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German Pages 254 [258] Year 2015
Petra Schulte / Peter Hesse (Hg.)
Reichtum im späten Mittelalter Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz
Geschichte Franz Steiner Verlag
VSWG – Beihefte 232
Petra Schulte / Peter Hesse (Hg.) Reichtum im späten Mittelalter
vierteljahrschrift für sozialund wirtschaftsgeschichte – beihefte Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet
band 232
Petra Schulte / Peter Hesse (Hg.)
Reichtum im späten Mittelalter Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung
Umschlagabbildung: Der Renner, Hugo von Trimberg, Kopie von 1425–1431 Cod. Pal. germ. 471, fol. 016r © Universitätsbibliothek Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10943-7 (Print) ISBN 978-3-515-10945-1 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort.................................................................................................................... 7 Petra Schulte (Trier) Reichtum als Gegenstand historischer Forschung. Einleitende Überlegungen ................................................................................ 9 Janet Coleman (London) Attitudes to property ownership and wealth amongst 14th-century Franciscans and Dominicans .......................................................................... 27 Roberto Lambertini (Macerata) Wealth and Money according to Giles of Rome ............................................ 39 Giacomo Todeschini (Triest) Wealth, value of work and civic identity in the medieval theological discourse (XII–XIV C.) ............................................................... 55 Peter Hesse (Köln) Belehrung für jedermann: Reichtum in zwei Predigten des Johannes Geiler von Kaysersberg ............................................................ 69 Markus A. Denzel (Leipzig/Bozen) Das Problem des Wuchers im bargeldlosen Verkehr des späten Mittelalters – Theorie und Wirklichkeit........................................ 95 Julius Kirshner (Chicago) Authority, Reason and Conscience in Gregory of Rimini’s Questio prestitorum communis Venetiarum ................................................. 115 Bernd Fuhrmann (Öhringen) Sozialer Aufstieg in der städtischen Chronistik und Wahrnehmung vornehmlich des 15. und 16. Jahrhunderts ................................................... 145 Mechthild Isenmann (Leipzig) Vom Nutzen und Schaden des Reichtums. Junge Nachfolger in oberdeutschen Familiengesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts ...... 167
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Inhaltsverzeichnis
Kurt Weissen (Heidelberg) Die verarmten Reichen in der florentinischen Gesellschaft des 14. und 15. Jahrhunderts ........................................................................ 189 Hans-Jörg Gilomen (Zürich) Der Reichtum der Kirche und die Auseinandersetzungen um ihren Beitrag zum Gemeinwohl. Das Beispiel eidgenössischer Städte im Spätmittelalter .............................................................................. 203 Peter Schreiner (Köln/München) Reichtum und Armut in Byzanz: Realität und soziale Diskussion............... 239
VORWORT „Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ lautet der Titel des 2010 in der deutschen Übersetzung erschienenen Buchs, in dem die Briten Richard Wilkinson und Kate Pickett die These vertreten, dass Ungleichheit, eine große Kluft zwischen Arm und Reich, Gesellschaften krank mache. Die Untersuchung sei stellvertretend für eine Vielzahl an Publikationen aus den Bereichen etwa der Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, der Philosophie und der Psychologie genannt, die in den letzten Jahren zum weiteren Themenfeld der sozialen Gerechtigkeit veröffentlicht wurden. In ihnen wird das Verhältnis von Privatinteressen und Gemeinwohl, von wirtschaftlichem Wachstum und Frieden sowie von ökonomischem und sozial verantwortlichem Handeln neu diskutiert. Im Zentrum stehen die Fragen, wie Fairness in Bezug auf den Erwerb von Wohlstand garantiert werden kann, welche Folgen das Auseinanderdriften von Arm und Reich hat und inwiefern ein privat erwirtschaftetes Vermögen Verpflichtungen gegenüber Staat und Gesellschaft impliziert. Als wir 2009 mit der Planung der Tagung „Reichtum im späten Mittelalter. Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz“ begannen, interessierte uns die historische Fundierung der aktuellen Debatten. Mit dieser Idee sind wir von Anfang an auf Zuspruch und große Unterstützung gestoßen. So hat die Fritz Thyssen Stiftung unser Vorhaben großzügig finanziert. Das Deutsche Studienzentrum in Venedig öffnete uns vom 7. bis zum 9. April 2010 die Tore des „Palazzo Barbarigo della Terrazza“ und stellte uns dessen Räume zur Verfügung. Der damalige Direktor, Herr Professor Dr. Uwe Israel (Dresden), war gemeinsam mit Frau Petra Schaefer und Frau Francesca Rottigni ein Ansprechpartner in allen organisatorischen Fragen. Neben den Autorinnen und Autoren des Sammelbandes haben auch Frau Dr. Gabriele Annas (Frankfurt/M.), Frau Professorin Dr. Susanne Lepsius (München) und Herr Professor Dr. Ulrich Meier (Bielefeld) vorgetragen. Als Moderatoren der einzelnen Sektionen konnten wir Herrn Professor Dr. Albrecht Cordes (Frankfurt/M.), Herrn Professor em. Dr. Gerhard Dilcher (Frankfurt/M.), Herrn Professor em. Dr. Eberhard Isenmann (Köln) und Herrn Professor Dr. Uwe Israel gewinnen. Allen möchten wir herzlich danken! Während der Konferenz herrschte eine sehr offene, anregende Gesprächsatmosphäre. Dass hier durchaus auch klar Position bezogen wurde, wird in dem vorliegenden Sammelband deutlich. Seine Herausgabe hat sich – bedingt durch die berufliche Phase, in der wir uns befanden – hingezogen. Den Autorinnen und Autoren danken wir für ihr Verständnis und ihre Geduld, Frau Katharina Kaiser, Herrn Christian Portleroi und Herrn Johann-Christoph Glöckner, die im WS 2011/12 am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als studentische Hilfskräfte tätig waren, für ihre Hilfe bei den redaktionellen Arbeiten. Wir freuen uns sehr, dass das Buch als Beiheft der Vierteljahrschrift für
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Vorwort
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erscheint, wofür wir den Herausgebern herzlich danken. Herrn Professor Dr. Eberhard Isenmann, der als Lehrer und Kollege mit seinen Forschungen die Tagung maßgeblich beeinflusst hat, sei das Buch gewidmet. Wir betrachten es als Privileg, mit ihm zu arbeiten und von ihm zu lernen. Petra Schulte, Peter Hesse Köln, im April 2014
REICHTUM ALS GEGENSTAND HISTORISCHER FORSCHUNG Einleitende Überlegungen Petra Schulte (Trier) I. In den Derivationes, einem etymologischen Wörterbuch, das der Theologe, Kanonist und Grammatiker Huguccio von Pisa († 1210) in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts verfasste,1 leitete dieser dives (reich) von dito (ich bereichere mich) ab und setzte das Adjektiv – unabhängig, ob von dem materiellen Vermögen Gebrauch gemacht werde oder nicht – mit pecuniosus (wohlhabend, über viel Geld verfügend) und locuples fundis, quasi locis, plenus (begütert, reich an Grund und Boden) gleich. Der fortunatus, der vom Schicksal Begünstigte, habe den Reichtum schnell erworden, der beatus, der Glückhafte, unter Wahrung der Sitten und der Ehre. Glücklich (felix) sei derjenige, der über Reichtum verfüge und diesen verwende. Priscian sage daher, dass sich dives auf das Äußere, die Quantität der zufälligen, veränderlichen Dinge, felix indes auf die Qualität beziehe. Ferner finde sich dives im Zusammenhang mit potentia (Vermögen/Kraft) und bedeute virtutibus potens (durch die Tugenden mächtig) und insofern deo proximus (nahe zu Gott). Die Steigerung des Adjektivs „reich“ sei nicht üblich, auch wenn einzelne Autoren, wie etwa Ovid, sie verwendeten.2 Der in den Derivationes gewählte Bedeutungshorizont von dives spiegelt eine insgesamt positive Haltung gegenüber dem Reichtum wider. Huguccio von Pisa reihte sich somit nicht in die kritischen Stimmen ein, die den materiellen Überfluss an die avaritia, die Habgier und den Geiz, banden.3 Vielmehr differenzierte er zwi1
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Enzo Cecchini u. a. (Hg.): Uguccione da Pisa: Derivationes (Edizione nazionale dei testi mediolatini 11, ser. I,6). Firenze 2004. Zum Autor, den Derivationes und deren Aussagewert für die Geschichtswissenschaft siehe Wolfgang P. Müller: Huguccio. The Life, Works, and Thought of a Twelfth-Century Jurist (Studies in Medieval and Early Modern Canon Law 3). Washington, D.C. 1994; Benoît Grevin: Über die Verwendung mittellateinischer Lexika in der mittelaterlichen Geschichte, in: . Uguccione da Pisa: Derivationes (wie Anm. 1), S. 337, D 75 [1]: Dito –as –avi –are, ditem facere. Inde hic et hec dives –tis, idest pecuniosus, sive utatur sive non: locuples fundis, quasi locis, plenus; fortunatus subito factus, beatus honestis moribus et honore usus; felix qui habet et utitur; unde Priscianus dicit quod dives pertinet ad quantitatem extrinsecus accidentium, sed felix ad qualitatem. [2] Item sepe invenitur dives potentia et virtutibus potens, quasi deo proximus, sed ethimologia est, non derivatio vel compositio. Dives comparatur –tior –simus, qui comparativus et superlativus in usu non sunt, quamvis in auctoribus inveniantur, unde Ovidius. Siehe unten Anm. 51, 72–74 und 76.
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schen dem zufälligen und dem auf einem tugendhaften Handeln basierenden Glück bei der Generierung von Reichtum und dem Glücklichsein, das aus dessen – im christlichen Sinne – richtiger Nutzung resultiere, und verwies implizit auf die herausgehobene Stellung, die der gute Reiche in der Gesellschaft und gegenüber Gott einnehme. Dass dives in das Wörterbuch aufgenommen wurde, ist sicherlich kein Zufall. Huguccio von Pisa lebte und arbeitete in einer Zeit umgreifender kommerzieller und gesellschaftlicher Veränderungen, deren Beginn sich an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert erstmals fassen lässt und die im 15. Jahrhundert noch nicht abgeschlossen waren.4 Die Menschen machten die Erfahrung, dass Reichtum nicht mehr allein dem grundbesitzenden Adel vorbehalten war, der die hohe Geburt, die Tugend und die Herrschaft über Land und Leute als gottgegeben für sich in Anspruch nahm. Ein materielles Vermögen konnte nun auch von Nichtadligen durch Handel, Bankgeschäfte und erfolgreiche Investitionen innerhalb nur einer Generation aufgebaut werden, was in Europa zu einem wachsenden politischen Selbstbewusstsein der kaufmännisch Tätigen und in den Städten zur Herausbildung einer bürgerlichen Selbstverwaltung führte. Im Zuge dieser Entwicklung, die mit einem wachsenden Schriftgebrauch im Alltag und einer Zunahme an Bildung einherging, standen Fragen der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung und das ihnen stets inhärente Problem der sozialen Ungleichheit neu zur Debatte.5 Es mag den Interessen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts geschuldet sein,6 dass sich in seiner Untersuchung der Blick der mediävistischen Forschung nicht mehr in erster Linie auf die Armut,7 sondern verstärkt auch auf den 4 5
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Mit weiteren Literaturhinweisen Mechthild Isenmann: Vom Nutzen und Schaden des Reichtums. Junge Nachfolger in oberdeutschen Familiengesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, in diesem Band, Anm. 7. Egon Boshof: Europa im 12. Jahrhundert. Auf dem Weg in die Moderne. Stuttgart 2007; Hagen Keller: Ordnungsvorstellungen, Erfahrungshorizonte und Welterfassung im kulturellen Wandel des 12./13. Jahrhunderts, in: Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter (Vorträge und Forschungen 64). Ostfildern 2006, S. 257–278; Ulf Dirlmeier/Gerhard Fouquet/Bernd Fuhrmann: Europa im Spätmittelalter 1215–1378 (Oldenburg Grundriss der Geschichte 8). München 2003; Bernd Schneidmüller: Grenzerfahrung und monarchische Ordnung. Europa 1200–1500 (C.H. Beck Geschichte Europas 3). München 2012. Als ein Beispiel sei die jüngst erschienene Monographie des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Picketty: Le Capital au XXIe siècle. Paris 2013 (engl. Cambridge, Mass./ London 2014), genannt. Michel Mollat: Die Armen im Mittelalter. 2. Aufl., München 1987 (franz. 1978); Bronislaw Geremek: Geschichte der Armut. Elend und Barmherzigkeit in Europa. München 1988 (ital. 1986), Giovanni Ricci: Povertà, vergogna, superbia. I declassati tra Medioevo e Età moderna (Saggi 452). Bologna 1996; Otto Gerhard Oexle (Hg.): Armut im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 58). Ostfildern 2004; Philine Helas/Gerhard Wolf (Hg.): Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur zwischen 13. und 16. Jahrhundert. Bilder, Texte und soziale Praktiken (Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart 2). Frankfurt am Main u. a. 2006; Herbert Uerlings/Nina Trauth/Lukas Clemens: Armut: Perspektiven in Kunst und Gesellschaft. 10. April 2011–31. Juli 2011. Eine Ausstellung des Sonderforschungsbereichs 600 „Fremdheit und Armut“, Universität Trier in Kooperation mit dem Stadtmuseum Simeonstift Trier und dem Rheinischen Landesmuseum Trier. Begleitband zur Ausstellung. Darmstadt 2011; Lukas Clemens/Alfred Haverkamp/Romy Kunert
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privaten Reichtum richtet, der als eigenständiges Sujet erkannt und bearbeitet wird.8 Zu nennen sind insbesondere die Publikationen des italienischen Projekts „Bene pubblico e ricchezza privata: politica, economia e diritto nella teoria e nella prassi verso la modernità“, das 2004 bis 2006 von Giacomo Todeschini koordiniert wurde.9 Auf dessen Ergebnissen konnten Peter Hesse und ich aufbauen, als wir im April 2010 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Italien, der Schweiz, Großbritannien und den USA zum Gespräch einluden, die bereits mit wegweisenden Forschungen aus dem Umfeld des Themas Reichtum hervorgetreten waren.10 Ausgangspunkt bildete für uns die Überlegung, dass sozial-ökonomische und ethisch-kulturelle Konstellationen in der Wahrnehmung des Reichtums einan-
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(Hg.): Formen der Armenfürsorge in hoch- und spätmittelalterlichen Zentren nördlich und südlich der Alpen (Trierer Historische Forschungen 66). Trier 2011. Hans Werner Goetz: Idéologie (et anti-idéologie) de la richesse au Haut Moyen Âge, in: JeanPierre Devroey/Laurent Feller/Régine Le Jan (Hg.): Les élites et la richesse au Haut Moyen Âge (Collection Haut Moyen Âge 10). Turnhout 2011, S. 33–58. Eine Ausnahme bilden die Studien über die Bewertung des Reichtums im Florenz der Renaissance: Hans Baron: Franziskanische Armut und bürgerlicher Reichtum in der humanistischen Gedankenwelt des Trecento: die Rolle Petrarcas, in: Ders.: Bürgersinn und Humanismus im Florenz der Renaissance (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek 38). Berlin 1992 (engl. 1938), S. 41–66; ders.: Franziskanische Armut und bürgerlicher Reichtum in der humanistischen Gedankenwelt des Trecento: die Rolle der Stadt Florenz, in: Ebenda, S. 67––94; Hubertus Busche: Die moralische Entgrenzung der Ökonomie in der Frührenaissance. Exemplarische Argumente des Florentinischen Stadtbürgerhumanismus 1400–1460, in: Wolfram Hogrebe in Verbindung mit Joachim Bromand (Hg.): Grenzen und Grenzüberschreitungen. XIX. Deutscher Kongress für Philosophie, Bonn, 23.–27. September 2002, Vorträge und Kolloquien. Bonn 2004, S. 462–477; Petra Schulte: Verteilungsgerechtigkeit im Florenz des 15. Jahrhundert, in: Saeculum (= Joachim Schneider/ Johannes Pahlitzsch [Hg.]: Die Verteilung von Amt, Würde und Einfluss im Zeichen der Geldwirtschaft im westlichen Mittelalter und im Byzantinischen Reich), im Druck. Einen starken Florenzbezug hat auch der immer noch anregende Aufsatz von Winfried Trusen: Handel und Reichtum. Humanistische Auffassungen auf dem Hintergrund vorangehender Lehren in Recht und Ethik, in: Heinrich Lutz (Hg.): Humanismus und Ökonomie (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung 8). Weinheim 1983, S. 87–103. Verwiesen sei auf die folgenden Studien einzelner Projektbeteiligter: Giacomo Todeschini: I mercanti e il tempio. La società cristiana e il circolo virtuoso della ricchezza fra Medioevo ed Età Moderna (Collana di storia dell’economia e del credito 11). Bologna 2002; ders.: Ricchezza francescana. Dalla povertà volontaria alla società di mercato. Bologna 2004; ders.: La riflessione etica sulle attività economiche, in: Roberto Greci (Hg.): Economie urbane ed etica economica nell’Italia medievale (Manuali Laterza 213). Roma/Bari 2005; Paolo Prodi (Hg.): La fiducia secondo i linguaggi del potere. Bologna 2007; ders./Maria Giuseppina Muzzarelli/Stefano Simonetta (Hg.): Identità cittadina e comportamenti socio-economici tra medioevo ed Età moderna (Heuresis 9). Bologna 2007; ders.: Settimo non rubare. Furto e mercato nella storia dell’Occidente. Bologna 2009; ders.: 7. Gebot: „Du sollst nicht stehlen“. Zur Entstehung des abendländischen Marktes zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Historische Anthropologie 17.2 (2009) (= Ludolf Kuchenbuch/Erich Landsteiner/Beate Wagner-Hasel [Hg.]: Wirtschaftsanthropologie), S. 245–259; Valentina Toneatto: Les banquiers du Seigneur: évêques et moines face à la richesse: IVe – début IXe siècle. Rennes 2012. Johanna Franzmann: Tagungsbericht Reichtum im späteren Mittelalter. Politische Theorie, ethische Handlungsnormen und soziale Akzeptanz. 07.04.2010–09.04.2010, Venedig, in: HSoz-u-Kult, 13.10.2010, .
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der bedingen,11 diese also regionale Unterschiede aufweisen kann und historischen Wandlungsprozessen unterliegt. Angeregt durch die Arbeiten Eberhard Isenmanns12 war es dementsprechend unser Ziel, im interdisziplinären Austausch eine Brücke zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu schlagen und dem Bild des Reichtums im späten Mittelalter so eine schärfere Kontur zu verleihen. Auf der Grundlage der Vorträge, die nun in überarbeiteter Form vorliegen, diskutierten wir vom 7. bis zum 9. April 2010 im Deutschen Studienzentrum in Venedig, welche Wertvorstellungen die Legitimation und Repräsentation von Reichtum im späten Mittelalter prägten, auf welchem Wissen die Ideen beruhten und wer dieses für sich nutzbar zu machen vermochte. Die Unterscheidung zwischen der politischen Theorie, der ethischen Norm und der sozialen Praxis diente uns dabei als Strukturhilfe, auch wenn wir uns bewusst waren, dass die drei Ebenen eng miteinander verzahnt und letztlich kaum voneinander zu trennen sind. Im Folgenden sollen erste übergreifende Beobachtungen und Ergebnisse, die einen deutlichen Schwerpunkt auf dem städtischen Raum haben, kurz nachgezeichnet werden. II. POLITISCHE THEORIE Das Nachdenken über Reichtum ist eng an die Frage gebunden, inwiefern privates Eigentum in einer Gesellschaft zugelassen wird. Im späten Mittelalter trafen hier unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, die in Europa weniger den Gegensatz zwischen Kirche und Welt als vielmehr innerkirchliche Differenzen markierten.13 Eine Verbindung von christlicher Lehre und Lebenswirklichkeit finden wir in der Ende der 1260er/Anfang der 1270er Jahre vom Dominikaner Thomas von Aquin († 1274) verfassten Summa theologiae, in der zu diesem Zweck zwischen dem primären und dem sekundären Naturrecht unterschieden wurde. Wie Janet Coleman skizziert, entsprach das private Eigentum nach Thomas von Aquin dem sekundären Naturrecht, das die Zeitläufte berücksichtige.14 Zwar seien gemäß dem primären Naturrecht15 alle Güter für jedermann zum Gebrauch bestimmt, doch zeige die Ver11 12
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Zu diesem Ansatz Alexander Ebner/Jens Becker: Reichtumskulturen. Eine wirtschaftssoziologische Perspektive. o. O./J. . Seine umfassende Herangehensweise zeigt sich eindrücklich in: Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Wien/Köln/Weimar 2012. Ferner ders.: Die Bedeutung der Sozialund Wirtschaftsgeschichte für die Allgemeine Geschichte des Mittelalters, in: Günther Schulz u. a. (Hg.): Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. 100 Jahre Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 169). Stuttgart 2003, S. 469–524. Janet Coleman: Attitudes to property ownership and wealth amongst 14th-century Franciscans and Dominicans; Roberto Lambertini: Wealth and Money according to Giles of Rome, beide in diesem Band. Coleman: Attitudes to property ownership and wealth (wie Anm. 13). Vgl. ferner Arthur Fridolin Utz: Kommentar, in: Josef F. Groner (Übersetzung)/Arthur Fridolin Utz (Anmerkungen, Kommentar): Nachfolgefassung von Band 18 der Deutschen Thomasausgabe (Thomas von Aquin, Recht und Gerechtigkeit, II–II, 57–79). Bonn 1987, S. 351–405. Wolfgang Kluxen: Die lex naturalis bei Thomas von Aquin (Nordrhein-Westfälische Akademie
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nunft, dass angesichts der konkreten Umstände das private Eigentum nützlich und für den Menschen gut sei. Denn jeder arbeite für sich selbst mehr als für etwas, das allen oder vielen gehöre, und halte die Dinge, für die er allein Sorge trage, in größerer Ordnung. Ferner bewahre das private Eigentum in höherem Grade den Frieden zwischen den Menschen.16 Es wurde insofern als mit dem primären Naturrecht in Einklang stehend erachtet – Thomas von Aquin nannte dies eine Findung der menschenlichen Vernunft (adinventio rationis humanae) –17 und auf der Grundlage des Prinzips, keinen anderen zu schädigen, auf dass man selbst nicht geschädigt werde, zu einem Gut, auf dessen Unversehrtheit jeder Anspruch hatte. Nicht jeder verfügte über das gleiche Eigentum, aber das eines jeden war gleichermaßen zu achten und zu schützen. Den Gedanken der gemeinsamen Nutzungsbefugnis aufnehmend, legte Thomas von Aquin dem Einzelnen jedoch die Pflicht auf, im Sinne des primären Naturrechts sein Eigentum zum Wohle aller zu verwalten und die anderen in der Not (necessitas) zu unterstützen.18 Grundsätzlich war der Überfluss, also das, was über das Lebensnotwendige hinausging, den Armen geschuldet.19 Es macht aus heutiger Perspektive den Reiz des späten Mittelalters aus, dass sich die Theologen/Philosophen ebenso wie die Juristen in dieser Zeit, wie Paolo Prodi zu Recht bemerkte, mit dem privaten Eigentum, seiner Begründung und seinen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Implikationen in einer neuen Weise auseinanderzusetzen begannen.20 Sein Schutz und die gleichzeitige Wahrung des 16 17
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der Wissenschaften. Vorträge G 378). Wiesbaden 2001. Thomas von Aquin: Summa theologiae, II–II (wie Anm. 14), q. 66 a. 2 co. Ebenda, q. 66 a. 2 ad 1: Ad primum ergo dicendum quod communitas rerum attribuitur iuri naturali, non quia ius naturale dictet omnia esse possidenda communiter et nihil esse quasi proprium possidendum, sed quia secundum ius naturale non est distinctio possessionum, sed magis secundum humanum condictum, quod pertinet ad ius positivum, ut supra dictum est. Unde proprietas possessionum non est contra ius naturale; sed iuri naturali superadditur per adinventionem rationis humanae. Ebenda, q. 66 a. 2 co: Aliud vero quod competit homini circa res exteriores est usus ipsarum. Et quantum ad hoc non debet homo habere res exteriores ut proprias, sed ut communes, ut scilicet de facili aliquis ea communicet in necessitates aliorum. Unde apostolus dicit, I ad Tim. ult., divitibus huius saeculi praecipe facile tribuere, communicare. Ebenda, q. 66 a. 7 co.: Respondeo dicendum quod ea quae sunt iuris humani non possunt derogare iuri naturali vel iuri divino. Secundum autem naturalem ordinem ex divina providentia institutum, res inferiores sunt ordinatae ad hoc quod ex his subveniatur hominum necessitati. Et ideo per rerum divisionem et appropriationem, de iure humano procedentem, non impeditur quin hominis necessitati sit subveniendum ex huiusmodi rebus. Et ideo res quas aliqui superabundanter habent, ex naturali iure debentur pauperum sustentationi. Prodi: 7. Gebot (wie Anm. 9), S. 250 f. Zum Eigentumsbegriff im späteren Mittelalter ferner Paolo Grossi: La proprietà nel sistema privatistico della seconda scolastica, in: Ders. (Hg.): Il dominio e le cose. Percezioni medievali e moderne dei diritti reali. Milano 1992, S. 281–383; Karl Ubl/Lars Vinx: Kirche, Arbeit und Eigentum bei Johannes Quidort von Paris, O.P. († 1306), in: Christoph Egger/Herwig Weigl (Hg.): Text-Schrift-Codex. Quellenkundliche Arbeiten aus dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 35). Wien/München 2000, S. 304–344; Raffaele Volante: Fatto normativo e interpretatio iuris. La definizione del possesso nel diritto comune, in: Mario Sbriccoli u. a. (Hg.): Ordo iuris. Storia e forme dell’esperienza giuridica. Milano 2003, S. 1–39; Janet Coleman:„Proprietà“: premoderna e moderna, in: Sandro Chi-
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Gemeinwohls wurden zu Bezugspunkten gerechten Handelns und zur Legitimationsgrundlage von Herrschaft.21 Ihr Ideal, das Thomas von Aquin mit prägte22 und in das Gedanken der christlichen Tradition, des römischen und kanonischen Rechts sowie der antiken, vornehmlich aristotelischen, Philosophie einflossen, überschritt einzelne Regionen oder Herrschaftsformen. Verbreitung fand es in Europa über den Austausch von Wissen, der nicht nur an den Universitäten erfolgte. So wurde beispielsweise der bekannte Fürstenspiegel De regimine principum, den der Augustiner-Eremit Aegidius Romanus († 1316) um 1280 für seinen Schüler, den späteren französischen König Philipp den Schönen († 1314) schrieb, in mehrere Sprachen übersetzt und sowohl an den Höfen als auch in den Städten rezipiert.23 Ferner griff man Teile seiner Argumentation auf, fügte sie in neue Traktate ein und passte sie den örtlichen Gegebenheiten an. Ein Beispiel, mit dem dem Ort unserer Konferenz Reverenz erwiesen werden soll, stellt der im venezianischen Dialekt verfasste Liber de regimine rectoris dar.24 Der Autor, der Franziskaner Fra Paolino (Paolino Minorita/Paolino Veneto, † 1344), überreichte ihn dem Adeligen Marin Badoer, als dieser in den Jahren 1313 bis 1315 Statthalter Venedigs auf Kreta war.25 Gerechtigkeit, so notierte er, sei der dauerhafte und feste Wille, jedem sein Recht zu gewähren (Dig. 1.1.10). Mit keiner Tugnola/Giuseppe Duso (Hg.): Sui concetti giuridici e politici della Costituzione dell’Europa (Per la storia della filosofia politica 17). Mailand 2005, S. 119–158; Prodi: Settimo non rubare (wie Anm. 9); Matthias Kaufmann: Das Recht auf Eigentum im Mittelalter, in: Andreas Eckl/Bernd Ludwig (Hg.): Was ist Eigentum? Philosophische Eigentumstheorien von Platon bis Habermas, München 2005, S. 73–87. Das Mittelalter überspringt hingegen Marcus Llanque: Das Eigentum, in: Ders./Herfried Münkler (Hg.): Politische Theorie und Ideengeschichte. Lehr- und Textbuch. Berlin 2007, S. 226–239. 21 Zur Gerechtigkeit Petra Schulte/Gabriele Annas/Michael Rothmann (Hg.): Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des späteren Mittelalters (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte 47). Berlin 2012; zum Gemeinwohl Herfried Münkler/Harald Bluhm (Hg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe (Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gemeinwohl und Gemeinsinn“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 1). Berlin 2001; Elodie Lecuppre-Desjardin/Anne-Laure van Bruaene (Hg.): De Bono Communi. The Discourse and Practice of the Common Good in the European City (13th-16th c.)/Discours et pratique du bien commun dans les villes d’Europe (XIIIe au XVIe siècle) (Studies in European Urban History [1100–1800] 22). Turnhout 2010. 22 Wolfgang Stürner: Die Gesellschaftsstruktur und ihre Begründung bei Johannes von Salisbury, Thomas von Aquin und Marsilius von Padua, in: Albert Zimmermann (Hg.): Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters, 1. Halbbd. (Miscellanea Mediaevalia 12/1). Berlin/ New York 1979, S. 162–178; Jürgen Miethke: Spätmittelalter: Thomas von Aquin, Aegidius Romanus, Marsilius von Padua, in: Christoph Horn/Ada Neschke-Hentschke (Hg.): Politischer Aristotelismus. Die Rezeption der aristotelischen „Politik“ von der Antike bis zum 19. Jahrhundert. Stuttgart 2008, S. 77–111. Siehe ferner Stefan Lippert: Recht und Gerechtigkeit bei Thomas von Aquin. Eine rationale Rekonstruktion im Kontext der Summa Theologiae (Marburger Theologische Studien 65). Marburg 2000. 23 Mit weiteren Literaturhinweisen Lambertini: Wealth and Money (wie Anm. 13), Anm. 10 f. 24 Adolfo Mussafia (Hg.): Il trattato „De regimine rectoris“ di Fra Paolino minorita. Wien/Florenz 1868, S. X f. 25 Ebenda, S. V f.
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gend könne der Leiter eines Gemeinwesens größere Ehre erwerben. Mit ihr zeige er den Untertanen an jedem Tag zu jeder Stunde seine gute Gesinnung und aufrechte Loyalität.26 Wie oben schon erwähnt, wurde die Gerechtigkeit als Garant des privaten Eigentums und des gemeinen Wohls gesehen und musste die Regierung deren Wahrung glaubhaft machen. Die gemischte Verfassung der Serenissima, in welcher der Doge das monarchische, der Senat das aristokratische und der Große Rat das demokratische Element repräsentierten,27 wurde später als perfekt propagiert und in ihrer Stabilität Bestandteil des so genannten „Mythos Venedig“.28 Dass die Besetzung all dieser Ämter dem Handel treibenden Adel vorbehalten war,29 erschien nicht als störend. Im Jahr 1459 lobte der Humanist Poggio Bracciolini († 1459) die Dauerhaftigkeit der venezianischen Institutionen, die Gerechtigkeit, die Herrschaft der Gesetze, deren konsequente Befolgung und die folglich herausgehobene Bedeutung der Tugend.30 Venedig stellte für ihn die Erfüllung eines Ideals dar, dessen Grundzüge sich im Liber de regimine rectoris vorgezeichnet finden. 26
Fra Paolino: De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.8, S. 7: La justixia è una vertude, la quale dreça e ferma la voluntade de l’omo a dar a çascadun quelo ch’è soa raxon. E quanto lo retor de’ plu çente sostegnir en so dreto et en soa raxon, tanto la vertude de la justixia li fa maçor mester. De’ ancora considerar lo retor che per alguna oltra vertude el no po aquistar tanto honor con per justixia; chè per esa ogno dì et ogna hora li soi subditi prova la soa bontade e la soa lialtade. E s’el se trova ch’elo no se parta da la justixia nè per prego nè per presio nè per amor nè per odio, elo sì sen trova gran fama et grande honor. 27 Gerhard Rösch: Venedig. Geschichte einer Seerepublik. Mit einem Vorwort von Peter Johanek. Stuttgart/Berlin/Köln 2000, S. 112–126; Arne Karsten: Kleine Geschichte Venedigs. München 2008, S. 101–109. 28 Patricia Fortini Brown: The Self-Definition of the Venetian Republic, in: Anthony Molho/Kurt Raaflaub/Julia Emlen (Hg.): City States in Classical Antiquity and Medieval Italy: Athens and Rome, Florence and Venice. Stuttgart 1991, S. 511–548; Thomas Berns: Construire un idéal vénetien de la constitution mixte à la Renaissance. L’enseignement de Platon par Trébizonde, in: Mairie Gaille-Nikodimov (Hg.): Le gouvernement mixte: de l’idéal politique au monstre constitutionnel en Europe, XIIIe-XVIIe siècle. Saint-Etienne 2005, S. 25–38; Mairie GailleNikodimov: L’idéal de la constitution mixte entre Venise et Florence. Un aristotélisme politique à double face, in: Ebenda, S. 39–56. Ferner Erdmann Blackstein: Der venezianische Staatsgedanke im 16. Jahrhundert und das zeitgenössische Venedig-Bild in der Staatstheorie des republikanischen Florenz. Frankfurt am Main 1973. 29 Rösch: Venedig (wie Anm. 27), S. 134. Zur Entwicklung der venezianischen Sozialstruktur ebenda, S. 126–154. Ferner Irmgard Fees: Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig. Die Ziani (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 68). Tübingen 1988. 30 Poggi Florentini viri clarissimii in laudem reipublicae Venetorum, in: Poggius Bracciolini: Opera omnia, Bd. 2: Opera miscellanea edita et inedita (Monumenta politica et philosophica rariora ser. II.5). Torino 1966, S. 925–937, hier 937: Sed satis magna laus est et gloria unam et eandem regendae civitatis formam tot vigi per annos, quod nulli unquam antea civitati contigit perdurasse. Huius tam longaevi tamque diuturni rei publicae status causas consideranti, mihi illa occurrit potissima: iustitiam, quam scribit Aristoteles rerum publicarum certissimum fundamentum, in ea urbe prae caeteris viguisse, neque homines sed leges in ea imperasse. Ea sola virtus ad hanc diem firmam [stabilem] perpetuam praestitit rem publicam Venetorum. Nulla enim unquam fuit civitas, nullum regum, nulla res publica ubi diutius, severius, sincerius fuerit versata, ubi par honor tanto tempore iustitiae fuerit habitus et impensus, ubi magis fuerit legibus publicis obtemperatum.
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In ihm unterschied Fra Paolino in Anlehnung an die Nikomachische Ethik des Aristoteles zwischen der allgemeinen und der besonderen Gerechtigkeit. Die allgemeine Gerechtigkeit manifestiere sich in den Gesetzen und Statuten, deren Beachtung zu einem sittlichen Leben führe, da sie geböten, tugendhaft zu handeln und schlechte Werke zu unterlassen.31 Sie zielten auf das Gemeinwohl und wiesen über Lohn und Strafe den Weg zur rechten Tat, auch und vor allem zum Dienst für das Gemeinwesen.32 Die besondere Gerechtigkeit hingegen verhindere, dass ein Bürger dem anderen schade, und müsse wiederum in die ausgleichende und die verteilende Gerechtigkeit geschieden werden. Die ausgleichende Gerechtigkeit (lat. iustitia commutativa) leite das Geschäftsgebaren der Bürger, ihr Verkaufen und Kaufen, ihr Verleihen und Leihen, während nach der Verteilungsgerechtigkeit (lat. iustitia distributiva) die gemeinschaftlichen Güter je nach Verdienst des Einzelnen vergeben werden müssten. Der rector, der Leiter, einer Stadt habe also im Sinne der Bürger darauf zu achten, dass die Gesetze und Statuten eingehalten, die Verträge rechtmäßig geschlossen und die gemeinschaftlichen Güter angemessen verteilt würden.33 Die Notwendigkeit der Beachtung der Statuten unterstrich Fra Paolino ebenso wie den Gehorsam gegenüber der politischen Führung.34 Letzterer setze wiederum voraus, dass das Volk weder zu reich noch zu arm sei. Denn der sehr Reiche missachte die Anordnungen aus Hochmut, der sehr Arme aus Not. Allein diejenigen, die über ein mittleres Vermögen verfügten, wahrten Aristoteles gemäß den inneren Frieden.
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Fra Paolino, De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.9, S. 9: Çò se dirà procedando in lo libro; al presente basta a dir che la justixia se trova partida en justixia legal, çoè in çustixia, la quale se conten en leçe et en statuti, e questa vertude è dita justixia general, perçò che a li statuti perten a domandar ovre de tute vertude et a schivar tute rie ovre. Ebenda, III.77, S. 107 f.: Secondo co nu avemo dito in lo capitolo de sovra, li statuti se de’ far a comuna utilitade, et tractar e ordenar quello che pertegna allo ben comun, et [zò] non perten se non a prencepo o a tuto el comun. Anchora, co dise Aristotele, la leze de’ aver posanza de constrenzer zaschun ke ello la debia servar, e nexun po dar sì gran posanza a la leze se no lo principo o tutto lo comun; III.78, 108: La leze, segondo com’è dicto en lo capitolo LXXVI., è tracta de la raxon. E dreta raxon sì comanda ke l’omo faza lo ben e schive lo mal; e se l’omo fa ben, k’ello deba recever premio; s’ello fa mal, k’ello debia sostegnir pena. Onde la leze non à altro a far se nno a comandar ovre bone e vertuose, com’è dicto en lo capitulo IX., e vedhar cose ree e che torne en danno del comun o de spetial persona. Et perciò che molti fa ben plu per alguna utilitadhe ka per amor de justisia, de’ la leze prometter guederdon a quelli ke ben fa, specialmente en servir lo comun. E perciò altresì ke molti [no] se varda da mal far de nno per paura de pena, fa mester ke la leze metta certa penna a quelli che no lla vol servar per amor. Ebenda, I.9, S. 9 f: Et ê justixia particular, la quale defende che un citadin no nose a l’oltro. E questa si è [partida] ancora en due: la una è dita justixia comutativa, la quale se trova en comprar, en vender, en afitar et en noliçar e çeneralmente en lo patiçar che fa un citadin con l’oltro; l’altra è dita vertude distributiva, per la qual li beni comuni se de’ partir a particular homini segondo li meriti de çascuno. Lo retor tonca ke vol aquistar vertude de justixia suficientemente de’ esser solicito che le leçe e li statuti sia ben servadi, e semejevelmente li pati li quali è fati justamente e segondo dreta raxon dentro un citadin e l’oltro, e che li beni comuni sia partidi dentro li citadini segondo li soi meriti. Ebenda, III.82 und III.83, S. 112 f.
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Ein solcher könne zwischen den sehr Reichen und sehr Armen nicht bestehen, da jene zu Unterdrückung und Beherrschung, diese zu Neid und Raub tendierten.35 Die aristotelischen Ideen,36 die in wenigen Sätzen zusammengefasst und auf Marin Badoer zugeschnitten wurden, mögen recht allgemein anmuten. Hinter ihnen verbargen sich jedoch, und andere zeitgenössische Autoren gehen hierauf durchaus ausführlicher ein, die notwendige Festlegung und Durchsetzung des gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen privates Eigentum erworben, gesichert und vererbt werden konnte, die Probleme des Betrugs, des gerechten Preises, des Wuchers und der Monopolbildung sowie schließlich die Aushandlung der Kriterien der Verteilung. Während die ersten beiden Bereiche in Norm und Praxis klassische Themen der (wirtschafts-)historischen Forschung sind,37 stehen Untersuchungen zur Verteilungsgerechtigkeit, die ihren Ausgang von einem systematischen Vergleich der regionalen Aristoteles-Rezeption im späten Mittelalter und ihrer Bedeutung in den politischen Diskursen nehmen könnte, noch aus.38 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Verteilungsgerechtigkeit – anders als heute – nicht auf die Ermöglichung der sozialen und politischen Partizipation und damit den gesellschaftlichen Ausgleich zielte. Mit dem Verweis auf das Prinzip der Proportionalität legitimierte sie in den Städten vielmehr den begrenzten Zugang zu Ämtern und Ehren. Wo, ab welchem Zeitpunkt und warum unter die iustitia distributiva ferner die Verteilung der Steuerlasten bzw. der öffentlichen Gelder an die Armen gefasst wurde, stellen offene Fragen dar.39 Einen Spiegel der Bewertung sozialer Ungleichheit bilden die zum Teil überlieferten Debatten über die Finanzpolitik, die als eine lohnende Quelle 35
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Ebenda, III.84, S. 113 f.: Co fa mester al bon stado de la citade che lo puovolo non sia ni tropo riccho nè tropo puovero: La raxon si è questa: ke lli citadini de meza man è ben obedienti allo recthor, la qual cosa è necessaria a li citadini, com’è mostrado en lo capitulo LXXXIII. E colu’ch’è tropo ricco, per soperbia, e colu’ k’è tropo puovero, per necessitade, non è ben obediente. Ancora per li mezani se ten la citade mejo en paxe, perciò k’eli è assè l’un engual de l’oltro; ma dentro molti richi e molti puoveri no po esser molta paxe, perciò [ke], sì co dise Aristotele, li richi despresia molto li puoveri e sì vol tropo sengnorezar e li poveri à envidia a li richi e volentera li roberia. Per quello k’è dicto se po veder ke se en la citadhe è molti citadini puoveri, li richi è en gran perigolo; e se per lo contrario algun o alguni è molto richi, ello no solamente despresia i altri, ma sì empensa com’ello possa tor la sengnoria de la citade. Siehe Petra Schulte: Arm und Reich in der politischen Theorie des späten Mittelalters, in: Günther Schulz (Hg.): Arm und Reich (24. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 16. – 19.03.2011, Bonn), im Druck. Siehe Anm. 9 und 42. Genannt seien ferner Glauco Tozzi, I fondamenti dell’economia in Tommaso d’Aquino. Milano 1970; Odd Langholm: Economics in the Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value, Money, and Usury according to the Paris Theological Tradition, 1200–1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 29). Leiden/New York 1992. Vgl. zu letztem Julius Kirshner: Authority, Reason, and Conscience in Gregory of Rimini’s Questio prestitorum communis Venetiarum, in diesem Band, Anm. 10. Einen ersten Überblick bieten die epochenübergreifenden, sich an der Höhenkammliteratur orientierenden Studien von Samuel Fleischacker: A Short History of Distributive Justice. Cambridge, Mass./London 2004; Izhak Englard: Corrective & Distributive Justice. From Aristotle to Modern Times. New York 2009. Siehe für Florenz Schulte: Verteilungsgerechtigkeit (wie Anm. 8), im Druck; für Frankreich/ Burgund dies.: Arm und Reich (wie Anm. 36).
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herangezogen werden müssten.40 Hier betreten wir zugleich die Ebene der ethischen Norm bzw. der Zuschreibungen und Erwartungshaltungen. III. ETHISCHE NORM Um das Wertesystem, in das der Reichtum eingebunden war, zu analysieren, bedarf es in einem ersten Schritt der Klärung, inwieweit dieser als gut und erstrebenswert angesehen wurde. Hiervon ausgehend ist weiter zu untersuchen, welche inneren Haltungen, Gefühle und Taten in Bezug auf materielle Güter als adäquat bzw. als unpassend galten und inwiefern es auf der lebenswirklichen Ebene zu Konflikten zwischen Norm und Realität kam. Dabei muss ferner berücksichtigt werden, dass einzelne Gesellschaften ebenso wie unterschiedliche Gruppen innerhalb einer Gesellschaft durchaus verschiedene Wertesysteme ausbildeten, die nebeneinander zu existieren vermochten, aber auch miteinander konkurrieren konnten, und die jeder Einzelne für sich zu gewichten hatte. Und schließlich bleibt auf die nicht nur im Liber de regimine rectoris, sondern auch in dem von Peter Schreiner präsentierten Dialog zwischen den Reichen und den Armen (1343)41 thematisierten emotionalen Folgen sozialer Ungleichheit zu sehen42 und sich zu vergegenwärtigen, dass in der theoretischen Reflexion der Beziehung von „Arm und Reich“ zumeist nur diejenigen in den Blick genommen wurden, die man hinsichtlich ihres Status als gleich verstand. Das alles stellen Forschungsfelder dar, die in verschiedenen Studien schon
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Eberhard Isenmann: Medieval and Renaissance Theories of State Finance, in: Richard Bonney (Hg.): Economic Systems and State Finance (The Origins of the Modern State in Europe, 13th18th Centuries). Oxford 1995, S. 21–52 (franz.: Les théories du Moyen Âge et de la Renaissance sur les finances publiques, in: Richard Bonney [Hg.]: Systèmes économiques et finances publiques. Paris 1996, S. 3–35); ders.: Prinzipien, Formen und wirtschaftliche Auswirkungen von Besteuerung – Steuergerechtigkeit und Steuergleichheit im 15. Jahrhundert (Deutschland und Italien), in: Simonetta Cavaciocchi (Hg.): La fiscalità nell’economia europea secc. XIII– XVIII = Fiscal systems in the European economy from the 13th to the 18th centuries. Atti della „Trentanovesima Settimana di Studi” 22–26 aprile 2007 (Fondazione Istituto Internazionale di Storia Economica F. Datini, Prato. Serie 2, Atti delle „Settimane di Studi” e altri Convegni 39). Florenz 2008, S. 153–183, hier 177–183. Von demselben Autor steht eine Monographie zu „Finanz- und steuergeschichtlichen Problemen des 15. Jahrhunderts. Deutschland im europäischen Kontext“ vor dem Abschluss. Peter Schreiner: Reichtum und Armut in Byzanz: Realität und soziale Diskussion, in diesem Band. Zur Emotionsgeschichte Bettina Hitzer: Emotionsgeschichte – ein Anfang mit Folgen, in: HSoz-u-Kult, 23.11.2011,; Jan Plamper: Geschichte und Gefühl. Grundlagen der Emotionsgeschichte. München 2012.
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angerissen wurden,43 im Kontext einer Geschichte des Reichtums jedoch neu zu fassen und zu erschließen sind.44 In der Summa theologiae konstatierte Thomas von Aquin, dass der Einzelne in dem Maße äußere Güter begehren dürfe, wie er sie zum Leben, zur Ausübung der Tugenden sowie seiner Stellung gemäß benötige. Zugleich trennte der Dominikaner schärfer zwischen Reichtum und Glück, als dies bei Huguccio von Pisa hervortritt, und betonte, dass jener nicht mit diesem gleichzusetzen sei.45 Glück war für ihn allein in Gott zu finden, das heißt ausschließlich durch die Erkenntnis und ein Leben gemäß der göttlichen Gebote zu erreichen.46 Über Reichtum könnten indes auch diejenigen verfügen, die in ihrem Denken, Fühlen und Handeln nicht den 43
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Siehe die Arbeiten zum Thema Geld, die in den letzten Jahren erschienen sind: Fabian Wittreck: Geld als Instrument der Gerechtigkeit. Die Geldrechtslehre des Hl. Thomas von Aquin in ihrem interkulturellen Kontext (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N.F. 100). Paderborn u. a. 2002; Klaus Grubmüller/Markus Stock (Hg.): Geld im Mittelalter. Wahrnehmung – Bewertung – Symbolik. Darmstadt 2005; Michael North: Kleine Geschichte des Geldes. Vom Mittelalter bis heute. München 2009; Roberto Lambertini/ Leonardo Sileo (Hg.): I beni di questo mondo. Teorie etico-economiche nel laboratorio dell’Europa medievale, Atti del Convegno della Società italiana per lo studio del pensiero medievale (S.I.S.P.M.), Roma, 19–21 settembre 2005 (Textes et Etudes du Moyen Âge 55). Porto 2010; Jacques Le Goff: Geld im Mittelalter. Stuttgart 2011 (franz. 2010). Im September 2013 habe ich am Deutschen Historischen Institut in Rom eine fächer- und epochenübergreifende Konferenz zum Thema „Geld – Macht – Emotionen. Reichtum in historischer Perspektive“ konzipiert und organisiert. Das Programm der Tagung und die Abstracts der Vorträge finden sich unter: . Eine Publikation der Beiträge ist für das Jahr 2015 geplant. Für die Neuzeit vgl. Albert O. Hirschman: The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before Its Triumph. Princeton NJ 1977; Emma Rothschild: Economic Sentiments. Adam Smith, Condorcet and the Enlightenment. Cambridge Mass./London 2001; Ute Frevert: Gefühle und Kapitalismus, in: Gunilla Budde (Hg.): Kapitalismus. Historische Annäherungen. Göttingen 2011, S. 50–72. Im folgenden ausführlichen Zitat unterscheidet Thomas von Aquin zwischen den natürlichen und den künstlichen Reichtümern. Unter die ersten subsumiert er alles, was zum Leben benötigt wird und die Mängel des Menschen behebt wie Speisen, Trank, Kleidung, Fahrzeuge und Wohnungen, unter die zweiten in erster Linie das Geld als von den Menschen erfundenes Mittel des Tauschs. Thomas von Aquin: Summa theologiae, I–II, q. 2 a. 1 co (Johannes Brachtendorf [Hg.]: Thomas von Aquin: Über das Glück/De beatitudine. Lateinisch-Deutsch [Philosophische Bibliothek 647]. Hamburg 2012): Respondeo dicendum quod impossibile est beatitudinem hominis in divitiis consistere. Sunt enim duplices divitiae, ut philosophus dicit in I Polit., scilicet naturales, et artificiales. Naturales quidem divitiae sunt, quibus homini subvenitur ad defectus naturales tollendos, sicut cibus, potus, vestimenta, vehicula et habitacula, et alia huiusmodi. Divitiae autem artificiales sunt, quibus secundum se natura non iuvatur, ut denarii; sed ars humana eos adinvenit propter facilitatem commutationis, ut sint quasi mensura quaedam rerum venalium. Manifestum est autem quod in divitiis naturalibus beatitudo hominis esse non potest. (…) Divitiae autem artificiales non quaeruntur nisi propter naturales, non enim quaererentur, nisi quia per eas emuntur res ad usum vitae necessariae. Unde multo minus habent rationem ultimi finis. Impossibile est igitur beatitudinem, quae est ultimus finis hominis, in divitiis esse. Zur Betrachtung des Reichtums in der scholastischen Theologie vgl. Langholm: Economis in the medieval schools (wie Anm. 37), S. 566–569. Zum Glück bei Thomas von Aquin vgl. Andreas Speer: Das Glück des Menschen (S.th. I–II, qq.1–5), in: Ders.: Thomas von Aquin: Die Summa theologiae. Werkinterpretationen. Berlin/ New York 2005, S. 141–167.
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christlichen Prinzipien folgten, sondern – in den Worten des Alten Testaments (Ecclesiasticus 10.19) – dem Geld gehorchten.47 Ebenso wie die Ehre, den Ruhm und die Macht ordnete Thomas von Aquin den Reichtum dem Schicksal, der Fortuna, zu,48 die die Menschen ohne einen erkennbaren Plan aufsteigen und fallen lasse. Dies entsprach den gängigen Vorstellungen des Mittelalters. In der Kunst und, wie Peter Hesse zeigt, in der Literatur, in moraldidaktischen Abhandlungen und in Predigten wurde der Einzelne davor gewarnt, sich nicht von den materiellen Gütern, deren Verlust jederzeit eintreten könne, beherrschen zu lassen.49 Und auch wenn im 15. Jahrhundert der Humanist Leonardo Bruni († 1444) begann, den Reichtum offensiv als ein zum Glück führendes Gut zu bezeichnen, und die Tugend das materielle Vermögen nicht mehr rechtfertigte, sondern ohne Geld kaum mehr möglich erschien, und man mit eben dieser Tugend Fortuna die Stirn zu bieten versuchte,50 blieb die Warnung vor Habgier und Geiz, die den schlechten vom guten Reichen abgrenzten, präsent.51 Die hohe gesellschaftliche Akzeptanz des letzteren, die bereits in den Derivationes zu beobachten war, wird von Giacomo Todeschini vertieft. Zwischen Wohlstand, Ehre und gutem Ruf habe ein enger Zusammenhang bestanden. Diejenigen, die unfreiwillig arm gewesen seien und wie die Lohnarbeiter oder einfachen Handwerker keine Möglichkeit gehabt hätten, durch ihre Arbeit reich zu werden, seien nicht als vollwertige Bürger und Mitglieder der christlichen Gemeinschaft anerkannt worden und hätten gemäß dem römischen Recht vor Gericht eine geringere Glaubwürdigkeit besessen. In den ökonomischen Abhandlungen und Predigten der Franziskaner – genannt seien Petrus Johannis Olivi († 1296/98), Bernhardin von Siena († 1444) und Cherubinus von Spoleto († 1484) – werde dieses Phänomen vor dem Hintergrund der sozialen Wertschätzung von Arbeit erklärt. In ihnen erscheine der Gewinn des Kaufmanns nicht nur gerechtfertigt, weil ihm Ausgaben und Anstregungen voraus gegangen seien, sondern weil der Kaufmann über die intellektuelle Fähigkeit verfüge, den Preis einer Sache zu bestimmen und insofern den Markt zu ermöglichen.52 Seine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit sei die Grundlage für das Geld, das er verdiene, und das soziale Kapital,53 das Vertrauen,54 das ihm zuge47 48 49
Thomas von Aquin: Summa theologiae, I–II (wie Anm. 44), q. 2 a. 1 ad 1. Ebenda, q. 2 a. 4 co. Peter Hesse: Belehrung für jedermann: Reichtum in zwei Predigten des Johannes Geiler von Kaysersberg, in diesem Band. 50 Siehe Anm. 8. Ferner Peter Vogt: Kontingenz und Zufall. Eine Ideen- und Begriffsgeschichte. Berlin 2011, S. 568–578. 51 Peter Hesse: Belehrung für jedermann (siehe Anm. 49). Ferner Simona Slanička: Avaritia in der Renaissance. Zwischen Todsünde, Wirtschaftstheorie und gesellschaftlicher Korruption, in: Daniela Erlach u. a. (Hg.): Die sieben Todsünden in der Frühen Neuzeit (Frühneuzeitinfo Jg. 21, Heft 1/2). Wien 2010, S. 145–160. 52 Giacomo Todeschini: Wealth, value of work and civic identity in the medieval theological discourse (XII–XIV c.), in diesem Band; ders.: Visibilmente crudeli. Malviventi, persone sospette e gente qualunque dal Medioevo all’età moderna (Saggi 681). Bologna 2007. 53 Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen 1983, S. 183–198. 54 Zum mittelalterlichen Konzept des Vertrauens Paolo Prodi (Hg.): La fiducia (wie Anm. 9); Petra Schulte/Marco Mostert/Irene van Renswoude (Hg.): Strategies of Writing. Studies on
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sprochen werde. Wie auch die Angehörigen anderer herausragender Berufsgruppen (u. a. Ärzte und Prediger) gelte er als ein Vorbild an Tugend und Ehrbarkeit. Personen, deren Arbeit allein auf das eigene Überleben ausgerichtet sei, verdienten diese Anerkennung nicht.55 Die Bedeutung des richtigen Umgangs mit Reichtum, der durch die Freigebigkeit (lat. largitas/liberalitas) gekennzeichnet war, zu der in der Folge der Aristoteles-Rezeption ab der Mitte des 13. Jahrhunderts die Hochherzigkeit/Großzügigkeit (lat. magnificentia) hinzutrat,56 arbeitet Roberto Lambertini unter Bezugnahme auf Aegidius Romanus heraus.57 Auch Fra Paolino widmete sich beiden Tugenden,58 die er für den rector als notwendig erachtete und die er mit der Sanftmut (mansuetudene), der Großmut (magnanimitade) und der Demut (amativa de honor over humilitade) verband. Die Sanftmut wirke bei der Verteidigung der eigenen Rechte. Denn es sei für den Einzelnen weder gut, einen grenzenlosen Zorn gegen diejenigen zu hegen, die ihm das Seine nehmen wollten, noch in einen Zustand des Jammers zu verfallen. Der rector dürfe entsprechend weder zu hart noch zu mild strafen, wobei in der Abwägung die Barmherzigkeit Vorrang vor der Strenge besitze.59 Hierauf aufbauend unterteilte der Franziskaner die weltlichen Güter in ehrenhafte und nützliche.60 Große Ehren erwerbe allein der Großmütige, der die Mitte
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Text and Trust in the Middle Ages. Papers from „Trust in Writing in the Middle Ages“ (Utrecht, 28–29 November 2002) (Utrecht Studies in Medieval Literacy 13). Turnhout 2008 (insbesondere die Beiträge von Petra Schulte, S. 1–12, Dorothea Weltecke, S. 379–392, und Irene van Renswoude, S. 393–413); Petra Schulte: Defining Authenticity in Premodern and Modern Times, in: Marco Mostert (Hg.): Trust and Emerging Media: From the Beginning of Western Civilisation to the Twenty-First Century, im Druck. Todeschini: Wealth, value of work and civic identity (wie Anm. 52). Guido Guerzoni: Liberalitas, Magnificentia, Splendor. The Classic Origins of Italian Renaissance Lifestyles, in: Neil De Marchi/Craufurd D. W. Goodwin (Hg.): Economic Engagements with Art (History of Political Economy. Annual Supplement to Volume 31). Durham/London 1999, S. 332–378, hier 340–346. Vgl. Lambertini: Wealth and Money (wie Anm. 13). Fra Paolino: De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.14, S. 16 f.: Per queste .v. vertude l’omo usa dretamente de li beni temporali, li qual Domenedeo li concede ad aver. Ad usar dretamente de li soi beni temporali fa mester primeramente aver alguna vertude, per la quale l’omo li posa sostegnir ch’elo no li perda. E questa vertude po esser appelada mansuetudene, la qual à doe extremitade viciose. La una è [i]ra sopercla contra queli che vol tore li beni temporali contra raxon. L’altra extemitade po esser dita cativeria o miseria, per la qual l’omo no defende le soe raxone. Puo’ che l’omo per mansuetudene defende le soe raxon, el ge fa mester algune vertude ad usar de queli beni dretamente. Per tanto è da saver che queli beni temporali o è-li beni honereveli e beni utili, come sè richeçe. Se li beni hè honoreveli e grandi, quela vertude che dreça ben l’omo è dita magnanimitade, la quale à doe extemitade viciose: la una è presumption, l’altra è pusilanimitade. E se li beni honoreveli è meçani, quela vertude che dreça bene l’omo è dita amativa de honor over humilitade, la qual à .ij. extremitade viciose: la una è sopercla sperança de honor, [l’altra desperança de honor]. Se li beni temporali sè uteli, sì como è richeçe, se eli è grandi, quela vertude che ê si dreça ben l’omo è dita magnificentia, la quale à .ij. extremitade viciose: la una è consumar ogna cousa, l’altra è a far tropo piçole spensarie. E se le richeçe è meçane, quela vertude che ê si dreça ben l’omo è dita liberalitade, la quale à .ij. extremitade viciose: la una è prodigalitade, l’altra è avaricia. Ebenda, I.16, S. 18 f. Siehe Anm. 58.
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zwischen der Prahlerei und der Ängstlichkeit wahre und die Tugend dem Reichtum vorziehe. Er wisse, einem Ereignis Glanz zu verleihen, gebe sich nicht mit Kleinigkeiten ab, achte nicht auf Äußerungen anderer, die dem schmeichlerischen Lob oder dem Neid entsprängen, beklage seine materielle Situation nicht und scheue nicht die Gefahr, wenn es gelte, das Gemeinwesen zu retten.61 Ebenso wie die Großmut stellte Fra Paolino auch die Demut in den Kontext des menschlichen Strebens, Handlungen zu vollziehen, die zur Ehre führen. Die Demut zügele das übermäßige Verlangen nach dieser und bedinge eine realistische Selbsteinschätzung, aufgrund derer der Einzelne nicht mehr, aber auch nicht weniger Ehre erwarte, als ihm zustehe. Sie bildet insofern eine Ergänzung zu der stärker auf die Tat gerichteten Großmut.62 Die Tugend der Großzügigkeit wurde im Liber de regimine rectoris auf die nützlichen Güter, auf die hohen Aufwendungen der Personen, die im Überfluss lebten, bezogen. Wiederholt verwies Fra Paolino darauf, dass der Überblick über die eigenen Finanzen unmittelbar zur magnificentia gehöre. Ein Armer vermöge nicht hochherzig zu sein, da er sich die Tugend nicht leisten könne, und ein Großzügiger nicht leicht arm zu werden, da er darauf achte, dass seine Ausgaben den Einnahmen entsprächen.63 Er dürfe diesen Rahmen nicht überschreiten, seine Aufwendungen aber auch nicht zu gering halten. Diese müssten einem hohen Zweck bzw. dem Gemeinwesen dienen, also etwa den Bau von Kirchen fördern oder für die Verteidigung eingesetzt werden. In besonderen Ausnahmefällen wie bei einer Hochzeit könnten sie dem rector und seiner Familie zukommen. Allerdings, so bemerkte der Franziskaner unter expliziter Bezugnahme auf Aristoteles, genügten der Reichtum und seine richtige Verwendung nicht, um als magnificho angesehen zu werden. Man müsse ferner adlig sein und ein hohes Ansehen besitzen.64 Vom Status unabhängig war hingegen die Freigebigkeit, die Fra Paolino den kleineren Ausgaben zuschrieb und als Tugend zwischen den Sünden der Verschwendungssucht (prodigalitade) und der Habgier (avaritia) verortete.65 Auch sie implizierte das Zirkulieren des Geldes, seine Verwendung für andere, die freiwillig und freudig erfolgen solle. Eine Philosophie des Gebens, wie wir sie aus dem wahrscheinlich im Umfeld der Schule von Chartres verfassten Moralium dogma philosophorum oder dem im französischen Exil enstandenen Tresor des Florentiners Brunetto Latini († 1294) kennen und die den rechten Ort und die rechte Zeit reflektierte, aber auch Erwägungen über den Umfang der Gabe und die Person des Beschenkten anstellte, bot Fra Paolino nicht. In der Regel umfasste die Freigebigkeit die Gaben an die Armen, Geschenke im sozialen Netzwerk sowie die Entlohnung von Diensten und Gefälligkeiten.66 61 62 63 64 65 66
Fra Paolino: De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.18/19, S. 20–22. Ebenda, I.20, S. 23 f. Anders als Aegidius Romanus (Lambertini: Wealth and Money [Anm. 13]) erwähnte Fra Paolino nicht, dass den Armen eine Haltung der magnificentia zu eigen sein könne. Fra Paolino: De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.21. S. 24 f. Ebenda, I.22, S. 26 f. John Holmberg (Hg.): Das Moralium dogma philosophorum des Guillaume de Conches, lateinisch, altfranzösisch und mittelniederfränkisch. Uppsala 1929, B.2, S. 13–19; Francis James Carmody (Hg.): Li livres dou tresor de Brunetto Latini. California 1948, II.94. Einen konzisen Überblick über den frühmittelalterlichen Bedeutungshorizont gibt Bettina Emmerich: Geiz und
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Nachdrücklich hob der Franziskaner jedoch hervor, dass derjenige, dem das Geben schwer falle, die Liebe zum Geld der guten Tat vorziehe.67 Habgierig sei, mahnte eine venezianische Predigtsammlung, der ebenfalls aus dem beginnenden 14. Jahrhundert stammende sog. Libro de li esempli, wer seine Reichtümer horte, sie nicht gebrauche und nicht wolle, dass sie anderen nutzten.68 Und so bewacht der Habgierige, den zwei Portikuskapitelle aus den Jahren 1342–1348 und 1433–1438 am Dogenpalast in Venedig abbilden, seine Geldsäcke und zieht noch weitere an sich.69 Ein rector, der sich derart verhalte, betonte Fra Paolino, handele nicht nur schlecht an den Untertanen, sondern verfehle auch den göttlichen Auftrag, ihnen Vorbild und Haupt zu sein.70 Im Gegensatz zur Großzügigkeit, die einen exklusiven Charakter besaß und zu einem Merkmal der besonderen Tugendhaftigkeit derjenigen wurde, die als einzelne Personen oder als Führungsschicht das Gemeinwesen repräsentierten,71 war die im Liber de regimine rectoris auf Marin Badoer bezogene Maxime, die liberalitas der avaritia vorzuziehen, im Grundsatz von allen Menschen zu befolgen. Traditionell wurde der maßlose Wunsch, mehr zu erwerben und besitzen, als man gemäß der eigenen Stellung zum Leben benötigt, als Ursache zahlreicher Fehlverhalten erachtet, die vom Verrat über den Betrug, die Täuschung, den Meineid, das
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Gerechtigkeit. Ökonomisches Denken im frühen Mittelalter (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 168). Stuttgart 2004, S. 239–279. Fra Paolino, De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.22, S. 26. Giacomo Ulrich (Hg.): Trattati religiosi e „Libro de li exempli“ in antico dialetto veneziano. Bologna 1891, 22, S. 108: E cusí é multi avari, li quali no fa altro de le richeçe e de la roba, se no ch’i la salva e guarda, e no usando de le richeçe no vole che altri n’abia utilitade ne ’nde usi. Andrea Lerner: Der gotische „Dogenpalast“ in Venedig. Baugeschichte und Skulpurenprogramm des Palatium Communi Venetiarum. München/Berlin 2005, S. 129, 190, 351. Fra Paolino: De regimine rectoris (wie Anm. 24), I.23, S. 27 f.: Molto è gran vergonça a lo retor ch’elo sia preso e metudo in prexon. E, segondo che dise Augustino, l’avaro ananti ch’elo vadagne el perde si medesmo, et ananti ch’el prenda la pecunia elo è preso da avaricia. Ancora de’ impensar lo retor ch’elo è metudo da Dio en tal stado açò ch’el debia aver influencia in li soi subditi, sì co à lo cavo en tute le parte del corpo, e s’elo non fa così, elo è ingrato a Dio et impio ali soi subditi e crudelle a si medesmo, chè la avaricia li comanda che elo no faça quel bene ch’el deverave nè a si nè ad oltri. Ancora, se l’avaro ve’ plu possente de si, pensa k’elo lo debia robar; s’elo ve’ lo povero, el pensa che lo voja envolar, e per tante vie el s’afliçe per quante elo po perder la roba. No è cotal homo degno da esser rector d’altri, ananti deverave essere sollitario sì como è li oselli che vive de rapina, li quali scampa la compagnia delli altri per no li dar parte de çóe ch’eli à. Es sei darauf verwiesen, dass die magnificentia am Hof anders als in der Stadt und in Venedig anders als etwa in Mailand und in Florenz ausgelegt wurde. Siehe u. a. Louis Green: Galvano Fiamma, Azzone Visconti and the Revival of the Classical Theory of Magnificence, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 53 (1990), S. 98–113. Guerzoni: Liberalitas, Magnificentia, Splendor (wie Anm. 55), S.332–378; Werner Paravicini: Die zwölf „Magnificences“ Karls des Kühnen, in: Gerd Althoff (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51). Stuttgart 2001, S. 319–395; Alessandro Polcri: L’etica del perfetto cittadino: la magnificenza a Firenze tra Cosimo de’Medici, Timoteo Maffei e Marsilio Ficino, in: Interpres 26 (2007), S. 195–223; Peter Howard: Preaching Magnificence in Renaissance Florence, in: Renaissance Quarterly 61.2 (2008), S. 325–369.
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falsche Zeugnis, den Diebstahl, den Raub, die Bestechung, den Kauf von Ämtern bis hin zum Wucher reichten.72. Dabei konnte der Vorwurf der avaritia zum Argument werden, um den moralischen Verfall zu konstatieren und diesem einen anderen Lebensentwurf entgegenzusetzen73 bzw. um einen sozialen Aufsteiger, wirtschaftlichen Konkurrenten oder politischen Gegner als bösen Reichen zu diffamieren74. Kaiser Maximilian († 1519) sprach beispielsweise in den Pamphleten, die er während seines Feldzugs gegen die Serenissima nach 1508 verfassen ließ, dem venezianischen Adel Stand und Tugend ab: „Krämer und Diebe, Geldverleiher und Halsabschneider, so deren Tenor, seien in der gottgewollten Ordnung nicht vorgesehen und hatten kein Recht zu herrschen.“ In Venedig wurde das naturgemäß anders gesehen.75 Dem Grundverdacht der Habgier, dem die kaufmännische Tätigkeit seit jeher ausgesetzt war, hatte man hier wie andernorts erfolgreich die Ehrbarkeit der Kaufleute und deren Bedeutung für das Gemeinwohl entgegengesetzt. Über ein reines Gewissen verfügten jene jedoch wohl nie, was unabhängig von den individuellen Schwächen nicht zuletzt auf das christliche Wucherverbot zurückzuführen ist, das dem in der Praxis unverzichtbaren Kreditwesen entgegenstand.76 Die Sorge um die eigene Ehre und das Seelenheil garantierten die Zuwendungen an die Armen bzw. an kirchliche Institutionen. Im geschäftlichen Alltag der auch im Bankgeschäft tätigen Kaufleute wurden indes, wie Markus Denzel nachzeichnet, Umgehungsstrategien entwickelt, zu denen als wichtigste der Wechsel gehörte.77 Ethische Norm und Lebenswelt waren keine sich abstoßende Pole. Sie reagierten aufeinander, durch72
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Als Todsünde wurde die avaritia in den mittelalterlichen Lasterkatalogen ausführlich behandelt. Siehe etwa den weit verbreiteten Somme le roi (1279/80) des Dominikaners Frère Laurent: Édith Brayer/Anne-Françoise Leurquin-Labie (Hg.): Frère Laurent, La Somme le roi (Publications de la société des anciens textes français). Paris 2008, 36, S. 134–147. Richard Newhauser: Avaritia und Paupertas. Zur Stellung der frühen Franziskaner in der Geschichte der Habsucht, in: Gert Melville/Annette Kehnel (Hg.): In propositio paupertatis. Studien zum Armutsverständnis bei den mittelalterlichen Bettelorden (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 13). Münster/Hamburg/London 2001, S. 31– 49. Giuliano Milani: Avidité et trahison du bien commun. Une peinture infamante du XIIIe siècle, in: Annales. Histoire, Sciences sociales 66 (2011), S. 705–739; Giacomo Todeschini: Come Giuda. La gente comune e i giochi dell’economia all’inizio dell’epoca moderna (Saggi 752). Bologna 2011. Volker Reinhardt: Venedig – zum Kommerz verdammt: Am Anfang war der Handel, in: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur 11 (2007), S. 14–21, hier 17. Zum Wucher siehe Markus A. Denzel: Das Problem des Wuchers im bargeldlosen Verkehr des späten Mittelalters – Theorie und Wirklichkeit, in diesem Band. Ferner: Hans-Jörg Gilomen: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301; Gerhard Rösch: Wucher in Deutschland 1200 – 1350. Überlegungen zur Normdidaxe und Normrezeption, in: Historische Zeitschrift 259 (1994), S. 593–636; Emmerich: Geiz und Gerechtigkeit (wie Anm. 66), S. 193–239; Diego Quaglioni/Giacomo Todeschini/Gian Maria Varanini (Hg.): Credito e usura fra teologia, diritto e amministrazione: linguaggi a confronto (sec. XII–XVI) (Collection de l’École française de Rome 346). Roma 2005; Jacques LeGoff: Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter. Mit einer Einführung von Johannes Fried. 2. Aufl., Stuttgart 2008. Denzel: Das Problem des Wuchers (wie Anm. 76).
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drangen sich und boten einander Referenzpunkte. Auch in der von Julius Kirshner behandelten, in den Jahren zwischen 1347 und 1351 entstandenen Questio prestitorum communis Venetiarum des Augustiner-Eremiten Gregor von Rimini († 1358), in der dieser die moralische Legitimität der mit fünf Prozent verzinsten venezianischen Zwangsanleihen diskutiert, wird dies mehr als deutlich.78 IV. SOZIALE AKZEPTANZ In der bereits aufgeworfenen Frage, bis zu welchem Punkt soziale Ungleichheit bzw. der Reichtum einer begrenzten Anzahl an Personen in einer Gesellschaft hingenommen wird, kulminieren alle vorhergehenden Überlegungen. Im historischen Rückblick bedarf ihre Antwort, auch das ist erneut zu betonen, einer noch ausstehenden vergleichenden Studie, in der neben der wirtschaftlichen Situation zu berücksichtigen ist, wie sich das Zusammenleben gestaltete, was als gerecht festgelegt und empfunden wurde, was als guter Reichtum galt, inwiefern dieser an die Übernahme sozialer Verantwortung gebunden war, bis zu welchem Grad man die Zurschaustellung des Wohlstandes für angemessen erachtete bzw. wie diese durch Maßnahmen wie die Luxusgesetzgebung reglementiert oder mit dem Argument der magnificentia legitimiert wurde.79 Dem materiellen Überfluss haftete etwas Ambivalentes an; stets erregte er zugleich Bewunderung und Kritik und wurde in ihm Nutzen und Gefährdung gesehen. Während der Venezianer Marin Sanudo († 1536) die Schönheit der Stadt und ihrer Bauten 1493 in den höchsten Tönen pries und den Wert einzelner Wohnlagen und Palazzi ebenso selbstverständlich bemaß wie den Schmuck der Frauen,80 äußerte sich der Ulmer Dominikaner Felix Fabri († 1502) wenige Jahre zuvor weitaus kritischer: Sie wollen das Genießen zu weit treiben, sie wollen sich die Erde zum Lustgarten machen. So sagen denn die Türken und andere Ungläubige, wenn sie diese schimmernden Paläste sehen, die Christen, die derlei bauten, könnten vom Leben im Jenseits nichts halten und nichts hoffen.81
Die oberdeutschen Kaufleute standen der Serenissima aus anderen Gründen zwiespältig gegenüber. Mechthild Isenmann skizziert, dass sie auf der einen Seite um die Möglichkeiten der Stadt für den Handel und die Ausbildung der eigenen Kinder 78 Kirshner: Authority, Reason and Conscience (wie Anm. 37). 79 Vgl. zur Diskussion des Reichtums am päpstlichen Hof und dessen Einfluss auf die Lebensführung des römischen Adels Thomas Ertl (Hg.): Pompa sacra. Lusso e cultura materiale alla corte papale nel basso medioevo (1420–1527). Atti della giornata di studi (Roma, Istituto Storico Germanico, 15 febbraio 2007) (Nuovi Studi Storici 86). Roma 2010. 80 Angela Caracciolo Aricò (Hg.): Marin il Giovane Sanudo: De origine, situ et magistratibus urbis Venetae ovvero la Città di Venezia (1493–1530). Milano 1980, S. 20–39. In englischer Übersetzung: David Chambers/Brian Pullan unter Mitarbeit von Jennifer Fletcher (Hg.): Venice: A Documentary History, 1450–1630 (Renaissance Society of America reprint texts 12). Toronto/Buffalo/London 2004, S. 4–21. 81 Zitiert nach Rösch: Venedig (wie Anm. 27), S. 127.
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wussten, die hier in besonderer Weise lernen und Kontakte für die Zukunft knüpfen konnten. Zugleich aber kannten sie auch die Gefahren Venedigs, die lockenden Vergnügungen, und hatten Sorge, dass die Nachfolger ihre Pflichten vernachlässigten und das ihnen zur Verfügung stehende Geld für Kleidung, Frauen, das Glücksspiel und andere Dinge verschwendeten. Die Gefahr, die von einem dauerhaft wenig gefestigten Mitglied der Familie bzw. der Familiengesellschaft ausging, wurde für groß erachtet. Es drohte die Gefährdung des familiären Zusammenhalts, der Ehre, der Kreditwürdigkeit und des wirtschaftliches Bestandes,82 das heißt im schlimmsten Fall der Bankrott, dessen Konsequenzen Kurt Weissen am Beispiel Florenz verdeutlicht.83 Nur die individuelle Glaubwürdigkeit sicherte die Zugehörigkeit zur städtischen Elite oder den, wie wir bei Bernd Fuhrmann sehen,84 schwierigen Aufstieg in diese. Die angemessene Generierung, Bewahrung und Konsumtion von Reichtum bildete ein wesentliches Fundament für das Vertrauen. Die Kritik, jemand habe sein Vermögen zu schnell und unehrenhaft erworben, pflege einen allzu luxuriösen Lebensstil und setze den Eigennutz vor das Gemeinwohl, diente der Herabsetzung und/oder Ausgrenzung. Wie wichtig die Übernahme sozialer Verantwortung für die gesellschaftliche Anerkennung selbst des kirchlichen Wohlstandes war, beschreibt Hans-Jörg Gilomen. In den eidgenössischen Städten des späten Mittelalters habe der „weitgehende Rückzug der Kirche aus der Armenfürsorge“ dieser „eine der wichtigsten Legitimationen ihres Reichtums entzogen.“85
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Mechthild Isenmann: Vom Nutzen und Schaden des Reichtums. Junge Nachfolger in oberdeutschen Familiengesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, in diesem Band. 83 Kurt Weissen: Die verarmten Reichen in der florentinischen Gesellschaft des 14. und 15. Jahrhunderts, in diesem Band. 84 Bernd Fuhrmann: Sozialer Aufstieg in der städtischen Chronistik und Wahrnehmung vornehmlich des 15. und 16. Jahrhunderts, in diesem Band. 85 Hans Gilomen: Der Reichtum der Kirche und die Auseinandersetzungen um ihren Beitrag zum Gemeinwohl. Das Beispiel eidgenössischer Städte im Spätmittelalter, in diesem Band.
ATTITUDES TO PROPERTY OWNERSHIP AND WEALTH AMONGST 14TH-CENTURY FRANCISCANS AND DOMINICANS Janet Coleman (London) This paper focuses on the often vicious disagreements between members of the Dominican and Franciscan Orders concerning how to justify wealth and property. These were issues within a larger theological debate over the most perfect mode of living for men in historical circumstances, living within ‘cities’ and governed by civil law. By comparing and contrasting the respective views of members of these two mendicant Orders, we shall see them address the general concerns of our conference: what were the social implications of wealth that was owned, possessed or used by individuals and corporate groups?; what were their respective attitudes to labour as a rightful appropriation by individuals from ‘the common’ and for their own exclusive use?; how did they legitimate private wealth while also bearing in mind ethical or civil law provisos concerning private owners duties to the poor and propertyless?; in being concerned for the public benefit and the common good what kind of restrictions ought to be placed on excessive accumulation? These more specific concerns were considered within a larger contemporary debate: about the relation between the scope of application of canon versus civil law, about what sovereign governance over the lives of Christians meant, and about the balance between individual moral autonomy on the one hand, and obedience to authority on the other. All of these issues came to be treated when the debate between Dominicans and Franciscans focused on the natural or conventional origins of property. What follows is a selection of medieval political theories that confronted one another from the 13th into the 14th centuries and to which, equally selectively, later theorists would appeal.1 If we first provide an overview of positions, we find that some expressed the view that private property is a social institution that engages our natural obligations to others. While property should be private, there was also a sense in which it should be common. While ownership and administration of property is the responsibility of individuals, worldly goods had to be shared with others in times of need. Some asserted a natural ius of the poor to the superfluities of the rich. They argued that the poor man who stole in times of necessity had a ‘right’ to what he had taken 1
Janet Coleman: A History of Political Thought from the Middle Ages to the Renaissance. Oxford 2000 (reprint 2004). For an extended discussion of these theories also see Brian Tierney: Religion, Law and the Growth of Constitutional Thought 1150–1650. Cambridge 1982, and Brian Tierney: The Idea of Natural Rights. Studies on Natural Rights, Natural Law and Church Law 1150–1625 (Emory University Studies in Law and Religion 5). Atlanta 1997.
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even without the explicit consent of the owner. What the poor man takes is really his own iure naturali. Canon lawyers came to insist that a person in need had a rightful power (ius) to do what was necessary to stay alive, and this was already stipulated in Gratian’s Decretum as by ius naturale. Civil judges may not recognise the poor man in need as having a rightful claim in law, but it was stated that ‘many things are owed that cannot be sought by judicial procedure’ and discretionary mercy must be invoked. Where a civil judge would not recognise a claim to equity, what is a man’s due, beyond the strict letter of the law, then a bishop could use ecclesiastical courts’ jurisdiction to compel recognition of such a claim. A more universal, moral correction of positive law was required.2 I. THE DOMINICAN POLITICAL THEORY OF THOMAS AQUINAS Early in the 13th century, an attempt to adjust the religious life to the social and economic changes that had occurred during the previous centuries culminated in the papal establishment of the mendicant orders, Dominicans and Franciscans. Unlike monks, they set themselves up in cities, setting examples by living a simple, more apostolic life than that of the Church’s ecclesiastical dignitaries. The intellectual efforts of Franciscans and Dominicans, lecturing in their own studia as well as in university theology faculties, contributed momentously to what is recognised as later medieval political theorising in general, and most importantly concerning our themes of how and under what conditions wealth and property were to be justified, both by ‘civil science’ and by Church teaching.3 Thomas Aquinas is here taken as exemplary of those who were amongst the first generation to benefit from Latin translations of Aristotle’s Ethics and Politics and to integrate certain Aristotelian perspectives on politics into their Christian framework.4 It is important that we get a sense of what ‘civil science’ is for him. Aquinas argues that there is a natural object of both the human intellect and human will: it is the common good. There is one standard of truth or rightness for everyone and it is equally known by everyone: All people realise that it is right and true to act according to reason and everyone is capable of doing this naturally and without supernatural revelation, without supernatural grace added to one’s natural capacities. He discusses those stable principles of moral practice that underlie variant customs and civil laws that are specific to historical communities. There is a moral perception that to engage in certain behaviour is right or wrong, whatever the 2
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George Bernard Flahiff: The Writ of Prohibition to Court Christian in the Thirteenth Century, in: Medieval Studies 6 (1944), pp. 261–313; Janet Coleman: The Two Jurisdictions: Theological and Legal Justifications of Church Property in the Thirteenth Century, in: William J. Sheils/ Diana Wood (eds.): The Church and Wealth (Studies in Church History 24). Oxford 1987, pp. 75–100. Janet Coleman: Property and Poverty, in: James Henderson Burns (ed.): The Cambridge History of Medieval Political Thought c. 350 – c. 1450. Cambridge 1988, pp. 607–648. Thomas Aquinas: Sententia libri politicorum (Opera omnia iussu impensaque Leonis XIII P.M. 48). Roma 1971; Thomas Aquinas: Summa theologiae (Opera omnia iussu impensaque Leonis XIII P.M. 4–12). Roma 1888–1906.
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independent sanction in the civil or customary law. Human moral discourse is constructed on a set of foundational principles, the natural law, which may be encapsulated as: the good is to be pursued and done and the evil avoided. Whatever practical reason thereafter naturally grasps to be particular human goods as means to the human end, fall under the already known precept of the natural law as to what is to be done and what avoided. All those things to which a man has a natural inclination, his reason naturally grasps as ‘goods’ to be pursued and done. We share with other natural things inclinations to self-preservation, self-reproduction through sexual relations, and an inclination to care for our young. Alone amongst created beings, we additionally have a natural inclination to live reciprocally in society. All of these inclinations are not matters of choice. The natural law is man’s mode of living, his participation in the divinely created order of things, and through reason we shape our natural inclinations, through lex (law), to live in order to pursue the human good. Natural justice consists in a series of rational principles which follow upon the inclinations of our nature. Practical reason that is made positive in civil law, regulates our natural inclinations to enable us to make the right choices for the achievement of our own good within the common good. Civil law must therefore be rational and conform to foundational principles of natural law.5 According to Aquinas, imperfect things tend towards their own good, that of the individual. More perfect things tend towards the good of the species. The even more perfect tend towards the good of a genus. The most perfect, God, secures the good of all being and the good of the universe. By analogy, Aquinas argues that since the good of the human community, that is, of the species, is the ultimate goal of human life, the bonum humanum, then not only is the common good more divine than any individual or less common good, but so too are those humans who are responsible for the res publica. The ratio boni in communi presupposes, for Aquinas, the participation, the natural subordination, of every individual’s intellect and will in a hierarchy of goodness which culminates in God as an extrinsic principle of all that is. He takes this to be a conclusion of universal philosophical reason; it is not arrived at on the basis of religious revelation or faith. Every human can come to the conclusion that the whole community of the universe is governed by divine reason, that there is a rational guidance of created things, and this is called eternal law. Eternal law is conceived of as the plan of government in the supreme governor, God, so that all schemes of government of those who direct, as subordinates, must derive from this eternal law. All laws in civil societies, so far as they accord with right reason, derive from this eternal law. Hence, the good of the just and well-organised community is one which, in being sought through good statecraft and good citizenship, establishes the necessary, if not sufficient, setting for the achievement of the individual’s ultimate good. The best political society, on Aquinas’s view, is one in which the moral underpinnings of civil law are taught by the Church, following divine positive law, notably the Ten Commandments. Citizens are virtuous not only through reasonable acts as encapsulated in civil positive law, thereby securing 5
Thomas Aquinas: Summa theologiae (see note 4), Ia-IIae, q. 94, a. 2. co. On all these issues see ibidem, qq. 90–105.
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their external goal: the common good of the community. As Christians, and in seeking an internal goal, salvation, they follow the divine positive law as well. Rational creatures have their own natural goal in God and this is secured through natural intellective cognition that is thereafter perfected by caritas, offered through the Church instructing in the precepts of divine law. Law, lex, is therefore defined as ordinances of reason, intelligible to man, directed to the common good and promulgated by an authority. That authority may be a whole multitude, a group, or an individual acting on its behalf.6 Law is distinguished from mere command precisely because law has as its intelligible goal the common good. It is the intelligibility of law that makes subjection to its precepts rational and responsible behaviour. Hence, every prudent legislator intends to make his citizens just, not simply obedient. Free individuals, however, have the capacity to contravene both civil and natural law, since they are the only creatures capable of choosing to shape their natural inclinations in irrational, distorted ways. The doctrine of original sin allows for almost the total loss of natural law’s precepts through sin and perversity, the consequences of persistent bad habits which can obscure the intelligibility of human ends. For Aquinas, after the Fall, we retain a rational ability to shape our moral dispositions but our wills may not follow what is reasonable. His concern is to emphasize how rational capacities can, within our now fallen and natural limits, help men overcome ‘lower nature’ and perform a particular good. The res publica, be it regnum or civitas, is for Aquinas the most important thing constituted by human reason, politics being the most important science since it treats of the most perfect things, the highest and perfect good in human affairs.7 Its role is to enforce reason through law which promotes right living, by compulsion if need be, where that compulsion legitimately belongs either to the community as a whole, or to its official representative whose duty it is to regulate and, where necessary, inflict penalties. Prudence, as an individual’s exercise of right reason, enables him to judge and direct his actions through which he will secure the goal of the common good. Following Aristotle, political prudence and legal justice aim to result in the common good, respectively ordering every action and every virtue in terms of those things that are capable of being ordered to the wellbeing of the res publica. Positive civil law as a dictate of reason aims to make men virtuous in their relations with others as exemplified in their exterior actions. But there is also the divine law which concerns the relation of the individual in this life to God who alone has knowledge of men’s intentions behind their exterior acts. Aquinas thinks that the precepts of divine given law8 can be known and understood by men: they are found in Scripture and taught by the Church. Divine law directs human life to man’s final end and its precepts enable him without any doubt to do what he should and avoid what he should. The perfection of virtue requires that man be upright not only in his external acts, directed by just positive, civil law, but also in his intentions. Divine law allows men to regulate their own interior intentions. And where legal justice cannot judge 6 7 8
Ibidem, q. 90 a. 4. Ibidem, q. 90.3 ad 2. Ibidem, q. 90 a. 4 co.
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a man’s intentions, divine law can and will mete out punishment in the afterlife. It is for this reason that men know that obedience is owed to all legitimate human authority, in res publica and Church, because it is based on the natural and divine order that is intelligible to them. Everyone knows by natural law that the good is to be pursued and done, the evil avoided, from which other conclusions may be deduced: do unto others as you would be done by; love thy neighbour as thyself, avoid ignorance and giving offence or harming others with whom one associates.9 Prudent deliberation about the historical, contingent and particular leads to specific conclusions that are drawn from universally and equally known moral principles whose standard of truth remains fixed. But as history changes, secondary precepts drawn from immutably known moral first principles, can change. On Aquinas’s view, this does not mean that the natural law is altered over time, but rather is added to. The additions are judged by practical reason in the circumstances. They are useful to social life. On this view, private and individual possession of material things is natural, in the sense of now useful to man in the circumstances. Hence, title to private property according to civil law is permissible, and is a secondary conclusion of natural law, emerging from the postlapsarian division of community into spheres of ownership and possession to further peace and commerce. It results from human agreement (not divine command) and is embodied in civil law. But beyond the satisfaction of limited human needs and modest profit, the superabundance possessed by any individual is owed to the poor by ius naturale and it is to be used for the common welfare. It is now left to individuals to make provision for the poor from their own wealth, except in cases of urgent necessity when a starving person may take what legally belongs to another without being considered a thief. God is the dominus, the absolute ‘owner’ and sovereign governor of the universe and by natural law, known to all, He has commanded that we preserve ourselves by means of what is common.10 The Dominican Order came to refine these arguments during a period of their history in which conflict in the university, between popes, kings and cities, was endemic. As a mendicant Order they believed in common dominium, a corporate ownership according to which there would still be no ‘mine and thine’ but only ‘ours’. Theft would be against natural law when it could be demonstrated that a member of the Order had appropriated to himself what is common to all. But Dominicans increasingly insisted that every individual is and has ever been a (natural) proprietor, and Adam in particular was a first proprietor, even before Eve. Our first parents were not simply users in common or singly; and so, it came to be asserted that there could be no separation of use from ownership by natural law. Hence,
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Ibidem, q. 93.1. Ibidem, q. 94.5 resp.2. For further discussions of Aquinas’s positions, see Janet Coleman: Are there any Individual Rights or only Duties? On the Limits of Obedience in the Avoidance of Sin according to Late Medieval and Early Modern Scholars, in: Virpi Mäkinen/Petter Korkman (eds.): Transformations in Medieval and Early-Modern Rights Discourse. Dordrecht 2006, pp. 3–36; Matthew Kempshall: The Common Good in Late Medieval Political Thought. Oxford 1999.
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Dominicans, like our first parents, were common owners, common proprietors and not simply common users. II. FRANCISCAN POLITICAL THEORY The Franciscan voice on the numerous themes discussed above allows us to compare and differentiate medieval political theories into the fourteenth century. Their perspectives evolved, driven by the turbulent history of their Order, not least in crucial confrontations with Dominicans.11 They proposed to tackle our themes by focusing on the prelapsarian conditions of Adam and Eve; then, on what occurred after the Fall but before cities were established; and thirdly, on what politics now is for us in cities. The Decretum had already spoken of the natural community of goods by ius naturae, distinct from custom and constitutions. But for Franciscans, and peculiar to their vow of poverty, the burning question was whether there now is a possibility to renounce property in the civitas and still not destroy the significance of politics for the here and now. 13th-century theologians had long engaged in polemics over mendicant, but specifically, Franciscan poverty. Arguments within the Franciscan Order itself continued the debate over apostolic poverty until the early 1320s.12 To justify their Order’s founding upon St Francis’s concern to live a life of apostolic poverty, they proposed distinctive and evolving understandings of different kinds of dominia, meaning directing power over things and hence, with respect to exterior material goods, modes of proprietorship. Their focus on this word dominium is complex. In the state of innocence, some Franciscans observed that the ius naturae was a principle of indistinct dominion. But the distinctions of dominia familiar to us now are a consequence of the Fall and of positive, human law. On this view, natural law principles precede subsequent distinctions of dominia. This was a position that countered what had become the view of many Dominicans that, after the Fall, the law of nature was itself, and remained, the origin of the institution of distinct property, that property divisions were secondary precepts of the natural law, otherwise theft could not be against natural law and this implied that proprietorship, even of Adam as the first proprietor, was already presupposed secundum ius naturalem. Human positive law and property ownership on this view are derived as additional conclusions from natural law premises. Franciscans took issue with this. 11 Janet Coleman: Using, not Owing − Duties, not Rights: The Consequences of some Franciscan Perspectives on Politics, in: Michael F. Cusato/Guy Geltner (eds.): Defenders and Critics of Franciscan Life: Essays in Honor of John V. Fleming. Leiden/Boston 2009, pp. 65–84, for a fuller discussion. 12 David Burr: The Spiritual Franciscans: From Protest to Persecution in the Century after St Francis. Pennsylvania 2001; Malcolm Lambert: Franciscan Poverty: The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order 1210–1323. Second edition, New York 1999; Roberto Lambertini: La povertà pensata. Evoluzione storica della definizione dell’identità minoritica da Bonaventura ad Ockham. Mucchi 2000; Patrick Nold: Pope John XXII and his Franciscan Cardinal: Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy. Oxford 2003.
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For them, only the divine positive law, the lex evangelica does not annul or contrast with the lex naturae. Human legislation, on the other hand, is simply approved by God but is not divinely instituted (following Augustine and the New Testament’s recognition by Christ and the apostles of the law of Caesar). Hence, the most perfect mode of living is to ‘have’ only in common. The next best is to ‘have’ both in common and as one’s own, and lastly habere omnia propria. However, the most supreme and perfect way to live, to ‘have’ nothing, neither in proprio nor in communi, is lost to us after the Fall. ‘Having’ nothing, neither privately nor in common, is no longer for us a self-evident and immutable principle of non-dominating action in living communally. The only way it can be restored in statu isto is by living the Franciscan life and this is a life not of ‘having’ but merely of ‘using’: but now it must be adopted voluntarily and this is uniquely the Franciscan mission and vow. The very distinct dominia after the Fall, not being by natural law, is by convention, politics, positive law, human contrivance, all of which were calculations to solve the postlapsarian problem of iniquity. According to the distinguished Franciscan theologian, Duns Scotus, the natural law was suspended after the Fall so that what was once a self-evident and immutable principle, de iure naturae, the communion of goods for common use, has been revoked. Humans, thereafter, established proprietorship of various kinds. Meum and tuum, as a consequence of postlapsarian iniquity, enlists sheer amoral utility calculations to keep the peace among fallen and quarrelsome men.13 The well-known and evolving debates between Franciscans and their opponents were over what poverty actually meant in practice in the sense of asking: what was the proper relation of human beings to material goods and to what is owed to others? Furthermore, poverty was as important to them as was humility and obedience. Poverty was part of a complex understanding of what harms the soul and Franciscans argued that there was a duty to refuse to obey the orders even of a superior who required them to act in violation of their Rule since it was the Rule, as originally set out in Francis’s Testament, that insisted on the responsibility of the individual to avoid sin. In Franciscans having vowed an obligation to poverty, the question came to be couched in terms of how restricted the use of goods was meant, in their Rule, to be: what was meant by an obligation that bound them to their vow? Was it a vow to restricted use or merely to lack of ownership? To break a vow is a mortal sin since oaths taken are to God. Had Franciscans, could Franciscans, or anyone else, make vows to the kind of conduct which was indeterminate so that poverty in act was determined entirely by the individual in his own circumstance? Some, known as the Spiritual Franciscans, insisted that this was precisely Francis’s intention: that each Franciscan vowed to embark on a certain path towards an envisaged goal of perfection, not a series of specified things but individual acts determined by present necessities and varied circumstances. Franciscans were not monks after all and did not follow the monastic Rule of St Benedict. They were a mendi13
On the earlier similar positions during the 13th century of Henry of Ghent and other neo-Augustinians during the 14th century see Coleman: Individual Rights (see note 10).
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cant Order and did not live in fixed places. Their Rule and St Francis’s intentions were more perfect! There came to be a shift in the understanding on the part of Franciscans from their living only by bare necessities and drastically limited use, known as usus pauper, to simply being bound to a lack of possessions. But this did not obliterate what was an enduring principle: the Franciscan vow is to obligations to use, not to own, even consumables and this they took to be an evangelical vow from which even the pope cannot dispense. The rejection was of postlapsarian dominia in all their subsequent distinctions. But by whose authority does one interpret either Francis’s intentions or that of Scripture as counsels to a perfect life voluntarily undertaken? Here we see numerous ‘difficult’ Franciscans continuing to engage questions about obedience to ‘authoritative’ commands that entailed sinning and which they took to imperil their own salvation. There remained the issue of whose discretionary power was at stake in the performance of any individual’s acts? This was recognised to be, and would remain, one of the major issues in political theorising well beyond our period. Francis’s Testament and his Rule were in the most simple of terms statements of intention to obey superiors but not to compromise the purity of evangelical perfection. If this was a life that could be voluntarily chosen – it was that of Christ and the apostles and, as Francis had said and written, this is what he and his brothers sought to live, – then not even the pope could absolve anyone from his evangelical vows. Scripture, on this view, provides intelligible counsels and examples to be imitated, without further gloss, for the New Testament consists in the testimonies of those most worthy of belief – Christ and his apostles. And how one lives these counsels now depends on each individual’s awareness of the historicity of original pronouncements and the authorial intentions behind them. Francis had been given the grace to be so inspired and to understand, having passed this on to his Order in his Rule in his times. This meant that the Franciscan Rule was identical in intention with the Gospel. It also implied that Christ and the apostolic community lived voluntarily as though in the state of first innocence where there was no distinct dominium but only usus and this was neither by a ‘right’ to own things nor use them, ius nec in re nec in usus. On this view, Christ and the apostles only used goods sufficient for daily survival, leaving, indeed offering, as much and as good for everyone else in need. They had neither objective nor subjective ‘rights’. God originally was owner and sovereign dominus and our first parents only had use of what was God’s, granted to them and not by any ‘right’. In Christ’s coming his kingship was explicitly not of this world. It was precisely the civil law and the purely human distinction of ‘rights’ to property which allowed Franciscans to renounce such ‘rights’ since they held private possession not to be by natural law but only by civil law and convention. Natural law, itself, cannot be rennounced. After years of debate and turmoil, Pope John XXII finally affirmed that there simply was no possibility of an original separation of use from ownership by natural law, especially of consumables, before or, indeed, after the Fall: you ate, you ‘owned’ it, it was ‘yours’. Adam was therefore, the first proprietor. John XXII was willing to accept that Franciscans could refuse a right to property ownership, indi-
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vidually and in common, but the Church wanted their conduct classified as a ‘right’ of use. Franciscans insisted to the contrary. They were not criticizing property ownership since they were prepared to leave all such rights to the Church on their behalf. What they wanted to preserve for themselves was not a right of use. It was use without right. Their clash with John XXII and those who advised him focused on a serious issue in political theorising: what does obedience and obligation mean, not simply for Franciscans, or for members of all religious orders, but generally? John XXII said that obedience was dominium of the mind and soul in the performance of duties consequent on a vow. But it was up to superiors to define how practices were to be measured in the circumstances, even to reverse the laws of their predecessors if the superior judges them harmful in the circumstances. He insisted that no religious Rule was identical with the Gospel. Franciscans, however, couched obedience and obligation in more circumscribed and limited terms: no one could be obliged, even by the pope, to violate an evangelical vow. This contravened evangelical liberty, an inalienable ius consequent on an obligation, granted by Christ to all individual Christians to survive, and help others in reciprocity to do the same especially when anyone was in dire need. Where the papal position had insisted that the Holy Spirit leads the church to an increasing knowledge but always under the guidance of the ecclesiastical hierarchy, Franciscans did not. Instead, for them, truth was not to be had by institutional authority; it was instinctive, self-evident, per se nota or known in experience by every individual. And in the Franciscan insistence to focus on the conventional institution of distincta dominia as human positive law, as an effect of human will alone, this will – even before the Flood – having been exhibited as a lapsed cupidity, per iniquitatem, we get the division of the earth from human will and not from the divine will. What God has done, after the Fall, is to attribute to human beings a power, a ius, and an authority of administration and regulation of the world. He does not tell us that this need be by property division. This is a purely human convention and it is expedient in the circumstances. Politics, civic foundings and maintenance, are merely matters of utility. The Oxford Franciscan, William of Ockham, eventually became embroiled in his Order’s defence with Michael of Cesena, the General Minister of the Order.14 He understood God as transcendent but that God had willed, de potentia ordinata, that we be given our own ways to find the truth as an object of natural human intelligence as it is ‘now’. Hence, when Ockham supported his Order’s reading of the prelapsarian condition of Adam and Eve he used the language of liberties and ius/ iura as concessions by some higher authority: especially from God or nature. Nei14
For fuller discussion of the texts and the contexts see Coleman: Using, not Owing (see note 11); ead.: The Individual and the Medieval State, in: Ead. (ed.): The Individual in Political Theory and Practice. Oxford 1996, pp. 1–34; ead.: Ancient and Medieval Memories. Studies in the Reconstruction of the Past. Cambridge 1992, pp. 500–537; ead.: A History of Political Thought (see note 1), pp. 167–198; Jürgen Miethke: De potestate papae: Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham. Tübingen 2000; Takashi Shogimen: Ockham and Political Discourse in the Late Middle Ages. Cambridge 2007.
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ther princes nor popes could remove these powers or liberties. St. Francis was correct in his interpretation of Scripture when he understood that Christ and the apostles did not own, but simply used the world. Human beings have a natural power of use, from God, before any subsequent human legal or positive rights of possession, which men in communities thereafter established. Our capacity for right reason, recta ratio, does not imply that dominium was granted eternally to human beings, but it does allow us to know that we were granted usus. When Ockham recapitulates the prelapsarian conditions and powers of Adam and Eve he says that they had perfect non-proprietary power over all things, ruling with right reason and not by coercion. Fallen nature, however, requires coercion; and dominium was established for utility and peace and made ‘concrete’ in positive civil law. The idea of perfection before the Fall is now expressed by natural law that is in us which lets us know through our experiences, and reasoning based on our experiences, that we have powers to use the world for survival without owning any part of it. Only God has rightful ownership/dominium of creation. Hence, after the Fall but before kings were established, men voluntarily divided up things saying this is mine a iure humano. Possession and ownership of material things are logical conclusions of experience of our iniquity, now. The grounds for political legitimacy, then, are not sacred; they are conventional, utilitarian conclusions based on the historicity of acts of human will and reasoning in the circumstances. For Ockham, reason is central to an exercise of our natural liberty. But what kind of reason is recta ratio? What is its relation to a good will if an action is to be morally right? He insisted, famously, that one’s will is not necessarily determined by another created cause than the will itself, and he rejected the position that our will is determined by a judgment of reason as to the goodness of the willed act. He says we can will what is bad, even if willing what recta ratio suggests is essential to a good will. But in our present postlapsarian state, we can and do will against the precepts of reason and we know this from our very experience. Ockham’s political understanding comes out of this, not least because what we owe to others, what we know or should know about our obligations to others, and even why and how we know what others are owed of a share in the common good, objectively, we do not infallibly and necessarily will to do or perform. Augustine plays a central role in shaping this argument. Ockham insists that intentions are central to all moral acts and they reveal an individual’s habitual orientation to what is intrinsically valuable. There are directive divine commands in divine positive law but these do not override each individual’s need to be committed to his own moral judgments and acts that are independent of divine law precepts or commands. Here is where our natural right reason is engaged and where politics comes in again. Ockham distinguished between a positive and non-positive moral science in his now much discussed Quodlibets. Positive moral science contains human and divine laws that oblige a person to pursue or avoid what is commanded or prohibited by a superior with the authority to legislate. But non-positive moral science is something a priori and prior to what jurists and legislators might discuss. Non-positive moral science is what directs human acts apart from any superior’s precepts, be it a Church
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superior or a civil magistrate.15 The radically individualist thrust in the Franciscan position emerges here, in the moment of application of the precepts of a vow to individual circumstances. Non-positive moral science enables this through the way that principles are known to us, either per se nota or in experience, and thereby directs our acts. Ockham further announces that positive moral science, of divine or civil jurisprudence, is not demonstrative. But non-positive moral science is demonstrative in that it deduces conclusions (syllogistically) from principles known by every human individual, known per se or in experience. This is how we know natural law precepts, that is, what the will ought to conform itself to as recta ratio and these consist in precepts like: avoid evil and sin. This non-positive moral science is certain, at least as certain as anything can be for us, since every individual has a greater experience of his own acts than of those of others or of other things. Recta ratio discerns right and wrong as well as the means to them. Recta ratio is a common knowledge and not an exclusive capacity of the learned or powerful. What is now ‘natural’ is simply what accords with natural reason and the bottom line for Franciscans is that even in our world, after the Fall, what is naturally reasonable is framed by the obligation to survive and to aid others, as God’s individual creatures, in their survival (by begging and labour), each using the world for one’s daily needs. That which is used is an individual decision of will and, in the Franciscan case, realizes natural equity. According to Ockham, the nominalist, the unity of the Franciscan Order is a conceptual collection of such individuals; but the reality is only individuals who vow individual poverty, and thus, being a community of individuals with a Rule, each applies it in his own circumstances. Ockham grounds our moral powers in non-positive morality. Of course, politically and by the lawyers’ positive moral science we do have ‘rights’, accorded or ascribed, and in foro externo, to own and use, and we have commanded obligations to be fair and keep the peace amongst our neighbours. But can we speak of non-positive natural ‘rights’ of ownership and use? No.16 TO CONCLUDE Franciscans can voluntarily choose to live without positive meum and tuum: they can be legally rightless. What civil meum and tuum now does is to limit the postlapsarian and recognized common ‘right’ of use. But even this must be capable of being overridden in cases of extreme need. Since the Church now lives in times where property has been established, both in common and individually, non-positive morality still allows Franciscans to reject all forms of ‘rights’ to use and ownership, 15
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Peter King: Ockham’s Ethical Theory, in: Paul Vincent Spade (ed.): The Cambridge Companion to Ockham. Cambridge 1999, pp. 227–244; Marilyn McCord Adams: William of Ockham: Voluntarist or Naturalist, in: John Wippel (ed.): Studies in Medieval Philosophy. Washington D.C. 1987, pp. 219–248. Some modern commentators think we can, see Arthur Steven McGrade: Right(s) in Ockham: A Reasonable Vision of Politics, in: Mäkinen/Korkman (eds.): Transformations (see note 10), pp. 63–94.
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voluntarily, by taking a vow. To deny that this is an explosive medieval political theory would, at the very least, require that we forget or ignore its historical impact on future thinkers in future centuries, especially regarding the origins and justification of private property. FURTHER LITERATURE Black, Antony: Political Thought in Europe 1250–1450. Cambridge 1991. Canning, Joseph: A History of Medieval Political Thought 300–1450. New York 1996. Coleman, Janet: Citizenship and the Language of Statecraft, in: Anthony Molho/Diogo Ramado Curto/Niki Koniordos (eds.): Finding Europe. Discourses on Margins, Communities, Images. Berghahn 2007, pp. 223–253. Coleman, Janet: The Science of Politics and Late Medieval Academic Debate, in: Rita Copeland (ed.): Criticism and Dissent in the Middle Ages. Cambridge 1996, pp. 181–214. Coleman, Janet: Medieval Discussions of Property: ratio and dominium in Thirteenth- and Fourteenth-Century Political Thought and its Seventeenth-Century Heirs, in: Political Studies 33 (1985), pp. 73–100. Coleman, Janet: Medieval Discussions of Property. Ratio and Dominium according to John of Paris and Marsilius of Padua, in: History of Political Thought 4 (1983), pp. 209–228. Kempshall, Matthew: The Common Good in Late Medieval Political Thought. Oxford 1999. Stephen McGrade, Arthur: Right(s) in Ockham: A Reasonable Vision of Politics, in: Virpi Makinen/ Petter Korkman (eds.): Transformations in Medieval and Early-Modern Rights Discourse. Dordrecht 2006, pp. 63–94. Miethke, Jürgen: Practical Intentions of Scholasticism: The Example of Political Theory, in: William Courtney/Jürgen Miethke (eds.): Universities in Medieval Society. Leiden 2000, pp. 211–228. Padoa Schioppa, Antonio: Hierarchy and Jurisdiction: Models in Medieval Canon Law, in: Antonio Padoa Schioppa (ed.): Legislation and Justice. Oxford 1997. Prodi, Paolo: Una storia della giustizia. Dal pluralismo dei fori al moderno dualismo tra coscienza e diritto. Bologna 2000. Quaglioni, Diego: La giustizia nel medioevo e nella prima età moderna. Bologna 2004. Reynolds, Susan: Kingdoms and Communities in Western Europe 900–1300. Oxford 1984.
WEALTH AND MONEY ACCORDING TO GILES OF ROME* Roberto Lambertini (Macerata) The contribution of the Hermits of Saint Augustine to medieval economic discourse has been understandably less studied than the works authored by members of the two “main” Mendicant Orders, the Friars Preacher and the Franciscans. The first approaches to this problem were in fact influenced by the prejudice – rooting in the attitude of both Neo-Thomism and anti-Neo-Thomism – that every significant medieval contribution to the history of Western thought could be found in Aquinas’ texts. In the second half of the last century scholars re-discovered the Franciscan heritage in economic discourse. Speaking of “Franciscan economics”, Odd Langholm was surely not a pioneer, since Italian specialists had already used expressions such as “economia politica francescana”.1 Comparing Franciscan and Dominican authors, either in order to stress similarities, or to highlight differences between two diverging “traditions” has become a relevant issue in nowadays discussions among scholars. It is sufficient to remember Langholm’s more recent The Merchant in the Confessional, a book that follows Dominican and Franciscan traditions well into the sixteenth century.2 If compared with these two giants, the Augustinian Hermits cut a poor figure already at the level of their literary output in this field, at least as far as quantity is concerned.3 Still, Julius Kirshner’s contribution about Gregory of Rimini suggests that they deserve more attention. In order to avoid misunderstandings, I do not claim a priori that a Mendicant Order necessarily builds a sort of “school of thought”, with its own peculiarities that distinguish it from the others and are supposed to influence also its approach to problems in the field of wealth and money. Nevertheless, I cannot share any a priori dismissal of the idea of Or*
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This article is a revised version of the paper read in Venice during the conference. I did my best to take advantage from the questions that were raised during the discussion. I also inserted my due apologies to Prof. Kirshner, whose criticism regarded another article of mine. Other references have been limited to a minimum. I would like to thank the editors of this volume for their help and patience. Odd Langholm: Economics in the Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value, Money, and Usury according to the Paris Theological Tradition, 1200–1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 29). Leiden/New York 1992, pp. 17–25, 117; Giacomo Todeschini: Un trattato di economia politica francescana: il “De emptionibus et venditionibus, de usuris, de restitutionibus” di Pietro di Giovanni Olivi (Studi storici 125–126). Roma 1980; Ovidio Capitani (ed.): Una economia politica nel Medioevo. Bologna 1987. Odd Langholm: The Merchant in the Confessional. Trade and Price in the Pre-Reformation Penitential Handbooks. London/Boston 2003. This state of affairs can be verified at first glance thanks to the indexes provided in Langholm: Economics (see note 1).
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der-bound traditions. The Hermits of Saint Augustine can represent an interesting text-case, also because their effort to build their own theological tradition is made explicit in their official and at the same time somewhat astonishing decision, taken at the General Chapter of 1287, that Augustinian teachers and students were bound to support the opinions of the first theology master of the Order, Giles of Rome, not limiting themselves to the works he had already written at the date of the decision, but accommodating also to the doctrines that were going to be contained in his future works.4 Although the following General Chapters corrected in part that decision, moderating its most foolhardy aspects, these events bear witness not only the enormous influence Giles exerted on his own Order, even before becoming General Prior, but also to the will of these newcomers among the Mendicant Orders to make up for the delay in comparison to the Friars Preacher they had adopted as a model in many fields of their institutional life, but especially as far as the educational system of the Order was concerned. In his unexcelled monograph, Eelcko Ypma showed that many trends in the formation of the educational structures of the Mendicant Orders come more clearly to light in the case of the Augustinians, since they wanted to follow the patterns that had been already developed in the past by the older, and bigger Mendicant Orders.5 At the same time, the Hermits of Saint Augustine were facing their own problems, since their hermitical background played a very important role in the first decades of this Order, created directly by the papal curia, gathering together different groups active in the Italian peninsula, and transforming them – not without difficulties and resistances – into a proper Mendicant Order.6 The present paper will therefore offer some insights in the writings of the first Augustinian theologian whose reflections on wealth and money have been handed down to us. I will therefore focus my attention on Giles of Rome, while some remarks concerning James of Viterbo and Henry of Friemar aim at emphasizing some aspects of his early reception in other Augustinian thinkers. I am not limiting my attention to classical issues in the history of economic thought, such as just price of usury, but I would like to enlarge the scope of this investigation also to other related topics, such as theory of property, virtues, and the like. I am persuaded that, taking into account the attitude towards wealth as a whole (and not only those discussions that can be brought to bear on contemporary interests in economic thought) can pro4
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Francesco Del Punta/Silvia Donati/Concetta Luna: Egidio Romano, in: Dizionario Biografico degli Italiani 42 (1993), pp. 319–341, now also available online at http://www.treccani.it/enciclopedia/egidio-romano_%28Dizionario-Biografico%29/; for updating, cf. also Lidia Lanza: Aegidius Romanus, in: Compendium Auctorum Latinorum Medii Aevi (500–1500). Firenze 2003, pp. 63–73; Roberto Lambertini: Giles of Rome, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy, http://plato.stanford.edu/entries/giles. Eelcko Ypma: La formation des professeurs chez les ermites de Saint-Augustin de 1256 à 1354. Un nouvel ordre à ses débuts théologiques. Paris 1956. Cf. Fulgence A. Mathes: The Poverty Movement and the Augustinian Heremits, in: Analecta Augustiniana 31 (1968), pp. 5–154; 32 (1969), pp. 5–116, especially in the first part. For the following years, see also Eric Leland Saak: Highway to Heaven. The Augustinian Platform between Reform and Reformation. Leiden/Boston/Köln 2002.
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vide a better historical understanding of the perception of economic phenomena in medieval texts and authors. Current research about later Augustinians, such as Gerard of Siena, whose question is being studied and edited by Lawrin Armstrong,7 and Gregory of Rimini, whose disputed question on prestita is being edited by Julius Kirshner,8 will provide scholars with a more complete picture of what Langholm calls the “Augustinian contribution”. THE PRINCE AND WEALTH In his long career, Giles of Rome tackled for the first time9 issues connected with wealth and money in his De regimine principum, a mirror for Princes that enjoyed an enormous success, not only in his original Latin version, but also in many rendering in European vernaculars, that are now object of a renewed attention among scholars.10 Dedicated to the young Philip the Fair, this book did not reach only the libraries of royal dynasties and noble families, but also those of cultivated churchmen and of many convents, since, as recent scholarship could show, this mirror was used also as textbook providing a facilitated access to Aristotle’s practical philosophy, ethics and politics alike.11 7 8
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Lawrin Armstrong: The Idea of Moral Economy: Gerard of Siena on Usury, Restitution, and Prescription (Toronto Studies in Medieval Law 2). Toronto 2014, forthcoming. In this respect, it is my duty to correct some wrong statements contained in my paper: L’economia e la sua etica. La quaestio di Gregorio da Rimini su debito pubblico ed usura, in: Gregorio da Rimini. Filosofo (Atti del Convegno, Rimini, 25 novembre 2000). Rimini 2003, pp. 97–126; in particular, I was wrong in attributing the discovery of the manuscript copy of Rimini’s Questio praestitorum to Carlo Dolcini (p. 99); as a matter of fact, following an independent path, Carlo Dolcini had come across the manuscript copy Julius Kirshner had already mentioned in one of his papers, some years before. This circumstance escaped notice and this error was perpetuated by me also in the entry of the Dizionario Biografico degli Italiani, which I co-authored with Alessandro Conti and Andrea Tabarroni cf. http://www.treccani.it/enciclopedia/gregorio-da-rimini_%28Dizionario-Biografico%29/. I owe to Prof. Kirshner my most sincere apologies. In his De differentia rhetoricae, ethicae et politicae, that he had written before becoming thoroughly acquainted with Aristotele’s Politics, Giles considers oeconomica generally as regimen familiae without touching upon its economic implications; cf. Gerardo Bruni: The “differentia rhetoricae, ethicae et politicae” of Aegidius Romanus, in: The New Scholasticism 6 (1932), pp. 1–18, at p. 9. Wilhelm Berges had already pointed to this enormous success also in the vernacular; but see the most recent results in: Noelle-Letitia Perret: Les traductions françaises du “De regimine principum” de Gilles de Rome. Parcours matériel, culturel et intellectuel d’un discours sur l’éducation. Leiden/Boston 2011; some observations of mine in: Roberto Lambertini: Lost in Translation. About the Castilian Gloss on Giles of Rome’s De regimine principum, in: Gianluca Briguglia/Thomas Ricklin (eds.): Thinking Politics in the Vernacular. From the Middle Ages to the Renaissance. Fribourg 2011, pp. 93–102. Concetta Luna: Introduzione, in: Francesco del Punta/Concetta Luna: Catalogo dei manoscritti (1001–1075) De regimine principum, Città del Vaticano Italia. Firenze 1993, pp. XXVI– XXXIII; Charles F. Briggs: Giles of Rome’s De regimine principum. Reading and Writing
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Problems concerning wealth surface already in the first book of the De regimine, which is devoted to the prince as an individual and, more specifically, to his virtues and passions.12 As I could show elsewhere, Giles adapts Aristotle’s theory of virtues, filtered through the mediation of his medieval interpreters (in particular Aquinas), to an usual topic of the Mirrors for Princes, that is the description of the ideal Christian king. He is well aware of the problems implied by the effort of interpreting the Aristotelian doctrine in a Christian ethical perspective and is very attentive to the more controversial issues emerging in this context.13 As it is well known, two Aristotelian virtues regulate primarily passions concerning wealth: liberalitas and magnificentia.14 Giles explains that being liberalis means being able to avoid the opposite vices of avarice and prodigality.15 For reasons that will be clear in the following, he specifies also that liberalitas concerns moderate amounts of money.16 The use of money is therefore paramount in describing the appropriate behaviour of the liberalis: he spends his money to the right purposes, safeguards his sources of income, in order to preserve the possibility of giving also in the future and, thirdly, does not earn money in an illicit or shameful way. Among such dishonourable ways of acquiring money Giles lists, following Aristotle, usury, pimping, depredation of corpses, playing dice. To this point, Giles’ exposition is not much more than a somewhat simplified summary of the first chapters of the Nicomachean Ethics, book IV.17 From Aristotle Giles takes also the idea that avarice is much worse than prodigality, since avaritia is in some way more opposed to liberality; the greedy tends in fact to avoid giving in itself, which is the proper action of the liberalis.
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Politics at Court and University, c. 1275 – c.1525. Cambridge/New York/Melbourne 1999; Noelle-Laetitia Perret: Lecteurs et possesseurs des traductions françaises du “De regimine principum” (vers 1279) de Gilles de Rome (XIIIe–XVe siècles), in: Le Moyen Âge 116 (2010), pp. 561–576. As a critical edition is still lacking, I will refer to the 1607 edition in print: Hieronimus Samaritanius (ed.): Aegidius Romanus: De regimine principum libri III, Romae 1607. Roberto Lambertini: Il filosofo, il principe e la virtù. Note sulla ricezione e l’uso dell’Etica Nicomachea nel De regimine principum di Egidio Romano, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 2 (1991), pp. 237–279. A summarizing description of Giles’s doctrine in Stephen H. Rigby: Wisdom and Chivalry. Chaucer’s Knight’s Tale and Medieval Political Theory. Leiden/Boston 2009, whose interests, however, lie more in the field of literature. About the interpretations of liberalitas in the XII century, before the translation of the Nicomachean Ethics into Latin, see Richard G. Newhauser: Justice and Liberality. Opposition to Avarice in the Twelfth Century, in: István P. Bejczy/Richard G. Newhauser (eds.): Virtue and Ethics in the Twelfth Century. Leiden/Boston 2005, pp. 295–316. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), I, 2, 17, p. 99: Liberalitas (que alio modo largitas nuncupatur) dicitur respicere sumptus mediocres […] sicut fortitudo, quia est media inter timores et audacias, ideo est virtus reprimens timores et moderans audacias, ita liberalitas, quia est media inter avaritias et prodigalitates, ideo est virtus reprimens avaritias, et moderans prodigalitates. Consistit autem hec virtus in recto usu pecuniae. I will refer to the standard Latin translation available to Giles: René-Antoine Gauthier (ed.): Aristoteles: Ethica Nicomachea. Translatio Roberti Grosseteste Lincolnienis sive “Liber Ethicorum” B. Recensio recognita (Aristoteles latinus, XXVI/1–3, fasc. IV). Leiden/Bruxelles 1973.
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Prodigality, on the contrary, is an uncontrolled way of giving.18 Giles, however, adds an almost personal remark: princes can hardly be prodigal, since they have access to a huge quantity of resources.19 To support this claim, he also refers to Aristotle, through the mediation of Aquinas, because the Philosopher states that liberality does not consist in quantity of the things given, but in the disposition of the giver; Aquinas had already interpreted this in habitu as meaning both possessions and will. Giles inserts this gloss almost literally in his mirror.20 A further complication of the discussion is caused by the fact that Aristotle’s list of virtues includes also another habit concerning wealth, namely magnificence. The interpretation of this virtue and of its relationship to liberality has caused many problems to the commentators of the Stagirite and also to contemporary scholarship.21 For example, commenting on Book IV, Albert the Great raises the questions whether magnificence can be distinguished from liberality and whether every person can be magnificent.22 At first glance, in fact, it seems that the difference between these two habits consists merely in quantity, because magnificence is said to concern great expenses. This would carry the consequence, however, that people who cannot afford great expenses are in principle excluded from the possibility of acquiring it. Moreover, given Aristotle’s persuasion that the possession of one virtue, if authentic, implies the possession of all virtues, the presence itself of magnificence in the list of virtues restricts the number of really virtuous persons to the most wealthy. In order to avoid such a disturbing consequence, Albert the Great and Aquinas introduced a distinction between habit and use, arguing that the virtuous poor can be considered potentially magnificent, in the sense that, if they had the means, they would act accordingly to that virtue.23 Giles’ treatment of magnificence 18
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Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), I, 2, 19, p. 104: Prodigalitas magis est propinqua virtuti, quam avaritia:nam liberalis non libenter recipit, et libenter dat; quorum utrumque facit prodigus: neutrum tamen facit avarus. Non ergo differt prodigalitas a liberalitate, nisi quia prodigus non dat ut debet et quibus debet et cuius gratia debet. Ibidem, I, 2, 17, pp. 102–103: Quicumque enim tot habet, et tanta recipit, quod dationes et expensae multitudinem possessionum superare non possint, quodammodo prodigus esse non potest. Actually, Giles is not completely original, because he adapts a passing remark of Aristotle’s concerning tyrants to the prince (cf. Aristotle: Ethica nicomachea [see note 17], V , 1, 1120b25–26, p. 433: Propter quod tyrannos non dicimus prodigos. Multitudine enim possessionis non videtur facile esse dacionibus et expensis superhabundare). Aristoteles: Ethica nicomachea (see note 17), IV, I, 1120b8–10, p. 432: Non enim in multitudine datorum quod liberale, set in dantis habitu: hic autem secundum substanciam dat; Thomas Aquinas: Sententia libri Ethicorum, liber IV–X (Id.: Opera omnia iussu Leonis XIII edita, t. 47, 2). Roma 1969, IV, c. 2, p. 207: Non enim datio iudicatur liberalis ex multitudine donorum, sed ex habitu, id est ex facultate et voluntate dantis; Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), I, II, 17, p. 102: Vult Philosophus 4 Ethicorum liberalitatem non esse in multitudine datorum, sed in habitu, id est in facultate et voluntate dantis. A recent, very interesting discussion of these issues can be found in Howard J. Curzer: Aristotle and the Virtues. Oxford 2012, pp. 83–116. Wilhelm Kübel (ed.): Albertus Magnus: Super Ethica commentum et quaestiones. Ps 1 (Opera Omnia […] instruenda curavit Institutum Alberti Magni Coloniense 14/1). Münster 1968/72, IV, 5, p. 243 s.; about Albert’s ethics see Jörn Müller: Natürliche Moral und philosophische Ethik bei Albertus Magnus. Münster 2001. Albertus Magnus: Super Ethica commentum et quaestiones (see note 22), IV, 5, p. 244: Dici-
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is without doubt indebted to Aquinas,24 although his task is made easier by the circumstance that he is writing for a public that by definition possesses enough to afford great expenses. In particular the king should be ready to spend with generosity in favour of religion, financing churches, liturgies, and the like, but also other enterprises of public interest; moreover he should be magnificent towards honourable persons and in building for himself and for his own family. Such buildings must be admirable, long-lasting, appropriate to his social status.25 In sum, focussing on the attitude of the prince towards wealth, book I of the De regimine exhorts him not to fall prey of avarice and pettiness and insists rather generically on the fact that he should avoid dishonourable ways of acquiring money, and should on the contrary spend for appropriate purposes.26 To receive more detailed information, the reader has to proceed to book II, devoted to oeconomica, the middle discipline of the Peripatetic triad of moral philosophy. When Giles wrote his De regimine, the Latin version of the pseudo-Aristotelian Oeconomica was not available to the Latin West yet.27 Therefore, Giles pieces together his treatment drawing on the first and last books of the Politics, recurring also to other authors, but always adapting his sources to his own design.28 For the issue at stake, the main source is not surprisingly book I of the Politics, but, as we will see, with not minor modifications. Repeating time and again that his teachings about household can be useful not only for a king, but also for his noble subjects, Giles makes clear that he is thinking first and foremost at the household of a lay, well off, high rank family.29 For this reason, after arguing extensively that dominion on external goods is natural, he remarks that those who decide to renounce such a
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mus, quod magnificentia potest considerari dupliciter: quantum ad habitum, et sic quilibet potest habere ipsam, vel quantum ad usum, et sic tantum est divitum. See also Thomas Aquinas: Summa Theologiae, IIa-IIae (Opera Omnia iussu Leonis XIII edita, X). Romae 1899, q. 134, a. 3, p. 93; cf. Lambertini: Il filosofo, il principe (see note 13), pp. 260–264. Cf. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), I, II, 19–21, pp. 106–114. Ibidem, I, II, 19, pp. 108–109: Decet enim magnificum (ut dicitur 4 Ethicorum) habitationem praeparare decenter et magis debet intendere quomodo facere debeat admirabiles et diuturnas domos, quam faciat eas sophysticas et apparentes. Liberality belongs to the standard image of the prince in medieval times; this is confirmed also by Cary J. Nederman, Avarice as a Princely Virtue? The Later Medieval Backdrop to Poggio Bracciolini and Machiavelli, in Cary J. Nederman/Nancy Van Deusen/E. Ann Matter (eds.): Mind Matters. Studies of Medieval and Early Modern Intellectual History in Honour of Marcia Colish. Turnhout 2009, pp. 255–274, who, despite his intriguing title, shows very persuasively only that in the Late Fourteenth Century authors such as Oresme and Christine de Pizan recognized “that the mechanisms for promoting the material wealth of the nation formed part and parcel of princely virtue” (p. 273), not that the rulers were praised for being greedy. Christoph Flüeler: La dottrina medievale sul governo della casa. Il contributo degli Ordini mendicanti, in: Etica e Politica. Le teorie dei frati mendicanti nel due e trecento. Atti del XXVI Convegno internazionale di studi della società internazionale di studi francescani (Assisi, 15– 17 ottobre 1998). Spoleto 1999, pp. 173–202; see also Pavel Blažek: Die mittelalterliche Rezeption der aristotelischen Philosophie der Ehe. Von Robert Grosseteste bis Bartholomäus von Brügge (1246/1247–1309). Leiden/Boston 2007, pp. 77–109, 197–267. Roberto Lambertini: A proposito della “costruzione” dell’Oeconomica in Egidio Romano, in: Medioevo 14 (1988), pp. 315–370. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 3, p. 353: Declarabitur enim
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dominion do it for a higher good and lead a celestial life superior to that of other people.30 Object of his treatment in the De regimine – he writes – are therefore less perfect people, who do not renounce dominion. In fact, after a plaidoyer in favour of private property along the lines of Aristotle’s critique of Plato,31 Giles passes to distinguishing among different ways of acquiring it, thereby condemning the tendency to accumulate riches in infinitum.32 At this point, he feels the need to explain, following Aristotle, how and to which purpose money was “invented”; this raises, in turn, the question about licit and non-licit ways of acquiring money. As it often happens in De regimine, Aristotle’s passing remarks are transformed in a structured list.33 According to it, we should distinguish among four possibilities, that is pecuniativa naturalis, pecuniativa campsoria, pecuniativa obolostatica, usura. Aristotle is persuaded that only the first way, that is acquiring money by selling the surplus in production of wheat or wine, would be natural. The other three are excluded as “not-natural”.34 On the contrary, Giles admits the first three possibilities, judging as ethically unacceptable only the fourth one, usury. The latter statement is of course far from being surprising.35 Much more surprising is that Giles, going beyond Aristotle, but also beyond (and even against) the two commentaries on the Politics that were – to our knowledge – available to him, that is Albert’s paraphrase and Thomas’s sententia,36 identifies obolostatica with the practice of
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primo quales domos et quales habitationes Reges et principes et universaliter omnes cives habere debent. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 5, pp. 360–361: Qui ergo talibus abrenunciat, et proponit vivere absque dominio exteriorum rerum, non proponit vivere ut homo, sed eligit sibi vitam caelestem, et supra hominem. Sicut nubere et producere per generationem sibi similia, est homini naturale; nihilominus tamen multi sunt qui volentes vacare maiori bono, connubia renuunt: tales enim (ut superius dicebatur) non vivunt ut homines, nec sunt pars civitatis, sed eligunt sibi vitam supra hominem, et dicendi sunt hominibus meliores. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 5, pp. 361–363. About Giles’ interpretation of Plato’s political idea, see Roberto Lambertini: Philosophus videtur tangere tres rationes. Egidio Romano lettore ed interprete della Politica nel terzo libro del De regimine Principum, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 1 (1990), pp. 277–325, at pp. 313–316. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 5, pp. 366–368. About this method see Lambertini: Philosophus videtur (see note 31), pp. 283–286; Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, pp. 371–373. Franz Susemihl (ed.): Aristoteles: Politicorum libri octo cum vetusta translatione Guilelmi de Moerbeka I (1255a38–b8). Lipsiae 1872, pp. 43–44. For a sketchy overview see Pierre Pellegrin: Hausverwaltung und Sklaverei, in: Otfried Höffe (ed.): Aristoteles Politik. Berlin 2001, pp. 37–57; Analytical remarks in Aristoteles: Politik 1. Über die Hausverwaltung und die Herrschaft des Herrn über Sklaven, übers. und erl. v. Eckart Schütrumpf (Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung 9). Berlin 1991, pp. 349–353. Giles maintains that usury is contrary to natural law; cf. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 11, p. 376: Decet ergo reges et principes, si volunt naturaliter dominari, prohibere usuras, ne fiat quod iuri naturali contradicant. For a more detailed analysis see Lambertini: A proposito della “costruzione” (see note 28), pp. 364–366.
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melting down coins whose intrinsic content in precious metal is higher than its exchange value.37 Even though profiting from the exchange of different currencies and from melting down coins is judged ethically acceptable by Giles, it does not fit, according to him, the life-style of a prince.38 He should leave such practices to merchants and rather follow the example of Frederick II, a man of great secular wisdom, who owned directly many masseriae, as Giles says, basing on their products the wealth of his court. The Augustinian friar finds that is more suitable to a king owing his own estates and satisfying the need of his court with their production, than depending constantly on buying the necessities of life from others. In this second way, he would in fact resemble more a stranger and a pilgrim in his own kingdom, than a real sovereign. Instead, he should invest in cattle breeding, birds (especially pigeons), and apiculture that, in Giles’s opinion, is very profitable because it yields high revenues.39 In sum, Giles thinks that kings should ensure their income on the basis of a net of farms, that will provide them in a “natural way” with the resources that are necessary to their office.40 As far as usury is concerned, Odd Langholm’s analysis dispenses us from a detailed exposition. It is worth noting, however, that according to the Norwegian
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Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, 3, 10, pp. 371–372: Prima ergo species ipsius pecuniativae dicitur esse quasi naturalis, quae fit ex eo quod res naturales commutantur in pecuniam. Si quis ergo abundans vino et frumento, quae naturaliter producuntur, ex eis pecuniam susciperet, talis pecuniativa quasi naturalis diceretur, quia a rebus naturalibus inciperet. Secunda species pecuniativae dicitur esse campsoria; hec enim (secundum Philosophum I Politicorum) forte primitus casu et simpliciter inventa fuit, sed deinde per experientiam iam est artificialis effecta […], tertia species pecuniativae est obolostatica, vel ponderis excessiva: quae forte sic inventa fuit. Nam sicut sicut massa metalli in denarios dividitur, et imprimitur ibi signum publicum, sic aliquando, aliqua necessitate interveniente, ut propter vasa fienda, vel propter aliquid aliud, denarii resolvuntur in massam. Accidit ergo forte ex totidem denariis numero confici massam maioris ponderis, ex quo casu ars sumpsit originem, ut omnes denarii ponderarentur et qui essent maioris ponderis resolventur in massam ut ex hoc lucrum haberi possit […]. Quarta species pecuniativae dicitur esse tachos, quod in latino idem sonat quod partus. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), II, p. 373: Usuras enim nemo exercere debet; campsoria autem et obolostatica et si mercatoribus vel aliquibus aliis permittuntur, regibus tamen et principibus, quos decet esse quasi semideos, exercere non congruit. Nam primam speciem pecuniativae, quae est oeconomica et quasi naturalis, decet. Decet enim ipsos abundare in possessionibus et in redditibus, ex quorum fructu pro defensione regni et aliis necessariis possunt abundare pecunia. Ibidem, II, 3, 12, p. 380: Insistendum est circa apum culturam, si partes illae aptae essent ad talem cultum: ex apibus enim in partibus convenientibus colligitur multus fructus cum parvis expensis. Ibidem, II, 3, 12, p. 379: Vidimus enim Federicum Imperatorem, qui tantae sapientiae saecularis praedicabatur, habuisse massaritias multas; non obstante enim quod terrae fertilissimae dominabatur, ubi victualia modici precii existebant, nihilominus, quasi [tamen] semper ex propriis alimenta carnium volebat assumere […]. Hoc enim decet reges et principes, ut aliis existentibus in regno exempla prebeant, ut non videantur vivere quasi advenae et peregrini. Qui enim singula alimenta pecunia emit, magis vivit ut advena, quam ut civis.
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scholar, Giles’s argument could have served as a basis for Gerard of Siena rephrasing of the natural law case against usury.41 QUODLIBETAL APPROACHES TO WEALTH AND MONEY Giles’s career to the position of regent master in theology was notoriously eventful.42 In this capacity, Giles held six quodlibetal disputations. The rich manuscript tradition (fifteen surviving copies are a fairly large number for this literary genre) bear witness to the circumstance that Giles was asked to take position about issues that were rather common in quodlibeta, as the recent survey by Giovanni Ceccarelli has clearly shown.43 In quodlibet II q. 26, dated, according to Giorgio Pini’s most recent assessment, 1287, Giles is confronted with the hotly debated issue of alms deriving from usurious gain.44 Unlike De regimine, that puts kings and noble men on their guard against usurious gains, this quodlibet deals with a social and economic context where usury exists de facto, and usurers are even willing to convert their profits (or part thereof) into alms. We are well aware of the fact that the mendicant Orders very often benefited from such offerings.45 In this quodlibetal question Giles draws in the first place a distinction between money and other goods acquired with usury. If the usurious contract brought to the usurer a piece of land or a building (that is real estate), or a horse, whose former owner can be more easily identified, it shouldn’t be accepted, because the beneficiary would receive, together with donation, also the burden of restitution.46 On the contrary, if the fruit of usurious practice is an amount of money, this opens in turn a double possibility: either 41 42 43 44
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Langholm: Economics (see note 1), pp. 386–390. Robert Wielockx: Commentaire, in: Id. (ed.): Aegidii Romani Opera omnia III.1. Apologia. Firenze 1985, pp. 69–225. Giovanni Ceccarelli: Whatever Economics, in: Christopher Schabel (ed.): Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Thirteenth Century. Leiden/Boston 2006, pp. 475–505. Giorgio Pini: Giles of Rome, in: Schabel (ed.): Theological Quodlibeta (see note 43), pp. 233– 286, at pp. 240–244. Cf. P. D. De Coninck (ed.), Aegidius Romanus: Quodlibeta. Leuven 1546 (reprint: Frankfurt am Main 1966), II, 26 [Utrum liceat recipere eleemosynam ab eo, qui nihil habet, nisi de usuris?], pp. 113–115. Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), II, 26, p. 114: in contrarium est consuetudo, qua libenter pauperes recipiunt eleemosynas, non discernendo hos et alios (under the term pauperes Giles understands also the friars belonging to the Mendicant Orders); in the last decades, medieval historians have devoted more attention to the issue of male ablata and of their restitution; cf. Giacomo Todeschini: I mercanti e il tempio. La società cristiana e il circolo virtuoso della ricchezza fra Medioevo ed Età moderna. Bologna 2002, pp. 133–185; for an overview of “Mendicant” economy see now Nicole Bériou/Jacques Chiffoleau (eds.): Économie et religion. L’Expérience des ordres mendiants (XIIIe-XVe siècle) (Collection d’histoire et d’achéologie médiévale 21). Lyon 2009; see also Annamaria Emili: De regimine Judeorum. Una proposta di edizione dell’epistola De Judeis del minorita Giovanni Peckham, in: Franciscana. Bullettino della Società internazionale di studi francescani 13 (2011), pp. 159–191. Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), II, 26, p. 114: Dicamus quod si sit res illa aliud quam pecunia, quae est acquisita lucro usurario, tunc talis res non deber recipi, quia transit cum onere suo, et etiam, quia magis certificat et determinat possessorem.
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the financial resources of the donator derive exclusively from usurious gain, or not.47 If the donatee can be certain, beyond every doubt, that the offer comes from usury, he must refuse.48 As a matter of fact, question 22 of the VI Quodlibet (dated between Lent 1292 ad Lent 1293), deals with the problem of the restitution of gains obtained investing money acquired through usury.49 Here Giles applies consequently the dismissal of what has been called the “root argument”.50 The fruits of licit gains obtained investing usurious money are not object of the duty of restitution, since they derive from human industry, not from a potentiality intrinsic to money alone.51 This conclusion, that can be read both in Aquinas and in Olivi,52 is furthermore supported with the argument that claiming the fruit of usurious money invested in a licit economic activity would amount to destroy the whole doctrine against usury.53 Interestingly enough, Giles takes into consideration also the possibility that the debtor can in some way harm the usurer; he suggests that in such cases the debtor renounces, out of liberality, without being compelled to, a part of the 47 48
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Ibidem: Si autem sit pecunia, aut ille, qui dat eleemosynam, habet aliquid, quod non sit de usuris, aut non; si habet, certum est quod potest facere idem eleemosynam, et quod recipiens possit recipere. Ibidem, p. 115: Sicut multoties accidit, quod usurarius dicat pauperi, libenter facio tibi eleemosinam: sed videas si velis accipere, quia de usura est; in hoc casu, quantum nobis occurrit, non debet pauper illam eleemosynam recipere: quia eo ipso, quod usurarius dicit illam pecuniam esse de usura, videtur illam pecuniam velle dare hoc pacto, ut transeat cum onere suo. et quod recipiens teneatur ad restitutionem eius tamquam ad restitutionem rei usurariae. Ibidem, VI, 22 [Utrum lucrum acquisitum de pecunia usuraria sit reddendum?], pp. 426–428. Langholm: Economics (see note 1), pp. 86–87, 244–245, 338–339. Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), VI, 22, p. 428: Quod vero obicjebatur, quod si radix infecta, et rami; ad hoc dici debet, ut communiter dicitur, quod radix non solum habeat rationem passivi, sed etiam activi. Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), VI, 22, p. 427: Lucrans ergo pecuniam usurariam potest retinere tale lucrum, quia huiusmodi lucrum non ascribitur usui aeris, quia tunc esset usura, sed industriae lucrantis; prout lucrans impendit huiusmodi pecuniam in aliquibus mercationibus, de quibus sortitur lucrum et emolumentum. Thomas Aquinas: Quaestiones quodlibetales (Opera Omnia iussu Leonis XIII edita 25, 2). Roma/Paris 1996, I, q. 7, a. 2 (19), p. 276: Ad illud ergo quod in contrarium obicitur, dicendum quod pecunia usuraria non se habet per modum radicis ad lucrum quod de ea fit, set solum per modum materie. See also Thomas Aquinas: Summa Theologiae, IIa-IIae (see note 23), q. 78, a. 3, p. 165; as for Olivi see Langholm: Economics (see note 1), p. 367. See Pierre de Jean Olivi: Traité des contracts, ed. Sylvain Piron. Paris 2012, pp. 260–262. Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), VI, 22, p. 427: Nam, si deberet lucrans ex pecunia usuraria reddere lucrum ex tali pecunia, tunc usura esset licita: nam usura dicitur ab usu aeris, si ergo de usu nudo sicut de usu pecunie, non debeat accipi emolumentum, et si accipiatur, dicatur esse usura; si, cum usurarius, per usum pecuniae usurariae, habuit huiusmodi lucrum, posset dans usuram repetere huiusmodi lucrum, vel si deberetur de iure ei lucrum, haberet de usu aeris emolumentum, propter quod committeret usuram. Giles had already summarized the main tenets of the standard theory of usury in Quodlibeta (see note 44), V, 24, pp. 336–339, where he argues in favour of the lawfulness of purchase of life rents, an issue that was hotly debated in the XIII century, also because many churchmen and persons living in a religious status had recourse to such contracts; cf. Fabiano Varaja: Le origini della controversia teologica sul contratto di censo nel XIIIo secolo. Roma 1960; see also now Ceccarelli: Whatever Economics (see note 43), pp. 499–504.
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restitution as a sort of indemnity for the damage suffered by the moneylender. He informs the reader that good confessors give this advice to their penitents, while in order to establish the amount of this sort of indemnity one should have recourse to the consilium prudentis.54 Todeschini has also stressed the importance of such “prudent men” in reconstructing the economic discourse that at the same time regulates and describes economic practices in late mediaeval urban economy.55 WEALTH AND PAPAL POWER Some years later Giles was to come back to discussing economic issues, although from a quite different perspective, on occasion of the well known dispute between Boniface the VIII and Philip the Fair. It is well known that in his De ecclesiastica potestate Giles of Rome reveals himself as a staunch defender of the papal plenitudo potestatis, who tries to refute, one by one, all arguments put forward by the supporters of the dedicatee of his De regimine principum.56 It is less known that in this same treatise he defends the right of the Church to exert dominium on temporal goods, although taking directly care of business is a duty of laymen.57 Religio christiana, – Giles writes, echoing what he had stated in De regimine – could not exist without the necessities of life and without trade of products that are abundant in one Christian region and scarce in another.58 The highest power in regulating economic and property issues, however, lies with the Church, and especially with his visible head, the supreme pontiff.59 The Augustinian master formulates a further argument 54
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Aegidius Romanus: Quodlibeta (see note 44), VI, 22, p. 427: Sicut, viceversa, ille, qui accepit ad usuras, si diu tenendo pecuniam usurarii, forte ex hoc usurarius damnificatus sit, inducendus esset, ut iuxta iudicium prudentis, in aliquo satisfaceret, vel non totum acciperet ab usurario. Unde et boni confessores inducunt eos, quibus redditur usura, quod ex liberalitate curialitatem faciant usuras reddentibus: est tamen haec inductio magis de congruo, quam de merito: quia non sic tenetur ad infortunia bene agens, sicut male agens. Todeschini: I mercanti (see note 45), pp. 349–370. For a terse exposition of the main tenets of this work see Jürgen Miethke: De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham. Tübingen 2000, pp. 94–102; more recently: Elmar Krüger: Der Traktat “De ecclesiastica potestate” des Aegidius Romanus. Eine spätmittelalterliche Herrschaftskonzeption des päpstlichen Universalismus. Köln/Weimar/Wien 2007. There are, however, interesting remarks in: Eckhard Homann: Totum posse, quod est in ecclesia, reservatur in summo pontifice. Studien zur politischen Theorie bei Aegidius Romanus. Würzburg 2004, pp. 132–145. Richard Scholz (ed.): Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate. Weimar 1929 (Nachdruck Aalen 1961), II, 1, p. 38: Dicemus ergo, quod religio christiana vel non posset stare et non posse habere sufficientiam vite, nisi aliqui christianorum essent solliciti circa temporalia, ut ad mercancias faciendum: quia, cum alique regiones, ubi christiani habitant, abundant in uno et deficiunt in alio, ut puta abundant in bonitate lane, deficiunt in ubertate vini, necessarium fuit humanum genus quantum ad alios ex eis mercancias facere, quantum ad alios terras arare […]. Et hoc modo habere temporalia, quantum ad ista sollicitudinem, competit laicis, […] ut clerici debent esse solliciti in hiis que sunt ad deum. Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate (see note 58), II, 4, p. 51: Anime ergo nostre, corpora nostra, temporalia nostra omnia sunt sub regimine Petri et per consequens sub regi-
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in this sense, that builds on Augustine’s statements concerning the origin of private property. In his polemics against the Donatist Church, Augustine had stressed the fact that rights of ownership depend on a system of rules established on the basis of agreements among men, culminating in written law.60 Excluding in this way a natural origin of property rights, it becomes easier to link such rights to a legitimating instance. This instance is obviously the fullness of power belonging to the Church. From this conclusion it logically follows that only Christians possess a legitimate right to property, that is denied to everybody who does not belong to the Church.61 CONCLUSIVE REMARKS Understandably, specialists discuss about the coherence of the positions held by Giles in De regimine principum and in De ecclesiastica potestate; recently someone suggested that Giles must have changed his mind in the two decades intervening between the works.62 It is not the aim of the present contribution to approach – let alone solve – such a controversial problem. Concluding, I will rather point to some aspects of the reception of Giles’s rich literary output. James of Viterbo, Giles’s confrère and successor as Augustinian regent master in Paris, bears witness to the influence exerted by Giles’s De ecclesiastica.63 James’s
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mine et gubernacione summi pontificis, qui in potestate et regimine ecclesie Petro noscitur successisse. Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate (see note 58), II, 12, pp. 103–104: Sciendum ergo, quod primitus non fuit de iure hec possessio huius et alia illius, quod aliquis posset dicere: «hoc est meum», nisi ex convencione et pacto quod habebant ad invicem […] postquam autem inceperunt homines dominari super terram et fieri reges, supervenerunt leges que et hoc continebant et alia superaddebat […]. Superaddiderunt autem leges alias preter convenciones, contractus et pacta, per que potest aliquis dicere: «hoc est meum»; ut puta si tanto tempore fuit illius rei possessor pacificus. About the use of Augustine in late mediaeval debates on the origins of property and power see also Roberto Lambertini: Jenseits des politischen Augustinismus. Zur Rezeption Augustins in der politischen Theorie des Spätmittelalters, in: Cornelius Mayer (ed.): Augustinus – Recht und Gewalt. Beiträge des V. Würzburger Augustinus-Studientages am 15./16. Juni 2007. Mit einer kommentierten Quellensammlung zur Richtertätigkeit Augustins. Würzburg 2010, pp. 73–96. Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate (see note 58), II, 11, p. 98: Infideles ergo vel eciam fideles contra ecclesiam delinquentes et ipsi ecclesie quod debent non reddentes eamque non catholicam et universalem recognoscentes, omnium que habent tam propriarum personarum, quam eciam facultatum necnon dominiorum et potestatum sunt indebiti possessores. Homann: Totum posse (see note 57), esp. pp. 148–149. Most recently, also James’s quodlibetal questions, who were discussed and then “published” in written form some years before the De regimine christiano, received increasing attention not only by historians of metaphysics. Around thirty manuscript witnesses prove that they exerted a noteworthy influence, especially among authors belonging to the same Order. The most interesting in this respect is q. 17 of the first Quodlibet, where James answers the question whether the pope can absolve somebody from usury without restitution. See Karl Ubl/Lars Vinx: Kirche, Arbeit und Eigentum bei Johannes Quidort von Paris O.P. († 1306), in: Christoph Egger/ Herwig Weigl (eds.): Text – Schrift – Codex. Quellenkundliche Arbeiten aus dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Wien/München 2000, pp. 304–344.
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de potestate papae treatise, that bears the title De regimine christiano, is well known among students in medieval political thought. It contains, however, also statements concerning the relationship between Church and wealth that are strongly reminiscent, as the most recent critical editor, Robert Dyson, has shown, of the almost contemporary De ecclesiastica potestate by Giles.64 He defends, almost with the same words, the right of churchmen not only to use temporal things to sustain their lives and to distribute to the poor, but also to have dominium, that is lordship over such temporal things, although it is better that the care is entrusted to others.65 The agreement with Giles is not limited to this opinion, that was of course shared by many authors of the time.66 The future archbishop of Salerno concurs with his more famous confrère also on one of his most daring and discussed claims, that no possession can be considered just unless the owner submits himself to the spiritual power.67 Augustinian regent master in Paris was also Henry of Friemar, who was among the theologians who answered to Philip the Fair in 1308, in a rather disappointing way for the French king, about the legitimacy of his procedure in arresting the Knights Templars and about his right to seize their goods.68 Several works concerning the attitude to wealth are attributed to him, but the successful commentary on Aristotle’s Ethics, preserved in more than 20 manuscripts, was surely penned by him, most probably in 1310.69 One can claim that Henry, to a certain extent, carried 64 65
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Robert W. Dyson (ed.): James of Viterbo: De regimine christiano. A Critical Edition and Translation. Leiden/Boston 2009; Miethke: De potestate (see note 56), pp. 102–105, points to the even greater diffusion exerted by James’s treatise in comparison to Giles’s. James of Viterbo: De regimine christiano (see note 64), II, 10, p. 320: Dicendum est quod prelati ecclesiarum possunt temporalia possidere tum ad sustentationem sue uite tum ad dispensandum pauperibus et in alios pios usus; nec solum quantum ad usum sed etiam quantum ad dominium temporalia possunt habere. Tamen sollicitudinem circa ista temporalia debent aliis committere, ut liberius intendere valeant spiritualibus actibus. Dyson’s reference to Giles’s De potestate is at page 321, note 4. For example, also Giles’s and James’s main adversary in this controversy, John of Paris, maintains that the Church can legitimately own possession; cf. for example Janet Coleman: The Intellectual Milieu of John of Paris, in: Jürgen Miethke (ed.): Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert. München 1992, pp. 173–206, where the importance of the polemics against Franciscans is a little overstated; see also Miethke, De potestate (see note 56), pp. 116–126. James of Viterbo: De regimine christiano (see note 64), II, 7, p. 224: Adhuc, secundum ius divinum nullus iuste ac legitime possidet aliquid temporale si Dei dominio, a quo id habet, uoluntarie non subdatur, et si recte non utatur […]. Non autem subditur Deo qui non est subiectus ecclesiastice potestati. Heinrich Denifle/Emile Chatelain (eds.): Chartularium Universitatis Parisiensis, II, 1. Paris 1891 (reprint Bruxelles 1964), pp. 125–128; see also William J. Courtenay: The Role of University Masters and Bachelors at Paris in the Templar Affair, 1307–1308, in: Andreas Speer/ David Wirmer (eds.): 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit. Berlin 2010, pp. 171–181. About this author see Clemens Stroick: Heinrich von Friemar. Leben, Werke, philosophischtheologische Stellung in der Scholastik. Freiburg 1954, p. 9; about Henry’s commentary on the Ethics in particular pp. 77–96. Updating concerning this commentary in: David A. Lines: Aristotle’s Ethics in the Italian Renaissance (ca. 1300–1650). The Universities and the Problem of Moral Education. Leiden/Boston/Köln 2002, pp. 466–467.
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the legacy of Giles for the aspect that was more neglected by James of Viterbo, the interpretation of Aristotle’s texts in practical philosophy, that had been one of the great accomplishments of De regimine principum. Odd Langholm has already devoted many pages to Henry’s commentary on Book V of the Nicomachean Ethics, where the discussions about equality in exchange and the constitution of price find a privileged setting. Langholm’s detailed scrutiny makes unnecessary to repeat it on this occasion.70 Rather, it can be useful to point to the fact that Henry touches on several economic topics at the beginning of his commentary on the IVth book, under the heading of virtue of liberalitas.71 He agrees with Giles in stating that liberalitas belongs to that group of virtues he calls adiunctae; this distinction had been adopted by Giles in order to integrate the traditional doctrine of the cardinal virtues to the Aristotelian list of virtues.72 On this occasion, not forgetful of his personal status, he explains that even paupertatis evangelice professores can be said to possess this virtue, because liberalitas does not regard in the first place the thing, but the habit of donating.73 Here also usurers make their appearance as examples of illiberal behaviour.74 Henry also has to deal with the problem posed by the virtue of magnificence. In his opinion, the circumstance that magnificence regards great expenses is sufficient to conceive of it as an independent virtue; as for those who don’t possess enough to afford great expenses, he maintains the virtuous poor has the habit of magnificence, and only lacks the matter to exercise it. Also this solution concurs with Giles’s position in the De regimine, although the reference to ‘materia’ can be found rather in Aquinas.75 In his impressive literary work, Giles of Rome dealt with a wide range of topics related to wealth and money, from the virtues that regulate human behaviour in this 70 71 72
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Langholm: Economics (see note 1), pp. 536–549. Since a printed – let alone critical – edition of this important commentary is lacking, I will refer to the manuscript copy preserved in Erlangen, Universitätsbibliothek, ms. 212. Henry’s treatment of liberality and magnificence is at fols. 83ra- 93va. I dealt with this issue in: Lambertini: Il filosofo, il principe e la virtù (see note 13), pp. 257–260; on the subject of the cardinal virtues in general see now: István P. Bejczy: The Cardinal Virtues in the Middle Ages. A Study in Moral Thought from the Fourth to the Fourteenth Century. Leiden/Boston 2011; cf. Aegidius Romanus: De regimine principum (see note 12), I, II, 5, pp. 58–60; Henricus de Frimaria: In Aristotelis Libros Ethicorum (see note 71), IV, fol. 83rb: Dicendum est primo quod liberalitas est virtus et quod non est principalis, sed adiuncta. Giles had used the term annexa, but the underlying concept is substantially the same. Henricus de Frimaria: In Aristotelis Libros Ethicorum (see note 71), IV, fols. 83rb-va: Multi sunt virtuosi qui tamen actum liberalitatis exercere non possunt, sicut paupertatis evangelice professores, quare etc. (…) Ad secundum dicendum quod nihil prohibet aliquos pauperes et virtuosos esse liberales, quia sicut dicit philosophus infra in eodem, liberalitas non consistit in multitudine datorum, sed in dantis (ms. dandis) habitu; cf. above, text corresponding to note 20 and 30. Ibidem, IV, fol. 89rb: Sicut illi qui lucrantur per operationes turpes et illicitas et quantum non oportet, sicut usurarii vel quicumque alii accipientes ultra sortem. Ibidem, IV, fol. 92rb: Licet inops non possit attingere secundum actum magnificenciam, puta facere magnos sumptus et hoc propter defectum materie, tamen primum actum qui est electio bene attingit quia potest habere promptam voluntatem facendi actus magnificos si sibi subpeterent bona fortune.
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respect to the legitimacy of possession in principle, touching upon philosophical analisys of economic phenomena and theological discussions concerning relations between poverty and power. The internal consistency of his positions, taken over a couple of decades, can be legitimately discussed. Still, his writings are an important source for investigating late medieval perceptions of economic phenomena, both in themselves and with regard to the influence they exerted.
WEALTH, VALUE OF WORK AND CIVIC IDENTITY IN THE MEDIEVAL THEOLOGICAL DISCOURSE (XII–XIV C.) Giacomo Todeschini (Triest) Around 1192, Peter the Chanter and his school, through composing the longer version of the Verbum Abbreviatum, focus on the public utility of manual activities, namely on the right of the manual laborers to be real Christian citizens. In the textus conflatus of the Parisian master’s work, edited by Monique Boutry, it is actually possible to read that it is crucial to find out who, among the opifices, is useful and necessary to the Church and who, among them, belongs to the group of the nocifices, more than to the useful group of the opifices or artifices, the artisans.1 Aside from the agricolae, obviously perceived as useful people, it is possible to find in Peter the Chanter’s text a list of professional identities accurately describing a wide range of conditions of citizenship, in any case resulting from the relation between different forms of skillfulness and different degrees of belonging to the civitas. The use of the word opifices and the irony implicit in the neologism nocifices can actually recall an often cited passage of Cicero’s De officiis, decidedly aimed to deny each social and ethical value to the civic situation of manual laborers, whose condition was outlined as very close to the condition of the slaves. Opificesque omnes in sordida arte versantur. On the whole, Cicero had clearly stated (and his statement will be recalled many times through the Christian Middle Ages) that the price of labor transforms this labor into a vile form of gain: illiberales autem et sordidi quaestus mercenariorum omnium quorum operae non quorum artes emuntur. Finally, he had concluded that: Est enim in illis ipsa merces auctoramentum servitutis.2 The payment of a salary was, from his point of view, the proof of a servile condition. A visible link existed in Cicero’s perspective between the salaried work and the vile and contemptible status of a slave. The weak social status and real citizenship of artisans and handworkers is yet well visible in Peter the Chanter’s cautious attitude regarding opifices; their doubtful presence among the true Christians can be declared as licit only if their usefulness for the churches can be proved. 1 2
Monique Boutry (ed.): Petrus Cantor. Verbum abbreviatum. Textus conflatus. Turnhout 2004, p. 568: Videndum ergo qui opifices essent necessarii Ecclesie et qui non, qui tolerandi in ea et qui non, et qui pocius sint nocifices quam opifices. Johannes Engels: Merces auctoramentum servitutis. Die Wertschätzung bestimmter Arbeiten und Tätigkeiten durch antike heidnische Philosophen, in: Verena Postel (ed.): Arbeit im Mittelalter. Vorstellungen und Wirklichkeit. Berlin 2006, pp. 57–77, at p. 70. Konrad Verboven: Ce que negotiari et ses dérivés veulent dire, in: Vocabulaire et expression de l’économie dans le monde antique. Textes réunis par Jean Andreau et Véronique Chankowski. Bordeaux 2007, pp. 90–118, at p. 112.
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Few years after the Verbum Abbreviatum, a renowned author of penitential handbooks, Thomas of Chobham, summed up the long-lasting theological, more than political doubt in the ecclesiastical world about the ethical and civic consciousness of the salaried workers by underlining the moral ambiguity derived from their wellknown deceitful habits and, at the same time, from their usual submission to masters of bad renown. Post hoc restat agere de officio mercenariorum qui locant operas suas vel ad diem vel ad certum terminum. Valde periculosum est, quia tenetur ministerium suum plene exhibere eis a quibus recipiunt cibum et stipendia. Nec curant quam parum laborant, dummodo mercedem recipiant, et hoc est quasi furari vel rapere conductori pecuniam suam. Facit enim mercenarius pactionem de opere unius diei vel plurimum pro tanto vel tanto pretio, et ipse non facit forte dimidium tanti laboris, ergo iniuste recipit quicquid percepit ultra iustum pretium sui laboris. Unde super hoc vehementer sunt increpandi a sacerdotibus. Preterea, multi mercenarii sunt qui locant operas suas ad turpes labores, ut ad serviendum feneratori, vel iudeo, vel meretrici, vel predoni, et omnes tales sunt quasi consentientes illis quibus serviunt.3
On their side, the jurists performing the jus commune focused, at the beginning of the 13th century, on the procedural acceptability to testify of the artifices ignobiles, vel ignoti, aut vilissimi, vel nimis obscuri by recalling Justinian’s Novella de testibus. The doctors concluded that, on the whole, they were admissible to bear witness and then to be recognized as true citizens; at the same time, however, the same doctors stated that this conclusion derived from the generalis consuetudo. In other words, it was judged impossible to substantially reformulate the norm and the legal principle establishing the unreliability of the salaried workers who were perceived as economic subjects very close to serfs and slaves and therefore often exposed to an economic blackmail.4 Actually, the custom allowing the recognizance of the salaried workers’ citizenship and therefore of their right to bear witness was declared invalid according to the letter of the Roman Law, every time the artifices ignobiles could be identified by a judge or a jurist as notorious persons, namely as subjects of bad renown (infames facti). It’s self-evident that the boundary between the formal infamy and the ordinary vileness of a salaried worker’s status was very subtle. The formal infamy declared by a tribunal, the actual infamy shaped by the public opinion and the ordinary infamy and ignominiousness derived from a man3 4
Rev. F. Broomfield (ed.): Thomas of Chobham: Summa confessorum (Analecta Mediaevalia Namurcensia 23). Paris 1968, p. 294, II, q. IVa De mercenariis. Pillii medicinensis summa de ordine iudiciorum, § 8 de testibus, in: Friedrich Bergmann (ed.): Pillii, Tancredi, Gratiae, Libri de iudiciorum ordine. Göttingen 1842, p. 66: Illud etiam notandum est, quod testes non debent esse artifices ignobiles, vel ignoti, aut vilissimi, vel nimis obscuri, et si de eis dubitetur, possit facile sciri de eorum vita atque conditione, ut in Auth. De testib. § 1. (Nov. 90. c. 1), et per alios dico testes, non per eosdem, quoniam non iurant inde dicere veritatem. Artifices hic intelligo,qui praesunt publice vilissimis mercimoniis plurium rerum vilissimarum. Sed quod in illo §. de huiusmodi testibus cautum habetur, abrogatum est hodie per generalem consuetudinem; quoniam iudices bene huiusmodi testes admittunt, nisi fuerint infames; et non repelluntur propter aliquod artificium vel vilitatem aut obscuritatem aut ignobilitatem, nisi sint servi vel mercenarii producentis, ut dictum est. Vgl. Giacomo Todeschini: Visibilmente crudeli. Malviventi, persone sospette e gente qualunque dal medioevo all’età moderna. Bologna 2007, chapter 5.
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ual job were evidently considered the three sides of the same triangle. If the mercenarius worked for a salary habitually given by the prosecutor of a charge, he was then immediately excluded from the range of witnesses. In a different perspective, the definition of the weak right to be recognized as citizens of the banausi, that is of the artifices offered by Aristotle in the third book of his Politica, will be recalled and resemantized by Thomas Aquinas and his pupil Peter of Alvernia.5 In their discourse, the lesson of the Latinized Aristotle became a more current and modern concept. In fact, Aristotle’s text on this point was reinterpreted by Thomas and his school in light of the Canon Law sections, which accurately analyzed (mainly after the Decretum Gratiani) the notion of social and religious minoritas and the relations between maiores and minores. The manual workers or salaried workers described by Aristotle as cives quidem enim (…) sed imperfecti6, became through a slight but significant simplification cives imperfecti in the thomistic text, then they became immediately comparable to the servi et pueri who sunt quidem aliqualiter cives, sed non perfecte7. Significantly, in Thomas’ text, the artifices too in general, not only the more “contemptible” among them, are assimilated to the manual workers and thus neatly integrated into the logic of exclusion from citizenship. This assimilation of the banausi to the viles artifices maculating themselves consequently to the rules of their art is based on the analogy, shaped by the thomistic discourse, linking these economic situations and skills (even if quite different one from another) with the servile status. A clear example of this procedure is offered by the assimilation to the category of vile artificium of very different kinds of arts and crafts as those exercised by the woolen and stuff dyers or by the coriarii, the leather workers. Nevertheless, Thomas indicates a political form of government, the oligarchic one, as the public situation allowing the artisans to obtain a full citizenship, thus a complete admission to the rights and rites of power. Banausi, id est artifices (…) possunt esse cives et principes, quia multi artifices cito ditantur, et ita possunt propter divitias in oligarchiis assumi ad principatus, cum per aliquod tempus ab artificiis se abstinentes, postquam fuerint ditati, honorabilem duxerunt vitam.8
The artisans could become very wealthy and thus, through the possession of wealth, they could turn into real citizens and even into lords, namely rulers of a city-state. Their new social condition derives from the fact that wealth frees them from manual occupations and liberates them from the humble and servile condition of salaried workers. This new liberty is revealed to the public opinion by their absence 5
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Klaus Schreiner: Teilhabe, Konsensus und Autonomie. Leitbegriffe kommunaler Ordnung in der politischen Theorie des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Peter Bickle (ed.): Theorien kommunaler Ordnung in Europa (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 36). München 2004, pp. 35–61, at p. 40. Aristoteles Latinus: Politica, III, 5 (secundum Guillelmus de Morbeka) (Franz Susemihl [ed.], Aristotelis Politicorum libri octo, cum vetusta translatione Guilelmi de Moerbeka, Leipzig 1872, p. 171; Bekker: 1277b33–1278a); Jozef Brams: La riscoperta di Aristotele in Occidente. Milano 2003. Thomas Aquinas: Sententia libri politicorum, III, Lectio 4,1, in: Opera omnia, 48. Roma 1971, p. 198. Ibidem.
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from the urban work market. In this case too, the Aristotelian text is re-read not only at the light of the obvious direct political experience of Thomas in the world of the Italian city-states in the seventies of the 13th century, but also in reference to what Canon and Civil Law had by then established with regard to the problem of the trustworthiness of the wealthiest. Actually banausi and artisans were normally perceived by jurists as subjects very close to the low condition of serfs and servants. Therefore, in consequence of their social nature of salaried people, namely of people selling their manual work, they were represented as excluded from the effective citizenship analogously to the pueri, servi, alienigenae, children, slaves, strangers, and, it should be remembered, Jews. Nevertheless, in some cases, their enrichment namely their transition from negotium to otium could be perceived as the beginning of a new honorable form of life and finally open the way to the true citizenship. It is imperative to keep in mind that few years before Thomas’ reading of the Aristotelian Politics (around 1270), a trained Scholastic Master of the Civil and Canon Law, Henry of Susa, the Cardinal Hostiensis, had declared that the wealthiest among the Christifideles were also the more trustworthy when they testified in a tribunal, compared with the testimony of a poor witness although recognized as a good Christian: Ubi fidelis dives et pauper fidelis inducuntur, semper ponderosior est vox divitis et in dignitate constituti.9 The comparison made by the cardinal Hostiensis between the objective trustworthiness, namely the civic authority and the real citizenship of a wealthy Christian of good renown and the minor trustworthiness of a poor and well-renowned Christian, is the hard premise of the thomistic conclusion regarding the citizenship of the wealthy of good renown and the lesser aptitude to become a citizen of the honest poor. The difference between citizens and imperfect citizens then originates, in the case of manual laborers, in their capacity or incapacity to become wealthy, more than in their actual wealth or in the ethical nature of their wealth. In fact, Thomas underlines that if artisans often become wealthy, salaried workers on the contrary rarely can improve their social situation because their enrichment is almost impossible. Non de facili potest contingere, quod mercenarii ad honores assumantur, qui vix per totam vitam suam possunt congregare, unde divites fiant.10 Artisans and salaried workers are then represented as minor citizens when their technical skillfulness seems evidently inadequate to make them wealthy and honorable, and as a result, they are really free from an economical as well as political point of view. Established on the basis of a common experience and at the same time of Aristotle’s exposition together with Canon Law that some artisans are further along on the way to wealth than the salaried workers, Thomas can conclude that their status is closer to the dignity of a real citizenship. The more humbled among the artisans, as well as among the manual workers, like the pueri, alienigenae, servi and infames, can then appear to be very far from the 9
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Henry of Susa, cardinal Hostiensis, Summa aurea. Venedig 1505, fol. 132r. Vgl. Giacomo Todeschini: Il denaro come fattore di inclusione o di esclusione: da Graziano a Cusano, in: Roberto Lambertini/Leonardo Sileo (eds.), I beni di questo mondo. Teorie etico-economiche nel laboratorio dell’Europa medievale. Turnhout 2010, pp. 17–36; Sylvain Piron: Albert le Grand et le concept de valeur, in: Ibidem, pp. 13–156. Thomas Aquinas: Sententia libri politicorum, Lectio 4 (see note 7)
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rights conferred by a complete citizenship in consequence of their difficulty gaining a wealth that is perfectly visible, namely characterized by honor and reputation. In other words, the ability of some skillful artisans to make money is described as the sign of a civic competence. On the opposite side the habitual poverty of the small artisans, manual laborers and low people appears as the clearest mark of their alien, uncivil and savage nature. Their involuntary poverty is represented as a condition of unbelonging to the Christian City, namely to the social sacred Body in all its splendor. Honor and wealth are, in sum, outlined as the two faces of the same coin: the actual value of a work is inferable, in this context, from the capacity of the worker to transform his own skillfulness in a way to acquire social honor and belonging through the acquisition of mobile and immobile wealth. The capacity to gain a respectable wealth finally denotes the social quality of the Christian subject, as well as the use of that wealth after its acquisition will indicate a skill to recognize the rules disciplining the society shaped by the Christifideles. It is not a chance if Thomas, in this perspective, underlines the link between wealth, honor and citizenship deriving for some artisans from the abandonment of the marketplace. Apparently, this connection was already present in the Aristotelian text, but, a close analysis of Thomas’ passage reveals a very different meaning. Actually, in Thomas’ interpretation, honor and honorable wealth derive not simply, as in the Thebes quoted by the Aristotelian Politica, from an absence of ten years from the marketplace (a foro)11, but, more subtly and specifically, from a distance of ten years from the local market defined by the smalls and viles trading of goods whose price is concretely and immediately produced by the interaction of buyers and sellers (a foro rerum venalium).12 This definition makes it possible for the reader of the thomistic Lectura Politicae, as well as to the reader of the Summa theologica, to compare the daily market of specific commodities, defining the possibility of small gains for the small artisans or banausi, with the market of labor whose merchandise are the works actually carried out by salaried workers. In both cases, the exchange between commodities and money or between work and salary does not define a social value, namely a civic dignity and trustworthiness. To be rich and honored means at this point, as Thomas emphasizes, to be very far from the pistores et calcifices who serviunt omnibus pro pecunia.13 It is easy to understand that the word omnibus embodies the sense of the phrase. The equation between wealth and civic honor is possible only if one’s belonging to a kinship group is determined by a logic of exchange not depending on a form of buying and selling exactly defined by the mathematics of money. The wealth gained through manual work, namely a sum of money derived from a salary, or the practice of an art whose products are directly sold day by day, are considered by Thomas and his school as the kind of enrichment typical of a greedy and carnal way of life, the way of life characteristic of rude and imperfect Christians, namely of Christians whose liberty and citizenship are contradicted by their condition of social and economic dependency. On the contrary, the prosperity resulting from the belonging to a kinship group and to a market com11 12 13
Aristoteles Latinus: Politica, III, 5 (see note 6). Thomas Aquinas: Sententia libri politicorum, Lectio 4 (see note 7). Ibidem.
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posed by citizens who are free from the obligation to manually work and gain, is described as the unique economic style opening the door to the right to be real citizens, namely to have power and authority in the city. On one hand, the thomistic reasoning was certainly influenced by the Italian political vicissitudes of the last quarter of the 13th century and of the first half of the 14th, that is by the fast social ascent to and conquest of the power in many Italian cities by families whose origins was rooted in some of the humblest arts. This was the case for the Bentivoglio in Bologna, a family that, though originally inscribed in the low art of butchery, in few generations improved its condition and became a leading political group.14 On the other hand, however, it is very probable that the emphasis placed by Thomas and his school on the social and civic difference existing between the low people and the enriched banausi or artisans had its roots in a more ancient ontological and anthropological perspective. Actually, the definition of a difference between those whose wealth was no more the outcome of the simple calculation of a price for their manual skill and physical resistance, and the artisans or laborers15 whose salary or profit derived from the sale of a product, object or work for a price exactly calculable in terms of money, seems to be very near to the scholastic definition, rooted both in the Aristotelian tradition and in the Canon Law developed during the postGregorian period, establishing a susbstantial distinction between the carnal, rude that is defective humankind of the viles personae, assumed as not yet completely converted to Christianity, and the effecctive Christian citizens of the civitas christiana. The avarice of simoniacs and Jews, a category composed through the eleventh and twelfth centuries by utilizing the vocabularies of the infidelitas, namely of the misunderstanding of Christian truths, had been actually reshaped in the thirteenth century through a new notion of inaptitude to the civic life (summed up by the word crudelitas), firstly rooted in a well-known Augustinian text,16 but completely developed by the juridical civilization during the so-called commercial revolution. The inner meaning of this theological and juridical conceptualization was to accurately differentiate the well renowned cives from the economically and ethically ambigu14
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Cecilia M. Ady: Materials for the History of The Bentivoglio Signoria in Bologna, in: Transactions of the Royal Historical Society (Fourth Series) 17 (1934), pp. 49–67; Antonio Ivan Pini: Gli estimi cittadini di Bologna dal 1296 al 1329. Un esempio di utilizzazione: il patrimonio fondiario del beccaio Giacomo Casella, in: Studi Medievali s. III, 18.1 (1977), pp. 115–159; Massimo Giansante: Patrimonio familiare e potere nel periodo tardo-comunale. Il progetto signorile di Taddeo Pepoli. Bologna 1991; id.: L’usuraio onorato. Credito e potere a Bologna in età comunale. Bologna 2008. See Pierre Boglioni/Robert Delort/Claude Gauvard (eds.): Le petit peuple dans l’Occident médiéval: terminologies, perceptions, réalités. Paris 2002. Augustinus: Sermo 355, 1. De vita et moribus clericorum, in: D.C. Lambot (ed.): Sermones selecti. Utrecht-Bruxelles 1950, p. 124: Duae res sunt conscientia et fama. Conscientia tibi, fama proximo tuo. Qui confidens conscientiae suae neglegit famam suam, crudelis est: maxime in loco isto positus, de quo loco dicit Apostolus scribens ad discipulum suum: Circa omnes te ipsum bonorum operum praebens exemplum (Tit 2, 7); Decretum Gratiani, C. XII, q. I, c. 10 (Emil Friedberg (ed.): Corpus iuris canonici, vol. I: Decretum Gratiani. Graz 1959 [unveränderter Ndr. der Ausgabe Leipzig 1879], pp. 679–680).
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ous crowd of the nimis obscuri and viles.17 Through this cultural elaboration, the notion of qualitas personarum18 had become very significant. Actually, a close reading of the juridical literature performed by the commentaries on Roman Law and manuals of penal procedure, during the 13th century, reveals a new attention of lawyers and political experts for the civic role of those who Albertano from Brescia calls servientes, mercenarii, et servi.19 In this perspective, it could be very useful to read and interpret much more carefully than in the past some of Thomas’ passages, as in the Summa Theologica, Prima Secundae, the question one hundred five (a. III, ad 1um ad 2um), where the Dominican Master focuses on the right of strangers and low people to be recognized as real citizens, as citizens simpliciter, and not only as citizens secundum quid, namely focusing on the reasons that produce the strong difference between the political and spiritual condition of the real citizens of a city and the vague and doubtful condition of the inhabitants of a region. * A different, although not totally dissimilar representation of the value of work and of the connected civic identity as we’ll see, is implicit in the economic code organized by the Augustinian School, especially by the Franciscan School at the end of the 13th and at the beginning of the 14th century. This approach to the problem of the social and economic meaning assumed by work as a way to gain a wealth and to obtain a civic role or a citizenship can be condensed in the expression – to say it with the words of François de Meyronnes – tot sunt artes quot sunt obiecta de factibilibus20. Most likely the first degree of this representation of work, and specifically of manual labor as a form of economic skillfulness apt to produce wealth and status, is clearly visible in the Franciscan pauperistic tradition. This approach was rooted in the previous Cistercian definition of useful wealth as being a wealth produced by a work aimed to multiply and circulate the communitarian resources through a continuous reinvestment of money, instead of hoarding it in luxury goods and expensive buildings.21 In this perspective, the rigorists of poverty, from Francis 17 18
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Bibliography in: Todeschini: Visibilmente crudeli (see note 4). Decretum Gratiani (see note 16), C. XXXV, q. VI c. 8, pp. 1279–1280; Decretalium Gregorii Papae IX. Liber Quintus, III 18, VII 9, VII 13 (Emil Friedberg (ed.): Corpus iuris canonici, vol. II: Decretalium Collectiones. Graz 1959 [unveränderter Ndr. der Ausgabe Leipzig 1879], pp. 755–756, 780–781, 787–788); Julien Théry: Fama: L’opinion publique comme preuve judiciaire. Aperçu sur la révolution médiévale de l’inquisitoire (XIIeXVe siècle), in: Bruno Lemesle (ed.): La preuve en justice de l’Antiquité à nos jours. Rennes 2003, pp. 119–147; Massimo Vallerani: La giustizia pubblica medievale. Bologna 2005; Jacques-Anthony Pluss: Reading Legal Doctrine Historically: Three 14th-Century Jurists on Dowries and Social Standing, in: The Historian 51.2 (2007), pp. 283–310. Albertano da Brescia: De amore et dilectione dei. II 17. De servientibus et mercenariis et servis corrigendis et diligendis ; Petra Schulte: Scripturae publicae creditur. Das Vertrauen in Notariatsurkunden im kommunalen Italien des 12. und 13. Jahrhunderts (Bibliothek des Deutschen Historischen Institut in Rom 101).Tübingen 2003, pp. 27 ss., 68 ss. François de Meyronnes: In tertium Sententiarum XIII. Venedig 1520, fol. 173r. Adriaan H. Bredero: Cluny et Cîteaux au douzième siècle. L’Histoire d’une controverse mo-
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of Assisi to Peter John Olivi, emphasize the meaning of manual labor not simply as a generic way of Christian perfection, but chiefly as a daily strategy to gain a life and at the same time to understand the difference between real and superfluous needs, namely to recognize the divergence existing between the value of work expressed by a sum of money and the value of work measured by the satisfaction of manifold kinds of necessity. The problem shaped by the increasing capacity of metallic money to define the value of things and works, in a world basically organized as a system of kinships and interconnected groups linked together by many kinds of visible and invisible obligations, was apparently solved through a definition of the value of things and work that reconnected that value to the estimation of the personal needs of the seller, buyer and worker. In the advanced formulation of this principle as we find it in Olivi’s treatise on contracts, composed in Montpellier in the nineties of the 13th century, the price of a material good and the price of labor are defined in terms of relative quantity and the individual evaluation is considered as a fundamental component of the price/value of goods and labor.22 The communis consensus becomes at this point the beginning of a process of calculation of the economic values strongly rooted in a probabilistic vision of the market. The notion of latitudo precii,23 the probable and hypothetical range of prices and values affirmed by Olivi and by the following Franciscan masters, therefore appears to be the economic accomplishment of a conceptual development whose origin was the voluntarist diffidence against a monetarist logic denying the fluctuation of values depending on the social, namely individual utility, of goods and labor. In other words, from this point of view, metallic money that is coins could not exactly evaluate the multiple range of material and immaterial values actually negotiated on the marketplace perceived as the core of the civitas christiana. On the one hand, this approach to the value of work and especially to the price attributable to manual labor recognized that the real value of work was the satisfaction of the laborer’s real (that is honest from a Christian point of view) needs.
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nastique. Amsterdam/Maarssen 1985; Constance Brittain Bouchard: Holy Entrepreneurs: Cistercians, Knights, and Economic Exchange in Twelfth-Century Burgund. Ithaca 1991; Barbara H. Rosenwein: To Be the Neighbour of Saint Peter. The Social Meaning of Cluny’s Property 909–1049. Ithaca 1989. Giacomo Todeschini: Un trattato di economia politica francescana: il “De emptionibus et venditionibus, de usuris, de restitutionibus” di Pietro di Giovanni Olivi (Studi storici 125–126). Rom 1980; Sylvain Piron: Marchands et confesseurs. Le Traité des contrats d’Olivi dans son contexte (Narbonne, fin XIIIe siècle), in: Laurent Feller (ed.): L’argent au Moyen Âge. Paris 1998, pp. 289–308; id.: Perfection évangélique et moralité civile. Pierre de Jean Olivi et l’éthique économique franciscaine, in: Ideologia del credito fra Tre e Quattrocento. Asti 2001, pp. 103–143; Alain Boureau/Sylvain Piron (eds.): Pierre de Jean Olivi (1248–1298). Pensée scolastique, dissidence spirituelle et société. Actes du colloque de Narbonne (mars 1998). Paris 1999; Giacomo Todeschini: I mercanti e il tempio. La società cristiana e il circolo virtuoso della ricchezza fra Medioevo ed Età Moderna (Collana di storia dell’economia e del credito 11). Bologna 2002; id.: Ricchezza francescana. Dalla povertà volontaria alla società di mercato. Bologna 2004 (French translation: Paris 2008; English translation: New York 2009). Joel Kaye: Economy and Nature in the Fourteenth Century: Money, Market Exchange, and the Emergence of Scientific Thought. Cambridge/New York 1998.
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Nevertheless, it became possible on the other hand to define the value of work in relation to the probable social esteem of the laborer and of his own needs. A good example of this procedure is illustrated by the first part of Olivi’s treatise dedicated to the contracts of buying and selling and especially to the criteria of price calculation.24 As in the case of commodities, Olivi writes, the price of work depends on the common agreement, namely on its rarity, relative social utility and public esteem. Therefore, the architect’s work has a higher price than the labor of the stone-breaker because the first is a work that is socially considered as more useful and difficult as well as requiring high skill, whereas the second can be done by everyone without any special competence except a common and low-priced muscular force. The first kind of work is like a rare and highly appreciated commodity, the second is like a useful and very common object whose price, as in the case of many absolutely useful but ordinary things (fire, water, air: in Olivi’s days), is very low, as the social value of the workers doing it is low. To understand the apparent paradox contained in the Franciscan definition of the dignity and usefulness of a wide range of arts and crafts present in the Christian city but at the same time in the Franciscan establishment of a hierarchy among them dependent on their different social value and price, it is fundamental to recall that the emphasis on the importance of a multifarious range of human activities and labors originated in a representation of the world characterized by the notion of voluntary renouncement. The discovery of the many economic aspects and utilities visible in the animated and unanimated creatures multitude, as well as the appreciation of the many types of human activities useful to the functioning of the societas Christiana, were connected to the previous certitude, rooted in canon Law and in a long-lasting mystic tradition,25 that the social world was to be analyzed and reordered by an élite of perfects choosing poverty both as lifestyle and economic criterion of measure. The value of a commodity as well as the price of labor, in this perspective, depend on the market demand, but at the same time the appreciation of a rare thing or skill can be considered correctly Christian and therefore justly priced only if that thing or that skill are perceivable as really useful and necessary to the building and functioning of a community ruled by powers self-defined as sacred. Small businesses and the low status of people conducting them, manual labor and manual workers, in this light, can be represented as useful and at the same time as low-priced on one hand due to their abundance and on the other due to the social and cultural, namely religious incompetence, revealed by these kind of laborers. In other words, the range of values elaborated by the voluntarist School was strongly conditioned by the possibility of discovering in the worker a subjective consciousness of the value of the work actually done. A laborer revealing a defective will in producing something useful to the community and la24 25
Vgl. Todeschini: Un trattato di economia politica francescana (see note 21); Piron: Marchands et confesseurs (see note 21). For a better examination of the link between the notion of inspiration and the doctrine of a superior capacity of the perfecti to understand the economic meanings hidden in the immanent world, see Giacomo Todeschini: Guardiani della soglia. I Frati Minori come garanti del perimetro sociale (XIII secolo), in: Reti Medievali Rivista 8 (2007) (http://fermi.univr.it/rm/rivista/ dwnl/saggi_todeschini.pdf).
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bor determined principally by basic needs, namely by the coercion of involuntary poverty, are from this point of view somehow lacking both in “inspiration” and civic sense.26 The worker performing a task objectively but involuntarily useful is then more vile than the worker who firmly intends to produce something presumably recognizable as precious by the honestior pars of the Christian society. This consciousness, obviously identical to the participation in the culture of the religious and political community, is actually perceived by the Franciscan school as the awareness of the differences between what is necessary and what is superfluous to the Christian community. For the same reason, in Olivi’s work as well as in the 13th century Franciscan sermons,27 a huge difference exists between the voluntary poverty of the pauperes Christi and the ordinary and unintentional misery of the poor. This difference was perfectly clear to the contemporary juridical experts, as for instance Tancredi from Bologna who, in 1238, actually writes that the legal honesty and trustworthiness of the voluntary poor is well known; whereas, on the contrary, ordinary poor should be excluded from acting as witnesses in court due to their presumptive unreliability. If we have in mind the gap separating ordinary from voluntary poverty from the Franciscan (and Augustinian) point of view,28 we can easily understand, on the one hand, the Franciscan focus on merchants’ social utility and intellectual skillfulness, and on the other, the Franciscan carefulness in differentiating work and workers, namely in evaluating their religious and social usefulness. Merchants’ economic ability and right to be rich, as well as the social meaning of merchants’ wealth are at the core of the Franciscan economic discourse, from the Provencal Olivi to the Catalan Francesc Eiximenis until the Tuscan Bernardino from Siena. Through an economic argumentation very different from that one employed from the thomistic school and similar to that one utilized by scholastic masters as Henry from Ghent around 1270, the price of merchant’s labor, namely the merchant’s right to a profit, doesn’t simply derive from the sum of his expenses and efforts and work actually done (Thomas’ lucrum as stipendium laboris), but, more than that, from a merchant’s mental skill in calculating, and consequently, circulating (through words and actions) the knowledge of the relative values of goods and commodities mainly bargained on the market. In other words, merchant’s work is highly valuable because its core is the immaterial capacity to measure the range of relative values and at the same time to spread information regarding this range. To say it with Olivi and Guiral Ot,29 it is the competence of the merchant in appreciat26
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Giacomo Todeschini: Participer au bien commun: la notion franciscaine d’appartenance à la civitas, in: Elodie Lecuppre-Desjardin/Anne-Laure van Bruaene (eds.): The Discourse and Practice of the Common Good in the European City (13th-16th century). Discours et pratique du bien commun dans les villes d’Europe (XIIIe au XVIe siècle). Turnhout 2010, pp. 225–235. Zelina Zafarana: La predicazione francescana (1981), in: Ovidio Capitani u. a. (eds.): Da Gregorio VII a Bernardino da Siena. Saggi di storia medievale, Florenz 1987, pp. 141 ss. Giacomo Todeschini: Richesse, pauvreté et exclusion sociale dans la pensée franciscaine, in: Pierre Moracchini (ed.): François d’Assise aujourd’hui, (Actes du colloque international – 8e centenaire de l’Ordre franciscain – 1209–2009 – Collège des Bernardins, Paris, 2–4 octobre 2009). Paris 2010, pp. 57–69. See Giovanni Ceccarelli/Sylvain Piron: Gerald Odonis’ Economic Treatise, in: Vivarium 47
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ing the value of a kind of horse to circulate the notion of the relative value of that kind of commodity: the profit of the merchant is the consequence of his economic capacity, that is of his economic renown.30 The core of this vision of the entrepreneur’s value of work is then based on the idea that his work is, on one hand, the outcome of a very special mental attitude, and, on the other, that the merchant’s intellectual capacity is the main premise to the improvement of the buyers’ and sellers’ economic intelligence as well as to the development of other kinds of arts and labors. As Matteo from Agrigento, a Franciscan Observant, active in fifteenth century, said: per mercatores et mercancias omnes persone civitatis uniuntur.31 Merchant’s labor, in other words, is conceived by the Franciscan School as a sort of meta-work making possible the existence of the market society. From another perspective, the work performed by the merchant through his mental skill and physical endurance is the beginning of the merchant’s public renown and trustworthiness (fides). The public importance of this reliability, Bernardino from Siena writes, makes each mercantile fraud a crime against the fiducia, the confidence binding together the whole societas christiana. It is relevant to recall that the self-perception and self-esteem shown by the big Italian merchants of the Quattrocento in their writings is visibly shaped with the linguistic and ideological procedures first elaborated by the economists belonging to the Mendicant Orders.32 That established, it is well understandable that the representation of arts and crafts, of labor and work, produced by the Franciscan School, is deeply dependent on the social role, namely the social renown of the workers. The social value of work performed by low class laborers and the meaning of wealth gained by handworkers are thus connected on one side to their religious-civic identity, namely to their capacity to participate in the logic of the common good, and on the other, to the appreciation of their work shown by the market community as an economic mirror of the Christian society. The immaterial wealth consisting of the reputation and good renown acquired by the worker is the proof of the real value of his work or labor, namely the explanation of the market price which economically defines that work or labor. The obsession for fame and good renown33 and the fear for defamation haunting the writings of Friars and merchants in fourteenth and fifteenth Century Italy are, in this light, a clear indication of the specific economic importance attributed by the participants 30 31
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(2009), pp. 164–204. Todeschini: Ricchezza francescana (see note 21). Agostino Amore (ed.): Matthaei Agrigentini: Sermones varii. Roma 1960, p. 147 (De mercancia); Paolo Evangelisti: Identità e appartenenza comunitaria, pubblica prosperità e mercato nel linguaggio e nell’azione politica di due esponenti minoriti del Mediterraneo occidentale: Francesc Eiximenis e Matteo d’Agrigento, in: Alessandro Musso (ed.): I Francescani e la politica. Atti del Convegno Internazionale di studio, Palermo, 3–7 Dicembre, 2002 (Franciscana 13). Palermo 2007, pp. 387–413. Giacomo Todeschini: Theological Roots of the Medieval/Modern Merchants’ Self-Representation, in: Margarete Jakob/Catherine Secretan (eds.): The Self-Perception of Early Modern Capitalists. New York 2008, pp. 17–46. Francesco Migliorino: Fama e infamia. Problemi della società medievale nel pensiero giuridico nei secoli XII e XIII. Catania 1985; Théry: Fama (see note 17); Todeschini: Visibilmente crudeli (see note 4)
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in the market to the fact of being recognized as members of a worthy social group in order to increase at the same time their monetary and political capital.34 A good summary of the voluntarist approach to the problem posed to the Christian cities by the economic meaning and value of works performed by disqualified and socially contemptible citizens (or by aliens, alienigenae, and infidels) can be read in some sermons of a Franciscan, Cherubino from Spoleto, well known as a very politically engaged itinerant preacher and founder of Mounts of Piety in Central Italy during the second half of the fifteenth century.35 The premise affirming the importance of having a professional skill and the religious, namely mystic relevance, to be able to do a specific work, is developed by distinguishing accurately between more or less praiseworthy arts: the capacity to carry out work recognized as socially worthy is indicated by the text as a heavenly grace (gratia). This economic grace, a clear sign of God’s favor, is strictly connected to the degree of worthiness of the manifold kinds of work which is established by the public esteem and considered as obviously resulting from the social position of the workers. The difference between the social values represented, for instance, by the art of a barber and the art of a physician as well as between the work of a tailor and the work of a preacher or of a ruler, is equivalent to the distance existing between the forms of divine favor implicit in these dissimilar kinds of competence. Professional habit and skill are then described as forms of perfection from heaven and at the same time based on a daily exercise.
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Lucas Burkart u. a. (eds.): Le trésor au Moyen Âge. Pratiques, discours, images – Schatzkulturen im Mittelalter. Diskurs, Praxis, Vorstellung. Florenz 2009. 35 Cherubino da Spoleto: Sermones quadragesimales. Venetiis 1502, p. XIX, fol. 79v–80r: Prima igitur gratia dico quod est abilitativa magna gratia et bene operari unam artem, et quanto nobilior est illa ars quam quis scit bene operari, tanto maiorem gratiam se habere debet putare, ut exemplificare possumus de arte suendi vel radendi vel de alia minima et infima ex uno latere, et ex alio de arte medendi vel rempublicam gubernandi vel predicandi. Sed peto que est pulchrior ars et nobilior que in mundo potest reperiri? Certe est ars benefaciendi, et virtuose, morigerate ac ccomposite vivendi. (…) Sed per experientiam videmus quod si homo non est assuetus facere unam artem maxime difficilem et laboriosam, gravis sibi videtur incipere illam. Si autem est assuetus non est ita sibi difficile, unde ligonizare, arare, metere et itinerare esset mihi difficillimum, quia non sum assuetus illa facere; ruralibus autem et viatoribus facile est, quia sunt assueti.(…) Si igitur homo stans in peccato mortali operatur aliqua bona ad minus habebit istam gratiam et utilitatem, quod non erit ita dissuetus ad bona opera, imo assuetus; et consequenter postea quando convertetur et mutabitur de malo in bonum, non habebit tantum laborem in ieiunando, orando, elemosinas faciendo et huiusmodi bona faciendo. (…) p. XX, fol. 81v–82r: Utrum bona facta in peccato mortali sint aliquo modo utilia (…) Nam bona facta sine peccato mortali sunt tanti valoris quod per ea lucratur homo montem ducatorum aureorum altissimum usque ad celum: per bona vero facta in peccato mortali lucratur homo montem de plumbo aut quatrinum aut denarium ereum. Certe illo denario, licet non possint fieri multa, potest de eo tamen emi modicum de salatucio; et sic faciens bonum de peccato mortali aliquid lucratur, licet illud lucrum reputetur nihil, respectu lucri illius qui facit bona sine peccato mortali. See Roberto Rusconi: Cherubino da Spoleto, in: Dizionario Biografico degli Italiani 24 (1980), pp. 446–453 (digital edition: http://www.treccani.it/enciclopedia/cherubino-da-spoleto_(Dizionario-Biografico)/)
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A reading of the Arte della mercatura written in the same years (around 1450– 60) by a renowned merchant of Ragusa, Benedetto Cotrugli, might suggest many interesting similarities.36 The highest form of the art and skill is, however, represented in Cherubino’s text by the art of living virtuously, by performing good actions: this main art is nevertheless clearly connected to the logic of evaluation employed by the Franciscan School when its object of attention is the manual labor of a handworker or the intellectual ability of a merchant or architect. The art of living honorably and morally is actually easier to perform for those who are, on one hand, well accustomed to live that way and belong, on the other, to those professional groups whose main characteristic is to do a work which is not a simple hand-work: doctors, big merchants, preachers, rulers, through the superior mental skill, namely the “grace” defined by their rare professional capacity, are predictably the protagonists of the Christian art of virtue outlined by Cherubino. It’s not by chance, that the author, a Franciscan Observant and pupil of Bernardino, ends his exposition with a monetary metaphor of what he intends as moral perfection. Who – he says – performs a good action and is not living in mortal sin, has in his own hands a value comparable to a huge amount of golden ducats. His good action, in light of his daily life, of his good renown and belonging to a prominent kinship, of his relations with the local church, is like an important sum of money, a capital. On the contrary, if he who is performing a good action is a sinner, namely if he is publicly known as a sinner, the value of his own action is devalued, although not completely: in fact the price of that action is equivalent to a small gain, which is represented in the text through the image of a sum of lead or copper coins; a sum, the author notes, just sufficient to buy a salatucium, a small quantity of victuals. The word however is directly connected to the semantic area whose core is shaped by the word salarium, salary, a portion of wealth equivalent to the minimum amount of goods needed for a worker’s maintenance.37 In other words, the sinner performing a good action reminds to the preacher a hand-worker gaining a small salary in consequence of a defective, namely unspecialized competence, but also in consequence of the doubt in his social and moral worth. At the beginning of the Renaissance, through very different styles of reasoning as they were represented by the masters of the Thomistic and Franciscan school, the scholastic attitude regarding wealth and money was definitely connected to the social meaning and public reputation of those who gained and possessed the wealth; in the perspective outlined by these authoritative discourses, though by very different linguistic strategies, the value of work performed by low status people of uncertain origin, small artisans and handworkers not clearly belonging to a well-defined 36 37
See Todeschini: Theological Roots (see note 30). From the Glossarium written by Ainardus in 969 to the more known Derivationes composed by Huguccio Pisanus in the 13th Century, the word salarium is connected to the representation of the sum useful to buy the daily victuals: Ainardus, Glossarium, 142: Salarium est praebenda unius diei, in: Paolo Mastandrea/Luigi Tessarolo (eds.): Classici del Medioevo Latino. I: 64 testi letterari criticamente stabiliti in edizione digitale. Firenze 2006.
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kinship, as well as their right to a profit recognized as significant from the civic point of view, appeared as a very problematic concept.38
38 See, for the Modern period, Maria L. Pesante: Slaves, Servants and Wage Earners: Free and Unfree Labour, from Grotius to Blackstone, in: History of European Ideas 35 (2009), pp. 289–320.
BELEHRUNG FÜR JEDERMANN: REICHTUM IN ZWEI PREDIGTEN DES JOHANNES GEILER VON KAYSERSBERG Peter Hesse (Köln) Normen zum Reichtum wurden im ausgehenden Mittelalter vor allem über die Predigt breiten Volksmassen vermittelt. Einer der bekanntesten Prediger der Zeit war Johannes Geiler von Kaysersberg († 1510), der in den Jahren von 1489 bis 1510 eine Prädikatur am Straßburger Münster innehatte und aufgrund seiner fesselnden Vorträge weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war.1 Zwei seiner Predigten, in denen er auf Sebastian Brants († 1521) Narrenschiff als Vorlage zurückgriff, stehen hier im Mittelpunkt der Analyse. Nach Überlegungen zu ihrer Bedeutung bezüglich der Verbreitung und Rezeption von Predigten im späten Mittelalter (I.), wird Geiler von Kaysersbergs Beurteilung des Reichtums in diesen Texten mit Augenmerk auf seine Argumentation, auf das von ihm genutzte Gedankengut und seine Quellen erörtert (II.). Auf dieser Basis werden die Predigten dann, vor allem mit Bezug auf die scholastische Literatur des späten Mittelalters, eingeordnet (III.). Im Zentrum stehen die Fragen, welche Bedeutung der Predigt im ausgehenden Mittelalter und insbesondere den hier vorgestellten Texten Geilers bei der Vermittlung und Rezeption kirchlicher Normierungen zukam, zudem welche Argumente bei Geiler von Kaysersbergs Beurteilung des Reichtums zum Tragen kamen und schließlich welchen Einfluss die Grundstrukturen der Quellengattung Predigt auf die Bewertung des Reichtums in ihr hatten. I. Bereits in der Antike verstand sich die christliche Predigt als Fortsetzung der Predigt Jesu. Das Mittelalter nahm diesen Gedanken auf. Der mündliche Vortrag war ein zentrales Mittel, die Lehre des Christentums zu verkünden, das in der Geschichte der lateinischen Christenheit durch alle Zeiten hindurch Anwendung und Förderung fand. Dementsprechend sah Geiler von Kaysersberg den Prediger als 1
Vgl. Rita Voltmer: Wie der Wächter auf dem Turm. Ein Prediger und seine Stadt. Johannes Geiler von Kaysersberg und Straßburg (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 4). Trier 2005, S. 132, 136–143, 147; Uwe Israel: Johannes Geiler von Kaysersberg (1445–1510). Der Straßburger Münsterprediger als Rechtsreformer (Berliner Historische Studien 27). Berlin 1997, S. 102, 161 f.; Gerhard Bauer: Johannes Geiler von Kaysersberg. Ein Problemfall für Drucker, Herausgeber, Verleger, Wissenschaft und Wissenschaftsförderung, in: Daphnis 23 (1993), S. 559–589, hier 564.
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einen Kanal, durch den die Gnade Gottes atmet.2 Bis heute ist die Predigt eine einseitige Form der Kommunikation, denn ein Austausch oder eine Diskussion zwischen Prediger und Zuhörer ist nicht vorgesehen. Der Zuhörer besitzt somit keinen direkten Einfluss auf den Vortrag. Der Prediger wiederum bewegt sich in einem Rahmen, den die Kirche vorgibt. Denn er ist Mitglied des Klerus und erhält von kirchlicher Seite den Auftrag zu predigen; Stoffe und Meinungen, die er vermitteln soll, sind durch die kirchliche Doktrin eingegrenzt. Anders als heute hatte der Prediger des Mittelalters nicht unbedingt eine theologische Ausbildung erhalten. Im Idealfall hatte er eine Universität, Stifts- oder Klosterschule besucht, damit er den Stoff, den er vermitteln sollte, selbstständig erwerben und zur Predigt verarbeitet vortragen konnte.3 Letzteres gilt für Geiler von Kaysersberg, der nicht nur die Artes, sondern auch Theologie studiert hatte.4 Die übrigen im Folgenden zitierten Prediger, Johannes von Werden5 und Johan2
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Vgl. Johannes Baptist Schneyer: Die Geschichte der katholischen Predigt. Freiburg im Breisgau 1969, S. 17–41; Beverly Maine Kienzle: Introduction, in: Dies. (Hg.): The Sermon (Typologie des Sources du Moyen Âge occidental 81 – 83). Turnhout 2000, S. 143–174, hier 143. Zu den zahlreichen Konzils- und Synodalbeschlüssen, die eine geregelte Predigttätigkeit forderten, vgl. Michael Menzel: Predigtorganisation im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 111 (1991), S. 338–363; E. Jane Dempsey Douglass: Justification in Late Medieval Preaching. A Study of John Geiler of Keisersberg (Studies in Medieval and Reformation Thought 1). 2. Aufl., Leiden u. a. 1989, S. 82. Zur Aufgabe der Predigt schrieb bereits Alanus ab Insulis in seiner Ars Praedicandi, die im späten Mittelalter weite Verbreitung fand, dass die Predigt eine öffentlich stattfindende Unterweisung in den Sitten und im Glauben sei: Praedicatio est, manifesta et publica instructio morum et fidei. Alanus ab Insulis: Summa de Arte Praedicatoria (Patrologia Latina 210). Paris 1855, S. 111; vgl. Jörg Oberste: Bonus negotiator Christus – malus negotiator dyabolus. Kaufmann und Kommerz in der Bildersprache hochmittelalterlicher Prediger, in: Gerd Melville (Hg.): Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigung kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart. Köln/Weimar/Wien 2001, S. 425–449, hier 426. Vgl. Johannes Helmrath: Kommunikation auf den spätmittelalterlichen Konzilien, in: Hans Pohl (Hg.): Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 87). Stuttgart 1989, S. 116–172, hier 147. Der Prediger war Kleriker und sollte lateinische Texte lesen und schreiben können. Sein Wissen sollte es ihm ermöglichen, die Bibel auszulegen. Er allein durfte im kirchlichen Auftrag predigen. Vgl. Klaus Schreiner: Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: Ders. (Hg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 20). München 1992, S. 1–78, hier 15. Bereits in Kanon 11 des Dritten Laterankonzils des Jahres 1179 wurde die Einrichtung von Grammatik- und Theologiestudien an Kathedralen gefordert. Auch die Artes Praedicandi erwähnen als Voraussetzung zur Predigt die Bildung des Predigers. Vgl. Oberste: Bonus negotiator (wie Anm. 2), S. 431 f. Geiler besuchte zunächst die Universität von Freiburg im Breisgau, schloss das Artesstudium mit dem Magistergrad ab, lehrte anschließend dort an der Universität und war zeitweilig als Dekan tätig. Anschließend absolvierte er ein Theologiestudium in Basel, wo er zum Dr. theol. promoviert wurde und ebenfalls Lehraufgaben übernahm. Vgl. Israel: Geiler (wie Anm. 1), S. 51–58. Johannes von Werden stammte aus Werden an der Ruhr. Der Franziskaner lebte um das Jahr 1400 im Kölner Ordenskonvent, dessen Magistri teilweise an der dortigen Universität lehrten.
Reichtum in zwei Predigten des Johannes Geiler von Kaysersberg
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nes Herolt († 1468)6 hatten wahrscheinlich durch die Generalstudien ihrer Orden eine umfassende Bildung erlangt. Spätmittelalterliche Prediger zielten darauf, große Menschenmassen zu indoktrinieren. Glaubt man den Chroniken der Zeit, dann wurden in den Kirchen der Städte tagein tagaus Predigten gehalten. Diese zahlenmäßig intensive Predigttätigkeit wurde von verschiedenen Institutionen forciert und gefördert. Dazu zählten etwa die im 13. Jahrhundert entstehenden Bettelorden, die sich vor allem den Städten zuwandten und versuchten, auf breite Bevölkerungsschichten zu wirken. In der Predigt sahen sie einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Aber auch die Einrichtung von Prädikaturen im 14. und 15. Jahrhundert durch städtische Institutionen – zu nennen sind hier vor allem Stift, Universität und Rat – bezeugte den Willen, die Predigt zur Unterweisung verschiedener Zuhörergruppen zu nutzen.7 Dabei sollte jedermann die Prediger verstehen können. Dies propagierten auch die Schriften der Artes Praedicandi, die seit dem 12. Jahrhundert entstanden, um den Predigern Anweisungen für ihre Tätigkeit zu geben. Sie vermittelten ihren Lesern die Kunst der Rhetorik, die aber nicht nur genutzt wurde, um klare und strukturierte Vorträge zu produzieren, sondern die ebenso das Ziel besaß, den Zuhörer zu fesseln. Der Vortragende sollte ihren Anleitungen zufolge Exempla in den Text einbauen, die der Erläuterung, jedoch auch der Unterhaltung des Publikums dienten.8
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Auch er wird spätestens in Köln eine grundlegende theologische Schulung erhalten haben, die es ihm ermöglichte, sein umfassendes, später weit verbreitetes Predigtwerk zu verfassen. Vgl. Franz Josef Worstbrock: Johannes von Werden (de Verdena), in: Verfasserlexikon – Die deutsche Literatur des Mittelalters 4 (1983), S. 811–813, hier 811 f. Johannes Herolt scheint zwischen 1436 und 1451 in Nürnberg gewirkt zu haben. Bei seinem Werk mit dem Titel Discipulus handelt es sich um eine der am weitesten verbreiteten Predigtsammlungen des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit. Weit über 200 Handschriften sind erhalten, allein für die Zeit zwischen 1474 und 1500 sind 45 Drucke belegt. Herolt war Mitglied des Dominikanerordens. Sein Predigtwerk spiegelt seine grundlegende theologische Ausbildung wider. Vgl. Franz Josef Worstbrock: Herolt, Johannes (Discipulus), in: Verfasserlexikon – Die deutsche Literatur des Mittelalters 3 (1981), S. 1123–1127, hier 1123, 1127; Hans-Martin Kirn: Contemptus mundi – contemptus Judaei? Nachfolgeideale und Antijudaismus in der spätmittelalterlichen Predigtliteratur, in: Berndt Hamm/Thomas Lentes (Hg.): Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 15). Tübingen 2001, S. 147–178, hier 147–151. Zur Predigt als Massenmedium vgl. Georg Steer: Bettelorden-Predigt als ,Massenmedium‘, in: Joachim Heinzle (Hg.): Literarische Interessensbildung im Mittelalter. DFG-Symposion 1991 (Germanistische Symposien Berichtsbände 14). Stuttgart/Weimar 1993, S. 314–336, hier 315 f. Zur Einrichtung von Prädikaturen vgl. Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Wien/Köln/ Weimar 2012, S. 633 f.; Menzel: Predigtorganisation (wie Anm. 2), S. 369–375; Ernst Englisch: Deutsche Predigten als Vermittler zwischen Gelehrtenkultur und Volkskultur, in: Peter Dinzelbacher/Hans-Dieter Mück (Hg.): Volkskultur des Europäischen Spätmittelalters. Stuttgart 1987, S. 147–158; Werner Mezger: Brauchphänomene zwischen Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Bildlichkeit. Beobachtungen anhand einer niederländischen Fastnachtsschrift des 16. Jahrhunderts, in: Lutz Röhrich/Erika Lindig (Hg.): Volksdichtung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Tübingen 1989, S. 289–327. Zur Umformung der Predigt seit dem 12. Jahrhundert vgl. Oberste: Bonus negotiator (wie Anm. 2), S. 426 f., 431. Vgl. Marianne G. Briscoe/Barbara H. Jaye: Artes Praedicandi and Artes Orandi (Typologie des
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So konnte der Auftritt des Predigers zum Schauspiel geraten und große Menschenmengen anziehen. Die Chroniken der Zeit berichten von berühmten Wanderpredigern: Bernhardin von Siena († 1444) oder Johannes Capistran († 1456) etwa wurden oft von Magistrat und Volk mit derart großem Prunk eingeholt, wie er ansonsten nur hohen weltlichen und geistlichen Würdenträgern zukam. Nach diesem Adventus versammelten sich weite Teile der städtischen Bevölkerung auf den Plätzen oder auf freiem Feld, um der Inszenierung der Predigt beizuwohnen, denn die Kirchen konnten die Massen oft nicht fassen.9 Manche Prediger waren berühmt für ihren mitreißenden abwechslungsreichen Vortragsstil, bei dem sie sogar Tierstimmen nachahmten und Anschauungsmaterial benutzten. Capistran etwa zeigte dem Publikum einen Totenschädel, um ihm die Vergänglichkeit des Menschen vor Augen zu führen.10 Der Prediger musste jedoch nicht zwangsläufig durch die Lande ziehen, damit seine Lehren sich weit verbreiteten und er selbst Berühmtheit erlangte. Manch einer verließ kaum jemals seinen angestammten Ort, brachte aber seine Predigten in eine geordnete Form, so dass sie schriftlich verbreitet werden konnten und auch der Lektüre dienten. Aus dem 15. Jahrhundert sind zahlreiche solcher Kompendien überliefert.11 Die Autoren schufen manchmal Sammlungen traktatartiger Texte, die sich weniger für den Vortrag eigneten, aber in überschaubarer Weise die wichtigsten Normen zu einzelnen Themen zusammenfassten und sie in Abschnitte ge9
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sources du Moyen Âge Occidental 61). Turnhout 1992, S. 17–26. Jakob von Vitry, Fulko von Neuilly und Berthold von Regensburg erwähnt als Beispiel: Oberste, Bonus negotiator (wie Anm. 2), S. 426. Ebenfalls auf Berthold von Regensburg sowie auf Bernhard von Clairvaux und Johannes Capistran geht ein: Karl-Heinz Göttert: Geschichte der Stimme. München 1998, S. 150–167. Zu den Predigtreisen, die Bernhardin von Siena unternahm, und den Massen, die er anlockte, vgl. Iris Origo: Der Heilige der Toskana. Leben und Zeit des Bernardino von Siena. München 1989, S. 15–17, 29–34, 190–197. Auch Bernhardins Schüler Johannes Capistran erhielt auf seiner Predigtreise nördlich der Alpen großen Zulauf. Da er nicht in deutscher Sprache predigte, bediente er sich einer Reihe von Übersetzern. Zudem fanden sich Gehilfen, die seine Worte weiterriefen, um so auch Personen zu erreichen, die außerhalb der Reichweite seiner Stimme standen. Trotz des Sprachproblems versammelten sich große Volksmassen, um den Prediger zu sehen. Gründe sind in seiner Rolle als Thaumaturg zu suchen, aber auch in seinem lebendigen Predigtvortrag. Der gesamte Auftritt wurde geradezu wie ein Schauspiel inszeniert. Vgl. Kaspar Elm: Johannes Kapistrans Predigtreise diesseits der Alpen (1451–1456), in: Hartmut Boockmann/Bernd Moeller/Karl Stackmann (Hg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse. Dritte Folge 179). Göttingen 1989, S. 500–519, hier 504–509; Johannes Hofer: Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche 2 (Bibliotheca Franciscana 2). Heidelberg 1965, S. 12–38. Vgl. Hofer: Kapistran (wie Anm. 9), S. 203. Einen ersten Eindruck von der Masse überlieferter Predigten bekommt man, wenn man einen Blick in das von Schneyer begonnene und von Hödl abgeschlossene Repertorium zu den lateinischen Sermonesreihen des Spätmittelalters wirft. Die Anzahl geht in die Zehntausende. Siehe Johannes Baptist Schneyer: Repertorium für die lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit 1150–1350 (Beiträge zur Geschichte der Theologie und Philosophie des Mittelalters. Neue Folge 43). Münster 1969–1990; Ludwig Hödl (Hg.): Repertorium für die lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit 1350–1500. CD-Rom-Edition, Münster 2001.
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ordnet aufbereiteten. Teilweise wurden die Texte sogar mit einem Register versehen, über das man bestimmte Begriffe nachschlagen konnte. Solche Sammelwerke enthielten oft Predigten für das gesamte Kirchenjahr, und die einzelnen Texte orientierten sich dann nicht selten an der Perikope des jeweiligen Tages. Sie konnten aber auch dem Heiligenkalender folgen und Predigten zu den einzelnen Heiligen und ihren beispielhaften Taten enthalten. Diese Werke waren somit Fundgruben, die ein jeder Prediger nach Gutdünken ausbeuten konnte, um je nach Anlass eine eigene Predigt zusammenzustellen. Ein Hinweis auf diese Funktion bot allein der Titel der Predigtsammlung des Johannes von Werden Dormi Secure. Besaß der Prediger dieses Werk, sollte er sicher und gut schlafen können, auch wenn es ihm nicht möglich gewesen war, eine Predigt für den folgenden Tag vorzubereiten. Denn Johannes’ Werk bot Musterpredigten zu nahezu jedem Thema.12 Eine weiträumige, rasche und massenhafte Verbreitung wurde den Predigten durch den Buchdruck zuteil. Als er sich im 15. Jahrhundert entwickelte, zählten Predigtsammlungen zu den häufig aufgelegten Werken. Gegenüber der angestammten Technik des Schreibens von Büchern besaß der Buchdruck mit beweglichen Lettern den Vorteil, dass eine größere Anzahl von Büchern in kürzerer Zeit zu einem niedrigeren Preis hergestellt werden konnte, so dass mit Gutenbergs Erfindung auch solche Geistliche, die Inhaber bescheidener Pfründen waren, eine Predigtsammlung erwerben konnten. Die Kompendien zählten zur Gebrauchsliteratur. Waren sie in der Volkssprache verfasst, nutzte man sie auch in Bürgerhaushalten als Lektüre. Die Nachfrage war im allgemeinen hoch, und die Bücher, darunter auch die Werke Geiler von Kaysersbergs, fanden großen Absatz.13 Zwischen den Predigten, die Geiler hielt, und den schriftlich überlieferten Texten bestehen jedoch Diskrepanzen. Geiler ist hier kein Einzelfall. Generell gilt: Auftritt und Stimme des Predigers sind als flüchtige Erscheinung vergangen, und die Überlieferung erfolgte meist in unterschiedlichen Versionen. Geiler arbeitete zunächst Skizzen aus, bevor er seine Vorträge hielt. Somit sprach er bis zu einem gewissen Grade frei. Erst in seinen letzten Lebensjahren begann er, seine Aufzeichnungen zu redigieren und vollständige Manuskripte zu verfassen, die zum Druck bestimmt waren. Bis zu seinem Tod konnte er jedoch nur wenige seiner Predigtzyklen als gedrucktes Buch herausbringen. Die lateinische 12
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Vgl. Dagmar Neuendorff: Predigt als Gebrauchstext. Überlegungen zu einer deutschen Berthold von Regensburg zugeschriebenen Predigt, in: Volker Mertens/Hans-Jochen Schiewer (Hg.): Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989. Tübingen 1992, S. 1–17, hier 2 f., 13; Steer: Massenmedium (wie Anm. 7), S. 326. Vgl. Fritz Funke: Buchkunde. Die historische Entwicklung des Buches von der Keilschrift bis zur Gegenwart. 6. Aufl., München 2006, S. 99, 112–115; Uwe Neddermeyer: Von der Handschrift zum gedruckten Buch. Schriftlichkeit und Leseinteresse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Quantitative und qualitative Aspekte 1 (Buchwissenschaftliche Beiträge 61). Wiesbaden 1998, S. 545–547; zur Funktion der Predigtwerke als Lesebücher vgl. in: Fabrice Flückiger/René Wetzel: Einleitung. Die Predigt im Mittelalter zwischen Mündlichkeit, Bildlichkeit, Schriftlichkeit, in: Dies. (Hg.): Die Predigt im Mittelalter zwischen Mündlichkeit, Bildlichkeit und Schriftlichkeit [La prédication au moyen âge entre oralité, visualité et écriture] (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 13). Zürich 2010, S. 13–23, hier 14.
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Version des Narrenschiffes mit dem Titel Navicula Fatuorum arbeitete er wohl noch selbstständig aus. Später gingen andere, darunter Geilers Sekretär Jakob Otter, daran, seine Schriften und Predigtwerke zu veröffentlichen. Viele dieser Texte beruhten wahrscheinlich auf den Notizen und Entwürfen des verstorbenen Predigers, so auch das Schiff der Penitenz und sein lateinisches Gegenstück Navicula Penitentie.14 Die Drucke anderer Werke hingegen gingen auf Mitschriften zurück, die Zuhörer zu Lebzeiten des Predigers anfertigten.15 Solche Reportationen erstellte im Falle des Predigtzyklus’ über das Narrenschiff Johannes Pauli († ca. 1530), ein Ausnahmefall in der Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Predigten. Zum einen war Pauli als Franziskaner selbst ein versierter Prediger, der mit der Exempelsammlung Schimpf und Ernst ein Werk der Predigtliteratur verfasste, das über Jahrhunderte vielfach rezipiert werden sollte. Zum anderen bemühte er sich, bei den Ausarbeitungen seiner Notizen dem Predigtduktus Geilers möglichst nah zu bleiben. Hinzu kommt, dass er bei der Redaktion die bereits gedruckte lateinische Vorlage benutzte.16 Die durch ihn überlieferten Texte Geilers können daher mit wenigen Einschränkungen als authentisch angesehen werden.17 Da Geiler einer der angesehensten Prediger seiner Zeit war, wurde das Werk, das seinen Namen trug, weit verbreitet. Ausgaben seiner Schriften fehlten in kaum einer der größeren Bibliotheken Mitteleuropas. Noch heute bergen die Handschriften- und Inkunabelsammlungen der Bibliotheken beeindruckende Mengen seiner Predigttexte sowohl in deutscher als auch in lateinischer Sprache. Die lateinischen Texte erreichten in Schriftform und als gesprochenes Wort vor allem den gelehrten Klerus. Weniger gelehrte Bevölkerungsschichten konnten die Predigten nur durch Texte rezipieren, die in der Volkssprache geschrieben wurden. Denn städtische Schulen, die in dieser Zeit bereits vermehrt existierten, vermittel14 15
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Vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 66–93, 807–814. Diese Praxis begegnet nicht selten. Berühmt sind etwa die ausführlichen Aufzeichnungen eines Tuchscherers, der in Siena die Predigten Bernhardins von Siena in der Volkssprache mitschrieb. Dabei entstanden ausführliche, detaillierte Manuskripte. Im Gegensatz dazu sind manche Nachschriften von Predigten des Johannes Capistran sehr knapp und geben lediglich das grobe Gerüst des Vortrags wieder, der sich tatsächlich wahrscheinlich über Stunden erstreckt hatte; die Reportation einer Predigt Capistrans zum Spiel nimmt in einer Münchener Handschrift lediglich 3 beschriebene Seiten ein. Vgl. Steer: Massenmedium (wie Anm. 7), S. 316 f.; zu der Überlieferung der Predigten Bernhardins vgl. Origo, Bernardino (wie Anm. 9), S. 11 f., 15 f.; zu den Predigten zum Spiel des Johannes Capistran befindet sich ein Aufsatz des Verfassers in Vorbereitung. Vgl. Bayerische Staatsbibliothek, Clm 5844, fol. 170v–171v. Zu Johannes Pauli vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 99–101, 794–803; Steer: Massenmedium (wie Anm. 7), S. 320 f., 326 f.; Volker Mertens: figuren und gemelt. Reale und evozierte Bilder in Geilers Narrenschiffpredigten, in: Fabrice Flückiger/René Wetzel (Hg.): Die Predigt im Mittelalter zwischen Mündlichkeit, Bildlichkeit und Schriftlichkeit [La prédication au moyen âge entre oralité, visualité et écriture] (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 13). Zürich 2010, S. 241–260, hier 241, 244. Die lateinische und die deutsche Version der Narrenschiffpredigten weicht vielfach voneinander ab, so auch im Fall der hier im Folgenden behandelten Predigt über Geldnarren, die in Paulis deutscher Version länger ausfällt als in der lateinischen Fassung über die contemptores pauperum. Vgl. Bauer: Problemfall (wie Anm. 1), S. 564, 576.
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ten lediglich rudimentäre Lateinkenntnisse, die nur selten das Niveau der Generalstudien der Bettelorden oder der Universitäten erreichten und das Verstehen eines lateinischen Vortrages wohl kaum ermöglichten. Bediente der Prediger sich jedoch der Volkssprache, musste er sich darauf einstellen, dass er vor einem Publikum sprach, das in Teilen gebildet war. Denn die Schulen gewährleisteten zumindest, dass in den Handelszentren Europas Kaufleute und auch manche Handwerker lesen und schreiben konnten; das gilt auch für weite Kreise des Adels.18 Und der Buchdruck eröffnete erstmals breiteren Schichten den Zugang zur Literatur, da mit ihm die Anschaffungskosten für Bücher sanken. Ein Buch kostete nach Aussage der Verleger während der Reformation weniger als zuvor das Binden einer einzelnen Handschrift. Hinzu trat: Manche Autoren verfassten jetzt häufiger deutschsprachige Texte, darunter auch Predigten, um eine möglichst weite Verbreitung zu erreichen. Auch erschienen zahlreiche Übersetzungen, so die Übertragung der Ars Moriendi des Jean Gerson ins Deutsche, die Geiler von Kaysersberg anfertigte.19 Berücksichtigt man die Anzahl der erhaltenen Frühdrucke, Geilers Bekanntheit, die Predigt als Form einer massenhaften Indoktrination und das steigende Leseinteresse des Laienpublikums in der frühen Neuzeit, so kann von einer hohen Verbreitung seiner Predigten, außerdem von einer überdurchschnittlich hohen Rezeption ihres Gedankenguts ausgegangen werden. Für eine hohe Verbreitung insbesondere der hier behandelten Predigten spricht zudem ihre Anknüpfung an einen der größten literarischen Erfolge der damaligen Zeit: Sebastian Brants Narrenschiff.20 In dieser Satire ging der Leser des Spätmittelalters zusammen mit Narren, die verschiedene Gruppen der Gesellschaft repräsentierten, auf eine Schifffahrt mit Kurs auf Narragonien. In witziger und zugleich lehrreicher Erzählung reflektierte Brant über die Gesellschaft, indem er ihre Laster darstellte.21 18
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Vgl. Schreiner: Laienfrömmigkeit (wie Anm. 3), S. 13 f.; ders.: Grenzen literarischer Kommunikation. Bemerkungen zur religiösen und sozialen Dialektik der Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformation, in: Ludger Grenzmann/Karl Stackmann (Hg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, (Germanistische Symposien. Berichtsbände 5). Stuttgart1984, S. 1–20, hier 5–10, zu Geiler S. 6, zum Bildungsgefälle trotz einer zunehmenden Alphabetisierung nichtklerikaler Schichten insbesondere in den Städten S. 1, 10–14. Als Folge von Humanismus und Renaissance wurden seit dem 15. Jahrhundert auch in Deutschland die Autoren der antiken Klassiker in die Volkssprache übertragen.Vgl. hierzu Schreiner: Grenzen (wie Anm. 18), S. 12–14; Englisch: Predigten (wie Anm. 7), S. 147 f.; Klaus Wriedt: Latein und Deutsch in den Hansestädten vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, in: Bodo Guthmüller (Hg.): Latein und Nationalsprachen in der Renaissance (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 17). Wiesbaden 1998, S. 278–313, hier 290 f. Vgl. Hans Rupprich: Die Deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock. Erster Teil. Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance. 1370–1520 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 4.1). München 1970, S. 27–35; Mertens: figuren und gemelt (wie Anm. 16) S. 241. Vgl. Joachim Knape: Einleitung zu Sebastian Brant „Das Narrenschiff“, in: Ders. (Hg.): Sebastian Brant. ,Das Narrenschiff‘ mit allen 114 Holzschnitten der Ausgabe 1494. Stuttgart 2005, S. 52 f.
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Geiler knüpfte mit seinen Narrenschiffpredigten an Brants Werk an. Auch er wollte – bei aller Moral – seine Zuhörer unterhalten. Dies wird ein Grund gewesen sein, die Thematik aufzugreifen. Jedoch rechnete er auch mit Widerspruch. Denn er vermutete, man könne einwenden, dass sein Werk selbst ein Narrenwerk sei, da es Narren zum Thema habe. Auch fürchtete er den Vorwurf, dass er seine Lehren aus einem volkssprachigen Buch und nicht aus den lateinischen Schriften der Gelehrten beziehe. Daher verteidigte er sein Vorhaben, indem er feststellte, das Narrenschiff sei als volkssprachiges Werk für ein weniger gelehrtes Laienpublikum angemessen und moralisch wertvoll. Auch pries er Brants Narrenschiff als lehrreich und anschaulich. Wie in einem Spiegel seien in ihm, so Geilers Meinung, die zu strafenden Laster in vielerlei Bildern und Gleichnissen versteckt. Dies sei die Form, erklärte Geiler, in der nicht nur die paganen Autoren zu den Menschen gesprochen hätten, sondern auch Jesus sei so verfahren. Der Prediger machte außerdem deutlich, dass Brants Narrenschiff eine Vielzahl lehrreicher Zitate aus der Bibel und der Patristik enthalte.22 Die Kirchenväter verwandten in ihren Schriften auch die Schiffsmetapher, die Brant universell einsetzte und die auch Geiler vielfältig nutzte. Das Schiff diente ihm als Bild für die Welt im Allgemeinen und für Gesellschaft, Kirche und Reich. Als lehrhaftes Modell war es vielfältig einsetzbar. Dies, die allgemein weite Verbreitung der Metapher und der Erfolg der Narrenschiffpredigten werden Gründe gewesen sein, einen zweiten Schiffszyklus an Predigten, das Schiff der Penitenz, also der Buße, zu erarbeiteten.23 Während Geilers Narrenschiff auf den Untergang zusteuerte und daher von den Menschen verlassen werden sollte, fand sich für das Bußschiff und seine Insassen ein erbauliches Ziel. Der Autor steuerte es nach Jerusalem und meinte damit das Himmlische Jerusalem als Sinnbild des Reiches Got22
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Zu Geilers Verteidigung des Narrenschiffs vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 192 f.; zu den biblischen Bezügen in Brants Narrenschiff vgl. Jan Uebelhart: Die Bibel im „Narrenschiff“. Die Rolle der biblischen Bezüge in Sebastian Brants „Narrenschiff“, in: Thomas Wilhelmi (Hg.): Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum „Narrenschiff“ und zum übrigen Werk. Basel 2002, S. 187–227, hier 192–95, 197–216, 228–241. Auch andernorts mussten Prediger mit Kontrolle, Kritik und Widerspruch rechnen. So wurden auf dem Basler Konzil die Predigten zensiert, bevor sie gehalten werden durften. Es finden sich zudem auch Fälle, in denen einige der Prediger ihre Sätze nachträglich öffentlich dementieren mussten. Vgl. Helmrath: Kommunikation (wie Anm. 3), S. 147 f. Vgl. Stephan Fuchs: „… und netzen das bapyren schyff“. Schiffsmetapher, Buchmetapher und Autordiskurs im Narrenschiff Sebastian Brants, in: Neophilologus 82 (1998), S. 83–95, hier 83–85, 87–92; Johannes Hartau: „Narrenschiffe“ um 1500. Zu einer Allegorie des Müßiggangs, in: Thomas Wilhelmi (Hg.): Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum „Narrenschiff“ und zum übrigen Werk. Basel 2002, S. 125–169, hier 128–131. Stellvertretend für weitere Veröffentlichungen zur Schiffsmetapher sei an dieser Stelle lediglich genannt: Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. 4. Aufl., Frankfurt am Main 1993. Einen knappen Überblick über die Sozialmetaphern des Mittelalters gibt Otto Gerhard Oexle: Stand, Klasse I–VI, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland 6 (1990), S. 155–200, hier 191–193; bereits Curtius trägt Material zu Schiffsmetaphern zusammen, mit denen die Abfassung eines literarischen Werkes beschrieben wird. Vgl. Ernst Robert Curtius: Lateinische Literatur und europäisches Mittelalter. 3. Aufl., Bern/München 1961, S. 138–141.
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tes, des ewigen Lebens und der Erfüllung menschlicher Sehnsüchte. Um dorthin zu gelangen, musste der Mensch auf dem Schiff der Penitenz durch die Gefahren der Welt fahren, was nur unter großen Mühen und Aufbietung der Tugenden gelingen konnte. Die Zuhörer sollten im Geiste auf Pilgerschaft gehen, um Gnade und Sündenablass zu erlangen. Aus diesem Grund wurde mit dem Schiff der Penitenz ein Schiff derer zu Wasser gelassen, die mit Gottes Weisheit begnadet waren.24 II. Für beide Sammlungen verfasste Geiler nun Predigten, in denen er Normen zum Reichtum aufbereitete, die den Menschen zu einem christlichen Lebenswandel anhalten sollten. Der Verfasser der Texte gab Ratschläge für ein tugendhaftes, gottgefälliges Leben und warnte zugleich vor den Gefahren der Sünde und des Lasters, die dem Menschen tagtäglich drohten.25 In der an Metaphern und bildhaften Sprache reichen Erörterung in der Narrenschiffpredigt zu gelt narren oder reich narren stellte Geiler dar, dass jedem irdischen Wesen eine spezifische Falle gestellt sei: Der Fisch könne an der Angel, der Vogel in einer Fangschlinge enden, die Falle des habsüchtigen Menschen aber sei das Gold.26 Das Bild der Falle, das Geiler hier benutzte, entlehnte er aus einem 24
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Johannes Geiler von Kaysersberg: Das Schiff der Penitenz und Bußwürkung (…). (Augsburg) 1514, fol. 1r: In vergangen jaren hab ich eüch gelert von dem narrnschif, darinn begrifen ist ain vnzal nareschar der menschen, und das end der selbigen schiffart ist anderst nichts dann der ewig vndergang. Hab eüch dabey ermant, das selbig schiff zu verlassen und buß zuwürcken, vmb die vergangen thorhaitten und sündtlichen werken (…), welches schiflin nit fart zu der ewigen hell, sunder gen Jherusalem, das da ob uns ist (…). Darnach hab ich eüch vnderwißen, antzünemen ain gaistliche billger schafft, zu überkommen volkommne genad und ablaß solcher sünd. Nun zu diser zeyt ist mein mainung aufftzurichten ain ander schiff, nit der narren, sonder der weysen, deß der da ist die weißhait des himlischen vatters (…), so ich für mich genommen hab dise hailige zeit der vasten, eüch zu sagen von disem hymelischen jerusalem, das süllent jr mit fleiß hören. Die Quellenzitate aus den Predigten Geiler von Kaysersbergs sind der heutigen Interpunktion angepasst. Zum Entwurf der Schiffspredigten vgl. auch Hartau: Narrenschiffe (wie Anm. 23), S. 128. Dem Gegensatz zwischen den beiden Predigtzyklen liegt die grundlegende Konzeption von Augustinus Werk De Civitate Dei zugrunde. Dort werden civitas diaboli und civitas dei in den Sinnbildern Babylon und Jerusalem in Kontrast zueinander gesetzt, um Unheils- bzw. Heilsgemeinschaft des Menschen zu erläutern. Vgl. Dietz-Rüdiger Moser: Sebastian Brant und Geiler von Kaysersberg, in: Hans-Gert Roloff/Jean-Marie Valentin/Volkhard Wels (Hg.): Sebastian Brant (1457–1521) (Memoria 9). Berlin 2008, S. 49–74, hier 54 f. Die Narrenschiffpredigt zum Reichtum wurde gehalten am 23. Feburar 1499, am Samstag nach dem Sonntag Invocavit. Im Predigtwerk Schiff der Penitenz handelt die 24. Predigt von narung und gebürliche ladung und geht auf Reichtum und Besitz ein. Sie wurde am 10. April 1501, dem Samstag nach Palmarum, gehalten. Vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 790, 809, 812 Anmerkung 1. Des hochwirdigen Doctor Keiserspergs Narenschiff […]. [Straßburg] 1520, fol. 169r: Reichtumb haben dich me weder du sy hast. Also hat der vogel den strick, der visch den angel, der mensch das feber so es widersins ist, wan das feber halt den menschen, der strick den vogel, der angel haltet den visch. Also gold halt den geitigen.
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Schlüsseltext des Neuen Testaments zum Reichtum: Im ersten Brief an Timotheus findet sich eine Äußerung über das Begehren, reich zu werden: Dieses Begehren halte Versuchungen und Fallstricke bereit, so der Bibeltext, durch die der Mensch im Verderben ende. Im unmittelbaren Zusammenhang ging Geiler auf eine Todesart ein, die zu den Fallstricken passte. Aufgrund der Abhängigkeit vom Reichtum endeten seiner Meinung nach viele – zunächst hochgeehrte – Reiche in Schande und würden am Galgen gehenkt, eine Kapitalstrafe, die im Mittelalter als entehrend galt.27 Ebenfalls aus dem ersten Brief an Timotheus entlehnte er die Auffassung, dass die Gier nach Reichtum die Wurzel alles Bösen sei. Im Anschluss an dieses Bibelzitat stellt Geiler nun die Todsünden, wie aus einer einzigen Wurzel keimend, in ihrer Verbindung zum Reichtum vor.28 Die Todsünden nahmen in der Bußliteratur über Jahrhunderte einen zentralen Platz ein. Durch die Zeiten hindurch wurden die einzelnen Vergehen im Hinblick auf ihre Schwere verschieden bewertet.29 An pro27
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Vgl. 1. Tim 6,9. Geiler verwendet die Bibelstelle auch in seiner Reichtumspredigt im Schiff der Penitenz: Hör wie spricht sanctus Paulus. Wölliche reich wöllen werden, fallen in anfechtung und in den strick des teüffels in vil bösser begird, die da schedlichen und vnnütz sind und den menschen vndertrucken, yn versencken in die verderbnuß. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 100r. Zum schändlichen Tod der Reichen im Narrenschiff: Vil reicher seint hoch geeret gesin, die darnach zů grossen schanden seint kummen, etlich seint erhenckt worden. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 169r. Zur Entehrung durch die Strafe des Hängens vgl. Ernst Schubert: Räuber, Henker, arme Sünder, Verbrechen und Strafe im Mittelalter. Darmstadt 2007, S. 92 f. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Es ist ein seltzsam ding. O nar, das du sovil uff reichtumb haltest, da nüt schedlichers und boesers ist dem leib unnd der sellen, wan es ist ein wurtzel alles boesen gelt, villeicht, so glaubstu mir nitt, gelaub sancto Paulo, der seit: radix omnium malorum cupiditas. Ja gelt, das die reichen begeren, ist ein wurtzel aller sünd. Geiler zitiert hier den Text der Vulgata: Radix enim omnium malorum est cupiditas quam quidam appetentes erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis. Bonifatius Fischer u. a. (Hg.): Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem (…). 4. Aufl., Stuttgart 1994, 1. Tim 6,10. Die Übersetzung der Bibel nach Luther hält für den in der Vulgata benutzten Begriff der cupiditas an dieser Stelle die Bedeutung Habsucht bereit. Vgl. Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart 1961, 1. Tim 6,10; die im Weiteren im Text angegebenen Bibelstellen folgen dem Text und der Ordnung dieser Ausgabe. Auch Alanus ab Insulis Schrift zur Ars Praedicandi erwähnt die Stelle in einer Anweisung für das Abfassen einer Predigt gegen die Habsucht: Paulus etiam ait: Radix omnium malorum cupiditas. Quam quidam appetentes erraverunt, et inseruerunt se doloribus multis. Alanus: Summa (wie Anm. 2), S. 123. Jedoch fasste Augustinus die cupiditas in ihrer Bedeutung weiter und identifizierte sie mit der Lust am Weltlichen. So wurde sie für die Theologen des Mittelalters eine Hauptursache für die Sünden der Menschen. Vgl. dazu Arnold Angenendt: Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Darmstadt 1997, S. 621 f. Die Patristik entwickelte die Lehre von der Todsünde zudem auf der Grundlage einer Aussage aus dem 1. Brief des Johannes: Wenn jemand sieht seinen Bruder sündigen eine Sünde nicht zum Tode, der mag bitten; so wird er das Leben geben denen, die da sündigen nicht zum Tode. Es gibt eine Sünde zum Tode; für die sage ich nicht, dass jemand bitte (1. Joh 5,16). Aus diesem Text schlossen die Theologen, es gebe Sünden, die besonders schwere Vergehen gegen die Ordnung Gottes darstellen und von seiner Gnade ausschließen. Die Kirchenväter zählten unterschiedliche Sünden zu dieser Gruppe. Besonders weit verbreitet waren die Schemata Cassians und Gregors des Großen. Im Rückgriff auf dessen Aufstellung kennt Hugo von St. Viktor sie-
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minenter Stelle rangierten jedoch in vielen mittelalterlichen Sündenlehren Hochmut und Habsucht, so auch in Geilers Reichtumspredigt.30 Hinsichtlich der Habsucht verwies Geiler auf deren unterschiedliche Ausprägungen, die Johannes Chrysostomos unterschied. Dieser Kirchenvater war selbst ein berühmter Prediger gewesen – seinen Beinamen Chrysostomos (Goldmund) erhielt er für seine wortgewaltigen Vorträge. Zum Thema seiner Homilien wählte er oft Geld und Reichtum. Kern seiner Lehre war der Gedanke der Gleichheit aller Menschen. Aus diesem Grundsatz leitete Chrysostomos die Idee vom Gemeinbesitz aller irdischen Güter durch die gesamte Menschheit ab. Eine Ausnahme stellte für ihn lediglich das Geld dar: Dies war den Reichen gegeben, damit sie die Armen versorgen konnten. Seine intensive Beschäftigung mit dem Thema ließ ihn zu einer vielzitierten Autorität im späten Mittelalter werden.31 Um Habsucht und Gier des Reichen in der Narrenschiffpredigt zu veranschaulichen, wählte Geiler das Bild des Habsüchtigen als ewig durstigen Wassersüchti-
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ben beichtpflichtige Todsünden: superbia, acedia, luxuria, ira, gula, invidia, avaritia. Die Lehre wurde von Petrus Lombardus, Thomas von Aquin und weiteren Scholastikern aufgegriffen und weiterentwickelt; sie fand so Eingang in die katechetische Literatur des späten Mittelalters und wurde den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. In verschiedenen Literaturgattungen sowie in ihrer Gestaltung in der Kunst setzte jede Zeit unterschiedliche Akzente. Vgl. Angenendt: Religiosität (wie Anm. 28), S. 621; Eugen Paul: Geschichte der christlichen Erziehung 1. Antike und Mittelalter. Freiburg/Basel/Wien 1993, S. 201–203; Egino Weidenhiller: Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters. Nach den Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek (Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 10). München 1965, S. 20 f., 58–66, 77 f., 82 f.; Christoph Flüeler: Einleitung, in: Ders./Martin Rohde (Hg.): Laster im Mittelalter – Vices in the Middle Ages (Scrinium Friburgense 23). Berlin/New York S. 2009, S. 7–10; Jörg Oberste: Zwischen Heiligkeit und Häresie. Religiosität und sozialer Aufstieg in der Stadt des hohen Mittelalters 1 (Norm und Struktur 17.1). Köln/Weimar/Wien 2003, S. 39 f. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168r–168f.: Die lxxxiii. scharr ist gelt narren oder reich narren (…). Ja gelt, das die reichen begeren ist ein wurtzel aller sünd. Item sie bringt hoffart, geitigkeit unnd gelt. Eine begrifflich reflektierte Auffächerung des Phänomens der Habsucht in Geiz als einem ,Nichtgebenwollen‘ und Habgier als einem ,Mehrhabenwollen‘ findet sich weder bei Geiler von Kaysersberg noch bei den übrigen hier zitierten Predigern. Der Begriff der Geitigkeit deckt ebenso wie sein lateinisches Pendant, die avaritia, beide Komponenten ab. Zur Habsucht im Mittelalter vgl. Angenendt: Religiosität (wie Anm. 28), S. 615 f.; Richard Newhauser: The Early History of Greed. The Sin of Avarice in Early Medieval Thought and Literature (Cambridge Studies in Medieval Literature 41). Cambridge 2000, S. 70–95; ders.: The Treatise on Vices and Virtues in Latin and the Vernacular (Typologie des Sources du Moyen Âge Occidental 68). Turnhout 1993, S. 190 f.; Jörg Oberste: Heiligkeit (wie Anm. 29), S. 40; Lester K. Little: Pride Goes Before Avarice. Social Change and the Vices in Latin Christendom, in: American Historical Review 76 (1971), S. 16–49, hier 16, 20–25. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168r.: Wiewel vor auch von geitigkeit geseit ist, so ist doch diß ein andere materi von geitigkeit, wann yn vil materi geitigkeit geseit mag werden, als Chrisostomus darvon redt. Zu Johannes Chrysostomos vgl. Raymond Bogaert: Geld (Geldwirtschaft), in: Reallexikon für Antike und Christentum 11 (1976), S. 797–907, hier 888. Johannes von Werden etwa zitiert den Kirchenvater in seiner Predigt zum Reichtum am ersten Sonntag nach Trinitatis: Et tamen sicut dicit Johannes Chrysostomus, deus dispensatores suarum voluit divitiarum non esse. (Johannes de Verdena: Sermones Dominicales. Dormi Secure. Köln 1616, S. 266.
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gen: Je mehr dieser trinke, desto durstiger werde er.32 Aus dem Neuen Testament entlehnte Geiler zudem ein Gleichnis, in dem Durst auf das Begehren von weltlichen Gütern bezogen wird. Jesus vergleicht dort seine Gaben für den Menschen mit Wasser und erklärt, wer dieses Wasser trinke, werde danach nie wieder durstig sein, wer jedoch vom irdischen Wasser trinke, werde immer wieder danach verlangen.33 Mit seinem Bild und dem biblischen Gleichnis stellte der Verfasser spirituelle und weltliche Gaben als Gegensätze gegenüber und verdeutlichte zudem die unstillbare Sucht des Reichen nach weiteren irdischen Gütern. Dieses mit Reichtum verbundene Streben beschäftigte unter dem Begriff der avaritia, der Habsucht, auch die mittelalterlichen Theologen.34 Geiler ging wie andere Prediger seiner Zeit intensiv auf die Verbindung von Habsucht und Reichtum ein.35 Neben der Habsucht wies Geiler dem Hochmut einen prominenten Platz in seiner Predigt zu, der in den spätantiken und frühmittelalterlichen Lasterlehren – stellvertretend sei das Beispiel des Lasterkatalogs Gregors des Großen genannt – sogar an erste Stelle gesetzt wurde. Geiler erklärte, Reichtum ziehe den Hochmut an wie Eisen den Rost oder Kleider die Motten. Bei diesem Vergleich stützte er sich auf eine Äußerung des Augustinus.36 Auch für die übrigen klassischen Todsünden zeigte Geiler im weiteren Verlauf der Narrenschiffpredigt ihren engen Zusammenhang mit dem Streben nach Geld und Reichtum auf. Den Neid versuchte er durch die biblische Geschichte von Ahab und Naboth mit dem Reichtum zu verknüpfen. Wahrscheinlich orientierte der Prediger sich hier an der Vorlage Brants. Der ging in seinem Narrenschiff im Kapitel Von Verachtung der Armut ebenfalls auf diese Begebenheit im 1. Buch der Könige ein: Ahab, König von Israel wünscht dort den Weinberg Naboths zu erwerben, der 32 33 34
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Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Item gelt bringt geitigkeit, reichtumb geberen geitigkeit, als ein wassersüchtiger so vil er me trinckt sovil yn übeler unnd mer dürster (…) würt. Vgl. Joh 4,13. Zur Habsucht bei Petrus Johannes Olivi und Thomas von Aquin vgl. Odd Langholm: Economics in the Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value, Money, and Usury according to the Paris Theological Tradition, 1200–1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 29). Leiden/New York 1992, S. 208 f., 352. Auch in der Reichtumspredigt des Johannes von Werden nimmt die avaritia einen prominenten Platz ein. Bei ihm findet sich ein Verweis auf den Reichen im Lukasevangelium, der größere Scheunen bauen lässt, um sein Getreide zu horten, damit die Vorräte für viele Jahre reichen, um davon zu essen, zu trinken und sich auszuruhen. Ein solches Verhalten beurteilt Werden als habsüchtig: Primus dives qui avare retinebat divitias, est ille qui dixit anima mea habes multa bona reposita in annos plurimos requiesce, comede, bibe, epulare etc. Werden: Dormi secure (wie Anm. 31), S. 226; vgl. Lk 12,13–20. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Wann hoffart ist der wurm der reichtumb, sagt sant Augustin, alle ding haben ein eigenen wurm: hotz keß, cleider, eisin den rost. Also reichtumb haben hoffart, dan gůtt machet niemantz demůtig. Das von Augustinus u. a. in seinen Predigten verwandte Bild des Wurms, der sich durch den Reichtum frisst, geht auf eine Äußerung im Matthäusevangelium zurück: Ihr sollt nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Wurm fressen und da die Diebe nachgraben und stehlen (Mt 6,19). Vgl. hierzu auch Augustinus: De vera religione (Patrologia Latina 34). Paris 1887, S. 124 f.; ders: Sermo 111 (Patrologia Latina 38). Paris 1865, S. 1419 f.; ders: Sermo 190 (Patrologia Latina 39). Paris 1865, S. 1705 f.
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an seinen Palast in Samaria angrenzt. Naboth jedoch schlägt diese Bitte ab. Daraufhin spinnt Ahabs Gemahlin Isebel eine Intrige, um Naboth zu Tode zu bringen. Sie erreicht ihr Ziel, und Ahab nimmt den Weinberg in Besitz. Die Tat erweckt jedoch den Zorn Gottes, der dem König durch den Propheten Elija verkünden lässt, dass sein Geschlecht ausgerottet werde. Die Geschichte konnte im späten Mittelalter auch dem weniger gebildeten Zuhörer bekannt gewesen sein. Sie fand z. B. Eingang in die Biblia Pauperum.37 Auch die weiteren Todsünden – darunter Zorn, Völlerei und Trägheit – wusste Geiler mit Reichtum in Verbindung zu bringen. Die Verknüpfungen wählte er teilweise nahezu willkürlich, so im Falle von Reichtum und Wollust: Der Reiche verfalle ihr, meinte Geiler, eher als der Arme. Als Begründung führte er die Haltung der Prostituierten an, die den Reichen um seines Geldes willen gegenüber dem Armen bevorzugen, selbst wenn er hässlich und ungestalt sei.38 Der Prediger folgte somit nicht einem logisch fundierten Prinzip der Begründung. Vielmehr versuchte er zu zeigen, dass jedes von der kirchlichen Lehre als Todsünde kategorisierte Vergehen mit Reichtum nicht nur einhergehen konnte, sondern dass es als unmittelbare Folge zwingend eintreten musste. Den bekannten Sündenkatalog nutzten die Prediger des späten Mittelalters gern, um die Lasterhaftigkeit menschlicher Verhaltensweisen anzuprangern. Ihr Publikum bekam daher häufig Vorträge zu hören, welche diese Hauptlaster zum Inhalt hatten. Jedoch war die Lehre von den Todsünden nicht nur in der Predigt allgegenwärtig. Auch die Kunst der Zeit schuf anschauliche Darstellungen der Prinzipallaster, die in den Skulpturenprogrammen von Kirchenportalen, Kapitell- und Archivoltenzyklen eindrucksvoll dargestellt wurden. Die Kunstwerke wurden dort ange37
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Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Item reichtumb bringt neid und haß, ein reicher hasset den anderen, Achab, der kunig, wolte den rebgartten Nabaoth haben, des armen, und hasset yn, wann er was nach bei seinem huß. Joachim Knape (Hg.): Sebastian Brant. Das Narrenschiff‘ mit allen 114 Holzschnitten der Ausgabe 1494. Stuttgart 2005, S. 83. Die Geschichte von Ahab und Naboth findet sich in der Bibel in: 1 Kön 21; zur Abbildung der Geschichte von Ahab und Naboth in der Biblia Pauperum vgl. Volker Osteneck: Naboth, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 1 (1968), S. 39. In der politischen Literatur der frühen Neuzeit gilt Ahab aufgrund seines Verhaltens als Inbegriff des Tyrannen. Vgl. dazu Herfried Münkler: Moses, David und Ahab. Biblische Gestalten in der politischen Theorie der frühen Neuzeit, in: Jürgen Ebach/Richard Faber (Hg.): Bibel und Literatur. München 2002, S. 113–136, hier 135 f. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Item reichtumb gebirt unkeuscheit, wan die hůren haben die armen nitt lieb, aber die reichen, sie seient wi heßlich und ungeschaffen sie woellen, noch wan sy reich seint, so thůn sie der gleichen, als seient sie ynen lieb. Das Beispiel Labans wiederum steht Geilers Ansicht nach für die Sünde des Zorns, den Hader, der um Reichtum entsteht. Als offensichtlich und keiner näheren Erklärung notwendig sieht der Prediger die Verquickung von Völlerei und Reichtum an. Der Reiche macht sich laut Geiler zudem der Trägheit schuldig, weil er sich nicht dem Himmel, sondern der Erde zuwendet. Ebenda: Item reichtumb bringt zorn (…), wievil kriegen, zancken haderen kummen von reichtumb. Laban wolt hinweg ziehen, das sy nit kriegetten, umb der weid willen (…). Item reichtumb bringt den fraß der reich, als alle tag schimbarlich ist (…). Item tregheit, nüt goettliches schmecket eim reichen menschen, das hertz mit reichtumb bekümmeret ist, es sicht den himmel nit an, es ist gegen dem erterich gebogen. Er sicht lieber gold dan gott. Die Erzählung über Laban findet sich in Gen 30 f.
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bracht, wo sie die wiederkehrende Aufmerksamkeit des Menschen finden konnten, denn die Vorplätze von Kirchen waren oftmals Zentren städtischen Lebens. Geilers Wirkungsstätte, die Kathedrale von Straßburg bildete hier keine Ausnahme. Dort schuf man Darstellungen der Laster für das linke Westportal: Noch heute drohen zwölf Tugenden in Frauengestalt die unter ihnen kauernden zwölf Laster mit Spießen zu durchbohren. Die Darstellungen hatten keine andere Aufgabe als die Predigt. Glaubt man den mittelalterlichen Gelehrten, dann sollte die Skulptur Gemütsbewegungen hervorrufen, d. h. Lasterbilder sollten zu Reue und Buße anleiten. Höllenszenen hatten die Funktion, Ängste zu schüren, wenn etwa der Geizige in den Höllenkessel gezogen wurde oder der Reiche in einer Darstellung des Lazarusgleichnisses in der Hölle gequält wurde.39 Todsünden machte Geiler auch im Schiff der Penitenz zu seinem Thema, jedoch richtete er den Fokus eher auf Anleitungen, mit deren Hilfe die Passagiere des Schiffs der Sünde entgehen und ein gottgefälliges Leben führen konnten. Die Gier nach Reichtum bildete jedoch auch hier einen Ausgangspunkt der Diskussion. Im Anschluss an den Psalm 62 erklärte Geiler, die Reichtümer, die einigen Menschen zuflössen, sollte man nicht mit dem Herzen betrachten. Der Prediger fand innerhalb seiner Schiffspredigten offensichtlich gefallen an bildhafter Sprache, die den Bereich des Wassers einbezog. Hier diente ihm der Bach als Sinnbild des Reichtums, der dem Menschen zu seinem Nutzen zufließe und dessen Wasser nach Notwendigkeit geschöpft werden könne. In dem Bild vom Reichtum als Bach malte Geiler den Zuhörern die Gefahr aus, den Verlockungen des Reichtums zu erliegen. Sie drohte jedoch seiner Ansicht nach nicht nur dem Reichen, der – das Wasser bis zum Hals – mitten im Strom steht, sondern auch dem Armen. Letzteren stellte Geiler zwar außerhalb des Reichtumsflusses. Der Prediger ging aber auf die Möglichkeit ein, dass er seinen Kopf in den Strom hielt.40 Dieses Bild griff die auch in der gelehrten Literatur der Zeit verbreitete Meinung auf, dass der Arme ebenso der Gier nach Reichtum verfallen könne wie der Reiche. Somit war Armut nur dann ohne Sünde, wenn sie eine innerliche Abwendung vom Überfluss beinhaltete.41 Mit dem Bild 39 40
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Vgl. Bruno Boerner: Lasterdarstellungen in der mittelalterlichen Monumentalkunst Frankreichs, in: Flüeler/Rohde (Hg.): Laster im Mittelalter (wie Anm. 29), S. 65–103, hier 65, 73, 75–77, 87–103, Little: Pride (wie Anm. 30), S. 40–43; Oberste, Heiligkeit (wie Anm. 29), S. 40. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 102v: Nu sprichst du, was thu ich aber, so ich vil reichtumb hab. (…) jch antwurt, (…) das du in dem solt halten, das dir Dauid radt in dem psalter (…). Fliessend eüch reichtumb zu, so legent nit daran eüwre hertzen (…). Gedenck, das die reichtumb gleich sind als ain pach (…), das selbig wie es her fleüßt, allso fleüßt es widerumb dahyn (…). Sy mag aber wol daruon nemen zu jr notturfft. Also das man die hende darauß mag weschen, die matten darmitt wässern (…). Allso ist es mitt dem reichtumb. Ainer der mit dem gantzen leib in dem wasser steet und allain das haubt herauß hatt, der ertrinckt nitt. Aber widerumb ist er mit dem gantzen leyb auß dem wasser und hatt den kopff allain darinnen, mag er nicht lang beleiben, er muß ertrincken. Also so der mensch sein hertz, der vnordenlichen leib und begird auß der reichumb haltet, ertrinckt er auch nicht gaistlich, ist aber der gantz mensch auß der reichtumb, so er arm ist, und das hertz steckt darinn, das er vil reichtumm begeret, der selb wirt ertrincken. Anm. des Verf.: Der Psalm 62 in der deutschen Übersetzung entspricht dem Psalm 61 in der Vulgata. Der Armutsstreit thematisierte im 13. und 14. Jahrhundert diese Problematik. Die Autoren des Franziskanerordens rangen um den rechten usus pauper. Eine völlige Ablehnung weltlichen
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vom Menschen im Fluss erläuterte Geiler aber auch seine Meinung zu einer tugendhaften Haltung gegenüber Geld und Reichtum: Der an dieser Stelle von ihm vorgestellte Reiche verlor nicht die Besinnung, denn er stand nur bis zum Hals im Wasser. Daraus konnte man schließen, dass man Reichtümer prinzipiell im Überfluss besitzen durfte. Exerzierte der Zuhörer die Situation des Menschen im Reichtumsfluss weiter durch, so musste ihm schnell klar werden, dass auch der Kopf des Reichen nicht vom Wasser, somit vom Reichtum allzu sehr berührt werden durfte. In einem solchen Falle musste er ertrinken bzw. war rettungslos verloren. Der Kopf oder das zuvor erwähnte Herz, Organe, die nach Auffassung der Gelehrten des Mittelalters den Menschen leiteten, durften vom Reichtum nicht beeinflusst werden.42 Als Exempel für den richtigen Umgang mit Gütern im Überfluss diente Geiler der Lebenswandel Gregors des Großen. Über die Legenda Aurea, eines der am weitesten verbreiteten Lesebücher des späten Mittelalters, waren die Legenden über die Taten des Kirchenvaters weithin bekannt. Nach dieser Darstellung liebte Gregor seine Reichtümer nicht, sondern verachtete sie und verteilte sie in reichlichen Spenden. Die Vita des Kirchenvaters erzählte Geschichten, die vom Almosengeben handelten: Der Bettler, dem Gregor eine silberne Schale schenkte, gab sich später als Christus zu erkennen. Der Verweis auf Gregor den Großen lässt darauf schließen, dass Geiler den Reichen nicht negativ deutete, solange er dem Verhalten Gregors folgte.43 Darüber hinaus gab der Prediger im Schiff der Penitenz generelle Antworten auf die Frage, wie mit Eigentum zu verfahren sei. Das nach seiner Ansicht tugendhafte und somit auch gottgefällige Verhältnis zum Geld erklärte er durch das Bild der Beladung des Schiffes mit irdischen Gütern.44 Sie waren in seinem Lebensentwurf auf ein bestimmtes Maß beschränkt: So ließ er sein Schiff
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Besitzes zog den Vorwurf der Armutsgegner nach sich, dass jeder Mensch körperliche Bedürfnisse habe, die gestillt werden müssten – wie etwa Hunger – und darauf aufbauend die Kritik, eine solche Lehre könne nur irrig sein. Thematisiert wurde auch, dass absolute Armut negative Verhaltensweisen im Menschen wecken könne, wie z. B. den Hang zu schmeicheln. Für Dominikaner wie Thomas von Aquin war klar, dass Armut nicht unbedingt Tugenden gebären muss. Selbst Franziskanerautoren wie Petrus Johannis Olivi befürworteten vor diesem Hintergrund ein gewisses Maß an Besitz und erklärten, dass ein Bischof oder ein Gelehrter arm im Herzen bleiben könne, auch wenn er gewisse materielle Annehmlichkeiten nutze. Vgl. Langholm: Wealth (wie Anm. 34), S. 209, 348 f., 567 f. Nach platonischer Tradition wird das Herz, nach Aristoteles der Kopf als das Organ angesehen, das den Menschen leitet. Die Gelehrten des Mittelalters tätigten entsprechend unterschiedliche Aussagen. Thomas von Aquin etwa mochte die Frage nicht entscheiden und gab daher ein mit Herz oder Haupt zu identifizierendes Zentralorgan an. Vgl. Tilman Struve: Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 16). Stuttgart 1978, S. 69, 115, 152 f. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 102v: Des haben wir ain antzaigung in sancto Gregorio, der mitt dem leib in dem reichtumb stack, aber nit mit dem hertzen. Vgl. Jacobus de Voragine: Legenda aurea. Heiligenlegenden, Zürich 1982, S. 123. Zur massenhaften Verbreitung der Legenda Aurea vgl. Reglinde Rhein: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Die Entfaltung von Heiligkeit in „Historia“ und „Doctrina“ (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 40). Köln/Weimar/Wien 1995, S. 1. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 100v: Gebürliche ladung und beschwäarung des schifs, wann so das schiffberait ist, thut man darein alles, das man bedarf auf die fart, und so das schiff also recht und nicht zu vast geladen ist, gat es dester leichtigklicher da hyn. Also sol
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lediglich Proviant, das heißt lebensnotwendige Güter laden. Die Begründung lautete: Wir sind auch gemachet auß dem leib, und den zu auffenthalten, ist uns not das leiplich brot.45 Ohne diese Grundversorgung hatten seiner Ansicht nach die spirituellen Güter – zu diesen zählten auch die Tugenden – keinen Bestand. Die Wirkung der Ladung auf das Schiff diente dem Prediger, um das rechte Maß an Eigentum, das ein Mensch besitzen sollte, seinem Zuhörer zu veranschaulichen. Hatte das Schiff zu geringe Fracht geladen, lag es nach Geilers Meinung schlecht im Wasser. Ganz ähnlich verhielt es sich jedoch, wenn es überladen war, denn überflüssiges Gut war dem Schiff seiner Ansicht nach hinderlich. Geiler plädierte daher für eine gebürliche Beladung und übertrug dieses Prinzip auf den Menschen und seine Bedürfnisse, wenn er eine Bitte zitierte, die in den Sprüchen Salomons geäußert wird. Dort wird gebeten, weder bettelarm noch reich zu werden, vielmehr möge Gott ein materielles Auskommen gewähren, das die Grundbedürfnisse decke.46 Zusätzlich stützte der Prediger seinen Gedankengang durch ein Seneca-Zitat, mit dem er ein Mittelmaß in Bezug auf Reichtümer lobte.47 Mit seiner Argumentation, seinen bildhaften Ausführungen zur Beladung des Schiffs und den von ihm angeführten Zitaten brachte er allesamt eines zum Ausdruck: Er wünschte eine austarierte innere Haltung des Menschen zu Besitz und Eigentum. Dieses rechte Maß der Dinge war im späten Mittelalter ein Grundgedanke der Ethik. Seit Aristoteles war es fester Bestandteil der philosophischen Tradition. Der Philosoph errichtete auf der Basis der Lehre von der ausgewogenen Mitte seine Tugendlehre, und mit der Rezeption der aristotelischen Schriften im 13. Jahrhundert rückte dieses Prinzip wieder vermehrt in den Mittelpunkt moralischethischer Argumentation.48
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auch das schiff vnsers christenlichen lebens geladen werden mitt gebürlicher und nottürfftiger narung. Ebenda: Was ist aber die narung, damitt man das schiff laden sol (…)? Jch antwurt (…): Wir söllen vnser schiff laden mitt zeytlichen güttern, wann gaistlichayt mag nicht lang beston on zeytliche gütter, und ist nicht genug mitt dem gaistlichen schiffbrot, daruon wir geredt haben, sunder das zeytlich materlich brot ist vnß auch täglichen not. Ebenda: Man sol auch nicht zu wenig narung in das schiff tragen, wann wenn das schiff zu leicht geladen ist, gat es eben als bößlich, als so es überladen ist. Allso hatt gebeet Salomon zu gott dem herren. Prouerbiorum an dem. xxx. capitel. Herr nicht gib mir den beetel und nicht gib mir reichtumb. Vgl. Spr 30,8. Geiler wandte sich allerdings generell gegen eine Akkumulation von Reichtum, insbesondere wenn sie dem Aufstieg in der Hierarchie der mittelalterlichen Gesellschaft dienen sollte, vgl. dazu Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 367 – 369. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 101r: Also spricht Seneca: Mittelmässikait ist zu loben, doch die sich mer naig zu dem gebrust weder zu überfluß. In seinem Dialog De vita beata kommt Senecas ausgewogene Wertschätzung des Reichtums zum Ausdruck. Das tugendhafte Verhalten des Maßhaltens kann sich seiner Auffassung nach sogar erst auf der Grundlage von Reichtum entfalten: Quid autem dubii est quin haec maior materia sapienti viro sit animum explicandi suum in divitiis nam in paupertate, cum in hac unum genus virtutis sit non inclinari nec deprimi, in divitiis et temperantia et liberalitas et diligentia et dispositio et magnificentia campum habeat patentem? Leighton Durham Reynolds (Hg.): Lucii Annaei Senecae dialogorum libri duodecim. Oxford 1967, 22,1. Aristoteles befasste sich eingehend mit der Verteilung weltlicher Güter. Das rechte Maß zwischen Habsucht und Verschwendung ist für ihn die Freigebigkeit. Zur Aristotelischen Tradition der europäischen Ethik bis ins 18. Jahrhundert vgl. Hellmut Flascher: Aristoteles, in: Ders
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Zur Veranschaulichung des Maßes wählte Geiler von Kaysersberg das Bild der Waage. Jedoch fügte er seiner Predigt keine korrekte, sondern eine falsche Waage hinzu. Geiler bezog sich auf einen Vers im Buch Hosea, wo eine falsche Waage in Kanaans Hand erwähnt wird. Dort wie auch an mehreren anderen Stellen im Alten Testament werden die Bewohner und Sitten Kanaans den Angehörigen des Volkes Gottes als warnendes Beispiel vorgeführt; Kanaan war stets ein Symbol für Entwicklungen und Kräfte, die der Ordnung Gottes widersprachen.49 Die falsche Waage war in Geilers Augen eine Waage der Habsucht: Gebe man in eine ihrer Schalen einen einzigen Heller, dann könne dieser nicht mit der eigenen Seele, Gott und seinem Reich aufgewogen werden. Der Prediger erklärte weiterhin, Kanaans falsche Waage beziehe sich auf einen Kaufmann oder Handwerker, der falsches Maß nehme.50 Dass irdischer Reichtum und Handel für Geiler in eins gingen, zeigte seine Gleichsetzung von Reichtum und dem etablierten Tauschmittel des Kaufmanns, dem Geld.51 Der Kaufmann, der durch Handel große Reichtümer und hohe Geldsummen erwarb und sich dabei versündigte, war ein immer wiederkehrendes Motiv der spätmittelalterlichen Buß- und Erbauungsliteratur. Als Berufsstand gewann er erst seit dem hohen Mittelalter zunehmend an Beachtung. Seit dieser Zeit erhoben sich erste, im Spätmittelalter dann vermehrt Stimmen, die ihm eine für das Funktionieren des Gemeinwesens tragende Funktion einräumten und somit auch eine begrenzte Wertschätzung entgegenbrachten. Dabei wurde oft auf seine Funktion als Übermittler von Nachrichten, Transporteur von Waren und Begleiter von Reisenden abgehoben.52 Seine Wirtschaftsweise wurde jedoch von den mittelalterlichen
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(Hg.): Die Philosophie der Antike 3. Ältere Akademie. Aristoteles – Peripatos (Grundriß der Geschichte der Philosophie 3). Basel 1983, S. 175–457, hier 356 f. Vgl. Fritz Stolz: Kanaan, in: Theologische Realenzyklopädie 17 (1988), S. 539–556, hier 553 f. Geiler, Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 101r: Wann warlichen die wag des gelt geitz, das ist so ainer geytzig ist, (…) die wog (…) ist falsch, wann darinn wigt ain haller mer weder got weder sein aigne seel und weder das ewige reich. Von diser wog stat also Osee am.vii: in der hand Chanaan ist ain betrügliche falsche wag. Chanaan wirdet außgelegt für ainn gewerbs man und kaufman, in des hand ist ain falsche wog, die da ain abscheühung ist vor got. Bereits in seiner Einleitung zum Narrenschiff setzte Geiler Reichtum mit Geld gleich und erklärt in diesem Zuge, es gäbe Menschen, die Ehre, Ehrbarkeit und Frömmigkeit weniger achteten als Geld und alles um des Geldes willen täten, somit Laster und Sünde in Kauf nähmen, um an Geld zu kommen: Es seint menschen die reichtumb hoeher achten, dan eer und erberkeit und frumkeit alles das sie thůnt ist umb geltz willen, sy lassen laster und sünd fürgon das sie gelt haben. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v; vgl. Oberste, Heiligkeit (wie Anm. 29), S. 45. Der Kaufmann wurde im 11. Jahrhundert noch als Diener des Teufels bezeichnet. Bereits im 12. Jahrhundert vertrat jedoch Hugo von St. Viktor im Didascalicon die folgende Auffassung: Der Kaufmann bereist unwegsame fremde Gegenden und handelt mit fremden Völkern. Somit leistet er einen Beitrag zur Völkerversöhnung und festigt den Frieden. Zudem wandelt er private Güter zum Nutzen aller um. Dieses Urteil über den Kaufmann findet sich auch in der mittelhochdeutschen Epik wieder. Die Autoren loben den Loskauf christlicher Gefangener aus der Haft der Heiden durch den Kaufmann. Seine Gewinnsucht jedoch, durch die er Notlagen provozieren kann, wird verurteilt. Vgl. hierzu Jacques LeGoff: Kaufleute und Bankiers im Mittelalter. Frankfurt am Main 1989, S. 69, 91; Klaus Schreiner: Legitimität, Autonomie, Rationalisierung. Drei Kategorien Max Webers zur Analyse mittelalterlicher Stadtgesellschaften – wis-
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Gelehrten weiterhin kritisch bewertet und streng reglementiert, so auch von Geiler von Kaysersberg. Er stellte die Funktion des Kaufmanns für die Gesellschaft zudem indirekt in Abrede, wenn er Skepsis gegenüber dem Argument äußerte, die Gesellschaft müsse ohne die Tätigkeit des Kaufmanns, den Handel, verderben. Zudem monierte er nicht nur des Kaufmanns Streben nach, sondern auch seine Freude am Gewinn.53 So durften auf das Schiff der Penitenz nur Güter gebracht werden, die durch nutzliche Arbeit oder rechtmäßigen Erbfall erworben worden waren. Geiler riss zudem auf das von der Wirtschaftsethik der Zeit vielbesprochene Problem der unrechtmäßig erworbenen Güter an; ebenfalls eine Fracht, die sein Bußschiff nicht laden durfte. Mit Augustinus sprach er, die Sünde werde nicht versiegen, solange solches Gut nicht zurückgegeben sei; zudem würde es das Schiff zu sehr beschweren und es ganz und gar nach unten ziehen.54 Geilers generelles Fazit zum Umgang mit Reichtümern lautete, dass man sie verteilen möge. Ohne Trauer um den weltlichen Besitz möge man hier zu Werk gehen. Durch Arbeit oder rechte Kaufmannschaft erworbene Überschüsse waren seiner Meinung nach zur Unterstützung der Bedürftigen zu verwenden.55 In diesem Sinne legte er auch Paulus Äußerung aus, die lautete, jedweder Gewinn sei Kot und Mist gegenüber der Erkenntnis Jesu Christi. Geiler bot sich mit dieser Bibelstelle ein starkes Bild für seine Zuhörer, wenn er auf den Gewinn als Exkrement abhob. Er führte den Gedanken weiter aus und erklärte, im Haus verursache der Gewinn Gestank, auf die Felder verteilt bringe er jedoch reiche Ernte56; eine Mahnung an den Zuhörer, dass Reichtum nicht gehortet werden sollte und Almosen zu den guten Werken gehörten.
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senschaftsgeschichtlicher Ballast oder unabgegoltene Herausforderung?, in: Christian Meier (Hg.): Die okzidentale Stadt nach Max Weber. Zum Problem der Zugehörigkeit in Antike und Mittelalter (Historische Zeitschrift, Beihefte 17). München 1994, S. 161–211, hier 202 f.; Heribert Brennig: Der Kaufmann im Mittelalter. Literatur – Wirtschaft – Gesellschaft (Bibliothek der Historischen Forschung 5). Pfaffenweiler 1993, S. 444–446. Vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 301. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 102r: Aber die guter soltu darein tragen, die du mit nutzlicher arbait oder durch recht erbfall überkommen hast (…), also solt du die recht gewunnen gütter in das schiff tragen, nicht die güter die vnrechtfertigklich überkommen sind, wann die selben ist man schuldig widertzukeren. Wann als och sanctus Augustinus spricht, die sünd wirt nit vertzigen, man gebe dann das abgetragen gut wider (…), du solt in das schiff tragen zeitliche güter, die nitt verbunden sind dem widerkere, wann sy würden das schiff gantz und gar vndertrucken (…) das du nitt darein bringst was du durch raub, diebstal, wucher gaistlich wucher und der geleichen überkommen hast. Ebenda, fol. 101r. und 102v: Aber die hend leg tapffer daran, tail sy auß on trauren den armen leüten, da es wol angeleget ist (…), da main ich die armen, deren tail soltu mitt dir bringen, das ist so du genug hast für dein person, solt du fleiß ankeren durch arbaytt oder zymliche rechte kauffmanschatz, das du den armen auch zu hilffe kommest. Ebenda, fol. 102v: Gedenck (…), das die reichtumb kot und wüst sind, als sanctus Paulus spricht: Jch hab alle ding geacht als kot. Nun ist der kot und mist nit nütz im hauß. Ja (…) es stinckt das gantz hauß dauon, würft man aber den mist auf die äcker, die macht er fruchtbar (…). Allso die reichthumb behaltet man sy (…), so machen sy das gantz hauß des menschen (…) stinckent. Aber würft man sy auß, auf die magern äcker, auf die armen leüt, den sind sy vast nütz. Das Pauluszitat nutzt Geiler auch im Narrenschiff. Vgl. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol 169r. Das Pauluswort findet sich in Phil 3,7–8.
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III. Geiler von Kaysersberg bewertete den Reichtum in seinen Predigten an keiner Stelle ausdrücklich positiv. Lediglich implizit konnten Leser oder Zuhörer feststellen, dass Reichtum per se nicht sündhaft sein musste. Dies unterschied ihn von einer Reihe weiterer Predigtautoren, die Reichtum zunächst als wertneutrales Phänomen positiv beurteilten. Als Begründung dienten diesen Autoren Gestalten aus der Bibel, die reich waren wie etwa Abraham.57 Johannes von Werden erklärte sogar, Gott könne die Reichen und Mächtigen nicht von sich weisen, weil er selbst mächtig und reich sei58 Andere Prediger hingegen wie Johannes Herolt verfassten Musterpredigten zum Reichtum, in denen sie nahezu ausgefeilte Sündenkataloge zu den geschäftlichen Praktiken des mittelalterlichen Kaufmanns schufen und sein Handeln bewerteten.59 Auch diese Autoren räumten jedoch der Darstellung der Sündhaftigkeit des Reichtums und seiner negativen Folgen für den Menschen großen Raum ein. Bei Johannes Herolt waren vier der sieben von ihm ausfindig gemachten Eigenschaften des Reichtums mit Sünde behaftet und nur drei führten zum Heil.60 Die Gelehrten der Zeit kamen oft zu einer unterschiedlichen Einschätzung. Zwar befanden sich die Doktoren der Kirche gegenüber dem Reichtum in einem Zwiespalt. Denn generell vertraten sie die Auffassung, Reichtum stehe der spirituellen Verwirklichung des Menschen im Wege. Jedoch erfuhr Reichtum fußend auf 57 58
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Werden: Dormi secure (wie Anm. 31), S. 225: Et iusti et sancti divites fuerunt, qui deo placuerunt, sicut Abraam et caeteri Patriarchae. Ebenda: Esse autem divitem non est culpabile, deus enim divites et potentes non abijcit, cum et ipse sit potens. Dives und potens gehören bereits in der Antike zu ein und demselben Begriffsfeld, wie etwa die Exemplasammlung des Valerius Maximus zeigt. Das Gegensatzpaar potens und pauper findet sich zudem bereits in der lateinischen Bibelsprache und der politischen Theorie des Frühmittelalters. Vgl. Sigrid Mratschek-Halfmann: Divites et Praepotentes. Reichtum und soziale Stellung in der Literatur der Prinzipatszeit (Historia. Einzelschriften 70). Stuttgart 1993, S. 8, 83; Karl Bosl: Potens und Pauper. Begriffsgeschichtliche Studien zur gesellschaftlichen Differenzierung im frühen Mittelalter und zum ,Pauperismus‘ im Hochmittelalter, in: Alteuropa und die moderne Gesellschaft. Festschrift Otto Brunner. Göttingen 1963, S. 60–87, hier 61–68. Johannes Herolt: Sermones Discipuli de tempore et de sanctis (…). Venedig 1613, S. 264–266: Primum genus divitum, qui damnantur cum divitijs suis, sunt illi divites, qui suas divitias lucrantur cum fraude, et iniustitia, sed cum usura (…). Item qui vendunt res suas longe carius propter dilationem (…). Item qui iam prompta pecunia emunt, et immediate propter dilationem econverso vendunt (…). Item qui fraudem committunt in emendo vel vendendo (…). Item qui in statera dilinquunt (…). Item qui vitiosam, et defestuasam rem nendunt pro bona (…). Item qui emunt rapinam, vel furtum, tenentur restituere (…), qui iustas res retinent, et possident eo animo (…), qui iustas res malem expendunt, et non utuntur istis iustis bonis. Auch in Johannes von Werdens Predigt zum Reichtum findet sich die Auffassung, dass derjenige, der auf ungerechte Art und Weise seinen Reichtum erwirbt, zu verdammen sei: Quartus dives fuit, qui iniuste adquirebat. Iste fuit villicus iniquitatis, qui de bonis domini sui ditatus fuit. Contra tales dicit Augustinus, res quam capis muscipula est, dum capis, caperis, tenes alienum, teneris a diabolo. Werden: Dormi Secure (wie Anm. 31), S. 227. Herolt: Discipuli (wie Anm. 55), S. 264: Loquendo hic de divitibus quidam damnantur, et quidam salvantur. Sciendum est, quod septem sunt genera divitum, quorum quatuor damnantur, et tria salvantur.
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der seit der Spätantike von den christlichen Gelehrten meist positiven Beurteilung des Eigentums als Grundbaustein eines funktionierenden Gemeinwesens eine abgewogene, differenzierte und zunächst positive Bewertung. Dies geschah auch, weil sie erkannten, dass Reichtum für sich genommen ein wertneutrales Phänomen war, das erst im Hinblick auf seine Verwendung oder seinen Erwerb beurteilt werden konnte. Um ihre Doktrin zu untermauern, nutzten auch die Gelehrten Exempel aus der Bibel. So führte etwa Thomas von Aquin König Salomon als positives Reichtumsbeispiel an.61 Ein zentraler Grundsatz der Diskussion lautete, dass es für den Reichen zwar schwierig, jedoch nicht unmöglich sei, Gott zu gefallen. Die Gelehrten mahnten daher zur Vorsicht und hielten zur rechten Verwendung des Reichtums an. So erklärte Thomas von Aquin, weltliche Reichtümer seien nichts Bleibendes und könnten leicht verloren gehen, zudem trügen sie nicht unmittelbar zur Seligkeit des Menschen bei. Er wie auch die ihm nachfolgenden Scholastiker vertraten die Auffassung, Reichtum sei dem tugendhaften Gebrauch des Menschen untergeordnet und solle freigebig verteilt werden. Nur im Ergebnis ähneln sich somit Lehrschriften und Predigten. Anders als in den Texten der Gelehrten boten die Prediger jedoch keine rationale Herleitung und Diskussion ihrer Normen. Die vorsichtigen Abwägungen und ausdifferenzierten Argumente in den Gedankengebäuden der Theologen wandten die Predigtautoren in ihren kontrastreichen, einzelne Verhaltensweisen kategorisch entweder dem Guten oder Bösen zuschlagenden Texten kaum an. Die komplexeren Gedankengänge der kirchlichen Lehre, die Reichtum, Geld und Eigentum in den Blick nahm und in bestimmten Kontexten oder als Ergebnis einzelner Handlungen ausdrücklich guthieß, so dass Reichtum einen festen, tragenden Platz in den Gesellschaftsentwürfen der Zeit einnehmen und behaupten konnte, bauten Geiler und die meisten anderen Autoren in ihre Predigten nicht ein.62 Die vereinfachte und holzschnittartige Aufbereitung kirchlicher Normen in der Predigt hatte ihren Grund: Es war nicht das Ziel der Prediger, eine rationale, logisch nachvollziehbare Begründung ihres Tuns zu liefern, sondern ihren Zuhörern die christliche Glaubenslehre, das Ergebnis theologischer Diskussion, zu vermitteln, sie jedoch nicht durch strittige Fälle zu verunsichern. Somit schrieb auch Geiler Predigten, die vor allem aus simpel formulierten Erläuterungen und Anweisungen 61 62
So erklärte Thomas von Aquin, dass Salomon nicht gemeint habe, derjenige, der reich sei, dürfe die Früchte seines Besitzes nicht genießen, sondern er habe gesagt, dies treffe auf jenen zu, der den Reichtum liebe. Vgl. Langholm: Wealth (wie Anm. 34), S. 209. Zu den Lehren etlicher scholastischen Autoritäten vgl. ebenda, S. 207 f., 566–569; Christian Schäfer: Die Hauptlasterlehre des Thomas von Aquin, in: Flüeler/Rohde: Laster im Mittelalter (wie Anm. 29), S. 139–166, hier 143 f. In seiner Auslegung vom Gleichnis, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel gelange in Mt. 19,23–25 meint Thomas von Aquin: Sed hic est quaestio litteralis. Cum plures sint pauperes quam divites, et divites difficile sit salvari; quomodo dicunt: Quis poterit salvus esse? Respondetur, quod intellexerunt, quod intelligeret etiam de pauperibus qui sunt divites voluntate: quia plures sunt pauperes qui voluntate sunt divites, Item ipsi jam erant effecti soliciti pro toto mundo; ideo ingruebat eis illa solicitudo, quae habetur II Corinth. XI, ut soliciti erant rectores omnium creaturarum (Thomas Aquinas: In Matthaeum evangelistam expositio, in: Ders.: Opera Omnia 19. ed. Stanislaus E. Fretté. Parisiis 1876, S. 226–668, hier 514).
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bestanden.63 Die meist negative Bewertung des Reichtums in der Predigt hatte somit eine ihrer Ursachen in der vereinfachten Aufbereitung und Zuspitzung der vorsichtig abwägenden Ausführungen der Gelehrten durch die Predigtautoren, ein weiterer Grund lag in der generellen Intention der Predigt: Da sie den Menschen zu einem gottgefälligen Leben anleiten sollte, lag ihre Aufgabe zunächst im Ermahnen, nicht im Loben.64 Auf den ersten Blick auffällig ist zudem, dass in Geilers Predigten nur wenige Zitate mit den Meinungen gelehrter Autoritäten aufgenommen wurden. Dies hatte seine Ursache in der unter den Zeitgenossen weit verbreiteten Auffassung, nach der gelehrte Diskurse oder sogar strittige theologische Fragen in volkssprachigen Texten nicht behandelt werden sollten. Auch Geiler erklärte, der Prediger möge einfeltige, gemeine, nützliche, lerliche ding behandeln, die subtilen, komplexen Probleme der Theologie jedoch nicht vor den Zuhörern erörtern. Zwar argumentierten die zeitgenössischen Übersetzer gelehrten Schrifttums und der Bibel mit dem Beispiel Jesu und der Apostel, die sich zur Verkündigung nicht einer Gelehrtensprache, sondern der Volkssprache bedient hätten. Geiler und die Herausgeber seiner Werke folgten dieser Meinung jedoch nicht.65 So wies der Editor der Narrenschiffpredig63
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Das auf diese Weise aufbereitete Gedankengut wird in der Forschung auch als Frömmigkeitstheologie bezeichnet. Der Begriff bezieht sich auf eine Theologie, die vor allem Normen für die christliche Lebenspraxis erarbeitet und diskutiert. Mittelpunkt der Doctrina Christiana ist die Vita Christiana. Theologische Reflexion wird dabei eng auf religiöse Lebenspraxis abgestimmt. Vgl. Berndt Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie? Überlegungen zum 14. bis 16. Jahrhundert, in: Hans-Jörg Nieden/Marcel Nieden (Hg.): Praxis Pietatis. Beiträge zu Theologie und Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Wolfgang Sommer zum 60. Geburtstag. Stuttgart/ Berlin/Köln 1999, S. 9–45, hier 11, 13, 18; Klaus Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten. Fragen, Themen und Tendenzen der frömmigkeitsgeschichtlichen Forschung in der neueren Medävistik, in: Hans-Werner Goetz (Hg.): Die Aktualität des Mittelalters (Herausforderungen. Historisch-politische Analysen 10). Bochum 2000, S. 57–106, hier 85; Schreiner: Laienfrömmigkeit (wie Anm. 3), S. 15; Hans-Joachim Schmidt: Allegorie und Empirie. Interpretation und Normung sozialer Realität in Predigten des 13. Jahrhunderts, in: Volker Mertens/Hans-Jürgen Schiewer (Hg.): Die Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin 3.–6. Oktober 1989. Tübingen 1992, S. 301–333, hier 330. Vgl. Volker Mertens: Der implizite Sünder. Prediger, Hörer und Leser in Predigten des 14. Jahrhunderts, in: Walter Hauck u. a. (Hg.): Zur deutschen Literatur und Sprache des 14. Jahrhunderts. Dubliner Kolloquium (Beihefte zur Literatur- und Sprachwissenschaften 45). Heidelberg 1983, S. 76–114, hier 80, 86. Vgl. Voltmer: Wächter (wie Anm. 1), S. 193 f.; Schreiner: Laienfrömmigkeit (wie Anm. 3), S. 18–21; Wilhelm Ribhegge: Latein und die nationalen Sprachen bei Erasmus von Rotterdam. Martin Luther und Thomas More, in: Bodo Guthmüller (Hg.): Latein und die Nationalsprachen in der Renaissance (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 17). Wiesbaden 1998, S. 151–180, hier 159–161. Das Zitat ist entnommen aus: Herbert Kraume: Die GersonÜbersetzungen des Geilers von Kaysersberg. Studien zur deutschsprachigen Gerson-Rezeption (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 71). München 1980, S. 222; vgl. auch Schreiner: Grenzen (wie Anm. 18), S. 6. Vor der Reformation trennte Luther in seinem Werk noch strikt zwischen lateinischen, gelehrten Texten, in denen strittige theologische Fragen erörtert wurden, und volkssprachigen Schriften, in denen solche strittigen Erörterungen keinen Eingang fanden. Steer, Massenmedium (wie Anm. 7), S. 333.
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ten darauf hin, man habe die Hinweise auf die gelehrten Autoritäten weggelassen, weil ein Gelehrter anders schreibe, als er in der Volkssprache predige.66 Wenn Zitate in die Texte aufgenommen wurden, dann stammten sie oft aus der Bibel, vorzugsweise aus dem Neuen Testament, das eine Reihe plakativer Exempel zum Reichtum bereithielt. Neben den bereits genannten Bibelbezügen nutzte er auch das Gleichnis Jesu, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Himmelreich gelange.67 Bezog sich hingegen Geiler auf das gelehrte Spektrum, griff er meist auf die Schriften der bekannteren Kirchenväter zurück. Augustinus stand hier an erster Stelle. Die hier behandelten Predigten weisen zudem Bezüge zu den Predigten Johannes’ Chrysostomos auf, die bereits um das Jahr 1400 teilweise in die Volkssprache übertragen worden waren und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehrfach als Übersetzungen gedruckt wurden. Daneben zitierte der Prediger aus den Klassikern der Antike. Durch Übersetzungen reichte zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihre Rezeption bereits weit über gelehrte Zirkel hinaus.68 Zu den Autoren, die auf diese Art und Weise größere Kreise erreichten, gehörte auch Seneca, der unter den paganen Schriftstellern im Mittelalter ohnehin hervorstach. Der Grund lag in der vom Seneca-Paulus-Briefwechsel geprägten Annahme, Seneca habe dem Christentum nahegestanden. Bis um das Jahr 1500 galten die erst im 4. Jahrhundert von unbekannter Hand geschriebenen Briefe als echt. Nicht nur die Predigt, sondern auch Sangspruchdichtung und Meistersang griffen Zitate Senecas auf. Seine Dialogi, auf die wahrscheinlich der in Geilers Predigt zitierte Ausspruch zurückgeht, wurden bereits von der Mönchs- und Kirchenväterliteratur rezipiert, so durch Boethius und Augustinus.69 Neben den Wer66 67
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Vgl. Bauer: Problemfall (wie Anm. 1), S. 570. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v: Der reich schreib, ich bin crützget yn disem flammen, über das so hindert es dich am himmelreich. Es gieng leichter ein kemelthier durch ein nodeloer yn, dan ein reicher in den himmel. Vgl. Mk 10,25; Lk 18,25; Mt 19,24. Geiler erwähnt auch das Gleichnis von der falschen Selbstsicherheit des reichen Mannes aus dem Lukasevangelium. Vgl. Geiler: Narenschiff (wie Anm. 26), fol. 168v. Zu den Übesetzungen der Predigten des Johannes Chrysostomos vgl. Regina Toepfer: Predigtrezeption aus historisch-mediologischer Perspektive. Deutsche Übersetzungen griechischer Kirchenväter im Buchdruck des 16. Jahrhunderts, in: Fabrice Flückiger/René Wetzel (Hg.): Die Predigt im Mittelalter zwischen Mündlichkeit, Bildlichkeit und Schriftlichkeit – La prédication au moyen âge entre oralité, visualité et écriture (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 13). Zürich 2010, S. 37–63, hier 38, 41, 44, 47. Werke der römischen und griechischen Klassik hat Geiler, beeinflusst vom Humanismus, rezipiert. Insbesondere die Narrenschiffpredigten sind reich an Zitaten aus der klassischen Literatur. Vgl. dazu Ralf-Henning Steinmetz: Die Rezeption antiker und humanistischer Literatur in den Predigten Geilers von Kaysersberg, in: Nicola McLelland/Hans-Jochen Schiewer/Stefanie Schmitt (Hg.): Humanismus in der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. XVIII. Anglo-German Colloquium Hofgeismar 2003. Tübingen 2008, S. 123–136, hier 124 f., 127, 135 f. Vgl. Franz Josef Worstbrock: Zur Einbürgerung der Übersetzung antiker Autoren im deutschen Humanismus, in: Susanne Köbele/Andreas Kraß (Hg.): Franz Josef Worstbrock. Ausgewählte Schriften, Bd. 2: Schriften zur Literatur des Humanismus. München 2005, S. 53–88, hier 53 (der Erstabdruck erfolgte in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 99 [1970], S. 45–81); Nikolaus Henkel: Seneca d. J., Lucius Annaeus, Verfasserlexikon – Die deutsche Literatur des Mittelalters 8 (1992), S. 1080–1099, hier 1087; Alfons Fürst: Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, in: Ders. u. a. (Hg.): Der apokryphe Brief-
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ken Senecas wurde auch die von Geiler genutzte Schrift Ciceros Laelius de Amicitia im Mittelalter vielfach von Predigern rezipiert. Bernhard von Clairvaux war nur einer von vielen, der Bezug zu diesem paganen Schriftsteller nahm. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts übersetzte schließlich von Johannes von Schwarzenberg die Schrift ins Deutsche. In der Folge wurde sie als gedrucktes Buch verbreitet.70 Die Klassikerzitate deuten auf den Einfluss des in jener Zeit nördlich der Alpen aufstrebenden Humanismus hin, in dessen Bildungsprogramm die Ethik einen festen Platz beanspruchte, so dass auch die Frage des Reichtums allenthalben diskutiert wurde, so auch von Erasmus von Rotterdam, dessen Schriften bereits vor der Reformation im Reich außerordentlich populär waren.71 In seiner Satire Moriae encomium id est stultitae laus, die ihn berühmt gemacht hatte und seit 1511 in einer ungewöhnlich hohen Auflagenhöhe verbreitet war, setzte er äußeren und inneren, somit materiellen und seelischen Reichtum in Kontrast zueinander. Erasmus gab
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wechsel zwischen Seneca und Paulus. Zusammen mit dem Brief des Mordechai an Alexander und dem Brief des Annaeus Seneca über Hochmut und Götterbilder (Sapere. Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Regilionemque pertinentia 11). Tübingen 2006, S. 3–82, hier 3–11. Geiler beruft sich bei der Kategorisierung wahrer und falscher Freunde auf Cicero: Antweders du redst von den woren freünden oder von den falschen. Redstu von den waren fründen (…), er sey in gelück oder vnglück (…), ir sind gar wenig und ist nicht not, das du für sy vil reichtumb sammlest (…), es sey dann, das sy sie liebhaben als ain muck den haffen mitt milch (…), als dann Tullius daruon schreibt von der freüntschafft: Also haben die menschen ainander lieb, als ainer lieb hat sein küw, das ist vmb des nutz willen und aygens gewinß (…), vmb der woren freünd willen darfst du nicht vast sorckfeltig sein. Geiler: Schiff der Penitenz (wie Anm. 24), fol. 101v–102r. Zur Cicerorezeption im späten Mittelalter vgl. Peter Kesting: Cicero, Marcus Tullius, in: Verfasserlexikon – Die deutsche Literatur des Mittelalters 1 (1978), S. 1274–1282, hier 1276, 1278, 1281. Ferner Etienne Gilson: Die Mystik des heiligen Bernhard von Clairvaux. Wittlich 1936, S. 32 f. Erasmus von Rotterdams Haltung zum Reichtum ist lediglich eine Einzelstimme, ihr Verfasser und seine Schriften jedoch bereits zu Lebzeiten sehr bekannt. Zwar wurden erst in den Jahren nach Luthers Thesenanschlag Erasmus’ Werke vielfach übersetzt, womit sie weiten Kreisen erschlossen wurden, jedoch spricht einiges dafür, dass man Kenntnisse seiner Schriften vor dieser Zeit auch außerhalb der Humanistenzirkel, bei Klerikern, Teilen des Stadtbürgertums und des Adels annehmen kann. Wilhelm E. Winterhager/Christoph Galle: Wie breit war die Erasmus-Rezeption bis 1518/19. Zur sozialpsychologischen Wirkung des Humanismus vor der Reformation. Eine Problemskizze, in: Tobias Sarx/Christoph Galle (Hg.): Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 5). Frankfurt am Main 2012, S. 1–22, hier 11–16, 20; Christoph Galle: Erasmus-Rezeption im Reich und in England. Ein diachroner Vergleich volkssprachiger Übersetzungen, in: Tobias Sarx/Christoph Galle (Hg.): Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 5). Frankfurt am Main 2012, S. 23–38, hier 30 f. zählt allein 55 im Jahr 1519 übersetzte Titel aus Erasmus’ Oeuvre. Den Begriff der Diffusion für die Verbreitung des Humanismus nutzte bereits Paul Oskar Kristeller: The Diffusion of Humanism, in: Italica 39 (1962), S. 1–20; der Aufsatz erschien ins Deutsch übersetzt als: Ders.: Die Verbreitung des Humanismus in Europa, in: Ders.: Humanismus und Renaissance 2. Philosophie Bildung und Kultur (Humanistische Bibliothek 22). München 1974, S. 85–100. Mit einem Überblick über die Literatur zu diesem Phänomen vgl. Johannes Helmrath: Diffusion des Humanismus. Zur Einführung, in: Ders./Ulrich Muhlack/Gerrit Walther (Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten. Göttingen 2002, S. 9–29, hier 14–20.
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letzterem den Vorzug, war zudem der Auffassung, dass Besitz erst Freude bereite, wenn man ihn teile. Die Tätigkeit des Kaufmanns konnte er vor diesem Hintergrund nur verurteilen.72 Ein Vertreter des Humanismus war auch Sebastian Brant, dessen Meinungen sich mit Erasmus’ Auffassungen vom Reichtum überschneiden. Für Brant gehörten Reichtum und Habsucht zusammen. In seinem Narrenschiff verurteilte er Wucher scharf, ungerecht erworbene Güter waren auch in seinen Augen ein sicherer Weg ins Höllenfeuer, und Reichtum stellte er insgesamt überwiegend mit sündhaftem Treiben behaftet dar. Auch seiner Ansicht nach sollte er vor allem der Unterstützung der Armen durch Almosen dienen.73 Geiler, Erasmus und Brant, dessen Narrenschiff dem Prediger als Prätext diente, unterschieden sich allerdings in ihrer Intention. Zwar verwandten alle drei Gedanken, die Teil des geistigen Allgemeinguts der Zeit waren. Ungeachtet dieser Parallelen entfernte sich jedoch Geiler von Kaysersberg von der satirischen Spiegelung der Gesamtgesellschaft, die die zwei Humanisten in ihren hier angeführten Werken vornahmen. Wo Sebastian Brant den Leser kunstvoll in die Irre führte, indem er ihm erst Stück für Stück und einzelne Aspekte menschlichen Verhaltens spiegelnd zeigte, dass die Welt bei Betrachtung aus wechselnden Perspektiven insgesamt als Werk von Narren angesehen werden konnte, sorgte der Prediger für eine klare Scheidung zwischen richtig und falsch. Die Lebensform des Narren war seiner Meinung nach die des Sünders und erschien in seinen Predigten ohne Umschweife als die falsche Art zu leben.
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Quis regem non et opulentum et dominum fatetur? Atqui nullis animi bonis instructus est, atqui nihil illi satis est; iam videlicet pauperrimus est. Tum animum habet plurimis addictum vitiis, iam turpiter servus est. Desiderius Erasmus Roterodamus: Moriae encomium id est stultitae laus. ed. Clarence Miller (Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami 4.3). Amsterdam/Oxford 1979, S. 104. Porro nullius boni iucunda sine socio possessio. Ebenda, S. 132. Hic ob exiguum idque incertum lucellum per omnia maria volitat, undis ac ventis vitam committens nulla pecunia reparabilem. (…) Est omnium stultissimum ac sordidissimum negociatorum genus, quippe qui rem omnium sordidissimam tracent, edque sordidissimis rationibus; qui cum passim mentiantur, peierent, furentur, fraudent, imponant, tamen omnium primos sese faciunt, propterea quod digitos habeant auro reuinctos. Ebenda, S. 136. Kritik am Reichtum übte Erasmus auch in seinem Novum Instrumentum, jener kommentierten Neuausgabe des Neuen Testaments, mit der er sich endgültig einen Namen als Philologe und Theologe machte. Das Gleichnis des reichen Kornbauern diente ihm, um zu erklären, dass der Mensch nicht auf irdischem Reichtum bauen sollte. Die Unklugheit des Kornbauern bestand seiner Auffassung darin, nicht zu erkennen, dass Gott ihm irdischen Reichtum geschenkt habe, damit er ihn in himmlischen umwandle, indem er seinem Nächsten davon abgebe. In seiner Erklärung des Exempel vom ungerechten Haushalter äußerte er seine Meinung zum Reichtum noch deutlicher: Zurückgehaltene Reichtümer machen den Menschen sorgenverfallen und ungerecht, gespendet wird der Reichtum zu einem Instrument evangelischer Gerechtigkeit. Vgl. dazu Friedhelm Krüger: Humanistische Evangelienauslegung. Desiderius Erasmus von Rotterdam als Ausleger der Evangelien in seinen Paraphrasen (Beträge zur historischen Theologie 68). Tübingen 1986, S. 174 f. 73 Solche Aussagen finden sich in Brants Narrenschiff in den Kapiteln Von gytikeit, Von unnutzem richtum, Von Verachtung armut, wucher und furkoff. Vgl. Brant: Narrenschiff (wie Anm. 37), S. 118–120, 164–166, 393–397, 431–433.
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RESÜMEE Johannes Geiler von Kaysersberg gestaltete die hier vorgestellten Predigten vor allem im Rückgriff auf Allgemeinplätze in der Erbauungsliteratur seiner Zeit. Dabei beurteilte er Reichtum überwiegend kritisch abwertend, nie ausdrücklich positiv und tugendbehaftet. Reichtum brachte er meist mit der Gier des Menschen und ihren Auswirkungen in Verbindung. Einen positiven Gegenentwurf für ein christliches Leben des Reichen formulierte er jedoch nicht. Zwar war die Lehre vom rechten Maß des Besitzes ein wiederkehrendes Element von Geilers Predigten, jedoch gab er ihr keine positive Prägung. So stellte er seinen Zuhörern keine gerechte, sondern eine falsche Waage vor Augen. Gewinn war ihm zunächst Exkrement, erst in zweiter Hinsicht kam ihm nach Geilers Meinung die Funktion des Düngers und damit eines Movens der Gesellschaft zu. Der Straßburger Prediger schwieg in seinen Vorträgen weitgehend, was den Nutzen von Reichtümern anbelangte. Dabei folgte er wie viele Prediger seiner Zeit beim Verfassen seiner Texte keinem logisch-rationalen Aufbau. Auch gab er die vorsichtig abwägenden Meinungen der scholastischen Autoritäten seiner Zeit zum Reichtum nicht wieder, die überwiegend zwar eine kritisch abwägende, jedoch nicht verurteilende Einordnung des Phänomens vornahmen. Denn im Gegensatz zu Geiler erachteten die Gelehrten Geld und Reichtum meist als notwendig und beurteilten sie als unproblematisch, solange sie gerecht erwirtschaftet und tugendhaft verwandt wurden. Zwar griff der Prediger bei den hier vorgestellten Predigten zurück auf Sebastian Brants Narrenschiff, jedoch wich bei ihm die Eigenart humanistischer Satire – die dem Phänomen des Reichtums abwägend, letztlich aber abschätzig gegenüberstand –, den Leser neben der Belehrung immer auch zur Reflexion anzuregen, der direkten, sofort verständlichen moralischen Unterweisung. Die Auswahl der Zitate von Lehrautoritäten, die Geiler in seine Predigttexte aufnahm, schnitt er auf das Laienpublikum des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert zu. Denn die zugrundeliegenden Texte und Motive waren breiten Schichten bekannt. Die Übersetzungstätigkeit des späten Mittelalters und das Anschwellen von Erbauungs- und Frömmigkeitsschriftgut, nicht zuletzt jedoch die Darstellung durch die bildende Kunst trugen maßgeblich zu ihrer Bekanntheit bei. Aufgrund der allgemein geläufigen Argumentation, der bekannten Zitate sowie ihrer einfachen Struktur und weiten Verbreitung durch den Buchdruck in der Volkssprache können diese Texte, in denen der Autor Reichtum vor allem als sündhaft anprangerte, als treffendes Beispiel für die Predigt als Massenmedium gelten, die zugeschnitten war auf die Rezeption der in ihr präsentierten Lehren durch jedermann.
DAS PROBLEM DES WUCHERS IM BARGELDLOSEN ZAHLUNGSVERKEHR DES SPÄTEN MITTELALTERS – THEORIE UND WIRKLICHKEIT Markus A. Denzel (Leipzig/Bozen) EINLEITUNG Qui facit usuram, vadit ad infernum; qui non facit, vergit ad inopiam. – Wer Wucher treibt, fährt zur Hölle; wer keinen treibt, verfällt in Armut. So schrieb Benvenuto de Rambaldis da Imola († 1387/88), Freund von Boccaccio und Petrarca, in seinem Kommentar zur Göttlichen Komödie von Dante, nach welcher die Wucherer im siebten Kreis der Hölle schmoren sollten.1 „Benvenuto da Imola hatte für den aus der Wirtschaft nach seiner Ansicht offenbar nicht mehr wegzudenkenden Wucher nur ein zynisches Achselzucken übrig.“2 Ist das die Haltung, die man von einem spätmittelalterlichen Theologen zur Problematik des Wuchers und Wucherns erwarten sollte? In seinem Standardwerk „Die deutsche Stadt im Spätmittelalter“ schreibt Eberhard Isenmann im Abschnitt über den Wucher: „Das Zinsverbot wurde in einer Zeit vorherrschender Naturalwirtschaft entwickelt, als Boden und Arbeit das Fundament der Sozialordnung darstellten und eine Mentalität herrschte, die dem Handel und Geldgeschäften ziemlich feindlich war, als Kredite hauptsächlich als Konsumptivkredite in Notlagen, etwa zur Überbrückung von Erntekrisen gegeben wurden. Das Wucherdogma wurde aber im 12./13. Jahrhundert perfektioniert (…). Eine Unterscheidung von Konsumptivkredit und wirtschaftlichem Erwerbskredit wurde erst vom calvinistischen Protestantismus anerkannt. Im Wechselbrief wurde eine Form der verschleierten Kreditvergütung gefunden, die sich aus der Kursdifferenz zwischen der Darlehensvaluta in örtlicher Währung und der im Wechselbrief in fremder Währung valutierten Wechselsumme errechnete.“3
Damit ist der Untersuchungsrahmen abgesteckt, der den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt wird: Es geht um den Zusammenhang zwischen Wucher und dem Wechsel als neuem Medium bargeldlosen Zahlungsverkehrs im hohen und späten Mittelalter – oder pointiert gefragt: Wie gelang es, dass sich das Wechselgeschäft als – im Laufe der Jahrhunderte wichtigste – Umgehungsstrategie des Wucherverbots durchsetzte, und wie wurde dies theologisch gerechtfertigt? Wie konnte mit 1
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Benvenuti de Rambaldis de Imola Comentum super Dantis Aldigherij comoediam, nunc primum integre in lucem editum curante Jacobo Philippo Lacaita, T. 1. Firenze 1888, S. 579; zit. nach: Hans-Jörg Gilomen: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301, hier 265. Ebenda, S. 267. Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988, S. 392.
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Hilfe des Zahlungsmediums Wechsel die Wucherdoktrin des 12. und 13. Jahrhunderts überwunden und somit ein wesentlicher Beitrag für die Ausdehnung des Kreditwesens und des Zahlungsverkehrs in einem sich wirtschaftlich und vor allem kommerziell erheblich dynamischer als in früheren Jahrhunderten entwickelnden Europa geleistet werden? Bevor diese Fragen beantwortet werden können, ist in einem summarischen Überblick kurz die Theorie vom Wucher bzw. dem Wucherverbot zu umreißen – und wie damit in der alltäglichen Handels- und Geschäftswelt umgegangen wurde. 1. WUCHER UND WUCHERVERBOT IM MITTELALTER – THEORIE UND WIRKLICHKEIT Nach Jacques Le Goff ist Wucher zwar als ideengeschichtliches Phänomen, aber kaum als wirtschaftshistorische Tatsache erforscht.4 Und noch 1990 stellt HansJörg Gilomen in einem vielbeachteten Artikel fest: „Das Desiderat einer Verknüpfung der Wuchertheorie mit der Wirtschaftspraxis blieb jedoch bisher offen. Bezeichnend dafür ist es, daß auch in der neueren Literatur das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis unterschiedlich beurteilt wird. Während die einen die leitende Wirkung der Theorie trotz aller Einzelverstöße betonen, sprechen die anderen – es ist heute deutlich die Mehrheit – der Theorie fast jede Relevanz für die Praxis ab. Damit wird aber ein von der kirchlichen Lehre völlig emanzipierter Kaufmannsstand und eine Autonomie der ihre eigenen Normen durchsetzenden Wirtschaft impliziert, die es jedenfalls in ausgeprägter Form im Mittelalter – um bei diesem unsinnigen, aber unentbehrlichen Epochenbegriff zu bleiben – wohl nicht gegeben hat.“5
Die mittelalterliche Wucherlehre basierte im Wesentlichen auf zwei Säulen: Die – auch zeitlich – erste war die biblische Tradition, die von den Kirchenvätern aufrechterhalten und ausgebaut wurde. Nach dem Alten Testament (Exodus 22,25; Leviticus 25,35–37; Deuteronomium 23,19–20 sowie 15,6 und 28,12; Psalmen 14,4–5 und 54,11–12; Ezechiel 22,10–12) wurde jegliche Verzinsung von Naturaldarlehen6 und Geldkrediten innerhalb der jüdischen Gemeinschaft als Ausbeutung von Notleidenden abgelehnt. Die Zinsnahme war nur von Fremden, d. h. NichtAngehörigen der jüdischen Gemeinschaft, gestattet (Deuteronomium 23,21).7 Die4 5 6
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Jacques Le Goff: The Usurer and Purgatory, in: Fredi Chiappelli von Zdekauer (Hg.): The Dawn of Modern Banking. New Haven/London 1979, S. 25–52, hier 25 f. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 268. Ein Naturaldarlehen stellte nach babylonischer Rechtsanschauung die Aufnahme eines Gelddarlehens dar, das allerdings in Getreide zu Zeiten der Not, wenn das Getreide seinen höchsten Wert besaß, ausbezahlt wurde. Daher erhielt der Darlehensnehmer wenig an Masse, musste aber nach der Ernte, wenn das Getreide am billigsten war, eine vielfach größere Menge an Getreide, als er sie erhalten hatte, zurückgeben. Eine derartige Praxis, die bis weit in das Mittelalter hinein gebräuchlich war, wurde daher in der mittelalterlichen Wucherlehre als ‚Fruchtwucher‘ bezeichnet; Walter Taeuber: Geld und Kredit im Mittelalter. Frankfurt am Main 1968, S. 40 f. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 269. Vgl. auch W. Thiel: Art. Zins und Zinsverbot, in: Neues Bibel-Lexikon 3 (2001), Sp. 1216 f.; Jan Christian Gertz: Art. Zins. II. Altes
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ses rigorose Zinsverbot stellte eine „hohe und für die orientalische Welt einmalige moralische Forderung“ dar, da sonst Zinssätze bis zu 25% üblich waren. Das Zinsverbot galt als „Zeichen für die enge Volksgemeinschaft, woraus sich ein Brudervolk entwickelte.“8 Im Neuen Testament finden sich keine eindeutigen Aussagen für oder gegen das Zinsverbot (z. B. Matthäus 25,27; Lukas 19,22–26); das Herrenwort mutuum date nihil inde sperantes (Lukas 6,35) wurde erst vergleichsweise spät im Sinne eines Zinsverbotes interpretiert und durch die Dekretale Consuluit nos 1185/87 von Urban III. in die Wucherlehre eingeführt.9 Die zweite Säule der mittelalterlichen Wucherlehre bildete die aus der Antike übernommene naturrechtliche Ablehnung der Geldkapitalverzinsung, da das unfruchtbare (‚sterile‘) Geld selbst keine Früchte tragen könne. Vermittelt wurde diese Ansicht zuerst durch einen fälschlich Johannes Chrysostomos zugeschriebenen Text des 4./5. Jahrhunderts, der als Palea Ejiciens vor 1160 ins Dekretale Gratians (D 88 c 11) aufgenommen wurde. Ihre herausragende Bedeutung – um nicht zu sagen: ihre Brisanz – erlangte sie im 13. Jahrhundert durch die Rezeption von Aristoteles’ Politik und Nikomachischer Ethik,10 worauf noch einzugehen sein wird. Die kirchliche Gesetzgebung zum Zinsverbot begann auf den Synoden von Elvira (306?) und Arles 314 und dem Konzil von Nicäa 325 (Kanon 17) mit Verboten der Zinsnahme von Klerikern, verbreitet durch Tertullian, Basilius von Caesarea und Ambrosius von Mailand,11 der festhielt: „Was immer zur Stammsumme hin-
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und Neues Testament, in: Theologische Realenzyklopädie 36 (2004), S. 672–674; S. Stein: The Laws on Interest in the Old Testament, in: Journal of Theological Studies 4 (1953), S. 161–170; Hillel Gamoran: The Biblical Law against Loans on Interest, in: Journal of Near Eastern Studies 30/2 (1971), S. 127–134; Spiridon Paraskewopoulos: Die wirtschaftsethische Position des Judentums nach dem Alten Testament, in: Gernot Gutmann/Alfred Schüller (Hg.): Ethik und Ordnungsfragen der Wirtschaft. Baden-Baden 1989, S. 139–156, hier 152–154; Eberhard Klingenberg: Das israelitische Zinsverbot in Torah, Mišnah und Talmud (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1977, Nr. 7). Wiesbaden 1978; Klaus Werner: Das israelitische Zinsverbot. Seine Grundlagen in Torah, Mischnah und Talmud, in: Johannes Heil/Bernd Wacker (Hg.): Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. München 1997, S. 11–20; Martin Leutzsch: Das biblische Zinsverbot, in: Rainer Kessler/Eva Loos (Hg.): Eigentum: Freiheit und Fluch. Ökonomische und biblische Entwürfe. Gütersloh 2000, S. 107–144; Rainer Kessler: Zinsverbot und Zinskritik. Geltungsbereich und Begründung, in: Ingo Kottsieper/Rüdiger Schmitt/Jakob Wöhrle (Hg.): Berührungspunkte. Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt. Festschrift für Rainer Albertz zu seinem 65. Geburtstag. Münster 2008, S. 133–149. Paraskewopoulos: Die wirtschaftsethische Position des Judentums (wie Anm. 7), S. 153. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 269. Ebenda, S. 269. Vgl. auch Karl Weinzierl: Das Zinsproblem im Dekret Gratians und in den Summen zum Dekret, in: Studia Gratiana 1 (1953), S. 549–576, hier 568. Rolf Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich, in: Theologische Realenzyklopädie 36 (2004), S. 681–687, hier 682; Wilhelm Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze der canonistischen Lehre, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1 (1863), S. 26–48, 154–181, 310–367, 537–576, 679–730, hier 32; Matthias Theodor Kloft: Das christliche Zinsverbot in der Entwicklung von der Alten Kirche zum Barock. Eine Skizze, in: Heil/Wacker (Hg.): Shylock? (wie Anm. 7), S. 21–34, hier 23 f. Detailliert zu den durchwegs mehr oder minder negativen Beurteilungen der Zinsnahme bei den Kirchenvätern Raymond Bogaert, Art.
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zukommt, ist Wucher“ (De Tobia 14,49).12 Für die frühchristlichen Autoren war demnach alles Wucher (usura), was über die ursprünglich ausgeliehene Summe hinaus bezahlt wurde, und dabei blieb es bis ins Hochmittelalter, wie noch Kardinal Johannes Fidanza, General der Minderbrüder, genannt Bonaventura († 1274), belegt. Im Kern war diese Festlegung bezogen auf das Darlehen (mutuum), wurde aber in zunehmendem Maße auf Geschäfte anderer Art ausgedehnt, z. B. auf den Preiswucher. Auch die Aussagen der anderen Kirchenväter, wie etwa Augustinus, Johannes Chrysostomos oder Hieronymus, ließen keinen Zweifel am Zinsverbot – zuerst für Kleriker, dann auch für Laien – zu.13 Die Einbeziehung der Laien in das Verbot der Zinsnahme auf anderen Synoden des 4. Jahrhunderts, wie etwa der Provinzialsynode von Karthago (345–348), ist wahrscheinlich, doch erstmals unter Leo I. dem Großen in einem Brief an die Bischöfe von Campanien, Picenum und Tuscien von 443 eindeutig belegt, wobei ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Wucher (usura) und unsittlichem Gewinn (turpe lucrum) hergestellt wurde. Diese Tradition wurde auch in den folgenden Jahrhunderten fortgeführt, wie Bußbücher aus dem 7. Jahrhundert wie die Collectio Hibernensis oder die Excerpta quaedam de libro Davidis zeigen.14 Karl der Große übertrug dann 789 in der Admonitio generalis das Verbot der Zinsnahme durch Laien in die weltliche Gesetzgebung,15 wobei über unmittelbare Konsequenzen hieraus nichts Näheres bekannt ist. Die weltliche Gesetzgebung der folgenden Jahrhunderte erneuerte das Zinsverbot Karls jedenfalls nicht nachweislich, die geistliche hingegen schrieb es fort, wie die Bestimmungen der Provinzialsynoden des Karlsreiches 813 oder das ‚Sündenregister‘ des Abtes Regino von Prüm († 899) belegen.16 Zu einer Verschärfung des kirchlichen Zinsnahmeverbots kam es erst im 12. Jahrhundert, und zwar als Reaktion auf die Bewegung der Katharer, die die Zinsnahme gestatteten: Zuerst auf dem Zweiten Laterankonzil 1139 und dann vor allem unter Alexander III. († 1181) und dem Dritten Laterankonzil 1179 setzte eine
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Geld (Geldwirtschaft), in: Reallexikon für Antike und Christentum 65 (1973), Sp. 797–907, hier 876–903; Aloys Fink: Der Begriff des Wuchers in den verschiedenen Systemen der Wirtschaftspolitik. Diss. Frankfurt/Main 1936, S. 15–22. Zit. nach: Anton Ore: Oeconomia Perennis. Die Wirtschaftslehre der Menschheitsüberlieferung im Wandel der Zeiten und in ihrer unwandelbaren Bedeutung, Bd. 2: Das kanonische Zinsverbot. Mainz 1930, S. 30. Orel: Oeconomia Perennis, Bd. 2 (wie Anm. 12), S. 20–28, 40; Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 269 f.; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 32. Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 682; Kloft: Das christliche Zinsverbot (wie Anm. 11), S. 25 f. Fink: Der Begriff des Wuchers (wie Anm. 11), S. 15–22. Vgl. auch Harald Siems: Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen. Hannover 1992, S. 561–589; Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 270 f. – Weitgehend widerlegt allerdings: Feodor Schneider: Neue Theorien über das kirchliche Zinsverbot, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 5 (1907), S. 292–307. Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 682. Vgl. auch Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 270 f. Kloft: Das christliche Zinsverbot (wie Anm. 11), S. 26 f. Vgl. auch Franz Schaub: Der Kampf gegen den Zinswucher, ungerechten Preis und unlautern Handel im Mittelalter. Von Karl dem Großen bis Papst Alexander III. Eine moralhistorische Untersuchung. Freiburg i. B. 1905.
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dezidierte Wuchergesetzgebung der Kurie ein, die allerdings kaum Verbindungen zum karolingischen Verbot aufweist. Beide genannten Konzilien verweigerten dem Zinsnehmer, dem Wucherer, das kirchliche Begräbnis wegen Infamie.17 Urban III. († 1187) berief sich in einem Brief – später als Dekretale Consuluit nos in die Dekretalensammlung Gregors IX. († 1241) aufgenommen – auf das Lukasevangelium (Lk 6,35): mutuum date nihil inde sperantes, worauf die folgenden scholastischen Theologen regelmäßig hinwiesen.18 „Für die folgenden Jahrhunderte wird dieser Text (…) als ein absolutes göttliches Verbot verstanden, aus Darlehen Gewinne zu ziehen.“19 Eine weitere Verschärfung des Wucherverbots folgte unter Innozenz III. († 1216), dessen „Hauptmotiv für seinen Kampf gegen den Wucher (…) seine Befürchtung (war), diese Verschuldung könnte die Herren an der Teilnahme an seinem Kreuzzug hindern.“20 Unter Gregor IX. († 1241) wurde 1227/34 das Seedarlehen als wucherisch verboten, das Erste Konzil von Lyon 1245 begründete das Verbot der Annahme verzinslicher Gelder durch Geistliche mit der Gefahr für deren Überschuldung; das Zweite Konzil von Lyon 1274 schrieb in seiner 26. Konstitution die Exkommunikation für alle Priester vor, die Geldleihern die Sakramente reichten, und das Konzil von Vienne 1311/12 bezeichnete im 29. Dekret die bloße Behauptung, Wucher sei keine Sünde, als Häresie. Kurzfristig reagierten die weltlichen Obrigkeiten im Sinne der kirchlichen Bestimmungen gegen Juden, Kawerschen und Lombarden, am nachhaltigsten wohl Friedrich II. in den Konstitutionen von Melfi 1231. Auf diese Weise fand das Zinsverbot Aufnahme in die süddeutschen, stärker staufisch beeinflußten Rechtsbücher, nicht aber in die norddeutschen Stadt- und Landrechte.21 Die Verschärfung der kirchlichen – und in ihrem Gefolge auch teilweise der weltlichen – Gesetzgebung gegen die wucherische Zinsnahme stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aristoteles-Rezeption in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die entscheidende Textstelle findet sich in Aristoteles’ Politik: (…) so ist erst recht der Wucher hassenswert, der aus dem Geld selbst den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden wor17 18
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Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 682; Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 271, 278. „Die Vorschrift unentgeltlicher Darlehen und jenes mutuum date nihil inde sperantes standen im Einklang mit einer Zeit, da Geld noch nicht als Instrument des Reichtums galt und jede Entschädigung für dessen Verwendung einer Erpressung gleichkam.“ Henri Pirenne: Sozialund Wirtschaftsgeschichte Europas im Mittelalter. 7. Aufl., Tübingen/Basel 1994, S. 120. Kloft: Das christliche Zinsverbot (wie Anm. 11), S. 28; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 32 f. Andreas M. Weiß: Zinsen und Wucher. Das kirchliche Zinsverbot und die Hindernisse auf dem Weg zu seiner Korrektur, in: Ulrike Aichhorn (Hg.): Geld- und Kreditwesen im Spiegel der Wissenschaft. Wien/New York 2005, S. 123–156, hier 126. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 291. Vgl. auch Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 33. Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 682; Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 270 f., 284 f.; Gerhard Rösch: Wucher in Deutschland 1200–1350. Überlegungen zur Normdidaxe und Normrezeption, in: Historische Zeitschrift 259 (1994), S. 593–636, hier 594.
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Markus A. Denzel den, durch den Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst. Daher hat es auch seinen Namen: das Geborene ist gleicher Art wie das Gebärende, und durch den Zins (tokos) entsteht Geld aus Geld. Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur.22
Die aristotelische Argumentation wurde insbesondere in die Bücher für den Beichtstuhl – seit dem Vierten Laterankonzil 1215 war die Ohrenbeichte obligatorisch – aufgenommen und wurde zu einer Grundlage der scholastischen Wucherlehre. Die Lehre von der Unfruchtbarkeit des Geldes findet sich gleichermaßen bei Thomas von Aquin23, in Beichtsummen und in der Quodlibet-Literatur. In der Kanonistik blieb dabei weiterhin bestimmend, dass als Wucher jede Gegenleistung über die geliehene Sache hinaus anzusehen sei, wobei der Zinsnehmer die Gott gehörende Zeit verkaufe, wie Wilhelm von Auxerre und Innozenz IV. argumentierten.24 Thomas von Aquin „lehrt ein relatives Zinsverbot und eine relative Zinserlaubtheit“25, denn er ließ die Schadensvergütung zu (s. u.); dem Zins fehle hingegen der Rechtsgrund der Arbeit, die aber in Anlehnung an das römische Recht Grundursache allen Gewinns sein und bleiben müsse.26 Hintergrund ist die von Huguccio 1188/1190 entwickelte Idee von der Verbesserung eines Gutes durch Arbeit, die einen höheren Preis, d. h. einen angemessenen Gewinn (lucrum moderatum) rechtfertige; eine Verteuerung ohne investierte Arbeit hingegen wurde weiterhin als turpe lucrum angesehen.27 Dabei wurde nach dem römischen Recht zwischen mutuum und commodatum unterschieden: Während mutuum für vertretbare Güter (Getreide, Wein, Geld) galt, war es commodatum im Falle der nicht vertretbaren Güter (Wohnung, Pferde). Der Begriff usura bezeichnete ausschließlich die Zinsen für mutuum, während Miete oder Pacht kirchenrechtlich immer erlaubt waren.28 Der ‚Wucherer‘, der usuarius, begehe daher ein doppeltes Unrecht: Wer für ein Gelddarlehen ein Entgelt für den Gebrauch fordere, der begehre zuerst ein Entgelt für etwas, was nicht vorhanden sei, denn Geld sei eine res quae usu consumuntur, da es aus dem Beutel des Besitzers verschwinde. „Daß Geld, Wein, Getreide kein vom Verbrauchen verschiedenes Gebrauchen zulassen, sei auch der Grund, weshalb nach römischem Recht diese Klasse von Sachen nicht geliehen (commodare), sondern nur, unter Eigentumsübertragung, zu Darlehen gegeben werden können. 22 Olof Gigon (Hg.): Aristoteles: Politik. 2. Aufl., Zürich/München 1971 (4. Aufl., München 1981), S. 63 (1258b – I,10). Vgl. Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 41. 23 Zur Aristoteles-Rezeption von Thomas von Aquin vgl. Odd Langholm: Economics in the Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value, Money, and Usury according to the Paris Theological Tradition, 1200–1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 29). Leiden/ New York 1992, S. 221–248; Fink: Der Begriff des Wuchers (wie Anm. 11), S. 24–41. 24 Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 682 f.; Weiß: Zinsen und Wucher (wie Anm. 19), S. 128 f. Vgl. Aaron Kirschenbaum: Jewish and Christian Theories of Usury in the Middle Ages, in: The Jewish Quarterly Review 75/3 (1985), S. 270–289, hier 272 f. 25 August M. Knoll: Zins in der Scholastik. Innsbruck/München 1933, S. 20. 26 Orel: Oeconomia Perennis, Bd. 2 (wie Anm. 12), S. 32 f. 27 Kloft: Das christliche Zinsverbot (wie Anm. 11), S. 29 f. 28 Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 681 f. Vgl. hierzu auch ders.: Art. Zins. I. Wirtschaftsgeschichte, in: Lexikon des Mittelalters 9 (1999), Sp. 622–624.
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Deshalb begehe der für ein Darlehen usura fordernde Gläubiger obendrein das Unrecht, Mietzins für ein Geld zu fordern, welches ihm nicht gehört.“29
Da nach der scholastischen Lehre Privateigentum naturrechtlich erlaubt ist, verletzt Wucher wie Diebstahl die Eigentumsrechte und somit das Gerechtigkeitsprinzip.30 Insgesamt können somit vier Einwände gegen Wucher angeführt werden, die in der scholastischen Literatur immer wiederkehrten: Erstens werden – streng nach Aristoteles – durch die Zinsnahme Früchte bezahlt, die das unfruchtbare Geld nicht erzeugen kann (Unfruchtbarkeitsargument). Zweitens verkaufe der Wucherer, so Thomas von Aquin, einen Gebrauch, der gar nicht existiert (Verbrauchsargument). Drittens verkaufe er einen Gebrauch, der dem Schuldner ohnehin gehört (Eigentumsargument). Und viertens verkaufe er die Zeit, die eigentlich Gott sowie allen Menschen gleichermaßen gehört (Zeitargument).31 Das kanonische Zinsverbot, das sich vom 12. bis 14. Jahrhundert in voller Entwicklung befand,32 „mochte für das agrarische Frühmittelalter wenig hinderlich gewesen sein, für eine effektive städtische Geldwirtschaft war es dies jedoch in hohem Maße. So mußte es zu Konflikten kommen zwischen der kirchlichen Norm einerseits und der kaufmännischen Praxis andererseits (…) Und in der Tat schlossen die Entwicklung des Bankwesens und das kanonische Zinsverbot einander weitgehend aus.“33
Die Kirche reagierte auf diese Herausforderung auf den allgemeinen Konzilien mit der Wucherfrage zum einen mit der oben gezeigten Verschärfung der Normen, die in Vienne 1313 ihren vorläufigen Höhepunkt fand, unterschied aber zum anderen zwischen dem „Gläubige(n), dem die Sünde der usura unterlaufen kann“, und dem öffentlichen Wucherer: Dieser betreibe sein Geschäft vor aller Augen oder werde von der Kanzel als solcher benannt. Unter dem Wucherer wurde somit v. a. der landfremde Geldverleiher – Lombarden und Kawerschen – verstanden, nicht der einheimische Kaufmann aus dem städtischen Patriziat. „Die wiederholte Verschärfung der Normen gilt also in erster Linie einer relativ kleinen Gruppe.“34
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Taeuber: Geld und Kredit (wie Anm. 6), S. 159 f. (Zitat: S. 160). Christian Braun: Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse. 1150–1700. Winterthur 1994, S. 46. Eugen von Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins. Düsseldorf 1994, 1. Abt., S. 18 f.; Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 46–68. Rösch: Wucher in Deutschland (wie Anm. 21), S. 593. Ebenda, S. 594. Im Gegensatz zum sogenannten Frühmittelalter hatte sich mit der Renaissance du commerce (Henri Pirenne) und der kommerziellen Revolution nämlich eine entscheidende Veränderung ergeben: „Bei allen diesen (Kredit-)Geschäften, die noch im 13. Jh. sehr häufig getätigt wurden, handelt es sich um einfache Verbrauchsdarlehen, d. h. um Anleihen aus Mangel, die man nur unter dem Druck der Not aufnahm. Das empfangene Geld wird sofort ausgegeben, so daß jede Kapitalaufnahme zugleich einer Verarmung gleichkommt. Durch die Beibehaltung des Zinsverbotes aus religiösen Gründen hat aber die Kirche der Agrarwirtschaft des Hochmittelalters einen ausgezeichneten Dienst geleistet, wodurch letzterer die Wunde der Ernährungsschulden erspart blieb, an der die Antike mit verblutet war.“ Pirenne: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (wie Anm. 18), S. 119. Vgl. auch Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 270 f. Rösch: Wucher in Deutschland (wie Anm. 21), S. 595 f. sowie S. 594, 601.
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Eine rigorose Durchsetzung des Wucherverbots war dabei weder möglich noch überhaupt wünschenswert, bedurften doch Papsttum, Kurie und Bischöfe, aber auch Könige und Fürsten Kredite in gleichem Maße wie die gesamte Gesellschaft; nur die wirklich Armen erhielten keine Kredite, da sie nicht kreditwürdig waren.35 Für die Kurie waren die Kreuzzüge, aber auch der Kampf gegen die Staufer eine enorme finanzielle Herausforderung, die seit Innozenz III. und vor allem ab Honorius III. nicht mehr ohne die Unterstützung von Kaufmanns-Bankiers zu bewältigen war.36 Auch war die Kurie im 13. Jahrhundert gezwungen, Darlehenszinsen zu bezahlen.37 Die Bezeichnungen ‚Lombarden‘ und ‚Kawerschen‘ – erstere auch im Dienst der Kurie mit päpstlicher licentia contrahendi mutuum zur Einziehung der verschiedenen kirchlichen Einkünfte aus den Kirchenprovinzen des Ostens – waren gleichsam synonym mit Kreditgebern: „Die Darlehen, welche sie vermitteln, werden meist in Rom unter den Augen, mit dem Einverständnis und zum Vorteil der Päpste abgeschlossen. Die Rückzahlung erfolgt auf den Messen in der Champagne. Sie nehmen allerdings soviel Rücksicht auf die Kirche, daß sie ihr Geld nicht offen zu einem bestimmten Zinsfuße ausleihen. Nur als Verzugszins werden von Messe zu Messe 10% gefordert, also im Jahre 60%.“38
Einer der Hauptkunden der Lombarden ist der deutsche Episkopat für seine Servitienzahlungen an die Kurie, wobei neben der Schuldsumme auch eine zusätzliche Entschädigung pro sorte dampnis, penis, laboribus et expensis erstattet werden musste; zum Teil wurde auch ganz offiziell ein Zins zwischen 5% und 15% pro Jahr vereinbart.39 Kreditnahme und Geldleihe gehörten somit zur alltäglichen Handelspraxis und wurden von Geistlichen, Adeligen und Fürsten, Bürgern und Städten gleichermaßen geübt und in Anspruch genommen:40 Spätestens im 14. und 15. Jahrhundert kann man von einer „Universalität der Verschuldung“ in Stadt und Land ausgehen, wofür Belege aus Italien, Südfrankreich und Aragón angeführt werden können. Ja, es entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung, wenn man fragt: „Kann eine Gesellschaft ohne ‚Wucher‘ funktionieren?“41 Und im Gegenzug 35
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Ebenda, S. 602 f., 622 f.; Weiß: Zinsen und Wucher (wie Anm. 19), S. 136 f.; Max Neumann: Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsgesetze (1654). Aus handschriftlichen und gedruckten Quellen. Halle 1865, S. 389–391; Michael Toch: Art. Zins III/2. Judentum – Geschichtlich (Mittelalter), in: Theologische Realenzyklopädie 36 (2004), S. 677–681, hier 678 f. John T. Noonan Jr.: The Scholastic Analysis of Usury. Cambridge (Mass.) 1957, S. 176; Fedor Schneider: Das kirchliche Zinsverbot und die kuriale Praxis im 13. Jahrhundert, in: Ders., Ausgewählte Aufsätze zur Geschichte und Diplomatik des Mittelalters vornehmlich in Italien. Mit Einführung von Gerd Tellenbach. Aalen 1974, S. 189–227, hier 214 f. Adolf Gottlob, Päpstliche Darlehensschulden im 13. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 20 (1899), S. 665–717. Vgl. auch Schneider: Das kirchliche Zinsverbot (wie Anm. 36), S. 221, 227. Moses Hoffmann: Der Geldhandel der deutschen Juden während des Mittelalters bis zum Jahre 1350. Leipzig 1910, S. 57. Ebenda, S. 58. Ebenda, S. 35–55. Joseph Shatzmiller: Shylock geht in Revision. Juden, Geldleihe und Gesellschaft im Mittelalter. Trier 2007, S. 110–125. Vgl. auch Pirenne: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (wie Anm. 18), S. 126 f.; Frederick C. Lane: Investment and Usury in Medieval Venice, in: Explorations in Entrepreneurial History, ser. 2:2:1 (1964), S. 3–15.
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pflegte man die verzinsliche Geldanlage vor allem bei Geldwechslern in den Städten wegen der Rentabilität des Geschäfts.42 War die Zinsnahme für den Christen kirchenrechtlich wie auch nach der scholastischen Theologie strikt verboten, so blieb jedoch die Frage offen, ob sie etwa den Juden erlaubt sein könne. Zum Wucherverbot für Juden entwickelte die Kirche keine einheitliche Haltung. Im Prinzip gab es keine grundsätzliche Ausnahmestellung der Juden vom Wucherverbot aufgrund der Andersartigkeit ihres Glaubens, der ja eine der Grundlagen der Absonderung der Juden von den Christen darstellte. Bedeutende Kirchenrechtler, wie etwa Huguccio um 1190, Johannes Teutonicus um 1215/17, Kardinal Robert de Courçon († 1219), Wilhelm von Auxerre († 1230/32), Raymund von Peñaforte um 1220/34, Thomas von Aquin († 1274) und noch Baldus de Ubaldis († 1400), vertraten das Wucherverbot auch für Juden und Heiden. Damit im Einklang stand das Verbot des Wuchers jüdischer Händler auch durch französische und englische Könige (Ludwig VII. von Frankreich 1154; Ludwig VIII. von Frankreich 1223; Philipp III., Eduard I. von England 1284), während im Reich Friedrich I. und in Frankreich Philipp II. Augustus den Juden sogar weltliche Wucherprivilegien ausstellten.43 Es bleibt festzuhalten, „daß der jüdische Wucher genauso wie der christlich-lombardische auf Ausnahmerecht beruhte. Rechtsgrundlage des jüdischen wie christlichen Wuchers bildeten beinahe gleichlautende Privilegien.“44 „Das Faktum des Ausnahmerechts für jüdische und christlich-lombardische Wucherer mußte deshalb den Zeitgenossen keineswegs derart anstößig erscheinen wie uns“, da Ausnahmeregelungen für einzelne Gruppen oder Personen im mittelalterlichen Recht gang und gäbe waren.45 2. DAS WECHSELGESCHÄFT ALS UMGEHUNGSSTRATEGIE DES WUCHERVERBOTS Im Gefolge der Expansion des Handels, der mediterranen Seefahrt und der Geldwirtschaft wurde es für die Kaufleute – nicht zuletzt im Dienste der europaweit agierenden Kurie46 – im Europa im Zeitalter der Kreuzzüge47 in zunehmendem 42 43 44 45 46
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Hoffmann: Der Geldhandel der deutschen Juden (wie Anm. 38), S. 56. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 279–283; Neumann: Geschichte des Wuchers (wie Anm. 35), S. 411. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 285. Ebenda, S. 286. Yves Renouard: Les relations des papes d’Avignon et des compagnies commerciales et bancaires de 1316 à 1378. Paris 1941; Arnold Esch: Bankiers der Kirche im Großen Schisma, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 46 (1966), S. 277-398; Markus A. Denzel: Kurialer Zahlungsverkehr im 13. und 14. Jahrhundert. Servitien- und Annatenzahlungen aus dem Bistum Bamberg. Stuttgart 1991; ders.: Kleriker und Kaufleute. Polen im kurialen Zahlungsverkehrssystem des 14. Jahrhunderts, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 82 (1995), S. 305–331; Rudolf Hiestand: Bologna als Vermittlerin im kurialen Zahlungsverkehr zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Eine übersehene Rolle der frühen Universitäten, in: Ebenda, S. 332–349. Die Bedeutung von bargeldlosen Zahlungsmitteln („Wechselbriefen“) für die Finanzierung der
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Maße erforderlich, Mechanismen für die Bereitstellung von Liquidität zu entwickeln, wo dies mit gemünztem oder ungemünztem Edelmetall allein nicht oder in nicht hinreichendem Umfang möglich war. Die Folge dieser ökonomischen Notwendigkeiten war zum einen eine Aufweichung der strikten Zinslehre durch unterschiedliche Zinstitel, Rentenkauf, Impraestita (Vorschreibungen), Montes, Loca (Anlageplätze) und Pfandleihhäuser (Montes pietatis).48 Zum anderen entwickelten Kaufleute von der Kurie, der Kanonistik und der scholastischen Theologie mehr oder minder geduldete Strategien, das Zins- und Wucherverbot zu umgehen. Hierzu gehörten erstens das mutuum palliatum, ein verschleiertes Zinsdarlehen, bei welchem die Verzinsung in die Darlehenssumme bereits eingerechnet worden ist; zweitens der Verzugszins (mora) als Hauptform, wobei das Interesse im Sinne eines schuldrechtlichen Schadensersatzes verstanden wurde, der mögliche Schäden für den Darlehensgeber (damnum emergens), entgangenen Gewinn (lucrum cessans) und ein Entgelt für die Gefahr des Kapitalverlustes (periculum sortis) beinhaltete, die allesamt Kompensation erheischten; drittens das Risiko des Darlehensgebers als Forderungstitel; viertens die Entgegennahme von Geschenken (donationes remuneratoriae); und fünftens der zumindest zeitweise umstrittene Wechsel.49 Bereits 1218, spätestens aber seit Gregor IX. soll eine Konventionalstrafe, d. h. der titulus damni emergentis, von der Kurie „als praktisch zulässig angesehen“ worden sein.50 Dabei ist festzuhalten, dass „wirtschaftlich von großer Bedeutung (…) nicht die vom Wucherverbot zentral betroffenen Zinsdarlehen (waren), sondern diese formalrechtlich erlaubten, wenn auch zeitweise umstrittenen Umgehungsgeschäfte.“51 Unter allen diesen Umgehungsstrategien war das Wechselgeschäft „als deren wichtigste (…) anzusehen“52. Erste Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bildeten sich innerhalb Europas seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vermutlich in Genua heraus.53 Zunächst entwickelten sich auf den internationalen Messen in der Champagne die lettres de foire54 und das instrumentum ex causa cambi. Diese Medien des bargeldlosen Zahlungsverkehrs waren kombinierte Kre-
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Kreuzzüge ist spätestens für die Zeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts evident; Adolf Schaube: Die Wechselbriefe König Ludwigs des Heiligen von seinem ersten Kreuzzuge und ihre Rolle auf dem Geldmarkte von Genua, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 70 (III. Folge, 15) (1898), S. 603–621 und 730–748; André-E. Sayous: Les mandates de Saint Louis sur son trésor et le movement international des capitaux pendant la septième croisade (1248– 1254), in: Revue historique 56 (t. 167) (1931), S. 254–304. Orel: Oeconomia Perennis, Bd. 2 (wie Anm. 12), S. 67–95. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 294 f. Vgl. auch Rösch: Wucher in Deutschland (wie Anm. 21), S. 597; Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter (wie Anm. 3), S. 392. Schneider: Das kirchliche Zinsverbot (wie Anm. 14), S. 299 f. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 294. Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 683. Zumindest besitzen wir aus den genuesischen Notariatsarchiven dieser Zeit die mit deutlichem Abstand größte Anzahl an einschlägigen Quellen für bargeldlose Zahlungsvorgänge. Die folgenden Ausführungen – zum Teil wortwörtlich, zum Teil in leichter Überarbeitung – nach Markus A. Denzel: Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914. Stuttgart 2008, S. 51–55. Vgl. Levin Goldschmidt: Die Geschäftsoperationen auf den Messen der Champagne (Les devi-
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dit- und Transferinstrumente, dienten somit der Exportfinanzierung wie der Geldüberweisung gleichermaßen, ohne dass es erforderlich war, teuere und risikoreiche Edelmetallversendungen vorzunehmen. Sie wurden von italienischen, speziell wohl genuesischen Kaufleuten vor allem für den wandernden Messehandel insbesondere auf den internationalen Champagne-Messen – „the forcing house for the development of the bill of exchange“55 – entwickelt und stellten notariell zu beglaubigende, formelle Zahlungsverpflichtungen oder -versprechen in Form einer von einem Notar abgefassten Schuldurkunde dar. Vom jüngeren Wechsel unterschieden sich diese Instrumente daher mehr in der Form als in der Funktion. Beteiligt waren an einer derartigen bargeldlosen Transaktion zudem nur zwei oder drei Personen: 1. Der Kaufmann, der – etwa in Genua – einen Kredit aufnahm und sein Schuldanerkenntnis und Rückzahlungsversprechen in einer Urkunde notariell beglaubigen ließ; 2. der Kaufmann oder Gläubiger, der den Kredit gab und die Rückzahlung beanspruchen konnte; 3. gegebenenfalls der Vertreter des Gläubigers auf der Messe, der an Stelle des Gläubigers selbst die Zahlung in Empfang nehmen konnte. Da der Kaufmann in der Regel noch selbst auf die Messe fuhr, für die er die Rückzahlung seines Kredits versprochen hatte, benötigte er auch noch keinen Beauftragten, der für ihn dort die Zahlung hätte leisten müssen.56 „The travelling merchants knew the letter obligatory and the exchange contract in notarial form, but these instruments proved inadequate when the sedentary merchants began to work with agents and correspondents abroad, and when import and export tended to become separate transactions.“57
Dies änderte sich dann, als der Kaufmann zunehmend sesshaft wurde, in seinem Kontor blieb und einen Vertrauten, einen Faktor, Agenten oder Geschäftspartner, mit der Wahrnehmung seiner Verpflichtungen auf den Messen oder andernorts beauftragte.58 Diesem gab er neben dem formellen notariellen Zahlungsversprechen einen formlosen Avisbrief (littera) als Zahlungsauftrag mit, aus welchem sich dann
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sions des foires de Champagne), in: Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht 40 (N.F. 25) (1892), S. 1–32, hier 27. Peter Spufford: Handbook of Medieval Exchange. London 1986, S. 31. John H. Munro: Art. Instrumentum Ex Causa Cambii, in: Michael North (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes. München 1995, S. 174 f.; Raymond de Roover: L’évolution de la lettre de change, XIVe–XVIIIe siècles. Paris 1953, S. 23–42; R. D. Face: Techniques of Business in Trade between the Fairs of Champagne and the South of Europe in the 12th and 13th Centuries, in: Economic History Review 10.3 (1958), S. 427–438. – Die notarielle Beglaubigung war im 11. und 12. Jahrhundert oft schon allein deshalb nötig, weil sich die Kunst des Schreibens noch nicht bei allen Kaufleuten durchgesetzt hatte; vgl. Alfred Wendehorst: Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?, in: Johannes Fried (Hg.): Schulen und Studien im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters (Vorträge und Forschungen 30). Sigmaringen 1986, S. 9–33, hier 28; Petra Schulte: Scripturae publicae creditur. Das Vertrauen in Notariatsurkunden im kommunalen Italien des 12. und 13. Jahrhunderts (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 101). Tübingen 2003. Raymond De Roover: Money, Banking and Credit in Medieval Bruges. Italian Merchant-Bankers, Lombards and Money-Changers. A Study in the Origins of Banking. Cambridge (Mass.) 1948, S. 12. Ebenda, S. 51.
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der eigentliche Wechsel entwickelte.59 Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Tatsache, dass durch die Herausbildung von untereinander persönlich verbundenen Faktoren- oder Korrespondentennetzen die Beglaubigung zunehmend obsolet wurde. „A rich network of international commercial correspondents (…) extended to cover the entire economic and geographical area dominated by the Italian merchant bankers, and it was this that gave them the unrivalled possibilities for remitting to order drawing from any one place to any other.“60
Der einfacher zu handhabende und auch mit weniger Kostenaufwand als die älteren Zahlungsmedien verbundene ‚informelle‘ Wechsel vermittelte zuerst im 13. und frühen 14. Jahrhundert in der Regel nur innerhalb eines Handelshauses – so etwa zwischen dem Kaufmann und seinem Faktor – Finanztransaktionen und damit Liquidität zwischen verschiedenen Orten (lettera di pagamento). Seit dem 14. Jahrhundert zirkulierten solche Wechsel auch außerhalb des eigenen Handelshauses zwischen verschiedenen Kaufleuten (lettera di cambio oder cambium per litteram): Der Wechsel im eigentlichen Sinne des Wortes war entstanden, und die lettera di cambio setzte sich als mit Abstand wichtigstes Medium des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und als Kreditinstrument zur Bereitstellung von Liquidität in den Handelsund Finanzzentren der italienischen Kaufmanns-Bankiers gegenüber den älteren Formen des bargeldlosen Zahlungsausgleichs durch.61 Als grundlegender Unterschied zwischen den lettres de foire und dem instrumentum ex causa cambi einerseits und dem Wechsel andererseits bleibt festzuhalten, dass erstere Zahlungsversprechen oder -verpflichtungen darstellten, letztere jedoch einen Zahlungsauftrag, mit welchem der Aussteller des Wechsels einen Dritten andernorts damit beauftragte, eine Schuld an seiner statt zu begleichen.62 Der Wechsel konnte vier Funktionen erfüllen: 1. als sicheres Überweisungsmittel für Geld; 2. als Zahlungsmittel im Handel; 3. als Kreditquelle im Geldverleih durch die Ausstellung von Wechseln (dare a cambio) und beim Verkauf von Wechseln in fremden Währungen auf Kredit (cambi a credenza); 4. in der Ausnutzung von Kursdifferenzen an verschiedenen Orten (Arbitragegeschäft).63 Gerade die Frage der Chance auf Wechselgewinne bzw. die Gefahr von Wechselverlusten bei Hin- und Rückwechseln beschäftigte Kaufleute regelmäßig, und daher verständigten sich Aussteller und Bezogener vielfach auf einen über der Münzparität liegen59
Munro: Art. Instrumentum Ex Causa Cambii (wie Anm. 56), S. 175. Vgl. Georg Schaps: Zur Geschichte des Wechselindossaments. Stuttgart 1892, S. 9. 60 Alfonso Leone: Some Preliminary Remarks on the Study of Foreign Currency Exchange in the Medieval Period, in: Journal of European Economic History 12 (1983), S. 619–629, hier 620. 61 De Roover: Lettre de change (wie Anm. 56), S. 38–45; Markus A. Denzel: Art. Wechsel, Wechsler, Wechselbrief, in: Lexikon des Mittelalters 8 (1997), Sp. 2086–2089. 62 John H. Munro: Art. Wechsel, in: North (Hg.): Von Aktie bis Zoll (wie Anm. 56), S. 413–416, hier 413. 63 Jacques Le Goff: Kaufleute und Bankiers im Mittelalter. Frankfurt a.M./New York 1993 (Paris 1956), S. 33 f., 70–77. – Es erscheint dabei müßig zu fragen, welche Funktion dabei die wichtigere war, die des Transfer- oder die des Kreditinstruments; siehe hierzu die detaillierte und erschöpfende Diskussion bei Spufford: Handbook (wie Amn. 55), S. 37–49.
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den und über dem ‚marktüblichen‘ beim cambium manuale gebräuchlichen Kurs. Diese Kursdifferenz ist nach de Roover als ‚versteckter‘ Zins oder Gewinn zu betrachten. Solange dieser risikobehaftet und unsicher, d. h. nicht fest vereinbart war, vermochte man auf diese Weise kirchliche und weltliche Wucherverbote zu umgehen, worin – wiederum nach de Roover – die grundlegende Bedeutung des Wechsels überhaupt lag. Dieses Risiko bestand insbesondere darin, dass sich die Wechselkurse aufgrund von Abwertungen oder Aufwertungen von Münzen, Veränderungen in der Zahlungsbilanz eines Landes, spekulativen Wechselhandel oder Veränderungen der Zinsraten kurz- oder langfristig ungünstig verändert haben konnten, bevor der Rückwechsel (recambium) erfolgt war.64 Es erübrigt sich hier, die Funktionsweise eines Wechselgeschäfts detailliert zu beschreiben,65 doch lassen sich grundsätzlich zwei große Bereiche unterscheiden, in denen Wechseltransaktionen von Bedeutung waren: zum einen im Warenhandel, in dem der Wechsel als Zahlungs- und als Kreditmittel66 fungierte, und zum anderen bei der Überweisung von Geld, mit der kein Warenhandel verbunden war. Seit dem 14. Jahrhundert war der Wechselbrief auch und nicht zuletzt für die Kurie das gebräuchlichste Kreditinstrument67 – und damit ergab sich spätestens jetzt ein Rechtfertigungsproblem für die Theologie, oder in Frageform gewendet: Stellte ein Wechselgeschäft theologisch Wucher dar oder nicht? 3. DIE THEORETISCHE RECHTFERTIGUNG: WECHSELGESCHÄFTE SIND KEIN WUCHER Die Frage, ob Wechselgeschäfte mit dem Odium des Wuchers behaftet waren oder nicht, stellte für die Kirche des hohen und späten Mittelalters und die scholastische Theologie eine zentrale Frage dar, wollte und musste doch die Kirche an derartigen Transaktionen partizipieren, um ihre geographisch immer weiter ausgreifenden Einnahmen und Ausgaben erfolgreich erledigen zu können. Für die Einsammlung der immer zahlreicheren Einnahmen aus allen Ländern der lateinischen Christenheit benötigte die Kurie die Unterstützung international agierender Kaufleute ebenso wie für die Bereitstellung von Liquidität in ‚Krisenregionen‘ der damaligen Welt, sei es im Kampf gegen die Staufer, sei es zur Finanzierung von Kreuzzügen, um nur zwei wichtige Bereiche zu nennen. Und Kaufleute, die derartige Länder und Meere übergreifende Finanzdienstleistungen anboten, nutzten eben den Wechsel 64
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Munro: Art. Wechsel (wie Anm. 62), S. 415. Zur Kritik an de Roover vgl. John H. Munro: Bullionism and the Bill of Exchange in England, 1272–1663: A Study in Monetary Management and Popular Prejudice, in: Chiappelli: Modern Banking (wie Anm. 4), S. 169–239, hier 170–172. Denzel: System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (wie Anm. 53), S. 56–58. Zur Bedeutung des Wechsels als Kreditinstrument u. a. Federico Arcelli: A Banking Enterprise at the Papal Court. The Company of Antonio della Casa and Jacopo di Michele di Corso Donati (1438–1440), in: The Journal of European Economic History 25 (1996), S. 9–32, hier 22. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 100; Schneider: Das kirchliche Zinsverbot (wie Anm. 14), S. 217.
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für ihren europaweiten bargeldlosen Zahlungsverkehr, sodass die Kurie, die sich dieser Kaufleute bediente, im Rahmen des sich immer weiter ausdehnenden kurialen Zahlungsverkehrs mindestens indirekt an deren Geschäften – und somit auch dem Wechselgeschäft – teilhatte.68 „Mit seiner thatsächlichen Unentbehrlichkeit stieg die kanonistische Rechtfertigung.“69 Umso wichtiger war somit die Beantwortung der – etwas pointiert formulierten – Frage: War die Kurie selbst wucherisch tätig? Und Wucher galt spätestens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert als Todsünde gegenüber dem Naturrecht und nicht mehr nur gegenüber dem Gebot der Nächstenliebe.70 Diese Frage war besonders dann relevant, wenn, was sehr häufig vorkam, das Wechselgeschäft mit einer Kredittransaktion verbunden war; dies war bei Warenkreditgeschäften wie bei der Bereitstellung von Liquidität etwa für die Kurie gleichermaßen der Fall. Bei derartigen Transaktionen „behalf man sich damit, (Zinsen) im Wechselkurs zu verstecken. Dies behagte den allermeisten Theologen des 12. und 13. Jhs. aber gar nicht. Für sie roch die ganze Sache zu sehr nach Wucher. Selbst dem einfachen Münztausch gegen Profit stand man sehr skeptisch gegenüber, handelte es sich doch hierbei wie beim Wucher um eine der aristotelischen Lehre zuwiderlaufende Transaktion der Form ‚G-G‘, also um die verachtenswerteste Art des Erwerbswesens.“71
Dies war die vorherrschende Meinung bei den maßgeblichen Scholastikern wie Thomas von Aquin, Wilhelm von Auxerre und anderen, wobei die Scholastiker aber vorrangig auf die Kreditfunktion, nicht auf das Wechselgeschäft selbst blickten. Aber: „Die Verurteilung solchen Tuns war jedoch weniger streng als beim Verleih gegen Wucher. Dies mag wohl daran gelegen haben, dass die Vertragsform eine ganz andere und der Profit je nach zukünftigem Wechselkurs variabel und spekulativ war. Die Wechselbanken hatte[n] zudem einen wesentlich besseren Ruf als die Wucherer, was mit ein Grund gewesen sein dürfte, weshalb sie sich in den norditalienischen Städten, aber auch andernorts, einer uneingeschränkt großen Beliebtheit erfreuten.“72
Insgesamt „(produzierte) die kirchlich-kanonistische Wucherlehre (…) eine fast unübersehbare Kasuistik mit einer Vielzahl abweichender Bewertungen.“73 War das 13. Jahrhundert noch von großer Unsicherheit geprägt,74 welche Meinung man gegenüber dem neuen Zahlungsmedium Wechsel kirchlicherseits einnehmen sollte, so orientierten sich die Theologen des 14. Jahrhunderts an der unab68
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Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 178: „The exchange dealers who had the papal business, campsores Apostolicae Sedis, fulfilled an indispensable function in the administration of the Church: they made possible the centralized financial system necessary to support a centralized authority.“ Vgl. hierzu auch Denzel: Kurialer Zahlungsverkehr (wie Anm. 46). Ders.: Kleriker und Kaufleute (wie Anm. 46). Neumann: Geschichte des Wuchers (wie Anm. 35), S. 429. Jacques Le Goff: Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter. Stuttgart 1988. So bereits Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 171. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 97. Ebenda, S. 98. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter (wie Anm. 3), S. 392. Hans-Jörg Gilomen, Art. Wucher, in: Lexikon des Mittelalters 9 (1999), Sp. 341–345, hier 345.
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dingbaren praktischen Notwendigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für das Wirtschaftsleben insgesamt und die ökonomische wie politische Tätigkeit der Kurie im Besonderen. Es war ein in der Forschung bislang nicht sehr geschätzter – ja vielleicht eher unterschätzter – Theologe aus Oberitalien, Alexander Bonini, gen. Lombardus, der als erster das Wechselgeschäft vom Hauch des Wuchers argumentativ befreite. Alexander Bonini wurde um 1268 in Alessandria im Piemont geboren (daher auch sein Beiname: von Alessandria), war Franziskaner, kurzzeitig Professor in Paris (1307/08) und am Ende seines Lebens General der Franziskaner (1313); er starb 1314 in Rom.75 Sein auf einer Rede von 1307 basierender Tractatus de usuris „widerspiegelt bereits eine sich allmählich zu ändern beginnende Einstellung gegenüber den Wechslern.“76 Er verteidigte die kleinen Münzhändler, da dieses Geschäft überall dort, wo verschiedene Münzen kursierten, notwendig sei. Zudem besitze das umgetauschte Geld für den Tauschenden einen größeren Nutzen als das ursprüngliche. Daraus folgerte er, dass „es für einen Wechselhändler durchaus gerechtfertigt sein konnte, eine größere Rückzahlung zu fordern als den Gegenwert der bei Vertragsabschluss übertragenen Summe. Dieser Feststellung liegt die Beobachtung zugrunde, dass die Nachfrage nach Geld im Laufe der Zeit variieren kann und dadurch Veränderungen des ‚Wertes‘ hervorzurufen vermag.“77
Somit erfolge ein Verkauf unter Ungewissheit (venditio sub dubio), der in Verbindung mit dem scholastischen Zeitargument eine höhere Preisforderung erlaube, wenn eine berechtigte Unklarheit über den künftigen Preis der Ware bestehe. Damit liege ein damnum emergens bzw. ein lucrum cessans vor. Alexander Lombardus betonte zugleich das Recht auf Wertgleichheit der getauschten Münzen, wohinter die erstmalige Erkenntnis steckte, dass für Geld ein Markt bestehen kann, was zugleich die Abkehr von der traditionellen scholastischen Lehre eines ausschließlich äußeren Wertes des Geldes implizierte.78 Übertragen auf das eigentliche Wechselgeschäft bedeutete dies: Zwei Elemente waren für ein Wechselgeschäft grundlegend, 1. die permutatio pecuniae absentis cum praesenti und 2. die distantia oder differentia loci, d. h. die sich im Wechselkurs manifestierende Währungsumwechslung aufgrund der zugrundeliegenden Münzverschiedenheit und die Ortsverschiedenheit der Parteien. War eines der beiden Elemente – insbesondere die Ortsverschiedenheit – nicht gegeben, wie etwa 75
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Dass Alexander Lombardus aus der Perspektive dieser Untersuchung als Theologe bislang unterschätzt wurde, zeigt noch Langholm: Economics in the Medieval Schools (wie Anm. 23), S. 446: „His personal background had taught him where contemporary commerce strained at the moral bit, and so he suggested solutions which loosened it a little without losing control. But he was hardly a great theoretical innovator or a moral revolutionary. He recorded elements of doctrine from respectable authorities and patched them together as best he could.“ Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 98. Vgl. auch Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 183. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 98 f. Vgl. auch Noonan Jr., The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 183 f. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 99; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 171; Jochen Schumann: Zur Geschichte christlicher und islamischer Zinsverbote, in: Harald Hagemann (Hg.): Ökonomie und Religion (Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie 21). Berlin 2007, S. 149–205, hier 165.
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beim cambium siccum (s. u.), so verbot sich die Wechseltransaktion, denn die beteiligten Kaufleute hätten sich zweifelsfrei des Wuchers schuldig gemacht. Nur infolge der Ortsverschiedenheit galt der Wechsel seit dem Ende des 13. Jahrhunderts – zuvor war die Münzverschiedenheit von Theologen als wesentlicher betont worden – gegenüber dem kirchlichen Verbot des verzinslichen Darlehens in zunehmendem Maße als ein (weitgehend) unbedenkliches, ja selbst von der Kirche gerne in Anspruch genommenes Zahlungsmedium. Denn durch die – wenn auch nur fiktive – Notwendigkeit des Geldtransports und des Geldumtauschs hatte die „Arbeit“ des Kaufmanns entlohnt zu werden, und der im Wechselkurs bzw. in einer Provision versteckte Gewinn erschien kirchenrechtlich als einigermaßen gerechtfertigt.79 Alexander Lombardus bezeichnete cambium nicht mehr als mutuum, sondern als permutatio pecuniae, die somit nicht (mehr) dem Odium des Wuchers anheimfiel – eine Auffassung, die nach und nach von allen späteren führenden Theologen akzeptiert wurde.80 Einige Beispiele mögen genügen:81 Bernardino von Siena († 1444) etwa kam in Neuauslegung der Wucherlehre von Petrus Johannis Olivi († 1296) zu dem Schluss: Usura solum in mutuo cadit.82 Laurentius de Ridolfis bestätigte in seinem Traktat über den Wucher 1403 Alexander Lombardus durch seine Feststellung, dass der Wert von Geld je nach Zeit und Ort verschieden sein könne.83 Überhaupt keine Bedenken mehr gegen das Wechselgeschäft hegte Alexander Tartagnus aus Imola († 1477), einer der führenden Juristen des 15. Jahrhunderts, der als Universitätslehrer in Ferrara, Bologna und Pavia wirkte und in seinen Ansichten Baldus de Ubaldis († 1400) folgte: Zum einen bestehe eine Gefahr für den Wechselnehmer durch die Währungs- bzw. Kursschwankungen und zum anderen sei ein Aufgeld ratione laborum et operarum gerechtfertigt.84 Jacob de Vio aus Gaeta bzw. Thomas Kardinal 79 80
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Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 104 f., Anm. 28; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 170. Raymond de Roover: The cambium maritimum Contract According to the Genoese Notarial Records of the Twelth and Thirteenth Centuries, in: David Herlihy/Robert S. Lopez/Vsevolod Slessarev (Hg.): Economy, Society, and Government in Medieval Italy. Essays in Memory of Robert L. Reynolds. Kent (Ohio) 1969, S. 15–33, hier 28 f.; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 172. Vgl. auch Alonzo M. Hamelin: Un traité de morale économique au XIVe siècle: Le tractatus de Usuris de Maître Alexandre d’Alexandrie. Louvain 1962, S. 179–185; Raymond de Roover, Les doctrines économiques des scholastiques: à propos du traité sur l’usure d’Alexandre Lombard, in: Revue d’histoire ecclésiastique 59 (1964), S. 854–866, hier 858–860; ders. : The Scholastics, Usury, and Foreign Exchange, in: Business History Review 41 (1967), S. 257–271. Weitere Beispiele siehe bei Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 184–190. San Bernardino da Siena: Quadragesimale de Evangelio Aeterno, sermon 36, art. 1, cap. 1 und art. 2, cap. 1, zit. nach: Arcelli: A Banking Enterprise (wie Anm. 66), S. 23. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 103. Hermann Lange: Das kanonische Zinsverbot in den Consilien des Alexander Tartagnus, in: Marcus Lutter/Helmut Kollhosser/Winfried Trusen (Hg.): Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag. München 1975, S. 99– 112, hier 112. Ob man zur gleichen Einschätzung wie der genannte Verfasser kommt, Alexander habe auf diese Weise „die Liberalisierung des Geldverkehrs vorangetrieben wie wohl kein zweiter“ (ebenda), muss hier offen bleiben.
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Cajetan († 1534), Generaloberer der Dominikaner seit 1508, schließlich rechtfertigte in De cambiis 1499 das Wechselgeschäft, da es eine wichtige Unterstützung des lebensnotwendigen Händlers darstelle. „Cajetan wollte den Wechsel denn auch nicht als Instrument zur Umgehung des Wucherverbots und damit als Deckmantel für wucherische Darlehen verstanden wissen, sondern stellte ihn dar als eine dem Gemeinwohl dienende, wirtschaftliche und politische Notwendigkeit.“85
Erlangte der ‚normale‘, d. h. auf Orts- und Währungsverschiedenheit basierende Wechsel (cambium per litteras) somit seit dem 14. Jahrhundert auch in TheologenKreisen zunehmende Akzeptanz,86 blieben zwei Arten von ‚Wechseln‘ verboten: Der trockene Wechsel (cambium siccum), d. h. der Wechsel ohne Währungsumtausch und ohne Ortsverschiedenheit der beiden Zahlungen, blieb unzulässig.87 Denn der vermutlich schon auf das späte 12. Jahrhundert zurückgehende cambium siccum „diente in allererster Linie als Deckmantel für profitbringende Darlehen und entwickelte sich bald zu einem der beliebtesten Kniffe zur Umgehung des Wucherverbots.“ Durch die Integration der Zinsen in den Kurs ergab sich immer ein positives Ergebnis für den Remittenten, dieses war aber je nach den Kursschwankungen variabel; auch ein Verlust war nie völlig auszuschließen.88 Zudem bestritten die Theologen Platzwechseln (cambia platearum) die Bezeichnung als cambium reale oder cambium verum, da ihnen die Ortsverschiedenheit und damit die Notwendigkeit des Geldtransports fehlen. Dies wurde übrigens noch 1560 von Pius IV. († 1565), um die Missbräuche der römischen Wechselhändler gegen Geistliche abzustellen, und in der päpstlich ratifizierten Wechselordnung von Bologna von 1569 festgeschrieben, und derartige Wechsel wie auch Trockenwechsel in der Bulle In eam Pius’ V. († 1572) vom 28. Januar 1571 nochmals verdammt, auch wenn sich die Kaufleute zu dieser Zeit nicht mehr an die päpstlichen Vorschriften hielten und die Bulle somit weitgehend wirkungslos blieb. Regelkonforme Wechsel hingegen wurden in der Constitution Pius’ V. von 1570 als legitim und keinesfalls wucherisch angesehen, gerechtfertigt durch die Arbeit und Gefahr bei der Ausstellung, dem Transport und der Einlösung des Wechsels, wobei erneut besonders auf den (fiktiven) Transport des Geldes zur Überwindung der Ortsverschiedenheit rekurriert wurde.89 85 86 87
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Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 104. Vgl. auch Schumann: Zur Geschichte christlicher und islamischer Zinsverbote (wie Anm. 78), S. 166 f. Vgl. Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 193. Gilomen: Art. Wucher (wie Anm. 74), Sp. 345; Sprandel: Art. Zins. IV. Kirchengeschichtlich (wie Anm. 11), S. 683; Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 294 f.; Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 103; Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 186; Schumann: Zur Geschichte christlicher und islamischer Zinsverbote (wie Anm. 78), S. 166; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 171. Vgl. auch Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter (wie Anm. 3), S. 392; Jelle C. Riemersma: Usury Restrictions in a Mercantile Economy, in: Canadian Journal of Economics and Political Sciences/Revue canadienne d’Économique et de Sciences politiques 18/1 (1952), S. 17–26, hier 19. Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 102. Carl Samuel Grünhut: Lehrbuch des Wechselrechts. Leipzig 1900, S. 27, 35 f., 49–51; Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 171; Neumann: Geschichte
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Bemerkenswert, wenn auch in der bisherigen Forschung bislang in keiner Weise hinreichend gewürdigt, ist bei den verschiedenen Erlassen Pius’ V., dass er für den fingierten Transport des Wechsels einen gerechten Preis forderte. Die Theorie vom pretium iustum90 sollte demnach auch auf den Preis der Wechsel, den Wechselkurs, angewandt werden. Hieraus ergab sich folgende Konsequenz: Um der Forderung, dass der Wechselkurs einem pretium iustum entsprechen soll, gerecht zu werden, schien es „am natürlichsten (…), dass von der Obrigkeit oder vom Vorstande der Kaufmannschaft der gesetzmäßige unabänderliche Preis der Wechsel bestimmt werde.“ Die Wechsel erhielten somit einen öffentlichen Wert, vergleichbar dem von geschlagenen Münzen, und wie die Bestimmung des Geldpreises, den der Fürst festlege, sei auch die des Wechsels „nicht Sache der Privatwillkür“91. Durch die öffentliche Festlegung des Wechselkurses – sei es durch die Obrigkeit oder die mit ihr mehr oder minder eng verwobene Kaufmannschaft – sollte somit gewährleistet werden, dass der Wechselkurs für alle beteiligten Parteien gerecht sei. Und diese öffentliche Festlegung geschah in der Form früher Preiskuranten oder Wechselkurszettel, die John J. McCusker als den Beginn des Wirtschaftsjournalismus betrachtet. So verwundert es nicht, dass die ältesten (Wechsel-)Preiskuranten gerade in den Jahrzehnten nach den Erlassen Pius’ V. auftauchen: Sie tragen der päpstlichen Forderung nach einer öffentlichen, weil „gerechten“ Preisfestsetzung für Wechselkurse Rechnung und beseitigen damit den letzten Hauch von Wucher, der das Wechselgeschäft seit dem 12./13. Jahrhundert umgeben hatte. RESÜMEE Die Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Wucherlehre und den Strategien zu ihrer Überwindung bietet mannigfaltige Einblicke in die Wirtschaftsethik, aber auch in die ökonomische und vor allem in die kommerzielle Realität vom Zeitalter der kommerziellen Revolution bis zum langen 16. Jahrhundert. Denn die kuriale und kanonistische Beschäftigung mit der Problematik des Wuchers dauerte, basierend auf den tradierten spätantiken Grundlagen der Kirchenväter, schwerpunktmäßig vom 12. bis zum frühen 16. Jahrhundert; noch das Fünfte Laterankonzil (1512– 1517) legte in einem Dekret von 1515 fest, dass Wucher dann vorliege, wenn der Darlehensgeber ohne Risiko, Aufwendung von Arbeit und ohne Kosten handelt und mit der Überlassung einer an sich unfruchtbaren Sache Gewinn erzielt werden soll.92 Neben mehreren zentralen Textstellen aus dem Alten Testament, seit dem
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des Wuchers (wie Anm. 35), S. 429–431, 437; Noonan Jr.: The Scholastic Analysis (wie Anm. 36), S. 333. Vgl. John W. Baldwin: The Medieval Theories of the Just Price. Romanists, Canonists, and Theologians in the Twelfth and Thirteenth Centuries. Philadelphia 1959. Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 173. Vgl. Neumann, Geschichte des Wuchers (wie Anm. 35), S. 434. Christian Braun: Vom Wucherverbot (wie Anm. 30), S. 43. Aristoteles’ Lehre von der Unfruchtbarkeit des Geldes wurde noch auf dem Fünften Laterankonzil 1516 wörtlich reproduziert; Reiner Franke: Die Entwicklung des (Darlehens-)Zinses in Frankreich. Eine rechts- und
Das Problem des Wuchers im bargeldlosen Zahlungsverkehr
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12. Jahrhundert insbesondere auch eine durchaus auch anders interpretierbare Sentenz aus dem Lukas-Evangelium, war es insbesondere die Rezeption der aristotelischen Ethik und Naturrechtslehre, die das Phänomen des Wuchers zu einem zentralen Thema der Scholastik werden ließ. Diente das Verbot der (wucherischen) Zinsnahme im Frühmittelalter noch ausschließlich dem Schutz einer durch Ernteausfälle existentiell bedrohten Bevölkerung, wie die karolingische Gesetzgebung nahelegt, so wirkte ein generelles Zinsverbot spätestens seit der Renaissance du commerce (Henri Pirenne), dem Wiederaufleben des Fernhandels und in dessen Gefolge der deutlichen Zunahme der Geldwirtschaft eher wirtschaftsfeindlich, mindestens aber hemmend für Investitionen im Bereich des Gewerbes und des Handels. Die wirtschaftliche Praxis des 12. wie der folgenden Jahrhunderte zeigte, dass trotz aller kirchlicher Verbote und Strafandrohungen die Kreditnahme gegen Zins in allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten – aus welchen Motiven heraus auch immer – gang und gäbe war, ja dass sogar die Kurie selbst mit der Ausdehnung ihres ökonomischen und politischen Handlungsrayons im Zeitalter der Kreuzzüge ohne derartige kreditwirtschaftliche Beziehungen nicht mehr auskommen konnte. So wurden seit dem 12. Jahrhundert – im Wesentlichen zeitgleich mit der schrittweisen Verschärfung des Wucherverbots – Umgehungsstrategien entwickelt, die um so diffiziler und feinsinniger waren, je rigider die kirchlichen Bestimmungen gegen den Wucher wurden. Zur langfristig wichtigsten Umgehungsstrategie gegen das Wucherverbot entwickelte sich der Wechsel – im Übrigen genau in der Zeit der Hochblüte des kanonischen Zinsverbots93 – als Medium eines neuen bargeldlosen Zahlungsverkehrs, dessen Träger, die international agierenden Kaufmanns-Bankiers, die Kurie umso lieber in ihre Dienste nahm, als diese ihr in der gesamten lateinischen Christenheit durch das Medium Wechsel Liquidität bereitstellen konnten. Insgesamt hat „die W(ucher)lehre (…) die sich im SpätM(ittel)A(alter) stark entwickelnde Kreditwirtschaft nicht verhindert, aber ihre Formen erheblich mitbestimmt,“94 ja durch ihre Rigidität im 13. Jahrhundert die Entwicklung einer leistungsfähigen Umgehungsstrategie – den bargeldlosen Zahlungsverkehr auf der Basis des Wechsels als Finanzierungs- und Kreditinstrument – vielleicht sogar gefördert, auch wenn hierfür kein dezidierter Quellennachweis erbracht werden kann. Die immer weitere Ausbreitung kreditwirtschaftlicher Erfordernisse ließ den bargeldlosen Zahlungsverkehr im 14. Jahrhundert deutlich anschwellen, und der Kurie selbst musste daran gelegen sein, theologisch zu klären, ob hier ein wucherisches Instrument vorlag oder nicht. Der sich aus verschiedenen Vorformen herausbildende ‚klassische‘ Wechsel wurde dabei seit Alexander Lombardus zunehmend als nicht-wucherisch akzeptiert, in diesem Sinne um 1570 letztlich durch den Papst anerkannt, auch wenn die Wirklichkeit der Kaufleute schon längst über moralische Skrupel den Wechsel betreffend hinweg gegangen war. Noch im frühen 15. Jahrhundert habe sich, so Federico Arcelli einerseits, die Angst der Kaufmanns-Banki-
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wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung von der kanonischen Usuralehre des 13. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution. Berlin 1996, S. 25. Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze (wie Anm. 11), S. 169. Gilomen: Art. Wucher (wie Anm. 74), Sp. 345.
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ers, als Wucherer zu gelten, auch und gerade in ihren Rechnungsbüchern nieder geschlagen: „Discount operations rarely appear, whereas exchange operations are very frequent. Naturally, there was no interest account, not even in the secret books, because it would have been risky, but there was an account entitled ‘exchange benefits and damages’, which was added to the ‘banks surplus and deficit’, the modern-day profits and losses.“95
Andererseits hatten sich seit dem 14., vor allem im 15. und im 16. Jahrhundert, „moralischer Appell und kaufmännische Berufspraxis … weit auseinandergelebt.“96 Der einstmals so gefürchtete Wucher war zur Grundlage für Spöttereien geworden. So schrieb beispielsweise der Hauptbuchhalter der Fugger, Matthäus Schwarz, in seinem Lehrbuch der Buchhaltung: Interesse ist höflich gewuchert, Financzen ist höflich gestolen.97 Die schrittweise theologische und kirchenrechtliche Anerkennung des Wechsels als erlaubtes Zahlungsmittel trug der ökonomischen Realität Rechnung und erlaubte auch der Kurie selbst dessen Gebrauch ohne moralische Skrupel. Mit den sich herausbildenden verschiedenen Arten eines Wechsel freilich tat sich die Kurie auch nach den theologischen ‚Unbedenklichkeitserklärungen‘ des 15. und frühen 16. Jahrhunderts schwer: Erstmals durch die Wechselordnung von Bologna von 1569 war im Übrigen auch der Rückwechsel (Ricorsa) – obschon seit dem 14. Jahrhundert in Gebrauch – von päpstlicher Seite gestattet worden, was allerdings in den folgenden Jahrzehnten nicht unbestritten blieb. 1627 wurde von Urban VIII. (1623– 1644) ein Ricorsa-Wechsel letztmals verworfen, 1631 dann schlussendlich wieder zugelassen. Die cambia sicca hingegen verbot noch Benedikt XIV. (1740–1758) 1747.98 Das kirchliche Zinsverbot ist bis heute niemals formell aufgehoben worden.99 Nichtsdestoweniger: Mit Hilfe des Zahlungsmediums Wechsel konnte die Wucherdoktrin des 12. und 13. Jahrhunderts überwunden werden. Auf diese Weise wurde die Ausdehnung des Kreditwesens und des Zahlungsverkehrs in einem sich wirtschaftlich und vor allem kommerziell entwickelnden Europa erst ermöglicht und dann – nolens volens – gefördert. Die Kurie selbst hatte – schon aus eigenen ökonomischen Interessen – einen nicht geringen Anteil an dieser Entwicklung und war damit eine maßgebliche Wegbereiterin des Systems des auf dem Wechsel basierenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs, das sich von Italien aus über ganz Europa und im Gefolge der europäischen Expansion über die gesamte ökonomisch relevante Welt verbreitete.
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Arcelli: A Banking Enterprise (wie Anm. 66), S. 23. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 288. Alfred Weitnauer: Venezianischer Handel der Fugger. Nach der Musterbuchhaltung des Matthäus Schwarz. München/Leipzig 1931, S. 180. Vgl. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 299. Neumann: Geschichte des Wuchers (wie Anm. 35), S. 430 f., Anm. 4. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 1), S. 300.
AUTHORITY, REASON, AND CONSCIENCE IN GREGORY OF RIMINI’S QUESTIO PRESTITORUM COMMUNIS VENETIARUM Julius Kirshner (Chicago) From the thirteenth century onward, the major cities in central and northern Italy increasingly raised funds though interest-bearing loans based on periodic assessments of household wealth, a practice that largely supplanted direct taxes on real property (dazii).1 The ability to take on long-term debt through interest-bearing compulsory loans, called prestiti in Venice, prestanze in Florence, and luoghi in Genoa, was a salient characteristic of republican regimes, in which government debt was understood as a collective burden, the modalities and ramifications of which were constantly debated and scrutinized by the citizenry.2 In their coercive character, the government debts of Venice and Florence differed from the long-term urban debts of northern Europe, where public bodies turned to free capital markets * 1
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I am indebted to Lawrin Armstrong, Nicola Lorenzo Barile, Osvaldo Cavallar, and Robert Fredona for their incisive comments and criticisms, which proved invaluable in revising an earlier draft my essay. Maria Ginatempo: Prima del debito. Finanziamento della spesa pubblica e gestione del deficit nelle grandi città toscane (1200–1350 ca.). Florenz 2000; Patrizia Mainoni: Finanza pubblica e fiscalità nell’Italia centro-settentrionale fra XIII e XV secolo, in: Studi Storici 40 (1999), pp. 449–470; ead.: La révolution fiscale dans l’Italie du nord (XIIe-XIIIecle) in: L’impôt dans les villes de l’Occident méditérranéen, XIIIe-XVe siècle (Colloque tenu à Bercy les 3, 4 et 5 octobre 2001; Comité pour l’histoire économique et financière de la France). Paris 2005, pp. 219– 254; Luciano Pezzolo: Government Debts and Credit Markets in Renaissance Italy, in: Fausto Piola Caselli (ed.): Government Debt and Financial Markets in Europe. London 2008, pp. 17– 32. For a pan-European perspective, see James Tracy: On the Dual Origins of Long-Term Urban Debt in Medieval Europe, in: Marc Boone/Karel Davids/Paul Janssens (eds.): Urban Public Debts. Urban Government and the Market for Annuities in Western Europe (14th-18th Centuries). Turnhout 2003, pp. 13–24. Gino Luzzatto: Il debito pubblico della Repubblica di Venezia dagli ultimi decenni del XII secolo alla fine del XV. Milano-Varese 1963; Michael Knapton: La dinamica delle finanze pubbliche, in: Girolamo Arnaldi/Giorgio Cracco/Alberto Tenenti (eds.): Storia di Venezia. Dalle origini alla caduta della Serenissima, vol. 3: La formazione dello stato patrizio. Rom 1977, pp. 475–528; Reinhold Christopher Mueller: The Venetian Money Market: Banks, Panics, and the Public Debt, 1200–1500. Baltimore/London 1997; Anthony Molho: Florentine Public Finances in the Early Renaissance, 1400–1433. Cambridge. Mass. 1971; Giovanni Ciappelli: Fisco e società a Firenze nel Rinascimento (Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento 36). Roma 2009; Cinzio Violante: Le origini del debito pubblico e lo sviluppo costituzionale del comune, in: Id.: Economia, società, istituzioni a Pisa nel Medioevo. Saggi e ricerche (Saggi 48). Bari 1980, pp. 67–100; Jacques Heers: Gênes au XVe siècle. Activité économique et problèmes sociaux. Paris 1961, pp. 97–190; Christine Meek: Il debito pubblico nella storia finanziaria di Lucca nel secolo XIV, in: Actum Luce 3 (1974), pp. 7–46.
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to raise funds, and „only incidentally did they use extra-economic force and wrest compulsory loans – either to save time or because of a lack of demand in free capital markets.”3 In Venice, as in Florence, compulsory loans were generally irredeemable, and lenders were compensated with five percent annual interest for as long as they held the loans.4 Since the giving and taking of something beyond the principal of a loan (ultra sortem mutui) was, by definition, usury, authorities and lenders referred to the five percent as proficuum, prode, lucrum, and utilitas – terms that were commonly employed in various commercial and financial transitions to signify lawful profit. Venetian lenders were authorized to transfer their claims on the government to other citizens and entities in Venice, resulting in an informal secondary market, in which prestiti were traded at market prices. Lured by a dependable source of income, investors flocked to purchase prestiti. In addition, prestiti were heritable, nontaxable, stable, and highly functional assets. They were used to fund perpetual religious and lay endowments, university scholarships, women’s dowries upon marriage, and maintenance payments upon marital separation. And they served as a reliable form of collateral in a wide array of transactions.5 Venice’s consolidated government debt, dubbed Monte Vecchio, increased exponentially during its war with Genoa between 1378 and 1381. In these years the government expropriated 41 percent of its citizens’ assessed wealth through compulsory loans and, adding insult to injury, suspended the five percent annual interest that it had consistently, and remarkably, paid since the late twelfth century. These cataclysmic events caused market prices to fall about 80 percent, drastically reducing the value of patrimonies laden with prestiti. Venetian citizens were under no
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C. J. Zuijderduijn: Medieval Capital Markets: Markets for Renten, State Formation and Private Investment in Holland (1300–1550). Leiden/Boston 2009, p. 181; see also Rolf Sprandel: Der städtische Rentenmarkt in Nordwestdeutschland im Spätmittelalter, in: Hermann Kellenbenz (ed.): Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1971, pp. 14–23. For an analysis of the dynamic market in longterm papal debt, see Mauro Carboni: Public Debt, Guarantees, and Local Elites in the Papal States (XVI–XVIII Centuries), in: The Journal of European Economic History 38 (2009), pp. 149–178. For what follows, Luzzatto: Il debito pubblico (see note 2); Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), pp. 359–567, and Mueller: Effetti della guerra di Chioggia (1378–1381) sulla vita economica e sociale di Venezia, in: Ateneo Veneto, n. ser. 19 (1981), pp. 162–174. Luzzatto: Il debito pubblico (see note 2), p. 150; Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), pp. 345–346; Stanley Chojnacki: Gender and the Early Renaissance State, in: Id.: Women and Men in Renaissance Venice: Twelve Essays on Patrician Society. Baltimore 2000, p. 45, 133; Linda Guzzetti: Separations and Separated Couples in Fourteenth-Century Venice, in: Trevor Dean/Katherine J. P. Lowe (eds.): Marriage in Italy, 1300–1650. Cambridge 1998, p. 256; Linda Guzzetti: Dowries in Fourteenth-Century Venice, in: Renaissance Studies 16 (2002), pp. 430–473, at pp. 448–449. For the collateralization of prestanze in Florence, see Julius Kirshner: Encumbering Private Claims to Public Debt in Renaissance Florence, in: Vito Piergiovanni (ed.): The Growth of the Bank as Institution and the Development of Money-Business Law (Comparative Studies in Continental and Anglo-American Legal History 12). Berlin 1993, pp. 19–76.
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illusions about the transformation of the system of compulsory loans into a blunt instrument for the imposition of nonrepayble taxes.6 The formal record-keeping procedures and novel practices, accompanying the massive expansion of urban government debts, have been viewed as telltale signs of modernity. No wonder that historians have reflexively employed the modern terms „public debt” and debito pubblico to refer to the government debts of Venice and Florence. Yet Pezzolo, in a recent study, has criticized the use of „public debt” as a mischaracterization. A defining characteristic of a public debt is a primary open market, in which citizens possess the relatively unrestricted freedom to invest as they wish in interest-bearing government securities. As Pezzolo sees it, a true public debt, emerged in Venice only in the early sixteenth century, when it made the transition from forced to voluntary government loans.7 Some scholars will see no harm in using terms like „public debt” and debito pubblico as convenient, if admittedly anachronistic, labels for Venetian and Florentine government debts. In full disclosure, this is the approach I have taken in previous studies.8 Yet I want to insist here and now that the resort to anachronism is a lazy and self-defeating shortcut that can easily lead to a profound misunderstanding of institutional realities. Anachronism and the search for harbingers of modernity have especially bedeviled the scholarship of medieval economic ideas,9 in which pride of place is habitually awarded to the theologians and jurists, whose ideas are said to prefigure modern economic concepts and thus „contribute to the foundation of modern economic analysis.”10 In the matter of government debt, the approach is 6 7 8
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According to James Macdonald: A Free Nation in Debt. New York 2003, p. 92, the conflation of forced loans and taxes was largely responsible for the dysfunction of the Monti of Venice and Florence. Luciano Pezzolo: The Venetian Government Debt, 1350–1650, in: Boone/Davids/Janssens: Urban Public Debts (see note 1), pp. 61–74, at pp. 64–67; see also Luciano Pezzolo: Il fisco dei Veneziani. Finanza pubblica ed economia tra XV e XVII secolo. Verona 2003, pp. 11–70. See, for example, Julius Kirshner: Conscience and Public Finance: A Questio disputata of John of Legnano on the Public Debt of Genoa, in: Edward P. Mahoney (ed.): Philosophy and Humanism: Renaissance: Essays in Honor of Paul Oskar Kristeller. Leiden 1976, pp. 434–453. My misgivings about the use of „public debt” in reference to the Monti of Venice and Florence are expressed in „States of Debt”, presented at the Mellon Sawyer Seminar on Debt, Sovereignty, and Power, University of Cambridge, 18th November 2006 . Among many examples, see Marjorie Grice-Hutchinson: Early Economic Thought in Spain, 1177–1740. London/Boston 1978; Diana Wood: Medieval Economic Thought (Cambridge Medieval Textbooks). Cambridge et al. 2002. Odd Langholm: Economics in the Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value, Money, and Usury according to the Paris Theological Tradition, 1200–1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 29). Leiden/New York 1992, p. 20: „It is a cruel irony that the scholastics could contribute to the foundation of modern economic analysis only when they abandoned their innermost hope of improving the world by improving all men. Naturally, that hope was abandoned unwillingly and hesitantly. If our authors were ‘economists’, they were reluctant economists.” For critiques of Langholm’s ahistorical approach, see my review of his Wealth and Money in the Aristotelian Tradition (1983) and the Aristotelian Analysis of Usury (1984), in: The Journal of Economic History 47 (1987), pp. 516–517; and Giovanni Ceccarelli: „Whatever” Economics: Economic Thought in Quodlibeta: in Christopher Schabel (ed.): Theo-
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to cherry-pick supposedly forward-looking arguments said to vindicate the system of interest-bearing compulsory loans and the secondary markets in prestiti and prestanze and, simultaneously, to underweigh opposing and contradictory arguments and ignore whole passages that make perfect sense from the perspective of medieval themes and discourse but not from the perspective of modern economic analysis predicated on rational-decision making and profit-maximization. Confirmation bias has shaped the studies of a number of theologians, including the Franciscans Peter John Olivi († 1298), Alexander of Alessandria († 1314), Gerald Odonis († 1348), and Bernardino of Siena († 1444). Also touted as a forward-looking innovator in the realm of economic ethics is the Augustinian Gregory of Rimini, an outstanding theologian and philosopher of the late Middle Ages, whose investigation of long-term forced loans to the commune of Venice (Questio prestitorum communis Venetiarum) is the subject of my study. My overarching aim is to reset the starting point for discussions of Gregory’s Questio – which, as far as I have been able to discover, is the first free-standing, monographic treatment of the liceity and moral repercussions of government loans. Gregory was frequently cited as a leading authority from the mid-fourteenth through the sixteenth century by the jurists and theologians who participated in the moral controversy over the operations of the Monti of Venice and Florence. As I will argue, only by twisting Gregory’s intricate arguments beyond all recognition can one say that his Questio was ultimately designed to legitimate Venice’s Monte Vecchio and to provide moral loopholes for lenders and investors. With the exception of the last two years of his life, Gregory of Rimini’s biography is sparse.11 His toponym suggests that he was born in Rimini, most likely around 1300. After joining the Order of the Eremites of Saint Augustine in his native city, he studied theology in Paris between 1323 and 1329, after which he returned to Italy, where he taught in Augustinian studia at Bologna, Padua, and Perugia. Returning to Paris, he was admitted as bachelor of the Sentences in 1343–1344 and master of theology, apparently in 1345. In autumn of 1347, we find Gregory at Padua before he was assigned to the new Augustinian studium in Rimini, teaching there from mid-1351 to late 1356. In May 1357 he was elected prior general at the meeting of the general chapter in Montpellier. He held the position until November 1358, when he died while visiting and inspecting Augustinian convents in Vienna. Gregory’s major work, for which he is acclaimed, is his commentary on the first two books of Peter Lombard’s Sentences.
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logical Quodlibeta in the Middle Ages: The Thirteenth Century (Brill’s Companions to the Christian Tradition 1). Leiden/Boston 2006, pp. 475–506. Roberto Lambertini: Gregorio da Rimini, in: Dizionario biografico degli Italiani 59 (2003), pp. 277–281; Oreste Delucca: Gregorio da Rimini: Cenni biografici e documentari, in: Gregorio da Rimini. Filosofo (Atti del Convegno, Rimini, 25 novembre 2000). Rimini 2003, pp. 45– 66; Pascale Bermon: L’assentiment et son object chez Grégoire de Rimini (Études de Philosophie Médiévale 93). Paris 2007, pp. 17–19; Eric L. Saak: High Way to Heaven: The Augustinian Platform between Reform and Reformation, 1292–1524 (Studies in Medieval and Reformation thought 89). Leiden/Boston/Köln 2002, pp. 315–344.
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The Questio was first printed in Reggio Emilia in 1508, with the title Tractatus de imprestantiis Venetorum et de usura, and reprinted in Rimini in 1622. In his 2003 study of Gregory’s Questio, Roberto Lambertini credited Carlo Dolcini with the discovery and identification of the only known manuscript witness of the Questio, dating from the fifteenth century, found in the Biblioteca Nazionale Centrale of Florence (hereafter cited as F).12 Dolcini’s discovery (scoperta), he lamented, had been overlooked even by scholars specializing in both Gregory of Rimini’s philosophy and medieval economic ethics.13 Thanks to Lambertini’s advocacy, it has been accepted as fact that Dolcini discovered the sole manuscript copy of the Questio. Schabel, in his profile of Gregory of Rimini in the authoritative online Stanford Encyclopedia of Philosophy, repeats that „Carlo Dolcini located the only known manuscript” of Gregory’s Questio.14 The basis of Lambertini’s attribution was Dolcini’s brief discussion of Gregory’s Questio, which appeared in a barely visible provincial publication in 1979–1980. Dolcini himself did not claim any priority in discovering or locating F. Rather, relying on a reference in Paul Oscar Kristeller’s magisterial Iter Italicum (1965), he was led to consult F and point out its kinship (parentela) to the two printed editions of the Questio.15 Lambertini’s attribution, it turns out, is erroneous,16 for neither Kristeller nor Dolcini was the first scholar to cite F. Let me set the record straight. In 1953, the 12
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Roberto Lambertini: L’economia e la sua etica: la quaestio di Gregorio da Rimini su debito pubblico ed usura, in: Gregorio da Rimini. Filosofo (see note 11), pp. 97–126: „Utilizzando un’indicazione di Paul Oskar Kristeller, Carlo Dolcini è stato in fatti in grado di identificare l’unica copia manoscritta dell’opera di Gregorio finora nota. Essa è contenuta nel codice Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale, Conventi Soppressi J. X. 51 ss. 201r–212r” (p. 99); id.: Il dibattito medievale sul consolidamento del debito pubblico dei Comuni. L’intervento del teologo Gregorio da Rimini (†1358), in: Ciclo di conferenze e seminari, „L’Uomo e il denaro”, Milano 4 maggio 2009 (Associazione per lo Sviluppo degli Studi di Banca e Borsa 37), Milano 2009, pp. 16–31: „Circa trent’anni fa, un giovane Carlo Dolcini rinvenne in un manoscritto della Biblioteca Nazionale di Firenze una copia manoscritta dell’opera che Gregorio aveva dedicato a questo problema, fino ad allora nota solo grazie alle edizioni a stampa. Quanto vi dirò vuole anche essere una valorizzazione di quella preziosa indicazione del mio maestro” (pp. 21–22). For a description of the works contained in F, see Francis Cheneval: Die Rezeption der Monarchia Dantes bis zur Editio Princeps im Jahre 1559: Metamorphosen eines philosophischen Werkes. Mit einer kritischen Edition von Guido Vernanis Tractatus de potestate summi pontificis. München 1995, pp. 411–414. Lambertini: L’economia e la sua etica (see note 12), p. 99 acknowledged that his own study was made possible „da una scoperta di Carlo Dolcini, pubblicata già da qualche tempo, ma sfuggita a molti, pur informati, specialisti”. Christopher Schabel: Gregory of Rimini (part 6), in: Edward N. Zalta (ed.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2001 edition; second edition Summer 2007), URL = . Relying on Dolcini’s observations, Cheneval: Die Rezeption der Monarchia Dantes (see note 12) was likewise unaware of de Roover’s article, as well as the other manuscripts of Gregory’s Questio. Carlo Dolcini: Nota sul De usuris di Gregorio da Rimini, in: Dodicesimo Quaderno edito dalla Rubiconia Accademia dei Filopatridi – Savignano sul Rubicone (1979–1980), pp. 243–249. Also tripped up by truncated research is Odd Langholm, who voiced his frustration at failing to locate a „single manuscript copy” of Gregory’s work on Venetian prestiti. Langholm: Economics in the Medieval Schools (see note 10), p. 560.
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economic historian Raymond de Roover cited F in his study and edition of the Dominican friar Santi (Pandolfo di Giovanni) Rucellai’s tracts on the morality of exchange and the operations of Florence’s Monte Comune and Monte delle Doti (the city’s Dowry Fund).17 De Roover’s study, which was published as the lead article in Archivio storico italiano, was widely read and repeatedly cited.18 To make a long story short, in 1964, de Roover, then a professor at Brooklyn College in New York City, gave me his microfilm copy of F, as well as copies of related theological texts in the Biblioteca Nazionale Centrale and Biblioteca Laurenziana of Florence. He encouraged me to consult these texts for my doctoral dissertation on the controversy over the morality of government loans in Florence, Genoa, and Venice, which I did under the supervision of Kristeller and John Mundy at Columbia University. In 1964–1965, under Kristeller’s guidance, I finished a transcription of F and in 1970, I completed my dissertation, in which I made extensive use of F.19 Lambertini’s assertion that F is the only manuscript witness of Gregory’s Questio is similarly mistaken. I have located two additional manuscripts of the Questio, also dating from the fifteenth century: one in the Biblioteca Apostolica Vaticana (hereafter V), which, in several respects, stands as a superior witness to the Florentine manuscript;20 the other in the Biblioteca Comunale of Monteprandone in the Marche (hereafter M).21 Lawrin Armstrong and I are currently preparing a critical edition of Gregory’s Questio and a comprehensive analysis of its structure, sources, and inventive arguments. In this essay, all quotations of the Questio are taken from F, with folio references to V. The dating and context of authorship, which has been the subject of conjecture for over one hundred years, remains uncertain. The title in F identifies Gregory of Rimini as the Questio’s author and refers to him as prior general of his Order; the
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Raymond de Roover: Il trattato di fra Santi Rucellai sul cambio, il monte comune e il monte delle doti, in: Archivio storico italiano 111 (1953), pp. 3–41, at pp. 15–16, for the reference to Gregory of Rimini’s Questio. Ruccellai’s tract was subsequently reedited by Edoardo Fumagalli: I trattati di fra Santi Rucellai, in: Aevum 51 (1977), pp. 289–332. For instance, John T. Noonan, Jr: The Scholastic Analysis of Usury. Cambridge 1957, p. 122, note 88; Gene Brucker: Un documento fiorentino sulla guerra, sulla finanza e sull’amministrazione pubblica (1375), in: Archivio storico italiano 115 (1957), pp. 165–175, at p. 169, note 19; Lauro Martines: The Social World of the Florentine Humanists, 1390–1460. Princeton 1963, p. 111, note 77; Marvin Becker: Florence in Transition, vol. 1: The Decline of the Commune. Baltimore 1967, p. 192, note 45; Julius Kirshner: Papa Eugenio IV e il Monte Comune: Documenti su investmenti e speculazione nel debito pubblico di Firenze, in: Archivio storico italiano 127 (1969), pp. 339–382, at p. 355, note 44. More recently, Eberhard Isenmann: Medieval and Renaissance Theories of State Finance, in: Richard Bonney (ed.): Economic Systems and State Finance (The Origins of the Modern State Europe, 13th to18th Centuries). Oxford 1995, p. 46, note 85. Julius Kirshner: From Usury to Public Finance: The Ecclesiastical Controversy over the Public Debts of Florence, Genoa and Venice (1300–1500). New York 1970. Vatican City, Bibliotca Apostolica Vaticana, Chigi. B. V. 86, fols., 72r–88r. Monteprandone, Biblioteca Comunale, 38bis, fols. 91r–100v. Description in Amedeo Crivelluci: I codici della libreria raccolta da S. Giacomo della Marca nel Convento di S. Maria delle Grazie presso Monteprandone. Livorno 1889, p. 70.
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title in V refers to Gregory as formerly (olim) the prior general of his Order.22 The colophon of V identifies him simply as „general” of his Order. Can we infer from such designations that the Questio was actually composed during his brief tenure as prior general between May 1357 and late 1358? The answer is yes, according to Chevenal, Lambertini, and Schabel.23 But given the well-known ambiguities associated with medieval attribution practices, one must proceed with caution in establishing the date of composition from the title and colophon of nonautographs, since it is reasonable to think that they were added to the text by a copyist or a fellow Augustinian subsequent to the author’s redaction. In his still-worthwhile survey of Riminese culture, Carlo Tonini claimed that Gregory produced the Questio in response to a request made by the Venetian Senate for spiritual guidance on the moral dilemmas attending the operations of the Monte Vecchio.24 Regrettably, the Riminese scholar neglected to provide evidence for his claim, which he may have made to further embellish the reputation of a local luminary. My own search, on the advice of Frederic C. Lane, in both published sources and the records housed in the Archivio di Stato of Venice (e. g. Senato Misti, Deliberazioni), for evidence that might corroborate that the Senate or another official body in Venice asked Gregory for advice on the morality of the Monte Vecchio’s operations, came up empty. Nevertheless, I hesitate to dismiss Tonini’s claim outright, since in the years 1356 and 1357 the Venetian Senate was preoccupied with theoretical and practical questions relating to high interest rates, pawn banks, illegal exchange, fraudulent manipulations of the silver market, contracts smacking of usury, and even the creation of a public bank.25 The Senate’s concern with usury makes it reasonable to suggest that Venetian authorities sought advice on the moral qualms of holders of prestiti from a renowned theologian passing through their midst in October 1358.26 Three arguments stand against this suggestion, however. First, it is seems far-fetched that Gregory’s reply, in the first instance, would have taken the form of a lengthy and convoluted 22
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F, fol. 201r: Questio prestitorum communis Venetiarum disputata per egregium sacre theologie magistrum fratrem Gregorium de Ariminio priorem generalem ordinis heremitarum sancti Augustini; V, fol. 72r: Tractatus de usuris acutssimi doctoris ac sacre theologie professoris magistri Gregorii de Ariminio, olim totius ordinis fratrum heremitarum sancti Augustini prioris generalis feliciter incipit. Cheneval: Die Rezeption der Monarchia Dantes (see note 12); Lambertini: L’economia e la sua etica (see note 12), pp. 105–106; id.: Il dibattito (see note 12), pp. 22–23; Schabel: Gregory of Rimini (see note 14) – who base their conclusion on the title in F. Carlo Tonini: La coltura letteraria e scientifica in Rimini dal secolo XIV ai primordi del XIX, vol. 1. Rimini 1884, p. 16. Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), pp. 141–142. Albericus de Meijer (ed.): Gregorii de Ariminio O. S. A. Registrum Generalatus (1357–1358). Roma 1976, pp. 348–361. In this connection, I wrote to de Meijer before the publication of Gregory of Rimini’s Registrum, inquiring whether there was any information in the Order’s archives on Gregory’s Questio and the alleged request from the Venetian Senate. In a letter dated 17 December 1974 sent from Utrecht, he replied: „I must tell you that I did not find any mention of this Tractatus or of usury in general. There is also no correspondence with the Venetian government, only some matter of interior interest relating to the Augustinian monastery at Venice, which he visited from 13–20 Oct. 1358.”
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academic questio disputata. Second, it also seems far-fetched that Gregory could have taken the time from his unceasing administrative and pastoral responsibilities to undertake the Questio. Third, there is slight evidence indicating that Venetian laypersons were afflicted by doubts over justifying their investments in prestiti. Needless to say, a positivistic approach is hardly the best way to gauge the moral qualms of persons living in the fourteenth century. As Mueller cautions, „It is difficult to assess the mentality of the men who operated in the money and financial markets of Venice or that of their clients – male and female; concerns that might readily be expressed in the private forum, confession, were only rarely aired publicly before a notary or magistrate.”27 True enough, but I imagine that had Venetian citizen-lenders harbored moral doubts about their Monte investments, traces of their doubts could not have been entirely concealed and would have been noted in the questiones disputate, tractatus, commentaria, and consilia devoted to the controversy. Another scenario is that members of Gregory’s Order – stirred by the controversy in Florence among Franciscan, Dominican, and Augustinian theologians over the morality of the Monte Comune that erupted around 1353–135428 – asked their leading theologian and reformer for spiritual direction in their dealings with Venetian citizens who received interest on compulsory loans and investors who voluntarily purchased prestiti at market prices. Perhaps Gregory acquired firsthand knowledge of the controversy in Florence during his visit to the city in September 1357.29 Yet not a shred of evidence exists, in either in the records of Gregory’s sojourn in Florence or the Questio itself, to confirm a connection between the controversy in Florence and Gregory’s work. It seems more tenable to me that the Questio originated as an oral disputation between 1347 and 1351, when Gregory as sacre theologie magister was teaching at the Augustinian studium ay Padua.30 Another work that began as a series of aca27
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Mueller: The Venetian Money Market (wie Anm 2), p. 574, and pp. 421–424 for „usury and cases of conscience”; see also Frederic Chapin Lane: Venice and History: The Collected Papers of Frederic C. Lane. Baltimore 1966, p. 64, who writes: „The Venetians certainly expressed a detestation of usury”, but „they developed a standard different from that of the ecclesiastical authorities – what might be called a businessman’s standard. Indeed, in the fourteenth century the Venetians applied a conception of usury much like that current today. It approved as nonusurious the payment on investment of a rate of return determined at least in theory by market conditions.” Julius Kirshner: Storm over the Monte Comune: Genesis of the Moral Controversy over the Public Debt of Florence, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 53 (1983), pp. 219–276; Lawrin Armstrong: The Politics of Usury in Trecento Florence: The Questio de monte of Francesco da Empoli, in: Mediaeval Studies 61 (1999), pp. 2–44. See the informative and insightful review essay of Nicola Lorenzo Barile: Il dibattito sul prestito a interesse negli ultimi trent’anni fra probabilisti e rigoristi. Un bilancio storiografico, in: Nuova rivista storica 92 (2008), pp. 835– 874. De Meijer: Registrum Generalatus (see note 26), pp. 12–16. On the progression from spoken to written word, see Jürgen Miethke: Die mittelalterlichen Universitäten und das gesprochene Wort, in: Historische Zeitschrift 251 (1990), pp. 1–44. There is an early, enigmatic reference to Gregory’s disputation in the commentary of the jurist Alberico da Rosciate of Bergamo († 1360): to Cod. 4. 32 (super rubrica), in: In primam Codicis
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demic disputations was the influential Questio de usuris of the Augustinian friar and theologian Gerard of Siena († ca. 1336).31 It is implausible that Gregory’s method of reasoning by means of argument and counter-argument could have been produced and enacted anywhere but in an academic setting. Padua, a major university town, close to Venice, and teeming with Venetian students and scholars, was a more natural setting for a disputation on the morality of the Monte Vecchio than the backwater Rimini. There is additionally a hint from a passage in the Questio itself pointing to the mid- to late 1340s as its originary date. The passage refers to the fact that prestiti were trading at a price above face value, which happened in 1344 when the price peaked at 102.32 By contrast, the price of prestiti during Gregory’s generalate (1357–1358) had fallen to 77 percent of face value. Accepting the scenario that I have proposed means that the Questio was produced at Padua (1347–1351), that is, about a decade before Gregory became prior, general and shortly before the erup-
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partem Commentaria. Venice, 1586, fol. 211rv: Si civitas cogat cives suos ad mutuandum propter aliquas necessitates civitatis et statuat eis pro hoc mutuo aliquid pro usuris, an sint licitae tales usurae. Audivi (Autdivi ED) quendam generalem magistrum eremitarum in quadam disputatione de quolibet determinare quod licitae erant. Et ad hoc facit, quia intentio et voluntas facit quem usurarium, ut extra, c. Consuluit (X 5. 19. 10). Cum igitur non sponte, sed coacti mutuent cives, non possunt dici proprie usurarii, quia etiam non paciscuntur de usuris sed civitas tamen ordinat mutuantibus; et postea obtinui de facto in collegio iudicium Bergomi, quibus commissa erat praedicta quaestio. I cannot address here the thorny questions raised by Alberico’s reference (in particular, the reference to quendam generalem magistrum eremitarum), although it should be pointed out that Alberico completed his commentary to Justinian’s Codex in 1345. For the date of completion, see Diego Quaglioni, „Tiranno” e „Tirannide” nel commento a C. 1, 2, 16 di Alberico da Rosciate (c. 1290–1360), in: Diego Quaglioni: „Civilis sapientia”: Dottrine giuridiche e dottrine politiche fra medioevo ed età moderna. Saggi per la storia del pensiero giuridico moderno. Rimini 1989, pp. 20–22. I find it improbable that Alberico had witnessed Gregory’s disputata. More likely, Alberico had lifted the reference from another author, as was his practice, and subsequently inserted it into his commentary. Another possibility is that the reference was originally a marginal notation added by someone else, which was later inserted into Alberico’s commentary. On Alberico’s method of compilation, see Andrea Romano: Le quaestiones disputatae nel Commentarium de statutis di Alberico da Rosciate, in: Aspetti dell’insegnamento giuridico nelle Università medievali, Bd. 4: Le quaestiones disputatae (Cultura giuridica dell’età medievale e moderna 1). Reggio Calabria 1975, pp. 45–224. For Alberico’s unattributed paraphrase of Gregory’s Augustinian predecessor, Giles of Rome’s De formatione corporis humani in utero, see Mario Conetti: Quando inizia la vita. Diritto, teologia e filosofia naturale in una quaestio di Alberico da Rosciate in tema di aborto, in: Chiara Crisciani/Roberto Lambertini/Romana Martorelli Vico (eds.): Parva naturalia. Saperi medievali, natura e vita (Atti dell’XI Convegno della Società italiana per lo studio del pensiero medievale, Macerata 7–9 dicembre 2001). Macerata/Pisa/Roma 2004, pp. 413– 415. Lawrin Armstrong: Law, Ethics and Economy: Gerard of Siena and Giovanni D’Andrea on Usury, in: Lawrin Armstrong/Ivana Elbl/Martin M. Elbl (eds.): Money, Markets and Trade in Late Medieval Europe: Essays in Honour of John H. A. Munro. Leiden/Boston 2007, p. 47; Langholm: Economics in the Medieval Schools (see note 10), pp. 549–560. Also Ceccarelli: „Whatever” Economics (see note 10) on the genre of quaestiones as a popular and productive method for the exploration of economic ethics. See note 43 for the passage in question; for the price of prestiti in 1344, Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), p. 461.
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tion of controversy over Florence’s Monte Comune in the early 1350s. It also follows that Gregory’s immediate and primary audience was composed of scholars and students rather than citizen-lenders, investors, or public officials in Venice. The reference to Gregory as prior general was probably added to copies of the Questio after Gregory’s death and should be construed as a reflexive act of deference reminding readers of the author’s commanding stature within the Order. Gregory opened the Questio with a succinct description of Venetian government loans: The commune of Venice, whenever it needs money, requires certain of its citizens and demands of them that they lend it a certain amount of money, even compelling those who refuse to do this. Having received such loans, which in Venice are called prestita in common parlance, the commune gives lenders five ducats per annum for each hundred lent, which is not counted against the principal (of the loan). Furthermore, it regularly comes to pass that those, who have lent to the commune, sell to other citizens those prestita or rights that they have against the community because of the monies they lent. Afterward, the commune gives the buyers of prestita 5 percent per annum for the amount lent, just as it gave the original creditors.33
For Gregory, two questions necessarily arose from these operations. First, whether the original creditors could lawfully receive the 5 percent in addition to the principal (quinque preter sortem), or whether it was usury for the original creditors to receive anything beyond the principal (utrum potius usura sit quod sic recipitur ultra sortem).34 The second question was whether other citizens could lawfully purchase prestiti from the original lenders, and correspondingly whether the purchasers or secondary creditors could receive profit (lucrum) from the community.35 33
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Thema questionum sequentium istud est: Commune Venetiarum, indigens quandoque pecunia, requirit ab aliquibus civium suorum et ab eis exigit ut mutuent ei aliquam pecunie quantitatem, compellens etiam eos qui hoc facere detractarent. Acceptis talibus mutuis, que ibi vulgariter prestita nuncupantur, dat commune predictum mutuantibus quinque ducatos pro centum mutuatis annuatim non computandos in sortem. Insuper contingit frequenter quod isti qui mutuaverunt communi vendunt aliis civibus prestita ista sive ius quod habent super communitatem pro talibus pecuniis mutuatis, quorum (quarum F) emptoribus deinde prestitum idem etiam annuatim dat quinque pro centum mutuatis sicut dabat creditoribus primis; F, fol. 201r; V, fol. 72r. Note that in this passage Gregory used commune, „which here refers to a republican citystate”, and communitas, „a civil community constituted by the city”, as synonyms. See Jeannine Quillet: Community, Counsel and Representation, in: James Henderson Burns (ed.): The Cambridge History of Medieval Political Thought, c. 350–c. 1450. Cambridge 1988, pp. 520– 572, at p. 526 for the quote. In terms of usage, Gregory clearly preferred communitas over commune, because communitas had an Aristotelian pedigree and was associated with the common good, the ideal by which Gregory judged the morality of both the Venetian government and citizen-lenders. In my translations and paraphrases of Gregory’s texts, I have strictly adhered to Gregory’s usage. Where he wrote commune, so do I, and likewise for communitas. On the varied meanings of „community” and „commune”, and „communia”, see the classic work of Pierre Michaud-Quantin: Universitas: Expressions du mouvement communautaire dans le Moyen-Âge latin. Paris 1970, pp. 147–166. For a supercomprehensive bibliography of the scholarship on usury in the Middle Ages, see Nicola Lorenzo Barile: Credito, usura, prestito a interesse, in: Reti Medievali – Rivista, XI – 2010, 1, URL: . F, fol. 201r; V, fol. 72r: Super hoc proposite sunt due questiones. Prima, utrum primi creditores, scilicet qui mutuaverunt, licite percipiant predictam quantitatem, videlicet quinque preter sor-
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Following the traditional pro et contra format of the questio disputata, Gregory began with a series of affirmative arguments justifying the payment and receipt of the 5 percent and sales of prestiti – arguments that he would inevitably dismantle. Who originated these affirmative arguments? Gregory did not attribute them to another master or jurist; indeed, there is no mention in the Questio of other authorities who dealt with the liceity of interest-bearing government loans and the secondary market. The arguments Gregory presented had no specific antecedents in the works of his Augustinian predecessors Giles of Rome († 1316), Henry of Freimar († 1340), and Gerard of Siena, although there are echoes here and there of their disputatious voices. It was fairly common in a questio disputata for the master himself to fashion hypothetical affirmative arguments. It is possible, of course, that Gregory employed this conventional procedure. Yet the affirmative arguments that he reported referred to specific Venetian circumstances based on local knowledge which, together with inconsistent and even contradictory terminology, suggest that Gregory drew on several different sources, written as well as oral, for the opening of his Questio. A standard argument in favor of liceity was the absence of an explicit agreement on the part of the commune to give the five percent (lucrum) in return for loans from its citizens. The community, it is said, gives the 5 percent unilaterally and of its own accord, while its lenders accept it without ever demanding and hoping for anything in return.36 The 5 percent is thus inferentially a gift. It follows from this premise that the acts of giving and receiving the 5 percent are in conformity with the biblically rooted injunction (Luke 6:35) that „whoever lends to an individual person without hope of profit can licitly receive something in addition to the principal (of a loan), if the latter offers it freely.”37 Another argument was that the 5 percent should be understood as legitimate indemnification for the profit citizens might have made had they not been prevented by the forced loans from investing their own money in morally permissible commercial ventures. The recoverability of such profit forgone (lucrum cessans), which was distinguished from direct harm and actual loss (damnum datum, damnum emergens) and which was to be calculated from the beginning of the loan, was examined in the second half of the thirteenth century by the canonists Raymond of Pennafort († 1275), the compiler of the Decretals of Gregory IX (Liber extra), and Pope Innocent IV (1243–1254). Recoverability was approved by Hostiensis († 1271) but later vehemently denied by Johannes Andreae († 1348), the foremost canonist of the first half of the fourteenth century, for sanctioning a „highway to usury”. Theologians were also divided. The Dominican Thomas Aquinas († 1275) and Franciscans Mon-
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tem, vel potius usura sit quod sic recipitur ultra soretm. Secunda est, utrum ab ipsis mutuantibus alii dicta prestita licite emant et consequenter etiam simile lucrum ab eadem communiatate recipiant. F, fol. 201r; V, fol. 72rv: Pro prima questione arguebatur primo, licitum est cuilibet recipere quod ei (eis F) gratis datur ab eo qui dare potest. Sed commune predictum gratis dat tale lucrum ipsius mutuantibus, nulla videlicet pactione intercedente, hinc inde nulla etiam promissione ex parte communis nullaque petitione vel exactione huiusmodi (huius F) lucri ex parte mutantium accedente, ergo et cetera. F, fol. 201r; V, fol. 72v: Tertio, quicumque sine spe lucri mutuat singulari persone licite aliquid recepit ultra sortem si illud tribuat gratis.
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aldus of Capodistria († ca. 1280) and Alexander of Alessandria, among others, rejected lucrum cessans as an „extrinsic title” to compensation, while Franciscans Peter John Olivi and Duns Scotus († 1308) gave it qualified approval, as did the Augustinian Henry of Freimar.38 To return to the affirmative arguments in Gregory’s Questio, the estimation of lucrum cessans was to be entrusted to the discretionary judgment of a third party or the arbitrum boni viri.39 The bonus vir presumably referred to an upright and trustworthy man with business experience. The workability of the procedure was left unexplained. Who would appoint the bonus vir? What factors would be used to determine an equitable and reasonable amount of lucrum cessans? Was the arbitrium boni viri subject to a deadline? Was the arbitrium boni viri binding? Could the parties challenge the arbitrium boni viri as inequitable, and if so, what were the consequences of such a challenge?40 None of these hypothetical yet relevant questions were raised, let alone answered. Furthermore, indemnification was due citizen-lenders who, deprived of the money they were forced to lend, were prevented 38
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On lucrum cessans, see Hermann Lange: Schadensersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie. München 1955, pp. 32–45; Terrence P. McLaughlin: The Teaching of the Canonists on Usury (XII, XIII and XIV Centuries), in: Mediaeval Studies 1 (1939), pp. 144– 147; Noonan: The Scholastic Analysis of Usury (see note 18), pp. 113–121; Julius Kirshner/ Kimberly Lo Prete: Peter John Olivi’s Treatises on Contracts of Sale, Usury and Restitution: Minorite Economics or Minor Works?, in: Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno 13 (1984), pp. 270–77; Amleto Spicciani: Capitale e interesse tra mercatura e povertà nei teologi e canonisti nei secoli dei secoli XIII–XV. Rom 1990, pp. 27–48; Langholm: Economics in the Medieval Schools (see note 10), s. v. lucrum cessans; Ceccarelli: „Whatever” Economics (see note 10), pp. 495–496; id.: Usura e casistica creditizia nella Summa astesana un esempio di sintesi delle concezioni etico-economice francescane, in: Barbara Molina/Giulia Scarcia (eds.): Ideologia del credito fra Tre e Quattrocento: dall’Astesano ad Angelo da Chivasso (Collana del Centro Studi sui Lombardi e sul Credito nel Medioevo 3). Asti 2001, p. 28; Lawrin Armstrong: Usury and Public Debt in Early Renaissance Florence: Lorenzo Ridolfi on the Monte Comune (Pontifical Institute of Mediaeval Studies, Studies and Texts 144). Toronto 2003, pp. 63–65. F, fol. 201r; V, fol. 72v: Secundo, licitum est contrahentibus ut se servent indemnes, ergo licitum est istis mutantibus recipere tale lucrum. Probatur consequentia, quia cum ipsi propter talem mutuationem impediantur a negotiando cum pecunia sua, et per consequens defraudetur a lucro quod acquirere potuissent, nisi in huiusmodi (huius F) recompensatione aliquid a commune reciperent, immo tantum quantum secundum arbitrium boni viri estimari potest potuisse illis lucrum provenire, necquaquam servarentur (servarent F) indemnes. On arbitrium boni viri in Roman law, see Derek Roebuck/Bruno de Loynes de Fumichon: Roman Arbitration. Oxford 2004, pp. 46–66; in the ius commune, see Luciano Martone: Arbiter-arbitrator: forme di giustizia privata nell’età del diritto comune. Napoli 1984, pp. 63 ss.; with regard to estimating the just price, see John Baldwin: The Medieval Theories of the Just Price: Romanists, Canonists, and Theologians in the Twelfth and Thirteenth Centuries (Transactions of the American Philosophical Society, new ser., 5, Vol. 49, Pt. 4). Philadelphia 1959, pp. 27–28. See also the pertinent observations of Giorgio Bernini: Domestic and International Arbitration in Italy after the Legislative Reform, in: Pace Law Review 5 (1985), pp. 543–562. For an instructive example of how an arbitrium boni viri in mid-Trecento Venice came to be derailed, see Jürgen Schulz: The Houses of the Dandolo: A family Compound in Medieval Venice, in: Architectural history: Journal of the Society of Architectural Historians of Great Britain 52 (1993), pp. 391–415, at pp. 404–405.
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from acquiring a house or other properties they were planning to purchase. Consequently, they had to forgo the rents they could have earned from these properties, which were said to be equal to or higher than the 5 percent yield on prestiti.41 The actuality of higher yields in mid-Trecento Venice from alternative investments has been confirmed by Luzzatto and Mueller.42 The affirmative arguments sanctioning purchases of prestiti were abbreviated: „In support of the second question, it was argued thus: the first contract is lawful, as was proved, therefore, etc. Second, it is lawful to buy that from which the buyer can suffer loss as well as earn profit, just as in the example of buying prestiti, because sometimes a 100 is worth 90 and no more, sometimes in truth more than 100, therefore, etc.”43 The argument may have been imported from another source, for it contradicts the assertion made earlier that no legally enforceable agreement existed between the community and original lenders, either for the recovery of principal or the payment of the 5 percent. The passage quoted above bears a resemblance to the rationale put forward by the Franciscan theologian Astesanus († ca 1330) in defending the market in Genoese luoghi. He advised that if the seller had just title to a possession, he could sell his right to it. The purchase price could be equal to the original value of the thing sold or it could be more or less.44 This argument, in turn, most likely originated in the interpretations constructed around the decretal Naviganti (X 5. 19. 19) – namely, that such contracts of sale were licit on the part of both the seller and the purchaser when there was reasonable doubt about the future value of the thing sold. The purchaser’s potential profits were viewed as lawful indemnification for undertaking the risk of loss.45 Scholars have characterized Gregory’s own answers to these questions in contrasting ways. Although his familiarity with Gregory’s arguments is based on references to the Questio by later theologians and jurists, Noonan, the historian of the scholastic prohibition against usury, places Gregory among the forceful opponents 41
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F, fol. 210r; V, fol. 72v: Preterea, potuissent ipsi creditores de pecunia quam mutuaverunt emere unam domum vel unam possessionem de cuius fructu annuatim tantum vel plus habuissent quam det eis commune. Et pono quod isti, quando mutuaverunt, volebant talem emptionem facere, sed cogente communitate ad mutuandum, destiterunt et omnes damnum incurrent nisi communitas ei recompenset dando annuatim ultra sortem tantumdem. Unde saltem quantum ad eos qui erant in proposito sic emendi, nullo modo videtur illicita talis receptio lucri, cum nec inter personas singulares illud sit illicitum, ut dicunt doctores. On rates of interest and yields on commercial investments in mid-Trecento Venice, see Gino Luzzatto: Tasso d’interesse e usura a Venezia nei secoli XIII–XV, in: Miscellanea in onore di Roberto Cessi. Roma 1958, pp. 191–202; Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), pp. 397–398, 635–636. F, fol. 201v; V, fol. 73r: Pro secunda questione arguebatur sic: primus contractus est licitus, igitur et cetera, ut probatum est, igitur et cetera. Secundo, licitum est emere illud unde emens potest ita dampnum sicut lucrum recipere; sicut est in comparatione huiusmodi (huius F) prestitorum, quia aliquando centum valent nonaginta et non plus, aliquando vero ultra centum, igitur et cetera. Kirshner: From Usury to Public Finance (see note 19), pp. 173–174. Noonan: The Scholastic Analysis of Usury (see note 18), pp. 90–95; Sylvain Piron: Le traitement de l’incertitude commerciale dans la scolastique médiévale, in: Journal électronique d’histoire des probabilités et de la statisque 3 (2007), pp. 3–31 (www.jehps.net).
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of interest-bearing government loans.46 Noonan’s view is shared by Spicciani, the editor of Peter John Olivi’s Tractatus de emptione et venditione,47 who, however, situates Gregory’s views on usury in the context of the debates at the time. Armstrong, the editor of Lorenzo Ridolfi’s Tractatus de usuris, concurs that Gregory’s stinging arguments made it exceedingly difficult for citizens who accepted the 5 percent interest and purchased prestiti to evade the stigma of usury.48 In dissent, Dolcini concludes that Gregory’s position was ultimately flexible. By opening an affirmative moral space for Venetian government loans, Gregory deserves to be remembered for vindicating innovative public financial activities in this period.49 Unaware of Dolcini’s positive evaluation, Langholm remarks that Gregory „adopted a rather critical attitude” to the market in prestiti, in comparison to the more accommodating later scholastics, the Florentine lay canonist and statesman Lorenzo Ridolfi († 1443), Bernardino of Siena, and the Dominican theologian Antonino of Florence († 1459). For Langholm, Gregory’s Questio represents „an important contribution to scholastic economics” in offering a synthesis of the original ideas formulated by his Augustinian predecessors, Henry of Freimar and Gerard of Siena.50 Last but not least, Lambertini has endorsed and added nuance and flesh to Dolcini’s evaluation of Gregory’s economic ethics.51 He makes the valuable point that instead of concentrating on Gregory’s originality, we should plumb the theoretical depth of Gregory’s sometimes unconventional arguments, which allowed a diversity of interpretations and served to shape the controversy over government debt well into the early modern period. I agree wholeheartedly with his generic approach, which can be applied to other contributions to the controversy. Yet this raises the inevitable question of what are the specific themes in Gregory’s Questio that should command our attention? Lambertini highlights three key themes.
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Noonan: The Scholastic Analysis of Usury (see note 18), p. 122. Spicciani: Capitale e interesse (see note 38), pp. 41–44. Armstrong: Usury and Public Debt (see note 38), pp. 68–70, 89–90. Dolcini: Nota sul De usuris (see note 15), pp. 247–248: „Questo tentativo di giustificazione delle operazioni finanziarie di Venezia approda a una risposta positiva e consente di situare Gregorio da Rimini fra gli autori favorevoli all’attività del prestito pubblico, in completa antitesi con il parere odierno di uno specialista come John T. Noonan (…).” Langholm: Economics in the Medieval Schools (see note 10), pp. 560–563. Langholm’s discussion is marred by anachronisms. He refers to prestiti as „bonds”, as if they were physical objects with attached coupons for collecting interest, which was not the case. By referring to prestiti as bonds, Langholm unwittingly implies that a formal contract existed between the Venetian government and its creditors to repay borrowed money with interest at fixed intervals. There was no such contract; and Gregory was at pains to point out the absence of an open agreement (etiam si nulla pactio exterius intercedat) between the government and citizen-lenders (F, fol. 207v). Langholm says „these bonds were negotiable”, when, technically, they were transferred from one party to another by assignment. He says that „bonds were bought and sold at considerable discount”, which, in Venice, happened in 1378–1381, long after Gregory composed his Questio. Finally, he refers to „private montes”, but gives no indication of where and when they supposedly functioned. For what follows: Lambertini: L’economia e la sua etica (see note 12), pp. 115–126; id.: Il dibattito (see note 12), pp. 30–38.
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First of all, Gregory’s definition of usury as profit intended from a loan (usura est lucrum ex mutuo intentum),52 accenting Augustinian interiority, means that in the final analysis it was up to the lenders and purchasers themselves to determine in good conscience whether they had acted without intention to profit from their activities, and if they believed such was the case, they were free from the mortal sin of usury and the concomitant obligation to restore their gains. Second, Gregory’s critique evinces an appreciation of the civic solidarity and Christian communitarian values connecting citizens to their civitas. Third, Gregory’s analysis of the so-called extrinsic title lucrum cessans, which permitted compensation for the profits forgone by enterprising Venetian businessman forced to lend their working capital, reveals a heightened mendicant appreciation of the commercial world and market economy of his day. My own views on Gregory’s conception of Venice’s Monte Vecchio, on the consequences of making intention to profit from a loan the chief criterion for judging whether interest-bearing government loans were usurious, and on Gregory’s grasp of the contemporaneous market economy are at odds with Lambertini’s. To begin with, in comparison with ius commune jurists and Franciscan and Dominican theologians, Gregory assumed, rather than examined, the authority of city-states to force their citizens to lend to the government. We know from the studies of Paul Kehl, Ugo Nicolini, Ernst Kantorowicz, Gaines Post, and Eberhard Isenmann that ius commune jurists and theologians sanctioned the prerogatives of citystates to force their citizens to make loans on grounds of necessity and the public good (ad publicam utilitatem).53 The Franciscan theologian Francesco da Empoli († 1370), an apologist of the operations of Florence’s Monte Comune, went so far as to propose that the Florentine government had the authority unilaterally to enact laws to defer the repayment of its compulsory loans, not to repay anything, or even to repeal specific laws guaranteeing the rights of its creditors – in particular, the solemn guarantee that the government would not confiscate the claims (iura) of citizen-lenders.54
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F, fol. 202r; V, fol. 74r, where he cited Augustine’s definition of usury: Augustine: Ennaratio in Psalmum 36, Sermo 3, 6 (PL 36, 386), which was recycled in: Decretum Gratiani (C. 14 q. 3 c.1): Si plus quam dedisti expectes accipere, fenerator es. Paul Kehl: Die Steuer in der Lehre der Theologen des Mittelalters. Berlin 1927; Ugo Nicolini: La proprietà, il principe e l’espropriazione per pubblica utilità. Mailand 1952, pp. 219 ff; Gaines Post: Studies in Medieval Legal Thought. Public Law and the State, 1100–1322. Princeton 1964, pp. 14 ss.; Emanuele Conte: Diritto romano e fiscalità imperiale nel XII secolo, in: Bullettino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo 106 (2004), pp. 169–206, at pp. 191– 198. For an informative overview, see Eberhard Isenmann: Medieval and Renaissance Theories of State Finance (see note 18), pp. 21–52, and id.: The notion of the Common Good, the Concept of Politics, and Practical Policies in Late Medieval and Early Modern German Cities, in: Elodie Lecuppre-Desjardin/Anne-Laure Van Bruaene (eds.): De Bono Communi: The Discourse and Practice of the Common Good in the European City (13th-16th c.)/Discours et pratique du bien commun dans les villes d´Europe (XIIIe au XVIe siècle) (Studies in European Urban History [1100–1800] 22). Turnhout 2010, pp. 107–148. Armstrong: The Politics of Usury (see note 28), p. 10, 34.
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Francesco’s apology was adopted and reinforced by Ridolfi in his Tractatus de usuris, which was completed in 1404 and printed in Venice in 1584. Ridolfi was also indebted to Baldo degli Ubaldi († 1400) for the idea that prestanze were not exactly loans, but subventions to the city, necessary extraordinary levies (collectae necessariae) that the city was under no obligation to repay, as an ordinary debtor would be.55 Fast-forward to the early sixteenth century, when Francesco Guicciardini and other Florentine jurists denied that cities like Florence and Venice could be compelled to repay the funds raised through government loans.56 The legion of jurists and theologians, who shared these proto-Schmittian views, came close to conceiving the Monti of Florence and Venice as de facto „sovereign debts” and the two city-states as supreme authorities immune from the conventional penalties facing defaulting private debtors. Gregory neglected to address the legal foundations and political legitimacy of the Monte Vecchio and its operations. He merely alluded to a current but maddeningly vague belief that the papacy had authorized the Venetians to „lend and receive”, because of the particular condition of their community.57 Citing the decretal Consuluit (X 5. 19. 10), issued by Pope Urban III., Gregory countered that the belief in a papally sanctioned Monte Vecchio was unfounded and little more than ignorant wishful thinking, for the pope had roundly condemned all hope of profit through lending.58 What, then, explains Gregory’s indifference to making an argument for or against the very existence and necessity of the Monte Vecchio? The instant reason that comes to mind was the sociopolitical consensus underpinning the Monte Vecchio, an institution that had existed from time immemorial and on which the welfare of the city and its citizens vitally depended. Gregory himself reported that one of the moral justifications of investments in prestiti was that „the community for a good purpose (bonum finem) – that is, for the sustenance of widows and orphans who can neither engage in business by overseas trade (navigando negotiari), nor buy properties from which they could derive income (fructum), […] has arranged for them to receive yearly profits.”59 In 1353, the government had in fact ordered 55
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Baldus: to l. Cunctos populos (Cod. 1. 1. 1), Commentaria omnia, Vol. 5, Venice 1599 (ND Goldbach), 2004, fol. 6v, nn. 34–35: Quod prestatio, que fit Florentie habentibus pecuniam in monte, sit licita, quia est inducta favore communtatis, nec solvere cogatur creditoribus sortem: nam illud non proprie est mutuum, cum reddi non debeat, sed est quedam subventio in communi et quedam collecta necessaria. Archivio di Stato, Florence, Carte Strozziane, ser. III, 41, 9, fols. 451r–470r, fol. 462r : […] et doctores, in diversis locis, ubi locuntur de inprestitis montis Florentie et Venetiarum de quibus cives recipiunt annuatim certum quid: nec capitale eorum repetere, quia non restituitur nisi ad libitum communitatis. F, fol. 201v; V, fols. 72v–73r: Sexto, non est dicendum illicitum quod est a papa concessum. Sed, ut proponens dicebat, taliter mutuare et recipere est concessum Venetiis a papa propter conditionem et statum (statutum ex statum corr. F) illius communitatis. F, fol. 211v; V, fol. 87v: Ad sextum dico quod nec credo a papa esse concessum Venetiis ut sic pro lucro mutuent communitati sue, quia non est dubium eum non ignorare tale mutuum esse usurarium, sicut expresse patet, de usuris, c. Consuluit, et super tali crimine non posse dispensare, eodem titulo (cum eo titulo FV), Super eo (X 5. 19. 4) (…). F, fol. 201rv; V, fol. 72v: Quinto, quia dictum commune propter bonum finem – videlicet prop-
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the Procurators of San Marco to convert into prestiti all the real estate that they administered on behalf of pious trusts, which took about one and one-half years.60 After Venice’s third war with Genoa, concluded in 1355, the assessed value of the patrimonies of citizens forced to make government loans fell by 15 percent, while market prices of prestiti fell to 77 from 98 percent of face value.61 Yet the erosion in market prices did not lead to the erosion of the longstanding sociopolitical consensus legitimizing the Monte Vecchio.62 The contrast between Venice and conflict-riven Florence is telling. From the very inception of the Monte Comune in the 1340s, its political legitimacy and morality were contested, with the workers in Florence’s woolen industry (Ciompi) demanding, unsuccessfully, its elimination.63 Gregory’s passive reflection of Venice’s sociopolitical consensus and his deafening silence about the sociopolitical imperatives driving Venetian public finance are striking in comparison to the overt denunciations of Dominican and Augustinian theologians in Florence, who contended that far from securing the community’s general welfare, the Monte Comune buttressed the greed and power of the city’s ruling citizens. That said, and in fairness to Gregory, it cannot be stressed too strongly that he was an explicit and insistent critic of the Monte Vecchio. Far from representing „an important contribution to scholastic economics”64, Gregory’s Questio should be viewed, first and foremost, as a work of moral theology grounded in Scripture, Aristotle, Augustine, Ambrose, papal decretals, canon law maxims (regulae iuris), and the Glossa ordinaria to the Decretals of Gregory IX (Liber extra) compiled by Bernardo Bottoni of Parma (1266).65 It was equally grounded in several fundamen-
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ter substentationem viduarum et orphanorum qui non possunt navigando negotiari nec possessiones emere ex quibus possint fructum recipere, cum in illa communitate non sint – ordinavit huius prestita in annualia lucra ipsorum. Reinhold C. Mueller: The Procurators of San Marco in the Thirteenth and Fourteenth Centuries: A Study of the Office as a Financial and Trust Institution, in: Studi Veneziani 13 (1977), pp. 105–220, at pp. 196 ss. See also Linda Guzzetti: Venezianische Vermächtnisse: die soziale und wirtschaftliche Situation von Frauen im Spiegel spätmittelalterlicher Testamente. Stuttgart 1988, pp. 98–101. For a similar a pattern in Genoa, see Yoko Kamenaga Anzai: Attitudes toward Public Debt in Medieval Genoa: the Lomellini Family, in: Journal of Medieval History 29 (2003), pp. 239–263, at pp. 261–263; in Florence, see Kirshner: From Usury to Public Finance (see note 19), p. 32; Ders: Storm over the Monte Comune (see note 28), pp. 232–233. Mueller: The Venetian Money Market (see note 2), pp. 140–141. The confidence of lenders and investors was also buoyed by the five percent interest that continued to be paid with „perfect regularity”. Ibidem, p. 141. Kirshner: Storm over the Monte Comune (see note 28), pp. 250–251; Kirshner: Ubi est ille? Franco Sacchetti on the Monte Comune of Florence, in: Speculum 59 (1984), pp. 556–584; Roberto Barducci: Le riforme finanziarie nel Tumulto dei Ciompi, in: Il Tumulto dei Ciompi. Un momento di storia fiorentina ed europea. Convegno international di studi (Firenze, 16–19 settembre 1979). Firenze 1981, pp. 95–102. Langholm: Economics in the Medieval Schools (see note 10), p. 560. On Gregory’s auctoritates, see Damasus Trapp: Augustinian Theology of the Fourteenth Century. Notes on Editions, Marginalia, Opinions and Booklore, in: Augustiniana 6 (1956), pp. 146–274, at p. 181; John W. O’Malley: A Note on Gregory of Rimini: Church, Scripture, Tradition, in: Augustinianum 5 (1965), pp. 365–378. Note the absence in Gregory’s Questio of references to Roman law and civil law jurists.
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tal working assumptions, such as that one’s personal welfare should be subordinated to the greater common good; it is easy to slide down the slippery slope of sin but difficult to act correctly in conformity with the dictates of right reason, while good intentions are no guarantee of good decisions;66 and ignorance, which is not-knowing what one should know, „is the mother of all errors”67. These assumptions, combined with the above authorities, provided the basis for Gregory’s condemnation of the operations of the Monte Vecchio, which he considered prima facie to be infested with the mortal sin of usury. How did Gregory’s definition of usury as profit intended from a loan (usura est lucrum ex mutuo intentum), which is intertwined with the notion of conscience as a mediated source of knowledge for moral judgments,68 apply to the Monte Vecchio? Suppose the community gives 5 percent per annum in return for a loan, though citizen-lenders have no way of knowing that they will actually receive the interest, because the promise is not made by way of a transparently formal agreement (nulla pactio exterius intercedat). If citizen-lenders nonetheless expect to receive the 5 percent, the logical inference is that „they lent to make a profit”69. As all such profit is usury, citizen-lenders sin mortally and must make restitution of their illicit profits to the community. Those who can but do not make restitution are in mortal sin.70 Gregory drew on the rational ethics of Aristotle and the moral theology of Augustine for the precept that the love of the common good and common interest rank before one’s own, and the corollary that committing a sin against the community is especially grave: „It would seem that one sins more in lending upon usury (fenerando) to a community than in lending to an individual, since the good of the people and the city is much better and more divine, as the Philosopher states in the first book of the Ethics; and as Augustine states, the common good takes precedence over the individual good, the individual good yields to the common good.” All other 66
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Bermon: L’assentiment (see note 11), pp. 217–220; Onorato Grassi: Gregorio da Rimini e l’Agostinismo tardo medievale, in: Gregorio da Rimini filosofo (see note 11), p. 91; and Isabelle Mandrella´s Einleitung zu Gregor von Rimini: Moralisches Handeln und rechte Vernunft: Lectura super secundum Sententiarum, distinctiones 34–37 = Kommentar zu den Distinktionen 34–37 des zweiten Sentenzenbuches: Lateinisch-Deutsch (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 22). Freiburg i. B. 2010, pp. 15–38. Saak: High Way to Heaven (see note 11), p. 331. On conscience as both innate and informed and thus a mediated source of knowledge, see Manfred Svensson: Augustine on Moral Conscience, in: The Heythtrop Journal 48 (2010), pp. 1–13; Pierre Michaud-Quantin: La conscience individuelle et ses droits chez les moralistes de la fin du Moyen-Âge, in: Paul Wilpert (ed.): Universalismus und Particularismus im Mittelalter. Berlin 1968, pp. 43–56. The Questio makes clear that Gregory did not share the Enlightenment notion of the autonomous self as a source of knowledge. F, fol. 207v; V, fol. 82v: Dicendum ergo quod huiusmodi mutuantes et recipientes tale lucrum vel aliquam habent intentionem lucri, scilicet quia vel cum mutuant, mutuant propter lucrum percipiendum, vel cum lucrum recipiunt, recipiunt illud propter mutuum prius factum, vel neutro modo habent lucri intentionem. F, fol. 207v; V, fols. 82v–83r: Ex hoc ulterius sequitur quod sic mutuantes et recipientes sunt usurarii et peccant mortaliter et tenentur ad restitutionem omnis talis lucri percepti; et qui possunt nec restituunt sunt in peccato mortali.
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things being equal, „everyone has a greater obligation to lend without recompense and provide help to the community than to an individual”71. Citizens, who know or believe from the outset that the government will pay the 5 percent in return for the loans they were forced to make, Gregory continued, are patently usurers and must make restitution. But what if citizens arrive at knowledge or belief of the community’s intentions after they have made the loans? Does subsequent knowledge or belief provide lenders with an acceptable after-the-fact rationale, relieving them of the obligation to make restitution? Absolutely not, Gregory replied, „for since the community still gives the 5 percent because of the loan only and would not have given it otherwise, the profit is not acquired by the recipients lawfully”72. Now suppose that the community does not plan to give the 5 percent in return for the loans, yet citizen-lenders persist in believing that the 5 percent is in fact given in consideration for lending. Without doubt, they sin, for by not returning the 5 percent when they can, they wish and desire to retain what is not theirs.73 Suppose, again, that citizen-lenders do not acquire knowledge of the government’s intentions either before, at the time, or later. Does their willful ignorance serve to justify receipt of the 5 percent? Gregory was incredulous that citizen-lenders could be blind to the intentions of the community, indications of which are discernable though its decrees, laws, and announcements offering incentives to lenders. „I do not judge those people innocent,” Gregory maintained, „who, although they could, refuse to take notice of or inquire into the community’s intentions, for affected ignorance is no excuse”74. 71
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F, fol. 208r; V, fol. 83r: Quin etiam magis peccare videtur quis fenerando communitati quam fenerando persone singulari, quia cum bonum gentis et civitatis sit melius et divinius, ut Philosophus primo Ethicorum; et ut dicit Augustinus, ‘caritas enim, de qua scriptum est quod ‘non querat quae sua sunt’, sic intelligitur, quia communia propriis, non propria communibus anteponit.’ Magis diligi debet bonum communitatis quam persone singularis, et per consequens magis tenetur quis gratis mutuare et benefacere communitati, ceteris paribus, quam persone singulari. See Aristotle: Ethica Nicomachea, I, 2, 1094b7–10. Augustine: Praeceptum, in: George Lawless: Augustine of Hippo and his Monastic Rule. Oxford 1987, pp. 94–95. Gregory’s vision, via Augustine, was animated by the biblical injunction: caritas non quaerit quae sua sunt (1 Corinthians 13, 5). For what Matthew S. Kempshall calls „the intellectual context for the scholastic analysis of the common good,” see Matthew S. Kempshall: The Common Good in Late Medieval Political Thought. Oxford et al. 1999. See also Mary M. Keys: Aquinas, Aristotle, and the Promise of the Common Good. Cambridge 2006. F, fol. 208r; V, fol. 83v: Et si tunc non (non om. F) habent huiusmodi scientiam (pretium F) vel credulitatem, habent tamen postea in successu temporis, etiam ad restituendum prius habitum obligantur. Nam ex quo propter mutuum communitatis dedit, alias non datura, non est iuste acquisitum recipientibus. F, fol. 208r; V, fol. 83v: Quin etiam dico quod si communitas non propter mutuum dedisset et tamen isti putarent eam dedisse propter mutuum, procul dubio peccarent non restituendo si possent: nam sic putando et tamen retinendo utique (utrumque F) volunt retinere alienum, quod velle utique peccatum est. F, fol. 208r; V, fol. 83v: Sed quid si nec ante nec tunc nec postea talem habent scientiam vel credulitatem de intentione communitatis? Dicendum quod si ex aliquibus indiciis potest eis innotescere intentio communitatis, ut forte ex eo quod non nisi mutuantibus dari statuit tale lucrum, et plus mutuantibus plus dari, non obstante quod multi alii cives (alii cives multi F) alia similia vel maiora beneficia contulerunt communitati (civitati F) et propter virtutes eorum
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For argument’s sake, assume that the community gives the 5 percent for some honest and justifiable reason, such as compensation for damages (restaurationem dampni), citizens may have suffered because of the forced loans, or as a reward (remunerationem benivolentie) for the lender’s gratuitous goodwill, or from the sheer generosity of a grateful community (ex mera liberalitate ipsius communitatis).75 Gregory adamantly denied that these are the true reasons for which the community gives the 5 percent. The community is bound by law to compensate lenders for the damages inflicted by its forced loans. While Gregory did not exemplify the nature of such damages, in a later passage he referred to Aristotle’s definition of loss as the decrease of what one originally possessed in a voluntary exchange.76 Specifically, in a late medieval setting like fourteenth-century Venice, I take damages to refer to the fact that Venetian lenders were involuntarily deprived of their funds, thus preventing their use for other legitimate purposes, such as household and personal expenses, dowries, and pious bequests. Compensating lenders for pecuniary damage is likened to the indemnification of a guarantor (fideiussor), who has discharged his obligations in covering the bad debts of his client.77 How much compensation should the government pay? The revolution in the public finances of Venice and Florence was the transformation of a floating debt into a funded debt with a uniform and permanent rate of interest. Gregory denounced this policy, contending that while lenders do undeniably suffer damages, they suffer differentially. If lenders were truly compensated for the damages they actually sustained, they would be paid on a sliding scale, some more, some less.78 Gregory’s denunciation was premised on the Aristotelian principle that indemnification should signify a rectification
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et indigentiam eque vel magis merentur beneficia communitatis percipere, vel ex aliquibus aliis probabilibus argumentis; qui cum possent nolunt advertere vel inquirere, non extimo eos innoxios, cum ignorantia affectata non excuset. On „affected ignorance”, see Stephan Kuttner: Kanonistische Schuldlehre von Gratian bis auf die Dekretalen Gregors IX. Systematisch auf Grund der handschriftlichen Quellen dargestellt (Studi e testi 64). Città del Vaticano 1935, pp. 141–151. F, fol. 208v; V, fols. 83v–84r: Demum si nec in recipientibus ulla esset intentio lucri neque propter (per F) mutuum (mutuum om. F) lucrum dat ipsa communitas sed aliqua alia causa honesta et rationabili, utpote propter restaurationem dampni quod forte mutuantes inde perpessi sunt, vel propter remunerationem benivolentie quam ipsi mutuando se habere ad communitatem probaverunt, vel ex mera liberalitate communitatis ipsius, dico tale lucrum non esse usuram, cum in nullo predictorum casuum sit lucrum (lucrum om. F) intentum ex mutuo aut etiam pro mutuo vel propter mutuum datum. F, fol. 209r; V, fol. 85v: Nam uno modo sumitur dampnum proprie, et sic consideretur in diminutione prehabiti (prohabiti F), ut supra patet per Philosophum in fine primi folii. See Aristotle: Ethica Nicomachea, V, 4, 1132b14–15. F, fol. 208v; V, fol. 84r. F, fol. 208v; V, fol. 84r: Dico tamen quod satis apparet non propter hanc causam dari illud a communitate predicta, ex eo quod omnibus mutuantibus datur, nec est verisimile quod omnes dampnum patiantur ex mutuo a se facto. Item quia si aliqui dampnificatur, non est verisimile quod equaliter, sed satis est possible quod qui minus mutuaverunt maius dampnum passi sunt; et tamen minus datur eis quod non contingeret si propter restaurationem dampni daretur.
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of injustice.79 To Aristotle, the indemnification of an injured party was a process, in which a civil action was taken to correct a wrong. Corrective justice was served when those injured would neither have lost nor gained; the amount they had after the action would be equal to what they had before. In rewarding citizen-lenders, Gregory continued, the community should pay more attention to their gratuitous goodwill toward the community than to the amount of money they lent. Ideally, the rewards should vary according to the degree of each lender’s goodwill, but the reality is contrary. As citizens are automatically rewarded for the amount they lent, the 5 percent is not truly donative. It happens that one lends a hundred out of greater goodwill than another who lends a thousand. Inasmuch as one who lends a thousand is a hundred times richer and lends unwillingly, while one who lends a hundred would freely give more if he could, a greater reward should be bestowed on the one who lends a hundred. This would be the case if lenders were truly rewarded for their goodwill; however, declared Gregory, „the opposite occurs”80. Evoking Aristotle’s discussion of friendship, Gregory counseled that it is lawful for one party to reward another from whom he has received a favor, „just as a friend can lawfully receive a favor from a friend”81. By analogy, if the community acts out of pure generosity, offering the 5 percent as a reward, its action deserves praise. Yet Gregory remained skeptical that the 5 percent is prompted by reciprocal generosity, because it is given only for the duration of the debt. Once the principal (sors) of the loan is paid off, the community ceases to pay the 5 percent. The policy of never rewarding at least some citizen-lenders after the liquidation of the community’s debt is an incontrovertible sign that the 5 percent is paid for obtaining the loans.82 In the light of Gregory’s critique, citizen-lenders should not err or deceive themselves into thinking of the 5 percent as compensation for damages or as a reward for their goodwill. They are cautioned to engage in Augustine-like soul-searching in order to scrutinize their own intentions for the taint of usury and, taking heed of the foregoing propositions (premissa) and discernable circumstances (indicia), to 79 80
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F, fol. 208v; V, fol. 84r: Et loquor de dampno, quod consistit in minus habere quam prius, iuxta descriptionem Philosophi positam in primo articulo. See Aristotle: Ethica Nicomachea, V, 4, 1132a10–14. F, fol. 208v; V, fol. 84r: Item causa (causam F) remunerationis mutuantium dari non apparet (oportet F), propterea quia si propter illam daretur, plus daretur ei in quo maior affectus benivolentie probaretur. Et quia potest contingere quod ex maiori affectu unus mutuet centum quam alius mille, utpote si quis mutuat mille sit in centuplo ditior et quasi invitus mutuet, qui vero centum mutuat libenter plus mutuaturus sit (sit om. F) si posset plus, certe plus deberet dari ultra sortem ei qui mutuat centum quam ei qui mutuat mille, et ita daretur si propter causam predictam daretur; et tamen oppositum contingit. F, fols. 208v–209r; V, fols. 84rv: Si tamen secundum veritatem propter remunerandam benivolentiam communitas ipsa daret, laudibiliter ageret. Nam si beneficium fit ad amicos, ut dicit Philosophus 8 Ethicorum, quod benevolis beneficium propter benivolentiam quis impendit. See Aristotle, Ethica Nicomachea, VIII, 1, 1155a5–10. F, fol. 208v; V, fol. 84r: Ad quod etiam accedit quod illud lucrum datur non quando soluta est sors et communitas a debito liberata est. Tunc (Uno F) enim magis extimari posset quod liberaliter vel beneficii benivolentie mutuantium (mutuatum F) detur. Sed datur tantum quod hoc debitum manet, ut satis inde presumatur quod propter mutuum tribuat et in pretium eius.
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investigate unflinchingly the government’s intentions in ordering the payment of the 5 percent, always bearing in mind Apostle Paul’s admonition in Galatians 6:7: „God is not mocked.”83 The truth of their own intentions will thus be determined before God in the court of conscience. Next, Gregory trained his sights on the secondary market. The legal ability of citizen-lenders to transfer and sell claims to interest-bearing prestiti to third parties quickly and efficiently, coupled with the government’s routine recognition of the rights of its new creditors in the Monte Vecchio’s registers, led to the formation of a secondary market. Leaving aside negligible transaction costs, purchasers could expect to receive an annual yield of around 5 1/4 to 5 3/8 in 1347–1348 and 6 ½ to 7 ¾ percent in 1357–1358, slightly higher than the 5 percent yield on private commercial loan contracts called colleganze.84 Safe and stable, prestiti were highly attractive to investors in mid-Trecento Venice. The situation in Florence was dramatically different. Market prices of Florentine prestanze had plummeted to 33 percent of face value in response to the constant fear of government default. Purchasers of prestanze from the Monte Comune’s original creditors expected to reap an annual profit of 15 percent. It was mainly the prospect of such high yields that inflamed Dominican and Augustinian theologians in Florence. Could third parties purchase prestiti from citizens forced to lend? If so, could purchasers lawfully collect the 5 percent that was paid to the original lenders? In answering these questions, Gregory distinguished between the original lenders, who received remuneration from the government, and those, who did not. He made a further distinction between the original lenders, who received either remuneration equal to the loan’s principal or less than the principal. If they have received remuneration equal to the principal, they were legally prohibited from selling their prestiti, because they have already received all that they were entitled to receive and therefore no longer have a claim against the community. And because they could not lawfully sell their prestiti, it necessarily follows that those who purchased prestiti from them have not purchased them lawfully. But suppose, contrariwise, that the sum total of interest payments received by original lenders amounts to less than the principal of the loan. In that event, they could sell prestiti at a price equal to the difference between what was received and what was originally lent. Any part of the sale price exceeding the principal of the loan was, however, to be treated as usury 83
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F, fol. 209r; V, fol. 84v: Nolint autem errare aut se ipsos decipere qui ultra sortem recipiunt, sed quam habent intentionem inspiciant (inspicientes F), et secundum premissa et per alia indicia quibus possunt, studeant investigare qua intentione communitas huiusmodi (eiusmodi F) lucrum dari statuerit, scientes quod (quod om. F), ut (prout F) dicit Apostolus, ‘Non irredetur Deus’, ad Gal. 6 c. (ad—c. om. F). Indicia also signified indirect or circumstantial evidence in medieval canon and Roman law. See Jean-Philippe Lévy: La hiérarchie des preuves dans le droit savant du Moyen-Âge depuis la renaissance du droit romain jusqu’à la fin du XIVe siècle. Paris 1939, pp. 127–130; James Franklin: The Science of Conjecture: Evidence and Probability before Pascal. Baltimore/London 2001, pp. 30–33; Susanne Lepsius: Von Zweifeln zur Überzeugung. Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht ausgehend von der Abhandlung des Bartolus von Sassoferrato (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 160). Frankfurt am Main 2003, s. v. “Indizien”. Sydney Homer: A History of Interest Rates. New Brunswick/New Jersey 1963, p. 102.
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and must be restored to the community. The warrant for these deductive conclusions was the decretal Plures clericorum (X 5. 19. 1), which dealt with a loan secured by a pledge.85 It is permissible, Gregory added, for lenders who have received zero or minuscule remuneration to sell their claims against the community.86 This situation occurred when citizens forced to lend and without intention to profit immediately sought to convert their claims against the community into cash. Gregory made a distinction between those who, having purchased prestiti with the intention of profit, sin and commit the crime of usury and those who, having purchased prestiti without a sinful intention for profit, act lawfully. The issue of lawful purchase, however, was moot. In collecting the 5 percent, Gregory opined, the purchasers, as well as the original lenders, sin: “the former who of their own accord involve themselves in such an exercise of usury sin to a greater degree, while the latter were perhaps in some way required and forced into lending.” Nor can purchasers lawfully claim that they are entitled to the 5 percent as compensation (dampnum) for damages they claim to have sustained. Unlike those forced to lend, purchasers have no claim to damages, “since they involved themselves in such business not at the urging of the community, but from their own doing and greed”87. Gregory’s Questio is notable, as Lambertini observes, for approving in theory a lender’s claim to compensation on grounds of lucrum cessans, which Gregory memorably described as “the nonacquisition of possible or anticipated profit”88. Unlike Thomas Aquinas and his adherents, Gregory did not fear that a narrow ap85
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F. fol. 209r; V. fol. 84v: Secunda questio, scilicet utrum ab ipsis mutuantibus alii huiusmodi (huius F) licite prestita emant et postea simile (similiter F) lucrum licite ab eadem communitate recipiant, duas habet partes. Et pro solutione prime partis, que est utrum alii licite emant a mutuantibus talia prestita, est quedam distinctio premittenda. Nam illi qui mutuaverunt aut aliquid acceperunt a communitate, aut nihil. Si aliquid, vel tantum quantum fuit mutuum suum seu quanta fuit sors, vel plus vel minus. Si recipiunt tantum quantum quod fuit mutuum suum, dicendum quod ipsi non possunt illa prestita nec in toto nec in (in om. F) parte vendere. Ratio ad hoc est quia iam receperunt totum quod recipere debent, et sic eis a communitate sufficienter satisfactum est; igitur ex mutuo nullum ius prius facto habent in ipsam communitatem quod cuidam de iure possint vendere. Si autem ipsi de iure non possunt vendere, sequitur quod ibi ab eis emunt non licite emunt. Assumptum optime probatur ex determinatione concilii que ponitur in titulo de usuris c. primo Plures […]. F, fol. 209rv; V, fol. 85r: Porro si mutuantes ipsi nihil a communitate receperunt, vel si receperunt non tamen taliter (taliter om. F) quod debeant exinde iudicari usurarii iuxta premissa, ius habent supra communitatem pro tanto quantum dederunt vel concesserunt vel prestiterunt; nec dubium quod illud ius licite vendere possunt. F, 209v; V, fol. 85r: Ad secundam partem, utrum scilicet isti emptores licite lucrum recipiant a communitate, id per omnia dicendum est quod dictum est de primis mutuantibus, nisi quod in eo casu in quo (in quo om. F) tam isti quam illi peccarent, plus peccarent isti qui ultro se ingerunt ad huiusmodi (huius F) exercitium usurarum; illi vero requisiti et aliquo modo forte coacti. Item in casu in quo isti dampnum incurrunt emptione talium prestitorum, non (nec F) sic possent consulere sibi de lucro a communitate recepto ut primi, quia sui dampni non apparet communitatem causam dedisse, eo quod non ad illius instantiam sed ex se et propria cupiditate se ingesserunt ad tale commercium. Lambertini: L’economia e la sua etica (see note 12), pp. 120–122; F, fol. 210r; V, fol. 85v: In non acquisitione lucri possibilis vel etiam sperati.
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proval of lucrum cessans posed a grave threat to the foundations of the usury prohibition.89 His position is closer to Olivi’s, though there is no indication that Gregory had consulted the latter’s De contractibus usurariis. Olivi appears to be the first theologian to have recognized that citizens forced to make government loans have a qualified claim to recover lucrum cessans. He explained that lucrum cessans referred to “probable profit”, that is, the average profit lenders would have made investing in a commercial venture over a period of time. Under no circumstances could lenders demand a probable profit that was fixed to a day or month when their ventures brought an “exceedingly fat” return. Olivi restricted compensation by way of lucrum cessans to those who are moved by compassion alone to lend money to someone in need and who accordingly stand to gain or lose just as much as they would from a similar sum invested with a merchant.90 Like Olivi’s model for the recovery of lucrum cessans, Gregory’s was conditional. It hinged on the condition that only lenders who have previously engaged in business or profited from other lawful investments, if even irregularly, can claim lucrum cessans. Without a prior history of such investments, claims for lucrum cessans are unjustified. Gregory duly rejected the hypothetical argument that although lenders have not engaged in business, “they could have done business and profited from doing business, and are prevented from doing so by lending (to the community)”. The argument is fallacious, because profit does not result from the mere possibility of doing business, an argument that, if accepted, would enable usurers (in a broad sense) to recover lucrum cessans on the porous grounds that they were precluded from doing business with their money.91 Citizens forced to lend, Gregory conceded, can recover lucrum cessans if certain stringent standards are satisfied. If they “are prevented by lending from making a profit that they might lawfully have acquired by doing business or in another way, they can lawfully demand compensation for their loss in accordance with the discretionary judgment of a prudent man, taking into consideration if and how much at the time others exercising a similar business or craft with the same amount of 89 90
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For Gregory’s critique of Thomas’s rejection of lucrum cessans, see F, fols. 210v–211r; V, fol. 86v. Giacomo Todeschini: Un trattato di economia politica francescana: il “De emptionibus et venditionibus, de usuris, de restitutionibus” di Pietro di Giovanni Olivi (Studi storici 125–126). Roma 1980, p. 85; Kirshner: From Usury to Public Finance (see note 19), pp. 136–137, 167– 168. F, fol 210r; V, fol. 86r: Si autem proposito premissa intelligatur iuxta aliam significationem dampni, et sensus quod a tali dampno licite servent se indemnes et per hoc per recompensatonem alicuius lucri videtur mihi distinguendum esse. Aut ipsi mutuantes fuissent alias negotiaturi seu alias licite de sua pecunia lucraturi, vel non. Si non, nullo igitur lucro quod fuissent acquisiti privantur ex eo quod mutuant communitati, sicque nullum patiuntur dampnum, et per consequens non possunt quicquam pro recompensatione dampni iuste recipere. Nec valet dicere quod quamvis alias ipsi non fuissent negotiaturi, potuissent tamen negotiari et negotiando lucrari, a quo (quia F) propter mutuationem impediuntur. Non valet, inquam, quia ex huiusmodi (huius F) impedimento nullum dampnum incurrunt, sicut (sic F) nec ex posse negotiari tantummodo lucrum aliquod consequerentur. Rursus, quia per hunc modum omnis usurarius possit excusari, quia quilibet usurarius etiam posset cum pecunia sua per se vel per alium negotiari, a quo tamen impeditur cum illam mutuet alteri.
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money commonly or frequently earned, and consistent with these factors, the arbitrator should decide whether the lenders would have gained by not lending but acting otherwise, or not”92. Gregory then quickly issued this caveat: “Because it happens that the same profit is not always made, but sometimes more, sometimes less, and even occasionally nothing but loss is sustained, it does not seem safe to me according to conscience that always one and the same amount of profit should be reckoned as compensation, but it should be reckoned annually in accordance with the discretionary judgment of wise men and experts (arbitrium sapientium et expertorum).”93 Rejecting the one-size-fits-all approach, just as in the previous examples of damages and rewards, Gregory was adamant that lucrum cessans should be paid on a sliding scale rather than at a flat rate, which, he knew perfectly well, was impossible for the administrators of the Monte Vecchio to put into practice. As Gregory’s arch-opponent Lorenzo Ridolfi astutely responded, flat rates of compensation were inescapable because the variety and extent of the damages sustained by those forced to loan were known only to God!94 As for citizens who voluntarily loan to the community with the expectation of making a profit, Gregory disputed that they can recover compensable lucrum cessans. The damages incurred by voluntary lenders are not caused by the community; they are self-inflicted. If citizens willingly make interest-bearing loans to the community, possibly aware that they can do this without effort and with little or no risk of losing their principal, it follows that they are motivated by the profit they look forward to receiving from the loans. “For that reason”, Gregory pronounced, “they are usurers in the court of conscience.”95 92
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F, fol. 211r; V, fols. 86v–87r: (…) dico quod in isto casu mutuantes coacti et ex mutuatione impediti a lucro quod licite vel negotiando vel alio modo acquisivissent licite possunt exigere recompenstionem sui dampni, secundum discretum iudicium prudentis viri considerantis si vel quantum eodem tempore alii similem negotiationem vel artem exertentes cum equali pecunia communiter vel plures sunt lucrati, ut secundum hoc arbitretur utrum isti fuissent non mutuando sed aliud agendo lucrati vel non (…). The Francisan theologian and vicar general Angelo Carletti da Chivasso († 1495) similarly set forth stringent criteria for the recovery of lucrum cessans. See his Summa. Lyon 1520, s. v. usura, fol. 354rb–va; and his Consilium de pecuniis montis Florentie a Fratre Angelo de Clavasio datum, in: Julius Kirshner: Pursuing Honor While Avoiding Sin: The Monte delle Doti of Florence (Quaderni di Studi Senesi 41). Milano 1978, pp. 51–52, 81–82, ll. 182–195. Cf. Giacomo Todeschini: Credito ed economia della civitas: Angelo da Chivasso e la dottrina della pubblica utilità fra Quattro e Cinquecento, in: Molina/Scarcia: Ideologia del credito fra Tre e Quattrocento (see note 38), pp. 59–83, who curiously neglects to take account of Angelo’s Consilium de pecuniis montis Florentie. F, fol. 211r; V, fol. 87r: Et quia contingit non semper equale lucrum acquiri sed quandoque maius, quandoque minus, interdum autem nullum sed dapnum sustineri, ideo non videtur mihi tutum secundum conscientiam ut pro recompensatione huiusmodi semper una et eadem quantitas sit, sed quolibet anno esset taxanda secundum arbitrium sapientum et expertorum, ut dictum est. Armstrong: Usury and Public Debt (see note 38), pp. 90–91. F, fol. 210v; V, fol. 86r: Dicendum est quod aut ipsi ad mutuandum communitati ex se ipsis moti sunt et ultro ad hoc se ingesserunt, et hoc vel immediate a principio mutuando vel postea a (a om. F) mutuantibus prestita huiusmodi (huius F) emendo. Et tunc dico quod nihil pro recompensatione talis dampni possunt iuste a communitate recipere. Ratio est quia huius dampni non communitas sed ipsimet causa sunt, et ideo sibimet tantummodo imputent. Immo cum illi dupli-
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It is fair to ask why Gregory, having surgically peeled away the layers of subterfuge concealing the usurious character of the Monte Vecchio’s operations, stopped short of condemning the community of Venice for abetting and committing the mortal sin of usury. First, on technical grounds – absent an explicit agreement to pay citizen-lenders interest and on the assumption that the interest was freely paid as compensation or as a gift – the community cannot be condemned for committing the crime of usury. Second, Gregory was adhering to mainstream doctrine in absolving borrowers who paid usury, because they were understood to be “compelled by their own need”96. As a matter of principle, therefore, the community cannot be guilty of usury (communitate inculpabili existente).97 Further, as argued above, the broad-based legitimacy and popularity of the Monte Vecchio served to protect the institution from direct assault. By contrast, Guido de Belloreguardo, a fellow Augustinian theologian and prior general, did not mince words when he accused the community of Florence of defilement and falling into mortal sin. This occurred at a general chapter celebrated in Florence in 1371. For Guido, by consenting to the sale of prestanze, the community gave its consent to usury, even to the point of enticing citizens to commit sin.98 The contested legitimacy and fiscal woes of Florence’s Monte Comune, which translated into higher interest rates on government loans and fueled an orgy of speculation in prestanze, made the community of Florence an easy target for Guido and like-minded moralists. From a real-world perspective, Gregory glided over a host of questions, making his analysis of lucrum cessans fanciful. Annual estimates of lucrum cessans on the part of a large number of lenders would have increased their transaction costs substantially. Assume, for argument’s sake, that the experts had been appointed by mutual agreement of the Monte Vecchio’s officials and citizen-lenders. Were the parties obligated to abide by the experts’ determinations? If a citizen-lender believed that the estimate of lucrum cessans was too low, could the lender then request a second estimate? Similarly, was the community obliged to accept an estimate of lucrum cessans deemed too high? If it was, on what legal grounds? What if the citizen-lender died after the experts’ determination but before it was transmitted to the community’s officials? Could the heirs of the lender legitimately claim the estimated amount of lucrum cessans? To resolve these and other vertigo-inducing
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citer possent de pecunia eorum lucrari, scilicet negotiando vel emendo inde aliquid (aliquod F), ut dictum est, et mutuando communitati, sponte eligentes potius mutuare et lucrum a communitate percipere, forsitan ideo quia sine personali labore et cum minor vel nullo periculo sortis et lucri id se posse noverunt, utique convincuntur propter lucrum mutuasse et lucrum non pro dampno (dando F) sed pro mutuo a se facto recipere, ac per hoc usurarii in iudicio animarum. On this doctrine, see Odd Langholm: The Legacy of Scholasticism in Economic Thought: Antecedents of Choice and Power. Cambridge 2006, pp. 66–69. F, fol. 209v; V, fol. 85v. Excerpts of Guido’s condemnation of the Monte Comune of Florence are found in Lorenzo Ridolfi’s Tractatus de usuris, in: Tractatus universi iuris, duce et auspice Gregorio XIII (…). Venedig 1584, Vol. 7, fols. 49r–50r.
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complications would have required Venetian administrators capable of number-crunching technical analysis that did not yet exist and would not for centuries.99 For canonists and theologians, the requirement that in doubtful cases one should choose the safer course (in dubiis pars tutior est eligenda) of abstention was a legal rule for confronting the unavoidable cycles of moral uncertainty.100 The rule that persons, who are in doubt about the liceity of their actions, and cannot find certainty in theological and legal sources, are obligated to comply with the existing law and abstain from acting, is found in the Decretum of Gratian, the Decretals of Gregory IX, and in the commentaries of Hostienisis and Innocent IV.101 This rule was mainly shared by theologians, including Alexander of Hales († 1245), Bonaventure († 1274), Albert the Great (1280), and Aquinas. “According to them, before making a moral choice the penitents are obliged to make their conscience clear of any speculative uncertainty in choosing among contrasting yet morally approvable opinions. As Albert the Great put it, the rule should be that doubts must be resolved by choosing the safer (tutior) part.”102 In the realm of commerce, the safer course was urged on merchants by Innocent IV. in his commentary to the decretal In civitate (X 5. 19. 6), which dealt with buying and selling on credit.103 Considering Gregory’s severe doubts about the operations of the Monte Vecchio, it is perplexing that he refrained from advising morally compromised investors to take the safer course: to steer clear of the secondary market in government loans, as Lorenzo Ridolfi would finally and paradoxically counsel.104 What explains Gregory’s restraint? His allegiance to Augustinian interiority was obviously decisive, but there is another, complementary reason at play. Gregory firmly believed that the intentions and activities of a large majority of citizen-lenders and investors contravened the papal decretal Consuluit. He was undoubtedly aware, however, that no pope had pronounced judgment on the liceity of the Monti. Perhaps he considered that, absent a specific Church declaration and doctrinal consensus against the operations of the Monti, it would be rash to hold that the tutior via was the one and only course for citizens intending to purchase prestiti. Still, it would be a misreading of the Questio to infer that in not advising purchasers to take the safer course, Gregory entertained the view that the reasons for and against the purchase 99
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For a Herculean example of quantifying compensable damages on a sliding scale for a large body of claimants, see Kenneth Feinberg: Final Report of the Special Master for the September 11th Victim Compensation Fund of 2001. Washington D.C. 2010. As reported in the media, Feinberg’s methods and determinations were vehemently opposed as inequitable by thousands of claimants, resulting in costly lawsuits that took years to resolve. Odon Lottin: Le tutiorisme du treizième siècle, in: Recherche de théologie ancienne et médiévale 5 (1933), pp. 292–301; Franklin: The Science of Conjecture (see note 83), pp. 64–71. Roger Viau: Doubt in Canon Law: A Historical Synopsis and a Commentary (Canon Law Studies 346). Washington D.C. 1954, pp. 13–34. The quote is from Robert A. Maryks: Saint Cicero and the Jesuits: the Influence of the Liberal Arts on the Adoption of Moral Probabilism. Aldershot/Hampshire 2008, p. 65. Innocentius IV.: In quinque decretalium libros commentaria. Frankfurt am Main 1570, fol. 517v, Nr. 2 (at the end). On the decretal In civitate, Mclaughlin: The Teaching of the Canonists on Usury (see note 38), pp. 117–120. Armstrong: Usury and Public Debt (see note 38), p. 249, 373.
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of prestiti neatly balanced each other, creating a moral impasse, the resolution of which was left to the discretion of the purchaser acting in good conscience. Expanding on Lambertini’s reading of the Questio, Schabel interprets Gregory’s determinations as allowing “Venice and its creditors to proceed with their practice of forced loans and creditors’ transfers of annual payments without outward restrictions from the Church. Perhaps he was being practical given the complexities of the situation. By stressing the role of intent and conscience, he freed investors to pursue their projects. But without drawing clear lines separating the legitimate from the illegitimate, he burdened them to consider their motives in each and every transaction, warning that whether they are usurers in truth will be determined before God at the judgement of souls.”105. I find Schabel’s interpretation, resting squarely on pregnant omissions rather than on Gregory’s unambiguous arguments designed to immobilize citizen-lenders by forewarning them of the almost insurmountable spiritual risks they faced, strained and unconvincing. Schabel’s inference that Gregory “freed investors to pursue their projects” would have astonished the jurists who viewed Gregory as a vocal critic of the market in prestiti. His admonishments were taken to heart by Angelo degli Ubaldi († 1400) and Bartolomeo da Saliceto († 1412), who were beholden to Gregory for their own moral doubts about investments in the Monti.106 Relying on Roman and canon law, Pietro d’Ancarano († 1416) and Lorenzo Ridolfi, on the other hand, sought to demonstrate the morality of the Monti’s operations and shield both original lenders and purchasers of prestiti and prestanze from charges of usury, by exploiting the disconnect between the hard-line standards that Gregory proposed for assessing the spiritual risks ensnaring citizen-lenders and the real-world obstacles that would have had to be overcome if his proposals had been implemented.107 Finally, for Gregory of Rimini, Romans 3:8 teaches that good intentions and worthy ends can never justify the commission of evil and sin. Against consequentialism, Gregory concluded that “the good intention of the community, if it is such, does not absolve those widows and orphans who, not being able to profit otherwise, lend in order to receive profit from the community, thereby committing the crime of usury”108. Gregory’s uncompromising refusal to accommodate the needs of widows 105 Schabel: Gregory of Rimini (see note 14). 106 See Julius Kirshner: Angelo degli Ubaldi and Bartolomeo da Saliceto on Privileged Risk: Investments of Luchino Novello Visconti in the Public Debt (Monte Comune) of Florence, in: Rivista internazionale di diritto comune 14 (2003), pp. 83–117, at pp. 99–101; Bartholomaeus de Saliceto: ad Cod. 4. 32. 16, Ad haec qui fructus, in: In primum (…) Codicis libros (…) commentaria. Lyon 1541, fols. 336r-338v, who quoted Gregory’s Questio at length. 107 Julius Kirshner: Reading San Bernardino’s Sermon on the Public Debt, in: Domenico Maffei/ Paolo Nardi (eds.): Atti del simposio internazionale cateriniano-bernardiniano, Siena, 17–20 Aprile 1980. Siena 1982, pp. 547–622, at pp. 565–572. 108 F, fol. 211v; V, fol. 87v: Ad quintum dicendum est bona intentio communitatis, si tamen talis sit, non excusat viduas illas et orphanos qui, non potentes aliter lucrari, mutuant ut lucrum a communitate, quin crimen usurarium incurrant. On Augustine’s rejection of consequentialism, see Christopher Kirwan: Avoiding Sin: Augustine against Consequentialism, in: Gareth B. Matthews (ed.): The Augustinian Tradition. Berkeley-Los Angeles/London 1999, pp. 183–194. For Gregory’s rejection of the principle of the lesser evil, see M. V. Dougherty: Moral Dilemmas in
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and orphans was opposed by non-Augustinian moralists like Bernardino of Siena and Antonino of Florence, who made allowance for charitable bequests of prestiti and prestanze. In fact, Bernardino specifically condoned Venetian pious trusts under the tutelage of the Procurators of San Marco.109 Unlike Gregory, they had years of pastoral experience to enable them to bridge the gap between clashing academic doctrines and depersonalized laws and the everyday moral predicaments of their spiritual charges.110 In contrast to Augustine and other early church fathers who decried usury for oppressing the involuntary poor, Gregory was oblivious to their afflictions, dwelling instead on the putative sins of well-off citizens. One is reminded here of the tale of a young Augustinian friar in the cathedral of Santa Reparata in Florence, who every evening during Lent preached on usury and illicit contracts before an audience of impoverished wool workers and hospital servants. As related by the Florentine storyteller Franco Sacchetti (novella 100), Romolo del Bianco, an octogenarian member of the congregation, reproached the clueless friar for wasting his words, for the workers and servants were propertyless, weighted down with debt, borrowers rather than lenders. Taking to heart Romolo’s advice to console the neglected poor with soothing words, the impressionable but now instantly wiser friar from that day forward preached on poverty, consoling the poor by incanting again and again “beati pauperes, ecc.”111. Among the outstanding philosopher-theologians of the later Middle Ages, Gregory was neither impressionable nor clueless. His Questio is sharp-minded and dialectically skilled yet at heart intransigent, and all the more so for lacking discretio, a virtue that enabled Gregory during the hectic days of his generalate to respond with measured compassion to the moral failings and excesses of his fellow brothers.112
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Medieval Thought: From Gratian to Aquinas. Cambridge 2011, pp. 183–187. Note that Gregory, possibly from institutional self-interest, did not condemn the common practice of bequeathing and donating prestiti to religious entities in Venice, including the Augustinian convents San Stefano Protomartire, San Andrea della Zirada, and Santa Maria degli Angeli (Murano). I am grateful to Linda Guzzetti for providing me with archival references to these legacies. Kirshner: Reading San Bernardino’s Sermon on the Public Debt (see note 107), pp. 584–585. On Bernardino’s approval of consequentialism in specific casus conscientie, see Franco Mormando: “To Persuade is Victory”: Rhetoric and Moral Reasoning in the Sermons of Bernardino of Siena, in: James F. Keenan/Thomas A. Shannon (eds.): The Context of Casuistry. Washington D.C. 1995, pp. 55–84, at pp. 74–84; Nirit Ben-Aryeh Debby: Renaissance Florence in the Rhetoric of Two Popular Preachers: Giovanni Dominici (1356–1419) and Bernardino da Siena (1380–1444). Turnhout 2001, pp. 172–173. See Elizabeth McDonough: Canon Law in Pastoral Perspective: Principles for the Application of Law According to Antoninus of Florence (Ph.D diss., Catholic University of America). Washington DC 1982, pp. 175–177, where the author points out that Antonino exempted investors in the Monte Comune of Florence, who on the advice of a learned person believed that were acting licitly, from the requirement of choosing the safer course. See also Kirshner: From Usury to Public Finance (see note 19), pp. 207–212. Franco Sacchetti: in: Emilio Faccioli (ed.): Il Trecentnovelle. Torino 1970, pp. 263–264. For a perceptive and sympathetic evaluation of Gregory’s generalate, see Saak: High Way to Heaven (see note 11), pp. 315–344.
SOZIALER AUFSTIEG IN DER STÄDTISCHEN CHRONISTIK UND WAHRNEHMUNG VORNEHMLICH DES 15. UND 16. JAHRHUNDERTS Bernd Fuhrmann (Öhringen) I. Soziale Aufsteiger, aber ebenso Absteiger, sind dem Spätmittelalter selbstverständlich nicht fremd, wobei der Aufstieg zumindest zwei Dimensionen umfasste: Unumgängliche Voraussetzung war die Akkumulation von Kapital, bevor sich die Frage der sozialen Anerkennung durch die eingesessene Führungsschicht stellte, die sich beispielsweise in Heiratsverbindungen mit dieser oder der Ratsfähigkeit zeigt. Allerdings blieb die Integration in den politisch führenden Kreis der Ratsfamilien am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit in etlichen Städten mit politisch stabilen Strukturen nur wenigen Aufsteigern und zudem überwiegend Neubürgern vorbehalten, die deswegen gleichfalls einbezogen werden; andere Kommunen zeigten sich offener. Als weitere Merkmale der Oberschichtzugehörigkeit lassen sich Ehre, Herkommen, Standesqualität, besondere Eignung und exklusive Kleidung nennen. Bekanntlich war der Erwerb von Vermögen in Städten fast ausschließlich durch Teilhabe am Fern- bzw. Großhandel möglich, und erstmals finden deutsche Kaufleute in Oberitalien Ende des 12. Jahrhunderts Erwähnung.1 Kaufleute rekrutierten sich zudem in der Frühphase vornehmlich aus Ministerialenfamilien oder aus dem Tätigkeitsbereich der Zoll- sowie Münzmeister und damit aus einem Kreis führender Familien; doch über die meisten fehlen Informationen. Mit dem Aufkommen des Massenhandels seit dem späten 12. Jahrhundert und der Sesshaftwerdung der Kaufleute ging eine Aufwertung des Ansehens der Kaufleute einher. Auch von Seiten der Theologen lassen sich Rechtfertigungen des kaufmännischen Gewinns wie ihrer Tätigkeit allgemein erkennen, wenngleich der Wuchervorwurf latent blieb.2 Die deutlichen Veränderungen in der Organisation des Handels und im 1 2
Hermann Kellenbenz: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. I: Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 1977, S. 118. Stuart Jenks: Von den archaischen Grundlagen bis zur Schwelle der Moderne (ca. 1000–1450), in: Michael North (Hg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick. 2., völlig überarb. u. aktualisierte Aufl. München 2005, S. 15–111, hier 29–32. Vgl. allgemein Diana Wood: Medieval Economic Thought. Cambridge 2002; Michael Wolff: Mehrwert und Impetus bei Petrus Johannis Olivi. Wissenschaftlicher Paradigmenwechsel im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen im späten Mittelalter, in: Jürgen Miethke/Klaus Schreiner (Hg.): Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklärungsmuster, Regelungsmecha-
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Bereich der Geschäftsmethoden, zunächst der italienischen Kaufleute des 13. Jahrhunderts, bezeichnete de Roover als kommerzielle Revolution.3 Bis heute ist der Begriff der Sozialstruktur keineswegs einheitlich definiert, ähnliches gilt für die Modelle sozialer Schichtung in der Vergangenheit.4 Auch für das Spätmittelalter wurden mehrere Modelle diskutiert, von denen letztlich keines zwingend überzeugt, bedingt nicht zuletzt durch die großen ökonomischen und sozialen Unterschiede zwischen den Städten.5 Gemeinsam ist den Modellen zumindest, dass Reichtum bzw. Vermögen als Lagemerkmale gegenüber dem Hochmittelalter deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Aus diesen Gründen lege ich das relativ offene Modell von Erich Maschke mit seiner Untergliederung in Ober-, (obere und untere) Mittel- und Unterschicht zugrunde.6 Unklar ist weiterhin, welche Vermögenshöhe als ausreichend angesehen wird, um zur Oberschicht zu gehören. Die Rede ist z. B. von 1.000 Gulden, dem Zehnfachen dieses Betrags oder dem Fünf- bzw. Zehnfachen des Durchschnittsvermögens der jeweiligen Stadtbewohner.7 Da es sich in der Regel um das steuerlich veranschlagte Vermögen handelt,
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nismen. Sigmaringen 1994, S. 413–423. Vgl. knapp Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens 2, 2: Das Mittelalter. Stuttgart/Weimar 2004, S. 219–221. Raymond de Roover: The Commercial Revolution of the 13th Century, in: Bulletin of the Business Historical Society 16 (1942), S. 34–39. Rainer Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. 4., überarb. u. aktualisierte Aufl. Wiesbaden 2006, S. 17–19, 97–103. Vgl. zusammenfassend Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Köln/Wien 2012, S. 689–775; Günther Schulz: Soziale Position und gesellschaftliches Netzwerk in Spätmittelalter und Frühneuzeit: Ansätze und Fragen der Forschung, in: Ders. (Hg.): Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 25). München 2002, S. 9–16. Mit stark theoretischer Orientierung Erdmann Weyrauch: Über soziale Schichtung, in: Ingrid Bátori (Hg.): Städtische Gesellschaft und Reformation (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 12). Stuttgart 1980, S. 5–57. Erich Maschke: Die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung Deutschlands als Problem der Forschung, Ndr. in: Ders.: Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und der Gesellschaft 1959–1977 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 68). Wiesbaden 1980, S. 157–169. Zustimmend z. B. Ernst Voltmer: Reichsstadt und Herrschaft. Zur Geschichte der Stadt Speyer im hohen und späten Mittelalter (Trierer Historische Forschungen 1). Trier 1981, S. 176; Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner. Die Bewohner von Hall in Tirol im ausgehenden Mittelalter (Tiroler Wirtschaftsstudien 54). Innsbruck 2002, S. 119–123. Für 1.000 Gulden plädiert u. a. Wieland Held: Die Vermögens- und Sozialstruktur Schmalkaldens unter Berücksichtigung der Vorstädte in der Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 9 (1982), S. 235–254, hier 248. 900 bzw.1.000 Gulden nennt auch Hannelore Götz: Würzburg im 16. Jahrhundert. Bürgerliche Vermögen und städtische Führungsschichten zwischen Bauernkrieg und fürstbischöflichem Absolutismus (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 2). Würzburg 1986, S. 154. Nach Friedrich Blendinger: Versuch einer Bestimmung der Mittelschicht in der Reichsstadt Augsburg vom Ende des 14. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, in: Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.): Städtische Mittelschichten (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 69). Stuttgart 1972, S. 32–78, hier 47, liegt die Untergrenze für Oberschichtenvermögen bei 10.000 Gulden immobilem bzw. 20.000 Gulden mobilem Vermögen um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Für das fünf- bzw. zehnfache des Mittelwerts des steuertechnisch erfassten Vermö-
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müssen die Probleme wie die ungleiche Besteuerung von mobilem und immobilem Vermögen, potentielle Freibeträge (Hausrat, Getreidevorräte etc.) oder auswärtig zu versteuerndes Vermögen im Auge behalten werden. Damit handelt es sich durchgängig um Näherungswerte, keine absoluten Vermögensbeträge. Grundsätzlich dürften die Vermögensunterschiede in den großen Handelsstädten Oberdeutschlands ausgeprägter gewesen sein als in den norddeutschen Hansestädten.8 Zwar entwickelten sich der Markt und die zunehmend gepflasterten Durchgangsstraßen zu bevorzugten Wohnlagen, doch lässt sich eine Sozialtopographie im Spätmittelalter nur in Ansätzen erkennen. Kennzeichnend blieb die räumliche Nähe sozialhierarchisch weit auseinander stehender Menschen. Dieses Nebeneinander verhinderte jedoch nicht die Reproduktion der sozialen Rangordnung auf engem Raum. Des Weiteren lässt sich im 15. Jahrhundert zunehmend eine Konzentration von Armut und Anrüchigkeit konstatieren, und dies eben nicht nur in ausgeprägten Randlagen. In der Frühen Neuzeit verstärkte sich dann die soziale Segregation immer mehr, zudem gewann die Vorstellung von der Unehrlichkeit einzelner Berufe an Gewicht. II. Zunächst werden Neubürger in den Blick genommen: In Nürnberg lassen die pergamentenen Neubürgerlisten, in die überwiegend gehobene und mittlere Zuziehende verzeichnet wurden, zunächst einen weit gespannten Herkunftsraum erkennen.9 Mit einem ausgesprochen hohen Vermögen wechselte Hans Thumer mit
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gens plädiert Gerd Wunder: Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216 – 1802 (Forschungen aus Württembergisch Franken 16). Sigmaringen 1980, S. 191, der so nochmals zwischen „Reichen“ und „sehr Reichen“ differenziert. Die unterschiedlichen Angaben verdeutlichen, dass Reichtum und die Zurechnung zur Oberschicht in einer Stadt in einer anderen Kommune zu einer unterschiedlichen Zuordnung führen, der kleinstädtische Oberschichtangehörige in großen Kommunen beispielsweise zur Mittelschicht zählen könnte. So zählt Ahasver v. Brandt: Die gesellschaftliche Struktur im spätmittelalterlichen Lübeck, in: Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa (Vorträge und Forschungen 11). Sigmaringen 1966, S. 215–239, hier S. 222, 227, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts 700 bis 800 Kaufleute sowie nochmals 50 bis 100 „Standespersonen“ zur Oberschicht, 1460 18 Prozent der Steuerpflichtigen zur Ober- bzw. zur oberen Mittelschicht. Zur Problematik der Verwendung von Steuerbüchern und zur Schichtung vgl. Ulf Dirlmeier: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters (Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhundert) (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Jahrgang 1978, 1). Heidelberg 1978, S. 491–531. Rainer Christoph Schwinges: Die Herkunft der Neubürger: Migrationsräume im Reich des späten Mittelalters, in: Ders. (Hg.): Neubürger im späten Mittelalter. Migration und Austausch in der Städtelandschaft des alten Reiches (1250–1550) (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte 30). Berlin 2002, S. 371–408, hier S. 388; Die Nürnberger Bürgerbücher. I: Die Pergamentenen Neubürgerlisten 1302 – 1448 (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 9). Nürnberg 1974. Zur Nürnberger chronikalischen Überlieferung vgl. Joachim Schneider: Typologie der Nürnberger Stadtchronistik um 1500. Gegenwart und Geschichte in einer spätmittelalterlichen Stadt, in: Peter Johanek (Hg.): Städtische Geschichtsschreibung im Spät-
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dem Beinamen der Reiche aus Pettau mit einem Zwischenaufenthalt nach Nürnberg, wo er im November 1477 das Bürgerrecht erwarb.10 Im folgenden August kaufte er von der Familie Stromer ein repräsentatives Haus am Hauptmarkt für 5.500 Gulden, das er anschließend umzubauen beginnen ließ, während Thumer im Handel aktiv blieb. Die Heiratsverbindungen seiner Töchter zeigen den Anschluss an die führenden Familien der Stadt: Katharina ehelichte bereits im Januar 1478 Niklas Groß, nach dessen Tod den in der Montanwirtschaft tätigen Fabian Harsdörffer. Die jüngere Tochter Ehrentraud heiratete Jakob Welser, welcher spätestens 1493 die Nürnberger Niederlassung seiner Familie leitete und ebenfalls 1493 das Bürgerrecht erwarb. 1504 folgte die Aufnahme Welsers in den Inneren Rat; er begründete die Nürnberger Linie der Familie.11 Jakob Welser wurde zwar 1504 zum jüngeren Bürgermeister ernannt, amtierte aber vorerst nur ein Jahr. Erst 1523 findet er sich im Rang eines Alten Genannten wieder, was nun aber definitiv die Ratsfähigkeit des Geschlechts bedeutete.12 Thumers Reichtum entsprang wohl dem Handel mit ungarischen Ochsen nach Oberitalien, nach Oberdeutschland und Frankfurt, wo er im Gegenzug Tuche erwarb, also eine tradierte Handelspraxis erfolgreich anwandte. Schätzungen zufolge belief sich sein Vermögen schon in Pettau auf etwa 100.000 Gulden, und sein Testament von 1498 lässt ein Vermögen in eben solcher Höhe vermuten.13 Bei seinem
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mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Städteforschung A 47). Köln/Weimar/Wien 2000, S. 181–203; Irene Stahl: Nürnberger Handwerkerchroniken, in: Ebenda, S. 205–214. Ptuj, Slowenien. Im Spätmittelalter war Pettau die nach Salzburg bedeutendste Handelsstadt im Erzbistum, und die vermögende Oberschicht zog ihren Reichtum aus dem Ochsenhandel sowie aus der Lage an der Verbindungsstraße von Ungarn zur oberen Adria; 1503 bestätigte Maximilian I. das tradierte Niederschlagsrecht und das Zwischenhandelsmonopol im Handel von Ungarn nach Italien; 1480 fiel Pettau an Österreich, kam 1511 an Salzburg zurück. Heinz Dopsch (Hg.): Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Bd. I: Vorgeschichte – Altertum – Mittelalter, 1. Tl. 3., verb. Aufl. Salzburg 1993, S. 406 f. Vgl. Alois Niederstätter: Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (Österreichische Geschichte 1400 – 1522). Wien 1996, S. 180 f.; Günther Hödl: Art. „Pettau“, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993), Sp. 1989 f.; Marija Wakounig: Von Přemysl Otakar II. bis zu Maximilian I. von Habsburg, in: Arnold Suppan (Hg.), Zwischen Adria und Karawanken, (Deutsche Geschichte im Osten Europas), Berlin 1998, S. 54–110, hier 85 f.; Arnold Suppan: Die südslawischen Länder der Habsburgermonarchie in der frühen Neuzeit (1519–1740), in: Ebenda, S. 112–188, hier 151 f. Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert (Nürnberger Forschungen 31/1–3). Nürnberg 2008, hier Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter, S. 1075–1078. Zum Aufstieg der Familie Welser ausführlich Peter Geffcken: Die Welser und ihr Handel 1246–1496, in: Mark Häberlein/Johannes Burkhardt (Hg.): Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses (Colloquia Augustana 16). Berlin 2002, S. 27–167. Ulf Dirlmeier: Merkmale des sozialen Aufstiegs und der Zuordnung zur Führungsschicht in deutschen Städten des Spätmittelalters, in: Hans-Peter Becht (Hg.): Pforzheim im Mittelalter. Studien zur Geschichte einer landesherrlichen Stadt (Pforzheimer Geschichtsblätter 6). Sigmaringen 1983, S. 77–106, hier S. 98–100; Fleischmann: Rat und Patriziat (wie Anm. 11), Bd. 2, S. 405 f. Ebenda, Bd. 1: Der kleinere Rat, S. 246 f. Richard Klier: Beziehungen Nürnbergs zu Pettau im fünfzehnten Jahrhundert, in: Südostdeutsches Archiv 10 (1967), S. 83–101, hier 93–97; Helmut Frhr. Haller von Hallerstein: Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500, in: Beiträge zur Wirt-
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gleichnamigen Sohn dominierten freilich andere Interessen: Vermutlich nach Problemen in Nürnberg erwarb er in Regensburg, wo er sich seit drei Jahren aufhielt, 1512 ein Haus, dann eine Grundherrschaft im Umland, um schließlich 1526 das Nürnberger Bürgerrecht aufzugeben. Immerhin 100 Gulden musste er jährlich zahlen, um seine dortigen Güter ungestört behalten zu können. 1537 erfolgte schließlich die Nobilitierung durch Karl V. in Ulm.14 Hans Thumer d. J. tendierte, anders als sein Vater, bereits in Nürnberg zur Anpassung an den Adel, nahm an Turnieren teil, was wie sein aufwändiger Lebensstil nicht ohne Kritik blieb und zur Ablehnung durch die Geschlechter führte.15 Hauptkritikpunkt war dabei nicht sein Vermögen, sondern dessen Präsentation sowie die nicht erfolgte Integration in erwartete Verhaltensweisen. Denn ansonsten bewertete z. B. Christoph Scheurl adelsgemäßes Leben keinesfalls negativ.16 Zeitlich gingen den Thumern die ebenfalls aus der Steiermark stammenden Brüder Heinrich und Peter Meichsner voraus, von denen Peter übrigens der Schwiegervater von Hans Thumer war. Bevor Heinrich Meichsner 1447 das Nürnberger Bürgerrecht erwarb, war er schon längere Zeit als Inwohner im Handel tätig. Seinen bereits in dieser rechtlich nachrangigen Stellung erworbenen Status in der Stadt belegt, dass er im Jahr des Bürgerrechtserwerbs in den Kreis der Genannten des Äußeren Rats aufgenommen wurde, seit 1453 als Mitglied des Inneren Rats amtierte. Seine Bedeutung – und die seines Vermögens – dokumentiert zudem der Beschwerdebrief des Salzburger Erzbischofs über den Wegzug seines bisherigen Bürgers. Peter Meichsner erwarb das Bürgerrecht erst 1474; bei seinem Tod vier Jahre später soll sich das Vermögen der Brüder auf 50.000 Gulden belaufen haben. Wiederum Heiratsverbindungen der Kinder sicherten die soziale Verortung in der Nürnberger Oberschicht, selbst wenn Mitglieder nichtpatrizischer Familien zu den Ehepartnern zählten. Neben den bisherigen Handelstätigkeiten stiegen die Brüder in den potentiell ertragreichen Montansektor ein.17 Sowohl die Meichsner als auch die Welser gehörten schließlich zum inneren Kreis jener 43 führenden Familien nach dem Tanzstatut von 1521, selbst wenn sie zu den erst zugelaßen Geschlechtern zählten, die nach 1440 die Ratsfähigkeit erlangten, und von den alten bzw. denjeni-
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schaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. I (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11/I). Nürnberg 1967, S. 117–176, hier 121 f.; Dopsch: Salzburg (wie Anm. 10), S. 407. Vgl. Klier: Beziehungen (wie Anm. 13), S. 97 f. Michael Diefenbacher (Bearb.): Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623 von Johannes Müllner, Bd. III: 1470–1544 (Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 32). Nürnberg 2003, S. 235, 384, 467 f. Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 83. Hallerstein: Größe (wie Anm. 13), S. 124 f.; Klier: Beziehungen (wie Anm. 13), S. 86–92; Fleischmann: Rat und Patriziat, Bd. 2 (wie Anm. 11), S. 1123 f. Ein Konrad Meichsner soll bereits 1396 das Nürnberger Bürgerrecht erworben haben, allerdings habe die Familie nach 1466 kein Ratsmitglied mehr gestellt; Gerhard Hirschmann (Hg.): Johannes Müllner: Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623, Tl. II: Von 1351 – 1469 (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11). Nürnberg 1984, S. 496. Das Nürnberger Geschlechterbuch des Jahres 1610 zählt die Meichsner zu denjenigen Geschlechtern, die seit mehr als 100 Jahren nicht mehr im Rat vertreten waren. Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 1 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 1). Leipzig 1862, Ndr. Göttingen 1961, S. 221.
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gen neuen Familien unterschieden wurden, die bereits länger über diese verfügten. Immerhin 16 Geschlechter waren bereits 1332 und damit nach der ältesten seinerzeit bekannten Ratsliste im Inneren Rat vertreten gewesen.18 Beiden neuen Ratsmitgliedern gemeinsam sind die Herkunft aus reicher, auswärtiger Familie sowie der dortigen Oberschicht und eine schnelle Integration in das Nürnberger Patriziat.19 Auch für Ulm sah Felix Faber die Aufnahme vermögender Auswärtiger in das Patriziat der Stadt vor, nicht aber für bereits stadtsässige Kaufleute, geschweige denn für Handwerker.20 Etliche derjenigen Kaufleutefamilien, denen in Ulm der gesellschaftliche Aufstieg versperrt war, zogen nach Memmingen. Von den dortigen 154 führenden Familien in der Zeitspanne zwischen der Mitte des 14. und der Mitte des 16. Jahrhunderts zählten 14 bereits 1348 zu den Geschlechtern. Nochmals 14 Familien entstammten den Memminger Zünften, der große Rest zog von auswärts zu, wurde mittels Einwahl oder Einheirat in die Großzunft aufgenommen. Zwar stammte die größte Zahl aus einem Ort zugezogener Familien aus Ulm (24), doch rekrutierte sich die Mehrzahl aus dem Bodensee- und Oberrheingebiet.21 Dennoch handelt es sich in den Fällen Meichsner und Welser um Ausnahmen, denen beispielsweise die Ketzel entgegenstehen: Die im Gewürzhandel tätige Familie zog 1422 von Augsburg nach Nürnberg, ist 1438 erstmals im Großen Rat nachweisbar und heiratete in patrizische Familien ein – doch zeigten sich Grenzen. Wolf Ketzel ließ sich 1493 sogar am Hl. Grab zum Ritter schlagen und konnte seine Hochzeit 1504 im Rathaus feiern, doch wurde ihm gleichzeitig verdeutlicht, dass er das Rathaus zukünftig nicht mehr nutzen durfte. Statt seiner gelangten aus alteingesessener Familie Siegmund II. Fürer und Georg III. Fütterer – aus einer aus dem Handwerk aufgestiegenen Familie – in den Inneren Rat, letzterer mit einer Tochter Antons II. Tucher verheiratet. Zu sehr hatte vermutlich Ketzels öffentlich geäußerter gesellschaftlicher Ehrgeiz die Führungsschicht verärgert. Fortgesetzte Streitigkeiten mit den patrizischen Familien beendeten schließlich 1517 die Mitgliedschaft von Wolf Ketzel im Großen Rat. Auch das Konnubium brachte nicht den Aufstieg in den Kreis der Ratsfamilien, der für Einheimische ohnehin ausgesprochen schwierig war.
18 Wolfgang v. Stromer: Oberdeutsche Hochfinanz 1350–1450, Bd. 2 (Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 56). Wiesbaden 1970, S. 301. Ulman Stromer bedauerte es allerdings, sein Geschlecht nicht bis zu den Anfängen verfolgen zu können; Ulman Stromers Püchel von mein geslecht und von abentewr 1349 bis 1407, in: Chroniken Nürnberg, Bd. 1 (wie Anm. 17), S. 25–106, hier 60. 19 Zwar verweist Ingrid Bátori: Das Patriziat der deutschen Stadt, in: Die alte Stadt 2 (1975), S. 1–30, hier 1 f., darauf, dass der Begriff Patriziat als Selbstbezeichnung vor dem 17./18. Jahrhundert nur vereinzelt belegt ist, bewertet ihn aber als das geringste begriffliche Übel. Zum Gebrauch des Begriffs vgl. Isenmann: Stadt (wie Anm. 5), S. 758–764. 20 Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 79–81. 21 Raimund Eirich: Memmingens Wirtschaft und Patriziat von 1347 bis 1551. Eine wirtschaftsund sozialgeschichtliche Untersuchung über das Memminger Patriziat während der Zunftverfassung. Weißenhorn 1971, S. 92 f.
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III. Als Sohn eines Zimmermanns zeigt sich der Wille zum Aufstieg bei dem Augsburger Ulrich Schwarz deutlich, zunächst mit einem Hauskauf an der Hauptstraße der Stadt.22 Er blieb Mitglied der Zimmerleutezunft, betätigte sich aber im Salzhandel und als Wirt; sein versteuertes Vermögen betrug 1462 vergleichsweise bescheidene 160 Gulden. 1459 gelangte er als Vertreter seiner Zunft in den Kleinen Rat, war 1462 Söldnermeister und 1467 Baumeister, dadurch mit verantwortlich für den städtischen Haushalt. Zwischen 330 und 660 Gulden betrug nunmehr sein Vermögen. Die Mehrheit der kleinen Handwerkerzünfte wählte ihn 1469 zum Bürgermeister, und im jährlichen Wechsel mit dem Baumeisteramt amtierte er bis 1475, bevor er – entgegen der Vorschriften – bis 1478 ununterbrochen das Bürgermeisteramt innehatte. Feststellbar ist ein Vermögenszuwachs auf 1.500 bis 3.000 Gulden, nach seinem Sturz und einer Inventarisierung durch den Rat soll das Vermögen sogar 18.000 Gulden betragen haben. Zwar gelang der gesellschaftliche Anschluss an die Oberschicht nicht, oder er unternahm keine Versuche, aber deren Lebensstil ahmte er mit Gold- und Silbergeschirr sowie deutlich mit seiner Kleidung nach. Er bemühte sich weiterhin um gute Beziehungen zum Adel, sicherlich nicht zur Freude der etablierten Oberschicht. Besonders die führenden Geschlechter lehnten seine auf breitere Einwohnerkreise gestützte Politik ab. Hector Mülich, der vergleichsweise neutral berichtet, notierte, dass Schwarz noch auf dem Weg zur Hinrichtung einen Rock aus Marderfell, einen schwarzen Samtmantel und eine Haube mit großen Perlen trug.23 Die Vorwürfe betrafen in erster Linie Amtsmissbrauch, Unterschlagungen sowie Eigennutz, während in der Wahrnehmung der Zeitgenossen der rasche Aufstieg wichtigster Grund für seinen Sturz war.24 In den Nachträgen zu Mülich, die ein deutlich negatives Bild zeichnen, wird Schwarz als gar geitig auf guet charakterisiert.25 Laut Wilhelm Rem konnte die Familie aber über das Erbe ungeschmälert verfügen.26 Deutlich werden nicht nur in diesem Fall die Abneigung und das Misstrauen der Oberschicht gegenüber Aufsteigern, denen ererbter Reichtum fehlte. Die Berner Aristokratie bezeichnete Inhaber wichtiger Ämter ohne größeres Vermögen als stattkelber, als diejenigen, welche sich von der Stadt ernähren ließen.27 Quasi über seinen Stand hinaus wuchs Peter Egen aus alter Augsburger Ratsfamilie, dessen Vater bereits über Reichslehen und ländlichen Grundbesitz verfügte; seine Mutter entstammte der Nürnberger Familie Waldstromer.28 Nach den Unru22 23 24 25 26 27 28
Zum Folgenden vgl. Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 101 f. Chronik des Hector Mülich. 1348–1487, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 3 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 22). Leipzig 1892, Ndr. Göttingen 1965, S. 1–273, hier 261. Chroniken Augsburg, Bd. 3 (wie Anm. 23), S. 438–440. Ebenda, S. 372. Ebenda, S. 260 f., Anm. 4. Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 102. Zum folgenden vgl. Hartmut Boockmann: Spätmittelalterliche deutsche Stadt-Tyrannen, Ndr. in: Ders.: Wege ins Mittelalter. Historische Aufsätze. München 2000, S. 37–55, hier 39–50. Chronik des Burkard Zink, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 2 (Die
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hen 1368 hatte die Familie dem Druck der siegreichen Opposition nachgegeben und sich einer Zunft angeschlossen, während andere Familien dies verweigerten und die Stadtverfassung von 1374 für sie eine Gesellschaft der Herren vorsah. Bereits 1436 oder 1437 bekleidete Egen, wohl sechsundzwanzigjährig, erstmals das Amt des Zunftbürgermeisters. Seine hervorgehobene Stellung in der Stadt verdeutlicht nicht zuletzt, dass, wie zuvor König Siegmund im Jahr 1431, auch Friedrich III. während seines Aufenthalts in Augsburg 1442 im Rahmen seiner Krönungsreise im Hause Peter Egens wohnte und ihn mit einer Wappenverbesserung belohnte, ebenso konnte Egen sich zukünftig von Argun nennen.29 1446 erwarb er die bischöfliche Waage, den bischöflichen Stadtzoll und die Münze käuflich, was seine Position in der Stadt nochmals verstärkte.30 1450 folgte nicht zum ersten Mal eine Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister Peter Egen und der Ratsmehrheit, in der er wahrscheinlich mit dem Rat abrechnete und ihn des Undanks zieh. Den Hintergrund allerdings bildeten ungenannte Heiratsabsprachen: Elisabeth, eine Pflegetochter von Peter Egen, hatte wohl heimlich dem Sohn von Hans Langmantel, gleichfalls aus alteingesessener, vermögender, aber nichtzünftiger Familie, die Ehe versprochen. Nach dem Bekanntwerden dieses Ereignisses verheiratete Egen Elisabeth umgehend mit einem Ulmer Bürger. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung von Familienbeziehungen fühlten sich die Langmantel schwer gekränkt. Der Konflikt eskalierte auch im Rat, und Egen gab sein Bürgerrecht im Dezember 1450, noch vor dem Ende seiner Amtszeit, auf und verließ umgehend die Stadt. Der ihm eigentlich wohl gesinnte Chronist Burkard Zink sieht im Zeitpunkt der Namensänderung und des Standeswechsels das Ende längerer Überlegungen und einen negativ bewerteten Verhaltenswechsel. Anstelle des alten ließ Egen das neue Wappen anbringen, vor allem aber, so Zink: Als ir nun gehört hand, wie reich und wie gewaltig der obgenant burger Peter Egen wäre, dennocht benüeget in nit, er wolt ie mer gewalts und freihait haben.31 Bereits 1445 hatte Egen nach Abzugsdrohungen und aufgrund der hohen Belastung durch städtische Ämter, die ihn finanziell geschädigt hätten, einen persönlichen Sonderstatus durchgesetzt. Vielleicht wollte er fünf Jahre später nochmals Grenzen ausloten, vielleicht war aber auch seine Ehre zutiefst gekränkt. Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 5). Leipzig 1866, Ndr. Göttingen 1965, S. S. 1–330, hier 196–207. 29 Zur Krönungsreise, wenngleich nicht immer zuverlässig, vgl. Joseph Seemüller: Friedrichs III. Aachener Krönungsreise, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 17 (1896), S. 584–665. 30 Wolfgang Zorn: Augsburg. Geschichte einer europäischen Stadt. 3., erg. Aufl. Augsburg 1994, S. 166; Rolf Kießling: Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Großstadt (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 19). Augsburg 1971, S. 61, 63 Nach Burkard Zink muss Egen die Waage aber spätestens 1431 zumindest pfandweise besessen haben. Chroniken Augsburg, Bd. 2 (wie Anm. 28), S. 132 f. Zu den nicht-zünftigen Familien vgl. auch Clemens Jäger: Der erbern zunft von Webern herkomen, Cronica und jarbuch (955–1545), in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 9 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 34). Stuttgart/Gotha 1929, Ndr. Göttingen 1966, S. 39–250, hier 167–172. 31 Chroniken Augsburg, Bd. 2 (wie Anm. 28), S. 198.
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Da Egen jedoch seinen Augsburger Besitz nicht aufgeben wollte, stellte sich nunmehr die Frage nach der Nachsteuer als Abzugsgeld und den Möglichkeiten der Güternutzung. Allerdings wandte sich Egen an die adlige Gesellschaft mit dem St. Jörgenschild, die nun sein Anliegen mit vertrat, was zu einer Eskalation hätte führen können, zumal Peter Egen 1452 den Augsburger Rat vor das Gericht des keinesfalls städtefreundlichen Markgrafen Albrecht Achilles zitieren ließ. Dennoch brachte ein Tag in Mindelheim Fortschritte, scheiterte aber an einer scheinbaren Kleinigkeit: Der Rat bestand darauf, dass bei zukünftigen Besuchen Peter von Argun als Nichtbürger in einem Gasthaus und nicht im eigenen Anwesen einkehrte, was dieser nicht akzeptierte. Dahinter standen allerdings grundsätzlichere Überlegungen des Rats zu städtischen Freiheiten und Steuerleistungen sowie die Annäherung Egens an den Adel. Die Streitigkeiten am kaiserlichen Hof und vor dem Landgericht in Ansbach zwischen seinen Erben und der Stadt dauerten bis 1459, denn Peter von Argun starb bereits 1452. Und erneut zeigte sich der Rat unversöhnlich, indem er die Begräbnisfeierlichkeiten auf das Minimum beschränkte. Immerhin 10.000 Gulden musste die Stadt schließlich der Familie an Prozesskosten und weiteren Aufwendungen nach dem Schiedsspruch bezahlen. Zink gibt die Schuld an der Eskalation nach dem Auszug von Peter Egen eher dem städtischen Rat, spricht von sicherlich vorhandenem Neid. Andererseits überschritt Egen bewusst Grenzen. Als weiteres Beispiel sei der Zürcher Bürgermeister Hans Waldmann genannt, der als Handwerkslehrling begann, während die Verwandtschaft der Mutter eher wohlhabend war.32 Erst die Teilnahme an zwei Fehdezügen ließ ihn 1461 mit 230 Gulden in den Steuerlisten erscheinen, zuvor waren eher die Beteiligung an Schlägereien und Beleidigungen auffällig. Deutlich wird zudem die Attraktivität von Kriegs- oder Solddiensten, die bei Erfolg reiche Beute versprachen. Ein oder zwei Jahre später erfolgte die Heirat mit einer Witwe, die wohl mehr als 1.000 Gulden in die Ehe einbrachte, zudem erwarb Waldmann dadurch die Anwartschaft auf das Ammanamt des Klosters Einsiedeln. Auch wenn der gesellschaftliche Wert der Ehe schwer einschätzbar ist, folgte zumindest ein wirtschaftlicher Aufstieg, denn 1463 betrug das versteuerte Vermögen des Paars 1.370 Gulden und eine Magd ging ihnen zur Hand. Nach außen dokumentierte diese Entwicklung der Erwerb eines Kirchenstuhls, und Waldmann gelangte 1466 an das Stadtgericht, eine untere Stufe in der Ämterhierarchie. Allerdings wurde seine Wahl zum Zunftmeister der Gerber und damit zum Ratsmitglied mit deftigen Worten nicht bestätigt.33 Waldmann trieb um 1468 nunmehr Eisenhandel und zog 1470 in den Hof des Klosters Einsiedeln. Zu diesem Zeitpunkt versteuerte das Paar 1.840 Gulden und beschäftigte als Indiz gehobener Lebensführung einen Knecht und zwei Mägde. Als Zunftmeister der Kämbelzunft, einer Mischzunft aus Kaufleuten und Handwerkern, gelangte Waldmann 1473 dennoch in den Rat und übernahm das Amt des Landvogts. Doch erst die Burgunderkriege leiteten die letzten Aufstiegsschritte ein, denn neben dem Gewinn von Gut und Ehre wurde er vor der Schlacht von Murten zum Ritter geschlagen, 32 33
Zum Folgenden vgl. Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 102–105. Wir schissent uff inn und gebin ein seich umb inn, soll in der Stadt umgelaufen sein. Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 103.
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erreichte die Standeserhöhung ohne Reichtum und Konnubium durch Bewährung im Krieg.34 1483 gelangte er in das Amt des Bürgermeisters, und zwar unter Störung des eingespielten Wahlturnus. Silbergeschirr, Kleidung sowie schließlich der Erwerb von Feste und Herrschaft Dübelstein um 1.700 Gulden, was etwa einem Vierzehntel seines 1489 verzeichneten Vermögens entsprach, dokumentierten diesen Bedeutungsgewinn. Unverändert lassen sich aber während des Aufstiegs Streitigkeiten über Herkunft und tatsächliche soziale Verortung erkennen. Allerdings stand im 15. Jahrhundert die Möglichkeit grundsätzlich offen, in die gesellschaftliche Führungsschicht von Zürich aufgenommen zu werden; es erfolgte für diese kein Abschluss.35 Wegen Machtmissbrauchs folgten 1489 Sturz und Hinrichtung und, wie bei Ulrich Schwarz, fehlten verwandtschaftliche Bindungen zur Oberschicht, störte Waldmann die Folge eingefahrener Ämterwechsel, erfolgte der Aufstieg zum Gipfel politischer Macht in kurzer Zeitspanne. Dabei handelte es sich um einen Konflikt innerhalb der Führungsschicht,36 während der rasche Aufstieg keine Ausnahme bildete.37 Selbst die Standeserhöhung brachte letztlich keine weitere Legitimation, die entscheidenden Netzwerke blieben versperrt. Charakterisiert wird seine Herrschaft als willkürlich, eigenmächtig und von Geldgier bestimmt,38 wobei der neu erworbene Reichtum angesichts zahlreicher Subsidienempfänger in der Eidgenossenschaft nicht Gegenstand der Vorwürfe sein konnte. Reichtum und Konnubium alleine reichten eben nicht für den sozialen Anschluss an die Oberschicht, der prinzipiell noch möglich war. Vornehmlich geduldiges Warten auf Anerkennung hingegen, ohne große eigene Initiativen, konnte nach Jahrzehnten zur Akzeptanz führen. Bei Waldmann und Schwarz war dies nicht der Fall, während Peter Egen aus seinem Kreis quasi herauswuchs, eine Sonderrolle beanspruchte, dabei aber auf Machtpositionen schließlich verzichtete. Eine derartige Abgrenzung von den bisherigen Standesgenossen endete beispielsweise für Heinrich Toppler und Niklas Muffel mit der Hinrichtung.39 34
35 36 37 38 39
Mit weiteren Beispielen Hans-Jörg Gilomen: Wirtschaftliche Eliten im spätmittelalterlichen Reich, in: Rainer C. Schwinges/Christian Hesse/Peter Moraw (Hg.): Europa im späten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur (Historische Zeitschrift, Beihefte [N.F.] 40). München 2006, S. 357–384, hier 378–383; Karl-Heinz Spieß: Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im Spätmittelalter, in: Kurt Andermann/Peter Johanek (Hg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel (Vorträge und Forschungen 53). Stuttgart 2001, S. 1–26, hier 16. Zu Murten vgl., wenngleich sehr positiv wertend und mit Betonung der Rolle Waldmanns, Hans Rudolf Kurz: Schweizerschlachten. 2., bearb. u. erw. Aufl. Bern 1977, S. 107–136. Waldmann war der einzige Zunftmeister, zudem der einzige Nicht-Konstaffler, der im 15. Jahrhundert diese Würde erhielt. Ulrich Schlüer: Untersuchungen über die soziale Struktur von Stadt und Landschaft Zürich im fünfzehnten Jahrhundert, Zürich 1978, S. 166. Schlüer: Untersuchungen (wie Anm. 34), S. 138 f. Vgl. knapp Erwin Eugster: Die Entwicklung zum kommunalen Territorialstaat, in: Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 1: Frühzeit bis Spätmittelalter. Zürich 1995, S. 299–335, hier 330 f. Hans-Jörg Gilomen: Innere Verhältnisse der Stadt Zürich 1300 – 1500, in: Geschichte Kanton Zürich (wie Anm. 36), S. 336–389, hier 346 f. Adrian Hofacker: Art. Waldmann, Hans, in: Lexikon des Mittelalters 8 (1997), Sp. 1958. Vgl. Ludwig Schnurrer: Heinrich Toppler, in: Fränkische Lebensbilder (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Lebensbilder VII A, 2). Würzburg 1968, S. 104–132; Gerhard Fou-
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IV. Dennoch wird das Streben nach Reichtum nicht verurteilt, was schon angesichts der finanziellen Situation der Führungsschicht unverständlich wäre.40 Aber nicht immer waren die politisch führenden Familien auch die finanzkräftigsten, und häufig genug lässt sich ein finanzieller Abstieg dieser beobachten. Noch am ehesten stiegen, wie erwähnt, vermögende Neubürger in den erlesenen Kreis der politischen Führungsschicht auf, aber z. B. in Nürnberg gegen Ende des 15. Jahrhunderts ebenfalls nur als Ausnahme. Doch nach dem Verzeichnis von Christoph Scheurl, das sicherlich nicht in allen Fällen die Vermögensverhältnisse korrekt widerspiegelt, stammten die drei reichsten Einwohner der Stadt Nürnberg aus der Fremde. Mit deutlichem Abstand kennzeichnet er Hans Schütz (Chemnitz), Hans Thumer (Pettau) und Heinrich Wolf (Nördlingen) als die reichsten Bürger, denen er jeweils ein Vermögen von 100.000 Gulden zusprach. Ihnen folgen Peter und Heinrich Meichsner (Steiermark), Wilhelm Löffelholz, Georg Schlaudersbach (Graz), Kunz Horn, Hans Rech und Hans Schmidmaier (Österreich). Unter den insgesamt 100 von Scheurl benannten Bürgern gehörten nur Wilhelm Löffelholz und Georg Koler zu jahrzehntelang Ratsherren stellenden Geschlechtern, ergänzt um Heinrich Meichsner und Heinrich Wolf, dessen Ratsmitgliedschaft Kaiser Maximilian I. durchsetzte. Kredite an Maximilian führten übrigens bei Heinrich Wolf zum Verlust des Vermögens, und die Ratsmitgliedschaft sowie die Ernennung zum kaiserlichen Rat dürften diesen keineswegs kompensiert haben. Alle diese Familien gelangten als Montanunternehmer und Großkaufleute zu ihrem Vermögen, doch neben Reichtum, Konnubium mit eingesessenen Familien und Stiftungstätigkeit verweist Peter Fleischmann auf „weiche“ Kriterien wie generationenlange Annäherung, eine ausgeprägte verwandtschaftliche Einbindung sowie die persönliche Bewährung als Voraussetzung für die Aufnahme in den erlauchten Kreis.41 Auch Stiftungen konnten förderlich wirken. Wie schon in Zusammenhang mit Ulrich Schwarz erwähnt, schloss sich in Augsburg ein kleiner Teil der Bürgerschaft nach den Unruhen von 1368 keiner Zunft an, sondern vereinigte sich zur Gesellschaft auf der Bürgerstube. Die ihr zugehörigen 51 Geschlechter bezeichneten sich als „Bürger“. Der Abschluss erfolgte 1383 bei einem Bestand von mindestens 22 Geschlechtern als „Herrenstube“. Nach dem Sturz von Schwarz gründeten die mit den Geschlechtern versippten Kaufleute die „Gesellschaft der Mehrer“, eine erste Ordnung datiert diese auf 1481, und bildeten das Bindeglied zwischen Patriziat und zünftigen Handwerkern. Erfolgt war
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quet: Die Affäre Niklas Muffel. Die Hinrichtung eines Nürnberger Patriziers im Jahre 1469, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 83 (1996), S. 459–500. Für Werner Sombart gehen beim kapitalistischen Unternehmer Machtstreben und Erwerbsstreben ineinander über, und die Verbindung von Unternehmergeist und Bürgergeist gilt ihm als kapitalistischer Geist: Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus, Bd. I: Die vorkapitalistische Wirtschaft. Ndr. d. 2., neugearb. Aufl. München/Leipzig 1916, München 1987, S. 329. Fleischmann: Rat und Patriziat, Bd. 1 (wie Anm. 12), S. 246; Hallerstein, Größe (wie Anm. 13), passim. Zu Wolf ebenda S. 121 f. In Zürich dagegen zählten die Ratsherren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu den reichsten Bürgern, der Abstand zu den Zunftmeistern, auch den Handel treibenden, vergrößerte sich sogar. Schlüer: Untersuchungen (wie Anm. 34), S. 97.
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damit der teilweise Zusammenschluss des Patriziats mit der Oberschicht der Kaufleutezunft, aber auch Mitglieder der Salzfertiger-, Kramer- und Weberzunft fanden Aufnahme in den Kreis der Mehrer.42 Entscheidend erwiesen sich neben dem Reichtum die Eheverbindungen. V. In die allgemeine Akzeptanz des Reichtums mischte sich aber auch deutliche Kritik an den schnellen und hohen Gewinnen der Kaufleute, insbesondere der Aufsteiger sowie der Handelsgesellschaften. Dem ehrlichen Kaufmann stellte z. B. Wilhelm Rem 1519 Betrug und Veruntreuung gegenüber und bemängelte die kritiklose Hinnahme des Geschäftsverhaltens der großen Kaufleute sowie die Bezeichnung von Dieben als geschickten Leuten. Bei diesen nun stand nicht zu tolerierender Eigennutz über dem gemeinen Wohl. Insbesondere drei negative Praktiken nennt allgemein und verkürzend die Chronistik: Wucher, Falschmünzerei sowie Bankrott.43 Gerade aber der Wuchervorwurf war bereits seit langem schnell zur Hand, um Kaufleute und ihre Gewinne zu kritisieren, zumal eine konkrete Definition von Wu42
Friedrich Blendinger: Die wirtschaftlichen Führungskräfte in Augsburg 1430–1740, in: Herbert Helbig (Hg.): Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und Neuzeit, 1350–1850 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 6). Limburg/Lahn 1973, S. 51–86, hier 56; Isenmann: Stadt (wie Anm. 5), S. 801 f.; Zorn, Augsburg (wie Anm. 30), S. 172 f. Unter anderem wurde Schwarz in einem Spruchgedicht vorgeworfen, Tanzhaus und Herrentrinkstube für Zunftmitglieder zu öffnen, derart die soziale Hierarchie einzuebnen (trinckstuben, tantzhaus wolt er verwandlen, es solt sein ainem als dem andern). Chroniken Augsburg, Bd. 3 (wie Anm. 23), S. 357. 43 Mark Häberlein: „Die Tag und Nacht auff Fürkauff trachten“. Augsburger Großkaufleute des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts in der Beurteilung ihrer Zeitgenossen und Mitbürger, in: Johannes Burkhardt (Hg.): Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils (Colloquia Augustana 3). Berlin 1996, S. 46–68, hier 52. Rem schrieb: Anno dmi. 1519 da was die statt hie under den burgern und kaufeutten in grossem aufnemen und grossem reichtumb, als kein statt in hochen teutschen landen was. Es waren vil reicher burger, die kafleut waren, die hetten gros geselschaften mit ainander und waren reich; aber ettlich waren under ainander untreu, sie beschissend ainander umb vil tausent guldin. Darumb so wurden öbresten in den geselschaften, die die rechnung machten, fast reich weder die andren, die nicht bei der rechnung waren. Die also reich wurden, die hies man geschickt leutt, man sagt nicht, das sie so gros dieb weren. Und wan sie sich zusamen verbunden in ain gesellschaft, so machten sie verschreibung, wan die öbresten, die gesellschafter waren, rechnung machten. Da sollten sich die diener und die andren, den ir gelt auch zu gewin und verlust lag, an söllicher rechnung lassen beniegen und sollten iren schlechten worten darum gelauben. Sollich verschreibung machendt gros dieb, daß wol zu glauben ist, daß gröser dieb nicht sein dan die öbresten in etlichen gesellschaften. Es machten zu zeitten die geselschafter etlich aus einer geselschaft rechnung mitainander, daß sie nicht all beiainander waren, die dan auch darbei sollten gewesen sein lautt irer verschreibung; so hetten es, die nicht darbei waren, grosen nachtail, als man sagt, 3 in 4 in 5 M fl; wolten sie dan mit friden sein, so müsten sie nehmen, was man in gab, dan die andren hetten das ir in henden; Cronica newer geschichten von Wilhelm Rem, 1512–1527, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 25). Leipzig 1896, Ndr. Göttingen 1966, S. 1–265, hier 116 f.
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cher fehlte, die Grenzen stets fließend blieben. Falschmünzerei beinhaltete vor allem die bewusste Verbreitung schlechter, untergewichtiger Münzen. Hinter Konkursen wiederum stand immer auch der Vorwurf des Betrugs, den spektakulären Bankrott der Höchstetter 1529 führt Clemens Sender auf Eigennutz und Treulosigkeit zurück.44 Zusätzlich intensivierte sich der Kampf gegen Monopole; der Monopolbegriff muss für das 15. und 16. Jahrhundert weiter gefasst werden als heute üblich. Allgemein zielten Monopole einerseits auf die Ausübung von Marktmacht ab, sei es als Anbieter, sei es als Nachfrager, um die Preise bestimmter Waren entscheidend zu bestimmen; andererseits sind die Gewinne und die Kapitalausstattungen der Handelsgesellschaften gemeint, die ihrerseits vor allem auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23 ins Zentrum der Kritik gerieten.45 Doch besonders das Engagement in der Montanindustrie kostete immense Summen, und bei der Mehrzahl der oberdeutschen Gesellschaften oder Firmen handelte es sich um Vereinigungen von wenigen Verwandten, die allerdings auch mit Fremdkapital arbeiteten. Wesentlich größere Kreise von Anteilseignern kannten dagegen die Welser-Vöhlin oder die Haug-Langnauer-Linck-Gesellschaften.46 Konflikte zwischen den Augsburger Handelsfirmen mit den wechselseitigen Vorwürfen unlauterer Geschäftspraktiken beschädigten deren Außenwahrnehmung zusätzlich.47 Bei dem Problemkreis der großen Handelsgesellschaften ließ der Augsburger Rat das Regiment des Nürnberger Reichstags wissen, dass deren Handel grundsätzlich vorteilhaft sei und dass bei einem Verbot der Gesellschaften zu Schaden des Reichs sowie seiner Glieder ausländische Kaufleute und Gesellschaften an ihre Stelle treten würden. Auch sähen weder das Kirchenrecht noch das kaiserliche Recht Beschränkungen vor.48 Dennoch plädierten auf dem Reichstag die mit der Monopolfrage befassten Ausschüsse – sowohl kleiner als auch großer – gegen die Gesellschaften als dem gemeinen Nutzen abträglich.49 Einen weiteren, vermutlich verbreiteten Kritikpunkt in Hinblick auf die Rechtsprechung benannte der Maler Georg Preu d. Ältere, als er formulierte: Das ist die straff gewesen, wie ain sprichwort ist. Dem reichen als dem reichen, dem armen, daß got erbarmen.50 44 Häberlein: Großkaufleute (wie Anm. 43), S. 56–58. Vgl. Die Chronik von Clemens Sender von den ältesten Zeiten der Stadt bis zum Jahre 1536, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 23). Leipzig 1894, Ndr. Göttingen 1966, S. 1–404, hier 219–237. 45 Bernd Mertens: Im Kampf gegen die Monopole. Reichstagsverhandlungen und Monopolprozesse im frühen 16. Jahrhundert (Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 81). Tübingen 1996, S. 2, 52. 46 Mark Häberlein: Brüder, Freunde und Betrüger. Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts (Colloquia Augustana 9). Berlin 1998, S. 341–343, 377–379. 47 Häberlein: Großkaufleute (wie Anm. 43), S. 50–53. 48 Adolf Wrede (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 3. Gotha 1901, Ndr. Göttingen 1963, S. 561–571. 49 Ebenda, S. 571–599. 50 Die Chronik des Augsburger Malers Georg Preu des Älteren. 1512–1537, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 6 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 29). Leipzig 1906, Ndr. Stuttgart 1966, S. 1–83, hier S. 54.
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Wie auch sonst wendet sich die Augsburger Chronistik nicht zuletzt vor dem Hintergrund steigender Preise des 16. Jahrhunderts, trotz verschiedener Standpunkte der Autoren, gegen die rasche Anhäufung von Reichtum, die eben die städtische wie auch die ständische Gesellschaft in Frage stelle, dem gemeinen Nutzen schade.51 Auch die Forschung konstatiert, die zeitgenössische Wahrnehmung bestätigend, einen Wandel im Wirtschaftsgebaren der Kaufleute, der ansatzweise zu Beginn des 15. Jahrhunderts erkennbar ist, aber erst am Jahrhundertende seine volle Wirkung entfaltete.52 Gegenläufige Argumentationen etwa Konrad Peutingers, dass Eigennutz durchaus dem gemeinen Nutzen förderlich sein kann, blieben Ausnahmen.53 Bei den Fuggern zeigen sich widersprüchliche Tendenzen: Zeichnete der mit einer Schwester Jakobs d. Reichen, Walburga Fugger, verheiratete Wilhelm Rem ein negatives Bild, traten bei Georg Preu d. Ä. noch konfessionelle Abneigungen hinzu, so war die Beurteilung von Clemens Sender gegenteilig. Vor allem aber Fremde zeichneten ein positives Bild der Familie, die wie die Welser um 1480 hervorzutreten begann. 1538, es lässt sich kein geäußertes Engagement erkennen, fanden die Fugger schließlich mit 38 anderen Familien Eingang in das auf acht Familien zusammengeschmolzene Patriziat der Stadt;54 dagegen wurde Jakob Fugger bereits 1514 mitsamt seinen Neffen Anton und Raymund – alle drei waren kaiserliche Räte – in den Reichsgrafenstand erhoben. Eine wichtige Rolle im Rat und den städtischen Ämtern spielten sie aber nicht, zumal ihre eindeutige konfessionelle Ausrichtung umfassende innerstädtische Verbindungen erschwerte, sie aber diese wohl ohnehin kaum anstrebten.55 Ihre Kleidung fiel jedoch zuvor auf, und so bemerkte Wilhelm Rem, wenngleich entschuldigend, für 1518: Also fiengen des Fuggers und Adlers volck an und trugen schlairlin wie die edlen frauen. Man sagt 51
Vgl. Michael North: Das Bild des Kaufmanns, in: Michael Schwarze (Hg.): Der neue Mensch. Perspektiven der Renaissance (Eichstätter Kolloquien 9). Regensburg 2000, S. 233–257, hier 243–248; Winfried Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 591– 624. 52 Joachim Riebartsch: Augsburger Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts. Eine vergleichende Darstellung ihres Eigenkapitals und ihrer Verfassung. Bergisch Gladbach/Köln 1987, S. 295 f. 53 Häberlein: Großkaufleute (wie Anm. 43), S. 66–68; Kellenbenz: Wirtschaftsgeschichte (wie Anm. 1), S. 215. Vgl. aus der älteren Literatur Clemens Bauer: Conrad Peutinger und der Durchbruch des neuen ökonomischen Denkens an der Wende zur Neuzeit, Ndr. in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Freiburg/Basel/Wien 1965, S. 253– 265; ders.: Conrad Peutingers Gutachten zur Monopolfrage. Eine Untersuchung zur Wandlung der Wirtschaftsanschauungen im Zeitalter der Reformation, in: Archiv für Reformationsgeschichte 45 (1964), S. 1–43, 145–196. Kritisch zu diesen Wertungen als neuem Denken Mertens: Kampf (wie Anm. 45), S. 158–160. 54 Wolfgang Wüst: Das Bild der Fugger in der Reichsstadt Augsburg und in der Reiseliteratur, in: Burkhardt (Hg.): Handelshäuser (wie Anm. 43), S. 69–86. 55 Mark Häberlein: Die Fugger. Geschichte einer Augsburger Familie (1367–1650). Stuttgart 2006, S. 164–166. Zu den von den Welsern, Herbrot, Seitz und Fuggern geknüpften Netzen vgl. ausführlich Katarina Sieh-Burens: Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518–1618 (Schriften der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg. Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe 29). München 1986.
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des Fuggers volck hett es an den kaiser lassen bringen, daß er die frauen bitten solt, er hett es sunst nit gethon.56 Auch die Manlich erwirtschafteten seit ihrem Zuzug zumindest bis in die dritte bzw. die Anfänge der vierten Generation hohe Vermögenswerte, wobei sich bei ihnen neben dem überwiegenden Aufwärtstrend immer wieder Phasen mit Rückschlägen erkennen lassen, bevor 1564 der Bankrott von Christoph Manlich und Gebrüder folgte, Melchior Manlich fallierte schließlich zehn Jahre später.57 Für Köln lassen sich Brüche in den Führungsschichten erkennen: Zunächst kristallisiert sich im 13. Jahrhundert der Konflikt zwischen den Weisen sowie den Overstolzen und ihrem Anhang heraus, wobei letztere ritterschaftliche Lebensformen pflegten. Der Kölner Chronist Gottfried Hagen, tendenziell auf Seiten der späteren Sieger stehend, dürfte die Frontstellung allerdings zu sehr personalisiert haben. Da die Weisen ihre Position bedroht sahen, verbündeten sie sich 1267 mit dem Kölner Erzbischof Engelbert von Falkenburg. Zwar führte ein Schiedsgerichtsverfahren noch zu einem Ausgleich, der aber nur von kurzer Dauer war. Ein Angriff der Weisen auf ihre Gegner im folgenden Jahr scheiterte, worauf ihr Rückzug nach Bonn erfolgte. Der Versuch, Köln zu erobern, endete im Fiasko. Damit war der Weg für eine Neuordnung der Oberschicht durch die Overstolzen frei, denen es in der Folge jedoch gelang, auch ehemalige Gegner zu integrieren, bevor Ende des 14. Jahrhunderts eine weitere Neuordnung erfolgte. Allerdings verfügten zahlreiche nun dominierende Geschlechter schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts über Machtteilhabe. Um 1300 besetzten dann diejenigen Familien des Geschlechterverbands den Rat, welche die politische Macht bei kurzer Unterbrechung durch die Weberherrschaft bis 1396 innehaben sollten.58 Ab 1341 galt sogar die Bestimmung, dass der turnusmäßig ausscheidende Ratsherr einen Nachfolger aus seiner Familie präsentieren sollte, und bei dessen Nichtwahl durch den Rat mussten die Ratsherren mehrheitlich ein anderes Mitglied des Geschlechts wählen. Da schon der Mangel an ratsfähigen Personen aus diesem engen Kreis das Prinzip nicht 56 57
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Chroniken Augsburg, Bd. 5 (wie Anm. 43), S. 84. Riebartsch: Handelsgesellschaften (wie Anm. 52), S. 118 f., 199–202, 385–390. Vgl. zur Familie ausführlich Gerhard Seibold: Die Manlich. Geschichte einer Augsburger Kaufmannsfamilie (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 35). Sigmaringen 1995; zu den Bankrotten S. 108–113, 145–154. Als Jacob Kirchmair 1548 darum ersuchte, in den Kreis der Mehrer aufgenommen zu werden, wurde es ihm mit der Begründung abgeschlagen, dass er seine Frau ohne Wissen und Zustimmung von deren Mutter und Verwandtschaft geheiratet habe. Paul Hector Mairs Chronik von 1547–1565, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 7 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 32). Leipzig 1917, Ndr. Göttingen 1966, S. 21–396, hier 105 f. Manfred Groten: Köln im 13. Jahrhundert. Gesellschaftlicher Wandel und Verfassungsentwicklung (Städteforschung A 36). 2., durchges. Aufl. Köln/Weimar/Wien 1998, S. 275–301; Gotfried Hagen: Dit is dat boich van der stede Colne, in: Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Cöln, Bd. 1 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 12). Leipzig 1875, Ndr. Göttingen 1968, S. 1–223, hier 137–170. Das Werk wurde neu herausgegeben von: Kurt Gärtner u. a. unter Mitarbeit von Manfred Groten [Hg.]: Gottfried Hagen: Reimchronik der Stadt Köln [Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 74]. Düsseldorf 2008.
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durchhalten ließ, konnten weitere, in der Regel verwandtschaftlich verbundene Familien in diesen überschaubaren Machtzirkel vorstoßen.59 Das Ende der Geschlechterherrschaft sah das Jahr 1396, nachdem die Geschlechter sich in Parteien gespalten hatten und wohlhabende, wirtschaftlich aktive Gruppen nach Machtteilhabe strebten.60 Bekanntlich bestimmte der Verbundbrief von 1396, dass alle politische Macht von den 22 Gaffeln ausging, um das Machtgefüge zu erweitern. Anders als gut einhundert Jahre zuvor, stiegen nun überwiegend Familien in den Rat auf, die diesem zuvor nicht angehört hatten. Zwar dominierten die beiden Kaufleutegaffeln Eisenmarkt und Schwarzhaus rasch das Bürgermeisteramt, doch setzte eine Wiederwahl nach zweijähriger Pause erst zögerlich ein. Ab den 1440er Jahren wurde dann die Wiederwahl der Bürgermeisterpaare zum Regelfall, und sukzessive lässt sich wieder eine Gruppenbildung erkennen sowie eine Beschränkung der das Bürgermeisteramt besetzenden Familien.61 Die durch die Auseinandersetzung mit dem Burgunderherzog Karl dem Kühnen deutlich verschlechterte Finanzlage mündete 1481/82 in eine Revolte gegen den Rat. Erneut gelangten bisher nicht vertretene und wirtschaftlich erfolgreiche Familien in die höchsten Stadtämter. Eine nochmalige Verengung verhinderten vorerst die Unruhen von 1512/13, an deren Ende der Transfixbrief als Ergänzung des Verbundsbriefs diesem angeheftet wurde, nicht zuletzt um konkrete Missstände auszuräumen. Dennoch bildete sich bis 1521/22 wieder ein enger Clan von Bürgermeisterfamilien, und das durch Heiratsverbindungen konstituierte Familiennetzwerk von elf Familien, darunter die Rinck, stellte mehr als die Hälfte der Bürgermeister zwischen 1513 und 1600. Damit erinnern die Verhältnisse des 16. Jahrhunderts anders als die des 15. wieder an die Zeit vor 1396.62 Doch auch Neubürgern standen im 15. Jahrhundert noch Ratssitze offen, darunter vermögende Goldschmiede und Juweliere, wenngleich sie sich in der ersten Generation seltener als Bürgermeister nachweisen lassen. Zu diesen gehörte beispielsweise der Goldschmied Johann Breide, der 1435 das Bürgerrecht erwarb, von 1437 bis 1468 Ratsmitglied blieb und 1456/57 erstmals Bürgermeister wurde. Hermann Rinck erwarb 1458 das Bürgerrecht, die erste Wahl zum Bürgermeister datiert auf das Jahr 1480, und er verheiratete seine Töchter mit Söhnen aus Bürgermeisterfamilien; zu Beginn des 16. Jahrhunderts zählten drei Familienmitglieder zu den ausgesprochen wohlhabenden Kölnern.63 59 60
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Wolfgang Herborn: Entwicklung der Professionalisierung der politischen Führungsschicht der Stadt Köln, in: Schulz (Hg.): Sozialer Aufstieg (wie Anm. 5), S. 29–47, hier 31 f. Zum Folgenden vgl. Wolfgang Herborn, Kölner Verfassungswirklichkeit im Ancien Régime, in: Wilfried Ehbrecht: Verwaltung und Politik in Städten Mitteleuropas. Beiträge zu Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit in altständischer Zeit (Städteforschung A 34). Köln/ Weimar/Wien 1994, S. 85–113. Vgl. Franz Irsigler: Soziale Wandlungen in der Kölner Kaufmannschaft im 14. und 15. Jahrhundert, in: Hansische Geschichtsblätter 92 (1974), S. 59–78. Jüngst betonte Knut Schulz: Handwerk, Zünfte und Gewerbe. Mittelalter und Renaissance. Darmstadt 2010, S. 65 f., erneut, dass die Konzentration auf die Zahl der tatsächlich besetzten Ratssitze durch Handwerker den Blick darauf verstelle, dass die Inhalte der Ratsentscheide genauer daraufhin untersucht werden müssen, wem diese nutzen oder schadeten, der Einfluss der Gaffelmitglieder mithin höher bewertet werden muss. Herborn: Verfassungswirklichkeit (wie Anm. 60), S. 113. Zu den Neubürgern vgl. Jochen Hermel: Die Einbürgerung Kölner Neubürger im 15. und 16.
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Damit gelang, ähnlich wie in Nürnberg, zunächst Fremden eher der Aufstieg in den Kreis der führenden Familien, während innere Unruhen und die jeweils folgenden Jahrzehnte städtische Kaufleute in den Kreis der ratsfähigen Geschlechter aufsteigen ließen. Ein grundlegender Unterschied zu Nürnberg lag darin, dass die meisten Kölner Bürgermeister aktiv am Handel teilnahmen und sich nicht aus diesem zurückzogen. Hinzuweisen ist aber noch auf den vermögenden und einflussreichen Kölner Gerhard Unmaze, der seinen Namen bereits um 1170 in „de Curia“ änderte, da Unmaze durchaus negativ verstanden werden konnte.64 Wie schon angesprochen, zeigt sich die Sozialstruktur Lübecks ausgeglichener, und am Fernhandel beteiligten sich vergleichsweise mehr Bürger als in Oberdeutschland. Neben dem Aufstieg in der Hansestadt zeigt sich aber auch der Verlust der gesellschaftlichen Position, wie vor allem am Beispiel von Hildebrand Veckinchusen anschaulich untersucht wurde.65 Differenzieren lässt sich die Führungsschicht zunächst in diejenigen Großkaufleute, die im gesamten hansischen Raum handelten, dazu über Einkünfte aus Renten, Krediten und Schiffsanteilen sowie über Grundbesitz verfügten. Ihnen nachgeordnet sind die mittleren Kaufleute verortet, deren Handel zumeist auf ein Handelsgebiet beschränkt blieb. Hinsichtlich des Vermögens standen ihnen Schiffreeder und große Brauer, aber auch ein Teil der Gewandschneider, nicht nach. Und aus diesen Gruppen, nicht aus denen der übrigen Detailhändler oder Krämer, konnte der Aufstieg in die auch politisch führende Schicht der Großkaufleute gelingen.66 Den Rat allerdings besetzten ausschließlich Kaufleute, und bereits seit dem dritten oder vierten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts kooptierte der Rat die nachrückenden Mitglieder; auf eine zweijährige Amtsdauer folgte eine einjährige Pause. Im 14. Jahrhundert wurde die lebenslange Ratsmitgliedschaft zur Regel.67 Ein Abschluss dieser Schicht erfolgte aber nicht, und Aufsteiger konnten zumeist über Heiratsverbindungen mit Ratsfamilien selbst in das Gremium einrücken. Aus dem Kreis der Oberschicht hob sich die vermutlich am 2. September 1379 gegründete Zirkel-Gesellschaft nochmals ab, deren ursprünglich nur neun Mitglie-
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Jahrhundert. Frequenz – Herkunft – Integration, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 78 (2007), S. 37–70, hier 62–68. Zu den wirtschaftlichen Aktivitäten der Familie Rinck vgl. Franz Irsigler: Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert. Strukturanalyse einer spätmittelalterlichen Exportgewerbe- und Fernhandelsstadt (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 65). Wiesbaden 1979, S. 72, 78, 80, 82, 97, 148, 189, 197, 236, 312; Hermann Kellenbenz: Die wohlhabendsten Kölner Bürger um 1515, in: Friedrich Prinz/Franz-Josef Schmale/Ferdinand Seibt (Hg.), Geschichte in der Gesellschaft. FS Karl Bosl zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1974, S. 264–291, hier 272 f. Sonja Zöller: Besitzkonzentration in einer mittelalterlichen Großstadt. Grund- und Hausbesitz der Kölner Familie Unmaze in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in: Uwe Bestmann/ Franz Irsigler/Jürgen Schneider (Hg.), Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. FS für Wolfgang von Stromer, Bd. 1. Trier 1987, S. 103–126. Franz Irsigler: Der Alltag einer hansischen Kaufmannsfamilie im Spiegel der VeckinchusenBriefe, in: Hansische Geschichtsblätter 103 (1985), S. 75–99. Erich Hoffmann: Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die große Zeit Lübecks, in: Antjekathrin Graßmann (Hg.): Lübeckische Geschichte. 3., verb. u. erg. Aufl. Lübeck 1997, S. 79–339, hier 185–188. Ebenda, S. 222 f.
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der einen adligen Lebensstil pflegten. Innerstädtisch wurden sie bald als „Junker“ bezeichnet. Mitte des 15. Jahrhunderts folgte die Kaufleute-Kompanie, die aber nicht in Konkurrenz zur Zirkel-Gesellschaft trat und deren bedeutendste Angehörige in die vornehmere Gesellschaft aufgenommen werden konnten. Der aus Dortmund zugewanderte Hinrich Castorp war 1450 Altermann des Brügger Kontors, 1451 Ratsmitglied und amtierte von 1462 bis 1488 als Bürgermeister. Seit 1452 gehörte er der Zirkel-Gesellschaft an. Dies belegt die Aufstiegsmöglichkeiten Fremder bis in höchste Ämter, wenngleich nicht als Regelfall. Um Castorp hatte sich zuvor die Kaufleute-Kompanie, ein Zusammenschluss gleichfalls vermögender Fernhändler, formiert. Grundsätzlich dürfte in der Mehrheit der nordwestdeutschen Städte auch im 16. Jahrhundert eine gegenüber Neumitgliedern offene Führungsschicht vorgeherrscht haben.68 In den Jahren 1465 und 1466 stellte die Zirkel-Gesellschaft 19 von 20 Ratsherren, während sie in den 1480er Jahren im Regelfall zwei Drittel der Ratssitze besetzte. Bis 1509 sank ihr Anteil auf die Hälfte und bis 1530 auf ein Drittel. Insbesondere die Kaufleute- und die Greveraden-Kompanie vergrößerten ihren Anteil. In der Greveraden-Kompanie vereinten sich vornehmlich reiche Kaufleute, die erst in jüngerer Zeit nach Lübeck gezogen waren; ihnen blieb die Zirkelgesellschaft versperrt und auch die Kaufleute-Kompanie rangierte in der sozialen Verortung vor ihnen.69 Weitere Bruderschaften unterliefen partiell die Grenzen dieser exklusiven Zusammenschlüsse.70 Auch italienische Kaufleute konnten ihre Integration bewerkstelligen. So heiratete der Florentiner Gherardo Bueri 1428 eine Lübeckerin; sicherlich gelang ihm nicht der Sprung in den Rat, auch die Zirkelgesellschaft blieb verschlossen, aber in öffentlichen Ämtern ist Bueri nachweisbar.71 Nach 1580 lebten zahlreiche Mitglieder der Zirkel-Gesellschaft auf ihren Landgütern, durchaus eine Parallele zum Süden Deutschlands.72 VI. Durchgängig sind uns Aufsteiger als erfolgreiche Kaufleute begegnet, denen mittels erworbenem Reichtum und Heiratsverbindungen der Anschluss an die Oberschicht gelang. Aber andere Wege blieben ebenfalls möglich. Sorgfältig pflegte Henman 68 69 70
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Herbert Knittler: Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit (Querschnitte 4). Wien/München 2000, S. 158. Sonja Dünnebeil: Die Lübecker Zirkel-Gesellschaft. Formen der Selbstdarstellung einer städtischen Oberschicht (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck B 27). Lübeck 1996; zu den Ratssitzen S. 141 f. Heinrich Dormeier: Religiöse Bruderschaften der „Oberschicht“ in Lübeck im 15./16. Jahrhundert: Frömmigkeitsformen, soziale Beziehungen und wirtschaftliche Interessen, in: Antjekathrin Graßmann (Hg.): Der Kaufmann und der liebe Gott. Zu Kommerz und Kirche in Mittelalter und Früher Neuzeit (Hansische Studien 17). Trier 2009, S. 21–44, passim. Gerhard Fouquet: Ein Italiener in Lübeck: Der Florentiner Gerardo Bueri († 1449), in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 78 (1998), S. 187–220, bes. 200–209. Dünnebeil: Zirkel-Gesellschaft (wie Anm. 69), S. 148.
Sozialer Aufstieg in der städtischen Chronistik und Wahrnehmung
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Offenburg aus Basel seine Beziehungen zu König Sigismund, und zwar zunächst als Privatmann, nicht als Gesandter seiner Heimatstadt. Offenburg erwähnt für 1417, dass der Herrscher während des Konzils für einen Monat sein Schlafgenosse war. Dagegen ist über die konkreten Geschäftsbeziehungen weniger bekannt, doch bei einem versierten Finanzmann und einem stets Mittel benötigenden Herrscher liegen Vermutungen nahe. Der Sohn eines Apothekers wuchs zwar in diesen Beruf hinein, wirkte aber als Kaufmann und während des Konstanzer Konzils als Wechsler und Bankier. Betrug sein versteuertes Vermögen 1401/02 1.000 bis 1.500 Gulden, so lag der Wert 1429 bei mehr als 9.500 Gulden. Jedoch hatte sich Offenburg bereits 1423 aus dem aktiven Geschäftsleben zurückgezogen und musste 1421 zwei Töchter aussteuern, sodass sein Vermögen Anfang der 1420er Jahre wahrscheinlich über dem von 1429 gelegen hatte. Noch während des Konstanzer Konzils erfolgte im März 1417 die Erhebung in den Adelsstand. Bereits 1406/07 amtierte Offenburg als Ratsherr und stand an der Spitze der Safranzunft, profitierte vom politischen Machtwechsel 1410 und saß 1423 als Vertreter der Hohen Stube im Rat. In das Basler Patriziat konnte in diesen Jahrzehnten aber jeder aufsteigen, der über genügend Vermögen verfügte, um nicht arbeiten zu müssen, und sich anderen Beschäftigungen hingeben konnte. Nach außen dokumentierte – wie bei seinen Mitstreitern – der Kauf eines innerstädtischen Adelssitzes in bevorzugter Wohnlage den Statuswechsel, aber die neue Führungsschicht musste nun ihre Legitimation unter Beweis stellen, und damit ließ sich das Geschäftsleben kaum vereinbaren; Offenburg vertrat als Diplomat seine Heimatstadt. Auf der Tiberbrücke in Rom erhielt er schließlich 1433 den Ritterschlag von Sigismund.73 Die alte Führungsschicht verlor in einem zeitlich lang gestreckten Prozess ihre Vorherrschaft, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts endgültig und irreversibel abgeschlossen war.74 Neben Kriegsdiensten bildeten Tätigkeiten im Dienst der Stadt eine weitere Aufstiegsmöglichkeit. Als neue Gruppe in der sozialen Schichtung begegnen uns seit dem 15. Jahrhundert Gelehrte, in erster Linie Juristen und Mediziner. Der Oberschicht sind sie zwar kaum zurechenbar, doch konnten sie Vermögen erwirtschaften, welches sie neben ihrem Status weit über die Masse der Stadtbewohner heraushob.75 So kreditierte der promovierte Jurist Martin Meir 1469 der Stadt Nürnberg 73
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Elsanne Gilomen-Schenkel: Henman Offenburg (1379–1459). Ein Basler Diplomat im Dienste der Stadt, des Konzils und des Reichs. Basel 1975, S. 24–33, 41–45, 53–56. Für die Ehe seiner zweiten Tochter mit dem aus zähringischer Ministerialenfamilie stammenden Peter Truchsess von Rheinfelden musste eine Mitgift von 2.700 Gulden aufgebracht werden; ebenda, S. 22. Vgl. zusammenfassend Knut Schulz: Stadtadel und Bürgertum vornehmlich in oberdeutschen Städten im 15. Jahrhundert, in: Reinhard Elze/Gina Fasoli (Hg.): Stadtadel und Bürgertum in den italienischen Städten des Spätmittelalters (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 2). Berlin 1991, S. 161–181, hier 164–170. Vgl. Michael Toch: Die Nürnberger Mittelschichten im 15. Jahrhundert (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 26). Nürnberg 1978, S. 132 f. Zur Bedeutung der gelehrten Juristen als Berater des Rats aus zeitgenössischer Sicht vgl. Christoph Scheurl’s Epistel über die Verfassung der Reichsstadt Nürnberg (1516), in: Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 11). Leipzig 1874, Ndr. Göttingen 1961, S. 785–804, hier 802 f. Promovierten Juristen blieben die Ratssitze allerdings versperrt; Fleischmann: Rat und Patriziat, Bd. 1 (wie Anm. 12), S.
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immerhin 13.000 Gulden und erhielt eine wiederkäufliche Rente in Höhe von 650 Gulden jährlich; es handelt sich dabei übrigens um die höchste belegte Einzelsumme im 15. Jahrhundert.76 Meir ist seit 1449 in Diensten der Stadt belegt, war mit diplomatischen Aufgaben betraut und beriet als Ratskonsulent Nürnberg in juristischen Fragen. Daneben lassen sich u. a. der promovierte Mediziner Johannes Lochner oder der in der Nürnberger Chronistik des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts immer wieder erwähnte Ratskonsulent und Gesandte Dr. Johannes Letscher nennen.77 VII. Beginnend im 15. Jahrhundert ist beispielsweise für Nürnberg und Augsburg ein Auseinanderdriften von großen Vermögen und politischem Einfluss zu erkennen. Nicht zuletzt ließen sich unternehmerische Tätigkeit und die Übernahme von Ratssitz und Ämtern schon mittelfristig kaum vereinbaren.78 In Bern hingegen konzentrierten sich im 15. Jahrhundert politische Macht und Reichtum auf nur wenige Persönlichkeiten, aus denen die über Grund- und Gerichtsherrschaften verfügenden Twingherren mit den höchsten Vermögen herausragten.79 Galt Reichtum in der 116 f.; ders.: Professionalisierung oder Ausschluß von Führungseliten in der Reichsstadt Nürnberg, in: Schulz (Hg.): Sozialer Aufstieg (wie Anm. 5), S. 49–71, hier 49 f. Vgl. allgemein u. a. Dietmar Willoweit: Juristen im mittelalterlichen Franken. Ausbreitung und Profil einer neuen Elite, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.): Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte 18). Berlin 1996, S. 225–267, bes. 258–263. Vgl. knapp Hilde de Ridder-Symoens: Training and Professionalization, in: Wolfgang Reinhard (Hg.): Power Elites and State Building (The Origins of the modern State in Europe. 13th to 18th Centuries, D). Oxford 1996, S. 149–172, hier 154–156. Zu Augsburg vgl. Rolf Kießling: Augsburg zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Gunther Gottlieb u. a. (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984, S. 241–251, hier 245. 76 Bernd Fuhrmann: Das kommunale Kreditwesen Nürnbergs im 15. Jahrhundert, in: Harm v. Seggern/Gerhard Fouquet/Hans-Jörg Gilomen (Hg.): Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit (Kieler Werkstücke E 4). Frankfurt a.M. 2007, S. 139–167, hier 147. Der Name Meir variiert in der Literatur, zu finden ist er u. a. unter den Variationen Mair oder Mayer; zu seinen Aufgaben vgl. Manfred J. Schmied: Die Ratsschreiber der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 28). Nürnberg 1979, S. 139, 150, 167, 214. Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 2). Leipzig 1864, Ndr. Göttingen 1961, S. 380, 384, 404, 410, 413; Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bde. 4 u. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 10/11). Leipzig 1872–1874, Ndr. Göppingen 1961, S. 245, 338, 352, 413, 415, 430 f.; Müllner, Annalen II (wie Anm. 17), S. 477, 483, 498, 582. Abgelöst wurde die Rente 1480. 77 Johannes Lochner amtierte seit 1438 als Nürnberger Stadtphysikus und verfasste medizinische Reisehinweise für seinen Sohn, die sehr anschaulich die Vorstellungen der Zeit widerspiegeln. Hans J. Vermeer: Johann Lochners „Reisekonsilia“, in: Sudhoff’s Archiv 56 (1972), S. 145– 196. 78 Stromer: Hochfinanz (wie Anm. 18), S. 330–332. 79 Roland Gerber: Reichtum und politische Macht, in: Ellen J. Behr u. a. (Hg.): Berns große Zeit.
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bürgerlichen Chronistik und Wahrnehmung durchaus als legitim, so standen Formen des Erwerbs und auch Jahrmärkte nicht selten in der Kritik von Seiten kirchlicher Amtsträger, konnten doch u. a. der Wuchervorwurf oder der des unrechtmäßigen Gewinns auf den Geschäften lasten.80 Ob bei diesen ökonomisch erfolgreichen Bürgern von wirtschaftlichen Eliten gesprochen werden kann oder mit Sombart von Unternehmern, vielleicht auch, sicherlich mit Modifikationen, von innovatorischen Unternehmern nach Schumpeter, muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden, bedarf aber weiterer Klärung.81 Hinzuweisen ist aber nochmals auf das Risiko der Kaufleute, von denen nicht wenige scheiterten. So notierte Burkard Zink zu 1415 lakonisch: Und kam her gen Augsburg in diese stat und kam von stundan zu ainem kramer, genant Ulich Schön, was auf dasselb mal reicher gewerbiger kramer, wiewol er seider über etwa vil jar verdorben ist und zu armuet kommen was.82 Doch entscheidend für die zeitgenössische Wahrnehmung etwa eines Felix Faber war, dass ein entgegen der langen Stadtsässigkeit und dem Herkommen in kurzer Zeit angestrebter Aufstieg in die Oberschicht Neid erregte und die regiminis harmonia störte; den Aufstiegswillen erachtete er dagegen als normal.83 Gleichfalls kritisch betrachtet wurde die Darstellung von Reichtum oder Luxus außerhalb des von der Obrigkeit vorgeschriebenen Rahmens, wobei derartige Begrenzungen natürlich auch der Selbstvergewisserung der politischen Führungsschicht und ihrer im eigenen Selbstverständnis herausragenden Bedeutung dienten. Die grundsätzlich hierarchische Ordnung, nicht nur der städtischen Gesellschaft, galt ohnehin als gottgegeben und wurde kaum in Frage gestellt.84 Vielmehr ging es den Aufsteigern wie den Etablierten um den eigenen, unbestrittenen Rang in der Gesellschaft.
Das 15. Jahrhundert neu entdeckt. 2., korrigierte Aufl. Bern 2003, S. 144–147. 80 Rita Voltmer: Krämer, Kaufleute, Kartelle. Standeskritischer Diskurs, mittelalterliche Handelspraxis und Johannes Geiler von Kaysersberg (1445–1510), in: Dietrich Ebeling u. a. (Hg.): Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft. Festgabe für Franz Irsigler zum 60. Geburtstag. Trier 2001, S. 401–445. Noch 1518 musste Jakob Höchstetter wegen Wuchers 30 fl. rh. in die Augsburger Stadtkasse bezahlen; Chroniken Augsburg, Bd. 5 (wie Anm. 43), S. 81. 81 Gilomen: Wirtschaftliche Eliten (wie Anm. 34), S. 359–361. Freilich wurde zumindest für die Neuzeit die Bedeutung des dynamischen Pionierunternehmers zuletzt deutlich relativiert; vgl. Clemens Wischermann/Anne Nieberding: Die institutionelle Revolution. Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Grundzüge der modernen Wirtschaftsgeschichte 5). Stuttgart 2004, S. 78. 82 Chroniken Augsburg, Bd. 2 (wie Anm. 28), S. 126. 83 Dirlmeier: Aufstieg (wie Anm. 12), S. 87, 105. 84 Barbara Frenz: Gleichheitsdenken in deutschen Städten des 12. bis 15. Jahrhunderts. Geistesgeschichte, Quellensprache, Gesellschaftsfunktion (Städteforschung A 52). Köln/Weimar/ Wien 2000, bes. 214–233.
VOM NUTZEN UND SCHADEN DES REICHTUMS Junge Nachfolger in oberdeutschen Familiengesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts Mechthild Isenmann (Leipzig) Und sind oft die jungen Gecken, insonderheit Kaufmannssöhne, die meinen, sie wären alles, weil ihre Väter Geld hant, und die den halben Tag in den Wirtshäusern sitzen und auf den Straßen stolziren, in ihrer Kleidung noch närrischer als die Weiber.1
Dieses Urteil von Johannes Geiler von Kaysersberg († 1510), eines scharfzüngigen Kritikers an den Zuständen von Gesellschaft, Kirche und Welt, kann hier wie ein programmatischer Satz zum Thema Reichtum und seiner Wirkung auf die jungen Nachfolger in Familiengesellschaften stehen. Vor allem die Verführungen und die Leichtlebigkeit des Nachwuchses, die auch der teilweise erhebliche Reichtum der oberdeutschen Familien ermöglichte, sowie die Konsequenzen aus diesem Verhalten stehen im Vordergrund. Ausgewählte Beispiele werden diese Überlegungen illustrieren. Zunächst sollen jedoch einige notwendige und grundsätzliche Erläuterungen zu oberdeutschen Familiengesellschaften im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit das Thema einleiten. Mit der Intensivierung und Ausdehnung des Regional- und Fernhandels im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts änderten sich auch die Strukturen innerhalb der Kaufmannschaft. Über lange Zeit war es möglich gewesen, dass der Kaufmann seine Waren allein verkaufte und sich allenfalls zum Schutz, den er auf dem Transportweg benötigte, schon früh zu karawanenartigen Kaufmannszügen mit anderen Kaufleuten zusammenschloss.2 Aufgrund der zunehmenden Warenmenge und der Ausdehnung des Handelsradius konnte ein einzelner Kaufmann nun weder genügend Kapital aufbringen, noch war er in der Lage, größere Warenmengen zu transportieren.3 Hinzu kam, dass sich die Geschäfte des Kaufmanns auch qualitativ 1
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Zitiert nach: Georg Steinhausen: Der Kaufmann in der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1899, S. 72. Steinhausen gibt ein grundsätzlich kritisches Urteil Geiler von Kaysersberg wieder, dass dieser u. a. in: „Das Narrenschiff“, 4. Narrenschar: die Modenarren, äußerte. Ein herzlicher Dank zu diesen Überlegungen gilt Frau Dr. Rita Voltmer, Trier. Sie hat ferner in ihrem Beitrag: Krämer, Kaufleute, Kartelle. Standeskritischer Diskurs, mittelalterliche Handelspraxis und Johannes Geiler von Kaysersberg (1445–1510), in: Dietrich Ebeling u. a. (Hg.): Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft, Trier 2001, S. 401–446, die Haltung Geilers zum Kaufleutestand umfassend analysiert. Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Wien/Köln/Weimar 22014, S. 883–884. Peter Spufford: Handel, Macht und Reichtum. Kaufleute im Mittelalter. Darmstadt 2004 (engl. Originalausgabe London 2002), S. 18–20.
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änderten und neben den traditionellen Warenhandel zunehmend auch Geldhandel sowie Kredit- und Wechselgeschäfte traten,4 die von den sich immer mehr zu „Merchant Bankern“5 entwickelnden Kaufleuten durchgeführt wurden. Dieser Prozess führte dazu, dass die Organisationsstrukturen der Kaufleute verändert werden mussten. Konnte der Kaufmann des frühen und hohen Mittelalters, der bewaffnete abenteuernde Händler6 noch als Einzelperson, vielleicht auch mit zwei oder drei weiteren Kaufleuten seine Unternehmung ausüben, so erforderte der sich ausdehnende Handel seit dem Zeitalter der so genannten kommerziellen Revolution7 die neuen Organisationsformen von Zusammenschlüssen in dauerhaften Gesellschaften oder auch Kompanien (societates). Ausgehend von Italien im 13. Jahrhundert entwickelte sich demzufolge vom 14. bis etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts der klassische Unternehmenstypus der Personengesellschaft,8 bis Ende 16. Jahrhunderts überwiegend in Form einer Fa4
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Nach Natalie Fryde: Hochfinanz und Landesgeschichte im Deutschen Hochmittelalter, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 125 (1989), S. 1–12, lassen sich im Reich bereits im späten 12. Jahrhundert größere Finanzgeschäfte nachweisen. Umfangreich und üblich werden diese Geschäftsbereiche jedoch erst im 14. und dann 15. Jahrhundert. Grundlegende Studie von Raymond Adrien de Roover: Money, Banking and Credit in Medieval Bruges, Italian Merchant-Bankers, Lombards and Money-changers. A Study in the Origins of Banking. Cambrigde Mass. 1948; Wolfgang v. Stromer: Oberdeutsche Hochfinanz 1350– 1450, Bd. 2 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 56). Wiesbaden 1970, S. 452, Anm. 21, zum Merchant Banker: „der Fernhandel und Wechsel-Arbitrage treibende Großkaufmann, der einer gehobeneren sozialen Schicht angehörte als campsores und usurarii“. Prägnant zusammengefasst: Michael North: Art. Merchant Bankers, in: Von Aktie bis Zoll. Ein Lexikon des Geldes. München 1995, S. 240–241. Isenmann: Die deutsche Stadt (wie Anm. 2), S. 358. Raymond Adrien de Roover: The Commercial Revolution of the 13th Century, in: Frederic C. Lane/Jelle C. Riemersa: Enterprise and Secular Change. Readings in Economic History. London 1953, S. 80–82, erläuterte schon früh den Begriff der kommerziellen Revolution. Er verstand darunter grundlegende Veränderungen in der Methode und Organisation von Unternehmungen der Kaufleute. Die kommerzielle Revolution markierte de Roover zufolge den Beginn des kommerziellen Kapitalismus. Grundlegend zur kommerziellen Revolution ferner die Studie von Robert S. Lopez: Commercial Revolution of the Middle Ages. 950–1350. 13. Aufl., Cambridge 1995 (1. Aufl. 1971). Markus A. Denzel: Handelspraktiken als wirtschaftshistorische Quellengattung vom Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert. Eine Einführung, in: Markus A. Denzel/Jean-Claude Hocquet/Harald Witthöft (Hg.): Kaufmannsbücher und Handelspraktiken vom Spätmittelalter bis zum beginnenden 20. Jahrhundert (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 163). Stuttgart 2002, S. 11–45, hier 36, weist darauf hin, dass die erste kommerzielle Revolution vom Italien des 12./13. Jahrhunderts ausging und sich in neuen Handelspraktiken für überregional agierende Kaufleute dokumentierte. Eberhard Isenmann: Die Bedeutung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte für die Allgemeine Geschichte des Mittelalters, in: Günther Schulz u. a. (Hg.): Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete-Probleme-Perspektiven. München 2005, S. 469–524, hier 501. Eine knappe und doch treffende Charakteristik dieser Personengesellschaften bot Wolf Hengstmann: Die Familiengesellschaft. Halle 1935, S. 17: „Eine Familiengesellschaft [ist] eine Gesellschaft, bei welcher die Familie in der Lage ist, das Unternehmen zu beherrschen, sei es, dass die Mehrheit der Teilhaber Familienmitglieder sind (Personalgesellschaften), sei es, dass der überwiegende Teil des Kapitals sich in den Händen der Familie befindet, und die Familienmitglieder den Willen haben, die Gesellschaft als ein der Familie dienendes Unternehmen zu füh-
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miliengesellschaft.9 Unter einer Personengesellschaft ist ein auf einem Vertrag basierender Zusammenschluss von mindestens zwei, meist jedoch mehreren Personen zum Zweck des gemeinsamen Gewerbetreibens zu verstehen, im oberdeutschen Raum eine meist auf Dauer angelegte, verwandtschaftlich verbundene Gewerbsgesellschaft10. Die Personengesellschaften bildeten verschiedene Organisationsformen aus, sowohl Vorformen der heutigen Kommanditgesellschaft als auch eine Kompanie, die in wesentlichen Elementen eine Vorform der heutigen Offenen Handelsgesellschaft (OHG) darstellt.11 Ergänzt werden konnten beide Formen zusätzlich mit so genannten stillen Einlegern oder stillen Gesellschaftern. Es handelt sich bei diesen Organisationsformen im 15. und 16. Jahrhundert zunächst um eine Abbildung des Innenverhältnisses. Die Gewerbsgesellschaft rekrutierte sich vor allem aus dem Familienverband und nahm neben den Gründern in der Folge auch die Erben auf, die die Gesellschaft weiterführen sollten. Das zeigen auch die erhaltenen Gesellschaftsverträge, die – in der Regel kontinuierlich auf dem vorhergehenden Vertrag basierend – modifizierte neue Verträge darstellen. Auf dieser rechtlichen Grundlage konnten Familiengesellschaften über mehrere Jahrzehnte, oft sogar über mehrere Generationen existieren.12 In der Regel waren die Familiengesellschaften als Compagnia, als Sozietät, meist unter dem Namen ihres oder ihrer Gründer, gefasst. Diese im Warenhandel und seit dem 16. Jahrhundert im Geld- und Kreditwesen zunehmend europa- und überseeweit agierenden Familienunternehmen bestanden meist aus engeren Familienangehörigen, die auch den oder die Regierer13, oder wie es in einem sehr frühen
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ren“. Diese Studie läßt allerdings wegen einiger Aussagen eine Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie erkennen, wenn Hengstmann, Familiengesellschaft, S. 8, etwa auf Folgendes hinweist: „Die Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates zeigt deutlich, welchen Wert der Staat auf die Sicherung und Förderung der Familie, seiner Urzelle, legt. Hierbei umfasst das Interesse des Staates den Schutz und die Förderung der Familie in gesundheitlicher, geistiger, moralischer und materieller Beziehung. […] Im Staatsleben sind diese Zustände anonymer, parlamentarischer Leitung durch den Nationalsozialismus zugunsten verantwortungsvoller Führerschaft beseitigt worden.“ Diese Aussage nimmt er zum Anlass, die Anonymität der Kapital- und Aktiengesellschaften der Familiengesellschaft mit einer verantwortlichen Führerpersönlichkeit positiv gegenüberzustellen. Im 17. Jahrhundert verschob sich dieser Typus hin zu immer häufiger auftretenden Kapitalgesellschaften, bei denen Familienstrukturen von untergeordneter bzw. keiner Bedeutung waren. Vgl. Clemens Bauer: Unternehmung und Unternehmensformen im Spätmittelalter und in der beginnenden Neuzeit. Aalen 1982 (Neudruck der Ausgabe 1936), S. 83. Jakob Strieder: Zwei Handelsgesellschaftsverträge aus dem 15. und 16. Jahrhundert, ihre Geschichte und ihr Recht. Leipzig 1908, S. 41. Bei den Begriffen handelt es sich um moderne, nicht um zeitgenössische. Elmar Lutz: Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger, 2 Bde. (Studien zur Fuggergeschichte 25,1–2). Tübingen 1976, Bd. 1, S. 218 f.; Christian Schubel: Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften (Jus privatum 84). Tübingen 2003, S. 35. Im Koler-Kress-Gesellschaftsvertrag um 1500 oder 1506, nach Aloys Schulte: Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit Ausschluß
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Gesellschaftsvertrag von 1436 heißt, so genannte treueverpflichtete Vorsteher stellten.14 Ferner konnten sich Mitglieder einer Gesellschaft auch aus verschiedenen Familien rekrutieren, die dann eine oft durch Heirat verbundene, sog. „voluntare Handelsgesellschaft“15 – eine durch Planung und Willen zusammengeschlossene Gesellschaft − bildete. So geartete oberdeutsche Gesellschaften stellten etwa die Arzt-Ulstatt-Gossembrot, Welser-Vöhlin, Höchstetter-Paumgartner, BehaimScheurl, Viatis-Peller oder auch Haug-Langnauer-Link dar.16 Den Idealfall der familiaren Gewerbsgesellschaft beschrieb Johannes Falke 1860 folgendermaßen: „Der Handel dieser Geschlechter war nicht das Mittel, um am schnellsten und am leichtesten reich zu machen und dann in andere Hände überzugehen, sondern das Band, wodurch ein ganzes weit verzweigtes Geschlecht Reichtum auf viele Jahrhunderte mit langsamer doch sicherer Mehrung an sich fesselte, die bleibende Grundlage einer hervorragenden Stellung im bürgerlichen Gemeinwesen, die nie fehlende Gelegenheit zu einer würdigen und bildenden Tätigkeit für alle nachwachsenden Glieder des Hauses.“17
Auch wenn Falke damit die Idealvorstellung abbildet, hat er doch die Intention der Familiengesellschaften präzise umschrieben: Sie waren auf lange Sicht angelegt, dienten der Würde und Ehre der Familie und wurden mit dem Ziel der langfristigen Mehrung des Reichtums und zur Sicherung und Einbindung der Nachkommen in die Handelsgeschäfte gegründet. Diese Auffassung bestätigt auch die folgende zeitgenössische Aussage des Augsburger Kaufmanns Lukas Rem, der in seinem „Tagebuch“ Anfang des 16. Jahrhunderts die Motivation zur Gründung seiner Gesellschaft darlegt, die er, zusammen mit seinen Brüdern Endris und Hans Rem sowie Ulrich Hanold bzw. Honold, im Jahr 1518 aufgebaut hatte. Nicht für seinen eigenen Nutzen und die persönliche Ehre, sondern für den gemeinen (allgemeinen) Nutzen und die Ehre des Namens sei die Gesellschaft Rem gegründet worden: Und uff den dodt ich got schuldig bin, (darauff will ich auch sterben) daz ich mein aigen eer minder, Nutz noch fuog nie betrachten noch bedenken hab wollen (…) alain unsser brieder gemain Nutz und frommen, der Remen Namen Er betrachtt.18
Neben Vorstellungen von Ehre und Ehrbarkeit, die die ideale Grundlage der Familiengesellschaft sein sollten, trat auch der Wille nach Friedenswahrung der Gesellschafter untereinander als Basis einer erfolgreichen Unternehmung hinzu – als Ge-
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von Venedig, 2 Bde. Leipzig 1900, Bd. 2, S. 270; siehe auch: Strieder: Zwei Handelsgesellschaftsverträge (wie Anm. 10), S. 47; Lutz: Handelsgesellschaften (wie Anm. 12), Bd. 2, S. 22’. Lutz: Handelsgesellschaften (wie Anm. 12), Bd. 2, S. 3’, Meuting-Vertrag: getrewer vorganger. Levin Goldschmidt: Handbuch des Handelsrecht, Bd. 1. Leipzig 1874, S. 289. Andreas Nutz: Unternehmensplanung und Geschäftspraxis im 16. Jahrhundert. Die Handelsgesellschaft Felix und Jakob Grimmel zwischen 1550 und 1560 (Beiträge zur südwestdeutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 20). St. Katharinen 1996, S. 94. Johannes Falke: Geschichte des deutschen Handels, 2 Bde. Leipzig 1859–1860, Bd. 2, S. 332. Benedikt Greiff: Das Tagebuch des Lucas Rem aus den Jahren 1494–1541. Ein Beitrag zur Handelsgeschichte der Stadt Augsburg (Jahresbericht des historischen Kreisvereins im Regierungsbezirk von Schwaben und Neuburg 26). Augsburg 1861, S. 32.
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genentwurf zu den beständig drohenden Konflikten, die sich geschäftsschädigend auswirken konnten. Familieninterne Auseinandersetzungen, wie etwa Nachfolgeprobleme, aber auch Probleme mit den Nachfolgern selbst, Differenzen zwischen Gesellschaftern, Streit um Gewinnermittlung und die Geschäftsführung, aber auch Neid, Eifersucht und Konkurrenzdenken konnten den Geschäftserfolg gefährden und mussten verhindert oder gelöst werden.19 Ein Beispiel, um Kontroversen zu verhindern und den Frieden anzumahnen, stellt das Ehrenbuch der Familie Link in Augsburg dar. Dieses Ehrenbuch, verfasst von Ulrich Link († 1560) in der Mitte des 16. Jahrhunderts, war vor allem als Gedenk- und Mahnbuch für seine Nachkommen und Nachfolger in der Familiengesellschaft der Haug-Langnauer-Link gedacht, die, durch Verschwägerung verbunden, seit 1532 eine Gesellschaft bildeten.20 So hegte Link in seinem in das Ehrenbuch aufgenommenen Testament die Hoffnung, dass die Nachkommen mit friedlichem (freundlichen) Willen und nicht in Zwietracht und Zerrüttung gemeinsam handeln, d. h. die Geschäfte führen sollten: Sovil habe ich aus dem testament meines geliebten herrn vatters inn dies Linksch gehaim eernbuch verleuben wellen auff das alle nachkommen des gantzen linckschen geschlechts inn kunfftug zeit wissen mogen, wie alle ding mit guettem fraintlichen willen angenomen auch gar kain zerrittung noch zwitrachtigkait hie tzwieschen furgangen sei, wellichs alles allein aus gnaden des allmechtigen beschehenn dem sei ewig lob und eer von ewigkait zu ewigkait amen.21
Schließlich geben auch Gesellschaftsverträge als rechtliche Grundlage einer Familiengesellschaft Aufschluss über das Selbstverständnis sowie das Ziel der Unternehmung und stellen durch einschlägige Artikel etwa in Bezug auf Verhaltensweisen der Gesellschafter eine konfliktverhindernde Maßnahme dar. Die Verträge veranschaulichten die durch Eid verbundene Gemeinschaft der Gesellschafter22, die sich verpflichtete, in Frieden und um der Ehre willen, sowie zum Besten der Gemeinschaft zu handeln und alle Unternehmungen zum Vorteil der Gesellschaft und 19
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Dazu das DFG-Projekt „Strategien, Mittel und Wege oberdeutscher Handelshäuser zur intraund interfamiliären Konfliktlösung im 15. und ‘langen‘ 16. Jahrhundert“, das seit Juli 2010 von der Verfasserin am Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Prof. Dr. Markus Denzel, Universität Leipzig, bearbeitet wird. Eine Monographie zum Thema steht kurz vor dem Abschluss. Friedrich Haßler: Der Ausgang der Augsburger Handelsgesellschaft David Haug, Hans Langnauer und Mitverwandte (1574–1606) (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 1). Augsburg 1928, S. 12; Joachim Riebartsch: Augsburger Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts. Eine vergleichende Darstellung ihres Eigenkapitals und ihrer Verfassung. Bergisch Gladbach 1987, S. 152–155; Mark Häberlein: Brüder, Freunde und Betrüger. Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts (Colloquia Augustana 9). Berlin 1998, S. 172. Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 20 Cod. Aug. 489, fol. 25v. Lutz: Handelsgesellschaften (wie Anm. 12), Bd. 1, S. 171–177, beurteilt den Eid oder das Treuegelöbnis in den Gesellschaftsverträgen weniger rechtlich bindend als eine „Verstärkung der Vertragsbindung“ und als Betonung des besonderen Vertrauensverhältnisses einer Gesellschaft. Franz Irsigler hingegen sieht in der Eidesleistung nur noch eine Profanierung des Eides; vgl. Franz Irsigler: Kaufmannsmentalität im Mittelalter, in: Cord Meckseper/Elisabeth Schraut (Hg.): Mentalität und Alltag im Spätmittelalter. Göttingen 1985, S. 53–75, hier 55.
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nicht zum eigenen Nutzen durchzuführen.23 Mit dieser Verpflichtung wird z. B. der Ulmer Weißhaupt-Schreiber-Ditmar-Vertrag von 1491 eingeleitet.24 Die Kaufmannsunternehmung solle, dem Vertrag zufolge, zum gemeinen Nutzen der Gesellschaft, zu ihrer Ehre und Notturft gegründet werden.25 Notturft ist dabei im Sinne einer Notwendigkeit (necessitas) gemeint, die gesellschaftlichen Belange zu erfüllen, damit die Gesellschaft erhalten bleibe und floriere.26 Das Innenverhältnis der Familiengesellschaft war streng hierarchisch aufgebaut. Die Großväter, Väter und Onkel stellten in der Regel den oder die Regierer, die meist jüngeren Nachfolger, Söhne, Neffen oder auch Schwiegersöhne nahmen unterschiedliche Positionen ein. Das war durchaus auch mit dem Ziel verbunden, dass die Nachfolger in Zukunft die Gesellschaft allein oder mit mehreren Regierern leiten sollten. Hier bot sich etwa die Position des Faktors oder des reisenden, „Kommanditisten“-ähnlichen Mitgesellschafters an, die die Außenbeziehungen und die Verbindungen zu den einzelnen Niederlassungen pflegten. Sie besuchten Märkte, beobachteten den Warenhandel und Preise, knüpften Kontakte, schlossen Geschäfte im Auftrag der Gesellschaft ab und führten umfangreiche Korrespondenzen. Sie waren mit einer Kapitaleinlage am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, hafteten beschränkt in Höhe dieser Einlage, und es stand ihnen eine, allerdings immer wieder im Umfang wechselnde sog. gewinnunabhängige Ehrung (Honorierung) für ihre Arbeit zu.27 In der Vorstellung, dass die Befähigung für die vielfältigen Aufgaben, die Zuverlässigkeit im Handel und die charakterliche Stärke des Nachwuchses schon in jungen Jahren zuverlässig gefördert werden müssten, legten die Regierer einer Gesellschaft zunächst viel Wert auf eine gute Ausbildung. Damit war auch die Hoff-
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Hans Niedermayr: Ein Gesellschaftsvertrag der Höchstetter von 1515, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 76 (1982), S. 76–91, hier 86: Mit gutter erberkajt und fridsamer ainigkajt dester pesser unterhalten, auch dester minder zertrent, desgleichen auch der geselschaft nachtajll zum pesten verhütt werden. Strieder: Zwei Handelsgesellschaftsverträge (wie Anm. 10), S. 27–39. Strieder: Zwei Handelsgesellschaftsverträge (wie Anm. 10), S. 28. Die Vertragsschließenden wiederholen diesen Passus; ebenda, S. 29: Zu handtieren und zu hanndeln, wie sich unns unser gemain gesellschafft zu nutz, ere und Noturfft gepürt. Renate Blickle: Hausnotturft, ein Fundamentalrecht in der altständischen Gesellschaft Bayern, in: Günther Birtsch (Hg.): Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft. Göttingen 1987, S. 42–64; Eberhard Isenmann: The Notion of the Common Good, the Concept of Politics, and Practical Policies in Late Medieval and Early Modern German Cities, in: Elodie Lecuppre-Desjardin/Anne-Laure van Bruaene (Hg.): De Bono Communi. The Discourse and Practice of the Common Good in the European City (13th-16th c.) (Studies in European Urban History 22). Turnhout 2010, S. 107–148, hier 112. Bauer: Unternehmensformen (wie Anm. 9), S. 66. Siehe dazu den umfassenden Überblick von Markus A. Denzel: The Merchant Family in the „Oberdeutsche Hochfinanz“ from the Middle Ages up to the Eighteenth Century, in: Simonetta Cavaciocchi (Hg.): La famiglia nell’economia europea, secc. XIII–XVIII. Atti della „Quarantesima settimana die studi“ 6–10 aprile 2008 (Fondazione Istituto Internazionale di Storia Economica „F. Datini“, Prato, serie II: Atti delle Settimane di Studi e altri Convegni 40). Firenze 2009, S. 365–388.
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nung verbunden, dass diese den Nachwuchs vor Versuchungen und Verschwendungen schützen könnte. 28 Dazu gehörte etwa die Wahl des Ortes, der idealerweise über eine gute Infrastruktur, einen aktiven Markt und Kontaktmöglichkeiten, über vielfältige Ausbildungsbereiche und eine personelle Anbindung an die Heimatstadt verfügen sollte. Vor allem Städte des südlichen Europa wie Lyon, Genua, Mailand, Florenz, Lucca und Venedig erfüllten diese Kriterien und wurden daher von oberdeutschen Gesellschaften als Lehrstätten ihres Nachwuchses ausgewählt. Hinzu traten verstärkt seit dem 16. Jahrhundert auch Antwerpen, Lissabon, Breslau und Krakau. Exemplarisch soll Venedig ins Blickfeld genommen werden, da ganz besonders in der Lagunenstadt eine qualitativ gute und umfangreiche Ausbildung gewährleistet war, aber auch die Ablenkungen und Versuchungen hier lauerten.29 Diese zwei Seiten Venedigs wurden im Kaufmannsschrifttum aller Art immer wieder thematisiert. Als Beispiel kann ein so genanntes Handelsbuch aus dem Jahr 1511 dienen: In dem namen Jesus XPI und der Hoch geloptten junckfraw maria und aller heillige, fach ich ann diz piechlin zu schreiben das da ausweyset von der kauffmanschafft, daß da einem jettlichenn kauffman nützlich unnd gut zu wissen ist der von augspurg oder nürnberg handttdiern wollt genn venedig und gen franckfurtt das er sich in seinem handel mit alle dingen wiß zu bewarn und vil sachen damitt das er dester minder betrogen werde.30
Die jungen Nachfolger sollten von Anfang an vor allem mit den praktischen Gegebenheiten des Kaufmannsberufs in Berührung kommen31 und fanden aus diesem Grund Aufnahme im (Stapel)Haus32 der Deutschen, dem Fondaco dei Tedeschi. Dort, wo nach Aussage des Ulmer Dominikanermönchs und Chronisten Felix Fabri († 1502) ein großer Wachhund die Deutschen empfange voll Freude (während die sprachgewandte Bestie alle extra Alemaniam ankläffte und nicht zu beruhigen war33), befand sich das Zentrum des Handels auch der oberdeutschen Kaufleute, 28 29 30 31
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Hanns-Peter Bruchhäuser: Kaufmannsbildung im Mittelalter. Determinanten des Curriculums deutscher Kaufleute im Spiegel der Formalisierung von Qualifizierungsprozessen (Dissertationen zur Pädagogik 3). Köln/Wien 1989. Nach Henri Simonsfeld: Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venezianischen Handelsbeziehungen, 2 Bde. Stuttgart 1887, Bd. 2, S. 269, entwickelte sich Venedig im 15. Jahrhundert zum „Vergnügungszentrum Europas“. Eduard Weber: Literaturgeschichte der Handelsbetriebslehre (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Ergänzungsheft 49). Tübingen 1914, S. 25 f. An diesem Ort werden aufgrund des Themas die Fragen nach dem Handwerkszeug des Kaufmanns wie Buchführung, Korrespondenzen, Warenkunde nicht dargestellt. Dazu in Auswahl: Jochen Hoock: Ars Mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns. 1470–1820, 3 Bde. Paderborn 1991–2001. Simonsfeld: Der Fondaco dei Tedeschi (wie Anm. 29), Bd. 1, S. 39 f. Kurt Weissen: Florentiner Bankiers und Deutschland (1275–1475). Kontinuität und Diskontinuität wirtschaftlicher Strukturen. Basel 2001, S. 11. (Habilitationsschrift einsehbar unter: http://kweissen.ch/docs/weissen-2000–Habil-ganz.pdf) Konrad Dietrich Haßler (Hg.): Fratris Felicis Fabri Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem. Stuttgart 1843–1849, Bd. 1, S. 84: Denique ad ingressum nostrum occurrit nobis canis, custos domus, magnus et inger, et blandimento caudae suae gaudium se habere monstrabat, et ad nos saltabat sicut canes solent facere ad sibi notos. Hic canis omnes
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die im Fondaco je Familie und/oder Gesellschaft eine Kammer gemietet hatten. In direkter Umgebung war das Handels- und Finanzzentrum Venedigs, mit seinen Märkten, Geschäften und Banken.34 Die ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegende Kirche San Giacomo di Rialto gab den mahnenden ethischen Hintergrund deutlich zu erkennen: zum einen in einer Inschrift: Hoc circa templum sit jus mercantibus aequum, pondera nec vergant, nec sit conventio prava. (In der Umgebung dieser Kirche geschehe den Kaufleuten ausgleichendes Recht und mögen weder die Gewichte sich senken [im Sinne von: mögen die Gewichte richtig geeicht sein], noch die Verträge der Kaufleute unrecht sein),35 zum anderen in der hockenden steinernen Figur des Gobbo di Rialto, einer Skulptur Pietro da Salos aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, vor der ein des Betrugs überführter Kaufmann die Peitsche zu spüren bekam. In dieser Umgebung lernten die jungen angehenden Kaufleute das Geschäft auf der Grundlage eines Lehrvertrages,36 begleitet von dauernder Ermahnung der sie von zuhause argwöhnisch beobachtenden Verwandtschaft. Zahlreiche Warn- und Mahnschreiben vor sittlichen finanziellen Gefahren, denen die Jungen ausgesetzt sein konnten, geben ein sprechendes Bild ab. Einige wenige seien hier angeführt, da sie zeigen, wie die jungen Kaufleute in Gefahr der Pflichtverletzung kommen konnten – mit dem reichlich vorhandenen und immer wieder zur Verfügung gestellten Geld der durchaus vermögenden Familiengesellschaft im Hintergrund.37 Diese
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Theutonicos, de quacunque parte Alemanie veniant, sic gaudens recipit. Sed ad ingressum Italici, Lombardi, Gallici, Franci, Sclavi, Graeci, vel alterius provinciae extra Alemaniam, adeo irascitur, quod quasi rabidus aestimetur, et cum grandi latrutu occurrit, et furiose in illos insilit, et nisi aliquis canem compescat, a molestia con cessat. Dazu auch Helmut Glück: Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit. Berlin 2002, S. 258; Gerhard Fouquet: Kaufleute auf Reisen. Sprachliche Verständigung im Europa des 14. und 15. Jahrhunderts, in: Rainer Christoph Schwinges u. a.: Europa im späten Mittelalter. München 2006, S. 465–487, hier 466. Frederic C. Lane: Seerepublik Venedig. München 1980 (amerikanische Originalausgabe: Baltimore 1973), S. 32 f. Reinhold C. Mueller/Frederic Chapin Lane: Money and Banking in Medieval and Renaissance Venice, Bd. 2: The Venetian Money Market: Banks, Panics, and the Public Debt. 1200–1500. Baltimore 1997, S. 37. Erhalten hat sich z. B. der Lehrvertrag des Paulus Behaim aus dem Jahr 1533, den sein Vater Friedrich mit seinen zukünftigen Lehrherren der Antinori-Gesellschaft aus Florenz abgeschlossen hatte, die in Krakau eine wichtige Niederlassung führten. Ein wichtiger Passus in dem Vertrag lautet: Ine den handel trewlich und vleyssig unterweyssen und ime zur nottorfft des handels nichts verhaltenn. Balduin Penndorf: Paulus Behaim (1519–1568). Lehr- und Wanderjahre eines deutschen Kaufmanns im 16. Jahrhundert, in: Der Kaufmann und das Leben. Beiblätter der Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 6 (1913), S. 29–31, hier 29; Johann Kamann: Aus Paulus Behaims I. Briefwechsel, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 3 (1881), S. 76–78. Bei Steinhausen: Kaufmann (wie Anm. 1), S. 40 ist zusätzlich neben der Transkription auch die Originalurkunde im Bild wiedergegeben. Zu Paulus II. Behaim künftig: Mechthild Isenmann: „Das Handbuch Herrn Paul Behaims“. Paulus II. Behaims Lehrjahre. Handelspraxis und eine besondere Gesellschaftersitzung (in Vorbereitung). Neben vielen Beispielen kann hier der Briefwechsel der Tucherfamilie dienen. Zuletzt untersucht von Christian Kuhn: Handelspraxis als Gegenstand familiärer Kontinuitätsdiskurse.
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Gefahr sahen oberdeutsche Väter genauso wie italienische. Die vermutlich an seine Söhne und Nachfolger gerichtete Schrift eines anonymen Florentiner Kaufmanns aus dem 14. Jahrhundert bietet dafür ein eindrucksvolles Zeugnis. Dieser Text erscheint wie ein „Kaufmannsspiegel“; allerdings schöpft er weniger aus dem Normativen als vielmehr aus empirischen Wahrnehmungen, die der unbekannte Autor vermutlich selbst gemacht hatte.38 Er empfahl zunächst, dass, um den Kaufmannsberuf auszuüben, drei Dinge vonnöten seien: Senno, praticha e danari.39 Gemeint sind damit die mentale Verfassung (conditio), die kaufmannspraktische Kenntnis sowie das Geld selbst. Ferner sollte der junge Kaufmann nicht überall über die Geschäfte sprechen, Gewinne und Reichtum diskret halten,40 sowie maßvoll in den Ausgaben, vor allem in Bezug auf die Kleidung, sein. Denn sei das Geld einmal ausgegeben, kehre es nicht in die Börse zurück.41 Das Thema „Geldausgaben“ gehört zum wichtigsten Repertoire des Autors, warnte er doch immer wieder, der junge Kaufmann solle sie zügeln. Sie entwickelten sich sonst zu einem dauernden Fieber, das diejenigen Menschen töte, die dem nicht widerständen.42 Die Furcht, das Geld zu verschwenden, war auch bei den oberdeutschen Verwandten allgegenwärtig, wie zahlreiche Beispiele etwa aus Mahnbriefen zeigen. Herausgegriffen sei hier ein Brief an den jungen Friedrich Behaim († 1533), der während seiner Ausbildung in Lyon Ende des 15. Jahrhunderts nach Ansicht seines Vaters Michael nicht genügend sparte und sogar als geck auftrat. So schrieb sein Vater: Ich hab dich darumb hingeschickt, dass du etwas lernest und karg seist, dass du lernst, Geld zu gewinnen und lernst nit, Geld verzehren und verthun. Denn es hängt einem sein Lebtag an. (…) Ich bin wohl zwei Jahr aussen gewesen, ich hab soviel nit verzehrt als du. (…) Und was
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Der Generationenwechsel nach dem Nürnberger Kaufmann Leonhart II. Tucher (1487–1568) in der historischen Darstellung und in Briefen, in: Mark Häberlein/Christoph Jeggle (Hg.): Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit (Irseer Schriften N.F. 6). Konstanz 2010, S. 309–333, hier 327. Gino Corti: Consigli sulla mercatura di un anonimo trecentista, in: Archivio Storico Italiano 110 (1952) S. 114–119, hier 117: Non estendersi nè intraprendere più cha lla sua borsa possa soferire. Zu dieser anonymen Schrift Erich Maschke: Das Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Fernkaufmanns, in: Ders. (Hg.): Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und Gesellschaft 1959–1977 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftgeschichte, Beihefte 68). Wiesbaden 1980, S. 380–490, hier 384, ferner Giacomo Todeschini: Theological Roots of the Medieval. Modern Merchants’ Self-Representation, in: Margaret C. Jacob/Catherine Secretan (Hg.): The Self-perception of Early Modern Capitalists. New York 2008, S. 17–48, hier 27 f. Corti: Consigli (wie Anm. 38), S. 117: A volere essere mercatante ispezialmente III cose à bisogno d’avere, cioè senno, praticha e danari. Ebenda, S. 117: E però non si può erare a fare senpre segreto e non fare mostra delle sue faciende faciende nè parlare a pancha di sua ghuadagni o di sua richezza. Ebenda, S. 118: Le spese sono senpre da stringiere, però che lle sono senpre a danno, e mai ne torna danaro in borssa; e però, per pocho che tu le stringhi, fanno buona soma in capo dell’anno. Diciano sieno X lire: le quali, in X anni, metnedo però in capitale, venghono a fare una gran soma: tantto che chi no’ ne facessi il conto, nol crederebbe. Ebenda, S. 118: E la ragione se n’é però che tutti i beni tenporali sono sottoposti e moltte ruine; e lle incessante ispese sono febre continove, la quale è quella che ucide gl’uomini.
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Mechthild Isenmann du siehst von andern, das musst du auch haben, ist nit mein meinung. Es schadet nit, dass du schlicht gehst.43
Verbunden mit ungezügeltem Geldvergeuden war der immer wieder lockende Müßiggang. Schon die Regierer der Großen Gesellschaft in Ravensburg mahnten im 15. Jahrhundert in ihren vielen Rekordanzen (Briefen), dass die Jungen fleißig das Kaufmannshandwerk ebenso wie das Briefeschreiben erlernen mögen und darüber hinaus das Gelernte immer wiederholen sowie sich vor allem natürlich dem Rechnen widmen sollten. So sond ier ouch inna ain recht for byld tragen in alla dinga […], das sind ier schuldig ouch die iungen zu underwissen mit rechna, bryeff ab lon schreiben.44
Die sich anschließende Warnung lautete sodann, sie sollten nicht spazieren gehen (Hayssen sij am fyrtagen in daz schryptory sytzen und rechnen, brieff lessen, nit das sy gangind spatzyeren.45), sich vor bösser gesellschaft hüten und vielmehr die Nähe zu ehrbaren und redlichen Kaufleuten suchen.46 Auch der Kaufmann Christoph I. Scheurl verfasste eine Mahnschrift, das sog. Regiment von 1488, eine Anweisung an den jungen Verwandten Hieronymus Haller, der nach Venedig zur Ausbildung geschickt worden war. Dem Regiment zufolge mahnte ihn Scheurl, wahrhaftig im Handeln zu sein, leichtfertige Leute, Frauen, Spiel und andere Laster zu meiden. Dann wäre ihm nicht nur der Lohn des Allmächtigen und die Zustimmung seines Vater, sondern auch die Förderung durch ihn, Christoph Scheurl, sicher. Sei wahrhaftig in all deinem handeln; laß liegen, was nicht dein ist; meid leichtfertige Leute, Frauen, Spiel und andere Laster. Darum wirst du von dem Allmächtigen Lohn, und Lob von den Leuten erlangen; es wird auch die Hand deines Vaters desto milder gegen dich erscheinen, dazu ich, so fern du dich recht anläßt und hälst, dir ein guter Förderer zu sein verhoffe.47
Neben den Mahnungen aus der Heimat boten der Unterricht in den Ausbildungsorten und die Lehrbücher aussagekräftiges Material hinsichtlich der erzieherischen Maßnahmen für die jungen Kaufleute. Sie benennen, wie zur Warnung, die Versuchungen, denen der Nachwuchs immer wieder ausgesetzt war, und gaben Hilfestellungen, diesen zu widerstehen.48 Wie vor allem aus den erhaltenen frühen Sprach43 44 45 46
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Steinhausen: Kaufmann (wie Anm. 1), S. 43. Aloys Schulte: Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaften 1380–1530, 3 Bde. Wiesbaden 1923, Bd. 3, S. 91: So sond ier ouch inna ain recht for byld tragen in alla dinga […], das sind ier schuldig ouch die iungen zu underwissen mit rechna, bryeff ab lon schreiben. Ebenda, S. 91. Ebenda, S. 91 und 180: Tu dich zu errberen redlicha kouffliuta, so hört und sicht ainr allerlay […] und hut dich for bösser gesellschaft […]. Flysß dich deß, so du wayst, das man gern haut, und hutt dich for den, so du wayst, das man nit gern haut. Dazu auch Maschke: Berufsbewusstsein (wie Anm. 38), S. 390, und Evamaria Engel: Zum Alltag des Deutschen Kaufmanns im Spätmittelalter, in: Peter Dinzelbacher/Hans-Dieter Mück (Hg.): Volkskultur des europäischen Spätmittelalters. Stuttgart 1987, S 89–108, hier 100. Albrecht Freiherr von Scheurl: Dr. Christoph Scheurls Vater, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 5 (1884), S. 16 f. Alda Rossebastiano-Bart: Deutsch-Italienische Vokabulare des 15. Jahrhunderts. Inhalte, Strukturen, Zielgruppen, in: Helmut Glück (Hg.): Die Volkssprachen als Lerngegenstand im
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büchern, die dem Nachwuchs die italienische Sprache näher bringen sollten,49 deutlich wird, sind die Themen aus dem Alltag gegriffen und somit anschaulich und lebensnah. Von den verschiedenen erhaltenen Sprachlehrbüchern50 soll hier kurz das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch (Liber in volgare) des Jörg oder Georg von Nürnberg herausgegriffen werden.51 Dieses Werk in drei Bänden stammt aus dem Jahr 1424, und der Autor Georg von Nürnberg hat nach eigener Aussage selbst in einer Sprachschule in Venedig am Campo San Bartolomeo in der Nähe des Deutschen Hauses gelehrt.52 Das Sprachlehrbuch ist überwiegend in Dialogform und der „Ganzsatzmethode“53 aufgebaut. Vor allem dem dritten Band liegen konkrete Lebenserfahrungen zugrunde, die den jungen Kaufleuten helfen sollten, die deutsche und die italienische Sprache zu erlernen. Thematisch stehen Handelsdialoge im Vordergrund. Außerhalb dieses Lebensbereichs wird auch das Milieu des „Rotlichtviertels“ von Venedig thematisiert.54 Ein besonders aussagekräftiges Beispiel stellt etwa der italienisch-deutsche Dialog zwischen einem Lehrherrn und seinem Gesellen dar.55 Der Meister befürchtet, dass sein Geselle am Abend einen Spaziergang zum Markusplatz plane, denn dort könne er sich dem Spiel hingeben, obwohl er doch eigentlich nach Hause zu seinem Lehrherrn gehen solle. Der Geselle fragt dann auch tatsächlich den Meister, ob dieser etwas dagegen habe, wenn er zum Markusplatz gehe, denn dort sei schon der „Peter“ hingegangen. Der Meister fragt
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Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Berlin 2002, S. 5. Ferner dazu die Forschungen aus dem Projekt 1: „Deutsch als Fremdsprache in der Romania“ im Rahmen der „Arbeitsstelle zur Geschichte des Deutschen als Fremdsprache (AGDaF)“ am Lehrstuhl Prof. Dr. Helmut Glück, Bamberg. Konrad Schröder: Didaktische Ansätze im Sprachbuch des Georg von Nürnberg, in: Helmut Glück/Bettina Morcinek (Hg.): Ein Franke in Venedig. Das Sprachlehrbuch des Georg von Nürnberg (1424) und seine Folgen. Wiesbaden 2006, S. 51–64, hier 52–53. Dazu Rossebastiano-Bart: Deutsch-Italienische Vokabulare (wie Anm. 48), S. 1–20. Oskar Pausch: Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch. Eine Überlieferung aus dem Jahre 1424 nach Georg von Nürnberg. Wien 1972. Die neueste Edition stammt von Martina Blusch: Ein italienisch-deutsches Sprachlehrbuch des 15. Jahrhunderts. Edition der Handschrift Universitätsbibliothek Heidelberg Pal. Germ. 657 und räumlich-zeitliche Einordnung des deutschen Textes. Frankfurt a.M. 1992. Pausch: Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch (wie Anm. 51), S. 261, fol. 99v Z. 30–33: Wo siczt dein maister? Auff sandt bartholemes placz. Wo leit sandt bartholomes placz? Nahent pey dem dueczen hauzz (italienische Übersetzung im Sprachbuch, ebenda, S. 261, fol. 99v Z. 30–33: Ove sta el to maistro, sul campo de san bortholamio. Quel campo de san bortholamio? Apresso el fontego di todeschi.) Cecilie Hollberg: Deutsch-venezianischer Handelsalltag im 15. Jahrhundert, in: Mark Häberlein/Christoph Jeggle (Hg.): Praktiken des Handels, (wie Anm. 37), S. 227–243, hier 230. Mit der Ganzsatzmethode ist das Erlernen einer Sprache durch das Einüben von ganzen Sätzen innerhalb von Sinnzusammenhängen gemeint. Cecilie Hollberg: Handelsalltag und Spracherwerb im Venedig des 15. Jahrhunderts: Das älteste deutsch-italienische Sprachlehrbuch, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), S. 773–791, hier 777, weist darauf hin, dass durch die Beispiele im Lehrbuch der Eindruck entstünde, dass für den Nachwuchs in Venedig neben dem Geschäftsalltag nur noch das Rotlichtviertel, „käufliche Frauen und ein Separée“, in Venedig von Bedeutung seien. Pausch: Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch (wie Anm. 52), S. 259, fol. 98v Z. 4–23.
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nach, was er denn dort mache, denn man sage, er würde dort spielen, auch wenn er eigentlich nach Hause kommen solle, und das sei nicht richtig. Der Geselle weicht aus und stellt die Gegenfrage, wer so etwas sage. Schließlich weiß sich der Meister nicht anders zu helfen, als den Gesellen zu fragen, was er nun den Vätern sagen solle, wenn diese fragten, wo die Gesellen denn solange geblieben seien. Der Geselle antwortet darauf leichthin, dass die Väter das niemals fragten.56 Man darf schließlich annehmen, dass der Geselle sich dann zum Platz von San Marco begab, befand sich dort doch das „Vergnügungszentrum“ Venedigs mit zahlreichen Spielmöglichkeiten. Die bisherige Darstellung von Ausbildung, Mahnschreiben, sog. Kaufmannsspiegeln sowie einschlägiger Lehrbücher sollte die Grundsätze verdeutlichen, wie der junge Nachwuchs im Idealfall befähigt werden sollte, die erfolgreiche Nachfolge und Weiterführung der Familiengesellschaft zuwege zu bringen. Neben diesen eher rational-praktischen Geschäftslehren spielte aber auch die psychische und mentale Verfassung, vielfach als conditioni (Eigenschaft und Wesen) bezeichnet, eine wesentliche Rolle. So befasste sich etwa Benedetto Cotrugli († 1469) in seinem aufschlussreichen Werk Il libro dell’arte di mercatura, 1458 vermutlich während seines Aufenthaltes in Neapel verfasst, im Kapitel Dell’Qualità della persona del mercatante auch ausführlich mit den conditioni, also der mentalen Verfasstheit des Kaufmanns.57 Tatsächlich gibt es aussagekräftige Beispiele, die zeigen, wie in der Ausbildung oder auch schon während der Tätigkeiten des jungen angehenden Kaufmanns Verschwendung, liederliches Leben und Spielleidenschaft des Nachwuchses, also eine schwache conditio, sowohl den wirtschaftlichen Bestand als auch den familiären Zusammenhalt, die Ehre und die Kreditwürdigkeit einer Familiengesellschaft gefährden konnten. Befunde dazu bietet die Familiengesellschaft des Jakob Herbrot d. J. aus Augsburg in zweierlei Hinsicht: Zum einen waren zwei Söhne Jakobs aufgrund ihrer conditio nicht in der Lage, in der Gesellschaft mitzuarbeiten, zum anderen entwickelte sich ein Schwiegersohn wohl aufgrund seiner Verschwendungssucht, beför56
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Ebenda, S. 259, fol. 98v Z. 4–23: Bo[!] ist der peter hin gegangen? (italienische Übersetzung im Sprachbuch, ebenda, S. 259, fol. 98v Z. 4–23: Ou Anda piero?) Peit (Wart) laz mich den maister gesegen, gee und chum pald her wider (ital: Aspeta lasame tor combiado dalmaistro.) Maister ist euch liebt daz ich gee zw sant marchs? (ital: Maistro ue piase che wada a san marco?) War zu mein gemach tün. (ital: Anche far affar mio destro.) Gest dein gemach tun od(er) haim od(er) spilen? (ital: Vastu a mictu o achasa o azogare.) Waz wolt ir sein wissen? (ital: Che uoli uuy sauer?) Man mag sein nicht wissen yeczunt. (ital: El no se puo sauer p[er] adesso.) Man spricht ir geet spillen ben ir heim schült geen und daz ist nicht wol getan. (ital: El se disse uuj ande zugando quandouui deue andar achassa. Equesto no e ben fato.) Ir habt war ob im also wer. (ital: Vui disse el uero sel fosse cossy.) Aber sie sagen nicht war diez sprechen. (ital: Ma quellj no dise uero chel diese.) Nün waz tuet ir alz lang? (ital: Ma ch[e] fe uuj tanto?) Ez ist albeg nahent non wen(n) ir haim geet. (ital: Elle sempre quassy nona uuj ande achasa.) Waz wer wort vint ir ewern vatern wen(n) sia euch frage(n) wo seit ir alz lang gebessen. (ital: Che scusa chate uuj ay uostri padri q[ua]ndo elli ue doma[n]da oue sy uuj sta tanto.) Sy fragen uns nimer. Ade. Ge mit got. [ital: Elly no ge do manda may. Adio. Vachondio.]. Ugo Tucci (Hg.): Benedetto Cotrugli: Il libro dell’arte di mercatura. Venezia 1990, S. 142 (= fol. 8v). Zu Cotrugli vgl. Todeschini: Theological Roots (wie Anm. 38), S. 18, 23.
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dert durch die schier unerschöpflichen Geldmittel, die ihm zunächst zur Verfügung standen, für Herbrot zum Problem.58 Herbrot selbst stammte über seinen Vater wahrscheinlich aus Breslau in Schlesien. Die Familie kam Ende des 15. Jahrhunderts59 nach Augsburg, wo der Vater zunächst seinem Beruf als Kürschner nachging, um durch Geldgeschäfte schnell zu Reichtum zu kommen, sodass die Familie, zur Gruppe sog. „Neureicher“ gehörend, den gesellschaftlichen Aufstieg schaffte. 1545–47 übernahm Jakob d. J. bereits das Amt des Bürgermeisters und wurde 1551 gar zum königlichen Rat Ferdinands II. berufen.60 Jakob Herbrot führte seine Geschäfte über eine Familiengesellschaft zusammen mit seinen fünf Söhnen. Allerdings stellte sich im Laufe der Jahre heraus, dass zwei der Söhne, Hans und Matthäus, nicht befähigt waren, die Geschäfte als Mitgesellschafter zu betreiben. Daher schloss Jakob Herbrot diese beiden Söhne 1558 bei der Abfassung seines Testaments wegen schwachait und unvermöglichait aus der Geschäftsführung wieder aus und zahlte ihnen ihren Pflichtteil, während er die drei anderen, Jakob, Hieronymus und Christoph, in die Gesellschaft einband. Sie hätten sich jederzeit dem Vater gegenüber gehorsam und treu gezeigt sowie im Handel und Gewerbe jederzeit fleißig mitgearbeitet.61 Parallel dazu entstanden der Herbrot-Gesellschaft aus der Verbindung der Tochter Jakobs d. J. namens Marina mit Simon Manlich, Sohn des Melchior Manlich d. Ä. aus Augsburg, 1541 finanzielle Schwierigkeiten, die der Gesellschaft schaden sollten und erst in einem schiedsgerichtlichen Austrag beendet wurden.62 Solche ehelichen Allianzen sollten eigentlich in der Regel für beide Familien vorteilhaft sein. Zur Zeit der Eheschließung führten sowohl Melchior Manlich als auch Herbrot blühende Familiengesellschaften. Die Heirat eröffnete somit auch Wege zu geschäftlichen Verbindungen. Simon Manlich zog infolgedessen auch bei Herbrot 58 59
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Ausführlich zu den auch folgenden Beispielen künftig: Mechthild Isenmann: DFG-Projekt: Strategien, Mittel und Wege (wie. Anm. 19). Chronik des Paul Hector Mair von 1547–1565, in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 32. Stadt Augsburg, Bd. 7, S. 420. Zu Paul Hector Mair siehe Carla Kramer-Schlette: Vier Augsburger Chronisten aus der Reformationszeit. Die Behandlung und Deutung der Zeitgeschichte bei Clemens Sender, Wilhelm Rem, Georg Preu und Paul Hektor Mair (Historische Studien 421). Hamburg 1970, S. 62–64. Herbrot als neureicher Aufsteiger zeigte in einem Schreiben an Gerwig Blarer, Abt von Weingarten und Ochsenhausen (1520–1567) in schöner Weise, wie er seine Stellung selbst einschätzte, indem er nämlich den Abt aufforderte, dass dieser ihn: furan nicht mer dauzen solen, sunder […] das mich eur gn[aden] nit mer fur ain armen geselen sunder fur ain vermaynten herren zu halten wissen. Heinrich Günther (Hg.): Gerwig Blarer. Abt von Weingarten und Ochsenhausen. Briefe und Akten 1520–1567 (Württembergische Geschichtsquellen 16–17). Stuttgart 1914/15, Nr. 117 (Bd. 17); Katarina Sieh-Burens: Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518–1618 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 29). München 1986, S. 129. Häberlein: Brüder (wie Anm. 20), S. 344: StA Lauingen, Nr. 3943. Zur abstufenden Beurteilung der Söhne u. a. auch nach dem Grad des Gehorsams und der Unterordnung vgl. Denzel: Merchant Family (wie Anm. 27), S. 377. Gerhard Seibold: Die Manlich. Geschichte einer Augsburger Kaufmannsfamilie (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 35). Sigmaringen 1995, S. 32.
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ein, mit dem Ziel, in der Gesellschaft des Schwiegervaters eine Position als Mitgesellschafter einzunehmen. Offensichtlich hatten jedoch der eigene vermögende familiäre Hintergrund und nun die reiche Familie Herbrot auf Simon nicht die erhoffte positive Wirkung. Ganz im Gegenteil führten die schier unerschöpflichen Geldmittel dazu, dass Simon Manlich zunehmend einen derart verschwenderischen und üblen Lebenswandel führte, dass er, vermutlich auf Betreiben seines Schwiegervaters Jakob Herbrot in das städtisches Gefängnis verbracht wurde.63 Seine Ehefrau Marina weigerte sich zudem, die Ehe mit Simon Manlich weiter fortzusetzen. Offensichtlich war Simon auch als Ehemann wenig „erfolgreich“. Durch diese Entwicklung entstand eine heikle Konstellation, die sich zwischen zwei vermögenden Familien, die beide im Warengroßhandel, im Kredit- und Bergbauwesen engagiert waren sowie am politischen Leben in Augsburg partizipierten und es mitgestalteten, zu einem unerwünschten Konflikt ausweiten konnte. Wie zu erwarten, stellte sich die Familie Manlich hinter Simon64 und übte durch „Fürsprache“ Druck auf Jakob Herbrot und dessen Tochter aus, sodass sie sich bereit erklärten, nachdem Simon aus dem Gefängnis entlassen worden war, ihn als Ehemann und mutmaßlich auch als Mitarbeiter in der Gesellschaft wieder aufzunehmen. Im Gegenzug allerdings schwor Simon Manlich seinem Lebenswandel ab. Darauff ist erkannt, das gedachter Simon Manlich gegen einer verpurgtt urphed, wie die vor Rat verlesen worden der vennkhnus soll verlassen werden.65
Jedoch erwies sich, dass Simon Manlich nur ein Lippenbekenntnis abgegeben hatte, er blieb weiter unzuverlässig. Nachdem er 1543 wegen Zechens und Spielens verhaftet worden war, verließ ihn seine Frau Marina erneut. Nun zeigte sich, dass eine Heiratsverbindung nicht nur zum Vorteil gereichen, sondern durch Ehekonflikte zur Gefahr der „Desintegration“66 werden konnte − in diesem Fall aufgrund der Verschwendungssucht und Unzuverlässigkeit des Ehemanns auch zur wirtschaftlichen Gefahr. Denn die Familie Manlich legte zunächst Protest ein, und zwar nicht gegen den missratenen Sohn, sondern (wie zur Ablenkung) gegen Marina, der man vorwarf, sie habe Gegenstände und Geld aus dem gemeinsamen Hausstand mitgenommen. Der Fall kam zunächst vor eine Schiedskommission, die u. a. aus Hans Welser und Matthäus Manlich, dem Bruder des Simon, bestand. Diese aber gaben Marina Recht. Auf Drängen des nun eingeschalteten Augsburger Rates wurde 1545 daraufhin ein Vertrag zwischen Jakob Herbrot und Simon Manlich aufgesetzt, in dem Simon Abbitte leistet. Zum anndern solll Simon Manlich seinem herrn Schweher und frau schwiger mit gemainen frundlich wort abpitten, was er schrifftlich oder mundtich und sonst wider sie gehanndlet, das sie ims vertzeihen wollen.67
Ferner sollten sich die Eheleute versöhnen. 63 64 65 66 67
Ebenda, S. 35. Ebenda, S. 35. Für ihn bürgten sein Bruder Matthias, seine Schwäger Georg Regel und Dr. Ambrosius Jung sowie der Vetter Melchior Ilsung. StA Augsburg, Ratsprotokolle 18/II (1544), fol. 2v. Denzel: The Merchant Family (wie Anm. 27), S. 375. StA Augsburg Ratsprotokolle 19/I (1545), fol. 98r.
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Zum dritten sollen die bede eeleut aneinander inn eeren, zucht, lieb und frundtschafft eelich und christlich beiwonen, wie sich erbern eeleit zuthun geburt.68
Und schließlich hatte Simon Manlich fortan seinem liederlichen Lebenswandel abzuschwören. Zum vierden soll Simon Manlich sich ubrrigs unordenlichs beweinens, liederlicher, poser gesellschafft, unnutz anwerdenns seinns guts schwehern grossen schwernus und gotzlesterns enthalten.69
Auch wurden finanzielle Vereinbarungen zwischen den Familien getroffen.70 Mit diesen vertraglich festgelegten Absprachen sicherten sich die Familie Herbrot und ihre Gesellschaft in finanzieller, aber auch in ihrer gesellschaftlichen Position genauso ab wie die Familie Manlich. Auch die Familie Böcklin kannte den Ausschluß von Söhnen aus der Geschäftsleitung des Familienunternehmens. Erst schloss der Gründer der Familiengesellschaft Pankraz Böcklin d. Ä. zwei Söhne 1543 mittels testamentarischer Verfügung aus. Einige Jahre später tat es ihm sein ältester Sohn und nunmehriger Regierer der Familiengesellschaft gleich und entfernte seinerseits 1579 seinen Sohn Jeremias aus der Gesellschaft. In seinem Testament begründete Pankraz Böcklin sowohl seine Entscheidungen zugunsten seines ältesten Sohnes Christoph als auch die ablehnende den beiden anderen Söhnen Pankraz d. J. und Hieronymus gegenüber: Demzufolge hätte sich Christoph tugendhaft, gehorsam und treu seinem Vater gegenüber gezeigt und keine Arbeit in Handel und Gewerbe gescheut: Tugent unnd wolthat nitt unerkhannt bleyben soll, unnd sich dann Christoff Böcklin mein lieber sun, Jhe, unnd alwegen als kindtliche gehorsam unnd trew, gegen mir geflissen, auch kain muehe noch arbayt gespart hat, mein hanndel unnd gewerbe, dadurch mir Got der Almechtig reychliche narung beschert, zuerhalten, zuerrichten unnd zumehren, unnd wa es an Ime gewesen, derselb mein hanndel, weyl Ich alters, unnd schwachayt halb darmit etlich zeyt her nit umbgeen mögen, schwerlich het erhaltenn mögen werden.71
Hingegen zeigte Pankraz d. J. keine Neigung zum Kaufmannsberuf und Hieronymus fehlte das Geschick zu diesem Beruf.72 Darüber hinaus vermisste Pankraz Böcklin die für einen Kaufmann grundlegenden ethischen Wertvorstellungen bei seinem Sohn Hieronymus, zu dessen Kanon auch eine ehrenvolle, nützliche, eheliche Verbindung gehörte, die Hieronymus eben nicht eingegangen sei. Er habe sich sogar ohne Zustimmung und Wissen seines Vaters liederlich verheiratet.73 68 69 70 71
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Ebenda, fol. 98r. Ebenda, fol. 98r. Ebenda, fol. 98r/v. StA Augsburg, Stadtgericht 40 (bei Mark Häberlein: Familiäre Bindungen und geschäftliche Interessen: Die Augsburger Kaufmannsfamilie Böcklin zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 87 [1994], S. 39–58, hier 44, Anm. 33). StA Augsburg, Stadtgericht 40 (bei Häberlein: Böcklin [wie Anm. 71], S. 44, Anm. 33): Das auch die anndern meine zwen Süne, Pangratz und Jheronimus, der ain kain naygung, der annder aber kain geschicklichayt darzu haben. StA Augsburg, Stadtgericht 40 (bei Häberlein: Böcklin [wie Anm. 71], S. 45): So ist doch ihe wahr, das mir ernanntter mein sun Jheronimus Böcklin, nit allein zur narung nit nutzlich, sonn-
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Pankraz gehorsamer und erfolgreicher Sohn Christoph sollte seinem Vater nacheifern und setzte seinerseits vier seiner Söhne ein, mit der Begründung, dass sie sich gehorsam dem Vater (also Christoph) gegenüber und fleißig im Geschäft gezeigt hätten. Den Sohn Jeremias hingegen schloss er wegen Ungehorsams (sog. Widerspenstigkeitsklausel) und Leichtfertigkeit in seinem Testament aus.74 Als besonders aufschlussreich für die Fragestellung nach dem schädlichen Einfluss, den Reichtum auf junge Nachfolger haben konnte, erweisen sich die Familien Paumgartner d. Ä. aus Nürnberg bzw. Augsburg.75 Nachdem Anton I. Paumgartner nach einem schmachvollen, mit der Flucht vor den Schuldnern und einem nachfolgenden Prozess vor dem kaiserlichen Kammergericht verbundenen Falliment 1475 als Bankrotteur gestorben war, zogen seine Söhne 1475 bzw. 1485 von Nürnberg nach Augsburg. Infolge der Vergangenheit ihres Vaters sahen die Söhne Franz und Hans Paumgartner in Nürnberg für sich keine unternehmerische Zukunft mehr und versuchten in Augsburg ihr Glück. Beide gründeten zusammen eine Familiengesellschaft, die sich als außerordentlich erfolgreich erwies. Sie hatten zahlreiche Nachkommen, die teils ebenfalls sehr gewinnbringend arbeiteten, aber eben auch Konflikte durch Verschwendung verursachten. Ein Sohn des Franz Paumgartner namens Hans-Franz ist in dieser Hinsicht ein besonders passendes Beispiel. Er war mit Ottilie Höchstetter verheiratet und sollte 1529 bei dem weithin Aufsehen erregenden Bankrott des Ambrosius Höchstetter d. Ä. eine unrühmliche Rolle spielen. Dieser Bankrott hatte sich wegen verschiedener wirtschaftlicher Fehlentscheidungen und Misserfolgen sowie irrationaler Spekulationsbereitschaft,76 aber eben auch wegen der dauernden Verschwendungs- und Spielsucht des Schwiegersohns des Ambrosius, Hans-Franz Paumgartner, sowie des eigenen Sohns Joachim († 1535) ereignet. Der Augsburger Chronist Clemens Sender77 gibt über den Fall Auskunft. Ihm zufolge gebärdeten sich die zwei Männer, als die Gesellschaft Ambrosius Höchstetter d. Ä. (in den 20er Jahren) bereits in einer gefährlichen finanziellen Schieflage war, als Lebemänner, die das lange Zeit reichlich vorhandene Geld zum Fenster hinauswarfen. Wa seine aigen sün und seines bruders sun (gemeint ist Hans-Franz Paumgartner, M.I.) het(ten) sich rechtschaffen gehalten und zimlich zu dem iren gesechen, (…) dann sein sun Joachim und sein tochtermann Franz Baumgartner haben auff ain nacht in ainem panget thüren laussen
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der auch ime selbs, seins aigenswillens halben schedlich gewesen, fürnemblich aber inn dem, das er sich on mein wissen, liederlich mir zu Unehre und bekömernuß verheurat hat. Häberlein: Böcklin (wie Anm. 71), S. 53. Dazu: Mechthild und Eberhard Isenmann: Das Innenverhältnis einer spätmittelalterlichen Handelsgesellschaft und die Ausweitung interner Konflikte – Hans Arzt und Gesellschaft, Anton Paumgarther und die Reichsstadt Nürnberg, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 101 (2014), S. 432–487. Ernst Kern: Studien zur Geschichte des Augsburger Kaufmannshauses der Höchstetter, in: Archiv für Kunstgeschichte 26 (1936), S. 162–198, hier 193 f. Aktuelle Forschungen zum Höchstetter Bankrott bietet Thomas Max Safley: Staatsmacht und geschäftliches Scheitern. Der Bankrott der Handelsgesellschaft Ambrosius und Hans, Gebrüder Höchstetter, und Mitverwandte im Jahr 1529, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 19/3 (2008), S. 36– 55. Kramer-Schlette: Vier Augsburger Chronisten (wie Anm. 59), S. 62–64.
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auffgan und verthon 5000 oder 10000 fl. und auf ain mall 10000 oder 20000 oder 30000 fl. verspillen.78
Immerhin gehörte die Familie des Hans-Franz Paumgartner zu den reichsten Augsburger Bürgern, wurden sie doch an die sechste Stelle der Steuerliste gesetzt. Die Höchstetter stellten einige Zeit ebenso eine der vermögendsten Familien in Augsburg dar.79 Die beiden, eigentlich als Mitgesellschafter bei Höchstetter vorgesehen, waren offensichtlich der Spielleidenschaft verfallen und hatten, Clemens Sender zufolge, in einer Nacht die große Summe von 30.000 fl. verspielt. Das führte zwar noch nicht unmittelbar zum Konkurs, hatte aber zunächst die sinnvolle Konsequenz, dass der Gesellschaftsvertrag der Höchstetter der möglichen Gefahr eines Konkurses durch Verschwendung angepasst wurde. 1524 stand nämlich ein entsprechend modifizierter Anschlussvertrag an den ersten Gesellschaftsvertrag von 1515 an. War 1515 noch das eingeschränkte Spiel mit einer festgelegten Höchstsumme zum Zweck der kaufmännischen Kommunikation zugelassen,80 so wurde im Vertrag von 1524, aufgesetzt unter dem Eindruck der verspielten Summe der leichtfertigen Nachfolger, jegliches Glückspiel verboten. Zu bedenncken der spill halben, ist die mainung, das ein jettlicher allen gefarliche spill lassen soll unnd kainswegs nit treyben noch thon. Wa aber einer unnder uns sollichs gefarliche spill wurde thon, so haben mir macht, demselben von stundt an urlaub zu geben unnd soll auch bey seiner glip und treuwen, so er auf dise geschrifft gethan hatt, das alles meyden noch nit yeben kains wegs alles trewlich und ungevarlich.81
Die bekannte Verschwendungssucht der Höchstetter-Nachfolger sollte sich zudem erschwerend auf das 1530 anlaufende Konkursverfahren und vor allem die Bereitschaft der Gläubiger, Zahlungsaufschub bzw. -verzicht zu gewähren, auswirken. Die Gläubiger verlangten in einem Vertrag von Hans-Franz Paumgartner und Joachim Höchstetter, deren Verschwendungssucht sie ursächlich für das verderben Ambrosius Höchstetters hielten (so di merer ursach der gemelten Hechsteter ver-
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Die Chronik des Clemens Sender, in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 23. Augsburg, Bd. 4. Leipzig 1894, S. 220. Sender berichtet darüber hinaus auch davon, dass der jung Ambrosi Hechsteter, des alten Ambrosi Hechsteter sun, und Joseph Hechsteter seines bruder sun, haben auch übel haus gehept, aber doch nit also übel wie die andern zwen. Ebenda, S. 221. 79 Jakob Strieder: Zur Genesis des modernen Kapitalismus. 2. Aufl., Leipzig 1935 (1. Aufl. 1904), S. 47. 80 Ob aber einer oder mer untter uns etwas mit erbern leutten spillen und kurtzwejllen wolt, das soll er zuo thon, doch auff ein tag nit mer dan zwainzigk gld., aber daruber nit zuo verspillen macht haben. Wo aber einer uber zwainzigk gld. verlird, wie fill das wer, das soll er pej seinem ajdt der geselschaft ansagen und darnach darzuo der geselschaft so fill an parem gelt auch bezallen und dasselb gelt zuo erren gottes ausgeben werden. Niedermayr: Gesellschaftsvertrag (wie Anm. 23), S. 89. 81 Lutz: Handelsgesellschaften (wie Anm. 12), Bd. 2, S. 46’. Grundsätzlich stellen viele erhaltene Gesellschaftsverträge Normen zu ethischem Verhalten der Gesellschafter auf, etwa in Bezug auf eigenmächtige Wechsel- und Kreditgeschäfte, Verbot von unautorisierten Bürgschaften, Spielverbot, Verbot des Aufsuchens von Bordellen usw. Das Zuwiderhandeln konnte bis zum Ausschluß aus der Gesellschaft führen. Künftig dazu Mechthild Isenmann: Das Bild des ehrbaren Kaufmanns in oberdeutschen Familiengesellschaften der Frühmoderne (in Vorbereitung).
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derbens gegeben und das gesellschaftsgelt unnutzlich verschwendt82), ausdrücklich durch Eid gesicherte Rückzahlungen der Schulden – ohne irgendwelche Einreden, Weigerungen oder Rechtsmittel einzulegen und dadurch die Auszahlung zu verhindern.83 Kurz und beiläufig erwähnte Sender in seiner Chronik abschließend, dass die Ehefrauen Joachim Höchstetters und Hans-Franz Paumgartners vor unmut gestorben84 seien. Die Auswirkungen, die die Verschwendungssucht der Nachfolger auf die Familiengesellschaft haben konnte, waren durchaus nicht außergewöhnlich, wie die Entwicklung der Paumgartner in Augsburg zeigen sollte. Hans Paumgartner d. J. (ca. † 1549), der Onkel von Hans-Franz und Mitgründer der Paumgartner-Gesellschaft in Augsburg, übertraf seinen Vater Hans d. Ä. an Vermögen noch um ein Vielfaches. Insbesondere im Bergbau, im Kreditwesen und im Warengroßhandel85 machte Hans Paumgartner sein Vermögen. Auch seine Heiratsverbindung war günstig; heiratete er doch 1512 Regina Fugger, Georg Fuggers Tochter und Nichte des Jakob Fugger. Mit ihr hatte er drei Töchter und vier Söhne. Die Söhne wurden nachweislich sehr sorgfältig erzogen, nicht nur im reinen Kaufmannsgeschäft, sondern auch in der Jurisprudenz.86 Außerdem legte der Vater großen Wert darauf, dass die Söhne eine Erziehung in der Verfeinerung des gesellschaftlichen Umgangs genossen. Das gehörte zwar grundsätzlich auch zur allgemeinen Kaufmannsausbildung, aber Hans Paumgartner d. J. gab sich bei der Erziehung der Söhne in dieser Frage nicht mit der Unterrichtung in einfachen gesellschaftlichen Umgangsformen für Kaufleute zufrieden, sondern er ließ seine Söhne an verschiedenen europäischen Höfen, u. a. in Brüssel und Wien, ihre politischen und diplomatischen Erfahrungen sammeln. Derart ausgerüstet sollte die Kontinuität des geschäftlichen Erfolges im Rahmen einer Familiengesellschaft gewahrt sein. Und dennoch fiel ein Sohn aus dem Rahmen, und zwar derjenige mit dem Namen seines unglücklichen Vorfahren Anton II. (geb. 1518). Er war der drittgeborene und zunächst hoffnungsvolle Spross seines Vaters. Die in ihn gesetzten Hoffnungen waren wohl so hoch, dass er 1533 als Faktor in die wichtigste Niederlassung der Paumgartner in Venedig eingesetzt wurde. Dieser Ort hatte auf Anton II. jedoch eine verhängnisvolle Wirkung. Er konnte den zahlreichen Versuchungen, die die Lagunenstadt bot, nicht widerstehen und widmete sich, immer mit dem Vermögen des Vaters im Rücken, dem Glück82 83
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Die Chronik des Clemens Sender (wie Anm. 78), S. 230. Ebenda, S. 230: On alle einred, waigerung, auszug, rechtbot oder ander verhinderung wie die hie wider beschechen mächten, den glaubigern obgedachtermassen auszutaillen und sich mit aids pflichten den glaubigern des und alles andes inhalts dises vertrags genugsamlich verschrieben. Ebenda, S. 234. Wilhelm Krag: Die Paumgartner von Nürnberg und Augsburg. Ein Beitrag zur Handelsgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts. Mit einem Anhang: Die bayerischen Baumgartner von Kufstein und Wasserburg (Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen 1). München 1919, S. 52. Künftig ausführlich zu den Augsburger Paumgartner: Mechthild Isenmann: DFGProjekt, Strategien, Mittel und Wege (wie Anm. 19). So kam etwa Hans Paumgartner zum Studium nach Bourges zu dem bekannten Rechtsprofessor Andrea Alciato († 1550), vgl. Krag: Paumgartner (wie Anm. 84), S. 101.
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spiel sowie weiteren Vergnügungen. So heißt es im Rückblick in einem Notariatsinstrument des Vaters Hans Paumgartner d. J. vom 23. September 1542 kritisch: daß er [Anton] splendidus sein wollte87 und mit diesem Lebenswandel seinem Vater wenig gefallen habe. Da ich nur 3 söne habe, darunder mein sun Anthoni Paungartner von Paungartner sich in etlich mer weg nit mins willens und gefallens, sonder sich gegen mir und auch sonst, des mir nit unpillich mißfällig, gehalten und erzaigt, auch neben andern den anfang und ertzaigung gethun (…).88
Sein Onkel, der Augsburger Chronist Christoph von Stetten, schrieb über ihn, dass er großen Unflat, Ehebrecher mit Hurerey und andern ungeschickten Sachen89 erkennen ließ – kurzum, ein liederliches Leben führte. 1535 hatte das erste Konsequenzen. In dem Jahr verfasste nämlich Antons Vater mit seiner Frau Regina, wie durchaus üblich, ein zweites Testament. Auf dieses sollten noch zwei weitere – auch wegen des zusehends missratenen Sohns Anton – modifizierte Testamente folgen. Im ersten Testament von 1519 waren noch alle vier Söhne als Erben eingesetzt worden. Im zweiten von 1535 verfügten die Eheleute dann allgemein den Ausschluss von Ungehorsamen. Außerdem wurden in einem Notariatsinstrument aus dem Jahr 1540, das die Erbteilung regelt, zwar nicht ausdrücklich die Eskapaden des Sohnes Anton in Venedig benannt, aber es heißt, dass er wegen bestimmter Ursachen von den [Geschäften bezüglich der] Bergwerke90 ausgeschlossen werden sollte. Ferner erschien es Hans Paumgartner nicht zweckmäßig, die Söhne, wie vorgehabt, auf acht Jahre miteinander zu verbinden. Er hob die Allianz auf, und die drei Brüder sollten fortan ohne Anton zusammen in der Gesellschaft arbeiten.91 Nachdem der weiterhin unstete und unzuverlässige Anton sogar von seiner Frau Regina, der Tochter der angesehenen Augsburger Familie Honold, wegen seines ausschweifenden Lebens im Jahr 1543 verlassen worden war,92 erstellten Hans d. J. Paumgartner und seine Frau in dem Jahr ein neues Testament, nun explizit mit Hinweis auf den missratenen Sohn, vor dem man die Familiengesellschaft schützen wolle, um die Ordnung einzuhalten. Es hat sich von ime in etlicher mer weg zugetragen, das wir aus väterlicher und mitterlicher bekümmernis und betrübnus hierin austrucklich anzuzeigen oder zu setzten unterlassen wöllen, dardurch wir verursacht, im unserm Anton, auch seinen ehelichen sönen ein genantes unterschiedliches erbsatzungsweise zu verordnen.93 87 88 89 90 91 92 93
Karl Otto Müller: Quellen zur Handelsgeschichte der Paumgartner von Augsburg (1480–1570) (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 9). Wiesbaden 1955, S. 44. Ebenda, S. 44. Albert Haemmerle (Hg.): Deren von Stetten Geschlechterbuch 1548 (Stetten-Jahrbuch 2), München 1955, S. 83; Häberlein: Brüder (wie Anm. 20), S. 349. Müller: Quellen zur Handelsgeschichte (wie Anm. 87), S. 43. Ebenda, S. 43 f. HStA München, Geh. Staatsarchiv, (Bestand Kißlegg) K blau 382/6; Müller: Quellen zur Handelsgeschichte (wie Anm. 87), S. 47 f. Ebenda, S. 46.
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Anton wurde darin von der Geschäftsnachfolge ausgeschlossen. Aber so hat sich doch desselbigen unseres sohns Antonien halben und von ihme in etlich mer weg zugetragen, dass wir aus väterlicher und mütterlicher bekümmernus und betrübnus hierin austrucklich anzeigen, dadurch wir verursacht, ihme unserm Sohn auch seinen ehelichen Söhnen etwas unterschiedliches verordnen zu müssen, neben anderem auch darum, das ich Hans Paumgartner von Paumgarten begere, dass alle meine gelegenheit, wesen, vermögen in geheim und eingezogen, auch guter ordnung bleiben und meines gefallen erhalten werden.94
1549 wurde nochmals ein modifiziertes Testament verfasst, in dem lapidar festgestellt wird, dass Anton auf sein Erbteil verzichtet und ein Leibgeding von 1.800 fl. jährlich sowie eine Einmalzahlung von 20.000 fl. noch zu Lebzeiten der Eltern erhalte. Anton II. blieb seinem Lebenswandel lange Zeit treu und hielt sich weiter in leichtlebigen Kreisen auf, sodass ihm der Schwankdichter Michael Lindener († 1562) sogar seine etwas zweifelhaften Rastpüchlein und Katzipori-Schwänke widmete.95 Die Aufstellung der Nachfolger, die vielfach aufgrund des Reichtums ihrer Familien der Verschwendungssucht verfielen, ließe sich beliebig fortsetzen. So kann noch Melchior Linck erwähnt werden, der für die Nachfolge in der blühenden Familiengesellschaft Haug-Langnauer-Linck vorgesehen war, sich aber 1572 aufgrund seiner Spielschulden von 30.000 fl., die er angehäuft hatte, aus dem Geschäft zurückziehen musste, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.96 Ein ähnliches Beispiel stellte Joachim Langenmantel dar, aus der in Augsburg und weit darüber hinaus angesehenen und reichen Familie Langenmantel. Er hatte zwar eine Gesellschaft gegründet, fand sich aber wegen seines verschwenderischen Lebensstils in einem Konkursverfahren wieder.97 RESÜMEE Verführungen durch Reichtum, die finanzielle Verluste des Familienunternehmens zur Folge hatten und so das Geschäft schädigten, konnten im 15. und 16. Jahrhundert (wie eigentlich zu allen Zeiten) zu einem immer wieder auftretenden Problem werden, das massive Konflikte innerhalb der Familie und damit der Gesellschaft nach sich zog. Speziell potentielle junge Nachfolger von Familiengesellschaften und ihr Verhalten in Bezug auf Reichtum, sei es, dass sie den Verführungen erlegen waren oder ihnen widerstanden, sich also gehorsam und fleißig zeigten, wurden mithilfe ausgewählter einschlägiger Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts untersucht. Die zum Teil gravierenden Folgen für die Familien und ihre Handelsgesellschaften konnten dadurch deutlich gemacht werden. Die Gefahr für 94 95 96 97
Ebenda, S. 46. Franz Lichtenstein (Hg.): Michael Lindners Rastpüchlein und Katzipori (Bibliothek des Litterarischen Vereins 163). Tübingen 1883, Widmung: S. 3–5. Fritz-Wolfgang Ringling: Sixteenth Century Merchant Capitalism. The Haug-Langnauer-Linck & Relatives of Augsburg as a Case Study. Rochester 1979, S. 262, und Häberlein: Brüder (wie Anm. 20), S. 279. Häberlein: Höchstetter (wie Anm. 71), S. 58.
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eine Gesellschaft durch in finanziellen Angelegenheiten unzuverlässige, der Spielleidenschaft verfallene oder auch allgemein liederliche Nachfolger vermögender Familien war existent und wurde als solche wahrgenommen. Zum Schutz der Gesellschaft verfügten die Regierer (Leiter) und ihre Mitgesellschafter über unterschiedliche Strategien, mit denen sie versuchten, den Gefahren zu begegnen. So sollte zunächst die beste Ausbildung nach strengen, allgemein verbreiteten Prinzipien den Nachwuchs befähigen, die notwendige Disziplin aufzubringen. Es wurden dann unternehmerische Instrumente wie etwa die normativvertragsrechtliche Bindung durch Gesellschaftsverträge mit ihren einschlägigen Artikeln eingesetzt, aber auch innerfamiliäre Strategien, z. B. sich den Gegebenheiten anpassende Testamente. Als ultima ratio blieb nur noch der Ausschluss des unverbesserlichen Nachwuchses.
DIE VERARMTEN REICHEN IN DER FLORENTINISCHEN GESELLSCHAFT DES 14. UND 15. JAHRHUNDERTS Kurt Weissen (Heidelberg) In der florentinischen Gesellschaft des 14. und 15. Jahrhunderts gab es Familien und Individuen, die aus unteren Schichten aufstiegen, wie etwa als bekanntestes Beispiel die Medici, und im Gegenzug auch solche, die einen Abstieg erlebten. Krankheiten und Seuchen, Scheitern in der kommerziellen Tätigkeit oder politische Verfolgung konnten dazu führen, dass ein Mann aus einer komfortablen wirtschaftlichen Situation herausgerissen wurde und zusammen mit seiner ganzen Familie in eine Notlage geriet. Auch hierfür gibt es bekannte Beispiele, wie etwa das Schicksal der Alberti und Lamberteschi. Schon in der Antike finden sich Autoren, die lehrten, dass Menschen, die einen Abstieg in die Armut erlebt haben, besondere Unterstützung verdienen. So sorgt sich etwa der Heilige Ambrosius von Mailand († 397) in seiner Schrift De Officiis an mehreren Stellen um diese Menschen, da sie sich schämen, wenn sie um Geld oder Warengaben für ihren Lebensunterhalt betteln müssen (qui publice egere verecundantur).1 Er forderte die Amtsvorsteher der Kirche dazu auf, sich dieser Notleidenden anzunehmen: Nach jenem sollst du dich umsehen, der dir nicht unter die Augen tritt; nach jenem dich erkundigen, der als verschämter Armer sich nicht blicken lässt.2 Es herrschte die Meinung, dass verarmte Menschen sich wegen ihrer Not schämen und deswegen mehr unter dem Betteln leiden als diejenigen, die in eine Bettlerfamilie hineingeboren sind und per naturam betteln.3 Diese Lehre findet sich bei vielen anderen Kirchenvätern und wurde zu einem anerkannten Lehrsatz der Kirche des Mittelalters, wie Giovanni Ricci in einer tief gehenden Studie aufgezeigt hat.4
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Maurice Testard (Hg.): Sancti Ambrosii Mediolanensis de officiis (Corpus Christianorum: Series Latina 15). Turnhout 2000 II, 15, 69. Ambrosius von Mailand: Von den Pflichten der Kirchendiener (De Officiis), in: Johannes Niederhuber (Hg./Übers.): Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand Pflichtenlehre und ausgewählte kleinere Schriften (Bibliothek der Kirchenväter 1.32). Kempten/München 1917, II, 16, 77 (in der digitalen Version: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2722-15.htm); Ambrosius Mediolanensis: De officiis (wie Anm. 1), II, 16, 77: Videndus est ille, qui te non videt: requirendus ille, qui erubescit videri. Vgl. die umfassende Studie bei Giovanni Ricci: Povertà, vergogna, superbia. I declassati tra Medioevo e Età moderna (Saggi 452). Bologna 1996. Giovanni Ricci: Naissance du pauvre honteux. Entre l’histoire des idées et l’histoire sociale, in: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 38 (1983), S. 158–177.
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Im 13. Jahrhundert wurden in mehreren Städten Europas Institutionen gegründet, die den Aufruf zur Wohltätigkeit zugunsten der verschämten Armen in die Tat umsetzen wollten; die erste ist im Jahre 1248 in Modena belegt, wenige Jahre später gab es ähnliche Einrichtungen in Flandern.5 Auch in Florenz standen die poveri vergognosi spätestens im 14. Jahrhundert im Bewusstsein der Gesellschaft, wie Paolo da Certaldo († 1370) in seinem Libro dei buoni costumi zeigt, wenn er Almosen an diese Empfänger als vor Gott besonders wohlgefällig bezeichnet,6 und hundert Jahre später Vespasiano da Bisticci († 1498) in die poveri vergognosi und die poveri pubblici unterscheidet.7 Hilfe verdienten die verarmten Reichen, welche ohne eigene Schuld und kriminelle Machenschaften in eine existenziell schwierige Situation geraten waren. Dazu gehörten nicht nur die frei in der Stadt lebenden verarmten Reichen, sondern auch die im Gefängnis eingesperrten Schuldner, die sich Scham gar nicht leisten konnten, wenn sie an diesem elenden Ort ums Überleben und für ihre Freilassung kämpften. Dass es den Florentinern aber nicht nur um Beistand in einer aktuellen Notsituation ging, sondern um die Verwirklichung eines viel breiteren Konzepts von Prävention und Assistenz im Notfall, soll in den folgenden Ausführungen dargestellt werden.8 Die sicherste Möglichkeit, das Verarmen einer Familie aus der Ober- und Mittelschicht zu verhindern, wäre ein helfendes Eingreifen gewesen, sobald sich kommerzielle Schwierigkeiten zeigten. Tatsächlich gibt es sehr viele Belege dafür, dass etwa die Medici notleidenden Kaufleuten und Handwerkern mit zinsgünstigen Darlehen halfen. Das großzügige Gewähren privater und kommerzieller Kredite gilt sogar als eines der zentralen Elemente des Klientelsystems, das Giovanni di Bicci († 1429) und sein Sohn Cosimo (†1464) so erfolgreich aufgebaut haben.9 Kam es dennoch zu einem Bankrott, so hing das weitere Schicksal des erfolglosen Kauf5 6
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Emily Albu/Carter Lindberg: Through the Eye of a Needle. Judeo-Christian Roots of Social Welfare. Kirksville (MO) 1994, S. 201. Paolo da Certaldo: Libro di buoni costumi, in: Vittore Branca (Hg.): Mercanti scrittori. Ricordi nella Firenze tra Medioevo e Rinascimento. Milano 1986, S. 1–99, hier 68 f. (in der digitalen Version: http://www.bibliotecaitaliana.it/xtf/view?docId=bibit001248/bibit001248.xml): (325.) Quando fai limosina, usa di farne a pregioni e a malati e a poveri vergognosi: e quelle sono le buone limosine e accettevoli a Dio, a sovvenire quelle persone che non si possoro atare per loro medesimi. Vespasiano da Bisticci: Vite di Uomini Illustri del Secolo XV. Firenze 1859, S. 175. Die Forschung zu dieser Fragestellung beschränkt sich bislang weitgehend auf Einzelstudien zu den Buonomini di San Martino und den Monti. Vgl. deshalb die in diesen Abschnitten erwähnte Literatur. Die umfassendste Arbeit zur Wohltätigkeit in Florenz bei John Henderson: Piety and Charity in Late Medieval Florence. Oxford 1994. – Die Unterstützung der poveri vergognosi musste über Institutionen erfolgen, da sonst die Anonymität der Empfänger nicht sichergestellt gewesen wäre. Es liegt also in ihrer Natur, dass sie kaum Spuren hinterließ. Es ist deshalb nur möglich, Testamente und die Aktivitäten von Bruderschaften und anderen Korporationen zu untersuchen, die sich in diesem Feld betätigten. Aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema sei hier nur auf zwei methodisch innovative Ansätze hingewiesen: John F. Padgett/Paul D. McLean: Economic Credit in Renaissance Florence, in: Journal of Modern History 83 (2011), S. 1–47; John F. Padgett/Paul D. McLean: Organizational Invention and Elite Transformation. The Birth of Partnership Systems in Renaissance Florence, in: American Journal of Sociology 111 (2006), S. 1463–1568.
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manns oder Handwerkers vor allem von seinem privaten und politischen Beziehungsnetzwerk ab. Zu diesem Schluss führt die Untersuchung von 30 Konkursfällen, die vor dem Wirtschaftsgericht, der Mercanzia, im 15. Jahrhundert verhandelt wurden.10 Antonio di Ricciardo degli Alberti war um 1430 einer der reichsten Männer von Florenz.11 Er verfügte über großen Besitz in Florenz und Bologna und war als Bankier und Händler an Gesellschaften beteiligt, welche in London, Brügge, Köln, Rom und Basel tätig waren. 1436 brach dieses kommerzielle Netz in kurzer Zeit zusammen, sodass die Prioren der Zünfte von Florenz am 30. Juni 1437 König Heinrich VI. von England mitteilten, dass alle diese Unternehmungen in manifestam ruinam prolapsi sunt.12 Antonio degli Alberti verlor sein ganzes Privatvermögen und das Eigenvermögen seiner Frau. In seiner Vermögensdeklaration zu Händen des Catastos von 1442 schrieb er, seine Frau sei aus Kummer über diesen Verlust gestorben und ihm seien nur sieben Kinder und riesige Schulden über mehr als 30.000 Fiorini geblieben: Le sustanzie mie mi sono state rubate e tolte, e a me non resta nulla nulla, ecietto ch’i’ò VII figluoli e debitto tra chol Chomune e altri forse XXX mila fiorini, e quelo io avea, dov’è itto ve lo dirò apreso, che breve fia.13
Sein Name verschwindet aus den politischen Annalen von Florenz. Er starb im Jahre 1452 und keines seiner Kinder taucht irgendwo als Mitglied der städtischen Elite auf. Von diesem großen Bankrott war auch Francesco d’Altobianco degli Alberti betroffen, der vor allem in die Banken in Rom und Basel viel Geld investiert hatte. Ihm gelang es, die ansehnliche Mitgift seiner Frau vor den Gläubigern zu retten, sodass er nicht darauf angewiesen war, Geld erwerben zu müssen. Er wurde nicht mehr als Bankier tätig, erwarb sich jedoch einigen Ruhm als Dichter. Bekannt sind vor allem seine vielen humoristischen Gedichte. Er konnte einen großen Teil seines sozialen Status also durch Leistungen in anderen Bereichen erhalten, die in der florentinischen Gesellschaft mit großem Prestige verbunden waren. Sein berühmter Verwandter Leon Battista degli Alberti († 1472) widmete ihm den dritten Band seiner Libri della famiglia.14 Als dritten Kaufmann sehen wir uns Baldassare di Bernardo Bonsi della Ruota an, der um 1450 im Kerker saß, weil er seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte.15 Bereits acht Jahre nach diesem Gefängnisaufenthalt war er wieder als Kaufmann tätig. Er gründete zwar keine eigenen Gesellschaften mehr, doch leitete er 10
Dabei lasse ich die erstaunlich vielen Fälle weg, bei denen der Gescheiterte innerhalb eines Jahres nach dem Bankrott verstarb, wie beispielsweise Benedetto di Bernardo degli Alberti, Alessandro Ferrantini und Bernardo da Uzzano. Vgl. Archivio di Stato di Firenze (nachfolgend: ASF), Catasto 32 (1433), c. 422r–432v; Luigi Passerini: Gli Alberti di Firenze. Genealogia, storia e documenti, Bd.1. Firenze 1869, S. 151. 11 ASF, Catasto 32, cc. 39r-45v (1433) und Passerini: Gli Alberti (wie Anm. 10), S. 127. 12 George Williams (Hg.): Official Correspondence of Thomas Bekynton. London 1872, S. 249. 13 ASF, Catasto 617, c. 33r. 14 ASF, Catasto 32, cc. 226r-233v, und Passerini: Gli Alberti (wie Anm. 10), S. 151. 15 ASF, Mercanzia 1377, c. 110v.
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wichtige Unternehmungen anderer Kaufleute in Pisa und Tunis. 1458 war er Prior für das Quartier von Santo Spirito. Sein Sohn Domenico bekleidete die höchsten öffentlichen Ämter und wurde mehrfach als Gesandter von Florenz zu fremden Herrschern geschickt. Auch während der Zeit von Savonarolas Herrschaft in Florenz spielte er eine prominente Rolle.16 Der Vergleich der drei Schicksale zeigt, dass der Wiederaufstieg zur alten kommerziellen Bedeutung nach einem Bankrott in jedem Fall verschlossen blieb, denn die Kreditwürdigkeit ging durch einen solchen Zusammenbruch verloren. Die Alberti konnten sich gar nicht mehr kaufmännisch betätigen; Baldassare Bonsi musste sich damit begnügen, als Angestellter für andere Kaufleute tätig zu sein. Ein Bankrott führte aber nicht zwangsläufig zum sozialen Abstieg, wenn der Bankrotteur durch die Familie wirtschaftlich aufgefangen werden konnte. Auch wenn er selber nun über kein Vermögen mehr verfügte, blieb ihm sein Status erhalten, da er nicht zum povero vergognoso wurde. Auch der Aufenthalt im Schuldturm stellte offensichtlich an sich noch nicht das Ende eines guten sozialen Ansehens dar, wie das Schicksal von Bonsi zeigt. Dass es ihm gelang, den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu überstehen, verdankte er aber nicht nur dem eigenen Familiennetzwerk, sondern vor allem der langjährigen Zugehörigkeit seiner Familie zum innersten Kreis des Klientelsystems von Cosimo de’ Medici. Im Gegensatz zu den Alberti waren die Bonsi nämlich Parteigänger der Casa Medici und hatten mit ihr zusammen zeitweise auch die Verbannung aus Florenz auf sich nehmen müssen. Sie konnten deshalb in schwierigen Zeiten auf die Unterstützung des Pater Patriae zählen, dem es dabei allerdings wohl mehr um die Funktionalität seines Klientelsystems als um die Befolgung einer christlichen Lehre ging. Was über die Netzwerke an Krediten vergeben werden konnte, reichte bei weitem nicht aus, um die Bedürfnisse der florentinischen Wirtschaft abdecken zu können, befristet Geld für den Waren- und Materialeinkauf sowie die Überbrückung von Liquiditätsengpässen ausleihen zu können. Florenz war zwar die Heimat vieler großer internationaler Bankiers des Spätmittelalters, in der Stadt selbst war es aber für einen einfachen Handwerker oft schwierig, einen Kleinkredit zu erhalten. Da dafür meist horrende Zinsforderungen gestellt wurden, gerieten viele schnell in eine Schuldenfalle und dann in die Verarmung.17 1415 wurden deshalb Gesetze zum Schutze der Schuldner erlassen, die vorsahen, dass ein Gläubiger seine Forderungen bei Gericht nur einklagen konnte, wenn er den geforderten Betrag selbst beim Gericht hinterlegte. Verlor er seinen Prozess, so musste er nicht nur eine hohe 16
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Giovanni Cambi: Istorie (Delizie degli eruditi toscani). Firenze 1785–1786, S. 6, 21, 48, 75, 84, 124; Abel Desjardins: Négociations diplomatiques de la France avec la Toscane, Bd. 1 (Collection de Documents Inédits sur l’histoire de France. Série 1: Histoire politique). Paris 1859, S. 594–595, 601, 615, 620; Lauro Martines: Lawyers and Statecraft in Renaissance Florence. Princeton 1968, S. 260. Siehe ferner den Art. Bonsi, Domenico, in: Dizionario biografico degli Italiani 12 (1971), S. 376–379 (in der digitalen Version: http://www.treccani.it/enciclopedia/ domenico-bonsi_%28Dizionario-Biografico%29/). Über die Banken in Florenz und den popolo minuto vgl. Frank R. Salter: The Jews in Fifteenth-Century Florence and Savonarola’s Establishment of a Mons Pietatis, in: Cambridge Historical Journal 5 (1936), S. 193–211.
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Buße wegen der falschen Beschuldigungen bezahlen, sondern verlor darüber hinaus auch noch dieses Depositum.18 Günstige Kredite waren nur zu finden, wenn sie mit einem Sachpfand abgesichert waren; doch war dieses Geschäft im Mittelalter weitgehend den Juden vorbehalten, denen es jedoch in Florenz untersagt war. Während Jahren war deshalb in Florenz kein Kredit gegen Zins zu erhalten.19 Manchmal mussten Kreditsuchende bis zu den Juden nach Prato gehen, wenn sie dringend Geld brauchten.20 Mehrfach wurde deshalb in den Räten darüber beraten, zum Schutze der städtischen Mittelschicht Juden als Geldleiher in die Stadt zu holen. Dies wurde schließlich kurz nach 1435, gestützt auf ein Privileg von Papst Eugen IV., in die Realität umgesetzt.21 Die jüdischen Bankpartnerschaften erhielten das Monopol auf das Pfandleihgeschäft in der Stadt, wobei ihnen das Nehmen übertriebener Zinsen und das Verrechnen von Teilmonaten als ganze verboten wurde. Offensichtlich ging man also davon aus, dass die Zinsen bei Juden günstiger waren als bei den christlichen Banken.22 Wie Salter in einer Abhandlung über die Bedeutung der jüdischen Kreditgeschäfte gezeigt hat, war eine Stütze der Medici-Herrschaft im 15. Jahrhundert die Politik, dem popolo minuto zu günstigen Krediten zu verhelfen. Die Medici hatten kein Interesse daran, den Juden diese Geschäftstätigkeit zu entziehen und sie in der Vergabe von Kleinkrediten durch einen Mons Pietatis (ital. Monte di Pietà) zu ersetzen, also durch eine gemeinnützig organisierte Pfandleihanstalt. Zwei Versuche durch Franziskaner, in Florenz einen Mons zu errichten, scheiterten 1473 und 1488. Erst nach der Vertreibung der Medici und der direkten Einflussnahme auf die Regierungsgeschäfte durch den Dominikaner Girolamo Savonarola († 1498) und seine Anhänger wurde das Pfandleihgeschäft den Juden 1496 weggenommen und durch den Monte della Pietà übernommen.23 Dadurch wurden die Zinsen zwar gesenkt, 18 19
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Salter: Jews (wie Anm. 17), S. 194. Marino Ciardini: I banchieri ebrei in Firenze nel secolo XV e il monte di pietà fondato da Girolamo Savonarola. Appunti di storia economica con appendice di documenti. Firenze 1907, Ndr. 2009, S. ij. Aus den Capitoli zwischen der Stadt Florenz und dem Juden Abraham Dattili und seinen Partnern vom 17. Oktober 1437: Considerantes quod a compluribus annis citra non fuit qui publice in civitate fiorentie mutuaret ad fenus (…); et quod ob id opportuit commorantes in illa et in locis circumstantibus egentes pecuniia, aut ire vel mittere a longe per decem miliaria ad minus pro suis rebus impignandis si subveniri voluerunt aut sine subventione persistere. Ciardini: I banchieri (wie Anm. 19), S. 30. Salter: Jews (wie Anm. 17), S. 195. Ciardini: Banchieri (wie Anm. 19), S. ij: Dummodo non permitteretur eis nimis excessivum fenus nec pro huiusmodi fenoris acceptione mensis non completus reputaretur pro integro. Vgl. auch Andrew Gow/Gordon Griffiths: Pope Eugenius IV and Jewish Money-Lending in Florence. The Case of Salomone di Bonaventura during the Chancellorship of Leonardo Bruni, in: Renaissance Quarterly 47 (1994), S. 282–329. Salter: Jews (wie Anm. 17), S. 207. Vgl. auch Carol Bresnahan Menning: The Monte’s ‘monte’. The Early Supporters of Florence’s Monte di Pietà, in: Sixteenth Century Journal 23 (1992), S. 661–676; dies.: Charity and State in Late Renaissance Italy. The Monte di Pietà of Florence. Ithaca (NY) 1993; Ariel Toaff: Jews, Franciscans, and the First monti di Pietà in Italy (14621500), in: Steven J. McMichael/Susan E. Myers (Hg.): Friars and Jews in the Middle Ages and Renaissance (The Medieval Franciscans 2). Leiden 2004, S. 239–254.
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gleichzeitig wurde aber auch der Kreis der Kreditberechtigten verkleinert, da bei der neuen Einrichtung eine Notlage nachgewiesen werden musste. Wohl aus diesem Grunde hat sich auch Savonarola dafür eingesetzt, dass die Juden nicht aus der Stadt vertrieben wurden, sondern weiterhin Kreditgeschäfte machen durften. Kam es trotz aller Möglichkeiten der vorübergehenden Geldbeschaffung zum Konkurs, so galten den Florentinern die Töchter der Konkursiten als besonders schutzbedürftig, denn sie konnten nur einen ihrem gesellschaftlichen Status angemessenen Ehemann finden, wenn sie auch über die entsprechende Mitgift verfügten. Konnte der Vater den standesgemäßen Betrag nicht aufbringen, war es sehr schwierig, eine passende Heirat zu arrangieren. So erging es in der Legende des Heiligen Nikolaus auch den drei Töchtern eines verarmten Reichen. Gentile da Fabbriano († 1427) malte 1425 für die Kirche von San Niccolò Oltrarno, wie der Heilige nachts drei Goldkugeln durch ein Fenster des Hauses dieser Familie wirft.24 Die Mädchen sollten mit dem anonymen Geschenk verheiratet werden können und vor der Prostitution bewahrt werden. Es ist sicherlich kein Zufall, dass im selben Jahr die Signoria von Florenz den Monte delle doti einrichtete. In dieser staatlich kontrollierten und garantierten Bank konnten vermögende Florentiner Geld gegen Zinsen fest und sicher anlegen; das Guthaben wurde mit einer Tochter des Einzahlers vertraglich verbunden und sollte als Mitgift erst an den Bräutigam ausgezahlt werden. Auf diese Weise wurden gleich mehrere Ziele verfolgt: Die Vermögenden konnten Geld gegen Zins anlegen, ohne eine Kirchenstrafe befürchten zu müssen, die klamme Staatskasse wurde mit langfristig angelegtem Geld versorgt, die heiratswilligen Männer wussten genau, wie viel Geld bei welcher Braut zu holen war, und die Mädchen mussten nicht darunter leiden, falls ein Vater sein Vermögen verlor. Zahlte der Vater für seine kleine Tochter bald nach der Geburt in den Monte delle doti ein, so wurde dadurch bei der Verehelichung ein Absinken unter ihren Geburtsstand verhindert.25 Jüdische Geldleiher und der Monte di Pietà boten die Möglichkeit, sich durch günstige Darlehen selbst zu helfen, bevor nur noch das Betteln übrig blieb, das in Florenz im 14. und 15. Jahrhundert sehr weit verbreitet war. Giovanni Villani († 1348) erzählt in seiner Nuova Cronica von einem Florentiner, der um 1330 in seinem Testament jedem Armen der Stadt sechs Denari hinterlassen hatte. Damit dieses Geld verteilt werden konnte, mussten alle Benefiziare an einem bestimmten 24 25
Vgl. Julius Kirshner/Anthony Molho: The Dowry Fund and the Marriage Market in Early Quattrocento Florence, in: The Journal of Modern History 50 (1978), S. 403–438. Das Bild befindet sich heute in der Pinacoteca Vaticana. In ihren ersten Studien zum Monte delle doti haben Kirshner und Molho nur die Sanierung der Staatskassen und die Interessen der angehenden Familienväter gesehen. Vgl. Kirshner/Molho: Dowry Fund (wie Anm. 24), S. 406. In den späteren Arbeiten haben sie die Bedeutung für die Mädchen erkannt und entsprechend betont. Vgl. Anthony Molho: Marriage Alliance in Late Medieval Florence (Harvard Historical Studies 114). Cambridge (Mass.) 1994, S. 233–297. Zum Monte delle doti vgl. Julius Kirshner: Pursuing Honor while Avoiding Sin. The Monte delle Doti of Florence (Quaderni di „Studi senesi” 41). Milano 1978; Anthony Molho: Deception and Marriage Strategy in Renaissance Florence. The Case of Women’s Ages, in: Renaissance Quarterly 41 (1988), S. 193–217; Anthony Molho: Figlie da maritare. Il problema della dote nella Firenze del ’400, in: Storia e Dossier 29 (1989), S. 19–25.
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Sonntag zur selben Zeit in ihre Quartierkirche gehen. Dort wurden sie eingeschlossen und erst beim Hinausgehen wurde jedem das Geld übergeben. So sollte verhindert werden, dass sich jemand seine Erbschaft mehr als einmal abholen konnte. Durch dieses Verfahren seien mehr als 17.000 Personen in den Genuss des kleinen Betrages gekommen. In dieser Zahl waren die poveri vergognosi, die Kranken und die Gefängnisinsassen, noch gar nicht mitgerechnet, die auf weitere 4.000 Menschen angesetzt werden.26 Da dieser Chronist bei seinen Zahlenangaben nicht immer als sehr zuverlässig gilt, führt diese Angabe nur zu einer groben Schätzung des Ausmaßes der Armut in Florenz.27 Zusammen mit Zahlenangaben aus weiteren Quellen, etwa dem Catasto von 1427, ist festzuhalten, dass vermutlich zwischen einem Viertel und der Hälfte der Stadtbevölkerung von ungefähr 90.000 Menschen nicht über ein Einkommen verfügte, das ihnen den Lebensunterhalt sicherte.28 Es liegt in der Natur dieses sozialen Phänomens, dass über die Zahl der verschämten Armen noch viel weniger Konkretes ausgesagt werden kann. Doch der Respekt gegenüber ihrer Anonymität war immer ein Prinzip des Umgangs mit ihnen. So schrieben die städtischen Beamten, die im Hungerjahr 1335 Getreide verteilten, dass die Namen der verschämten Armen in den Registern nicht aufgeführt würden, um ihren Stolz nicht zu verletzen.29 26
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Giovanni Porta (Hg.): Giovanni Villani: Nuova Cronica, Bd. 3, Parma 1991, 11.163 (in der digitalen Version: http://www.classicitaliani.it/villani/cronica_11.htm). Vgl. Robert Davidsohn: Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. 4: Die Frühzeit der Florentiner Kultur. Berlin 1922, S. 176. So wies er darauf hin, dass Leute aus dem Contado aus Anlass dieser Schenkung in die Stadt gekommen seien. Unbekannt ist auch, wie viele Kinder zu diesen Erwachsenen hinzugezählt werden müssen. Vgl. Walter B. Scaife: Florentine Life during the Renaissance (John Hopkins University Studies in Historical and Political Science 14). Baltimore 1893, S. 178. Zur Entwicklung der Armut in der Stadt Florenz und ihrem Contado vgl. Charles-M. de la Roncière: Pauvres et pauvreté à Florence au XIVe siècle, in: Michel Mollat du Jourdin (Hg.): Études sur l’histoire de la pauvreté. Moyen âge − XVIe siècle (Publications de la Sorbonne. Série „Etudes“). Paris 1974, S. 661–744, hier 662–665; Richard A. Goldthwaite: The Economy of Renaissance Florence. Baltimore 2008, S. 560–582; David Herlihy/Christiane Klapisch-Zuber: Tuscans and their Families. A Study of the Florentine Catasto of 1427 (Yale Series in Economic History). 2. Aufl., New Haven (CT) 1985, S. 58. Die Untersuchung der Steuererklärungen im berühmten Catasto des Jahres 1427 durch Herlihy und Klapisch-Zuber zeigt einen vergleichbaren Wert, denn etwa 30 % aller Familien werden darin wegen eines zu geringen Vermögens von jeder Steuer befreit. Doch auch diese Quelle ist äußerst zweifelhaft, denn erfasst wurden nicht einmal 40.000 Einwohner. Es fehlt also mit größter Wahrscheinlichkeit mindestens die Hälfte der Bevölkerung in diesen Zahlen. Noch viel geheimnisvoller ist selbstredend die Zahl der sich versteckenden Armen. Als einzige quantitative Quelle können die Aufzeichnungen von Institutionen dienen, die Vergabungen machten. Doch diese enthalten nur wenige Informationen über die Größe des Kreises potenzieller Begünstigter. Giovanni Ricci, „Nel paese di Anomalia“ (vergognosi/declassati), in: Vera Zamagni (Hg.): Povertà e innovazioni istituzionali in Italia. Dal Medioevo ad oggi. Bologna 2000, S. 175–182, hier 179: A certi poveri vergognosi i cui nomi non si dice per non far loro vergogna. − Diese Verhaltensvorschrift hat zur Folge, dass Almosen einzelner Mitglieder der vermögenden Oberschicht an verschämte Arme in den Quellen nicht zu fassen sind. Dass es diese direkten Almosen gegeben hat, lässt sich aus Bisticci: Vite (wie Anm. 7), S. 556 schließen, der über Alessandra de’ Bardi erzählt: E molti poveri vergognosi soccorreva nelle loro nicissità.
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Den Grundsatz der Anonymität befolgte auch die 1294 gegründete LaudesiBruderschaft von Orsanmichele, die im 14. Jahrhundert eine herausragende religiöse und gesellschaftliche Stellung in Florenz innehatte, die sie vor allem den reichen Kaufleuten unter ihren Anhängern verdankte. Zeitweise hatte sie mehrere Tausend eingeschriebene Mitglieder und verfügte über große Summen, die für Wohltätigkeit ausgegeben werden konnten. Einer Verfügung der Seidenhändlerzunft von 1334 ist zu entnehmen, dass sie jedes Jahr 12 lbr. an Orsanmichele für kirchliche Wohltätigkeit bezahlte. Sollte nicht der ganze Betrag aufgebraucht werden, so ging er an pauperes verecundi.30 Die verschämten Armen kamen also durchaus in den Genuss von Almosen, doch machten diese nie mehr als acht Prozent des gesamten Ausgabenbudgets aus.31 Fast achtzig Jahre später, als die Bruderschaft bereits einen großen Teil ihres Ansehens wieder verloren hatte, vermachte ihr der berühmte Kaufmann Francesco di Marco Datini († 1410) in seinem Testament Besitzungen, um daraus Schenkungen an die vergognosi machen zu können.32 In den wenigen erhaltenen Dokumenten der Bruderschaft von Orsanmichele zeigt sich noch keine spezifische Ausrichtung ihrer Wohltätigkeit auf die verschämten Armen.33 Eine solche Institution wurde in Florenz im Jahre 1442 durch den Prior des Dominikanerkonvents von San Marco, Antonino Pierozzi († 1459), gegründet,34 der vier Jahre später zum Erzbischof von Florenz ernannt und 1523 heiliggesprochen wurde. Das Konzept der Armenfürsorge, das diesem Akt zugrunde lag, wurde durch den Maler Lorenzo Lotto († 1557) in einem 1542 fertiggestellten Altarbild für eine Seitenkapelle der Kirche SS. Giovanni e Paolo (Zanipolo) in Venedig dargestellt.35 Das Bild zeigt einen thronenden Sant’Antonino, unter dem man zwei Geistliche sieht, die durch einen Vorhang von den Armen getrennt sind; einer nimmt ausgewählte Bittbriefe entgegen, der andere verteilt Almosen. Diese Gaben sollten allerdings mit viel Sorgfalt und Bedacht (cum intellectu et ratione) gegeben und die Empfänger genau geprüft werden, damit keine falschen Bettler davon ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. So ist zu sehen, dass der Priester das Geld aus einem Sack nimmt, wo er es wohl genau abgezählt hat, damit 30 31 32 33 34
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Alfred Doren: Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, Stuttgart/Berlin 1908, S. 381. Vgl. de la Roncière: Pauvres (wie Anm. 28), S. 692–694. Lapo Mazzei: Lettere di un notaro a un mercante del secolo XIV. Con altre lettere e documenti, Bd. 2. Firenze 1880, S. 290. Zur Wohltätigkeit des Orsanmichele vgl. Henderson: Piety (wie Anm. 8), S. 196–237. Umfassend zu dieser Bruderschaft: Saverio La Sorsa: La Compagnia d’Or San Michele, ovvero una pagina della beneficenza in Toscana nel secolo XIV. Trani 1902. Obwohl es keine Gründungsurkunde mit der Unterschrift von Antonino Pierozzi gibt, zweifelt niemand daran, dass er tatsächlich der Gründer dieser Bruderschaft ist. Wenige Jahre nach der Gründung betont dies auch Bisticci: Vite (wie Anm. 7), S. 175: E questa compagnia che è oggi in Firenze de’poveri vergognosi, ordinò lui. Bernard J. Aikema: Lorenzo Lotto. La pala di Sant’Antonino e l’Osservanza domenicana a Venezia, in: Mitteilungen des kunsthistorischen Institutes in Florenz 33 (1989), S. 127–140. Aikema bezeichnet an dieser Stelle diese Lehren als „le idee innovative di Sant’Antonino riguardo al tema della carità.“
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jeder Notleidende die gerechte Anzahl an Münzen erhält. Die Betonung der Unterstützung der poveri vergognosi wird durch die Darstellung mehrerer Frauen gezeigt, die nicht wie die anderen ihre Hände ausstrecken, sondern verschämt zur Seite blicken.36 Diese Lehren wollte Sant’Antonino in der Praxis durch eine Bruderschaft von zwölf Männern umsetzen, die procuratori dei poveri vergognosi, die später nach ihrem Sitz in der Cappella di San Martino die Dodici Buonomini di San Martino genannt wurde.37 Untersuchungen der sehr gut erhaltenen Akten der Buonomini,38 die bis heute aktiv sind, zeigen in den ersten Jahren Cosimo de’ Medici als mit Abstand größten Spender, denn fast die Hälfte des zur Verfügung stehenden Geldes stammte aus seiner Kasse. Davon wurden nach einer eingehenden Prüfung der Notlage nie alleinstehende Personen mit Almosen bedacht, sondern ausschließlich Familien. Benefiziare waren zunächst hauptsächlich Mitglieder aus der unteren Mittelschicht; zwischen 1487 und 1497 ging dann aber mehr als die Hälfte der Zuwendungen an die Oberschicht. Verteilt wurden meist Brotlaibe, Mehl, Tuch und Holz. Geld erhielten Kranke für die Bezahlung ihrer Behandlung, Mädchen für ihre Mitgift und Insassen des Schuldnergefängnisses.39 Unter dem starken Einfluss von Girolamo Savonarola hat die Bruderschaft die Beschränkung auf die Unterstützung der poveri vergognosi verloren und wurde zu einem wichtigen Instrument seiner Gesellschaftspolitik.40 36 37 38 39
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Eine ausführliche Beschreibung dieser Altartafel und ihres Bezugs zu den Lehren des Sant’Antonino ebenda, S. 132. Margaret Wilson Oliphant: The Makers of Florence. Dante, Giotto, Savonarola and their City. London 1876, S. 228. Vgl. Amleto Spicciani: L’archivio fiorentino dei Buonomini di San Martino. Fonti per lo studio della povertà nella seconda parte del XV secolo, in: Bollettino Storico Pisano 44–45 (1975/1976), S. 427–436. Vgl. Piero Bargellini: I Buonomini di San Martino. Florenz 1972; Amleto Spicciani: The „poveri vergognosi“ in Fifteenth-Century Florence. The First 30 Years’ Activity of the Buonomini di S. Martino, in: Thomas Riis (Hg.): Aspects of Poverty in Early Modern Europe. Stuttgart 1981, S. 119–182; Olga Zorzi Pugliese: The Good Works of the Florentine „Buonomini di San Martino“. An Example of Renaissance Pragmatism, in: Konrad Eisenbichler (Hg.): Crossing the Boundaries. Christian Piety and the Arts in Italian Medieval and Renaissance Confraternities. Kalamazoo 1991, S. 108–120; Lucia Sandri: I Buonomini di San Martino e la „nuova“ Misericordia nella seconda metà del XV secolo, in: Maria Morelli Timpanaro/Rosalia Manno Tolu/Paolo Viti (Hg.): Consorterie politiche e mutamenti istituzionali in età Laurenziana. [mostra], Firenze, Archivio di Stato, 4 maggio − 30 luglio 1992. Florenz 1992, S. 245–249; Christopher F. Black: The Development of Confraternity Studies over the Past Thirty Years, in: Nicholas Terpstra (Hg.): The Politics of Ritual Kinship. Confraternities and Social Order in Early Modern Italy. Cambridge 2000, S. 9–29, hier 24; Ulrike Ritzerfeld: Pietas − Caritas − Societas. Bildprogramme karitativer Einrichtungen des Spätmittelalters in Italien. Dissertation, Bd. 2, Bonn 2007 (in der digitalen Version: http://hss.ulb.uni-bonn.de/2007/1083/1083-2.pdf), S. 289–291. Amleto Spicciani: Aspetti finanziari dellassistenza e struttura cetuale dei poveri vergognosi fiorentini al tempo del Savonarola (1487–1498), in: Studi di storia economica toscana nel medioevo e nel Rinascimento in memoria di Federigo Melis (Biblioteca del Bollettino storico pisano. Collana storica 33). Pisa 1987, S. 321–346; Lorenzo Polizzotto: The Elect Nation. The
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Die Capella di San Martino wurde nach 1482 durch Maler aus dem Umkreis von Domenico Ghirlandaio († 1494) mit Fresken ausgeschmückt, auf denen verschiedene Formen der Wohltätigkeit dargestellt sind.41 Darunter befindet sich auch eine Lunetta, die Buonomini beim Freikauf eines Schuldners aus dem Gefängnis zeigt. Bei diesem Bau handelt es sich mit Sicherheit um Le Stinche, wo neben politischen Gefangenen, unehrenhaften Frauen, schwererziehbaren Jünglingen und Geisteskranken auch die debitores in Haft gesetzt wurden.42 Die Buonomini di San Martino oder vermögende Mitbürger wie die Medici konnten hier helfen, wenn sie einem ohne eigenes Verschulden in finanzielle Not geratenen Kaufmann oder Handwerker soviel Geld gaben, dass sein Gläubiger soweit zufriedengestellt war, dass er der Entlassung zustimmte.43 In diesem düsteren Bau, der keine Fenster zur Stadt hin hatte, wirkten wohl seit seiner Inbetriebnahme kurz nach 1300 die Franziskaner des nahen Klosters von Santa Croce und mit ihnen verbundene Laienbruderschaften, um diesen Verarmten zu helfen. Diese Aufgabe hatten sie aus der um 1260 verfassten Legenda maior des Bonaventura († 1274) abgeleitet, wo erzählt wird, dass Franz von Assisi († 1226) einmal einem edlen Ritter begegnet sei, der aber arm und schlecht gekleidet war. Durch die Hilfe, die der Heilige diesem Mann zukommen ließ, habe er nämlich auf einen Schlag zwei barmherzige Taten erfüllt, die Scham eines Adligen versteckt und einem Armen geholfen.44 Ab 1335 waren die Minoriten durch die Stadt verpflichtet, dass immer zwei ihrer Brüder in der Kapelle der Stinche anwesend waren. Da diese dem Heiligen Leonhard geweiht war, nannte sich die um diese Einrichtung gruppierende Bruderschaft die Compagnia di S. Leonardo.45 1582 änderte sie ihren Namen in Buonomini delle carceri di Savonarolan Movement in Florence 1494–1545 (Oxford-Warburg studies). Oxford 1994, S. 32. 41 Ritzerfeld: Bildprogramme (wie Anm. 39), S. 288–294. 42 Zu den Stinche vgl. Marvin E. Wolfgang: A Florentine Prison. Le Carceri delle Stinche, in: Studies in the Renaissance 7 (1960), S. 148–166; Piero Jacopo Fraticelli: Delle antiche carceri di Firenze denominate Le Stinche. Roma 1975; Halina Manikowska: The Florentine Communal Prison „le Stinche“ in the Fourteenth Century, in: Acta Poloniae Historica 71 (1995), S. 133– 160; Graziella Magherini/Vittorio Biotti: L’Isola delle Stinche e i percorsi della follia a Firenze nei secoli XIV–XVIII. Firenze 1992; Guy Geltner: Isola non isolata. Le Stinche in the Middle Ages, in: Annali di Storia di Firenze 3 (2008), S. 7–28. 43 Im ASF, Archivio Mediceo avanti il Principato (nachfolgend: MAP) werden Dutzende von Briefen an Mitglieder der Familie Medici aufbewahrt, in denen um Geld für den Freikauf aus den Stinche gebeten wird. Vgl. beispielsweise ASF, MAP XXXVIII, Nr. 68: Brief von Luigi di Domenico Bonsi aus den Stinche an Lorenzo di Piero de’ Medici vom 13. Mai 1472. 44 Ricci: Naissance (wie Anm. 4), S. 167 f. – Bonaventura (Giovanni di Fidanza): Legenda maior Sancti Francisci, in: http://www.franciscanos.net/fuentes/legmaior.htm: Cumque, resumptis corporis viribus, sibi vestimenta decentia more solito praeparasset, obvium habuit militem quemdam generosum quidem, sed pauperem et male vestitum, cuius pauperiem pio miseratus affectu, illum protinus, se exuto, vestivit, ut simul in uno geminum impleret pietatis officium, quo et nobilis militis verecundiam tegeret et pauperis hominis penuriam relevaret. 45 Luigi Passerini: Storia degli stabilimenti di beneficenza a d’istruzione elementare gratuita della città di Firenze. Firenze 1853. Zur Armenpflege durch die Franziskaner in Florenz siehe Anna Benvenuti Papi: I frati della Penitenza nella società fiorentina del Due-Trecento, in: Mariano D’Alatri (Hg.): I Frati Penitenti di San Francesco nella società del Due e Trecento. Atti del 2° Convegno di studi francescani. Roma 1976. Roma 1977, S. 191–220.
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San Bonaventura e Sant’ Elisabetta.46 Da ihr älteres Archiv verloren ist, lässt sich aber über die genaue Ausrichtung und den Umfang ihrer Aktivitäten nichts Konkretes festhalten. Neben dem spirituellen Beistand, den sie den Gefängnisinsassen spendete, half sie ihnen sicherlich auch bei allen Bestrebungen, diesen misere luogho47 verlassen zu können und unterstützte die Familien, die ohne Vater auskommen mussten.48 Aus der Tatsache, dass sie im 16. Jahrhundert jedes Jahr bis zu 183 Gefängnisinsassen freikaufte, lässt sich wohl schließen, dass sie auch im 15. Jahrhundert über Mittel zu diesem Zweck verfügte. Mehr ist über die ebenfalls den Franziskanern affilierte Compagnia di Santa Maria in Santa Croce al Tempio bekannt. Sie wechselte mehrfach den Namen und wurde schließlich ab 1424 Compagnia de’ Neri, weil ihre Mitglieder, zu denen auch Lorenzo di Piero de’ Medici († 1492) zählte, einen schwarzen Kittel mit einer Kapuze trugen.49 Ihren Ursprung hatte sie in der Mitte des 14. Jahrhunderts und besaß unter ihren vielen Aufgaben die Begleitung und Bestattung der zum Tode Verurteilten. Aus ihrem Kreis wurden jedes Jahr durch Los vier bestimmt, die zusammen mit vier durch die Signoria bestimmten Männern als Soprastanti oder Buonomini delle Stinche für die Gefängnisverwaltung und das Wohl der Insassen verantwortlich waren.50 Sie konnten einen Arzt rufen, wenn einer von ihnen krank war, oder einen Geistlichen, wenn er spirituellen Beistand wünschte. In den Akten dieses Gremiums findet sich ab 1374 neben den Namen von Freigelassenen häufig der Vermerk miserabilis. Wenn man nämlich zum Schluss gekommen war, dass ein inhaftierter Schuldner weder die Möglichkeit hatte, seine Schuld je zurückzahlen zu können, noch über genügend Mittel für seinen Lebensunterhalt im Gefängnis verfügte, so konnte seine Freilassung veranlasst werden.51 Die Bruderschaften, die im Kontakt mit den verarmten Reichen standen, hatten sich die Aufgaben in Florenz also geteilt. Die von den Dominikanern Inspirierten nahmen sich den in der Stadt lebenden verarmten Familien der Ober- und Mittelschicht an, während die Franziskaner und ihre Bruderschaften für die im Gefängnis Eingesperrten sorgten. Diese Hilfe war aber immer darauf beschränkt, ein weiteres Absinken zu verhindern und wenigstens das Existenzminimum zu sichern. Die Rückkehr in die frühere soziale und ökonomische Situation war nicht ihr Bestreben. Wie gezeigt werden konnte, gehen die Bemühungen, den verarmten Reichen in der Stadt Florenz zu helfen, ins 14. Jahrhundert zurück und nehmen nach 1425 46 47 48 49 50 51
Massimo D. Papi: Le associazioni laiche di ispirazioni francescana nella Firenze del Due-Trecento, in: Mariano D’Alatri (Hg.): Frati Penitenti (wie Anm. 45), S. 221–243, hier 231. ASF, MAP LXVI, Nr. 75: Brief aus den Stinche von Francesco Soderini an den Kardinal Niccolò d’Acciapaccio vom 7. Dezember 1441. Ausführlicher zu dieser Bruderschaft: Passerini: Storia (wie Anm. 45), S. 497–501; Giuseppe Conti: Firenze dai Medici ai Lorena. Storia, cronaca aneddotica, costumi, 1670–1737. Firenze 1899, S. 195, 232; John Edgcumbe Staley: The Guilds of Florence. London 1906, S. 552–553. Papi: Le associazioni (wie Anm. 46), S. 225–229. Staley: Guilds (wie Anm. 47), S. 552. Vgl. Passerini: Storia (wie Anm. 45), S. 482–497; Martino Beltrani-Scalia: Sul governo e sulla riforma delle carceri in Italia. Saggio storico e teorico. Turin 1867, S. 344; Giuseppe Rondoni: I „Giustiziati“ a Firenze (dal secolo XV al secolo XVIII), in: Archivio Storico Italiano 59 (1901), S. 211–256.
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markant zu. Wo sind die Ursachen und Motive für diese Entwicklung zu finden? Ist sie auf eine Vergrößerung des Problems oder auf eine Veränderung der Wertevorstellungen in der florentinischen Gesellschaft zurückzuführen? Veränderten sich religiöse Vorstellungen? Gab es mehr Menschen, die einen Abstieg hinnehmen mussten, oder stieg die Aufmerksamkeit, die man ihnen aus welchen Gründen auch immer entgegenbrachte? Da von keiner der hier erwähnten Institutionen Dokumente erhalten sind, aus denen ein direkter Bezug zwischen der Ausweitung der Wohltätigkeit und einem aktuellen Ereignis oder einer bestimmten wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Veränderung zu erkennen ist,52 bleibt den Historikern für die Antwort auf diese Frage viel Raum für Spekulationen. Eine weitgehend ökonomische Begründung liefert Mollat, der konjunkturelle Schwankungen als Ursache für die Zunahme der Armut und der Aufmerksamkeit für die poveri vergognosi betont.53 Er steht damit in der Tradition des im 15. Jahrhundert schreibenden Vespasiano da Bisticci, der die grande carestia um 1440 als Grund für die Gründung der Buonomini di San Martino nennt.54 Goldthwaite hat aber sicher mit Recht auf die Schwierigkeit hingewiesen, die Entwicklung der Dimensionen der Armut mit der Zunahme der privaten oder institutionalisierten Wohltätigkeit in eine direkte Verbindung bringen zu wollen.55 Krisenzeiten hat es im 14. Jahrhundert auch gegeben und in den zehn Jahren vor 1350 hat es wohl mehr Konkurse gegeben als in irgendeinem Jahrzehnt des Quattrocento. Aus einer Zunahme der Bankrotte und damit der Zahl der verarmten Reichen, die so in den Quellen gar nicht zu fassen ist, lässt sich also kein Motiv für eine Hinwendung der Gesellschaft zur Unterstützung notleidender Mitglieder der Ober- und Mittelschicht ableiten. Politische Motive haben Passerini, Morçay und Adorno als Hauptkräfte der Veränderungen angeführt. Die Rückkehr der Medici aus dem Exil im Jahre 1434 habe zu vielen Verbannungen und Säuberungsaktionen sowie zu einem starken Anstieg der steuerlichen Belastung geführt. Sant’Antoninos Hauptbeweggrund sei der Versuch gewesen, diesen Opfern der Medici-Herrschaft zu helfen.56 Demgegenüber hat Spicciani durch eine profunde Analyse der Ausgabenbücher der Buonomini aufgezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall war. Sant’Antonino sei es zwar um Wohltätigkeit gegangen, Cosimo habe sich hier aber ein Instrument geschaffen, 52
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Dale V. Kent: The Buonomini di San Martino. Charity for „the Glory of God, the Honour of the City, and the Commemoration of Myself“, in: Francis Ames-Lewis (Hg.): Cosimo „il Vecchio“ de’ Medici, 1389–1464. Essays in Commemoration of the 600th Anniversary of Cosimo de’ Medici’s (Papers delivered at the Society for Renaissance Studies Sexcentenary Symposium at the Warburg Institute; London, 19 May 1989). Oxford 1992, S. 49–67, hier 52. In den Gründungsstatuten der Buonomini di San Martino wird als Grund für die Errichtung der Bruderschaft die aktuelle Hungersnot und die große Zahl der poveri vergognosi genannt. Es fehlt aber jeder Hinweis auf den Grund dieser Notsituation. Michel Mollat: Les pauvres au Moyen Âge. Brüssel 1984, S. 54. Bisticci: Vite (wie Anm. 7), S. 175. Goldthwaite: Economy (wie Anm. 28), S. 573. Passerini: Storia (wie Anm. 45), S. 502; Raoul Morçay: Saint Antonin, archevêque de Florence, 1389–1459. Paris 1914, S. 87 f.; Francesco Adorno: The World of Renaissance Florence. Firenze 1999, S. 160. Vgl. auch Emanuele Repetti: Notizie e guida di Firenze e de’ contorni. Firenze 1841, S. 223–225.
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seine Machtposition im popolo minuto abzusichern.57 Es sei die Verbindung des high-minded, other-worldly Archbishop Antoninus and a crudely self-serving Cosimo de’ Medici gewesen, die dieser neuen Institution zu ihrer Bedeutung verholfen habe.58 Cosimos Einsatz für die wirtschaftlich bedrohten Schichten sei in bewusstem Kontrast zur eher mittelschichtunfreundlichen Politik der Albizzi-Oligarchie zu sehen. Aus demselben Grunde habe er sich auch persönlich beim Papst für das Privileg eingesetzt, Juden die Pfandleihe in Florenz zu gestatten,59 und deswegen hätte auch dreißig Jahre später Lorenzo nur wenig Begeisterung für die Errichtung eines Monte di Pietà gezeigt, da er darin eher eine Verschlechterung der Situation dieser Schicht gesehen habe. Trexler stellt diese lokale machtpolitische Argumentation in einen größeren sozialpolitischen Zusammenhang, denn er sieht darin das Bestreben der europäischen Eliten, die bestehende soziale Ordnung durch die Unterstützung der unteren Schichten zu stabilisieren.60 Van Leeuwen interpretiert dieses Verhalten als einen stillschweigenden gegenseitigen Vertrag: Die Vermögenden hatten den poveri pubblici zu helfen, wofür diese sich mit der sozialen Ordnung abfinden sollten, wie sie eben von Gott gewollt sei, und sich einer moralischen Kontrolle ihres Verhaltens durch die Wohltäter unterwerfen.61 Richtete sich diese Wohltätigkeit folglich gegen alle Aufstiegsbemühungen der untersten Schichten, so zielte diejenige an die verarmten Reichen gegen die Infragestellung der Ständeordnung durch Abstieg.62 In einer Gesellschaft, in der die Reichen immer reicher wurden und die Kluft zwischen ihnen und den Armen immer größer wurde, waren diese Stabilisierungsversuche von großer Bedeutung.63 Neben ökonomischen, politischen und sozialen Faktoren spielte auch eine wesentliche Veränderung in den Werten und Einstellungen der florentinischen Eliten vom 14. zum 15. Jahrhundert eine wichtige Rolle, die in der beschriebenen Pala von Lorenzo Lotto zu erkennen ist. Die die Hände ausstreckenden Bettler sind viel gröbere, dunklere Menschen als die hellhäutigen, feingliedrigen verschämten Armen. Darin ist eine Umsetzung der von Goldthwaite beschriebenen Veränderung in der Beurteilung der poveri pubblici durch die städtische Elite im Laufe des 15. Jahrhunderts bildlich umgesetzt. Sie erschienen nicht mehr nur als rebellische Bedrohung, sondern als Menschen mit einer Tendenz zur Kriminalität, ohne Geschmack und Bildung; sie wurden sogar mit der Sünde schlechthin assoziiert.64 In gleichem 57 58 59 60 61 62 63 64
Spicciani: The „poveri vergognosi“ (wie Anm. 39). Kent: Buonomini (wie Anm. 52), hier 50. Salter: Jews (wie Anm. 17), S. 196. Richard C. Trexler: Charity and the Defense of Urban Elites in the Italian Comunes, in: Frederic Cople Jaher (Hg.): The Rich, the Well Born, and the Powerful. Elites and Upper Classes in History. Urbana 1973, S. 64–109. Vgl. dazu Sergio Bertelli: Il potere oligarchico nello stato-città medievale (Strumenti 88). Firenze 1978, S. 140; Sandri: Buonomini (wie Anm. 39), S. 262. Marco H. D. van Leeuwen: Logic of Charity. Poor Relief in Preindustrial Europe, in: Journal of Interdisciplinary History 24 (1994), S. 589–613. Vgl. dazu auch die Ausführungen über die kirchliche Lehre bei Ricci: Povertà (wie Anm. 3). Vgl. Goldthwaite: Economy (wie Anm. 28), S. 568–570. Vgl. ebenda, S. 573 f.
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Maße, in dem sich die Eliten von diesen Armen abwendeten, wandten sie sich den viel höher geachteten verarmten Reichen zu.
DER REICHTUM DER KIRCHE UND DIE AUSEINANDERSETZUNGEN UM IHREN BEITRAG ZUM GEMEINWOHL. Das Beispiel eidgenössischer Städte im Spätmittelalter Hans-Jörg Gilomen (Zürich) Der Reichtum der Kirche ist ein abgedroschenes Thema. Es hat die Kirche von ihren Anfängen bis heute in der Form von Kritik von innen und von außen nicht losgelassen. Im Folgenden soll das Thema natürlich nicht allgemein angegangen werden. Noch viel weniger soll die Realität oder Irrealität dieses Reichtums thematisiert werden. Sondern es soll nach den Wahrnehmungen und den Diskursen darüber angesichts der wirtschaftlichen Probleme der Städte im Spätmittelalter gefragt werden und nach dem von dieser Wahrnehmung, und nicht etwa von der Realität gelenkten Handeln der städtischen Führungsschichten. Um eine gewisse Einheitlichkeit der Bedingungen einzuhalten und eine Beherrschbarkeit der Quellen sicherzustellen, beschränke ich mich auf das konkrete Beispiel der größeren Schweizer Städte. Theoretische Prämisse ist es also, dass das Handeln der städtischen Führung nicht so sehr von den realen Gegebenheiten, sondern von deren Wahrnehmung gelenkt war. Die Wahrnehmung von Armut und Reichtum durch die städtische Gesellschaft und vor allem auch die städtische Obrigkeit hat sich im Spätmittelalter zu einer scharfen Dichotomie zugespitzt.1 In den Städten fiel der Diskurs der scholastischen Theologie auf fruchtbaren Boden, der vor allem seit Thomas von Aquin eine neue positive Wertung der Arbeit und des durch sie erzielten Gewinnes und Reichtums hervorgebracht hatte,2 zugleich aber auch die negative Wertung arbeitsloser Armut beförderte, welche in dem zwar alten, aber nun zu einem ideologisch verfärbten Stereotyp verfestigten Bild vom starken Bettler gipfelte.3 Aufgrund sozioökonomischer Entwicklungen wirkte die Theologie sich auf Wahrnehmung und Deutung der Realität durch breitere Kreise aus. Die Krise des Spätmittelalters ließ 1 2
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Siehe dazu Hans-Jörg Gilomen: Eine neue Wahrnehmung arbeitsloser Armut in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft, in: traverse 1996/2, S. 117–128. Selma Hagenauer: Das „justum pretium“ bei Thomas von Aquino. Ein Beitrag zur Geschichte der objektiven Werttheorie (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 24). Stuttgart 1931; Giuseppe Cenacchi: Il lavoro nel pensiero di Tommaso d’Aquino (Pontificia Accademia di S. Tommaso, Studi Tomistici 5). Roma 1977. Eine ausgezeichnete Darstellung der Geschichte des Stereotyps des starken Bettlers bietet Piero Camporesi: Introduzione, in: Ders. (Hg.): Il libro dei vagabondi. Lo „speculum cerretanorum“ di Teseo Pini, „Il vagabondo“ di Raffaele Frianoro e altri testi di „furfanteria“. Torino 1973, S. IX–CLXXXII.
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durch den Zustrom entwurzelter Menschen vom Land in die Städte den Pauperismus zu neuen Dimensionen anwachsen.4 Die vielen arbeitsfähigen Bettler, die in den Gewerben mangels erlernter Fertigkeiten nicht eingesetzt werden konnten, stachen dem Zunftbürgertum störend in die Augen, weil gelernte Handwerksgesellen rar waren und Lohnsteigerungen nur durch obrigkeitliche Maxima gebremst werden konnten.5 Zudem führte die Häufung von Unruhen zu einer irrationalen Furcht vor den Armen, obwohl diese sich in den Städten nur selten an den Aufläufen maßgebend beteiligten.6 Die Unterscheidung von arbeitsamen verschämten Hausarmen und arbeitsscheuen Faulenzern wurde von den Kanzeln herab und in den Beichtstühlen unters Volk gebracht, den Gläubigen dabei eingeschärft, dass den zweiten keinerlei Unterstützung zu gewähren sei.7 In der deutschen Version der weit verbreiteten Beichtsumme des Johannes de Friburgo († 1314) ist dies in wenigen Sätzen umrissen: Allmuosen sol man geben notturfftigen leüten als die arm und kranck seind und nit mügen arbeiten von kranckheit noch kein arbeit künnen, wan die arbeiten künnen und mügen und das nit tuond und bettlen das allmuosen, die sind aigen des keisers oder der fürsten. Unde de mendicantibus validis. Und ein mensch taet baß und rechter, der da strafft den, der wol arbeiten mag und betelt, dann das er im gaebe.
Für die Geistlichkeit allerdings galt das Kriterium der körperlichen Arbeitsfähigkeit gemäß der Beichtsumme nicht: Auch sol man allmuosen geben geistlichen leüten, die dz betlen von ordnung der heiligen cristenheit, als da sind prediger und parfuoser orden und etlich ander, die da predigent und beicht
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Die These findet sich mehrfach bei Bronislav Geremek, siehe z. B.: L’image de l’autre. Le marginal, in: Comité international des Sciences historiques, XVIe congrès international des Sciences historiques. Rapports I: Grands thèmes, méthodologie, section chronologique (I). Stuttgart 1985, S. 67–81, hier 72 f. Siehe dagegen aber Ingomar Bog: Über Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland und in der Eidgenossenschaft im 15. und 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1975), S. 983–1001. Die internationale Literatur zur Lohnsteigerung nach der Pest ist umfangreich. Zu Zürich Klaus Strolz: Das Bauhandwerk im Alten Zürich unter besonderer Berücksichtigung der Löhne. Aarau 1970, S. 125. Bekanntlich haben die Obrigkeiten überall in Europa dieser Entwicklung durch gesetzliche Erlasse von Höchstlöhnen Einhalt zu gebieten versucht, von denen das englische Statute of Labourers von 1351 und die französische Grande Ordonnance König Johanns des Guten aus demselben Jahr nur die berühmtesten sind. Bertha Haven Putnam: The Enforcement of the Statute of Labourers during the First Decade after the Black Death. New York 1908; Lawrence Raymond Poos: The Social Context of Statute of Labourers Enforcement, in: Law and History Review 1 (1983), S. 27–52; Robert Vivier: La Grande Ordonnance de février 1351. Les mesures anticorporatives et la liberté du travail, in: Revue Historique 138 (1921), S. 201–214. Der Versuch einer sich von den wirtschaftlichen Daten lösenden mentalitätsgeschichtlichen Interpretation bei Samuel K. Cohn Jr.: After the Black Death. Labour Legislation and Attitudes towards Labour in Late-Medieval Western Europe, in: Economic History Review 60 (2007), S. 457–485. Systematisches Gesamtbild mit weiterer Literatur bei František Graus: Pest – Geissler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit. 3. Aufl., Göttingen 1994, S. 391–528. Siehe Giovanni Ricci: Naissance du pauvre honteux. Entre l’histoire des idées et l’histoire sociale, in: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 38 (1983), S. 158–177.
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hoerend und ander geistlich werck tuond den leütten zenutz und darum forderent ir noturft. di. xlij. c. quiescamus.8
Dies war indessen sogar unter der Geistlichkeit schon längst umstritten. Der gewiss in dieser Frage rigorose Guillaume de Saint-Amour († 1272) hatte gegen die Bettelorden gerichtet es geradezu als Sakrileg bezeichnet, wenn Geistliche von Almosen lebten.9 Der Zürcher Chorherr Felix Hemmerlin richtete im Traktat Gegen die starken Bettler 1438 eine Polemik gegen die Bettelorden. Im Kern bietet er darin eine Rechtfertigung der Einkünfte verpfründeter Kleriker gegen Angriffe, sie seien Almosen und unterschieden sich deshalb von den Einkünften der Bettelorden nicht. Gegen diese von Hemmerlin als schimpflich empfundene Unterstellung betonte er, der Weltklerus verdiene seine Einkünfte als Lohn für Arbeit und Mühen des Gottesdienstes.10 Zum arbeitslosen Faulenzer kontrastierte der reiche und angesehene Müßiggänger. Wer seinen Reichtum eingebüßt hatte, wurde in der Beichtsumme der Fürsorge sogar besonders anempfohlen: Auch soltu lieber geben den hausarmen, die von unverschulten dingen arm seind worden und sich schemen zuo betlen, und besunder armen edelnleüten lieber dann den, die allzeit pflegen ze biten.11
Unter den mitleiderregenden und demnach erfolgversprechenden betrügerischen Bettlerstrategien der sogenannten Basler Betrügnisse finden sich der durch Schicksalsschläge verarmte Adlige und übrigens ebenso der um seine Güter beraubte Kaufmann.12 Die gegensätzliche Bewertung des Müßiggangs wird nirgends deut8
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Summa Johannis de Friburgo, vom Latein ins Deutsche übersetzt durch Bruder Berchtold O.P. Gedruckt durch Cuonrad Dinckmuot zu Ulm 1484, fol. 7r. Ich benutze das Exemplar der Klosterbibliothek Engelberg, Ink. 214. Der im Zitat genannte Beleg des Decretum Gratiani ist D. XLII, c. II: In recipiendis hospitibus nulla debet esse distinctio. In der Inkunabel folgt fol. 7v–8r dann eine ganze Rangordnung der Almosenberechtigten unter dem Titel: Wem man pillicher geben soell und mit welicher ordnung. Zuerst solle man für die eigenen Bedürfnisse sorgen, damit man standesgemäß leben könne, ein edel mensch als im zimbt und ein unedler auch darnach. Dann folgen die Eltern, die Kinder, die Geschwister, dann die magen und die fründe, dann die Nachbarn eher als die Fernen, die Bekannten eher als die Unbekannten, die Gläubigen eher als die Ungläubigen. Diese deutsche Beichtsumme wurde zwischen 1472 und 1498 elfmal gedruckt. Guillaume de Saint-Amour (gest. 1272): De periculis – William of Saint-Amour: A Brief Tract on the Dangers of the Last Days, übersetzt von Jonathan Robinson. [o. O.] 2008, der betreffend Religiosen, welche von Almosen leben, auf S. 49 formuliert: So it seems that one able-bodied who can live by his own labour or from some other means without sin, if he receives alms of the poor, he commits sacrilege. Zu ihm siehe Michel-Marie Dufeil: Guillaume de Saint-Amour et la polémique universitaire parisienne, 1250–1259. Paris 1972. Felix Hemmerlin: Contra validos mendicantes, in: Varie oblectationis opuscula et tractatus. Basilea 1497, fol. 6v–7v; siehe auch Hans-Jörg Gilomen: Der Traktat ‘De emptione et venditione unius pro viginti‘ des Magisters Felix Hemmerlin, in: Johannes Helmrath/Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff (Hg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. 1. München 1994, S. 583–605. Summa Johannis de Friburgo (wie Anm. 8), fol. 7v–8r. Basler Betrügnisse der Geyler, in: Friedrich Kluge: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen, Bd. 1: Rotwelsches Quellenbuch. Straß-
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licher als im Verbot des Arbeitserwerbs für die oberste Schicht, das im Spätmittelalter in manchen Städten sogar verschärft wurde, wie Eberhard Isenmann aufgezeigt hat.13 Geistliche sind indessen schon im 14. Jahrhundert als Müßiggänger auch von breiteren Schichten negativ wahrgenommen worden. Zum sogenannten Armlederaufstand von 1336–1338 berichtet der Zeitgenosse Konrad Derrer, die Bauern hätten alle umbringen wollen, welche müßiges Brot äßen, wie Bischöfe, Kleriker, Mönche, Nonnen und Scholaren: quod vellent occidere omnes comedentes panem otiosum ut episcopos, clericos, monachos, moniales, scolares.14 Die Armenpolitik der Städte, die als dringende und kostspielige Aufgabe wahrgenommen wurde, hat die moraltheologische Kategorisierung der Bedürftigen zunehmend rigoros in die konkrete Fürsorge umzusetzen versucht.15 Beschränkungen oder Verbote des Bettels durch starke Bettler und Fahrende hat es seit dem 14. Jahrhundert in zunehmender Zahl gegeben. In Basel wurden Vogt und Ratsknecht 1429 beauftragt, die Bettler bei Spendenausteilungen zu kontrollieren, und wo si emphinden starck gerad knecht, die wol werken moegent, und unbekümbert frowen, die ouch jr narunge one bettlen gewinnen moegent, do sin, die sollent sy heissen dannan gan, und wer sich dawider satzte, soellent sy jn eyd nemen, von der statt ze gonde und hie nit ze bettlende. Und wo man si darüber hynne findet, wil man si in soelicher massen straffen, daz si woeltent, si liessent es underwegen.16
Der allmähliche Rückzug der kirchlichen Institutionen aus der Fürsorge war zwar nur eine der Ursachen für deren Kommunalisierung, die auch der Logik des Wandels der Stadträte von Repräsentanten der Bürgerschaft zur Obrigkeit folgte, welcher die Kontrolle der Randständigen von zunehmender Bedeutung war. Klagen über Zweckentfremdung der für die Armensorge bestimmten Mittel begegnen bei
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burg 1901, S. 8–16, hier 11 f.; zuvor in: Wilhelm Vischer (Hg.): Basler Chroniken, Bd. 3. Leipzig 1887, S. 552–567; siehe dazu Rita Voltmer: Die Straßburger Betrügnisse und das Verzeichnis der muttwillig(en) betler. Beobachtungen zum städtischen Armen- und Bettlerwesen im 15. Jahrhundert, in: Angela Giebmeyer/Helga Schnabel-Schüle (Hg.): „Das Wichtigste ist der Mensch.“ Festschrift für Klaus Gerteis zum 60. Geburtstag. Mainz 2000, S. 75–113. Die Hochschätzung des Almosens für von Reichtum in Armut Gefallene ist alt. Siehe etwa Petrus Damianus: De Eleemosyna, in: Patrologia Latina, Bd. 145, Paris 1853, Sp. 214: Illa tamen misericordia supereminet, quae de copia nuper ad inopiam devolutis auxilium praebet. Siehe allgemein zu diesem Element des kirchlichen Armutsdiskurses Ricci: Naissance (wie Anm. 7). Beispiele bei Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988, S. 246. Georg Leidinger: Aus dem Geschichtenbuch des Magisters Konrad Derrer von Augsburg, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 31 (1904), S. 95–121, hier 118 f. Nr. 42: Nota, quod accidit anno domini 1340, quod circa Renum in Alsacia coniurabant 1500 rusticorum, quod vellent occidere omnes comedentes panem otiosum ut episcopos, clericos, monachos, moniales, scolares. Dass auch die Aufwendungen der Städte für die Armenfürsorge gering waren, steht auf einem anderen Blatt. Siehe dazu Andreas Bingener/Gerhard Fouquet/Bernd Fuhrmann: Almosen und Sozialleistungen im Haushalt deutscher Städte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Peter Johanek (Hg.): Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 (Städteforschung A 50). Köln 2000, S. 41–62. Staatsarchiv Basel-Stadt, Ratsbücher J 1, fol. 86r.
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Klöstern schweizerischer Städte schon früh. Gegen den Prior des Cluniazenserklosters St. Alban in Basel wurde am Generalkapitel des Ordens schon 1316 geklagt, er behändige die Einkünfte des klösterlichen Almosenamts, wodurch die Armen Christi um ihre Almosen betrogen würden.17 Das weitverbreitete Problem der mangelhaften Verwaltung der Spitäler, Leprosorien, Armenhäuser und Fremdenherbergen durch Kleriker unter Zweckentfremdung der Mittel führte bekanntlich dazu, dass das Konzil von Vienne 1312 die Übergabe an Laienverwalter vorschrieb.18 Dieser weitgehende Rückzug der Kirche aus der Armensorge hat ihr auf längere Frist eine der wichtigsten Legitimationen ihres Reichtums entzogen.19 Eine Ablösungssatzung der Stadt Zürich von 1480 zeigt diesen Zusammenhang dann deutlich: Danach sollten Zinsen und Renten, welche der Geistlichkeit für Pfründen, Jahrzeiten, Vigilien, Brüderschaften und an den Kirchenbau gestiftet worden waren, künftig von den Inhabern der damit belasteten Güter nach bestimmten Sätzen abgelöst werden können; dies galt aber nicht für Rentenvergabungen an die Kirche zum Zwecke der Armenpflege: Was aber zuo spenden armen lüten gesetzt ist, sol man nit schuldig sin zu loesen ze gebent.20 In der Armenfürsorge sah die städtische Obrigkeit offenbar eine Aufgabe, deren Finanzierung den Schutz des kirchlichen Vermögens und der daraus erzielten Erträge verdiente, den man den Stiftungen zugunsten der rein geistlichen Leistungen und auch des Unterhalts der 17
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Hans-Jörg Gilomen: Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St. Alban im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte am Oberrhein (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte 9). Basel 1977, S. 80: Predictus prior redditus elemosinarie tenet ad manum suam et ob hoc pauperes Christi sua elemosina defraudantur. Giuseppe Alberigo u. a. (Hg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2. Paderborn 2000, Dekrete der Sitzung vom 6. Mai 1312 Nr. 17, S. 374–376. Es heißt hier: Quia contingit interdum, quod xenodochiorum, leprosariarum, elemosynariarum seu hospitalium rectores, locorum ipsorum cura postposita, bona, res et iura ipsorum interdum ab occupatorum et usurpatorum manibus excutere negligunt, quin immo ea collabi et deperdi, domos et aedificia ruinis deformari permittunt et, non attento, quod loca ipsa ad hoc fundata et fidelium erogationibus dotata fuerunt, ut pauperes infectique lepra reciperunt inibi et ex proventibus sustentarentur illorum, id renuunt inhumaniter facere, proventus eosdem in usus suos damnabiliter convertentes. Und weiter: Sed eorum gubernatio viris providis, idoneis et boni testimonii committatur. Dass unter viri providi im päpstlichen Kanzleigebrauch Laien zu verstehen sind, hat Jürgen Sydow: Spital und Stadt in Kanonistik und Verfassungsgeschichte des 14. Jahrhunderts, in: Hans Patze (Hg.): Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 1 (Vorträge und Forschungen 13). Sigmaringen 1970, S. 175–195, hier 182, nachgewiesen. Zu den Spitälern im Gebiet der heutigen Schweiz siehe Helvetia Sacra Abt. IV, Bd. 4: Die Antoniter, die Chorherren vom heiligen Grab in Jerusalem und die Hospitaliter vom Heiligen Geist in der Schweiz, redigiert von Elsanne Gilomen-Schenkel. Basel/Frankfurt am Main 1996; Elsanne Gilomen-Schenkel: Mittelalterliche Spitäler und Leprosorien im Gebiet der Schweiz, in: Brigitt Sigel (Hg.): Stadt- und Landmauern, Bd. 3: Abgrenzungen – Ausgrenzungen in der Stadt und um die Stadt (Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15,3). Zürich 1999, S. 117–124. Hans Nabholz (Hg.): Die Zürcher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 3. Leipzig 1906, S. 229 Nr. 147, 21.08.1480. Der Erlass ist allerdings insofern zahnlos, als er wirtschaftlich keine Folgen entfalten konnte, da ihm vom Klerus durch Kauf erworbene Renten nicht unterlagen. Es fiel dem Klerus also leicht, die gestiftete Rente ablösen zu lassen und für die Ablösesumme selbst eine neue Rente zu kaufen.
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Kirchenbauten aber nicht mehr zubilligte. Es zeigte sich darin eine Auffassung, welche in der kirchlichen Liturgieleistung kein echtes Äquivalent für Vergabungen und dem daraus folgenden Rentenbezug mehr zu erblicken vermochte. Hingegen sah man angesichts des ansteigenden städtischen Pauperismus in der über kirchliche Institutionen vermittelten privaten Armenfürsorge einen sinnvollen Beitrag zum allgemeinen Nutzen. In Zürich hatte diese Einschätzung schon eine in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückreichende Tradition. In den 1330er Jahren hat der Zürcher Rat die Belastung von Immobilien mit Jahrzeiten untersagt; Bargeldstiftungen sollten aber weiter zulässig sein. Schon hier hat er Stiftungen an das Spital und an das Leprosorium zu St. Jakob an der Sihl von dieser Regelung ausgenommen, ebenso bei der wörtlichen Wiederholung des Erlasses 1374. In einer Neufassung 1414 wurde die Bestimmung mit einem Verbot des Land- und Rentenkaufs durch gotzhüser, die clöster, weder chorherren, caplan, münch noch nunnen in der Stadt und deren Gerichten und Gebieten verbunden.21 Eine Ratsverordnung von der gemecht wegen regelte 1467 wegen vielerlei Klagen, wie es heißt, vor allem die Vergabungen durch gott und ere. Solche Stiftungen sollten dem Rat künftig schriftlich zur Prüfung und Genehmigung eingereicht werden. Wer nicht offenlegen wolle, wen er zu begünstigen wünsche, könne einen „Gunstbrief“ des Rats über einen bestimmten Betrag zur freien Disposition erwirken; doch prüfte nach dem Tod des Erblassers der Rat dennoch die Legate vor der Auszahlung an die Begünstigten und behielt sich Änderungen vor.22 Der Rat von Bern verfügte im Jahr 1400 die Pflicht der Klöster, die Ablösung von Seelgeräten auf Liegenschaften innerhalb der Ringmauern um das Zwanzigfache des jährlichen Ertrags (5 %) zu gestatten.23 1413 untersagte die Stadt Luzern die Vergabung von Renten auf Liegenschaften an den Klerus zugunsten der Kirche mit der bemerkenswerten Begründung, vmbe dz vnsre stat nit gantz eigen der pfaffen werde24. 1418 dekretierte der Rat dann die Ablösbarkeit der Jahrzeitstiftungen 21
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Heinrich Zeller-Werdmüller (Hg.): Die Zürcher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 1. Leipzig 1899, S. 64 Nr. 157, undatiert, wohl in die zweite Hälfte der 1330er Jahre zu datieren. Ebenda, S. 244 f. Nr. 43 [V.], 10.08.1374. Schon 1335 setzte sich der Rat für die Ablösung eines Jahrzeitzinses des Ritters Johan Mülner an das Fraumünster ein; ebenda, S. 123 Nr. 265, 01.05.1335. Die Neufassung 1414 zitiert nach der Abschrift in der Handschrift J 80 der Zürcher Zentralbibliothek bei Thomas Weibel: Erbrecht und Familie. Fortbildung und Aufzeichnung des Erbrechts in der Stadt Zürich – vom Richtebrief zum Stadterbrecht von 1716. Zürich 1988, S. 24. Zürcher Stadtbücher, Bd. 3 (wie Anm. 20), S. 212 f., Nr. 127, 23.09.1467. Die zunächst für weltliche und geistliche Personen geltende Satzung wurde mit Ratserkanntnis vom 27.06.1475 für die Geistlichen abgeschwächt, denen Vergabungen in Bargeld wieder erlaubt wurden. Ebenda, S. 213 Nr. 128. Friedrich Emil Welti (Berab.): Die Rechtsquellen des Kantons Bern, 1. Teil: Stadtrechte, Bd. 2: Das Stadtrecht von Bern II. Arau 1939, S. 90 Nr. 215, Mai 1400. So habe ich gelesen in Staatsarchiv Luzern RP 1.1 Ratsprotokolle, fol. 380v, in: Konrad Wanner (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Luzern, 1. Teil: Stadtrechte, Bd. 1: Stadt und Territorialstaat Luzern. Satzungen und andere normative Quellen (bis 1425). Aarau 1998, S. 198 Nr. 97, 31.07.1413, findet sich die Lesung: Ret und hundert sint überein komenn und ein gemeind, daz nieman in unser statt gesunds noch siechs libs nüt sol durch gott geben, weder pfaffen noch andern, uff hüsern noch guetern in unserm ampt, weder daruf setzen noch
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an das Kloster im Hof um den fünfzehnfachen Betrag der jährlichen Rente (6,66 %), ein für das Kloster ungünstiger Satz, der in einem Vertrag von 1420 dann auf das Zwanzigfache (5 %) heraufgesetzt wurde.25 Begründet wurde dies damit, Häuser und Güter seien mit Seelgeräten und Jahrzeiten schwer überladen.26 1426 folgte ein Verbot, Güter in der Stadt mit Seelgeräten zugunsten von Klöstern, dem Spital und dem Leprosorium zu belasten, mit der bereits bekannten Begründung, weil wir nicht zulassen wollen, dass unsere Stadt noch mehr eigen wird der Klöster27. Hier wurden die Fürsorgeinstitutionen vom Ablösungsrecht nicht ausgenommen. Die Zunahme des geistlichen Besitzes in der Stadt wurde als wirtschaftliche Bedrohung wahrgenommen, der man entgegensteuern wollte. Offenbar wurde die Belastung auch in der Bevölkerung so wahrgenommen. Der Rat setzte 1431 eine Untersuchung auf die Traktandenliste gegen zwei Luzerner, welche in Baden und Bern verbreitet hatten, es gebe in Luzern kein einziges Haus, auf dem nicht Gülten zugunsten der Klöster lasteten.28 Auch in Kleinstädten begegnet dasselbe Vorgehen. Der Rat der Stadt Zofingen hat 1426 Renten an den Klerus aus Jahrzeitstiftungen von Gütern innerhalb seiner Gerichtsherrschaft für ablösbar erklärt.29 Alle anderen Renten unterlagen hier der Ablösung nicht. Zweifel an der klerikalen Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen, an der Wirksamkeit geistlichen Beistands für das Seelenheil spitzten sich im Laufe des Spätmittelalters zu.30 Es waren nicht nur die städtischen Obrigkeiten, sondern auch die durch Seelgeräte benachteiligten Erben, welche an den Vergabungen Anstoß nahmen.31 Eine undatierte Satzung von Bern untersagt es, rechtmäßig, also slahen. Wol mag einr gen von hand, wz er wil, ane das, nach unser statt reht. Wer aber hie wider tete, der sol der statt ouch alz vil an gnad verfallen sin, umbe dz unser stat nit gnot eigen der pfaffen werde. Actum 2a post Jacobi etc. anno mccccxiij. 25 Die Rechtsquellen des Kantons Luzern (wie Anm. 24), S. 265 Nr. 168, 2, 27.05.1418. 26 Zu diesem Vertrag siehe Anton Philipp von Segesser: Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 2: Die innere Rechtsgeschichte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Luzern 1854, S. 760 f.; Peter Xaver Weber: Der älteste Steuerrodel Luzerns (1352), in: Der Geschichtsfreund 62 (1907), S. 185–251, hier 197. 27 Wonnt wir nit wellen unser statt me lan eigen werdenn der gotzhüsern. Konrad Wanner (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Luzern. Erster Teil: Stadtrechte. Zweiter Band: Stadt und Territorialstaat Luzern. Satzungen und andere normative Quellen (1426–1460). Aarau 2004, S. 17 f. Nr. 22, 18.12.1426. 28 Ebenda, S. 17. 29 Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aargau 1/5: Das Stadtrecht von Zofingen. Aarau 1914, S. 102–103 Nr. 71: Wer ein jarzit beseczen wil mit korn gelt oder mit pfennig gelt, der mag ein malter korn gelcz abloessen mit xx gl. oder so vil, als er denn verschaffet, er oder wem sin guot wirt, vnd ein pfunt gelcz mit xx pfuinden abzeloessen, ovch als es sich denn trift an der suimme. Es sig ab ackren matten huisren oder warab daz ist, daz in vnsern gerichten lit. 30 Die Propagation der Wirksamkeit von Seelenmessen selbst durch Fresken etwa in Bern zeigt wohl gerade den Zweifel daran, siehe Christine Göttler/Peter Jezler: Doktor Thüring Frickers „Geistermesse”. Die Seelgerätskomposition eines spätmittelalterlichen Juristen, in: Gerhard Jaritz (Hg.): Materielle Kultur und religiöse Stiftung im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 12). Wien 1990, S. 187–231. 31 In einem Rundbrief der Stadt Straßburg an andere Städte vom 26.05.1287 hieß es, die durch Vergabungen an die Bettelorden Enterbten, kamen danne für uns schriende und klagende von in, daz sie enterbet werden. Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. 2. Straßburg 1886, S. 78–
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innerhalb der vom Rat festgelegten engen Schranken, errichteten Seelgeräten zu widersprechen oder davon abzuraten.32 In den Bauernunruhen an der Wende zur frühen Neuzeit tauchten dann wiederholt Forderungen auf, die auf eine Entlastung von Abgabenzahlungen an die Kirche abzielten. Nach seinem Geständnis will ein in Zabern gefangengenommener Knecht von einem Meister Matthias Zell gehört haben, dass die messen und guttett, so man den todten nachthut, untöglich und umbsunst sei, und jnen allein das sie bei irem leben guts gethan, erschiesslich33. Der Nutzen von Seelgerätstiftungen war von häretisierten Gruppen und Frömmigkeitsströmungen immer wieder bestritten worden, von den Waldensern in Freiburg im Uechtland 1399 mit der expliziten Begründung, Seelmessen und Gebete für die Verstorbenen seien von den Geistlichen aus Habsucht erfunden worden.34 Nun wurde diese Argumentation von rechtgläubigen Bauern, welche entsprechende Zinsenlasten trugen, aufgenommen. Eine der Absichten der Bauern im Schlettstadter Bundschuhaufstand lautete gemäß dem Prozess zu Oberehnheim 1493, allen priestern und der priesterschaft zu nemen ir zins und gulte bicze an ein moße und zale, die geoffenet ist Ulman und dem Ziegeler, und das uberige, das geordnet ist an die cristeliche kirchen, under sich zu teilen.35
Auch die geistliche Mittlerfunktion der Kirche war als Legitimation ihres Reichtums im Verlaufe des Spätmittelalters unter Druck geraten. Die Angriffe auf die „arbeitsfreien” kirchlichen Renteneinkommen lösten bei den Geistlichen umso mehr Furcht aus, als seit dem 14. Jahrhundert auch Weissagungen umliefen, die Kirche werde in einer umfassenden Verfolgung des Klerus bald allen weltlichen Besitzes durch die Laien beraubt werden. In den im Basler Predigerkloster als Abschriften vorhandenen und an der Wende zum 15. Jahrhundert eifrig studierten Traktaten des Wiener Dominikaners Heinrich von Langenstein wird mehrfach auf solche Prophezeiungen Bezug genommen.36
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80 Nr. 120, 26.05.1287. Der Brief wurde in Zürich abgeschrieben, siehe Jakob Escher/Paul Schweizer (Bearb.): Urkundenbuch von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 5: 1277–1288. Zürich 1901, S. 332 f. Nr. 1992. Rechtsquellen des Kantons Bern (wie Anm. 23), S. 69 Nr. 159. Siehe Fritz Kiener: Zur Vorgeschichte des Bauernkriegs am Oberrhein, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 58 (1904), S. 79–507, hier 503 f. Kathrin Utz Tremp: Richard von Maggenberg und die Freiburger Waldenser (1399–1439). Ein Werkstattbericht, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 47 (1991), S. 509–558, hier 526. Albert Rosenkranz: Der Bundschuh. Die Erhebungen des südwestdeutschen Bauernstandes in den Jahren 1493–1517, Bd. 2: Quellen (Schriften des Wissenschaftlichen Instituts der ElsassLothringer im Reich). Heidelberg 1927, S. 32–45 Nr. 31, hier 36; vgl. ebenda, S. 1 f. Nr.1, wo in einer Straßburger Chronik lakonisch mitgeteilt wird, die Bauern hätten niemant nicht umb ir schulden geben wollen. Siehe dazu Hans-Jörg Gilomen: Das Motiv der bäuerlichen Verschuldung in den Bauernunruhen an der Wende zur Neuzeit, in: Susanna Burghartz u. a. (Hg.): Spannungen und Widersprüche. Gedenkschrift für František Graus. Sigmaringen 1992, S. 173–189. Siehe Henricus de Hassia: Tractatus de contractibus habens duas partes, in: Johann Koelhoff (Hg.): Opera Johannis Gersonis, Bd. 4. Köln 1484, fol. 185r–224r, siehe insbesondere II, cap. 14–17, fol. 211r–212v. Siehe auch Heinrich von Langenstein: Tractatus contra quendam eremitam de ultimis temporibus vaticinantem nomine Theolophorum, in: Bernhard Pez (Hg.): Thesaurus Anecdotorum novissimus, Bd. 1–2. Augsburg 1721, Sp. 507–564. Auch ders.: Epis-
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Die Unterstellung sozialer Funktionslosigkeit der Kirche und die Zweifel an der Wirksamkeit ihrer geistlichen Tröstungen haben einiges dazu beigetragen, dass es geboten erschien, dem scheinbar unaufhaltsamen Anwachsen ihres Reichtums Schranken zu setzen. Entscheidend dafür waren indessen hauptsächlich die finanzwirtschaftlichen Probleme, vor die sich eine große Zahl der Städte im Spätmittelalter gestellt sah. In Verschuldung bis hin zur Zahlungsunfähigkeit gerieten viele Städte in dieser Zeit.37 Als Problem wurde vor allem die kanonisch-rechtliche Unveräußerlichkeit von Kirchengütern einerseits, die kirchliche Steuerfreiheit andererseits eingeschätzt. Konkret schienen die Folgen jedermann vor Augen zu stehen: Der bauliche Zerfall der Städte wurde als Symptom wirtschaftlichen Niedergangs gedeutet und auf die Überlastung der Liegenschaften mit Abgaben an die Kirche zurückgeführt. Die Wahrnehmung der schädlichen Folgen der Überlastung schlägt sich durchaus auch in den kirchlichen Verwaltungsakten nieder. So heißt es z. B. im Anniversarbuch des Basler Domstifts beim Zins von einem Haus: Es steht leer, weil das Haus Havenbrunn vor dem Vertrag über den vorliegenden Zins von anderen Zinsen bereits stärker belastet war als es ertragen konnte. Und anderswo: Das Haus ist derart belastet und verpflichtet mit Zinsen, dass keine Hoffnung besteht weder für den Zins noch für das Hauptgut.38 Es entspricht der Konsequenz dieser Wahrnehmung,
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tola de futuris periculis ex dictis Sancte Hildegardis, gedruckt bei Gustav Sommerfeldt: Die Prophetien der hl. Hildegard von Bingen in einem Schreiben des Magisters Heinrich von Langenstein (1383) und Langensteins Trostbrief über den Tod eines Bruders des Wormser Bischofs Eckard von Ders (um 1384), in: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 30 (1909), S. 43– 61, und S. 297–307, hier 46–61. Über Langensteins Interesse an der Weissagungsliteratur siehe auch Georg Kreuzer: Heinrich von Langenstein. Studien zur Biographie und zu den Schismatraktaten unter besonderer Berücksichtigung der Epistola pacis (Quellen und Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte NF 6). Paderborn 1987, S. 59, 63, 72–74. Allgemein ist die Zeit der kirchlichen Wirren im Großen Schisma für Prophezeiungen aller Art ein fruchtbarer Boden gewesen. Siehe dazu Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969. Zur Wirkung der Traktate in Basel und zum Studium dieser Schriften durch die Basler Dominikaner siehe Hans-Jörg Gilomen: Kirchliche Theorie und Wirtschaftspraxis. Der Streit um die Basler Wucherpredigt des Johannes Mulberg, in: Itinera 4 (1986), S. 34–62. Zum „Antiklerikalismus“ der Zeit auch Graus: Pest (wie Anm. 6), insbesondere S. 61–153; außerdem die verschiedenen Beiträge zum Spätmittelalter in: Peter A. Dykema/Heiko A. Oberman (Hg.): Anticlericalism in Late Medieval and Early Modern Europe (Studies in Medieval and Reformation Thought 51). Leiden 1993; Bernard McGinn: Angel Pope and Papal Antichrist, in: Church History 47/2 (1978), S. 155–173. Hans-Jörg Gilomen: Anleihen und Steuern in der Finanzwirtschaft spätmittelalterlicher Städte, Option bei drohendem Dissens, in: Sébastien Guex/Martin Körner/Jakob Tanner (Hg.): Staatsfinanzierung und Sozialkonflikte (14.-20. Jh.) – Financement de l’État et conflits sociaux (14e20e siècles) (Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 12). Zürich 1994, S. 137–158. Die Beispiele bei Paul Bloesch: Das Anniversarbuch des Basler Domstifts (Liber vite ecclesie Basliensis) 1334/38–1610, Bd. 1 (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte 7). Basel 1975, S. 34 Anm. 4: Vacat quia domus Havenbrunn ante contractum presentis census erat aliis censibus onerata plus quam suffere poterat. […] domus […] in tantum onerate et obligate censibus, quod nulla est spes nec de censu nec de principali summa. Dass auch die Überlastung der Landgüter durch Seelgeräte der Bauern von den Grund- und Pachtherren, darunter auch den
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dass der Rat von Bern nach dem großen Stadtbrand 1405 die Halbierung aller Seelgerätzinsen jener Immobilienbesitzer verfügte, welche sich verpflichteten, ihre abgebrannten Gebäude wieder zu errichten.39 Die Begründung, dass vielfach die Überlastung zum Zerfall der Liegenschaften führe, dürfte schon deshalb nicht bloß vorgeschoben gewesen sein, weil diese Folge für jedermann in situ leicht überprüfbar war. Indessen lässt sich diese Erscheinung, die offenbar sehr verbreitet war,40 nur selten beziffern, da auch die nach längerem Stillstand wieder aufgenommenen Forschungen zur städtischen Topographie auf diesen Aspekt kaum eingehen.41 In den beiden Zürcher Wachten Linden und Rennweg standen 1467 von insgesamt 388 verzeichneten Häusern 28 leer, also immerhin 7,2 %. In der ganzen Stadt waren es nach der Zählung von Hektor Ammann von 1042 Häusern 64, also 6,1 %.42 Die Forschung hat bestätigt, dass die Zunahme des kirchlichen Immobilienbesitzes in einigen Städten enorm war. Ich nenne nur Freiburg im Breisgau, wo um 1450 ein Sechstel des überbauten Gebietes in kirchlicher Hand war. Um 1500 war es sogar ein Fünftel, d. h. 53.000 Quadratmeter.43 Für Zürich zeigt eine Karte, auf geistlichen, bekämpft wurde, lässt sich etwa in einer Satzung des Berner Rates vom 8. November 1439 belegen. Friedrich Emil Welti (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Bern, 1. Teil: Stadtrechte, Bd. 1: Das Stadtrecht von Bern I (1218–1539). Arau 1902, S. 129 f. Nr. 209. 39 Rechtsquellen des Kantons Bern (wie Anm. 23), S. 115 Nr. 252, 28.05.1405. 40 Diese m. E. von der Kreditstruktur her zu erklärende Erscheinung blieb natürlich nicht auf das hier besonders behandelte Gebiet oder das Reich beschränkt. Der französische König hat z. B. für Paris 1441 mit der Begründung, die überlasteten Häuser seien am zerfallen, Renten um das Zwölffache für ablösbar erklärt. Die Maßnahme wurde 1553/54 auf alle französischen Städte ausgedehnt. Siehe Jean Jacques Gaspard Foelix/Mathieu-Richard-Auguste Henrion (Hg.): Traité des rentes foncières, suivant l’ordre de Ponthier et d’après les principes de la législation nouvelle. Paris 1828. 41 Siehe Dietrich Denecke: Sozialtopographie und sozialräumliche Gliederung der spätmittelalterlichen Stadt. Problemstellungen, Methoden und Betrachtungsweisen der historischen Wirtschafts- und Sozialgeographie, in: Josef Fleckenstein/Karl Stackmann (Hg.): Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse, 3. Folge Nr. 121). Göttingen 1980, S. 161–202, mit Literaturangaben; siehe auch Dietrich Denecke: Social Status and Place of Residence in Preindustrial German Towns: Recent Studies in Social Topography, in: Ders. (Hg.): Urban Historical Geography. Recent Progress in Britain and Germany. Cambridge 1988, S. 125–140. 42 Hans-Jörg Gilomen: Demographie, Mobilität, Eigentumsverhältnisse. Fragen nach den Grenzen der Bindung von Familienidentität an den Wohnsitz in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Karin Czaja/Gabriela Signori (Hg.): Häuser, Namen, Identitäten (Beiträge zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtgeschichte 1). Konstanz 2009, S. 11–28, hier 23; Hektor Ammann: Untersuchungen zur Wirtschaftsstellung Zürichs im ausgehenden Mittelalter, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 29 (1949), S. 305–356, hier 339. Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40 (1992), S. 113–132, hier 126, kommt nur auf 945 bewohnte Häuser, ohne etwas über den Leerbestand zu sagen. 43 Hermann Flamm: Der wirtschafliche Niedergang Freiburgs i. Br. und die Lage des städtischen Grundeigentums im 14. und 15. Jahrhundert (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen 8, Ergänzungsband 3). Karlsruhe 1905, S. 118–120; siehe auch Tom Scott: Freiburg and the Breisgau. Town-Country Relations in the Age of Reformation and Peasants’ War. Oxford 1986, S. 120–124. Für Augsburg zeigt Rolf Kiessling: Bürgerliche Gesellschaft
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der die urkundlichen Besitznennungen kumulativ bis 1336 eingetragen sind, wie sehr der kirchliche Liegenschaftsverkehr schon bis zu diesem Zeitpunkt in das Stadtgefüge eingegriffen hat: Um 1300 umfasste das Gebiet des Mauerberings hier insgesamt 38 ha. Davon waren 21 ha (55 %) damals schon überbaut. 8 ha (21 %) des Stadtbodens standen in kirchlichem Besitz.44 Der Anteil der verschiedenen kirchlichen Institutionen entwickelte sich natürlich sehr unterschiedlich, sowohl was die selbst genutzten Flächen wie auch den weiteren Immobilienbesitz betraf. Die Propstei des Großmünsters besaß im 15. Jahrhundert neben dem Stiftsschulgebäude, der Kusterei und der Kantorei 16 Chorherrenhöfe, 30 Kaplaneihäuser und 4 Mühlen an der Limmat.45 Die Zahl der Häuser im Besitz des Predigerklosters schwankte in der Zeit von 1357 bis 1470 gemäß den Steuerlisten zwischen 21 und 31.46 Die Franziskaner besaßen hingegen nur zwei Häuser in der Wacht Neumarkt47, ab 1370 ein weiteres und ab 1372 ein viertes in der Wacht Linden.48 1470 sind noch drei Häuser in den Steuerlisten verzeichnet.49 Bei den Bettelorden waren eigentliche Beginenquartiere entstanden, die auch nach dem Rückgang des Beginenwesens in Zürich weiterhin bevorzugt von Frauenhaushalten bevölkert blieben.50 Die vom kirchlichen Veräußerungsverbot genährte Furcht davor, dass die Anhäufung von Gütern in der Toten Hand grenzenlos und irreversibel sei, erstaunt. Es konnte den Zeitgenossen doch nicht verborgen bleiben, dass in wirtschaftliche Bedrängnis geratene kirchliche Institutionen sich immer wieder zu Güterverkäufen unter klarem Bruch des kanonischen Veräußerungsverbots oder nach Einholung von Sondergenehmigungen der kirchlichen Oberen gezwungen sahen. Zwar suchten obere Instanzen gelegentlich, solche Veräußerungen nachträglich als illegal rückgängig zu machen. Aber selbst kirchliche Vertreter haben das Bedenken des anwachsenden Kirchenbesitzes durchaus ernst genommen und sich dazu geäußert.
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und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 19). Augsburg 1971, S. 194–157, dass die Kirche Hauptgrundbesitzer in dieser Stadt war und der Rat dieser Besitzverteilung entgegenzuwirken versuchte. Jürg E. Schneider: Zürichs Weg zur Stadt. Archäologische Befunde zur frühen Stadtgeschichte (7.–13. Jh.), in: François Guex/Charlotte Gutscher-Schmid (Hg.): Nobile Turegum multarum copia rerum – Drei Aufsätze zum mittelalterlichen Zürich. Zürich 1982, S. 1–37. Salomon Vögelin/Arnold Nüscheler: Die bauliche Entwicklung der Stadt Zürich, in: Dies. (Hg.): Das Alte Zürich, Bd. 2. Zürich 1890, S. 351–445. In den Wachten Neumarkt und Niederdorf gemäß den Zahlen bzw. Tabellen bei Martina Wehrli-Johns: Geschichte des Zürcher Predigerkonvents (1230–1524). Mendikantentum zwischen Kirche, Adel und Stadt. Zürich 1980, S. 116–121. Hans Nabholz/Friedrich Hegi (Bearb.): Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 1: Die Steuerrödel des XIV. Jahrhunderts, 1357–1376. Zürich 1918, S. 30 Nr. 181 und 182. 1358 ebenda, S. 68; 1366 ebenda, S. 171; 1370 ebenda, S. 279 f. Steuerbücher (wie Anm. 47), S. 268 Nr. 147a, S. 342 Nr. 139 und 147a; 1373 ebenda, S. 392; 1375 ebenda, S. 444; 1376 ebenda, S. 486. Edwin Hauser/Werner Schnyder (Bearb.): Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 7: Steuerrödel von 1470 und 1471. Nachträge zu Band 2. Zürich 1952, S. 26 Linden Nr. 135 und 146; S. 27 Linden Nr. 160. Siehe Wehrli-Johns: Geschichte (wie Anm. 46), S. 100–142.
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Karte 1: Umzeichnung nach dem Plan in Jakob Escher/Paul Schweizer (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 7: 1297–1303. Zürich 1908.
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Karte 2: Dunkelgrau: Von Schwestern und Brüdern (Beginen und Begarden) bewohnte Häuser in Zürich gemäß den Steuerlisten von 1357. Hellgrau unterlegt: Beginenbzw. Frauenquartiere. Karte aus Magdalena Bless-Grabher: Die Beginen in Zürich, in: Barbara Helbling/Magdalena Bless-Grabher/ Ines Buhofer (Hg.): Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich. Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter. Zürich 2002, S. 251–263, hier 260; nach dem Plan bei Martina Wehrli-Johns: Geschichte des Zürcher Predigerkonvents (1230-1524). Mendikantentum zwischen Kirche, Adel und Stadt. Zürich 1980, S. 127.
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Dabei gab es sehr unterschiedliche Argumentationen. Für die eine mag hier diejenige des Heinrich von Langenstein stehen, der in seinem Tractatus de contractibus in den 1390er Jahren die Bedenken gegen das Anwachsen des kirchlichen Reichtums exakt resümierte.51 Ausgehend von der Frage, ob es den weltlichen Gewalten erlaubt sei, den Sterbenden zu verbieten, Güter dem Klerus und den Kirchen zu vermachen, ging Heinrich auf das Argument ein, dass durch die Vergabungen allmählich sämtliche Güter an die Geistlichkeit fallen müssten, da sie aus kirchlichem Besitz nicht mehr in die Hände von Laien zurückkehren könnten. Die Gemeinschaften würden dadurch derart verarmen, dass sie die Lasten, die ihnen und den Fürsten auferlegt seien, nicht mehr zu tragen vermöchten, da die Kleriker von Steuern und andern notwendigen Leistungen für das gemeine Wohl befreit seien. Wenn Fürsten und Gemeinschaften es zuließen, dass jeder seine Liegenschaften der Kirche zinsbar machen könne, so würden bald alle Häuser derart belastet, dass sie den Besitzern unnütz wären. Durch hohe Mieten würden die Armen bedrückt und viele Häuser blieben schließlich aufgrund unerträglicher Belastungen leer. Solche Begründungen hätten wohl einige Fürsten dazu bewogen anzuordnen, dass bei allen Renten von Liegenschaften die Ablösung zugelassen werden müsse. Damit spielte Heinrich auf die Gesetzgebung der österreichischen Herzöge an. Gegen diese Argumentation wusste Heinrich nur beruhigend anzuführen, die Laien brauchten nicht zu befürchten, dass alle Güter in den Besitz der Geistlichkeit übergehen könnten, denn die Ausstattung des Klerus und der Kirche durch die einst tief frommen Gläubigen habe längst aufgehört. Wenn nur der weltliche Besitz der Geistlichkeit durch die Unfrömmigkeit der modernen Mächtigen und Reichen (modernorum potentum et divitum indevotio) nicht verringert und usurpiert würde, so wären Kirche und Klerus mit dem Ihren zufrieden. Selbst wenn aller weltliche Besitz an die Kirche gelangte, so würde und dürfte sie ihn nicht behalten, sondern würde ihn zurückgeben zur Unterstützung der bedürftigen Laien und zur Verteidigung, Erhaltung und Verbesserung der Gemeinschaft. Dass durch Vergabungen alle Güter an den Klerus fallen, sei aber gar nicht zu befürchten. In Wirklichkeit müssten nicht die Laien befürchten, dass alle Güter an den Klerus kommen, sondern der Klerus, dass dereinst durch die gewaltige Habsucht der Laien die Geistlichkeit und die Kirche allen weltlichen Besitz verlieren werden, wie man in einigen Weissagungen finde.52 Heinrich argumentierte nicht etwa mit der bloß relativen Wirksamkeit des Veräußerungsverbots, sondern er drehte die Sache um und 51
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Henricus de Hassia: Tractatus de contractibus (wie Anm. 36), hier insbesondere II, cap. 14–17, fol. 211r–212v. Heinrich wird hier als Sprecher des Klerus deshalb besonders berücksichtigt, weil er als führender Geist seiner Zeit gefeiert wird und gerade in der Rentenfrage als Autorität über das Mittelalter hinaus galt. Theologen, welche im Gegensatz zur klerikalen Hauptströmung die Erlaubtheit des Wiederkaufs vertraten, beriefen sich gewöhnlich auf Leviticus 25, 23–55: Terra quoque non vendetur in perpetuum, quia mea est, et vos advenae et coloni mei estis. Unde cuncta regio possessionis vestrae sub redemptionis condicione vendetur. Si attenuatus frater tuus vendiderit possessionunculam suam et voluerit propinquus eius, potest redimere quod ille vendiderat […]. Qui vendiderit domum intra urbis muros, habebit licentiam redimendi donec unus impleatur annus. Über das Interesse Heinrichs von Langenstein an Weissagungsliteratur siehe oben Anm. 36.
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behauptete, nicht die Bereicherung, sondern die Verarmung der Kirche sei zu befürchten. Ganz anders war die Auffassung des Zürcher Chorherren Felix Hemmerlin. In dem kurz vor der Mitte des 15. Jahrhunderts verfassten Traktat De novorum officiorum divinorum institutione, einer Schrift gegen die Stiftung zur Aufwertung des Heiligenfestes für Franziskus am Zürcher Großmünster, wies er darauf hin, Hauptursache für die Auflehnung der Hussiten gegen die Kirche sei die Überlastung des gesamten Grund und Bodens im böhmischen Königreich mit Abgaben an den Klerus. Er rief in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf das Basler Konzil dazu auf, das Geld statt für neue Stiftungen an den kirchlichen Aufwand besser zur Unterstützung der Armen zu verwenden, nahm also als Zürcher Geistlicher die im obrigkeitlichen Diskurs Zürichs bereits traditionelle Haltung auf.53 In beiden hier genannten kirchlichen Argumentationsstrategien blieb weiterhin die Rechtfertigung des kirchlichen Reichtums mit der kirchlichen Armenfürsorge zentral, die indessen angesichts der tatsächlich nur noch geringen Leistungen auf diesem Gebiet wohl kaum zu überzeugen vermochte. Heinrich von Langenstein nennt auch den wichtigsten Stein des Anstoßes: das Problem der kirchlichen Steuerfreiheit, woraus die Frage nach dem Beitrag des kirchlichen Reichtums an die öffentlichen Lasten – an den gemeinen Nutzen, das bonum commune oder die necessitas gemäß der Diktion der Zeit – folgte.54 Dies war in der Wahrnehmung der städtischen Führungsschichten der Kern der Problematik. Die kirchliche Steuerfreiheit geriet angesichts der finanzwirtschaftlichen Probleme der Städte immer mehr unter Druck.55 53
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De novorum officiorum divinorum institutione, in: Clarissimi viri Juriumque doctoris Felicis Hemmerlin cantoris quondam Thuricensis varie oblectationis opuscula et tractatus. Ex Basilea Jdibus Augusti M ccccxcvij [1497], fol. 61v–73v, hier fol. 73r: Et hec indubitanter fuit primordialiter regni Bohemorum destructionis causa, quia multum impatienter videbatur laicis, immo terrarum particulas nimium gravatas per pensiones clero censuales. Nam vix fuit pedis passus per omnes regni districtus ubi clerus non habuerit tributorum vel aliarum pensionum fructus. Siehe dazu Gilomen: Traktat (wie Anm. 10). Winfried Eberhard: Kommunalismus und Gemeinnutz im 13. Jahrhundert. Zur Ausbildung einer Stadträson und ihrer Bedeutung in der Konfrontation mit der Geistlichkeit, in: Ferdinand Seibt (Hg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, Bd. 1. München 1988, S. 271–294. Schon Max Weber hat die „unaustilgbaren ständischen Privilegien“, das privilegium fori und die Steuerfreiheit gemäß dem privilegium immunitatis, als Grund dafür genannt, dass der Klerus in den Städten eine „unassimilierbare Fremdmacht“ geblieben sei. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 795 f.; Eugen Mack: Die kirchliche Steuerfreiheit in Deutschland seit der Dekretalen-Gesetzgebung (Kirchenrechtliche Abhandlungen 88). Stuttgart 1916; Hans Erich Feine: Kirchliche Rechtsgeschichte, Bd. 1: Die katholische Kirche. Weimar 1950, S. 325 f.; mit Literatur: Jean Leclercq: Deux questions de Berthaud de Saint-Denys sur l’exemption fiscale du clergé, in: Etudes d’histoire et de droit canonique dédiées à Gabriel Le Bras, Bd. 1. Paris 1965, S. 605–617 (S. 610–617 Edition der beiden Quaestiones). Die Quaestiones enthalten eine Auseinandersetzung mit den meisten für die Diskussion wesentlichen Texten. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass selbst Nicolas Oresme, der gewiss die üblen Folgen von Münzveränderungen hellsichtig geschildert hat, dennoch diese Form der Abgabenerhebung unter bestimmten Umständen für günstig hielt, da sie die gerechteste insofern sei, als davon die Reichsten am stärksten betroffen würden und als sie allgemein sei,
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Schon am dritten Laterankonzil 1179 war die Besteuerung von Kirche und Klerus grundsätzlich untersagt worden, und zwar mit besonderem Blick auf die städtischen Steuern, doch blieben bei echter Notlage außerordentliche Steuern geduldet.56 Eine Verschärfung brachte die 46. Konstitution De talliis a clericis non exigendis des IV. Laterankonzils 1215. In jedem Falle musste bei Einverständnis von Bischof und Klerus zu freiwilliger Beihilfe nun auch die Einwilligung des Papstes eingeholt werden.57 Seit die Städte selbst kostspielige Aufgaben – zunächst insbesondere zur Befestigung – übernahmen, gerieten sie in Konflikte mit dem geistlichen Steuerprivileg. Die kirchliche Steuerfreiheit wurde derart zäh und mittels Bann und Interdikt durch Bischöfe und Papsttum verteidigt, dass der direkte Angriff darauf meist gescheut wurde. Auch der Weg über gütliche Vereinbarungen mit einzelnen Klöstern, der häufig begangen wurde, weil dabei ein Interessensausgleich erreichbar schien, war grundsätzlich fragwürdig. Gegen Steuerforderungen der Stadt Zürich an ihren Klerus hat sich 1228 auch König Heinrich VII. gewandt.58 1230 verbot der Konstanzer Bischof Konrad den Zürchern, ihren Klerus mit irgendwelchen Abgaben zu belasten.59 Papst Bonifaz VIII. hat 1296 in der Bulle Clericis laicos jene kirchlichen Personen exkommuniziert, welche ohne Einwilligung des apostolischen Stuhles zu freiwilligen Steuerleistungen Hand böten oder aufgrund bereits bestehender derartiger Verpflichtungen Zahlung leisteten.60 1296 trat unter Papst Benedikt XI. dann eine Milderung ein; Clemens V. hob 1306 die Bulle Clericis laicos auf und stellte damit die Rechtslage gemäß Lateranense IV wieder her. Die Kirche hielt grundsätzlich am Anspruch auf Steuerfreiheit gemäß ihrem privilegium immunitatis fest. Dennoch sind im 14. und 15. Jahrhundert Vereinbarungen mit einzelnen Klöstern und Klerikern, auch mit dem gesamten Klerus einer Stadt, häufig bloß von Fall zu Fall unter Einwilligung des zuständigen Bischofs, abgeschlossen worden. Nach dem Richtebrief von 1304 waren in Zürich nicht bloß die Kleriker selbst, sondern auch ihr Personal steuerfrei.61 In besonderen Notsituationen hat sich auch
56 57 58 59 60 61
weil sich ihr auch der Klerus und der Adel nicht entziehen könne: Car ni le clerc ni le noble ne s’en peuvent exempter par privilège ou autrement, comme beaucoup veulent le faire des autres contributions, ce qui crée de l’envie, des dissensions, des procès, des scandales et maints autres maux qui ne peuvent résulter d’une telle mutation de la monnaie. Claude Dupuy (Hg.)/Frédéric Chartrain (Übers.): Nicolas Oresme: Traité des monnaies et autres écrits monétaires du XIVe siècle (Jean Buridan, Bartole de Sassoferrato). Lyon 1989, Kapitel 22, S. 81 f. Ubi laicorum non suppetunt facultates; Josephus Alberigo u. a. (Hg.): Conciliorum oecumenicorum decreta. 3. Aufl., Bologna 1973, S. 221 can. 19. Ebenda, S. 255. Jakob Escher/Paul Schweizer (Bearb.): Urkundenbuch von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 1. Zürich 1888–1890, S. 320 Nr. 442. Ebenda, 335 f. Nr. 457. Die Anm. 6 enthält hier einen gravierenden Irrtum. Der Bischof hob nicht etwa dem Klerus aufgezwungene Eide auf, die Konkubinen zu vertreiben, sondern Eide der Bürger, dies zu tun. Carl Mirbt (Hg.): Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus. 3. Aufl., Tübingen 1911, S. 161. Daniel Bitterli (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Neue Folge, 1. Teil, 1. Reihe, 1. Bd.: Zürcher Richtebrief. Basel 2011, S. 127 NB IV 29; Reinhold Bader: Der Klerus und sein Recht nach dem Zürcher Richtebrief. Zürich 1901.
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hier der Klerus aber zu freiwilligen Leistungen herbeigelassen. Der enge Zusammenhang von Bürgerrecht und Steuerpflicht in der zeitgenössischen Auffassung zeigt sich darin, dass der Zürcher Rat 1316 beschloss, den Abt Johann von Einsiedeln nie mehr als Ausbürger aufzunehmen, wan er den burgern ir arbet nit wolte helfen tragen mit der stüre, dü uf in geleit wart, als uf ander burgere62. In den Vermögenssteuerlisten seit 1357 erscheint dann zuerst das Personal der Chorherren. Seit dem 14. Jahrhundert begegnet in vielen Städten die Bürgeraufnahme von Klerikern durch individuelles Privileg auf befristete Dauer unter Festsetzung eines pauschalen jährlichen Steuerbetrages. In Zürich beginnt die Reihe überlieferter Burgrechtsverträge mit Klerikern im letzten Viertel des 14. Jahrhundert. Diethelm Snaelli, Chorherr in Säckingen, wurde 1378 auf zehn Jahre als eingesessener Bürger aufgenommen. Er verpflichtete sich, jährlich sechs Gulden zu steuern, innert Jahresfrist ein Haus in der Stadt zu erwerben und dafür zu sorgen, dass dieses nach seinem Tod nicht in geistliche Hand übergehe.63 Der dauerhafte Übergang von Grundbesitz in die grundsätzlich steuerfreie Tote Hand sollte also auch hier vermieden werden. 1389 verpflichteten sich die Chorherren des Großmünsters zur Entrichtung einer Pauschalsteuer von 400 Gulden, die sie bis zur vollen Bezahlung mit jährlich 40 Gulden verzinsen würden. Die Ablösung erfolgte erst 1404.64 Seit 1401 wurde das Personal der Klöster besteuert. Im selben Jahr finden sich ein Augustinereremit65 und Nonnen des Zisterzienserinnenklosters Selnau66 in den Listen der Besteuerten. Ab dem Jahr 1408 erscheinen die Predigermönche,67 aber auch der Weihbischof Berchtold Hütli68 und eine Reihe von Kaplänen der Propstei, bei denen indessen vermerkt ist, sie hätten das Geld unsern herren durch früntschafft geschenket, die Steuer also freiwillig bezahlt.69 1418 nahm der Rat in Aussicht, das Grunderwerbsverbot für die Tote Hand aufzuheben, falls mit dem Chorherrenstift eine Einigung über die Besteuerung erzielt werden könne.70 Dieser Zusammenhang zwischen Grunderwerb und Steuerleistung ist hier explizit genannt. 1425 finden sich in den Steuerlisten erstmals Franziskanermönche.71 In den 1440er Jahren während des Alten Zürichkriegs versteuerte die Geistlichkeit ihre liegenden Güter72 bzw. zahlte sie – Chorherren, Kapläne, die Oetenbacher Nonnen – pauschale 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72
Zürcher Stadtbücher, Bd. 1 (wie Anm. 21), S. 11 Nr. 23, vor dem 1. Mai 1316. Der Abt hatte zugleich mit der Zahlungsverweigerung das Bürgerrecht aufgegeben. In anderen Jahren hatte er, wie vermerkt wird, bezahlt. Dasselbe beschloss der Rat auch gegen den Abt von St. Blasien. Martin Lassner (Bearb.): Urkundenregesten des Staatsarchivs des Kantons Zürich, Bd. 2: 1370–1384. Zürich 1991, S. 142 Nr. 1570, 17.03.1378 = Staatsarchiv Zürich, C I Nr. 712. Steuerbücher (wie Anm. 47), Bd. 2. Zürich 1939, S. XIII f. Ebenda, S. 187. Ebenda, S. 100 (1401). Ebenda, S. 154 (1408), S. 330 (1412), S. 407 (1414), S. 482 (1425), S. 532 (1442), S. 587 f. (1444). Dass der Rat von den Predigern in Anerkennung ihrer sozialen Aufgabe keine Steuern gefordert habe, wie Wehrli-Johns: Geschichte (wie Anm. 46), S. 141, ausführt, ist unzutreffend. Ebenda, S. 130 (1408), S. 299 (1412). Ebenda, S. 134 (1408). Ebenda, S. 7. Ebenda, S. 460. Ebenda, S. 514 f. (1442); S. 620 (1450).
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Summen.73 In dieser für die Stadt auch finanziell ungemein schwierigen Situation zeigte sich der Klerus zu einer Sonderleistung durchaus bereit. Die regelmäßige Besteuerung des Kirchenvermögens bzw. einzelner Vermögensteile setzte sich in vielen Städten bis zum Ende des Mittelalters durch, wenngleich sie immer unsicher blieb. Vielfach wurde dabei argumentiert, wer den Schutz der teuren Stadtmauern genieße, müsse auch die Lasten der Stadt mittragen. Auf dem Land wurde ein ähnlicher Nexus zwischen Steuerleistung und Teilhabe an Nutznießungsrechten hergestellt. Ein Nachtrag des Schwyzer Landrechtsgesetzes unterwarf im 14. Jahrhundert die Klöster der Steuerpflicht; weigerten sie sich, so sollten sie Felder, Wasser, Wald, Wiesen und Weiden nicht weiter nutzen dürfen.74 Eine allgemein gültige Lösung hat diese Frage jedoch nicht gefunden. Die Geistlichkeit, die in der Folge des spätmittelalterlichen Ausbaues des kirchlichen Abgabewesens zu vielfältigen Zahlungen nach Rom und Avignon, an die Ordinarien bzw. an die Ordenszentralen herangezogen wurde, empfand andererseits diesbezügliche Forderungen der weltlichen Gewalten nicht völlig zu Unrecht als eine Art doppelte Besteuerung.75 Angesichts der Steuerfreiheit des Klerus erschien es zur Erhaltung des Steuersubstrates geboten, durch unterschiedliche Maßnahmen den Zuwachs kirchlichen Reichtums zu beschränken. Hierher gehören zum einen Verbote des Immobilienerwerbs, darunter auch der auf Immobilien fundierten Renten. Zweitens sind die so genannten Amortisationsgesetze, oder besser Gesetze de non amortizando, zu nennen, welche dafür sorgen sollten, dass Güter nicht endgültig in die Tote Hand der Kirche fielen und damit dem Güterverkehr und der Besteuerung entzogen würden. In Zürich wird die Beunruhigung über das Anwachsen des kirchlichen Immobilienbesitzes schon früh deutlich. Ob bereits eine Urkunde König Heinrichs VII. für das Zisterzienserkloster Wettingen von 1227 damit zusammenhängt, ist nicht sicher. Immerhin gab der König dem Kloster damals das Recht, in Zürich und andern Reichsstädten Häuser zu erwerben und diese steuerfrei zu besitzen.76 1287 wurde ein Brief der Stadt Straßburg über ihren Streit mit den Dominikanern, welche sich geweigert hatten, wie die Franziskaner eine Erklärung gegen Gütererwerb durch Erbschleicherei abzugeben, für den Zürcher Rat abgeschrieben.77 Der Straßburger Rat drückte darin auch seine gewiss übertriebene Befürchtung aus: Des achteten wir, daz unsir stat kurzlich alle ir eigen were worden. Die Städte unterrichte73 74 75 76 77
Ebenda, S. 510 (1442), S. 566 (1444). Albert Hug: Das „Schwyzer Landrechtsgesetz von 1294”, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz 86 (1994), S. 11–28, hier 16. Über die Auswirkung der päpstlichen Steuern in einem einzelnen Bistum siehe z. B. Johann Baptist Villiger: Das Bistum Basel zur Zeit Johannes XXII., Benedikts XII. und Klemens VI. (1316–1352) (Analecta Gregoriana 15). Roma/Luzern 1939, S. 285–328. Urkundenbuch Zürich, Bd. 1 (wie Anm. 58), S. 317 Nr. 438, 01.11.1227. (oder 1228?). Merkwürdig ist es, dass das Kloster seinen Zürcher Stadthof aber erst 1254 erwarb. Urkundenbuch Zürich, Bd. 5 (wie Anm. 31), S. 332 f. Nr. 1992, 26.05.1287; Urkundenbuch Straßburg, Bd. 2 (wie Anm. 31), S. 78–80 Nr. 120, 26.05.1287; siehe dazu auch Gabriela Signori: Vorsorgen − Vererben − Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 160). Göttingen 2001, S. 6–9.
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ten einander über die Probleme mit dem Anwachsen des Besitzes der Bettelorden. 1295 nahm der Zürcher Rat dem Kustos und dem Guardian der Minderbrüder das Versprechen ab, eine Urkunde des Provinzials zu erwirken, welche dem Kloster jeden künftigen Erwerb von Häusern und Hofstätten in der Stadt untersagen sollte. Den Brüdern geschenkte Liegenschaften sollten sie innert Jahresfrist wieder veräußern.78 Was aus diesem Vorstoß geworden ist, bleibt ungewiss. Immerhin blieb der Immobilienbesitz der Minoriten bis zur Reformation ganz gering. Die Amortisationspflicht erfasste im Richtebrief von 1304 alle Klöster und auch die Beginensamnung „Konstanz”. Verschärft wurde sie durch die Bestimmung, falls die Liegenschaften nicht innert Jahresfrist veräußert würden, solle der Rat sie konfiszieren.79 1307 nötigte der Rat den Chorherren des Großmünsters das Versprechen ab, keinerlei Zinse oder Renten von Häusern, Hofstätten und Gärten innerhalb der Ringmauern mehr zu kaufen beziehungsweise innerhalb der nächsten 40 Jahre höchstens sechs Häuser als Höfe für Chorherren und Kapläne. Außerhalb eines benannten Gebiets sollten keine dieser Häuser liegen, insbesondere nicht an bevorzugten Lagen in der Nähe des Marktes.80 In der Folgezeit sind diese Erwerbsverbote indessen nicht strikt durchgesetzt worden. Nur in Einzelfällen ist das Eingreifen des Rats belegt. Wohl kurz nach 1318, nachdem ein Arzt dem Magdalenenaltar im Großmünster ein Haus gestiftet hatte, das er als Leibding aber weiter bewohnte, legte der Rat fest, diese Liegenschaft müsse nach seinem Tod von der Kirche veräußert werden. Durchgesetzt wurde dies aber zunächst nicht. Erst 1385 verkaufte der Kaplan des Altars das Haus einem Leinenweber. Der Schwesternsamnung St. Verena gab der Rat um 1375 auf die Bitte, ihr den Erwerb eines Gartens zu gestatten, den Bescheid, die Frauen müssten zuvor zwei Häuser und einen Garten, deren Eigentum in ihren Besitz gekommen war, verkaufen.81 Das strikteste Erwerbsverbot, das für das Gebiet der Stadt ebenso galt wie auf dem Land, erließ der Zürcher Rat 1486. Es bestimmte, 78
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Jakob Escher/Paul Schweizer (Bearb.): Urkundenbuch von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 6: 1288–1296. Zürich 1905, S. 307 f. Nr. 2340, 08.07.1295. Entgegen Wehrli-Johns: Geschichte (wie Anm. 46), S. 140, enthält die Urkunde aber noch keinen Verzicht auf weiteren Häusererwerb, ein solcher ist aber offenbar tatsächlich unterblieben. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich (wie Anm. 61), S. 116 f. NB IV 12 und 13. Art. 12: Geschech ouch, das dehein der vorgenempten klöster [gemäss Art 11: predier, barfuossen, Augustiner, die vrowen am Otenbach, die vrowen in dem Samnunge von Kostenze, ... noch enhein kloster enheins geistlichen ordens] ald iemanne drinne dur got ald von iemanne zuo sinem kinde ald dehein wis hus, hofstat alde garten gegeben wurde, das sülent si inrunt iare und tage verkoufen ane geverde. Art. 13: Und were das geistliche lüte, die hie genemmet sint, die huser, die hofstette ald die garten, die in ir gewalt komen sint, als hie vor geschriben stat, inrunt iare und tage nit verkauftin ane geverde, so sol der Rat, der danne sitzet, gebunden sin, bi dem eide, das guot in sin gewalt ze nemmende, unz es verkaufet werde ane geverde. Jakob Escher/Paul Schweizer (Bearb.): Urkundenbuch von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 8: 1304–1311. Zürich 1911, S. 157 f., 13.02.1307: nämlich keines unterhalb der Schoffel- und der Trübersgasse. Zürcher Stadtbücher, Bd. 1 (wie Anm. 21), S. 244 [ca. 1374/76] Nr. 42. Kauf in todte Hand. Um der Bilgrin garten und die frouwen in der Samnung. Als die frouwen in der Samung von der Bilgrinen uf dem Bach kouft hant ein teil ir garten hinder der Bilgrinen hus, dar umb ouch die frouwen in der Samung für die raet und die burger kamen und die baten, dz si inen des kouffes
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Hans-Jörg Gilomen dass fürderhin dhein gotzhus, spittal, closter, bruderschaften, noch einich annder geistlichen, innerhalb oder usserthalb unnser landschaft wohnhaftig, dhein ligend gut, höff, zinß, zechenden, herrschaften, twing, bann, geriht, nutz oder ewig güllt in unnser landgeriht oder gebiet gelegen, koufen oder in dhein anndern weg an sich ziehen söllen82.
Die Geistlichkeit erwarb Rentenbezugsrechte nicht nur auf dem Wege der Vergabung. Auch über die Ausstattung von Mönchen und Nonnen beim Klostereintritt kamen solche Rechte in den Besitz von Klöstern. Um zu verhindern, dass die Steuerkraft geschmälert wurde und liegende Güter in den Besitz der Kirche übergingen, wurde verschiedentlich eine andere Ausstattung als mit Leibrenten bei Klostereintritten untersagt.83 Da Leibrenten mit dem Tode der zu ihrem Bezug Berechtigten verfielen, war bei ihnen keine dauerhafte Belastung der Güter zu befürchten. Tatsächlich sind Geistliche und insbesondere Nonnen besonders häufig als Leibrentner nachgewiesen. In Zürich, wo allerdings gemäß Gesetz von 1414 die Ausstattung mit liegenden Gütern beim Klostereintritt noch immer gestattet war, gingen zeitweilig zwei Drittel sämtlicher von der Stadt zu zahlenden Leibrenten an den Klerus.84 Der Erwerb liegender Güter durch Klöster im Erbgang von Nonnen und Mönchen wurde gesetzlich ausgeschlossen, so in Zürich 1368 und erneut 1448.85 Häufiger als Erwerbsverbot und Amortisationsgesetze, welche den Zuwachs kirchlichen Eigentums völlig zu verhindern suchten, wurden von den Städten Ablösungsgesetze erlassen, die in der Regel nur die Möglichkeit der Entschuldung eröffneten, nur selten diese zwingend anordneten. Die Kirche hat sich lange gegen Ablösungsgesetze gewehrt, mit der Begründung, es sei ihr nicht möglich, die Ablösungssummen zu gleich guten Konditionen
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goendin und si dabi liessin beliben; von der ernstlichen bett wegen sich die raet und die burger geeinbert hant, dz si dien vorgenanten frowen in der Samung des kouffes wellent gunnen mit solicher bescheidenheit, dz die Samniger des ersten verkouffen sülent ir eigenschaft der hüser und der garten ze Nümarkt, der eins war Claus von Schafhusen und dz ander Heintzen Pfungen; und all die wile, so si dz nüt getan hant, so sülent si ouch uff dem vorgeseiten garten, den si von der Bilgirinnen koufft hant, enkein wonung haben mit buw noch mit andern sachen. Staatsarchiv Zürich, B II 9, S. 58. So z. B. in Nidwalden 1432, siehe Johann Jakob Blumer: Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien oder der Kantone Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus, Zug und Appenzell, Bd. 1: Das Mittelalter. St. Gallen 1850, S. 457 f. Noch das Stadtrecht von Freiburg i. Br. von 1520 gebietet, Kinder bei Klostereintritt mit Fahrhabe auszusteuern oder mit einem gepürlichen und zimblichen lypgeding. Der Zweck der Anordnung ist hier klar formuliert, indem weiter eine Verzichtserklärung des Klosters für alle Erbschaftsansprüche bis einschließlich des vierten Verwandtschaftsgrades gefordert wird. Nur wenn jemand keine Verwandten bis zu diesem Grad besitzt, darf das Kloster erben. Siehe Freiburger Stadtrecht von 1520, in: Wolfgang Kunkel/Hans Thieme (Hg.): Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte, Bd. 1. Weimar 1936–1938, Teil 1, S. 241–323, III/3, 26, S. 284. Walter Frey: Beiträge zur Finanzgeschichte Zürichs im Mittelalter. Zürich 1910, S. 157. Das Gesetz von 1414 zitiert nach der Abschrift in der Handschrift J 80 der Zürcher Zentralbibliothek bei Weibel: Erbrecht (wie Anm. 21), S. 24. 1368 ebenda, S. 22; 1448 in Zürcher Stadtbücher, Bd. 3 (wie Anm. 20), S. 95 Nr. 93, 08.06.1448: Das geistlich personen in cloestern und in andern hüsern und enden, die weltlich personen nit erbend, och in unser statt nit erben soellend. Aber weltlich priester, die man erbett, die mögend in unser statt wol erben, als das von alter har komen ist.
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anzulegen.86 Angesichts des säkularen Trends sinkender Zinssätze seit dem 14. Jahrhundert war dies völlig zutreffend.87
Grafik 1: Rentsätze der wiederkäufigen Basler Stadtrenten im 15. Jahrhundert. Feine Linien: Höchst- bzw. Niedrigstrentsätze der betreffenden Jahre. Fette Linie: Gewichteter Durchschnittsrentsatz.88
Andererseits hat eine radikale Wendung in der Wucherlehre die Verbreitung des Rechts zur Ablösung zunächst von Rentenzinsen im 15. Jahrhundert ungemein gefördert. In Basel hat der Dominikaner Johannes Mulberg 1410 den damals noch vorherrschenden Standpunkt der kirchlichen Lehre in einer Predigt gegen den Wucher vertreten, dass nämlich Ewigrenten und Leibrenten zulässig seien, ablösbare Renten aber bei Gewinnabsicht als mutuum unter das kanonische Zinsverbot fielen.89 Er unterstrich indessen unter dem Eindruck der gegen ihn vorgebrachten Einwände, er habe nicht behauptet, dass Wiederkaufsverträge, welche unter richtigen Bedingungen abgeschlossen würden, unerlaubt oder wucherisch seien.90 Zwar erscheinen hier die ablösbaren oder in der Diktion der Zeit „wiederkäufigen” Renten 86
Basel, Universitätsbibliothek, O III 9, fol. 48r–94r, Heinricus de Hassia: Epistola de contractibus ad cives Wyennenses, am Schluss. 87 Inkonsequent war es allerdings, dass kirchliche Institutionen selbst ihre Schuldzinsen durchaus abzulösen suchten. Siehe unten bei Anm. 159 f. 88 Grafik aus Hans-Jörg Gilomen: Die städtische Schuld Berns und der Basler Rentenmarkt im 15. Jahrhundert, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 82 (1982), S. 5–64, hier 14. 89 Der Basler Kartäuserprior Johannes Dotzheim († 1418) hat den Einwand gegen Mulbergs Predigt, er vertrete die überholte Position des Heinrich von Gent, und hat Mulbergs Antwort kurz skizziert: Basel, Universitätsbibliothek, Ms. C V 36, fol. 78v: Anno domini Mccccx vel circa venerabili domino fratri Johanni Mulberg de ordine predicatorum famoso et egregio predicatori, qui sua predicatione multum fructum fecit in populo pro tunc predicante in Basilea civitate, obiectus fuit ei iste articulus, quia ipsum predicavit, scilicet quod omnis contractus reemptionum sit usurarius et illicitus et quidquid ultra sortem recipitur sit usura. 90 Zum Ganzen siehe Gilomen: Kirchliche Theorie (wie Anm. 36).
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als einzige unter Wucherverdacht, aber dieser ist, wie Mulbergs vorsichtige Distanzierung erkennbar macht, bereits aufgeweicht. In der Kartäuserhandschrift, welche über den Konflikt berichtet, wird in einer rührenden und zugleich spitzfindigen Sprachmischung ausgeführt: Redemptio widerloesig/abloesig ist alwege wuocher. Sed reemptio wiederkouf aliud est, quia in una via ist es gottlicher den ewig guot, si fiat recte.91 Der Schreiber wollte damit die verbreitete kanonistische Ansicht ausdrücken, dass sich bei Wiederkaufsrenten keine Bedenken erhöben, wenn ein echter Kauf und ein echter Rückkauf vorlägen, wenn also das Geschäft kanonistisch unter den titulus emptionis et venditionis und nicht unter den titulus mutui falle. Es kündigt sich damit indessen eine völlige Umkehrung des Wucherverdachts an, wie sie dann durch die Bulle Regimini universalis Papst Martins V. vom 2. Juli 1425 vom höchsten Lehramt der Kirche endgültig vollzogen wurde.92 Der Papst stellte darin fest, auf Immobilien fundierte Renten zum üblichen Preis mit freiem Wiederkaufsrecht des Verkäufers seien nicht wucherisch.93 Mit dieser Bulle ist die wiederkaufsfeindliche kanonistische Position unhaltbar geworden.94 Im Gegensatz 91
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Basel, Universitätsbibliothek, C V 36, fol. 78v. Die Unterscheidung von reemere (reemptio) und redimere (redemptio) scheint einer künstlichen Distinktionsleistung der Theoretiker zu entspringen. Redempcio seu reempcio etwa belegt im Mecklenburgischen Urkundenbuch, Bd. 6. Schwerin 1870, S. 589–591 Nr. 4255, 25.01.1321; reemere seu redimere ebenda, Bd. 7. Schwerin 1872, S. 591 f. Nr. 4951, 22.07.1328, Bd. 8. Schwerin 1873, S. 8–10 Nr. 5017, 17.01.1329, Bd. 9. Schwerin 1875, S. 196 f. Nr. 5969, 21.06.1339. Indessen ist auf die Urkunde Heinrichs von Mecklenburg vom 22.11.1318 hinzuweisen, wo es heißt: Redditus quoque expositos et impignoratos prenominati milites, pueri et eorum heredes reemere seu verius redimere potuerunt. Ebenda, Bd. 6, S. 387–390 Nr. 4025. Ich beschränke die Nachweise auf das Mecklenburgische Urkundenbuch, weil sie dort über die ausgezeichneten Register leicht erreichbar sind. Basel, Universitätsbibliothek, C V 36, fol. 80v–81v. Extravagantes communes, lib. III, tit. 5, c. 1. Die Bulle wurde 1455 durch Papst Calixt III. – an die Bischöfe von Magdeburg, Naumburg und Halberstadt gerichtet – wiederholt mit Bezug auf die Praxis des Rentenkaufs in diversis Alemaniae partibus. Extravagantes communes, lib. III, tit. 5, c. 2 (Friedberg 2, 1271 f.). Ebenda: Pro qualibet marca annui census X, XI, XIII, XIV marcae, aut plus vel minus, secundum temporis qualitatem, prout ipsi contrahentes tunc inter se convenerant. Es ist wohl nicht richtig, wie überall zu lesen, Martin habe nur Renten zum Preis von 10 bis 14 Mark für eine Mark erlaubt. Aut plus vel minus braucht nicht zu bedeuten „mehr oder weniger innerhalb der angegebenen Grenzen“, sondern es kann sehr wohl eine Überschreitung dieser Grenzen meinen. Siehe Paul Ourliac: La théorie canonique des rentes au XVe siècle, in: Études historiques à la mémoire de Noel Didier. Paris 1960, S. 231–243, 241. Die Bulle ist in viele Handschriften aufgenommen worden, weil sie als allgemeingültige Entscheidung der Frage der Erlaubtheit des Rentenkaufs galt. In österreichischen Handschriften trägt sie häufig den Titel: Bulla Martini papae V, quod contractus burgenses vulgariter burgrecht nuncupati, sunt liciti. Siehe Adolf Bruder: Studien über die Finanzpolitik Herzog Rudolfs IV. von Österreich. Innsbruck 1886, S. 95. Als erste lehramtliche Entscheidung der Kirche über die Erlaubtheit der Wiederkaufsrenten ist ein Beschluss einer polnischen Provinzialsynode von Wielun und Kalisz 1420, also schon vor der päpstlichen Entscheidung zu betrachten: Declaramus, quod reemptionis contractus censeri debeat licitus, dum et quando sicut in emcione, ita et in reempcione empte rei precium adequatur vel modicum plus ascendat, dummodo census constitutus sit in re fructifera, utputa domo, agro, villa, silva, lacu et similibus, et periculo subiaceat emptoris, potestasque reemendi remaneat libera apud primum venditorem et non emptorem. Bogdan Lesinski: Les
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zur früheren Lehre gerieten nun die Ewigrenten unter Wucherverdacht.95 Das Recht des Wiederkaufs, also der Ablösung, erschien immer mehr als notwendige Voraussetzung für wucherrechtliche Unbedenklichkeit. Damit hatte aber die Entwicklung des kanonischen Rechts in dieser Frage den Ablösungsgesetzen auch eine kirchliche Grundlage verliehen. Das Ablösungsrecht des Schuldners erschien immer mehr als von der Vertragsgerechtigkeit her geboten. Zwar gehen städtische Ablösungsgesetze im Reich bis vor die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Die Ablösungsgesetze des 13. Jahrhunderts lassen indessen eine weitgehende Schonung der Einkünfte der Geistlichkeit erkennen. Oft ging es um situations- und zweckgebundene Sondermaßnahmen, etwa zur Erleichterung des Wiederaufbaus nach einem Brand.96 Erst im 14. und vor allem im 15. Jahr-
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rentes comme instrument de crédit dans la Pologne médiévale, in: Studia Historiae Oeconomicae 3 (1968/1969), S. 47–61, hier 50. Obwohl die Frage mit der päpstlichen Bulle eigentlich erledigt war, tauchten indessen immer wieder Zweifel auf. Schon 1430 bestätigte der Heidelberger Gelehrte Job Vener in einem Gutachten, um welches der Basler Dominikanerprior Johannes Nider nachgesucht hatte, dass durch die päpstliche Bulle die Frage der wucherrechtlichen Unbedenklichkeit der Wiederkaufsrenten entschieden sei. Das Gutachten ist gedruckt bei Hermann Heimpel: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447, 3 Bde. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 52). Göttingen 1982, S. 1367 f. Nr. 34/I. Die Stadt Straßburg ließ noch 1465 ein Gutachten durch drei Juristen über die Zulässigkeit des Rentenkaufs mit Kündigungsrecht des Rentschuldners ausstellen, das bejahend erteilt wurde. Siehe Benedictus von Stempell: Die ewigen Renten und ihre Ablösung. Leipzig 1910, S. 65. Gleichfalls in den 1460er Jahren forderte die Stadt Straubing in Niederbayern bei Wilhelmus de Werdena, Professor in Ingolstadt, dem römischen Kurienadvokaten Antonio de Cafarelli und dem römischen Konsistorialadvokaten Joachim de Nervia ein Gutachten über dieselbe Frage an. Es erklärte Rentenverkäufe unter dem Vorbehalt des Wiederkaufes für gültig. Siehe Eduard Rosenthal: Beiträge zur Deutschen Stadtrechtsgeschichte, Heft 1/2: Zur Rechtsgeschichte der Städte Landshut und Straubing. Würzburg 1883, S. 298 f. Als die Stadt Winterthur am 24.07.1449 eine Rente an Ludwig Efinger von Brugg verkaufte, wurden verschiedene Einwendungen oder Entwicklungen, welche die Gültigkeit des Vertrags hätten in Frage stellen können, ausgeschlossen, darunter: ob ein gemein concilium semlich koeuffe widerrueffen und abtun wurde. Stadtarchiv Winterthur, Urkunde Nr. 889. Der vorsichtige Martin Granter, Cluniazenserprior in Saint-Morand zu Altkirch, hat noch 1469 mit der Möglichkeit gerechnet, der Wiederkauf oder überhaupt der Rentenkauf könnten verboten werden, und ließ sich deshalb bei Vertragsabschluss bestätigen: Were ouch sach, dass der wiederkauf, ablosunge, zins zu gebende verbotten, widerruft vnd abgeton wurdent von bebsten, keyseren, konigen, cardinalen, von bischöfen, von lantvögten, oder von wem dy beschehe […], so solle das ihm keinen Schaden bringen. Joseph Trouillat: Monuments de l’ancien évêché de Bâle, Bd. 5. Porrentruy 1867, S. 844 f., 28.01.1469. Siehe schon Wilhelm Endemann: Studien in der romanistisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, Bd. 2. Berlin 1883, S. 140, zur Datierung des Umschwungs. Eine eingehende moderne Untersuchung über die zahlreichen einschlägigen kanonistischen Traktate des 15. Jahrhunderts, wie sie Winfried Trusen (Spätmittelalteriche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik. Dargestellt an Wiener Gutachten des 14. Jahrhunderts [Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 43]. Wiesbaden 1961] für die Wiener Gutachten geleistet hat, fehlt noch. Nach einem Stadtbrand wurden 1240 in Lübeck künftige Renten (wicbelde ghelt) und neue wie alte Grundzinsen (wortinse) für ablösbar erklärt: Johann Friedrich Hach (Hg.): Das alte Lübische Recht. Lübeck 1839, S. 310 Nr. CXXV, CXXVI, CXXVII, siehe auch S. 455 Nr. CCXXIX. Bloß Varianten in der Graphie bietet die Neuausgabe Gustav Korlén (Hg.): Norddeutsche
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hundert wurde eine große Anzahl stadtrechtlicher Ablösungsgesetze erlassen, die nun auch ganz besonders den kirchlichen Besitz im Auge hatten. Es lässt sich dabei in einzelnen Städten eine allmählich ausgreifende, geradezu systematische Politik mit differenzierten Motivationen erkennen, wie ich am Beispiel der Stadt Freiburg im Uechtland darlegen möchte. Am 16. Dezember 1397 beschloss hier der Rat, dass zum gemeinen Nutzen der Stadt und der Gemeinde alle Renten, welche künftig von liegenden Gütern innerhalb der Stadt und ihres Bannes zum Seelenheil an Geistliche, Kirchen, Priester, Spitäler und Bruderschaften geschenkt würden, durch die Erben der Liegenschaften abgelöst werden dürften und sollten, um die Güter wieder zu entlasten.97 Die kirchlichen Institutionen wurden angewiesen, die Ablösungssummen auf Zinse aus anderen Gütern anzulegen.98 Der Hauptzweck dieser Maßnahme lag darin, eine weitere Belastung der städtischen Liegenschaften zugunsten der Geistlichkeit zu verhindern. Das ergibt sich deutlich aus dem obligatorischen Charakter der Ablösung und aus der Intention, neue Lasten von den städtischen auf andere – und das heißt auf ländliche – Liegenschaften abzuwälzen. Der Wille des Testators wurde respektiert, die Integrität des Familienbesitzes durch das Ablösungsrecht insbesondere der Verwandten geschützt, die Zunahme der kirchlichen Einkünfte nicht behindert, die dadurch entstehende Belastung aber aufs Land abgeschoben. Dieselbe egoistische Politik der Städte, Belastungen der Immobilien zugunsten der Kirche aufs Land abzuschieben, begegnet auch anderswo. Der Rat von Bern erklärte die Seelgeräte der Kirchen 1422 für ablösbar; damit aber dem Patron der Stadtkirche St. Vinzenz, vnsrem lieben heiligen hußherren vnd ouch den selen das selgeraete ersetzett moege werden, sollten die Ablösesummen in Ewigzinsen von Landgütern angelegt werden.99 Wo die Städte die Errichtung von Stiftungen zugunsten der Kirchen auch auf dem Land einschränkten, ging es einzig darum, durch die Eindämmung der Überschuldung die Zinse an Lehn- und Pachtherren sicherzustellen. Dies ist klar in einer Verordnung Berns von 1439 formuliert.100 Bereits bestehende Ewigrenten fielen nicht in den Geltungsbereich des Freiburger Ratsbeschlusses, der also nicht als Ablösungsgesetz im engeren Sinne, sondern als Verbot neuer Ewigrenten an die Geistlichkeit zu interpretieren ist. Der Fortgang der Freiburger Ablösungsgesetzgebung ist erhellend. Am 29. Dezember 1410 erfolgte eine neue Regelung. Der Geltungsbereich des früheren Erlasses wurde nun auch auf ländliche Liegenschaften ausgedehnt, aber nur soweit, als sie innerhalb der Freiburger Herrschaft lagen, mit der Begründung, es sei vernünftig, diese Güter gleich zu behandeln wie diejenigen innerhalb der Stadt, denn die Einwohner in Stadtrechte, Bd. 2: Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von Lübeck nach seinen ältesten Formen (Lunder Germanistische Forschungen 23). Lund/Kopenhagen 1951, S. 140 f. Nr. 197– 199. 97 Recueil diplomatique du Canton de Fribourg, Bd. 5. Fribourg 1853, S. 117 f. Nr. CCCXXV: Por lo communel profit et vicessiteiz de noutre ville et communiteiz. 98 Ebenda, S. 117 f.: En telles condition adjestee que in facent lo rachet cil qui recevront largent soent intenuz de affetteir lo dit cens et aumonne autre part sus autre possession. 99 Rechtsquellen des Kantons Bern (wie Anm. 38), S. 133 f. Nr. 213, August 1422. 100 Ebenda, S. 129 f. Nr. 209, 09.11.1439.
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Stadt und Land müssten gleichermaßen Gutes und Schlechtes mit der Stadt erleiden und die Ehre von Stadt und Herrschaft verteidigen. Der Beitrag der Güter in Stadt und Land an die Lasten des Gemeinwesens wurde also herausgestrichen. Erneuert wurde auch die Vorschrift, Ablösungssummen an Zins auf andere Güter zu legen, nun musste es sich aber um weiter entfernte Landgüter handeln.101 An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass sich die Landgebiete gegen solche städtische Kapitalanlagen zunehmend zur Wehr setzten. Zürichs Eidgenossen von Schwyz, Zug und Glarus verboten es 1412, Güter und Renten an Auswärtige zu verkaufen.102 Das Verbot richtete sich klar gegen Zürich, dessen Rat mit einem gleichartigen Verbot in seinem Gebiet darauf reagierte.103 Einen völlig neuen Ton schlägt die Begründung des Ratsbeschlusses vom 21. Januar 1420 an.104 In Erwägung des Zustandes der Stadt und dessen, dass viele Leute entmutigt seien, ihre Häuser in gutem Bau zu halten, dass viele Häuser deshalb zerfielen, weil sie mit Ewigrenten ohne Wiederkaufsrecht belastet seien,105 habe man angeordnet, dass alle, auch die alten, längst bestehenden Zinse und Renten von Gütern innerhalb der Stadtmauern abgelöst werden dürften.106 Ausgenommen wurde einzig die von den Häusern jährlich dem Stadtherrn zu zahlende Abgabe107 sowie die seit alters an die Pfarrkirche St.-Nicolas geschuldeten Zinse.108 Die Pfarrkirche wurde hier also ebenso wie in Bern privilegiert. Wo sich die Ablösungssumme den alten Verträgen und Aufzeichnungen nicht entnehmen lasse, sei der Satz 1 zu 24 anzuwenden.109 Bei den übrigen sollte die Ablösungssumme of101 Recueil diplomatique du Canton de Fribourg, Bd. 6. Fribourg 1860, S. 175–177 Nr. CCCCXXVI. 102 Eugen Gruber (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Zug, Bd. 1: Grund- und Territorialherren, Stadt und Amt. Aarau 1971, S. 230, 12.03.1412: Ammann, Rat und Bürger der Stadt Zug, die Talleute von Aegeri, die Gemeinde am Berg und die Gemeinde Baar vereinbaren, das nieman under uns kein ligend guot, erb noch eygen, holtz noch veld, matten wisen oder weide, phenninggelt, korngelt, kernengelt, habergult oder guldin geltz, noch kein gult, kein guot, wie daz genant, geheißen ist, huser, hofstette, daz in unserm ampt Zug gelegen und begriffen ist, nit verkoffen, versetzen, verphenden sol in kein leyg wis und das nieman geben sol, der nit in unserm ampt Zug gesessen ist. 103 Heinrich Zeller-Werdmüller (Hg.): Die Zürcher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 2. Leipzig 1901, S. 5–6 Nr. 5, 16.07.1412; auch in: Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 1. Luzern 1874, S. 132 Nr. 292. 104 Recueil diplomatique du Canton de Fribourg, Bd. 7. Fribourg 1863, S. 80–83 Nr. CCCCLXIV: Ordunance por rembre et rachta tottes censes anciannes dou temps passa jusque orendroit dehues sus quelle maison ou chesaul ou curtil ou possession quelle que cen soit didant les murallies et murs de la ville de Fribor. 105 Ebenda: Considera et regarder lestat de la ville et coment auconnes gens et plusours sont descoragie de maisonar et mantenir en bon estat lour maisen en tant que auconnes maison sont in chimin de derochie et cheir a terre, et cen a cause de auconne censes perpetueles asises et dehues sain rachat sus telles possession. 106 Ebenda: Tottes censes, rendes, ou charges censaul quelle que elle soent, per quelle magniere que elle soent appalee ou nommee […] didant les murs et murallies de la ville de Fribor. 107 Ebenda: Et in cy fait exepta les teyses dehues ou segnour de Fribor. 108 Ebenda: Excepta in cy fait et preservaz les censes anciannes dehues a legliese de Sain Nycolai. 109 Ebenda: Que cillour deis quelles aucon rachet non est ou trovar non se pout, que cillour et un chascon de cillour quel qui saont et qui seront, qui possidessont, tiegniont et possideront cillour possession et tendront, poissent et porront perpetuelmant rembre quant lour voudront et
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fenbar dem ursprünglichen Kaufpreis entsprechen. Der Rückkauf durfte jederzeit erfolgen, aber es musste die ganze Summe aufs Mal bezahlt werden.110 Ergänzt wurde dieser Ratsbeschluss durch einen zweiten, der künftige Konstitutionen von Renten ohne Wiederkaufsklausel von städtischen Liegenschaften rundweg verbot.111 Der Rückkauf sollte zum Preis der Hauptsumme, also dem ursprünglichen Kaufpreis erfolgen.112 Da inzwischen der Rentsatz von 5% sich in Freiburg völlig durchgesetzt hatte, wurde diese Bestimmung dahingehend erläutert, der Satz betrage 1 zu 20. Zu diesem Satz seien auch Naturalrenten umgerechnet in Geld ablösbar.113 Der oben erwähnte, für die Schuldner ungünstigere Satz von 1 zu 24 sollte also nur für alte Zinse Geltung haben. Innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten hat der Freiburger Stadtrat die früheste und umfassendste Ablösungsgesetzgebung im Gebiete der heutigen Schweiz durchgeführt, der im städtischen Bereich mit Ausnahme der Maßnahmen des erst später nachziehenden Basler Rats nichts an die Seite gestellt werden kann. Am 7. Juli 1401 verbot der Basler Rat Vermächtnisse und Schenkungen mit Ausnahme der Seelgerätstiftungen im herkömmlichen Rahmen. Es sollte dadurch sichergestellt werden, daz die rechten erben nuit enterbet werdent und inen volge, daz inen bilichen und durch recht werden sol114. Die Maßnahme richtete sich vor allem gegen die dauernde Belastung der Güter mit vergabten Renten, denn Schenkungen von Bargeld blieben erlaubt. Ebenfalls weiterhin gestattet war die Wiedergutmachung durch letztwillige Verfügung für begangene Übervorteilung (Wucher) oder gar für Diebstahl, jedoch nur an die Benachteiligten selbst, also daz es cloestern, beginen noch andern, den es nuit zuogehoert, nuit geben werde, denne mit der rechten erben wille. Nach kanonischem Recht war usura certa an die Geschädigten
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lour vendra de aise telles censes ou charges ensi dehues et trovaes dehues, nommement chascon dix denier de cens por vint solz laus. monnee. Ebenda: In chascon jor de lan … la somme totte ensemble … paeint la rate dou cens soresisuz en celluy anz, ou quel ly rachet sa faret, a la rate dou temps et la faczon deis lettres originaul faites sus telles censes. Ebenda: Que dixorevant perpetuelmant auconne persone […] non porra et non devraz assignaz, assetaz, vendre, cedir, mettre, ou donar, ou per aultre magniere que cen soit mettre sus auconne maison, chesaul, curtil, ou possession […] didant les mur et murallies de la ville de Fribor, aucons cens, auconna renda, auconna charge annuaul ou censaul, forque per condicion et per priviliege et franchis de perpetuel rachet. Auch hier scheint die Pfarrkirche St.-Nicolas ausgenommen worden zu sein, wenn dies auch im Ratsbeschluss nicht erwähnt wird. Jedenfalls hat am 05.06.1437 Jehan de Marly dem Pfarrer und den Kaplänen dieser Kirche eine Ewigrente ohne Rückkaufsvorbehalt von seinem Haus in Freiburg verkauft. Recueil diplomatique du Canton de Fribourg, Bd. 8. Fribourg 1877, S. 101 f. Nr. DLXXVII. Recueil diplomatique du Canton de Fribourg, Bd. 7 (wie Anm. 104), S. 80–83 Nr. CCCCLXIV: Por sa intiere somme de principaul se puisse et dege rembre de celluy et de cellour ou quel et eis quels telle cens ou charge censaul se devreit. Ebenda: C’est a savoir chascon xij d. de cens ou autre charge censaul deveir a taxa a causa dargent chascon xij d. censa por vint solz los. monee corsaul in Fribor? Der Rentsatz von 5 % lässt sich in Freiburg erstmals 1341 belegen. Er wurde allmählich vorherrschend. Siehe Emil Franz Josef Müller-Büchi: Geldleihe im mittelalterlichen Freiburg i. Ue. Ein Beitrag zur Geschichte der Zinsfrage, des Wucherer- und des Hehlerrechtes, in: Festgabe für Wilhelm Schönenberger. Freiburg/Schweiz 1968, S. 69–89, hier 82. Rechtsquellen von Basel Stadt und Land, Bd. 1. Basel 1865, S. 78 Nr. 69.
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zu restituieren, usura incerta an die Kirche zugunsten der Armen.115 Scharf gegen das Verhalten von Klerikern richtete sich dann ein Erlass vom 25. September 1402. Es sei dem Rat geklagt worden, dass etliche Bürger auf dem Todbett ohne Wissen ihrer nächsten Erben Geistlichen ihr Gut vermacht hätten. Nach deren Tod seien die Geistlichen mit Gewalt in die Häuser der Verstorbenen eingedrungen, hätten die Truhen aufgetan und, was sie darin fanden, weggetragen, alles ohne Wissen und Willen der Erben. Künftig sollten sie abwarten, bis die Erben in die Güter eingesetzt seien und dann ihre Ansprüche vor dem Schultheißengericht geltend machen.116 Auch hier zeigt sich, dass in der Wahrnehmung des Rates das Verhalten der Geistlichkeit Gegenmaßnahmen geradezu provozierte. Erbschleicherei des Klerus wurde auch in anderen Städten bekämpft. Eine Ratserkanntnis in Zürich hat es 1485 gänzlich untersagt, erst auf dem Todbett Klöstern, Geistlichen und Spitälern Gottesgaben zuzuwenden. Sollte ein Sterbender dies dennoch tun, seien fründ und erben nit schuldig […] sölichs ußzurichten und zu geben117. Zum Teil durch Reliquienkult und Ablässe regelrecht inszenierte religiöse Moden und mehr oder weniger sanfter Druck bis hin zu offenen Drohungen sorgten dafür, dass die Kirche in den Testamenten nicht vergessen wurde.118 Die letztwilligen Vergabungen an die Kirche sind zum Teil sicher unter Druck erfolgt: Bekanntlich wurde in manchen Gebieten untestiert Verstorbenen aus sehr durchsichtigen Gründen sogar das kirchliche Begräbnis verweigert.119 Zu rechnen ist aber auch mit einem „kurrikulären“ Sinnes- und Interessenswandel. Erben eines Sterbenden wandten sich gegen Vergabungen an die Kirche, schlug ihnen selbst dann die letzte Stunde, erschien ihnen die Sorge um das eigene Seelenheil hingegen dringender als die Ansprüche ihrer Erben. Vielfach reagierten die städtischen Be115 Benjamin Nelson: The Usurer and the Merchant Prince: Italian Businessmen and the Ecclesiastical Law of Restitution, 1100–1550, in: Supplement to The Journal of Economic History 7 (1947), S. 104–122, hier 110: „The ‘poor’ designated by the legislation as the proper beneficiaries of incerta, came generally to be identified as ecclesiastical, especially monastic, foundations.” Meines Erachtens ging es bei diesem Passus der Basler Bestimmungen nur um die Restitution. Siehe dagegen Signori: Vorsorgen (wie Anm. 77), S. 13. 116 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 80 f. Nr. 74. Das Problem der formlosen Behändigung von Stücken aus dem Nachlass stellte sich nicht nur bezüglich der Geistlichkeit. In Zürich wurde es 1382 verboten, aus dem Haus eines Sterbenden oder eben Verstorbenen Fahrhabe wegzuschaffen, als untz her dik und vil geschehen sei. Zitiert bei Weibel: Erbrecht (wie Anm. 21), S. 28, nach Handschrift J 80 der Zürcher Zentralbibliothek. 117 Staatsarchiv Zürich, B II 7, S. 66; Weibel: Erbrecht (wie Anm. 21), S. 65. 118 Siehe z. B. Walther Merz (Bearb.): Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Bd. 5: Das Stadtrecht von Zofingen. Aarau 1914, S. 47 Nr. 23, 31.03.1317: Exekutorenmandat des Bischofs Gerhard von Konstanz an die Pfarrer von Reiden und Altishofen: Mandamus quatenus ad oppidum Zovingensem personaliter accedentes omnibus incolis et habitatoribus eiusdem loci sub pena excommunicationis arcius iniungatis, vt ad minus quartam partem huiusmodi legatorum reseruent ecclesie parrochiali. 119 Die Interpretation, dass Untestierte deshalb nicht kirchlich bestattet worden seien, weil das Testament gewöhnlich bei der letzten Beichte aufgesetzt wurde, wie Bernhard Schimmelpfennig im Lexikon des Mittelalters 1 (1980), Art. Begräbnis, Sp. 1808, meint, ist meines Erachtens eine Beschönigung. Man hätte ja dann ohne weiteres direkt auf die letzte Beichte abstellen können.
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hörden auf die Klagen gegen den Klerus wegen Erbschleicherei mit der Vorschrift, dass Testamente der Beurkundung oder Besiegelung durch die Stadt bedürften.120 In Zürich bestimmte ein Gesetz 1377, Urkunden über gemecht, umb geltschuld, umb köif oder umb ander sachen dürften bei einer sehr hohen Buße von 10 Mark Silber nicht vor einem öffentlichen Schreiber, sondern nur vor dem Rat, den städtischen Gerichten oder dem Lehenherren erstellt werden. Begründet wurde dies damit, Sterbende hätten öffentliche Schreiber zu sich gerufen und dann zum Nachteil ihrer Verwandten verfügt. 1424 machte hier der Rat durch eine Verordnung die Gültigkeit aller letztwilligen Verfügungen, auch jener der Geistlichkeit, von seiner Genehmigung abhängig.121 Eine klare Verbindung zum Schutz der gesetzlichen Erben gegen Vergabungen an die Kirche stellte der Basler Rat in seinem Erlass von 1386 her, durch den Verfügungen für nichtig erklärt wurden, die nicht vor dem Schultheißengericht getroffen worden waren. Als Begründung führte der Rat an, es würden häufig Eigen- und Erbgüter ohne Wissen der gesetzlichen Erben an Klöster, Geistliche und Laien letztwillig vergabt.122 Der Anordnung erwuchs lang anhaltender Widerstand der Geistlichkeit: Die Bischöfe verteidigten die konkurrierende Kompetenz des Offizialatsgerichts im Bereich letztwilliger Verfügungen zäh.123 Zuweilen wurde die Einflussnahme bestimmter Ordensangehöriger auf die Testatoren verboten. In Basel wurde noch durch Erlass vom 16. Juni 1516 jede Abänderung letztwilliger Verfügungen vor den Beichtvätern verboten.124 Auch in der Geistlichkeit selbst kam es schon früh darüber zu scharfen Konflikten. 1254 beauftragte Papst Innozenz IV. den Basler Bischof, die Leutpriester vor Eingriffen in die Parochierechte durch Ordensgeistliche – zweifellos sind die Minoriten gemeint – zu schützen. Die Leutpriester hatten darüber geklagt, die Pfarreiangehörigen würden zur Beichte und zum Gottesdienst von den Parochialkirchen weggelockt, zur Wahl des Begräbnisses bei Ordenskirchen angehalten, ihre Testamente so aufgesetzt, dass die Parochialkirchen um die Portio canonica geprellt würden: Ceterum adiecerunt iidem plebani, quod, si parrochianorum suorum contingat in egritudinis lectum quemquam decidere, statim confluunt religiosi predicti et plerumque infirmum invitatione preventa sub pietatis specie visitantes ipsius testamentum componunt et ordinant magno tandem ascribentes muneri, si executores mereantur ipsius fieri testameti. Quid plura? Blandis ipsorum infirmus illectus sermonibus, omissis avitis et paternis sepulchris apud eos eligens sepeliri ampla ipsis, predictis vero ecclesiis nulla vel modica legata largitur, ut ex huiusmodi legatis prefati plebani non possint ab eis canonicam exigere portionem, interdum ipsa, ut cre-
120 Beispiele bei Wilhelm Kahl: Die deutschen Amortisationsgesetze. Tübingen 1879, S. 46–48, Anm. 68. 121 Weibel: Erbrecht (wie Anm. 21), S. 23 und 64. 122 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 42 f. Nr. 39, 24.09.1386. Allerdings kamen (wahrscheinlich erst später) sogenannte „beschlossene”, d. h. verschlossene Testamente und Vermächtnisse vor, welche nicht öffentlich vor dem Schultheißengericht aufgerichtet worden waren. Diese wurden 1520 formell verboten: Ebenda, S. 255 Nr. 242, 18.01.1520; siehe dazu Signori: Vorsorgen (wie Anm. 77), S. 54–56. 123 Siehe dazu Signori: Vorsorgen (wie Anm. 77), S. 14–17. 124 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 252 Nr. 233, 16.06.1516.
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ditur, non sine fraudis comento ad fabricam et perpetuum divinum cultum suarum ecclesiarum relinqui procurant.125
Die überall ausgetragenen endlosen, oft hasserfüllten Streitigkeiten um die finanziellen Aspekte der Pfarreirechte, insbesondere um die Begräbnisrechte, haben mit Sicherheit zum Bild klerikaler Geldgier beigetragen.126 Das Problem blieb bis zur Reformation aktuell. Literarisch hat die ätzende polemische Satire des Erasmus Zweierlei Totenbett in den Vertrauten Gesprächen das Thema der um den Nachlass des Sterbenden balgenden Mönche der Bettelorden vom katholischen Standpunkt aus meisterhaft gestaltet.127 Von der evangelischen Seite ist das Theaterstück des Berners Niclaus Manuel Die Totenfresser von 1523 zu nennen, in dessen erster Szene verschiedene Geistliche anlässlich eines Leichenbegängnisses über die Abnahme ihrer Einkünfte aufgrund der evangelischen Aufbruchstimmung klagen.128 Derselbe Stoff ist auch von dem Basler Pamphilus Gengenbach unter demselben Titel behandelt worden.129 Es kann hier selbstverständlich nicht um die Frage gehen, ob das Misstrauen, das dem Klerus in dieser Frage entgegengebracht wurde, wirklich begründet war.130 Für unser Thema ist einzig wesentlich, dass die obrigkeitlichen Maßnahmen gegen die letztwillige Begünstigung der Kirche gelenkt waren von der Wahrnehmung und negativen Beurteilung des kirchlichen Reichtums und seiner Vermehrung. 125 Rudolf Wackernagel/Rudolf Thommen (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 1. Basel 1890, S. 196–198 Nr. 221, 10.5.1254. Zu den Streitigkeiten um die Pfarreirechte siehe Georg Boner: Das Predigerkloster in Basel von der Gründung bis zur Klosterreform 1233–1429, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 33 (1934), S.195–303; 34 (1935), S. 107–259, hier 33 (1934), S. 292–302; Clément Schmitt: Le conflit des Franciscains avec le clergé séculier à Bâle sous l’évêque Gérard de Wippingen (1318–1324), in: Archivum Franciscanum Historicum 54 (1961), S. 216–225; Beat Matthias von Scarpatetti: Die Kirche und das Augustiner-Chorherrenstift St. Leonhard in Basel (11./12. Jh.–1525) (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 131). Basel/Stuttgart 1974, S. 126–130; Hans-Jörg Gilomen: St. Alban in Basel, in: Helvetia Sacra III, 2: Die Cluniazenser in der Schweiz, redigiert von dems. Basel/ Frankfurt am Main 1991, S. 147–229, hier 180, 183–185, 187, 190, 192 f., 198, 200, 203, 214, 222. 126 Allgemein siehe Camillus Paulus: Welt- und Ordensklerus beim Ausgang des XIII. Jahrhunderts im Kampf um die Pfarrechte. Göttingen 1899, Essen 1900. In Basel, wie auch anderswo, kam es 1321 sogar zum „Kampf um eine Leiche” zwischen den Barfüßern und dem Stift St. Leonhard; siehe dazu Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel, 2 Bde. in 3 Teilen. Basel 1907–1916, Bd. 1, S. 235. Siehe allgemein auch Georg Schreiber: Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert (Kirchenrechtliche Abhandlungen 65–68). Stuttgart 1910, hier Bd. 2, S. 135: „Kämpfe um die Leiche”. 127 Desiderius Erasmus Roterodamus: XLI. Funus, in: Ders.: Colloquia familiaria, Bd. 2. Lipsiae 1829, S. 54–73. Erasmus von Rotterdam: Zweierlei Totenbett, in: Vertraute Gespräche. Übertragen von Hubert Schiel. Köln 1947, S. 152–175. 128 Ferdinand Vetter (Hg.): Niklaus Manuels Spiel evangelischer Freiheit. Die Totenfresser. Vom Papst und seiner Priesterschaft. 1523 (Die Schweiz im deutschen Geistesleben 16). Leipzig 1923. 129 Pamphilus Gengenbach: Die Totenfresser, in: Karl Goedeke (Hg.): Pamphilus Gengenbach. Hannover 1856, S. 153–159. 130 Siehe Signori: Vorsorgen (wie Anm. 77), S. 17: „Ob das gegenseitige Misstrauen wirklich begründet war, wage ich zu bezweifeln.“
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Das erste überlieferte Ablösungsgesetz ist in Basel erst um 1450 und zunächst nur in der Form eines Verbots künftiger Ewigrenten erlassen worden,131 in jenen Jahren also, da die Stadt die Folgen der St.-Jakober-Kriege finanziell noch nicht verkraftet hatte, in denen nach Abschluss des Konzils überdies ein Rückgang der Wohnbevölkerung das überrissene Mietzinsniveau zusammenbrechen ließ und ein empfindlicher wirtschaftlicher Rückschlag hingenommen werden musste.132 Der Rat begründete seine Massnahme mit der Erwägung, das die ligende guetere, es sien hoefe, huisere und hofstetten, garten, wingarten, acker und matten, zuo beden stetten merren und minren Basel und ußwendig den stetten in twingen und bennen daselbz gelegen, swerlich mit zinsen beladen sint, und hant besorget, soelten soeliche ligende guetere noch me und fuirer beladen und beswert werden, das dadurch hoefe, huisere und hofstette, wingarten, reben, garten, acker und matten in den stetten und davor den langen wege wueste werden und villicht ungebuwen ligen muestent.
Es wurde deshalb verboten, künftig auf solche Güter Renten ohne Wiederkaufsklausel zu schlagen, sei es durch Verkauf, Schenkung oder Vermächtnis.133 Der Ablösungssatz wurde mit 1 zu 20 vorgeschrieben,134 Zuwiderhandelnden eine Buße in der Höhe des Preises der bestellten Rente angedroht.135 Die Anordnung scheint allmählich in Vergessenheit geraten zu sein. Erst 1481 beschlossen die Basler Dreizehner erneut, das hinfuir keiner sin ligende gütter mit ewigen zinsen beladen sölle, noch jorzitt noch selgerät daruff schlachen.136 Das erste umfassende Ablösungsgesetz hat Basel erst 1488 durch kaiserliches Privileg von Friedrich III. erlangt.137 Danach durften alle bestehenden und künftigen Renten von Liegenschaften in der Stadt abgelöst werden.138 Erstaunlich ist das hier gegebene Ablösungsverhältnis, das in zwei verschiedenen Währungen aus131 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 140 f. Nr. 143 l. 132 Die Wohnbevölkerung, welche 1446 noch 10.000 bis 11.000 Seelen betragen hatte, sank bis 1454 auf etwa 8.000 ab. Siehe Hektor Ammann: Die Bevölkerung von Stadt und Landschaft Basel am Ausgang des Mittelalters, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 49 (1950), S. 25–52. 133 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 140 f. Nr. 143 I.: Das nyemant der iren, er sie edel oder unedel, nu hinnantin dehein guilte uf soelich vorgemelte sin ligende guot slahen oder daruf vergaben noch vermachen solle denne mit gnade eins widerkoufs. 134 Ebenda: Ein guldin geltz mit zweinzig guldin houptguotz, ein pfund geltz mit zweinzig pfunden und einen Schilling geltz mit zwenzig schillingen, und in der selben forme minder und me nach der marchzal. 135 Ebenda: Die und der soellen den raeten zuo rechter pene und besserung so vil verfallen sin one gnade und ouch von im genommen werden, als der gülten ist, so er also uf son ligende guot geslagen hat gehept. 136 Staatsarchiv Basel-Stadt, Protokolle, Öffnungsbuch 6, fol. 45v. 137 Rudolf Thommen (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 9. Basel 1905, S. 58–62 Nr. 73, Antwerpen 19.08.1488. 138 Ebenda, S. 60: Zuom zehennden, das sy, ir burger und die iren macht und gewalt haben sollen, all und yeglich ewig gulten und zinsz, so geistlichem oder weltlichem, niemand auszgeschiden, auf gemeiner stat Basel oder sundern hewsern daselbst oder iren ligennden guittern, nichtz auszgenomen, versetzt oder verschriben oder auf dieselben guitter zuo jarzeitten und sunst geslagen sind oder kuinfftigklich erkaufft oder geslagen werden, umb ein billich summ geltz abzuokauffen und abzuolosen.
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gedrückt wurde, nämlich ein Pfund zu 20 rheinischen Gulden.139 Sollte damit die Berechnung für alte, noch in Pfundbeträgen kontrahierte Renten erleichtert werden? Es fragt sich, warum man es unterließ, auch eine Relation für die längst üblichen Guldenrenten zu geben,140 besonders da dies sehr leicht gefallen wäre. Im Jahre 1488 stand der rheinische Gulden im Kurs von 1,25 Basler Pfund.141 Das hier so kompliziert ausgedrückte Ablösungsverhältnis betrug also 1 zu 25, was einer Verzinsung zu 4% entspricht. Dieser niedrige Satz mag von den Stadtrenten her erklärbar sein, für die das Ablösungsgesetz aber natürlich nicht galt. Im Rechnungsjahr 1488/89 herrschte hier der Rentsatz von 4% vor. Zuvor und danach wurden aber Renten auch zu 5% verkauft.142 Dieser höhere Satz war bei Privatrenten damals üblich. Das vorgesehene Ablösungsverhältnis suchte demnach die Gläubiger zu begünstigen und gleichzeitig wohl auch, den Normalrentsatz weiter herabzudrücken. Die Durchführung der Bestimmung hätte sich bei der Ablösung immer stärker zugunsten der Gläubiger ausgewirkt infolge der Inflation des Silbergeldes, gemäß der sich in Basel die Relation des Pfundes zum rheinischen Gulden veränderte. 1501/02 stand der Kurs des rheinischen Guldens auf 1,32 Basler Pfund. Gemäß dem Verhältnis in der Urkunde Friedrichs III. hätten bei der Ablösung für 1 Pfund bereits 26,4 Pfund bezahlt werden müssen. Am 22. Oktober 1504 wurde erneut ein Verbot der Errichtung von Ewigrenten, insbesondere für Jahrzeiten, ausgesprochen.143 Inzwischen scheint das, was man um 1450 bloß befürchtet hatte, eingetreten zu sein. Es wird beklagt, in beiden Städten gebe es eine große Zahl baufälliger Häuser,144 denn sie seien zugunsten der Geistlichkeit schwer belastet und verfielen deshalb.145 Die Wiederholung des Verbots und die besondere Zielrichtung zeigt, dass wohl vor allem dort, wo die Ewigkeit der Renten vom Stiftungszweck her – eben dem ewigen Seelenheil – gefordert schien, die alte Anordnung sich am wenigsten durchsetzen konnte. Eine Strafe wurde nicht mehr angedroht, sondern bloß die Ungültigkeit solcher Verträge festgestellt.146 Vielleicht ist es kein Zufall, dass Basel nach längerem Unterbruch die Gesetzgebung auf diesem Gebiet kaum ein Jahr nach der ersten Ablösungsordnung 139 Ebenda: Einen yeden schilling geltz mit einem guldin und ein pfund geltz mit zweinzigk guldin rinischer gemeiner lanndswerung, und also fuir und fuir nach margzal. 140 Im Ablösungsgesetz der Reichsstadt Rottweil vom 14.11.1428 wurde neben einer Relation von 1 zu 20 Gulden auch eine solche von 1 Pfund Haller zu 14 rheinischen Gulden vorgesehen. Siehe Hans Greiner (Hg.): Das ältere Recht der Reichsstadt Rottweil. Stuttgart 1900, S. 183 Nr. 235 und 236. 141 Der von Josef Rosen: Relation Gold: Silber und Gulden: Pfund in Basel 1360 bis 1535, in: 7. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1977 in Göttingen, Sonderdruck 12. Stuttgart 1981, angegebene Kurs von 1,23 für 1388/89 trifft nicht zu. 142 Siehe oben Grafik 1. 143 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 236 Nr. 209: Daz dan hinfür nyemand gestattet werden solle dhein ewig zinß noch jarzyten oder derglich uff hüser oder ligende guetere ze slachen. 144 Ebenda: Alsdenn vil und macherley buwfellig hüsere zuo beden stetten sind. 145 Ebenda: Nemlich als die geistlichkeit mergklich swere zinß uff den hüseren haben, und so die buwfellig werden, daz sy die nit buwen sondern invallen laßen. 146 Ebenda: Wa das darüber beschee, sol die selb slachung kraftloß und nichtlich sin.
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im benachbarten Straßburg wieder aufgenommen hat. Hier waren 1503 alle durch Kauf erworbenen Rentenbezugsrechte für ablösbar zum ursprünglichen Kaufpreis erklärt worden. Wo keine Kaufurkunde vorgelegt werden konnte, sollte im Verhältnis 1 zu 20 (5%), wo in einer Urkunde der Kaufpreis nicht genannt wurde, im Verhältnis 1 zu 25 (4%), bei mit Erschatz belasteten Renten sogar im Verhältnis 1 zu 30 (3,33%) abgelöst werden.147 Am 22. November 1514 wurde in Basel das Verbot von 1504 in einer Ratserkanntnis nochmals erneuert und gleichzeitig behauptet, gemäß dem teuer erkauften Privileg Friedrichs III. seien in Basel alle Ewigrenten ablösbar.148 Es handelte sich dabei um eine extensive, durch den Wortlaut nicht gedeckte149 Auslegung des entsprechenden Passus in der Urkunde von 1488, die sofort zu Einsprüchen der Geistlichkeit führte. Schon am 21. Februar 1515 beugte sich der Rat diesem Widerstand. Auf Klagen der Klöster hin wurden Erbleihezinse von der Ablösbarkeit ausgenommen.150 Der Versuch, die Ablösbarkeit der grundherrlichen Lasten via interpretationis einzuführen, war gescheitert. Rückgang der städtischen Bevölkerung und baulicher Zerfall beschäftigten den Rat aber weiterhin. Allein damit und nicht mit steuerpolitischen Erwägungen begründete er das am 1. Mai 1526 erlassene Verbot des Liegenschaftsbesitzes von Nichtbürgern.151 1527 – bereits mitten in der Zeit der reformatorischen Bestrebungen – ließ der Rat die Rücksicht auf die Sonderinteressen der Geistlichkeit weitgehend fallen. Außer den Erbleihe- und Afterlehenszinsen an Laien und den Abgaben von der städtischen Allmende sollten alle Ewigzinsen im Verhältnis 1 zu 20 ablösbar sein.152 Erb- und Lehenzinsen, die durch Vergabung in den Besitz geistlicher Institutionen gekommen waren, sollten jedoch von der Ablösbarkeit nicht ausgenommen sein. Ein Katalog für die Kapitalisierung enthielt Angaben über die Bewertung grundherrlicher Erschatzabgaben (Honorarium),153 der Naturalzinse, darunter der 147 Auguste Hanauer: Etudes économiques sur l’Alsace ancienne et moderne, Bd. 1. Paris 1878, S. 538. 148 Staatsarchiv Basel, Ratsbücher B 2/3, Erkanntnisbücher 2/3 (zusammengebunden), fol. 114r. Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 244 Nr. 229, 22.11.1514, bringt nur ein dürres Regest. 149 Siehe oben Anm. 137. 150 Staatsarchiv Basel, Ratsbücher B 2/3, Erkanntnisbücher 2/3, f. 116r: Zinse von Gütern, die in erblehens wise verlihen sind, unterstehen in Abänderung des früheren Ratsbeschlusses nicht der Ablösung. 151 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 256 f. Nr. 246: Demnach ein statt Basel an gebuwen hüsern und burgern in mergclichen abgang komen und fürer in groessern abgang komen moecht zuo besorgen, also das vil hof und hüser darinnen, so der frombden und uslendigen, die solche hof und hüser in mißbuw, so sy nit selb darinnen wonen, komen lassen, der statt zuo großem nachteil dienende. 152 Staatsarchiv Basel, Ratsbücher B 4, Erkanntnisbuch 4, fol. 24v–25v, 27.06.1527. 153 Zum Erschatz, einer grundherrlichen Handänderungsgebühr, die in Basel einem Jahreszins entsprach, siehe Trouillat: Monuments (wie Anm. 94), Bd. 2. Porrentruy 1854, Nr. 327, 06.04.1286; dazu die Korrekturen in Rudolf Wackernagel/Rudolf Thommen (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 2. Basel 1893, S. 297 Nr. 519; siehe auch Wilhelm Arnold: Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten. Basel 1861, S. 73 ff.; Johannes Schnell: Das Civilrecht, die Gerichte und die Gesetzgebung im vierzehnten Jahrhundert, in: Basel im vierzehnten Jahr-
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uralten, grundherrlichen Weisungsabgaben in Form von Brotringen und von Pfeffer,154 der Heuer- und Mähertagewerke, der Fastnachts- und Zinshühner und der Kapaune. Viele dieser Abgaben, vor allem die Frondienste, waren längst in Geld umgewandelt worden, aber gerade beim Federvieh hatten die Grundherren deshalb zäh an der alten Zahlungsform festgehalten, weil es als Beweis des Obereigentums galt.155 Der Naturalienkatalog umfasste außerdem Dinkel, Hafer, Roggen, Bohnen, Erbsen, Linsen, Gerste, Wein, Honig, Öl und Salz. Die Kapitalisierung gemäß der Liste sollte jedoch für jene nicht gelten, welche den Nachweis erbrachten, dass sie die Zinse teurer erkauft hatten. Die Basler Ordnung wurde bereits am 25. November 1527 abgeändert bzw. ergänzt und verdeutlicht.156 Die Begründung der Maßnahme wurde schärfer formuliert: Die Zinsherren brächten die in Missbau geratenen Güter nicht wieder zu Ehren, die Stadt müsse aber vor weiterem Abgang von Häusern und liegenden Gütern geschützt werden. Deshalb sollten Ewigzinsen von Gütern, die ohne Einredemöglichkeit des Zinsherrn vom Inhaber versetzt und verkauft werden dürften, künftig ablösbar sein. Nur Zinse von Gütern, die bei Verkauf und Verpfändung dem Zinsherrn aufgegeben werden müssten, außerdem Abgaben von der Allmend und von Zinsgütern, welche von Adligen verliehen seien, die sie ihrerseits von Fürsten und Herren zu Lehen trügen, unterlagen der Ablösbarkeit nicht. Diese Differenzierungen erinnern sehr an das Ablösungsgesetz Straßburgs von 1503,157 sodass auch hier, wie auf so vielen Gebieten, ein Einfluss der großen Nachbarstadt vermutet werden darf. Da die Güter der Klöster weitgehend keinen Beschränkungen beim Handwechsel mehr unterlagen,158 waren damit die meisten kirchlichen Grundzinse ablösbar geworden. So wurde der Erlass von der Geistlichkeit, die sich ihm indessen ohne große Gegenwehr unterzog, auch verstanden. Dies geht aus einer Supplikation des Richard Geissenberg,159 Priors des Cluniazenserklosters St. Alban, an den Rat hervor, in der er darauf Bezug nahm, es sei kürzlich ein mandat der ablosung halb uszgangenn, das man bodenn-, ewig- unnd onewig zinsz und anders frig und sicher abloesenn moege160. Aufgrund desselben hätten die Kleinbasler Kartäuser die Ablösungssumme für einen Roggenzins, den sie schon mehrfach abkaufen wollten, am Stadtwechsel zuhanden des Priorats deponiert und die Ablösung verkünden lassen. Er glaube nun aber keineswegs, diese zulassen zu müssen, da das Mandat ja ohne
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hundert. Basel 1856, S. 305–372, 314; Gilomen: Grundherrschaft (wie Anm. 17), S. 267 f. und 407, sowie Registerposition Erschatz. Zur Weisung (revisorium), einer Abgabe für die Revision des geliehenen Gutes durch den Grundherrn, siehe ebenda, S. 225. Siehe Gilomen: Grundherrschaft (wie Anm. 17), S. 223 f. Fastnachtshühner (ablösbar mit 1 lb 10 ß) sind übrigens höher bewertet als Zinshühner (ablösbar mit 1 lb). Staatsarchiv Basel-Stadt, Ratsbücher B 4, Erkanntnisbuch 4, fol. 32v–33v. Hanauer: Etudes économiques (wie Anm. 147), S. 538. Zu dieser Entwicklung siehe Gilomen: Grundherrschaft (wie Anm. 17), S. 194–212 und 264– 268. Zu Geissenberg siehe ebenda, S. 375, und passim gemäß Registerposition Basel, Klöster, St. Alban, Prioren. Aktensammlung zur Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang 1534, Bd. 2. Basel 1933, S. 737 Nr. 762 (undatiert).
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Zweifel nicht bezwecke, dass das eine Kloster dem andern ablösen solle. Vielmehr habe der Rat es zugunsten von burgern unnd hindersaessenn, die mit mancherleig beschwerungen der zinsen unnd zechendenn ouch anderm uberladenn seien, erlassen. In seiner Petition übernimmt der Prior hier also die Argumentation von der Schuldenlast auf dem bürgerlichen Besitz. Er bat den Rat um Intervention, damit die Kartäuser die Verzinsung wieder aufnähmen. Indessen hatte Geissenberg selbst das Mandat sogleich dazu genutzt, vom Basler Spital einige Zinsen seines Klosters abzulösen.161 Tatsächlich hatte die Kartause nach einer Bemerkung des Mönches Georg Carpentarius in seiner Fortsetzung der Klosterchronik des Heinrich Arnoldi von Alfeld162 bereits seit langem versucht, den erwähnten Zins zurückzukaufen, wie die Kartäuser überhaupt bemüht waren, sich sämtlicher Zins- und Rentenverpflichtungen zu entledigen.163 Es zeigt sich hier, dass die Interessen der Geistlichkeit in der Ablösungsfrage keineswegs völlig einheitlich waren. Vor allem die jüngeren Klöster waren durchaus bestrebt, ihre zum Teil erheblichen Lasten gegenüber den Häusern der älteren Orden abzutragen, wobei im Allgemeinen eine gütliche Übereinkunft, zuweilen in der Form der Übertragung der Zinspflicht auf die Liegenschaften eines frommen Förderers, gewährt wurde, im hier vorliegenden Fall aber auch ein allgemeines Ablösungsgesetz unverzüglich genutzt wurde. Der Erlass von 1527 enthielt außerdem Bestimmungen mit dem Zweck, die Schuldner vor einer Übervorteilung durch die Zinsherren aufgrund einer bereits 1377 eingetretenen Spaltung der Basler Pfundwährung in Zinspfennige und neue Pfennige, die sich wie zwei zu eins verhielten,164 zu schützen.165 In dieser Form wurde die Ablösungssatzung dann in die Gerichtsordnung von 1539 aufgenom161 Staatsarchiv Basel-Stadt, Klosterarchiv, St. Alban Urkunde Nr. 558, 11.11.1527. 162 Zu Arnoldi siehe Hans-Jörg Gilomen: Zum Lebenslauf des Heinricus Arnoldi von Alfeld, Prior der Basler Kartause, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 76 (1982), S. 63–70. 163 Continuatio chronicorum Carthusiae in Basilea minori, auctore fratre Georgio Carpentarii de Brugg eiusdem domus monacho professo, 1480–1526, in: Basler Chroniken, Bd. 1. Leipzig 1872, S. 307–425, 331: Item domus nonnullis censibus annuis perpetuis onerata fuit, utpote circa decem libras denariorum ad diversa loca, prout in antiquis patet domus registris, quos idem pater Jacobus [= Prior Jacobus Louber] redemit, pro quibus exposuit circa ducentos aureos Renenses. Remanserunt autem adhuc et alii census perpetui, pro quibus idem non potuit habere redimendi consensum. De quibus postea eius successor Hieronymus [= Prior Hieronymus Zscheckenbürlin] redemit, et adhuc pauci saltem in pecunialibus restant. Si etiam posset domus aliquando exonerari censu de siligine annuo monasterii sancti Albani debito cum eorundem consensu, ad id omnis conatus esset adhibendus. 164 Siehe dazu Gilomen: Grundherrschaft (wie Anm. 17), S. 120–122. 165 Staatsarchiv Basel-Stadt, Ratsbücher B 4, Erkanntnisbuch 4, fol. 32v–33v: Doch so ist hierin zuo mercken, demnach die zinsspfennig, so nit me denn das halb bedutend, also wo ein pfund zinsspfennig stat, ist es nit mee dann zehen schilling nuwer pfennigen, sidhar dem erdbidem [von 1356], grossem brand vnnd andern treffenlichen vrsachen vfferstanden, da vilicht die zinsherren vermeinen möchten, das man ein jedes pfund zinspfennig mit zwentzigk pfunden nüwer pfennigen ablössen solte etc., da haben vnsere herren lutter erkandt vnnd wellend, das solche zinsspfennig, vmb die man dhein brieff, wie die anfangs erkoufft darzethund hat, glich wie sy nun das halb bedutend, also ouch mit dem halben houptguot, das ist alwegen ein pfund zinsspfennig mit zehen pfund nuwer pfennigen houptgutz, abgelösst werden sollen.
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men,166 allerdings ergänzt um eine vom 3. Mai 1537 datierte Erläuterung, welche bei der Ablösbarkeit der Grundzinsen wieder eine entscheidende Einschränkung brachte. Nicht mehr nur Erbleihezinse von den wenigen Gütern, welche bei Handänderung dem Grundherrn aufgegeben werden mussten, blieben der Ablösbarkeit entzogen, sondern neu auch alle jene Zinse, bei denen der erbleiherechtliche Charakter aufgrund von Urkunden, Urbaren oder Berainen dargetan werden konnte: Waß aber von ligenden gueteren mit gloubwirdigen briefen, siglen, urbaren oder guoten redlichen bereinen bewyßt mag werden, daß die gueter, darab sollich zinß gond, den zinßhern oder gotshuseren recht eigenthumb hievur zuoerb verlyhen sigen, das solle wie andere lehen und unwiderkeufige zinß on intrag verzinset werden167.
Was hier als Begünstigung der Zinsherren und Gotteshäuser ausgegeben wurde, schützte in Wirklichkeit bloß die Interessen der städtischen Obrigkeit. Inzwischen waren nämlich die Kirchengüter säkularisiert worden.168 Im Gegensatz zur konsequenten Ablösungsgesetzgebung in dem wesentlich kleineren, wirtschaftlich allerdings dank seiner Wollproduktion und der Lederverarbeitung nicht unbedeutenden Freiburg, dessen Bürger auch im regionalen Rentengeschäft eine gewisse Rolle gespielt haben, wirkt diejenige in dem bedeutenderen Basel zögernd und kontinuitätslos. Der Beschluss von 1450 scheint bald in Vergessenheit geraten zu sein. Auf einen neuen Anlauf in den 1480er Jahren folgte wiederum ein langer Unterbruch. Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter dem Eindruck des Straßburger Vorbilds, setzte ein neuer Vorstoß ein, der 1514 äußerst ungeschickt mit einer unhaltbaren Interpretation des kaiserlichen Privilegs von 1488 weiter vorangetrieben werden sollte, aber am Widerstand der Geistlichkeit scheiterte. Erst im Klima der aufkeimenden Reformation hat sich der Basler Rat mit einer einigermaßen umfassenden Lösung durchgesetzt, die dann erneut, diesmal im Interesse des Rats als Rechtsnachfolger der geistlichen Grundherren, in Bezug auf die Grundzinsen eingeschränkt wurde. Die Wirkung der Reformation in der Ablösungsfrage ist zwar schon immer differenziert gesehen worden,169 man meinte aber doch, dass „auf dem Wege der geistigen Befreiung auch auf diesem Gebiete […] ihr ein großer Anteil an der Umgestaltung im Sinne der Überwindung des kanonistisch verstandenen Wucherverbots und der Entwicklung zum freien Zinsdarlehen beschieden [war].”170 Diese Ansicht ist schon deshalb fragwürdig, weil inzwischen die kanonistische Lehre den Ewigrenten skeptisch gegenüberstand. Eine noch zu leistende Untersuchung des Rentenkaufs in der Neuzeit müsste den Nachweis erst erbringen, dass die Entwicklung in den reformierten Gebieten anders verlaufen ist als in den katholischen. Der schon lange im Diskurs der Obrigkeit vertretene Zusammenhang kirchlichen Besitzes mit der Fürsorge, die Sozialpflicht des kirchlichen Eigentums, ist 166 Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 114), Bd. 1, S. 370–373 Nr. 165 a–f. 167 Ebenda, S. 374 f. Nr. 264, 167. 168 Karl Lichtenhahn: Die Secularisation der Klöster und Stifter Basels, in: Beiträge zur Geschichte Basels 1 (1839), S. 94–139. 169 Arnold: Geschichte (wie Anm. 153), S. 296; Max Neumann: Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsgesetze (1654). Halle 1865, S. 494. 170 Stempell: Die ewigen Renten (wie Anm. 94), S. 77.
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gerade vom reformatorischen Zürcher Rat konsequent in die Tat umgesetzt worden. Schon in der Almosenordnung vom 15. Januar 1525 unmittelbar nach dem reformatorischen Umschwung wurden die Oetenbacher Nonnen dazu verpflichtet, die Ernährung der Leprosen sicherzustellen, und es wurde beschlossen, das Predigerkloster als Spital zu nutzen.171 Auch die im selben Jahr konfiszierten Vermögen der Bruderschaften wurden dem Almosenamt übertragen.172 Nach Zwinglis Vorstellung sollten alle Klostergüter und -gebäude für die Armen genutzt werden. Noch im Jahr 1534 wurde bei der Frage der Verwendung einer erst damals durch den Tod des Inhabers frei werdenden Kaplaneipfründe des Großmünsters an die Zürcher Mandate erinnert, darinn sy sich allweg erlütteret unnd beziget, das sy die kilchen guettere zuo keinem anderenn dann zuo nutz und uffenthalt der armen verwaenden wellind173.
171 Fehlerhafter Druck dieser Almosenordnung bei Lee Palmer Wandel: Always among us. Images of the Poor in Zwingli’s Zurich. Cambridge 1990, S. 188–195. 172 Urs Amacher: Die Bruderschaften bei den Zürcher Bettelordensklöstern, in: Magdalen BlessGraber/Barbara Helbling/Ines Buhofer (Hg.): Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich. Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter. Zürich 2002, S. 265–277, hier 277. 173 Staatsarchiv Zürich, A 61.1.9, fol. 14r.
REICHTUM UND ARMUT IN BYZANZ: REALITÄT UND SOZIALE DISKUSSION* Peter Schreiner (Köln/München) Arme wie Reiche sind eine reale Größe im Leben der Byzantiner vom 6. bis zum 15. Jahrhundert. Die christliche Soziallehre, die spätestens seit dem 6. Jahrhundert alle Schichten des Staates mehr oder weniger stark durchdrungen hat, macht die Sorge um die Armen zu einer moralischen Verpflichtung für die Reichen. Aber kaum anders als in modernen Gesellschaften bleibt es weitgehend ungeklärt, wo die Grenzen liegen. Der Beitrag kann keine festen Umrisse aufzeigen, sondern bringt Beispiele, wie die verschiedenen Quellengattungen sich diesen Begriffen annähern, wie soziales Denken (unter diesem besonderen Gesichtspunkt) sich äußert und wie es Verbreitung findet. I. EINIGE DEFINITIONEN Die byzantinische Gesetzgebung hat den Armen, seit Justinians Digesten im 6. Jahrhundert, eindeutig definiert: „Arm ist, wer über einen Besitz von weniger als 50 Solidi verfügt.“1 Es ist charakteristisch für die Traditionalität der byzantinischen Gesetzgebung, dass diese finanzielle Grenze auch in späteren Jahrhunderten nie geändert oder dem stark wechselnden Geldwert angepasst wurde. In den Gesetzen des 9. Jahrhunderts2 wird sie ebenso mitgeschleppt wie im Hexabiblon des Konstantin Armenopoulos in der Mitte des 14. Jahrhunderts, ein Gesetzestext, der bis ins 19. Jahrhundert in Griechenland verwendet wurde.3 Die Festlegung, so bequem sie scheint, ist ohne praktische Bedeutung. Dem Begriff kann man sich daher *
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Der vorliegende Beitrag wurde auf dem Kolloquium als öffentlicher Abendvortrag in italienischer Sprache unter dem Titel „Ricchezza e povertà a Bisanzio: realtà e discussione sociale“ gehalten und erscheint an dieser Stelle, dem Wunsch der Veranstalter folgend, in Deutsch. Der Text wurde an verschiedenen Stellen verändert und ausführlich dokumentiert. Die ursprüngliche Absicht des Vortrags, einen Gesamtüberblick zu den beiden sozialen Begriffen und ihrer Diskussion in byzantinischen Quellen zu geben, blieb unverändert. Justinian: Digesten 48, 2, 1 (Theodorus Mommsen/Paulus Krueger [Hg.]: Iustiniani Digesta [Corpus Iuris Civilis 1]. Ndr. Berlin 1895, S. 791); vgl. Karl Eduard Zachariae von Lingenthal: Geschichte des griechisch-römischen Rechts. 3. Aufl., Berlin 1892, S. 276, Anm. 926 mit weiteren Quellenstellen. Procheiros Nomos 27, 22 (Ioanni Zepi et Panhagioti Zepi [Hg.]: Jus graecoromanum, Bd. 2. Athen 1931, S. 181, und ebenso in der Eisagoge [früher Epanagoge genannt] 12, 8, ebenda, S. 262). Konstantinos Armenopulos 1, 6, 33 (K. I. Pitsakis [Hg.]: Κωνσταντίνου Ἀρμενοπούλου Πρόχειρον νόμων ἢ Ἑξάβιβλος. Athen 1971, S. 54).
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nur von den erzählenden Quellen her nähern. Im Gegensatz zum lateinischen pauper kennt das Griechische (schon in klassischer Zeit) zwei Begriffe: πένης, jemand der arbeitet, aber nicht genügend verdient, um davon Leben zu können, und πτωχός, der aus körperlichen Gründen nicht arbeiten kann und daher, meist durch Betteln, auf die Hilfe anderer angewiesen ist.4 Die offiziellen Quellen, besonders Gesetze, verwenden überwiegend πένης, die literarischen dagegen πτωχός. In unserem Zusammenhang soll zwischen den beiden Begriffen nicht weiter unterschieden werden, zumal für die byzantinische Zeit keine lexikalische Untersuchung vorliegt.5 Evelyne Patlagean hat die tatsächliche Situation des Armen zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert untersucht,6 doch haben ihre Ergebnisse in gewissem Sinn in allen Jahrhunderten des byzantinischen Reiches Gültigkeit und zeigen drei charakteristische materielle, man kann auch sagen wirtschaftliche Phänomene, die „Armut“ ausmachen: 1) die Unsicherheit einer täglichen, regelmäßigen Arbeit, die mit einer minimalen Bezahlung verbunden ist, 2) eine einfache und oft nicht ausreichende Ernährung und 3) schlechte Wohnverhältnisse und vielfach Obdachlosigkeit. Dem Armen entgegengesetzt ist der Reiche. Er lebt von seinem Einkommen auf dem Land, auch wenn er, zunehmend seit dem 11. Jahrhundert, seinen Wohnsitz in der Stadt hat, er verfügt über einen reichen Haushalt, ist ohne Ernährungsprobleme und seine wirtschaftliche Stellung erlaubt ihm politischen und sozialen Einfluss im Staat.7 Dazwischen existiert (vor allem in den Städten und besonders in Konstantinopel) eine Mittelschicht (die Texte nennen sie mesoi, die Mittleren), die in jedem Fall über regelmäßige finanzielle (oder naturalisierte) Einnahmen verfügt. Sie ist nicht ohne Bedeutung in der politischen Auseinandersetzung,8 ihr kommt aber in der sozialen Diskussion kaum eine Bedeutung zu. Diese spielt sich vielmehr zwischen den Reichen und Armen ab. Wir bedürfen aber auch eines Vergleichs von Zahlen, um uns den Gegensatz zwischen Armen und Reichen vorstellen zu können.9 Ein Taglöhner in Alexand4 5
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Susan R. Holman: The Hungry Are Dying. Beggars and Bishops in Roman Cappadocia. Oxford 2001, S. 3–7. Beide Termini werden in den verschiedenen Texten auch immer wieder rhetorisch umschrieben, etwa ἐνδεής, προσαιτητής Procopios, Anecdota 26, 18 (Jacobus Haury [Hg.]: Procopii Caesariensis opera omnia, Bd. 3: Historia quae dicitur arcana. Ed. sterot. correctior adiecit Gerhard Wirth. Leipzig 1963, S. 161) oder im Traumbuch des Achmet (Franz Drexl [Hg.]: Achmetis Oneirocriticon. Leipzig 1925, cap. 202 στενωθήσεται ἡ ζωή αὐτοῦ, oder cap. 301 ἐν ὀλίγῳ καιρῶ ἐξουσιάζοντα). Evelyn Patlagean: Pauvreté économique et pauvreté sociale à Byzance, 4e– 7e siècles (Civilisations et Sociétés 48). Paris 1977, S. 25–35. Dazu zusammenfassend Michel Kaplan: Byzance. Villes et campagnes. Paris 2006, S. 184–204 (L’aristocrate byzantine et sa fortune). Die „Mittelschicht“ spielte eine wichtige politische Rolle besonders in Konstantinopel, auch im Hinblick auf die Ausrufung von Kaisern. Vgl. Hans-Georg Beck: Byzantinisches Gefolgschaftswesen. München 1965. In der literarischen Diskussion um Reichtum und Armut, von der unten (Abschnitt VI) die Rede sein wird, benutzt der Autor Kekaumenos auch den Begriff der Mittleren (μέσοι). Die erste brauchbare Arbeit auf diesem Gebiet stammt von Georg Ostrogorsky: Löhne und Preise in Byzanz, in: Byzantinische Zeitschrift 32 (1932), S. 293–333. Inzwischen hat sich die Materialbasis erheblich erweitert, die Zahl wirklich vergleichbarer Beispiele ist, besonders we-
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reia erhielt (Anfang des 7. Jahrhunderts) am Tag ein Keration,10 ein Tischler (zur selben Zeit) monatlich 32 Keratia (also pro Tag ebenso viel), ein Kalfaterer 36 Keratia, ein Schmied (im genannten Fall) nur 18 Keratia.11 Eine weitere Angabe über den Weizenpreis in diesen Jahren erlaubt den Hinweis, dass man für ein Keration gerade ein Kilogramm Brot bekam.12 Abgesehen vom Schmied konnte sich jede der drei Personen ein Kilo Brot am Tag leisten. Auch diese Zahlen sind natürlich in gewissem Sinn künstlich, da dieselben Personen auch mehrere Tätigkeiten zugleich ausüben konnten (und es sicher taten wie auch heute in vielen Ländern mit niedrigen Löhnen), vielleicht aber auch wieder einen oder mehrere Tage ohne Arbeit waren. Es besteht kein Zweifel, dass sie zur Kategorie der Armen gehörten. Ein Reicher in Alexandreia (er war Haus- und Grundbesitzer), jener Stadt, aus der auch die bereits genannten Beispiele stammen, war dagegen in der Lage, dem Bischof einen Mantel im Wert von 36 Nomismata zu schenken.13 Dafür hätten die erwähnten Personen etwa zweieinhalb Jahre arbeiten müssen. Der Bischof weist das Geschenk des Reichen zurück: Wie kann man einen Mantel um 36 Nomismata tragen, wenn die Brüder Christi in Kälte erstarren, wie viele haben nur eine halbe Matratze und können ihre Füße nicht ausstrecken, sondern schlafen zusammengekauert? Wie viele sind begierig, von den Gemüseblättern zu essen, die aus meiner (des Bischofs) Küche weggeworfen werden? Wie viele wollen ihr Brot in die Brühe eintauchen, die meine Köche wegschütten? Wie viele müssen ein oder zwei Monate das Olivenöl entbehren? Wie viele haben im Sommer und im Winter nur ein einziges Kleid? Du aber (und nun wendet er sich wieder an den Reichen) willst das ewige Leben gewinnen und trinkst Wein und verzehrst riesige Fische und verteilst sie an deine Leute, und eben noch hast du dich mit all deinen Sünden noch in einem Mantel gewärmt, der 36 Nomismata kostet.14
II. DER CHRISTLICHE HINTERGRUND Die Worte des Bischofs sprechen von christlicher Verantwortung auf der einen Seite und appellieren an das schlechte Gewissen auf der anderen Seite. Wenn der byzantinische Staat immer (und wesentlich dezidierter als der Westen) einen Kör-
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gen der jeweiligen Einschätzung des Geldwertes, den Unterschieden in den regionalen Gegebenheiten und oft auch der exakten chronologischen Bestimmung der Angaben nicht bedeutend größer geworden. Eine „Einkommensstatistik“ lässt sich jedenfalls nicht erstellen. Die beiden wichtigsten Zusammenstellungen von Daten sind: Jean-Claude Cheynet/Elisabeth Malamut/ Cécile Morrisson: Prix et salaires à Byzance (Xe – XVe siécle), in: Vassiliki Krivari u. a. (Hg.): Hommes et richesses dans l’Empire byzantin, Bd. 2: VIII–XVe siècle. Paris 1991, S. 339–374; und Cécile Morrisson/Jean Claude Cheynet: Prices and Wages in the Byzantine World, in: Angeliki E. Laiou (Hg.): The Economic History of Byzantium, Bd. 2. Washington 2002, S. 815–878. Ostrogorsky: Löhne und Preise (wie Anm. 9), S. 297; Heinrich Gelzer (Hg.), Leontios’ von Neapolis: Leben des heiligen Johannes des Barmherzigen, Erzbischofs von Alexandrien. Freiburg 1893, S. 70. Die beiden genannten Beispiele bei Ostrogorsky: Löhne und Preise (wie Anm. 9), S. 297. Morrisson/Cheynet: Prices and Wages (wie Anm. 9), Tafel S. 822. Leontios von Neapel: Leben des heiligen Johannes (wie Anm. 10), S. 38–40 (Kap. 21). Ebenda.
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per darstellt, der geteilt ist zwischen dem antiken Erbe mit dessen konkreten heidnischen Phänomenen und dem Christentum, so basiert die Einschätzung von Armut und Reichtum ganz auf dem christlichen Teil. Man könnte als Beweis nun natürlich Zitate und Gleichnisse aus dem Neuen Testament anführen. Weit nachdrücklicher sind aber Briefe und Predigten der kappadokischen Kirchenväter Basileios d. Großen, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz. Ihre Schriften zählten wie jene der heidnischen Autoren zur großen Rhetorik und fanden über alle Jahrhunderte hin Eingang in die Lektüre der Intellektuellen und Gelehrten. Sie legten den Grundstock zu einer christlichen Soziallehre im griechischen Osten. An erster Stelle stehen hier die Predigt περὶ φιλοπτωχίας (über die Liebe zu den Armen) des Gregor von Nazianz15 und zwei des Gregor von Nyssa mit demselben Titel, deren Wertschätzung so weit ging, dass zahlreiche Handschriften auch illuminiert wurden und sie Beispiele für das Armsein bildlich vor Augen stellten.16 Die Predigten basieren ganz auf dem Gedankengut des Neuen Testaments, machen aber daraus eine rhetorisch und stilistisch akzeptable Lehre im Umgang mit dem Reichtum und den moralischen Verpflichtungen des Reichen: Es ist der Grundsatz von der Gleichheit aller Christen, die den Reichtum nur gestattet und sogar für nützlich hält, wenn er mit den Armen geteilt wird: Halte nichts für dich selbst zurück, sondern teile es mit den Armen, die die Schützlinge Gottes sind.17 Es besteht kein Zweifel, dass die größere Sympathie der byzantinischen Öffentlichkeit den Armen galt. Hier unterscheidet sich die byzantinische Welt grundsätzlich von jener der Antike.18 Reichtum ist in der byzantinischen Gesellschaft eine moralische Gefahr, und der Reiche muss immer bereit sein, sich zu rechtfertigen. III. ARME UND REICHE IN DER PROFANEN LITERATUR Der Wunsch, den sozialen Status zu bewahren, ist eng verbunden mit Informationen, die eigene Zukunft kennen zu lernen. Unter den vielen Praktiken, die bereits die Antike gekannt hat, war in Byzanz besonders die Traumdeutung beliebt. Ihrer haben sich auch die Kaiser bedient, und die Deutungen der Träume stellen weit verbreitete und daher auch bis heute handschriftlich umfangreich überlieferte Texte dar.19 Die Sicht von Armut und Reichtum in diesen Texten, die weit entfernt vom 15 16
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Gregor von Nazianz: or. 14, in: Patrologia Graeca, Bd. 35, Paris 1857, Sp. 857–909. Günter Heil u. a. (Hg.): Gregor von Nyssa: Opera, Bd 9: Sermones, pars I. Leiden 1967, S. 93– 108 (de pauperibus amandis 1 = de benificentia), S. 111–127 (de pauperibus amandis 2). Vgl. Holman: The Hungry (wie Anm. 4), S. 193–206; George Galavaris: The Illustrations of the Liturgical Homilies of Gregory Nazianzenus. Princeton 1969, Abb. 121, 179, 370 und 391. Gregor von Nyssa: De pauperibus amandis 1 (wie Anm. 16). Armut war auch in der Antike ein soziales und wirtschaftliches Faktum, das von der althistorischen Forschung erst in jüngster Zeit mit größerem Interesse behandelt wird. Vgl. den Sammelband von Margaret Atkins/Robert Osborne (Hg.): Poverty in the Roman World. Cambridge 2006. Die von den Texten her relativ gut zugängliche Traumliteratur ist inhaltlich (sozialgeschichtlich, wirtschaftsgeschichtlich, volkskundlich) nur wenig ausgewertet worden. Vgl. Peter Schreiner: Traumbücher und Alltagsleben in Byzanz, in: Anna Avramea/Angeliki Laiou/Evan-
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Glauben der Kirche stehen (und gerade deshalb oft berühmten Kirchenmännern zugeschrieben sind), könnten allein einen ganzen Beitrag füllen, sodass hier nur einige Beispiele herausgegriffen werden können. So ist es nicht in jedem Fall wünschenswert, reich zu werden: Siehst du dich (im Traum) als reichen Mann, wirst du verarmen20, oder ganz ähnlich: Wähnt jemand reich zu sein, wird er an den Bettelstab kommen.21 Doch auch in ganz allgemeinen Worten kann vor der Armut gewarnt werden: Sind die Barthaare voll und dicht, stehen Armut und Kummer bevor.22 Eine ganz andere Bedeutung haben dagegen lange Haare: Schönes langes Haar verheißt (…) einem Armen Überfluss an Gütern.23 Das Traumbuch des Achmet, das nach orientalischen Vorlagen zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert verfasst und 1176 von Leo Tuscus ins Lateinische übersetzt wurde, ist sicher die reichste und ausführlichste Quelle zur Traumdeutung in allen sozialen Schichten.24 Entgegen der christlichen Lehre von der menschlichen Gleichheit zwischen Arm und Reich weist Achmet ganz deutlich auf die sozialen Unterschiede hin, die auch eine jeweils andere Deutung des Traumes bewirken: Die Träume bedeuten einer bestimmten Person durchaus nicht dasselbe, was sie einer andern bedeuten. Denn handelt es sich auch um ein und denselben Traum, so bedeutet er doch dem Kaiser etwas anderes als dem Mann aus dem Volke, einem Bauern etwas anderes als einem Soldaten, einem großen Herrn oder einem Armen.25
Ein Beispiel aus mehr als einem Dutzend soll diese Unterschiede und gleichzeitig auch den literarischen Charakter dieses Werkes zeigen: Scheint es einem Armen im Traum, als streue er ganz gegen seine Gewohnheit Blätter von der Myrthe, von Rosmarin oder von Lorbeer in seinem Haus, wird er von einem vornehmen Herrn Reichtum erlangen. Schaut dies aber ein Mächtiger, bei dem solches Bestreuen ohnehin üblich ist, bedeutet es ihm Trübsal. Träumt der Kaiser, er habe Myrthenzweige, wird er mit einer nicht standesgemäßen Frau verkehren.26
Arme und Reiche wurden aber nicht nur in der Auslegung der Träume, wo kein materieller Schaden entstehen konnte, unterschiedlich behandelt, sondern auch in der Wirklichkeit. So verbieten den Armen alle Kaisergesetze von Justinian bis in die
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gelos Chrysos (Hg.): Byzantium, State and Society. In Memory of Nikos Oikonomidis. Athen 2003, S. 451–458. Der leichteren Benutzbarkeit wegen folgen die Zitate hier der deutschen Übersetzung von Karl Brackertz: Die Volks-Traumbücher des byzantinischen Mittelalters. München 1993. Das hier genannte Beispiel entstammt einem (fälschlich) dem Patriarchen Nikephoros (806–815) zugeschriebenen Text: Ebenda, S. 55 (Nr. 286). Traumbuch des Propheten Daniel: Ebenda, S. 131 (Nr. 418); Anonymes Traumbuch: Ebenda, S. 181 (Nr. 311). Anonymes Traumbuch: Ebenda, S. 193 (Nr. 193). Ebenda, S. 193 (Nr. 401). Achmetis Oneirocriticon (wie Anm. 5) und deutsche Übersetzung von Karl Brackertz: Das Traumbuch des Achmet ben Sirin. München 1986. Aus der reichen Bibliographie zu diesem bedeutenden Werk siehe als m. E. wichtigsten Beitrag Maria Mavroudi: A Byzantine Book on Dream Interpretation. The Oneirocriticon of Achmet and its Arabic Sources. Leiden 2002. Brackertz: Das Traumbuch des Achmet ben Sirin (wie Anm. 24), Nr. 301. Ebenda, Nr. 202.
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späten Jahrhunderte das Zeugenrecht: Die Armen können keine Zeugen sein.27 Wesentlich härter ist die Behandlung der Armen in der Ekloga aus dem Jahr 741, einem Gesetzeswerk, das allerdings in späteren Jahrhunderten nicht mehr angewandt wurde.28 Im Hinblick auf die Verführung eines jungfräulichen Mädchens ist dort festgelegt: Der Verführer, wenn er vermögend ist, soll dem geschändeten Mädchen ein Pfund Gold geben – dafür hätte der oben erwähnte Tagelöhner aus Alexandreia fast fünf Jahre arbeiten müssen – wenn er weniger vermögend ist, soll er die Hälfte seines Vermögens geben, wenn er ganz arm und unvermögend ist, soll er geschlagen, geschoren und dann verbannt werden.29 Mehr Gleichheit bestand im Hinblick auf den außerehelichen Verkehr: Wer verheiratet ist und hurt, soll zur Züchtigung zwölf Hiebe erhalten, ob er reich oder arm ist.30
Da, wie bereits betont, noch viele heuristische Mittel fehlen, um den Armen und den Reichen in den Texten zu ermitteln, ist es nicht leicht, Stellen zum negativen Bild der Armen (ebenso wie zum positiven des Reichen) zu finden. Auch der überlieferte Sprichwortschatz ist in diesem Bereich recht zurückhaltend: Wo Mangel ist, da ist Überfluss, heißt ein Sprichwort einmal und wird folgendermaßen erläutert: Mangel bringt (wegen der vielen Spenden) den Armen Wohlstand, und Hunger führt zu Überfluss.31 Kritisch sieht auch Eustathios, der berühmte Gelehrte und Bischof von Thessalonike, im 12. Jahrhundert die Armen: Eine Flasche sich zu füllen, ist Sache eines Bettlers oder eines Armen, der Lumpen anzieht, einen Rucksack aufschnallt, die Augenpartie schmutzig und geschwollen macht und alles bekommen kann, was er will.32
IV. DER KAISER UND DIE ARMEN Die Sorge um die Armen oblag in erster Linie Kirche und Kloster, denen daher auch die Schattenseiten gut bekannt waren, sodass die Äußerung des Kirchenmannes Eustathios nicht verwundert. Eine größere Objektivität musste der Kaiser zeigen, da er Kaiser aller, auch der Armen war. Und Byzanz wäre nicht Byzanz, wenn die Armen nicht auch am Protokoll des Kaiserhofes teilnähmen. Sie wurden am 8. Tag nach Weihnachten in das Triklinum der 19 Liegen im Kaiserpalast eingeladen, in einer Auswahl, deren Kriterien nicht bekannt sind: 27 Die Stelle steht in den Gesetzestexten in Verbindung mit der Definition der Armut. Siehe dazu die oben in Anm. 2 genannten Quellenstellen. 28 Ludwig Burgmann (Hg.): Ecloga. Das Gesetzbuch Leons III. und Konstantins V. Frankfurt 1983. 29 Ebenda, S. 236 (cap. 17, 29). 30 Ebenda, S. 230 (cap. 17, 19). 31 Karl Krumbacher: Die Moskauer Sammlung mittelgriechischer Sprichwörter. Sitzungsberichte der philos.-philol. und historischen Classe der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1900, Heft III, S. 415 (Nr. 126). 32 Karin Metzler (Hg./Übers.): Eustathii Thessalonicensis de emendanda vita monachica (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 45). Berlin 2006, S. 232 (§ 200).
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Bevor sich der Kaiser zu Tisch setzt, heißt es im Protokoll aus dem Jahr 899, nehmen an den anderen Tischen die Armen Platz. Sie haben alle Siegel erhalten, und während sie noch sitzen und essen, wenn gerade Süßigkeiten gereicht werden, sammeln die Tischdiener die ausgeteilten Siegel ein und jeder Arme enthält aus dem Privatschatz des Kaisers eine Börse, die nach Art eines Segenswunsches, ein Nomisma enthielt.33
Der archäologische Zufall hat es gewollt, dass solche Pfand-Siegel gefunden wurden mit der Aufschrift: Gott helfe den Armen der 19 Liegen.34 Die offizielle Ehre, die den Armen erwiesen wurde, war nicht gering, auch wenn der Kaiser nicht am selben Tisch wie sie saß. Schließlich waren außer dem Kaiser noch acht Würdenträger seiner Privatgemächer versammelt sowie der Leiter des Staatschatzes, der Leiter der kaiserlichen Privatkasse und der Protokollchef des Palastes. Ein solches Szenarium konnte den Armen kein anderer Hof bieten! Die Beispiele – Siegelfund und Protokoll – entstammen dem 8. und 9. Jahrhundert; wir wissen aber nicht, ob dieser Brauch bis an das Ende des byzantinischen Reiches bestand. Die Sorge des Kaisers um die Armen und ihre Wertschätzung beschränkte sich aber nicht allein auf das Zeremoniell und eine Gruppe Auserwählter. Sie ging auch in Gesetze und Anordnungen ein, sodass die Forschung auch von einer „Gesetzgebung gegen die Reichen“ im 10. Jahrhundert spricht, die allerdings ihr Ziel praktisch kaum erreicht hat. Auch wenn die Arengen in rhetorischer Weise die Sorge um die Armen (diesmal auf dem Lande) hervorheben, war es eher die Sorge um die Steuereinnahmen für den Staat, die durch die Verarmung verursacht wurde.35 Wir wollen einige Beispiele herausgreifen, die alle dem 10. Jahrhundert angehören. Ende des Jahres 927 überraschte ein überaus früher und strenger Winter die Hauptstadt Konstantinopel. Kaiser Romanos, heißt es im Geschichtswerk des sog. Theophanes Continuatus, traf wegen seiner mitleidvollen und barmherzigen Natur Vorsorge und milderte mit vielen Gaben die entstandene Not.36 Der Text konkretisiert die „Gaben“. Der Kaiser ließ nämlich in den Vorräumen der Kirchen „Boxen“ errichten, in denen die Armen vor Wind und Kälte geschützt waren. Symbolisch sollten jeden Tag drei Arme an die kaiserliche Tafel eingeladen werden und ein Goldstück erhalten, was ganz an den Text vom Weihnachtsfest im Palast erinnert.37 Die folgenden Jahrzehnte sind ausgefüllt mit zahlreichen Gesetzesnovellen, in denen Macht und Einfluss der Reichen auf dem Lande – Großgrundbesitzer, hohe 33 34 35 36 37
Nicolas Oikonomides (Hg.): Les listes de préséance byzantines des IXe et Xe siècles. Paris 1972, S. 180 f. (Traktat des Philotheos). Simon Bendall/John W. Nesbitt: A „Poor“ Token from the Reign of Constantine V., in: Byzantion 60 (1990), S. 432–435. Die Texte sind jetzt bequem zusammengefasst in der Übersetzung von Eric McGeer: The Land Legislation of the Macedonian Emperors. Toronto 2000. Theophanes Continuatus ex recognitione Immanuelis Bekkeri. Bonn 1838, Buch VI, de Romano Lacapeno § 27 = S. 417, 19–22. Die verschiedenen Hinweise sind zusammengefasst in: Franz Dölger (Bearb.): Regesten der Kaiserurkunden des Oströmischen Reiches, 1. Teil, 2. Halbband, neu bearbeitet von Andreas E. Müller. München 2005, Nr. 616. Die verschiedenen Quellenstellen zu diesem Ereignis sind im Volltext abgedruckt bei Ioannis G. Teleles: Μετεωρολογικά φαινόμενα και κλίμα στο Βυζάντιο, Bd. 1. Athen 2004, S. 443–448 (Nr. 373).
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Beamte und Äbte großer Klöster – eingeschränkt wurden. Nun steht erstmals in der byzantinischen Geschichte der Reiche, der gleichzeitig der „Mächtige“ ist, im Mittelpunkt des Interesses.38 Aber dieses Interesse hat nun kaum mehr einen sozialen Hintergrund zum Schutz der Armen: Der Reiche ist ein ökonomischer Faktor geworden, der die Steuereinnahmen des Staates beeinflusst, und er ist seit dem 10. Jahrhundert auch ein politischer Faktor, weil er nach der Macht des Kaisertums strebt. Diese Gegebenheiten sind der Hintergrund der Gesetzgebung des 10. Jahrhunderts, während der Arme, wenngleich oft in den Texten genannt, marginalisiert ist. Dieses historisch eruierbare Faktum sieht die propagandistische Rhetorik der Proömien zu den Gesetzen anders, da sie vorgeben, dass der Kaiser als Repräsentant Gottes handelt gemäß dem Psalmisten Weil Schwache unterdrückt sind, Arme stöhnen, will ich mich erheben (Ps. 12,5).39 Ganz in dieser Richtung liegt auch die legendäre Verklärung der Mildtätigkeit im Kaiserlob, von der Gregor von Tours ein schönes Beispiel über Kaiser Tiberios I. (†582) überliefert hat, das es verdient, hier im vollen Wortlaut wiedergegeben zu werden40: Auf die Kritik hin, er verteile das gesamte Geld, das sein Vorgänger (sc. Kaiser Justin II.) angesammelt hatte, an die Armen, gab er zur Antwort: „Unserem Schatze wird es nicht fehlen, wenn nur die Hilflosen ihr Almosen empfangen und die Gefangenen gelöst werden […]. Was Gott uns gegeben hat, davon lässt er uns durch die Armen Schätze im Himmel sammeln, damit der Herr uns segnen wolle auch in der Zeitlichkeit.“ Und da er, wie wir schon gesagt haben, ein ganzer und wahrer Christ war, gab ihm der Herr, da er als ein fröhlicher Geber den Armen Beistand lieh, immer mehr und mehr. Denn als er einst in seinem Palaste herumwandelte, sah er in dem Estrich desselben eine Marmortafel, in die des Herren Kreuz gegraben war; da sprach er: „Mit deinem Kreuze, o Herr, waffnen wir unsere Stirn und unsere Brust, und siehe, wir treten hier dein Kreuz mit Füßen.“ Und eiligst ließ er die Tafel ausheben; als sie aber ausgehoben und aufgerichtet wurde, fand man unter derselben noch eine zweite, die hatte das nämliche Zeichen. Da man ihm das verkündigte, befahl er auch diese auszuheben. Und als sie fortgeschafft war, fand man auch noch eine dritte, die ward ebenfalls auf sein Geheiß fortgeschafft. Da sie aber aufgehoben war, fand man einen großen Schatz, der enthielt mehr als tausend Zentner Goldes. Er erhob den Schatz und teilte seither den Armen reichlicher mit, wie er es gewohnt war.41
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Michel Kaplan: Les hommes et la terre à Byzance du VIe au XIe siècle. Propriété et exploitation du sol. Paris 1992, S. 421–444. McGeer: Land Legislation (wie Anm. 35), S. 53 (Novelle vom Jahr 934). Text nach der Ausgabe von Rudolf Buchner (Hg.): Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten. Darmstadt 1955, Historiae liber V, c. 19, S. 415. Die Geschichte ist in byzantinischen Texten nicht überliefert, doch hebt ein fast zeitgenössischer Autor hervor, dass Tiberius „vertrauenserweckend und dem Volke recht freundlich gesinnt die Herrschaft ausgeübt hat“ (Carolus de Boor [Hg.]: Theophylacti Simocattae Historiae. Leipzig 1887, S. 44, Buch I, 2, 6). Abgedruckt auch bei Peter Schreiner: Gregor von Tours und Byzanz, in: Johannes Gießauf u. a. (Hg.): Päpste, Privilegien, Provinzen. Beiträge zur Kirchen-, Rechts- und Landesgeschichte. Festschrift für Werner Maleczek zum 65. Geburtstag. Wien 2010, S. 403–418, bes. 415.
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V. DER REICHTUM DER REICHEN Es ist nun an der Zeit, einige Beispiele über den materiellen Besitz der Reichen vorzubringen, auch als Antwort auf die Fragen, die die Gesetzesquellen nicht beantworten: Was ist reich? Und: Wie ist dieser Reichtum gerechtfertigt und mit dem Begriff der christlichen Armut und Gleichheit vereinbar? Die Texte, die über konkreten Reichtum Aufschluss geben, sind wenige und lassen vieles offen. 1. Philaretos, den seine Vita als sehr reich (σφόδρα πλούσιος) bezeichnet, lebte zwischen ca. 725 und 792 als Großgrundbesitzer in Amnia in Paphlagonien.42 Er besaß 48 Domänen, 600 Rinder, 800 Weidepferde, 80 Muli und 12.000 Schafe. Da auch die Zahl der Ochsenpaare, nämlich 100, genannt ist, lässt sich die Größe des Ackerlandes mit 138 km² errechnen.43 Um diese Zahl anschaulich zu machen, kann man sie mit der Größe einiger Regionen vergleichen: die Stadt Padua hat eine Fläche von 92 km² und Ancona von 124 km². Im Wohnhaus wird nur ein Detail erwähnt: Es besaß einen runden Tisch aus Elfenbein (wohl mit Tischfüßen aus Elfenbein), an dem 36 Gäste Platz finden konnten. Wenn man jedem Gast 60 cm zumisst – um ganz bequem zu sitzen, könnten es auch mehr sein –, kommen wir auf einen Umfang von 21 m und einem Durchmesser von 7 m. Ein solcher Tisch braucht, um auch gut zugänglich zu sein, einen Raum von 100 m².44 Wir kennen (aus dem Jahr 1072) die Beschreibung eines Herrenhauses in Westkleinasien mit einem Speisesaal in der Mitte, in dem ein solcher Tisch hätte Platz finden können.45 2. Das zweite Beispiel liegt 250 Jahre später, und findet sich nicht in einer erzählenden Quelle, sondern in einem Testament. Eustathios Boilas, ein (ehemals) hoher staatlicher Würdenträger, verfasste es 1059. Der Besitz liegt im Osten des Reiches, wo bereits Armenier ansässig waren. Er besaß eine große Menge Wertgegenstände und eine umfangreiche Bibliothek, sieben Dörfer, zwei Landhäuser. Die wenigen Zahlenangaben geben nur eine recht approximative Vorstellung seines Besitzes. So erbrachten die sieben Dörfer etwas weniger als
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Heute zu benutzen in der kritischen Ausgabe von Lennart Ryden: The Life of St-Philaretos the Merciful Written by his Grandson Niketas. A Critical Edition with Introduction, Translation, Notes and Indices. Uppsala 2002. 43 Der Berechnung liegt die Fläche (ζευγάριον) zugrunde, die den verschiedenen Quellen zufolge ein Paar Zugtiere (ζεῦγον) beackern konnte. Schilbach hat diese Quellen ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Paar Zugtiere im Jahr 13,8 Hektar bearbeitete (Erich Schilbach: Byzantinische Metrologie. München 1970, S. 67–70). 44 Die Stelle bei Ryden: The Life (wie Anm. 42), S. 86, lin. 418–420. Der Herausgeber diskutiert in Anm. 84 (S. 86–87) diese Zahl und zweifelt (im Vergleich mit Messzahlen in anderen Quellen) an der Richtigkeit dieser Angaben. Zu den vorgebrachten Bezeichnungen siehe Peter Schreiner: Das Haus in Byzanz nach den schriftlichen Quellen, in: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.- hist. Klasse III, 218. Göttingen 1997, S. 277–320, bes. 279 Anm. 10; = Ders.: Byzantinische Kultur III. Eine Aufsatzsammlung. Rom 2011, Beitrag XI. Vgl. auch Kaplan: Les hommes (wie Anm. 38), S. 332–333. 45 Ebenda, S. 280–282.
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3000 Goldnomismata an Steuereinnahmen (im Jahr).46 Für diese Summe hätte man im 11. Jahrhundert etwa 30.000 Schafe oder 250 Pferde kaufen können. Sicher hat Boilas den Reichtum des Philaretos nicht annähernd erreicht.47 3. Wenige Jahre später, 1077, spricht Michael Attaleiates, Geschichtsschreiber und hoher kaiserlicher Beamter gelegentlich einer Stiftung von seinem Besitz. Er besaß Häuser in Konstantinopel und Grundbesitz am Marmarameer bei Rhaidestos. Dieser Grundbesitz belief sich, nach den Berechnungen von Paul Lemerle, auf 10.800 Nomismata,48 die nur 10.000 Schafen oder etwa 80 Pferden entsprechen.49 4. Nur weitere wenige Jahre später (1083) erfahren wir aus einer Schenkungsurkunde über den Besitz des Georgios Pakourianos. Er war einer der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen mit umfangreichen Besitzungen in Europa und in Asien, doch die wenigen konkreten Zahlen, die genannt sind – etwa 12 Dörfer und 6 Befestigungen – erlauben keine Umrechnungen in Geld oder Waren.50 Bei keiner der vier Personen machen es die Quellen möglich, den Reichtum in konkreten Zahlen zu berechnen, sodass nur Stufungen des Reichtums erkenntlich sind. Die Vergleichsbeispiele von Geldwert und Warenwert sind zu wenige, zu punktuell oder chronologisch zu unsicher, als dass diese Beispiele mehr als vage Vorstellungen vermitteln. In unserem Zusammenhang ist aber wichtig, warum dieser Reichtum für eine christliche Gesellschaft akzeptabel ist und der Reiche ein Glied dieser Gesellschaft sein kann. Er ist dann ein Glied dieser Gesellschaft, wenn er durch seinen Reichtum zur Linderung der Armut beiträgt. Am deutlichsten verkörpert diese Rolle Philaretos. Die lange Erzählung ist mehr eine Novelle als die Vita eines Heiligen. Die Forschung hat diesen Text auch als historische Quelle immer wieder herangezogen, da eine seiner Töchter, Maria, als Frau Konstantinus VI. und Schwiegertochter der Irene, byzantinische Kaiserin wurde. Trotzdem sind legendäre Züge unverkennbar; denn hinter Philaretos steht in irgendeiner Weise die biblische Er46 47 48
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Paul Lemerle: Le testament d’Eustathios Boilas (avril 1059), in: Ders.: Cinq études sur le XIe siècle byzantin. Paris 1977, S. 14–63. Vgl. dazu auch die Bezeichnungen von Kaplan: Les hommes (wie Anm. 38), S. 334–336. Morrisson/Cheynet: Prices and Wages (wie Anm. 9), Tafel S. 822. Paul Lemerle: La diataxis de Michel Attaliate (mars 1077), in: Ders.: Cinq études (wie Anm. 46), S. 65–112, bes. 111. Nur das (Steuer-)Vermögen an Grundbesitz lässt sich berechnen, Lemerle (ebenda) zufolge auf 150 Pfund (=10.800 Nomismata). Kaplan: Les hommes (wie Anm. 38), S. 336 f. führt keine Berechnungen durch. Die Berechnung beruht auf einer verlässlichen Angabe bei Morrisson/Cheynet: Prices and Wages (wie Anm. 9), S. 839, Tafel 11, und geht von 6 Schafen für 1 Nomisma in der Mitte des 11. Jahrhunderts aus. Aber auch diese riesige Zahl an Schafen gibt kaum eine verwertbare Vorstellung für den Reichtum, sondern setzt nur eine für uns heute abstrakte Geldsumme in lebendige Objekte um. Im Jahr der Ausstellung des Testaments (1059) beträgt in Ephesos der Kaufpreis eines Sklaven 24 Nomismata (Ebenda, S. 847, Tafel 14). Paul Lemerle: Le typikon de Grégoire Pakourianos (decémbre 1083), in: Ders.: Cinq études (wie Anm. 46), S. 113–191; vgl. auch Kaplan: Les hommes (wie Anm. 38), S. 337 f. Auf Überlegungen von Lemerle fußend schätzt Kaplan die Ausgaben auf etwa 20 Pfund (= 1440 Nomismata).
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zählung von Hiob: wie Hiob verarmt er, weil er mit seinem Reichtum die Armen unterstützte, wenngleich bei Philaretos das biblische Motiv der Erkrankung fehlt. Immerhin war das große Haus, von dem schon die Rede war, erhalten geblieben und hatte die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Gesandten auf sich gezogen, als sie eine Braut für den jungen Kaiser suchten.51 Mit der Verbindung zum Kaiser kehren auch der Segen Gottes und der Wohlstand wieder in das Haus des Philaretos zurück. Nach dem Hochzeitsfest in Konstantinopel lädt Philaretos die Armen zu einem Mahl ein: Er ruft die Armen in den Portici zusammen – 100 an der Zahl: die Aussätzigen, Lahmen, Krüppel – und führt sie in sein Haus, wo schon der junge Kaiser wartete, und Philaretos verlangte von den Adeligen, dass sie die Armen bedienten.52
Die drei anderen Texte sind als Urkunden natürlich frei von solchen märchenähnlichen Zügen. Der Reichtum des Boilas erlaubt den Unterhalt von zwei Kirchen und die Freiheit und materielle Sicherung für eine Sklavin. Michel Attaleiates errichtet eine Herberge in Rhaidestos, und Georgios Pakourianos gründet ein Kloster, das als Bačkovo-Kloster bis heute existiert. Reichtum, so verwendet, kann kein Übel sein. VI. KEKAUMENOS UND DIE EINSCHÄTZUNG DES REICHTUMS Die Schlussfolgerungen, die aus dem Verhalten der vier Reichen gezogen werden können, sind keine moderne Interpretation. Wir treffen sie in Byzanz nicht nur in der theologischen oder mönchischen Literatur.53 Im 11. Jahrhundert, also der Zeit, in der drei reiche Grundeigentümer ihren Besitz an die Armen weitergaben, verfasste eine biographisch immer noch umstrittene Persönlichkeit aus der militärischen Landaristokratie mit dem Namen Kekaumenos ein Handbuch, das Ratschläge für den Umgang mit verschiedenen Personen und sozialen Schichten gab.54 51
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Ryden: The Life (wie Anm. 42), S. 28–32, verweist auf die erheblichen Unterschiede zwischen dem Lebenslauf des biblischen Hiob und Philaretos. Auch die Zahlen des Grund- und Sachbesitzes von Hiob und Philaretos sind gänzlich verschieden. Kaplan: Les hommes (wie Anm. 38), S. 364, weist darauf hin, dass das große Wohnhaus keinen verarmten Eindruck machte, als die kaiserlichen Boten kamen, und vermutet nicht zu Unrecht, dass der hiobähnliche „Ruin“ des Philaretos eine Erfindung des Verfassers der Vita, Philaretos’ Enkel Nikitas, war. Vielleicht wollte er vom eigenen Schicksal ablenken – er schrieb die Vita in der Verbannung – oder den Reichtum des Großvaters durch den erfundenen Sturz in die Verarmung rechtfertigen. Historisch sicher ist, dass die Vita als Quellentext für „Reichtum“ ebenso verwendet werden kann wie für dessen moralische Einschätzung. Ryden: The Life (wie Anm. 42), S. 92, lin. 537–96, lin. 600. Zu verweisen ist hier auf einen wichtigen Aufsatz von Antonio Carile: Ricchezza e povertà negli specula principum bizantini dal VI al X secolo, in: Angela de Benedictis (Hg.): Specula principum. Frankfurt 1999, S. 1–20; und wieder abgedruckt in: Ders.: Theologia politica bizantina. Spoleto 2008, S. 273–294. Die verschiedenen griechischen Ausgaben und ihre Übersetzungen sind in der Gliederung des Textes und der Zuweisung an einen Kekaumenos uneinheitlich. Derartige Fragen bleiben hier ausgeklammert. Die Zitate folgen der leicht erreichbaren Übersetzung von Hans-Georg Beck:
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Gleich im 2. Kapitel wendet er sich an die Richter: Nimm dich immer der Armen an. Der Reiche ist ja, wenn er Wohltaten spendet, der Gott der Armen.55 Der Reiche, der nichts von seinem Besitz abgibt, erfährt dagegen den Tadel des Autors: Der Reiche, von dessen Wandel und Vermögen der Evangelist berichtet, hat Lazarus nichts angetan. Aber er hat es verschmäht, ihm zu helfen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre.56 Doch nicht nur der Reiche hat die Pflicht, dem Armen zu helfen, auch wer nur über bescheidene Mittel verfügt: Gib ihm, wozu du in der Lage bist. Hilf ihm in der Bedrängnis und tröste ihn.57 Kekaumenos bringt auch eine der wenigen Stellen, an der Reichtum eine kritische Einschätzung erfährt, aber nicht gänzlich abgelehnt wird: Eine ansehnliche Dienerschaft ist etwas schönes, besser und wichtiger ist ein verständiger Mann auch ohne Reichtum. Ein Weiser hat ja gesagt: „Das Lösegeld des Mannes ist sein Reichtum.“ Das ist gut gesagt! Ich allerdings möchte sagen: Verfolgt wegen ihres Reichtums haben viele auch ihr Leben eingebüßt. Ich tadle den Reichtum nicht, aber Besonnenheit ziehe ich vor. Dann deckt sich, was wir mit ihr vollbringen, mit dem, was wir mit Gottes Hilfe tun. Zuerst müssen wir denken, dann erst ans Werk gehen!58
VII. ARME UND REICHE IM BARLAAM-ROMAN Zu Beginn desselben 11. Jahrhunderts wurde vom georgischen Mönch Euthymios ein einzigartiges Werk der Weltliteratur verfasst: die erbauliche Geschichte von Barlaam und Ioasaph, eine christliche Adaptierung des Lebens Buddhas.59 Das Werk hat viele Aspekte, die hier nicht einmal erwähnt werden können. Als Ganzes aber haben wir es mit einem Roman (im mittelalterlichen, nicht im modernen Sinne) zu tun, in dem die Welt des Luxus und des Reichtums der Armut entgegengestellt wird, die allein erstrebenswert ist, um des ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Die heute noch erhaltenen 219 Handschriften zeugen von der Beliebtheit dieses Buches und von seiner weiten Verbreitung.60 Daher kommt ihm auch eine zentrale Bedeutung bei, wenn man über die Ethik von reich und arm spricht. Einige
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Vademecum des byzantinischen Aristokraten. Das sogenannte Strategikon des Kekaumenos. Graz 1964. Der griechische Text ist in der Ausgabe von Vasilij Vasil’evskij/Viktor Jernstedt: Cecaumeni strategicon et incerti scriptoris de officiis regiis libellus. St. Petersburg 1896, erschienen. Beck: Vademecum (wie Anm. 54), c. 2, S. 23. Ebenda, c. 1, S. 22. Ebenda, c. 2, S. 23. Ebenda, c. 119, S. 93. Robert Volk (Hg.): Die Schriften des Johannes von Damaskos, VI, 1–2. Historia animae utilis de Barlaam et Ioasaph (spuria). Berlin 2009. Das Werk wurde im Allgemeinen Johannes von Damaskos zugeschrieben und erschien daher in der Ausgabe seiner Schriften, auch als der Herausgeber zweifelsfrei nachweisen konnte, dass der Text kein Werk des berühmten (letzten) Kirchenvaters ist. Sorgfältig aufgelistet und beschrieben von Volk (Hg.): Die Schriften, VI, 1 (wie Anm. 59), S. 240–495.
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Grundgedanken und Beispiele seien hier mit trockenen Worten herausgegriffen:61 Wegen des Reichtums und der Liebe zum Geld setzt sich der Mensch Mühen und Gefahren aus. Sterbe er, so bekomme er aber vom ganzen Reichtum nur schöne Leinentücher. Vielmehr solle der Reiche seinen Besitz verkaufen, um den Erlös den Armen zu geben, sodass er auf diese Weise einen Schatz im Himmel sammle. Die wahre Armut ist die Jagd nach dem Geld und der Drang, immer größere Reichtümer anzuhäufen. Ioasaph, der Königssohn, handelte nach diesen Maximen. Er verließ frohen Sinnes den königlichen Palast und verbrachte die erste Nacht im Haus eines armen Mannes, dem er seine wertvollen Kleider schenkte. Diese Sätze klingen, losgelöst aus dem Kontext, wie ein trockener Katechismus. Aber sie waren eingebettet in spannende Erzählungen über das Leben im fernen Indien, fast wie Tausendundeine Nacht im christlichen Geist. So konnte man auch den Katechismus akzeptieren, und noch besser, wenn er mit Bildern versehen war, wie in einer Athoshandschrift aus dem späten 11. Jahrhundert: eine Luxushandschrift, die die Armut Lügen straft.62 VIII. DAS SPÄTE BYZANZ Nach diesem Ausflug in die Welt des Hörens, Lesens und Sehens kehren wir wieder zur historischen Realität zurück. Das Jahr 1204 hat die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Mittelmeerwelt und insbesondere des byzantinischen Reiches tief greifend verändert. Das byzantinische Reich verkleinerte sich, es entstanden neue Städte, und die Menschen lebten insgesamt näher zusammen. Die großen (und reichen) Familien des Reiches waren fast ausnahmslos verwandtschaftlich miteinander verbunden.63 Reichtum wird, in bestimmten Schichten, nicht nur als selbstverständlicher Teil des Lebens betrachtet, sondern als eine soziale Notwendigkeit, die die Besitzenden von den andern deutlich abtrennt. So sagt Theodoros Metochites, der es sich erlauben konnte, sich wegen seiner intellektuellen und politischen Verdienste um den Staat auf eine Ebene mit den Herrschenden zu stellen,64 im Gedicht auf seinen Palast (der bei seiner Absetzung 1328 geplündert wurde): Es waren (im Hause) Gegenstände in Gold und Silber, wertvolles Geschirr für Speisen und Getränke, silberne Behältnisse zum Waschen von Händen und Füßen, und Sonstiges, was wir 61 62
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An dieser Stelle sind, um den Beitrag nicht zu überlasten, nur die Hauptgedanken einiger Kapitel erwähnt, hier besonders aus Kap. 13 und Kap. 37. Es gibt aber kaum eines der vierzig Kapitel, in dem der Gegensatz Reichtum/Armut nicht erscheint. Es handelt sich um die (aller Wahrscheinlichkeit nach im 11. Jahrhundert in Konstantinopel entstandene) Handschrift Iviron 463. Eine große Anzahl an Miniaturen findet sich in farbiger Wiedergabe bei Stylianos Pelikanides u. a. (Hg.): Οἱ θησαυροὶ τοῦ Ἁγίου Ὄρους, Bd. 2. Athen 1975, Abb. 53–132. Aufschluss darüber geben Averkios Th. Papadopulos: Versuch einer Genealogie der Palaiologen 1259–1453. München 1938; Donald M. Nicol: The Byzantine Family of Kantakuzenos (Cantacuzenus) ca. 1100–1460. Washington 1968; sowie Erich Trapp (Hg.): Prosopographisches Lexikon der Palaiologenzeit. Wien 1976–1996. Zur Person siehe Trapp (Hg.): Prosopographisches Lexikon (wie Anm. 63), Nr. 17982.
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Peter Schreiner Reiche und Mächtige zum Leben brauchen, die wir herrlich und reich leben im Vergleich zu den andern, unseren gleichstämmigen Mitbürgern und dem besitzlosen, einfachen Volk.65
Nicht nur wegen der sozialen Unterschiede, auch wegen der engen familiären Beziehungen der herrschenden Familien entstanden Spannungen, die seit 1321 zu einer mehr als dreißigjährigen Periode von Bürgerkriegen, den ersten ihrer Art in der byzantinischen Geschichte, führten und alle Schichten der Bevölkerung berührten. Vor diesem Hintergrund ist der letzte Text zu sehen, der hier vorgestellt werden soll. Er trägt den Titel: Dialog zwischen den Reichen und den Armen. Im Untertitel zeigt sich der rhetorisch-fiktive Charakter: Was die Armen den Reichen sagen würden und was die Reichen den Armen antworten würden.66 Er wurde 1343 von Alexios Makrembolites verfasst, der zum Kreis um den Gegenkaiser Johannes Kantakuzenos – dieser selbst einer der reichsten Männer seiner Zeit – gehörte.67 Ein Jahr vorher brach in Thessalonike ein Aufstand aus, der von den Reichen gelenkt wurde, aber die Unterschichten als Träger hatte.68 Die Zeit schien also reif zu sein für eine ernsthafte Diskussion. Auch andere Persönlichkeiten des politischen und religiösen Lebens (Thomas Magistros, Patriarch Athanasios, Nikephoros Choumnos, Nikolaos Kabasilas) verschwiegen in ihren Schriften nicht die sozialen Gegensätze. Der Dialog ist alles andere als eine Brandrede. Die in Byzanz eher ungewöhnliche literarische Form ahmt den platonischen Dialog nach. Der Inhalt verrät an einigen Stellen, dass der Verfasser Platons Staat und die Nikomachische Ethik des Aristoteles kannte. Wortführer des Dialoges sind die Armen, die neun Zehntel des Textes bestreiten, aber ihre Forderungen sind nicht neu.69 Wir kennen sie aus den Schriften der Väter, den Predigten, den Sprichwörtern, den Ratschlägen des Kekaumenos und besonders dem Barlaam-Roman. Allein die Dialogform wirkt lebendiger und konkreter, nicht ohne eine gewisse Aggressivität: Ihr braucht (sagen die Armen) Luxus (tryphe) zum Essen, wir nur Nahrung (trophe), was uns nur zu sehen erlaubt ist, verzehrt ihr gierig, was uns die Trauben bedeuten, sind für euch die 65
Rudolph Guilland: Le palais de Theodore Métochite, in: Revue des Études Grecques 35 (1922), S. 82–95, hier 88, lin. 137–140; vgl. auch Jeffrey M. Featherstone (Hg.): Theodorre Metochites’s Poems ‘To Himself‘. Wien 2000, Poem XIX, S. 118 (vv. 138–140). 66 Ihor Ševčenco: Alexios Makrembolites and his „Dialogue between the rich and the poor“, in: Zbornik radova 6 (1960), S. 187–228 (griechischer Text, englische Übersetzung und Erläuterungen); italienische Übersetzung mit griechischem Text (nach der Ausgabe von Ševčenco) und reichem Anmerkungsapparat: Marco di Branco (Hg.): Alessio Macrembolite: Dialogo dei ricchi e dei poveri. Con una nota di Bertrand Hemmerdinger, postfazione di Gianfranco Fiaccadori (La città antica 30). Palermo 2007. 67 Günter Weiss: Johannes Kantakuzenos – Aristokrat, Staatsmann, Kaiser und Mönch – in der Gesellschaftsentwicklung von Byzanz im 14. Jahrhundert. Wiesbaden 1969, bes. S. 21 f. (zu den Zahlenangaben des Johannes Kantakuzenos über seinen Viehbestand). 68 Zu diesem umfangreich und kontrovers diskutierten Aufstand siehe die sehr ausgewogene Darstellung von Klaus-Peter Matschke: Thessalonike und die Zeloten, in: Byzantinoslavica 55 (1994), S. 19–43. 69 Eine sozio-theologische Untersuchung unternahm Demetrios G. Magriples: Κοινωνιολογικές προσεγγίσεις της βυζαντινής ιστορίας. Διαπιστώσεις μέσα από τη μελέτη του „Διαλόγου πλουσίων και φτωχών“ του Αλεξίου Μακρεμβολίτης (ιδ’ αιώνας), in: Βυζαντινός Δόμος 15 (2006), S. 107–124. Der Verfasser beachtet den imitatio-Charakter des Traktates zu wenig und gewichtet den Text zu stark als neuartige und relevante soziologische Quelle.
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Weinberge, ihr trinkt parfümierten Wein aus goldenen Bechern, wir geschmacklosen Wein aus Tonkrügen, ihr habt prächtige Kleider aus Goldbrokat, wir Kleider aus Tierhaaren, ihr habt Delikatessen und Leckerbissen zur Verfügung, wir Brot, das eigentlich keines ist, und gesalzenen Fisch.70
Es fehlen auch nicht Vorschläge, die Situation zu verbessern. Vielleicht ist dies das einzig Neue an diesem Dialog. Die Lösung besteht in einer materiellen und gesellschaftlichen Annäherung der beiden Schichten: Die Reichen dürfen reich bleiben, wenn sie die Armen etwas reicher machen. Für die Überwindung des sozialen Gegensatzes weiß der Verfasser ebenfalls einen Rat: Es sollte sein, dass ein armes Mädchen einem Reichen zur Braut gegeben wird und umgekehrt. Wenn dieses geschähe, verschwände die Armut, weil, wie ich glaube, sie nur deshalb so sehr das Leben beherrscht, weil sich immer Ähnliches mit Ähnlichem verbindet, während die Vermischung der Gegensätze in unerwarteter Weise das rettende Mittelmaß hervorbrächte.71
Unter diesen Prämissen ist der vieldiskutierte Dialog kaum anders als ein utopischer Traktat einzuschätzen. Elf Jahre nach der Abfassung dieses Dialogs überschreiten die Türken die Dardanellen und dringen nach Thrakien vor, 1369 wird Edirne erobert, 1372 wird Thessalonike belagert. Es gibt weiterhin Reiche und Arme in Byzanz, aber die gemeinsame Gefahr drängt die Gegensätze zurück.72 ZUSAMMENFASSUNG In großen Schritten wurde die gesamte Epoche des byzantinischen Reiches durchmessen, um die Einschätzung von arm und reich über einen langen Zeitraum hin betrachten zu können, in einer „Entwicklung“, die kaum diesen Namen verdient. Im Gegensatz zur heidnischen Welt der Antike (deren profaner Geist in Byzanz immer lebendig war) verbindet Arme und Reiche derselbe christliche Glaube, der auch eine Gleichheit unter den Menschen dieses Glaubens fordert. In erster Linie ist es Aufgabe des Herrschers als Stellvertreter Christi, diese Gleichheit durch gesetzliche Maßnahmen zu schützen. Die Armen haben in allen Gattungen der Literatur ihren festen Platz, und sie können fast immer der Sympathie ihrer Autoren und der Leser sicher sein. Die Kritik am Armen ist selten und nie genereller Art. In seiner moralischen Einschätzung steht er, wie das Beispiel des Barlaam-Romanes zeigt, weit über dem Reichen, den er am Ende zwingt, selbst arm zu werden. Der Reichtum und der Reiche werden aber nicht verdammt oder missachtet, vielmehr ist es ihre Pflicht, die Armut zu mildern. Es war an dieser Stelle nicht möglich, den römisch-lateinischen Westen mit einzubeziehen und die Armutsbewegung mit ähnli70 Ševčenco: Alexios Makrembolites (wie Anm. 66), S. 208, lin. 30–270, lin. 3. 71 Ebenda, S. 208, lin. 8–12. 72 In allgemeinen Notlagen verwischen diese Grenzen und werden so auch in der Literatur dargestellt. Ein Beispiel aus früherer Zeit: Angesichts der normannischen Erstürmung von Thessalonike (1185) sagt Eustathios von Thessalonike (La espugnazione di Tessalonica. Testo critico di Stilpon Kyriakidis. Palermo 1961, S. 124, lin. 9–12): Gehen wir nun in die Kirchen, sehen wir uns dort die Leute an, und fragen wir, wer unter ihnen arm und reich ist.
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chen Strömungen in Byzanz zu vergleichen. Byzanz ist in vielen Punkten eine eigene Welt, beherrscht von Orient und Antike. Aber in der ethischen Einschätzung von Armut und Reichtum stehen die beiden Welten auf der Basis des Christentums einander sehr nahe. In der Realität des Alltags war aber diese ethische Einschätzung nur Trost und brachte selten konkrete Hilfe.
v i e rt e l ja h r s c h r i f t f ü r s o z i a l u n d w i rt s c h a f t s g e s c h i c h t e – b e i h e f t e
Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0846
201. Markus A. Denzel Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914 2008. 581 S. und 1 Farbtaf., geb. ISBN 978-3-515-09292-0 202. Angelika Westermann Die vorderösterreichischen Montan regionen in der Frühen Neuzeit 2009. 384 S., kt. ISBN 978-3-515-09306-4 203. Gudrun Clemen Schmalkalden – Biberach – Ravensburg Städtische Entwicklungen vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit 2009. 393 S., kt. ISBN 978-3-515-09317-0 204. Stefan Krebs Technikwissenschaft als soziale Praxis Über Macht und Autonomie der Aachener Eisenhüttenkunde 1870–1914 2009. 472 S. mit 22 Abb. und 5 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09348-4 205. Markus A. Denzel / Margarete Wagner-Braun (Hg.) Wirtschaftlicher und sportlicher Wettbewerb Festschrift für Rainer Gömmel zum 65. Geburtstag 2009. 438 S. mit 33 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09373-6 206. Sabine von Heusinger Die Zunft im Mittelalter Zur Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Straßburg 2009. 662 S. mit 5 Abb., 30 Tab., 9 Zeichn. und CD-ROM ISBN 978-3-515-09392-7 207. Verena Postel Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter 2009. 189 S., kt. ISBN 978-3-515-09393-4 208. Beate Sturm
,wat ich schuldich war‘ Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750) 2009. 336 S. mit 46 Abb. und 18 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09431-3 209. Hendrik Mäkeler Reichsmünzwesen im späten Mittelalter Teil 1: Das 14. Jahrhundert 2010. 328 S. mit 13 Ktn., 3 Diagr. und 2 Münztaf., geb. ISBN 978-3-515-09658-4 210. Carla Meyer / Katja Patzel-Mattern / Gerrit Jasper Schenk (Hg.) Krisengeschichte(n) „Krise“ als Leitbegriff und Erzählmuster in kulturwissenschaftlicher Perspektive 2013. 432 S. mit 4 Abb. und 1 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09659-1 211. Volker Ebert / Phillip-Alexander Harter Europa ohne Fahrplan? Anfänge und Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957–1985) 2010. 278 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09693-5 212. Volker Ebert Korporatismus zwischen Bonn und Brüssel Die Beteiligung deutscher Unternehmensverbände an der Güterverkehrspolitik (1957–1972) 2010. 452 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09692-8 213. Markus A. Denzel / Jan de Vries / Philipp Robinson Rössner (Hg.) Small is Beautiful? Interlopers and Smaller Trading Nations in the Pre-industrial Period Proceedings of the XVth World Economic History Congress in Utrecht (Netherlands) 2009 2011. 278 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09839-7 214. Rolf Walter (Hg.)
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Globalisierung in der Geschichte Erträge der 23. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 21. März 2009 in Kiel 2011. 273 S. mit 29 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09851-9 Ekkehard Westermann / Markus A. Denzel Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 2011. 526 S. mit 1 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09899-1 Frank Steinbeck Das Motorrad Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft 2011. 346 S. mit 17 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10074-8 Markus A. Denzel Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungs verkehr (1621–1827) 2012. 341 S. mit 24 Abb. und 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10135-6 Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477) 2012. 352 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10132-5 Philipp Robinson Rössner Deflation – Devaluation – Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation 2012. XXXIII, 751 S. mit 39 Abb. und 22 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10197-4 Michaela Schmölz-Häberlein Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts 2012. 405 S. mit 2 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10239-1 Veronika Hyden-Hanscho Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730 2013. 410 S. mit 20 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10367-1 Volker Stamm Grundbesitz in einer spätmittel alterlichen Marktgemeinde Land und Leute in Gries bei Bozen 2013. 135 S. mit 5 Abb. und 2 Tab., kt.
ISBN 978-3-515-10374-9 223. Hartmut Schleiff / Peter Konecny (Hg.) Staat, Bergbau und Bergakademie Montanexperten im 18. und frühen 19. Jahrhundert 2013. 382 S. mit 13 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10364-0 224. Sebastian Freudenberg Trado atque dono Die frühmittelalterliche private Grundherrschaft in Ostfranken im Spiegel der Traditionsurkunden der Klöster Lorsch und Fulda (750 bis 900) 2013. 456 S. mit 101 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10471-5 225. Tanja Junggeburth Stollwerck 1839–1932 Unternehmerfamilie und Familienunternehmen 2014. 604 S. mit 92 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10458-6 226. Yaman Kouli Wissen und nachindustrielle Produktion Das Beispiel der gescheiterten Rekonstruktion Niederschlesiens 1936–1956 2014. 319 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10655-9 227. Rüdiger Gerlach Betriebliche Sozialpolitik im historischen Systemvergleich Das Volkswagenwerk und der VEB Sachsenring von den 1950er bis in die 1980er Jahre 2014. 457 S. mit 28 Abb. und 42 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10664-1 228. Moritz Isenmann (Hg.) Merkantilismus Wiederaufnahme einer Debatte 2014. 289 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10857-7 229. in Vorbereitung 230. in Vorbereitung 228. Moritz Isenmann (Hg.) Merkantilismus Wiederaufnahme einer Debatte 2014. 289 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10857-7 231. Gabriela Signori (Hg.) Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (gest. 1518) 2014. 126 S. mit 6 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10691-7
Wie wurde in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des späten Mittelalters Reichtum reflektiert, auf welchen Wertvorstellungen beruhte das Nachdenken über den materiellen Überfluss und wer machte welche Ideen für sich nutzbar? Dem Sammelband, der auf eine von der Fritz Thyssen Stiftung finanzierte Tagung am Deutschen Studienzentrum in Venedig zurückgeht, liegt die Annahme zugrunde, dass sozial-ökonomische und ethisch-kulturelle Konstellationen in der Wahrnehmung des Reichtums einander bedingen, letztere also nicht nur regionale Unterschiede aufweisen kann, son-
dern auch von historischen Wandlungsprozessen bestimmt ist. Mit dem späten Mittelalter richtet sich der Fokus auf eine Zeit, in der sich die kommerzielle Revolution vollzog und die Schere zwischen Arm und Reich neu zur Debatte stand. Ein international zusammengesetztes Autorenteam untersucht an unterschiedlichen Beispielen den Umgang mit Reichtum auf den eng miteinander verzahnten Ebenen der politischen Theorie, der ethischen Norm und der sozialen Praxis. Es bietet so neue Blickwinkel auf ein Forschungsfeld, dessen Diskussion im 21. Jahrhundert von zentraler Bedeutung ist.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
isbn 978-3-515-10943-7