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German Pages [166] Year 2014
Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung
Mai 2014 · Leipzig
Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten
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Mai 2014 · Leipzig
Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Nr. 40 8. - 10. Mai 2014, Leipzig
Herausgegeben von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung
Aktiv Druck & Verlag GmbH
Mai 2014 · Leipzig
Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) Präsidentin: Prof. Dr. med. T. Koch Direktorin der Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Internet: www.uniklinikum-dresden.de E-Mail: [email protected]
ISSN 1431-1437 ISBN 978-3-932653-42-1 Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach Aktuelles Wissen für Anästhesisten: Refresher Course / hrsg. von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung. ISSN 1431-1437 Nr. 40, Mai 2014, Leipzig - (2014) ISBN 978-3-932653-42-1 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Cl Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach 2014 http://www.aktiv-druck.de Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinn der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
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Mai 2014 · Leipzig
Geleitwort Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„ Wissen ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt." Im Namen der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) laden wir Sie ganz herzlich ein, das aktuelle Wissen des 40. Refresher Courses mit uns zu teilen. Die 61. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin in Leipzig steht unter dem Motto
"Qualität durch Wissenschaft". Qualität in der Medizinischen Leistungserbringung wird vom Patienten aber auch von den Kostenträgern selbstverständlich erwartet und Qualitäts- und Risikomanagement gehören mittlerweile als gesetzlich geforderte Maßnahmen zur klinischen Praxis. Qualität kann jedoch bei der kurzen Halbwertszeit des Medizinischen Wissens nur durch die ständige Weiterentwicklung der Forschung und die Implementierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Klinische Praxis gesichert werden.
muss es auch tun! Ein weiteres Anliegen ist es die Neugierde und Begeisterung für die interessanten Themen unseres Fachgebietes zu wecken. Ein besonderer Dank gilt den Referenten und Autoren, die sich neben ihren klinischen Verpflichtungen die Mühe gemacht haben, einen aktuellen Überblick über die Entwicklungen des Fachgebietes herauszuarbeiten und somit maßgeblich zur Qualitätssicherung durch Wissensvermittlung beitragen. In diesem Sinne wünschen wir den Lesern viel Freude mit dem diesjährigen Refresher Course Band und hoffen, dass die ausgewählten Themen Ihr Wissen und die Qualität der anästhesiologischen Versorgung bereichern.
Prof. Dr. med. Thea Koch - Präsidentin der DAAF -
Prof. Dr. med. Frank Wappler - Vizepräsident der DAAF -
Als wichtige Beispiele für die auf klinischer Forschung basierten Verbesserungen der Behandlungsqualität in unserem Fachgebiet seien hier nur einige Meilensteine, wie der Paradigmenwechsel in der Beatmung oder die Weiterentwicklung der Sepsistherapie und die neuen Algorithmen für die Reanimation, erwähnt. Auch in der Grundlagenforschung haben neue Erkenntnisse über die Wirkung von Anästhetika und Ergebnisse der Schmerzforschung die Therapie maßgeblich beeinflusst. Gerade im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin orientieren wir uns an Leitlinien und Empfehlungen, die regelmäßig auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Daten aktualisiert werden. Die Verbesserung der Behandlungsqualität scheitert jedoch häufig noch an der fehlenden konsequenten Umsetzung von Evidenz-basierten Maßnahmen in der Klinischen Routine. Ziel des diesjährigen Refresher Course Bandes ist es daher, Ihnen einen Überblick über den aktuellen Wissensstand klinisch relevanter Themen aus der Anästhesiologie, Intensiv-, Schmerz- und Notfallmedizin zu geben und Ihnen Hilfestellungen und Tipps zur praktischen Umsetzung zu vermitteln. Denn im Sinne Goethes reicht es nicht nur zu wissen, sondern man
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 • Leipzig
Inhaltsverzeichnis Anzeige
Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie T. Girard .................................................................. 1
Ambulante Anästhesie bei Kindern K. Becke .................................................................. 5
Notfallsituationen in der geburtshilflichen Anästhesie
Innovative EEG-Technologien für OP, Intensivstation und Neonatologie
J. Wallenborn ........................................................... 15
Triggerfreie Anästhesie -wie, wann und warum? M. U. Gerbershagen .................................................. 27
Das nicht kooperative Kind Prophylaxe, Vorgehen, Tipps
• Innovative Hard- und SoftwareVarianten • Individuell adäquate Steuerung der Narkose, geschlechts- und altersspezifisch
M. Jöhr ................................................................... 33
• Analyse des lntensiv-EEG
Larynxmasken - Indikationen und Kontraindikationen
• Zusätzliche Parameter, z. B. aEEG und STI
A. Timmermann · S. Cremer ........................................ 41
• sehr günstiges Verbrauchsmaterial
Thorakale Epiduralanästhesie - Outcome-relevant? D.M. Pöpping • H. Van Aken · M. Wenk ......................... 49
Diagnose- und Befunderhebungsfehler Die Sicht des Juristen R.-W. Bock .............................................................. 59
Besuchen Sie uns auf dem DAC 2014 in Leipzig (8.-10.5.2014) Halle 2, Stand Nr. 41 Internet: www.narcotrend.de
E-Mail: [email protected]
Hygienestandards auf der Intensivstation L. Jatzwauk ............................................................. 65
Update nosokomiale Infektionen Lehren aus dem Leipziger KPC-Ausbruch Ch. Lübbert ............................................................. 71
Beatmung auf der Intensivstation eine Praxisanleitung N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers ........................ 77
Hypotension in der lntensivmedizin S. Haas · D. A. Reuter ................................................ 87
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Delir-Prophylaxe und Behandlung
R. Tomasi · V. von Dossow-Hanfstingl ............................ 95 Protokolle in der lntensivmedizin Sinnvolle Hilfe oder zusätzliche last
J.-P. Braun ............................................................. 101 Analgesie, Sedierung und Anästhesie in der Notfallmedizin H. A. Adams· A. Flemming ....................................... 109 Das Deutsche Reanimationsregister
J.T. Gräsner · S. Seewald· J. Wnent. ............................. 123 Regionalanästhesieverfahren zur postoperativen Schmerztherapie
0. Vicent .............................................................. 135 Perioperative Versorgung des schmerzkranken Patienten
M. Poels · R. Joppich · F. Wappler ............................... 145
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Verzeichnis der Erstautoren Girard T., Prof. Dr. med. Departement für Anästhesie, operative lntensivmedizin, präklinische Notfallmedizin und Schmerztherapie Universitätsspital Basel Spitalstr. 21, 4031 Basel, Schweiz
Becke K., Dr. med. Abteilung für Anästhesie und lntensivmedizin Cnopf'sche Kinderklinik/Klinik Hallerwiese Nürnberg Diakonie Neuendettelsau St. Johannis-Mühlgasse 19, 90419 Nürnberg Wallenborn J., PD. Dr. med. habil. Klinik für Anästhesiologie und lntensivmedizin HELIOS Klinikum Aue Gartenstr. 6, 08280 Aue
Gerbershagen M., PD Dr. med. Krankenhaus Köln-Merheim Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln
Jöhr M., Dr. Klinik für Anästhesie, lntensivmedizin, Rettungsmedizin und Schmerztherapie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16, Schweiz
Timmermann A., Prof. Dr. med. Klinik für Anästhesie, Schmerztherapie, Intensiv- und Notfallmedizin DRK Kliniken Berlin Westend Spandauer Damm 130, 14050 Berlin
Pöpping D.M., Priv.-Doz. Dr. med. Universitätsklinikum Münster Klinik für Anästhesiologie, operative lntensivmedizin und Schmerztherapie Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A1, 48149 Münster
Bock R.-W., Rechtsanwalt Geschäftsführender Gesellschafter der Sozietät Ulsenheimer Friederich Rechtsanwälte, Büro Berlin Schlüterstr. 37, 10629 Berlin Jatzwauk L., Prof. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
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Lübbert Ch., Dr. med. Fachbereich Infektions- und Tropenmedizin, Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig Kaisers U.X., Prof. Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20, 04103 Leipzig
Reuter D.A., Univ.-Prof. Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie Zentrum für Anästhesiologie und lntensivmedizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg Dossow-Hanfstingl V., PD Dr. med. Klinik für Anaesthesiologie LMU Klinikum der Universität München Marchioninistr. 15, 81377 München
Braun J.-P., PD Dr. med., Chefarzt Klinik für Anästhesie, lntensivmedizin und Schmerztherapie Klinikum Hildesheim Senator-Braun-Allee 33, 31135 Hildesheim Adams H.A., Prof. Dr. med. Leiter der Stabsstelle für Interdisziplinäre Notfall- und Katastrophenmedizin Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
Gräsner ).-Th., PD Dr. med. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Str. 3, Haus 31, 24105 Kiel
Vicent 0., Dr. med. Klinik für Anästhesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Poels M., Dr. med. Klinik für Anästhesiologie und operative lntensivmedizin Klinikum der Universität Witten/Herdecke Kliniken der Stadt Köln gGmbH Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 • Leipzig
Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie T. Girard
Hat die Pharmakogenetik eine Relevanz für die Anästhesie? Bevor dieser Frage im Detail nachgegangen werden kann, müssen einige Begriffe diskutiert werden. Was ist eigentlich Pharmakogenetik? V~m welcher Relevanz sprechen wir? Relevant für die anästhesiologische Forschung und die Weiterentwicklung der akademischen Anästhesie oder relevant für den anästhesiologischen Alltag?
Genetik Ein genetischer Einfluss auf multiple Krankheitsbilder ist in der Medizin weitgehend bekannt. So ist die Familienanamnese nicht nur im Hinblick auf maligne Erkrankungen, Diabetes mellitus und viele andere mehr, sondern auch im Rahmen der anästhesiologischen Praxis bis hin zur postoperativen Nausea und Vomitus 11] bekannt. Der rasante Fortschritt molekulargenetischer Methoden in den letzten 20 Jahren hat die Möglichkeit geschaffen, dass es in der Zwischenzeit nicht nur möglich ist einzelne Gene, sondern das gesamte Genom eines Menschen zu sequenzieren. Als „Meilenstein" wird hier häufig das „human genome project" genannt, bei welchem erstmals das Genom eines Menschen sequenziert wurde 12]. Der „Abschluss" dieses Projektes wurde dann auch medial und politisch unter anderem durch den Britischen PremierministerTony Blair und den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Bill Clinton inszeniert. Dieser wissenschaftliche Fortschritt wurde dann auch zum Anlass genommen, den Patienten ihre „personalisierte Medizin" zu versprechen. Jeder Patient soll in Zukunft ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Medikament in der auf ihn angepassten Dosierung erhalten - Realität oder Vision?
Pharmakogenetik Das Gebiet der Pharmakogenetik wurde erstmals in den 1950er Jahren beschrieben. Eine der ersten entsprechend untersuchten Erkrankungen war der Mangel der Butyrylcholinesterase (BCHE, Pseudo- oder Plasmacholinesterase). Werner Kalow war nach dem 2. Weltkrieg von Deutschland nach Kanada ausgewandert 13]. Als Pharmakologe war er in der Lage die Aktivität der BCHE zu messen. Er untersuchte das Plasma zweier Patienten, welche im Rahmen einer Elektroschocktherapie zur Depressionsbehandlung Succinylcholin erhalten hatte. Da diese Behandlung in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wiederholt wird und die Medikamentengabe standardisiert ist, war rasch klar, dass bei diesen Patienten die verlängerte
Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie· T. Girard
Wirkung von Succinylcholin kein einmaliges Ereignis war. Somit musste die verlängerte Wirkungszeit entweder erworben oder vererbt worden sein. Werner Kalow konnte eine deutlich verringerte Gesamtaktivität der BCHE nachweisen. Als er auch Plasma beider Eltern der Patienten untersuchte, stellte er fest, dass beide Eltern eine - im Vergleich zur Normalpopulation verminderte Aktivität der BCHE hatten, diese war jedoch bei den Patienten nochmals deutlich tiefer. Somit stellte er die Theorie einer genetischen Variante auf, welche bei beiden Eltern in der heterozygoten und bei den Patienten in der homozygoten Form vorlag 13]. Nur wenig später wurde über familiär gehäufte Todesfälle im Rahmen von Anästhesien berichtet 14]. Eine familiäre Häufung ist ein starker Hinweis auf eine genetische Komponente und so hat sich dann auch herausgestellt, dass diese letal verlaufenden hyperthermen Anästhesiereaktionen einem autosomal dominant vererbten Muster folgten. So wurde der Grundstein für eine erfolgreiche Forschung im Gebiet der malignen Hyperthermie gelegt, welche in einer massiv verminderten Mortalität diese früher häufig tödlichen Anästhesiekomplikation gipfelt. Interessanterweise war Werner Kalow auch bei den frühen Forschungsarbeiten zur Diagnostik der malignen Hyperthermie involviert. Somit haben also zwei typisch anästhesiologische Krankheitsbilder den Grundstein zum Gebiet der Pharmakogenetik gelegt. Die Pharmakogenetik beschreibt genetische Veränderungen, welche dazu führen, dass sich bei einzelnen Patienten die pharmakologische Wirkung von derjenigen bei der „Normalpopulation" unterscheidet. Diese Unterschiede können dramatisch - und letal - oder auch ganz subtil sein. Jede pharmakologische Wirkung wird grundsätzlich durch die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik bestimmt. Genetische Veränderungen betreffen entweder den Metabolismus von Pharmaka, die Wirkung am Rezeptor oder modulierenden Faktoren. Sobald pharmakokinetische, wie auch pharmakodynamische individuelle Unterschiede das Ausmass der alltäglichen interindividuellen Variabilität überschreiten wird es für den Kliniker schwierig die Reaktion auf Medikamente voraus zu sagen. Es kommt zur Über- oder Unterdosierung und somit bleibt die Wirkung möglicherweise aus oder es kommt zu - unterschiedlich schweren - Nebenwirkungen der Überdosierung. Pharmakokinetik
Veränderungen in der Pharmakokinetik führen zu erhöhten Konzentrationen der untersuchten Substanz. Bei einer intra-
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Refresher Course Nr. 40
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Mai 2014 · Leipzig
venösen Applikation ist der Spitzenspiegel meist unverändert, während bei der enteralen Gabe schon eine veränderte Resorption oder ein veränderter first-pass Effekt zu einem messbaren Unterschied führen können. Eine Veränderung im Metabolismus führt zu einer Änderung der Halbwertszeit und kann somit zu einer Wirkungsverlängerung führen. Ein typisches Beispiel ist der verzögerte Abbau von Succinylcholin durch eine BCHE mit verminderter Affinität (,,atypische" Variante) oder gänzlich fehlender Aktivität (,,silente" Variante).
Pharmakodynamik Veränderungen am Rezeptor (Effektor) können die Sensitivität erhöhen oder herabsetzen. Entsprechend resultiert eine Steigerung oder Verminderung der Wirkung. Die maligne Hyperthermie ist ein Beispiel einer gesteigerten Sensitivität. Mutationen im Ryanodinrezeptor führen dazu, dass die Empfindlichkeit des Ryanodinrezeptors deutlich gesteigert ist und bei einer Aktivierung (unter anderem durch volatile Anästhetika) die Skelettmuskelzelle massiv mit Kalzium überschwemmt wird. Dies führt zu einer gesteigerten, unkontrollierten Aktivität der Skelettmuskelzelle, was zu einem erhöhten Sauerstoffverbauch, Azidose und schlussendlich Untergang der Muskelzelle führt. Auf der anderen Seite können Veränderungen im µ-Opioidrezeptor die Empfindlichkeit modulieren, sodass identische Konzentrationen von Opioiden zu einer unterschiedlichen Analgesie führen können [5).
Mögliche anästhesiologische Relevanz
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(CYP450) verfügbar. Verschiedene Unterformen der CYP450 sind für den Metabolismus unterschiedlicher Medikamente (unter anderem Benzodiazepine, Opioide, Antidepressiva) verantwortlich. Die Dosierung von Vitamin K Antagonisten .zu oralen Antikoagulantien ist von der Aktivität von CYP2C9 abhängig. Die molekulargenetische Typisierung dieser Enzyme verspricht eine individuelle - personalisierte - Dosierung der Antikoagulation. Während schon länger bekannt ist, dass molekulargenetische Veränderungen nur für einen Teil der interindividuellen Variabilität verantwortlich sind, _konnten jetzt kontrollierte Studien zeigen, dass die Einstellung der Antikoagulation mit einer molekulargenetischen Testung im klinischen Alltag keinen relevanten Vorteil zeigen (8).
Theorie oder Praxis? Warum funktioniert das - eigentlich bestechend einfache- Konzept der pharmakogenetischen Testung und der personalisierten Medizin in der Praxis nicht? Molekulargenetische Varianten können den Metabolismus oder die Rezeptorempfindlichkeit beeinflussen. Gleichzeitig bestehen jedoch unzählige „Umgebungsfaktoren" - ,,life style" - welche ebenfalls einen relevanten Einfluss auf die Medikamentenwirkung haben. Hierzu gehört die Ernährung - als Beispiel die Induktion bestimmter CYP450 durch Grapefruitsaft [9), die körperliche Aktivität, Konsumverhalten wie Rauchen und viele andere mehr. Je größer der Einfluss solcher Umgebungsfaktoren ist, umso kleiner wird der relative Anteil genetischer Veränderungen.
In der täglichen anästhesiologischen Praxis im Operationssaal stehen Rezeptoren und Metabolismus der gängigen Hypnotika, Sedativa, Opioide und Muskelrelaxantien im Vordergrund, Die Anästhesiologie ist jedoch seit Jahren dabei, sich aus dem Operationssaal zu „emanzipieren" und den Fokus aus dem Operationssaal auf die perioperative Medizin auszuweiten [6). In diesem Zusammenhang müssten sich Anästhesisten für eine Vielzahl von pharmakogenetischen Erkrankungen interessieren. Diese beinhalten Antikoagulantien, Antihypertensiva, Medikamente der chronischen Schmerztherapie und viele andere mehr. Molekulargenetische Veränderungen, welche zu neuromuskulären Erkrankungen führen, haben einen indirekten Stellenwert, da aus der zu Grunde liegenden molekularen Veränderungen das Risiko einer hypermetabolen Reaktion auf MH-Triggersubstanzen abgeschätzt werden kann. Insofern hat die Pharmakogenetik potentiell in der Anästhesie eine enorme Bedeutung [7). Wie sieht jedoch der klinische Alltag aus? Wo bleibt die ,personalisierte Medizin' in der Anästhesie?
Hat also die Pharmakogenetik in der klinischen Anästhesie keine Bedeutung? Das wäre eindeutig die falsche Schlussfolgerung. Die schon eingangs erwähnten pharmakogenetischen Krankheitsbilder, BCHE Mangel und maligne Hyperthermie, sind die besten Beispiele für das Gegenteil. Es ist heute unter gewissen Voraussetzungen durchaus möglich, eine Empfindlichkeit auf maligne Hyperthermie aufgrund eines genetischen Tests fest zu stellen [10). Dies hat im klinischen Alltag eindrückliche Konsequenzen, kann doch aufgrund dieser genetischen Diagnose auflriggersubstanzen verzichtet und so der Patient vor einer lebensbedrohlichen Situation geschützt werden. Auch beim BCHE Mangel erlaubt ein einfacher genetischer Test das Risikoprofil zu erkennen und so den Patienten vor einer verlängerten Wirkungsdauer von Succinylcholin oder Mivacurium mit den entsprechenden Folgen - von Awareness bis ·zur pulmonalen Infektion - zu schützen.
Welcher Anästhesist, welche Anästhesistin hat bisher die Medikamentendosierung einer genetischen Variante des Patienten angepasst?
Der "Pseudocholinesterase-Mangel" und die Maligne Hyperthermie sind Beispiele für eine personalisierte Medizin in der Anästhesie.
Seit mehreren Jahren sind molekulargenetische Test für die Typisierung verschiedener lsoformen des Zytochrom P450
Es sind auch genau diese beiden Krankheitsbilder, welche mit den Grundstein zur Pharmakogenetik in der Medizin gelegt ha-
Viel Lärm um nichts?
Pharmakogenetik- Relevant für die Anästhesie· T. Girard
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ben. Was für eine Schande, dass sie in den Übersichtsarbeiten zur Pharmakogenetik entweder stiefmütterlich behandelt [7) oder gänzlich weggelassen werden [5).
Wohin geht die Reise? Während also die Pharmakogenetik im klinischen anästhesiologischen Alltag aktuell noch eine untergeordnete Rolle spielt, ist das Potential enorm. Jeder kennt den Patienten, der heute „enorm viel gebraucht hat" oder „einfach nicht wach werden wollte". Was ist die Grundlage solcher individuellen Unterschiede? Sind es „Umgebungsfaktoren"? Ist es die Grunderkrankung? Ist es die Genetik - oder die Performance - des Anästhesisten, der Anästhesistin? Warum kann es trotz scheinbar adäquater Dosierung zur Awareness kommen? Wie wirken eigentlich „unsere" Anästhetika? All dies sind Fragen, bei welchen die Molekulargenetik und grundsätzlich die Pharmakogenetik in der Forschung durchaus einen Beitrag zum besseren Verständnis liefern kann. Als Fach ist die Anästhesiologie einmalig, so werden zahlreiche physiologische Parameter im Routinebetrieb gemessen [2).
In welcher anderen Spezialität der Medizin können Pharmakodynamik (Muskelrelaxation) und Pharmakokinetik (volatile Anästhetika) direkt und kontinuierlich gemessen werden? Mit der Evolution der molekulargenetischen Technik haben sich die Möglichkeiten einer molekulargenetischen Untersuchung bis hin zur individuellen Sequenzierung des gesamten Genoms rasant verändert. Die technischen Möglichkeiten.sind beinahe grenzenlos und die damit assoziierten Kosten sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken. Dauerte die Sequenzierung im „human genome project" noch über 10 Jahre und kostete hunderte Millionen US $, so kann heute ein menschliches Genom in 24 Stunden für ca. 5000 US $ sequenziert werden (11). Das Hauptproblem bleibt jedoch, dass wir bisher nur einen minimalen Bruchteil der Information verstehen, welche wir mit der Sequenzierung gewinnen. Bei über 90% der DNA-Sequenzen wissen wir nicht, wozu sie dienen. Immerhin
~harmakogenetik - Relevant für die Anästhesie· T. Girard
hat man die ursprüngliche Arroganz abgelegt und sieht heute davon ab, diese> 90% DNA - nur weil man nicht versteht, was deren Funktion ist - als „junk DNA" zu bezeichnen. Während Bill Clinton noch meinte „now we know the language in which god created man" hat es Eric Lander anders formuliert: ,,(it is) parts list. A Boeing 777 has 100,000 parts in it. Having a parts list doesn't teil you how to put it together or how it flies"[12). Das Ziel unserer Forschung ist zu verstehen, warum es fliegt. Der Weg dorthin ist noch lang.
Literatur 1.
Gan TJ, Diemunsch P, Habib AS, Kovac A, Kranke P, Meyer TA, et al. Consensus Guidelines for the Management of Postoperative Nausea and Vomiting. Anesth Analg. 2014;118:85-113.
2.
Schwinn DA, Booth JV. Genetics infuses new life into human physiology: implications of the human genome project for anesthesiology and perioperative medicine. Anesthesiology. 2002;96:261-3.
3.
Kalow W. Atypical plasma cholinesterase. A personal discovery story: a tale of three cities. Can J Anaesth; 2004;51 :206-11.
4.
Denborough MA, Lovell R. Anaesthetic deaths in a family. The Lancet. 1960;276:45.
5.
Landau R, Bollag LA, Kraft)C. Pharmacogenetics and anaesthesia: the value of genetic profiling. Anaesthesia. 2012;67:165-79.
6.
Cottrell JE. We care, therefore we are: anesthesia-related morbidity and mortality: the 46th Rovenstine Lecture. Anesthesiology. 2008;109:377-88.
7.
Zeidler EM, Goetz AE, Zöllner C. Pharmakogenetik: Klinische Bedeutung in der Anästhesiologie. Anästhesist; 2013;62:874-86.
8.
Furie B. Do Pharmacogenetics Have a Role in the Dosing of Vitamin K Antagonists? N Engl J Med. 2013;369:2345-6.
9.
Holmberg MT, Tornio A, Neuvonen M, Neuvonen PJ, Backman JT, Niemi M. Grapefruit Juice lnhibits the Metabolie Activation of Clopidogrel. Clin Pharmacol Ther. 2014. In press.
10. Girard T, Treves S, Voronkov E, Siegemund M, Urwyler A. Molecular genetic testing for malignant hyperthermia susceptibility. Anesthesiology. 2004;100:1076-80. 11. Collins FS, Hamburg MA. First FDA authorization for nextgeneration sequencer. N Engl J Med. 2013;369:2369-71. 12. Lander celebrates genome milestone in heavily attended talk - MIT News Office. Available from: http://web.mit.edu/newsoffice/2001 /lander-0228.html. Besucht am 4.1.2014
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Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie · T. Girard
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Ambulante Anästhesie bei Kindern K. Becke
Zusammenfassung Immer mehr operative und diagnostische Eingriffe im Kindesalter werden ambulant durchgeführt. Bei der anästhesiologischen Versorgung sind verschiedene Rahmenbedingungen zu beachten, um höchstmögliche Sicherheit und Komfort zu garantieren. Die Auswahl geeigneter Patienten und Verfahren minimiert das Risiko von Komplikationen, die sorgfältige Vorbereitung des Kindes und der Familie mindert Angst und Unsicherheit; beide Aspekte zeigen auf, wie wichtig neben den medizinischen vor allem die organisatorischen Aspekte der ambulanten Versorgung sind. Am OP-Tag kommen moderne Anästhesieverfahren kombiniert mit PONV-Prophylaxe (,,postoperative nausea and vomiting") und multimodaler Schmerztherapie zum Einsatz, die Entlassung und Nachsorge im häuslichen Umfeld sollte mittels klarer Vorgaben für z.B. die Fortsetzung der Schmerztherapie und Planung der Wundkontrollen in Zusammenarbeit mit den Chirurgen und Hausärzten organisiert werden.
1. Einleitung 1.1 Grundlagen ,,Ambulant vor stationär" - so lautet das Prinzip des Sozialgesetzbuch SGB V, nach dem zuerst alle Möglichkeiten der ambulanten Versorgung ausgeschöpft werden sollen, bevor ein Patient (voll-)stationär im Krankenhaus behandelt wird. Die ambulante Versorgung wird gerade dem hohen Bedürfnis von Kindern nach Geborgenheit und einer vertrauten Umgebung sowie dem Wunsch der Eltern, ihr Kind nach einer Operation wieder mit nach Hause zu nehmen, gerecht [1]. Der Druck, ambulant zu operieren, kommt heute aber zunehmend von ganz anderen Seiten. Hier ist es die Aufgabe des Behandlungsteams, Komfort, wirtschaftliche Zwänge und Sicherheitsbedürfnis in Einklang bringen. Etliche typische und häufige Eingriffe im Kindesalter sind nach dem Katalog ambulant durchführbarer Operationen und stationsersetzender Eingriffe in der Regel als ambulant durchzuführende ärztliche Maßnahmen eingestuft [2]. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arzt zur ausschließlich ambulanten Erbringung verpflichtet ist. Vielmehr ist der Arzt verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Eingriff, Gesundheitszustand und äußere Umstände die ambulante Durchführung der Operation erlauben und ob das Kind nach Entlassung aus der unmittelbaren Betreuung des Behandlungsteams im häuslichen Umfeld sowohl ärztlich als auch pflegerisch angemessen versorgt wird [3].
Ambulante Anästhesie bei Kindern • K. Becke
Konkret führt Prof. Ulsenheimer aus: ,,Das ambulante Operieren darf[ ... ] nicht zu einer Risikoerhöhung für den Patienten im Vergleich zu einer Behandlung unter stationären Bedingungen führen. Entscheidend ist dabei der konkrete Risikovergleich im Einzelfall"[4]. Die Sicherheit des Patienten genießt zweifellos höchste Priorität. Die Entscheidung zur ambulanten Durchführung sollte stets interdisziplinär, in Abhängigkeit der Gesamtkompetenz der Institution und der Zusammenschau aller vorliegenden Befunde des Patienten getroffen werden. Neben patientenspezifischen Faktoren inklusive Alter spielt auch die Versorgungssituation des Kindes eine wesentliche Rolle (soziale Situation zuhause, Entfernung des Wohnortes zur nächsten Klinik etc.).
Im Zweifelsfall gilt: die ambulante Durchführung eines operativen Eingriffs darf keine konkrete Risikoerhöhung für den jeweiligen Patienten bedeuten.
1.2 Besonderheiten der ambulanten Versorgung im Kindesalter Es gibt gute Argumente für eine ambulante Versorgung von Kindern: Kinder sind meist gesund (ASA 1), sie haben nur selten chronische Vorerkrankungen, erholen sich rasch von Operationen und die typischen Eingriffe im Kindesalter sind „klein" und wenig invasiv [SI (siehe Tabelle 1). Kinder profitieren, wenn sie schnell wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können, die Eltern können zügig wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und die Gesamtkosten der Behandlung sind - verglichen mit einer stationären Behandlung - signifikant niedriger. Die Anästhesietechniken im Kindesalter haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert, neben kurzwirksamen und gut steuerbaren Anästhetika stehen Lokal-/RegionalanästhesieTechniken zur Verfügung, die einen optimalen postoperativen Verlauf möglich machen.
Bei allen Vorteilen bleibt aber zu beachten, dass die Anästhesie von Kindern eben nicht dem Prinzip folgt „kleiner Eingriff - kleine Narkose", eine sorgfältige Balance zwischen Nutzen- und Risiko und eine Durchführung unter optimalen Bedingungen ist in jedem Fall anzustreben (siehe Abbildung 1).
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 • Leipzig
Abbildung 1
PATIENT Stabiler/optimierter Gesundheitszustand (ASA 1-11) Keine spez. Komplikationen in der periop. Phase zu erwarten
FAMILIE/ UNTERSTÜTZENDE STRUKTUREN Ausreichende Compliance Präop. Anleitung/Schulung Kontakt zu Haus-/Kinderarzt
OPERATMR/ DIAGNOSTISCHER EINGRIFF Teamkompetenz Geringe lnvasivität Kalkulierbares Risiko an postoperativen Komplikationen (Schmerz, Nachblutung, PONV)
OKONOMJE
ANÄSTHESIE Teamkompetenz Einsatz gut steuerbarer Substanzen Lokal-/Regionalanästhesie Multimodale Schmerztherapie PONY-Prophylaxe
Echter ,Spareffekt' durch ambulante Versorgung
Voraussetzungen für ambulante Behandlung im Kindesalter.
Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass sich das derzeitige Entlohnungssystem in der ambulanten Anästhesie in erster Linie am operativen Eingriff orientiert und nur marginal die notwendige intensive Betreuung von Säuglingen, Klei nki ndern und deren Eltern berücksichtigt.
Tabelle 1 Typische ambulante Eingriffe im Kindesalter. Zahnheilkunde
• Zahnbehand lung, Zahnextraktion
HNO-Heilkunde
• Adenotomie • Paukendrainage, Paukenröhrchen • Ohrkorrektur
Kinderchirurgie/ Kinderurologie
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Phimose/Zirkumzision Nabel-, Leistenbruch/Herniotomie Hodenhochstand/Orchidopexie Entfernung von Hauttumoren und -anhängseln • Entfernung von Ganglien, Zysten, Fisteln (z.B. laterale Halszysten) • Korrektur von Polydaktylien • Fremdkörperentfernung
Kindertraumatologie/ Kinderorthopädie
• Geschlossene Frakturreposition • Metallentfernung • Arthroskopie
Augenheilkunde
• Tränenkanalsondierung • Strabismus-Korrektur
Radiologie/Diagnostik
• MRT, Cl, Szintigraphie • Zystoskopie, Gastroskopie/Ko loskopie
1.3 Zahlen und Fakten Eine offizielle Statistik über ambulante Eingriffe besteht in Deutschland - im Gegensatz zu stationären Eingriffen nicht [6]. Schätzungen aus den abgerechneten Fällen im vertragsärztlichen Bereich gehen davon aus, dass derzeit ca. 100.000 Eingriffe bei Kindern im Alter unter 5 Jahren ambulant durchgeführt werden [7]. Der größte Anteil betrifft wahrscheinlich zahnärztliche Eingriffe, gefolgt von HNO-Eingriffen und kinderchirurgischen Eingriffen. Tabelle 1 zeigt typische und häufige Eingriffe im Kindesalter, die ambulant durchgeführt werden.
2. Präoperative Vorbereitung 2.1 Prinzipien Bei ambulanten Eingriffen hat die präoperative Vorbereitung einen wichtigen Stellenwert, der Anästhesist sollte den Eltern und dem Kind genau erklären, was auf sie zukommt, eine zusätzliche schriftliche Information inkl. Angaben zur Nüchternheit ist sinnvoll. Präoperative Vorbereitungsprogramme z.B. internetbasierte Informationen, werden zukünftig eine größere Rolle spielen, um Kind und Familie mit den Details einer ambulanten Versorgung vertraut zu machen. Die Patientenevaluation im Rahmen des Vorgesprächs dient der Festlegung, ob das Kind zweifelsfrei ambulant versorgt werden kann. Die Evaluation folgt grundlegend dem Prinzip des Vorgehens bei stationärer Versorgung. Die für den Erwachsenenbereich geltenden „Gemeinsamen Empfehlungen zur präoperativen Patientenevaluation [8]" können prinzipiell auf das Kindesalter übertragen werden, spezifisch für das Kindesalter kommen die Handlungsempfehlungen des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie der DGAI zur Anwendung [9].
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Bestandteile der präoperativen Evaluation sind: • Standardisierte Anamnese (z.B. mithilfe von Anamnesebögen) • Körperliche Untersuchung (z.B. pulmonale/kardiale Auskultation, Mund-Rachen-Inspektion) • Indizierte apparative/Labor-Diagnostik (i.d.R. nicht notwendig bei gesunden Kindern und kleineren Eingriffen)
Ziel der präoperativen Evaluation ist neben der optimalen Vorbehandlung des Patienten das Vermeiden von OP-/Anästhesie-Absagen sowie ausreichende Information, Aufldärung und Anleitung des Patienten resp. der Familie und die Festlegung des Anästhesieverfahrens mit juristisch angemessener anästhesiologischer Risiko- und Sicherungsaufklärung.
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2.2. Aufklärung und Einwilligung Der Bundesgerichtshof hat festgestellt [BGH VI ZR 178/93), dass eine Aufklärung und Einwilligung für einen ambulanten Eingriff am Tag der Operation nicht statthaft ist, wenn es sich um „größere Operationen mit beträchtlichen Risiken" handelt. Bei einer Aufklärung am Tag der Operation ist darauf zu achten, dass der Patient bzw. seine gesetzlichen Vertreter seine Entscheidung frei treffen kann und nicht den Eindruck gewinnt, dass ein nicht beeinflussbarer Automatismus eingesetzt hat [4): eine Aufklärung am Tag des Eingriffs genügt nicht, ,, ... wenn die Aufklärung erst so unmittelbar vor dem Eingriff erfolgt, dass der Patient unter dem Eindruck steht, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können (z.B. Aufklärung unmittelbar vor der Tür zum Operationssaal)" [BGH (NJW 2000, 1787)).
Auch wenn bei einer ambulanten Anästhesie das Aufklärungsgespräch ausnahmsweise am Tag der Operation juristisch möglich ist, so kann dieses Vorgehen aus medizinischer Sicht nicht empfohlen werden. Gerade die adäquate Vorbereitung und Planung einer ambulanten OP/Anästhesie für ein Kind bedarf eines zeitlichen Vorlaufs für alle Beteiligten. 2 .3 Kinder mit Vorerkrankungen Im Prinzip gelten schwerere Begleiterkrankungen dann als Kontraindikation für ein ambulantes Vorgehen, wenn während der ambulanten Versorgung spezifische Komplikationen befürchtet werden müssen oder wenn Spätkomplikationen nach der Entlassung eintreten können. Typische Risikokonstellationen im Kindesalter sind akuter Atemwegsinfekt, ehemalige Frühgeburtlichkeit, obstruktive Schlafapnoe und chronische Erkrankungen wie Asthma bronchiale, Cystische Fibrose, kongenitale Herzerkrankungen und neurologische Erkrankungen. Aus anästhesiologischer Sicht können generell folgende patientenspezifischen Umstände als absolute Kontraindikationen für ambulante Operationen gelten [7, 10) : • Schwere akute infektiöse Erkrangungen (gastrointestinale Infekte, Atemwegsinfekte) • Chronische Begleiterkrankung mit instabilem Verlauf, z.B. schlecht eingestellter Diabetes mellitus, exazerbiertes Asthma bronchiale, Cystische Fibrose mit Infekt • Erkrankungen mit länger zu erwartendem Überwachungsbedarf, z.B. schwere obstruktive Schlafapnoe, Frühgeburtlichkeit • Erhöhtes Nachblutungsrisiko, z.B. Von-Willebrand-Syndrom, Hämophilie
2.3.1 Atemwegsinfekte Atemwegsinfekte sind die häufigste Erkrankung im Kindesalter, es ist davon auszugehen, dass etwa 20-30% aller Kinder, die
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sich zu einer OP vorstellen, aktuell an einem Infekt der oberen Atemwege leiden 111): Es ist bekannt, dass die Rate an (v.a. respiratorischen) Komplikationen bei diesen Kindern erhöht ist [12, 13, 141, eine pauschale Verschiebung des OP-Termins ist aber weder medizinisch noch ökonomisch zielführend [15). Die Entscheidung, wann eine OP/Anästhesie abgesagt wird, sollte stets einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung überlassen bleiben [16). Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen, sind v.a.: • Schwere der Atemwegserkrankung (symptomatische Infektion) • Pulmonale Komorbidität inkl. Passivrauchen • lnvasivität des Eingriffs (Atemwegsnähe) • lnvasivität des Atemwegs (Endotrachealtubus) • ~ompetenz des Teams inkl. Möglichkeit der verlängerten Uberwachung. Eine Hilfestellung können Entscheidungsalgorithmen (siehe Abbildung 2) bieten.
2.3.2 Ehemalige Frühgeburtlichkeit, Neugeborene Als eine gefürchtete Komplikation gelten späte postoperative Apnoen bei ehemaligen Frühgeborenen. Das Risiko für Apnoen ist v.a. abhängig von Gestationsalter (=Schwangerschaftsdauer), Postkonzeptionsalter (Alter des Kindes seit der Konzeption) und einer vorbestehenden Anämie [17). Obwohl keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz vorhanden ist, ab wann eine ambulante Versorgung als „sicher" gelten kann, besteht Konsens, ehemalige Frühgeborene im Postkonzeptionsalter < 56-60 Wochen solange zu überwachen, dass ein apnoe-freies 12h-lntervall garantiert ist [18, 19). Kinder, die in den letzten 6 Monaten zuhause Sauerstoff benötigten oder am Monitor überwacht wurden, sollten ebenfalls ausreichend lange überwacht werden [17) . In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, dass Kinder vor allem dann von ambulanter Versorgung profitieren, wenn eine bewusst erlebte Traumatisierung durch Hospitalisation vermeiden werden kann. Ehemalige Früh- und Neugeborene in den ersten Lebenswochen nehmen ihre Umwelt noch nicht explizit wahr, so dass davon ausgegangen werden kann, dass eine stationäre Versorgung wohl wenig traumatisierend ist, wenn das Umfeld des Kindes stabil ist und das Kind vor extremen Einflüssen bewahrt wird, wie Schmerzen, Hunger, Durst und Kälte. Die Frage, ob eine Altersbegrenzung für ambulante Anästhesie grundsätzlich definiert werden soll, schließt daran an. Im ersten Lebenshalbjahr finden die wesentlichen physiologischen Umstellungsprozesse statt, ebenso weite Teile der renalen und hepatischen Reifung [20). Nicht alle kongenitalen Erkrankungen werden mit der Geburt oder kurz danach diagnostiziert, häufig besteht ein 11 diagnostisches Fenster" von ca. 3-6 Monaten. Das erste Lebenshalbjahr kann also als Stabilisierungsphase beschrieben werden. Aus Sicht der Autorin ist die Indikation zur ambulanten Versorgung vor allem in dieser Phase immer individuell kritisch abzuwägen, unter Einbezug aller Faktoren, wie in Abbildung 1 aufgezeigt.
7
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Abbildung 2
• • • • •
Anamnese Komorbidität Körperl. Untersuchung Vitalparameter Aussage der Eltern
Kind mit 11Erkllt Schnupfen Produktiver Husten Eitriges Sekret Obstruktion Fieber Unwohlsein
Milder Infekt
r·......Ri~ik~:N~~~~::.ü;;ä8~~8.... i-
,--------·-·_·•_•_••_••_•_••-•~••••••• •1•••••r••_•_••_••_•_••_••_•_••-•-------~ Risiko: • Kind < 1 Jahr • Passivraucher • Pulmonale Komorbidität
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Nutzen: • HNO-OP = Fokussanierung z.B. ATE bei rez. lnfekten/OSAS • Expertise des Teams
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Anästhesie-Management Vermeiden der Intubation Vermeiden von Desfluran Einsatz der LMA
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Venchieben der OP • 2 Wochen
~ ......... ~l::~Y:!l."!:t!!~.'!........l Nach Becke K. Aneslhesia in children with a cold. Curr Opin Anaesthesiol 2012; 25(3): 333-339.
Algorithmus: Kind mit Atemwegsinfekt nach [16).
2.3.3 Obstruktive Schlafapnoe, OSA
Die Schlafapnoe im Kindesalter ist ein Thema, das mehr und mehr im wissenschaftlichen und klinischen Fokus steht. Obwohl hinlänglich bekannt ist, dass Kinder mit schwerem OSA wegen des erhöhten Risikos für perioperative Komplikationen eine intensivierte anästhesiologische Betreuung benötigen, d.h. i.d.R. eine stationäre Aufnahme für 1 Nacht, gibt es bislang keine Leitlinien oder Empfehlungen zur Versorgung von Kindern mit OSA [21,22]. Das größte Risiko für Komplikationen bei Kindern mit OSAS besteht zweifellos in der postoperativen Phase, respiratorische Komplikationen können im Rahmen der Schmerztherapie mit Opioiden durch die typische hypoxie-induzierte OpioidEmpfindlichkeit getriggert werden.
8
Als Kriterien für eine verlängerte Überwachung von Kindern mit OSA werden vorgeschlagen [23]: • Alter < 3 Jahre • Schwere OSA (Apnoe-Hypopnoe-lndex AHI > 16/h, Sp02 < 85%)
•
Weitere Komorbidität.
Kinder mit OSA, die Midazolam erhalten, sollen konsequent überwacht werden, Kodein als postoperatives Analgetikum verbietet sich grundsätzlich wegen der Gefahr der respiratorsichen Insuffizienz [24). 2.3.4 Kinder mit chronischen Erkrankungen
Kinder mit bestimmten chronisch verlaufenden aber stabil eingestellten Erkrankungen können ambulant betreut werden, z.B. Asthma bronchiale, Cystische Fibrose, Sichelzellanämie,
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Epilepsie, Diabetes mellitus, geistige Behinderung. Hier kann gerade die ambulante Versorgung Vorteile bieten, denn chronisch kranke Kinder profitieren von jeder Vermeidung von Hospitalisation. Eltern von chronisch kranken Kindern können den aktuellen Gesundheitszustand bzw. Krankheitsverlauf in der Regel sehr gut einschätzen und sind neben dem Kind die wichtigsten Partner in der perioperativen Betreuung. Die aktuelle Medikation sollte in der Regel beigehalten werden, bzw. so schnell wie möglich postoperativ wieder angesetzt werden. Bei Kindern mit chronischen Erkrankungen ist die Kommunikation mit dem betreuenden Kinder-/Hausarzt wichtig, der den medizinischen Krankheitsverlauf am besten einschätzen kann. Kontraindikationen für ambulante Anästhesie zeigt Tabelle 2.
Tabelle2
Kontraindikationen für ambulante Anästhesie (nach [7]).
Frühgeburtlichkeit < 56. - 60. Postkonzeptionswoche Schwere bronchopulmonale Erkrankungen Hämodynamisch relevante kardiale Erkrankungen Muskelerkrankungen Seltene Erkrankungen (.rare diseases"), bei denen wenig allgemeine Anästhesieerfahrungen vorliegen Stoffwechselerkrankungen mit der Neigung zu später Entgleisung und Folgen (Gluc-6-Ph-DH-Mangel, Glykogenspeicherkrankheiten), schlecht eingestellter Diabetes mellitus Schwere obstruktive Schlafapnoe Kraniofaziale Missbildungen mit erwarteten Problemen bei der Atemwegssicherung
3.1 Anästhesiologischer Arbeitsplatz Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin hat in 2013 Mindestanforderungen an den anästhesiologischen Arbeitsplatz unter besonderer Bezugnahme auf die Versorgung von Kindern formuliert, die für alle Orte Gültigkeit besitzen, an denen ambulante oder stationäre Allgemein- oder rückenmarksnahe Anästhesieverfahren durchgeführt werden [25]. Essentielle und empfohlene apparative Mindestanforderungen zeigt Tabelle 3. Spezifische Anforderungen an eine kindgerechte anästhesiologische Versorgung definieren neben dem einzuhaltenden Facharztstandard erstmals auch die Qualifikation des anästhesiologischen Assistenzpersonals: Erfahrung in der Kinderanästhesie soll vorhanden sein bzw. durch Hospitation bei Kinderanästhesien < 5 Jahren erworben werden. Sämtliches Equipment muss für den Einsatz in der zu behandelnden Altersgruppe zugelassen sein, die Basisausstattung muss ergänzt werden mit Materialien für den intraossären Zugang und den kindlichen Atemweg inkl. Atemhilfen. Für den Bereich der Kopf-Hals-Eingriffe wird auf die sichere, stabile und druckstellenfreie Lagerungsmöglichkeit des Kopfes, die uneingeschränkte Erreichbarkeit des intravenösen Zugangs und geeignete Lagerungskissen/Armhalterungen für Kinder hingewiesen.
3.2 Prämedikation Der Stellenwert von Midazolam als medikamentöses Anxiolytikum im Vorfeld der Anästhesieeinleitung ist in den letzten Jahren gesunken, die Ursachen dafür sind vielschichtig [26]. Kinder im Schulalter, die von den Eltern und dem Behandlungsteam gut auf die Operation/Anästhesie vorbereitet worden sind, haben meist weniger Angst und eine höhere Bereitschaft zur Kooperation, sie benötigen häufig gar keine Prämedikation. Lokalanästhetika-haltige Cremes erlauben eine nahezu schmerzfreie i.v.-Punktion, und auch die Anwesenheit der Eltern kann bei einer bestimmten Patientengruppe zu einer ruhigeren Einleitungssituation führen [27,28]. Das Aufwachverhalten erscheint nach einer Midazolamgabe verändert, ob eine erhöhte lnzidenz an postoperativem Delir (,,Emergence
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Tabelle 3
Mindestanforderungen an die apparative Ausstattung eines AnästhesieArbeitsplatzes [251.
i'',~;'¼
--:1.•i=:~ essenziell
.,.. '-
-••.
Anästhesiesystem
X
patientennahe Atemgasmessung
X
Pulsoximeter
X
EKG-Monitor
X
Blutdruckmessung
X
..
-
...
KörpertemperaturMessung
X
Defibrillator
X
Relaxometer
X
Blutzucker-Messgerät empfohlen
_
1lillC"
X
AnästhesieBeatmungsgerät
X
Oszillometrische Blutdruckmessung
X
1
Delirium") mit Midazolam vergesellschaftet ist, kann derzeit nicht sicher beantwortet werden [29]. Nichtsdestotrotz wird es immer eine Gruppe von Kindern geben, die von einer medikamentösen Anxiolyse profitiert, im Speziellen Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter, die die Abläufe noch nicht verstehen bzw. abstrahieren können. Hier ist die Angstminderung essentiell, um psychologische Folgeschäden zu verhindern [30].
3.3 lntraoperative Anästhesieverfahren Bei der Wahl der Anästhetika sind kurzwirksame, gut steuerbare Substanzen zu bevorzugen. Propofol im Rahmen einer TIVA bietet bei Kindern zu ambulanten Operationen Vorteile,
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u.a. durch seine antiemetische Wirkung, Reflexdämpfung im Larynxbereich, die besonders vorteilhaft bei Kindern mit Atemwegsinfekt ist und durch seine präventiven Eigenschaften im Hinblick auf eine ruhige Aufwachphase unter Vermeiden von Emergence Delirium [32,33,34]. Die Atemwegssicherung mittels Larynxmaske ist bei den meisten ambulanten Eingriffen als Goldstandard zu bezeichnen, die - invasivere - endotracheale Intubation ist nur selten notwendig.
3.4 Lokal-/Regionalanästhesieverfahren Eine optimale Schmerzkontrolle ist ein wichtiger Punkt für den Erfolg einer ambulanten Versorgung [35]. Die Vermeidung von Opioiden - wenn möglich - macht Sinn, da Opioide ein Risikofaktor für PONV sind und die postoperative Überwachung verlängert sein kann. Eine Lokal-/Regionalanästhesie ist einfach, sicher und effektiv - klinisch relevante Nebenwirkungen sind sehr selten [36,37]. Sie sollte daher wann immer möglich durchgeführt werden. Periphere Nervenblockaden sind sehr gut und lange wirksam, sie kommen meist als Einzelinjektion zur Anwendung (z.B. Peniswurzelblock, llioinguinalis-iliohypogastricus-Block (IIB), Transversus abdominis plane-Block (TAP)). Auch der Kaudalblock ist weit verbreitet in der ambulanten Kinderanästhesie. Motorische Blockaden werden bei der Verwendung von Ropivacain 0,2% kaum beobachtet [38]. Tabelle 4 zeigt eine Auswahl gebräuchlicher Techniken und Lokalanästhetika nach [39].
beobachtet, danach steigt die Häufigkeit mit einem Gipfel zwischen 6 bis 10 Jahren, um sich bis zur Pubertät wieder der Häufigkeit bei Erwachsenen anzugleichen. Für die ambulante Anästhesie bei Kindern geeignete Medikamente sind Dexamethason (0, 15 mg/kgKG), Dimenhydrinat (0,5 mg/kgKG), und Setrone (z.B. Ondansetron 0, 1 mg/kgKG) [42]. Butyrophenone (z.B. Droperidol) und Metoclopramid mit ihrer erhöhten lnzidenz extra-pyramidal-motorischer Nebenwirkungen sollten nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Jede Einzelmaßnahme reduziert das gegebene PONV-Risiko um ca. 30%. Da Dexamethason vor allem prophylaktisch wirksam ist, zudem einen ausgezeichneten ko-analgetischen Effekt hat und eine TIVA ohne Lachgas ausschließlich prophylaktisch eingesetzt werden kann, sind diese beiden Maßnahmen als Säulen der Prophylaxe zu bezeichnen, ergänzt von Ondansetron bei Hochrisikopatienten. Die Auswahl des intraoperativen Vorgehens, d.h. welche Anästhetika, Nicht-/Opioid-Analgetika und Regionalanästhesieverfahren verwendet werden, folgt den individuellen Voraussetzungen und Erfahrungen der Einrichtung. Oberste Prämisse hat das Vermeiden von intraoperativn anästhesie-bedingten Komplikationen. Das Behandlungsteam sollte daneben stets im Auge haben, dass eine optimale Schmerzkontrolle und das konsequente Vermeiden bzw. die Therapie von PONV und Emergence Delirium eine wichtige Rolle für den Erfolg der Operation und die Zufriedenheit des Kindes und der Eltern spielen.
3.5 PONY-Prophylaxe Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) ist einer der häufigsten Gründe für die stationäre Aufnahme nach ambulanten Operationen [40]. Da sowohl die Patientenzufriedenheit als auch das Resultat der Operation gefährdet sein kann, sollte ein klares Konzept zu PONV-Prophylaxe bei Kindern verfolgt werden [41]. Bei Kindern unter 3 Jahren wird PONV selten
Tabelle4 Übersicht Lokal-/Regionalanästhesie für ambulante Eingriffe im Kindesalter. Eingriff
Mögliche Verfahren
Lokalanästhetikum/ Dosis
Zirkumzision
Peniswurzelblock
Bupivacain 0,5% 2 x 0,1 ml/kgKG
Leisteneingriffe
11B-, TAP-Block, Kaudalblock, Wundinfiltration
Ropivacain 0,2% 0,5 - 1 ml/kg KG
Oberflächliche Eingriffe an Kutis/ Subkutis
Wundinfiltration
Ropivacain 0,2% 0,5 - 1 ml/kg KG
Eingriffe an Extremitäten
je nach Eingriff, z.B. Femoralis-, lschiadikus-, Plexus axillaris-Block, alternativ Wundinfiltration
4.1 Rahmenbedingungen Für die Versorgung der Patienten in der postoperativen Phase gibt es klare Vorgaben [43,44]: • Postoperativ müssen Kinder in geeigneten Räumen von geschultem Assistenzpersonal und unter unmittelbarer Verfügbarkeit eines Arztes überwacht werden, bis sie definierte Entlassungskriterien erfüllen. • Der Anästhesist hat sich in einer persönlichen Visite von der Entlassfähigkeit des anästhesierten Patienten zu überzeugen. • Zwischen den Berufsverbänden der Anästhesie und Chirurgie ist vereinbart, dass beide Fachgebiete für die Überwachung und Behandlung postoperativer Komplikationen zuständig sind, jeweils für ihr spezifisches Fachgebiet. Wenn nötig, ist der jeweils fachlich zuständige Arzt hinzuzuziehen.
4.2 Postoperative Schmerztherapie
Ropivacain 0,2% 0,5 - 1 ml/kg KG
10
4. Postoperative Phase
Eine suffiziente postoperative Schmerztherapie ist essentiell für eine ruhige, für das Kind angenehme Aufwachphase, die Zufriedenheit von Kind und Familie und zur Vermeidung stationärer Aufnahmen [35]. Wesentliche Voraussetzung der Schmerztherapie ist die Erfassung und Einschätzung von
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Schmerzen im Aufwachraum, z.B. durch die Pflegekräfte durch standardisierte Schmerzerfassungsskalen. Für das Kindesalter besonders geeigent sind Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala (KUSS, [451) und Gesichterskala nach Hicks (siehe Abbildung 3, [461). Als „Zielwert" gilt ein Wert < 4. Mittels multimodaler Schmerztherapie ist dieses Ziel bei kleineren Eingriffen stets zu erreichen.
Abbildung 3 Scoring-Systeme zur Schmerzerfasung: a) KUSS, b) Faces-Pain-Scale. a) Nach Anästhesiol lntensivmed Notfallmed Schmerzther 2011;
46(5): 334-342.
,.
. .- -
~
Beobachtung
Bewertung
Neben Lokal-/Regionalanästhesie sind Nicht-Opioid-Analgetika ein wesentlicher rfeiler der postoperativen Schmerztherapie. Supplementierend und überlappend sollten sie bereits intraoperativ verabreicht werden. Opioide ergänzen die Therapie, falls notwendig: • Nicht-Opioid-Analgetika, z.B. • Metamizol 20 mg/kg KG als Kurzinfusion (cave: multiple Allergien) • lbuprofen 10 mg/kg kG p.o. (cave: Dehydratation, Nierenfunktion) • Paracetamol 15 mg/kg KG als Kurzinfusion oder p.o. (cave: schwache Analgesie, Lebertoxizität) • Opioide, z.B. Piritramid 0,05 - 0, 1 mg/kg KG, falls notwendig
Weinen
gar nicht
Es ist heute aus zahlreichen Studien bekannt, dass nach ambulanter Chirurgie anhaltende stärkere Schmerzen bestehen können [47,48); mit der Entlassung nach Hause darf die Schmerztherapie also keinesfalls enden, sondern es sollen klare Vorgaben zur Fortsetzung der Analgetikagabe für die Folgetage mit den Eltern besprochen sein, idealerweise auch schriftlich dokumentiert.
motorische Unruhe
Gesichtsausdruck
Rumpfhaltung
Beinhaltung
..
•••~u• \ ••,;'~',.'.'~;\ a;
Punkte 0
Stöhnen, jammern, Wimmern
1
Schreien
2
entspannt, lächelt
0
Mund verzerrt
1
Mund und Augen grimassieren
2
neutral
0
unstet
1
Aufbäumen, Krümmen
2
neutral
0
strampelnd, tretend
1
an den Körper gezogen
2
nicht vorhanden
0
mäßig
1
ruhelos
2
Summe Instruktion: Beobachten Sie das Kind über insgesamt 15 s. Bewerten Sie nur das, was Sie innerhalb dieses Zeitraums beobachtet haben.
b) Nach Anästhesiol lntensivmed Notfallmed Schmerzther 2011;
4.3 PONY-Therapie PONY steht gemeinsam mit Schmerzen auf der Hitlliste der unbedingt zu vermeidenden Begleiterscheinungen einer Operation/Anästhesie [49). Neben der Prophylaxe ist also auch im Falle des Auftretens von Übelkeit und/oder Erbrechen eine unmittelbare, engagierte Therapie angezeigt [41). Dafür sind prinzipiell ale Substanzen geeigent, die auch der Prophylaxe dienen. Es empfiehlt sich, bei bereits erfolgter intraoperativer Prophylaxe mit einem antiemetischen Wirkstoff postoperativ auf einen anderen Wirkstoff zu wechseln, z.B. intraop. Dexamethason und Ondansetron, postop. Dimenhydrinat.
46(5): 334-342.
Instruktion: Diese Gesichter zeigen, wie weh etwas tun kann (wie sehr etwas schmerzen kann). Dieses Gesicht hier (auf das Gesicht ganz links zeigen) zeigt, dass es gar nicht weh tut (schmerzt). Die anderen Gesichter zeigen, dass es mehr und mehr weh tut (schmerzt) (auf die Gesichter der Reihe nach zeigen) bis hin zu diesem Gesicht, das zeigt, dass es ganz stark weh tut (schmerzt). Zeig mir mal das Gesich~ dass am besten zeigt, wie sehr es Dir (gerade) weh tut (wie stark deine Schmerzen [gerade] sind). Bildnachweis: Hicks CL, von Baeyer CL, Spafford P, van Korlaar 1, Goodenough 8. The Faces Pa.in ScaleRevised: toward a comrnon metric in pediatric pain rneasurernent. Pain 93 (2001) 173-183.
4.4 Postoperatives Delir Gerade im Kleinkind- und Vorschulalter kann es zu unruhigen Aufwachphasen kommen, während derer das Kind extrem agigtiert, teilweise aggressiv und nicht zugänglich ist. Dieses als „Emergence Delirium" bekannte Phänomen ist multifaltorieller Genese, neben dem Alter des Kindes werden z.B. Volatila und Eingriffe im HNO-Bereich als Risikofaktoren gewertet [50). Zur Prophylaxe dient allem voran eine suffiziente Schmerztherapie, aber auch der Einsatz von Ketamin und Clonidin (cave: lange Wirkdauer!) [29). Unbestritten ist, dass das Delir einer unmittelbaren Therapie bedarf, und gleichzeitig einer Aufklärung der Eltern, die diesen Zustand des Kindes als extrem belastend erleben.
Ambulante Anästhesie bei Kindern • K. Becke
Postoperatives Delir im Kindesalter ist ein multifaktorielles Geschehen, TIVA und optimale Schmerztherapie wirken präventiv.
5. Entlassung 5.1 Kriterien für die Entlassung Die Entlassung nach einer ambulanten Anästhesie/Operation kann anhand eines standardisierten Kriterienkatalogs eingeleitet werden [51):
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• • • • • •
Waches/orientiertes, motorisch unauffälliges Kind (Ausgangsbefund) Sp02 unter Raumluft >l h >95%, kein Stridor Stabile Vitalparameter, im Vollbesitz der Schutzreflexe Adäquate Schmerzkontrolle, NRS < 4 Keine PONV-Zeichen (mehr), trinken möglich Verband trocken, keine Blutungshinweise.
Perioperative Komplikationen, die zu einer stationären Behandlung führen bzw. die Entlassung am OP-Tag verbieten, sind Nachblutung, schwerere respiratorische Komplikationen, anhaltende Übelkeit und Erbrechen sowie persistierende Schmerzen.
4.
5. 6.
Statistisches Bundesamt. Gesundheit. Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern 2011. Wiesbaden, 25.10.2012. Artikelnummer: 5231401117014
7.
Scheuber K, Becke K. Ambulante Anästhesie im Kindesalter. Anästhesiol lntensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48: 92-98
8.
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Präoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen Eingriffen: Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin, Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Anaesthesist 201 O; 59: 1041-1050
9.
Becke K, Giest J, Strauß J. Handlungsempfehlungen zur präoperativen Diagnostik, Impfabstand und Nüchternheit im Kindesalter. Anästh lntensivmed 2007; 48: S62-S66
5.2 Nachsorge Eltern spielen in der postoperativen Nachsorge eine tragende Rolle, sie müssen in der Lage sein, Störungen und Beeinträchtigungen rechtzeitig wahrzunehmen und adäquate Schritte einzuleiten. In jedem Fall müssen die Eltern auch bei banalen Störungen rund um die Uhr einen kompetenten Ansprechpartner erreichen können. Nach einer ambulanten Behandlung sollten folglich folgende Dinge festgelegt, dokumentiert und den Eltern verständlich erklärt worden sein: • Durchgeführte Operation und Anästhesie • Nachsorgeplanung (Verbandkontrolle, Vorstellungstermin, Schul- u./o. Sportbefreiung, Nahtentfernung o.ä.) • Schmerztherapie (Dosierung, Intervall, Maximaldosis) • Verhaltensregeln für das postoperative Intervall (Nahrungsaufnahme, Ruhezeiten, Verkehrsfähigkeit, Überwachung) • Verhalten bei Problemen oder Komplikationen(wann, warum und wen kontaktieren, Kontaktmöglichkeiten: nächste Kinderklinik bzw. diensthabender niedergelassener Kinderarzt, Operatuer/Anästhesist nach Dienstschluss). • Telefonnummern! Eine telefonische post-anästhesiologische Visite empfiehlt sich, um Probleme und Komplikationen in der postoperativen Phase abzufragen und ggf. behandeln zu können. Der unkomplizierte, direkte Kontakt zum Behandlungsteam steigert nicht nur die Zufriedenheit der Eltern, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Systems zur Verbesserung der Patientensicherheit.
Literatur 1.
Strauß J, Gäbler R, Schmidt J, Mehler J, Giest J. Empfehlungen zur ambulanten Anästhesie bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern. Anästh lntensivmed 2007; 48: 68-70
2.
Anlage 1 zum Vertrag nach § 115b SGB V - Katalog, SGB V Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus. www.kbv.de
3.
12
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Ambulante Anästhesie bei Kindern · K. Becke
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 · Leipzig
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Ambulante Anästhesie bei Kindern · K. Becke
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Mai 2014 · Leipzig
Notfallsituationen in der geburtshilflichen Anästhesie J. Wallenborn
Einleitung Die Besonderheit der geburtshilflichen Anästhesie besteht darin, dass Anästhesist und Geburtshelfer alle Maßnahmen unter Berücksichtigung des Wohles von Mutter und (ungeborenem) Kind abwägen müssen. Dies gilt auch für Notfallsituationen, wobei eine Stabilisierung der Vitalfunktionen der Mutter Voraussetzung für die optimale Versorgung des Neonaten ist. Zu den Hauptursachen mütterlicher und neonataler Morbidität und Mortalität zählen die peripartale Hämorrhagie, hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und die Sepsis (1,2). Dieser Beitrag gibt einen Überblick über verschiedene Krankheitsbilder, die in eine dieser drei Notfallsituationen münden können. Ergänzend werden kritische Situationen unter der Geburt (Schulterdystokie, Nabelschnurvorfall, peripartales Lungenödem, Colonperforation nach Sectio caesarea, Fruchtwasserembolie) vorgestellt.
Peripartale Hämorrhagie Epidemiologie und Definitionen Eine peripartale Hämorrhagie (PPH) ist die häufigste Ursache für schwangerschaftsbedingte Todesfälle, die auf eine mangelnde interdisziplinäre Kooperation oder das Unterschätzen einer vital bedrohlichen Situation zurückzuführen sind (1-3]. Weltweit sterben zwischen 7 (Westeuropa) und 1570 (Zentralafrika) Frauen pro 100.000 Lebendgeburten infolge einer PPH [4]. Durch die in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend erhöhte Sectiorate (31%) mit konsekutiv zunehmenden Plazentaimplantationsstörungen und erhöhter Gefahr einer Uterusruptur bei Folgeschwangerschaften ist ein Anstieg der lnzidenz der PPH auf ca. 1:250 Geburten zu verzeichnen. 0,7% aller Hausgeburten müssen (in den Niederlanden) aufgrund einer PPH sekundär ins Krankenhaus eingewiesen werden [5]. Der Blutverlust bei einer „einfachen" Entbindung gilt bis 500 ml als normal und wird durch die Uteruskontraktion physiologisch kompensiert. Eine primäre postpartale Hämorrhagie ist ein Blutverlust >500ml innerhalb 24 Stunden, häufige Ursachen sind Uterusatonie und Plazentaretention. Eine sekundäre postpartale Hämorrhagie bezeichnet jede größere Blutung nach 24 Stunden und bis zu 12 Wochen postpartum [6].
Notfallsituationen in der geburtshilflichen Anästhesie · J. Wallenborn
Nach WHO-Definition liegt eine PPH vor: • bei einem Blutverlust > 500 ml nach vaginaler Geburt, • bei einem Blutverlust > 1000 ml nach Sectio caesarea. Eine schwere PPH wird wie folgt definiert: • Blutverlust> 150 ml/min innerhalb von 20 min oder • Verlust von 50% des zirkulierenden Blutvolumens innerhalb von drei Stunden oder • akuter Blutverlust> 1500-2000 ml. Für die Klinik bedeutsam ist, dass die junge Mutter einen größeren Blutverlust zunächst sehr lange kompensiert und eine Kreislaufdepression sehr schnell gleich als Schocksymptomatik imponiert. Symptome des hämorrhagischen Schocks bei höherem Blutverlust sind Agitiertheit, Bewusstseinstrübung, Kaltschweißigkeit, blasses Hautkolorit, Tachykardie, Hypotension, Hyperventilation und Oligo-Anurie. Vereinfacht gilt: ab 1000 ml Blutverlust aufmerksam werden (großlumige Venenverweilkanüle, Kontrolle Blutgruppenbestimmung und Kreuzblut) und ab 1500 ml an eine Transfusion (Bereitstellen von Erythrozytenkonzentraten, Gerinnungsfaktoren, Wärmegeräte, Druckinfusion) denken [3,7,8] .
Risikofaktoren und Ursachen Risikofaktoren für eine PPH werden in Anlehnung an die AWMF-Leitlinie 015-063 in Tabelle 1 zusammengefasst [8]. Zielführende Diagnostik zum Erkennen dieser Risikofaktoren beinhaltet Anamnese, manuelle Untersuchung und Sonographie. Tabelle 2 umfasst verschiedene Ursachen mit Häufigkeit ihres Auftretens und dem Risiko, eine PPH zu entwickeln. Außerdem kann sich eine PPH in Form einer Disseminierten intravasalen Coagulopathie (DIC) bei Fruchtwas~rembolie, septischem Abort, intrauteriner Infektion, Eklampsie und HELLP-Syndrom entwickeln.
Verletzungen des Genitaltraktes können ungewollt (Dammriss) oder als gezielte Maßnahme (Episiotomie) eintreten. Die schnelle operative Versorgung ist entscheidend für die Prävention einer PPH. Ein hoher Scheidenriss kann operativ und zeitlich sehr anspruchsvoll sein, hierbei dürfen die Blutverluste nicht unterschätzt werden. Bei einer Plazentaretention ohne Blutung kann die spontane Plazentalösung abgewartet werden. Allerdings führt die aktive Leitung der Nachgeburtsperiode zu einer Senkung der PPH um ca. 60% [1 O] und wird daher von internationalen Leitlinien empfohlen. Dies umfasst neben dem kontrollierten Zug an der Nabelschnur die Gabe von Uterotonika, das Abklemmen und Durchtrennen der Nabelschnur
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Tabelle 1 Risikofaktoren für eine PPH [1,8).
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Plazenta
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Abruptio placentae Placenta praevia Placenta accreta, percreta, increta
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Plazentaretention
. Uterusatonie
Vorausgegangene Uterusoperation Uterus myomatosus Überdehnung des Uterus (Mehrlinge, Polyhydramnion, Querlage)
. angeborene oder erworbene Gerinnungsstörung
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Uterusruptur lnversio uteri
Verbrauchskoagulopathie bei Präeldampsie/HELLP-Syndrom Abruptio placentae Amnioninfektionssyndrom, Sepsis Fruchtwasserembolie
. . Sonstiges
-
.
-
.
. protrahierte Geburt . Geburtseinleitung und langanhaltende Oxytocingabe . Makrosomie (> 4000 g)
Blutungen vor der Geburt Multipara Nikotinabusus höheres Lebensalter nicht-weiße Rasse
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Tabelle2 Ursachen und deren Häufigkeiten sowie Odds Ratio für das Auftreten einer PPH [nach 6,9). · Häufigkeit
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