events als auch die urbanen Räume müssen dabei gleichermaßen berücksichtigt werden, um die produktive und kreative Organisation im Modedesign in ihrer Verflochtenheit zu verstehen (vgl. Weller 2006a; Entwistle 2010). Während die Beziehungen der Designer in Bezug auf die Messen schon thematisiert wurden, wird nun der Fokus diejenigen zum urbanen Raum und zum kreativen Feld gelegt. Diese Beziehungen heben die vielfältigen Rollen des Designers hervor, der nicht nur Unternehmer, sondern auch Kreativer und Privatperson ist. Die Sphären des Unternehmertums, der Kreativität und des Privaten überlappen sich im Produktionsnetzwerk und fallen insbesondere in der zweiten der hier in Frage stehenden vier Phasen auf: während der Designarbeit und der Realisierung der Musterkollektion. Diese Phase ist von intensiver Aktivität sowohl extern als auch intern im Label sowie von verschiedenen Akteurs- und Beziehungsarten gekennzeichnet. Designer unterhalten dabei vielfältige Beziehungen mit verschiedenen Akteuren aus dem urbanen Kontext und bekommen von der Stadt verschiedene Inputs, die wiederum sowohl die Entscheidung, ihr Unternehmen in Berlin anzusiedeln, als auch ihre kreativen Prozesse und strategischen Beziehungen in dieser Phase stark prägen können.

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In diesem Sinne werden hier die Produktionsnetzwerkskategorien der (insbesondere territorialen, zum Teil aber auch der professionellen) Einbettung, der Positionierung im Raum sowie des Sozialkapitals einbezogen. Insbesondere die Beziehungen der Designer und deren Produktionsnetzwerke mit dem kreativen Feld sind im Folgenden relevant. Bei der in diesem Buch dargestellten Betrachtung der Produktionsstrukturen werden daher auch die sozialen und räumlichen Elemente der Produktion integriert. Solche Elemente wirken dabei mit, die relationale und raumbezogene Netzwerksperspektive der Produktion zu bilden und das Modedesign als kreative Branche zu thematisieren, auch aus dem Grund, dass Kreativität und kreative Prozesse Ergebnisse sozialer Interaktionen und Kontexte sind. Die schon im letzten Kapitel begonnene Analyse der produktionsrelevanten Netzwerke stützt sich auf eine detaillierte Bestandsaufnahme der wichtigen sozialen und ökonomischen Beziehungen, die im Produktionsprozess des Modedesigns eine Rolle spielen. Während das Kapitel 6 die Beziehungen der Designer zu den Zulieferern und Produzenten (Manufakturen und Schneider) sowie zu den Abnehmern (Einkäufer) und Veranstaltern – z. B. von Messen – beleuchtet hat, setze ich mich nunmehr mit den weiteren im Produktionsnetzwerk relevanten Beziehungen auseinander: mit denen zu anderen Designern und Akteuren, die mit dem Entwurf und der Realisierung der symbolischen, immateriellen Komponenten der Produkte beschäftigt sind; mit denen zur Stadt und mit denen der privaten sozialen Sphäre der Designer.

7.1 K ooper ationsbeziehungen Unter dem Begriff Kooperationsbeziehungen werden im Folgenden diejenigen Produktionsphasen und -beziehungen subsumiert, die der Vorbereitung der Instrumente der Produktpräsentation (z. B. das Lookbook, Pressepräsentationen usw.) dienen und zusammen mit der materiellen Serienproduktion und der Vermarktung die Struktur des Produktionsnetzwerks gestalten. In dieser Phase sind die verschiedenen Strategien und Positionen der Designer besonders gut zu erkennen. Diese Kooperationsbeziehungen haben eine räumlich relevante Komponente, denn eine mehr oder weniger ausgeprägte Konzentration der Akteure, die mit den Designern in der Produktionsphase komplementäre Beziehungen unterhalten, und der Konkurrenten, zu denen vertikale und horizontale Beziehungen bestehen, beeinflussen die Entwicklung des impliziten und expliziten Wissenstransfers. Dies wiederum wirkt sich auf die Balance von Wettbewerb und Vertrauen unter den Akteuren aus (vgl. Piore / Sabel 1984; Brusco 1986; Cooke / Morgan 1998; Saxenian 1994; Cohen / Fields 1999; Maskel / Malmberg 1999). Vertrauen und Konventionen zählen im Modedesign in ähnlicher Weise zu den Effekten räumlicher Nähe wie in anderen netzwerk-

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

förmig organisierten Industriebranchen »Manufacturers accrue benefits from the colocalization of competing firms, both directly, in the form of a shared production culture (conventions, norms, and common expectations), and indirectly, through an ability to monitor and track their respective competitors.« (Rantisi 2002, 442, Hervorhebungen im Original). Die Beziehungen zu nicht in den materiellen Produktionsprozess involvierten Akteuren, die aber eine wesentliche Rolle für die Wertschöpfung und für die Vermarktung der Modeprodukte spielen, generieren auf der einen Seite Wissensflüsse zwischen diesen Akteuren und den Designern; auf der anderen Seite binden sie die Designer an das lokale kreative Feld und die professionellen Netzwerke der Modebranche. Dies ist möglich, da diese Akteure (z. B. Fotografen, Models, Grafikdesigner, Stylisten) aktive Rollen in der Produktion und Reproduktion des kreativen Feldes spielen. In geringerem Maße sind während der Konzeptualisierung und Designarbeit und in größerem Maße in den Phasen sukzessiver physischer Realisierungen der Musterkollektion – und zum Teil auch des Produktes – verschiedene Formen der Interaktion und Kooperation sowohl unter Designern als auch zwischen Designern und anderen Akteuren üblich, die mit ihren Tätigkeiten einen Beitrag zur Wertschöpfung und zur mediatischen Diffusion der Designerarbeit leisten.1

7.1.1 Beziehungen innerhalb des Labels Wenn ein Label aus mehreren Personen besteht, werden die interne Produktionsorganisation und die unternehmerischen Tätigkeiten von den persönlichen Beziehungsstrukturen beeinflusst. Es gibt zwei Einstellungen, die der Designer bei seiner Arbeit gegenüber Kollegen und Mitarbeitern haben kann: Auf der einen Seite bevorzugen es einige, die kreative Phase und allgemein die ersten Schritte der Entwicklung einer Kollektion allein zu betreiben, ohne die Mitarbeit von anderen Angestellten oder Mitarbeitern (ID14); auf der anderen Seite gibt es Designer, die ihre Mitarbeiter in die Produktentwicklung einbeziehen sowie mehr Wert auf solche Arbeitsprozesse legen, die an Teamarbeit orientiert sind und einen höheren Grad an Kommunikation und Kollaboration erfordern (ID11, ID05). 1 | Selbstverständlich treten, falls das Label nicht aus einer Einzelperson besteht, produktionsrelevante Interaktionen auch innerhalb des Labels auf. Eine kurze Darstellung der labelinternen Beziehungen findet sich in Kap. 7.1. Diese Arbeit bezieht sich aber hauptsächlich auf »externe« Beziehungen der Designer bzw. des Labels, da die meisten Labels des Berliner Modedesigns kleine Unternehmen sind und deswegen die Betrachtung der labelinternen Dynamiken für den primären Zweck der Produktionsorganisation nicht relevant ist.

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Wenn es nur einen Designer beim Label gibt, unabhängig von der Rolle der anderen Mitarbeiter, hat er mit Sicherheit das letzte Wort, was die Entscheidungsprozesse hinsichtlich seiner Arbeit betrifft (auch weil er oft Unternehmensgründer ist), sodass Unsicherheiten und unterschiedliche Meinungen vermieden werden (ID19). Wenn es mehrere Designer oder Labelbesitzer gibt, kann die Arbeit durch eine Aufteilung der Aufgaben, die auf verschiedenen Kompetenzen oder auch auf willkürlichen Entscheidungen beruhen kann, optimiert werden: Wir haben uns am Anfang (…) die verschiedenen Aufgaben so aufgeteilt, also weil wir eben drei Modedesigner sind, wir können nicht alle drei Modedesign machen (…), am Anfang hatte [Name einer Designerin des Labels] noch kein … vor allem mit der Sprache noch Schwierigkeiten … [Interviewer: ist sie auch Modedesignerin?] Ja, sie ist auch Designerin. Sie hatte aber noch Schwierigkeiten mit der Sprache, d. h., sie hat sich auf das Design konzentriert, weil, da muss sie mit keinem reden [lacht], und wir haben die anderen Aufgaben übernommen, d. h. natürlich macht der BWL-Mann, [Name eines Gründers des Labels] macht diesen ganzen Finanzkram und so, diesen Businesshintergrund, und ich habe die Aufgabe übernommen: Social Media, Marketing so was, ich organisiere die Partys, und Fotoshootings und so ’ne Sachen, einfach, keine Ahnung, irgendwie, wir mussten’s halt aufteilen. Und dann, meine andere Freundin ist für die Produktion und für die Läden zuständig und für den Vertrieb irgendwie. So hatten wir das aufgeteilt. (…) [W] ir besprechen das, ja auf jeden Fall, wir sind da ganz demokratisch. Also mittlerweile, wir haben so viel zu tun, d. h. nee: »Macht einfach, das ist völlig okay«, ich vertraue denen (…), wir sind ein sehr gutes Team, und jeder macht sein Ding supergut. (ID02, 00:24:36)

An diesem Beispiel erkennt man, wie Designer auch ohne Erfahrung mit dieser Tätigkeit anfangen, Erfahrungen zu sammeln und stabile Strukturen zu entwickeln. Die Entwicklung einer unternehmerischen Strategie und die Labelorganisation sind das Ergebnis eines Prozesses, der auf Versuch und Irrtum basiert. Um labelinterne Konflikte zu reduzieren, entscheiden sich einige Designer, sich an einen Businesscoach zu wenden, sodass die Teilung der Kompetenzsphären deutlich bleibt und eventuell persönliche Konflikte behoben werden können (ID25).

7.1.2 Beziehungen zu anderen Akteuren Fotografen, Modelle und Grafiker Nachdem die Muster fertig sind, ist insbesondere für die mit Kollektionen arbeitenden Designer die Realisierung von Instrumenten zur Verbreitung und Markteinführung der eigenen Produkte und eigener Styles eine wichtige Pha-

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

se.2 Das Hauptinstrument besteht darin, die eigenen Produkte mit Modellen fotografieren zu lassen und die Bilder, sowohl digital als auch auf Papier, in einem Lookbook zu sammeln.3 Obwohl auch andere Wege der Diffusion von Informationen über die eigenen Produkte existieren (z. B. Mundpropaganda oder Performances), sollen im Folgenden schwerpunktmäßig die Beziehungen betrachtet werden, die die Akteure zur Realisierung des Lookbooks nutzen, weil dies ein gemeinsames Merkmal fast aller Designer ist4 und weil es auch ein gutes Beispiel für die Organisation des kreativen Feldes in Berlin abgibt. Um die für das Lookbook benötigten Akteure zu finden, sind Erfahrungen wichtig; dabei werden Partner bevorzugt, mit denen man schon gearbeitet hat (ID01, ID16, ID03, ID21). Diese Entscheidung basiert auf spezifischen Erwartungen bezüglich des Ergebnisses, der Arbeitsorganisation und der Interaktionen zwischen den Personen. Manchmal wird der Fotograf genau wie der Designer als Künstler berücksichtigt (ID14). Designer mit größerer Erfahrung haben zuvor bereits mit verschiedenen Partnern zusammengearbeitet, bevor sie erkannt haben, was gut klappt. Sie haben ein Netzwerk von Kontakten in diesem Bereich entwickelt und die passenden Kombinationen von Fähigkeiten und Persönlichkeiten für die angestrebten Ziele wählen können: Ich habe einfach da meine Leute, mit denen ich eigentlich immer zusammenarbeite, das ist ganz gut, und es sieht auch immer gleich aus, es [das Lookbook] ist immer so ein Falter, der hat dann verschiedene Ideen, (…) aber das ist sehr wichtig, dass man es sofort wiedererkennt, ja, sowohl vom Format, z. B. haben wir jetzt auch ’n paar Jahre wirklich auch dasselbe Model genommen, inzwischen wird sie ein bisschen zu kräftig [lacht], aber das macht alles dann am Ende eine Einheit und das ist ’n leichtes Wiedererkennen und das ist total wichtig, wenn ich jetzt jedes Jahr mein Format und meinen Stil immer in meinem Auftreten ändere, dann verwirrt das die Leute eher, und die kann den Stil eigentlich nicht so gut wiedererkennen, also man muss es den Leuten auch einfach machen, und deswegen behalten wir das Format immer auch bei. Und auch den Grafiker … und der Fotograf ist von mir am Hof, also ich hab ein sehr gutes Team, mit denen ich einfach schon das jetzt ein paar Jahre mache, und das ist für mich sehr angenehm, weil ich 2 | Designer, die mit Kollektionen arbeiten, benötigen diese Phase, um die Einkäufer zu überzeugen und die Stücke der Kollektion zu bestellen, d. h. vor dem Verkauf an den Kunden. Im Unterschied dazu übergehen Designer, die Einzelstücke verkaufen und keine bestellbare Kollektion haben, die Einkäufer und verkaufen direkt an den Kunden. In diesem zweiten Fall verfolgt man mit den Fotos der Produkte ein anderes Ziel und zielt auch auf ein anderes Publikum. 3 | Eine andere Methode besteht darin, die Kleidungsstücke auf Messen und Events zu präsentieren. Diese beiden Präsentationsformen werden oft komplementär angewendet. 4 | Designer, die keine professionellen Bilder ihrer Kreationen haben, um sie zur Promotion einzusetzen, sind sicherlich in der Minderheit.

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Berliner Moden muss nicht jede Saison meine Idee vermitteln, sondern wir kennen uns sehr gut, und es läuft dann von alleine irgendwie schneller. (ID19, 00:21:42)

In anderen Fällen besteht die wichtigste Beziehung des Designers zum Fotografen, da dieser sein Sozialkapital nutzen kann, um die anderen Akteure zu finden, die für das Lookbook gebraucht werden (hauptsächlich Models und eventuell Grafikdesigner). Hier spielt der Fotograf mit seinen professionellen und informellen Netzwerken eine zentrale Rolle, denn diese ermöglichen dem Designer einen Zugang zu weiteren Personen, den er sonst nicht gehabt hätte (ID15). Darüber hinaus kann es auch vorkommen, dass Models und Fotografen ihren Kollegen und Freunden einen Designer vorschlagen, wenn sie gute Erfahrungen mit ihm gemacht haben oder auch einfach nur, wenn er ihnen bekannt ist (ID15). Die Mechanismen persönlicher Empfehlungen und der damit verbundenen Reputation durch die Akteure dieses Produktionsnetzwerks wird gut im folgenden Beispiel erklärt: Also ganz viele, also ich bekomme ziemlich viele Anfragen jetzt über Mails. Am Anfang muss man klar hinterherrennen und irgendwie überzeugen, weil die denken: »Ah, der kann nichts oder so«, und muss miteinander klarkommen. Jetzt ist es bei mir so, dass irgendwie in diesem Netzwerk …, also kennt mich, irgendwie kennen die Leute hier in Berlin …, weil es gibt auch nicht so viele Männermode und dann (…) noch diese klassische Mode (…). Gibt’s auch Make-up-Leute (…), also es geht über Stylisten eigentlich so immer, also die Stylisten machen das, und es wird mit dem Make-up verbunden, und dann haben sie Interesse, kommen bei dir … und irgendwie wollen sie ein paar Sachen irgendwie für Testshooting machen, und so bildet man das ganze Team ein oder so. Also es wird immer so von den Fotografen … wird’s so viele Anfragen oder so, also es gibt Fotografen. (ID14, 00:34:44)

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie der Reputationsauf bau in den professionellen Netzwerken durch Sozialkapital und Kontakte mit fokalen Akteuren erleichtert wird. Es ist nicht nur wichtig, die Beziehungen innerhalb der verschiedenen Akteurskonstellationen hervorzuheben, sondern man muss auch verstehen, wie diese Beziehungen vom Designer hergestellt werden. Welches sind aber die wichtigsten Wege, um Zugang zu Fotografen, Models und anderen Akteuren in dieser Phase zu bekommen? Es gibt Designer, die Treffen und Partys organisieren, um für ihren Laden ein fachspezifisches Netzwerk aufzubauen. Auf diese Möglichkeit greifen sie je nach Bedarf an Kontakten oder Informationen flexibel zurück (ID02). Formalere Wege, wie die Vermittlung durch spezialisierte Modelagenturen, sind z. B. ebenfalls möglich, obwohl sie in den Interviews nicht genannt wurden. Um Kontakte zu finden, die zur Erstellung des Lookbooks benötigt werden, ver-

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

lassen sich die Designer auf die Direktsuche von Models und Fotografen auf spezialisierten Internetseiten (ID16) sowie auf Informationen aus dem Freundes- und Bekanntennetzwerk, sowohl persönlich als auch online, hauptsächlich via Facebook (D15) oder durch andere soziale Netzwerke. In diesem Sinne verschwimmt für die Akteure in dieser Phase des Produktionsnetzwerks durch die Nutzung des Web 2.0 und Social Media die Grenze zwischen privaten und professionellen Beziehungen: Den [Fotograf] kenn ich über ’ne Freundin. Den habe ich, den kenne ich schon seit ’n paar Jahren über ’ne Freundin. Und die anderen Fotografen, die, die finde ich unter, wenn du bei Facebook guckst, da hat mich ein Model in verschiedene Gruppen reingepackt, hier z. B. Creative Professionals, Shooting Corner, Modelsfotografen, Medien. (…) Und hier geht’s nur um (…) Fotos und Models, und da sind jetzt viele, die sich bei mir melden: »Ah, geile Klamotten, wollen wa was machen?« Er hier ist einer der Vorstandschefs von der Firma, für die wir arbeiten, der ist auch bei Facebook. (ID15, 01:12:54)

Es können sowohl offizielle organisationsspezifische als auch informelle personenbezogene Internetseiten besucht werden; genauso können sehr unterschiedliche persönliche Kontakte genutzt werden. Um beim Erstellen des Lookbooks Kosten zu sparen, ist es nicht unüblich, dass man gratis arbeitet (ID15). In diesem Sinne kommen Models, Fotografen und Designer gemäß dem Motto zusammen: »Okay, wir bezahlen uns alle gegenseitig nicht, aber wir wollen alle schöne Fotos haben.« (ID16, 00:42:00) Diese Akteure folgen nicht der Logik des schnellen Verdienstes, sondern versuchen vielmehr in ihrem professionellen Netzwerk eine Reputation zu erlangen, und wirken damit an der Entwicklung ihrer Einbettung (sowohl professionell als auch räumlich) sowie der Beziehungen zu anderen Akteuren in diesem Netzwerk mit. Vorrang hat für diese Akteure, zunächst Sozialkapital zu entwickeln in der Hoffnung, dass sich dies zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend auswirken wird. Aus diesem Grund existiert auch die weitverbreitete Praxis des Austausches, die verschiedene Formen annehmen kann: Austausch von Gegenständen und Gefälligkeiten oder das (explizite oder implizite) Versprechen zukünftiger Gefälligkeiten. Designer können ihre Produkte und ihre Fähigkeiten als Schneider (z. B. für Maßanfertigungen) als Tauschware nutzen, um die Realisierung des Lookbooks mit einer Kostenreduzierung oder ohne Geldeinsatz zu erreichen. Diese Art von Beziehung ist nicht auf Fotografen und Models beschränkt, sondern wird auch in Zusammenhang mit anderen Akteuren angewendet, die bereit sind, einzelne für den Produktionsprozess benötigte Leistungen kostenlos anzubieten:

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Berliner Moden Wir kriegen damit, wir verdienen da kein Geld dran, das [Kleid] ist mehr für ’ne Bekannte, die für uns Grafik für den Katalog gemacht hat. (…) [D]ie kriegt als Dankeschön das Kleid, sie hat den Stoff selber ausgesucht.« (ID15, 00:08:23)

Diese Transaktionsart entfernt sich von der Idee einer ökonomischen Beziehung, in der ein unmittelbarer Gewinn erzielt wird, und dem Gedanken, dass kreatives Arbeiten dafür geeignet ist, gewinnbringend zu wirtschaften (vgl. Florida 2002; Scott 2008; Moretti 2013). Die geldlosen Transaktionen verweisen auf die Vielzahl der möglichen Varianten von Interaktionen zwischen den Akteuren des kreativen Feldes. Damit die Reziprozität der Leistungen (bzw. ihre Erwartung) für glaubwürdig gehalten werden kann, ist die räumliche Nähe der beteiligten Akteure eine wichtige Voraussetzung. Selbstverständlich werden nicht alle Leistungen zwischen Designern, Fotografen und anderen Akteuren ohne Geld erbracht. Dennoch ist auffällig, dass diese Art von Kooperation in den Interviews oft genannt wurde, sodass angenommen werden kann, dass dies eine bekannte und weit verbreitete Praxis innerhalb der Branche und des kreativen Feldes darstellt. Nicht bezahlte Leistungen gewinnen weiter an Bedeutung, wenn es Freundschaftsbeziehungen zwischen den involvierten Akteuren gibt. Die Leistung wird in diesem Fall zuerst als Gefallen und nicht als unbezahlte Arbeit verstanden und ist mit Reziprozitätserwartungen in den persönlichen Beziehungen verbunden, sodass dies zur Verstärkung persönlich-professioneller Beziehungen der lokalen Akteure beiträgt: Na ja, also es gibt, das kommt immer darauf an. Also eigentlich klar, wenn’s Freunde sind, dann immer positiv, weil die natürlich auch versuchen (…) das irgendwie publik zu machen, oder je nachdem, was derjenige ist, also dann hat man Freunde, die eine is’ Fotografin, na ja, dann wird eben das Lookbook geschossen, erstmal umsonst, dann hast du wieder ein’ anderen Freund, der is’ Stylist, der macht dann einmal das Styling für dich umsonst und kriegt irgendwie … Also es ist immer so ’n Geben und Nehmen, also es ist schon so, dass man am Anfang viele von diesen Leuten braucht, die, entweder für nichts oder für ganz wenig oder gegen (…) gegen Naturalien [lacht] für dich arbeiten und dir weiterhelfen. Also es ist schon sehr wichtig am Anfang. [Interviewer: Ja und sie machen das zunächst eher, weil du praktisch zu denen empfohlen wurdest, oder wie?] Ja, oder weil man sich kennt und weil die auch natürlich, wenn man schon befreundet ist, dann ist das natürlich nicht so ’n Ding, dass die denken: »Oh Gott, ja, wenn die dann ’mal bekannt ist, dann war ich derjenige, der von Anfang an geholfen hat«, das ist ja bei Freunden eher nicht so der Gedanke, die wollen einfach helfen, weil man sich gerne hat, aber es gibt auch viele Kontakte, die natürlich, ja, so was unterstützen möchten und natürlich dann erstmal irgendwie nicht das kriegen, was sie eigentlich sonst kriegen, aber trotzdem, wenn sie an die Sache glauben, also, und das is’ eben das Tolle, dass das immer noch so funktioniert. Leute, die auch schon gefestigt im Business sind, also seien es tolle Fo-

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld tografen oder wichtige Stylisten und so weiter und so fort, also, dass die Leute einfach, ja, Lust haben, noch mit jungen Designern zu arbeiten, an die sie glauben und nur das macht’s möglich sozusagen, ja, immer weiter zu wachsen, so ist es. Also, ne, beim ersten Mal hast du einen Fotografen, der vielleicht nicht so bekannt ist, beim zweiten Mal haste jemand, der noch größer, ne, der is’ größer und irgendwie, also das ist ja auch wichtig, also weil dann haste vielleicht ’n tollen Fotografen und dann gucken alle: »Ach, die hat das gemacht«. Also es ist immer so. Das schichtet sich ja immer auf und wird immer besser. Ja es ist schon sehr wichtig, die Kontakte irgendwie zu nutzen. (ID22, 00:58:30)

In diesem Beispiel ist zu erkennen, wie persönliche und professionelle Kontakte gemeinsam Möglichkeiten für die Designer schaffen, die Kosten dieser Phase zu reduzieren. Abhängig von den involvierten Personen kann die Kostenreduzierung dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Der Zugang zu einer potenziell hohen Anzahl an Kooperationspartnern in derselben Stadt ist ein wichtiger Faktor der Entwicklung professioneller Netzwerke. Zugleich wird den Designern auch die Möglichkeit eröffnet, langfristig unter diesen Bedingungen arbeiten zu können. Mit dieser Arbeitsweise werden sowohl die Wissensflüsse im kreativen Feld verstärkt als auch das Sozialkapital der Designer erhöht. Diese Dynamik wird durch das folgende Beispiel gut veranschaulicht: Well, because I thought that Paris for me was a bit too established, I mean really really established French fashion houses and I wanted something that was not so established. And I really wanted to have a feeling that I was creating something in the city and, I mean, you know what it is like here in Berlin, like there’s so much to be done, you to have this feeling that so much can be done and you have an influence on the city. Which is quitecool. Berlin is amazing, it’s an endless endless source of inspiration, it’s just very very cool and when you talk to people, because it is an art capital and you’ve got lots of artists here and you’ve got lots of people and many many different artistic fields, you could just be sitting around a dinner table and someone could say like: »Oh, I’m a photographer« or »I’m a painter« or something like that and then you can talk to people on a really human level and on a really one-to-one level. And even though if you don’t have a budget for a photoshoot: »You know what? Well, maybe I can make you a jacket and you can do a photoshoot for me«. And so it’s this feeling of collaboration, especially among young people (…). Berlin is one of the few cities in the world that it is so so apparent, I mean you feel it, you feel it, it’s palpable. (ID20, 00:01:40)

Dieser Designer benennt eine Kombination von sozialen Kontexten, die für Berlin charakteristisch ist: zum einen die Kopräsenz der Akteure in Berlin neben anderen Designern, Künstlern und kreativen Akteuren; zum anderen die Vielfalt der Akteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft, die verschiedenartige und komplementäre Kompetenzen anbieten können. Zugleich zeigt dieses Beispiel, dass neben der räumlichen Nähe verschiedener Akteurstypen auch ein spezifi-

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scher sozioökonomischer Kontext benötigt wird, in diesem Fall, dass diese Art von geldlosen Transaktionen ermöglicht wird.

Agenturen Einige Designer nutzen Agenturen sowohl für die Promotionsphasen und die Vermarktung ihrer Produkte als auch für eine aktive Imagepflege. Damit setzen sie sich von den meisten Interviewpartnern ab, die diese Tätigkeiten ohne die Hilfe von Agenturen ausüben. Die beiden wichtigsten Agenturtypen sind PR- und Vertriebsagenturen (ID11, ID22, ID12). Die PR-Agenturen kümmern sich um die Promotion der Designer in den Medien und auf Messen, während die Vertriebsagenturen sich auf die Einwerbung und Sammlung von Bestellungen und ihre Koordination konzentrieren. Die Agenturen haben hauptsächlich das Ziel, den Designer von einem Teil seiner unternehmerischen Arbeit zu entlasten. Besonders wichtig sind dabei die Vertriebsagenturen. Sie suchen nach neuen Läden für die Designerprodukte, knüpfen mit diesen Kontakte, verwalten die Bezahlungen und versuchen im Allgemeinen die Verkaufsphase zu optimieren.5 5 | »[Sales Agent] Der ist sozusagen dafür da, während der Messe, oder schon vorher, die ganzen Einkäufer einzuladen, sagt: »Hier ist die Modeschau, wir sind auf den und den Messen«, die einlädt, Termine im besten Fall schon vereinbart. Weil es auch dauert, bis wenn man natürlich ein (). Werden Termine gemacht mit den Einkäufern, bis die möglich () schon weiß, der kommt, und der sieht die Sachen, und wir können es richtig erklären. Nach der Fashion Week versorgt die mit diesen line sheet, also mit den technischen Zeichnungen, () da noch mal nach und die Leute, die schon eine Auswahl an der Stange oder während der Messe getroffen haben, die kriegen noch mal eine Auflistung von (mir), was sie () bestellt, was es im Einzelnen kostet, wie viel willst du denn von (). Die kümmern sich um den ganzen Ablauf, bis zu dem ich die Orders in der Hand kriege, wo drauf steht: Laden A hat das und das, Laden B hat das und das. (…) Genau, weil es diese Korrespondenz … wäre viel zu viel. Und der kümmert sich sozusagen, neue Läden rauszufinden, also die ganzen Kontakte zu machen auf und hinterher telefonieren, das ist richtig so wie ein Vertreter sozusagen. Dann wird auch … nochmals rumfahren in Deutschland auf jeden Fall, wahrscheinlich Österreich, Schweiz, weiß nicht, Italien. Mal gucken, wie sie so wird sich jetzt noch machen am Anfang September, direkt Termine mit den Läden zu machen und die Kollektion vor Ort zeigen noch mal dem Einkäufer. So, eigentlich, Sachen macht sie auch. Und handelt auch alles, was die Anzahlung …, weil Mode … es ist immer so, wenn die Leute bestellen, müssen sie 30 Prozent anzahlen, dann werden die Orders sozusagen gefixt, und wenn die Sachen ausgeliefert werden, vier Monate später kriegen wir den Rest, bezahlen den Rest, genau. Um so was kümmert sie sich auch. Und dann kann man so Sachen wie wenn jetzt in Tokyo jemand bestellt, der muss natürlich gleich alles bezahlen, weil es das so weit ist und so weiter und so fort. Also, da kümmert sie sich auch.« (ID22, 00:34:26)

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Durch die Integration dieser Akteure in das eigene Produktionsnetzwerk wird der Designer von Vertriebs- und Verwaltungsaufgaben entlastet. Bei Designern, die aufgrund der geringen Größe ihres Unternehmens, aus Geldmangel oder aufgrund besonderer Marketing- und Produktionsstrategien diese Agenturen nicht nutzen, ist dies hingegen ein wesentlicher Teil der unternehmerischen Tätigkeit (ID19, ID21, ID17, ID02, ID03, ID07, ID14, ID15, ID20). Die erfolgreiche Suche nach Agenten, mit denen man zusammenarbeiten kann, hängt oft wiederum von persönlichen (sowohl direkten wie auch indirekten) Kontakten ab, die sich als förderlich erweisen: Ja und klar, das muss, geht dann auch wieder über Kontakte, so ’n PR-Agenten, der liegt nicht ja auch nicht auf der Straße und nimmt auch nicht jeden, also es muss irgendwie eine gute Mischung sein zwischen Qualität, die du ablieferst, und eben, ja, Kontakten, die du irgendwie kennst. (ID22, 00:29:05)

Die Beziehung mit den PR- und Vertriebsagenten ist nicht als statisch zu verstehen. Am Anfang ist es nicht einfach für einen Designer, Agenturen zu finden, die ihn gut vertreten, bis mit der Zeit das Label für die Agenten interessanter wird, vor allem aufgrund der Steigerung des Umsatzes und der Reputation. Dann kann ein Designer auch mehr in diesen Bereich investieren und sich deswegen qualitativ bessere Agenturen leisten. Die positiven Auswirkungen dieser neuen Kooperationen sind im Laufe der Zeit auch sichtbar (ID11).

Medien Einige Designer entscheiden sich für eine weniger aufwendige Promotion ihrer Produkte. Diese werden dann eher gezielt präsentiert, ohne auf ein großes Publikum zu zielen. Im Vordergrund steht dabei die direkte Interaktion mit den Kunden, nach dem Motto: »Lieber weniger und richtig« (ID05, 00:44:43), auch wenn den Designern bewusst ist: »marketing is everything« (ID20, 00:39:33). Während anerkannte Designer zusammen mit einer PR-Agentur ihre Produkte einfach auf einer Pressekonferenz präsentieren (ID21), müssen kleinere Designer andere Wege finden. Eine Möglichkeit, um die Abwesenheit einer PRAgentur auszugleichen, ist das Web 2.0. Mit ihm können Designer ihre eigenen PR-Formen und Kontakte zu Kunden entwickeln. Einige Designer nutzen direkt die Social Media, um Neuheiten zu kommunizieren und ihre Fans und Kunden persönlich anzubinden (ID22, ID20): Beispielsweise eröffnen sie ihnen die Möglichkeit, aktiv an bestimmten Entscheidungen über einzelne Formen der Präsentation oder des Aussehens der Kollektion teilnehmen können: [Die Idee, den Produktnamen nach Liedtiteln zu benennen] Die wurden vorgeschlagen bei uns bei Facebook. Bei den Fans bei Facebook. Also wir haben einfach die Frage gestellt: »Leute, habt ihr Ideen, kennt ihr Lieder mit dem Thema?« Und dann kam richtig viel

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Berliner Moden zurück, also. Das ist immer gut, also so die Leute mit einbinden, das macht auch Spaß, kriegt man neue Ideen. Genau, das ist jetzt die neue Herbst / W inter … [Die Facebookfans] machen gerne mit, ja. Freuen sie sich auch. (ID24, 00:12:03)

In anderen Fällen verlässt man sich auf die Vermittlerrolle von Bloggern (ID05, ID14), die einerseits einen gewissen Grad an Bekanntheit und eine schnelle Verbreitung des Labelnamens anbieten, besonders dann, wenn die Blogs mit Onlineverkaufsplattformen verbunden sind. Hier ist der Selektionsdruck nicht so groß wie im Print: [D]ie Bloggerseite [ist] ein sehr wichtiger Punkt und ich habe irgendwie fünf, sechs wichtige Blogger, also wenn sie, also gibt es, ich habe ein’ sehr guten Blog für, jetzt weiß ich nicht, 500.000 Klicks am Tag, und dann läuft [es] schon irgendwie viel leichter. Weil wenn du das veröffentlichst und irgendwie und (jemand) gut schreibt, dann innerhalb von ein paar Stunden werden andere Blogger verbreiten, und es [ist] so rasant, dass irgendwie auch in den Magazinen … und dann werden die Leute Aufmerksamkeit kriegen. (ID14, 00:30:47)

Die Bekanntheit eines Designers kann durch prominente Kunden gesteigert werden, die Kleider des Designers tragen. Dasselbe gilt auch für Manager oder Stylisten, die seine Stücke tragen (ID07, ID21, ID15). Für traditionelle Modemagazine und die Presse ist der Stylist die zentrale und verbindende Figur. Sie entscheidet, welche Designer und welche Kleidungsstücke kombiniert werden, was den Designer zumindest indirekt fördert (ID14, ID07). Eine Alternative dazu, Stylisten und Journalisten direkt zu kontaktieren, besteht in der Organisation von Events und Partys, oft im eigenen Atelier oder Laden. Dabei achten die Akteure darauf, eine möglichst heterogene Gruppe von möglicherweise Interessierten einzuladen, in der sich potenzielle Kunden und auch einige Pressevertreter befinden. In diesen Fällen lädt man hauptsächlich persönliche Kontakte (z. B. Kontakte aus verschiedenen Newslettern) und namentlich bekannte Akteure ein. Obwohl den Designern die Wichtigkeit der Pressearbeit für Modeunternehmen bekannt ist, verlassen sich einige fast nur auf die Qualität ihrer Produkte und die Mundpropaganda als Marketingsstrategie (ID10). Manchmal hängt das Interesse der Presse für ein bestimmtes Label von der Resonanz eines Themas in den Medien ab, z. B. in letzter Zeit ökologische und nachhaltige Mode (ID02). Darüber hinaus bewirken die Sichtbarkeit in der Fachpresse und im Internet sowie die Mundpropaganda, dass der Verkauf und die Interaktion zwischen Designern und anderen Akteuren im Produktionsnetzwerk erleichtert werden:

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld Also, spielt ’ne sehr wichtige Rolle, weil nur was, nur wenn du irgendwie gehypt bist oder in allen Magazinen drin oder wenn alle über dich schreiben, nur dann kann sich das verbreiten. Also klar ist auf der Messe und die Einkäufer eine wichtige Sache und das ist auch so, dass man das nicht vergleichen kann, also, z. B. so ’ne Show oder eine Modenshow ist wirklich fast mehr ein Presseevent, und eine Messe ist Einkauf. Die sind wirklich zwei verschiedene paar Schuhe, natürlich beeinflussen die sich gegenseitig, weil, wenn man ’ne Show hat, denken alle: »Ja, das ist ja schon was«, also der Einkäufer: »Okay, die hat ’ne Show, okay, dann gucke ich sie mir auch an, dann kann ich’s nochmal am lebenden Model zu sehen.« Überzeugt natürlich auch mehr, als wenn’s einfach nur an der Stange hängt, und natürlich, wenn ich viele gute Presseartikel habe, das kriegt natürlich auch der Einkäufer mit, weil das ja, weil der sich auch informiert, dann läuft’s einfach besser. D. h., das hat sogar Auswirkungen auf die Stoffmesse, also da war dann irgendwie …, beim letzten Mal gab es einen Artikel in der Textilwirtschaft, der hieß irgendwie: »Die neuen Namen und die Newcomer«, und dann war ich eben ein bisschen aufgelistet, und dann kam ich an den Stand und habe meine Karte so hingelegt, und wir haben so: »Eh, ich habe doch gerade über Sie gelesen, ja kommen Sie mal her«, war sie plötzlich ganz freundlich und wollte ganz viel erzählen, nur weil ich da in der Zeitung war. Sie haben es gleich mitgekriegt, und ja, ein halbes Jahr vorher haben die noch so gesagt: »Ne, kleine Labels wollen sie nicht«. Also es ist so, selbst das kann plötzlich helfen, also es ist für alle Sachen wichtig. Ja, wie überall die üblichste Sache, auf jeden Fall. (ID22, 00:52:38)

Hier wird deutlich, wie die Präsenz der Designer in verschiedenen Medien die Beziehungen mit anderen Akteuren des Produktionsnetzwerks und mit den Kunden positiv beeinflussen kann. Obwohl sich im Allgemeinen jeder Designer seiner Bedeutung bewusst ist, entscheiden sich viele Akteure dennoch auch für andere Marketingstrategien.

Kollaborationen und Sozialkapital als Elemente des Produktionsnetzwerks In der Produktionsstruktur können sich auch Kollaborationsformen entwickeln, die zur Herstellung sowohl von Einzelprodukten als auch von Bestandteilen einer Kollektion beitragen (ID07, ID16, ID09, ID17). Kollaborationen entwickeln sich oft aus dem Bedürfnis der Designer, externe künstlerische Elemente in die eigene Kollektion einzufügen. Sie werden auch dann eingegangen, wenn etwas über die eigenen Kompetenzen hinaus realisiert werden muss. Deswegen findet oft eine Zusammenarbeit zwischen Designern und Akteuren anderer Sektoren statt. Demgegenüber ist es unwahrscheinlich, dass zwei Designer zusammenarbeiten, wenn beide ähnliche Kompetenzen haben. Kollaborationen entwickeln sich oft in Kontexten informeller Interaktionen oder persönlicher Bekanntschaft. Die Designer tendieren dazu, mit Ateliers in der Nähe zu kooperieren (ID17) oder persönliche Beziehungen in ihrem lokalen Umfeld zu nutzen, um die für ihre Aktivitäten benötigten Leistungen zu erhalten, z. B.

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die Realisierung einer Internetseite (ID16). Die Absichten, die die Designer mit Kollaborationen untereinander oder mit Künstlern verbinden, wird im folgenden Beispiel beschrieben: [W]ir können sagen, dass meine Struktur, da sie klein ist, die Gelegenheit ermöglicht, viele verschiedene Personen und Aspekte wirklich zu integrieren, die, was ich tue, bereichern (…). Wenn ich mit Hutmachern, mit in Abdrucke spezialisierten Handwerkern, mit Künstlern, die für die Dekoration meiner Schaufenster zuständig sind …, gibt es mehr. Mir gefallen die Kollaborationen sehr, ich bin kein Solist. Diese Sachen inspirieren mich sehr, und sicherlich helfen auch bei dem, was ich tue, mit. (…) Können wir sagen, wenn ich diesen Hut suche, dann gehe ich von einem Hutmacher zum anderen, solange ich nicht den finde, der mir genau das macht, was ich will, den gewünschten Preis, und gibt es auch eine gute Beziehung. Wie du es gesagt hast, informelle Beziehungen, dann kann ich in einem Maleratelier …, wir reden miteinander, und Ideen fliegen: »Wieso machst du mir nicht ein Bild, wir machen dann daraus einen Abdruck für das Futter einer Jacke?« Und so startet man eine Kollaboration. (ID07, 00:40:10) 6

Kollaborationen dienen sowohl der Herstellung von Teilen der Kollektion als auch der Realisierung begleitender Projekte, z. B. dem Entwurf von einer Accessoirelinie, Stoffmotiven (ID16) oder Promotionsvideos (ID15). Auch im Fall von Kollaborationen kann es neben Geldzahlungen jeweils geldlose Leistungen durch Kleidung oder Ermäßigungen auf Designerleistungen geben (ID15). Die Kollaborationen lassen sich aber nicht auf kreative Experimente der Designer reduzieren, sondern können neben der eigentlichen Kollektionsproduktion auch als stabilisierendes Element der finanziellen Organisation des Labels verstanden werden. Die Kollaboration mit Fernsehproduktionen kann beispielsweise ein stabiles Einkommen generieren, das es dem Designer ermöglicht, größere Handlungsspielräume für die kreative Produktion der Kollektion zu gewinnen (ID06). Anzumerken ist, dass die Kollaborationen auch von der räumlichen Nähe der Akteure zueinander profitieren. Die Nähe erleichtert 6 | Originalwortlaut: »[D]iciamo che la mia struttura, essendo così piccola c’è l’opportunità di integrare veramente tante persone e tanti aspetti che arricchiscono quello che faccio (…). Se lavoro con produzioni di cappelli, con artigiani che fanno le stampe, con artisti che mi fanno le vetrine, c’è veramente più, a me piacciono molto le collaborazioni, non sono un solista. Queste cose mi ispirano tanto e sicuramente aiutano quello che faccio. (…) diciamo che almeno, se cerco questo cappello allora vado proprio a cercare tante cappellerie finché trovo chi mi fa quello che voglio, un pezzo che voglio e c’è anche un buon rapporto e il resto, come hai detto te, i rapporti informali allora posso stare in un atelier di un pittore, poi parliamo e le idee volano »perché non mi fai un dipinto che facciamo una stampa per una fodera per una giacca?« e così nasce una collaborazione (…).« (ID07, 00:40:10)

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

die Zusammenführung komplementärer Kompetenzen wie auch dem Auf bau von Vertrauen und der eigenen Reputation. Für einige Interviewpartner hingegen sind das Kennenlernen anderer Designer und die damit verbundenen privaten Beziehungen nur von geringer Relevanz, ohne dass dies als Nachteil wahrgenommen wird. In diesen Fällen werden Kontakte und Freundschaften mit Akteuren aus anderen (kreativen) Branchen bevorzugt, ohne dass dadurch ein unmittelbarer Vorteil für das Label erwartet wird (ID16, ID20). In anderen Fällen wird ein Austausch mit anderen Designern nicht gesucht, da dies grundsätzlich nicht als potenzieller Vorteil bedacht wird (ID15, ID21), oder es werden nicht genügend Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkte gesehen, die einen wirksamen Austausch ermöglichen würden (ID09). Es kann auch passieren, dass bei der Suche nach neuen Kontakten für die Produktion alte Kontakte reaktiviert werden, sodass sich die Möglichkeit ergibt, Zugang zu deren sozialen und professionellen Netzwerken zu bekommen. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Schneider durch einen Kollegen des Designers gefunden wurde, der zuvor für das Label gearbeitet hatte (ID12). Auch das Sozialkapital des Akteurs, z. B. Models und Fotografen zu kennen, kann eine wichtige Rolle für die Designer spielen, insbesondere um weiteren Zugang zu deren sozialen Netzwerken zu erhalten. Dies ist durch die Nutzung persönlicher Beziehungen und Onlinekontakte möglich, wie im folgenden Beispiel geschildert wird: Wenn du online aktiv bist und immer wieder irgendwie deine ganzen Inserate online machst, das breitet sich auch aus. Also, es ist auch wieder, jemand hat deinen Namen gehört und empfiehlt dich weiter. (…) Ein Mädel sagt: »Ich bin vielleicht nicht euer Model, aber ich hab ’ne Freundin, der schicke ich das weiter«, und schwupp hat die Freundin das. Also ich denke, das wird viel verlinkt, viel weitergeschickt, auch online. (ID15, 00:23:14)

Darüber hinaus können Beziehungen, die in vorherigen Projekten oder Arbeitsphasen entwickelt wurden, von den Designern für ihre aktuellen Aktivitäten reaktiviert werden. In diesem Sinne stellt das Sozialkapital eine externe Absicherung der eigenen Arbeitsweise durch eine höhere ökonomische Stabilität in Aussicht, Kollaborationen und auf ihnen beruhende Projekte werden somit zu integrativen Elementen der Standardproduktion des Labels: [Interviewpartner 1] (…) Wir haben für das MDR-Fernsehballett produziert. D. h., sie sind ziemlich bekannt, eigentlich das bekannteste deutsche Fernsehballett, und für die haben wir Kostüme gemacht. (…) [Interviewpartner 2] Durch meine Fernsehjobs. [lachen] Ich meine Freiberuflichkeit, vorher, die ich hatte, bevor ich mich mit [Name Interviewpartner 1] selbstständig gemeldet habe, oder wir die Firma gegründet haben, habe ich halt diese Fernsehjobs eben gemacht, eben auch für andere Designer gearbeitet, und

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Berliner Moden da bin ich halt so in die Fernsehschiene reingerutscht, und da hat man halt den einen oder anderen Kontakt knüpfen können, und für die habe ich dann gearbeitet und auch schon so kleinere Anfertigung’ gemacht. Und, ja, daher war halt diese Beziehung schon da, (…) die Kontakte einfach. (…) [Interviewpartner 1] Weil [Name Interviewpartner 2] halt schon über Jahre da arbeitet und die Leute auch persönlich kennengelernt hat. Und dadurch haben sie halt mitbekommen, dass wir ’ne Firma gegründet haben, haben gemerkt, dass wir immer größer werden, und haben dann irgendwann mal angefragt: »Willst du das nicht machen?« (…) Und dadurch hat man halt Kontakte, und ab und zu kommen die dann auch auf uns drauf zu, wenn die was gefertigt haben wollen. (ID06, 00:27:49)

Die Rolle des Sozialkapitals wird auch bei der Suche nach bzw. Verwaltung eines Ladens deutlich. Läden werden häufig mit einem Designerfreund geteilt (ID10, ID17), oder wenn der Freund den Laden selbst besitzt, flexibel mitbenutzt (ID13, ID14). In Ergänzung bietet der Ladenbesitzer dem Designer dann beispielsweise an, seinen Laden weiterzuempfehlen (ID08), d. h., er bietet dem Designer einen Anreiz, seine persönlichen Kontakte um Geschäftskontakte zu erweitern. Mundpropaganda ist ein wichtiges Instrument für die Verbreitung des Labelnamens, die Gewinnung von Partnern im Produktionsprozess, die Entwicklung von Kollaborationen und das Anlocken von Kunden. Zwei Formen von Mundpropaganda sind zu unterscheiden: Auf der einen Seite diejenige der Kunden, die die Designer als Marketingform nutzen, um weitere Kunden zu gewinnen (ID04, ID06, ID10, ID07, ID17, ID21, ID25, ID08). Damit werden sowohl der Verkauf gefördert als auch der Name des Labels bekannt gemacht. Auf der anderen Seite verbreiten die ehemaligen und aktuellen Produktionspartner, die positive Erfahrungen gemacht haben, wiederum in ihrem Netzwerk den Namen des Designers. Das kann für verschiedene Akteurstypen gelten, wie z. B. Fotografen und Models (ID15), Schneider und Ladenbesitzer (ID06, ID12), Praktikanten und Stellenbewerber (ID06, ID05, ID25). Dadurch wird nicht nur die Reputation des Designers gesteigert, es entsteht auch ein Netzwerk von Gefälligkeiten, das auf der Solidität der Designerreputation basiert, wie im Fall der Praktikanten, die von einem Designer zum anderen weiterempfohlen werden (vgl. Kap. 7.2). Das Sozialkapital kann zur Verbreitung des Designernamens beitragen und folglich die Reputation des Designers in einzelnen professionellen Kontexten und bei bestimmten Kundengruppen erhöhen. Auf der einen Seite können sich die Designer der positiven Wirkungen der Mundpropaganda ihrer Kunden gewiss sein und sich zum Teil oder völlig darauf als Marketinginstrument verlassen. Auf der anderen Seite aber sind die eigenen potenziellen Kunden und ihre Beziehungen etwas Nebulöses, das der Beobachtung oder Kontrolle entzogen ist, sodass potenzielle Kunden und Verbreiter der Designerreputation unbekannt bleiben. Diese Perspektive auf das kreative Feld wird in dem folgenden Beispiel deutlich beschrieben:

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld Wer sind die Szeneleute? Das ist schwierig zu sagen. Berliner Szene ist eigentlich die Nacht, das Nachtleben von Berlin, Party. Party, Nachtleben, viel Geld ausgeben, diese Leute, die (…). In Berlin gibt’s die auch. In Berlin gibt´s die tatsächlich auch. Vielleicht nicht mit viel Geld, aber die reden, die gehen auf jede Party, die angesagt ist, und die reden untereinander und verbreiten den Namen. Und um diese Leute einzuladen, weiß ich nicht genau, aber da gibt’s Agenturen, die connected sind über irgendwelche Portale, über Blogs, über, keine Ahnung, Social Network, und machst du Party, gibst irgendwie 300.000 Euro aus für die Party. (…) Und so geht das. (ID15, 00:14:46)

Es ist unwahrscheinlich, dass Akteure des Produktionsprozesses Empfehlungen und Informationen über direkte Konkurrenten an die Designer weitergeben (z. B. in der Form, dass eine Manufaktur eine andere Manufaktur empfiehlt). Im Unterschied dazu werden Empfehlungen von anderen Designern bezüglich unterschiedlicher Akteure des Produktionsprozesses häufiger weitergegeben (z. B. wenn ein Designer einen Schneider weiterempfiehlt). Empfehlungen werden innerhalb der einzelnen Produktionsphasen im Rahmen der vertikalen Beziehungen eines Akteurs häufiger ausgesprochen, als Empfehlungen von Akteuren mit horizontalen Beziehungen. Im letzteren Fall handelt es sich ja um direkte Konkurrenten. Wenn innerhalb dieser Konkurrenzbeziehungen Empfehlungen ausgesprochen werden, dann zwischen Freunden oder wenn die Reziprozität von Gefälligkeiten sichergestellt ist. Allgemein wird eine Empfehlung über die horizontalen Beziehungen nur ausgesprochen, wenn man der Meinung ist, dass sie dem eigenen ökonomischen Erfolg nicht schaden kann. Das Sozialkapital wirkt dann für die Designer als Mittel, ihre professionelle Beziehungen zu erweitern und über die Kontakte ihrer Produktionsnetzwerke hinauszugehen. In diesem Sinne erstellt das Sozialkapital, zusammen mit der Einbettung, Verbindungen zwischen den einzelnen Produktionsnetzwerken und dem kreativen Feld der Stadt, in dem ein Austausch zwischen den Designern und anderen Akteuren der Modedesignbranche als kreative Anregung hilfreich sein kann, sowohl aus einer unternehmerischen als auch aus einer persönlichen Perspektive. Dies gilt auch für die Beziehungen der Designer zu anderen Designern.

7.1.3 Beziehungen zu anderen Designern In Berlin gibt es die höchste Konzentration von Modedesignern in Deutschland (vgl. IBB 2011), daher erreichen die Beziehungen zwischen den Designern eine hohe Dichte sowie auch interne Differenzierung. Beziehungsstrukturen sind hier besonders gut zu analysieren: Dies gilt vor allem für die horizontalen Beziehungen sowie die Verbindungen der Designer zum kreativen Feld. Diese Art von Beziehungen werden nur teilweise in die Struktur des Produktionsnetzwerks integriert, aber sie funktionieren als wichtige Verbindung mit

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dem kreativen Feld und folglich für die Stimulierung lokalisierter Wissensflüsse und der Kreativität. Das hiermit aktivierte Sozialkapital und die informellen Beziehungen können dann in den verschiedenen Phasen des Produktionsnetzwerks aktiviert werden.

Gruppen und Kollektive Es gibt Kollektive und Gruppen von Designern, die das Ziel haben, die Designer als Gruppe in Events zu präsentieren, beispielsweise um Teilnahmekosten zu teilen, die Sichtbarkeit der Designer zu erhöhen, aber auch um den Informationsaustausch über Lieferanten, Läden und Manufakturen zu fördern (ID18, ID12). Die Teilnahme an Kollektiven oder Gruppierungen, die in Berlin aktiv sind (oder waren; wie z. B. Verband der Berliner Kreatöre, The Offer und Nemona), fördert den Zugang der Designer zu Kontakten der Gruppe für die Produktion und hilft insbesondere kleinen Designern, die ihre Risiken in der noch nicht gefestigten Organisation der Produktion und des Verkaufs minimieren wollen (ID12). Die Vorteile dieser Maßnahmen werden im Folgenden geschildert: [Interviewer: Spielt es für deine Arbeit als Designerin eine Rolle, dass es hier in Berlin auch viele andere Modedesigner gibt?] Nö, eigentlich nicht. Also es gibt ja einfach eh viele Künstler und Kulturschaffende, aber … also das Netzwerk untereinander, also da gibt’s halt Nemona (…), die vermitteln () zwischen Designern und kleineren Produktionsstätten (…), die haben auch relativ viel Ahnung und kennen ganz viele. (…) Das ist aber auch wirklich rein Neukölln, und da sind auch ganz viele, ganz kleine Designer dabei, die vielleicht nicht mal ein Atelier haben oder so, sondern irgendwie von Zuhause arbeiten (…). [Interviewer: Welche Vorteile hat man, z. B. in diesem Netzwerk zu sein?] Also es gab letztes Jahr ’nen gemeinsamen Concept Store, der realisiert werden konnte, unter anderem auch mit Fördermitteln. Das war halt ganz nett (…) dann gibt es halt regelmäßige Treffen, wo halt beschlossen wird, was man jetzt vielleicht gemeinsam auf die Beine stellen könnte, ob man zusammen Marktstände macht in verschiedenen Städten zu irgendwelchen Adventsmärkten oder so. (ID12, 00:32:18)

Auch wenn die Teilnahme an einer Gruppe aus praktischen Gründen vorteilhaft sein kann, fällt es einigen Designern schwer, ihre eigenen Ideen und die Individualität des eigenen Labels weiterzuentwickeln, während sie Teil der Gruppe sind. Daher können Konflikte zwischen einzelnen Designern oder zwischen einem Designer und der Gruppe entstehen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn starke Persönlichkeiten, nicht verhandelbare Bedürfnisse, Egozentrismus und eine hohe Selbstwertschätzung aufeinandertreffen (ID21). Diese Art negativer Erfahrungen mit Kollektiven wird im Interview auf eine prägnante Form gebracht:

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld Ja, ja. Mal hier, mal da, aber nicht so richtig Austausch, also jeder Designer ist, glaub ich, mehr für sich. Wir waren mal in einer Designergemeinschaft drin, das waren zehn Modedesigner, das hat nicht gut funktioniert, also jeder macht sein Ding und jeder denkt, er ist der Beste. (ID15, 00:49:41)

Informationen und Quellen für Ratschläge Die Beziehungen zwischen Designern bestehen nicht nur aus formellen Beziehungen wie in Gruppen und Kollektiven: Sie können auch aus lockeren Freundschaftsbeziehungen bestehen, die dazu dienen, gegenseitig Informationen und Ratschläge auszutauschen. Informelle Beziehungen werden zu wichtigen Informationsquellen und Auslösern von Lernprozessen, insbesondere für praktische und unternehmerische Aspekte der Designerarbeit (ID08, ID22, ID03, ID06, ID10, ID12). Dieser Beziehungstyp wird im Folgenden ausführlich geschildert: Wir sind alle gute Designer, aber sind alle, waren alle keine Geschäftsmänner. Das muss man natürlich lernen. In solchen Sachen kann man sich gut helfen und kann natürlich … dann hat der eine das schon mal ausprobiert, dann kann man fragen: »Wie hast du es gemacht? Wie war das mit dem Zoll hier? Was muss man da beachten?« Und eher solche Sachen und dann eher so, würde ich sagen, so freundschaftlich, dass man einfach, wenn man eben gerade mal ’nen Durchhänger hat, (…) dass man sich sozusagen so gegenseitig aufbaut und jetzt nicht natürlich … nicht so irgendwie: »Du musst das und das Design so und so machen«, sondern eher menschlich, dass man sich irgendwie gut aufbauen kann. (…) Oder es ist natürlich auch gut, weil viele Fehler, die der eine gemacht hat, muss der andere dann nicht machen (ID22, 00:43:10).

Der eher beiläufige Informationsaustausch unter Designern wird dafür genutzt, um Probleme zu lösen, die mit der unternehmerischen Organisation und der Projektabwicklung verbunden sind. Er basiert sowohl auf Freundschaftsbeziehungen als auch auf der Tatsache, dass sich auf Messen und bei Events (Fachmessen, Stoffmessen, Fashion Weeks) oft dieselben Personen begegnen. Darüber hinaus gibt es in der Stadt verschiedene Stammtische für Designer, die von öffentlichen oder privaten Institutionen organisiert werden (ID17) oder von einzelnen Designern ins Leben gerufen wurden (ID02), die auf diesem Weg ihr eigenes Kontaktnetzwerk entwickeln und die teilnehmenden Designer zueinander in Verbindung setzen: Also das klappt mittlerweile vor allem durch unser Netzwerk, also wir haben in diesen drei Jahren, die wir jetzt in Berlin sind, ein riesiges Netzwerk aufgebaut, so, wir machen auch einmal im Monat hier im Laden einen (…) Modestammtisch, wo so Designer und Interessierte kommen können, und wir reden über, was so los ist und was sie machen und Nachhaltigkeit und bla bla bla. (…) [J]a ja, das ist also, es ist ganz gemischt, da kom-

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Berliner Moden men ein paar nachhaltige Designer, aber auch ganz normale, also konventionelle Designer, und es ist ein sehr interessanter Austausch, so viele kleinere Labels, weil man da halt dann so ’n bisschen merkt, die Probleme der anderen, das habe ich auch (…) man kann sich ’n bisschen so gegenseitig helfen und beraten und so. D. h., wir haben dadurch ein riesiges Netzwerk. (…) [M]it verschiedensten, also mit Bloggern und mit ganz verschiedenen, auch mit Fotografen (…) und das ist eine ganz große Gruppe jetzt, und man kennt tatsächlich dann einfach Leute, und die kennen jemanden und die kennen jemanden (ID02, 00:27:02).

Andere Designer werden in diesen gemischten (formell-informellen) Kontexten als wichtige Informationsquelle betrachtet, vor allem im Rahmen des Austausches über gemeinsame Themen (ID23). Die Akteure betonen, dass es wichtig ist, dass der Informationsfluss in beide Richtungen stattfindet, sodass die Beziehungen für beide Seiten Vorteile haben (ID10). Gleichzeitig gibt es bei den Designern das Bewusstsein, überall in derselben Lage zu sein, weshalb man sich gegenseitig hilft, um sich über Wasser zu halten und auf dem Markt zu bleiben (ID08, ID22). Die Beziehung zu anderen Designern ist nicht begrenzt auf den Austausch von unternehmensrelevanten Informationen, sondern die informelle und freundschaftliche Seite der Beziehung rechtfertigt oft auch gegenseitige geistige und emotionale Unterstützung in schwierigen Situationen. Problemen begegnen die Designer zuerst in der Anfangsphase ihres Geschäftsmodells nicht zuletzt aufgrund vielfach geringer unternehmerischer Kompetenzen und Erfahrungen (ID22, ID18). Die Bedeutung dieser Art von Beziehungen wird von erfahrenen Designern allerdings relativiert, da sie die gegenwärtige Branchenumgebung der Berliner Mode im Vergleich zu früher als stärker wettbewerbsorientiert und mit mehr Akteuren ausgestattet beschreiben (ID19). Erfahrene Designer nehmen den Austausch mit anderen nur als profitabel für beide Seiten wahr, wenn der andere bereits eine gewisse Erfahrung in der Branche gesammelt hat. Anderenfalls haben sie schnell den Eindruck, dass die »Jungen« einfach Informationen erhalten wollen, ohne etwas im Gegenzug anbieten zu können (ID10). Diese Art von Austausch findet daher oft zwischen Designern derselben Generation oder Gründerphase statt. Außerhalb dieses Kontextes sind sie eher zurückhaltend in ihrer Informations- und Erfahrungsweitergabe. Ältere Designer nehmen beispielsweise bei Jüngeren ein stärkeres Wettbewerbsdenken wahr und verhalten sich daher vorsichtig (ID10). Somit erkennt man hier eine größere Vielfalt der horizontalen Beziehungen, als sie in empirischen Studien auf der Basis von Cluster- oder Szenetheorien bislang ersichtlich geworden ist (vgl. Kap. 3). Interessant ist, wie vertraulich Informationen über Manufakturen, Schneider, Lieferanten und Läden behandelt werden. Sie werden nicht so ohne Weiteres weitergegeben (ID25, ID24, ID03). Diese Haltung entwickelt sich aus der Überzeugung, dass diese Informationen zu einem materiellen (ökonomi-

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schen) Vorteil beitragen können, und aufgrund der Befürchtung, dass andere Designer mit Zugang zu derselben Infrastruktur den eigenen Vorteil zunichtemachen könnten. Aus diesem Grund versuchen die Designer Austauschbeziehungen aufzubauen, in denen das Gleichgewicht von Geben und Nehmen gewährleistet ist: Beides. Das sind Fragen, die jedes Label in Berlin beschäftigen. Wo bekomme ich meine Maschinen her und wo bekomme ich die Stoffe her? Das ist die eine Seite, und was auch alle beschäftigt, ist, wo kann ich die Sachen verkaufen? Und das sind dann halt (…) zum Teil auch vertrauliche Informationen, weil es ist ja irgendwie entscheidend, ob du da nochmal 1000 Euro sparen kannst oder ob du da noch einen neuen Laden bekommst. Aber, na ja, es kommt immer auf das Vertrauensverhältnis an, es ist immer auch so ein Geben und Nehmen, also z. B., wir haben auch so Stofftaschen (…) Und z. B.: ich hatte mal ein Gespräch mit ’ner Freundin, ’ne Bekannte, die haben auch ein Label, und dann, hat die mich halt gefragt: »Wo habt ihr denn die Taschen her? Was haben die denn gekostet?« Und dann habe ich ihr das gesagt, auch per E-Mail geschickt und im Gegenzug ist dann so ein bisschen, also nicht immer, aber dann vielleicht sagt sie mal: »Ah, okay ich hab hier noch jemanden, der () ein Praktikum macht, wir haben schon keine Plätze mehr, geh doch mal zu [Labelname].« Oder: »Hier, hier ist noch ein guter Stofflieferant oder so.« Es ist immer so, natürlich ist es eine gewisse Konkurrenz. (…) Aber es ist auch so, dass alle eigentlich in der ähnlichen Situation sind (…). Also ich bin mehr so … also ich gönn das eigentlich allen. Wenn sie es schaffen, ist cool (…). Also ich finde es eher gut, sich gegenseitig zu unterstützen, das hilft ja allen, als dass jeder so sein Ding macht, und es sich nicht austauscht. (…) Das Ding ist, das Coole an Mode is’ halt wirklich, dass das so breitgefächert ist. Also es ist, viele, die Labels mit denen (), mit denen ich mich austausche, die machen nicht, die machen was anderes als wir. (…) Die haben einfach einen anderen Stil (…) die brauchen auch ’ne Nähmaschine. (ID24, 00:42:56)

Der offene Dialog und Informationsaustausch zwischen Designern wird von den Interviewpartnern auf die größere mentale Offenheit und ein relativ schwach ausgeprägtes Konkurrenzdenken der Akteure in Berlin zurückgeführt (ID13). Auch die Zugehörigkeit der Gesprächspartner zu einzelnen Unterbranchen des Modedesigns, z. B. der Eco-Mode (ID02), erleichtert eine Kommunikation ohne Vorbehalte. Aus einer anderen Perspektive wird der Informationsaustausch als ein Prozess des »Nehmens und Gebens« definiert (ID08, 00:33:15), in dem gegenseitiges Vertrauen ein wesentliches Element des Austauschs von vertraulichen Informationen ist (ID24). In einigen Fällen kann es auch passieren, dass diese beiden Perspektiven über den Informationsaustausch zwischen Designern – d. h. auf einer Seite diejenigen, die bereit sind, Informationen zu teilen, und auf der anderen Seite diejenigen, die diese Informationen als wichtige Elemente der unternehmerischen

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Strategie sehen – sich treffen, sodass zwei verschiedene Wahrnehmungen der horizontalen Beziehungen gleichzeitig gegeben sind: [Interviewpartner 1] Was auch extrem in der Branche auch ist, was wir leider immer wieder irgendwie mitbekommen, ist, dass man auch ja nicht gerne diese Erfahrung, die wir gerne mit anderen teilen, dass (…) es aber sehr viele gibt, die diese ganze Information zurückhalten, d. h. also die (…) [Interviewpartner 2] [V]ielleicht haben sie nichts zu erzählen (…) auch, man weiß es nicht. Gab es schon viele, wo wir das auch (…), also dass einfach in puncto: »Wo habt ihr die Stoffe her? Wo produziert ihr?«, dass da einfach keine Information weitergegeben wird. (…) [Interviewpartner 1] Weißt du, da kommen Leute bei uns auf den Stand, ich will dir keine Labels nennen [lacht], fragen: »Wo produziert ihr und wo kauft ihr Stoffe?«, dann schreiben wir das denen auf, ich meine, mein Gott, wenn ich da produzier und es bei mir gut läuft, dann bitte, produzier du doch auch, dann geht’s auch den Produzenten besser. (…) [U]nd dann frage ich, einfach nur aus Höflichkeit: »Ja und wo produzierst du?« Ich will nicht produzieren (…) und dann kommt so was: »Nee, sage ich nicht«. (…) Weißt du, dann denkst du dir: »Okay«. Aber so was … haben wir schon ein bisschen paar mal blöd gucken müssen, aber passiert. (ID03, 00:45:04)

Durch den gegenseitigen Austausch bekommen die Designer auch Informationen über andere Themen, die für die Produktion in der Modebranche von Bedeutung sind: Messen und Lieferanten (ID05, ID24), Restmengen von Stoffen für Upcycling (ID17), Manufakturen und Produktion (ID25, ID24, ID22, ID16, ID05, ID02, ID03), Verkaufsmöglichkeiten (ID23), Läden und Onlineplattformen (ID24, ID22, ID17). Allgemein werden als Partner für den Informationsaustausch solche Labels gesucht, die einen anderen Stil oder andere Zielgruppen haben (ID25, ID24), sodass direkten Konkurrenten kein Vorteil verschafft wird. So fühlen sich die Designer nicht bedroht durch die Weitergabe eigener Informationen. Deswegen ist nicht nur von Bedeutung, welche Informationen weitergegeben, sondern auch, mit wem sie ausgetauscht werden. Dieser Grundsatz gilt auch für Akteure im weiteren kreativen Feld, d. h. auch dann, wenn keine unmittelbare Konkurrenzsituation erkennbar ist.

Keine Konkurrenz, sondern gegenseitige ideelle Unterstützung der Designer Die Präsenz anderer Designer in Berlin wird von einigen Interviewpartnern nicht nur negativ als Konkurrenz berücksichtigt, sondern auch auf eine neutrale oder positive Art wahrgenommen. Designer mit demselben Standort sind sich oft der Präsenz anderer Designer bewusst, und sie tendieren, auch ohne selbst eine erkennbare kreative Gruppe gebildet zu haben, dazu, andere Designer genau zu beobachten. Dennoch sind die Beziehungen in diesem Fall nicht kompetitiver Art. Nur selten betrachtet man die anderen Designer als direkte Konkurrenten. So ist es nicht unüblich, dass die Akteure andere Designer ken-

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nen oder mit ihnen befreundet sind und mit ihnen Informationen über produktions- und verkaufsrelevante Themen (wie Messen, Lieferanten, Läden und Manufakturen) austauschen (ID03, ID23, ID22, ID08, ID02, ID24, ID19, ID12, ID24, ID17, ID25, ID16). Einige Designer haben sich darüber hinaus spezialisiert und eine eigene Nische gefunden (z. B. Männermode oder eine Spezialisierung auf besondere Kleidungsstücke). Deswegen sind andere Designer für sie keine potenziellen Konkurrenten, sondern eher neutrale Informationsquellen (ID25, ID14). Auch Designer in der Nähe des eigenen Geschäfts werden nicht unbedingt unter Konkurrenzgesichtspunkten beurteilt, sondern als Vorteil für das eigene Geschäft angesehen, weil damit eine größere Anzahl an Interessierten und potenziellen Kunden angezogen werden kann (ID17). Angesichts dieser neutralen Einstellung und der fehlenden Konkurrenzgefühle stellt sich die Frage nach Art und Umfang der gegenseitigen Unterstützung. Diese entsteht z. B. aufgrund ideologischer Affinität, wie im Fall der Eco-Modedesigner. Eine ähnliche Weltanschauung und Produktionsethik (faire Produkte und Verarbeitungen für Mensch und Umwelt, Nutzung umweltfreundlich hergestellter Stoffe) führen schneller zur Interaktion dieser Akteure (ID02). Freundschaftsbeziehungen zwischen Designern haben sich oftmals vor dem Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit entwickelt, z. B. während des Studiums an der Universität (ID23, ID22), durch gemeinsame Kontakte, wie z. B. mit derselben Agentur (ID22), durch die Teilnahme an denselben Events (ID08) oder wenn derselbe Laden gemeinsam genutzt wird (ID10). Da es in dieser Branche viele Formen der Produktdifferenzierung gibt, wird zudem ein kollektives Bewusstsein gefördert, das den Grundsatz nichtwettbewerbsorientierter Koexistenz enthält. Wer sich auf Männermode spezialisiert hat, fühlt sich nicht durch Frauenmode oder andere Stile bedroht (ID22, ID24, ID14, ID21, ID25). Darüber hinaus kennen sich die Designer untereinander und sehen sich ähnlichen Problemen gegenüber, wobei sie sich oftmals bei der Lösung praktischer Probleme gegenseitig helfen: Das Gute in Berlin ist auch, dass es eigentlich keine (…) so ’ne blöde Konkurrenz gibt, also das ist eher, dass man sich gegenseitig aushilft, weil, wir sind irgendwie alle am Anfang und (…) es ist einfach so, viele Sachen kann man nicht wissen oder man braucht Hilfe. Und dann ruft man einfach mal den und den an und dann kann der einem helfen. (ID22, 00:41:02)

Designer, die miteinander befreundet sind, stellen sich selten unter Konkurrenzverdacht, sondern generieren gegenseitige Hilfs- und Unterstützungsformen, die über den einfachen Informationsaustausch hinausgehen und auch ideelle Unterstützung einbeziehen:

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Berliner Moden Ja, innerhalb der Design…, also das Gute in Berlin ist ja, dass … mit ganz vielen Designern bin ich richtig befreundet, weil wir, weil ich, entweder haben wir zusammen studiert, also das ist lustig, ich habe z. B. mit [Name einer Berliner Designerin] und mit den beiden Mädchen von [Name eines Berliner Labels] zusammen in einer Klasse studiert, [Name eines Berliner Designers] war ’n paar Semester über mir, also auch von meiner Uni, den kenne ich schon. Und dann so, klar, durch meinen PR-Agenten kennt man eben dann so Leute wie [Name eines Berliner Designers], weil der in der gleichen Agentur ist. (…) [Interviewer: So, die Beziehung zwischen den Designern ist nicht so konkurrenzorientiert hier.] Ne, ne. Also gibt’s bestimmt welche, die sind aber, mit denen, mit denen ich zu tun habe, da ist das immer … also weil wir auch richtig befreundet sind, deswegen macht es keinen Sinn. Also wir treffen uns auch irgendwie jede Woche privat, deswegen. Aber, weil wir vorher schon Freunde waren, bevor das irgendwie losging, deswegen, das ist natürlich toll, und ich als Mensware-Designer bin ja dann sowieso nochmal außen vor, weil, die sind ja nicht meine direkten Konkurrenten. Die machen alle Womenswear und deswegen. (ID22, 00:41:44)

Diese Art von Beziehungen erleichtert es den Designern, lokale informelle Netzwerke zu entwickeln. Aus der »konkurrenzlosen« Wahrnehmung lokaler Gemeinschaften oder Milieus beziehen viele Designer auch Impulse für die Entwicklung ihrer unternehmerischen Strategien. Aber wie und wo entwickeln sich die Beziehungen zwischen Designern konkret? In einigen Fällen besuchen Designer die Läden anderer Designer, um neue Verkaufspunkte zu finden und ihre Stücke vorzustellen (ID25). Sie suchen Läden und Labels, die zur eigenen Kollektion einen kompatiblen Stil haben. Man stellt sich gegenseitig vor und informiert sich über die Aktivitäten anderer Designer. Unterschiedlich orientierte Designer betreiben einen gemeinsamen Laden (ID10). Ansonsten organisieren sich die Designer außerhalb eines engeren Produktionszusammenhangs oder nehmen an Stammtischen teil. So lernen sie andere lokale Designer kennen und tauschen sich über die Gebräuche, die eigenen Tätigkeiten und Probleme aus (ID02, ID17). Weitere Treffpunkte und Austauschorte für Designer sind sowohl lokale als auch internationale Messen und Events. Oft kommen hier Designer mit ähnlichen Stilen (z. B. Streetwear) oder Werten (z. B. Öko-Mode) zusammen (ID24, ID02). Diese Art des Kontakts ist nicht immer einfach herzustellen oder in ökonomischer Hinsicht fruchtbar, bringt aber einen Zugewinn an Informationen über die Branche im Allgemeinen oder den lokalen Kontext. Trotz der kollektiven Norm der Gegenseitigkeit kommt es immer wieder einmal vor, dass einige Designer diese Kontakte nur nutzen, um Informationen von anderen zu bekommen, ohne ihrerseits Aspekte ihrer eigenen Produktion mitzuteilen (ID03). Generell werden solche Ereignisse aber als Ausnahmefälle geschildert. Die Präsenz vieler Designer in Berlin fördert auch eine positive produktive Spannung zwischen eigenen unternehmerischen Tätigkeiten und der Konkur-

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renz. Die Anwesenheit tatsächlicher, wahrgenommener oder potenzieller Konkurrenten schafft einen Stimulus für die eigene Kreativität und darüber hinaus für die Dynamik der Branche auf der lokalen Ebene. Dies gilt ebenso für den Begriff des kreativen Feldes im Sinne Scotts (vgl. 2006a, 2008, 2010, 2014), wie von diesem Designer gut erläutert wird: I think the more competition there is the more it forces you to do something, you know, if in Paris the level is so high, also because there is a lot of competition, so people are trying harder to be more creative, better, you know, all the time and in a city like, I don’t know, Hannover, you know, you open an atelier, you are not challenged and I think here it is ok, although I am not so much influenced by other brands it’s healthy to see beautiful things around you. So I would not like to work in a city where I am the only one. Maybe it could be good to business but I think at the end of the day it would limit your expansion of ideas. (ID07, 00:29:04)

Für einige Befragte sind Beziehungen zu anderen Berliner Designern nicht nötig oder auch nicht vorteilhaft. Sie nehmen andere Designer nicht als direkte Konkurrenten wahr, hauptsächlich aufgrund deren anders gelagerter Spezialisierungen. Aus demselben Grund werden sie aber auch nicht als interessante Informationsquellen wahrgenommen (ID21, ID09, ID14). Für diese Designer ist die Teilnahme an Events eine Möglichkeit, sich Informationen über andere aktive Akteure zu beschaffen, aber dies sind nicht Informationen, die die Produktionsorganisation oder die Beziehung zur lokalen Szene beeinflussen können. Daher sind in kommunikationspraktischer Hinsicht diese Designer marginale Akteure, ohne jedoch weniger anerkannt oder beziehungsrelevant für die deutsche oder die Berliner Modewelt zu sein (ID21). In anderen Fällen kennen die Designer sich gegenseitig nicht und haben keine Beziehungen zu anderen lokalen Designern; sie orientieren ihre Beziehungen stattdessen eher an anderen kreativen Branchen (Künstler, Film, Grafiker; ID16, ID20). Aufgrund von Generationsunterschieden kennen Designer, die seit langem aktiv sind, die jüngeren Designer meist nicht (ID19, ID10). Solche Designer, die nicht in persönliche Netzwerke der lokalen Modebranche integriert sind, können nichtdestotrotz in anderen lokalen Branchen sowie in überregionalen professionellen Netzwerken aktiv oder bekannt sein.

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7.2 S oziale B eziehungen und U mgebung der kre ativen P roduktion 7.2.1 Sozialkapital als externes Element des Produktionsnetzwerkes Die Interviews zeigen, wie Designer sich am Anfang ihrer Karriere ohne stabiles Kontaktnetzwerk in der Produktion und in der Branche auf Ratschläge, Informationen, Hilfe und Feedback externer Kontakte aus dem Bekanntenkreis verlassen, insbesondere von Familienangehörigen und Freunden. Mit zunehmender Erfahrung und vermehrten Kontakten unter den Branchenakteuren sowie der Stabilität der Produktionsstruktur lässt diese Neigung nach. Gleichzeitig steigt der Informationsaustausch mit anderen Branchenakteuren bis zu dem Punkt, an dem die Rolle von Familie und Freunden nur noch marginal ist. In diesem Sinne kann man mithilfe der Kategorien des Produktionsnetzwerks sagen, dass die strategische Relevanz des Sozialkapitals mit zunehmender Erfahrung als unternehmerischer Designer und mit zunehmender professioneller Einbettung abnimmt. Daher basieren die Produktionsnetzwerke erfahrener Designer auf professionellen Beziehungen, wohingegen die Kontakte mit Freunde und Familie immer mehr in der Privatsphäre belassen werden.

Familie und Freunde In der Anfangsphase stellen Freunde und Bekannte für die Designer wichtige Quellen für Feedback und Ratschläge dar (ID24, ID13). Ja doch, also wenn jetzt z. B. … ich habe gerade so eine kurze Jacke gemacht mit vier Taschen, und dann hat die ein Freund von mir anprobiert und hat ein paar Tipps gegeben, also (…) das ist total wichtig also, dass die Taschen z. B. nicht gerade sein dürfen, sondern ’n bisschen schräg, damit es bequemer ist, und so einzelne Details. (ID13, 00:16:17)

Für andere Designer können Ratschläge dieser Art von den eigenen Mitarbeitern gegeben werden (ID05, ID11) oder von Schneidern und anderen Akteuren im Produktionsnetzwerk (ID12). Es kommt auch vor, dass die Grenzen zwischen Freundschaft und beruflichen Beziehungen nicht deutlich markiert sind und Freundschaften genutzt werden, um nützliche Kontakte in der Produktionsorganisation zu etablieren. Umgekehrt können sich professionell entstandene Beziehungen in Freundschaften verwandeln (ID22, ID08). Ein Beispiel dieser Art von Beziehungen ist hier dargestellt: »[Interviewer: Und wie hast du diese Produktionsstätte gefunden?] Über Mund-zu-MundPropaganda. »Das und das, würden wir gerne produzieren lassen, weißt du, wo wir es

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld am besten machen könnten?« »Okay, schreib mir die, gut«. Klappe, eigentlich nur so, das spricht sich ein bisschen rum, und man kennt sich ja doch. [Interviewer: Okay, unter Designern oder allgemein?] Unter Designern (…) Ich kenne [Name der Gründerin einer Produktionsagentur] als Freundin, und deswegen habe ich sie nur angerufen. (ID12, 00:08:33)

Zusammengefasst können Freunde und Familie drei Hauptfunktionen haben: Zunächst können sie Ideen und Ratschläge geben (ID06, ID16, ID12), sodass sie den Designer sowohl direkt als auch indirekt inspirieren können, auch wenn sie keine spezifischen unternehmerischen Kompetenzen haben (ID12). Zweitens können Freunde und Familie materielle Unterstützung leisten, mit aktiver Hilfe insbesondere in der Vertriebsphase und durch Unterstützungstätigkeiten wie Grafikentwurf und Fotografieren (ID04, ID11), bei der Ateliersuche (ID05) oder durch die finanzielle Unterstützung des Labels (ID06). Drittens geben Familie und Freunde ideelle und moralische Unterstützung, da die Arbeit insbesondere in der Frühphase der unternehmerischen Tätigkeit oft durch Stress und Frust gekennzeichnet ist (ID06, ID05, ID12, ID22).

Arbeitsmarkt und Rolle der sozialen Netzwerke in seiner Stabilisierung Bezüglich der Beschäftigung der Designer in der Modedesignbranche können einige Merkmale identifiziert werden, die von den Branchen der Kreativ- und Kulturwirtschaft geteilt werden (vgl. Hesmondhalgh 2015, 262; Towse 1992): die Tendenz, mehrere Jobs zu haben; ein höherer Anteil an selbstständiger Tätigkeit im Vergleich mit anderen Branchen; zeitlich kurze Verträge; fragliche Karriereperspektiven; asymmetrische Distribution der Profite; niedriges Durchschnittsalter der Arbeiter im Vergleich mit anderen Branchen; steigende Zahl an Arbeitskräften. Aus dieser Liste kommen deutlich die Schwierigkeit und Ungewissheit zum Vorschein, das eigene (Privat- und Arbeits-) Leben planen zu können.7 Es gibt in der Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft eine hohe Flexibilisierung und Prekarisierung des Arbeitsmarktes (vgl. Scott 2008). Persönliche soziale Netzwerke werden auch im professionellen Bereich verwendet (vgl. Scott 2008; Neff et al. 2005), sodass die persönlichen Interak7 | Insbesondere bezüglich des Themas der Vergütung sind zwei Positionen zu erkennen, die von den in den empirischen Studien gewählten Branchen beeinflusst werden, die die jeweilige Position unterstützen. Auf der einen Seite wird behauptet, dass die wissensund kreativitätsintensive Ökonomie hochspezialisierte und hochentlohnte Jobs schafft mit dem Nebeneffekt, auch Jobs mit geringerer Qualifikationsanforderung und einem niedrigeren Gehalt zu generieren (vgl. Scott 2008; Moretti 2013). Auf der anderen Seite steht die Aussage, dass auch kreative und hochspezialisierte Tätigkeiten mit niedriger Entlohnung verbunden sein können (vgl. Hesmondhalgh 2015).

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tionen utilitaristisch konnotiert werden. Darüber hinaus spielen aufgrund der zeitlichen und monetären Unregelmäßigkeit der oft projektbasierten kreativen Tätigkeiten Familie und Freunde eine wichtige Rolle, denn sie unterstützen die produktiven Tätigkeiten in den kreativen Branchen (materiell und psychologisch; vgl. Hesmondhalgh 2015, 263). In der durch kleine und mittlere Unternehmen sowie schnelle Wechsel in den Beschäftigungsverhältnissen gekennzeichneten Modedesignbranche ist die Aktivität eines Unternehmens oft kurzlebig und werden meist nur niedrige Verdienste erwirtschaftet, sodass es für Designer nicht unüblich ist, mehrere Jobs und Projekte gleichzeitig begleiten zu müssen. In diesem Kontext werden auch aufgrund der kleinen Dimensionen der Unternehmen und der Struktur der Produktionsnetzwerke die Interaktion zwischen mehreren Akteuren benötigt. Es können, ausgehend von den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung, drei Elemente identifiziert werden, die den Arbeitsmarkt der Berliner Modedesignbranche und seine Dynamiken prägen: • der urbane Kontext und seine sozioökonomische Komposition, d. h. das kreative Feld und die territoriale Einbettung, • die Organisation der Arbeit und der Produktion, die flexibel ist und die von der Interaktion verschiedener professioneller Akteure abhängt, d. h. die professionelle Einbettung und die Positionierung des Produkts, sowie • die sozialen Netzwerke nicht nur im Produktionsprozess, sondern auch als stabilisierendes Element für das professionelle Leben, d. h. das Sozialkapital. Das erste Element, das die Arbeitsdynamiken der Berliner Modebranche beeinflusst, ist die Beziehung der Designer mit dem kreativen Feld und deren territoriale Einbettung. Die räumliche Konzentration der Designer bringt strategische Vorteile im Sinne der Wissensdiffusion, Spezialisierung und der Möglichkeit, Kontakte für das eigene professionelle Netzwerk knüpfen zu können. Aber auch wenn die Ursachen dieser räumlichen Konzentration zum Teil mit den Merkmalen dieser Branche zusammenhängen, wird sie auch in starkem Ausmaß von den sozioökonomischen Faktoren beeinflusst. Darunter zählen sowohl die Bildungsstätten für modebezogene Berufe als auch die Vielfältigkeit der Kompetenzen und kulturellen Herkünfte der Einwohner, wovon die Designer profitieren können. Die räumliche Konzentration der Akteure begünstigt die individuelle Spezialisierung und die Dynamik im Arbeitsmarkt in einer Branche wie jener der Mode, in der Projekte und zeitbegrenzte Kollaborationen verbreiteter sind als langfristige Anstellungen. Die Akteure, nicht nur die Designer, spezialisieren sich um eine spezifische Nische, um den entsprechenden Markt zu finden und sich in diesem zu positionieren. Das kreative Feld beeinflusst die Arbeit im Modedesign auf drei Arten: Erstens generiert die Anwesenheit von

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vertikalen und horizontalen Beziehungen (d. h. von potenziellen Konkurrenten und Partnern) am selben Ort Wissensflüsse und Kreativität in der lokalen Agglomeration (vgl. Scott 2010 Krätke 2011). Zweitens begünstigt die räumliche Nähe informelle soziale Netzwerken und den Austausch geldloser Leistungen, da es unter räumliche nahen Akteuren einfacher ist, vertrauensbasierte und auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehungen aufzubauen und zu pflegen (ID20, ID22). Drittens bringt eine hohe Akteurskonzentration auf lokaler Ebene auch eine verstärkte Konkurrenz mit sich, die von den Designern oft positiv bewertet wird, da sie Anregungen liefert, um kreativ zu sein (ID07). Das zweite Element betrifft die Positionierung des Produkts und die professionelle embeddedness. Die Art der Jobs von Designern kann sowohl zeitlich als auch inhaltlich variieren, um eine gewisse wirtschaftliche und professionelle Stabilität zu erreichen, wenn auch nur für kurze Zeit. Aus den geführten Interviews lassen sich drei verschiedene Beschäftigungsmodelle erkennen: Designer, die Vollzeit arbeiten und es schaffen, davon zu leben; Designer, die trotz ihrer Vollzeitbeschäftigung es nicht schaffen, genug zu verdienen; und diejenigen, die Teilzeit als Designer arbeiten. Diese Umstände sind zum Teil das Ergebnis struktureller Merkmale der Produktion und des Marktes im Modedesign, aber zum Teil auch der unternehmerischen Kompetenzen (oder des Mangels an solchen Kompetenzen) der Designer, die ihre Karriere in dieser Branche starten. Diese Problematiken und die Strategien, um sie zu umgehen, laufen quer zu den hier erwähnten verschiedenen Zuständen. In der Folge werden einzelne Gruppen lose präsentiert, um das Wiedererkennen einer spezifischen Gruppe zu vermeiden. Einer der wichtigsten Schritte jedes Designers ist, wie im letzten Kapitel ausführlich dargestellt, die Positionierung, d. h. die Identifizierung einer Spezialisierung, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Dabei definiert er anhand der materiellen und symbolischen Merkmale des eigenen Produkts sowohl eine Zielgruppe als auch eine Produktionsstruktur und Unternehmensorganisation. Insofern ist das Ausmaß effektiver Konkurrenz durch in Berlin aktive Designer eher begrenzt und die Nähe anderer Designer, die sich auf anderen Nischen und Stile fokussieren, wird nicht negativ wahrgenommen (ID22, ID24, ID14, ID21, ID25). Die Spezialisierung beschränkt sich nicht auf die Modedesigner, sondern gilt auch für die Manufakturen und Schneider (ID20, ID04). Insbesondere in den Anfangsphasen der unternehmerischen Tätigkeit der Designer spielen Familien und Freunde eine wesentliche Rolle, da sie materielle und emotionale Unterstützung auf verschiedene Art und Weise leisten: Sie versorgen sie mit Ideen und Ratschläge für die Führung des Unternehmens (ID06, ID16, ID12); Familie und Freunde können in spezifischen Phasen der Produktion und des Vertriebes aktiv mitwirken, oder den Designer finanziell unterstützen (ID04, ID11, ID05, ID06); darüber hinaus können sie dem Designer Zuspruch, Trost und Halt geben (ID05, ID06, ID12, ID22).

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Ein weiteres Element, um die ökonomische Stabilität der beruflichen Tätigkeiten der Designer zu begünstigen, sind die Kollaborationen, die von der räumlichen Konzentration kreativer Akteure in der Stadt erleichtert werden (ID20). Die Kollaborationen können in zwei Gruppen geteilt werden: auf der einen Seite diejenige, die auf die Qualität des Produktes abzielen, und auf der anderen Seite diejenige, die zur ökonomischen Stabilität der Designer beitragen. Die Kollaborationen der ersten Gruppe stehen für kreative Experimente, die der Designer mit anderen Künstlern durchführt, die spezifische oder komplementäre Kompetenzen besitzen (ID07). Diese haben daher ihr primäres Ziel in der Einbringung symbolischer oder materieller Werte zu dem Produkt. Hingegen ergeben sich die Kollaborationen der zweiten Gruppe aus den persönlichen Beziehungen der Designer. Es werden professionelle Kompetenzen aus anderen Projekten eingebracht, die nicht unbedingt mit einer erhöhten Kreativität oder einem Mehr an Entscheidungsfreiheit verbunden sind, aber die eventuelle geringere Verdienste in der Haupttätigkeit als Modedesigner kompensieren (ID06).8 Darüber hinaus können Designer auch an Kooperationsgruppen teilnehmen, um Maschinen oder ein Atelier zu teilen oder als Gruppe zu geringeren Kosten Modeevents beizuwohnen (ID15). Das dritte Element, das die Arbeitsdynamiken in der Berliner Modebranche prägt, ist das Sozialkapital. Teilweise aufgrund der Produktionsorganisation in der Modebranche und teilweise als bewusste unternehmerische Strategie, versuchen die Designer, ein dichtes soziales Netzwerk zu entwickeln und dies aus verschiedenen Gründen zu verbreitern: um Kontakte mit potenziellen Projektpartnern zu erleichtern (ID14), die Risiken der Selbstständigkeit zu reduzieren, Zugang zu Informationsflüssen zu bekommen, sich eine Reputation auf- und auszubauen oder emotionale Unterstützung zu finden. Um solche Kontakte mit den berlinbasierten Akteuren zu knüpfen, organisieren einige Designer Events mit dem Ziel, weitere Designer und andere Akteure zusammenbringen zu können (ID02). Durch die persönlichen Netzwerke und Mundpropaganda werden nicht nur Partner für einzelne Kollaborationen gesucht, sondern auch Akteure (wie Schneider und Manufakturen), die in dem Produktionsprozess benötigt werden (ID16).9 In dieser Art der Netzwerke, die sich auf Reputation und Mundpropaganda gründen, integrieren sich daher neben den Designern auch andere Akteure des Produktionsprozesses, die ihrerseits Teil des kreativen Feldes und der lokalen Modebranche werden.

8 | Beispiele für diese Art der Kollaboration sind Designer, die an der Realisierung der Kostüme für Fernsehproduktionen teilnehmen oder die Maßanfertigungen bzw. Änderungsschneidereien anbieten (ID06). 9 | Einige Designer verlassen sich auf Kooperativen und Organisationen, die Manufakturen und Designer vermitteln.

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Die Anwesenheit anderer Designer in der Stadt ist per se kein Nachteil für die unternehmerische Tätigkeit der Designer. Vielmehr verbreiten sich durch die Beobachtung der direkten Konkurrenten und die Kontakte des eigenen Netzwerks mit anderen Designern und potenziellen Kooperationspartnern Informationen und Wissen, und der Zugang dazu stellt einen strategischen Vorteil dar (wie in der Clusterforschung beschrieben, vgl. Kap. 3.3). Die Beziehungen unter Designern sind nicht nur formell oder wettbewerblich, sondern können auch freundschaftlich sein und gegenseitige Hilfestellungen sowie den Austausch von Informationen und für die Aktivitäten der Designer relevanten Erfahrungen beinhalten (z. B. über Messen, Lieferanten, Manufakturen oder Läden; ID22, ID03, ID23, ID08, ID02, ID24, ID19, ID12, ID17, ID25, ID16). Diese Art von Beziehungen sind besonders hilfreich, wenn die Designer noch keine unternehmerischen Kompetenzen besitzen und im Allgemeinen in den Anfangsphasen ihrer Tätigkeit, da es die Wahrscheinlichkeit reduziert, in dieser Phase Fehler zu begehen (ID08, ID18, ID22). Darüber hinaus ist es für Designer dank der Freundschaft mit anderen Personen in der gleichen Lage leichter, die emotionale Bürde ihrer Arbeit zu tragen. Auch Freundschaftsbeziehungen tendieren dazu, sich eher unter räumlich nahen Akteuren zu etablieren, und stärken deswegen die Informations- und Wissensflüsse in dem kreativen Feld der Stadt. Daher wird die Bereitschaft verständlich, ohne finanzielle Kompensation arbeiten zu wollen (ID22): Sie stellt eine Investition in die Entwicklung der eigenen Reputation und ihrer Diffusion dar, was wiederum eine (bessere) Entlohnung in der Zukunft ermöglichen kann (ID16). Diese Praxis findet hauptsächlich unter den Akteuren statt, die für die Realisierung des Lookbooks zuständig sind (wie unter anderen Fotografen, Models, Grafikdesigner) oder in den Kollaborationen zwischen Designern und Künstlern. Für die eigene Selbstvermarktung kann der Designer einerseits die Mundpropaganda der Kunden nutzen (ID04, ID06, ID07, ID08, ID10, ID17, ID21, ID25), andererseits verbreiten die ehemaligen Kollaborations- und Produktionspartner die Reputation des Designers (ID05, ID06, ID12, ID15, ID25), sodass der in den Netzwerken des kreativen Feldes integriert wird und künftige Kollaborationen erleichtert werden. Diese Abhängigkeit von informellen Kanälen (in Vergleich mit der strukturierten Aktivität spezialisierten PR-Agenturen) hängt hauptsächlich mit den kleinen unternehmerischen Dimensionen in der Modebranche zusammen so wie mit einem Mangel an ausreichender monetärer Stärke. Die Modedesignbranche weist, insbesondere unter kleinen und mittleren Unternehmen, fragile und flüchtige Arbeitsverhältnisse auf, womit die Akteure dieser Branche, auch in Berlin, sich auseinandersetzen und verschiedene Lösungen entwickeln müssen, um mit diesen strukturellen Merkmalen des Arbeitsmarktes umzugehen. Die Modedesigner bauen ihre berufliche Stabilität auf verschiedenen Strategien, die die Anwendung der professionellen und sozi-

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alen Netzwerke erfordern. In den verschiedenen Szenarien ist es stets die Netzwerkstruktur, die Interaktion unter den Akteuren und ihre strategisch unternehmerische Anwendung, die den Designern eine (wenn auch nur minimale) berufliche Stabilität ermöglicht.

7.2.2 Berlin als Standort und Modestadt Die Modestädte Die Modebranche organisiert ihre Netzwerke, Wissensflüsse und Rekonfigurationsorte auf globaler Ebene (vgl. Dicken 2011; Skov 2006; Entwistle 2010; Weller 2008). Dabei spielen einige Städte mit ihrer permanenten räumlichen Nähe und temporären Events wie Messen und Fashion Weeks eine zentrale Rolle in Bezug auf die Akteure und Funktionen in der Modebranche. Aber diese Städte schaffen auch immaterielle symbolische Elemente wie Trends, Stile und ästhetische Innovationen (vgl. Wenting 2008; Rantisi 2004; Dunford 2006). Einige Städte sind daher aufgrund ihrer materiellen und symbolischen Funktionen in der Praxis Knoten des globalen Modenetzwerkes (z. B. New York, London, Mailand und Paris; vgl. Entwistle 2010; Kawamura 2005). Sie sind miteinander verbunden durch Akteure und Wissensflüsse, die insbesondere während der Fashion Weeks gut sichtbar werden. Andere Städte hingegen, wie z. B. Berlin, stellen regionale Knoten des Netzwerks dar und nehmen klar definierbare Positionen in der Hierarchie der Modestädte ein. In diesen Knoten des Modenetzwerks entstehen räumliche Konzentrationen von Akteuren, entweder nur in bestimmten Phasen des Produktionsnetzwerks (z. B. Designer und Hochschulen) oder von Produktionsnetzwerken mit einer größeren regionalen Streuung der Standorte (vgl. Dunford 2006). In ähnlicher Weise konzentrieren sich auf der lokalen Ebene Wissens- und Kreativitätsflüsse: Designer können dadurch die Konkurrenten beobachten, sich von zirkulierenden Ideen und Beobachtungen inspirieren lassen und Zugang zu lokalen Infrastrukturen und Produktionskontexten finden (Szene, Milieus, Kultur, Normen und Werte; vgl. Rantisi 2002). Inspiration und Imitation liegen hier nah beieinander, beide finden hauptsächlich zwischen Unternehmen statt, die in räumlicher Nähe zueinander liegen und durch geografisch lokalisierte soziale Netzwerke verbunden sind (Uzzi 1996; Sorenson 2003; Stuart / Sorenson 2003). Weitere Inspirationsquellen sind der gebaute Raum der Stadt sowie symbolische und immaterielle Aspekte sozialer und physischer Räume, sodass Modelabels (insbesondere in höheren oder design- und innovationsorientierten Marktsegmenten) in spezifischen Städten zur Konzentration tendieren, da »the global fashion system creates hierarchies of knowledge and ›territories‹ of aesthetic influence that exert a massive influence over the structures and locations of production« (Weller 2006a, 62). In gleicher Weise konzentrieren sich in der Stadt die kreativeren und designbezogenen Produktionsphasen, während sich die industriellen

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

und wenig innovativen Phasen an der regionalen Peripherie lokalisieren lassen (vgl. Rantisi 2004; Jansson / Power 2010). Die Entwicklung der einzelnen räumlichen Konzentrationen muss aber nicht als Zusammenhang rigider, sondern dynamischer Beziehungen interpretiert werden, die die Beziehungen zwischen den Knoten des Netzwerks und die Entwicklungspfade der einzelnen Konzentrationsorte modifizieren können (vgl. Rantisi 2004). Wie bei der Erstellung für andere kulturelle und kreative Produkte auch tritt im Modedesign neben die materielle Wertschöpfung stets eine ästhetische Komponente. Sie weist unter anderem auf die Fähigkeit der Designer hin, das symbolische Wissen in ihrer Umgebung aufzunehmen und zusammen mit einem eigenen symbolischen Beitrag in das jeweilige Produkt einfließen zu lassen (vgl. Wenting 2008; Graham 2003; Scott 2000, 2008; Storper 2013). In diesem Sinne spiegelt das Produkt die zugeschriebenen ästhetischen und symbolischen Qualitäten eines Ortes teilweise wider. Durch diesen Prozess der Bedeutungszuweisung werden sowohl die Orte als auch die Produkte einzigartig. Deshalb kann sich die Berliner Mode von anderen Produkten der Branche und Berlin von den anderen Modestädten abheben. Diese symbolische Einzigartigkeit hat aber auch Grenzen, da sie meistens von externen Akteuren wahrgenommen wird, d. h., sie ist insbesondere für Labels von Bedeutung, die entweder an Touristen in Berlin oder durch internationale Einkäufer im Ausland verkaufen, während sie für Labels mit einem lokalen Publikum eine kleinere Rolle spielt (ID01), da netzwerkintern bereits Gewöhnungseffekte eingetreten sind. Die Beziehungen zwischen Modebranche und Stadt sind daher bidirektional und durch gegenseitige Einflüsse gekennzeichnet. Die Designer beziehen ästhetische Inspirationen aus der Stadt und sorgen gleichzeitig für die Symbolproduktion, etwa in Form des Brandings der lokalen Mode, indem sie die Stadt mit veränderten Zuschreibungen und (wahrgenommenen) Eigenschaften ausstatten. Durch diese Interaktionen werden die Städte im regionalen bzw. globalen Netzwerk der Modebranche als Individuen mit besonderer Identität aufgenommen: »It is suggested that to be a ›global‹ city in image-intensive sectors is not simply a question of being home to a large concentration of firms. Rather, global-city status in fashion and design should be viewed as partly a product of rhetoric and interpretation; the dissemination of more or less managed narratives, images, and myths about specific places. Global fashion or design cities function as centres for the production and assignment of brand value. However, such places are not neutral assembly points where professionals construct and attach brands to firms and products. The brand identity and associations of the place itself is important to firm or product-level brands: it rubs off on brands ›originating‹ there, it is appropriated and used by actors, and it gives credence and context to actors’ efforts and positionality. In short, brands such as ›made in Milan‹ are integral components of many commercial stories.« (Jansson / P ower 2010, 902)

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Berlin spielt als Modestadt eine ambivalente Rolle. Der Begriff Modestadt steht je nach Standpunkt des Befragten für ganz unterschiedliche Sachverhalte, z. B. für eine Stadt, in der Mode konsumiert wird, eine Stadt, in der Modeartikel produziert werden, in der sich Designer konzentrieren, in der Modeevents stattfinden, die das Mobilitätsziel der Branchenakteure sind, oder allgemeiner eine Stadt, die mit der Entwicklung von Trends und der (Re-)Produktion leitender Ideen der Mode verbunden ist. Diese verschiedenen Perspektiven sind weder in dem Wort Modestadt an sich noch in den Meinungen der Designer einheitlich vertreten, da sich die Wünsche und Bedürfnisse, die die Designer mit der Stadt verbinden, erheblich voneinander unterscheiden. Deswegen werden diese verschiedenen Positionen im Folgenden genauer vorgestellt und unterteilt in solche, die für, und andere, die gegen die Wahrnehmung Berlins als Modestadt sprechen. Die Wahrnehmungen der Designer sind dabei von primärem Interesse: Auf ihnen beruhen die Strategien und unternehmerischen Handlungen der Akteure des Produktionsnetzwerks. In einem weiteren Sinne kann man unter dem Wort Modestadt, zunächst, eine Stadt verstehen, die ein kreatives Feld und eine Ballung von Akteuren aufweist, die in der Modebranche in einigen (wenn auch nicht allen) materiellen sowie immateriellen Elementen des Produktionsnetzwerks und der Wertschöpfung als relevant wahrgenommen werden. Wie sich noch zeigen wird, ist diese Definition ergänzungsbedürftig.

Merkmale, die für eine Definition Berlins als Modestadt sprechen Fachhochschulen für Modedesign in Berlin haben sowohl in Deutschland als auch im Ausland einen guten Ruf und sind Anziehungspunkte für diejenigen, die für diese Branche ausgebildet werden wollen (ID01, ID20). Auf der einen Seite stellen die Hochschulen eine Gruppe gut ausgebildeter Fachkräfte zur Verfügung, die oft für wenig Geld oder gänzlich ohne Bezahlung Praktika absolvieren (ID06, ID24). Auf der anderen Seite generiert der konstante Fluss von Absolventen neue Designer für das kreative Potenzial der Stadt, aber auch für einen wettbewerbsorientierten Arbeitsmarkt und ein konkurrenzorientiertes Unternehmensumfeld (ID11, ID19). Berlin zeigt nicht nur aufgrund der vielen Hochschulen eine hohe Designerkonzentration, sondern hier halten sich auch Designer auf, die für kurze oder längere Zeit Berlin zu ihrem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt machen: Designers in London and designers in Paris and designers in New York are definitely coming to Berlin to see what’s going on, because Berlin is very very famous for its underground culture, it’s very famous for its street culture and also known for its diversity and openness, obviously. So if you are a good designer, anywhere in the world, Tokyo or Milano, you’re coming to Berlin in one way or another, to see what’s going on. And we are really lucky to live here, because not only do we have the people who live here,

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld but we have the people from all around the world who are coming and experiencing this. (ID20, 00:07:10)

Die Attraktivität der Stadt ist für die Designer mit einer besonderen urbanen Kultur verbunden, aber auch die Aktivitäten der Hochschulen und kulturellen Institutionen (z. B. Museen und Bibliotheken) tragen zur Attraktivität für die Designer bei. Trotzdem spiegelt sich die Anziehungskraft der Stadt für diese Akteure nicht automatisch in einer Konzentration aller Produktionsphasen wider, so wie dies bei klassischen industriellen Agglomerationseffekten der Fall ist. Die Aussage dieses Designers liefert einen Anhaltspunkt für die mehrfache Diversifizierung der Attraktivitäten: I don’t think it should have a Berlin Fashion Week and all that (…) yes, a place for cultivating designers and cultivating this this thing, this phenomenon that is already been, I think that’s what we need, definitely. It’s like wine, right, I don’t know, Bordeaux is not a place that people go, to enjoy wine, I guess they could, right, they could go visit, right, but they go to they go to restaurants, they go to the places where the wine is available, right, and enjoy it there, right, and I think the same thing should happen … it’s about cultivating designers. (ID20, 00:51:35)

Das Image Berlins als kreative und stimulierende Stadt ist in den Darstellungen der Befragten keineswegs homogen. Für manche wird es durch alternative Szenen, legendäre Partys und ein quirliges Nachtleben geprägt (ID08, ID25). Für andere steht die Anwesenheit von internationalen Touristen, Akteuren und Institutionen der Modebranche (wie Fachpresse, Läden und Fashion Week) sowie eine kosmopolitische Stadtbevölkerung im Vordergrund der Imagekonstruktion (ID08, ID10, ID24, ID15). Diese multiple Wahrnehmung der Stadt, die laut einigen Interviewten in der kollektiven Vorstellungswelt auch auf internationaler Ebene verbreitet ist (ID15), wird als ein Wettbewerbsvorteil für die in Berlin angesiedelten Akteure gewertet, während für andere Befragte (ID11) der unternehmerische Erfolg hauptsächlich von den Produkten abhängt und nicht von der eher urbanen Umgebung. Relevante Standortentscheidungen entstehen ihrer Ansicht nach in der Privatsphäre und nicht in urbanen Hypes. Die Anwesenheit von Akteuren, die nützlich für die Aktivitäten eines Modelabels sind, wird von einigen als potenzieller Vorteil Berlins betrachtet, z. B. weil es einfach ist, Grafikdesigner, Fotografen, Künstler oder Kreative für Kollaborationen zu finden. Das Image Berlins kann – gerade wegen seiner Vielsichtigkeit – auch gut für die Marketingstrategie eines Labels verwendet werden. »Berlin« wird z. B. einfach dem Labelnamen hinzugefügt (ID06, ID11), ohne dass dies mit einer eindeutigen inhaltlichen Bestimmung verbunden werden muss. Selbst die bloße Assoziation mit diesem Image kann ein Vorteil sein, da es in jedem Fall positiv konnotiert ist:

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Berliner Moden [D]en Namen Berlin, weil’s jeder kennt und weil’s immer mehr in ist, ist es schon gut, aber prinzipiell könnten wir auch in Barcelona sein oder in Madrid oder in London, New York wie auch immer. (ID06, 00:11:31)

Berlin begünstigt die Designerarbeit auch durch Merkmale, die unabhängig von der Branche und in der sozioökonomischen Struktur der Stadt begründet sind. Berlin wird als nichtprovinziell, jung, experimentierfreudig und offen für verschiedene Lebens- und Bekleidungsstile wahrgenommen (ID21, ID02, ID17, ID08). Diese Eigenschaften können sowohl der Stadt als Ganzer als auch einzelnen Bezirken zugewiesen werden (ID08). Die Wahrnehmung dieser Atmosphäre und der Offenheit vieler kreativer Branchen gegenüber externen Akteuren liegt zum Teil an der Präsenz fluider Märkte und kreativer Branchen, die nicht durch rigide Produktions- und Organisationsstrukturen gekennzeichnet sind. Dasselbe gilt für die sozioökonomischen Merkmale, die Berlin von vielen anderen europäischen Metropolen unterscheiden (vgl. Kap. 2). Die symbolischen Versprechen – gerade wegen seiner Vielschichtigkeit, wegen der »new beginnings« (ID09, 00:32:38) – spiegelt sich in einer offenen und lockeren Atmosphäre wider sowie in hervorragenden Bedingungen für die kreative Produktion. Diese Versprechen sehen etliche Interviewte eingelöst: Deswegen zeige sich in der Modebranche in Berlin wenig Konkurrenzverhalten und die allgemein entspannte Atmosphäre der Stadt ermögliche unternehmerische Anfänge oder Richtungswechsel auch von Personen, die sich von außen kommend in die Modedesignbranche integrieren wollen. Sie haben den Eindruck, dass hier an erster Stelle die Qualität des Produktes beurteilt werde (ID13, ID09). Einen weiteren Vorteil für die Modebranche, verbunden mit dem historischökonomischen Kontext der Stadt, stellen für die Befragten die relativ niedrigen Lebenskosten und die Verfügbarkeit freier Räume dar.10 Diese Umstände ermöglichen auf der einen Seite, mit wenig Geld den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Man kann es sich »leisten«, weniger zu verdienen, und trotzdem die Kosten für das Atelier oder den Laden bestreiten oder auch mit einer Nebentätigkeit für Einkommen sorgen, falls die Arbeit als Designer nicht alle Kosten deckt (ID12, ID13, ID15). Auf der anderen Seite ermöglicht der geringe Kostendruck eine größere Experimentierfreude, sodass neue Wege beschritten wer10 | Dieser Zustand hat sich im letzten Jahrzehnt rasch verändert: Günstiger Wohnraum und die Verfügbarkeit freier Räume sind knapper geworden (vgl. Aalbers 2016; Fields / U ffer 2014; Hesse /  P reekwinkel 2009; Holm 2013; Uffer 2009). Diese Tendenz wird sich wahrscheinlich in den kommenden Jahren verschärfen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass, wenn dieselben Fragen heute erneut gestellt würden, die Designer insbesondere über den Einfluss der Wohn- und Lebenskosten auf ihrer Tätigkeit anders antworten würden.

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den können, ohne zu viel Rücksicht auf die ökonomischen Folgen eines eventuellen Misserfolgs nehmen zu müssen. Eine Darstellung dieses Punktes ist im folgenden Beispiel zu finden: I think there is a couple of reasons, first of all, after leaving Europe, I think Berlin (…) is well positioned in Europe. It has a very good reputation, it’s a very creative city in a way, so, there’s a lot of inspiration if you want and it’s a little bit off center of fashion, so for me at least, being a new brand, it’s been a bit easier, I could do a bit mistakes and correct them and not being the center of attention. (…) If you start a brand in Paris and you do a collection and the collection is not nice, or there is a mistake, or your quality is not perfect, you don’t get a shit a second chance. In Berlin I had the opportunity to work, to try, to make errors, to correct them and still not burn myself out, you know. Another aspect is an economical aspect, it’s much cheaper to start a business in Berlin and to live in Berlin, rather than to live in Paris and to start a business, everything costs more. So, to have a shop like this I have here in Paris, I think I would have need to pay maybe five times more than I payed here both to make it and ongoing costs. So that’s a very practical choice that I made, so, I wanted somewhere where I can create my things that it’s not gonna be detached completely from the fashion world, but not being completely in the center of it and that I can afford to see my ideas come to their works without burning, because I had no, let’s say, business experience before I started this, only creative experience, so the business part of it was very new for me and I knew that if I, my resources are quite limited, so if I would start a business in a place where every day cost so much money, it would be very dangerous for the success of the business. (ID07, 00:24:58)

Diese Standortvorteile werden für die Mehrheit der Berliner Label angenommen, insbesondere für die neuen, die aus einer oder wenigen Personen bestehen und in denen die Designer auch die Unternehmerrolle annehmen (ID05). Der Mangel an unternehmerischer Erfahrung wird von den Designern zum Teil durch die niedrigen Kosten ausgeglichen, die eine gewisse Fehlertoleranz ermöglichen, sodass man von den eigenen Fehlern lernen und sich mit der Zeit verbessern kann. Die Rolle Berlins als Modestadt ist laut einigen Interviewpartnern auch mit den Messen und Events der Modebranche verbunden (ID01, ID15, ID12, ID02).11 Obwohl die Events nur temporären Charakter haben, ist es dennoch gerechtfertigt, Berlin als Modestadt zu bezeichnen, weil viele der oben genannten Merk11 | Da die meisten Interviews und empirischen Daten zwischen 2010 und 2013 gesammelt worden sind, wird die Präsenz der Messen oder eine Veränderung des Veranstaltungsangebots in der Stadt nicht als im Laufe der Zeit variabel bedacht. Eine evolutive Betrachtung der Anziehungskraft Berlins bezüglich der An- und Abwesenheit der Messen wird hier deswegen nicht gemacht und bleibt ein interessantes Forschungsthema für weitere Untersuchungen.

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male vorhanden sind. Einige Interviewte erkennen in diesen Events den bedeutendsten Grund, aus dem Berlin eine Modestadt genannt werden kann. Allein der Hinweis auf angesetzte Events, zusammen mit dem Titel Modestadt, reiche aus, um ein großeres Fachpublikum und Interessierte anzuziehen. Diese Perspektive wird in diesem Beispiel gut geschildert: [A]ußerhalb der Fashion-Week-Zeit würde ich Berlin nicht als besonders interessante Modestadt bezeichnen. Zur Fashion Week hat man mittlerweile schon das Gefühl, dass es halt so ist wie zur Berlinale, dass halt Berlin irgendwie, wenn Berlinale ist, ist Berlin halt so Filmstadt, und wenn Fashion Week ist, ist Berlin halt Modestadt, so. Find’ ich. Und dadurch, dass es auch nicht ein bestimmtes Zentrum gibt, sondern bestimmte Sachen halt immer wieder an bestimmten Orten stattfinden, funktioniert das auch, ohne dass es sich widerspricht. Find’ ich. Also ich find’s nicht komisch, dass Berlin im Februar für ’ne Woche lang Filmstadt ist und im Januar für ’ne Woche lang Modestadt, und dass man das auch schon im Stadtbild und von den Leuten, die so rumrennen, auch sieht, teilweise. (ID12, 00:38:21)

Unter diesem Blickwinkel wird es für plausibel gehalten, dass Berlin ohne die Events nicht als Modestadt wahrgenommen würde. Was aber unter Modestadt verstanden wird, ist nicht eindeutig, auch unter den Interviewpartnern nicht. Sie stützen ihre Argumentation generell auf zwei Beobachtungen: Einerseits verstehen sie unter einer Modestadt die Präsenz bekannter Labels, die die Modewelt beeinflussen können (ID07) sowie den Verkauf und Konsum von Modeartikeln (mehr oder minder mit dem Eleganzattribut verbunden). In diesem Verständnis ist entscheidend, wie die Mode auf der »Straße« getragen wird und wie viele Einwohner in Berlin ihren Bekleidungskonsum an Designerlabels orientieren, anstatt bei großen Ketten zu kaufen (ID23, ID02, ID01). Andererseits rechtfertigen bereits Branchenevents wie die Fashion Week und andere Messen, Berlin als Modestadt aufzufassen. Diese Diskrepanz kann von den Befragten nicht überbrückt werden. Berlin als Modestadt stellt für sie sogar ein Paradoxon dar; zwischen der Anwesenheit von Designern sowie der Inspiration der Stadt auf der einen Seite und der Abwesenheit einer starken Produktions- und Vermarktungsinfrastruktur auf der anderen Seite klafft eine Lücke. Dies wird exemplarisch von diesem Designer zusammengefasst: ’Cause Berlin, I mean, it’s a definite fashion city, it’s a fashion capital, but it’s not where the industry takes place, I mean it’s just, it’s just reality. (ID20, 00:06:33)

Die Standortwahl der Designer ist demnach nicht so sehr davon abhängig, ob Berlin als Modestadt anerkannt ist, vielmehr treffen sie ihre Entscheidung eher aufgrund der Vorteile, die sie im Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Kontext der Stadt wahrnehmen.

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Merkmale, die gegen eine Definition Berlins als Modestadt sprechen Berlin wird von den interviewten Designern, die auch international aktiv sind, zwar als eine kreative Hypestadt bezeichnet, aber dennoch nicht für fähig gehalten, mit den wichtigsten globalen Modestädten konkurrieren zu können.12 Berlin muss im Kontext anderer Städte berücksichtigt werden, die eine zentrale Rolle für die Netzwerke der Mode auf globaler Ebene spielen. In diesem Kontext fallen die Eigenarten und Mängel Berlins auf. Während der Fashion Week werden viele Events (offizielle, private und ungeplante) organisiert, auf denen junge Designer auch in einem offiziellen Rahmen ausstellen können (ID22). Berlin hat als Location der Fashion Week aber den Nachteil, dass die verschiedenen Events räumlich weit voneinander entfernt sind (ID01), sodass der Besuch mehrerer Veranstaltungen pro Tag schwierig wird und die Besucher ihre Zeit genau planen müssen. Im globalen Netzwerk der Mode liegt Berlin nicht auf dem gleichen Niveau wie die Modehauptstädte. Auch wenn die Stadt Einfluss auf den Modestil hat, ist sie in anderen Branchen und Marktsegmenten weniger tonangebend (ID14, ID24, ID01). Somit spielt Berlin für Designer als Anziehungsort nur auf der regionalen Ebene eine wichtige Rolle. Dieser Umstand wird im Zusammenhang mit einem möglichen Vergleich der Modestädte Berlin und Paris erwähnt. Die Hauptkritik, die Berlin auf ein niedrigeres Niveau im Vergleich mit einer »richtigen« Modehauptstadt verweist, macht sich an zwei Problemen fest: erstens dem Mangel an Infrastruktur und Industrien, die mit dem Produktionsnetzwerk der Modedesigner jeweils verbunden sein sollten; zweitens der überwiegend nur regionalen Anziehungskraft der Messen und modebezogenen Events, an erster Stelle der Fashion Week. Der wichtigste Vergleich wird mit Paris gezogen, einer der weltweit wichtigsten Modestädte, die von den Interviewpartnern am häufigsten besucht wurde. Berlin wird von einigen Designern nicht für eine Modestadt gehalten, weil Infrastrukturen, die auf die Produktion und Vermarktung bezogen sind, nicht in so ausreichender Anzahl präsent sind, dass der Bedarf lokaler Label, die auch international agieren, gedeckt werden könnte (ID03, ID18, ID21). Aus der Perspektive einiger Designer mangele es in Berlin vor allem an Dienstleistungen und komplementären Akteuren (z. B. Produktionsmessen, PR-Agenturen, Fotografen usw.), die auf internationaler Ebene bekannt sind, sowie an einer aktiven Textilbranche, die die Berliner Designer unterstützen könnte. Es sind nur wenige Stofflieferanten vor Ort anwesend, und diese bieten nicht die angemessene Qualität, insbesondere nicht, um mit anderen Städten auf internationalem Niveau mithalten zu können (ID03, ID20, ID18, ID16, ID07). Darüber hi12 | »I think it’s dangerous for a city like Berlin to compete with a city like Paris, or Milan or New York, because it’s just a different league.« (ID20, 00:34:13)

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naus erkennt man ein niedriges Professionalitätsniveau, verbunden auch mit geringer beruflicher Erfahrung der lokalen Branchenakteure im Vergleich zu anderen Städten wie Paris oder New York (ID05). Die Unternehmensstruktur des Berliner Modedesigns, von Kleinunternehmen gekennzeichnet, bietet kann Anstellungsmöglichkeiten für Designer, die weder Praktikaabsolventen noch temporäre Projekte bearbeiten noch sich notgedrungen selbstständig machen möchten (ID05). Diese Position wird wie folgt verbalisiert: As far of the importance of Berlin, Berlin is not considered to be an important fashion city so much. It is, though, a place where a lot of people pass by, because it is considered to be a very creative city, but it lacks the industry. So, if I would create my collection in Milan than half an hour drive from Milan I would find all fabric factories, I would find all sewing factories, I would find all the industry around it, it’s around there, the same in Paris or whatever. Berlin has very small tailor shops that can produce in bigger quantities, very few like, like that, fabrics producers are also scattered in Germany, some are in the south, Berlin I don’t think has any fabric company that produces its fabrics here, so there is not a lot of industry. You have young designers here, but again young designers, a lot of them, because of accessibility to these factories, to high quality production and all, so they lack a little bit of quality and to stay at an international stage. So you have really just a few boutiques or designers that manage to communicate elsewhere and these guys mainly would show their collection maybe in Berlin for fun, like: »Ok, we are in Berlin, we do a small presentation, we do a fashion show, something like this, but they will go after to Paris to sell the collection«. (ID07, 00:09:01)

Auch für den Messe- und Eventbereich zweifeln Designer mit internationaler Erfahrung an der Relevanz, die diese Events im internationalen Kontext der Mode haben könnten. Es wird betont, dass Berliner Events nicht in der Lage sind, bedeutende internationale Akteure anzuziehen, sodass sowohl die Designer als auch die Stadt in der Lage wären, sich auf hohem Niveau ins globale Modenetzwerk einfügen zu können (ID03, ID18). So ist Berlin zwar eine Stadt, die neue Trends und innovative Designer hervorbringt, immer wieder auch potenzielle Kunden und viele Beobachter anlockt, aber keine verlässlichen Käufer anzieht und größere Umsatzzahlen ermöglicht – selbst während der Fashion Week nicht (ID20). So ist es in Berlin allgemein schwer, auch außerhalb der Fashion Week, Geschäfte abzuschließen (ID03). Dieser Punkt kommt deutlich im nächsten Beispiel zum Ausdruck: Ja, also ich glaube vor allem, der Unterschied sind wirklich die Einkäufer. Das ist der Hauptunterschied, ich meine, wenn man das jetzt vergleicht, dass zu der Berliner Fashion Week einfach fast keine wichtigen Einkäufer kommen, eigentlich kommt keiner. Das ist dann schon mit Paris gar nicht zu vergleichen. Nach Paris kommt jeder, um einzukaufen, Business zu machen, also das ist wirklich, wenn man das jetzt auf einen Punkt

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld (…) herunterbrechen müsste, dann ist das definitiv der wirtschaftliche Faktor. Also das ist einfach, (…) in Berlin wird nichts gekauft. (ID03, 00:02:32)

Kreativität und Inspirationsquellen Die Designer sind im kreativen Feld der Stadt unterschiedlich eingebettet und können dort Inspirationen für ihre Arbeit finden. Der kreative Impuls kann aus sehr unterschiedlichen Quellen kommen, oft sind es mehrere, zugleich sind sich die Designer dessen manchmal gar nicht bewusst. Die Aussagen, die von den Interviewpartnern über die Inspirationsquellen der kreativen Arbeit der Designer gemacht wurden, kann man in drei Gruppen aufteilen: die mit dem urbanen Raum verbundenen Quellen, diejenigen, die unabhängig vom urbanen Raum sind, und Quellen, über deren Beschaffenheit und Ort sich die Designer nicht klar sind. Die hier vorgeschlagene Aufteilung der städtischen Inspirationsquellen ist nicht als unabänderliche Merkmalsliste zu verstehen. Vielmehr spiegelt sie die Reflexionspfade, die die interviewten Designer als relevant beim Nachdenken über ihre Arbeitsformen aufgelegt haben. Berlin bietet Stimuli für die Kreativität der Designer aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie reichen von den Besonderheiten der künstlerischen Aktivität bis hin zu den sozioökonomischen historischen Kontexten, die die Stadt bereithält. Es ist deswegen nicht möglich, urbane Phänomene allein als relevant für die Kreativitätsprozesse der Designerarbeit zu betrachten. Vielmehr muss ein breiterer Kontext als die Stadt gesehen werden, der auch das kreative Feld, die sozialen und emotionalen Interaktionen sowie persönliche nichtökonomische Bereiche einschließt. Zunächst ist Berlin durch Aktivitäten vieler Künstler gekennzeichnet, die die Arbeit der Designer stimulieren können (ID19, ID14) und diesen Stimulus in einen urbanen Kontext der diffusen Kreativität einbringen: [A]lso man trifft hier echt sehr viele kreative Menschen, auch sehr viele, die, ja, innovative Sachen machen, neue Sachen machen, das gibt’s immer noch. (…) Ja definitiv, das ist richtig. Also zumindest zu wissen, da und da sitzt der und der, und dann hat man was von dem gehört, mal was gelesen, mal was gesehen, da war eine Ausstellung, hier war eine Ausstellung, das ist alles noch sehr jung und sehr unabhängig. (ID03, 00:24:00)

In diesem Sinne zählen nicht nur die Aktivitäten der Künstler, sondern auch ihre Selbstdarstellung zu den Einflüssen, die die Stadt kennzeichnet. Daher müssen auch die Ausstellungsorte und die Museen der Stadt als Elemente der kreativen Tätigkeit der Designer mitbedacht werden (ID20), obwohl es ein Fehler wäre, hieraus kausale Verbindungen zur Kreativität (der Designer) abzuleiten. In mehreren Interviews (ID24, ID10, ID19, ID11) kommt die Einzigartigkeit Berlins unter den deutschen Städten als ein Moment vor, das Einfluss auf die Designerarbeit hat. Es präsentiert sich den Akteuren durch den Alltag in der

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Stadt, andererseits aber auch durch das Bewusstsein, in einer internationalen und touristischen Metropole zu leben. Das Alltagsleben und die (reale oder potenzielle) Interaktion mit verschiedenen Kulturen und davon geprägten Orten generiert, einigen Designern zufolge, Reflexionsstimuli und Gefühle, die sich dann in ihrer Arbeit widerspiegeln und in die Produkte einfließen: [W]eil’s ’ne sehr schöne inspirierende Stadt ist, ’s total angenehm ist, hier zu leben, sehr frei, sehr kreativ, und in Deutschland meiner Meinung nach der einzige Ort, wo’s echt Spaß macht, so, es wird immer internationaler, es ist eine Metropole. Also würde ich jetzt auf dem Land leben, würde ich bestimmt andere Kleider machen als in der Stadt, so. Ja, für mich ist das immer wieder eine neue Inspiration, und auch das Publikum, das ich ansprechen möchte … Also auch meine Zielgruppe ist städtisch, ich mache urbane Kleider und jetzt nicht … also von außen heißt es immer, das wär typisch Berlin, was ich mache, ja, also ich selber kann es gar nicht so einschätzen, jetzt diese romantischen Sachen da vielleicht nicht so, aber jetzt so diese Farbigkeit, und das ist dann oft so ’n bisschen purer und tougher, das wär wohl so ungefähr Berlin. (ID19, 00:36:46)

Es gibt auch strukturelle Merkmale Berlins, die mit historischen und sozioökonomischen Prozessen verbunden sind, die, obwohl nicht direkt mit dem Modedesign oder mit kreativen Tätigkeiten verbunden, diese begünstigen. Unter den Merkmalen Berlins, die die Designerarbeit beeinflussen, haben mehrere Interviewpartner die relativ niedrigen Lebenshaltungs- und Mietkosten für ihre Ateliers genannt (ID25, ID18, ID07, ID16, ID12, ID03, ID24, ID13, ID05). In diesem Beispiel ist deutlich die Rolle der Lebenshaltungskosten für das Leben und die Arbeit der Designer beschrieben: Well, I mean, obviously it’s all about trying new things, but you know, you, apart from the space, you pay assistance, you pay fabrics, every day that I open the store cost me a certain amount of money, and where in Berlin I could afford it at the time, let’s say, a year in my calculations, without earning so much money, in Paris that year would have been three months. And in three months with the money I had I could not launch a business, so I needed that time in order to get my business mature from style and businesswise before I could move on. (ID07, 00:27:29)

Dies ist auch einer der Wege, über den Designer glauben, ihre Kreativität stimulieren zu können. Der fehlende große ökonomische Druck ermöglicht es ihnen, kreativ und offen zu denken. Die Fehlertoleranz für die Designer als Unternehmer sei möglicherweise größer als in anderen Umgebungen. Die niedrigen Lebenshaltungs- und Betriebskosten ermöglichten es außerdem, ein Label mit wenig Startkapital zu gründen, aber auch mehr experimentieren zu können, da ein eventueller Fehler und ein damit verbundenes niedriges Verkaufsvolumen keine drastischen Auswirkungen auf das Label hätte. Dieser Punkt wird

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

im nächsten Beispiel betont, wo auch hervorgehoben wird, dass ein Kontext niedriger Lebenshaltungskosten und Mieten die Möglichkeit bietet, eventuelle finanzielle Lücken mit Teilzeitjobs füllen zu können. Damit ist es immer noch möglich, im Geschäft zu bleiben, auch wenn die Umsätze ziemlich gering sind: Ja, ich kann es nicht so richtig trennen. (…) Ich arbeite echt so viel, dass es meistens echt so sehr vermischt ist. Na, ich find das ist so, eine der lebenswertesten Städte, die ich so kenne, ich kenn’ jetzt nicht so wahnsinnig viele Städte, weil ich nie großartig viel gereist bin, außer mal so ’n bisschen urlaubsmäßig, und gelebt habe ich auch nur bisher in Antwerpen und in meiner kleinen Heimatstadt. Aber ich mag die Stadt einfach gerne, weil man hier zu ’nem relativ günstigen Preis ’ne ziemlich hohe Lebensqualität hat, immer noch auch, also keine Ahnung, wie lange das noch so bleibt. (…) Noch ist es halt so, und dass … ich glaube, ich könnte meine Arbeit, so wie ich sie hier mache, woanders nicht machen. [Interviewer: Warum?] Na, einfach weil ich den Platz nicht hätte, oder weil wir halt viel höhere Kosten hätten, die erst mal gedeckt werden müssten. Gerade als nicht so große Firma is’ man da ja noch sehr mit Miete und Arbeitslohnkosten einfach eingeengt, und dadurch, dass das halt in Berlin auf einem relativ kleinen Level ist und dass man auch mit relativ wenig überleben kann, ist das halt gut drin. Woanders würde es halt vielleicht mittlerweile jetzt gehen, am Anfang wäre es halt nicht gegangen. Und weil man halt hier auch … also ich habe echt lange nebenbei ganz viel gearbeitet bzw. hauptsächlich was anderes gemacht zum Geld verdienen, und das geht ja in dieser Stadt auch total gut. Alles Mögliche, also ich mache auch immer noch dazu ’n paar Styling- und Kostümgeschichten, und ansonsten habe ich auch Bürozeug gemacht und Lakritze verkauft und Jobs halt (…) für den Lebensunterhalt. (ID12, 00:26:35)

Die große Anzahl junger Leute und die Wahrnehmung der Verfügbarkeit von Räumen zu niedrigen Kosten wirkt sich auch auf ein stimulierendes und vielfältiges Nachtleben aus. Es ist allgemein die lokale Freizeitökonomie, die das Image Berlins auch im Ausland prägt. Darüber hinaus sind viele verschiedene Lebensstile, Kulturen und Subkulturen zu finden, die eine heterogene Gesamtheit schaffen, die als Zeichen einer großen Freiheit und Toleranz gegenüber anderen kulturellen Ausdrucksformen und sozialen Praxisformen wahrgenommen wird. Dies wird in den Interviews als wichtiges Element hervorgehoben, es erzeugt eine entspannte Atmosphäre und hebt deswegen kreative Grenzen auf (ID17, ID12). [Designersassistent:] Auf jeden Fall die beste Stadt auf der Welt zum Partymachen, sagt jeder einfach. (ID08, 00:51:28)

Die historischen Begebenheiten der letzten Jahrzehnte haben in der Stadt bis Anfangs des 2000s zu einer Kombination aus Wohnungsleerständen, hohen Zuwanderungsraten und gestaltbaren innerstädtischen Flächen geführt. Das

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ist ein Gemisch, das Berlin für Designer und Kreative relevant macht. Der »leere« Raum und die damit verbundenen Auf bauarbeiten sind in den vergangenen Jahren ein wichtiger Stimulus für die Kreativität und Reflexion der Designer gewesen (ID13, ID11, ID20): Weil Berlin bis jetzt – das ist sehr philosophisch gedacht – ein Ort gewesen ist, der von einer Unabgeschlossenheit geprägt ist, d. h. die Tatsache, dass – seit wann bist du in Berlin? [Interviewer: 4 Jahre.] –, genau, dann hast du das mit ansehen können, die Tatsache, dass Berlin voller Löcher ist, unvollständiger Dinge und in Bewegung. [Interviewer: Ich war 2006 zum ersten Mal hier.] Genau, mehr oder weniger als ich hergekommen bin. Also hast du die große Bewegung gesehen, die Bewegung, die dich umgibt, ich bin außerdem ein Künstler, daher bin ich dafür besonders sensibel, diese Bewegung und diese Semi-Leere oder Semi-Vollständigkeit der Dinge, die mich umgab, hat mich immer in einen kreativen Zustand versetzt, weil sie darauf drängte, im Geiste vervollständigt zu werden, du bist nicht in Paris, wo es, wo immer du hinschaust, sauber, vergoldet und lackiert ist, abgeschlossen. In einer Stadt wie Paris musst du dich viel mehr anstrengen, um kreativ zu sein, natürlich kann man überall kreativ sein. Im Unabgeschlossenen allerdings … nicht umsonst sagt man, dass Künstler leeren Raum zu Hause brauchen, weil du innerhalb eines leeren Raums das denken kannst, was nicht da ist. Wenn du zu sehr von Fülle umgeben bist, fällt es schwer. Und Berlin war für mich eben das, es erfüllte in seiner Unabgeschlossenheit eben diese Funktion, ein Ort zu sein, der mir erlaubte, das Neue zu erfinden. (…) Berlin es mir erlaubt hat, etwas zu erschaffen, das mir wahrscheinlich in keinem anderen Teil Europas zu erschaffen gelungen wäre, und das zu einem lächerlich niedrigen Preis im Vergleich dazu, was es mich in Mailand gekostet hätte. Und vor allem mit einem Schwung und einer Unterstützung, ich kann zwar nicht sagen von der Stadt im Sinne des Staates, aber mit einer Unterstützung seitens der Energien, denen ich begegnet bin, die fantastisch war. D. h., ich habe Leute getroffen, die mir die Hand geschüttelt und »Danke, dass du hier bist« gesagt haben, ja, genau so. In Mailand haben sie mir den Ellenbogen geschüttelt und gesagt, ich solle sie am Arsch lecken. (ID09, 00:56:09)13 13 | Originalwortlaut: »Perché fino ad adesso Berlino, è molto filosofico come discorso, è stato un posto caratterizzato da una non finitezza, cioè il fatto che, tu da quanto tempo sei a Berlino? [Interviewer: 4 anni.] ecco tu l’hai vista questa cosa, il fatto che fosse piena di buchi, di cose incomplete e in Bewegung. [Interviewer: sono arrivato qui nel 2006 per la prima volta.] ecco più o meno quando sono arrivato io. Allora hai visto il grande movimento, il movimento intorno a te, io in più sono un artista, quindi io sono particolarmente sensibile a questo punto, questo movimento e questa semi vuotezza, o semi completezza, delle cose che mi circondava mi ha sempre messo in uno stato creativo, perché spingeva a fare un completamento con il cervello, non sei a Parigi dove ovunque guardi è pulito, dorato e laccato, finito. Dentro a una Parigi devi fare molto più sforzo per essere creativo, è evidente che si può essere creativi ovunque, però nel non finito. Non per niente si dice che gli artisti abbiano bisogno di uno spazio vuoto a casa,

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Diese Disponibilität von Raum spiegelt sich auch in einer kollektiven »Aufbruchstimmung« wider, und obwohl mittlerweile deutlich geworden ist, dass die Phase der illegal besetzten Gebäude und improvisierten Clubs grundsätzlich vorbei ist, hat sich diese Atmosphäre des Unfertigen und Geheimnisvollen in der Vorstellung der Designer erhalten (ID08, ID11). Viele Interviewpartner haben als Inspirations- und Kreativitätsquelle für ihre Arbeit auch Elemente erwähnt, die nicht mit dem urbanen Raum verbunden sind. Dazu gehören verschiedene Medien (wie Fotos, Bücher, Filme, Magazine; ID01, ID25, ID22, ID13, ID04), Reisen (ID23), bestimmte Stoffe und Materialien (ID21, ID19, ID16, ID12, ID11, ID08, ID04), Ideen aus vergangenen Kollektionen (ID18, ID24) oder die Handarbeit an Einzelstücken (ID14). Diese Inspirationsquellen sind eng mit der Sensibilität und der emotionalen Welt der einzelnen Designer verbunden, die über externe Impulse nachdenken und so Ideen für neue Produkte generieren.14 Ideen und Inspiration können sich auch durch Kommunikation und Austausch entwickeln, sei es mit den eigenen Mitarbeitern, d. h. innerhalb des Laperché è dentro uno spazio vuoto che tu puoi pensare quello che non c’è, se sei troppo nel pieno fai fatica. E Berlino per me era questo, aveva proprio questa funzione di essere nella sua non finitezza un posto che mi permetteva di inventare il nuovo. (…) Berlino mi ha permesso di creare una cosa che non sarei riuscito a creare probabilmente da nessun’altra parte in Europa, ad un costo ridicolo rispetto a quello che mi sarebbe costato a Milano. E soprattutto con uno slancio e con un supporto, non posso dire della città nel senso dello stato, ma con un supporto da parte delle energie che ho incontrato che era fantastico. Cioè io ho incontrato gente che mi ha stretto la mano e mi ha detto, grazie che ci sei’, ecco. A Milano mi stringevano il gomito e mi dicevano, va a fare in culo’.« (ID09, 00:56:09) 14 | Dieser Ansatz der Ideenentwicklung ist für einige Designer mit der Gewohnheit verbunden, mit einem Moodboard zu arbeiten: »[S]ollte man so als Thema … Architektur und Formen und (solche) Ideen hat, um (irgendwie) die Kollektion zu machen, und macht so ein Moodboard, ein Stimmungsbild, und dann versucht man, sich auf diese Bilder und Farben zu konzentrieren; und dann geht man zur Recherche, Stoffe, dann skizziert man, wenn so in diesem Stimmungsbild so Formen sind, die man in den Klamotten verwenden kann. So macht man es irgendwie. Also man fixiert sich auf irgendwas, aber das ist für mich zu viel, irgendwie zu viele Fixpunkte, ich will nicht irgendwie Architektur in meiner Mode interpretieren, ich will meine Kreationen, ich will nicht von der Form reingehen, also deswegen finde ich, was mir in der Mode fehlt, ist diese … mehr Kultur, also diese Philosophie und Kunst. Also Mode hat zwei Seiten, irgendwie eine, diese oberflächliche, und auf der anderen Seite ist eher … ästhetische und sehr fein oder so. (…) Also ich gehe so ran, also es kommen die Formen und die Gespräche mit den Leuten und das, was ich sehe, eigentlich kommt () in Gedanken, und eigentlich entsteht die ganze Kollektion als Zufall bei mir. Also nicht durch Zeichnen und () auf dem Papier und so.« (ID14, 00:10:20)

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bels, oder mit Schneidern und Mitarbeitern von Manufakturen, d. h. außerhalb des Labels (ID11, ID04, ID16, ID24). In anderen Fällen wird der Kreativprozess nicht mit spezifischen Momenten assoziiert, und es ist auch für die Designer selbst unklar, was sie inspiriert hat, d. h., unter den verschiedenen Inputs wird keiner als dominant erkannt (ID18, ID06, ID20, ID05). [M]anchmal beim Kaffeetrinken, oder man sitzt draußen im Café und hat plötzlich eine Idee, weil man irgendwo was sieht, oder, ganz unterschiedlich. Ganz unterschiedlich. (ID06, 00:17:33)

Die Inspirationsquellen der Designer sind somit sehr heterogen und mit unterschiedlichen Elementen verbunden, von der eigenen Persönlichkeit und sozialen Interaktionen bis hin zu den sozioökonomischen Kontextbedingungen der Stadt sowie den alltäglichen Interaktionen mit dem urbanen Raum. Bestimmte Einflüsse können also die kreative Tätigkeit der Designer erleichtern, für die einzelnen Designer ist es aber nicht immer möglich, einzelne Impulse genau zu identifizieren oder aus einem kreativen Gesamtzusammenhang herauszulösen.

7.3 V erschiedene F ormen des P roduktionsne t z werks und ihre I nter aktionen mit dem kre ativen F eld In den offenen Erfindungs- und Entwurfsphasen der Berliner Modedesigner sind die Ausgangspunkte, Verlaufsformen und Resultate des Produktentwurfs oft wenig vorhersagbar oder auch klassifizierbar. Sicher ist nur, dass sich die Akteure von der Struktur des Produktionsnetzwerks und den darin enthaltenen Kooperationsgelegenheiten leiten lassen, ferner von ihren allgemeinen Beziehungen zum kreativen Feld und zu einer nicht näher bezeichneten urbanen Atmosphäre. Die konkreten Beziehungen zum kreativen Feld der Stadt beeinflussen die Entscheidungen der Designer und die Organisation ihrer Produktionsnetzwerke. Sie konkretisieren sich in der Kopräsenz anderer kreativer Akteure (derselben oder anderer Branchen) sowie in der jeweiligen Gelegenheitsstruktur, die von der jeweils wahrgenommenen Konstellation physischer, symbolischer und kontextabhängiger Merkmale eines urbanen Raums abhängt. Die Beziehung mit dem kreativen Feld zeigt, wie stark ein Designer mit seinem Produktionsnetzwerk in Berlin integriert ist. Wie im letzten Kapitel gezeigt wurde, haben die Produktionsnetzwerke verschiedene Strukturen mit großen Unterschieden in der Anzahl den involvierten Akteure und Produktionsphasen. Unter den Kategorien des Produktionsnetzwerks zeigt die territoriale Einbettung aber die größten Unterschiede.

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Designer und ihr Produktionsnetzwerk können in professionellen und sozialen lokalen Netzwerken, und folglich im kreativen Feld, mehr oder weniger integriert sein, sodass nicht nur die Art von Beziehungen und die Akteure, mit denen man verbunden ist, als relevante Unterscheidungsmerkmale für das eigene Produktionsnetzwerk angesehen werden, sondern auch die Frage, wie sehr das kreative Feld (und die Stadt im Allgemeinen) auf die symbolische Produktion des Designers einwirkt. Darüber hinaus können die Stadt und das kreative Feld auch die Standortentscheidung der Designer beeinflussen (die von rein persönlich bis hin zu nur berufsbezogen variieren kann) und als Inspirationsquelle für die Designerarbeit gelten. Wer sich für lokale Beziehungen entscheidet, verhandelt das Produktionsnetzwerk zum Teil oder gar völlig im kreativen Feld. Einbettung (sowohl professionelle als auch territoriale), als zweite Kategorie des Produktionsnetzwerks, weist sowohl Unterschiede zwischen den Designern als auch Veränderungen für einzelne Designer im zeitlichen Verlauf auf. Die professionelle Einbettung ist markanter für Designer mit einem breiten professionellen Netzwerk, die sowohl auf der lokalen als auch internationalen Ebene aktiv sind und bereits Erfahrung in der Branche gesammelt haben. Das Sozialkapital im Produktionsnetzwerk wird von den Designern zum einen aus den Beziehungen mit anderen Branchenakteuren gewonnen; der Informationsaustausch und die Kollaborationen erzeugen dabei Vertrauen, Verbindlichkeit, gegenseitige Hilfestellungen und verlässlich wiederkehrende Handlungen. Sozialkapital wird aber auch im Zusammenhang mit der besonderen Rolle von Freunden und Familie generiert. Diese Akteure sind hauptsächlich für diejenigen Designer wichtig, die am Anfang ihrer Tätigkeit stehen. Aber auch für viele andere Designer ist die alltägliche ideelle und ökonomische Unterstützung durch Freunde und Familienangehörige wichtig – nicht nur in der Anfangsphase. In einigen Produktionsphasen, die aufgrund eines Mangels an Informationen oder monetären Mitteln nicht ausgeführt werden können, werden die Designer von Freunden und ihrer Familie unterstützt, wobei diese entweder mithelfen oder diese Phase ganz übernehmen. Darüber hinaus verschaffen Hilfestellungen durch Freunde und Familienangehörige dem Designer eine höhere Flexibilität und ermöglichen es ihm, die entsprechende Produktionsphase zu bewältigen. Diese privaten Beziehungen im Produktionsnetzwerk sind oft komplementär zu anderen Beziehungen derselben Phase, die auf der ökonomischen Ebene stattfinden. Beispielsweise werden die Produkte des Designers, obwohl er sie im Laden eines Freundes verkauft, auch in anderen Läden angeboten.

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7.3.1 Typologievorschlag zur Systematisierung der Interaktion zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld Das kreative Feld und das Produktionsnetzwerk sind zwei Elemente, die eine wichtige Rolle in der räumlichen und ökonomischen Organisation der Produktion spielen sowie für das Verständnis der verschiedenen unternehmerischen Handlungs- und Organisationsformen wichtig sind. Wie sich diese beiden Elemente für die Modedesigner und deren Arbeit miteinander verbinden, ist ausschlaggebend, um zu verstehen, welche Folgen verschiedene Produktionsnetzwerke und Organisationsformen für die unternehmerischen Handlungen der Modedesigner haben. Nachfolgend wird eine Typologie präsentiert, die aus der Kombination zweier Kategorien resultiert. Die erste Kategorie ist der Komplexitätsgrad bzw. die Anzahl der Beziehungen im Produktionsnetzwerk. Hiermit ist die Frage ausgesprochen, ob die Designer die verschiedenen Produktionsphasen intern im Label bearbeiten oder ob weitere Akteure in die Produktion einbezogen werden. Es gibt also den einen wenig komplexen Extremfall, in dem alles (von der Stofffärbung und -bearbeitung über Musternähen und Kollektionszusammenstellung bis hin zu Produktion, Vermarktung und Verkauf) innerhalb des Labels gemacht wird, und den anderen Extremfall, in dem der Designer und sein Label nur das reine Design machen und für alle anderen Phasen eine Zusammenarbeit mit anderen Akteuren benötigen. Dieser Fall relativ hoher Komplexität tritt im Rahmen der Interaktion mit anderen Akteuren innerhalb des Produktionsprozesses ein. Er basiert auf einer Mischung heterogener (ökonomischer und sozialer) Beziehungen, die in unterschiedlichen Produktionsstrukturen und -phasen entstehen. Die zweite Kategorie ist der Interaktionsgrad der Designer und ihres Produktionsnetzwerks mit dem kreativen Feld der Stadt. Er resultiert aus der Frage, welche Beziehungen mit sozialen, branchenspezifischen, materiellen und symbolischen Elementen der Stadt Berlin bestehen, und zwar solchen, die eine Rolle für das Produktionsnetzwerk und die Designerarbeit spielen. Auch dieses Element changiert zwischen zwei Polen, nämlich dem einen Extremfall, in dem die Einbettung ins kreative Feld jeden Aspekt des sozialen, beruflichen und kreativen Lebens des Designers einbezieht, und dem anderen Extremfall, in dem der Designer in Berlin wohnt und arbeitet, aber keine Beziehung zum kreativen Feld hat bzw. dies nicht bewusst in seine Arbeit integriert. Die beiden Fälle sind als Pole eines Kontinuums zu verstehen, in dem es potenziell genauso viele verschiedene Möglichkeiten gibt wie Designer, denn jeder Fall ist einzigartig und entzieht sich daher einer eindeutigen analytischen Kategorisierung. Dies ist nicht zuletzt der flexiblen Organisation der Elemente des Produktionsnetzwerks und seiner Komplexität geschuldet. Trotzdem werden hier für beide Kategorien klare Positionen geschildert, um die Typologien

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

deutlicher zu machen, sodass sie als Anhaltspunkte in dem vielfältigen Szenario der Modedesignbranche in Berlin genutzt werden können (Tab. 5). Daher werden die beiden Elemente (Anzahl der Beziehungen im Produktionsnetzwerk und die Interaktion der Designer mit dem kreativen Feld) vereinfacht als potenziell hoch oder niedrig beschrieben, sodass ihre Kombination vier Typen generiert, die die Organisation des Produktionsnetzwerks und die Interaktion mit dem kreativen Feld darstellen. Diese Typen stehen jeweils für dynamische Konfigurationen der unternehmerischen Organisation, wobei die Designer von einem zum anderen wechseln können, beispielsweise im Zuge einer Strategieänderung oder der Auswertung der gesammelten Erfahrungen. Tabelle 5: Darstellung der Typologien, die aus der Interaktion zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld entstehen. Anzahl der Beziehungen im Produktionsnetzwerk Interaktion mit dem kreativen Feld

hoch

niedrig

hoch

Typ 1: hoch / hoch

Typ 2: hoch / niedrig

niedrig

Typ 3: niedrig / hoch

Typ 4: niedrig / niedrig

Quelle: eigene Darstellung

Variante Typ 1: hoch / hoch Die Designer dieser Gruppe15 haben mehrere Akteure, die in ihrem Produktionsnetzwerk arbeiten und an der Realisierung des materiellen und symbolischen Werts mitwirken. Außer dem Design werden keine oder nur einige Phasen, wie die Vorbereitung der Musterkollektion, im Label vorgenommen. Die Mehrheit der in die Produktion involvierten Akteure ist auch in Berlin ansässig, sodass nicht nur die Phase der Designarbeiten und Musterkollektion in der Stadt realisiert werden, sondern auch die Produktion mithilfe lokaler Schneider (und seltener mit lokalen Manufakturen). So konzentriert sich in Berlin das gesamte Produktionsnetzwerk und in den letzten Phasen des Produktionsprozesses wird in Berlin auch verkauft (im eigenen oder auch in anderen Läden). Im Fall der Teilnahme an Messen und Fashion Weeks wird die Berliner Fashion Week von diesen Designern am häufigsten besucht. Deswegen ist die Positionierung des Netzwerks auf die lokale Ebene gerichtet.

15 | Die dargestellten Netzwerkstrukturen und die präsentierten Merkmale dieser Typologien gehören keiner der Interviewpartner vollständig an, sie wurden aus mehreren ähnlichen Fällen als idealtypische Strukturen rekonstruiert.

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Abbildung 4: Beispiel eines Designer-Ego-zentrierten Netzwerks in Relation zum Produktionsnetzwerk und kreativen Feld der Stadt für Typ 1 (hoch / hoch)

Quelle: eigene Darstellung

Bezüglich Einbettung und Sozialkapital sind die Designer dieser Gruppe eng an die Stadt gebunden. Sie unterhalten intensive Beziehungen zur Mode- und Kreativszene Berlins, d. h., dass sie andere Designer und Künstler kennen, mit denen sie zusammenarbeiten. Auch der Austausch mit anderen lokalen Akteuren ist umfangreich, und die sozialen Beziehungen im kreativen Feld bringen, neben Inspiration und Informationsflüssen, auch geistige Unterstützung, nicht selten entstehen auch Freundschaften. Darüber hinaus werden die Produktionsphasen, aufgrund ihrer lokalen Verankerung, nicht nur durch ökonomische Beziehungen, sondern auch durch geldlose Tauschbeziehungen verwirklicht. Die Entscheidung, in Berlin als Modedesigner zu arbeiten, hat nicht nur persönliche Gründe, sondern ist auch eine bewusste unternehmerische Entscheidung für die direkte Interaktion mit dem sozioöknomischen Kontext der Stadt. Die Designer dieser Gruppe haben ihr Produktionsnetzwerk hochkomplex organisiert und sind tief in das urbane kreative Feld eingebettet. Daher sind ihre Interaktionen mit den anderen Akteuren des kreativen Feldes für die Pro-

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

duktion unabdingbar. Diese Designer sind somit zu einem aktiven Teil des kreativen Feldes der Stadt geworden und wirken daran mit, es weiterzuentwickeln. Ihre Tätigkeiten bilden aber keine Brücke zum materiellen oder symbolischen internationalen Netzwerk der Mode, weil ihre Aktivitäten häufig den Rahmen des lokalen Feldes nicht verlassen.

Variante Typ 2: hoch / niedrig Die Struktur des Produktionsnetzwerks der Designer dieser Gruppe ist ebenfalls verzweigt, mit mehreren involvierten Akteuren. Ihr Netzwerk überschreitet die urbanen Grenzen der Stadt und hat eine regionale bzw. überregionale Dimension. Während die Phasen materieller Produktion außerhalb Berlins stattfinden, finden eher kreative Phasen der Designarbeiten und Musterkollektion hauptsächlich in Berlin statt. Das muss aber nicht unbedingt so sein, da es auch Interaktionen mit Akteuren außerhalb des kreativen Feldes geben kann. Designer dieser Gruppe besuchen internationale Messen und Fashion Weeks, insbesondere in Paris, sodass bei ihnen oft auch internationale Einkäufer bestellen, während sie Berlin meiden, weil das keinen Vorteil für ihre unternehmerische Positionierung bringt. In der Tat sind die Designer dieser Gruppe wenig ins kreative Feld integriert und haben daher wenige Beziehungen mit den anderen Berliner Modeakteuren. Wenn es Freundschaften oder Bekanntschaften mit anderen kreativen Akteuren gibt, spielen diese im Produktionsnetzwerk keine bedeutende Rolle. Berlin spielt jedoch auch für diese Designer insbesondere aus privaten Gründen sowie wegen der strukturellen und sozioökonomischen Merkmale (relative niedrige Mieten und verfügbare Räume, junge und multikulturelle Einwohner) eine wichtige Rolle, die letztlich nicht nur ihr Privatleben, sondern auch unternehmerische Aktivitäten und stilistische Versuche erleichtern. Ihr Produktionsnetzwerk ist nur in geringem Ausmaß ins kreative Feld eingebettet. Designer dieser Gruppe sind Teil des internationalen professionellen Netzwerks der Mode und beeinflussen die Verbreitung der Berliner Mode außerhalb des deutschsprachigen Raums. Ihre unternehmerische Organisation integriert lokale und nichtlokale Akteure. Obwohl sie in Berlin ansässig sind und die Stadt für private oder auch unternehmerische Zwecke vorteilhaft finden, ist ihre Produktion nicht vom lokalen kreativen Feld abhängig. Dennoch können ihre Unternehmen sowohl Elemente und Akteure der Berliner Mode »exportieren« als auch Wissen (Kontakte, Stile, Strategien und Werte) von internationalen Modenetzwerken auf der lokalen Ebene rekonfigurieren.

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Abbildung 5: Beispiel eines Designer-Ego-zentrierten Netzwerks in Relation zum Produktionsnetzwerk und kreativen Feld der Stadt für Typ 2 (hoch / niedrig)

Quelle: eigene Darstellung

Variante Typ 3: niedrig / hoch Designer dieser Gruppe realisieren die meisten Phasen ihres Produktionsnetzwerks innerhalb ihres Labels, die gesamte Produktionsstruktur weist nur wenige Akteure auf, und nur in einzelnen Phasen stoßen jeweils andere Akteure dazu. Diese Designer verfügen über sehr gute Fähigkeiten als Schneider, die sie auch in ihre Designaktivitäten einfließen lassen. Ihre Labels arbeiten mit Einzelstücken oder kleinen Kollektionen, die nur im eigenen Laden oder eventuell in weiteren Läden der Stadt verkauft werden. Die Beziehungen zu anderen Designern und Kreativen der Stadt sind eng und vielfältig, sodass ein Informations- und Wissensaustausch mit anderen lokalen Akteuren stattfindet, insbesondere mit Designern und Akteuren im gleichen Bezirk bzw. Quartier. Die Designer dieser Gruppe sind in hohem Maße in das kreative Feld sowie auch in einen weiteren städtischen Sozialkontext eingebettet. Die sozialen Beziehungen zu anderen Akteuren der Modebranche werden auch zum Austausch von gegenseitigen Gefälligkeiten und informellen Dienstleistungen verwendet, die in der Produktion benötigt werden. In den seltenen

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Abbildung 6: Beispiel eines Designer-Ego-zentrierten Netzwerks in Relation zum Produktionsnetzwerk und kreativen Feld der Stadt für Typ 3 (niedrig / hoch)

Quelle: eigene Darstellung

Fällen, in denen die Akteure an Modeevents teilnehmen (offiziell oder inoffiziell), besuchen sie ausnahmslos Events, die in Berlin stattfinden, in der Regel die Berlin Fashion Week. Designer dieser Gruppe sind sowohl auf das kreative Feld als auch auf ihren Stadtteil hin orientiert und auch in nichtökonomische Netzwerke eingebunden. Außerhalb Berlin haben sie meistens kaum Kontakte, und auch innerhalb Berlins erstrecken sich ihre Kontakte mitunter noch nicht einmal an andere Stadtteile. Sie arbeiten und leben somit weitgehend isoliert von der internationalen Modewelt und sind davon ausgeschlossen. Sie entwickeln stattdessen eine enge Verbindung zum eigenen Stadtteil und dessen Einwohnern, sodass sie zur Verbreitung eines lokalen Bewusstseins über Modeprodukte beitragen können.

Typvariante 4: niedrig / niedrig Die Designer dieser Gruppe lassen nur in wenigen Phasen ihres Produktionsnetzwerkes außerhalb des Labels produzieren und sie haben nur wenige Beziehungen zum kreativen Feld der Stadt. Dieser Gruppe können zwei mögliche

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Abbildung 7: Beispiel eines Designer-Ego-zentrierten Netzwerks in Relation zum Produktionsnetzwerk und kreativen Feld der Stadt für Typ 4 (niedrig / niedrig)

Quelle: eigene Darstellung

Situationen zugeordnet werden: Auf der einen Seite gehören zu ihr Akteure, die ihre Tätigkeit in Berlin erst vor kurzer Zeit aufgenommen haben. Sie haben entweder zuvor ihr Studium in Berlin beendet oder sind von außerhalb zugezogen, um in Berlin ihr Label zu eröffnen. Diese Designer müssen die Struktur des Produktionsnetzwerks, insbesondere die strategische Positionierung, und die sozialen Beziehungen mit den Akteuren der Stadt neu auf bauen. Wegen oftmals fehlenden Kontakten oder knapper finanzieller Ressourcen organisieren sie die Produktionsphasen intern im Label oder führen einige überhaupt nicht durch. Diese Akteure haben zudem nur schwache Beziehungen zum kreativen Feld der Stadt, da sie sich in einer Auf bauphase befinden. Es ist anzunehmen, dass diese Akteure nach einer Eingewöhnungszeit in andere Typen überwechseln. Auf der anderen Seite ist auch zu erkennen, dass einige Designer ihre Produktion bewusst so organisieren, dass alle Produktionsphasen intern im Label realisiert werden können (in diesem Fall mit Einzelstücken oder kleinen Serien); außerdem werden die Produkte auschließlich von ihnen vor Ort verkauft.

7 Beziehungen mit der Stadt: das kreative Feld

Weder für ihre Entwurfstätigkeit noch für die Produktion nehmen sie Kontakt mit anderen Akteuren des kreativen Felds auf. Häufig geben sie an, dass sie sich aus persönlichen Gründen in Berlin aufhalten. Sie haben ihren eigenen Stil und ihre Positionierung kann von Fall zu Fall stark variieren, selbst wenn sie auf internationaler Ebene agieren, da sie keine Kollektionen produzieren. Sie sind mehr durch ihren guten Ruf oder den Labelnamen bekannt, werden aber nicht direkt mit Berlin in Verbindung gebracht.

7.3.2 Produktionsnetzwerke und kreatives Feld der Berliner Modedesignbranche: eine strukturierte Komplexität Die oben erläuterte Typologie hebt einige wesentliche Elemente der Beziehung zwischen Produktionsnetzwerk und kreativem Feld in der Modebranche hervor. Die Modedesignbranche in Berlin zeigt nicht nur eine einzige Form der Netzwerk- und Produktionsorganisation, sondern mehrere, die zugleich sowohl interne und externe Akteure des Labels in der Produktion selektiv aktivieren als auch verschiedene Maßstabsebenen der Produktion und Beziehungsarten mit dem kreativen Feld Berlins in Beziehung setzen. Deswegen ist die Berliner Modedesignbranche als Verflechtung von Akteuren zu verstehen, die verschiedene Produktionsstrukturen tragen und dabei unterschiedlich starke Einflüsse auf die Stadt und das lokale kreative Feld sowie das internationale Netzwerk der Mode haben. D. h., nur die Designer des Typs 2 (und zum Teil auch des Typs 4) bringen Mode aus Berlin in internationale Kontexte ein und nur die Designer der Typen 1 und 3 entwickeln starke Beziehungen zum kreativen Feld Berlins. Das bedeutet, dass die Akteurskonzentration in Berlin nicht als einheitliche Struktur und typengleiche Einbettung der Produktionsnetzwerke in das kreative Feld verstanden werden kann. Darüber hinaus haben die einzelnen Strukturen, die die oben diskutierten Typen kennzeichnen, jeweils verschiedenartige Verbindungen mit dem kreativen Feld und Einflüsse auf die Wirtschaftsentwicklung der Stadt. Nur unter Berücksichtigung der Pluralität der Interaktionsformen und einer relationalen Betrachtung der Modedesignbranche insgesamt ist es möglich, die wechselseitigen Einflüsse zwischen Produktionsnetzwerken und urbanem Wirtschaftskontext zu verstehen. So haben Designer des Typs 2, die aus persönlichen Gründen mit Berlin verbunden sind und international agieren, einen geringeren Einfluss auf die lokale Wirtschaftsentwicklung als andere (Typen 1 und 3), deren gesamtes Produktionsnetzwerk in Berlin präsent ist; darüber hinaus entstehen hierbei starke professionelle Verbindungen mit dem kreativen Feld der Stadt. Weiterhin verbreiten Designer des Typs 2 (und gelegentlich auch des Typs 4) in überregionalen professionellen Netzwerken die symbolischen Konstruktionen des Berliner Modedesigns, während Designer

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der Typen 1 und 3 mit ihrer Arbeit die Aktivitäten der mit ihnen verbundenen lokalen Akteure fördern. Darüber hinaus kann auch die Beziehung der Designer zur Stadt, genau wie für die Produktionsnetzwerke insgesamt, mehrere Formen annehmen: Designer können Berlin aus privaten Gründen als Wohn- und Arbeitsort gewählt haben (z. B. weil sie hier geboren sind), andere entscheiden sich für Berlin aus Gründen der strategischen Unternehmensplanung oder als Inspirationsquelle. Alle diese Entscheidungen sind im weitesten Sinne von dem kreativen Feld und den sozioökonomischen strukturellen Merkmalen der Stadt beeinflusst. Die Beziehung zum kreativen Feld ist nicht für alle Designer gleich und deckt ein breites Spektrum an Möglichkeiten ab, das von einer unabdingbaren Interaktion für den Auf bau des eigenen Produktionsnetzwerks bis zu dessen (partieller) Irrelevanz reicht. Schließlich weist das Produktionsnetzwerk je nach Produktidee und Herstellungskonzept des Designers auch verschiedene Komplexitätsgrade auf, sodass multiple Strukturen und Organisationsformen am Standort zu erkennen sind. Die empirische Analyse des Modedesigns als eine Branche der Kreativwirtschaft ermöglicht es, die Vielfalt der Beziehungsarten im Produktionsprozess zu erfassen: Konstitutiv für die produktiven Aktivitäten der Designer sind ökonomische und soziale sowie materielle und immaterielle Beziehungen zur Stadt und zu den professionellen Netzwerken. Diese Verflechtung heterogener Beziehungen findet sich sowohl in der Organisation des Produktionsnetzwerks (erfasst durch die drei Kategorien der Positionierung, der Einbettung und des Sozialkapitals) als auch in der jeweiligen Integration ins kreative Feld der Stadt. Die Rekonstruktion der verschiedenen Formen und Phasen des Produktionsnetzwerks im Modedesign zeigt die verschiedenen Beziehungsformen (ökonomische, soziale, räumliche) und die Akteure auf, die in dem Prozess relevant sein können. Die vorgeschlagene Typologie hingegen verweist auf zentrale Strategien und Handlungsformen unter den Modedesignern. Sie veranschaulicht die relevanten Elemente, die zum Verständnis der Organisation der Produktion und der damit verbundenen Handlungsformen beitragen, ohne allzu tief ins Detail zu gehen und die einzelnen Kategorien des Produktionsnetzwerks bedenken zu müssen. Eine detaillierte Beschreibung hätte jeweils ein breites Kontinuum an Handlungen und Formen der Produktionsorganisation zutage gefördert, das jeden Fall fast einzigartig hätte aussehen lassen. Auf dem hier gewählten Weg der vorsichtigen Verallgemeinerung bleibt der differenzierte Blick auf die Vielfalt der Handlungs- und Produktionsstrukturen erhalten. Deutlich wird insbesondere, dass die einzelnen Interaktionsformen sowohl die gesamten Produktionsnetzwerke als auch die sozialen Beziehungen der Modedesigner flexibel ausgestalten. Dabei entstehen Formen der Komplexität, die in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Modedesignbranche bislang keine Berücksichtigung fanden.

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Wertschöpfungsmechanismen

8.1 R äumliche D imensionen von W ertschöpfung Die große Bedeutung der Design- und Produktkonzeptualisierungsphasen in der Mode ist zugleich ein Indikator der Integration der symbolischen und immateriellen Inhalte der Wertschöpfung in einen Produktionsprozess, der ansonsten stark von industriellen Produktionsstrukturen gekennzeichnet ist (vgl. Reimer 2009, 67). Die Produktionsnetzwerke des Modedesigns zeichnen sich bezüglich ihrer unterschiedlichen Auswirkungen auf Umwelt- und soziale Faktoren sowie regionale Wirtschaftsräume durch je unterschiedliche Konfigurationen aus, die während des Prozesses der Wertschöpfung erkennbar werden. Diese Prozesse hängen hauptsächlich von den Entscheidungen der Designer ab, die bestimmen, wie sie sich bezüglich des Wertes ihrer Produkte positionieren. Diese Produktionsnetzwerkskategorie verzeichnet hinsichtlich ihrer Zusammensetzung eine interessante Homogenität innerhalb der Berliner Modebranche, die Forschungsgegenstand des vorliegenden Buches ist. Das Hauptaugenmerk der Designer liegt darauf, aus einer Kombination von materiellen und immateriellen Elementen Wert zu schöpfen und dadurch ihre Arbeit von der Fast-Fashion-Bekleidungsindustrie abzugrenzen. In der Konsequenz sind hierdurch die räumlichen Dimensionen unethischer und nichtnachhaltiger Praktiken der Fast-Fashion-Industrie angesprochen. Die Produktion und die Produkte dieser Art des Modedesigns stellen alternative Antworten der Designer auf immer drängendere Fragen dar. Oder, in anderen Worten, die Antworten der Modedesigner auf die unethischen Arrangements der Fast-Fashion-Bekleidungsindustrie basieren auf alternativen, festgelegten räumlichen Organisationen und symbolischen Konnotationen der Produktion. Insbesondere das Konzept dieser Art der Wertschöpfung grenzt die Slow Fashion von der Fast Fashion ab. Fast Fashion und Slow Fashion zeichnen sich durch ihren je unterschiedlichen Umgang in Bezug auf Produktionsorganisation und Verbrauch der Bekleidungsindustrie aus, aber auch durch ein anderes Verständnis davon, wie der Wert von Modeprodukten erzeugt wird. Bevor im Folgenden die tatsächlichen Charakteristika der Wertpositionierung und des

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Wertschöpfungsprozesses dargelegt werden, ist es hilfreich, den Unterschied zwischen Fast und Slow Fashion zu verdeutlichen. Die interviewten Designer wurden meinerseits nicht explizit aufgrund ihrer Positionierung als Slow-Fashion-Designer ausgesucht, und sie erwähnten während der Interviews auch nicht explizit, dass sie Slow-Fashion-Designer seien. Stattdessen machten sie deutlich, dass sie ihre Produktion entsprechend ihren Überzeugungen davon, was richtig oder strategisch relevant sei, organisierten, wobei sie nicht offensichtlich darauf abzielten, mit dem Begriff Slow Fashion versehen zu werden. Daher können in deren Produktionsnetzwerken der Positionierung gegenüber dem Wert Elemente zugewiesen werden, die eine partielle Überlappung mit den Praktiken der Slow Fashion erlaubt und eine gewisse Homogenität aufzeigt. Die Produktion der interviewten Designer fokussierte nicht nur Luxus- oder High-End-Fashion, sondern deckte unterschiedliche Marktbereiche und Stile ab, sodass die vorliegende Untersuchung über die impliziten Stil- oder Marktregeln, die in bestimmten Segmenten vorhanden sein mögen, hinausgehen konnte.

8.1.1 Fast und Slow Fashion Die Modeindustrie zeichnet sich durch einen sich rapide verändernden Markt und eine Produktion aus, die entsprechend schnell antworten muss (vgl. Christoper et al. 2004). Die zunehmende Geschwindigkeit von industrieller Produktion und Verbraucherverhalten, vor allem am unteren Ende des Marktes, gilt als umweltschädlich und unethisch, dies führte zur Prägung des Begriffs Fast Fashion: »Like fast food, fast fashion is mass-produced and standardized. […] Designed to be cheap, easy, and rapid to produce; it draws on low-cost materials and labor, short lead times, and efficient large volume production. […] New styles, quickly copied from catwalks or high-end labels, are introduced into stores every few weeks, exploiting the consumer desire for novelty.« (Fletcher 2015, 260)

Fast Fashion fördert folglich den Umgang mit Mode auf der Grundlage von hohem Konsum und niedriger Produkthaltbarkeit. Einige Autoren unterstreichen, dass Fast Fashion von einer geplanten Obsoleszenz (vgl. Guiltinan 2009) und einer bewusst eingeschränkten Funktionstüchtigkeit des Designs geprägt ist (vgl. Annamma et al. 2012). Fast Fashion verkörpert das exakte Gegenteil von Nachhaltigkeit (vgl. Cimatti et al. 2017). Die Herstellung von Mode und die Versorgungskette für die Produktion von Fast Fashion, auch wenn dies nicht ausschließlich für dieses Marktsegment gilt, sind höchst fragmentiert und basieren auf undurchsichtigen Praktiken (vgl. Mihm 2010; Partridge 2011). Die intransparente Produktion, die schlechten Arbeitsbedingungen (Ausbeutung)

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und die Umweltprobleme, die mit der Stoff- und Bekleidungsproduktion in Verbindung gebracht werden, wurden von Kritikern der Modeindustrie, speziell der Fast Fashion, immer wieder aufgezeigt. Slow Fashion stellt eine Alterative dar, die von einer anderen Ethik hinsichtlich der Produktion und des Konsums von Modeartikeln geleitet wird. Das Konzept von Slow Fashion beschreibt nicht bloß die Geschwindigkeit, sondern »a different worldview that names a coherent set of fashion activity that promotes variety and multiplicity of fashion production and consumption and that celebrates the pleasure and cultural significance of fashion within biophysical limits. […] Slow fashion represents a vision of sustainability in the fashion sector based on different values and goals to the present day. It requires a changed infrastructure and a reduced through-put of goods.« (Fletcher 2015, 262)

Slow Fashion hat den Anspruch, den Modekreislauf durch eine Kombination von langsamer Produktion und langsamem Verbrauch insgesamt zu verlangsamen und dabei den industriellen Abfall zu reduzieren (vgl. Jung / Jin 2014). Es handelt sich um eine Herangehensweise, die auf einen nachhaltigen und ethischen Weg abzielt, indem die Quantität der Produkte im Einkauf durch eine erhöhte Qualität abgelöst wird (vgl. Clark 2008; Fletcher 2007), wodurch der Modekreislauf verlangsamt wird. Eine offizielle Definition von Slow Fashion gibt es jedoch nicht (vgl. Watson / Yan 2013), und nur wenige Studien beschäftigen sich mit dem Konzept und dem Anliegen von Slow Fashion (vgl. Pookulangara / Shephard 2013; Watson / Yan 2013; Jung / Jin 2014). Annamma et al. (2012) unterstreichen mit Bezug auf die Arbeit von Fletcher (2008), dass Slow Fashion »does not refer to time, as its name suggests, but rather to a philosophy of attentiveness which is mindful of its various stakeholders’ respective needs and of the impact producing fashion has on workers, consumers, and eco-systems« (Annamma et al. 2012, 289). Slow Fashion stellt folglich eine Alternative zu den ethischen Widersprüchen der Fast Fashion dar. Die ethischen Implikationen der Fast-Fashion-Produktion und ihres Konsums werden hinsichtlich ihrer menschlichen, sozialen und umwelttechnischen Aspekte ebenfalls unter der Einführung des Begriffs der Slow Fashion gruppiert, da Ethik den Nexus zwischen Nachhaltigkeitskonzepten und sozialer Verantwortung herstellt, insofern die ethische Perspektive den Blick für nachhaltige Praktiken schärft, die längst Teil der Debatte über die Modeindustrie geworden sind (vgl. Pookulangara / Shephard 2013).1 Slow-Fashion-Produkte zeichnen sich üblicherweise durch 1 | Für einen ausführlicheren, über das Anliegen dieses Kapitels hinausgehenden Einblick in die ethischen Implikationen, die bei der Wahl der Produktion und des Konsums eine Rolle spielen, vgl. Freestone /  M cGoldrick 2008; Thomas 2008. Indes finden sich

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höhere Preise im Vergleich zu ihren Fast-Fashion-Äquivalenten aus und positionieren sich vor allem am oberen Ende des Marktes.2 Der Slow-Fashion-Ansatz der Bekleidungsindustrie bezieht verschiedene Antriebskräfte mit ein, die Wertschöpfung auf unterschiedlichen Produktionslevels sowohl materieller als auch immaterieller Art ansprechen. Dazu gehört auch das Streben nach Fairness und Nachhaltigkeit sowie die räumliche oder lokale Dimension.3 Das Slow-Fashion-Konzept hat eine vielschichtige Struktur und unterstreicht die Relevanz des »Lokalen«. Das Konzept des Lokalen muss Studien zu spezifischen ethischen Aspekten, die mit der Modebranche in Verbindung stehen: Sweatshops (vgl. Pookulangara et al. 2011; Tomolillo / S haw 2004); Corporate Social Responsibility, d. h. verantwortungsvolle Unternehmensführung (vgl. Creyer / R oss 1997; Sen /  B hattacharya 2001; McRobbie 1997, 86); umweltfreundliche Textilien (vgl. Phau / O ng 2007); Recycling (vgl. Birtwistle / M oore 2007). 2 | Luxusmarken, wenn sie aktiv auf Nachhaltigkeit in der Herstellung abzielen (vgl. De Angelis et al. 2017), können ebenfalls als Akteure der Slow Fashion berücksichtigt werden. Außerdem können Luxusmarken aufgrund ihres gesteigerten Interesses an Handarbeitsqualität und der Zeitlosigkeit ihrer Designs durch die Langlebigkeit ihrer Produkte den Gebrauch natürlicher Ressourcen im Vergleich zum Markt der breiten Masse reduzieren (vgl. Byun /  S ternquist 2011; Annamma et al. 2012; Guercini / R anfagni 2013). De Angelis und Kollegen zeigen jedoch (vgl. De Angelis et al. 2017), dass die ethischen Komponenten nicht (oder weniger) als ein Teil der Wertschöpfung betrachtet werden, sondern eher als eine indirekte Folge der Produktions- und Markenstrategie der Firma. In diesem Sinne mag sich die Wertschöpfung der Luxusmarken mit derjenigen der Slow Fashion überlappen, jedoch nicht andersherum, da Slow Fashion ganz unterschiedliche Facetten berührt und ihre Wertschöpfung mehr Dimensionen hat als die der Luxusmarken. 3 | Schlüsselelemente der Slow Fashion können entlang der drei Reflektionslinien resümiert werden, die während des Symposiums Slow + Design Manifesto (2006) eingeführt und von Clark vorgestellt wurden: »[T]he valuing of local resources and distributed economies; transparent production systems with less intermediation between producer and consumer; and sustainable and sensorial products that have a longer usable life and are more highly valued than typical ›consumables‹« (Clark 2008, 429). Eine andere Definition bieten Jung and Jin (vgl. 2014), die versucht haben, Charakteristika von Slow Fashion aus einer Konsumentenperspektive heraus zu identifizieren, und zeigen, dass Slow Fashion von fünf richtungsweisenden Aspekten geprägt ist: Produktionsprozesse werden verlangsamt, die Produkte sollten jedem zugänglich sein und Erzeuger sollten angemessen vergütet werden (equity); Einsatz von hochqualifizierter und handwerklicher Produktion (authenticity); lokale Geschäfte und Ressourcen werden unterstützt (localism); Herstellung kleiner Mengen und einzigartiger Modeartikel, sodass Slow-Fashion-Marken dazu neigen, sich im High-End-Bereich des Marktsektors (exclusivity) zu positionieren; die Bekleidung hat eine lange Lebensdauer und ist vielseitig verwendbar (functionality; vgl. Jung /  J in 2014).

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als etwas mehr als nur auf der Ebene des Regionalen oder Einheimischen angesiedelt verstanden werden (vgl. Fletcher 2015; Clark 2008); im Sinne einer relationalen Perspektive wird der Begriff des Lokalen »attributed with meaning through the complex composite of flows of people, goods and services and representations that occur from, to and between it« (Parkins / Craig 2006, 72). Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass Mode in ihrem Wesen als hochrentable und trendsensitive Branche ethische Fragen in Bezug auf Produktion und Konsum aufwirft (vgl. Aspers / Skov 2006). Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten sind zu relevanten Fragen für Unternehmen geworden (vgl. Moisander / Personen 2002; Pookulangara / Shephard 2013), und Verbraucher wurden diesen Themen gegenüber – marktkonform mit dem Aufstieg der SlowFashion-Trends – sensibilisiert und sind bereit, mehr für Produkte zu zahlen, die hohe ethische Standards erfüllen und umweltgerecht sind (vgl. Gam et al. 2009; Pookulangara et al. 2011).

8.1.2 Die Akteure der Slow-Fashion-Wertschöpfung In Bezug auf das Verständnis des Wertschöpfungsprozesses der Bekleidungsindustrie, vor allem hinsichtlich der High-End- und Slow-Fashion-Produktion, gibt es zwei Hauptpositionen: Die eine versteht Wert als Resultat der Interaktion zwischen Unternehmen und Kunde, während die andere Wert als rein unternehmensproduziert auffasst, sodass dem Verbraucher eine passive Rolle zukommt. Der erste Standpunkt betrachtet den Markt mit all seinen Akteuren als ein Ganzes, und Wert wird als Resultat der Interaktion (nicht nur der monetären) zwischen diesen verstanden. In einem stärker personalisierten Markenerlebnis (brand experience) stellen Verbraucher und Anbieter Wert gegenseitig her (vgl. Payne et al. 2009; Tynan et al. 2010). Tynan und Kollegen machen Prozesse der Wertschöpfung bei Firmen und Kunden von Luxusmarken aus und finden hierbei drei interagierende Komponenten (symbolisch, funktional und psychologisch), die Wert generieren. Dies führt sie zu folgender Einsicht: »[T]he symbolic / expressive, experiential / hedonic and relational types of value are the ones which enable differentiation between various luxury brands« (Tynan et al. 2010, 1161). Darüber hinaus unterstreichen andere Autoren, dass der Wert von Markenprodukten von Verbrauchern mehrdimensional wahrgenommen wird. Hierzu gehören neben der Qualität des physischen Objekts auch emotionale, psychologische und soziale Komponenten (vgl. Li et al. 2012; Vigneron / Johnson 1999; Phau / Prendergast 2000; Yoo / Donthu 2001; Wiedmann et al. 2007; Burmann et al. 2009). Diese Komponenten beeinflussen die Entscheidungen der Verbraucher und wie ihre Wahl sowohl in der Selbstwahrnehmung als auch von ihrem sozialen Umfeld aufgefasst wird. Auf diese Art wird der Verbraucher Teil der Erzeugung und Bestätigung von Wert (vgl. Prahalad / Ramaswamy 2004;

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Vargo / Lusch 2004), da er sich des Werts aufgrund der ethischen Aspekte im Hintergrund der Slow-Fashion-Produktion bewusst und daher auch bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen. Die zweite Position sieht den Prozess der Wertschöpfung dagegen bei dem Unternehmen und schreibt dem Verbraucher eine passive Rolle zu. Das Wertkonzept konzentriert sich auf den Produktionsprozess und den Preis, der sich daraus ergibt und den Verbraucher bereit sind zu zahlen (vgl. Weber 1993, 4660; Porter 2010, 64). Wert wird daher als Resultat eines unternehmensgeleiteten Prozesses berücksichtigt (vgl. Tran et al. 2011; Christoper et al. 2004). Tran und Kollegen haben den Wertschöpfungsprozess in großen, komplex strukturierten Bekleidungsindustrieunternehmen analysiert (eine Branche, die sich von Luxusmarken unterscheidet) und konnten verschiedene Elemente der Wertschöpfung identifizieren, indem die Bedingungen in den Bereichen Preis, Zeit, Produkt und Markt optimiert werden (vgl. Tran et al. 2011).4 Beide Positionen zeigen, dass der Prozess der Wertschöpfung vom Marktsegment beeinflusst wird, das sie ansprechen, sowie von der Größe des Unternehmens. Richtet man die Aufmerksamkeit auf Praktiken, die aus der Perspektive der Unternehmen zu Slow Fashion führen, dann zeigt sich, dass kleine Unternehmen flexibler sind und folglich fähiger, ihre Versorgungskette neu zu konfigurieren und somit Praktiken einzuführen, die große Unternehmen gerade aufgrund ihres Maßstabs nicht ohne Weiteres verfolgen können (vgl. Cimatti et al. 2017). Für das Verständnis von beiden, Fast und Slow Fashion, spielt der Wert der Produkte und der damit verbundene Konsum eine zentrale Rolle. Slow Fashion zieht ihren Wert daher aus einer Kombination von materiellen und immateriellen Elementen, wobei dies sowohl auf Hersteller- als auch auf Verbraucherseite deutlich zu erkennen sein muss. In dem Wertschöpfungsprozess von Modeprodukten verändert sich das Verständnis von Wert in verschiedenen Marktsegmenten und wird von jeweiligen sozialen Gruppen unterschiedlichen Faktoren beigemessen. Der Kontrast zwischen Fast und Slow Fashion konnte dies deutlich zeigen. Im Falle der Fast Fashion ist der Hauptantrieb für den Erwerb neuer Artikel rapider Wandel, während Slow Fashion sowohl in Bezug auf Qualität und Design Wert auf Langlebigkeit legt als auch grundsätzlich darauf, Einzigartigkeit und Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Betrachtet man hingegen die Wertschöpfung aus der Perspektive des Designers im kleinen und mittleren Unternehmen, wie es in diesem Buch gemacht wird, muss die Rolle des Konsumenten, unabhängig von Fast oder Slow Fashion, als passiv bedacht werden. Diese Position hinsichtlich der Rolle des Kunden im Prozess der Wertschöpfung sollte nicht als absolut erachtet werden. Mit »passiv« ist nicht gemeint, dass die Kunden überhaupt keinen Einfluss darauf 4 | Diese sind: best-cost capabilities, timing capabilities,  product-solution capabilities, market-response capabilities (vgl. Tran et al. 2011).

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haben, wie Wert definiert oder aufgefasst wird, sondern dass ihnen eine aktivere Rolle bezüglich der Nachfrage und der Erwartungen an die Modeartikel zukommen mag. Die Rolle des Verbrauchers mag aktiv in der Steuerung der Entwicklung bestimmter Trends sein und dabei, zu definieren, wofür es sich lohnt, Geld auszugeben (z. B. faire Löhne oder ökologisch nachhaltige Produktion). Dennoch nehmen Konsumenten dieser Modebranche nicht aktiv an der Realisierung der Produkte und ihres Wertes teil, sondern nur sekundär, d. h., nur in Bezug auf das fertige Produkt und indem sie dazu beitragen, Einfluss auf die Entwicklung der sozialen Bedingungen zu nehmen, die ihrerseits möglicherweise die Bekleidungshersteller beeinflussen. Mit dem Fokus auf die Wertschöpfung konzentriert sich das vorliegende Kapitel darauf, wie Designer den Preis, den sie für ihre Produkte verlangen, aus der Herstellung des Wertes ableiten und begründen. Es handelt sich natürlich um ein partielles Verständnis von Wertschöpfungsprozessen, aber es repräsentiert die Grundlage der Unternehmensstrategie der Designer und zeigt, dass jeder Designer den Wert des eigenen Produkts innerhalb eines diskursiven Rahmens entwickelt, der seine Arbeit definiert, und sie ihre Produkte entsprechend des eigenen Verständnisses der Wertschöpfungsprozesse auf dem Markt platzieren. Die Auffassung des Designers von Wertschöpfung und die damit verbundene Positionierung sind zwei eng miteinander verbundene Schritte, die im Gegensatz zu anderen Kategorien, die in den vorherigen Kapiteln diskutiert wurden, Homogenität innerhalb der Produktionsnetzwerke des Berliner Modedesigns aufweist.

8.2 M aterielle und immaterielle E lemente der W ertschöpfung Die Praktiken der Wertschöpfung und in der Konsequenz die Wertpositionierung innerhalb des kleinen und mittleren Modedesignunternehmens weisen eine Kombination aus materiellen (Qualität der Stoffe, Qualität des Designs und Aufmerksamkeit für Details) und immateriellen (lokale Produktion, faire Arbeitsbedingungen, ökologische Nachhaltigkeit) Elementen auf. Materielle Elemente stehen in unmittelbarer Verbindung zur Arbeit des Designers, insofern die Produkte das materielle Resultat von konzeptueller Grundlage, Design und Handwerk sowie der Qualität der Stoffe und Materialien sind, die der Designer verwendet (physische Ebene). Immaterielle Elemente von Wert sind die ethischen und symbolischen Komponenten der Produkte (symbolische Ebene). Immaterielle Elemente können Teil der Wertschöpfung werden und auch der Botschaft, die Konsumenten kommunizieren möchten, indem sie die Kleidung tragen (vgl. Kawamura 2005).

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Materielle Elemente stehen wie gesagt in unmittelbarer Verbindung zur Arbeit des Designers. In diesem Sinne unterstreichen die materiellen Elemente, wie zentral die Arbeit des Designers ist, der etwas schafft, das einzigartig ist und nicht woanders gefunden werden kann. Dadurch grenzen sie sich von Produkten der Fast Fashion ab, die überall gleich sind und dem Verbraucher keinen Hinweis darauf geben, wie sie hergestellt wurden oder welcher Herkunft die Materialien sind. Darüber hinaus werden die im Slow-Fashion-Design verwendeten Stoffe häufig mit einem deutlichen Hinweis versehen, wo sie hergestellt wurden, der auch für ihre Qualität steht sowie für die Arbeitsbedingungen und die Umweltbelastungen, unter denen sie hergestellt wurden. Auch dieser Faktor lässt sich als materielles Element einordnen. Die immateriellen Elemente der Wertschöpfung verkörpern dagegen die ethischen und symbolischen Komponenten der Produkte. Sie sind, sogar noch expliziter als die materiellen Elemente, die Antwort der Designer auf die unethischen und nichtnachhaltigen Herstellungspraktiken der Modeindustrie, vor allem der Fast Fashion. Ferner kommt diesbezüglich die räumliche Dimension als entscheidendes Schlüsselelement zum Tragen, weshalb es an dieser Stelle gilt, die Relevanz lokaler Akteure einzuführen und deren Arbeitskraft und Handwerk zu unterstreichen. In den nächsten Abschnitten werden die Positionen der Designer zu verschiedenen Aspekten des materiellen und immateriellen Wertes ihrer Produkte vorgestellt, um die intrinsischen Ähnlichkeiten der Positionierung des Wertes in dem Produktionsnetzwerk aufzuzeigen.

8.2.1 Materielle Elemente Qualität der Stoffe Die Bedeutung qualitativ hochwertiger Stoffe beschränkt sich mittlerweile nicht mehr bloß auf Luxusgüter, sondern erstreckt sich als essentielle Komponente eines erweiterten Verständnisses von Slow Fashion als umweltfreundliche und bewusste Produktion (und Konsum), genauso wie auch die Bedeutung von Nachhaltigkeit und der Umgang mit Recycling sich auf die Definition von Modeartikeln mit auswirken (vgl. Hustvedt / Dickson 2009; gam et al. 2010; Shim 1995; Ha-Brookshire / Hodges 2009; Domina / Koch 1998; Kim / Damhorst 1998). Für einen Designer ist hochwertiger Stoff das erste Element, dass den Wert seines Produktes bestimmt, da erst die Wahl des Stoffes dem Artikel erlaubt, länger zu halten, widerstandsfähiger zu sein, und folglich die höheren Kosten rechtfertigt. Aber das ist eben da, () wir sehr viel Wert auf die Qualität liegen, also wenn eine Sache sehr teuer ist, muss auch die Qualität stimmen, finde ich (…). Das ist eben so, dass unsere Wolle so gut und strapazierfähig ist, dass man sie über viele Jahre tragen kann, ohne

8 Wer tschöpfungsmechanismen dass sie an (Fasson), an Farbe und so verliert. (…) So fangen wir nur mit einer guten Qualität, also wie z. B. bei Kaschmir, was sehr schön an sich, ein schönes Material ist, aber das lässt sich an unsere Maschine nicht gut verarbeiten, das muss industriell, meiner Meinung nach, angefertigt werden. (…) dann arbeiten lieber z. B. mit hochwertige Alpaka und Merino, die sind gut in der Qualität und auch strapazierfähig. (ID04, 00:22:49)

Diesem Zitat nach wird der Qualität des Stoffes seitens des Designers nicht nur wegen seines Wertes große Aufmerksamkeit gewidmet, sondern auch wegen seiner Haltbarkeit, die den Produkten erlaubt, für eine größere Zeitspanne gebraucht zu werden, und den Konsum minderwertiger Produkte reduzieren kann. Andere Designer sehen in den verwendeten Stoffen eher ein Grundelement für ihre hohen Qualitätsstandards als eine Grundlage für die ethische Dimension ihrer Produktion (ID05, ID06, ID10, ID12). Darüber hinaus können Kunden die Qualität der Stoffe unmittelbar spüren, was ein zentrales Element nicht nur für die Wertdefinition, sondern auch für das Wertverständnis darstellt, das Designer den Käufern kommunizieren wollen. Dies wird im folgenden Zitat deutlich: Dies ist ein Vorteil, den ich habe: Als du es für das erste Mal trägst, verstehst du sofort, wohin dein Geld gegangen ist, und du verstehst auch, dass, was sie dir bis gestern gegeben haben, eigentlich eine Lappalie ist, wenn sie dir Klamotten verkauft haben. Sie haben dir Design verkauft, aber die Textilie ist fast immer billig, außer du hast astronomische Dinge gekauft, wo du für einem Kaschmirepullover 1000 Euro ausgibt, und dann vielleicht (…). So, es gibt eine intrinsische Qualität der Stoffe, die sie einzigartig macht. (ID09, 00:52:25) 5

Das bewusste Nachdenken über die Wahl der Stoffe und ihre Qualität ist ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Slow-Fashion-Designern und der Fast-Fashion-Branche. Die zitierten Aussagen der Interviewpartner unterstreichen deutlich, dass die Aufmerksamkeit für die verwendeten Stoffe sie hinsichtlich ihrer Produktionsstrategien anders auf dem Markt positioniert als herkömmliche Mode. Einige Designer entscheiden sich außerdem dafür, aktiv in die Stoffproduktion und die speziellen ethisch-ökologischen Standards miteinbezogen zu werden, sie setzen folglich beim Material der Produkte an: 5 | Originalwortlaut: »Quando tu ce l’hai addosso per la prima volta, questo è uno dei vantaggi che ho, immediatamente capisci dove sono andati i tuoi soldi e capisci che fuffa ti hanno dato fino all’altro ieri quando t’hanno venduto dei vestiti, t’hanno venduto il design, ma il tessuto era quasi sempre povero, a meno che tu non andassi a prendere delle robe stratosferiche dove paghi 1000 euro un maglione di cachemire e allora forse. (…) Quindi c’è una qualità intrinseca nel tessuto che lo rende unico.« (ID09, 00:52:25)

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Berliner Moden Zusammenfassend: Meine Kollektion ist derzeit völlig, auch das Garn, aus Baumwolle genäht (…). So, diese Entscheidung, etwas wirklich völlig, und nicht fast völlig, aus Baumwolle zu realisieren und darüber hinaus aus biologischer Baumwolle, stellt meine Kollektion in eine [besondere Position]. Ich nutze nicht nur Baumwolle, sondern auch Hanfstoff, der sogar besser als Baumwolle ist. So, ein Merkmal, was ich tue, ist sustainibility, wenn ein Stoff umweltfreundlich ist, gut, und wenn seine Qualität hoch ist, noch besser. Der Hanfstoff z. B. kann europäisch sein, Baumwolle nicht, oder besser fast nicht, im Sinne, dass europäische Baumwolle, die ich finden kann, aus der Türkei stammt. Der Hanfstoff kann sogar italienisch sein. Hanfstoff braucht, als Pflanze, 8-mal weniger Wasser als Baumwolle. 8-mal weniger heißt Millionen von Liter weniger, Hanfstoff braucht kein Spritzmittel, da, als Pflanze braucht sie es nicht, da sie nicht attackierbar ist, dann als Stoff ist Hanfstoff natürlich antibakteriell, natürlich thermisch, hat viele positive Merkmale mehr. (ID09, 00:16:54) 6

Dieses Zitat macht deutlich, dass die Relevanz der Stoff herstellung und -verarbeitung von der Nachhaltigkeit des Gesamtprozesses abhängig ist. Der Gebrauch von ökologisch nachhaltigen Textilien bestimmt zunächst den Qualitätsstandard, der den Wert definiert, und erst in einem zweiten Schritt wird hierdurch ein ethisch-ökologischer Standard gesetzt. Die Verwendung sowohl biologischer als auch hochwertiger Textilien stellt eine nachhaltige Antwort zu den Abfällen und der Umweltverschmutzung der industriellen Mode dar. Im Gegensatz zu dieser suchen Designer ihre Stoffe entsprechend der geringeren Belastung für die Umwelt und folglich ihrer Nachhaltigkeit aus, d. h., weil sie weniger Abfälle produzieren (da hochwertige Produkte länger halten) oder weil die Verwendung natürlicher Textilien weniger schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die wachsende Aufmerksamkeit der Designer und ihre bewusste Suche nach hochwertigen, nachhaltigen und strapazierfähigen Textilien erzeugt eine präzisere Anerkennung der räumlichen Bezüge der verwende6 | Originalwortlaut: »Quindi, riassumo la collezione, attualmente è tutta cucita, anche il filo da cucito è di cotone, (…). Quindi già questo fatto di scegliere di fare una cosa che è veramente tutta di cotone, e non quasi tutta di cotone, e che oltre a cotone è di cotone biologico, mette la mia collezione in una [posizone particolare]. Che poi io non uso solo cotone, uso anche la canapa, che è ancora meglio del cotone  cioè i crismi di quello che faccio sono: sostenibile, quindi quanto più sostenibile un tessuto, se riesce ad esser di qualità tanto meglio, la canapa per esempio può essere europea, e il cotone no o quasi no, nel senso che il più europeo che posso trovare è turco, la canapa può essere perfino italiana. La canapa beve 8 volte meno acqua del cotone come coltura vegetale, otto volte meno vuol dire milioni di litri di acqua in meno, non vuole nessun tipo di pesticida perché come tipo di pianta non gli serve il pesticida perchè non è attaccabile, poi come tessuto è naturalmente antibatterico, è naturalmente termico, c’ha un sacco di cose in più.« (ID09, 00:16:54)

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ten Textilien und ihrer Produktion. Dies trägt einerseits zur Bestimmung des Wertes der Produkte bei, andererseits zur Akzentuierung der Differenz zwischen Slow und Fast Fashion.

Qualität des Designs und Aufmerksamkeit für das Detail Eine zweite Komponente der materiellen Elemente der Wertschöpfung ist die Aufmerksamkeit, die auf das Design und kleine Details verwendet wird, die dazu beitragen, einen hochwertigen Produktstandard zu definieren. Auf diesen Punkt weist der Designer im nächsten Zitat hin: Sometimes, they [the clothes] are sent directly from the manufacturer to the client. We don’t do that, they come back here, and we inspect the quality, and we go through every single piece to make sure it’s perfect and meets our standards before we send it to our client. (ID20, 00:17:40)

Und: Every single piece in the collection has to communicate one single idea, one single aesthetic. That’s really important, because, otherwise, you’re just making clothes. (ID20, 00:29:28)

Diesen Zitaten zufolge ist es evident, dass aus der Perspektive des hohen Qualitätsstandards, den Designer verfolgen, die Rolle des Designs und der konzeptuellen Arbeit, die jedem Stück zugrunde liegt, für eine relevante Wertkomponente steht. Zusätzlich zur Aufmerksamkeit, die auf das Design verwendet wird, arbeiten die meisten der kleinen und mittleren Unternehmen mit einer geringen Stückzahl in der Produktion. Diese Produktionsentscheidung (unabhängig davon, ob auf der Grundlage von Budgetzwängen oder strategischen Entscheidungen) spricht den Bedarf nach Originalität und Einzigartigkeit an, der Mode grundsätzlich inhärent ist (vgl. Simmel 1904; Fletcher / Grose 2012; Lehnert 2013), während die Entscheidung für eine geringe Stückzahl es dem Designer zugleich gestattet, mehr Zeit und Energie auf jedes einzelne Stück zu verwenden und dadurch die Qualität und die Aufmerksamkeit für den Kunden zu steigern. Diese Vielfalt an Aspekten spiegelt das nächste Zitat wider: I noticed that, wherever you go, you would find the same things. […] I really felt that I would like to create something which is very local in that sense. A client that enters here and comes out with a jacket, nobody else has that jacket, it’s not sold anywhere else, and it gives something which I think is really needed today, where everything is very global and very commercial. People are starting, slowly, to look for something which is a lit-

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Berliner Moden tle bit more special, a bit unique, and that’s how they calculate value for money. (ID07, 00:16:09)

Laut der hier zitierten Aussage wird Wert hauptsächlich durch die Einzigartigkeit der Produkte und die Aufmerksamkeit generiert, die der Designer jedem einzelnen Stück widmet. Gleichzeitig wird dies von den Kunden anerkannt und positiv bewertet, insofern sie bereit sind, dafür zu zahlen (ID02). Designer, die mit kleinen Kollektionen arbeiten, positionieren sich der Fast-FashionBranche diametral entgegengesetzt, indem sie jede Saison wenige Artikel präsentieren und sich somit für einen bewussten Konsum einsetzen. Dadurch ist es dem Designer zugleich möglich, der Entwicklung jedes einzelnen Stückes mehr Aufmerksamkeit zu widmen, was einen höheren Qualitätsstandard sicherstellt (ID19). Solch eine Entscheidung ist jedoch nicht nur im Zusammenhang mit idealistischen Motiven zu sehen, sondern auch dem konkreten Bedarf geschuldet, Kosten gering zu halten, da Designer, die in kleinem Maßstab arbeiten, auch nur Zugang zu kleinen Mengen an Textilien haben. Diese zwei Aspekte (Aufmerksamkeit für Details und kleine Produktionsmengen) tragen zur Wertschöpfung und der damit verbundenen Positionierung bei, und zwar nicht nur, weil sie die Einzigartigkeit ansprechen, die mit Mode assoziiert wird (vgl. Simmel 1904; Fletcher / Grose 2012; Lehnert 2013), sondern auch, weil dadurch die lokale Verankerung der Arbeit des Designers unterstrichen wird. Die Produkte eines bestimmten Designers können folglich nur an bestimmten (oder einzigartigen) Orten und in kleinen Mengen gefunden werden, womit eine klar definierte örtliche Dimension der jeweiligen Modeschöpfung zugrunde liegt, die den Designern zur räumlichen Positionierung ihrer Arbeit dient und in deutlichem Kontrast zu den Produkten der Fast Fashion steht, die überall und für jeden verfügbar ist.

8.2.2 Immaterielle Elemente Zusätzlich zu den materiellen Elementen haben Modeartikel auch immaterielle Aspekte, die zur Positionierung ihres Wertes beitragen. Modeartikel wurden stets dazu verwendet, spezifische Botschaften auszudrücken und die Zugehörigkeit oder Einzigartigkeit der Person, die sie trägt, zu signalisieren (vgl. Kawamura 2005; Lehnert 2013). Für die Produktionsentscheidungen der Designer spielen spezifische immaterielle Elemente eine Rolle, die dadurch Teil der Wertschöpfung und außerdem Teil der Botschaft werden, die Kunden ausdrücken wollen, indem sie die Kleidung tragen. Darüber hinaus sind diese immateriellen Elemente in ihrer Verbindung mit den materiellen zentral für die Abgrenzung der Arbeit des kleinen und mittleren Modedesignunternehmens von den Praktiken der Fast-Fashion-Branche und tragen zudem zur räumlichen Differenzierung zwischen Fast und Slow Fashion bei. Die immateriellen

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Elemente der Wertschöpfung verleihen den Produkten einen ethischen und symbolischen Wert. Die folgenden immateriellen Elemente sollen näher vorgestellt werden: lokale Produktion, faire Arbeitsbedingungen und ökologische Nachhaltigkeit.

Lokale Produktion und faire Arbeitsbedingungen In mehreren Interviews wurde unterstrichen, wie wichtig gute Arbeitsbedingungen im Produktionsprozess sind, ein Punkt, über den sich Designer auch vom Image der billigen Fast Fashion abgrenzen, die häufig mit sweatshops und unterbezahlten Arbeitskräften in Verbindung gebracht wird (ID12). Arbeitsbedingungen sind nicht das einzige Element, das den ethischen und symbolischen Wert der Produktion beeinflussen; die Rede ist von der Entscheidung, Produkte »made in Germany« anzubieten. Weil ich der Meinung bin, dass man dies unterstützen muss, [das ist] ein bisschen ideologisch von uns. Normalerweise könnte ich auch ins Ausland gehen und würde bestimmt 20 Prozent der Kosten sparen, aber wir machen es nicht, weil ich denke, dass es Zukunft hat. (ID06, 00:10:33)

Die Entscheidung, mit regionalen Herstellern zu arbeiten, regt nicht nur die örtliche Wirtschaft an, sondern stärkt auch die Verbindung zwischen lokalen Herstellern und dem finalen Produkt, dem dadurch im Vergleich zur Massenproduktion, die mit China oder Ostasien assoziiert wird, ein zusätzlicher ethisch-symbolischer Wert verliehen wird. Ferner, wie im nächsten Zitat deutlich wird, steht die Entscheidung der Designer, mit regionalen Herstellern zu arbeiten, auch in Verbindung zur Haltung, keine Menschenrechte verletzen zu wollen, was in den symbolischen Wert des Produkts miteinfließt. [N]a ja, (…) die Arbeitsbedingungen, in der normalerweise konventionelle Moden hergestellt sind, ziemlich krass ungerecht sind, gerade für die Arbeiter am Anfang der Kette, also die Leute stehen und kriegen für wahnsinnig viel Arbeit viel zu wenig Geld, können nicht davon leben teilweise. Und so und ich finde gerade als Produktentwickler, was ich irgendwie als Modedesignerin nun mal bin, möchte ich nicht sozusagen dafür verantwortlich sein, dass es den Leuten so geht, oder will ich nicht Teil dieser Struktur sein. Ich kann diesen Beruf für mich so rein ethisch nur machen, wenn ich den unter der Voraussetzung machen kann, finde ich, für mich persönlich. (ID12, 00:24:03)

Zusätzlich sind sich die Designer einig, dass solch eine auf ethischen Werten basierende Entscheidung sich nicht nur auf die materielle Qualität des Produkts auswirkt, sondern auch auf seine immaterielle Dimension: Die Entscheidung, mit regionalen Herstellern zu arbeiten, spiegelt sich im Preis des Pro-

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duktes wider und bestimmt folglich auch das Marktsegment, innerhalb dessen sich ein Designer positioniert: So, ich habe ein Luxusprodukt, da heute etwas tragen zu können, das keinen ausgebeutet hat, das Menschenrechte nicht gebrochen hat, das nicht eine gewaltige Kilometeranzahl weit gefahren ist und das nicht aus schädlichen Materialien besteht, ist ein Luxus. (ID09, 00:16:54)7

Dieses Zitat zeigt deutlich, dass Designer sich völlig darüber bewusst sind, dass ethische Produktionsentscheidungen dazu beitragen, den Wert und die Positionierung ihrer Produkte in bestimmten Marktbereichen zu bestimmen, die sich von der Fast Fashion absetzen. Mit lokalen Akteuren für die Materialherstellung zu arbeiten, ist auch eine Position, die sich in der Entscheidung einiger Designer, mit Schneidern direkt in Berlin zusammenzuarbeiten, zu erkennen gibt. Diese Art der Entscheidung basiert auf der Annahme, dass dank der Aktivität örtlicher Schulen spezialisierte Schneider zur Verfügung stehen (ID06). Die Verfügbarkeit kompetenter Personen in der Stadt wird auch durch die Präsenz von Migranten, vor allem Frauen, unterstützt, die den Designern spezialisierte Dienste anbieten können (vgl. INPOLIS UCE 2010; ID04). Außerdem arbeiten einige Designer mit Einrichtungen zusammen, die soziale Projekte unterstützen, die darauf abzielen, sozial oder physisch benachteiligte Menschen in ihre Produktionsaktivitäten miteinzubeziehen (ID01, ID02). Die Entscheidung, mit lokalen Akteuren zu arbeiten, bringt daher die räumliche Dimension ins Spiel, die die immateriellen Elemente, die Wert erzeugen, markiert. Angesprochen sind hier Faktoren wie die Unterstützung der lokalen Wirtschaft, die Zahlung fairer Löhne und Gelegenheiten für benachteiligte Gruppen, die gemeinsam zur Bestimmung der immateriellen Komponente von Wert beitragen.

Ökologische Nachhaltigkeit Eine zweite Komponente der immateriellen Elemente der Wertschöpfung ist die ökologische Nachhaltigkeit. Die Notwendigkeit, nachhaltigere Modeartikel zu produzieren, hat zur Entwicklung unterschiedlicher Strategien geführt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde dieser Aspekt in Bezug auf zwei Richtungen entwickelt, die während der Interviews zur Sprache kamen: Upcycling und die Arbeit mit ökologisch nachhaltigen Herstellungsverfahren.

7 | Originalwortlaut: »Quindi io ho un prodotto di lusso, perché oggi avere una cosa addosso che non ha sfruttato nessuno, che non ha infranto diritti umani, che non ha viaggiato un numero di chilometri impressionante e non è fatta con materiali tossici o che danneggiano il mondo è un lusso.« (ID09, 00:16:54)

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Upcycling bezeichnet den Prozess, Abfallmaterial und Artikel, die keine Verwendung mehr finden, oder Nebenerzeugnisse in neue Produkte umzuwandeln. Dieses Vorgehen kann auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden, und die interviewten Designer erwähnten zwei davon. Zum einen ging es darum, dass Designer Kontakt mit Stoff- und Bekleidungsproduzenten hergestellt haben, um Zugang zu deren Abfallmaterial zu erlangen, das das Rohmaterial ihrer Kollektion werden sollte, wodurch im Grunde eine symbiotische Winwin-Situation hergestellt wurde: [J]a ja, das ist alles x-mal gewaschen und das ist eigentlich Industriemüll. Ja es ist wirklich Müll. (ID08, 00:08:44)

Zum anderen wurden andere Designer als »Material-Versorger« kontaktiert: [U]nd das ist praktisch alles, was eigentlich im Abfall landet. (…) für Rücken habe ich dann alle Streifen verwendet. Z. B. bei dem Kleid … sind keine Reste, aber das ist z. B. aus () von meiner Kollegin, das waren kleine Reste, und die machen jetzt dieses Kleid wertvoll. Das wäre irgendwie auch im Müll gelandet. (ID17, 00:10:42)

Die Wiederverwendung von Textilien, die ansonsten weggeworfen würden, reduziert daher den tatsächlichen Abfall der gesamten Industrie und verleiht den finalen Produkten dadurch einen zusätzlichen Wert, der sich aus der ökologischen Ersparnis ableitet, die somit stattfindet. Die zweite Position in Bezug auf ökologisch nachhaltige Produktion basiert auf den Prozessen der Stoff herstellung derjenigen Stoffe, die von den Designern verwendet werden, und auf der Einführung der Kategorie des Kraftstoffverbrauchs innerhalb des gedanklichen Prozesses, der den Modeartikeln zugrunde liegt. Das nächste Zitat verdeutlicht, inwiefern nachhaltige Produktion sowohl Umweltprobleme als auch die Problematik eines fairen Umgangs mit den Arbeitern berücksichtigt: Ich habe entschieden, etwas Biologisches zu tun, dass alle möglichen Kriterien der Sachen zusammenbringt, die es heutzutage in der Welt sinnvoll zu tun gibt: d. h. biologisch und mit kleine Kilometerzahl. Ich mache alles in der Toskana, auch die Stoffe. Ich bringe die Manufaktur nach Europa zurück, in Italien. Es ist zertifiziert, weiterer wesentlicher Punkt, weil sehr schnell kann Geld gespart werden und etwas ageboten werden, dass nicht … zertifizierte Produkte anbieten, bei denen keiner bestätigen kann, ob sie wirklich biologisch sind. Darüber hinaus überschreite ich in der Welt der wahren Mode, da ich schöne Sachen mache. In der Tat gibt es einen falschen Glauben, insbesondere in Deutschland, eine alte Geschichte der Eco-Mode, wie es hier genannt wird, in der es möglich ist, eine auf Verzicht basiert Eco-Mode zu machen, sehr hässlich, nachhaltig und vielleicht »made in China« oder »made in India«, mit einer biologischen Baumwolle, wo-

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Berliner Moden rüber man immer unsicher ist, ob sie wirklich biologisch ist. Ich hingegen führe die Themen der Kilometerzahl und der hohen Qualität ein, so habe ich sofort einen ansteigenden Weg genommen, da meine Kosten sehr hoch sind. Schon die Tatsache, in Italien zu arbeiten, ergibt sehr hohe Kosten, aber dies ist die einzige Sache, die Sinn macht, weil du nicht biologische Sachen machen kannst, um sie dann in einem Container zu stapeln und sie, im besten Falle, 10.000 Kilometer fahren zu lassen. (ID09, 00:08:04) 8

Es sind also nicht nur faire Arbeitsbedingungen und ökologische Stoffe, sondern auch die Komponente, wie weit die Produkte gereist sind, die dazu beitragen, immateriellen Wert herzustellen. Die räumliche Dimension kommt hinsichtlich der Wertschöpfung zum Tragen, indem die zurückgelegten Distanzen, die es braucht, um ein Produkt zu verwirklichen, sowie die (nachhaltige) Auswirkung, die das Produkt auf einem ökologischen Level hat, beachtet werden. Diese Elemente sind nicht nur Teil des Wertes der Modeartikel, sie bemühen sich um eine bewusstere Vorgehensweise der Herstellung von Mode und ihres Konsums.

8.3 K onvergente S tr ategien in der W ertschöpfung und in der P ositionierung gegenüber dem W ert Die materiellen Elemente der Wertschöpfung befassen sich mit der Qualität der verwendeten Stoffe sowie mit der Qualität des Designs und der Aufmerksamkeit fürs Detail, während immaterielle Elemente lokale Produktionseinrichtungen ins Auge fassen und faire Arbeitsbedingungen sowie ökologische Nachhaltigkeit. Die Wertschöpfung im Bereich des kleinen und mittleren Mo8 | Originalwortlaut: »[H]o deciso di fare una cosa biologica, che raduna tutti i possibili criteri di quello che ha senso fare nel mondo di oggi: cioè biologico e a bassissimo chilometraggio. Faccio tutto in Toscana, compreso il tessuto. Riporto manifattura in Europa, in Italia, è certificato, altro punto fondamentale perché si fa prestissimo a risparmiare soldi e dare una roba che non è certificata che nessuno può provare se è veramente biologica. In più sconfino nel mondo della moda vera, perché faccio roba bella. In realtà c’è una falsa credenza, soprattutto in Germania, dove c’è una vecchia storia di eco moda la chiamano qua, che si possa fare una eco moda basata sulla rinuncia, molto brutta, sostenibile e magari made in China, made in India con un cotone biologico, che in più non si sa mai se è veramente biologico. Io invece introducendo la questione chilometraggio e la questione alta qualità ho immediatamente imboccato una strada che va in salita, perché i miei costi sono altissimi, perché già il fatto di lavorare in Italia ti da dei costi altissimi, però è l’unica cosa che ha senso, perché tu non puoi fare roba biologica per poi metterla su un container e fargli fare 10.000 km quando sei fortunato se non molti di più.« (ID09, 00:08:04)

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dedesignunternehmens ist Resultat einer Kombination aus materiellen und immateriellen Elementen, und die Strategien der Positionierung gegenüber dem Wert, welchen symbolischen, kulturellen und materiellen Wert die Designer also mit ihrem Endprodukt verbinden bzw. den sie ihm zuschreiben (wollen) oder den sie erwarten, zeugen sogar zwischen Akteuren unterschiedlicher Marktsegmente von Homogenität. Sowohl materielle als auch immaterielle Elemente der Wertschöpfung spiegeln spezifische Strategien der Designer im Umgang mit unethischen und nichtnachhaltigen Praktiken der Fast-FashionBranche wider, die dadurch thematisiert werden. Diese Kombination von immateriellen und materiellen Elementen stellt eine signifi kante Überlappung mit dem Ansatz dar, den Designer der Slow Fashion hinsichtlich ihrer Produktionsmethoden verfolgen. Das Verständnis der Designer für den Prozess der Wertschöpfung impliziert nicht, dass jeder alle hier vorgestellten Elemente berücksichtigt, sondern dass stattdessen für jeden Designer die Positionierung gegenüber dem Wert aus einer Kombination von materiellen und immateriellen Elementen entsteht. Sie treten derart in einen Dialog mit einer vielschichtigen Definition von Slow Fashion (vgl. Jung / Jin 2014; Fletcher 2015; Clark 2008). Abbildung 8: Elemente der Wertschöpfung und deren Implikationen

Quelle: eigene Darstellung

Zu ergänzen ist ferner, dass das hier dargelegte Verständnis von Wertschöpfung die räumliche Dimension als zentrales Element einführt, das Designern hilft, ihre Arbeit in Abgrenzung zur Fast Fashion zu bestimmen. Der Prozess der Wertschöpfung und die Entscheidungen der Designer, die den Arbeitsprozess strukturieren, spiegeln die unterschiedlichen räumlichen Konfigurationen der Produktion wider. Diese Konfigurationen restrukturieren die materiellen und symbolischen räumlichen Bezüge des Produktes, seine Konzeption und Wahrnehmung und können als ein Versuch des Designers erklärt werden, die unethischen Arrangements der Fast-Fashion-Bekleidungsindustrie anzusprechen, indem die räumlichen Arrangements der Produktion modifiziert werden.

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Einerseits, um die materiellen Aspekte zusammenzufassen, erlaubt die Verwendung hochwertiger Stoffe nicht nur eine längere Haltbarkeit der Produkte, sondern schafft auch ein Bewusstsein für das Wie und Wo der Stoff herstellung, wodurch eine als physisch zu bezeichnende Differenz zwischen Slow und Fast Fashion betont wird. Das Bewusstsein für die Rolle, die Stoffe innerhalb der Wertschöpfung einnehmen, sorgt für eine Verbesserung und eine präzisere Definition der räumlichen Bezüge der verwendeten Stoffe und ihrer Produktion. Darüber hinaus, die zentrale Rolle von Design und eine Produktion in kleinen Mengen spricht nicht nur die Suche der Kunden nach Einzigartigkeit an, die Mode grundsätzlich inhärent ist, sondern akzentuiert auch die ortsspezifische Arbeit des Designers. Das gleiche Produkt ist nicht überall erhältlich, sondern es ist nur an einem Ort (oder wenigen Orten) erhältlich, sodass die Bedeutung der lokalen Akteure unterstrichen wird. Andererseits, den immateriellen Elementen zuzuordnen, trägt die Arbeit mit lokalen Produktionseinrichtungen oder Herstellern, die faire Arbeitsbedingungen garantieren, nicht nur dazu bei, lokale Hersteller (und grundsätzlich auch Arbeiter) zu unterstützen, sondern akzentuiert auch den Kontrast zu Fast Fashion in einer räumlichen Hinsicht. Es wird in der Nähe des Designers produziert, in absoluten oder relativen Begriffen (vgl. Copercini 2015), denn meistens ist das in derselben Region, in der unmittelbaren Nachbarschaft oder in Südeuropa. Zugleich betont die Wahl von Produktionspartnern, die faire Arbeitsbedingungen bieten, die Entscheidung, keine Länder oder Einrichtungen zu unterstützen, die Arbeitskräfte ausbeuten, wodurch während der ganzen Produktion ein symbolischer Raum der Gerechtigkeit entsteht, der sich in der Wahl für die Partner widerspiegelt. Ein weiteres immaterielles Element der Wertgenerierung besteht in der ökologischen Nachhaltigkeit, da sie die reduzierte Auswirkung der Produktion auf die Umwelt hervorhebt. Sowohl die materiellen als auch die immateriellen Elemente sind zentral, um die räumlichen Differenzen zwischen den Praktiken der Fast und der Slow Fashion zu betonen und auch für die Positionierung von Wert. Auch wenn dies auf Grundlage unterschiedlicher Strategien geschieht, ist dies doch ein Vorgehen, dass Designern gemein ist. Der Wertschöpfungsprozess weist sogar zwischen Akteuren unterschiedlicher Marktsegmente eine Homogenität auf. Nicht jeder Wertschöpfungsprozess beinhaltet alle hier präsentierten Elemente, aber für jeden Designer resultiert Wert, und seine Positionierung, aus einer Kombination von materiellen und immateriellen Elementen. Sich gegen Fast Fashion zu positionieren zeigt eine klare räumliche Komponente. Während unethische und nichtnachhaltige Vorgehensweisen mit globalen Netzwerken verbunden sind (vgl. Dicken 2011), werden regionale und lokale Strukturen von Designern als Schlüsselelemente aufgefasst, um Ungerechtigkeit in der Modebranche, speziell der Herstellung, aufzuzeigen und den Wertschöpfungsprozess stattdessen anders zu strukturieren. Dies führt zu einer

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Perspektive hinsichtlich der Konzeptualisierung von Wertschöpfungsprozessen des Modedesigns und der Positionierung von Wert, vor allem in Bezug auf die Bewegung der Slow Fashion, dass das Wertverständnis der Designer in den Blick nimmt. Slow-Fashion-Wertschöpfung kann daher als etwas berücksichtigt werden, dass von Designern verinnerlicht wurde, und nicht nur als ein Rezept, dem es zu folgen gilt.

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TEIL IV: Schlussfolgerungen

In der vorliegenden Arbeit wurde das Modedesign als eine kreative Branche betrachtet. Unter dieser Voraussetzung ist es möglich, ein breiteres Spektrum an Akteurstypen und Beziehungsformen zu thematisieren, als dies in ökonomischen Branchenanalysen allgemein üblich ist. Mithilfe der gewählten akteurszentrierten Perspektive wurde der Begriff des Produktionsnetzwerks eingeführt, um Produktionsstrukturen innerhalb von konkreten professionellen, sozialen und räumlichen Kontexten analysieren zu können. Die zur Beschreibung von Produktionsnetzwerken verwendeten Kategorien (Positionierung, Sozialkapital, Einbettung) erlaubten es nicht nur, zentrale ökonomische und soziale Interaktionsdynamiken näher zu beleuchten, sondern auch, relevante Raumkonstrukte trennscharf zu erfassen. Entgegen der Vorstellung, dass es ein verbindliches Modell der Raumkonstrukte für diese Branche geben müsse, lieferte die empirische Fallstudie eine wesentlich differenziertere Perspektive auf situative Prozesse der Raumkonstruktion. Daher erlaubte es die analytische Fokussierung auf die Ego-zentrierten Netzwerke der Designer, ausgehend von der Rekonstruktion der Produktionsstrukturen und der relevanten Handlungsformen jeweils auch die zugehörigen Raumbezüge zu erkunden. Damit sind die Strukturen des Produktionsnetzwerks nicht als dekontextualisierte Elemente bedacht worden. Vielmehr wurde davon ausgegangen, dass sie in einen relationalen Raum integriert sind, der aus Akteuren besteht, die flexibel auf verschiedenen Maßstabsebenen handeln können. Interaktionen von Designern mit anderen Designern und kreativen Akteuren finden hauptsächlich auf der urbanen Ebene statt; dieser Kontext wird hier als kreatives Feld bezeichnet. Als wesentliches Ergebnis dieser Arbeit ist die differenzierte Einsicht in die Vielfalt der Genese und Ausdifferenzierung der Produktionsnetzwerke zu nennen. Insbesondere können drei Elemente identifiziert werden, die die jeweiligen Variationen der Strukturen und Handlungen generieren: die Beharrungstendenz bereits existierender Produktionsstrukturen, die flexiblen Handungen der involvierten Akteure und die unterschiedlichen Arten von beteiligten Beziehungen.

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Das Produktionsnetzwerk der Berliner Modedesigner weist unterschiedliche Strukturen auf, die von sehr einfachen bis hin zu sehr komplexen Organisationsformen mit vielen Phasen und einer großen Anzahl beteiligter Akteure variieren können. Die Struktur der Produktionsnetzwerke wird hauptsächlich von einzelnen Positionierungen beeinflusst, die recht unterschiedlich ausfallen können, je nachdem, ob die Designer ihre Produktion eher auf lokaler oder internationaler Ebene sowie mit mehr oder weniger Phasen strukturieren. Außerdem hängen Positionierungen davon ab, auf welche Weise und auf welcher Grundlage Entscheidungen für einzelne Produkte zustande kommen. Schließlich sind auch die Beschaffenheit, die räumlichen Ausmaße und Entwicklungsdynamiken von Märkten relevant. Heterogene Produktionsstrukturen können sich auf unterschiedlichen Maßstabsebenen entfalten, d. h., dass auf der einen Seite des Möglichkeitsspektrums alle Produktionsphasen auf der lokalen Ebene stattfinden und auf der anderen Seite die lokale Ebene nur selektiv ins Spiel kommt. Beispielsweise werden in Berlin nur diejenigen Tätigkeiten ausgeführt, die unmittelbar mit dem Design zusammenhängen, während alle anderen Phasen auf der regionalen oder auch globalen Ebene stattfinden. Aus der empirischen Analyse ist herauszulesen, dass Produktionsstrukturen mit wenigen Phasen auf der lokalen urbanen Ebene dazu tendieren, räumliche Akteurskonzentrationen hervorzubringen, während Produktionsstrukturen mit mehreren Phasen mehr Variationen in der räumlichen Anordnung der verschiedenen Phasen zeigen. Genauso wie die einzelnen Produktionsphasen wurden auch die Produktionsstrukturen insgesamt differenziert nach der Anzahl der beteiligten Akteure berücksichtigt. Tendenziell sind an den Produktionsstrukturen mit mehreren Phasen auch mehr Akteure beteiligt. Umgekehrt sind die Strukturen mit wenigen Produktionsphasen auch von einer geringeren Zahl von Akteuren gekennzeichnet, da in diesem Fall die meisten Phasen innerhalb des jeweiligen Modelabels realisiert werden. Ähnlich wie die Anzahl der Produktionsphasen ist auch die Anzahl der in der Produktion involvierten Akteure hauptsächlich von der Positionierung und den unternehmerischen Aktivitäten der Designer beeinflusst, da z. B. die binäre Entscheidung, Einzelstücke für den eigenen Laden herzustellen oder eine Kollektion anzubieten, die von Einkäufern für den Verkauf in verschiedenen Läden erworben wird, einen Einfluss auf beide Variablen (Anzahl der Phasen und Akteure der Produktion) hat. Diese ersten beiden Elemente (verschiedene Produktionsstrukturen und Anzahl der im Produktionsprozess involvierten Akteure) zeigen, dass die Struktur des Produktionsnetzwerks hauptsächlich von den Entscheidungen in der Positionierung beeinflusst wird, insbesondere bezüglich des Produktes und der räumlichen Organisation. Die Vielfalt der Produktionsstrukturen ist auch in der Art der Beziehungen zu erkennen, die eine Rolle für die Produktion spielen. Für die Designer wur-

Teil IV: Schlussfolgerungen

den zwei grundlegende Beziehungsarten identifiziert: Beziehungen zu anderen professionellen Akteuren und Beziehungen zum kreativen Feld der Stadt. Bezüglich der Beziehungen zu professionellen Akteuren wurde anhand der Empirie erkannt, dass die Anzahl sowohl der Produktionsphasen als auch der Akteure innerhalb der Produktionsnetzwerke nicht nur von ökonomischen Beziehungen abhängig ist, sondern auch von weiter gefassten sozialen Beziehungen. Die Bedeutung von Sozialkapital für die Entstehung von Produktionsnetzwerken reicht in jedem Fall über den Bereich instrumenteller ökonomischer Beziehungen hinaus. Das Sozialkapital tritt in den Produktionsnetzwerken mit unterschiedlicher Nutzungsintensität in Erscheinung. Während einige Designer die Organisation ihrer Produktion in hohem Maße darauf stützen, kommen andere fast völlig ohne soziale Ressourcen in ihrer Umgebung aus. Die Präsenz sozialer Beziehungen im Produktionsnetzwerk ist in den Fällen offensichtlicher, in denen die Designer entweder mit anderen, heterogenen Akteuren auf der lokalen Ebene zusammenarbeiten oder nur wenige Produktionsphasen und ökonomische Beziehungen zu koordinieren haben. Im Allgemeinen gilt für die Berliner Modedesigner, dass sich die sozialen Beziehungen auf die Phasen der Kooperation und Vermarktung konzentrieren. Soziale Beziehungen finden hauptsächlich auf der lokalen Ebene statt, da sie von der räumlichen Nähe der Akteure begünstigt werden. Sie dienen der Etablierung von Kooperationen, der fokussierten Realisierung von Produkten (wie z. B. dem Lookbook) und Dienstleistungen (wie etwa den Präsentationen während der Fashion Week). Häufig finden sie in Form des Austauschs von Gefälligkeiten zwischen Akteuren und derselben sozialen oder professionellen Gruppe statt, ohne mit monetärem Tausch verknüpft zu sein. Dies ist dank der Kopräsenz vieler kreativer Akteure und der leichten Zugänglichkeit dynamischer lokaler Netzwerke möglich. In sozialen und professionellen Netzwerken zirkulieren problemlos aktuelle Informationen über die Branche unter anderem auch über die Reputation der einzelnen Akteure. Diese Dichte der Informationen ist ohne die physische Kopräsenz der Akteure nur schwer zu realisieren. Obwohl die ökonomischen Netzwerke sowohl lokal konzentriert als auch global fließend organisiert sind, bündeln sich die sozialen Beziehungen innerhalb der einzelnen Produktionsnetzwerke daher hauptsächlich auf der lokalen Ebene. Die letzte Kategorie des Produktionsnetzwerks, (sowohl professionelle als auch territoriale) Einbettung, weist sowohl Unterschiede zwischen den Designern als auch Veränderungen für einzelne Designer im zeitlichen Verlauf auf. Designer mit relativ weniger unternehmerischer Erfahrung bauen ihr Produktionsnetzwerk hauptsächlich auf ihrem sozialen Netzwerk auf und stellen ihre Beziehungen im Produktionsnetzwerk und im kreativen Feld erst mit der Zeit und zunehmnder Erfahrung verstärkt auf eine professionelle Einbettung um.

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Die zweite Beziehungsart der Designer und ihrer Produktionsnetzwerke ist diejenige mit dem kreativen Feld der Stadt. Die Stadt bietet einer Vielzahl von Akteuren künstlerische und kulturelle Anreize, die kreative Prozesse stimulieren. Viele Akteure können aufgrund des großen Angebots an offenen Kommunikationsgelegenheiten laufend in diese Prozesse integriert werden. Anders als zu Beginn des letzten Jahrhunderts finden in Berlin aber nicht alle Stufen des Produktionsprozesses statt, ihre Organisation und räumliche Verteilung ist vielfältiger. Dies kann mit der Kontextorientierung der Handlungsformen und unternehmerischen Strategien erklärt werden. Die Produktionsnetzwerke, hauptsächlich diejenigen auf der lokalen Ebene, übernehmen mit ihren sozialen und ökonomischen Beziehungen und den besonderen Fähigkeiten der Akteure eine wichtige Versorgungsfunktion für das kreative Feld der Stadt. Fruchtbare Beziehungen mit dem kreativen Feld lassen sich gut mithilfe der Kategorie Einbettung beschreiben. Die Fallstudie hat drei »eingebettete« Beziehungsvarianten zutage gefördert: 1. Mit der Integration des Produktionsnetzwerks anhand von ökonomischen Beziehungen schaffen die Designer ein mehr oder weniger großes Netzwerk lokaler Partner. 2. Mit engen Verbindungen zum kreativen Feld, die durch alltägliche soziale Beziehungen entstehen, erhalten die Designer Wertschätzung, Ratschläge und ideelle Unterstützung. 3. Darüber hinaus bestehen Beziehungen der Designer zur Stadt auf einer persönlichen, emotionalen bzw. identifikatorischen Ebene. Selbstverständlich können diese drei Varianten einander überlappen und miteinander wechselnde Verbindungen eingehen. Sie stellen lockere raumzeitliche Fixierungen her, die ein hohes Maß an Kontingenz und sozialer Eigendynamik aufweisen. Sie entziehen sich monokausalen Erklärungen, z. B. anhand der generellen Annahme, dass räumliche Nähe und damit einhergehende Kooperationsgelegenheiten das tatsächliche Kooperationsgeschehen entscheidend beeinflussen. Faktisch kann ein derartiger Zusammenhang nicht nachgewiesen werden; er muss daher je nach Marktsituation, Branchenstruktur und vorherschender Handlungsrichtung der Akteure immer wieder erneut empirisch rekonstruiert werden. Die vorlegende Fallstudie hat dieses analytische Dilemma bestätigen können: Obwohl sich die Designer in Berlin konzentrieren, kooperieren sie in der Produktion selten miteinander. Dies hat ökonomische, aber auch soziale Gründe: Ein Designer arbeitet hauptsächlich für sein Label und kommt darüber hinaus in den einzelnen Phasen der Produktion kaum in Kontakt mit anderen Designern, während andere Akteure (z. B. Betreiber von Manufakturen) in Berlin unterrepräsentiert sind. Soweit die Organisation der Produktion tatsächlich einmal durch raumbezogene Strategien beeinflusst werden

Teil IV: Schlussfolgerungen

sollte, wird dies immer wieder nur über die Spezifik des Einzelfalls und seine Eigenlogik verständlich. Darüber hinaus wird nicht nur die Produktionsstruktur von den konkreten Beziehungen der Akteure zur Stadt beeinflusst, sondern auch der konkrete Arbeitsablauf. So bringen die Designer Inspirationen in den Entwurf und die Ausführung von Designprozeduren ein, die ungeplant und kontingent aus Kontakten mit der städtischen Umgebung entstanden sind. Die beteiligten Umgebungsbestandteile können materieller Natur sein, z. B. eine bestimmte Gebäudearchitektur, verfügbare Atelierflächen oder andere materielle Artefakte; sie können aber auch sozialer Art (Aktivitäten anderer Künstler) oder gänzlich immateriell sein, so wie etwa ein multikulturelles Ambiente oder Gefühle und Ideen, die aus der Interaktion mit anderen Kreativen entstanden sind oder aus Kontakten mit urbanen Szenen und Milieus. Für die Genese und schließliche Verwendung derartiger Inspirationen konnten im Rahmen dieser Untersuchung jedoch keine empirischen Regelhaftigkeiten identifiziert werden. Obwohl die Produktionsstrukturen und Handlungsformen große Unterschiede aufweisen, sind Anlässe, Verlauf und Struktur der Wertschöpfung, die von den Designern organisiert werden, erstaunlich homogen. Wertschöpfung findet einerseits materiell im Zusammenhang mit der Herstellung stofflicher Produkte statt, z. B. anhand der Qualität der Textilien und ihrer Verarbeitung. Dabei werden z. B. Nachweise der ökologisch einwandfreien oder recycelten Herkunft der Materialien nicht nur ideell hoch bewertet, sondern schlagen sich auch in hohen erzielbaren Preisen nieder. Andererseits erfolgt eine umfangreiche immaterielle Wertschöpfung anhand symbolischer Kodierungen, ethischer Prinzipien und der Reputationsbildung der Designer und ihrer Label. So basiert immaterielle Wertschöpfung z. B. auf der Entscheidung, ausschließlich lokal zu produzieren oder nur mit Manufakturen zusammenzuarbeiten, die faire Arbeitsbedingungen bieten. Dieser Doppelcharakter der Erzeugung von Wert – materiell oder immateriell – lässt sich für alle Varianten der Produktionsnetzwerke nachweisen. Die Positionierung des Wertes, sowohl durch materielle als auch immaterielle Elemente, spiegelt spezifische Strategien der Designer wider, um unethische und nichtnachhaltige Praktiken in der Bekleidungsindustrie und insbesondere in der Fast-Fashion-Branche zu adressieren. Die akteurszentrierte Perspektive, die in dem hier angewandten Untersuchungsansatz eingeführt wurde, hat es erlaubt, Ego-zentrierte Netzwerke systematisch als treibende Kräfte der Organisation von Produktionsnetzwerken zu beschreiben. Ihre variable Verbindung zum gesamten kreativen Feld sorgt für anlass- und handlungszielabhängige Ausgestaltungsformen unterschiedlicher ökonomischer und sozialer Beziehungen sowie der Allokation materieller Elemente der Produktion. Sie lässt bisherige Annahmen zur Relevanz einzelner dominanter Raumbezüge zugunsten der temporären Raumkonstrukte variabler und vielfältiger Netzwerkkonfigurationen in den Hintergrund treten.

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»Raum« erscheint hier in Form von eigenwilligen Konnotationen und spontanen sozialen Konstrukten. An eine systematische Raumproduktion durch Designer ist nicht einmal ansatzweise zu denken. Die Berliner Modedesigner handeln auf verschiedene unternehmerische Art und Weise in der Produktion, was hauptsächlich in der Struktur des Produktionsnetzwerks und in den involvierten Beziehungen identifiziert werden kann. Daher wurde eine Typologie entwickelt, die die Vielfältigkeit in den Beziehungen im Produktionsnetzwerk und kreativen Feld darstellt und die aus der Kombination zweier Variablen resultiert. Die erste Variable ist der Komplexitätsgrad der Beziehungen im Produktionsnetzwerk. Hiermit ist die Frage gemeint, ob die Designer die verschiedenen Produktionsphasen intern im Label bearbeiten oder ob weitere Akteure in die Produktion involviert werden. Die zweite Variable ist der Interaktionsgrad der Designer und ihres Produktionsnetzwerks mit dem kreativen Feld der Stadt. Dies resultiert aus der Frage, welche Beziehungen mit sozialen, branchenspezifischen, materiellen und symbolischen Elementen Berlins bestehen, die eine Rolle im Produktionsnetzwerk und bei Standortentscheidungen spielen. Die Entwicklung dieser Typologie zeigt deutlich, dass die Berliner Modedesignbranche als Verflechtung von Akteuren zu verstehen ist, die verschiedene Produktionsstrukturen aufweisen und verschiedene Einflüsse auf die Stadt und das lokale kreative Feld sowie das internationale Netzwerk der Mode haben. Das bedeutet, dass die Akteursballung in Berlin nicht als Vereinheitlichung der Strukturen und der Einbettung der Produktionsnetzwerke in das kreative Feld verstanden werden kann. Darüber hinaus haben die verschiedenen Strukturen, die in den Typologien gezeigt wurden, verschiedene Einflüsse und Beziehungen zum kreativen Feld sowie auf die Wirtschaftsentwicklung der Stadt. Nur mit der Pluralität der Interaktionsformen und ihre Integration in einem relationalen Raum können die Handlungspraktiken der Modedesignbranche und die gegenseitigen Einflüsse auf den urbanen Wirtschaftskontext verstanden werden. Die Rekonstruktion der verschiedenen Formen und Phasen des Produktionsnetzwerks und die vorgeschlagene Typologie verweisen auf bedeutende Elemente, die beispielhafte Strategien, Akteure, Beziehungs- und Handlungsformen unter den Modedesignern hervorheben. Zusammenfassend bestehen die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit erstens in der Erkenntnis der grundsätzlichen Vielfalt der emergenten Organisationsformen, in denen sich jeweils die unterschiedlichen Handlungs- und Strategieformen der Designer widerspiegeln, und zweitens in dem gewonnenen Wissen, dass das kreative Feld und die lokale urbane Ebene in wenig vorhersagbarer und ziemlich unterschiedlicher Weise in das Produktionsnetzwerk der Desig-

Teil IV: Schlussfolgerungen

ner einbezogen sind. Mit dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, der Komplexität und der Heterogenität der Ebenen, die in der Produktionsstruktur des Modedesigns zu beobachten sind, gerecht zu werden. Daher wurden die relevanteren Produktionsstrukturen und Beziehungsarten im Detail aus der Ego-Perspektive der Akteure rekonstruiert. Dazu wurde ein theoretisches Instrumentarium zusammengestellt, das in einigen zentralen Punkten in der Lage ist, Komplexität mit bestimmten Einschränkungen nachvollziehbar werden zu lassen. Diese Einschränkungen zeigen sich z. B. in nur schwer gelingenden Verallgemeinerungen. Noch heikler sind Systematisierungsversuche, so wie sie zum Schluss der Analyse mit der Typologie der vorgefundenen Konfigurationen der lokalen Modebranche unternommen wurden. Diese müssen im Gegensatz zur explizierenden Interpretation empirischen Materials immer bruchstückhaft bleiben, da sie der Komplexität und Entwicklungsdynamik einer derartigen Branche nur in begrenztem Umfang gerecht werden können. Dennoch führt an der aufmerksamen Einzelfallanalyse derzeit kein Weg vorbei. Weitere, in die Tiefe gehende Untersuchungen, die ähnlich gelagert sind, aber auch kontrastierende Fälle miteinander vergleichen, werden erforderlich sein, um unser Verständnis kreativwirtschaftlicher Produktionsformen zu erweitern und die wirtschaftsgeografische Theoriebildung für ihre Eigenheiten zu sensibilisieren.

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Transkriptionssonderzeichen

Tr anskrip tionssonderzeichen () (…)

Aus der Audioaufnahme ist nicht klar erkennbar, was gesagt wurde. Nichtrelevante Teile (wie z. B. Füllwörter, Lärme oder sinnlose Ausdrücke) werden übersprungen. (Wort) In der Audioaufnahme sind diese Worte nicht sehr deutlich. Die eckigen Klammern markieren eine Bemerkung des Interviewers. [ ] … Das Zeichen zeigt einen nicht vollendeten Satz an, z. B. wenn eine Anspielung gemacht wird.

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D anksagung Dieses Buch ist nicht nur das Ergebnis der Arbeit an meiner Dissertation, sondern auch Ergebnis der vergangenen Jahre, in denen ich das vollständige Spektrum an Emotionen durchlebt habe, und die mich durch die kontinuierliche Arbeit verändert (hoffentlich verbessert) haben. Das gilt sowohl für mich als Forscher als auch als Mensch. Der Weg, der durch die Forschung und das Schreiben zu diesem Buch geführt hat, war kein einsamer Weg – durfte es auch nicht sein –, sondern fand im regen Austausch mit vielen inspirierenden Menschen statt, und deswegen sind einige Dankesworte von ganzem Herzen nötig. Vor allem möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Hans-Joachim Bürkner für die Zeit und die Geduld bedanken, die er mir gewidmet hat. Er hat mich immerzu motiviert und während aller Phasen meines Weges mit wertvollen Ratschlägen begleitet. Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Mirella Loda für ihre Hilfsbereitschaft, ihr Interesse an meinem Projekt und an meinem akademischen Werdegang. Ein weiterer Dank geht an Prof. Dr. Dino Gavinelli, der mich durch seine Lehre mit der Humangeographie vertraut gemacht und von Anfang an meine Neugierde und Faszination für diese mir bis dato unbekannte Disziplin geweckt hat. Dank sei Dr. Bastian Lange und Dr. Janet Merkel, weil sie die ersten Personen waren, mit denen ich meine Ideen diskutiert habe, bevor sie dann unmittelbar in diese Arbeit eingeflossen sind, und ich danke ihnen für ihre wichtigen Ratschläge. Prof. Dr. Malte Steinbrink danke ich für seine Hilfsbereitschaft und die vielen Gespräche, genauso wie für die ersten und konstruktiven Diskussionen in Golm über die Netzwerkforschung. Ich danke den GSZ- und GSG-TeilnehmerInnen, insbesondre Dr. Heike Oevermann, Ronny Denkers, Dr. Luis Peña und Dr. Carola Fricke für die gemütlichen Abende, die wir mit der Diskussion von Ideen und Projekten verbracht haben. Danke all denjenigen, die meine Interviewanfrage für dieses Projekt akzeptiert haben, ohne Eure Hilfe wäre es nicht möglich gewesen. Bei Laura Gemsemer und Jan Wenke möchte ich mich für die Korrekturen der formellen und sprachlichen Aspekte in den letzten redaktionellen Phasen bedanken. Meiner Frau Marta danke ich von ganzem Herzen dafür, immer verständnisvoll für mich da gewesen zu sein und mich immer verständig und klug unterstützt zu haben – jedes Mal mit den Worten, die ich brauchte. Nennen möchte ich außerdem meine Freunde aus der Bibliothek der Altorientalistik und der Vorderasiatischen Archäologie, mit denen ich einen großen Teil dieses Weges gemeinsam gegangen bin, ihnen danke ich für die zahlrei-

Danksagung

chen Diskussionen während der verschiedenen und nicht selten emotionalen Phasen der Jahre der Promotion, die gezeigt haben, dass wir auch als jeweils Fachfremde alle mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Ich danke meiner Familie dafür, meine Entscheidungen stets unterstützt zu haben. Ich bin stolz und dankbar, die Gelegenheit gehabt zu haben, eine solche Arbeit beginnen zu dürfen, sie bis zum Ende gebracht zu haben, Personen getroffen und Erfahrungen gemacht zu haben, die mich bereichert und verändert und zu der Person gemacht haben, die ich heute bin.

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Geographie kollektiv orangotango+ (ed.)

This Is Not an Atlas A Global Collection of Counter-Cartographies 2018, 352 p., hardcover, col. ill. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4519-4 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, ISBN 978-3-8394-4519-8

Ian Klinke

Bunkerrepublik Deutschland Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs Januar 2019, 256 S., kart., Klebebindung, 21 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4454-8 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4454-2 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4454-8

Severin Halder

Gemeinsam die Hände dreckig machen Aktionsforschungen im aktivistischen Kontext urbaner Gärten und kollektiver Kartierungen 2018, 468 S., kart., Klebebindung 24,99 € (DE), 978-3-8376-4547-7

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Geographie Christoph Baumann

Idyllische Ländlichkeit Eine Kulturgeographie der Landlust 2018, 268 S., kart., Klebebindung, 12 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4333-6 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4333-0

Christine Scherzinger

Berlin – Visionen einer zukünftigen Urbanität Über Kunst, Kreativität und alternative Stadtgestaltung 2017, 350 S., kart., Klebebindung, 41 SW-Abbildungen 34,99 € (DE), 978-3-8376-3717-5 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3717-9

Raphael Schwegmann

Macht-(W)Orte Kulturelle Geographien des Rechts und der Ökonomie am Beispiel südasiatischer Migrationsgeschichten 2018, 312 S., kart., Klebebindung, 13 SW-Abbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-4136-3 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4136-7

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