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Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 42 April 2016 · Leipzig
Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Nr. 42
14. - 16. April 2016, Leipzig
Herausgegeben von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung
Aktiv Druck & Verlag GmbH
Refresher Course Nr. 42 April 2016 · Leipzig
Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) Präsident: Prof. Dr. med. Frank Wappler Klinikum der Universität Witten/Herdecke - Köln Klinik für Anästhesiologie und operative lntensivmedizin Abteilung für Kinderanästhesie Kliniken der Stadt Köln gGmbH Ostmerheimer Str. 200 51109 Köln Internet: www.daaf.de
ISSN 1431-1437 ISBN 978-3-932653-47-6 Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach Aktuelles Wissen für Anästhesisten: Refresher Course / hrsg. von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung. ISSN 1431-1437 Nr. 42, April 2016, Leipzig - (2016) ISBN 978-3-932653-47-6 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nurauszugsweiserVerwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. 0
Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach 2016 http://www.aktiv-druck.de Printed in Germany
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinn der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
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Geleitwort Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet. Alan C. Kay (*1940)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Kongressmotto der 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin (DGAI) in Leipzig lautet:
gefasst. Hiermit möchten wir allen interessierten Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben die einzelnen Themen nochmals in Ruhe nachzulesen und deren Inhalte zu vertiefen.
AINS 2.0 - die Zukunft gestalten!
In Ergänzung zu den etablierten Veranstaltungen und Repetitorien der DAAF - stellt der Refresher Course auf dem DAC ein wichtiges Instrument der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Sinne der Continuing Medical Education (CME) dar (s. a. www.DAAF.de).
Grundlagen hierfür sind unter anderem die Wissensvermittlung und -vertiefung um eine Weiterentwicklung unseres Faches zu ermöglichen. Diesem Ziel möchten wir uns auch in diesem Jahr im Rahmen der Refresher Courses der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) intensiv widmen. Die Themen des nunmehr 42. Refresher Courses der DAAF werden von namhaften Expert(inn)en in neun Sitzungen auf dem diesjährigen Deutschen Anästhesie Congress (DAC) vorgetragen und mit Ihnen diskutiert. Die Refresher Courses widmen sich dabei dem gesamten Spektrum unseres Fachgebietes und bieten ein praxisorientiertes Update in der klinischen Anästhesie, der Intensiv- und Notfallmedizin sowie der Schmerztherapie und Palliativmedizin. Hierbei sollen jedoch nicht nur bekannte Fakten in Basisreferaten wiederholt, sondern auch neue Erkenntnisse und Konzepte in den Spezialthemen vermittelt und vertieft werden. Neben den Vorträgen auf dem DAC haben wir die Beiträge der Refresher Courses in dem vorliegenden Buchband zusammen-
Unser besonderer Dank gilt den Referent(inn)en und Autor(inn) en sowie den Gutachtern, die sich neben ihren vielfältigen klinischen Verpflichtungen die Mühe gemacht haben, einen aktuellen Überblick über die Entwicklungen unseres Fachgebietes herauszuarbeiten und somit maßgeblich zur Wissensvermittlung beitragen. Wir wünschen den Leser(inne)n viel Freude mit dem diesjährigen Refresher Course Band und hoffen, dass die ausgewählten Themen ihr Wissen mit hilfreichen Informationen bereichert und die Gestaltung der Zukunft erleichtert.
Prof. Dr. med. Frank Wappler - Präsident der DAAF -
Prof. Dr. med. Udo X. Kaisers - Vizepräsident der DAAF -
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1nhaltsverzeichn is
Anästhesie 1 Grundlagen der Kreislauftherapie M . Henrich ............................................................... 1
Patienten mit Vitium cordis und nicht-kardiochirurgischem Eingriff M. Müller ................................................................ 15
Anästhesie II Grundlagen der Kinderanästhesie M. Jöhr ................................................... ............. .. . 25
Kontroversen in der Kinderanästhesie H. Bürkle ............... ................................................. 37
Anästhesie III Grundlagen der Beatmung J. Spaeth · S. Schumann ...... ...................... ........ ...... .... 47
Perioperative Versorgung des pulmonalen Risikopatienten H . Mutlak ............................................................... 61
Anästhesie IV Grundlagen der lnfusionstherapie N. Hulde · M. Rehm .................................................. 73
Der individualisierte Transfusionstrigger M. Welte ................................................................ 83
lntensivmedizin 1 Perioperative Störungen der Nierenfunktion M. Meersch · A. Zarbock ............................................ 95
Nierenersatztherapie A. Jörres ................................ ............................... . 101
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lntensivmedizin II Pathophysiologie der Sepsis H. Gerlach ............................................................. 11 1
Lebensqualität nach lntensivtherapie H.-G. Bone ............................................................ 119
lntensivmedizin III Pathophysiologie des Lungenversagens U. Gottschaldt · A. W. Reske ...................................... 127
Lungenersatzverfahren C. Lotz · R. M. Muellenbach .................................. . ... 145
Notfallmedizin 1 lnnerklinische Notfallversorgung S. Seewald· J. Wnent · T. Jantzen · J.-T. Gräsner .............. 157
Reanimation von Schwangeren K. Becke ............................................................... 163
Schmerztherapie 1 Palliativmedizinische Konzepte in der lntensivmedizin der Patientenwille als Maßstab M. Deja · A. Emmerich · C. Denke .............................. 173
Notarzt und Palliativmedizin M. Roessler · N. Eulitz .............................................. 181
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Verzeichnis der Erstautoren Recke K., Dr. Abteilung für Anästhesie und lntensivmedizin Cnopf'sche Kinderklinik St. Johannis-Mühlgasse 9, 90419 Nürnberg Bone H.-G., Prof. Dr. Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative lntensivmedizin Knappschaftskrankenhaus Dorstener Str. 151, 45657 Recklinghausen Bürkle H., Univ.-Prof. Dr. med. Ärztlicher Direktor Anästhesiologische Universitätsklinik Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Deja M., Prof. Dr. Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative lntensivmedizin CC 7: Anästhesiologie und lntensivmedizin Charite - Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin
Gerlach H., Prof. Dr. Klinik für Anästhesie, operative lntensivmedizin und Schmerztherapie Vivantes Klinikum Neukölln Rudower Str. 48, 12351 Berlin
Gräsner J.-T., PD Dr. Ärztlicher Leiter Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Anästhesiologie und Operative lntensivmedizin Campus Kiel - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel Henrich M., Prof. Dr. Dr. Klinik für Anaesthesie und Operative lntensivmedizin St. Vincentius-Kliniken gAG Karlsruhe Steinhäuserstr. 18, 76137 Karlsruhe Jöhr M., Dr. Institut für Anästhesie Chirurgische lntensivmedizin und Schmerztherapie Kantonspital Luzern 6000 Luzern 16 (Schweiz)
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Jörres A., Prof. Dr.
Weite M., Prof. Dr.
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und lnternistische lntensivmedizin CC 13: Innere Medizin mit Gastroenterologie und Nephrologie Charite - Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative lntensivmedizin Klinikum Darmstadt Grafenstr. 9, 64283 Darmstadt
Muellenbach R., PD Dr. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie Universitätsklinikum Würzburg Zentrum Operative Medizin Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Würzburg
Mutlak H., Dr. Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, lntensivmedizin und Schmerztherapie Universitätsklinikum Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt/Main
Müller M., Prof. Dr. Leiter der Sektion Kinder-Kardioanästhesie Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Feulgenstr. 10-12, 35392 Gießen
Rehm M., Prof. Dr. Klinik für Anästhesiologie LMU Klinikum der Universität München Marchioninistr. 15, 81377 München
Reske A., PD Dr. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Leipzig AöR Liebigstr. 20, 04103 Leipzig
Roessler M., PD Dr. Klinik für Anästhesiologie Universitätsklinikum Göttingen Robert-Koch-Str. 40, 37099 Göttingen Späth J., Dr. Klinik für Anästhesiologie und lntensivmedizin Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg
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Zarbock A., Prof. Dr. Klinik für Anästhesiologie, operative lntensivmedizin und Schmerztherapie Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1, 48149 Münster
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Grundlagen der Kreislauftherapie Basics of circulation therapy M. Henrich
Zusammenfassung Die Situation der arteriellen Hypotonie erfordert eine schnelle Entscheidung darüber, welche Ursachen dem zugrunde liegen und welche Therapie eingesetzt wird. Messparameter der Hämodynamik müssen in diesen Situationen richtig interpretiert werden, um erfolgreich handeln zu können. Ziel der Akuttherapie muss es sein, die Mikrozirkulation und das Sauerstoffangebot (00 2 ) für die Organe aufrecht zu halten. Voraussetzung ist eine ausreichende Myokardfunktion, die verschiedenen physiologischen Regulationsmechanismen unterliegt. Neben seiner autonomen Pumpfunktion wird das Myokard von extern durch zirkulierende Modulatoren und vegetative efferente Nervenfasern gesteuert. Parasympathische Fasern bestimmen in Ruhe Herzfrequenz (HF) und lnotropie durch Freisetzung von Acetylcholin, das muskarinerge M2Rezeptoren aktiviert. Unter Belastung schütten sympathische Nervenfasern hauptsächlich Noradrenalin aus, das über adrenerge ßl-Rezeptoren positiv chrono- und inotrop wirkt. Neben den hämodynamischen Messparametern Blutdruck, HF und Zentraler Venendruck (ZVD), werden weitere Messparameter mittels der Pulskonturanalyse erhoben: dazu gehören Herzzeitvolumen (HZV) und systemischer Gefäßwiderstand (SVR) sowie als dynamische Vorlastparameter die Variation des Schlagvolumens (SSV), des Pulsdrucks (PPV) und des systolischen Blutdrucks (SPV). Mittels der dynamischen Vorlastparameter können bei beatmeten Patienten Volumendefizite, die für eine Hypotonie verantwortlich sind, diagnostiziert werden. Zum Volumenausgleich sollten in erster Linie balancierte kristalloide Lösungen infundiert werden. Bei größerem Volumenmangel bieten kolloidale Lösungen wie niedermolekulare HES- oder Albuminlösungen eine Option die Hämodynamik zu stabilisieren. Ist eine Katecholamintherapie notwendig, so sollte bei normaler Myokardfunktion primär mit Noradrenalin der mittlere arterielle Blutdruck (MAP) auf über 65 mmHg angehoben werden. Eine Steigerung der lnotropie sollte initial mit Dobutamin erfolgen, ggf. kann auch der Einsatz von Adrenalin oder Phosphodiesterase-lnhibitoren notwendig sein .
Schlüsselwörter: Myokardiale Kontraktilität - Ventrikuläre Schlagarbeit - Vorlastparameter - Systemische Hämodynamik - Katecholamine
Summary In situations with arterial hypotension an immediate decision has to be made about its cause and appropriate therapy. In a brief period the clinician has to interprete precisely varying
Grundlagen der Kreislauftherapie · M. Henrich
hemodynamic parameters for subsequent effective acting. The main goal of an acute intervention is to maintain the microcirculation and the adequate oxygen supply (002 ) of vital organs. To achieve this one precondition is a sufficient cardiac function that underlies several physiological regulation mechanisms. Beside its autonomous function as a pump, the myocard is controlled via extrinsic modulators either by circulating hormones or by efferent vegetative nerve fibres. During resting conditions heart rate and contracti1ity are mainly determined by parasympathetic nerve fibres which release acetylcholine that activates muscarinic M2-receptors. Under physical effort sympathetic nerve fibres become more active and release the neurotransmitter noradrenaline that has positive inotropic and chronotropic effects by activation of ß1-adrenoceptors. Nowadays there exist numerous hemodynamic monitoring parameters. Beside the well-known parameters blood pressure, heart rate and central venous pressure the arterial pulse contour analysis yields cardiac output, peripheral vascular resistance and furthermore the dynamic parameters variation of stroke volume, pulse pressure and systolic pressure. The latter dynamic parameters correspond to cardiac pre-load that enable in mechanical ventilated patients to diagnose volume deficiency which is responsible for a present arterial hypotension. In the first instance for volume replacement it is recommended to apply balanced crystalloid solutions. During pronounced volume deficiency the application of colloidal solutions is a further option to achieve hemodynamic stability. For this indication low molecular HES solutions or albumin solutions are preferred. When vasopressor therapy is required and assuming normal myocard function the application of noradrenaline is the first choice to raise mean arterial pressure (MAP) above 65 mmHg. To initially ameliorate inotropic function the use of dobutamine is recommended, if necessary adrenaline or phosphodiesterase inhibitors can be administered.
Keywords: Myocardial Contractility - Ventricular Stroke Work - Preload Parameter - Systemic Hemodynamics - Catecholamines
Einleitung Anästhesisten werden regelmäßig mit veränderten Kreislaufverhältnissen konfrontiert, bei denen sie schnell entscheiden müssen, ob diese einer Therapie bedürfen. Diese Entscheidung kann nur gefällt werden, wenn Ärzten Grundkenntnisse der Kreislaufregulation sowie deren pathophysiologische Prozesse
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bekannt sind und sie darüber hinaus die Parameter des Standardmonitorings richtig interpretieren können. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel einen Überblick über die wichtigsten Regelmechanismen des Kreislaufs, des hämodynamischen Monitorings und der momentan gültigen therapeutischen Interventionsmöglichkeiten zu geben.
Physiologische Grundlagen der Kreislaufregulation Das Hauptziel der Kreislaufregulation ist es, den Blutfluss in der Makro- und Mikrozirkulation so zu steuern, dass dem jeweiligen Bedarf entsprechend das Substrat- und Sauerstoffangebot (D0 2) an die Organe gewährleistet wird. Diese Aufgabe erfordert eine Regulation des Herzzeitvolumens (HZV) über Veränderung der Herzfrequenz (HF) und des Schlagvolumens (SV). Arteriolen steuern zusätzlich die Perfusion des Kapillarbettes durch Änderung ihres Gefäßtonus, für diese Aufgabe unterliegen sie extrinsischen und intrinsischen Modulationsmechanismen.
Physiologie des Myokards Die Kontraktilität des Myokards und der mechanische Herzzyklus Das adulte Herz des Menschen wiegt ca. 250-350 g und pumpt während des gesamten Lebens durchschnittlich 200 Millionen Liter Blut. Für diese enorme Pumpleistung ist das ca. 12 cm lange und 9 cm breite, konisch geformte Herz perfekt konstruiert. An der Grenze zwischen Vorhöfen und Ventrikeln befindet sich der Annulus fibrosus, eine ringförmige Bindegewebestruktur, die als mechanische Herzbasis dient; an seiner oberen Fläche sind die Vorhöfe, an der unteren Fläche die Ven-
trikel verankert. Weiterhin dient die Herzbasis als elektrische Isolation zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln, sie hat vier Aperturen, die mit den Herzklappen versehen sind.
Der mechanische Heruyklus besteht aus vier Phasen unterschiedlicher Dauer, essentiell ist die synchrone Aktivität der beiden Ventrikel. Das Blut fließt über die Trikuspidalklappe in den rechten Ventrikel (RV), der an seiner Vorderwand eine Muskelstärke von nur ca. 0,5 cm aufweist und dem Ventrikelseptum angeheftet ist. Der RV pumpt während der Systole das Blut über die Pulmonalklappe in die Pulmonalstrombahn, dabei nähert sich die Vorderwand des RV dem Septum an. Aufgrund seiner geringen Muskelmasse kann der RV nur geringe Erhöhungen des pulmonalarteriellen Widerstandes kompensieren, was unter pathophysiologischen Bedingungen, wie z.B. einer Lungenarterienembolie, rasch eine rechtsventrikuläre Dekompensation zur Folgen haben kann. In den linken Vorhof strömt das Blut aus den Lungenvenen und wird über die Mitralklappe an den linken Ventrikel (LV) weitergeleitet. Der LV hat eine konische Form und pumpt das Blut durch Reduktion von Durchmesser und Länge über die Aortenklappe in die Aorta ascendens. Die Kontraktion der Ventrikel wird in vier unterschiedliche Zyklusintervalle unterteilt. In der Diastole sind Vorhöfe und Ventrikel entspannt, die Ventrikeldiastole dauert ca. 2/3 der Gesamtzeit des kardialen Zyklus und bietet in Ruhe hinreichend Zeit für die Ventrikelfüllung. Da sich auch die Vorhöfe in der Diastole befinden, fließt das Blut passiv aus den großen Venen in die Ventrikel. Dies führt zu einer schnellen initialen Füllungskurve, in der das Volumen im Ventrikel schon zunimmt aber der Druck noch sinkt (Abb. 1).
Abbildung 1 a)
b)
Ejektionsphase
+-
120
PRSW (Kontrolle) Aortenklappe schließt
80
Aortenklappe öffnet
isovolumetrische Relaxation
1
◄ Schlagvolumen
'f
•t
40
E )(
00
:i::
E
isovolumetrische Kontraktion
.s
passivee Compliancekurve
Mitral klappe öffnet
--+ Füllungsphase
0
40
Mitral klappe schließt
120
LVEDV(ml)
Blutvolumen (ml) a) Druck-Volumen-Zyklus des linken Ventrikels. b) Regression zwischen Schlagarbeit Preload Recruitable Stroke Work (PRSW) und LVEDV beim gesunden Herz (Kontrolle) und bei Herzinsuffizienz.
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Grundlagen der Kreislauftherapie · M. Henrich
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Bedingt wird die Ventrikelrelaxation einerseits durch das elastische Ventrikelmyokard, andererseits ist dies ein aktiver energieabhängiger Prozess. Erst wenn sich der Ventrikel seinem vollständig relaxierten Volumen annähert, verlangsamt sich die Füllung und der Ventrikeldruck steigt bei noch zunehmendem Volumen, verursacht durch den venösen Druck. Im letzten Drittel der Füllungsphase pumpen die Vorhöfe zusätzlich Blut in die Ventrikel. Die Vorhofkontraktion trägt in Ruhe bei jungen Menschen zu 10-20% der Ventrikelfüllung bei, der artriale Anteil an der Ventrikelfüllung steigt mit dem Alter und beträgt bei 80-Jährigen ca. 45%. Bei gesteigerter Herzfrequenz, wie z.B. unter körperlicher Belastung, verbleibt nicht genügend Zeit für eine passive Ventrikelfüllung, sodass in dieser Situation die Füllung durch die Vorhofsystole überwiegt. Am Ende der Ventrikeldiastole sind das enddiastolische Volumen (EDV, ca. 120 ml) und der enddiastolische Druck (EDP, wenige mmHg), erreicht (Abb. 1 & 2). Die enddiastolische Füllung bestimmt die Länge der Myokardfasern und ist somit ein Maß für die ventrikuläre Vorlast; sie ist abhängig von der Ruhe-Dehnungskurve des Ventrikelmyokards. Der Anstieg des kardialen Schlagvolumens mit zunehmendem enddiastolischem Volumen - ablesbar an der nichtlinearen Druck-Volumenkurve - wird als Frank-Starling-Mechanismus bezeichnet (Abb. 1). Er ist direkt von der ventrikulären Compliance und dem funktionsfähigen Myokard abhängig. Diese Druck-Volumen-Beziehung hat weitreichende klinische Konsequenzen, wenn z.B. die Frage aufkommt, ob der Patient von einer Flüssigkeitszufuhr oder einem Flüssigkeitsentzug profitiert oder eher medikamentös die lnotropie verbessert werden sollte. Die Ventrikelsystole (Gesamtdauer ca. 0,35 s, bei einer HF von 68/min) beginnt mit der isovolumetrischen Kontraktion, die ca. 0,05 s dauert. Sowie derVentrikeldruck den atrialen Druck übersteigt, schließen die AV-Klappen mit einem minimalen Blutrückfluss in die Vorhöfe. Bei geschlossenen Klappen steigen nun die Wandspannung und der Druck in der geschlossenen Kammer steil an. Ein Index für die myokardiale Kontraktilität ist die maximale Drucksteigerungsrate (dP/dtm..J: eine gesteigerte Kontraktilität manifestiert sich durch einen Anstieg der dP/dtmax während der isovolumetrischen Kontraktion. Allerdings beeinflussen Vor-, Nachlast, HF und eine myokardiale Hypertrophie die dP/dtmax· Die Beziehung von dP/dtmax zum linksventrikulären enddiastolischen Volumen (LVEDV) ist ein deutlich weniger lastabhängiger Index für die Kontraktilität als die alleinige Angabe der dP/dtmax· Als „Preload Recruitable Stroke Work" (PRSW) wird die lineare Beziehung zwischen der Schlagarbeit (Stroke Work) und dem LVEDV bezeichnet. Die Anstiegssteilheit des PRSW-Verhältnis ist ein linearer Index der myokardialen Kontraktilität, der weder von der Vorlast noch von der Nachlast beeinflusst wird (Abb. 1 b). Die Ejektionsperiode beginnt, wenn der Ventrikeldruck den Druck in der nachgeschalteten Aorta überschreitet und Aortenbzw. Pulmonalklappe öffnen. In einer initialen schnellen Ejektionsphase (ca. 0, 15 s) werden Dreiviertel des Schlagvolumens ausgeworfen. Diese Auswurfphase ist schneller als der Abfluss des Blutes in die Gefäße, sodass es zu einer kurzzeitigen
Grundlagen der Kreislauftherapie • M. Henrich
passageren Ansammlung des Blutes in den proximalen elastischen Arterien kommt, die dadurch gedehnt werden (Abb. 2). Die Wandspannung der elastischen Arterien führt zu einer Maximierung des systolischen Druckes. Mit zunehmender Dauer der Systole verringert sich die Ejektionsgeschwindigkeit des Blutes und das Blut fließt nun schneller aus den großen Arterien ab, was zum Abfall des Blutdruckes führt. Fällt der Ventrikeldruck ca. 2-3 mmHg unter den entgegen gerichteten arteriellen Druck, so schließen die Klappen und es entsteht eine kleine Inzisur in der arteriellen Druckkurve, der Dikrot'sche Punkt. Nach Schluss der Aortenklappe fällt der arterielle Druck graduell, während das Blut in die Peripherie abfließt. Auf der rechten Seite nimmt der Vorhof das Blut der beiden Hohlvenen auf, dessen charakteristischer Druckverlauf als zentraler Venendruck (ZVD) messbar ist und der Auskunft über den Füllungsdruck des rechten Ventrikels gibt (Abb. 2).
Autonomie und neuronale Kontrolle des Herzschlags Die Funktion des Myokards wird durch sympathische und parasympathische efferente Nervenfasern reguliert. Die Autonomie des Herzschlags wird von speziellen Schrittmacherzellen des Sinusknotens erzeugt, deren elektrische Impulse über den AV-Knoten verzögert via HIS-Bündel und Purkinje-Fasern das Ventrikelmyokard erreichen. Obwohl die eigenständige Herzaktion keine neuronale Steuerung benötigt, werden HF und Kontraktionskraft durch sympathische und parasympathische Nervenfasern reguliert. Die sympathischen Fasern entspringen den Rückenmarksegmenten Th1-Th5. Die paravertebralen Ganglien der rechten Seite innervieren die Schrittmacherzellen und beeinflussen so die HF, die Fasern der linken Seite variieren die Kontraktionskraft, u.a. durch eine direkte Innervation des Myokards. Die parasympathische Innervation erfolgt durch den Nervus vagus, dessen präganglionäre Fasern ihren Ursprung im Hirnstamm haben und in der Nachbarschaft zum Sinus- und AV-Knoten mit postganglionären Neuronen synaptisch verschaltet werden. Der rechte Nervus vagus innerviert hauptsächlich den Sinusknoten, der linke Nervus vagus den AV-Knoten. Auch unter Ruhebedingungen sind die autonomen Nervenfasern tonisch aktiv und modifizieren kontinuierlich die Aktivität der Schrittmacherzellen; es überwiegt die parasympathisch inhibitorische Komponente. Die sympathische Innervation erfolgt hauptsächlich durch Freisetzung von Noradrenalin, das an ß,-Adrenorezeptoren bindet (Abb. 3). Die Aktivierung der kardialen ß1 -Rezeptoren bewirkt einen Anstieg der HF (positiv chronotrop) und der Überleitgeschwindigkeit des AV-Knotens (positiv dromotrop), eine Reduktion der myokardialen Aktionspotenzialdauer, eine positive lnotropie und eine beschleunigte Relaxation des Myokards (positiv lusitrop). Ein wichtiger intrazellulärer Second-Messenger des ß1-Rezeptors ist cAMP, das durch die Adenylatzyklase generiert wird und dessen Abbau durch die Phosphodiesterase-111 (PDE-111) erfolgt. Die Effekte der parasympathischen Innervation werden überwiegend durch Bindung von Acetylcholin (ACh) an dem muskarinischen M2-
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Abbildung 2
Vorhofsystole
Ventrikeldiastole
Ventrikelsystole
Ventrikelfüllung
120
Aorta
80 00
:c
E _§_
-"' u
2
Cl
40
1 1 1
0 C:
'
1
1
Ventrikel
- - -.......- .......................... :': ........ {•••••••••••I. ..................................
120
EDV
QJ
E :, 0
i! :, äi
~
,,u
"5
-"'
-~
40 schnelle Ejektion
!!:
"' -"' ~
langsame Ejektion
~!.l.. . . . . . ...l........... } schnelle Füllung
langsame Füllung
0 R
p
T
EKG
Q
s
Druckverläufe in der Aorta, dem linken Ventrikel und im rechten Vorhof (ZVD) während des Herzzyklus. Charakteristische Kurve des ZVD: Druckanstieg während der Vorhofsystole; C-Welle Schluss der Trikuspidalklappe; X-Senke atriale Relaxation und Bewegung der Herzbasis während der Ventrikelsystole; V-Welle = Ventrikelsystole und dadurch verursachter venöser Rückstrom in den Vorhof; Y-Senke = Öffnung der Trikuspidalklappe mit schneller Entleerung des Vorhofs in den Ventrikel.
A-Welle
4
=
=
=
Grundlagen der Kreislauftherapie · M. Henrich
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Abbildung3 i/Na•)
Zellmembran
ATP AMP
Milri~on Enox1mon Koffein
cAMP
~ --1
~ProteinKinaseA
PDE-III
t
Kontraktionskraft
Intrazelluläre Signalkaskade für Noradrenalin (NA) und Acetylcholin (ACh) in Kardiomyozyten und kardialen Schrittmacherzellen. jil = ji1-Rezeptor; cAMP = zyklisches Adenosinmonophosphat; Gs = stimulierendes Guanosintriphosphat bindendes Protein; Gi = inhibierendes Guanosintriphosphat bindendes Protein; M2 = muskarinischer Acetylcholin-Rezeptor; PDE-111 = Phosphodiesterase-I11; PLB = Phospholamban;.SERCA = Sarkoendoplasmatische Retikulum ATPase; SR = Sarkoplasmatisches Retikulum.
Rezeptor vermittelt, wodurch die Adenylatzyklase inhibiert wird und der cAMP-Spiegel absinkt - hämodynamisch resultieren verminderte HF, reduzierte lnotropie sowie verlangsamte Relaxation und Überleitung (Abb. 3). Atropin, ein Inhibitor der muskarinischen Rezeptoren, hebt diese Effekte auf, was zum überwiegen der Sympathikuswirkung führt.
Systemische Hämodynamik Aufgabe der Hämodynamik ist es eine ausreichende Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der peripheren Organe und Gewebe zu gewährleisten. Die Hämodynamik stellt die Beziehung zwischen Blutdruck, Blutfluss und hydraulischem Widerstand dar. Vorrangiges Ziel ist es die Zirkulation zu optimieren, um genügend Sauerstoff den Zielzellen anzubieten. Das DO2 , (ml/min) an die Gewebe errechnet sich aus dem Produkt von HZV (I/min) und dem Sauerstoffgehalt des Blutes (C.O2 , ml/dl), wobei letzteres wie folgt errechnet werden kann: c.O 2 (ml/dl)=1,34xHbxS.O2 +0,003 1 xp.O 2; Hb=Hämoglobin, s.O 2 =arterielle Sauerstoffsättigung, P.O2 = arterieller Sauerstoffpartialdruck, 1,34 = Hüfner'sche Zahl (theoretisch 1,39, unter klinischen Bedingungen 1,34). Das HZV ist proportional zum mittleren arteriellen Druck (MAP) und dem ZVD und umgekehrt proportional zum totalen systemischen Gefäßwiderstand (SVR). HZV=(MAP-ZVD)/SVR (I/min). Vereinfacht für die tägliche klinische Situation kann das HZV aus der HF und dem SV berechnet werden: HZV = SVx HF (I/min).
Grundlagen der Kreislauftherapie • M. Henrich
Der MAP ist für die Organperfusionen der entscheidende Druck; er liegt, bedingt durch die längere Dauer der Diastole, näher am diastolischen Druck und lässt sich einfach berechnen: MAP = pdiast + (P,y, - pdi..)/3 • Die Bernoulli-Gleichung beschreibt das Modell der Hämodynamik noch präziser: sie berücksichtigt zusätzliche ~rameter wie die Druckenergie (DruckxVolumen), die Gravitationsenergie sowie die kinetische Energie des fließenden Blutes. Mechanische Energie einer Bluteinheit=(P+ pgh+pv-)/2; P= Druck, h = Höhe über dem Herz, g= Erdbeschleunigung, p=Blutdichte; v2 =Quadrat der Flussgeschwindigkeit. Mit diesem Modell können z.B. Fluss und Druckdifferenzen in stenosierten Arteriolen beschrieben werden.
Der Blutfluss in den einzelnen Gefäßabschnitten ist abhängig von Durchmesser und Elastizität der Gefäße. Die Flussprofile des Blutes unterscheiden sich deutlich zwischen einzelnen Gefäßabschnitten: so ist der Fluss in großen Gefäßen laminar mit einer parabelförmigen Konfiguration der Flussgeschwindigkeiten im Gefäßlumen, die eine maximale Flussgeschwindigkeit im Gefäßzentrum aufweist. Die marginalen Plasmaschichten üben dabei Scherkräfte auf das darunter liegende Endothel aus und induzieren in den Endothelzellen die Sekretion vasoaktiver Substanzen wie z.B. NO. In Kapillaren (5-6 µm Durchmesser) werden die Erythrozyten während ihrer Passage deformiert und strömen nur noch als Einzelstrang hintereinander.
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Abbildung4
150 b0 I
E
E.
..,,, u
2
~
100
::,
iii
ascendens
thoracica
abdominalis
A.iliaca
A. femoralis
Aorta Veränderung der Blutdruckkurve im Verlauf des arteriellen Gefäßsystems.
Die arterielle Pulswelle hat eine charakteristische Form, deren Konfigurationsänderung diagnostische Aussagen zulässt, wie z.B. bei Volumenmangel, Aorteninsuffizienz oder -stenose (Abb. 4). Sie entsteht durch die Ejektion des Blutes aus dem LV in die elastische proximale Aorta. Da dies schneller erfolgt als der Abfluss des Blutes, steigt der Blutdruck während der frühen Systole steil an und ca. 70-80% des SV werden kurzzeitig in der elastischen Aorta gespeichert. Die Aorta erfährt dadurch eine Dehnung bzw. Volumenzunahme. Ihre Distension ist abhängig von der Elastance (passive Dehnbarkeit) der Aortenwand, die durch elastische Fasern bedingt ist und die mechanische Energie der Systole in potentielle Energie umwandelt. Der Blutdruckanstieg und der Pulsdruck sind somit direkt abhängig von der Dehnbarkeit der Arterien (Compliance) und dem SV. Definiert ist die arterielle Compliance als das Verhältnis der Volumenänderung zur Blutdruckänderung. Die in den elastischen Fasern der Aorta gespeicherte potenzielle Energie verursacht ein Retraktionsbestreben, das als Windkesselfunktion in der Diastole den rhythmischen pulsatilen Blutstrom in einen gleichmäßigen Volumenstrom umwandelt. Mit zunehmendem Alter führt der Arterienwandumbau zu einer vermehrten Einlagerung von Kollagenfasern anstelle der elastischen Fasern. Dieser Umbauprozess reduziert die Compliance und die Windkesselfunktion, mit gleichzeitiger Zunahme des Gefäßwiderstandes (Impedanz). Folglich muss das Myokard bei älteren Menschen mehr Arbeit leisten. Am Ende der Systole bewirkt der rückwärtsgerichtete Druck in der Aorta den Aortenklappenschluss. Dadurch entsteht die charakteristische Inzisur in der Pulskurve, gefolgt von einer kurzen Oszillation, bevor das Blut in die Peripherie abfließt und der Druck in der Diastole graduell fällt (Abb. 2). Die Kontur der Pulswelle ändert sich bei ihrer Wanderung in Richtung der peripheren Arterien (Abb. 4); sie ist abhängig vom Durchmesser und der Elastizität der regionalen Gefäße. Mit zunehmender altersbedingter Steifigkeit der Gefäße beobachtet man eine erhöhte Pulswellengeschwindigkeit und -amplitude. Pathophysiologische Veränderungen wie Aortenklappenvitien, veränderter Volumenstatus oder pharmakologisch veränderte Gefäßwider-
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stände beeinflussen zusätzlich die Form der Pulskurve. Diese Konfigurationsänderungen werden für verschiedene Messverfahren genutzt und lassen mittlerweile präzise diagnostische Aussagen zu (s.u.).
Pathophysiologische Veränderungen des Kreislaufs Störungen der Kreislauffunktionen können unterschiedliche Ursachen haben; die häufigsten sind Volumendefizit, kardiales Pumpversagen oder eine Dysregulation des Gefäßtonus wie in der Sepsis oder im anaphylaktischen Schock. Diese Kreislaufveränderungen können isoliert oder in Kombination auftreten, häufig entwickeln sie sich sequentiell im Verlauf einer Erkrankung. Kardiale Ursachen einer unerwartet intraoperativ auftretenden Kreislaufstörung sind oft durch eine systolische Pumpfunktionsstörung bedingt. Häufige Ursachen sind Rhythmusstörungen, wie neu aufgetretenes Vorhofflimmern, oder eine akute Myokardischämie. Eine akute Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts (z.B. Luftembolie, Lungenembolie) kann intraoperativ oder auf der Intensivstation zu einem akuten Rechtsherzversagen führen mit einer konsekutiv reduzierten linksventrikulären Vorlast und systemischen Hypotonie. Häufigste nichtkardiale Ursache für eine Kreislaufinsuffizienz ist ein Volumenmangel, der akut auftritt (z.B. Blutung) oder sich langsam entwickelt (z.B. Ileus), bis er anhand objektivierbarer klinischer Symptome oder mittels technischer Messverfahren erkannt wird. Die Gefahr eines Volumenmangels, wie z.B. bei einer starken Blutung, ist die Minderperfusion der Organe und das dadurch reduzierte Sauerstoffangebot. Primärer Kompensationsmechanismus ist beim kardial Gesunden eine zunehmende Tachykardie bei initial nur moderat reduzierten systolischen und diastolischen Blutdruckwerten. Werden Volumenverluste nicht ausgeglichen oder bestehen fort, so versagen ab einem bestimmten Punkt die Kompensationsmechanismen und der arterielle Blutdruck kann nicht mehr innerhalb tolerabler Grenzwerte gehalten werden.
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Die Hämodynamik bei SIRS (Systemic lnflammatory Response Syndrome) und Sepsis ist durch eine Vasodilatation mit erniedrigtem SVR bei gleichzeitig erhöhtem HZV geprägt.
Tabelle 1
Übersicht über die wichtigsten Parameter zum hämodynamischen Monitoring. Parameter
Eine Störung der arteriellen Vasomotorik hat initial eine ähnliche klinische Symptomatik wie ein Volumenmangel. So induziert eine Sepsis im Rahmen der Immunantwort eine massive NO-Freisetzung in der Arterienwand, die eine Vasodilatation hervorruft. Die Folge ist ein Blutdruckabfall mit kompensatorischer Tachykardie, insofern die Sepsis noch eine Herzfrequenzanpassung ermöglicht [2]. Eine ähnliche Situation besteht im allergischen Schock, die Immunmodulation setzt vermehrt Histamin und Bradykinin frei, beide sind u.a. für die konsekutive Vasodilatation verantwortlich.
Messgröße
Herzfrequenz
Puls/min
Kontraktilität
Schlagvolumen (SV) Herz-Zeit-Volumen (HZV) Maximaler Druckanstieg der systolischen Blutdruckkurve (dP.,./dt)
Nachlast
Systemischer Gefäßwiderstand (SVR) Mittlerer Arterieller Blutdruck (MAP)
Hämodynamik des Pulmonalkreislaufs
Extra-Vaskuläres Lungenwasser (EVLW) Rechts-Ventrikuläres End-Diastolisches Volumen (RVEDV) Pulmonal Vaskulärer Permeabilitäts-Index (PVPI)
Hämodynamische Monitoringparameter Eine adäquate Kreislaufüberwachung ist bei größeren operativen Eingriffen und kritisch Kranken essentiell, um Veränderungen der Hämodynamik zeitnah zu erkennen und behandeln zu können. Mittels eines geeigneten Kreislaufmonitorings kann weiterhin differenzialdiagnostisch unterschieden werden, welche Ursachen der Kreislaufstörung oder dem Schockgeschehen zugrunde liegen. Ziel muss es sein, zügig eine Therapie einleiten zu können, die eine Organminderperfusion verhindert. Ein ideales Monitoring würde Aussagen zu HF, Blutdruck, Vorlast und Nachlast des Herzens sowie Kontraktilität des Myokards ermöglichen. Ein derartiges Kreislaufmonitoring kann nicht anhand eines einzigen Parameters erfolgen sondern es muss mehrere Messgrößen und den klinischen Aspekt mit berücksichtigen (Tab. 1 ).
Die klinische Symptomatik ist hinweisgebend auf eine gestörte mikrovaskuläre Perfusion. Einen schnellen klinischen Hinweis auf eine Störung der mikrovaskulären Durchblutung, z.B. im Schock, ermöglicht die Rekapillarisierungszeit. Bei dieser Methode drückt der Untersucher den Nagel eines Fingers (Zehe) ca. 4 sec. gegen das Nagelbett bis dieses blutleer ist. Nach dem Loslassen sollte sich das Nagelbett innerhalb von maximal 2 sec. wieder rosig färben. Eine Rekapillarisierungszeit von >2 sec., eine nur allmähliche Rosafärbung, deutet auf eine gestörte Mikrozirkulation hin. Als weiterer Index für eine gestörte Mikrozirkulation dient der Serumlaktatwert; ein Wert über 4 mmol/1 weist er auf eine anaerobe Stoffwechsellage hin. Die Bedeutung des Serumlaktats als Hinweis auf einen gestörten aeroben Metabolismus und als prognostischer Faktor wurde in den letzten Jahren bei verschiedenen Krankheitsbildern nachgewiesen (z.B. Sepsis, Trauma, nach Reanimation) und in Handlungsempfehlungen aufgenommen (z.B. für die Therapie der Sepsis). Es wird empfohlen die Serumlaktatwerte regelmäßig zu bestimmen
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Pulmonal-Arterieller Druck (PAP) Pulmonal-Arterieller Gefäßwiderstand (PAVR) Volumenreagibilität/ Vorlast
Global-Enddiastolisches Volumen (GEDV) Intra-Thorakales Blutvolumen (ITBV) Linksventrikuläre enddiastolische Fläche (LVEDA) Pulmonalarterieller Verschlussdruck (PAWP) Puls-Druck-Variation (PPV) Respiratorischer Systolischer Variation-Test (RSVT) Systolische-Druck-Variation (SPV) Schlagvolumen-Variation (SVV) Zentralvenöser Druck (ZVD)
und so zeitnah wie möglich die mikrovaskuläre Durchblutung zu optimieren, was anhand fallender Laktatwerte überprüft werden sollte. Bei den heutigen in der Routine üblichen technischen Kreislaufparametern sind dynamische den statischen überlegen und können bessere Vorhersagen für eine Volumenreagibilität treffen [2]. Dazwischen gibt es aber auch die vielseitig einsetzbare Echokardiographie, die neben dem bildgebenden Verfahren, auch unterschiedliche Messmethoden bietet und in geübten Händen genaue Aussagen über die hämodynamischen Veränderungen erlaubt. Grundsätzlich kann auf Basis der Monitoringparameter entschieden werden, ob Volumenzufuhr, Volumenrestriktion oder -entzug, Vasopressoren oder positiv inotrope Substanzen indiziert sind.
Nachlastparameter und Blutdruck Parameter der kardialen Nachlast werden aus den Blutdrücken und dem HZV errechnet, sie können nicht direkt gemessen werden.
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Die kardiale Nachlast wird durch den SVR repräsentiert, der nicht direkt gemessen werden kann, sondern, wie oben beschrieben, als Quotient aus dem MAP abzüglich des ZVD und dem HZV errechnet wird. SVR = (MAP - ZVD) x 80 / HZV (dyn x s x cm·5) Die Drücke MAP und ZVD werden hier in mmHg angegeben und das HZV in 1/min. Für diese Berechnung ist eine exakte Blutdruckmessung erforderlich. Intermittierende, üblicherweise in fünfminütigen Abständen mittels Blutdruckmanschetten durchgeführte Blutdruckmessungen sind bei unkomplizierten Eingriffen und bei primär kardio-zirkulatorisch gesunden Patienten ausreichend, um Blutdruckveränderungen zu erfassen und bei langsamen Veränderungen frühzeitig einen Trend zu erkennen. Die nichtinvasive intermittierende Messung wird allerdings bei starken Blutdruckabfällen und niedrigen Werten zu ungenau und kann Blutdruckschwankungen nicht vollständig und ausreichend zeitnah registrieren, um das therapeutische Vorgehen daran auszurichten. Als wichtiger Druckwert ist neben systolischem und diastolischem Druck der MAP zu registrieren, der beim Kreislaufgesunden mindestens 60-65 mmHg betragen sollte, um eine ausreichende Organperfusion zu gewährleisten. Die invasive Blutdruckmessung hat den Vorteil, dass sie kontinuierlich die Blutdruckvariationen als numerischen Wert aber auch graphisch als Änderungen der Blutdruckkurve wiedergibt. Unmittelbare Veränderungen des Blutdruckes lassen sich erkennen und es können ggf. Rückschlüsse auf die Ursache gezogen werden. Die atemabhängige Variation der Pulsdruckkurve (Pulse-Pressure-Variation, PPV) ermöglicht darüber hinaus als dynamischer Parameter das Ausmaß eines Volumendefizits abzuschätzen (s.u.). Der Blutdruck lässt aufgrund des nichtlinearen Zusammenhangs zwischen Druck und Volumen keine direkten Rückschlüsse auf das Schlagvolumen, das zirkulierende Blutvolumen und das DO2 an die peripheren Organe zu. Eine typische Situation in der MAP und SVR simultan sinken liegt im anaphylaktischen sowie im beginnenden septischen Schock vor (s.o.). Es resultiert ein Abfall des SVR und des MAP, kompensatorisch steigt die HF, was zu einem Anstieg des HZV führt und dadurch rechnerisch - wie aus oben beschriebener Formel abzuleiten zu einem weiteren Abfall des SVR. Eine Volumengabe führt zum Anstieg des ZVD, wodurch sich der Zähler in der o.a. Formel weiter reduziert und das HZV über den Frank-StarlingMechanismus ansteigt. Häufig ist zur hämodynamischen Stabilisierung zusätzlich zur Volumensubstitution der Einsatz von Katecholaminen notwendig, um den MAP aufrecht zu erhalten. Die Dosierung der Katecholamine kann über die Berechnung des SVR gesteuert werden. Die vorwiegend vasokonstriktorisch wirksamen Substanzen Noradrenalin und Vasopressin steigern den MAP durch Regulation des SVR, was bei intakter Myokardfunktion nahezu unabhängig von HZV-Veränderungen geschieht. Im kardiogenen Schock hingegen induziert eine vermehrte endogene Katecholaminfreisetzung eine Steigerung
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des SVR bei gleichzeitig reduziertem HZV, wodurch der MAP zur Perfusion vitaler Organe in Grenzen noch aufrechterhalten wird. Der Pulmonalarterielle Druck (PAP) gibt Hinweise über den Gefäßwiderstand in der Pulmonalstrombahn und ist ein Maß für die Nachlast des rechten Ventrikels. Der Schweregrad einer primären oder sekundären pulmonalen Hypertonie wird hauptsächlich über den PAP bzw. die rechtsventrikuläre Nachlast definiert. Die Bestimmung des PAP ist in der lntensivmedizin von Bedeutung, um z.B. sekundäre pulmonale Hypertonien als Folge von Lungenembolie oder anderen Lungenpathologien (z.B. COPD) mit der sich daraus ableitenden Belastung für den rechten Ventrikel zu erkennen. Eine weitere Indikation zur PAP-Messung besteht bei Mitralklappenvitien oder bei Rechtsherzinsuffizienz infolge eines rechtsventrikulären Myokardinfarkts. Der PAP dient weiterhin zur Therapieüberwachung von Vasodilataroren der Pulmonalstrombahn (inhalatives NO oder Prostaglandinderivate, oral Sildenafil oder Endothelinantagonisten). Die direkte Messung des PAP erfordert einen Pulmonalarterienkatheter (PAK), dessen Positionierung in der Pulmonalstrombahn aber eine invasive Methode darstellt und vom Anwender einige Erfahrung abverlangt. Während der Anlage und im laufe der Messung birgt der PAK verschiedene Risiken wie Arrhythmien, Gefäßverletzungen oder Lungeninfarzierung bei zu langer Liegezeit oder zu peripherem Vorschieben. Eine weitere Möglichkeit ist die echokardiographische PAP-Bestimmung, die nichtinvasiv erfolgen kann. Diese Methode ist aber abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und lässt sich nicht kontinuierlich durchführen. Ein Index für die kardiale Kontraktilität stellt die Druckanstiegsgeschwindigkeit (dP/dtm) dar, die aus der Pulskonturanalyse errechnet werden kann. Die maximale Steilheit des Blutdruckanstieges in der Systole (dP/dtma,), gemessen in herznahen Arterien, gilt als Parameter für die Kontraktilität des linken Ventrikels, die umso größer ist je steiler der Anstieg verläuft. dP/dtmax gibt Rückschlüsse über SV und HZV und ist bedingt Ausdruck der kardialen Kontraktilität. Es muss jedoch bedacht werden, dass die dP/dtmax von der Vorlast und der Elastizität der Gefäße beeinflusst wird - bei reduzierter Elastizität ist eine Aussage hinsichtlich der Kontraktilität nicht mehr eindeutig möglich (s.o.). Bestimmung der kardialen Vorlastparameter Dynamische Vorlastparameter sind den druckbasierten Vorlastparametern überlegen. Sie lassen sich aber nur unter kontrollierter Beatmung und bei stabilen Sinusrhythmus valide erheben.
Wie schon weiter oben dargestellt, entspricht die kardiale Vorlast der enddiastolischen Wandspannung des Ventrikelmyokards, die u.a. durch das im Ventrikel vorhandene Blutvolumen bestimmt wird. Von der Vorlast ist die Volumen-
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reagibilität zu unterscheiden, die durch den Verlauf der Funktionskurve des Frank-Starling-Mechanismus beschrieben wird . Diese Kurve stellt den Zusammenhang zwischen linksventrikulärem enddiastolischen Volumen (LVEDV) und der Ventrikelinotropie dar, quantifiziert durch Veränderungen des SV bei zunehmender Ventrikelfüllung. Voraussetzung für das funktionieren des Frank-Starling-Mechanismus ist, dass die Compliance des Ventrikelmyokards eine weitere Vordehnung der Sarkomere zulässt, um eine optimale Überlappung der Aktin- und Myosinfilamente zu erreichen, die zu einer gesteigerten Schlagkraft führt. Bei welchem Volumen die Füllung des Ventrikels optimal und damit die Kontraktilität maximal ist und wie groß die enddiastolische Wandspannung dabei ist, kann nur indirekt über Surrogatparameter abgeschätzt werden. Zur Bestimmung der Vorlast werden drei Kategorien an Parametern verwendet, erstens Volumina, zweitens Drücke und drittens dynamische Parameter. Kardiale Volumina werden meistens anhand planimetrischer Flächenbestimmungen der Herzhöhlen mit Hilfe der transösophagealen Echokardiographie (TEE) bestimmt und als auf das Körpergewicht bezogene Indices wiedergegeben. Die Volumina stellen somit ein Maß für die Vorlast dar; das LVEDV hat einen guten Vorhersagewert für die Volumenreagibilität. Die Volumenreagibilität des linken Ventrikels wird durch dessen Funktionskurve dargestellt und gibt die Relation von LVEDV und dem Schlagvolumen, als Index der lnotropie, wieder (Abb. 5). Die mittels TEE gemessenen Veränderungen der Volumenparameter ARVEDVI sowie ALVEDVI korrelieren
Abbildungs
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LVEDV (Vorlast) Die Ventrikelfunktionskurve beschreibt die Volumenreagibilität, die sich von der Vorlast unterscheidet. Das LVEDV gibt die Vorlast wieder, die lnotropie wird durch das SV dargestellt, den Zusammenhang beider Parameter beschreibt die Frank-Starling Kurve. Kurve I stellt ein gesundes Herz dar, Kurve II ein Herz mit eingeschränkter Herzleistung. Beide Kurven haben zu Beginn einen steilen Verlauf, in diesem Bereich bewirkt eine Erhöhung des LVEDV eine Steigerung des SV, die lnotropie ist volumenabhängig. Im weiteren Verlauf flachen die Kurven ab, in diesem Bereich besteht eine reduzierte Volumenabhängigkeit der FrankStarling Kurve. Eine Erhöhung des LVEDV führt nicht mehr zu einer Steigerung der Herzleistung bzw. des SV.
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signifikant mit der Variabilität des Schlagvolumenindex (ASVI) und sind den Druckwerten ZVD für den rechten und PAWP für den linken Ventrikel als Prädiktoren der Volumenreagibilität überlegen. [3-5]. Nachteile der Messung kardialer Volumina mittels TEE sind, dass sie in der Praxis nicht kontinuierlich zu bestimmen und hinschtlich ihrer Reproduzierbarkeit abhängig vom jeweiligen Untersucher sind. Im klinischen Alltag ist die Methode des „Pulse Contour Cardiac Output" weit verbreitet; dabei werden mittels Thermodilution die Parameter HZV, Globales Enddiastolisches Volumen (GEDV), intrathorakales Blutvolumen (ITBV) und Extravaskuläres Lungenwasser (EVLW) bestimmt [6-9]. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die Parameter GEDV und ITBV den Druckwerten ZVD und dem PAWP hinsichtlich ihrer Korrelation mit dem HZV und der Volumenreagibilität überlegen sind [10-12]. Nach Kalibrierung der Messmethode wird aus der Analyse der Pulskontur das HZV für jede einzelne Systole ermittelt. Weiterhin ermöglicht die Pulskonturanalyse bei kontrolliert beatmeten Patienten die atemabhängige Variabilität der Pulsdruckkurve zu berechnen. Die Parameter PPV und SW sind verlässliche Indices für ein Volumendefizit (Abb. 6) [13]. Beide Werte ermöglichen zusammen mit den o.a. Volumenparametern unter klinischen Bedingungen eine ausreichend genaue Abschätzung der Vorlast. Präzise Aussagen über ein Volumendefizit ermöglichen die mittels Ultraschall bestimmte atemabhängige Durchmesserreduktion der Vena cava inferior und die mittels Echokardiographie bestimmbare Variabilität des Peakflows in der Aorta (3-5]. Nachteilig ist bei diesen Parametern, dass die Resultate nur zu verwerten sind wenn ein Sinusrhythmus vorliegt; bei Vorhofflimmern können zur Vorlastabschätzung nur das GEDV und das ITBV herangezogen werden. Es muss weiterhin bedacht werden, dass SVV und PPV von der Form der Beatmung abhängig sind: Hohe Beatmungsdrücke bzw. -volumina erhöhen den transpulmonalen Druck wodurch größere Schwankungen der arteriellen Druckkurve und folglich größere Schwankungen von SVV und PPV verursacht werden. Dahingegen verursachen niedrigere Beatmungsdrücke bzw. -volumina, wie sie in modernen Beatmungsregimen üblich sind, kleinere Veränderungen von SW und PPV. Methodenkritisch bleibt festzustellen, dass früher die Aussagekraft der Volumenreagibilität überschätzt wurde und die Grenzwerte zur Diagnose eines Volumenmangels (z.B. 1013% für APPV) neu überdacht werden sollten. Zur Erfassung der Vorlast wurden lange Zeit die Druckparameter ZVD und der Pulmonal Arterielle Verschlussdruck (PAWP) herangezogen, die den dynamischen und volumetrischen Parametern hinsichtlich der Aussagekraft bezüglich des Volumenstatus jedoch unterlegen sind (s.o.). Der ZVD muss korrekt über das distale Lumen eines ZVK an der Einmündung der Vena cava superior zum rechten Atrium gemessen werden, um im Idealfall die Vorlast des rechten Ventrikels wiederzugeben. Transmurale Drücke, die z.B. durch erhöhte Pleuradrücke, durch die mechanische Beatmung oder durch hohe
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a) Arterielle Blutdruckkurve bei kontrolliert beatmeten Patienten zur Bestimmung der hämodynamischen Parameter PPV, SPV und SVV. Über eine spezielle Software wird mittels Analyse der Pulskontur das SV jeder Systole berechnet. Die Software ermittelt die SVmin, SVmax und SVmean, aus diesen Werten wird die prozentuale SVV nach untenstehender Formel berechnet. b) Korrelation von Steilheit der Frank-Starling-Kurve zu dem Ausmaß der SVV.
intraabdominelle Drücke auf den ZVD einwirken, können zu einem Überschätzen des ZVD führen. Tatsächlich aber behindern die vorgenannten Drücke den Rückstrom des venösen Blutes, wodurch sie die Vorlast eher senken, der gemessene ZVD aber fälschlich als hoch interpretiert wird. Auch kardiale Ursachen wie Trikuspidalklappenvitien, Lungenembolie, Perikardtamponade, reduzierte rechtsventrikuläre Compliance und pulmonale Hypertonie können zu Messfehlern des ZVD führen. Aufgrund der Vielzahl an Störgrößen sollte der ZVD nicht als alleiniger Parameter zur Vorlastabschätzung herangezogen werden. In der aktuellen S3-Leitlinie zur Volumentherapie wird der ZVD nicht mehr als Parameter zur Abschätzung des Volumenstatus oder der Volumenreagibilität empfohlen [14]. Generell bleibt aber festzuhalten, dass der Wert der ZVD-Messung darin liegt, dass viele weitere klinische Fragestellungen beantwortet können, die nicht aus anderen Parametern abzulesen sind [14-17]. Der PAWP diente lange Zeit als Vorlastparameter des linken Ventrikels, der wie der ZVD aber als Druck-basierter Parameter den gleichen Störgrößen unterliegt. Der PAWP wird mittels Pulmonalarterienkatheter gemessen, an dessen distalen Ende sich ein Ballon befindet, der im „geblockten" Zustand ein Gefäß der Pulmonalstrombahn verschließt. Auf das distal des Ballons befindliche Lumen an der Katheterspitze wirken nur noch Drücke ein, die dem Blutrückstrom zum linken Vorhof entsprechen. Dieser Druckparameter ist prinzipiell genauso anfällig für Störgrößen wie der ZVD und kann somit die Volumenreagibilität oder die Vorlast nur ungenügend vorhersa-
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gen. Aus jüngeren Untersuchungen kann resümiert werden, dass anstelle von ZVD und PAWP besser die Volumen-basierten Parameter wie das ITBV, GEDV, SW, SPV sowie PPV herangezogen werden sollen, um den Erfolg einer Volumenzufuhr vorherzusagen bzw. zu erfassen [18].
Therapie Eine adäquate Kreislauftherapie muss sich an dem Ziel orientieren, so schnell als möglich die Mikrozirkulation wieder herzustellen und ein ausreichendes 002 zu gewährleisten. Dies kann durch unterschiedliche therapeutische Ansätze erreicht werden - über Anpassung des Volumenhaushaltes und der kardialen Vorlast, durch Verbesserung des HZV und durch Regulation der Nachlast.
Volumentherapie Ob ein Patient auf eine Volumengabe reagiert, kann durch den „passive leg raising test" ermittelt werden. Bei diesem Test sollten der systolische Blutdruck und der MAP ansteigen, bedingt durch den Frank-Starling-Mechanismus, wenn die Beine des Patienten angehoben werden und der Patient auf diese ,,endogene Volumenzufuhr" tatsächlich reagiert [18]. Orientieren sollte sich die Volumengabe an den o. a. dynamischen Parametern SVV und PPV (Ziel für beide Parameter: 10)
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12
(f)
+
f
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kontinuierlich über 24 Std. infundiert werden; durch seinen Metaboliten OR-1896 hat es eine lange Wirkdauer von sieben bis acht Tagen [46]. Bei diastolischer Compliancestörung mit „steifem" Ventrikelmyokard muss neben medikamentösen Therapieansätzen auf eine adäquate Vorlast mit guter Ventrikelfüllung geachtet werden. Zu vermeiden ist eine Tachykardie, z.B. durch Verlust des Sinusrhythmus, die mit reduzierter Diastolendauer eine Verschlechterung der ventrikulären Füllung verursacht. Bei akuter rechtsventrikulärer Nachlaststeigerung sind zur Unterstützung der Funktion des rechten Ventrikels neben Katecholaminen auch Vasodilatatoren der ·pulmonalen Strombahn indiziert.
Ein besonderes Problem ist die akut dekompensierte chronische Rechtsherzinsuffizienz, die intraoperativ zu einer hämodynamischen Instabilität führen kann. Sie tritt am ehesten in Begleitung einer COPD oder einer pulmonalen Hypertonie in Erscheinung. Unter Anästhesie mit mechanischer Ventilation und erhöhtem transpulmonalem Druck kann der rechte Ventrikel akut dekompensieren. In dieser Situation ist für die inotrope Unterstützung des rechten Ventrikels zu beachten, dass dessen Blutversorgung über die rechte Koronararterie überwiegend in der Systole erfolgt. Ziel ist es daher, den MAP primär durch den Einsatz von Noradrenalin aufrecht zu halten [47]. Adrenalin kann zusätzlich eingesetzt werden, um die Kontraktilität des rechten Ventrikels zu steigern, es steigert aber gleichzeitig den pulmonalarteriellen Widerstand. Als weitere lnotropika zur Unterstützung des rechten Ventrikels eignen sich PDE-111-lnhibitoren sowie Levosimendan. Beide Substanzen wirken nicht nur positiv inotrop, sondern führen über ihre vasodilatierenden Eigenschaften in der Pulmonalstrombahn zu einer Nachlastsenkung des rechten Ventrikels {lnodilatatoren). Eine zusätzliche Unterstützung der rechtsventrikulären Pumpfunktion wird durch gezielte Nachlastsenkung mittels selektiver Dilatation der Pulmonalstrombahn erreicht [46,48]. Zum Einsatz kommen NO oder Analoga der Prostazykline, die beide inhalativ als Gas bzw. Aerosol verabreicht werden. Die systemische Gabe des PDE-V-lnhibitors Sildenafil ist eine effektive Therapie zur Senkung des PAP, hat aber momentan keinen Stellenwert in der Akuttherapie.
Schlussfolgerung Für die akute Kreislauftherapie sollten sich die Therapieziele am klinischen Zustand des Patienten und der zugrunde liegenden Pathophysiologie orientieren. Das Basismonitoring bestehend aus Blutdruckmessung, EKG und peripherer Sauerstoffsättigung kann schon richtungsweisende Informationen liefern und deren richtige Interpretation auf Therapieoptionen hinweisen. Ein Volumendefizit sollte bei hämodynamisch instabilen Patienten so rasch wie möglich ausgeglichen, gleichzeitig eine Hypervolämie aber vermieden werden. Zur
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Abschätzung der Volumenreagibilität sollte den dynamischen Parametern PPV oder SVV der Vorzug gegenüber den statischen Parametern ZVD oder PAWP gegeben werden. Anzustreben sind als Zeichen einer adäquaten peripheren Durchblutung eine normale Rekapillarisierungszeit, normale Urinausscheidung und normale Serumlaktatwerte. Wird das HZV gemessen, so sollte sich der Zielwert an der individuellen Klinik orientieren und nicht ein Fixwert angestrebt werden. Bei der Therapie mit Katecholaminen sollte entsprechend der jeweiligen Situation differenziert der SVR angehoben oder die lnotropie gesteigert werden. Bei der Anwendung von positiv inotropen Substanzen sollte eine Tachykardie mit vermehrtem Sauerstoffverbrauch und reduzierter Diastolendauer vermieden werden. Um eine hämodynamische Therapie differenziert durchzuführen zu können, sollte ein erweitertes hämodynamisches Monitoring prospektiv eingeplant werden. In speziellen Situation müssen weitere Therapieoptionen wie die medikamentöse Senkung des PVR oder der Einsatz von Calcium-Sensitizern in Betracht gezogen werden, um die Hämodynamik zu optimieren.
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April 2016 · Leipzig
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Orale oder nasale Intubation
Die Tubusdislokation ist ein Problem in der Kinderanästhesie. Es ist die Praxis des Autors, Neugeborene und Säuglinge nasotracheal zu intubieren, sofern es vom Eingriff her möglich ist. Die nasale Intubation erlaubt eine zuverlässige Fixierung. Das Blutungsrisiko ist bei noch nicht vorhandenem Adenoid minimal und auch eine nasale Langzeitintubation ist ohne die beim Erwachsenen häufig auftretenden Kieferhöhlenprobleme möglich. Nasale Intubation - geringeres Risiko der Tubusdislokation.
Tubustabelle. Einführtiefc oral
Alter/Gewicht
Tubusgröße ohne Cuff
Frühgeborene ca. 16 cm)
Tabelle 11
Die Wahl der Larynxmaske. Gewicht
Größe der LMA
2-5 kg
Passender Tubus ohne Cuff
Magensonde Supreme •/ AuraGain'
3.0
6/6
5-10 kg
1.5
3.5
6/8
10-20 kg
2
4.0
10/10
20-30 kg
2.5
5.0
10/10
30-50 kg
3
6.0
14/16
50-70 kg
4
14/16
5
14/16
>70 kg
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Larynxmaske zur fiberoptischen Intubation Die Larynxmaske ist hilfreich bei der schwierigen Intubation. Die fiberoptische Intubation über die Larynxmaske ist das Standardverfahren, sofern der Mund geöffnet werden kann und ein oraler Tubus vorgesehen ist (32]. Die Vorgehensweise des Autors ist es, über einen Wechselstab den primär eingeführten Tubus zusammen mit der LMA zu entfernen und durch den richtigen zu ersetzen. Ein blindes Vorschieben des Tubus ist nicht erfolgsversprechend (33]. Die Intubation durch die LMA Supreme® ist nicht möglich. Die passenden Größen von Tubus und Larynxmaske müssen in jeder Institution im Vorfeld abgeklärt werden und bekannt sein (34].
Eine Bradykardie ist meist die Folge einer Hypoxie. Eine Hypoxie muss immer primär ausgeschlossen werden, bevor andere Dinge wie Opioide oder okulokardialer Reflex als Ursache vermutet werden. Eine Einleitung mit Sevofluran bewirkt typischerweise bei Kindern mit Trisomie 21 auch ohne Hypoxämie eine Bradykardie. Die Ursache ist unklar, die Bradykardie scheint passager und benigne zu sein (37,38].
Bei Bradykardie immer zuerst an Hypoxämie denken. Maligne Rhythmusstörungen treten bei Kindern nur selten auf; Ausnahmen sind z.B. Myokarditis, Hyperkaliämie oder hereditäres Long-QT-Syndrom (39].
Herz, Kreislauf und Blutdruck Ein Kinderherz flimmert nicht (?)
Physiologische und anatomische Besonderheiten Der fetale Kreislauf Beim fetalen Kreislauf fließt das in der Plazenta oxygenierte Blut über das Foramen ovale in den linken Vorhof, den linken Ventrikel und in die obere Körperhälfte. In den am besten oxygenierten Körperbereichen beträgt das p02 25 mmHg. Intrauterin fließt das Blut aus dem rechten Ventrikel kommend über den Duktus Botalli zu 90% an der Lunge vorbei. Mit dem ersten Atemzug und der Entfaltung der Lungen fällt der pulmonale Gefäßwiderstand, der Rechts-Links-Shunt kommt zum Erliegen und die arterielle Sättigung steigt an (Tab. 12) (35].
Das Myokard Das Myokard enthält weniger kontraktile Elemente. Die Compliance der Ventrikel ist kleiner. Das Herzminutenvolumen ist somit stark von der Herzfrequenz abhängig. lnhalationsanästhetika- haben einen viel größeren kardiodepressiven Effekt beim Neugeborenen und Säugling als bei größeren Kindern (36]. Dieser Empfindlichkeit stehen hohe MAC-Werte gegenüber. lnhalationsanästhetika: Das Herz ist empfindlich - das Gehirn ist resistent. Die lnotropie kann durch Katecholamine weniger gesteigert werden. Das Herzminutenvolumen kann auch insgesamt viel weniger zunehmen als beim Erwachsenen. Es besteht aber auch kein Bedarf, das Sauerstoffangebot an die Muskulatur massiv zu erhöhen (nur Trinken, Verdauen und Wachsen sind von der Natur angesagt).
Das Herzminutenvolumen Der große Sauerstoffverbrauch (KG"• x 10 ml/min) bedingt ein großes Herzminutenvolumen: Beim Säugling sind das 250 ml/ kg/min, d.h. das Blutvolumen zirkuliert drei Mal pro Minute. Beim Erwachsenen sind es noch 70 ml/kglmin, d.h. das Blutvolumen zirkuliert einmal pro Minute.
Das Herzminutenvolumen ist beim Säugling sehr groß. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Pharmakokinetik: Die Verteilung der Pharmaka geschieht sehr schnell, die Plasmaspiegel fallen rasch ab und somit sind für gleiche Spiegel am Effektort höhere Dosen erforderlich. Die Zeit bis zur maximalen Wirkung (,,time-to-peak") wird kürzer (40].
Blutdruck und Perfusion Grundsätzliches Die Gewebe des Körpers sind primär an einem genügenden Sauerstoffangebot, d.h. an einer genügenden Perfusion interessiert und die Höhe des Blutdrucks steht an zweiter Stelle. Ein minimaler Blutdruck ist aber erforderlich, um in den Organen, die eine Autoregulation des Blutflusses aufweisen, wie z.B. dem Gehirn, eine ausreichende Perfusion zu gewährleisten. Die an sich primär interessierende Organperfusion ist einer direkten Messung im klinischen Alltag nicht zugänglich. Wir haben nur Surrogatparameter zur Verfügung; der wichtigste ist neben der Hautperfusion (,,capillary refill") der Blutdruck; dazu kommen metabolische Parameter wie Laktat und Basenüberschuss. Bei liegendem zentralvenösem Katheter kann die zentralvenöse Sättigung Hinweise auf eine ausreichende globale Perfusion geben (41 ]. Die Normwerte für den Blutdruck sind altersabhängig und nur ungenau definiert. Bei Frühgeborenen wird oft ein Mitteldruck in mmHg gefordert, der mindestens dem Gestationsalter in Wochen entsprechen soll. Da Frühgeburtlichkeit kein physiologischer Zustand ist, gibt es keine Normalwerte, sondern
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Grundlagen der Kinderanästhesie· M. Jöhr
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 42 April 2016 • Leipzig
höchstens anzustrebende Werte. Ältere Messungen lassen vermuten, dass bei nicht anästhesierten Frühgeborenen die Autoregulation der Hirndurchblutung bis 30 mmHg Mitteldruck aufrechterhalten bleibt [42). Für größere Kinder werden oft die Kriterien des PALS-Kurses zu Rate gezogen (Tab. 13). Die Orientierung am systolischen Blutdruck und nicht am primär interessierenden Mitteldruck hat historische Gründe: erst in den 80er Jahren wurde die oszillometrische Blutdruckmessung, die den Mitteldruck exakt messen kann, allgemein erhältlich. Die früher oft übliche Praxis, bei kürzeren Kindernarkosen auf die Blutdruckmessung zu verzichten, lässt sich heute nicht mehr mit gutem Gewissen vertreten.
Der Blutdruck soll bei jeder Kindernarkose gemessen werden. liefer Blutdruck als Risiko Tiefe Blutdruckwerte sind mit schwerwiegenden Folgen assoziiert worden [43), besonders wenn sie mit Hypokapnie kombiniert sind [44) . Tiefe Blutdruckwerte kommen vor allem in der Zeit nach der Einleitung bis zum Operationsbeginn sehr häufig vor [45). Die große Frage ist der minimal noch tolerierbare Blutdruck. In Narkose versucht man oft, sich am Ausgangsblutdruck zu orientieren, um dann einen Abfall von maximal 20% oder 30% zu tolerieren [46). Dies wird aber durch die Tatsache erschwert, dass es beim Säugling und Kleinkind oft nicht gelingen will, einen verlässlichen Blutdruckwert vor der Narkoseeinleitung zu ermitteln. Messungen der zerebralen Durchblutung unter 1 MAC Sevoflurananästhesie lassen vermuten, dass die untere Grenze der Autoregulation bei Säuglingen jünger als 6 Monate bei etwa 40 mmHg Mitteldruck erreicht wird [47). Die Sauerstoffsättigung im Hirngewebe (Nah-Infrarot-Spektroskopie; NIRS) scheint erst bei etwas tieferen Werten abzusinken (Tab. 14) [48,49) .
Tabelle 13
Unterste Grenze des systolischen Blutdrucks beim wachen Kind. Systolischer Blutdruck in mmHg
Alter Termingeborenes
60
Säugling 1-2 Monate
70
1-10 Jahre
70
>10 Jahre
90
Vorgehen bei Hypotension Bei tiefen Blutdruckwerten sollen immer zuerst die allgemeinen Bedingungen (Anästhesietiefe, Begleiterkrankungen) überprüft werden. Nicht selten wird auch der Anästhetikabedarf bei einer zusätzlich vorhandenen funktionierenden Regionalanästhesie überschätzt. Obwohl meistens ein relativer Volumenmangel vorliegen wird, ist immer eine breite Differentialdiagnose möglich. Auch Kinder benötigen Vasoaktiva. Ihre Wahl ist abhängig von ortsüblichen Gebräuchen. Bolusinjektionen (von z.B. Ephedrin 0, 1 mg/kg) bewirken meist nur eine kurzdauernde und ungenügende Besserung. Die Dauerinfusion von Dopamin 5-10 µg/kg/min ist fast immer erfolgreich. Dopamin ist in der Kindermedizin etabliert; es bewirkt eine Steigerung des Herzminutenvolumens und dann in höheren Dosen eine Vasokonstriktion. Die begleitende Tachykardie ist bei Kindern fast immer erwünscht und das arrhythmogene Potential ist außerhalb der Kinderherzanästhesie kein Problem. Die endokrinen Nebenwirkungen scheinen klinisch nicht relevant (Tab. 15). D.h. die Argumente, die Dopamin aus der Erwachsenenmedizin verdrängt haben, stechen bei Kindern nicht. Dopamin ist zudem einfach und auch über periphere Venen anzuwenden. Andere Institutionen verwenden Kombinationen von Dobutamin mit Noradrenalin oder Adrenalin allein.
lnfusionstherapie Venenzugang Grundsätzliches Während beim Erwachsenen das erfolgreiche Legen eines peripheren Venenzugangs zu den Grundfertigkeiten eines Anästhesisten gehört, kann das beim Kind sehr anspruchsvoll sein. Sogar unter optimalen Bedingungen, d.h. bei anästhesierten Kindern mit dem erfahrenen Personal einer Kinderklinik, gelingt in 20-30% die Venenpunktion nicht auf Anhieb und bei Kindern unter einem Jahr sind es sogar 50%. Ultraschall und optische Geräte können helfen; der Punktionserfolg ist aber primär von der Erfahrung und den Fertigkeiten des Anästhesisten abhängig [50). Infrarotgeräte (z.B. AccuVein®) erhöhen den Punktionserfolg nicht [51,52). Sie sind aber hilfreich für die Ausbildung und die Suche nach dem besten Punktionsort.
+ (2 x Alter in Jahren)
li
Tabelle 14
Blutdruckgrenzen bei Kindernarkosen (Expertenmeinung). Termingeborene und Säuglinge
Kleinkinder
Schulkinder
ZielMAP
>40 mm Hg
>50 mmHg
>60 mmHg
Aggressive Therapie
20 kg)
Gewicht
100-150 ml/kg/d
Neugeborene
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April 2016 · Le ipzig
in sedated infants and children. Br J Anaesth 2009;102:385-389
Tabelle 20
10er Regel zum schnellen Beginn der Flüssigkeits- und Volumentherapie; später werden individuell angepasste Dosierungen verwendet. Anfangs-/ Repelilionsdosis
Erhaltungsbedarf
Balancierte Vollelektrolytlösung mit 1% Glukose
10 ml/kglh
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Flüssigkeitstherapie
Balancierte Vollelektrolytlösung ohne Glukose
x 10-20 ml/kg
11. Engelhardt T: Rapid sequence induction has no use in pediatric anesthesia. Paediatr Anaesth 2015;25:5-8
Rasche Volumentherapie
Kolloide (HES, Gelatine, Albumin)
x 10 ml/kg
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Transfusion
Erythrozytenkonzentrat Thrombozytenkonzentrat
x 10 ml/kg
13. Neuhaus D, Schmitz A, Gerber A, Weiss M: Controlled rapid sequence induction and intubation - an analysis of 1001 children. Paediatr Anaesth 2013;23:734-740
Die Kinderanästhesie gehört zu den schönsten und anspruchsvollsten Bereichen unseres Faches. Neben den praktisch-technischen Fertigkeiten gehören Kenntnisse der pädiatrischen Krankheitsbilder sowie die Fähigkeit und Freude, mit Kindern und ihren Eltern vertrauensbildend zu kommunizieren, zu den Grundvoraussetzungen. Auch das hier vermittelte theoretische Wissen über Atemweg, Kreislauf und lnfusionstherapie muss aber vorhanden sein, um im klinischen Alltag die richtigen Entscheide zu fällen.
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34
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Grundlagen der Kinderanästhesie · M. Jöhr
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April 2016 · Leipzig
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Grundlagen der Kinderanästhesie· M. Jöhr
April 2016 • Leipzig
Kontroversen in der Kinderanästhesie Hot topics in pediatric anesthesia H. Bürkle
Zusammenfassung In den letzten Jahren wurden zunehmend Narkosen bei Kindern (vor allem in der Altersgruppe jünger 4 Lebensjahren) als gefährdend für die weitere neurokognitive Entwicklung der Kinder diskutiert. Studien, die die Wirkung von Anästhetika auf das sich entwickelnde Gehirn untersuchten, deuteten eine erhöhte Vulnerabilität über die Verabreichung von Anästhetika an und konnten in mehreren retrospektiven Analysen entwicklungshemmende Assoziationen von frühkindlichen Anästhesien aufzeigen (1-4] . Über diese Diskussionen zur Neurotoxizität von Anästhetika wurde richtigerweise die Aufrechterhaltung der Homöostase als eines der wichtigsten Kriterien für eine optimierte Kinderanästhesie in den Mittelpunkt gestellt. Einige Autoren und Gruppen von Kinderanästhesisten gehen weiter, indem sie keine Probleme in der Kinderanästhesie per se sehen, sondern ein Problem in der Durchführungskompetenz (5,6]. Dieser Refresher-Kurs beschäftigt sich deshalb auch mit den Kontroversen in der Aufrechterhaltung der kindlichen Homöostase in der Kinderanästhesie, wie sie unter anderen über die Arbeitsgruppe safetots (http://www.safetots.org') und unsere Fachgesellschaft DGAI diskutiert werden (www.ak-kinderanaesthesie.de/). Schlüsselwörter: Anästhesie-Atemwegsmanagement- Homöostase - Impfung - Induktion - Kinder - Narkosevorbereitung - Neugeborene - Neurotoxizität - Normovolämie - Pädiatrie - TIVA - Ultraschall
Summary During the last years, anesthesia for the newborn and very young has been considered to post a specific risk for the development of neurocognitive disorders within this vulnerable age group of patients. Experimental and retrospective clinical studies as weil as observational clinical reports addressed an association of enhanced negative CNS function and a detrimental impact on CNS by anesthetics during the first years of life. Based on these reports, the optimal anesthesia care for newborns and small infants received new scientific interest, homeostasis and its defined boundaries in these patients became a prudent task to be elucidated. Moreover, some authors as weil as pediatric anesthesia groups pointed out that there are so far no issues about neurotoxicity rather than structural and competencies related safety issues in pediatric anesthesia. Therefore the current review clusters most of the ongoing current debates
Kontroversen in der Kinderanästhesie · H. Bürkle
in pediatric anesthesia as well as the concept of maintaining homeostasis in small kids undergoing anesthesia. Some of these issues are also described on platforms like safetots (http://www. safetots.org') or by the German Society of Anesthesiology and Intensive Care Medicine (DGAI) (www.ak-kinderanaesthesie.de/). Keywords: Anesthesia - Airway Management - Children Homoeostasis - lnduction - Newborn - Neurotoxicity - Normovolaemia - Pediatric - Premedication - liva - Ultrasound - Vaccination
Shaun das Schaf, Midazolam oder doch die Eltern? Praxishinweise zur Narkosevorbereitung Perioperative Angst und Stress wird bei Kindern mit größeren postoperativen Schmerzen, einer Beeinträchtigung der Schlafqualität und einem generell schlechterem Heilungsverlauf in Verbindung gebracht [7-9]. Deshalb ist eine adäquate Vorbereitung des Kindes vor der Narkoseinduktion unbedingt notwendig. Neben einer altersgerechten Aufklärung, den Hinweisen zur Nüchternheit, einer Verordnung von Lokalanästhetika-Salben-Pflasterverbänden (z.B. EMLA® 45-60 Minuten vor geplanten Punktionen) für das Anlegen einer peripheren Venenverweilkanüle, steht die Anordnung von Sedativa bei vielen Anästhesisten weiterhin im Vordergrund. Die präoperative Applikation von Anxiolytika oder Sedativa im Kindesalter beschränkte sich in der Vergangenheit meist auf die orale, nasale oder rektale Gabe von Midazolam. Midazolam ist nach einem Wirkeintritt von ca. 15-20 Minuten anxiolytisch wirksam, der Abbau erfolgt nach weiteren 2-3 Stunden. Damit wurde meist rasch - und in der Versorgungsqualität gut - eine komfortable Einleitungssituation für das Kind erzielt. Paradoxe Reaktionen wie Agitation oder unerklärbare Angstzustände sind jedoch nach der Gabe von Midazolam beschrieben. Ob diese Reaktionen durch Unterdosierungen, oder über nicht beachtete Wirkeintrittszeiten verursacht werden, ist bislang nicht geklärt. Da Midazolam, wie alle Benzodiazepine, zu einer Mitbeeinträchtigung der neuromuskulären Endplatte führen kann, ist die Gabe von Midazolam bei sensitiven Patienten wie z.B. mit spezifischen Muskelerkrankungen, kontraindiziert. Die Studienlage bezüglich der Verringerung von sog. emergence delirium nach Sevofluran-basierten Kinderanästhesien durch Midazolam kann bislang als uneinheitlich beschrieben werden. Weitere Medikamente, die ihren Weg in die präoperative Medikation zur Abschirmung von Kindern gefunden hatten, sind das 5-Ketamin (üblicherweise
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in Dosierung von 2 mgKgKG p.os zusammen mit Midazolam, um die psychomimetischen Effekte des Analgosedativums S-Ketamin zu verringern) und der alpha2-Agonist Clonidin (übliche Dosierung per os 4 ug/kgKG). Neu hinzugetreten ist der selektivere alpha2-Agonist Dexmedetomidin, der jedoch nur intravenös für Erwachsene in Deutschland zugelassen ist. Prinzipiell gilt in der Vorbereitung von Kindern und Eltern zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Altersgruppen im Kindesalter mit unterschiedlichen Angst-besetzten Themen assoziiert werden. Diese können durch vorhergehende Krankenhauserfahrungen potenziert werden. Wahrscheinlich mangels möglicher Kommunikationen werden Säuglingen unter 6 Monaten weniger bis keine Ängste in der Literatur zugeordnet, während bei ½ jährigen bis 6 Jahre alten Kindern besonders die Trennung von Eltern als Verlustangst empfunden wird. Diese Angst wird von den Eltern als große Problematik empfunden und mündet oft in dem verständlichen Wunsch, solange bei dem Kind anwesend sein zu können „bis es eingeschlafen ist". Aus der eigenen Praxis und vielen Untersuchungen zur Anwesenheit von Eltern bei Narkoseeinleitung inklusive einer Cochrane Metaanalyse (10) ist der positive Angstlösende Effekt für das Kind nicht eindeutig geklärt. Wahrscheinlich wird nicht die Angst des Kindes reduziert, sondern vielmehr die positive Eigenwahrnehmung der Eltern (,,ich habe etwas für mein Kind in dieser ungewohnten Situation getan") gestärkt. Dennoch, ein überaus bedenkenswerter Umstand, dem der erfahrene Anästhesist meist ohne Mühe Rechnung tragen kann (11) .
Abbildung 1 App und Filme
Abspielgerät Andorid (A)
iOS
Altersgruppe Persönliches Rating Geht(+) bis Sehr gut(+++)
I0S, A
1-3
+
Schaun das Schaf iOS,A
1-6
+++
Schlaf gut und träum was Schönes
IOS,A
1-4
++
Oh wie schön ist Panama
I0S, A
1-4
++
Wicki
I0S,
3-5
+++
Laura Stern Sterntage
I05,A
1-4
++
Rio 1-3
I05, A
4-8
+++
lce Age 1,2
I0S,A
4-8
+++
KungFu Panda
10S,A
4-8
+++
DieMausApp
Eigene Bewertung von Apps und Filmen zur Einleitung von Kinderanästhesien.
Abbildung2 Lebendimpfung
Totimpiung
Masern
Influenza
Eine ebenfalls nicht~pharmakologische Intervention, die im Vergleich mit Midazolam in einer jüngsten Untersuchung keine Verschlechterung der Einleitungsbedingungen zeigte, ist das Abspielen von Altersgerechten Apps oder Filmen bei der Narkosevorbereitung (12) .
Mumps
Hepatitis A
Röteln
Hepatitis B
Gelbfieber
FSME
Windpocken
Poliomyelitis
Über die visuelle Ablenkung nimmt das Kind in der Regel die Vorbereitungen ebenfalls ohne erkennbaren Stress wahr. Dieses Verfahren wird von mir selbst sehr favorisiert und ist einfach und schnell einzusetzen. Es ist von Vorteil, vorab die Eltern über das geplante Abspielen zur Ablenkung zu informieren, eventuelle „Medien"-Gewohnheiten abzufragen und diese entsprechend einzuplanen (Lieblingsfilm? Vorhanden oder mitbringen lassen auf USB Stick; Abb. 1).
Poliomyelitis (oral)
(parenteral)
Viral
Toxoid
Japan-Enzephalitis Rabies
Bakteriell
BCG
Cholera
Tetanus
Typhus (oral)
Typhus (parenteral)
Diphterie
Pertussis Haemophilus Influenza B
Merke: Nicht-pharmakologische Interventionen zur Angstund Stressreduktion haben gerade auch bei Kindern einen großen Stellenwert.
Pneumokokken Meningokokken Impfstoffe unterteilt in Viral/bakteriell sowie Lebend/Totimpfung oder Toxoid; modifiziert nach (13).
Impfungen und andere Gründe eine Anästhesie zu verschieben? In der Vorbereitung zu einer Operation sollte im Rahmen des Anästhesievorgesprächs neben den Fragen zur Familienanamnese, des Schwangerschaftsverlaufs und der Termingeburt, den gewohnten Fragen zu Unverträglichkeiten und Allergien ebenfalls der Impfstatus des zu anästhesierenden Kindes er-
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fragt werden. Es gelten die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Arbeitskreis Kinderanästhesie der DGAI: ,,Nach Impfungen mit abgeschwächten oder vermehrungs-unfähigen Lebend-Vakzinen sollte bei elektiven Eingriffen ein Abstand von 14 Tagen, bei Impfungen mit Totimpfstoffen von 3 Tagen eingehalten werden (Abb. 2). Dabei handelt es sich in beiden
Kontroversen in der Kinderanästhesie · H. Bürkle
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 42 April 2016 · Leipzig
Fällen um eine willkürliche Empfehlung, der keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde liegen [13]". Die Befürchtungen, dass aufgrund der mit einer Operation einhergehenden Immunschwächung der Impferfolg reduziert würde, oder eine Impfstoff-assoziierte Nebenwirkung vermehrt auftritt, konnte bislang nicht über Studien validiert werden.
Abbildung 3
Ein Verschieben der Anästhesie durch eine am Operationstag artikulierte Impfung ohne die oben benannten Zeitabstände ist nicht notwendig. Risiko-NutzenAbwägung
Weitaus häufiger als die plötzliche, neue Impfstatusinformation ist das Erscheinen des Kindes, entweder beim Prämedikationsgespräch oder am Operationstag, mit einem oberen Atemwegsinfekt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist altersabhängig groß: Säuglinge und Kinder im Kleinkind-Norschulalter haben im Mittel 6-8 Erkältungen jährlich. Studien zu perioperativen Komplikationen zeigten, dass bis zu 30% der Herzstillstände im Kindesalter durch Atemwegskomplikationen verursacht werden. Dazu gehören ebenfalls Laryngospasmus und Bronchospasmus, beide werden über das hyperreagible Atemwegssystem bis zu 6 Wochen nach einem respiratorischen Infekt, häufiger beobachtet [14]. Besonderes Augenmerk in der Altersgruppe 80%
Vitalkapazität [381
>80%
forcierte Vitalkapazität (FVC)
>80%
relative Einsekundenkapazität (FVC/FEV,)
>80%
Perioperative Versorgung des pulmonalen Risikopatienten · H. Mutlak
April 2016 • Leipzig
Abbildung 1 Thoraxröntgen/Lungenfunkion* Auffällige Anamnese oder pulmonale Symptome
ja
Bekannte/stabile Erkrankung • z.B. COPD, Asthma
ja
1-----
V.a. OP-/Anästhesierelevanten Befund • z.B. ausgeprägte Struma • z.B. Thoraxdeformität, etc.
ja
nein
keine weitere Diagnostik
ja - - - -
Neu aufgetretene/akut symptomatische Erkrankung • z.B . Pneumonie • z.B . Pleuraerguss • z.B. Atelektase
ja
Thoraxröntgen p.a.
Thoraxröntgen p.a. ggf. pulmonale Funktionsdiagnostik
• z.B. Pulsoxymetrie, Spirometrie, Blutgasanalyse Flussdiagramm der aktuellen DGAI-Leitlinien zur präoperativen pulmonalen Evaluation.
Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht abhängigen Sollwerten verglichen und in Prozent hierzu angegeben (Tab. 3).
obstructive pulmonary disease") und das Asthma bronchiale zusammengefasst. Auf dem Boden von retrospektiven
Ähnlich der Blutgasanalyse lässt sich auch aus einer pathologisch eingeschränkten Spirometrie ein mit der Klinik korrelierendes, erhöhtes perioperatives Risiko ableiten. Es konnten
Analysen stellt die Diagnose Asthma per se keinen Risikofaktor für das Auftreten von PPK dar (391, was möglicherwei-
außerhalb der Thoraxchirurgie jedoch keine spirometrischen oder plethysmografischen Werte ermittelt werden, die direkt mit der perioperativen Letalität oder Morbidität korrelieren. Ein relevanter Informationsgewinn zur Risikostratifizierung ist bei einem stabilen Patienten daher nicht zu erwarten.
Wesentliche Indikationen für eine Spirometrie sind die Abklärung unklarer pulmonaler Pathologien, klinische Verschlechterungen bzw. Therapieoptimierung bei bekannten, chronischen Lungenerkrankungen und die präoperative Abschätzung vor resezierenden Lungeneingriffen. Hier spielt die forcierte exspiratorische Einsekundenkapazität (FEV1 ), die Diffusionskapazität (DLcJ sowie die postoperativ zu erwartende Lungenfunktion (ppoDLco und ppoFEV1) eine wichtige Rolle zur Abschätzung der Operabilität.
Obstruktive Lungenerkrankungen Unter den obstruktiven Lungenerkrankungen werden die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD „chronic
Perioperative Versorgung des pulmonalen Risikopatienten · H. Mutlak
se auf die geringe Häufigkeit von Asthmatikern mit schwerer Beeinträchtigung der Lungenfunktion zurückzuführen ist. Die COPD ist weltweit die vierthäufigste Todesursache und stellt die häufigste Erkrankung der Atemorgane dar (40]. Ein maßgeblicher Faktor stellt ein langjähriger Nikotinabusus dar. Kennze!chnend für die COPD ist eine progrediente Atemwegsobstruktion, die auch nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Kortikosteroiden nicht vollständig reversibel ist [41] . COPD Patienten weisen ein erhöhtes perioperatives Risiko für PPK auf [1,2) .
Pathophysiologie Bei der COPD liegt eine Einschränkung des exspiratorischen Atemgasflusses aufgrund von erhöhten Atemwegswiderständen (,,Resistance") vor. Diese ist Folge chronisch entzündlicher Veränderungen des Respirationstraktes, die wiederum durch eine chronische Bronchitis oder durch Umbauprozesse des Lungenparenchyms hervorgerufen werden können. Initial" besteht eine mukoziliäre Insuffizienz mit Destruktion des Flimmerepithels und vermehrter Schleimsekretion. Durch Elas-
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April 2016 · Leipzig
tizitätsverlust des Lungenparenchyms und einer Erschlaffung der Bronchioli auf dem Boden einer chronisch persistierenden lnflammation mit konsekutiven Abbau der Bronchuswand kommt eine bronchokonstriktorische Komponente bzw. eine Kollapsneigung der distalen Atemwege im Verlauf hinzu [42).
Die strukturellen Veränderungen können im weiteren Verlauf der Erkrankung abhängige Organsysteme beeinträchtigen. Führend ist meist eine Erhöhung des pulmonalvaskulären Widerstandes im Sinne einer pulmonalarteriellen Hypertonie mit konsekutiver Rechtsherzbelastung. Durch die Erhöhung der Resistance kommt es zu einer Erhöhung der atemmechanischen Zeitkonstante (Tau: R x C). Dieses bedingt eine deutlich verlängerte Exspirationszeit bei Patienten mit COPD. Im Fall einer Steigerung des Ventilationsbedarfes mit Steigerung der Atemfrequenz ist eine vollständige Exspiration nicht mehr möglich. Daraus resultiert eine dynamische Überblähung der Lunge mit der Ausbildung eines intrinsischen PEEP am Ende der Exspiration durch in den Lungen verbleibenden Atemvolumen (Abb. 2). Dieses Phänomen wird auch als „air trapping" bezeichnet. Die Dynamik dieser Prozesse insbesondere bei akuter Exazerbation, können zu einem respiratorischen Versagen führen [43).
(Modified British Medical Research Council, Tab. 4) sowie die Exazerbationsfrequenz/Jahr erfasst. Die neue Einteilung der COPD erfolgt in 4 Schweregrade A-D (Tab. 6).
Die medikamentöse Therapie der COPD entspricht weiterhin einer Stufentherapie nach Schweregrad der Erkrankung (Tab. 7). Als Bedarfsmedikation kommen weiterhin rasch wirksame Bronchodilatatoren zum Einsatz, ab Stufe B werden langwirk-
Tabelle 4 mMRC Einteilung zur Beurteilung der Dyspnoe. Modified Brilish Medical Research Council (mMRC) mMRC-Grad0
Dyspnoe bei schweren Anstrengungen
mMRC-Grad 1
Dyspnoe bei schnellem Gehen oder bei leichten Anstiegen
mMRC-Grad II
langsameres Gehen als Gleichaltrige aufgrund von Dyspnoe
mMRC Grad III
Dyspnoe bei Gehstrecke um 100 m
mMRC-Grad IV
Dyspnoe beim An-/Ausziehen
Diagnostik und Therapie Der im Januar 2015 veröffentlichte COPD Konsensusreport der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) weist deutliche Unterschiede zu den alten Stadieneinteilungen der COPD auf. Wurden bislang die Schweregradeinteilungen lediglich an Hand spirometrisch erhobener Daten (Tiffeneau-lndex und FEV,) vorgenommen, erfolgt in der vorliegenden Leitlinie eine Erfassung der krankheitsbedingten Symptome, Exazerbationsraten und Komorbiditäten, da diese einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtprognose aufweisen [44). Neben der spirometrischen Erfassung der FEV, (Tab. 5) und des Tiffeneau-lndex, werden die krahkheitsbezogene Lebensqualität an Hand des CAT-Scores (COPD Assessment Test, www. cattestonline.org) oder des Dyspnoegrades gemäß mMRC-Skala
Tabelle 5 Klassifikation nach GOLD (FEV, forciertes Exspirationsvolumen in 1 s, FEV,NKVerhältnis von forciertem Exspirationsvolumen in 1 s zur Vitalkapazität) • Klassifikation der spirometrisch gemessenen Limitation des forcierten Expirationsvolumen bei COPD (post-Bronchodilatation) alle Patienten mit einer FEV/FVC 10% vom Ausgangswert < • Abfall der gemischtvenösen 0,-Sättigung 6,5 mmol/1 oder wenn bereits typische EKG-Veränderungen oder Herzrhythmusstörungen vorliegen) sowie die refraktäre schwere metabolische Azidose (etwa ab pH6,5 mmol/1, EKG-Veränderungen) • Oligurie/Anurie und bedrohliche Volumenüberladung (Lungenödem) • Schwere metabolische Azidose (pH 10 Tagen untersucht (8). Von 3.125 konsekutiven kardiochirurgischen Patienten hatten nur 57 Patienten nach einem lntensivaufenthalt von> 10 Tagen das Krankenhaus lebend verlassen und konnten weiter untersucht werden. Auch wenn die Gruppe der Patienten mit längerem lntensivaufenthalt, bei denen durch die lntensivtherapie die Lebensqualität beeinflusst wird, im Verhältnis zur Gesamtanzahl an lntensivpatienten klein ist, so ist doch ihre absolute Anzahl erheblich. Man geht alleine in Deutschland von ca. 50.000 Patienten pro Jahr aus, die nach längerer lntensivbehandlung einer schweren Sepsis als überlebende aus dem Krankenhaus entlassen werden (9). Eine längere lntensivtherapie kann mit einer Vielzahl an möglichen Langzeitfolgen verbunden sein z.B.: Atemnot durch Residuen eines ARDS, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, ggf. Dialysepflichtigkeit, Müdigkeit, muskuläre Schwäche als Folge einer lntensivpolyneuropathie oder -myopathie, kognitive Defizite, psychiatrische Residuen mit Ängsten, Depressionen, Schlaflosigkeit oder Veränderungen der sozialen Fähigkeiten. Auf einzelne dieser möglichen Langzeitfolgen wird später im Detail eingegangen.
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April 2016 · Leipzig
Lebensqualität: Definition und Messung Die Wurzeln der Definition von Lebensqualität beruhen auf der Definition von ,Gesundheit' durch die WHO: ,Gesundheit ist ein Status eines kompletten körperlichen, emotionalen und sozialen Wohlbefindens' [10] . Es ist verständlich, dass ein komplettes körperliches, emotionales und soziales Wohlbefinden nur eine Wunschvorstellung nach lntensivtherapie sein kann. Dies wird es ja auch bei Gesunden nicht immer geben. Bei der Definition von Lebensqualität wird ein multidimensionales Konzept verfolgt [11] bei dem die Lebensqualität auf fünf verschiedenen Säulen beruht (Abb. 1). Die Lebensqualität nach einem lntensivaufenthalt kann von Patienten sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, während z.B. eine geringe Heiserkeit nach Langzeitbeatmung für eine Berufssängerin das Leben zerstören kann, kann dies von anderen Patienten evtl. gar nicht wahrgenommen werden. Solch individuelle Aspekte der Lebensqualität nach lntensivtherapie können ausschließlich durch den persönlichen Kontakt mit dem einzelnen Patienten erhoben werden. Solche Kontakte mit ehemaligen Patienten sind leider für die meisten lntensivmediziner Seltenheiten. Für die wissenschaftliche und vergleichende Analyse von Health-related quality of life (HRQL) ist es wichtig standardisierte Instrumente zur Verfügung zu haben mit denen HRQL gemessen werden kann [12). In den vergangenen Jahren wurden deswegen verschiedene standardisierte und validierte Fragebögen benutzt, um die Lebensqualität von ehemaligen lntensivpatienten zu studieren [13] . Die vier wichtigsten dieser Fragebögen sind: • Medical outcomes study 36-item short form general health survey (SF-36) [14] • EuroQol-5D (EQ-5D) [15] • Sickness Impact Profile (SIP) [16] • Nottingham Health Profile (NHP) 117].
Abbildung 1
Dimensionen der Lebensqualität (11) . Die Dimensionen körperliche Funktion, psychisches Befinden und soziale Interaktion werden häufig unter dem Begriff Health-related quality of life (HRQL) zusammengefasst.
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Der SF-36 ist der standardisierte Test, der am häufigsten bei der Messung von Lebensqualität nach lntensivtherapie eingesetzt wird, und der später noch häufiger erwähnt wird. Deswegen wird er im Folgenden kurz vorgestellt. Der SF-36 wurde 1990 entwickelt und validiert und seitdem gibt es über 1.000 Publikationen, in denen er benutzt wurde. Der SF-36 wird in vielen unterschiedlichen Bereichen der Medizin eingesetzt. Er besteht aus 36 einzelnen Fragen, auf die mit einer 5-Punkte-Skala geantwortet werden kann. Dadurch, dass der SF-36 sehr weit verbreitet ist, können erhobene Werte von lntensivpatienten auch mit Messwerten anderer Patientengruppen oder aber auch mit der nicht erkrankten gleichaltrigen Normalbevölkerung verglichen werden.
Spezifische Langzeitfolgen intensivmedizinischer Behandlung Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Langzeitfolgen nach längerer lntensivbehandlung, die Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten haben. Viele dieser Folgen betreffen einzelne Organsysteme, die während des lntensivaufenthaltes im Rahmen eines Multi-Organ-Versagens betroffen waren . Neben diesen organspezifischen Folgen einer lntensivbehandlung gibt es jedoch auch spezifische Langzeitfolgen, die unabhängig vom initial betroffenen Organsystem auftreten können. Dies sind vor allem: • lntensivpolyneuropathie • lntensivmyopathie • kognitive Defizite • Posttraumatische Belastungsstörungen
lntensivpolyneuropathie Die lntensivpolyneuropathie oder auch Critical lllness Polyneuropathie (CIP) ist eine reversible, akute, axonale Polyneuropathie, die sich während einer schweren längeren lntensivbehandlung entwickelt. Als pathoanatomisches Korrelat findet man eine axonale Degeneration vor allem motorischer Nervenfasern. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis eines axonalen Schadens mittels EMG bei Abwesenheit anderer Ursachen für diese Pathologie. Patienten mit dem klinischen Bild der lntensivpolyneuropathie zeigen üblicherweise Muskelschwäche, Muskelschwund, verminderte oder fehlende Muskeleigenreflexe, erschwertes Weaning und gelegentlich auch einen Verlust der Sensorik. Die lnzidenz der lntensivpolyneuropathie unter Langzeitintensivpatienten ist hoch. In einer aktuellen Untersuchung an internistischen lntensivpatienten mit einer lntensivaufenthaltsdauer von mehr als 7 Tagen fanden sich bei über 50% der Patienten im EMG Hinweise auf eine lntensivpolyneuropathie [18] . Je nach untersuchter Patientengruppe werden aber auch lnzidenzen bis zu 100% der lntensivpatienten angegeben [19] . Als auslösende Faktoren für eine lntensivpolyneuropathie werden vermutet: Sepsis, Multiorganversagen, erhöhte Blutglukosewerte, Glukokortikoide und Muskelrelaxantien. Der Verlauf einer lntensivpolyneuropathie
Lebensqualität nach lntensivtherapie • H.-G. Bone
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 42 April 2016 • Leipzig
ist monophasisch und selbst limitierend. Nach Stabilisierung des Patienten und Verlassen der Intensivstation bessert sich bei einem Teil der Patienten das Krankheitsbild spontan, bei vielen Patienten können jedoch auch lebenslange neurologische Defizite auf Grund der Polyneuropathie bestehen bleiben (19]. Diese Defizite können zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten führen. Eine spezifische Therapie der lntensivpolyneuropathie existiert nicht.
lntensivmyopathie Eine lntensivmyopathie kann zusammen mit einer lntensivpolyneuropathie auftreten, aber auch ohne eine begleitende Polyne!Jropathie. Pro Tag kann ein lntensivpatient bis zu 2% seiner Muskelproteinmasse verlieren. Auf Grund eines vermehrten interstitiellen Ödems der Muskulatur gibt das äußere Erscheinungsbild der Muskulatur und Muskelumfangsmessungen keine Auskunft über den wirklichen Verlust an Muskelmasse (20]. Als klinisches Bild findet sich häufig eine besonders ausgeprägte Schwäche der Muskeln in der unteren Extremität. In einer großen Follow-up-Studie von Patienten mit ARDS war bleibende Muskelschwäche die wichtigste einzelne Determinante von eingeschränkter Lebensqualität (21 ]. Zentrale Maßnahme zur Prophylaxe von, Therapie bei und Rehabilitation nach lntensivpolyneuropathie ist eine gute krankengymnastische Behandlung. Es ist aber nicht sicher nachgewiesen, dass eine sehr frühzeitige Übungsbehandlung während der lntensivtherapie zu einem besseren funktlonellen Outcome führt [5]. Weitere Maßnahmen zur Verhinderung bzw. zur Reduktion einer lntensivmyopathie sind: sehr frühe und effektive Behandlung einer Sepsis, Vermeidung von Hyperglykämien und Verzicht auf frühe parenterale Ernährung (22].
Kognitive Defizite Zunehmend häufiger werden in der intensivmedizinischen Literatur neurokognitive Defizite nach längerer lntensivtherapie beschrieben (23-25]. In einer Untersuchung von Patienten nach überlebter ARDS-Therapie fanden sich 1 Jahr nach lntensivtherapie noch bei fast der Hälfte der Patienten Einschränkungen der kognitiven Funktionen (26]. Besonders betroffen waren Erinnerungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit, aber auch Entscheidungsgeschwindigkeit und Handlungsfähigkeit werden durch längere lntensivtherapie beeinträchtigt (27]. Diese neurokognitiven Veränderungen nach lntensivtherapie bessern sich bei vielen Patienten innerhalb der ersten 12 Monate nach lntensivaufenthalt, bei einigen Patienten sind sie aber auch noch nach Jahren nachweisbar und haben erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität (28]. Risikofaktoren für das Auftreten dieser neurokognitiven Störungen sind nicht im Detail bekannt, diskutiert werden Hypoxien, Sedativa, Hypotensionen, Hyperglykämien (24]. überraschender Weise ist die Krankheitsschwere (APACHE-Score), Beatmungsdauer und Sedierungsdauer nicht mit dem Ausmaß der kognitiven Funktioneinschränkungen korreliert (23]. Prophylaktische oder therapeutische Ansätze für diese kognitiven Funktionseinschränkungen nach lntensivtherapie existieren bislang nicht.
Lebensqualität nach lntensivtherapie · H.-G. Bone
Posttraumatische Belastungsstörungen Durch die intensivmedizinische Behandlung sind der Patient und seine Angehörigen enormen seelischen Belastungen ausgesetzt. Depressionen nach längerer lntensivtherapiedauer treten bei bis zu 28% der Patienten auf [28]. Ca. 9% aller lntensivpatienten insgesamt, 47% aller kardiochirurgischen lntensivpatienten und über 70% aller Langzeitintensivpatienten berichten über potenziell traumatische Erinnerungen an die lntensivzeit (29]. Zu diesen traumatischen Erinnerungen gehören u.a. Erinnerungen an Albträume, Halluzinationen, Atemnot, Angst und Schmerzen. Die Bedeutung dieser psychischen Belastungen für die Lebensqualität nach lntensivmedizin ist erst in den letzten Jahren Gegenstand intensiverer Untersuchungen geworden. In einer Untersuchung von Patienten nach ARDS litten über 40% der Patienten bei Entlassung von der Intensivstation an einer massiven posttraumatischen Belastungsstörung [30]. Selbst 3-13 Jahre nach dem lntensivaufenthalt sind bei über 20% der Patienten noch posttraumatische Belastungsstörungen nachweisbar, die die Lebensqualität der Patienten deutlich einschränken (30]. Es gibt Hinweise darauf, dass insbesondere Patienten, die keine realen Erinnerungen an ihre Zeit auf der Intensivstation haben, gefährdet sind posttraumatische Belastungsstörungen zu entwickeln (31,32]. In einer Befragung von lntensivpatienten gaben jedoch nach sechs Monaten fast 40% der Patienten an, dass sie keinerlei Erinnerung an ihren lntensivaufenthalt mehr hatten (33]. Schlechte aber dafür reale Erinnerungen an den lntensivaufenthalt scheinen besser für das seelische Gleichgewicht der Patienten zu sein, als fehlende Erinnerungen [34]. Als Prophylaxe von posttraumatischen Belastungsstörungen nach lntensivtherapie erscheint deswegen eine Reduktion der Zeit, in der Patienten auf der Intensivstation sediert werden, sinnvoll. überraschender Weise führt auch die Gabe von Kortikoiden (Stress-Dose) zu einer Reduktion von posttraumatischen Belastungsstörungen nach lntensivtherapie (29,35]. Nicht nur die lntensivpatienten selbst, sondern auch viele ihrer Angehörigen haben noch Monate und Jahre nach dem lntensivaufenthalt erhebliche psychische Probleme auf Grund der Zeit auf der Intensivstation. Durch eine gezielte Gesprächsführung und Information kann das Auftreten dieser psychischen Probleme bei Angehörigen von lntensivpatienten reduziert oder ganz verhindert werden (36].
Lebensqualität einzelner Gruppen von lntensivpatienten Die meisten Untersuchungen zur Lebensqualität nach lntensivmedizin beschäftigen sich nur mit spezifischen Untergruppen der lntensivpatienten. So wurde z.B. häufig die Lebensqualität nach schwerer Sepsis, nach ARDS, nach kardiochirurgischem Eingriff oder die Lebensqualität bei älteren lntensivpatienten untersucht. Auf einige dieser Patientenuntergruppen soll im Folgenden kurz eingegangen werden, zuvor werden aber die Ergebnisse der wenigen Studien, die eine Gesamtintensivpopulation untersuchten, vorgestellt.
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Lebensqualität von lntensivpatienten mit gemischten Krankheitsbildern Die Ergebnisse von Untersuchungen über die Lebensqualität von lntensivpatienten mit gemischten Krankheitsbildern sind genau so gemischt wie die Krankheitsbilder selbst. In einer Untersuchung von der internistischen Intensivstation der Uniklinik Aachen fanden sich bei 153 befragten lntensivpatienten 9 Monate nach lntensivaufenthalt keine Lebensqualitätsunterschiede mehr im Vergleich zur Vorintensivbaseline [37]. Einen Monat nach dem lntensivaufenthalt waren in dieser Studie jedoch sowohl die körperliche als auch die psychische Rollenfunktion im SF-36 (s.o.) noch deutlich eingeschränkt. Erst im Verlauf der folgenden 8 Monate besserte sich dann langsam die gemessene Lebensqualität der Patienten. Eine französische Arbeitsgruppe um Combes et al. untersuchte eine besonders schwer erkrankte Untergruppe von lntensivpatienten, nämlich Patienten, die länger als 14 Tage beatmet wurden [38]. Die Lebensqualität dieser Patienten wurde nach einem medianen Follow-up von 3 Jahren untersucht. Auch wenn die gemessene Lebensqualität in dieser speziellen Gruppe von lntensivpatienten deutlich niedriger war als in der gesunden französischen Vergleichspopulation, so waren doch 99% der nach 3 Jahren noch lebenden Patienten von fremder Hilfe unabhängig und lebten zu Hause. Im Gegensatz zu den Ergebnissen dieser Gruppe waren in einer vergleichbaren amerikanischen Studie mit lntensivpatienten, die länger als 48 Stunden beatmet waren, ein Jahr nach lntensivaufenthalt 57% der Patienten auf Pflege angewiesen [39]. In einem systematischen Review aller Studien zum Thema Lebensqualität nach lntensivmedizin wurden von Dowdy et al. aus einer Vielzahl von Publikationen insgesamt 21 Studien herausgesucht, die mittels Fragebögen die Lebensqualität nach lntensivtherapie evaluierten [40]. Ein Ergebnis dieses systematischen Reviews war, dass zwar die Lebensqualität nach lntensivtherapie niedriger ist, als in der vergleichbaren Normalbevölkerung ohne lntensivtherapie, dass aber auch schon vor Beginn der lntensivbehandlung die späteren lntensivpatienten im Durchschnitt eine niedrigere Lebensqualität hatten als die vergleichbare Normalbevölkerung. Die meisten von Dowdy et al. analysierten Studien zeigten eine sukzessive Verbesserung der Lebensqualität während der ersten 12 Monate nach lntensivaufenthalt. Höheres Alter und größere Krankheitsschwere waren Prädiktoren für eine schlechtere körperliche Leistungsfähigkeit nach lntensivtherapie.
Lebensqualität nach ARDS In einer großen prospektiven Studie zur Lebensqualität nach ARDS überlebten von 195 eingeschlossenen Patienten 117 den lntensivaufenthalt (60%), 109 Patienten wurden anschließend untersucht [21]. Nachuntersuchungen der Patienten erfolgten nach 3, 6 und 9 Monaten, das mediane Alter betrug 45 Jahre, die mediane Beatmungsdauer 21 Tage, der mediane lntensivaufenthalt 25 Tage und der mediane Krankenhausaufenthalt 48 Tage. Der Gewichtsverlauf der Patienten in dieser Studie ist in Abbildung 2 dargestellt.
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Abbildung2 Gewichtsverlust in % vom Ausgangsgewicht 0
-5 -10 (%)
-15 -20+------"-----------------1
-25+-----~----~---~----......J Krankenhausentlasssung
3 Monate
6 Monate
9 Monate
Gewichtsverlust nach ARDS (21).
Abbildung3 Ergebnisse im SF-36 Fragebogen nach ARDS ■
Nonnalbevölkerung
■
ARDS n. 1 Jahr"
ARDS n. 3-13 Jahren•
Körper!. Körper!. Schmerz Gesund- Vitalität Soziale Funktion Rolle heit Funktion
Emo-
tionale Rolle
Mentale Gesundheit
Ergebnisse im SF-36 Fragebogen zur Lebensqualität bei altersgleicher Normalbevölkerung, einer Studie mit einer Nachuntersuchung 1 Jahr nach ARDS* (21) und einer Studie mit einer Nachuntersuchung 3-13 Jahre nach ARDS0 (30) . Höhere Werte zeigen eine bessere Lebensqualität an.
Von 109 in der Studie nach untersuchten Patienten [21] hatten: • 10 Schmerzen an den lnsertionsstellen von Thoraxdrainagen • 6 Patienten bleibende Polyneuropathien • 4 Patienten heterotope Ossifikationen • 3 Patienten bleibende Kontrakturen oder Gelenkversteifungen • 6 Patienten eine kosmetische Korrektur der Tracheotomiewunde • 2 Patienten wurden wegen einer Trachealstenose operiert. Die mittlere 6-Minutenlaufstrecke der untersuchten Patienten (normal ca. 600 m) war: 281 m nach 3 Monaten, 396 m nach 6 Monaten und 422 m nach 1 Jahr. Nach 3 Monaten arbeiteten 16% der Patienten wieder, nach 6 Monaten 32% und nach
Lebensqualität nach lntensivtherapie · H.-G. Bone
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1 Jahr 49%. In der schon zuvor erwähnten Untersuchung von Kapfhammer et al. hatten von 46 lntensivpatienten mit ARDS bei Verlegung von der ICU 43% der Patienten eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) und am Ende der Nachbeobachtungszeit hatten noch 23% der Patienten eine voll ausgebildete PTBS und 17% hatten eine Sub-PTBS [30]. Aus den oben aufgeführten Daten zeigt sich, dass auch Jahre nach der lntensivbehandlung ARDS-Patienten eine Einschränkung ihrer körperlichen Fähigkeiten aufweisen, die sie in ihrer Lebensqualität einschränken. Auch wenn bei einem Teil der Patienten posttraumatische Belastungsstörungen nachweisbar sind, ist die emotionale und psychische Lebensqualität der f>'atienten nicht wesentlich eingeschränkt. Des Weiteren unterscheiden sich Lebensqualität und Häufigkeit von Depressionen bei f>'atienten, die wegen eines ARDS auf einer Intensivstation behandelt wurden, nicht wesentlich von der Lebensqualität und Depressionshäufigkeit von Patienten mit ähnlichen Vorerkrankungen, die aber kein ARDS entwickelten [4 1]
aber auch eine signifikante Reduktion der Lebensqualität von Patienten, die zuvor wegen einer Sepsis auf einer Intensivstation behandelt wurden, im Vergleich zur Lebensqualität der Normalbevölkerung (46].
Tabelle 1 Lebensqualität nach gram-negativer Sepsis gemessen mit dem SF-36 (Punktwerte ohne Einheit) in Relation zur altersgleichen Normalbevölkerung (42]. Sepsiskollektiv
US-Bevölkerung
p
Körperliche Funktion
61
84
60-80 ml/kl}'min für eine
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suffiziente Oxyenierung des Blutes notwendig sind. Zusätzlich ist das Sauerstoffangebot von der Hämoglobinkonzentration abhängig, so dass auf eine Hämoglobinkonzentration von > 10 ml}'dl zu achten ist. Die Extracorporeal Life Support Organization (ELSO) schlägt aus Sicherheitsgründen sogar eine Untergrenze von 12-14 ml}'dl vor [78]. Nichtsdestotrotz ist die minimal tolerierbare Hämoglobinkonzentration unbekannt und sicherlich individuell verschieden [3). Die Decarboxylierung des Blutes wird über den eingestellten Frischgasfluss (FGF), i.d.R zwischen 1-10 L O/min, gesteuert. Da die Kapazität der Membranen in Bezug auf die Decarboxylierung wesentlich ist höher als die der Oxygenierung sind Blutflussraten von ca. 25% des HZV bzw. 10-15 ml/kl}'min zur reinen extrakorporalen C02-Elimination (ECCO2 R) meist ausreichend. Wichtig ist zu beachten, dass die vvECMO keine kardiale Unterstützung bietet. Die Distribution des oxygenierten Blutes ist auf ein ausreichendes Herzzeitvolumen des Patienten angewiesen. Eine kardiale Dysfunktion muss daher in der Differentialdiagnose einer Hypoxämie unter vvECMO immer untersucht und ausgeschlossen werden (71 ].
Venoarterielle Extrakorporale Membranoxygenierung Eine venoarterielle ECMO (vaECMO) erlaubt eine kardiopulmonale Unterstützung und dient der Überbrückung einer primären oder sekundären kardialen Dysfunktion [51,61 J. So wird beispielsweise ein ARDS oftmals durch einen pulmonalarteriellen Hypertonus oder eine septische Kardiomyopathie bis hin zur globalen Herzinsuffizienz kompliziert (20] . Dem Patienten wird analog der vvECMO über die V. femoralis eine drainierende Kanüle in den rechten Vorhof, am besten bicaval angelegt (21-25 Fr). Nach Oxygenierung und Decarboxylierung wird das Blut bei peripherer venoarterieller ECMO das Blut über die A. femoralis zurückgegeben. Die Punktion
Lungenersatzverfahren • C. Lotz · R. M. Muellenbach
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und Lagekontrolle sollte ebenfalls sonographisch und mittels TEE erfolgen [75). Aufgrund der Gefahr einer Beinsichämie sollte zusätzlich eine antegrade Perfusion des kanülierten Beins über eine 7-8 Fr Kanüle sichergestellt werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, den peripheren arteriellen Gefäßzugang mittels einer Gefäßprothese herzustellen. Zudem ist eine chirurgische, sogenannte zentrale Kanülierung möglich. Hierbei wird nach Thorakotomie eine Drainagekanüle (29-40 Fr.) durch das rechte Vorhofohr platziert. Die Rückgabe des oxygenierten Blutes erfolgt dann über die direkte Kanülierung der Aorta ascendens (18-24 Fr.) [34). Pathophysiologisch reduziert die venöse Drainage die Vorlast des Herzens und reduziert dessen enddiastolischen Druck. Die arterielle Rückgabe stellt die Oxygenierung aller lebenswichtigen Organe sicher. Es bestimmen nun der Blutfluss der vaECMO und der systemvaskuläre Widerstand die Organperfusion. VaECMO Blutflüsse von 3 Umin (40-60 ml/kg/min) sind im Regelfall ausreichend und sollten nicht höher als nötig gewählt werden da die kardiale Unterstützung mit einer flussabhängigen Zunahme der linksventrikulären Nachlast erkauft wird. Zur Orientierung einer ausreichenden Perfusion dient eine venöse Sättigung >70% [78). Bei sehr schwacher Pumpfunktion des Herzens kann es daher zum Ausbleiben der Aortenklappenöffnung mit Rückstau in die pulmonale Zirkulation kommen. Als Einschränkung ist zudem zu beachten, dass bei schlechter nativer Lungenfunktion und sich erholender kardialer Funktion deoxygeniertes Blut in die obere Körperhälfte gelangen kann mit der Folge einer kardialen und zerebralen Hypoxie (,,Harlekin-Syndrom"). Hier ist ein zusätzliches Monitoring beispielsweise mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) zu empfehlen 1103). Die Lösung des Problems ist die Erweiterung der ECMO um eine venöse Rückgabekanüle als venovenoarterielle (vva) ECMO. Merke: Die vvECMO dient primär dem Lungenersatz während eine vaECMO kardiopulmonale Unterstützung bietet.
Antikoagulation Der extrakorporale Kreislauf führt zu einer Kontaktaktivierung der endogenen Gerinnung mit Koagelbildung und der Gefahr einer Verbrauchskoagulopathie. Obwohl moderne, mit Heparin beschichtete ECMO-Systeme die Gefahr einer foudroyanten Gerinnungsaktivierung erheblich reduzieren und im Einzelfall einen verzögerten Beginn der systemischen Antikoagulation erlauben (z.B. bei Polytrauma oder schwerem Schädel-Hirn-Trauma) ist letztere meist unumgänglich. Den Eckpfeiler der medikamentösen Antikoagulation bilden unfraktioniertes Heparin und Antithrombin. In der Abwesenheit von Kontraindikationen wird unfraktioniertes Heparin während der Kanülierung mit einer Bolusgabe von 50-100 IE/kg gestartet und hiernach als kontinuierliche Infusion fortgesetzt. Ziel ist eine Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit
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(aPTT) bzw. der aktivierten Gerinnungszeit (ACTI auf das 1,5 fache unter vvECMO und des 2-3 fachen unter vaECMO. Das Antithrombin sollte möglichst im Normbereich gehalten werden. Zur Vermeidung von Blutungskomplikationen ist zudem Fibrinogen im Normbereich zu halten und auf eine Thrombozytenzahl >80.000/µI zu achten [78). Der Einsatz direkter Thrombininhibitoren ist in den meisten Zentren noch auf eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT II) beschränkt, wobei bereits bei Verdacht umgehend z.B. auf Argatroban umgestellt werden muss [11,871.
Indikationen '
Akutes Lungenversagen Ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) ist definiert durch eine akute Hypoxämie, sowie bilateralen Verdichtungen in der Röntgenthoraxaufnahme/ Computertomographie, welche nicht durch eine kardiale Ursache oder eine Volumenüberladung erklärt werden können. Nach der aktuellen Berlin-Definition aus dem Jahr 2012 [32) werden drei Schweregrade unterschieden: • Mildes ARDS bei arteriellem Sauerstoffpartialdruck (PaO2 )/ inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO2 ) =201-300 mmHg, bei positiven endexspiratorischen Druck (PEEP) >5 cmH 2O. • Moderates ARDS bei einem PaO/FiO2-Quotienten von =101-200 mmHg, PEEP .!:5 cmHp • Schweres ARDS bei PaO/FiO2 sl 00 mm Hg, bei einem PEEP.!:5 cmHp Häufige Ursachen sind eine pneumogene oder nicht-pneumogene Sepsis, die Aspiration von Mageninhalt, Schock bzw. Trauma [29,93). Trotz signifikanter therapeutischer Fortschritte mit einer Abnahme der Mortalität um etwa zehn Prozent im Zeitraum zwischen 1996/97 und 2004/05 versterben aktuell weiterhin ein Drittel aller ARDS-Patienten [28). Die hohe Letalität ist hierbei zu Beginn der Erkrankung hauptsächlich durch die ursächliche Erkrankung bestimmt, wohingegen im weiteren Verlauf eine nosokomiale Pneumonie oder eine Sepsis die Haupttodesursachen darstellen [16,29,68,97). In über siebzig Prozent der ARDS Patienten liegt eine pulmonalvaskuläre Dysfunktion vor, wobei ein Cor pulmonale nicht nur einem Rechtsherzversagen, Kreislaufinsuffizienz und Schock vorangeht, sondern auch einen unabhängigen Risikofaktor für eine erhöhte Letalität darstellt [17,20,81 ). Klinisch steht neben der Therapie der Grunderkrankung primär die Beseitigung der Hypoxämie im Vordergrund. Ein ARDS stellt hierbei keineswegs ein auf die Lunge beschränktes Krankheitsbild dar, sondern ist als eine systemisthe Erkrankung mit einer wechselseitigen Interaktion zwischen der Lunge und anderen Organsystemen zu verstehen. Je schwerwiegender die Hypoxämie, desto höher ist die Letalität des ARDS, wobei im Verlauf pulmonaler Hypertonus und Rechtsherzinsuffizienz an Bedeutung gewinnen.
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Therapeutische Möglichkeiten zur Beseitigung der Hypoxämie und Sicherstellung einer adäquaten Gewebeoxygenierung beinhalten die Anwendung hoher Sauerstoffkonzentrationen, die Senku.ng des Sauerstoffbedarfs der Patienten, sowie die Verbesserung der Sauerstofftransportkapazität des Bluts. Hierbei werden zur Vermeidung einer beatmungsassoziierten bzw. -induzierten Lungenschädigung (VALINILI) sog. lungenprotektive Beatmungseinstellungen als Standardtherapie des akuten Lungenversagens angesehen, d.h. ein reduziertes Tidalvolumen (VT) von 6 ml/kg idealisiertem Körpergewicht (IBW), ein Plateaudruck (PPlat) von 7 Tage (Fi02 >90%, Plateaudrücke >30 cmH 20) Intrakranielle Blutung COPD GOLD IV Chronische Herz- o. Niereninsuffizienz im Endstadium Fortgeschrittene Leberzirrhose Lebenserwartung