Rechtsqualität und Wirkung des »Staatsvertrages mit Muslimen« in Hamburg – das Staatskirchenrecht im Fluss [1 ed.] 9783428584406, 9783428184408

Der Hamburger »Staatsvertrag mit Muslimen« vom 13.11.2012 kann – trotz inhaltlicher Parallelen zu Konkordaten und Kirche

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German Pages 298 Year 2022

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Rechtsqualität und Wirkung des »Staatsvertrages mit Muslimen« in Hamburg – das Staatskirchenrecht im Fluss [1 ed.]
 9783428584406, 9783428184408

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Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 61

Rechtsqualität und Wirkung des „Staatsvertrages mit Muslimen“ in Hamburg – das Staatskirchenrecht im Fluss Von

Jana Katharina Kreutzmann

Duncker & Humblot · Berlin

JANA KATHARINA KREUTZMANN

Rechtsqualität und Wirkung des „Staatsvertrages mit Muslimen“ in Hamburg – das Staatskirchenrecht im Fluss

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Otto Depenheuer · Ansgar Hense · Alexander Hollerbach Josef Isensee · Matthias Jestaedt · Paul Kirchhof · Joseph Listl (†) Wolfgang Loschelder (†) · Hans Maier · Paul Mikat (†) · Stefan Muckel Sebastian Müller-Franken · Wolfgang Rüfner · Christian Starck Markus Stoffels · Arnd Uhle

Band 61

Rechtsqualität und Wirkung des „Staatsvertrages mit Muslimen“ in Hamburg – das Staatskirchenrecht im Fluss

Von

Jana Katharina Kreutzmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 978-3-428-18440-8 (Print) ISBN 978-3-428-58440-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Vereinbarungsabschlüsse mit muslimischen Gemeinschaften stellen den deutschen Verfassungsstaat auf die Probe – und erlauben ihm zugleich, sich weiter zu entwickeln. Der Diskurs wird nicht nur mit den muslimischen Gemeinschaften geführt, auch der Verfassungsstaat ist es, der in einen Diskurs mit sich selbst tritt. Mit dem „Staatsvertrag mit Muslimen“ in Hamburg gewinnen grundlegende Fragen zur strukturell-rechtlichen Integration von muslimischen Gemeinschaften eine besondere rechtliche Aktualität. Für mich hat sich gezeigt: Wenngleich wohl noch viele Diskussionen geführt, Urteile gefällt, Vereinbarungen geschlossen werden müssen: Das Staatskirchenrecht ist „in Fluss“ geraten. Die Entwicklungen der letzten Jahre lehren dabei, dass eine differenzierte Betrachtung dringend geboten ist. Die Dissertationsphase hat mich Einsichten in fachlicher, aber auch in persönlicher Hinsicht gelehrt, die ich nicht missen möchte. Die vorliegende Arbeit wurde von Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Februar 2019 als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Hans Hofmann als meinem Erstgutachter für seine Anregung, mit dem Gegenstand dieser Arbeit ein hochaktuelles Rechtsthema von grundlegender Bedeutung für die strukturelle Integration muslimischer Gemeinschaften zu wählen. Herr Prof. Dr. Hofmann nahm sich stets voller Geduld Zeit für die Beantwortung meiner Fragen; die fachlichen Diskussionen mit ihm gehörten zu den besten Erfahrungen dieses Prozesses. Ich durfte von ihm in fachlicher und menschlicher Hinsicht lernen und bin ihm dafür überaus dankbar. Gleichfalls möchte ich mich sehr herzlich bei Prof. Dr. Christian Waldhoff für sehr wertvolle Hinweise, sein hohes Engagement bei der Erstellung des Zweitgutachtens und für die Mitwirkung in der Disputation bedanken. Ebenfalls danke ich sehr Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis für sein fachlich beeindruckendes, freundliches Mitwirken in der Prüfungskommission. Mein Dank für seine wertvolle Unterstützung gilt weiterhin Prof. Dr. Ansgar Hense. Sehr hilfreich war die Unterstützung durch das Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin. Dieses Stipendium hat mir eine überaus intensive thematische Erfassung ermöglicht. Dafür bin ich dem Land Berlin sehr dankbar. Einige Weggefährten haben dazu beigetragen, diesen Prozess spannender, aber auch entspannter zu machen. Dank gebührt den Mitgliedern der Doktorandenver-

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Vorwort

einigung der HU-Docs, insbesondere Dr. Cláudia Soares. Dr. Thomas Fritsche danke ich für wertvolle fachliche Hinweise. Dr. Jürgen Schween von der Hamburger Senatskanzlei für den sehr wertvollen Austausch. Javier Gerber und Wladimir Pushkutse danke ich für ihren langjährigen, freundschaftlichen Rückhalt, ebenso meiner Schwester Anna Kreutzmann für ihre sorgfältigen Korrekturarbeiten und klugen Ratschläge. Mein größter Dank an dieser Stelle gilt meinen Eltern Anne Cech-Kreutzmann und Thomas Kreutzmann für das Korrekturlesen der ersten Fassungen und für ein Einbringen als „Sparrings-Partner“ bei der konzeptionellen Weiterentwicklung. Ihre Liebe für und ihr Glaube an mich begleiten mich bereits mein ganzes Leben – sie haben entscheidend zu dem Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im März 2022

Jana Kreutzmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Untersuchungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Teil 1 Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“ in Hamburg – noch eine „juristische Unmöglichkeit“?

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A. Strukturell-rechtliche Einpassung „des Islams“ und Kompatibilitätsprobleme . . . . . . 24 I. Die Frage nach staatskirchenrechtlicher Teilhabe oder „Anerkennung“ . . . . . . . 24 II. Bestandsaufnahme der innerislamischen Gründe für rechtliche Kompatibilitätsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Islamische Glaubenspluralität „im Islam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Organisatorische Schwierigkeiten in islamischen Organisationstypen in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Inhaltliche Kompatibilitätsprobleme von Glaubensüberzeugungen mit verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Das andere Menschenrechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Allgemeingültigkeitsanspruch „im Islam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Islamismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Schlussfolgerungen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände . . . . . 47 I. Der DITIB-Landesverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Die Schura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Der VIKZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Teil 2 Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

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A. Zur Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Der Verhandlungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Die Unterzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Die Zuleitung an die Bürgerschaft und Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IV. Inkrafttreten und Verkündung im Hamburger Gesetz- und Verordnungsblatt . . . 61

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Inhaltsverzeichnis

B. Der Inhalt der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Die Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Artikel 1: Glaubensfreiheit und Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Artikel 2: Gemeinsame Wertegrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV. Artikel 3: Islamische Feiertage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 V. Artikel 4: Bildungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 VI. Artikel 5: Hochschulausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 VII. Artikel 6: Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Der „Religionsunterricht für alle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Die Bestimmung des Art. 6 Vereinbarung als „Herzstück“ . . . . . . . . . . . . . . . 73 VIII. Artikel 7: Religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . 74 IX. Artikel 8: Rundfunkwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 X. Artikel 9: Gewährleistung der Vermögensrechte; Errichtung und Betrieb von Moscheen, Versammlungsräumen, Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 XI. Artikel 10: Bestattungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 XII. Artikel 11, 12: Verständigung und Zusammenwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 XIII. Artikel 13 Abs. 1: Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 C. Zusammenfassung mit Blick auf die Funktionen der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 83

Teil 3 Die Rechtsqualität der Vereinbarung: „Staatsvertragsschluss“ mit islamischen Verbänden

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A. Einführung und methodologische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Bezeichnungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Rechtsprobleme eines (potentiellen) „Staatsvertrages“ mit islamischen Verbänden und methodologische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 B. Historische Herausbildung und Rechtsqualität von Konkordaten und Kirchenverträgen 89 I. Die historische Herausbildung der „Referenzgröße christlicher Staatskirchenvertrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die staatskirchenrechtliche Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Erste Generation von 1924 – 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Zweite Generation von 1955 – 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Dritte Generation ab 1990, Anbruch einer vierten Generation durch Vertragsschlüsse mit Muslimen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Rechtssystematische Einordnung der Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Als völkerrechtliche oder quasi-völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Inhaltsverzeichnis

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III. Rechtssystematische Einordnung der Kirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Als völkerrechtliche oder quasi-völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Als Verwaltungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Als Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Der Staatsvertrag im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Die Wesensmerkmale eines Staatsvertrages und rechtssystematische Zuordnung der evangelischen Kirchenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Form, Titulierung und Wille der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Vertragsinhalt und parlamentarisches Zustimmungsgesetz . . . . . . . . . 110 (1) Inhalt von Kirchenverträgen und abstrakte Vergleichbarkeit . . . . . 110 (2) Das Verhältnis von Staatsvertrag/Staatskirchenvertrag und parlamentarischem Zustimmungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (3) Verfassungsgewohnheitsrechtliche Verfestigung des parlamentarischen Zustimmungserfordernisses in Gesetzesform . . . . . . . . . . . . 116 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Die Rechtsqualität der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Der öffentlich-rechtliche Vertragscharakter der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Paritätsrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Rechtssystematische Einordnung der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Die Vereinbarung als „Staatskirchenvertrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Als völkerrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Als Staatsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Verbands- und Organzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (2) Vertragsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (a) Erforderlichkeit des Körperschaftsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) Staatsvertragswürde, Staatsloyalität oder -kompatibilität . . . . . 124 bb) Vertragsinhalt und parlamentarisches Zustimmungsgesetz . . . . . . . . . 125 (1) Parallelen in der Typologie der Staatskirchenverträge . . . . . . . . . . 125 (2) Regelungsverhältnis von institutioneller Bedeutsamkeit . . . . . . . . 125 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Die Vereinbarung als Verwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis . . . . . . . . . 129 a) Zulässigkeit einer Klassifizierung als „Vertrag eigener Art“ . . . . . . . . . . . 129 b) Voraussetzungen für eine Klassifizierungsform „sui generis“ . . . . . . . . . . 130 c) Die Charakteristika der Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Der Rechtsraum und dessen kooperationsrechtliche Ausrichtung . . . . 131 bb) Die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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Inhaltsverzeichnis cc) Besonderheiten im Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 dd) Der schlichte Parlamentsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 IV. Die Verbindlichkeit und die Wirkung der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Der Rang der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Die Bindung der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Bindungswirkung und Erlöschensgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Konkretisierung der Fragestellung mit Blick auf die Vertragsgegenstände 138 b) Erlöschensgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Die einvernehmliche Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Die ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Die außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4. Der eigentliche rechtliche Nutzen der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

D. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Teil 4 Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss? Die Bedeutung der Rechtsstatusfeststellung „Religionsgemeinschaft“

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A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Als staatskirchenrechtlicher Grundstatus von „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Relevanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Begriffsbestimmung und Prüfungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Deskriptive Begriffsbestimmung nach Gerhard Anschütz . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Der Maßstab der „Plausibilitätskontrolle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft . . . . . . . . . . 164 I. Religionsgemeinschaftseigenschaft und islamische Verbände . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Zusammenschluss natürlicher Personen innerhalb eines bestimmten Gebiets 167 a) Das erforderliche Maß an rechtlicher Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Die Problematik der personalen Rückbindung von Dachverbänden . . . . . . 170 aa) Kontroverse in der rechtlichen Beurteilung von Dachverbänden . . . . . 170 (1) Erfordernis eines „persönlichen Substrats“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Der Grad personaler Rückbindung im Lichte der Legitimationsproblematik „Überstülpung der Mitgliedschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Paradigmenwechsel durch die Rechtsprechung des BVerwG . . . . . . . . 172 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Vorhandensein eines religiösen (Grund-)Konsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Wahrung des Homogenitätsniveaus bei Verwandtschaft der islamischen Bekenntnisse vs. Erfordernis einer konfessionellen Spezifizierung . . . . . . 176

Inhaltsverzeichnis

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b) Angehörige desselben Bekenntnisses in verschiedenen (Religions-)Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Ausschließlichkeitsanspruch des religiösen Konsenses: Statthaftigkeit von Doppelmitgliedschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Umfassende Bezeugung des religiösen Konsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Maßstab und Prüfungsparameter zur Bestimmung des Merkmals der „allseitigen Pflege religiöser Aufgaben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Maßstab: Qualitative Bestimmung der Zwischen- und Endzwecke . . . 184 bb) Prüfungsparameter: Vornahme von Kultushandlungen . . . . . . . . . . . . . 185 b) Besondere Anforderungen an die Konsensbezeugung durch Dachverbände: Identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung und gläubigenumfassender Glaubensvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Gläubigenumfassender Glaubensvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Zusammenhang mit der Praxis „Überstülpung der Mitgliedschaft“ . . . . . . 190 II. Zusammenfassung mit Blick auf das Urteil des OVG Münster vom 09. 11. 2017 sowie den Beschluss des BVerwG vom 20. 12. 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C. Die Klassifizierung des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ als Religionsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Die Gutachtenerstellung in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Überprüfungsmaßstab und -gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Die Religionsgemeinschaftseigenschaft der islamischen Verbände . . . . . . . . . . . 197 1. Behauptung und entsprechendes Selbstverständnis der islamischen Verbände 197 2. Die Religionsgemeinschaftseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Zusammenschluss von natürlichen Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen der nachgeordneten Ebene angehören können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) DITIB-Landesverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Schura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) VIKZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Religiöser Konsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) DITIB-Landesverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Schura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 cc) VIKZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Umfassende Bezeugung des religiösen Konsenses durch eine identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung und einen gläubigenumfassenden Glaubensvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) DITIB-Landesverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Schura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) VIKZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

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Inhaltsverzeichnis IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

D. Die Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Geschriebene Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Gewähr der Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Der tatsächliche Gesamtzustand der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Mitgliederzahl als eigenständiges Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Anforderungen an das Mitgliedschaftsrecht und die Funktion eines Ansprechpartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Zugehörigkeitsregelungen im Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Ansprechpartnerqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Ungeschriebene Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Staatsfreie Definition der Grundsätze des Religionsunterrichts: Das Problem der Einflussnahme des Diyanets auf die DITIB-Gesamtorganisation . . . . . . . 222 2. Weitere ungeschriebene Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Kulturadäquanz, Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Rechtstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Erfordernis einer bestimmten inneren Grundhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Zusammenfassung: Geschriebene und ungeschriebene Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Ausblick zur Kooperationsfähigkeit der islamischen Verbände . . . . . . . . . . . . . . 236 E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im inneren System der Verfassung sowie Einordnung ihrer veränderten Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Der Perspektivendualismus „Staatskirchenrecht vs. Religionsverfassungsrecht“ 238 1. Das Konzept des „Staatskirchenrechts“ – institutionelle Deutung . . . . . . . . . 238 2. Das Konzept des „Religionsverfassungsrechts“ – Vergrundrechtlichung . . . . 239 II. Konzeptionelle Auswirkungen auf den Religionsgemeinschaftsbegriff und Einordnung der Rechtsprechungsentwicklung und der Art der Rechtsfindung durch das BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Konzeptionelle Auswirkungen auf den Religionsgemeinschaftsbegriff . . . . . 240 2. Entwicklungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Rechtsfindung durch das BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

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Teil 5 Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse: Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts

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A. Aktuelle vertragsrechtliche Entwicklungen und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. Vereinbarungen mit der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. . . . . . . . . . . . 254 II. Weitere Entwicklungen im Lichte der Hamburger Vereinbarung . . . . . . . . . . . . 256 III. Aussetzungen und Zwischenlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Wesentliche Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 C. Die Zukunftsfähigkeit des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts oder die Frage nach der strukturell-rechtlichen Integration islamischer Gemeinschaften . . . . . 262 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Einleitung und Untersuchungsansatz Der Staatskirchenvertrag galt bisher als traditionelles Instrument, die Beziehungen von Staat und Kirche zu regeln.1 Mit dem Topos „Staatsvertragsschluss mit Muslimen“ könnte sich dies nun ändern. Die bisherigen drei Generationen2 des Vertragsstaatskirchenrechts – bisher Zeugnis einer „flexible[n] Kontinuität und evolutive[n] Anpassungsfähigkeit des Vertragsrechts von Staat und Kirche“3 und damit auch der staatskirchenrechtlichen Konzeption als solchen – stehen derzeit vor genau dieser Herausforderung. Dabei ist „der Islam“ schon lange keine „Hinterhofreligion“4 mehr, wie es noch in den 80er Jahren hieß: Seine Anhänger stellen mit einem Bevölkerungsanteil von über 5 % die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland.5 Dass der Islam im historisch gewachsenen Staatskirchenrecht im Verhältnis zu den christlichen Großkirchen (noch) als „Minderheitenreligion“ angesehen werden kann, macht die Frage nach der Zukunftsfähigkeit noch dringlicher. Stärke und Legitimität des freiheitlichen, religiös-neutralen Verfassungsstaats zeigen sich gerade auch im Umgang mit Minderheitenreligionen. Während Politiker schon vor über 10 Jahren betonten, dass „der Islam“ zu Deutschland gehöre6 und damit wohl eher eine gesellschaftspolitische Aussage trafen, ist seine „rechtliche Anerkennung“ mit erheblichen verfassungsrechtlichen Problemen verbunden. Diese zeigen insbesondere erfolglose Vertragsschlussbemühungen einiger Bundesländer in Richtung eines Vertragsschlusses mit Muslimen.7 Die rheinland-pfälzische Landesregierung etwa hat eigenen Angaben zufolge auf Grund des Putschversuchs in der Türkei im Sommer 2016 die begonnenen Gespräche mit dem DITIB Landesverband Rheinland-Pfalz einvernehmlich ausgesetzt und Zusatzgutachten eingeholt, „um die hinreichende Unabhängigkeit von Einflüssen Dritter auf die

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Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 17. So die Kennzeichnung nach Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91. 3 Siehe dazu und im Folgenden Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (116). 4 Albrecht, EssGspr. 20 (1986), S. 82 (88). 5 Stichs, Wieviele Muslime leben in Deutschland?, S. 5. 6 Dazu m. w. N. Hense, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (116). 7 Siehe dazu und im Folgenden diese Arbeit Teil 5 A. 2

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Einleitung und Untersuchungsansatz

Landesverbände zu untersuchen“.8 Diese Frage wurde auch in Hessen bei der Aussetzung der Kooperation im Bereich des islamischen Religionsunterrichts mit dem DITIB Landesverband Hessen e. V. aufgeworfen. Auch in Niedersachsen wurde der Vereinbarungsabschluss aus ähnlichen Gründen zunächst auf Eis gelegt. Dass (Staats-)Vertragsschlüsse mit Muslimen zulässig und möglich sind, könnte jedoch ein Blick nach Hamburg ergeben: Nach einem fünfjährigen Verhandlungsprozess unterzeichneten am 13. 11. 2012 Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Vertreter von drei islamischen Verbänden den Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg9, SCHURA-Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg10 und dem Verband der Islamischen Kulturzentren11 (Vereinbarung).12 Der Vertrag, dem die Hamburgische Bürgerschaft mittels schlichtem Parlamentsbeschluss zustimmte, regelt Aspekte der Religionsausübung wie Religionsunterricht, Bestattungswesen und den Bau von Gebetsstätten sowie solche der grundgesetzlichen Ordnung und Wertegrundlagen.13 Parallel dazu wurde ein entsprechender Vertrag mit der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V.14 abgeschlossen.15 Von den in Hamburg abgeschlossenen Vereinbarungen profitierte auch die Freie Hansestadt Bremen, die in ihren Vertragsverhandlungen mit den entsprechenden Bremer Islamverbänden ab August 2009 auf den Erfahrungen Hamburgs aufbauen und eine entsprechende Vereinbarung am 15. 01. 2013, noch vor Hamburg, unterzeichnen konnte.16 8 Pressemitteilung der rheinlandpfälzischen Landesregierung v. 01. 04. 2020, Landesregierung schließt Zielvereinbarungen mit islamischen Verbänden, abrufbar unter: http://mwwk. rlp.de/de/service/pressemitteilungen/detail/news/News/detail/landesregierung-schliesst-zielver einbarungen-mit-islamischen-verbaenden/ (Stand: 18. 01. 2022). 9 Im Folgenden als DITIB-Landesverband bezeichnet. 10 Im Folgenden als Schura bezeichnet. 11 Im Folgenden als VIKZ bezeichnet. 12 Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA-Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren vom 13. November 2012, Drs. 20/5830 v. 13. 11. 2012. Im Folgenden wird er als Vereinbarung abgekürzt. 13 Vgl. dazu die Pressemitteilung der Hamburgischen Senatskanzlei vom 14. 08. 2012, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3551764/2012-08-14-sk-vertrag/ (Stand: 26. 04. 2017). 14 Im Folgenden als AABF bezeichnet. 15 Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. vom 13. November 2012, Drs. 20/5830 v. 13. 11. 2012 – die Verträge entsprechen sich inhaltlich weitgehend, so dass viele der folgenden Ausführungen zur Vereinbarung auch Geltung in Hinblick auf diese Vereinbarung haben, vgl. auch Demel, KuR 2013, S. 93 ff.; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 442 ff.; vgl. auch unten Teil 5 B. I. 16 Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der Schura-Islamischen Religionsgemeinschaft Bremen e. V., dem DITIB-Landesverband der Islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen e. V. und dem Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. vom 15. Januar 2013, Drs. 18/727 v. 15. 01. 2013. Vgl. zum Vorgang die Pressemeldung der Senatspressestelle Bremen vom 15. 01. 2013, abrufbar unter: http://www.senatspressestelle.bre

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Das Beispiel Hamburgs, einem Stadtstaat mit etwa 140.000 Muslimen,17 zeigt einerseits auf, welche verfassungsrechtlichen Probleme mit Vereinbarungsabschlüssen mit muslimischen Verbänden einhergehen, anderseits ist zu erkennen, ein welches rechtliches Potential in Vereinbarungsabschlüssen mit muslimischen Verbänden im Kontext der (staatskirchenrechtlichen) Gesamtrechtsordnung liegt. Diese Arbeit widmet sich deshalb der strukturell-rechtlichen Integration islamischer Gemeinschaften in die Ordnungskonfigurationen des geltenden Staatskirchenrechts am Beispiel Hamburgs und der Fortentwicklung staatskirchenrechtlicher Rechtsinstitute vor dem Hintergrund sich verändernder Rechtsinterpretation und -anwendung.18 Dabei ist gewissermaßen „staatskirchenrechtliches Neuland“ zu betreten: Die der Arbeit zu Grunde liegende Fragestellung nach (staatskirchen-)rechtlicher Anerkennung oder Integration musste in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Ausmaß nicht näher definiert oder gestellt werden. Denn die Geschichte des Verfassungs- bzw. Staatskirchenrechts – die stets auch die Geschichte der Staatskirchenverträge war – war bislang vorwiegend die des Verhältnisses Staat–christliche Mehrheitsreligionen. Hollerbach stellte schon 1965 fest, dass Verträge zwischen Staat und Kirchen zu den „Erscheinungsformen der alltäglichen Rechtswirklichkeit“19 gehören. Als alltägliche Rechtstatsache sind sie geeignet, Aufschluss über das Verhältnis der Kontrahierenden zueinander zu geben. Mit dem Herantreten islamischer Selbstorganisation an einen sich im religionsstrukturellen Wandel befindlichen Staat verändert sich auch die alltägliche Rechtswirklichkeit. Es stellt sich die Frage, ob das Staatskirchenrecht im Allgemeinen und das Handlungsinstrument des Staatskirchenvertrages im Besonderen zukunftsfähig sind. Doch ganz im Sinne des Diktums Böckenfördes, wonach der freiheitliche säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann,20 bezieht sich die Bewährungsprobe nicht nur auf die staatliche Seite: Gelingt es muslimischen Verbänden, die an einen Ansprechpartner des Staates zu stellenden Anforderungen zu erfüllen? Und: Warum gelten „Staatsvertragsschlüsse“ mit Muslimen überhaupt als „juristische Unmöglichkeit“? Zu Beginn der Arbeit soll auf die Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“ eingegangen werden (Teil 1): Herausgearbeitet men.de/detail.php?gsid=bremen146.c.60265.de (Stand: 18. 12. 2017). Der Vertrag wird im Folgenden als Bremer Vereinbarung abgekürzt. 17 Zahlen nach einer Erhebung der EKD am 31. 12. 2007, abrufbar unter: http://www.ekd.de/ ekd_de/ds_doc/kirchenmitglieder_2007.pdf (Stand: 20. 12. 2017). 18 Zur wissenschaftlichen Lage und Diskussion: Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (196 f.). 19 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 1. 20 Siehe zur Aktualität dieses Ausspruchs und verschiedenen Veröffentlichungen Böckenfördes Palm, Berechtigung und Aktualität des Böckenförde-Diktums.

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Einleitung und Untersuchungsansatz

werden die Kompatibilitätsprobleme bei der strukturell-rechtlichen Einpassung „des Islams“ unter dem Gesichtspunkt einer näher zu bestimmenden staatskirchenrechtlichen Teilhabe oder Anerkennung. Der erste Teil schließt mit einem Überblick zur Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der in Hamburg kontrahierenden muslimischen Verbände. Teil 2 widmet sich der Entstehung und des Inhalts der in Hamburg geschlossenen Vereinbarung und schließt mit einem Blick auf ihre spezifischen Funktionen. Diesen Untersuchungen folgt das Kernstück der Untersuchung: Die Analyse der Rechtsqualität der Hamburger Vereinbarung (Teil 3). Bezeichnet in unterschiedlichen Kontexten als „Staatsvertrag“,21 wurde auch für sie von einer Begrifflichkeit Gebrauch gemacht, die gemeinhin für die mit den evangelischen Landeskirchen geschlossenen, inhaltlich umfassenden Verträge gewählt wurde, zu welchen überdies regelmäßig ein Zustimmungsgesetz erging. Diese Untersuchung sieht sich vor mehrere Schwierigkeiten gestellt: Im Grundgesetz gibt es keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Zulässigkeit und den Voraussetzungen von Vertragsschlüssen zwischen Staat und religiösen Gemeinschaften. Obgleich Teil der staatskirchenrechtlichen Rechtsordnung handelt es sich bei ihnen aber primär, wie zu zeigen sein wird, um ein rechtstatsächliches Phänomen. Dessen Voraussetzungen und Merkmale ergeben sich zuallererst durch den Bestand bereits geschlossener Verträge. Das inzwischen bestehende flächendeckende Netz hat sich zunächst anhand der Verträge mit den christlichen Kirchen herausgebildet, ab 1983 ist es um die mit den jüdischen Gemeinschaften geschlossenen Staatskirchenverträge erweitert worden. Die rechtliche Analyse und Bewertung der Vereinbarung sieht sich zudem vor die Schwierigkeit gestellt, dass das Rechtsinstitut des Staatskirchenvertrages in seinen Einzelheiten hochumstritten ist. Dies gilt vor allem für die Bestimmung seiner Rechtsnatur und Wirkungskraft gegenüber einfachen Gesetzen. Die Bestimmung der Rechtsnatur ist relevant für die Anwendung der maßgeblichen Rechtsordnung, welche wiederum rechtsgültig für das Entstehen, die Abwicklung und das Erlöschen des Vertrages ist.22 Alle diese Rechtsproblematiken sind freilich auch in Hinblick auf den Vereinbarungsabschluss mit nichtchristlichen Gemeinschaften klärungsbedürftig, hinzu kommt aber, dass aufgrund anderer Ausgangsbedingungen, wie bei21

Diese Bezeichnung kursierte nicht nur in den Medien, vgl. z. B. die Online-Meldung des Nachrichtenmagazins Spiegel vom 13. 11. 2012, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/ deutschland/hamburg-unterzeichnet-staatsvertrag-mit-muslimen-und-aleviten-a-867032.html. Auch die Vereinbarungsparteien bedienten sich dieser Begriffsbezeichnung: Dazu etwa die Mitteilung der Schura auf ihrer Internetseite: http://www.schurahamburg.de/index.php/2-uncate gorised/18-schura-hamburg-hamburger-staatsvertrag-zentrales-ereignis-fuer-den-islam-indeutschland-beginn-einer-bundesweiten-erfolgsgeschichte (Stand: 01. 05. 2017). Desweiteren tauchte diese Begrifflichkeit auch wiederkehrend in den Dokumenten zum Entstehungsprozess der Vereinbarung auf: Senatskanzlei Hamburg, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 22 Renck, DöV 1997, S. 929.

Einleitung und Untersuchungsansatz

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spielsweise einer anderen Verfasstheit islamischer Gemeinschaften, nunmehr organisatorisch-institutionelle und verfahrensmäßige Voraussetzungen erörterungsbedürftig werden, bei denen es sich bislang um so geglaubte „staatskirchenrechtliche Selbstverständlichkeiten“23 handelte. Neben der Rechtsnatur der Vereinbarung führte im Rahmen des Entstehungsprozesses insbesondere die Frage nach der Religionsgemeinschaftseigenschaft der Verbände zu erheblichen Kontroversen, die im Ergebnis durch die rechts- und religionswissenschaftlichen Gutachten von Heinrich de Wall und Gritt Klinkhammer einer Klärung zugeführt wurde. Der Religionsgemeinschaft widmet sich Teil 4 dieser Arbeit: Dieser „Schüsselbegriff“ des deutschen Staatskirchenrechts nimmt eine zentrale Rolle im Prozess der strukturell-rechtlichen Einpassung ein. Erst als Religionsgemeinschaften verfasste religiöse Gemeinschaften können grundlegende staatskirchenrechtliche Rechte und Pflichten geltend machen, wie z. B. islamischen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG auszurichten. Zu einem Paradigmenwechsel in der Interpretation führte insbesondere folgende Aussage im Grundsatz-Urteil des BVerwG von Februar 2005: Auch ein mehrstufiger Verband (Dachverbandsorganisation) kann eine Religionsgemeinschaft sein.24 Neben der Überprüfung, ob die Hamburger Verbände Religionsgemeinschaft sind, ist die herauszuarbeitende veränderte Rezeption des Religionsgemeinschaftsbegriffes in einen Zusammenhang mit dem „Wandel des Staatskirchenrechts“ zu setzen, der regelmäßig unter den Begrifflichkeiten „Staatskirchenrecht vs. Religionsverfassungsrecht“ firmiert. In Teil 5 werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit und die derzeitigen vertragsrechtlichen Entwicklungen zusammengefasst. Der Ausblick widmet sich der Frage der vielerorts gestellten Fragestellung nach der „Zukunftsfähigkeit“ des deutschen Staatskirchenrechts. Ist die Hamburger Vereinbarung auch in diesem Kontext – wie von Olaf Scholz – so bezeichnet, ein „Meilenstein“ in der strukturellrechtlichen Einpassung muslimischer Verbände?

23 Zum Verlust „staatskirchenrechtlicher Selbstverständlichkeiten“ durch den Strukturwandel der Religion etwa Heinig, Die Verfassung der Religion, S. 5 ff. 24 BVerwG, NJW 2005, 2101.

Teil 1

Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“ in Hamburg – noch eine „juristische Unmöglichkeit“1? Die eigentliche Geschichte „des Islams“ in Deutschland begann in den 1960er Jahren mit der Anwerbung von Arbeitsmigranten, die vor allem aus der Türkei, Nordafrika und anderen islamischen Staaten und Regionen stammten.2 Wie die Hochrechnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zeigt, wächst die islamische Bevölkerungsgruppe demographisch sowie durch Zuwanderung weiter an:3 Am 31. Dezember 2015 lebten in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime. Bei 82,2 Millionen Einwohnern entspricht dies einem Anteil zwischen 5,4 % und 5,7 %.4 Während diese Zahlen nahezu sprungartig ansteigen, wandelt sich das Bild „des Islams“ in der Öffentlichkeit nur langsam. Bereits Mitte der 80er Jahre wurde von einer „strukturellen Präsenz des Islams“ gesprochen,5 der aber das öffentliche Erscheinungsbild einer „Hinterhofreligion“6 habe. Die gesellschaftliche Ausgangssituation gestaltet sich dabei folgendermaßen: Es trifft eine „kulturfremde Religion“7 auf die deutsche Bevölkerung mit einer ursprünglich zutiefst christlichen Prägung. Deren religiöse Zusammensetzung unterliegt aber infolge von Pluralisierung, Säkularisierung und Formenwandel des Religiösen inzwischen auch tiefgreifenden Veränderungsprozessen.8 Exemplarisch lässt

1

Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts seit dem Krieg gegen die Osmanen kamen nur sehr vereinzelt Muslime als Kriegsgefangene in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik oder ließen sich ab dem 18. Jahrhundert als Handeltreibende nieder. Vgl. dazu: Abdullah, Geschichte des Islams in Deutschland; Heimbach, Die Entwicklung der islamischen Gemeinschaft in Deutschland seit 1961, S. 58 ff.; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 17; Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 17 ff. 3 Waldhoff, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag, D 35. 4 Stichs, Wieviele Muslime leben in Deutschland?, S. 5. 5 Albrecht, EssGspr. 20 (1986), S. 82 (82, 86); dies wiederaufgreifend Waldhoff, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag, D 35. 6 Albrecht, EssGspr. 20 (1986), S. 82 (88). 7 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299. 8 Näher dazu Waldhoff, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag. 2

Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

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sich dies an den Mitgliederverlusten der christlichen Großkirchen und ihrem damit zusammenhängenden Bedeutungsverlust nachvollziehen. Noch in den 1950er Jahren gehörten 96,4 % der Einwohner des Bundesgebiets einer der beiden christlichen Großkirchen an.9 Im Jahr 2015 waren es gerade noch 56 %.10 Diese religiös-strukturellen Veränderungsprozesse zeichnen sich zeitlich versetzt auch in der Rechtsprechungsentwicklung ab. In den 1960er Jahren, in dem Zeitraum, in dem viele staatskirchenrechtliche Leitentscheidungen des BVerfG ergangen sind, verliefen die Konfliktlinien zwischen der christlichen Mehrheit und einer zahlenmäßig noch kleinen, sich als nichtchristlich definierenden Minderheit.11 Der status quo der Bestimmungen betreffend das Verhältnis von Staat und organisierter Religion und ihre Interpretation ist durch den Umstand geprägt, dass die christlichen Großkirchen lange Zeit als allein maßgebliche Religionsgemeinschaften wirkten.12 Heute wird die öffentlich-rechtliche Kasuistik vorwiegend von Rechtsfragen zum islamischen Religionsunterricht, zum Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrerin oder der Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Schwimmunterricht bestimmt.13 Dieser religiöse Strukturwandel greift auch in rechtlicher Hinsicht tief, er setzt bei staatskirchenrechtlichen Rechtsinstituten und ihrer Rezeption an, die teilweise über nahezu ein Jahrhundert unverändert geblieben waren. Ausgehend von der Hinterhof-Metapher stellt sich im rechtswissenschaftlichen Kontext folgende Frage: Ist „der Islam“ inzwischen strukturell-rechtlich in das tradierte Staatskirchenrecht eingepasst? Es gilt, die innerislamischen Gründe für das Bestehen allgemeiner Kompatibilitätsprobleme mit verfassungsrechtlichen Vorgaben herauszuarbeiten. In einem weiteren Schritt sollen die konkreten Rechtsprobleme in Hinblick auf den Vertragsschluss aufgezeigt und anhand dieser der Untersuchungsansatz konkretisiert werden. Abschließend sollen kurz die Entstehungsgeschichte und die Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände skizziert werden.

9 Quelle der Zahlen aus dem Internetangebot der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), Fachserie A/Bevölkerung und Kultur/Volks- und Berufszählung vom 6. Juni 1961, Bevölkerung nach der Religionszugehörigkeit, Stuttgart (1966), S. 21 (Bundesgebiet ohne Berlin und Saarland), abrufbar unter: http://fowid.de/sites/default/files/download/re ligionszugehoerigkeit_bevoelkerung_1950-2005.pdf (Stand: 26. 04. 2017). 10 Quelle aus dem Internetangebot der fowid in der Fassung vom 10. 02. 2015, abrufbar unter: http://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-deutschland-2015. 11 Heinig, ZevKR 53 (2008), S. 235 (236). 12 Waldhoff, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag, D 10. 13 Das BVerwG entschied in einem Grundsatzurteil im Jahr 2013, dass islamischen Schülerinnen die gemeinsame Teilnahme mit Jungen am Schwimmunterricht zugemutet werden könne, da sie einen Ganzkörperschwimmanzug in Form eines „Burkini“ tragen könnten, vgl. BVerwGE 147, 362.

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

A. Strukturell-rechtliche Einpassung „des Islams“ und Kompatibilitätsprobleme I. Die Frage nach staatskirchenrechtlicher Teilhabe oder „Anerkennung“ Seit den 1970er Jahren stellen islamische Gemeinschaften Anträge, die auf die Erteilung von Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG oder die Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus gerichtet sind. Diese Anträge wurden bisher14 abschlägig beschieden oder nicht weiter verfolgt, teilweise ist der Stand des Verfahrens nicht öffentlich bekannt oder die Anträge befinden sich in Bearbeitung.15 Ähnliches galt bislang für den Abschluss von Staatskirchenverträgen16. Die Islamische Religionsgemeinschaft in Berlin (IRB) entwickelte einen eigenen Vertragsentwurf, der jedoch nicht zur Aufnahme von Verhandlungen führte, woraufhin der Präsident der IRB Klage vor dem VG Berlin erhob, die durch das Gericht jedoch abwiesen wurde.17 Die Entwicklungen zeigen: Islamischen Gemeinschaften war mit den erfolglosen Versuchen, sich Zugang zum institutionellen Staatskirchenrecht zu verschaffen, eine rechtliche Anerkennung lange Zeit weitestgehend verwehrt.18 Könnte sich dies mit dem Vertragsschluss in Hamburg geändert haben? Und ob bzw. wie kann die Frage nach staatskirchenrechtlicher Teilhabe und damit nach rechtlicher Anerkennung rechtlich gefasst werden? Eine rechtliche Einpassung religiöser Gemeinschaften in das deutsche Staatskirchenrecht lässt sich nicht mathematisch exakt definieren, da es ein irgendwie

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Eine Ausnahme bildet die religiöse Gemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat, der in 2013 in Hessen und ein knappes Jahr später in Hamburg der Körperschaftsstatus verliehen wurde, vgl. dazu Staatsanzeiger für das Land Hessen 20 (2013), S. 634 bzw. Hamburg Verordnung v. 09. 04. 2014, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 21 (2014), S. 137. Da es sich bei dieser Gemeinschaft aber um eine gemäßigte indo-pakistanische islamische Reformgemeinschaft handelt, kann dieser Entwicklung nicht allzu großer exemplarischer Wert beigemessen werden. 15 Näher dazu Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 18. 16 Bei den in Hessen zwischen inzwischen elf islamischen Gemeinden und der Stadt Wiesbaden geschlossenen „Integrationsvereinbarungen“ handelt es sich nicht um Staatskirchenverträge. Vgl. dazu unten Teil 3 A. II. Weitere Informationen zu den Integrationsvereinbarungen auf der Internetseite der Stadt Wiesbaden: http://www.wiesbaden.de/leben-inwiesbaden/gesellschaft/auslaendische-buerger/content/islamische-gemeinden.php (Stand: 01. 05. 2017). 17 VG Berlin, Gerichtsbescheid der 27. Kammer vom 9. August 2006 – VG 27 A 55.06. Vgl. auch die Pressemitteilung vom 16. 11. 2006, abrufbar unter: http://www.berlin.de/gerichte/ver waltungsgericht/presse/pressemitteilung.423413.pho (Stand: 20. 03. 2018). 18 Zu diesem Schluss kommt auch Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 180 ff.

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geartetes rechtliches Anerkennungssystem,19 etwa durch gesamtstaatliches Verfahren oder durch Gesetz, nicht gibt.20 Rechtliche Einpassung oder Integration ist gewissermaßen die Summe der (positiv) beantworteten rechtlichen Einzelfragen.21 Bei der Aufnahme islamischer Gemeinschaften in das System religionsfördernder und positiver Neutralität des Staatskirchenrechts kann zwischen verschiedenen Angeboten der verfassungsrechtlichen Anerkennung und Teilhabe unterschieden werden. Unter bestimmten Anforderungen kann einer religiösen Gemeinschaft die Rechtsform einer Religionsgemeinschaft bzw. einer staatskirchenrechtlichen Körperschaft „zuerkannt“ werden, weiterhin ist es ihr möglich, staatskirchenrechtliche Verträge zu schließen oder in ein konkretes Kooperationsverhältnis, beispielsweise in Form der Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen, zu treten.22 Dass eine integrationspolitische Notwendigkeit islamischen Religionsunterrichts besteht, wurde schon in der Kultusministerkonferenz in den achtziger Jahren anerkannt.23 Diese Erkenntnis ist angesichts 650.000 schulpflichtiger islamischer Kinder und Jugendlicher inzwischen in allen politischen Lagern angekommen.24 Anerkannt wird, dass so der tendenziell segregativen Beeinflussung in den Koranschulen begegnet werden kann.25 Da es bislang an einem „geeigneten islamischen Ansprechpartner“ fehlte, behalfen sich einige Landesregierungen mit Modellprojekten und -versuchen, die die Kommunikation mit Vertretern islamischer Gemeinschaften ermöglichten. Auf diesem Weg sollte die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts forciert werden.26 Das wahrscheinlich bekannteste Dialogforum ist 19 Spielhaus/Herzog unterscheiden in ihrem Gutachten zwischen rechtlicher und gesellschaftlicher Anerkennung, zeigen jedoch auf, dass sich beide Formen gegenseitig bedingen und sich aufeinander beziehen. Hier geht es um die strukturelle Einfassung islamischer Gemeinschaften in die durch das Grundgesetz offerierten Rechtsformen und den Gebrauch von Institutionen. Vgl. dies., Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 10 f. 20 Die Autoren verweisen auf die Rechtslage in Österreich und in Spanien. In Österreich wurde die allgemeine Anerkennung der Religion des Islam auf der Grundlage eines 1912 ergangenen Gesetzes bewirkt, wodurch Rechte und Pflichten islamischer Gemeinschaften in allgemeingültiger Form geregelt werden. In Spanien wurde 1992 ein Kooperationsabkommen mit der „Comisión Islámica de España“ geschlossen. Näher dazu Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 11. 21 Siehe ebenda. 22 Diese Kategorisierung, der auch hier gefolgt wird, wird auch vorgenommen von Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 10 ff. 23 Näher dazu sowie zum Islamunterricht an deutschen Schulen Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 88 ff. 24 Diese Zahl dürfte angesichts der aktuellen Hochrechnung des BAMF noch höher sein, zum islamischen Religionsunterricht siehe den Online-Artikel der DIK, abrufbar unter: http: //www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/5ReligionsunterrichtSchule/Schuelerpoten zial/schuelerpotenzial-node.html (Stand: 01. 05. 2017). 25 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 17 ff. m. w. N. 26 Vgl. auch Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 17.

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der „Runde Tisch“, wie er durch die niedersächsische Landesregierung von 2002 – 2011 oder in Hessen seit 2009 geschaffen wurde bzw. in der Gründung des Berliner Islamforums bestand. Die daneben bestehenden Handlungsformen verfügen über einen unterschiedlichen Institutionalisierungsgrad.27 Von integrationspolitischer Bedeutung ist vor allem die 2006 durch das Bundesministerium des Innern geschaffene und mittlerweile in die dritte Legislaturperiode eintretende Deutsche Islam Konferenz. Die DIK soll staatlichen und islamischen Vertretern „einen langfristig angelegten Verhandlungs- und Kommunikationsprozess“ auf Bundesebene bieten.28 Die Gesprächsprozesse sollen vor allem auch der Klärung wesentlicher integrationspolitischer Fragestellungen dienen, so z. B. „wer für welche Muslime sprechen [darf]“.29 Die erfolglosen Antragstellungen islamischer Gemeinschaften, die zahlreichen Modellversuche und Gesprächsprozesse führen zu folgender rechtswissenschaftlichen Grundannahme: „Das grundgesetzliche Religionsverfassungsrecht ist in seiner christlich-abendländisch-humanistischen Prägung mit dem Islam in bestimmten Bereichen nicht kompatibel“.30 Zu Beginn dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, welche innerislamischen Ursachen zu diesen Kompatibilitätsproblemen struktureller und inhaltlicher Art führten, die eine institutionell-rechtliche Integration „des Islams“ in Deutschland bislang verwehrten.

II. Bestandsaufnahme der innerislamischen Gründe für rechtliche Kompatibilitätsprobleme Die Aufnahme eines Kooperationsverhältnisses zwischen Staat und islamischen Gemeinschaften wurde staatlicherseits regelmäßig unter Verweis auf das Fehlen eines verbindlichen Ansprechpartners verweigert.31 Im Gegensatz zu den christlichen Großkirchen, die über Organisations- und Handlungsformen verfügen, die eine Entsprechung oder „Verwandtschaft“ auf staatlicher Ebene finden,32 ist „der Islam“ 27 Im Jahr 2005 initiierte Berlin einen kontinuierlichen Gesprächsprozess mit islamischen Vereinen, weitere Länder wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen folgten mit der Aufnahme formalisierter Gespräche. 28 Siehe zu einem Überblick über die Arbeit der DIK die Internetpräsenz, abrufbar unter: http://www.deutsche-islam-konferenz.de (Stand: 02. 03. 2018). 29 So die Fragestellung, der der Runde Tisch Islam in Stuttgart in seiner 8. Runde nachgegangen ist, vgl. dazu http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemittei lung/pid/runder-tisch-islam-beschaeftigt-sich-mit-dem-thema-innerislamischer-dialog/ (Stand: 01. 09. 2016). 30 Hofmann, ZG 2009, S. 201. 31 Zu den verschiedenen Modellversuchen in Ersetzung des islamischen Ansprechpartners vgl. die Darstellung der DIK, Islamischer Religionsunterricht im Schulversuch, abrufbar unter: http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/5ReligionsunterrichtSchule/Schulversu che-inhalt.html (Stand: 06. 11. 2017). 32 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 131.

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nicht dergestalt organisiert. Seine religiöse Vielgestaltigkeit in Form von Glaubenspluralität, die fehlende organisatorische Verfestigung und auch bestimmte Auffassungen, die im Konflikt mit verfassungsrechtlichen Werten und Grundentscheidungen stehen, können zu rechtlichen Schwierigkeiten führen. Die in diesen drei „innerislamischen Gründen“ struktureller bzw. inhaltlicher Art regelmäßig wurzelnden Rechtsprobleme hinderten lange Zeit die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren:33 Der Zugang islamischer Gemeinschaften zum institutionellen Staatskirchenrecht und damit vor allem zum Religionsgemeinschaftsstatus ist ihnen bislang weitgehend verwehrt geblieben.34 Denn staatlicherseits gehen die Kooperationsformen gerade von einer überörtlich verfassten, stark hierarchisch aufgebauten Einheit35 als Gegenüber aus. Diese Art der Ausgestaltung der mit „staatliche[m] Recht verwandte[n] Organisations- und Handlungsformen“36 der Kirchen, die ebenso wie der Staat „herrschaftlich-genossenschaftlich strukturiert sind“37, ist mit der historischen Verflechtung von Staat und Kirche zu erklären.38 Auch in Hinblick auf islamische Verbände wurzeln die Probleme tief und beginnen bereits bei der Erkenntnis, dass allgemeingültige Aussagen hinsichtlich „des Islams“ nicht getroffen werden können. Da es „den einen Islam“ nicht gibt, ist ein irgendwie gearteter pauschaler Vergleich „des Islams“ mit dem christlichen Glauben nicht möglich. Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze beschreibt dies mit der eingängigen Formel „Islam ist Plural“.39 Angesichts eines hohen Maßes an religionsstruktureller Inhomogenität und vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des Korans können nur bestimmte Tendenzen aufgezeigt werden. Hinzu kommt, dass der in Deutschland gelebte „Islam“ bzw. das öffentliche Bild davon einem Wandlungsprozess unterliegt. Es habe einen „Kampf um die Deutungshoheit über den Islam begonnen“. Reformvertreter wie Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Theologie an der Universität Münster, forderten eine Reform „des Islams“, während andere Stimmen traditionelle, z. B. auch wahabitische Auslegungen des Korans propagierten. Andere Muslime wiederum hatten die Religionsausübung zur Privatsache erklärt. Es zeigt sich: Auch der in der Bundesrepublik Deutschland gelebte Islam, „der Islam“ in der Diaspora, ist keinesfalls statisch. Nach Maßgabe der föderalen Gliederung von Bund und Ländern und unter Beachtung der Vorgaben des deutschen Gesellschaftsrechts hat dies zur Herausbildung der Organisationstypen 33 In diese Richtung gehend Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 180 ff. 34 Vgl. dazu Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 22. 35 Oebbecke, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 3 f. 36 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 131. 37 Siehe ebenda. 38 Vgl. dazu Classen, Religionsrecht, S. 146. 39 Diez/Popp, Der Spiegel v. 06. 02. 2016, S. 124.

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

des Moscheevereins bzw. des Dach- und Spitzenverbands in der Bundesrepublik Deutschland geführt, die im Folgenden näher dargestellt werden sollen. Die Schwierigkeiten liegen freilich im Detail, d. h. als problematisch erweisen sich nicht nur die „innerislamischen Gründe im Allgemeinen“, sondern davon ausgehend bilden sich bezüglich der Klassifikation von DITIB-Landesverband, Schura und VIKZ als Religionsgemeinschaft konkrete rechtliche und komplexe Einzelfragen heraus, die in der Regel auf die genannten strukturellen und inhaltlichen „Gründe“ zurückgeführt werden können. Die folgenden Ausführungen sollen diese Gründe offenlegen und zudem ein Grundverständnis für die Organisation islamischer Gemeinschaften und die Glaubensgebote, die diese befolgen können, schaffen. Dies gilt vor allem in Hinblick auf den DITIB-Landesverband, die Schura und den VIKZ als Vereinbarungspartner der Freien und Hansestadt Hamburg, deren Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation anschließend kurz dargelegt werden soll. 1. Islamische Glaubenspluralität „im Islam“ Die 1,6 Milliarden Muslime weltweit sowie die zwischen 4,4 und 4,7 Millionen40 in Deutschland lebenden Muslime sind einer Vielzahl von Glaubensrichtungen und -schulen zuzurechnen.41 Die größte islamische Glaubensgruppe in der Bundesrepublik wird mit 74,1 % durch den sunnitischen Islam gebildet, der zugleich eine der beiden islamischen Hauptrichtungen darstellt.42 Dem Alevitentum, der zweitgrößten islamischen Glaubensgruppe, gehören 12,7 % der hierzulande lebenden Gläubigen an.43 Weitere 7,1 % zählen zu der anderen Hauptrichtung des schiitischen Islam, weitere 1,7 % zu den Ahmadis.44 Die deutliche Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime ist mit 63 % türkischstämmig,45 die weiteren Muslime kommen aus fast allen Regionen der Welt.46 Hinter den einzelnen Glaubensrichtungen verbergen sich unterschiedliche religiöse Konzepte in Hinblick auf Glaubensüberzeugung, religiöse Praxis und Ausgestaltung des Rechtssystems. Noch innerhalb einer konfessionellen Strömung selbst lassen sich Unterschiede verzeichnen. Zum Sunnismus lassen sich beispielsweise 40

Stichs, Wieviele Muslime leben in Deutschland?, S. 5. Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 11. 42 90 % aller Muslime weltweit sind Sunniten: Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 99. 43 Diese Fallzahlen beziehen sich auf alle in den Haushalten lebenden Personen mit Migrationshintergrund, einbezogen sind also auch Minderjährige, vgl. Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 97. 44 4,0 % der muslimischen Gläubigen gehören sonstigen islamischen Glaubensrichtungen an, 0,3 % zählen zu der konfessionellen Gruppe der Ibaditen und 0,1 % stellt Angehörige der Glaubensrichtung der Sufi/Mystikern: Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 97. 45 Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 96 f. 46 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 42. 41

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auch Strömungen sogenannter Sufi-Orden rechnen, die einen mystisch orientierten Islam befolgen.47 Der Jurist und Islamkundler Mathias Rohe beschreibt „den Islam“ als eine Religion, die durch unterschiedliche religiöse, kulturelle und regionale Facetten geprägt wird. Innerhalb „des muslimischen Spektrums [fänden sich] so vielfältige Zugänge zur Religion wie im Christentum oder in anderen Weltreligionen. Traditionelle Schrifttreue oder zeitorientierte neue Lesung, mystische Wege, kulturell geformter Volksislam, ethisch-moralisch betonte Ansätze, stark orthopraktische Ausrichtung oder eher distanzierter Kulturislam beschreiben nur einige wichtige Facetten“48. „Der Islam“ ist also kein einheitliches religiöses Gebilde, so dass von „dem (einen) Islam“ streng genommen nicht gesprochen werden dürfte. Geschichtlich ist diese Pluralität auf die Aufspaltung der islamischen Gemeinschaft in Sunna und Schia zurückzuführen. Dieser sich über mehrere Jahrhunderte erstreckende Prozess soll nach dem Tode des Propheten Muhammad angesichts eines Streits um die rechtmäßige Leitung der islamischen Gemeinschaft ausgelöst worden sein.49 In der Überzeugung, dass Muhammad keinen designierten Nachfolger hinterlassen habe, erkannten die heute als Sunniten bezeichneten Gläubigen die Wahl der Kalifen an und mit ihnen die durch diese weitergegebene Sunna, zu deutsch „die übliche Praxis des Propheten“. Diese zählt noch heute neben dem Koran zu den Primärquellen des sunnitischen Islam. Charakteristisch dafür und für den Ritus der Anbetung Gottes am bedeutsamsten, sind die sogenannten „Fünf Säulen des Islams“, die aus dem Glaubensbekenntnis, dem täglichen rituellen Gebet, der Sozialabgabe, dem Fasten und der Pilgerfahrt bestehen.50 Davon wandten sich die heutigen Schiiten ab, indem sie die Partei (arabisch: Schia) für Muhammads Vetter und Schwiegersohn Ali ergriffen und als den rechtmäßigen Nachfolger anerkannten.51 Zu den theologischen Charakteristika gehört auch das Imamat, wonach einem Imam als Nachkomme Alis die Ausübung der geistigen Herrschaft obliegt.52 Während im Sunnismus der Imam eher die Rolle eines Vorbeters einnimmt, ist er im Schiismus theologisch unfehlbar. Ausgehend von diesem Konzept bildeten sich verschiedene konfessionelle Strömungen heraus. Die Hauptgruppe, genannt „Zwölfer-Schiiten“, verehrt der 47

Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 23 f. Rohe, Der Islam im demokratischen Rechtsstaat, Festvortrag beim dies academicus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 4. November 2011, S. 6, abrufbar unter: http://www.fau.de/files/2013/10/Der-Islam-im-demokratischen-Rechtsstaat.pdf (Stand: 30. 01. 2015). 49 Vgl. dazu Affolderbach/Wöhlbrand, Was jeder vom Islam wissen muss, S. 108 f.; Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 42 f.; Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 27 ff.; Sen/Aydin, Islam in Deutschland, S. 17. 50 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 22. 51 Halm, Die Schia, S. 2; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 25. 52 Affolderbach/Wöhlbrand, Was jeder vom Islam wissen muss, S. 114; Schirrmacher, Schiiten und Sunniten, S. 4. 48

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Sukzessionslinie nach zwölf Imame.53 Da die Schiiten die Überlieferungstexte der ersten drei Kalifen nicht anerkannten, verfügen sie über eigene Rechtsauslegungen. Außerdem sind im religiösen Ritus Unterschiede zu verzeichnen, beispielsweise hat der Gebetsruf einen anderen Wortlaut.54 Bei den Schiiten haben Fatwas, islamische Rechtsgutachten, absolute Autorität.55 Sowohl Sunniten als auch Schiiten erkennen den Koran an.56 Unter Religionswissenschaftlern sowie unter Aleviten selbst ist die Frage, ob das Alevitentum „dem Islam“ zuzuordnen ist oder über eine eigenständige religiöse Identität verfügt, umstritten. Anlass dafür gibt, dass Glaube und Religionsausübung von der orthodoxen Glaubensrichtung „des Islams“ abweichen. Dieser Umstand liegt vor allem darin begründet, dass alevitische Gruppen im Laufe ihrer Geschichte religiöse und soziale Ausgrenzung durch sunnitische Glaubensangehörige erfahren haben. Dieser Zustand dauert partiell, so wie in der Türkei, bis heute an.57 Bestimmte islamische Glaubensgrundlagen, wie das islamische Recht oder die „fünf Säulen“, werden durch alevitische Gläubige nicht befolgt. Im Alevitentum sind beispielsweise Pflichtgebete nicht Gegenstand der Kultpraxis. Auch die Ausgestaltung der Kultstätte, der sogenannten cem evi, divergiert stark vom „orthodoxen Islam“,58 an den „rituellen Zeremonien“ nehmen Angehörige beider Geschlechter teil.59 Alevitische Glaubensaussagen können variieren, die Aleviten verfügen nur über wenige Schriften und Legenden.60 Der Koran ist nicht die Grundlage, sondern stellt nur einen Bestandteil der heiligen Schriften dar, die Geltung der Scharia wird nicht anerkannt.61 Das Alevitentum setzt sich aus verschiedenen religiösen Traditionen zusammen.62 Historisch als eine Untergruppe der Schia zu verorten,63 ist es Ursula Spuler-Stegemann zufolge unter Zugrundelegung strenger religionswissenschaftlicher Kriterien als „eine eigenständige synkretistische Religion mit beson-

53 Affolderbach/Wöhlbrand, Was jeder vom Islam wissen muss, S. 114; Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 45. 54 Zu den Unterschieden zwischen Sunniten und Sunniten: Schirrmacher, Schiiten und Sunniten, S. 3 f. 55 Schirrmacher, Schiiten und Sunniten, S. 5. 56 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 27. 57 Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 48; Sökefeld, Aleviten in Deutschland, S. 9. 58 Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten, S. 11 ff. 59 Terkivatan, Was ist das Alevitentum?, S. 108. 60 Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten, S. 10. 61 Dies. 62 Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 48. 63 Sen/Aydin, Islam in Deutschland, S. 20; Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten, S. 7. Danach gibt es 32 verschiedene Definitionen eines „Aleviten“, der Prozess der Selbstfindung und Selbstdefinition ist dementsprechend noch nicht abgeschlossen.

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deren Bezügen zum Islam“64 zu bewerten. Unter Heranziehung des in der Religionswissenschaft primär maßgeblichen Selbstverständnisses, das auch bei den Angehörigen der Aleviten selbst divergiert,65 spricht sich die Religionswissenschaftlerin dafür aus, die Aleviten auf wissenschaftlicher Ebene als eine Sondergruppe „des Islams“ einzuordnen.66 Im Angesicht dieser verschiedenen theologischen Auffassungen innerhalb der Religion „des Islams“ selbst und den teilweise bis heute andauernden Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten insbesondere in der islamischen Welt, lässt sich unter Anknüpfung an Samuel Huntingtons „clash of civilizations“ mit Flores auf die Gefahr eines „clash within civilizations“ auch „im Islam“ selbst schließen.67 Die Vielgestaltigkeit des Glaubens wirkt sich auch in einer Meinungs- und Ergebnispluralität im islamischen Rechtssystem fort. Es kann als Konglomerat religiöser und rechtlicher Regelungen angesehen werden,68 wobei letztere nur sehr selten Bestandteil der Schriften der Scharia oder des Korans sind.69 Ein großer Anteil des klassischen islamischen Rechts fußt auf sekundärer Rechtsfindung, die beispielsweise im Wege von Analogieschlüssen oder unter Rückgriff auf das Gewohnheitsrecht umgesetzt wird.70 Mathias Rohe kommt zu dem Schluss, dass „keine einzige verbindliche Vorschrift des islamischen Rechts ohne (eine) solche Auslegung anwendbar ist“.71 Auch zur Systematisierung der Meinungsbildung und Festschreibung der islamischen Ordnung entstanden bis zum 9. Jahrhundert einige Rechtsschulen. Heute bilden sich diese abhängig vom jeweiligen Hauptverbreitungsgebiet in der hanafitischen, malikitischen, safiitischen und 64

Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten, S. 16. Affolderbach/Wöhlbrand, Was jeder vom Islam wissen muss, S. 134. Nach einer E-Mail des Bildungsbeauftragen der AABF, Ismail Kaplan, an die Verfasserin vom 29. 05. 2013, überlasse die AABF diese Zuordnung dem einzelnen Mitglied. Kaplan verwies dazu auf die „individuelle Religionsfreiheit“ und gab an, dass die AABF Mitglieder habe, welche sich dem Islam zugehörig fühlten, andere Mitglieder verneinten wiederum eine Zugehörigkeit. 66 Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten, S. 8 f. Nach SpulerStegemann verstehe sich die AABF-Vertretung als Glaubensgemeinschaft des Islams. Auch den Ergebnissen der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ zufolge betrachten sich die in Deutschland lebenden Muslime in der Mehrzahl als dem Islam zugehörig, vgl. Haug/Müssig/ Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 314. 67 Flores, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 620 (634). 68 Vgl. zum islamischen Rechtssystem Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Rechtssystem“, S. 634 f.; Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 13 (37 ff.); Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 21 f. 69 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 23. 70 Vgl. zu den sekundären Quellen des Rechts und den Techniken zur Feststellung der Rechtsnormen Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 13 (44); ferner Gartner, Der Islam im religionsneutralen Staat, S. 15. 71 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 25. 65

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

hanbalitischen Rechtsschule ab.72 Sie unterscheiden sich (auch innerhalb ihrer selbst) durch die Methoden der Rechtsregelung und -anwendung sowie der Regelung der religiösen Riten.73 Die Auslegung dieser Rechtsschulen wird unterschiedlich gehandhabt, ihre Lehrsysteme werden durch lokale Traditionen und Denkweisen geprägt.74 Entsprechend dem zahlenmäßigen Übergewicht türkischer Muslime hierzulande bekennt sich die überwiegende Anzahl der Sunniten zur hanafitischen Rechtsschule.75 Es zeigt sich: „Der Islam“ ist keine statische Religion, sondern Veränderungen zugänglich. Der durch einige Muslime propagierte Absolutheitsanspruch bestimmter Auslegungen früherer Rechtsgelehrter, einer Sichtweise aus dem 10. Jahrhundert, entspricht dieser Tatsachenbeobachtung nicht. Daraus folgt, dass die Gelehrten und ihre Schriften zur Scharia stets nur einen Teil der Gläubigen repräsentieren.76 2. Organisatorische Schwierigkeiten in islamischen Organisationstypen in der Bundesrepublik Deutschland Der Antrag des Islamrats Schleswig-Holstein auf Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus wurde 1990 mit der Begründung abschlägig beschieden, dass es an einer ausreichenden Zahl von natürlichen Personen als Mitgliedern mangele.77 Diese grundlegende Rechtsproblematik wurzelt darin, dass im Mittelpunkt des islamischen Glaubens die direkte Beziehung zwischen dem Gläubigen und Gott steht. Eine institutionalisierte Autorität zur Vermittlung des Glaubens ist schlichtweg nicht notwendig.78 Dieser glaubensmäßige Kern, wonach die Herausbildung einer umfassenden und institutionalisierten Organisation der islamischen Gemeinschaft nicht notwendig sei, stellt ein wesentliches Charakteristikum „des Islams“ dar.79 Dadurch, dass es einerseits an einer institutionalisierten Autorität mangelt und andererseits ein hohes Maß an islamischer Glaubenspluralität besteht, haben isla72

Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 43. Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 43 f. 74 Balic, Der Islam im Spannungsfeld von Tradition und heutiger Zeit, S. 213; Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 138; Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 22. Wallkamm nennt beispielhaft die Beschneidung der weiblichen Genitalien, die häufig im nordafrikanisch geprägten Islam verbreitet ist, im türkisch geprägten Islam dagegen kaum vorgenommen wird. 75 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 23. 76 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 31. 77 Dazu Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 18. 78 Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 23 f. 79 Zur rechtlichen und gesellschaftlichen Machtverteilung zwischen Staat und Religion: Rohe, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 233 f. 73

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mische Zusammenschlüsse große Schwierigkeiten, sich effektiv auf Landes- und Bundesebene zu organisieren. Seit Anbeginn der Arbeitsmigration80 sind drei verschiedene Organisationstypen in drei charakteristischen Phasen entstanden: Der Gründung von Moscheevereinen in den 1960er Jahren schloss sich die Herausbildung von Dachverbänden in den 1970er Jahren an, dem folgte die Entstehung von Spitzenverbänden zehn Jahre später.81 Islamische Gemeinschaften agieren heute zumeist in der Organisationsform des in der Regel als Idealverein verfassten Dach- oder Spitzenverbandes.82 Eine genaue Abgrenzung ist angesichts divergierender Bezeichnungen oder der Vermengung einzelner Charakteristika oftmals nicht möglich.83 Kausal für die Zersplitterung der Organisationslandschaft islamischer Zusammenschlüsse sind vor allem die zwischen den Gemeinschaften bestehenden politischen oder nationalen Differenzen.84 Entsprechend dem zahlenmäßigen Übergewicht leiten türkische Bürger die meisten Netzwerke, weitere Organisationen wurden durch arabische Muslime verschiedener Herkunft sowie durch schiitische, bosnische oder deutschstämmige Muslime gegründet.85 Insbesondere die kleineren Gemeinschaften verfügen über landsmannschaftlich ausgerichtete Zielsetzungen und halten sich eher von der Öffentlichkeit fern.86 Das Maß an Heterogenität islamischer Dachverbände wird durch das Bestehen von Sufigemeinschaften sowie einiger radikal-islamistischer Splittergruppen verstärkt.87 Dass die einzelnen Erscheinungsformen regelmäßig nicht mehr auf ihre ursprünglich zugedachten Funktionen und Zweckbestimmungen reduziert werden können, gilt vor allem für die Moscheevereine, deren Arbeitsweise in den letzten Jahrzehnten erheblich an Komplexität gewonnen hat. Während Moscheevereine zunächst die Religionsausübung insbesondere in Form der Kultusausübung ermöglichen sollten, sind sie heute zugleich das Zentrum des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens einer islamischen Gemeinde. Eine weitere wichtige Aufgabe

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Feindt-Riggers/Steinbach, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 14; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 27; Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 52. 81 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 124 ff. 82 Zu religiösen Vereinen und Gesellschaften: Muckel/Traub, in: Pirson/Rüfner/Germann/ Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 1103 ff., 116. 83 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 214. 84 Oebbecke, in: Schneiders/Kaddor, Muslime im Rechtsstaat, S. 131 ff.; ferner Landman, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 589. 85 Eine Übersicht bietet Landman, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 589 ff. 86 Feindt-Riggers/Steinbach, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 27. 87 Dies.

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von Moscheevereinen besteht in der Erteilung von Koranunterricht.88 Häufig sind auf dem Gelände auch landestypische Produkte führende Lebensmittelläden oder Reisebüros zur Organisation der Wallfahrt nach Mekka angesiedelt.89 Bezeichnend für das Vereinsleben ist auch die verstärkte Einbeziehung von bestimmten Zielgruppen, wie etwa Frauen oder Studenten. Aus der Außenperspektive lässt sich angesichts dieses umfassenden Charakters der Aufgabenverrichtung eine religiöse Schwerpunktsetzung teilweise schwerlich ausmachen. Dies wird zudem dadurch erschwert, dass die religiöse Linie eines Moscheevereins nicht nur durch den jeweiligen, regelmäßig personell wechselnden Imam vorgegeben wird. Die religiöse Ausrichtung wird zudem maßgeblich durch kulturelle, soziale Prägungen und teils auch durch politische Einflussnahmen bestimmt.90 Charakteristisch für nahezu alle Moscheevereine ist, dass die Besucher häufig einer Glaubensrichtung angehören, obwohl sie für alle Muslime als Teil der Umma geöffnet sind.91 Moscheevereine sind heute regelmäßig in der Organisationsform eines rechtsfähigen Vereins im Sinne der §§ 21, 55 BGB organisiert. Da sich die meisten Moscheevereine in den achtziger Jahren den in diesem Zeitraum entstehenden Dachverbänden anschlossen, bleiben heute kaum noch freie Vereine zurück.92 Dachverbände stellen in der Regel überregionale Zusammenschlüsse dar.93 Sie setzen sich neben Moscheevereinen auch durch „sonstige religiöse Vereine ähnlicher inhaltlicher Prägung“94 zusammen. Die Motivlage für den Zusammenschluss ist uneinheitlich, ein gemeinsamer ethnisch-nationaler Hintergrund, eine religiöse Strömung oder eine bestimmte religionspolitische Ausrichtung können dafür ausschlaggebend sein. Ursprünglich richtete sich das dachverbandliche Wirken auf die materielle sowie immaterielle Unterstützung ihrer Mitgliedsgemeinden, beispielsweise durch die Errichtung von Gebetshäusern oder die Bereitstellung von Imamen. Heute werden über die Dachverbandsebene verstärkt politische Anliegen geäußert, wie das der Erteilung eines islamischen Religionsunterrichts. Art und Intensität dachverbandlicher Einwirkung auf die angeschlossenen Moscheegemeinden sind sehr unterschiedlich, die Einflussmöglichkeiten und Kontrollmechanismen hängen von der Binnenorganisation des jeweiligen Verbandes ab.95 Der Theologe Lemmen 88

Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 33; zur lokalen Organisationsebene siehe Pabel, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 985 (987 ff.). 89 So wie auf dem Gelände der Türkisch Islamischen Gemeinde zu Hamburg Bergedorf e. V. 90 Vgl. dazu auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 142. 91 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 33 f. 92 Anders jedoch die arabischen, bosnisch-albanischen oder iranischen Moscheevereine: Heimbach, Die Entwicklung der islamischen Gemeinschaft in Deutschland seit 1961, S. 73. 93 Zur Bundesebene Pabel, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 985 (992 ff.). 94 Dazu und im Folgenden nur Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 34. 95 Lemmen, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 29.

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entwickelte eine Typologie verbandlicher Binnenorganisation, die sich an den unterschiedlichen Ausgestaltungsarten der (Interaktions-)Beziehungen zwischen Verbandsebene und Mitgliedsgemeinden orientiert. Lemmen differenziert zwischen einer zentralistischen und einer dezentralistischen Binnenorganisation sowie einem föderativen Organisationsmodell. Während bei ersterem die Ortsvereine eigenständig eingetragene Vereine sind und, genauso wie die Dachverbände, als rechtlich selbständig einzustufen sind, bilden sich dezentral organisierte Verbände erst durch den Zusammenschluss rechtlich selbständiger Vereine heraus. Bei dem föderativen Organisationsmodell schließen sich dagegen selbständige Vereine zu einer Föderation zusammen, in welcher sie über besondere Mitwirkungsrechte verfügen.96 Heute führt die Herausbildung umfassender Netzwerke nicht nur zu einer Verdichtung der äußeren Beziehungen, sondern auch zu komplexen Interaktionsbeziehungen. Dadurch kann eine klare Zuordnung eines Dachverbandes zu einem Organisationsmodell nicht mehr ohne weiteres vorgenommen werden. Dachverbände verfügen in der Regel über föderative Elemente. Die Einrichtung von Zweigstellen auf Landesebene ist analog zur föderalen Struktur der Bundesrepublik erfolgt und der Tatsache geschuldet, dass viele grundlegende Fragen der islamischen Religionsausübung Gegenstand der Landesgesetzgebung sind. Dachverbände zählen vermehrt politische Arbeit zu ihrem Aufgabenbereich. Das erschwert die Abgrenzung zum Organisationstypus des Spitzenverbandes, dessen Gründung originär eine Reaktion auf die Forderungen staatlicher Stellen in den 1990iger Jahren nach einem geschlossenen Ansprechpartner der islamischen Gemeinschaft in Deutschland war.97 Neben weiteren Überschneidungen in den Tätigkeitsbereichen wird eine Abgrenzung zudem dadurch verkompliziert, dass sich Spitzenverbände selbst auch nicht immer als solche bezeichnen.98 Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass diese Zusammenschlüsse, die aus Moscheevereinen, Dachverbänden, anderen Spitzenverbänden und auch natürlichen Personen sowie religiösen Vereinen auf Bundes- oder Landesebene bestehen können, sich der Durchsetzung spezifisch islamischer Belange widmen. Der unter Muslimen bekannteste Spitzenverband99 ist der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) mit Sitz in Köln.100 Er umfasst 96

Lemmen, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 30 ff. Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 37; Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 120. 98 Der ZMD bezeichnet sich in seiner Satzung als Spitzenverband, vgl. § 1 Nr. 1 S. 2 Satzung des ZMD und in der Darstellung als Dachverband, abrufbar unter: http://koordinations rat.de/default1.php?p=4&sid=7 (Stand: 04. 06. 2013). 99 Von den befragten Muslimen kennen 27 % diesen Verband, davon fühlen sich 11,3 % von ihm vertreten, weitere 38,2 % sprechen dem ZMD eine Vertretungsleistung teils/teils zu und 50,5 % sprechen ihm diese ab, siehe dazu Haug/Müssig/Stichs, Muslime in Deutschland, S. 176. 100 Vorgänger ist der 1988 gegründete Islamische Arbeitskreis (IAK), ein loser Zusammenschluss von islamischen Organisationen, der für die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts sowie die Legalität des Schächtens eintreten sollte. Mit einem für die Muslime 97

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derzeit eigenen Angaben zufolge 22 Dachverbände, 300 Moscheegemeinden und natürliche Personen.101 Daneben agiert auf Bundesebene der 1986 gegründete Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR).102 Die weitaus größte Mitgliedsorganisation des IR ist die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Die IGMG ist mit 323 Moscheevereinen der zweitgrößte islamische Dachverband.103 Er wird durch den Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft.104 Daneben besteht der im Rahmen der DIK gegründete Koordinationsrat der Muslime,105 dessen Mitgliederbestand aus DITIB, IRD, ZMD und VIKZ zwar vielversprechend ist, er weist jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit auf.106 Angesichts der niedrigen Bekanntheitswerte der jeweiligen Spitzenverbände und der Vielgestaltigkeit des islamischen Glaubens kann keiner der Spitzenverbände beanspruchen, ein legitimer Vertreter der hierzulande lebenden Muslime zu sein.

zu dieser Zeit repräsentativen Mitgliederbestand in Gestalt von VIKZ, AMGT, DITIB und bedeutsamer islamischer Zentren im Hamburg, Aachen und München, konnte der IAK damals eine gewisse Legitimation als „Stimme“ der in Deutschland lebenden Muslime für sich beanspruchen. Dies änderte sich jedoch insbesondere dadurch, dass die DITIB die geplante Umwandlung des IAK in den ZMD nicht mittragen wollte und auch der VIKZ als eines der Gründungsmitglieder und zudem mitgliederstärkster Verband den ZMD in 2000 verließ, dazu Lemmen, in: Renz/Leimgruber, Lernprozess Christen Muslime, S. 71 (74). 101 Vgl. die Selbstdarstellung des ZMD, abrufbar unter: http://zentralrat.de/2594.php (Stand: 03. 06. 2013). 102 Gründungsmitglied war auch der VIKZ, welcher den Verband zwei Jahre später verließ, vor der Bedeutungslosigkeit rettete ihn nur der Beitritt der AMGT in 1990. Die Bekanntheitswerte des IR laut der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ liegen bei nur 16 %. Dabei gehören dem IR Muslime unterschiedlicher Herkunftsländer an, schwerpunktmäßig Türken. Von den Befragten, welche mit dem IR vertraut sind, fühlen sich lediglich 15,7 % durch diesen vertreten, 47,0 % sprechen ihm eine Vertretungsleistung teils/teils zu, während ein Prozentsatz von 37,2 sich nicht vertreten fühlt, dazu Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 176; Lemmen, in: Renz/Leimgruber, Lernprozess Christen Muslime, S. 71 (77). 103 Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 173. 104 Becker, Der organisierte Islam in Deutschland und einige ideologische Hintergründe, S. 67. So wurde auf Grund eines Ermittlungsverfahrens gegen die IGMG auch die Mitgliedschaft des IR bei der Deutschen Islam Konferenz (DIK) suspendiert. Vgl. dazu die „Fragen und Antworten“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, abrufbar unter: http://www.bamf. de/DIK/DE/DIK/UeberDIK/FAQ/faq-node.html (Stand: 10. 06. 2013). 105 Im Jahr 2006 wurde durch das Bundesministerium des Innern die Deutsche Islam Konferenz geschaffen, mit der Möglichkeit, staatlichen und muslimischen Vertretern, „einen langfristig angelegten Verhandlungs- und Kommunikationsprozess“ zu bieten. In diesem Kontext entstand auch der Koordinationsrat der Muslime. Grund für die Bildung eines solchen Zusammenschlusses war die noch immerwährende hohe Vielfalt an islamischen Organisationen und eine fragmentarische Vernetzung untereinander. 106 9,6 % der befragten Muslime ist der Koordinationsrat der Muslime bekannt, von diesem Prozentsatz ausgehend fühlen sich 22,7 % dieser Zielgruppe vertreten. Siehe dazu Haug/ Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 174.

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3. Inhaltliche Kompatibilitätsprobleme von Glaubensüberzeugungen mit verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen a) Das andere Menschenrechtsverständnis Ein abweichendes Menschenrechtsverständnis „im Islam“ wird hierzulande vor allem in der komplexen Regelungsproblematik der Kopftuchfrage diskutiert.107 Mit seinem Tragen werden unterschiedliche Sinngehalte verbunden.108 Während die Rechtsprechung vor allem von einer religiösen Motivation der Trägerin ausgeht,109 deuten andere das Kopftuch als ein Zeichen gesellschaftlicher Abgrenzung110 oder einer islamistischen Einstellung.111 Diese und die Deutungsvariante einer minderen gesellschaftlichen Stellung der Frau, wie sie auch durch den Koran propagiert werde, kollidieren mit der in Art. 3 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG normierten Gleichberechtigung der Geschlechter.112 Im Koran ist die Pflicht zum Tragen eines Kopftuchs zumindest nicht ausdrücklich statuiert. Eine derartige Pflicht zur Bedeckung wird vor allem den Suren 24, 31;113 33, 59114 entnommen, wobei das Kopftuch aber nicht ausdrücklich genannt, sondern in den Text hineininterpretiert wird.115 107 Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 26 Fn. 42. 108 Dazu Oebbecke, in: FS Rüfner, S. 593 (595 ff.); Sicko, Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung durch die Landesgesetzgeber, S. 40 ff. 109 So auch das BVerfG, Beschluss v. 27. 01. 2015 – 1 BvR 471/10 (juris); vgl. desweiteren BAG, NJW 2003, 1685 (1687); BVerwG, NJW 2002, 3344 (3345); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903). 110 Einen allgemeinen Überblick gibt Sicko, Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung durch die Landesgesetzgeber, S. 46 f.; differenzierter Mückl, Der Staat 40 (2001), S. 97 (118); dazu auch Bertrams, DVBl. 2003, S. 1225 (1232); Zuck, NJW 1999, S. 2948 (2949). 111 Einen allgemeinen Überblick gibt Sicko, Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung durch die Landesgesetzgeber, S. 46 f.; Pofalla, NJW 2004, S. 1218 (1220); differenzierter Mückl, Der Staat 40 (2001), S. 97 (118); vgl. dazu auch Zuck, NJW 1999, S. 2948 (2949). 112 Sicko, Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung durch die Landesgesetzgeber, S. 47. 113 Sure 24, 31 lautet in der Übersetzung von Paret: „Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen (statt jemanden anzustarren, lieber) ihre Augen niederschlagen, und sie sollen darauf achten, daß ihre Scham bedeckt ist (w. sie sollen ihre Scham bewahren), den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht (normalerweise) sichtbar ist, ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen und den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, niemand (w. nicht) offen zeigen, außer ihrem Mann, ihrem Vater, ihrem Schwiegervater […]“. 114 Sure 33, 59 lautet in der Übersetzung von Paret: „Prophet! Sag deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, daß sie (als ehrbare Frauen) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden. Gott aber ist barmherzig und bereit zu vergeben.“ 115 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 144.

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Während die herrschende Auffassung unter den Korankommentatoren davon ausgeht, dass eine Muslima zumindest ihr Haupthaar bedecken müsse, beurteilen dies einige Gelehrte als eine moralische, dem Wandel der Zeit unterliegende Empfehlung.116 Auch die Trägerinnen selbst geben mannigfaltige Gründe an, warum sie ein Kopftuch tragen.117 Im Ergebnis zeigt sich auch hier, dass die Suren einen großen Interpretationsspielraum bieten. Als zentral hinsichtlich der Ausgestaltung der Rechtsstellung der Frau wird Sure 4, 34 befunden, wonach „die Männer […] Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen“ haben, weil Gott „die einen vor den anderen bevorzugt hat“.118 Diese Aussagen des Korans gründen sich vor allem auf dem traditionellen Standpunkt einer getrennten Lebens- und Gesellschaftssphäre, in der sich die Ehefrau der Haushaltsführung und Kinderversorgung widmet, während dem Ehemann die Regelung der öffentlichen Belange obliegt. Auch im religiösen Bereich verfüge der Mann über erweiterte öffentliche Bewegungs- und Handlungsfreiheiten, da die Frau in ihrer Religionsausübung regelmäßig Einschränkungen und Abhängigkeiten unterliege. Eine Ungleichheit der Geschlechter bildet sich in verschiedenen Suren ab, so in dem Züchtigungsrecht des Mannes, Sure 4, 3. Weiterhin werde eine rechtliche Privilegierung eines Mannes dadurch statuiert, bis zu vier Ehefrauen gleichzeitig zu haben oder die Ehe einseitig durch Verstoßung aufzulösen zu können.119 Nur ein Mann darf auch mit einer Christin oder Jüdin die Ehe schließen, während eine Muslima nur einen Muslim heiraten darf. Auch höchste Staatsämter oder das Richteramt stehen Frauen nicht offen. Der Koran wird jedoch sehr unterschiedlich interpretiert und pauschal eine Ungleichheit der Geschlechter abzuleiten, wäre nicht sachgerecht.120 Nicht nur zahlreiche Frauenrechtsorganisationen und -rechtlerinnen der Gegenwart treten für eine neue Deutung der Suren ein.121 Auch die Gesetzgeber muslimischer Länder haben entsprechende Regelungen getroffen, beispielsweise normierte der marokkanische Gesetzgeber die gemeinsame Leitung der Familie durch Ehefrau und Ehemann.122 Dass die Annahme einer „wesensmäßigen Überlegenheit“ nicht ohne Weiteres auf die hierzulande lebenden Muslime übertragen werden kann, zeigt die im Auftrag 116

Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 145. Siehe ebenda. 118 Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islam in der deutschen Gesellschaft, S. 139 (140); Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 53 ff.; Schirrmacher, Frauen im Islam, S. 1. 119 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 53. 120 Zur Diversität von Koraninterpretationen auch Schneider, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 70 (78 ff.). 121 Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Frauen“, S. 252. 122 Schneider, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 70 (74 ff.). 117

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der DIK durchgeführte Studie „Geschlechterrollen bei Deutschen und Zuwanderern christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit“ aus dem Jahr 2013. Diese ergibt, dass Gleichberechtigung unter allen Befragten „einen fest verankerten Wert“ habe.123 Sie zeige, dass „klassische Rollenbilder“ in dem Sinne, dass die Frau im Haushalt und der Mann als „Ernährer“ tätig werde, bei Muslimen stärker als bei Christen verbreitet sei („Liberalitätsgrad“ im Sinne einer liberalen Einstellung bei Muslimen 57, 3 %; bei Christen 74, 1 %).124 Dieser in der Studie aufgestellte „Liberalitätsgrad“ sei aber in der jüngeren Generation, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, schwächer ausgeprägt (Muslime 71, 1 %; Christen 85, 5 %). Die Problematik gestaltet sich als komplex. Bestimmte Rollenmodelle können in einer anderen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung funktionieren und mit ihrer Implementation in einem anderen Kontext eine andere Bedeutung erhalten. Folgt man der Auffassung der Gleichwertigkeit von Mann und Frau, auch bei Verrichtung anderer Tätigkeiten, kann dieser Gedanke in eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, die vom wirtschaftlichen Leistungsgedanken getragen wird, nicht übertragen werden. Die gesellschaftliche Anerkennung einer Frau, die sich um Kinder und Haushalt kümmert, hält freilich dem Vergleich mit derjenigen eines Mannes, der eine wirtschaftlich oder gesellschaftlich gehobene Position innehat, nicht Stand. In Hinblick auf das Verständnis von Menschenrechten gilt, dass auch wenn Anlass zu großer Sorge besteht, dass islamische Staaten wie Saudi-Arabien, Sudan, Mauretanien und Pakistan die Todes- bzw. Körperstrafen der Scharia durchsetzen, Menschenrechte und Menschenwürde „dem Islam“ nicht grundsätzlich fremd sind. In rechtlicher Hinsicht muss das Menschenrechtsverständnis islamischer Gemeinschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland im Einzelfall maßgeblich sein. Die weltweiten Entwicklungen legen ein erhebliches Konfliktpotential offen.125 123

Becher/El-Menouar, Geschlechterrollen bei Deutschen und Zuwanderern christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit, S. 5. 124 Siehe dazu und im Folgenden Becher/El-Menouar, Geschlechterrollen bei Deutschen und Zuwanderern christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit, S. 6, 50 ff. 125 Als exemplarisch für das Menschenrechtsverständnis in der islamischen Welt wird regelmäßig auf die zentralen Dokumente der „Allgemeinen Islamischen Erklärung der Menschenrechte“ von 1981 sowie die „Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam“ verwiesen. Sie werden als Reaktion auf die 1948 durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie den ihr 1966 nachfolgenden Pakten eingestuft. Der universelle Anspruch der Menschenrechtskonvention, der regelmäßig naturrechtlich begründet wird, ist jung und stößt teilweise, auch angesichts des westlichen Entstehungskontextes, auf Abwehrreaktionen in der islamischen Welt. Die Zustimmungsverweigerung Saudi-Arabiens zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hält der Islamwissenschaftler Heine für „symptomatisch für die traditionelle muslimische Haltung gegenüber der Vorstellung von allgemeinen Menschenrechten“. Gerade ein traditionelles Verständnis „des Islams“, das per definitionem von der abschließenden Offenbarung Gottes ausgehe, kann schwerlich die Gleichheit aller Menschen und die daraus folgende Gleichsetzung von Gläubigen und Nichtgläubigen akzeptieren. Näher dazu Flores, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 632; Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Menschenrechte“, S. 520 f.

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Problempunkte betreffen insbesondere die Gewährleistung der Religionsfreiheit: Islamische Gelehrte sind sich darin einig, dass eine Entscheidung für „den Islam“ nicht rückgängig gemacht werden könne, wobei es zu bedenken gilt, dass nicht nur ein bewusster Willensakt die Zugehörigkeit „zum Islam“ begründet, sondern auch die Geburt durch islamische Eltern.126 Ein einfacher Austritt aus „dem Islam“ scheint so nicht möglich: Im Koran wird der Abfall vom Glauben, die Apostasie, aufs Strengste verurteilt. Verflucht im Diesseits, erwarte den Abtrünnigen nach einer Hinrichtung ewiges Leiden im Höllenfeuer.127 b) Allgemeingültigkeitsanspruch „im Islam“ Zeitgleich mit der Religion „des Islams“ sind die durch islamische Herrscher geleiteten arabischen Kalifate entstanden.128 Die häufig anzutreffende Annahme, es gebe „im Islam“ keine Trennung zwischen Staat und Kirche, ist jedoch eher ungenau. Die damit bezeichnete Problematik ist vielmehr als eine Verflechtung des religiösen und des politischen Lebens in ideologischer Hinsicht aufzufassen, die aus dem Allgemeingültigkeitsanspruch, den „der Islam“ für die gesamte Lebensführung hegt, erwächst.129 Eine vollständige Wesensgleichheit von Religion und politischer Gemeinschaft entspricht dem Idealbild der traditionellen islamischen Lehre, wenn auch die einzelnen islamischen Staaten ihr Verhältnis zur Religion unterschiedlich handhaben.130 Diesem Idealbild zufolge besteht die grundsätzliche Aufgabe des Staates in der Gewährleistung, die Scharia anzuwenden.131 Der ideale, klassische islamische Staat ist also eine Autokratie, die durch die Fiktion der Theokratie unter maßgeblicher Beteiligung von Theologen am Staatsgeschehen und seinen Entscheidungsprozessen legitimiert wird. Exemplarisch dafür ist der Iran zu nennen, wo 126

Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Menschenrechte“, S. 521. Wie streng Blasphemie und Apostasie „im Islam“ geahndet werden können, zeigt die Reaktion des Revolutionsführers und damaligen geistlichen Oberhauptes des Iran, Ajatollah Chomeini, auf ein bloßes literarisches Werk: „Die satanischen Verse“ des indisch-britischen Schriftstellers Salman Rushdie enthält Züge der Biographie Muhammads und beleidigte Chomeini zufolge den Propheten zutiefst. Mit einer Fatwa verurteilte er Rushdie, auch für seinen Abfall vom islamischen Glauben, zum Tode. Rushdie tauchte daraufhin unter; erst 1998 verkündigte Irans damaliger Präsident Muhammad Chatami, dass eine Aufhebung der Fatwa nicht möglich sei, Iran aber auf eine Ausführung der Todesstrafe verzichten werde. Noch 18 Jahre nach Erlass der Fatwa gab es Ausschreitungen in der islamischen Welt, als die britische Queen Rushdie den Adelstitel verlieh. Der Fall Salman Rushdie ist umfassend nachlesbar unter: http://www.zeit.de (Stand: 08. 01. 2016). Zur Tötung von Glaubensabtrünnigen siehe Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 51 ff.; ferner Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Abfall vom Glauben/Apostasie“, S. 21. 128 Siehe dazu Halm, Der Islam, S. 59 ff.; Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 21 ff. 129 Halm, Der Islam, S. 59; Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 21. 130 Zu den Erneuerungsbewegungen im Islam und seiner Rolle in der neueren Geschichte vgl. Peters, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 90 ff. 131 Reissner, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 90 (160). 127

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religiöse und politische Ziele untrennbar miteinander verflochten sind.132 Diese traditionelle Herrschaftstheorie und ihre Umsetzung sind mit einem modernen Demokratieverständnis nicht vereinbar.133 Diese Problematik zeichnet sich auch in der zwischen muslimischen Politikern und Intellektuellen geführten Diskussion ab, in der das Verhältnis „des Islams“ zur Moderne das zentrale Thema ist.134 Gerade jene Aspekte, denen ein „westlicher Wertekatalog“ immanent ist, sind hoch umstritten, dies gilt besonders für die staatliche Grundentscheidung für ein säkulares Staatssystem. Dabei steht die Annahme einer gesellschaftsregulierenden Rolle „des Islams“ diametral zu einem Menschenbild, in dem der Mensch eine autonome Rolle einnimmt, wie sie derart nur in einem säkularen Staatssystem bestehen kann. Maßgeblich muss aber die Frage bleiben, ob sich hierzulande lebende und gläubige Muslime in die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung einfügen können.135 Dies ist nicht einfach zu beantworten, da das islamische Recht diese Frage primär im Kontext zweckgebundener Aufenthalte, wie etwa unter dem Aspekt des Handeltreibens, thematisiert und dies durch Rechtsgelehrte unterschiedlich beurteilt wird.136 Angesichts dieser unklaren Lage verweist Rohe auf diesbezügliche Stellungnahmen islamischer Gemeinschaften in Deutschland. Da es „im Islam selbst keine Grundlage für die Missachtung von Rechtsregeln“ gebe,137 schlussfolgert er, müsse es ausschlaggebend sein, dass die Vorschriften „des Islams“ auch in der Diaspora eingehalten werden können.138 Er fügt hinzu, dass, wer sich an die Regeln der Scharia gebunden fühle, nach ebendiesen auch die Gesetze des Aufenthaltslandes achten müsse, wenn ihm die Ausübung seiner Religion möglich ist. Die Möglichkeit der Religionsausübung sei dabei ausschlaggebend, so dass dann auch die „Trennung von religiösem Leben und der Ausübung staatlicher Funktionen […] dabei von den allermeisten akzeptiert“ werde.139 Im Ergebnis nimmt er eine Deckung der Ansprüche des islamischen Rechts mit den Freiheiten des Grundgesetzes und anderer europäischer Verfassungsordnungen an. c) Islamismus Unter Islamismus ist eine „religiös motivierte Form des politischen Extremismus“ zu verstehen.140 Dabei wird „der Islam“ mit dem Ziel instrumentalisiert, eine ideale 132

S. 24. 133

Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts,

So auch Flores, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 620 (630). Dazu und zum Folgenden vgl. ebenda, S. 620 ff. 135 Dazu Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 91 ff. 136 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 91 ff. 137 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 96. 138 Siehe ebenda. 139 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 97. 140 Zur näheren Definition bzw. begrifflichen Annäherung siehe Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort „Fundamentalismus“, S. 266 ff.; Tibi, Fundamentalismus im Islam, 134

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

und universale Weltordnung der Regierungsform einer Gottesherrschaft nach dem Abbild der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ordnungs- und Wertvorstellungen, die sich im islamischen Reich des Mittelalters herausgebildet haben, zu errichten.141 Das Phänomen selbst ist aber eine Erscheinung der Neuzeit. Erste islamistische Bewegungen in der islamischen Welt bildeten sich in den 1920er Jahren heraus, 1928 wurde mit der ägyptischen Muslimbruderschaft einer der wichtigsten Wegbereiter des politischen Islam des 20. Jahrhunderts gegründet.142 Die globale Ausweitung des Islamismus wird drei politischen Ereignissen des Jahres 1979 zugeschrieben: Der Begründung des Gottesstaates in Iran, der Verübung des ersten großen islamistischen Attentates im Pilgerort Mekka sowie der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan.143 Dass „Islam“ und Islamismus nicht gleichgesetzt werden, zeigt bereits die politisierte Entstehung dieses sehr vereinfachenden und verklärenden Denksystems als Reaktion auf die Herausbildung einer „Gesellschaft der Moderne“. Zu erblicken ist darin ein Aufbegehren gegen Liberalismus, gegen Demokratie und Kapitalismus.144 Islamistische Grundeinstellungen, das heißt vor allem die Einführung von Körper- und Todesstrafen u. a. für die freie Wahl der Religion, die Ablehnung der Volkssouveränität sowie die mit der Gewaltenteilung propagierte alleinige Vorherrschaft Allahs, werden direkt aus dem Wortlaut der Scharia abgeleitet. Sie alle stehen im direkten Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.145 Es entsteht ein genauer Differenzierungsbedarf zwischen fundamentalistischer und traditioneller Auslegung. Anders als die Traditionalisten befolgen die Fundamentalisten die spätere scharia-rechtliche und theologische Entwicklung „des Islams“ nicht, das goldene Zeitalter „des Islams“ findet nach Auffassung der Fundamentalisten sein Ende 656 mit dem Tode des Kalifen Ali, S. 89. Vgl. ferner auch die Broschüre des Bundesverfassungsschutzes „Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen“, S. 10. 141 Die Wurzeln des Islamismus lassen sich zunächst in der idealisierten Frühzeit der „frommen Altvorderen“ ausmachen, womit sie an die Ende des 19. Jahrhundert entstehende Salafiya, einer Gegenbewegung zu den Modernisierungsbestrebungen im Rahmen der europäischen Expansion, anknüpfen. Dem Bild einer idealisierten islamischen Urgesellschaft folgend, wollten die Salafiya „den Islam“ zu seiner früheren imperialen Stellung auf einem friedlichen Weg durch die Rückbesinnung auf Traditionen verhelfen. Mit dieser eng verbunden, bildete sich eine Strömung unter Anknüpfung an mehrere Bewegungen Zentralarabiens, Nordwestindiens, Jemens, Nordnigerias, der westlichen Sahara des 18. und 19. Jahrhunderts heraus, die mit ihrem politischen Reformansatz das Rüstzeug für viele Islamisten bereitete. Zur Entstehung des Islamismus näher Steinberg/Hartung, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 681 ff. 142 Steinberg/Hartung, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 681 ff. 143 So der Historiker Mathias Mesenhöller, Geo Epoche Nr. 73, S. 159. 144 Siehe ebenda; Steinberg/Hartung, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 681; Tibi, Fundamentalismus im Islam, S. 1. 145 Siehe dazu Bundesamt für Verfassungsschutz, tabellarische Aufbereitung in der Broschüre „Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen“, S. 10.

A. Strukturell-rechtliche Einpassung „des Islams“ und Kompatibilitätsprobleme

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dem Vetter und Schwiegersohn Muhammads.146 Dies manifestiert sich darin, dass die Rechtsschulen einschließlich einer weiterentwickelten Interpretation der Scharia für Fundamentalisten zumeist bedeutungslos sind.147 In staatskirchenrechtlicher Hinsicht stellt sich, insbesondere mit der inhaltlichen Ausrichtung einer religiösen Gemeinschaft, die Frage, welche Anforderungen an den Kooperationspartner des Staates im Rahmen des Religionsunterrichts bzw. an die zu korporierende Religionsgemeinschaft in puncto ihrer Rechtstreue zu stellen sind. In Deutschland stehen mehrere islamische Gemeinschaften im Visier des Verfassungsschutzes. Im Zeitraum von Januar 1990 bis Juni 2015 erließ das BMI 15 Verbotsmaßnahmen gegen islamistische Organisationen sowie gegen weitere ihrer Teilorganisationen, 14 davon rechtskräftig.148 Der Verbotszweck beruhte regelmäßig darauf, dass sich die Bestrebungen der Organisationen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und/oder den Gedanken der Völkerverständigung richteten.149 Einzelfallbezogenen Aufschluss darüber gibt auch der Verfassungsschutzbericht, in dem eine Kategorisierung hinsichtlich des Anspruches (regional oder global) und der Mittel (legalistisch, gewaltorientiert, terroristisch) vorgenommen wird. Der Verfassungsschutzbericht von 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass das islamistische Personenpotential mit 43.890 leicht angestiegen (Vergleichswert 2013: 43.190) ist.150 Mit 7.000 Anhängern beschreibt der Verfassungsschutz den Salafismus, eine besonders extreme Strömung im Islamismus, deren Befürworter Werte und Normen der islamischen Frühzeit verinnerlichen, als die dynamischste islamistische Bewegung in der Bundesrepublik.151 Anders als 2013 gab es Ende 2014 nicht mehr 30, sondern 25 islamistische Organisationen, die ihre Aktivitäten bundesweit entfalteten.152 Der Verfassungsschutz beobachtet auch legalistische fundamentalistische Organisationen, dazu ist auch die IGMG zu zählen. 13 Mitgliedsvereine der Schura gehören auch dem Bündnis der Islamischen Gemeinschaften in Norddeutschland e. V. (BIG) an, welches organisatorisch in die vom Verfassungsschutz bundesweit beobachtete IGMG eingebunden ist.153 Im Jahr 2012 wurden dem salafistischen Spektrum in Hamburg ca. 200 Personen zugerechnet.154 Unbedingt gilt, dass dieses Thema sehr

146

Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 25. 147 Siehe ebenda. 148 Vgl. dazu Bundesamt für Verfassungsschutz, Übersicht „Verbotene islamistische Organisationen“. 149 Siehe ebenda. 150 Vgl. dazu Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 91. 151 Vgl. ebenda, S. 85, 90. 152 Vgl. ebenda, S. 91. 153 Siehe ebenda. 154 Antwort des Hamburgischen Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) v. 22. 03. 2013, Drs. 20/7253.

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

differenziert behandelt werden muss, einen Generalverdacht, dass „alle Muslime Islamisten seien“, gilt es zu vermeiden.155 4. Schlussfolgerungen für die Untersuchung Bislang wurde islamischen Gemeinschaften in Deutschland die Fähigkeit, Ansprechpartner des Staates im Rahmen des institutionellen Staatskirchenrechts zu sein, durch Behörden und Gerichte weitgehend abgesprochen. Dies führt zu der Grundannahme, dass das grundgesetzliche Staatskirchenrecht „christlich-abendländisch-humanistischer Prägung“ mit „dem Islam“ in bestimmten Bereichen nicht kompatibel sei. Diese Kompatibilitätsprobleme, die durch das Zusammentreffen grundgesetzlicher Vorgaben bzw. deren Interpretation mit Organisationsstrukturen bzw. Glaubensgeboten islamischer Gemeinschaften entstehen, lassen sich von der Warte islamischer Gemeinschaften tendenziell auf drei Gründe zurückführen, die im Wesen „des Islams“ im Allgemeinen und den (fehlenden) Strukturen und Glaubensgeboten islamischer Gemeinschaften angelegt sind. Der erste Grund besteht in der religiösen Vielgestaltigkeit „des Islams“. Angesichts dessen, dass Muslime einer Vielzahl von Glaubensrichtungen und Glaubensschulen, die sich in Hinblick auf Theologie und religiösen Ritus fundamental unterscheiden können, zuzurechnen sind, kann nicht von einem einheitlichen religiösen Gebilde „Islam“ ausgegangen werden. Auch das islamische Rechtssystem zeichnet sich durch einen hohen Grad an Meinungs- und Ergebnispluralität aus. Bestimmte islamische Grundannahmen, wie die einer unmittelbaren Beziehung zwischen Muslim und Gott oder einer Verflechtung des religiösen und des politischen Lebensbereichs, sind ursächlich dafür, dass die Herausbildung einer Institution zur Vermittlung des Glaubens nicht notwendig war. Dies und die wesensmäßige religiöse Vielgestaltigkeit bedingen das Fehlen einer organisatorischen Verfestigung von islamischen Organisationstypen, des zweiten Grundes in der Entstehung von rechtlichen Kompatibilitätsproblemen. Dies manifestiert sich eingängig in einer zersplitterten Organisationslandschaft islamischer Moscheevereine, Dach- und Spitzenverbände, die in Hinblick auf Funktion und Arbeitsweise nur schwerlich 155 In der Bilanz der 10-jährigen Arbeit der Schura, abrufbar unter: http://www.schura-ham burg.de/index.php/ueber-uns/10-jahre-schura (Stand: 20. 09. 2016), heißt es dazu: „Die Anschläge des 11. September wurden für die Muslime zur bislang größten Herausforderung. Dies galt gerade für Hamburg, nachdem bekannt wurde, dass die Attentäter hier gelebt hatten. Auf eine solche Situation war niemand vorbereitet. Die Muslime gerieten wie nie zuvor in den Focus des öffentlichen Interesses. Dabei entwickelte sich immer mehr eine bedrohlichere Stimmung in der Öffentlichkeit, wo, sich gegenseitig unter Handlungsdruck setzend, Politiker, Medienvertreter und sog. Terrorexperten sich mit immer absurderen Vorschlägen – vom Verbot aller islamischen Organisationen bis zu Internierungslagern für Muslime – unter Außerachtlassung aller Rechtsstaatlichkeit überboten. Muslime wurden quasi zum ,öffentlichen Feind‘ und mit eilig beschlossenen Anti-Terror-Gesetzen und Rasterfahndung unter Generalverdacht gestellt.“ Diesen empfundenen Rechtfertigungsdruck und das Gefühl, unter Generalverdacht zu stehen, beklagten auch einige Muslime im Gespräch mit der Verfasserin.

A. Strukturell-rechtliche Einpassung „des Islams“ und Kompatibilitätsprobleme

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voneinander abgegrenzt werden können. Heute bleiben kaum noch freie Moscheevereine zurück, sondern sind regelmäßig den üblicherweise landesweit agierenden Dachverbänden angeschlossen. Angesichts niedriger Bekanntheitswerte der einzelnen Spitzenverbände unter den Muslimen selbst, kann keiner von ihnen beanspruchen, ein legitimer Ansprechpartner des Staates zu sein. Im Konflikt mit verfassungsrechtlichen Werten und Grundentscheidungen, wie der Anerkennung von Grund- und Menschenrechten, des demokratischen Rechtsstaates oder der Trennung von Staat und Kirche, können bestimmte islamische Glaubensüberzeugungen stehen. In möglichen inhaltlichen Kompatibilitätsproblemen von islamischen Glaubensüberzeugungen mit verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen ist der dritte Grund zu sehen. Als rechtlich problematisch kann sich ein anderes Verständnis von Grund- und Menschenrechten erweisen, wie es hierzulande vor allem in der Kopftuchproblematik teilweise diskutiert wird. Einer stets kritischen Würdigung ist auch die Ausgestaltung der Rechtsstellung der Frau zu unterziehen, wobei Verallgemeinerungen problematisch sind und es stets nur auf den Einzelfall ankommen kann. Allgemein gilt aber, dass keine wesensmäßige Unvereinbarkeit zwischen „Islam“ und der Anerkennung von Menschenrechten besteht. Weltweit bereitet jedoch die Durchsetzung von Körperstrafen oder die Vollstreckung von Todesurteilen auf der Grundlage der Scharia, wie in Saudi-Arabien im Januar 2016 sowie der Umgang mit Vorwürfen wie Apostasie oder Blasphemie, Anlass zu Kritik. In Hinblick auf die Annahme einer Verflechtung von religiösem und staatlichem Bereich „im Islam“, die mit verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen wie dem Trennungsgebot von Staat und Kirche sowie der Anerkennung eines demokratischen Rechtsstaates kollidieren kann, urteilt der Jurist und Islamwissenschaftler Rohe, dass diese Grundentscheidungen von den meisten Muslimen akzeptiert würden, soweit sie ihre Religion ausüben können. Im Ergebnis nimmt er eine Deckung der Ansprüche des islamischen Rechts mit den Freiheiten des Grundgesetzes wie auch anderer europäischer Verfassungsordnungen an.156 Dass Islam und Islamismus nicht gleichgesetzt werden können, zeigt bereits die politisierte Entstehung dieses vereinfachenden Denksystems als Reaktion auf die Gesellschaft der Moderne, demzufolge von islamistischen Gruppierungen oder Einzeltätern die Einrichtung einer Gottesherrschaft nach dem Abbild der Ordnungsund Wertvorstellungen zu Zeiten des Mittelalters angestrebt wird. In Abgrenzung von einem traditionellen Islam befolgen Fundamentalisten die spätere schariarechtliche und theologische Entwicklung „des Islams“ seit 656, dem Zeitpunkt des Todes des Kalifen Ali, dem Vetter und Schwiegersohn Muhammads, nicht.157 Die Scharia wird wörtlich ausgelegt. Auch hier gilt, dass in der Frage der Rechtstreue einer Gemeinschaft eine Einzelfallprüfung unter Heranziehung des Verfassungs156

Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 95. Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 25. 157

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

schutzberichts notwendig ist. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass es „den einen Islam“ nicht gibt. In der Frage, ob eine islamische Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft oder Körperschaft sui generis klassifiziert werden kann, muss stets ein Einzelfallurteil maßgeblich sein. Die auf Grund der Kompatibilitätsprobleme struktureller und inhaltlicher Art entstehenden Konflikte sind nach Hofmann nur vordergründig Rechtskonflikte. Tatsächlich handele es sich um ein Kulturproblem, „da die Rechtsordnung Extrakt zivilisatorischer Kultur ist und im Islam Rechtsordnung (Scharia) und Religionskultur ohnehin aufs engste verwoben sind“158. Diese Betrachtungsweise korreliert mit sozialwissenschaftlichen Annahmen hinsichtlich der Rolle von Religionen als dem hauptsächlichen Auslöser von Kulturkonflikten. Ein populärer Ansatz ist der des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington.159 Religionen nehmen bei Huntington eine zentrale Stellung als kultureller Faktor sowie Identitätsgarant ein, sie seien „die historisch gewachsene Ausgangsbedingung für die meisten der bestehenden Konfliktlinien“.160 Eine der Grundannahmen Huntingtons ist, dass die christliche und islamische Kultur unterschiedlichen, historisch gewachsenen Kulturkreisen angehörten und sich heute hinsichtlich ihrer Werte, politischen Ziele und ihrem Lebensstil diametral unterschieden.161 Mit seinem Ansatz stellt er die Kausalvermutung auf, dass Religionen „ein Sicherheitsrisiko für den gesellschaftlichen Frieden darstellen und der Grund für Konflikte in der Welt sein“ können. Ein Indiz für einen solchen Konflikt sei vor allem in der Ausbreitung islamistischer Strömungen zu sehen, welche die religiöse Identität prägten. Dabei gilt, dass – um keinen „clash of civilizations“ zu evozieren – die Herstellung einer Konkordanz unabdingbarer grundrechtlicher Verfassungswerte einerseits sowie islamischer Glaubensgebote und religionsstruktureller Inhomogenität andererseits unverzichtbar sei.162 Diese rechtswissenschaftlichen Begründungsansätze, die die Strukturen und Glaubensauffassungen „des Islams“ bzw. islamischer Gemeinschaften auf ihre Vereinbarkeit mit bestehenden Normen und herrschenden Rechtsinterpretationen überprüfen, sind als Teil einer theoretischen Reflexion im europäischen Raum anzusehen, dessen tragendes Moment der Studie des Politikwissenschaftlers Levent Tezcan163 zufolge die Frage des „Verhältnis[ses] des Islam zur Moderne“164 ist. Unter einer gesellschaftspolitischen Folie stellt sich

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Hofmann, ZG 2009, S. 201 (202). Vgl. dazu Pickel, Religionssoziologie, S. 272 ff. m. w. N. 160 Pickel, Religionssoziologie, S. 277. 161 Pickel, Religionssoziologie, S. 272. 162 Dazu Hofmann, ZG 2009, S. 201 ff. Flores sieht angesichts der Vielgestaltigkeit „im Islam“ auch die Gefahr eines „clash within civilizations“ – und damit eines „clashes“ innerhalb der Religion selbst: Flores, in: Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, S. 620 (634). 163 Tezcan, Zeitschrift für Soziologie (3) 2003, S. 237 (240). 164 Siehe ebenda. 159

B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände

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die Frage nach der Integrierbarkeit.165 Auch hier gilt, dass die rechtsprechende Gewalt als ein wesentlicher und dynamischer Faktor auch in der staatskirchenrechtlichen Rechtsentstehung und Interpretation im Wege der Herstellung von Konkordanz und Fortentwicklung gefordert ist, auf diese Rechtskonflikte ausgleichend einzuwirken.

B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände Ausschlaggebend für die Auswahl der Vereinbarungspartner des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ sowie der AABF war das Kriterium einer „umfassende[n] Vertretung der muslimischen Gemeinschaft“ in Hamburg.166 Vor allem mit dem DITIB-Landesverband als „Zweigorganisation“ des Bundesverbandes gehört der bekannteste Verband zu den Vereinbarungspartnern.167 Der bundesweit tätige VIKZ wird von 25 % der Muslime als bekannt angegeben.168 Die Schura verfügt zudem über Verbände mit Sitz in Bremen und Schleswig-Holstein. Ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der Verbände und auf ihre Binnenorganisation soll ein Abbild ihres rechtlichen und gesellschaftspolitischen Wirkungskreises geben und deren rechtliche Einpassung in das System des Staatskirchenrechts grundlegen.

I. Der DITIB-Landesverband Der DITIB-Landesverband ist Teil des größten und unter Muslimen bekanntesten Dachverbandes, der Türkisch-Islamische[n] Union der Anstalt für Religion e. V. (türkisch: Diyanet Isleri Türk Islam Birligi)169. Der Landesverband bezeichnet sich als „Zweigorganisation“170 des 1984 in Köln gegründeten Bundesverbandes der DITIB. An allgemeiner Bekanntheit hat der Verband insbesondere in den letzten Jahren angesichts seiner Verbindungen zur Türkei gewonnen, die auch jüngst Gegenstand von Gutachtenerstellungen in Hessen im Kontext des islamischen Reli165

Siehe ebenda. Antwort des Hamburgischen Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Neumann (SPD) v. 13. 10. 2006, Drs. 18/5174. 167 Die DITIB ist 44 % aller Muslime bekannt, 59 % aller türkischstämmigen Muslime ist mit der DITIB vertraut, bei den sunnitischen Türkischstämmigen liegt die Zahl bei 65 %. Von den Muslimen, denen DITIB bekannt ist, fühlen sich 39 % aller Personen von diesem Dachverband vertreten, während 27,7 % den Vertretungsgrad mit teils/teils bewerteten. Vgl. Haug/ Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 173 f. 168 Siehe ebenda. 169 Im Folgenden als DITIB bezeichnet. 170 Vgl. § 23 der Satzung des Vereins DITIB-Landesverband Hamburg in der Fassung der Änderung vom 28. 06. 2009, im Folgenden als DITIB-Landesverbandssatzung bezeichnet. 166

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

gionsunterrichts waren. Auf die Kooperationsfähigkeit, die nach Abschluss der Hamburger Vereinbarung im Übrigen völlig anders bewertet wird, ist an einschlägiger Stelle gesondert einzugehen.171 Der DITIB-Landesverband wurde am 07. 02. 2009 durch den Bundesverband infolge eines erheblichen Anstiegs der Mitgliedszahlen gegründet.172 Die Ausgründung des DITIB-Landesverbandes Hamburg und des Landesverbandes mit Sitz in Schleswig-Holstein aus dem bis dahin bestehenden Nordverbund ereignete sich während der Vereinbarungsverhandlungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg. Heute erfasst die Hamburger Zweigorganisation neun der insgesamt 896 Mitgliedsvereine.173 Der DITIB-Landesverband verfügt über ein Vereinsregister, Klinkhammer verweist allerdings auf die Einschätzung des Verbandes, dass die Umsetzung bzw. Durchsetzung der Akzeptanz, sich dort auch einzutragen, noch Jahre dauern würde.174 Nach eigenen Angaben hat der Landesverband um die 2.300 ordentliche Mitglieder, die in einem Mitgliedsregister eingetragen sind. Dies bringt die Pflicht zur Beitragszahlung, aber auch das Stimm- und Wahlrecht mit sich.175 Als Mitglieder werden aber auch diejenigen Muslime angesehen, die „im Tätigkeitsbezirk der Gemeinde von unseren Aktionen und Angeboten profitieren dürfen und wenn sie das tun, dann gelten sie für uns auch als Gemeindemitglieder. Diese Zahl ist dann natürlich wesentlich höher, die müsste man mit vier oder fünf multiplizieren“.176 Neben diesen sogenannten „Nutznießern“ verzeichnet der DITIB-Landesverband juristische Personen als Mitglieder. Der Beitritt durch Moscheevereine erfolgt in der Regel durch die Übernahme einer Mustersatzung der DITIB und unter Umständen durch eine Namensänderung.177 Die Organisation des rechtsfähigen Dachverbandes wird insbesondere durch zentralistische Merkmale geprägt. Diese Ausrichtung und das besondere Beitrittsprozedere der einzelnen Gemeinden ist mit der engen Anbindung der DITIB an das Diyanet, das türkische Amt für religiöse Angelegenheiten, zu erklären. Durch diese besondere Verhältnisbestimmung ist dem türkischen Staat mit dem Diyanet über die DITIB eine erhebliche Einflussnahme auch auf die einzelnen Untergliederungen möglich, so dass das Wirken und die religiöse Ausrichtung der Landesverbände und Gemeinden stets im Lichte dieser Interaktionsbeziehung zu verstehen ist. Zwischen der Religionsbehörde Diyanet und 171

Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 D. II. 1. Vorstandsvorsitzender des DITIB-Landesverbandes Dr. Zekeriya Altug in einem Gespräch mit der Verfasserin v. 01. 07. 2013. 173 Drei weitere Vereine befinden sich in Niedersachsen, bleiben aber im Kontext des Vereinbarungsabschlusses außer Betracht. 174 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 97. 175 Diese Information verdankt die Verfasserin Dr. Zekeriya Altug, Verbandsvorsitzender des DITIB-Landesverbandes im Gespräch mit der Verfasserin am 01. 07. 2013. 176 Gespräch mit Dr. Zekeriya Altug, Verbandvorsitzender des DITB-Landesverband Hamburg e. V. v. 01. 07. 2013. 177 Vgl. § 8 Abs. 1 DITIB-Landesverbandssatzung; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 35. 172

B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände

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den Verbänden bestehen zahlreiche personelle, organisatorische und finanzielle Verbindungen. In der DITIB-Satzung in der Fassung von 2009 wird in § 13 Abs. 6 normiert, dass für den Fall, dass sich die Mitglieder des Religionsrates oder die Landes-Religionsbeiräte untereinander in einer Angelegenheit nicht einigen können, die Beschlüsse des Religionsrates des Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten Anwendung finden.178 Die einzelnen DITIB-Verbände und Gemeinden werden dem sunnitischen Islam auf Basis der hanefitischen Rechtsschule zugeordnet und wurden lange Zeit als eine gemäßigte Form „des Islams“ ohne gesellschaftspolitische Funktion eingeordnet.179 Unter der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird jedoch eine andere politische und damit religiöse Linie eingeschlagen. Der Zweck des Landesverbandes besteht nach § 2 Abs. 1 S. 1 DITIB-Landesverbandssatzung in der Förderung der Religion, der Kunst und Kultur, der Bildung sowie der „internationalen Gesinnung“ und des Völkerverständigungsgedankens. Weiterhin zielt die Zwecksetzung nach § 2 Abs. 1 S. 3 DITIB-Landesverbandssatzung darauf ab, die Mitglieder umfassend bei der Erfüllung der religiösen Aufgaben und Pflichten zu unterstützen, sie zu betreuen, ihre Interessen zu koordinieren und nach außen zu vertreten. Nach § 2 Abs. 2 DITIB-Landesverbandssatzung besteht der weitere Zweck in der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Mitglieder gegenüber natürlichen und juristischen Personen sowie staatlicher Stellen und Institutionen. Ferner bietet der Landesverband religiöse, soziale, kulturelle Dienste sowie Bildungsangebote an und kontrolliert, koordiniert und unterstützt die Aktivitäten der Gemeinden. Dazu zählt auch die Betreuung und Förderung der Zusammenarbeit der Gemeinden untereinander sowie mit der DITIB und die Förderung der Gründung neuer Gemeinden. Der Bundesverband der DITIB nimmt an der DIK teil und ist Mitglied des Koordinationsrates der Muslime.

II. Die Schura Die Gründung der Schura im Jahr 1999 fällt in einen Zeitraum, in der die Gründungs-Hochphase von islamischen Dachverbänden bereits abgeschlossen war. Anders als türkische Zusammenschlüsse, die in diesem Zeitraum ihren Arbeitsschwerpunkt vermehrt auf die Landesebene verlegten, mit dem Ziel, einen einheitlichen Ansprechpartner für die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichtes zu schaffen, verfügten die nichttürkischen und kleineren Moscheegemeinden über eine solche Interessenvertretung nicht.180

178 179 180

Dazu Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 86. Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 30. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 72.

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

Den „Impuls für eine Solidarisierung über ethnische, sprachliche und religiöse Grenzen hinweg“181 gaben gemeinsame Hilfsaktionen zur Unterstützung der Opfer des Bosnienkrieges. Gerade diese plurale Ausrichtung ist bezeichnend für die Schura (arabisch für Beratung).182 Zum Zeitpunkt des Vereinbarungsabschlusses umfasste sie 46 Mitgliedsmoscheegemeinden,183 deren Gläubige aus den verschiedensten Herkunftsländern184 stammen und den unterschiedlichen Glaubensrichtungen des Sunnismus, Schiismus und Sufismus zuzuordnen sind. Neun Mitgliedsgemeinden davon gehören der IGMG an, die laut Klinkhammer auf Grund ihrer Professionalität und ihrer finanziellen Ausstattung einen wesentlichen Teil der Schura bilden.185 Die Beobachtung von einigen Mitgliedsgemeinden durch den Verfassungsschutz ist, genauso wie die des Schura-Vorsitzenden Mustafa Yoldas zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, allgemein bekannt. Klinkhammer geht davon aus, dass sich die Besucher- und Mitgliederzahlen in den 30 Mitgliedsmoscheegemeinden erhöht hätten und etwa 20.000 Besucher das Freitagsgebet in allen Schura-Gemeinden wahrnehmen würden.186 Zwar führt die Schura ein Vereinsregister, jedoch merkt Klinkhammer an, dass „die Umsetzung bzw. Durchsetzung der Akzeptanz, sich dort einzutragen, noch einige Jahre benötigen wird“187. Ausgehend vom Grundgedanken der Umma, der Gemeinschaft aller Gläubigen, werden zufolge § 3 Abs. 1 der Schura-Satzung alle Moscheegemeinden und ihre Gläubigen durch die Anerkennung eines „islamischen Minimalkonsenses“ verbunden. Diese gemeinsame theologische Basis wird zudem in dem 2004 beschlossenen Grundsatzpapier der Schura durch eine „eindeutige Standortbestimmung in wesentlichen Fragen des Verhältnisses von Muslimen zu Staat und Gesellschaft“ konkretisiert, wobei in dessen Erlass vor allem auch politische Gründe maßgeblich gewesen sein dürften.188 Die Schura verfügt über ein föderatives Organisationsmodell, es handelt sich um einen „Zusammenschluss islamischer Gemeinden von 181 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 72 zit. Spielhaus, 2011, 217. 182 Im Grundsatzpapier der Schura wird dies auch mit „politischer Partizipation der Gesellschaftsmitglieder“ übersetzt, vgl. Schura, Grundsatzpapier, S. 1, abrufbar unter: http: //www.schurahamburg.de/index.php/grundsatzpapier (Stand: 06. 11. 2017). 183 Den Angaben ihrer Internetpräsenz zufolge sind sechs weitere, mit den Moscheegemeinden und Verbänden verbundene Frauen-, Jugend-, Studenten- und Bildungsvereine der Schura zugehörig, sowie auch sieben weitere sonstige Mitgliedsvereine, wie die Initiative für Islamische Studien e. V. 184 Die Zusammensetzung der Schura ist ethnisch sehr diversifiziert, zu den Herkunftsländern der Mitglieder der angeschlossenen Moscheegemeinden zählen etwa Afghanistan (schiitisch), Albanien, Benin, Bosnien, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien, Irak, Iran (schiitisch), Libanon, Pakistan, Togo, Tunesien, Türkei. Zudem gehören Kurden und Araber zu den Besuchern der Moscheegemeinden. 185 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 75. 186 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 79. 187 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 97. 188 Schura, Grundsatzpapier, S. 1.

B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände

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unten“189. Die verbandliche Struktur zielt nicht auf eine Integration der Moscheegemeinden in vorhandene Strukturen ab, sondern auf die Einigung und Vereinbarkeit der differierenden Gemeindetraditionen.190 Wesentlich für die Verbandsarbeit sind vor allem der Vorstand sowie die verschiedenen Ausschüsse. Weiterhin wird ein hauptamtlicher Geschäftsführer beschäftigt.191 Laut ihrer Satzung hat sich die Schura192 insbesondere die Förderung der Zusammenarbeit der Muslime in Hamburg, die Einrichtung von Moscheen und die Ermöglichung des Gebets sowie die Einstellung von Imamen zur Aufgabe gemacht. Dabei spielt auch die Interessenvertretung193 der Muslime in der Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber staatlichen Stellen, eine wichtige Rolle.194 Entsprechend der Entstehungsgeschichte und den Aufgabenschwerpunkten weist der Verband auch einen politischen Tätigkeitsschwerpunkt auf. Das religiöse Prozedere der Mitgliedsgemeinden im Einzelnen wird durch deren Traditionen bestimmt. Die Schura sieht es als ihre Aufgabe an, gemeindeübergreifende Veranstaltungen zu organisieren, wie etwa einen Koranlesewettbewerb. In allen Gemeinden wird Koranunterricht angeboten, teilweise ist auch eine Frauengruppe aktiv. Die Interaktionsbeziehung zwischen Verband und Gemeinden beschreibt Klinkhammer als einen „Zusammenschluss islamischer Gemeinden von unten.“195 Tatsächlich wird die Mitgliederversammlung durch jeweils einen stimmberechtigten Delegierten der Mitgliedsverbände konstituiert, § 6 Abs. 2 S. 1 Schura-Satzung.196 Die Schura ist Mitglied des Bündnisses Islamischer Gemeinden (BIG). In Planung ist derzeit die Gründung eines Bundesverbandes.

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Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 76. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 77. 191 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 78. 192 Vgl. dazu für den nächsten Abschnitt § 2 Satzung der Schura. 193 Im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen in 2001 vermittelte die Schura Wahlempfehlungen in Form von „islamischen Wahlprüfsteinen“, auch wurden bereits mehrere Podiumsdiskussionen ausgerichtet, der vermehrte Kontakt zu Hamburger Behörden wurde gesucht. 194 Vgl. § 2 S. 2 Schura-Satzung. 195 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 76. 196 Die Gründung der Schura im Jahr 1999 fällt in einen Zeitraum, in der die Hochphase der Gründung von islamischen Dachverbänden bereits abgeschlossen war. Anders als türkische Zusammenschlüsse, die in diesem Zeitraum ihren Arbeitsschwerpunkt vermehrt auf die Landesebene verlegten, mit dem Ziel einen einheitlichen Ansprechpartner für die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichtes zu schaffen, verfügten die kleineren, nichttürkischen Moscheegemeinden nicht über eine solche Interessenvertretung. Näher dazu Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 72. 190

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

III. Der VIKZ Der VIKZ wurde 1973 unter dem Namen Islamisches Kulturzentrum Köln e. V. gegründet, um „die Bedürfnisse der damaligen, vor allem der türkischen Gastarbeiter in Deutschland zu decken“197. Diese älteste Organisation türkischer Muslime in Deutschland umfasst heute 300 Moschee- und Bildungsvereine bundesweit,198 darunter sieben Vereine in der Freien und Hansestadt Hamburg. Diese tragen Namen wie etwa Kulturelle Bildung und Integration e. V.199 Der VIKZ ist dem sunnitisch-hanefitischen Islam zuzuordnen, zudem weist er eine „mystische Komponente“200 auf.201 Die durch viele Nutzer praktizierte mystische Ausrichtung sei „durch die Elemente der Sufigemeinschaft der Naqshbandiyya“202, einer Gemeinschaft Tunahans und einiger seiner Anhänger, geprägt.203 Eine Zuordnung des VIKZ allein zum mystischen Islam wird ihm jedoch nicht gerecht, da er auch über Merkmale einer islamischen Lehranstalt, der sogenannten Tariqa, verfügt.204 Vor dem Hintergrund dieser speziellen Ausrichtung ist auch seine Zweck- und Zielbestimmung zu sehen. Das Angebot des VIKZ beinhaltet „soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste zum Zwecke der Förderung der Erziehung, Bildung, Religion, Jugendfürsorge, Völkerverständigung und Integration“.205 Konkret normiert § 3 Abs. 1 VIKZ-Satzung die Einrichtung und Unterhaltung von Gemeinden und Schüler- und Studentenwohnheimen, die Unterweisung im islamischen Glauben und der Lehre sowie der Wahrung der islamischen kulturellen Werte, die 197 Vgl. VIKZ, Selbstdarstellung, abrufbar unter: http://www.vikz.de/index.php/organisati on.html (Stand: 30. 04. 2017). 198 Haug/Müssig/Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland, S. 174. Vgl. auch VIKZ, Selbstdarstellung. Danach betragen die allgemeinen Bekanntheitswerte des VIKZ bei den in Deutschland lebenden Muslimen 25,1 %, dieser Anteil ist bei den türkischstämmigen Muslimen mit 30,2 % höher angesiedelt. 199 Vgl. dazu VIKZ, Selbstdarstellung. 200 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 29. 201 Dieses Charakteristikum lässt sich auf die ideologische Verknüpfung mit der in der Türkei entstandenen Süleymanci-Bewegung zurückführen, einer Korankursbewegung mit dem Ziel des Aufbaus religiöser Bildungsstätten. Rückführbar auf den Rechtsgelehrten Süleyman Hilmi Tunahan, kann diese Bewegung als Reaktion auf die unter Atatürk betriebene Säkularisierungspolitik gesehen werden. Heute weist diese Bewegung erheblichen Einfluss in der Türkei auf, auch durch das Betreiben von Internaten, religiösen Schulen und Korankursen. Näher dazu Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 64. 202 Vgl. VIKZ, Mystische Ausrichtung, abrufbar unter: http://www.vikz.de/index.php/mysti sche-ausrichtung.html (Stand: 30. 04. 2013). 203 Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 65, gibt den Hinweis, dass die Naqschibandiyya die größte mystische Bewegung in der Türkei ist. 204 Lemmen, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 49. 205 Vgl. § 3 Abs. 1 Satzung des Verbandes der islamischen Kulturzentren e. V. Köln, im Folgenden als VIKZ-Satzung bezeichnet. Konkretisiert wird dies durch die enumerative Auflistung einzelner Tätigkeiten, wie der Einrichtung und Unterhaltung von Gemeinden wie von Schüler- und Studentenwohnheimen, auch ist hier wieder die religiöse Erziehung beziehungsweise die Vermittlung islamischer Glaubensinhalte ein zentraler Punkt.

B. Entstehungsgeschichte und Binnenorganisation der kontrahierenden Verbände

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Förderung der beruflichen, schulischen und universitären Bildung, die Gestattung sozialer Hilfeleistungen, die Durchführung von wissenschaftlichen Seminaren und die Einrichtung von Bibliotheken und Ausbildungsstätten für Islamische Theologie sowie die Vorbereitung der Hadj sowie der Umra, der Pilgerfahrt nach Mekka,206 die durch ein eigens dafür gegründetes Reisebüro namens Econom GmbH auch durchgeführt werden.207 Dazu betreibt der VIKZ auch Vereine im Wohlfahrtsbereich, wie den Islamischen Wohlfahrtsverband e. V. und die VIKZ Sterbefonds gGmbH.208 Die Satzungsbestimmungen weisen auf das besondere Anliegen des VIKZ hin, die dem Verband zu Grunde liegenden religiösen Auffassungen und Traditionen insbesondere auch an Jugendliche zu vermitteln. Die ab dem Jahr 2000 eigens dafür gebauten Schüler- und Studentenwohnheime – auch in Hamburg befindet sich jeweils eines – waren allerdings schon harscher Kritik ausgesetzt.209 Die ordentliche Mitgliedschaft erwerben neben natürlichen Personen die Mitgliedsvereine einschließlich deren Mitgliedern in Gestalt natürlicher Personen, vgl. § 6 Abs. 1 VIKZ-Satzung. Nach § 3 VIKZ-Satzung soll die Verbandstätigkeit auch die in Europa lebenden Muslime und islamischen Gemeinschaften erfassen, europaweit soll der VIKZ über weitere Zentren verfügen.210 Die Anzahl der Mitglieder in Gestalt der natürlichen Personen ist schwer bestimmbar, da der VIKZ keine Mitgliederregister führt.211 Eigenen Angaben zufolge verwaltet allein die Moscheegemeinde Altona 4.000 Adressen, die Zahl der dem 206

Vgl. dazu § 3 Abs. 1 VIKZ-Satzung. Vgl. dazu die Internetseite von econom, abrufbar unter: http://www.econom.de (Stand: 15. 06. 2013). 208 Vgl. dazu die Internetpräsenz des Sterbefonds, abrufbar unter: http://www.sterbefonds. de (Stand: 15. 06. 2013). 209 2004 hatte die Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann dem VIKZ in einem für das hessische Sozialministerium verfassten Gutachten unter anderem vorgeworfen, die Schülerheime bezweckten eine religiöse Prägung und das Ausbildungsziel mache die Integration sogar letztlich unmöglich. Dem Spiegel zufolge wurde die Einstellung des VIKZ in einem internen Bericht als „antiwestlich, antidemokratisch und antijüdisch“ bezeichnet und auszugsweise 2006 im Kölner Stadtanzeiger veröffentlicht. Diese Anschuldigungen wurden durch den VIKZ zurückgewiesen, er konterte mit der durch die Soziologin Boos-Nünning zu den Wohnheimen verfassten Studie „Beten und Lernen – Eine Untersuchung der pädagogischen Arbeit in den Wohnheimen des Verbandes der Islamischen Kulturzentren e. V.“. Das Gutachten wurde nicht veröffentlicht. Für eine Wiedergabe des politischen Geschehens vgl. Brandt, Verfassungsschützer sollen VIKZ beobachten, Spiegel Online-Artikel v. 16. 04. 2008, abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/islamismus-verfassungsschuetzer-sollen-vikzbeobachten-a-547860.html (Stand: 16. 06. 2013). Wiedergabe teilweise auch des Wortlautes in der Studie „Beten und Lernen“ der Soziologin Boos Nünning. 210 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 164 Fn. 732. 211 Zwar sind in der Freien und Hansestadt Hamburg die Mitglieder grundsätzlich im Ortsmoscheeverein zwecks Festschreibung der Mitgliederbeiträge eingetragen, diese Zahlen seien aber nicht zuverlässig, da viele Mitglieder ihre Beiträge über Spenden leisteten und einige auch von der Verpflichtung zur Beitragszahlung befreit seien. 207

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Teil 1: Hintergründe und Rechtsprobleme eines „Staatsvertrages mit Muslimen“

VIKZ in Hamburg nahestehenden Muslime wird auf 15.000 geschätzt.212 Bis zur 2006 begonnenen Umstrukturierung wurde die Binnenorganisation des VIKZ insbesondere durch zentralistische Merkmale bestimmt.213 Heute sind die Mitgliedsvereine rechtsfähig214 und können über die eingehenden finanziellen Mittel unabhängig verfügen. Sie führen ihre eigene Buchhaltung.215 Die Organe des VIKZ auf Bundesebene sind die Delegiertenversammlung, der Vorstand sowie der Aufsichtsrat, wobei die Delegiertenversammlung das höchste Organ216 sowie das bindende Glied zwischen Mitgliedsverein und Dachverband ist, da jeder Mitgliedsverein zu der Delegiertenversammlung zwei Delegierte entsendet.217 Die Religionswissenschaftlerin Klinkhammer betont in ihrem 2012 erstellten Gutachten, dass der Verband ein hohes integrationspolitisches Anliegen verfolge und auch mit beiden Großkirchen in einem religiösen Dialog stehe. Im Zusammenwirken mit der katholischen Frauengemeinde werden Deutschkurse für Frauen angeboten.218 Der VIKZ ist Mitglied der DIK sowie eines der Gründungsmitglieder des Koordinationsrates der Muslime.

212

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 30. Vgl. die Darstellung der Binnenorganisation vor der Umstrukturierung Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 165 f. 214 § 4 VIKZ-Satzung. 215 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 31. 216 § 9 i. V. m. § 10 Abs. 1 S. 1 VIKZ-Satzung. 217 § 9 i. V. m. § 10 Abs. 1 S. 2 VIKZ-Satzung. 218 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 44. 213

Teil 2

Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“ Drei Monate nachdem der mit der Nordelbischen-Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK)1 und der mit dem Heiligen Stuhl2 geschlossene Kirchenvertrag im Hamburger Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden war,3 signalisierte der damals amtierende Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) auf dem traditionellen Iftar-Empfang4 in der Centrum-Moschee erstmals öffentlich die Bereitschaft, Gespräche zum Abschluss einer Vereinbarung mit islamischen Gemeinschaften aufzunehmen. von Beust erwiderte auf eine zuvor gehaltene Rede des Hamburger Imams Ramazan Ucar und seine Forderung nach einer verbindlichen Regelung des Verhältnisses zwischen der Stadt Hamburg und islamischen Verbänden: „Sie5 haben die Frage angesprochen, ob es möglich ist, auch mit Ihrer Religionsgemeinschaft einen Staatsvertrag über Ausmaß, Form und Inhalt der Zusammenarbeit zu beschließen. Ich sage Ihnen: Für solche Gespräche sind wir sofort zu haben.“6

Ein Jahr später wurden Gesprächskreise eingerichtet. Dem Inkrafttreten der Vereinbarung am 13. Juni 2013 ging ein rund siebenjähriger Prozess voraus, wovon allein die Verhandlungsdauer fünf Jahre betrug. Dies ist auf politische Faktoren, wie den dreimaligen Wechsel der Landesregierung, zurückzuführen.7 Zudem war ein hoher behördlicher Prüfungs- sowie innerbehördlicher Verständigungsaufwand notwendig. Aber auch die Klärung rechtlich umstrittener und in ihrer öffentlichen 1

Im Folgenden als Evangelischer Kirchenvertrag Hamburg abgekürzt. Im Folgenden als Katholischer Kirchenvertrag Hamburg abgekürzt. 3 Zur rechtlichen und politischen Entstehung des Kirchenvertrages/Konkordates sowie einer inhaltlichen Darstellung vgl. Chowaniec, ZevKR 54 (2009), S. 445 ff.; ferner Blaschke, Das Verfassungsrecht der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, S. 23. 4 Der Iftar-Empfang fand am 04. 10. 2006 in der Centrum-Moschee statt. Ausgerichtet durch das BIG werden seit 1998 alljährlich anlässlich des Fastenbrechens während des Ramadans Angehörige islamischer Verbände sowie Vertreter aus „Religion, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden“ zum gemeinsamen Abendessen geladen. 5 Zitiert nach einer Mail Ahmed Yacicis, stellvertretender Vorsitzender des BIG an die Verfasserin v. 27. 07. 2013. Der Imam Ramazan Ucar hatte den Wunsch nach Anerkennung islamischer Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie nach der verbindlichen Regelung des Verhältnisses der Freien und Hansestadt Hamburg zu den islamischen Verbänden geäußert. Gegenstand der Rede war auch die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft. Moderator der Veranstaltung war Ahmet Yazici. 6 Grußrede des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust auf dem Iftar-Empfang 2006, erhalten als Audio-Datei von Herrn Yilmaz von der Schura. 7 Gespräch mit Dr. Jürgen Schween von der Hamburgischen Senatskanzlei v. 02. 07. 2013. 2

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Behandlung eine hohe Sensibilität erfordernde Fragestellungen, wie die der Religionsgemeinschaftseigenschaft, haben den Gesamtprozess in die Länge gezogen. Die nachfolgenden Verhandlungen zwischen den Parteien und die Befassung der Bürgerschaft mit der Vereinbarung geben ein Bild davon, dass zentrale Rechtsfragen kontinuierlich auftauchen. Auch die Regelungsinhalte selbst sind in der besonderen Entstehungssituation der strukturell-rechtlichen Integration einer „Minderheitsreligion“ in das Staatskirchenrecht der Gegenwart zu sehen. Aber nicht zuletzt wegen des Duktus und der zeitlichen Nähe zum Abschluss des Evangelischen Kirchenvertrags Hamburg und des Katholischen Kirchenvertrags Hamburg stellt sich auch die Frage, ob die Vereinbarung in inhaltlicher Hinsicht in ihrer Kontinuität stehend ist, wobei ein besonderes Augenmerk auf ihre inhaltlichen Besonderheiten zu legen ist. Nach einer chronologischen Darstellung der Inhalte der Präambel und der einzelnen Artikel sollen diese in einer Zusammenfassung ihrer rechtlichen Art nach kategorisiert und auf ihre Funktionen hin untersucht werden. Bereits Hense nahm an, dass üblichen staatskirchenvertraglichen Gewährleistungen in Verträgen mit islamischen Organisationen eine andere Funktion zukomme oder gar eine gänzlich andere Funktion abgeleitet werden könne.8

A. Zur Entstehung I. Der Verhandlungsverlauf Zu Beginn der Verhandlungsführung wurden drei Gesprächskreise eingerichtet, da die AABF auf die zwischen „dem Islam“ und dem Alevitentum bestehenden „Unterschiede theologischer und gesellschaftspolitischer Natur“9 hinwies. Der DITIB-Landesverband, die Schura und der VIKZ stimmen dagegen in wesentlichen Religionsfragen überein und repräsentieren einen großen Teil der Hamburger Muslime, so dass die drei Gemeinschaften in einem zweiten Gesprächskreis zusammengefasst wurden.10 Die Einrichtung eines dritten Gesprächskreises mit Vertretern der nicht religiösen Türkische[n] Gemeinde Hamburg und Umgebung e. V.11 8 Dazu Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (148 ff.). Zu den staatskirchenrechtlichen Vertragsfunktionen vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 215 f.; siehe auch Mückl, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 433 (449 f.; 456 f.). 9 Antwortschreiben der AABF v. 25. 01. 2007, adressiert an Dr. Volkmar Schön, Leiter der Senatskanzlei Hamburg, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 10 Ergebnisprotokoll der Hamburgischen Senatskanzlei v. 11. 05. 2007 des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 08. 06. 2007, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 11 Die TGH ist im Gegensatz zu den Verhandlungspartnern des Senats nicht religiös ausgerichtet und umfasst als Verband Vereine mit unterschiedlichen Zielrichtungen, wie den Verein der Türkischen Ingenieure und Architekten oder den Verein der türkischen Rentner und Alten in

A. Zur Entstehung

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begründete die Senatskanzlei mit dem „Interesse einer Erweiterung des Blickes auf die Interessen und Bedürfnisse der beachtlichen Gruppe türkischer und türkischstämmiger Musliminnen und Muslime in Hamburg, die sich ihrer Religion verbunden fühlen, sich aber keiner bestimmten religiösen Gemeinschaft zuordnen“.12 Obwohl praktische und dringliche Regelungsthemen,13 wie der Moscheebau, das Bestattungswesen sowie die Ausbildung von Imamen und Lehrern, zu Beginn besprochen wurden, und auch beschlossen wurde, „die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen“, wie „die Eigenschaft der vertretenen Verbände als Religionsgemeinschaften und [die] Qualität einer etwaigen Übereinkunft als verfassungsrechtlicher Vertrag“ hintenan zu stellen,14 tauchte die Frage nach der Klassifikation der islamischen Gemeinschaften als Religionsgemeinschaft wiederholt auf.15 Die Parteien kamen schließlich überein, den Rechtswissenschaftler Heinrich de Wall mit der Erstellung eines entsprechenden Rechtsgutachtens zu beauftragen.16 Dem Gutachten, das am 09. März 2011 veröffentlicht wurde, folgte von de Wall eine Ergänzende Stellungnahme zum Entwurf einer Satzung des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren Hamburg am 08. April 2011.17 Weiterhin wurde die Religionswis-

Bergedorf e. V. Ziele laut Satzung sind die Gleichberechtigung von Muslimen und Deutschen, angestrebt wird die „behördliche, politische oder zivilgesellschaftliche Verankerung der Migranten und Einwanderer“, § 2.2 TGH-Satzung, abrufbar unter: http://www.tghamburg.de/sat zung/ (Stand: 23. 03. 2018). 12 Mitteilung des Hamburger Senats an die Bürgerschaft v. 13. 11. 2012, Drs. 20/5830. 13 Laut Ergebnisprotokoll bedürfen folgende Punkte der Erörterung, jedoch ohne Priorität: Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religion, Respektierung des Glaubens der Muslime, Religionsunterricht, Hochschulausbildung der Religionslehrer, Ausbildung von Imamen, Visumerteilung für einreisende Imame, Religiöse Feiertage, Moscheebau, Schächten, öffentlicher Gebetsruf, Friedhofswesen, Seelsorge in besonderen Einrichtungen, insbesondere Haftanstalten, Anerkennung der Verbände DITIB, Schura und VIKZ als Vertretung der Muslime, Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe, Gremienbeteiligung in Rundfunk und Fernsehen, vgl. Ergebnisprotokoll der Hamburgischen Senatskanzlei v. 11. 06. 2007 des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 08. 06. 2007, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02, S. 3. 14 Ergebnisprotokoll der Hamburgischen Senatskanzlei v. 11. 06. 2007 des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 08. 06. 2007, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02, S. 2. 15 Zur Klassifizierung als Religionsgemeinschaft siehe auch diese Arbeit Teil 4 B. I. 16 Auslöser war in der Gesprächsrunde insbesondere, dass seitens der islamischen Verbände unter Verweis auf das Urteil des BVerfG vom 28. 10. 2008 – 1 BvR 462/06 gefordert wurde, der „islamischen Religionsgemeinschaft“ ein Recht zur Stellungnahme vor der Berufung eines Hochschullehrers einzuräumen und solche den Großkirchen entsprechende Bestimmungsrechte zu gewähren, vgl. Ergebnisprotokoll der Hamburgischen Senatskanzlei v. 26. 05. 2009 des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 15. 05. 2009, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02, S. 4. 17 Auch nach mehrmaligen telefonischen Rückfragen konnte der Verfasserin bis zum Abschluss dieser Arbeit keine Auskunft darüber gegeben werden, ob die Gründung eines entsprechenden Landesverbandes inzwischen erfolgt ist.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

senschaftlerin Gritt Klinkhammer mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das am 20. April 2012 veröffentlicht wurde.18 Bereits während der Verhandlungen wurde eine Dialogplattform zur Formulierung gemeinsamer Grundsätze eines gemeinschaftlichen Religionsunterrichts eingerichtet.19 Im Rahmen weiterer Gesprächsrunden wurden als islamische Feiertage in Abweichung zu § 3 Feiertagsgesetz das Ramadanfest, das Opferfest und das Aschurafest festgelegt. Der Regelung weiterer Gegenstände, die die Vertreter der islamischen Gemeinschaften als klärungsbedürftig einschätzten, standen rechtliche oder tatsächliche Gründe entgegen: Regelungen zur Rechtsstellung der Imame oder der Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe konnten angesichts fehlender Bundeskompetenzen keine Berücksichtigung in der Vereinbarung finden. Von der Ausarbeitung von Bestimmungen zum Schächten bzw. der Halal-Schlachtung wurde – mangels in Hamburg ansässiger, nach islamischem Ritus schlachtender Schlachtbetriebe – abgesehen. Mit Blick auf mögliche Akzeptanzprobleme in der Gesamtgesellschaft wurde auf die Formulierung einer Vereinbarungsbestimmung zum öffentlichen Gebetsruf verzichtet. Weitere Textentwürfe widmeten sich gemeinsamen Wertegrundlagen oder dem Zusammenwirken der Parteien. Abschließend wurden die Regelungsgegenstände der Seelsorge in besonderen Einrichtungen und die gegenwärtigen Rahmenbedingungen sowie die Möglichkeiten des Senats in Bezug auf die Gremienbesetzung in Rundfunkanstalten sowie die Zuverfügungstellung von Sendezeiten erörtert. Zeitgleich zur Ausarbeitung des Vereinbarungstextes und seiner Konsentierung durch die Verbandsvertreter wurde § 3a Feiertagsgesetz entworfen, allerdings unter Verwerfung des Vorschlages der Behörde für Inneres und Sport, § 3 Feiertagsgesetz in Anlehnung an das Berliner Feiertagsgesetz neu zu fassen.

II. Die Unterzeichnung Am 13. November 2012 wurde die Vereinbarung20 durch Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz als Vertreter der Senatskanzlei sowie durch die jeweiligen Vertreter der islamischen Verbände im Hamburger Rathaus unterzeichnet.21 Unter Verweis darauf, dass die Vereinbarungsgegenstände vielfach geltendes Recht aufnähmen, konstatierte Scholz in seiner Ansprache: „Wir halten all dies für selbst-

18

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft. Ergebnisprotokoll v. 26. 05. 2009 der Hamburgischen Senatskanzlei des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 15. 05. 2009, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06-02, S. 4. 20 Entwurf der Hamburgischen Senatskanzlei für die Vereinbarung v. 13. 11. 2012, Drs. 20/ 5830. 21 Vorgang einsehbar unter: http://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/vorgaenge/38534/1 (Stand: 14. 11. 2017). 19

A. Zur Entstehung

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verständlich. Und doch ist es ein Meilenstein“.22 Aber die getroffenen Vereinbarungen gingen über den rein juristischen Gehalt hinaus und setzten ein Zeichen: „Es sind Vereinbarungen auf Gegenseitigkeit, die den Respekt zum Inhalt haben.“23 Dadurch werde das „gesellschaftliche Fundament“24 der Stadt gestärkt. Auch stehe die Vereinbarung im Zeichen des Bekenntnisses zur Verfassung, zum Rechtsstaat und zur Diskriminierungsfreiheit.

III. Die Zuleitung an die Bürgerschaft und Beschlussfassung Am 13. November 2012 richtete sich der Senat mit einem Antrag „mit der Bitte um Zustimmung“ an die Bürgerschaft. Der „Vertrag mit den muslimischen Gemeinschaften“ war damit unmittelbarer Beschlussgegenstand. In den vier Anhörungen des Verfassungs- und Bezirksausschusses gab insbesondere die Frage nach der Rechtsnatur der Vereinbarung einen Anlass zu anhaltenden Kontroversen.25 Der Rechtswissenschaftler Christian Hillgruber, der bei einer Anhörung als Experte gehört wurde, konstatierte in seinem Eingangsstatement, dass die Vereinbarung zwar nach „Inhalt und Duktus“ zu den „klassische[n], typische[n] staatskirchenrechtliche[n] beziehungsweise […] religionsverfassungsrechtliche[n] Verträge[n]“ zu zählen sei.26 Mit Blick auf eine erhöhte Bestandskraft dieser Vereinbarung in verfahrensrechtlicher Hinsicht sei jedoch bedenklich, dass der Senat eine förmliche Zustimmung in Form eines Gesetzes nicht für geboten erachte. Dies habe zur Folge, dass lediglich der Gesetzesvorrang bei dem Erlass späterer Gesetze zu beachten sei.27 Neben dem Verweis auf weitere verfassungsrechtliche 22

Olaf Scholz, Rede aus Anlass der Unterzeichnung der Vereinbarung mit den muslimischen Verbänden am 13. 11. 2012, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/contentblob/3 685004/data/2012 -11 – 13-vertrag.pdf (Stand 14. 10. 2014). 23 Siehe ebenda. 24 Siehe ebenda. 25 Insgesamt tagte der Verfassungs- und Bezirksausschuss viermal, der Ausschussbericht erging am 28. 05. 2013. In der ersten Sitzung am 18. 01. 2013 beschlossen die Abgeordneten, die „Vertragspartner“ als Auskunftspersonen im Sinne des § 58 Abs. 2 GO einzuladen. Im Rahmen der anschließenden Sitzung vom 12. 02. 2013 wurde eine Anhörung im Sinne von § 58 Abs. 2 GO durchgeführt, die dritte Sitzung am 26. 03. 2013 diente der Senatsbefragung. Die Auskunftspersonen sind: Dr. Zekeriya Altug (DITIB-Landesverband), Baykal Arslanbug (Alevitische Gemeinde Deutschland e. V.), Yilmaz Cevik, Murat Pirildar (Verband des Islamischen Kulturzentren e. V.), Stephan Dreyer (Erzbistum Hamburg), Prof. Dr. Christian Hillgruber (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Prof. Dr. Gritt Klinkhammer (Universität Bremen), Norbert Müller (SCHURA – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V.), Prof. Dr. Ursula Neumann (Universität Hamburg). Vorgang einsehbar unter: http://www.buer gerschaft-hh.de/ParlDok/vorgaenge/38534/1 (Stand: 14. 11. 2017). 26 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/17 der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 12. 02. 2013, S. 5. 27 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/17 der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 12. 02. 2013, S. 5.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Probleme, kulminierend in dem Hinweis auf Verfassungswidrigkeit des in der Vereinbarung normierten „Religionsunterrichts für alle“,28 resümierte Hillgruber schlussendlich, dass die Vereinbarung im Hinblick auf Teile der Inhalte und auf das Prozedere „gegenwärtig jedenfalls nicht zustimmungsfähig“29 sei. Ein großer Anteil der Fragen betraf die Erscheinungsformen islamischer Religionsausübung, einige Abgeordneten äußerten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Insbesondere Themen von hoher gesellschaftspolitischer Präsenz, wie die Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht, das Tragen eines Kopftuches oder einer Burka, aber auch Fragestellungen technischer Art, wie die Realisierbarkeit einer dauerhaften Totenruhe, wurden diskutiert. Diese Fragestellungen können als Ausdruck einer durch die Abgeordneten so angenommenen Inkompatibilität einzelner Facetten islamischer Religionsausübung mit grundgesetzlichen Bestimmungen verstanden werden. Ihre Thematisierung gibt auch ein Abbild des besonderen gesellschaftspolitischen Klimas, in dem die Vereinbarung entstanden ist. Die Verfassungstreue der Verbände bildete einen weiteren Schwerpunkt der Senatsbefragung am 26. März 2013, insbesondere im Kontext der Überwachung einzelner Mitgliedsgemeinden der Schura durch den Verfassungsschutz.30 Der Verfassungs- und Bezirksausschuss beschloss mit der Mehrheit seiner Abgeordneten die an die Bürgerschaft gerichtete Ausschussempfehlung. Die Verträge wurden am 13. Juni 2013 in einer 1. und 2. Lesung mit einfacher Mehrheit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Hamburger Verfassung mit den Stimmen der SPD, einiger CDU-Abgeordneten, der Grünen, eines FDP-Abgeordneten und der Linken formlos beschlossen. Parallel dazu wurde mit dem Vierte[n] Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes ein Zustimmungsgesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes ausgearbeitet.31 Mit Hinweis auf die Kompatibilitätsproblematik in Hinblick auf den Gottesdienstbegriff kritisierte Hillgruber, dass § 3a Feiertagsgesetz den Grundsätzen der Normenklarheit widerspreche.32 Das Vierte Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes wurde in zwei Lesungen mit großer Mehrheit am 13. Juni 2013 durch die Bürgerschaft beschlossen. Am 19. Juni 2013 wurde es durch den Senat ausgefertigt.

28 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/17 der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 12. 02. 2013, S. 6. 29 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/17 der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 12. 02. 2013, S. 6. 30 Protokollerklärung/Protokoll der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 26. 03. 2013. 31 Mitteilung des Hamburgischen Senats an die Bürgerschaft v. 13. 11. 2012, Drs. 20/5830. 32 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/17 der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 12. 02. 2017.

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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IV. Inkrafttreten und Verkündung im Hamburger Gesetzund Verordnungsblatt Die Vereinbarung trat gemäß Art. 13 Abs. 1 Vereinbarung mit der Zustimmung der Bürgerschaft am 13. Juni 2013 in Kraft. Am 19. Juni 2013 wurde die Vereinbarung im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Das Vierte Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes wurde am 02. Juli 2013 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Im Sinne von Art. 54 S. 1 Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg trat es mit dem auf die Ausgabe folgenden Tag am 03. Juli 2013 in Kraft.

B. Der Inhalt der Vereinbarung Die besondere Ausgangssituation eines Vereinbarungsabschlusses mit islamischen Partnern deutet darauf hin, dass es dabei nicht nur um die Normierung bestimmter Rechte und Pflichten gegangen sein könnte.33 Denn Verträge können auch eine „atmosphärische Verbesserung“ suchen, wie Lutz-Bachmann in Hinblick auf den Vertragsentwurf der IRB konstatiert.34 Auch kann traditionellen Regelungsinhalten eine andere Funktion und damit eine andere Bedeutung als in (christlichen) Staatskirchenverträgen zukommen.35 Die einzelnen Entwürfe der Vereinbarungsbestimmungen, die im Rahmen des Entstehungsprozesses der Vereinbarung ausgearbeitet wurden, vermitteln zudem ein Bild davon, dass die Vertreter der Senatskanzlei darauf abzielten, gesellschaftliches Konfliktpotential möglichst niedrig zu halten und auch „Inkompatibiliätsproblemen“ mit rechtlichen Vorgaben entgegen zu wirken.36

I. Die Präambel Die Präambel, die feierlich-proklamatorischer Vorspruch und Ausdruck politischer Zweckmäßigkeitserwägungen37 zugleich ist, legt den gegenständlichen 33

Dazu Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland. Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 444 Rn. 1330. 35 Dazu auch Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (148 ff.) 36 Der Religionsgemeinschaftsbegriff fand erst gegen Ende der Verhandlungen Verwendung, weiterhin geht aus den Unterlagen zum Entstehungsprozess hervor, dass der Terminus des Artikels zunächst nicht gebraucht werden sollte. Zum Vorgang vgl. Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 37 Der Textentwurf der Präambel, der ohne Änderung durch die Parteien konsentiert wurde, geht auf einen Arbeitsebenen-Vorschlag der Senatskanzlei vom 13. 12. 2012 zurück, vgl. Vertreter der Senatskanzlei Dr. Jürgen Schween in einer E-Mail an die Verbandsvertreter v. 34

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Grundgedanken dar, der wesentlich für die Auslegung der Vereinbarungsbestimmungen ist.38 Die Intitulation39 entspricht der eines herkömmlichen Staatskirchenvertrages,40 der leicht deklamatorische Duktus ist vergleichbar mit dem der Präambeln des Evangelischen Kirchenvertrags Hamburg und des Katholischen Kirchenvertrags Hamburg.41 Die fünf Absätze widmen sich allerdings der gleichberechtigten Teilhabe der muslimischen Bürger sowie der islamischen Verbände am religiösen und gesellschaftlichen Leben Hamburgs. Gegenstand des letzten Absatzes ist die Weiterentwicklung des partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen den vertragsschließenden Parteien. Der erste Absatz trägt deutliche legitimatorische Züge in Hinblick auf den Vereinbarungsabschluss. Die leitende Zielbestimmung einer Sozialintegration der muslimischen Bürger und Organisationen42 findet vor allem in Absatz 2 ihren Ausdruck.43 Die Bezugnahme auf die Religionsausübungsfreiheit in einer „pluralen und weltoffenen“ Gesellschaft trägt programmatische Züge in Richtung der Anerkennung und Akzeptanz der hiesigen Rechts- und Werteordnung und geht von einer beiderseitigen Verantwortlichkeit für das Gelingen des Integrationsprozesses aus.44 In Absatz 3 der Präambel wird Religion das Faktum sozialer Nützlichkeit attestiert und so eine 20. 03. 2012, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 38 Zum Charakter und den Funktionen einer Präambel siehe Creifelds/Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort „Präambel“, S. 1115; Hollerbach, in: FS Häberle, S. 821 (834 f.); Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Präambel Rn. 1; Korta, Der katholische Kirchenvertrag Sachsen, S. 80; Rethorn, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 296 ff.; Rödig, in: Rödig, Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 296 ff.; ferner zu den Präambeln des Vertragsstaatskirchenrechts der neuen Länder: Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. 39 Vgl. zur Intitulation Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 273 f. 40 Auch die Nennung der Reihenfolge der Vereinbarungspartner, zunächst das Land, danach die kontrahierende Gemeinschaft, entspricht der eines Kirchenvertrages, so auch dem Evangelischen Kirchenvertrag Hamburg. Dagegen wird der Heilige Stuhl traditionell an erster Stelle genannt. Vgl. Korta, Der katholische Kirchenvertrag Sachsen, S. 81 Fn. 340. 41 Vgl. 1., 2. Spiegelstrich der Präambel des Evangelischen Kirchenvertrags Hamburg bzw. Katholischen Kirchenvertrags Hamburg. 42 Unter Sozialintegration ist nach Esser in Anlehnung an Lockwood und in Abgrenzung zur Systemintegration „die Integration der Akteure (bzw. der von ihnen gebildeten Gruppen) ,in‘ das [soziale] System hinein“, hier der Gesellschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, zu verstehen, dazu: Esser, Arbeitspapiere – Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung Nr. 40, 2001, S. 3. 43 Denn schon der Vereinbarungsabschluss für sich genommen stellt eine besondere Vergünstigung dar. Vgl. dazu Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 316. 44 Zur wechselseitigen Anpassung zwischen Islam und Rechtsordnung siehe Kloepfer, DöV 2006, S. 45 (54).

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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weitere Legitimation für den Vertragsschluss geschaffen,45 den islamischen Verbänden wird die Funktion von Kulturträgern zugesprochen,46 denn insbesondere organisierte Religion gewähre dem „Staat einen Gewinn an sozialer und moralischer Stabilität“.47 Unter inhaltlicher Anknüpfung an den ersten Absatz48 wendet sich der vierte Absatz der Zielbestimmung der Einbindung der islamischen Gemeinschaften zu. Neben der allgemeinen Absicherung des Art. 4 GG in seiner kollektiven Dimension ist diese Bestimmung von symbolischer und politischer Art, womit ihr ein appellativer Charakter anhaftet. Dieses gesellschaftspolitische Anliegen korreliert mit der grundsätzlichen Funktion des institutionellen Staatskirchenrechts, wie Arnd Uhle sie in Worte fasst: „Das institutionelle Staatskirchenrecht ist […] eine staatliche Prämierung des integrationsspezifischen Mehrwerts solcher Religionsgemeinschaften, die aus freien Stücken bereit und fähig sind, sich und ihre Mitglieder in den freiheitlichen deutschen Verfassungsstaat der Gegenwart einzufügen und diesen an seinen gesellschaftlichen Wurzeln zu stabilisieren; insofern ist es ein Instrument mittelbarer staatlicher Einflussnahme auf die permanente Integration im Innern des Staates“.49 Entgegengewirkt werden soll der Entstehung von Religionskonflikten im engeren Sinne. Der fünfte und letzte Absatz steht im Zeichen der Kooperationsfunktion. Während die Präambeln der christlichen Staatskirchenverträge ein bereits bestehendes Verhältnis näher beschreiben, übernimmt Absatz 5 der Präambel der Vereinbarung die grundgesetzliche Wertung eines partnerschaftlichen Kooperationsverhältnisses im Kontext einer freundlichen, förderlichen Trennung,50 das durch nachfolgende Bestimmungen näher ausgestaltet wird. 45 Der Duktus dieses Absatzes ist an den fünften Absatz der Präambel des Katholischen Kirchenvertrags Hamburg angelehnt, der allerdings mit der Normierung des Öffentlichkeitsauftrages eine konkrete rechtliche Befugnis der Kirche bestimmt. In der Präambel des Evangelischen Kirchenvertrags Hamburg klingt der Öffentlichkeitsauftrag in Absatz drei lediglich an. Im Gegensatz zum Heiligen Stuhl soll sich die NEK gehütet haben, „sich von einem Staat, den niemand als christlich bezeichnet, eine gesellschaftliche Nützlichkeit [ihres] Glaubens bescheinigen zu lassen“, vgl. Chowaniec zit. Ernst Gottfried Mahrenholz mit einem Beitrag in Glaubenssachen am 21. 05. 2006, ZevKR 54 (2009), S. 445 (464). 46 Dieser Gedanke, ursprünglich anhand der christlichen Kirchen entwickelt, schlägt sich nun auch in der Präambel der Vereinbarung nieder. Vgl. zum Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses der neuen Länder durch Staatskirchenverträge, S. 353. 47 Siehe ebenda. 48 Dieser Absatz findet keine Entsprechungen in den zuvor ergangenen christlichen Staatskirchenverträgen. 49 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 (320). 50 Dies entspricht der vorherrschenden Meinung in der Wissenschaft und der Rechtsprechung des BVerfG. Der letzte Absatz steht, innerhalb der Grenzen der Neutralität des Staates, im Zeichen einer fördernden („positiven“) Neutralität des Staates, vgl. zu dieser Interpretation des Trennungsgedankens für die Literatur Waldhoff, NJW-Beil. 2010, S. 90 (91). Für die Rechtsprechung vgl. BVerfGE 41, 29 (64); BVerfGE 93, 1 (22); BVerfGE 123, 148 (183 f.).

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

II. Artikel 1: Glaubensfreiheit und Rechtsstellung Die die Vereinbarung einleitende Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Vereinbarung gibt deklaratorisch die Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 GG wieder. Art. 1 Abs. 2 Vereinbarung beinhaltet das System der kollektiven Glaubensfreiheit. Neben der Absicherung und Perpetuierung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechtes in seiner abwehrrechtlichen Dimension wird zugleich deutlich, dass die islamischen Verbände über den Religionsgemeinschaftsstatus verfügen. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Vereinbarung orientiert sich an Art. 1 Evangelischer Kirchenvertrag Hamburg, der Titel „Glaubensfreiheit und Rechtsstellung“ wurde übernommen.51 Das Toleranzgebot und der Neutralitätsgrundsatz, deren Aufnahme durch die TGH angeregt wurde,52 verleihen dieser Bestimmung ihr Eigengepräge. Mit ihrer inter partes Wirkung53 erfasst die Vereinbarung de facto nur die Verbände als juristische Personen sowie deren Mitglieder als deren Begünstigte. Der symbolische Gehalt, auch entsprechend der Zielvorstellung der Sozialintegration, zeigt sich daran, dass von dem „islamischen Glauben“ im Allgemeinen und nicht von einer konkreten Glaubensrichtung gesprochen wird. Das „Muttergrundrecht“ Religionsfreiheit ist wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil von Staatskirchenverträgen.54 Darin diente es regelmäßig der Absicherung und Perpetuierung55 der Freiheitsrechte der christlichen Kirchen und ist darauf gerichtet, „ein Höchstmaß an innerer Freiheit und Selbstbestimmung zu erreichen, [die] günstige Voraussetzungen zur Erfüllung ihres [religionsgemeinschaftlichen] Auftrags in der Welt [sind], die ihrerseits wiederum für den freiheitlichen Verfassungsstaat von herausragender Bedeutung“56 sind. Diese funktionale Bedeutung kann auf Verträge mit Minderheitenreligionen nicht übertragen werden,57 da diese 51 Der Begriffsgebrauch der „Glaubensfreiheit“ ist auch für christliche Staatskirchenverträge üblich, aber ungenau, er hat regelmäßig keine praktischen Auswirkungen, auch nicht in Hinblick auf das Schutzniveau. Vgl. dazu Korta, Der katholische Kirchenvertrag Sachsen, S. 90. 52 Notwendig sei nach Auffassung der Verbandsvertreter der TGH die „Betonung der Neutralität des Staates sowie der Notwendigkeit der Gesetzestreue der religiösen Gemeinschaften und ihrer Mitglieder, die der Vorstellung entgegenwirkt, dass unter dem Gesichtspunkt religiöser Anschauungen die Beachtung staatlicher Gesetze relativiert werden könne“. Vgl. dazu das Ergebnisprotokoll v. 05. 11. 2007 der Hamburgischen Senatskanzlei des Gesprächs mit der TGH v. 19. 09. 2007, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 53 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (300 f.); ders., in: FS Maurer, S. 333 (338 f.). 54 Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (148). 55 Diese Vertragsfunktionen prägen regelmäßig die entsprechenden Artikel der christlichen Staatskirchenverträge, dazu Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 70 m. w. N. 56 Uhle, Staat – Kirche – Kultur, S. 62. 57 Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (148).

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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von einem (historischen) Verständnis, das die Religion stets aus der (christlichen) Mehrheitsperspektive und nicht primär aus der Sichtweise eines individuellen Minderheitenrechts begreift, ausgeht.58 In Art. 1 Vereinbarung geht es weniger um die Anerkennung einer religionsgemeinschaftlichen Eigenständigkeit, denn um die institutionelle Verhältnisbegründung zwischen den Vereinbarungsparteien. In der Konkretisierung der einzelnen Regelungsaspekte der Religionsfreiheit durch die nachfolgenden Bestimmungen ist vor allem die Betonung der Schutzfunktion im Sinne der Achtung von und der Toleranz gegenüber islamischer Religionsausübung zu sehen. Es ist davon auszugehen, dass den Verbänden eher weniger an einer Abgrenzung zum Staat gelegen war. Die Religionsfreiheit ist umfassend geschützt. Der Wortlaut des Titels kann so gedeutet werden, dass sich die Schutzgewährleistung auch auf die im forum internum wurzelnde Ausbildung und Beibehaltung und demnach auch auf den Wechsel des Glaubens bezieht, der „im Islam“ ein erhebliches Konfliktpotential birgt und der eng mit der Frage nach der innerislamischen Toleranz verbunden ist. Die Aufgliederung in Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit dient der Klarstellung. Mit der Einstufung der Religionsfreiheit als einem einheitlichen Grundrecht wird zudem ein höheres59 Schutzniveau erreicht, da nicht nur einzelne Dimensionen dem objektiven Schutzbereich unterliegen. Die grundsätzlich religionsfördernde Haltung des Senats sowie der grundlegende (rechtspolitische) Gesprächsvorschlag, „den Glauben der Muslime zu respektieren“, sprechen für eine solche Interpretation. Der Begriff der Toleranz findet sich nicht im Grundgesetz, er wird lediglich in wenigen Landesverfassungen im Rahmen schulrechtlicher Bestimmungen verwendet.60 Er fußt auf der Anerkennung eines pluralistischen Gemeinwesens und dient der „Konfliktverhütung“ im gesamtgesellschaftlichen Raum.61 Gerade darin, dass die Aufnahme des Toleranzgebotes und des Neutralitätsgrundsatzes in eine umfassende Vereinbarung zwischen Staat und religiöser Gemeinschaft atypisch ist, deuten sich bestimmte, in Zusammenhang mit dem islamischen Vereinbarungspartner stehende Problemfelder an.62 Der Konfliktverhütung dient auch die Aufnahme des Neutralitätsgrundsatzes in die Vereinbarung. Wie Heinig resümiert, gibt es „keinen prominenten religionsrechtlichen Rechtsstreit, bei dem der Neutrali58

Siehe ebenda. Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 58 f. 60 Debus, Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S. 112. Siehe weiterhin die Landesverfassungen von Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. 61 Debus, Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S. 130. 62 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 1. – 4. Zu diesen konkreten Problemfeldern vgl. insbes. Matyssek, in: Muckel, Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaates, S. 158 (178 ff.). 59

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

tätsgrundsatz nicht eine wesentliche Rolle spielt“.63 Die islamischen Verbände bringen ihre Bereitschaft zum Ausdruck, konfligierende Interessen in einen Ausgleich zu bringen und so möglicherweise entstehende „Kulturkonflikte“ bereits im Keime zu ersticken. Weiterhin könnte die Aufnahme des Neutralitätsgedankens in Art. 1 Abs. 2 S. 1 Var. 2 Vereinbarung in einem weiterführenden Kontext auch als Anerkennung der Bereitschaft zur paritätischen Behandlung von Muslimen und ihren organisatorischen Zusammenschlüssen gedeutet werden.

III. Artikel 2: Gemeinsame Wertegrundlagen Die Festschreibung gemeinsamer Wertegrundlagen ist Ausdruck des Einverständnisses, gemeinsam bestimmten Kultur- und damit auch Rechtskonflikten zu begegnen. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Absichtserklärung, die sich auf die Anerkennung der Wertegrundlagen des Grundgesetzes unter besonderem Verweis auf die Unantastbarkeit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG bezieht. In ihr manifestiert sich der Konsens, eine gemeinsame Basis zu schaffen, was als Geist der Vereinbarung angesehen werden kann.64 Der Inhalt von Art. 2 Vereinbarung ist maßgeblich durch die Eigenart des islamischen Vereinbarungspartners und die spezifische Situation der Muslime in Deutschland, die teilweise auch durch ein divergierendes Gesellschafts- und Rechtsverständnis bestimmt wird, geprägt. Eine aktuelle historische und kontextuelle Anpassung von Vereinbarungsbestimmungen an die Situation der kontrahierenden Religionsgemeinschaft ist indes nicht atypisch, so wird in Staatskirchenverträgen mit jüdischen Gemeinden die Anerkennung der aktuellen und historischen Verpflichtung und Verantwortung seitens des staatlichen Vertragspartners dargelegt.65 Art. 2 Vereinbarung nimmt den integrationsfördernden „roten Faden“66 der Präambel auf und konkretisiert die „integrative Eintrittsobliegenheit“ vor allem in Hinblick auf die Ächtung von (vor allem geschlechtsspezifischer) Gewalt. Die Bestimmung ist vor allem in der Hinsicht von symbolischem Gehalt, als es sich hier um individuelle Glaubensüberzeugungen handelt, eine derartige Bekenntnis- oder Handlungsverpflichtung des Einzelnen durch eine solche Vereinbarung aber nicht begründet werden kann.67 Insofern gilt dieses Bekenntnis, das auch 63

Heinig, Verschärfung der oder Abschied von der Neutralität?, S. 1136. Diesen Hinweis hat die Verfasserin Herrn Prof. Dr. Hense zu verdanken. 65 Dazu Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 103, 476. 66 Demel, KuR 2013, S. 93. 67 So die wohl allgemeine Auffassung, vgl. Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 475. Siehe ferner auch die Internetseite der Stadt Hamburg, Fragen und Antworten zu den Verträgen mit den musli64

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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als „Bringschuld“ bezeichnet wird,68 vor allem für die islamischen Verbände. Aus einer verfassungskonformen Auslegung folgt, dass das moscheegemeindliche Innenleben hier nicht berührt werden darf, da ansonsten ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs. 3 WRV anzunehmen wäre.69 Mit Blick auf den Koran dürften manche Punkte jedoch problematisch anmuten, Gerhard Scheffler verweist darauf, dass vor allem der Gesichtspunkt einer diskriminierungsfreien sexuellen Orientierung keine Akzeptanz finden dürfte, da im Koran Homosexualität verboten und mit dem Tode bedroht ist.70 Die Rechtstreue der Religionsgemeinschaft im Allgemeinen wird im Übrigen durch die Bestimmung zum Religionsunterricht indirekt sichergestellt, da es sich dabei um eine Voraussetzung zur Erteilung von bekenntnisorientiertem ordentlichem Religionsunterricht handelt.71 In diesem Sinne vermittelt Art. 2 Vereinbarung die Akzeptanzwerbung und das Eintreten für die Werte- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.72 Zu möglichen Kompatibilitätsproblemen inhaltlicher Art73 zählt auch die in der Protokollerklärung zu Art. 2 Abs. 2 Vereinbarung anklingende „Kopftuchfrage“, die auch in der Vergangenheit häufiger Gegenstand von Gerichtsurteilen war. Das Hamburger Landesrecht verfügt nicht über eine entsprechende Rechtsgrundlage, mit dem Passus der „ungerechtfertigten Beschränkung“ wird auf die geltende Rechtslage verwiesen.74 Aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage eines

mischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde v. 14. 08. 2012, S. 2, abrufbar unter: http:// www.hamburg.de/contentblob/3552084/8362ed08c9b828fe2ba87c1f7aeade83/data/downloadfaq-vertraege-muslime.pdf (Stand: 17. 04. 2017). 68 Sprechen von „Bringschuld“ Demel, KuR 2013, S. 93 (97); Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 476. 69 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 10. 70 Siehe ebenda. 71 Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 D. II. 2. b). 72 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 476. 73 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 3. a), b), c). 74 Das BVerfG entschied in seinem Urteil vom 24. September 2003, dass die Klärung der Frage, ob muslimische Lehrerinnen während des Unterrichts ein Kopftuch tragen dürfen, in die Kompetenz der Länder falle, vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats v. 24. 09. 2003 – 2 BvR 1436/02. Diese Entscheidung wurde durch den Ersten Senat des BVerfG in seinem am 27. 01. 2015 ergangenen Beschluss weiter präzisiert. Darin heißt es: „Die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität ist nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung. In Hinblick auf die Regelung aus § 57 Absatz 4 Satz 1 und 2 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes erklärte das BVerfG zudem: „Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen ist mit der Verfassung nicht vereinbar“, vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats v. 27. 01. 2015 – 1 BvR 471/10.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

AfD-Abgeordneten vom 24. 02. 2017 geht hervor, dass es keine Rechtsverfahren gab und gibt, die in Zusammenhang mit der Kopftuch-Thematik stehen.75 Art. 2 Absatz 2 Vereinbarung hat die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Teilhaberechte von Mädchen und Frauen am öffentlichen Leben zum Gegenstand, Teilhaberechte sollen nicht von Dritten bestritten oder vorenthalten werden dürfen.

IV. Artikel 3: Islamische Feiertage Der Feiertagsschutz, verfassungsrechtlich in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV geregelt, ist häufig Gegenstand von Staatskirchenverträgen.76 Im Allgemeinen gilt, dass an Feiertagen das Geschäftsleben und die Erwerbsarbeit pausieren.77 In Hamburg wird der Feiertagsschutz durch das Gesetz über Sonntage, Feiertage, Gedenktage und Trauertage (Feiertagsgesetz) von 1957 konkretisiert, auf das Art. 3 Vereinbarung verweist. Das Begehen der darin aufgezählten islamischen Feiertage des Opfer-, Ramadan- und Aschurafestes ist von wesentlicher Bedeutung in der islamischen Religionsausübung, was bislang im Rahmen entsprechender Verwaltungsanweisungen Berücksichtigung fand.78 Im Feiertagsgesetz wird zwischen „gesetzlichen“ Feiertagen im Sinne des § 1 Feiertagsgesetz und „kirchlichen“ Feiertagen nach § 3 Feiertagsgesetz differenziert. Einer „zweiten79 Klasse“ an Feiertagen sind dem Wortlaut und der Systematik nach auch die in Art. 3 Vereinbarung normierten Feste zuzuordnen, woraus folgen müsste, dass für sie im Verhältnis zu den gesetzlichen Feiertagen ein eingeschränktes Schutzniveau in der Hinsicht gelten müsste, dass die zeitlich begrenzte Möglichkeit zum Gottesdienstbesuch während der Arbeits- und Schulzeit gewährt wird. Durch die Konkretisierung in der Protokollerklärung, dass „die ganztägigen Ausgestaltungen des Ramadan-Festes und des Opferfestes für die muslimischen Gemeinden gleichbedeutend […] mit gottesdienstlichen Handlungen“ seien, kommt den islamischen Feiertagen de facto jedoch 75

Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) v. 03. 03. 2017, Drs. 21/8116. 76 Dazu Demel, KuR 2013, S. 93 (99); Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV Rn. 9. 77 Demel, KuR 2013, S. 93 (99); siehe dazu auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats v. 27. Oktober 2016, 1 BvR 458/10. 78 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 21, der auf die „Richtlinien und Hinweise für die Erziehung und den Unterricht ausländischer Kinder und Jugendlicher in Hamburger Schulen“ der Behörde für Schule und Berufsbildung von 1968 verweist. Danach sind „an religiösen Feiertagen […] ausländische Kinder und Jugendliche, die der entsprechenden Religion angehören, vom Schulbesuch zu befreien. An nationalen Feiertagen wird den betreffenden Schülern im Allgemeinen keine besondere Unterrichtsbefreiung gewährt.“ 79 Es kann zwischen den öffentlichen Feiertagen, den kirchlichen Feiertagen sowie den geschützten Tagen unterschieden werden, dazu m. w. N. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 332.

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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ein umfassendes Schutzniveau zu, das den gesetzlichen Feiertagen und damit der umfassenden Sonntagsruhe entspricht. Dieser vollgültige Feiertagsschutz wird jedoch nicht durch Art. 3 Vereinbarung erreicht, sondern durch das Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes in der Änderung vom 19. Juni 2013, dem die Bürgerschaft mittels Zustimmungsgesetz zugestimmt hat. Dadurch wurde § 3a Feiertagsgesetz eingefügt, der die in den Vereinbarungen genannten islamischen Feiertage ausdrücklichen den Feiertagen der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften gleichstellt80 und der mit § 3 Vereinbarung auf § 3 Feiertagsgesetz statisch verweist. Der konsentierte Regelungsinhalt des § 3 Vereinbarung charakterisiert sich dadurch, dass er einen Verweis auf das einfache Recht enthält. Das Ergebnis einer den gesamten Tag umfassenden Festtagsdauer findet seinen Grund vor allem darin, dass sich allgemeingültige sachliche oder zeitliche Regeln für religiöse Riten im Rahmen islamischer Festtage schwerlich bis gar nicht aufstellen lassen und in diesen auch häufig die soziale Interaktion eine wichtige Rolle spielt. Da die zeitliche Datierung der Feste dem Mondkalender folgt, verpflichten sich die islamischen Verbände zur Bestimmung und Bekanntgabe im Vorhinein. An dieser Bestimmung zeigen sich die Kompatibilitätsprobleme mit einer christlich geprägten Rechtsauslegung. Mit dem Einfügen von § 3a Feiertagsgesetz, auf den Art. 3 Vereinbarung verweist, hat sich die Senatskanzlei einer behelfsmäßigen Konstruktion bedient, die in Zusammenhang mit der an späterer Stelle behandelten rechtssystematischen Einordnung der Vereinbarung steht und demnach politisch motiviert war.

V. Artikel 4: Bildungswesen Art. 4 Vereinbarung bekräftigt das sich auch aus dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV ergebende Recht, Bildungs- und Kultureinrichtungen zu unterhalten. Dem liegt eine integrative Zielbestimmung zu Grunde, nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung soll auf diesem Wege ein öffentliches Bewusstsein geschaffen und so die Akzeptanz für das Wirken der islamischen Verbände in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit gesteigert werden. Die in Moscheevereinen übliche Bildungs- und Sozialarbeit erschöpft sich nicht nur in der Erteilung von Koranunterricht. Einbezogen werden sollen auch bestimmte Zielgruppen, wie Frauen oder Studenten.81 Durch übergreifende Kul-

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Demel, KuR 2013, S. 93 (100). Wie islamische Organisationen im Allgemeinen bemühen sich auch der DITIB-Landesverband, die Schura und der VIKZ um die Professionalisierung und nachhaltige Gestaltung ihrer sozialen Arbeit. Im Rahmen der Vereinbarungsverhandlungen wurde auch die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe thematisiert und das vom Vereinbarungsabschluss unabhängige Verfahren erklärt. Zu den Professionalisierungsbestrebungen von islamischen Verbänden vgl. Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 30. 81

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

turveranstaltungen, wozu auch der „Tag der offenen Moschee“ zählt, soll öffentlichkeitswirksam über „den Islam“ informiert werden. Während in Staatskirchenverträgen fortlaufende und wiederkehrende staatliche Leistungszusagen gegeben werden, wird in der allgemeinen Absichtserklärung des Art. 4 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung eine anlassbezogene Subventionierung lediglich für möglich befunden.82 Ein Anspruch der Religionsgemeinschaften auf Unterstützung von Religionsgemeinschaften in Form zweckgebundener Zuwendungen kann daraus nicht abgeleitet werden. Der Inhalt von Art. 4 Abs. 2 Vereinbarung ist rein deklaratorisch. Während im Textentwurf von Oktober 2011 zusätzlich noch eine Konkretisierung der allgemeinen Schulpflicht in Hinblick auf „die Teilnahme von Mädchen und Jungen am Schwimmunterricht, am Sexualkundeunterricht sowie an schulischen Klassenfahrten“ enthalten war, findet sich im Textentwurf zur Vereinbarung die Anmerkung, dass Gesprächsbedarf des Senats bestehe, da die Verbände geltend gemacht hatten, dass die Religionsfreiheit auch Einschränkungen der Schulpflicht bedingen könne.83

VI. Artikel 5: Hochschulausbildung Der „Religionsunterricht für alle“ soll auch durch in islamischer Theologie ausgebildete Lehrkräfte erteilt werden, so dass Hamburg eine Ausbildungsstätte für islamische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Hamburg fördert. Die durch Art. 5 Vereinbarung konsentierte Lehrerausbildung gewährleistet einen Grundrechtsvoraussetzungsschutz für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts nach Art. 6 Vereinbarung.84 Nach der Protokollerklärung zu Art. 5 Vereinbarung liegt der Schwerpunkt zunächst auf der Gewinnung von in Deutschland ausgebildeten schulischen Lehrkräften, da sich hierzulande sozialisierte Lehrkräfte besser auf die spezifischen Bedürfnisse und Probleme ihrer Schüler mit Migrationsvergangenheit einstellen könnten.85 Die im Jahr 2010 an der Universität Hamburg 82

Es handelt sich dabei nicht um die in Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 und 2 WRV normierten Staatsleistungen als fortlaufende, regelmäßig wiederkehrende vermögenswerte Leistungen. Vgl. für „islamische Staatskirchenverträge“ Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (160). Allgemein zu Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften Isensee, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 1009 ff. Für die jüdischen Staatskirchenverträge siehe auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 329. 83 Entwurf der Hamburgischen Senatskanzlei für Art. 4 Vereinbarung v. Oktober 2011, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02, S. 6. 84 Zur Lehrerausbildung als Grundrechtsvoraussetzungsschutz siehe Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (154); Janke, Institutionalisierter Islam an staatlichen Hochschulen, S. 42 ff., 90, 124, begründet den Anspruch zudem mit dem Grundsatz der Parität. Vgl. auch Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 439 (473). 85 Schreiben des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ an die Senatskanzlei v. 15. 05. 2009, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02.

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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gegründete Akademie der Weltreligionen bot dabei eine Basis, um einen Bereich der Islamischen Studien aufzubauen, ab Wintersemester 2015/16 wurden die neuen Studiengänge der alevitischen und islamischen Religion für das Lehramtsstudium eingeführt, inzwischen bestehen zwei Professuren für Islamische Theologie.86 Die wissenschaftliche Ausbildung von Religionslehrern unterfällt dem Gewährleistungsinhalt des Art. 7 Abs. 3 GG.87 Den islamischen Verbänden wird dabei die Möglichkeit zur Stellungnahme vor der Berufung eines Hochschullehrers sowie die Gelegenheit zur Äußerung zu Lehrinhalten, soweit schwerwiegende Abweichungen von den islamischen Glaubensgrundsätzen geltend gemacht werden, eingeräumt. Weiterhin sollen sie in die Erarbeitung von Grundsätzen für eine Akkreditierung von Studiengängen und Formulierung von Prüfungsanforderungen einbezogen werden. Um eine Verpflichtung Hamburgs auszulösen, müssen die Stellungnahmen einheitlich durch alle Verbände gemeinsam abgegeben werden. Diese Rechte der islamischen Verbände sind als sehr schwach ausgestaltete Ansprüche einzuordnen, da sie überdies von der Bedingung der einheitlichen Abgabe der Stellungnahme durch die islamischen Verbände abhängig gemacht wird. Auch dem Heiligen Stuhl und Hamburg stehen unter anderem nach der die Staatskirchenverträge konkretisierenden Vereinbarung vom 18. Mai 201088 weiterreichende Mitwirkungsrechte zu, wonach der Studiengang selbst und die Studien- und Prüfungsordnung gemeinsam im Einvernehmen mit dem Hamburger Erzbischof entwickelt werden,89 dessen Einverständnis ferner für die Änderung und Aufhebung erforderlich ist.90 Dies sorgte für nicht unerhebliche Kontroversen während der Verhandlungen, seitens der islamischen Verbandsvertreter wurde kritisiert, dass ihnen die aktive Mitbestimmung an den erforderlichen Entscheidungen verwehrt sei. Es wird deutlich, dass Hamburg die Kontrolle über die Ein- und Durchführung der entsprechenden Studiengänge behalten will, islamischer Religionsunterricht stellt weiterhin ein rechtlich schwieriges und gesellschaftlich sensibles Thema dar.

VII. Artikel 6: Religionsunterricht In Staatskirchenverträgen ist regelmäßig das Recht zur Ausrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts enthalten. Art. 6 Vereinbarung erhält seine 86 Der Bachelor-Teilstudiengang „Islamische Religion“ richtet sich an Abiturientinnen und Abiturienten, die an der Universität Hamburg Lehramt der Primar- und Sekundarstufe I studieren wollen. Vgl. dazu die folgende Internetseite, abrufbar unter: http://www.awr.uni-ham burg.de/studium/lehramtsausbildung.html (Stand: 18. 05. 2017). 87 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 14. 88 Demel, KuR 2013, S. 93 (102). 89 Zum Inhalt der Vereinbarung vgl. die folgende Internetseite der Stadt Hamburg, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/2266734/2010-05-18-vertrag-fhh-vatikan/ (Stand: 18. 05. 2017). 90 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 465 f.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Besonderheit zunächst dadurch, dass in Hamburg seit 1964 das Modell eines „dialogische[n] und konfessorische[n] Miteinander[s] am Religionsunterricht“ praktiziert wird,91 wonach alle Schüler konfessionsübergreifend teilnehmen und sich aktiv zu ihrer eigenen Glaubenshaltung bekennen sollen.92 Diese Religionsunterrichtskonzeption, deren Verfassungsmäßigkeit bereits angezweifelt wurde, soll durch Art. 6 Vereinbarung weiterentwickelt werden. 1. Der „Religionsunterricht für alle“ Vor allem durch die religiöse Diversität93 in Hamburg bedingt, soll es im Hamburger „Religionsunterricht für alle“ nicht um neutrale Informationsvermittlung über die verschiedenen Religionsbekenntnisse gehen, sondern die Schüler sollen sich aktiv zu ihrer eigenen Glaubenshaltung bekennen können. Als Ansprechpartnerin der Schulverwaltung fungierte bislang die NEK nach § 7 Hamburgisches Schulgesetz,94 eine „Gemischte Kommission Schule/Kirche“ sollte die Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen in der Durchführung und Gestaltung des Religionsunterrichtes sicherstellen.95 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Religionsunterrichtskonzeption wurde insbesondere in Hinblick darauf, dass Religion ein Ausschließlichkeitsanspruch immanent sei, stark angezweifelt.96 Der zu dieser Frage beauftragte Rechtswissenschaftler Christoph Link kam in einem Rechtsgutachten „Über die Vereinbarkeit des Hamburger Modells eines ,Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung‘ mit Artikel 7 Abs. 3 GG“ zu Recht zu dem Ergebnis, dass sich dieser „noch innerhalb der – allerdings sehr weit gezogenen – Toleranzgrenzen des Verfassungsbegriffs Religionsunterricht“ befinde.97 Link zufolge gehe es im Kern eines konfessionellen Religionsunterrichts darum, die existenziellen Fragen nach Wahrheit ernst zu nehmen und den Schülern die Möglichkeit zu eröffnen, auch in Auseinandersetzung mit religiösen Traditionen eigene Wege zur Wahrheit zu suchen. Für grundlegend befindet er, dass die betreffenden Gemeinschaften eine inhaltliche Schwerpunktset91

Dazu Link, Rechtsgutachten „Religionsunterricht für alle“, S. 3 m. w. N. Dazu auch diese Arbeit Teil 4 D. IV. 1. 93 Zum Religionsunterricht in der pluralistischen Gesellschaft des modernen Verfassungsstaates und zum „Religionsunterricht für alle“: Heckel, in: FS Starck, S. 1093 ff.; Ogorek, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR II, 3. Aufl., S. 1799 (1838 ff.). 94 Dass die NEK bislang die Rolle der alleinigen Ansprechpartnerin einnahm, fand ihren Grund darin, dass andere religiöse Gemeinschaften nicht über den Religionsgemeinschaftsstatus verfügten, dazu Bauer, ZevKR 50 (2014), S. 227 (228). 95 Vgl. auch die Ordnung des Religionsunterrichts auf Hamburger Staatsgebiet – Gemeinsame Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche auf Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts. 96 Zur verfassungsrechtlichen Diskussionslage um den Religionsunterricht für alle m. w. N. Bauer, ZevKR 50 (2014), S. 227 (238 ff.). 97 Link, Rechtsgutachten „Religionsunterricht für alle“, S. 14. 92

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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zung vornähmen und nicht alle möglichen religiösen und weltanschaulichen Sinnstiftungsangebote gleichgültig darböten.98 Weiterhin müssten die Lehrkräfte zur Erteilung des Unterrichts autorisiert sein und über eine anerkannte Religionslehrerausbildung verfügen. 2. Die Bestimmung des Art. 6 Vereinbarung als „Herzstück“ Zwar ist Art. 6 Abs. 1 Vereinbarung als allgemeine Absichtserklärung formuliert und ein Anspruch der islamischen Verbände lässt sich nicht ableiten, angesichts der Bedeutsamkeit, die die Ausrichtung von Religionsunterricht für eine jede Religionsgemeinschaft hat und wegen der diesbezüglichen erfolglosen Bestrebungen islamischer Gemeinschaften in der Vergangenheit, kann in dieser Bestimmung das Herzstück der Vereinbarung gesehen werden. Der „Kompromisscharakter“99 zeigt sich jedoch vor allem darin, dass die Bestimmung gewissermaßen ein „Spagat“ zwischen Verfassungsrechtslage und der Weiterentwicklung dieser spezifisch hamburgischen Religionsunterrichtsform ist. Absatz 1 enthält ein deklaratorisches Bekenntnis zum Modell des „Religionsunterrichts für alle“, in Absatz 2 wird das Recht der islamischen Religionsgemeinschaften, Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG verlangen zu können, anerkannt. Art. 6 Abs. 2 Vereinbarung beinhaltet nur einen Verweis auf Art. 7 Abs. 3 GG.100 Die Verfassungsmäßigkeit des Hamburger Modells wird angesichts seiner Weiterentwicklung weiterhin ein Thema bleiben.101 Lutz-Bachmann kritisiert, dass der Staatskirchenvertrag erst dann das geeignete Regelungsinstrument sei, wenn organisatorische Grundlagen bereits feststünden.102 Dem ist zwar zuzustimmen, wobei aber in Betracht zu ziehen ist, dass bestimmte Prozesse in der Rechtspraxis maßgeblich angestoßen oder befördert werden können.103 Hier ist die (symbolische) Wirkung einer lange ausgehandelten Regelung nicht zu unterschätzen. Nach der Protokollerklärung zu Art. 6 Abs. 1 Vereinbarung soll der „Religionsunterricht für alle“ innerhalb der kommenden fünf Jahre in Hinblick auf Schulpraxis, Didaktik und Rahmenpläne, Lehrerbildung und -zulassung sowie auf den institutionellen Rahmen weiterentwickelt werden. Diese Bestimmung trägt vornehmlich den Charakter einer verwaltungsrechtlichen Durchführungsverordnung. Eine einjährige Vorbereitungs- und Planungsphase ist 2013 eingeleitet worden. Dem schloss sich eine fünfjährige Erprobungsphase an, in welcher in Arbeitsgruppen-Gesprächen die Weiterentwicklung des institutionellen 98

Link, Rechtsgutachten „Religionsunterricht für alle“, S. 12 f. So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 470. 100 Demel spricht von „weiser Formulierung“. Demel, KuR 2013, S. 93 (101). 101 Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 D. IV. 1. 102 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 469. 103 Siehe ebenda. 99

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

und inhaltlichen Rahmens behandelt wird.104 Derzeit tagen diese Arbeitsgruppen monatlich auf Arbeits- und halbjährlich auf Leitungsebene. Mit dem Schuljahr 2014/ 15 wurden die Inhalte des Religionsunterrichts an zwei Schulen in Hamburg gleichberechtigt von der jüdischen Gemeinde Hamburg, der Nordkirche, den islamischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde verantwortet, im Schuljahr 2016/ 2017 wurde die Pilotierung um jeweils zwei Klassen zweier Grundschulen und mehrerer 5. und 6. Klassen in mehreren Stadtteilschulen erweitert.105 Unterrichtet wird nur durch staatliche evangelische, islamische und alevitische Lehrkräfte, die nach einem grundständigen Lehramtsstudium in evangelischer oder islamischer Theologie über Fachfakultas verfügen oder an Qualifizierungskursen teilgenommen haben.106 Die Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg bietet seit dem Wintersemester 2015/2016 als Bachelor-Teilstudiengänge Islamische Religion und Alevitische Religion unter Beachtung der dialogischen Unterrichtskonzeption an, ein Referendariatsmodell wird am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung entwickelt.107 Die nähere Ausgestaltung wird Gegenstand von Einzelvereinbarungen sein.108 Diskutiert werden zwei Modelle, wonach entweder evangelische und muslimische Religionslehrer abwechselnd für eigene religiöse Deutungen einstehen oder in integrativer Hinsicht Lehrer ausbilden, die „Auskunft über die jeweils andere Religion“ geben können. Dieser Lehrer müsste freilich Muslim mit Befähigung zum Lehreramt sein und über eine religionspädagogische Ausbildung verfügen.109

VIII. Artikel 7: Religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen Die Bestimmung des Art. 7 Vereinbarung, die ein Besuchsrecht muslimischer Betreuer regelt und die Einhaltung islamischer Speisevorschriften in der anstaltsmäßigen Unterbringung absichert, gibt den Regelungsgehalt der Bestimmung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV wieder und orientiert sich an Art. 8 Katholischer Kirchenvertrag Hamburg. Die Gewährleistung von religiöser Betreuung bei nicht104 Näher dazu Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien und Christoph de Vries (CDU) v. 27. 06. 2014, Drs. 20/12206, S. 2 f. Weiterführende Informationen gibt auch die Internetpräsenz der Vereinigung der Religionslehrerinnen und Religionslehrer e. V., abrufbar unter: http://www.vhrr.de/schule-ru-f%C3%BCr-alle/derhamburger-weg/ (Stand: 28. 04. 2017). 105 Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) v. 13. 09. 2016, Drs. 21/5841, S. 4. 106 Siehe ebenda. 107 Für nähere Informationen siehe die folgenden Internetseiten, abrufbar unter: http://www. awr.uni-hamburg.de/studium/lehramtsausbildung.html (Stand: 28. 04. 2017); http://www.vhrr. de/schule-ru-f%C3%BCr-alle/der-hamburger-weg/ (Stand: 28. 04. 2017). 108 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 471. 109 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 13.

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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staatlichen Trägern sowie das Angebot einer islamische Speisevorschriften beachtenden Ernährung sind als allgemeine Absichtserklärungen formuliert. Zu den öffentlichen Einrichtungen in Hamburg zählen das Universitätskrankenhaus und die Gefängniskrankenhäuser. Die Bestimmung des Art. 7 Vereinbarung erwächst aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit des Einzelnen, die sie zugleich absichert und effektiviert;110 im Verhältnis zur herkömmlichen Anstaltsseelsorge verfügt sie über ein niedrigeres Schutzniveau. Der entscheidende Unterschied zur grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV zeichnet sich in der differierenden Terminologie ab, anstatt des auch in Staatskirchenverträgen herkömmlichen Begriffes des „Seelsorgers“ findet in Art. 7 Vereinbarung der weitere Begriff der „religiösen Betreuung“ Verwendung. Denn diesem stehen, anders als einem Geistlichen, dem ein entsprechendes Amt, das mit einer herausgehobenen Stellung innerhalb der Religionsgemeinschaft einhergeht111 und einem hinreichend konkreten Berufsbild der privilegierten Personengruppe112 angehört, keine Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 53, 53a StPO zu.113 Derzeit wirken zwei Imame als religiöse Betreuer in Hamburgs Justizvollzugsanstalten, das Angebot gibt es bereits seit längerem.114 Ein islamischer Betreuer wirkt in der Untersuchungshaft bereits seit zehn, in der JVA Billwerder seit vier Jahren.115 Aus diesem Umstand folgt, dass Art. 7 Vereinbarung vor allem deklaratorischer Natur ist. Scheffler ist insoweit zuzustimmen, als die Betreuung durch Mitarbeiter der DITIB unzulässig ist, da sie als Imame der Dienstaufsicht der Konsulate bzw. dem Diyanet unterstehen.116 Im Übrigen sind die Betreuer vorab auch zur Durchführung einer Eignungsprüfung für die Zutrittsberechtigung durch die islamischen Verbände zu benennen, vgl. Protokollerklärung zu Art. 7 Abs. 1 Vereinbarung.

IX. Artikel 8: Rundfunkwesen Art. 8 Vereinbarung zielt als allgemeine Absichtserklärung darauf ab, dass die in Hamburg lebenden Muslime ihrer religiösen Sendung öffentlichkeitswirksam in 110

Zur dogmatischen Grundlegung und Status der Anstaltsseelsorge siehe Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 238 f. 111 BGH, Beschluss v. 20. 07. 1990 – 2 BJs 64/90 – 4 – StB 10/90, in: NJW 1990, S. 3283. 112 BVerfG, Beschluss v. 25. 01. 2007 – 2 BvR 26/07, Rn. 12 (juris). 113 Vgl. zu dieser Problematik Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (157 f.); Schulten, Die Anstaltsseelsorge im religionsverfassungsrechtlichen Gefüge des Grundgesetzes. 114 Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Dirk Nockemann (AfD) v. 03. 03. 2017, Drs. 21/8118, S. 3. 115 Siehe ebenda. 116 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 16; dazu auch diese Arbeit Teil 4 D. II. 1., IV. 2.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Hörfunk, Fernsehen und den neuen Medien117 Ausdruck verleihen können. Dies soll durch die Gewährung angemessener Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunk durch eine angemessene Vertretung in den Aufsichtsgremien geschehen. Weiterhin ist der staatskirchenrechtlich relevante Komplex des Schutzes vor der Verletzung religiöser Empfindungen Regelungsinhalt. Nach § 15 Abs. 2 NDR-Staatsvertrag bzw. § 11 Abs. 3 S. 1 ZDF-Staatsvertrag sind korporierten Religionsgemeinschaften auf Wunsch angemessene Sendezeiten für die Übertragung gottesdienstlicher Handlungen und Feierlichkeiten sowie sonstiger religiöser Sendungen einzuräumen. Bislang verfügen in Hamburg118 so wie in anderen Ländern regelmäßig nur als staatskirchenrechtliche Körperschaften verfasste religiöse Gemeinschaften über Direktsenderechte oder über eine Mitgliedschaft in den genannten Gremien. Unter Verweis auf die fehlende Korporationsqualität wurde den islamischen Verbänden bislang keine Sendezeit im NDRFernsehen zur Verfügung gestellt.119 Da ein unmittelbarer Zusammenhang des Körperschaftsstatus zu rundfunkspezifischen Gegebenheiten nicht ersichtlich ist, müsste eine Gesetzesänderung nicht erfolgen.120 Angesichts der Staatsferne der Sendeanstalten darf Hamburg die konkrete Programmzusammensetzung nicht (mit-)bestimmen.121 Da an der Vier-Länder-Anstalt Norddeutscher Rundfunk neben Hamburg auch Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Sendegebiet) beteiligt sind, vgl. § 1 Abs. 1 NDR-Staatsvertrag, kann sich Hamburg nur dafür „einsetzen“, dass die islamischen Verbände ihre religiöse Sendung zur rundfunkrechtlichen Grundversorgung der muslimischen Bevölkerung in Hamburg eigenverantwortlich erstellen.122 In Hamburg gibt es ein binnenpluralistisches Modell, so dass auch im privatnützigen Rundfunk die Sicherung der Vielfalt erfolgen muss, vgl. § 42 Abs. 1, 3 Rundfunkstaatsvertrag. Allerdings können an das Programmangebot nicht dieselben hohen Anforderungen wie an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellt werden, solange die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfüllt wird.123 117 Rundfunk stellt den Oberbegriff für Hörfunk, Fernsehen und die neuen Medien dar, näher dazu Bullinger, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 909 (911 f..); v. Campenhausen/ de Wall, Staatskirchenrecht, S. 300. 118 Vgl. dazu die Regelung des § 17 Abs. 1 Nrn. 2, 3 NDR-StV. Ferner sehen die bundesweiten Programme der privaten Rundfunkveranstalter ein Direktsenderecht vor, siehe zu den landesverfassungsrechtlichen und kirchenvertraglichen Regelungen. Dazu Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 285 ff. 119 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Kruse (AfD) v. 02. 05. 2017, Drs. 21/8941. 120 So auch de Wall, Rechtsgutachten NRW 2004, S. 120. 121 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 18. 122 Zu diesem „besonderen Privileg“ näher Flechsig, in: Binder/Vesting, Rundfunkrecht, § 42 RStV, Rn. 3, 23. 123 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 19.

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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Das Gebot der Achtung der sittlichen und religiösen Überzeugungen des Art. 8 Abs. 2 Vereinbarung wiederholt den Normtext von § 3 Abs. 1 S. 1 Rundfunkstaatsvertrag, § 5 Abs. 2 S. 3 ZDF-Staatsvertrag und § 7 Abs. 2 S. 4 NDR-Staatsvertrag und entspricht der Vorgabe des BVerfG nach gegenseitiger Toleranz im Rundfunk.124 Eine faire Art der Darstellung betrifft auch das Verhältnis von „Islam und Islamismus“, die Zurverfügungstellung von Direktsenderechten sei auch aus integrationspolitischer Perspektive sinnvoll. Eine Untersuchung im Zeitraum vom 01. 07. 2005 – 31. 11. 2006 kommt zum Ergebnis, dass die mediale Thematisierung „des Islams“ in ARD und ZDF zu 81 % im Zusammenhang mit Gewalt- und Konfliktthemen stand.125 Nach dem ZDF-Urteil des BVerfG sollen die Länder die Zusammensetzung der ZDF-Gremien im Sinne des Gebots der Vielfaltssicherung und der Staatsferne neu ausrichten.126 In diesem Sinne sind Muslime in Hamburg (nur) im ZDF-Fernsehrat vertreten, vgl. § 21 Abs. 1 q) ii) ZDF-Staatsvertrag.127

X. Artikel 9: Gewährleistung der Vermögensrechte; Errichtung und Betrieb von Moscheen, Versammlungsräumen, Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen Art. 9 Vereinbarung wiederholt die grundgesetzliche Bestimmung des Kirchenguts nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV, in Absatz 2 findet sich der Verweis auf die „geltenden Gesetze“. In Absatz 3 sowie in Absatz 4 werden vor allem Rücksichtnahmepflichten, die zu den allgemeinen Absichtserklärungen zu zählen sind, konsentiert geregelt. Die Errichtung von Moscheen in geeigneten Räumlichkeiten ist angesichts des Fehlens passender Flächen ein Grundproblem der islamischen Verbände in Hamburg, wo sich zahlreiche Moscheen128 in Hinterhöfen, Wohnanlagen oder Tiefga124 Der durch das BVerfG betonte Grundsatz der „Sachlichkeit“, vgl. etwa BVerfGE 57, 295 (325), gebietet nicht nur eine faire Art der Darstellung, sondern verbietet eben auch eine der Bedeutung unangemessene Reduzierung der Themenbereiche. Der allgemeine Programmauftrag bezieht sich dabei nicht nur auf das „Zu-Wort-Kommen-Lassen“ gesellschaftlicher Gruppierungen, sondern auch in der „konkreten Verpflichtung, die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung zu achten“. Siehe zum Schutz der sittlichen und religiösen Empfindungen in den Veranstaltungen des Rundfunks auch Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 285 ff. 125 Hafez/Richter, Parl. Beilage 26 – 27 (2007), S. 40 ff. 126 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 – Rn. 47. 127 Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) v. 09. 05. 2017, Drs. 21/8941. 128 Nach islamischem Recht gibt es keine speziellen Vorschriften, wie eine Moschee zu errichten ist. Moscheen können der Kern komplexer architektonischer Ensembles, bestehend aus Bibliotheken, Schulgebäude und Armenküche oder auch in einfachen Räumen untergebracht sein. Notwendige Bestandteile sind regelmäßig die Gebetsnische, welche die Richtung

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

ragen befinden.129 Moscheen, insbesondere die mit Minarett ausgestatteten, sowie der Gebetsruf des Muezzin, gehören zu den sichtbarsten Formen der islamischen Religion(-sausübung), sodass diesen Themen eine besondere gesellschaftliche und damit auch rechtspolitische Sensibilität anhaftet. Mit der Zielbestimmung eines auf Akzeptanz hinwirkenden Verhaltens war auch den Vereinbarungsparteien bewusst, dass diese sichtbaren Bauwerke und Riten „von nicht wenigen Alteingesessenen als Frontalangriff auf die christlich-abendländische Kultur verstanden“130 werden. Die Bestimmungen sind von deklaratorischer Bedeutung. Mit dem Schutz des Eigentums und anderer Rechte am Vermögen nach Art. 8 Abs. 1 Vereinbarung unter Wiedergabe des Regelungsgehalts von Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV werden keine zusätzlichen Rechtspositionen, wie etwa Nutzungsrechte, gewährleistet, sondern nur ein Bestandsschutz entsprechend der geltenden rechtlichen Qualität.131 Auf die Errichtung von Moscheen finden grundsätzlich dieselben baurechtlichen Bestimmungen wie auf vergleichbare religionsneutrale Bauvorhaben Anwendung.132 Die „im Rahmen der geltenden Gesetze“ heranzuziehende Sonderregelung des § 1 Abs. 5 Nr. 6 BauGB, wonach die Gemeinde „die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge“ zu berücksichtigen hat, gilt ihrem Wortlaut nach für korporierte Religionsgemeinschaften. Die Rechtsprechung133 hat in den vergangenen Jahren jedoch einen Weg beschritten, wonach bei Interessenabwägungen die religiösen Belange von nichtkorporierten Religionsgemeinschaften über den Aspekt des allgemeinen Wohls Berücksichtigung finden. Im Rahmen von § 1 BauGB wird Nr. 3 herangezogen, wonach die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen sind134 und die Errichtung von Anlagen für kulturelle Zwecke in allgemeinen und besonderen Wohn-, Dorf-, Misch- sowie in Kerngebieten allgemein zulässig ist, soweit die Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets dem nicht entgegen steht.135 Das Thema des Moscheebaus bietet vor allem in Hinblick auf die nach Mekka zur Verrichtung des Gebets angibt sowie Waschgelegenheiten vor den Eingängen. Früher gab es nur eine Freitagsmoschee in einer Stadt, diese Aufteilung wird heute weniger streng gehandhabt: Heine, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 93 (94). 129 Festring-Hashem Zadeh, Moscheen: „Raus aus dem Hinterhof – nur wie“, Online-Artikel vom 01. 06. 2016, abrufbar unter: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/MoscheenRaus-aus-dem-Hinterhof-nur-wie,moschee478.html (Stand: 15. 05. 2017). 130 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 133. 131 Vgl. dazu Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (161). 132 Dazu Oebbecke, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 287 (299 ff.). 133 BVerwG, Beschluss d. Vierten Senats v. 26. 04. 1993 – 4 B 31/93. 134 Näher dazu Oebbecke, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 287 (301). 135 Hofmann, ZG 2009, S. 201 (219).

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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Minarett-Errichtung ein gesellschaftliches Konfliktpotential, im Bauplanungsrecht gibt es aber keinen „Milieuschutz“, so dass eine baurechtliche Unzulässigkeit nicht wegen eines „fremdländischen Aussehens“ angenommen werden kann.136 Von diesem Turm ruft der Muezzin, der Gebetsrufer, gläubige Muslime fünf Mal täglich zum Gebet. Bei ihm handelt es sich nicht um einen zwingenden Bestandteil einer Moschee,137 der Wunsch nach der Errichtung eines Minaretts dürfte in kulturellen Gründen liegen und darin, demonstrieren zu wollen, als praktizierender Muslim ein gleichwertiger Bestandteil dieser Gesellschaft zu sein.138 Im „Betrieb von Moscheen“ deutet sich die Problematik139 der nach islamischem Recht nicht zwingenden, aber gebotenen Praxis des Muezzin-Rufs140 an.141 Auch die Vereinbarungsparteien werden im Rahmen einer wertenden Betrachtung142 untersuchen müssen, ob die § 3 Abs. 1 BImSchG betreffenden Geräuschimmissionen den Grad erheblicher Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erreichen.143 Ausgehend von diesen konfliktträchtigen Themen bestimmt Art. 9 Abs. 3 Vereinbarung akzeptanzfördernde Maßnahmen „zur Förderung eines gedeihlichen Miteinanders der muslimischen und der nicht-muslimischen Bevölkerung“ zu treffen. Hamburg erklärt, sich für die Akzeptanz derartiger Bauten in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit einzusetzen (Nr. 2) und die islamischen Verbände, die Errichtung und den Betrieb von Moscheen transparent und offen zu gestalten (Nr. 3). Wie in Art. 9 Abs. 4 Vereinbarung erklärt, bestellte Hamburg der DITIB-Gemeinde zu Hamburg Kirchdorf e. V. ein entgeltliches Erbbaurecht an dem städtischen Grundstück an der Dratelnstraße/Thielenstraße. Weiterhin wurde die Kapernaumkirche dem Islamischen Zentrum Al-Nour e. V. zum Umbau zur Moschee im No-

136

Siehe ebenda. Bei der ersten Moschee fehlte ein Minarett ganz: Heine, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 93 (96). 138 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 134, 136. 139 Wird der Gebetsruf innerhalb der Moschee ausgeführt, ist er unproblematisch. Anderes gilt für den Gebetsruf über Lautsprecher, wie es ihn seit dem 20. Jahrhundert gibt. Dazu Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 137. 140 Zur Frage der Vergleichbarkeit mit liturgischem Glockengeläut vgl. Troidl, DVBl. 2012, S. 925 (932) m. w. N. 141 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 16. 142 Rohe schlussfolgert, dass eine örtliche Akzeptanz nicht für den flächendeckenden lautstärkerverstärkten Gebetsruf zu allen Gebetszeiten, beginnend mit dem Morgengebet um 5 Uhr, angenommen werden kann. Er verweist auf einen Kompromiss, den auch das OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss d. Achten Senats v. 20. 11. 2000 – 8 A 11739/00, annahm, wonach ein solcher zu Zeiten des Hauptgebets am Freitagmittag zuzulassen sei, Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 137 f. 143 Siehe ebenda mit weiteren Verweisen auf die Rechtsprechung. 137

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

vember 2012 überlassen, die Arbeiten zur Instandsetzung schreiten weiterhin voran.144

XI. Artikel 10: Bestattungswesen Das durch Art. 10 Abs. 1 Vereinbarung gewährleistete Recht, auf staatlichen Friedhöfen Bestattungen nach islamischen Vorschriften vorzunehmen, wird insbesondere durch die Protokollerklärung zu Abs. 1 mit dem Recht auf sarglose Bestattungen konkretisiert. Nach islamischem Recht ist der Tote innerhalb von 24 Stunden nach Todeseintritt zu beerdigen.145 Der Tote wird dabei auf der rechten Seite und mit dem Gesicht gen Mekka platziert, das ihn bedeckende Leichentuch wird bei der Übergabe an die Erde gelöst.146 Während dieser Ritus in anderen Bundesländern zur Kollision mit der noch bestehenden Sargpflicht führen kann, kann in Hamburg aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen davon abgesehen werden, siehe dazu § 1 Abs. 4 Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes i. V. m. § 32 Nr. 1 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (Bestattungsgesetz) vom 14. September 1988. Die dauerhafte Totenruhe wird auf den islamischen Gräberfeldern, auch nach Neuvergabe von Grabstätten, laut Protokollerklärung dadurch gewährleistet, dass die Gebeine bereits Bestatteter in der Grabstätte verbleiben. Durch diesen pragmatischen Ansatz wird vor allem das in den dicht besiedelten Großstädten bestehende Platzproblem gelöst. Art. 10 Abs. 1 Vereinbarung ist als Anspruchsnorm formuliert und gibt den status quo wieder, da in Hamburg islamische Gräberfelder auf den Hauptfriedhöfen Ohlsdorf, Öjendorf und Bergedorf eingerichtet sind.147 Aus Art. 10 Abs. 2 Vereinbarung lässt sich der Anspruch der islamischen Verbände, Gottesdienste und Bestattungsandachten abzuhalten, ableiten. Art. 10 Abs. 2 S. 2 Vereinbarung statuiert eine Rücksichtnahmeverpflichtung der islamischen Verbände, der „im Islam“ aber dadurch Rechnung getragen wird, dass der Trauerzug stets schweigend erfolgen muss.148 Auch der Besuch an bestimmten Festtagen, das Anbringen von Blumenschmuck, Beleuchtungen und Duftstoffen kann unter Absatz 2 gefasst werden, wenngleich 144

Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) v. 14. 02. 2017, Drs. 21/7894. 145 Zum Umgang mit Sterbenden und Toten im Islam näher Heine, in: Khoury/Heine/ Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 123; Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 114 ff. 146 Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 193 f. 147 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 19. 148 Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 114 (121).

B. Der Inhalt der Vereinbarung

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hinsichtlich des Ausmaßes der Grabpflege divergierende Ansichten bestehen,149 die nach dem Ansatz der praktischen Konkordanz in einen schonenden Ausgleich zu bringen sind. Anerkannt wird auch das Recht, eigene Friedhöfe zu unterhalten, wobei Hamburg als Vereinbarungspartner von dem in § 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz geregeltem Erfordernis der Korporationsqualität der betreffenden Gemeinschaft nicht abzusehen vermag, Artikel 10 Abs. 3 i. V. m. Protokollerklärung zu Absatz 3.150 Da die Bestattungspraxis sich in Hamburg schon seit 1998 nach islamischem Ritus richtet, sind diese Bestimmungen im Ergebnis nur von deklaratorischem und integrationspolitischem Gehalt. Auch mit Blick auf die Einrichtung eines eigenen Friedhofs erfüllt sie eine nur klarstellende Funktion, da die Verbände bekanntermaßen finanzielle Probleme haben.151

XII. Artikel 11, 12: Verständigung und Zusammenwirken In einzelnen Absätzen der die Vereinbarung abschließenden Artikel 11, 12, 13 Vereinbarung werden konsentierte Regelungen zur Verständigung und zum Zusammenwirken getroffen, die sich teilweise schon historisch bewährt haben. Aus Art. 11 Abs. 1 S. 1 Vereinbarung lässt sich der beiderseitige Anspruch auf Gesprächsführung ableiten. Mit der Bedingung eines eintretenden Bedarfs ist er allerdings sehr schwach ausgestaltet. Art. 11 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung enthält Informationspflichten, die auch weitere Rechte und Pflichten nach sich ziehen, wie die islamischen Gemeinschaften über die sie betreffenden Gesetzesvorhaben zu informieren. Aus Art. 11 Abs. 2 Vereinbarung lassen sich das Recht und die Verpflichtung der islamischen Verbände ableiten, einen ständigen Beauftragten bei Senat und Bürgerschaft zu bestellen. Auch das Verhältnis zwischen Hamburg und den christlichen Großkirchen ist derart institutionalisiert, die NEK bestellt nach Art. 4 Abs. 2 Evangelischer Kirchenvertrag Hamburg einen derartigen Beauftragten. Nach Art. 4 Abs. 2 Katholischer Kirchenvertrag Hamburg wird ein Beauftragter durch den Erzbischof bestellt und ein Kommissariat unterhalten. Diese institutionelle Verfestigung ist vor allem in Hinblick auf die islamischen Gemeinschaften in der Hinsicht relevant, dass der Beauftragte als „Sprachrohr“ alle drei Dachverbände vertritt,

149

Rohe, Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen, S. 195. Wie Scheffler konstatiert, ist gerade in Hinblick auf das Gebot der dauerhaften Totenruhe von der betreffenden Gemeinschaft auch die Gewähr des dauerhaften Bestehens zu fordern, wie sie in Hinblick auf staatskirchenrechtliche Körperschaften besteht, vgl. Scheffler, Zum IslamVertrag in Hamburg, S. 17. 151 Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 18. 150

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

womit schon im Vorfeld mögliche Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt werden können.152 Gerade ein erst begründetes Verhältnis unterliegt Entwicklungen und damit Veränderungen. Diese können auch rechtlicher Natur sein. Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung legt fest, dass nach zehn Jahren Änderungs- und Ergänzungsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Eine Neuordnung der wechselseitigen Beziehung ist – auch in Hinblick auf ein sodann zu gestattendes Besteuerungsrecht – dann erforderlich, wenn den islamischen Verbänden, wie danach angestrebt, der staatskirchenrechtliche Körperschaftsstatus verliehen würde.153 Art. 12 Vereinbarung enthält die für Staatskirchenverträge traditionelle Freundschaftsklausel, die regelmäßig für den „Geist des Vertragswerks charakteristisch“154 ist, man „will vor allem loyale Zusammenarbeit und Verständigung, der Vertrag erschöpft sich nicht in einer Summierung von Einzelabreden“.155 Dies gilt hier vor allem in der Hinsicht, als dass die Kontrahierenden ein institutionelles Verhältnis erst begründen und dieses auch in symbolischer Hinsicht eine Begegnung auf Augenhöhe symbolisieren soll. Bereits die Situation eines derartigen Vertragsschlusses erfordert die Gleichordnung der Kontrahierenden, welche angesichts der dem Staat zustehenden Definitionshoheit durch eine einvernehmliche Klärung von Meinungsverschiedenheiten herbeigeführt werden kann.156 Weiterhin wollen die Vereinbarungsparteien sich für die Akzeptanz der Vereinbarung intern und extern einsetzen, Art. 13 Abs. 2 Vereinbarung.

XIII. Artikel 13 Abs. 1: Inkrafttreten Nach Art. 13 Abs. 1 Vereinbarung tritt die Vereinbarung mit Zustimmung der Bürgerschaft in Kraft. Allerdings erging am 13. 06. 2013 kein förmliches Zustimmungsgesetz, sondern ein schlichter Parlamentsbeschluss.

152

In diese Richtung auch gehend Scheffler, Zum Islam-Vertrag in Hamburg, S. 22. Ob das Steuererhebungsrecht auch islamischen Verbänden zu Gute kommen würde, muss jedoch angezweifelt werden, da sich viele islamische Gemeinschaften nur durch Spenden finanzieren. 154 Hollerbach, JöR 17 (1968), S. 118 (143). 155 Siehe ebenda. 156 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 124 f., 164; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 14. 153

C. Zusammenfassung mit Blick auf die Funktionen der Vereinbarung

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C. Zusammenfassung mit Blick auf die Funktionen der Vereinbarung Der Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband, der Schura und dem VIKZ trat am 13. Juni 2013 mit der Zustimmung der Bürgerschaft in Kraft. Diese erging als schlichter Parlamentsbeschluss. Das Vierte Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes trat am 03. Juli 2013 in Kraft. Hamburg begab sich als erste Gebietskörperschaft in rechtlich umfassende Vereinbarungsverhandlungen mit islamischen Verbänden. Sowohl die Entstehung als auch der Inhalt der Vereinbarung sind im Licht dieser besonderen Ausgangssituation zu sehen. Dem Inkrafttreten der Vereinbarung war ein fünfjähriger Verhandlungsprozess vorausgegangen, in dem insbesondere die Frage nach der Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaften wiederholt auftrat. Ein entsprechendes Rechtsgutachten, erstellt durch Heinrich de Wall, wurde am 09. März 2011 veröffentlicht. Dem folgte die Ergänzende Stellungnahme zum Entwurf einer Satzung des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren am 08. April 2011. Die Umsetzung der Satzungsbestimmungen überprüfte die Religionswissenschaftlerin Gritt Klinkhammer in einem Gutachten vom 20. April 2012. Als weitere zentrale Rechtsfrage zeichnete sich in den späteren Anhörungen im Verfassungs- und Bezirksausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft insbesondere die Frage nach der Rechtsqualität der Vereinbarung ab, eine rechtliche Zuordnung der Vereinbarung zu den Staatskirchenverträgen sei – trotz eines entsprechenden Inhalts und Duktus – nicht ohne weiteres möglich. Thematisiert wurden überdies konkrete Einzelprobleme, wie die Kopftuchfrage oder die Verfassungstreue der islamischen Verbände. Dies zeichnet auch ein bestimmtes Bild des gesellschaftspolitischen Klimas, in dem die Vereinbarung entstanden ist. Die Vereinbarung besteht aus 13 Artikeln, die partiell an den Duktus und an den Inhalt des Katholischen Kirchenvertrags Hamburg sowie des Evangelischen Kirchenvertrags Hamburg angelehnt sind. Geregelt werden Aspekte der Religionsausübung wie islamischer Religionsunterricht, das Bestattungswesen nach islamischem Ritus und der Bau von Gebetsstätten sowie die Anerkennung der grundgesetzlichen Ordnung und Wertegrundlagen. Die Vereinbarung zielt darauf ab, das rechtliche Verhältnis zwischen den Parteien auf Dauer zu regeln. Dass im Sinne von Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung nach dem Ablauf von zehn Jahren etwaige Änderungs- und Ergänzungsverhandlungen angesetzt werden, ist vor allem darin begründet, dass eine Verleihung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus, wie er laut der Protokollerklärung zu Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung angestrebt wird, ein „Mehr“ an Rechten und Pflichten im Verhältnis zu den derzeitigen Vereinbarungsbestimmungen mit sich bringen würde. Legt man den Religionsgemeinschaftsstatus zu Grunde, wird das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien in inhaltlicher Hinsicht umfassend ausgestaltet.

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Teil 2: Die Entstehung und der Inhalt des „Staatsvertrages“

Bedingt durch die besondere Ausgangssituation einer auf eine umfassende und dauerhafte Regelung des rechtlichen Verhältnisses der Freien und Hansestadt Hamburg mit einer im Vergleich zu den christlichen Religionen als „Minderheit“ und „lediglich“ als Religionsgemeinschaft einzustufenden religiösen Gemeinschaft, kann üblichen staatskirchenvertraglichen Gewährleistungen eine andere Funktion zukommen. Die grundsätzliche Motivation zum Vertragsschluss als Grundlage der Vertragsfunktionen ergibt sich insbesondere aus der Präambel, das übergreifende Vertragsziel lässt sich mit „Integration und Kooperation“ benennen. Der Kooperationsfunktion kommt dabei eine tragende Stellung zu, da erstmals ein Zusammenwirken dieser Art statuiert wird. Sie findet sich vor allem in den Bestimmungen zur Hochschulausbildung, Art. 5 Vereinbarung, und zum Religionsunterricht, Art. 6 Vereinbarung. Ein Zusammenwirken wird auch in Hinblick auf das Führen bedarfsabhängiger Gespräche zur Intensivierung der Beziehungen normiert, Art. 11 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung. Die Präambel lässt im Zusammenspiel mit weiteren Bestimmungen die Ableitung einer spezifischen Integrations- oder Einbettungsfunktion zu. Diese tritt insbesondere in den Art. 2, Art. 9 Abs. 3 Nrn. 1, 2, 3 Vereinbarung hervor. Mit dem religionsund gesellschaftspolitischen Ziel, Kultur- und Integrationskonflikte zu vermeiden, soll ein Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen geschaffen werden, wobei die grundgesetzliche und integrationspolitische Ordnung bei gleichzeitiger „Einbettung der Muslime in die bestehenden Ordnungskonfigurationen“157 bewahrt werden soll. Dies wird insbesondere in der Aufnahme eines Bekenntnisses zum demokratischen Verfassungsstaat und zu gemeinsamen Wertegrundlagen augenscheinlich. Dieses Anliegen zeichnet sich auch in Bestimmungen ab, die eine Vereinbarkeit muslimischer Religionsausübung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten suchen. Die Integrationsfunktion wird auch durch die Aufnahme von für herkömmliche Staatskirchenverträge atypischen Grundsätzen, wie der des Toleranzgebotes und des Neutralitätsgrundsatzes, verfolgt. Ein wesentliches Ziel der Vereinbarung liegt demnach in der Verhütung von Kulturkonflikten. Verfolgt wird auch eine Klarstellungsfunktion. Es werden Spezifika muslimischer Religionsausübung konkretisiert, wie die Einhaltung religiöser Speisevorschriften im Rahmen der religiösen Betreuung in besonderen Einrichtungen, Art. 7 Abs. 3 i. V. m. Protokollerklärung zu Artikel 7 zu Absatz 3 Vereinbarung. Dadurch erhält diese Funktion zugleich auch den Charakter einer Anerkennungsfunktion, bestimmte islamische Glaubensinhalte von der Religionsfreiheit als erfasst anzusehen. Der Wiedergabe verfassungsrechtlicher Gewährleistungen kommt eine grundsätzlichere Bedeutung als in herkömmlichen Staatskirchenverträgen zu. Die Religionsausübung von „dem Islam“ zugehörigen Gemeinschaften als einer im Verhältnis zum Chris157 Von dieser Herausforderung spricht dergestalt auch Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (143).

C. Zusammenfassung mit Blick auf die Funktionen der Vereinbarung

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tentum in Deutschland so einzustufenden „Minderheitsreligion“ erweist sich dabei weniger als „rechtliche Selbstverständlichkeit“. Die Verpflichtungsfunktion zeigt sich primär in symbolischer Hinsicht darin, dass sich die islamischen Verbände der Respektierung der Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland verschreiben, womit sie teilweise in der Integrationsund Einbettungsfunktion aufgeht. Die Freie und Hansestadt Hamburg verpflichtet sich wiederum, auf die Akzeptanz und umfassendere Beteiligung der islamischen Verbände hinzuwirken, sich z. B. dafür einzusetzen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die privaten Rundfunkveranstalter den Gemeinschaften angemessene Sendezeiten für religiöse Sendungen gewähren, Art. 8 Abs. 1 Vereinbarung. Die Absicherungsfunktion zeigt sich in den Bestimmungen zum Religionsunterricht, zur bekenntnisgebundenen Theologie an staatlichen Hochschulen, Unterhaltung von verbandlichen Bildungseinrichtungen und im Rundfunkrecht. Das inhaltliche Eigengepräge der Vereinbarung ergibt sich vor allem durch ihre spezifisch islamischen Regelungsthemen, welche bestehende verfassungsrechtliche Gewährleistungen wiederholen und entsprechend konkretisieren. Bei vielen Regelungsgegenständen, wie der Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts, der Vornahme von Bestattungen nach islamischem Ritus oder der Ankerkennung islamischer Feiertage, handelt es sich überdies um zentrale Forderungen, die islamische Organisationen schon seit geraumer Zeit propagieren.158 Die meisten dieser Rechte sind rein deklaratorisch, auch, da sie den islamischen Verbänden bereits vor Vereinbarungsabschluss zukamen. Ein Beispiel dafür sind die in Hamburg seit 1998 vorgenommenen sarglosen Beerdigungen.159 In einer Gesamtschau zeigt sich, dass der Vereinbarung inhaltlich ein hohes Maß an Symbolik innewohnt. Dies zeichnet sich auch an den ihr zu Grunde liegenden Funktionen ab.

158

Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 20. Übersicht über muslimische Beerdigungen in Hamburg in dem Zeitraum 1995 – 2016, abrufbar unter: http://fowid.de/meldung/muslimische-beerdigungen-hamburg-1995-2016 (Stand: 01. 06. 2017). 159

Teil 3

Die Rechtsqualität der Vereinbarung: „Staatsvertragsschluss“ mit islamischen Verbänden A. Einführung und methodologische Vorbemerkung I. Bezeichnungsfrage Die Regelung der Beziehungen von Staat und Kirche haben in Deutschland eine lange Tradition, die sich in einem flächendeckenden Netz aus Verträgen mit den christlichen Großkirchen und seit den 1980er Jahren auch aus den mit jüdischen Gemeinschaften geschlossenen Verträgen abzeichnet. Die staatskirchenrechtliche Vertragspraxis hat sich historisch herausgebildet und ist primär verfassungsgewohnheitsrechtlich geprägt.1 Diese Faktizität zeitigt Folgen in der rechtlichen Systematisierung und Klassifizierung des Staatskirchenvertragsphänomens. Seine terminologische und typologische Systematisierung geht auf eine Untersuchung Alexander Hollerbachs aus dem Jahr 1965 zurück.2 Ursprünglich wurden durch den Oberbegriff „Staatskirchenvertrag“ Konkordate und (evangelische) Kirchenverträge erfasst, seitdem der Staat auch mit kleineren christlichen und jüdischen Gemeinschaften kontrahiert, unterfallen auch diese Verträge dem Staatskirchenvertragsbegriff.3 Eine begriffsbestimmende positiv-rechtliche Regelung zu den konkreten Merkmalen eines Staatskirchenvertrages oder seiner Abschlussvoraussetzungen fehlt.4

1

Jestaedt, EssGspr. 37 (2003), S. 87 (105 ff.). Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. 3 Weber nahm diese Unterteilung schon in den Titel seiner Quellenpublikation auf: Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart I, S. 9 ff., aufnehmend Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 69 f.; Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (288); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 Rn. 9; Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 68; ders., in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 253 f.; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 78; Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, S. 3 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 209; Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 140 Rn. 49; jeweils mit weiteren Nachweisen. 4 Der Staatskirchenvertrag findet auch Erwähnung in einigen Landesverfassungen, so z. B. in Art. 50 Abs. 1 der Hessischen Verfassung. 2

A. Einführung und methodologische Vorbemerkung

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Dies hat auch zur Folge, dass seine Existenzberechtigung lange Zeit umstritten war.5 Mit Blick auf die (vorkonstitutionelle) Vertragspraxis, die Entstehungsgeschichte sowie die Grundgesetz-Bestimmungen der Art. 123 Abs. 2 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 WRV wird heute seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit bejaht.6 Auch die lange angezweifelte demokratische Legitimation wird vor allem unter Verweis auf das „Transformationserfordernis“ für hinreichend befunden.7 Auch noch heute wird die Rechtsqualität, das heißt die Bestimmung der Rechtsnatur, des Rangs und insbesondere die Bestandskraft von umfassenden Verträgen zwischen Staat und Kirche, diskutiert. Dabei handelt es sich um historische Streitstände: Über die Stellung der Konkordate in der Rechtsordnung wurde schon im 19. Jahrhundert gestritten, im 20. Jahrhundert wurde der Streit für die neu aufkommenden evangelischen Kirchenverträge weitergeführt.

II. Rechtsprobleme eines (potentiellen) „Staatsvertrages“ mit islamischen Verbänden und methodologische Vorbemerkung Mit der Inkorporation der WRV-Bestimmungen und der grundgesetzlichen Entscheidung für einen religiös-neutralen Staat ist auch der Staatskirchenvertragsschluss mit nichtchristlichen Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich möglich. Bislang haben der Bund bzw. die Länder allenfalls mit den jüdischen Religionsgemeinschaften kontrahiert, was – abgesehen von dem vornehmlich akademischen, aber eben mit Blick auf die evangelischen Kirchenverträge wohlbekannten Streit der Bestimmung der Rechtsnatur – nicht allzu diffizile Rechtsfragen aufwarf. Denn die als staatskirchenrechtliche Körperschaften verfassten jüdischen Gemeinschaften verfügen über eine den christlichen Großkirchen vergleichbare Mitgliederstruktur.8

5

Heute wird die grundsätzliche Zulässigkeit allgemein angenommen: Heinig, Öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften, S. 247 ff.; Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 83 ff.; ders., in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 253 (266 ff.); Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 189 ff.; Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 79 ff.; Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 140 GG Rn. 51; Mückl, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 433 (456 f.); ders., in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 737 ff.; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 269; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 218 ff. 6 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (267); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 218 ff. 7 Siehe dazu Anke, Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 29 ff.; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG Art. 140 Rn. 24; Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 140 Rn. 51. 8 Zu Staatsverträgen mit nichtchristlichen Religionsgemeinschaften: Jacobs, KuR 1/2016, S. 1 ff.; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 444.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

Rechtsstreitigkeiten, die zu einer Klärung der Fragen beitragen würden, über welche Merkmale ein (Staatskirchen-)Vertrag zwischen Staat und religiöser Gemeinschaft sowie über welche institutionell-organisatorischen (Mindest-)Anforderungen ein (nichtchristlicher) Vertragspartner eines Staatskirchenvertrages verfügen muss, wurden bislang noch nicht geführt. Mit der Berufung islamischer Gemeinschaften auf staatskirchenrechtliche Gewährleistungen oder „Angebote“ müssen diese Anforderungen neu gedacht bzw. überdacht werden. Die herrschende Einschätzung in dem ohnehin nicht breit geführten rechtswissenschaftlichen Diskurs, der „Vertragsschluss mit Muslimen“ sei zumindest derzeit noch eine „juristische Unmöglichkeit“,9 wurde bislang durch die (überschaubare) Rechtsrealität bestätigt. Diese Fragen erhielten erst im Jahr 2006 praktische Relevanz, als erstmalig ein Verwaltungsgericht die Klage der Islamischen Religionsgemeinschaft Berlin10 auf Abschluss eines „angemessenen Staatsvertrages“ mit dem Land Berlin abwies.11 Auch die am 29. 09. 2007 in Hessen mit elf muslimischen Gemeinschaften geschlossene Wiesbadener Integrationsvereinbarung12, in der vor allem Wertegrundlagen und integrationspolitische Leitgedanken formuliert werden, ist bereits durch die fehlende Staatseigenschaft der kontrahierenden Kommunen kein umfassender Staatskirchenvertrag.13 Ob es sich bei der Vereinbarung um einen „Staatskirchenvertrag“ handelt, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. Die rechtssystematische Einordnung wurde bereits in den Vertragsverhandlungen kontrovers diskutiert.14 Kritisiert wurde vor allem, dass die Hamburger Bürgerschaft lediglich mittels schlichtem Parlamentsbeschluss, und nicht durch Erlass eines förmlichen Zustimmungsgesetzes, zustimmte. 9

So der Titel des Aufsatzes von Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 ff., vgl. insbesondere auch: Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (254 f.). 10 Dazu Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (140); LutzBachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 444. 11 Dies wurde durch das Gericht vor allem damit begründet, dass ein Kontrahierungszwang des Landes Berlin gesetzlich nicht abgeleitet werden könne, dazu VG Berlin, Entscheidung der 27. Kammer v. 09. 08. 2006 – VG 27 A 55.06. Vgl. auch die Pressemitteilung des VG Berlin vom 16. 11. 2006, abrufbar unter: http://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemit teilungen/2006/pressemitteilung.423413.php (Stand: 18. 11. 2017). 12 Die Wiesbadener Integrationsvereinbarung geht auf einen Stadtverordnetenbeschluss vom 16. 12. 2004 zurück, in dem der Magistrat gebeten wurde, Vereinbarungen mit allen in Wiesbaden ansässigen religiösen Gemeinschaften abzuschließen, die gerade zuvor keine – ausdrücklich so bezeichneten „Staatsverträge“ – abgeschlossen hätten, abrufbar unter: http: //www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/gesellschaft7auslaendische-buerger/content/integrati onsvereinbarung.php (Stand: 20. 10. 2016). 13 So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 481 f. 14 Ausschussprotokoll/Protokoll Nr. 20/18 des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburger Bürgerschaft v. 26. 03. 2013, S. 4.

B. Historische Herausbildung und Rechtsqualität

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Vor dem Hintergrund, dass sich der vorhandene Vertragsbestand (zunächst) anhand der Konkordate und Kirchenverträge herausbildete, können aus einer rechtssystematischen Einordnung insbesondere der Kirchenverträge Erkenntnisse darüber gewonnen werden, über welche Wesensmerkmale ein Staatskirchenvertrag im Allgemeinen verfügt. Dies gilt vor allem für die Frage, in welchem Verhältnis Staatskirchenvertrag und parlamentarisches Zustimmungsgesetz zueinander stehen. Weiterhin gibt die Lokalisierung eines Rechtsphänomens in der maßgeblichen Rechtsordnung Aufschluss über die Bedingungen seines Entstehens, seiner Abwicklung und seines Erlöschens. Dies ermöglicht die Herausarbeitung der Bindungswirkung und Bestandskraft der Vereinbarung. Klärungsbedürftig ist neben den erforderlichen organisatorisch-institutionellen Abschlussvoraussetzungen auch, welchen Unterschied das Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsakts macht und welche Vorteile der Vertragsabschluss zwischen Staat und religiöser Gemeinschaft im Verhältnis zum einfachen Gesetzeserlass gewährt. Auf dieser Grundlage ist es möglich, die eigentliche Bedeutung der Vereinbarung zu untersuchen. In einem Ausblick soll die (zukünftige) rechtliche und rechtspolitische Bedeutung des Staatskirchenvertrages gerade im Kontext des Vertragsschlusses mit nichtchristlichen Gemeinschaften vor dem Hintergrund einer sich wandelnden religionsstrukturellen Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft herausgearbeitet werden.

B. Historische Herausbildung und Rechtsqualität von Konkordaten und Kirchenverträgen I. Die historische Herausbildung der „Referenzgröße christlicher Staatskirchenvertrag“ 1. Die staatskirchenrechtliche Vorgeschichte Als Staatskirchenverträge im heute maßgeblichen Sinne gelten erst jene Verträge, die von Staat und Kirche seit den frühen 1920er Jahren geschlossen werden. Die Wurzeln dieses Rechtsinstituts reichen jedoch mindestens zurück bis in das Mittelalter, ein erster Vorläufer wird in dem 1122 geschlossenen Wormser Konkordat gesehen.15 Während vertragliche Beziehungen zwischen Staat und römisch-katho15

Wann weltliche und kuriale Macht konkordatäre Beziehungen aufnahmen ist umstritten. Verbreitet ist, in dem zwischen Papst Calixtus II. und Heinrich V. 1122 geschlossenen Wormser Konkordat den ersten Vorläufer heutiger Konkordate zu sehen, das den Investiturstreit um die Vormachtstellung von geistlicher bzw. weltlicher Macht und um das Mitbestimmungsrecht von Laien bei der kirchlichen Ämterbesetzung beendete. Andere Stimmen sehen in einer zwischen Kaiser Justinus und Papst Hormidas getroffenen Abmachung 519 ein erstes Konkordat, vgl. dazu Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 63 f. Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 25 m. w. N. Das Wormser Konkordat sowie die folgenden mittelalterlichen Konkordate „ermöglichten den Territorialherren die eigenständige Ordnung auch kirchlicher Verhältnisse nach ihrem Bedürfnissen v. a. bei der

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

lischer Kirche demnach bereits seit nahezu 900 Jahren begründet werden,16 wurden die Rechtsbeziehungen zu den evangelischen Landeskirchen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein allein auf der Grundlage von Staatsgesetzen geregelt.17 Die frühen Konkordate, die im Lichte einer einheitlichen, mittelalterlichen Gesamtgesellschaft (Corpus Cristianum) mit der Idee einer geistig-rechtlichen Einheit von Staat und Kirche entstanden sind, können nicht mit den Konkordaten der Neuzeit, die mit dem Erstarken der staatlichen Souveränität im 19. Jahrhundert auch säkularen Einflüssen ausgesetzt waren, gleichgesetzt werden. Denn weltliche und kuriale Macht waren noch bis in das 19. Jahrhundert hinein nicht vollständig ausdifferenziert.18 Allerdings verfügen die frühen Konkordate über grundlegende Parallelen zu heutigen Verträgen, beispielsweise in Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion sowie einige weitere Charakteristika. Die im Rahmen des komplexen Prozesses „eine[r] Abfolge von enger Bindung und strikter Trennung, von gedeihlichem Miteinander und erbittertem Gegeneinander“19 entstandenen Abmachungen verfolgten eine friedensstiftende Funktion: Wie schon zuvor das den Investiturstreit beendende Wormser Konkordat waren sie auf die Beilegung von Streitigkeiten über gemeinsame Belange gerichtet.20 Bereits im 15. Jahrhundert avancierte die Abmachung zwischen Staat und Kirche zu einem bewährten Handlungsinstrument.21 Dies ist heute nicht anders. Auch wiesen schon damals geschlossene Abmachungen noch heute übliche Formelemente auf, wie die Niederschreibung des Ausgehandelten in einer Urkunde.22 Die historische Prägekraft der frühen Konkordate zeigt sich insÄmterbesetzung durch territorial begrenzte mit dem Papst abgestimmte Sonderregelungen innerhalb des universellen römisch-katholischen Kirchenrechts“, vgl. dazu Anke, in: Heun/ Honecker/Morlok/Wieland, EvStL., Stichwort „Vertragsstaatskirchenrecht“, Sp. 2600; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 17 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 206; Willoweit/Schlinker, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 63 f. 16 Zur historischen Entwicklung des Staatskirchenvertragsrechts siehe Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, 2000; ders., in: EVStL., Stichwort „Vertragsstaatskirchenrecht“, S. 2600 ff.; v. Campenhausen/ Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 140 Rn. 51 ff.; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 141 ff.; Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 ff.; Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (255 ff.); Mückl, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 731 ff.; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 17 ff.; Stern, Staatsrecht, S. 1356 ff.; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 25 ff. 17 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 34 m. w. N. 18 Stern, Staatsrecht, S. 1358; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 210. Ferner zu den Konkordaten der Neuzeit näher Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 27 f. 19 Mückl, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 715; vgl. auch Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung. 20 Siehe für die in diesem Zeitraum entstandenen Konkordate Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 25. 21 Stern, Staatsrecht, S. 1358. 22 Siehe ebenda, S. 1358.

B. Historische Herausbildung und Rechtsqualität

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besondere in der Auswirkung, die ihre rechtssystematische Einordnung auf Verfahren und Form der später abgeschlossenen Staatskirchenverträge hat. Im 19. Jahrhundert durch das staatskirchenrechtliche Schrifttum als völkerrechtliche Verträge eingeordnet, folgten auch die Vertragsschlüsse mit den evangelischen Landeskirchen diesem Verfahren und hielten die Abschlussform der Konkordate ein. Mit der Abschaffung des landesherrlichen Kirchenregiments und der verfassungsrechtlichen Normierung des Gebotes der Trennung von Staat und Kirche in der WRV wurde der Paradigmenwechsel im Staatskirchenrecht eingeleitet. Im Rahmen dieser neuen rechtlichen Ausgangssituation wurde es Staat und Kirche möglich, sich als zwei getrennte Rechtssubjekte auf der Ebene einer Gleichberechtigung23 zu begegnen – und so Staatskirchenverträge im heute maßgeblichen Sinne zu schließen.24 Eingeläutet wurde damit die Entwicklung des Vertragsstaatskirchenrechts. Diese Entwicklung wird bis heute nach Germann in drei Generationen unterteilt.25 Eine jede weist bestimmte Spezifika auf, die das Rechtsinstitut des Staatskirchenvertrages nachhaltig geformt hat. Die erste Generation erfasst die Vertragsschlüsse bis 1933, als zweite Generation wird die Zeitspanne zwischen 1955 und 1990 datiert und als dritte Generation gelten die Vertragsschlüsse nach 1990.26 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird bereits der Anbruch einer vierten Generation diskutiert: In einem staatskirchenrechtlichen Vertragsschluss mit islamischen Religionsgemeinschaften wird das Potential gesehen, eine weitere Entwicklungsstufe im Staatskirchenvertragsrecht zu begründen.27 2. Erste Generation von 1924 – 1933 Die Leistung der in der Weimarer Republik entstandenen, teilweise noch heute rechtsgültigen Verträge bestand vor allem darin, weite Teile des Reichsgebiets in das staatskirchenrechtliche Kooperationssystem eines religiös neutralen Verfassungsstaats zu überführen.28 Dies geschah vor allem durch das Normieren wechselseitiger Verhaltenserwartungen von Staat und Kirche.29 Erstmals wurden auch in Anlehnung an die kurz zuvor entstandenen Konkordate Staatskirchenverträge mit den evange23 Anke, in: Heun/Honecker/Morlok/Wieland, EvStL., Stichwort „Vertragsstaatskirchenrecht“, Sp. 2600; Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (255). 24 Zu den ideen- und verfassungsrechtlichen Aspekten des Staatskirchenrechts allgemein vgl. Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 92 f. 25 Siehe dazu Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 ff. als Urheber der Generationen-Typologie. 26 Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 ff.; Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, S. 223; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 213 ff.; vgl. auch Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 ff. 27 Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91. 28 Dazu siehe Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 (92 ff.). 29 Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 (94); Mückl, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 711 (732 ff.).

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

lischen Landeskirchen geschlossen.30 So entsprechen Duktus und Inhalt des Bayerischen Kirchenvertrages dem ersten31 Kirchenvertrag vom 15. November 1924, dem am 29. März 1924 geschlossenen Bayerischen Konkordat.32 Der diese erste Generation im Allgemeinen prägende Paritätsanspruch erfasst den Bayerischen Kirchenvertrag noch nicht vollständig, er wurde nicht ratifiziert. Eingeleitet wurde das Ende dieser Epoche durch den Abschluss des Reichskonkordates 1933, dessen Fortgeltung das BVerfG in seinem Konkordatsurteil vom 26. 03. 1957 bestätigt hat.33 3. Zweite Generation von 1955 – 1990 Mit dem Abschluss des Loccumer Vertrages vom 19. März 1955 zwischen dem Land Niedersachsen und fünf evangelischen Landeskirchen, der die Freiheit und Eigenständigkeit kirchlichen Wirkens festschrieb, wurde eine eigene Ausrichtung des evangelischen Kirchenvertrages begründet.34 Die Betonung kirchlicher Unabhängigkeit erwies sich als wegweisend für die weitere Vertragsgestaltung35 und bewirkte einen langsamen Umschwung in der staatskirchenrechtlichen Prämissenbildung: Während die frühen Vertragsschlüsse zunächst im Lichte der Koordinationslehre, wonach die Kirchen auf der Grundlage eines Hoheitsanspruches mit dem Staat kontrahierten, beurteilt wurden, fand im rechtswissenschaftlichen Diskurs Ende der 60er Jahre verstärkt die Kooperationslehre Anklang. Danach sei es gerade die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Kirchen, vermöge derer diese als Gegenüber zum Staat Staatskirchenverträge abschlössen.36 Dass sich der Heilige 30 Nach der Reihenfolge ihres Abschlusses: Bayerisches Konkordat vom 29. 04. 1924; Bayerische Kirchenverträge vom 15. 11. 1924; Preußisches Konkordat vom 14. 06. 1929; Preußischer Kirchenvertrag vom 11. 05. 1931; Badisches Konkordat vom 12. 11. 1932; Badischer Kirchenvertrag vom 14. 11. 1932; Reichskonkordat v. 20. 07. 1933. Näher dazu: Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, S. 223. Vgl. die umfassende Dokumentation nach Ländern bei Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, II. Vgl. auch: Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (255); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 211. 31 Huber verweist zudem auf zwei vertragliche Abkommen, die 1870 und 1883 mit den Landeskirchen geschlossen wurden: Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 65. 32 Vgl. nur Art. 1 I, II, III des Bayerischen Konkordates bzw. des Bayerischen Kirchenvertrages einschließlich der dazu erlassenen Mantelgesetze, abgedruckt bei: Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, S. 289 f. bzw. S. 517 f. 33 BVerfGE 6, 309 ff.; zum Konkordats-Urteil und seinen historischen Hintergründen näher Hense, JöR 65 (2017), S. 357 ff. 34 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 142. Zum Loccumer Vertrag vgl. Smend, JZ 1956, S. 50 ff.; Thieme, DVBl. 1955, S. 273 ff. 35 Dem Modell des Loccumer Vertrages folgten Kirchenverträge mit den Ländern Schleswig-Holstein vom 23. 04. 1957, Hessen vom 18. 02. 1960, Rheinland-Pfalz vom 31. 03. 1962 sowie Verträge des Landes Nordrhein-Westfalen mit den Evangelischen Kirchen im Rheinland und von Westfalen vom 09. 09. 1957 sowie mit der Lippischen Landeskirche vom 06. 03. 1958. Vgl. Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (259). 36 Germann, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 91 (97).

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Stuhl, anders als die evangelischen Landeskirchen, in dieser 2. Generation schwerpunktmäßig der vertraglichen Regelung von verwaltungsrechtlichen Einzelfragen widmete,37 ist damit zu erklären, dass zeitgleich Rechtsstreitigkeiten um die Fortgeltung des Reichskonkordates sowie der Konkordate erster Generation geführt wurden.38 Bezeichnend für die zweite Generation ist der Abschluss von Staatskirchenverträgen mit kleineren christlichen Gemeinschaften, so mit der Freireligiösen Landesgemeinschaft in Niedersachsen,39 der Altkatholischen40 und Russisch-Orthodoxen Kirche,41 der Evangelisch-Methodistischen Kirche sowie mit der Griechisch-Orthodoxen Kirche. Inhaltlich umfassende Staatskirchenverträge mit jüdischen Gemeinden wurden in der Geschichte des Vertragsstaatskirchenrechts relativ spät geschlossen. Noch bis 1960 ergingen lediglich einseitige Rechtsakte zur Regelung des Rechtsverhältnisses mit den staatlichen Ebenen; erst mit einem eine Dotationszusage beinhaltenden Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen e. V. ging man zu einer konsensualen Praxis über, wobei diese Vereinbarungen den Parlamenten in Form von Regierungsvereinbarungen nur mitgeteilt wurden.42 Auch die folgenden Verträge verfügten zunächst nur über einzelne Regelungsgegenstände, so dass in ihnen nur eine Annäherung an einen umfassenden Vertrag zu erblicken ist.43

4. Dritte Generation ab 1990, Anbruch einer vierten Generation durch Vertragsschlüsse mit Muslimen? Nach der Wiedervereinigung Deutschlands bildete sich ein flächendeckendes Netz staatskirchenrechtlicher Verträge heraus, das ab 1993 vermehrt auch durch Verträge mit kleineren christlichen Religionsgemeinschaften konstituiert wurde. Durch die Initiierung von Vertragsschlüssen in den neuen Bundesländern nahmen die evangelischen Landeskirchen erneut eine Vorreiterrolle ein, die römisch-katholische Kirche zog etwas später nach.44 An dem am Anfang stehenden Wittenberger Vertrag zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und den evangelischen Landeskirchen vom 37

Ein Beispiel dafür ist der Bistumserrichtungsvertrag Nordrhein-Westfalens vom 19. 09. 1965. Der Heilige Stuhl wirkte lediglich im Rahmen des Niedersächsischen Konkordates vom 26. 02. 1965 als Vertragspartner eines umfassenden Vertrages mit. 38 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (256 ff.). 39 Vertrag zwischen Niedersachsen und der Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen vom 08. 06. 1970, abgedruckt bei Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, S. 193. 40 Abgedruckt ebd., S. 616. 41 Abgedruckt ebd., S. 618. 42 Vgl. zur Entwicklung der Vertragsabschlüsse mit der Jüdischen Gemeinschaft auch Vulpius, NVwZ 1996, S. 759 ff. 43 Zu den Verträgen vgl. Vulpius, NVwZ 1996, S. 795 (761). 44 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 213.

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15. September 1993 orientierten sich die nachfolgenden Verträge, in inhaltlicher Hinsicht zudem an den Verträgen der zweiten Generation. Der kirchliche Unabhängigkeitsgedanke kam verstärkt zum Ausdruck, so dass der Kooperationslehre mehr Gewicht zugesprochen wurde.45 Infolge der ausdrücklichen Bezugnahme einiger Landesverfassungen auf das Regelungsinstrument des Staatskirchenvertrages fand dieses zunehmend eine verstärkte Etablierung.46 Umfassende Konkordate mit dem Heiligen Stuhl entstanden erst später, nachdem zunächst „partielle Staatskirchenverträge“, wie Bistumserrichtungsverträge, geschlossen worden waren. In diesem Zeitraum wurden auch Verträge in den alten Bundesländern geschlossen, so auch das Konkordat zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Heiligen Stuhl vom 29. November 2006 sowie der mit der NEK geschlossene Kirchenvertrag vom 06. Juli 2006. Joseph Listl sieht schon in dem Entwicklungsprozess des Staatskirchenvertragsrechts bis 1987 den Beweis dafür erbracht, dass es sich nicht um ein starres System handelt.47 Ein Vertragsschluss mit islamischen Moscheevereinen, Dach- oder Spitzenverbänden könnte auch den Staatskirchenvertragsbegriff, der als Rahmenbegriff konzipiert ist, in definitorischer Hinsicht weiter ausfüllen oder formen. Der historische Abriss hat vor Augen geführt, dass eine Weiterentwicklung des Staatskirchenvertragsbegriffes an unterschiedlichen Merkmalen ansetzen kann; so war die Prägekraft der Konkordate in Hinblick auf Inhalt, Duktus und Form zunächst bestimmend bei der Entstehung evangelischer Kirchenverträge. Die evangelischen Landeskirchen haben durch die inhaltliche Normierung des Unabhängigkeitsgedankens das Staatskirchenrecht unter andere Prämissen gestellt und damit materiellrechtlich weiterentwickelt. Der staatskirchenrechtliche Vertragsschluss mit islamischen Religionsgemeinschaften ist mit zahlreichen Rechtsproblemen verbunden, die im jeweiligen Sachzusammenhang zu diskutieren sind. Aber auch in dem Fall, dass die Vereinbarung nicht den Charakter eines Staatskirchenvertrages im engeren Sinne aufweisen würde, könnte dies angesichts einer Negativabgrenzung auch von Wert für das System des Staatskirchenrechts sein. Ein neues Bewährungsfeld stellt der Staatskirchenvertragsschluss mit islamischen Gemeinschaften allemal dar.

II. Rechtssystematische Einordnung der Konkordate 1. Als völkerrechtliche oder quasi-völkerrechtliche Verträge Die rechtssystematische Einordnung staatskirchenrechtlicher Verträge als Verträge des Völkerrechts wurde aus dem völkerrechtlichen Schrifttum Ende des 45 46 47

Siehe ebenda. Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 2013. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, S. 19.

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19. Jahrhunderts übernommen.48 Sie hat sich für die mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen umfassenden Verträge spätestens mit dem Konkordatsurteil des BVerfG vom 26. März 195749 durchgesetzt.50 Nur noch sehr vereinzelt wurden auch die mit anderen Religionsgemeinschaften geschlossenen Staatskirchenverträge als Völkerrechtsverträge eingeordnet bzw. es wird allgemein von einer rechtssystematischen Zuordnung aller Staatskirchenverträge zu den verwaltungsrechtlichen Verträgen ausgegangen.51 In der rechtssystematischen Einordnung als quasi-völkerrechtliche Verträge sind vor allem paritätsrechtliche oder kirchenpolitische Erwägungen leitend.52 Für die rechtssystematische Einordnung von Konkordaten als völkerrechtliche Verträge spricht zunächst ihr äußeres Erscheinungsbild. Das Verfahren ihres Zustandekommens und ihre Form entsprechen vollständig jenem völkerrechtlicher Verträge.53 Es herrscht zwar Einigkeit darin, dass diese Merkmale nicht entscheidend für die rechtssystematische Einordnung eines Vertrages sein können,54 es kann ihnen allenfalls Indizcharakter beigemessen werden.55 Zur Begründung der völkerrechtlichen Rechtsnatur werden jedoch unterschiedliche Merkmale herangezogen. David Wengenroth, der die im Schrifttum vertretenen Merkmale der Organzuständigkeit, hoheitlichen Regelungsgegenstände, des inhaltlichen Völkerrechtszusammenhangs sowie der territorialen oder völkischen Zweiseitigkeit auf den Prüfstand stellt,56 kommt mit der herrschenden Auffassung zu dem Ergebnis, dass die beiderseitige

48 Heffter/Geffcken, Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart, S. 96 ff. Übernahme in das staatskirchenrechtliche Schrifttum z. B. von Friedberg, Lehrbuch des evangelischen und katholischen Kirchenrechts, S. 160 ff. Vgl. dazu auch Stern, Staatsrecht, S. 1378 Fn. 1118. Zu den staatskirchenrechtlichen Grundvorstellungen in den Konkordatstheorien des 19. Jahrhunderts vgl. auch Obermayer, DöV 1967, S. 505. 49 Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Stichwort „Konkordat“, S. 277; Stern, Staatsrecht, S. 1378; BVerfGE 6, 309, 320 ff. 50 Die Völkerrechtsnatur der Konkordate als allgemeine Auffassung vgl. Kästner, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 91; Lenz, Die Rechtsbeziehung zwischen dem Land Hessen und der katholischen Kirche, S. 115; Listl, Konkordate und Kirchenverträge I, S. 6; Rüfner, in: FS Thieme, S. 343 (347); Stern, Staatsrecht, S. 1378 f.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 223 f. 51 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 73 ff.; Renck, DöV 1997, S. 929 (931). 52 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 107. 53 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (274); Listl, Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland I, S. 8; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 49. 54 Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, S. 10; Lenz, Die Rechtsbeziehung zwischen dem Land Hessen und der katholischen Kirche, S. 115; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 50 ff. 55 In diese Richtung gehend BVerfGE 42, 103 (115 f.). 56 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 54 f.

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Völkerrechtssubjektivität der Kontrahierenden sowie das Rechtsregime des Völkerrechts, dem der Vertrag unterstellt werden soll, entscheidend ist.57 Diese Auffassung deckt sich auch mit der Definition, die sich aus dem Völkergewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung ergibt.58 Diese findet sich teilweise in den Regelungen der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. 05. 1969, so in Art. 2 Abs. 1 lit. A, Art. 3 sowie des bislang noch nicht in Kraft getretenen Art. 2 Abs. 1 lit. A des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986. Auf Konkordate wird diese Definition aber nicht direkt angewendet.59 Danach ist ein völkerrechtlicher Vertrag „jede zwischen zwei oder mehreren Staaten bzw. anderen vertragsfähigen Völkerrechtssubjekten getroffene Vereinbarung, die dem Völkerrecht unterliegt“.60 Das für völkerrechtliche Verträge zur Begründung dieser Vertragsnatur konstitutive Wesensmerkmal der Völkerrechtssubjektivität ist angesichts der diesbezüglichen Atypik des Heiligen Stuhls zugleich Ansatzpunkt für Kritik.61 Obwohl das Völkerrecht originär ein Recht der Staaten ist,62 verfügt streng genommen die Einzelperson Papst über die Völkerrechtssubjektivität im Kontext Heiliger Stuhl. In der institutionellen Deutung, dass der über Völkerrechtssubjektivität verfügende Heilige Stuhl durch den Papst als Oberhaupt der Katholischen Kirche gemeinsam mit dessen Dienststellen sowie durch den jeweiligen Amtsinhaber konstituiert und die katholische Kirche dadurch verkörpert wird,63 wird überwiegend ein historisch begründetes Relikt aus den Zeiten gesehen,64 in denen einem Souverän die Völkerrechtssubjektivität zugestanden wurde.65 Ein souveräner Staat entstand erst mit der Gründung des Vatikanstaates, der über den Papst personell mit dem Heiligen Stuhl als einem eigenständigen Völkerrechtssubjekt verbunden ist, bei dem es sich aber um ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt handelt.66 Diese Atypik zeigte sich insbesondere zwischen 1870 – 1929, als viele Staaten diplomatische Beziehungen mit dem 57

Siehe ebenda. Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, S. 51. 59 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 108. 60 Ipsen, Völkerrecht, S. 457. 61 Allgemein dazu Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 223 f. 62 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 30. In dieser Grundlinie argumentierend Renck, DöV 1997, S. 929 (931). 63 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, S. 169. 64 Zur Begründung der Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls, auch m. w. N. Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 60 f. 65 Sprechen von historischem Konnex zum Vatikanstaat Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, § 5 Rn. 1018. 66 Siehe ebenda; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 57. 58

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Heiligen Stuhl unterhielten, obgleich das Oberhaupt in diesem Zeitraum nicht über ein Staatsgebiet verfügte.67 Der Heilige Stuhl herrscht in religiös-vergeistigter Weise über die Gemeinschaft der römisch-katholischen Christen weltweit, so dass streng genommen nach der Drei-Elemente-Lehre die Elemente des Staatsvolks und der Staatsgewalt nicht erfüllt werden.68 Vertreter einer quasi-völkerrechtlichen Lösung, wonach völkerrechtliche Normen analog anzuwenden sind,69 verweisen regelmäßig darauf, dass der Heilige Stuhl in seiner Eigenschaft als Vertreter der Katholiken auf deutschem Staatsgebiet unter Verweis auf den „universalen geistlichen Auftrag des Heiligen Stuhls“70 (gewohnheitsrechtlich)71 Staatskirchenverträge abschließe und gerade nicht in seiner Eigenschaft als Völkerrechtssubjekt. Es ist klarzustellen, dass es kein irgendwie geartetes Rechtssubjekt „Kreis der Katholiken“ geben kann.72 Vor allem aber verwehrten Paritätsgründe eine rechtliche Privilegierung des Heiligen Stuhls gegenüber den evangelischen Kirchen.73 Dem kann nicht zugestimmt werden. Zwar haben sich die Unterschiede zwischen den beiden Kirchen in puncto Mitgliederbestand und gesamtgesellschaftlicher Bedeutung in Deutschland nahezu eingeebnet, die divergierende Organisationsform begründet jedoch Unterschiede in der vertragsrechtlichen Behandlung.74 Evangelische Kirchen sind keine Völkerrechtsperson, sie verfügen nicht über eine supranationale Organisationsform.75 Anders als der Heilige Stuhl als international verfasstes Völkerrechtssubjekt sind sie dem Staat nicht gleichgestellt.76 Dieser grundlegende Unterschied erfordert auch nach dem Paritätsprinzip eine Differenzierung. Dafür spricht auch das Selbstverständnis der evangelischen Landeskirchen als im Staatswesen stehende staatskirchenrechtliche Körperschaften, wie es auch in den evangelischen Staatskirchenverträgen deutlich zum Ausdruck gebracht wird.77 Auch das Argument, dass die Konkordate eben keine Regelungsgegenstände des Völkerrechts beinhalteten, sondern das innerstaatliche Verhältnis zwischen dem 67 68

S. 2.

Siehe ebenda. Zur Drei-Elemente-Lehre und deren Begründer Georg Jellinek vgl. Maurer, Staatsrecht I,

69 So Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (274 f.); Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 1989, S. 510; vgl. noch v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 140 Rn. 52; zu dieser rechtssystematischen Qualifizierung näher Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 132 ff. 70 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 103. 71 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 102 f. 72 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 36. 73 Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 140 GG Rn. 52. 74 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 43. 75 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 40. 76 Siehe ebenda. 77 Näher dazu Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 44 f.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

Staat und den als Vertragspartner auftretenden Religionsgemeinschaften regelten,78 greift nicht durch. Es ist kein Grundsatz ersichtlich, wonach völkerrechtliche Verträge nicht auch innerstaatliche Angelegenheiten betreffen könnten.79 Diese „QuasiSpielart“ entbehrt in diesem Falle nicht nur seiner rechtlichen Eindeutigkeit, es mangelt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke,80 wie sie aber eine Völkerrechtsanalogie erfordern würde. Dass der Heilige Stuhl souverän und in seiner Rechtsfähigkeit jener anderer Völkerrechtssubjekte qualitativ gleichwertig ist,81 wird durch die ununterbrochene Rechtspraxis bewiesen. Eigenen Angaben zufolge unterhält der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen zu 176 Staaten.82 Auch die Bundesländer, die, abgesehen vom Reichskonkordat, Vertragspartner des Heiligen Stuhls beim Konkordatsschluss sind, sind auf dem staatskirchenrechtlichen Gebiet völkerrechtliche Rechtspersönlichkeiten. Sie sind nach Art. 32 Abs. 3 GG ausdrücklich zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen befähigt.83 Von einer partiellen Völkerrechtsfähigkeit der Bundesländer nach der Völkerrechtsordnung kann ausgegangen werden, da diese im Rahmen des Vertragsschlusses mit anderen Ländern anerkannt wurde.84 Die Anwendbarkeit der Vertragsinhalte im innerstaatlichen Recht wird durch das Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsgesetzes gewährleistet, wobei praktisch nicht relevant ist, ob nach der Vollzugslehre das Vertragsgesetz die Anwendbarkeit des Vertragsinhalts im staatlichen Recht bewirkt oder er im Sinne der Transformationslehre auf diesem Wege in staatliches Recht transformiert wird.85 2. Ergebnis Konkordate sind demnach auf der Ebene des Völkerrechts anzusiedeln. Ihren systematischen Standort im deutschen Verfassungsrecht finden sie als Staatsverträge.

78 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 5. Aufl. 2005, Art. 140 Rn. 52 m. w. N., der auf diese Weise zu einer einheitlichen Einordnung aller staatskirchenrechtlichen Verträge gelangt, da auch die Kirchenverträge als „quasi-völkerrechtliche Verträge“ aufgefasst werden. 79 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 224. 80 Renck, DöV 1997, S. 929 (931). 81 Siehe ebenda. 82 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 31. 83 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band II, 7. Aufl. 2018, Art. 32 Rn. 9; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 32. 84 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band II, 7. Aufl. 2018, Art. 32 Rn. 9. 85 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 226.

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III. Rechtssystematische Einordnung der Kirchenverträge 1. Als völkerrechtliche oder quasi-völkerrechtliche Verträge Das Verfahren des Zustandekommens und der Inhalt der sich zeitlich später herausbildenden evangelischen Kirchenverträge wurden weitgehend an die Konkordatspraxis angepasst. Die Einordnung der evangelischen Staatskirchenverträge als völkerrechtliche Verträge wurde auf Grund dieser Parallele bereits in früheren Untersuchungen diskutiert;86 damals wie heute wird sie nahezu einstimmig abgelehnt.87 Allenfalls Heinrich Brandweiner leitete die Völkerrechtssubjektivität der Landeskirchen daraus ab, dass sie gegenüber dem Staat souveräne Rechtsgemeinschaften sind. Dies begründete er mit ihrer geistlichen Souveränität.88 Dieser Weg ist nicht, genauso wenig wie der über das Paritätsprinzip, gangbar. Wie Lutz-Bachmann im Einklang mit der Literatur konstatiert, würden die Wirkkraft und das Anwendungsgebiet des Paritätsprinzips überspannt.89 Auch die auf eine Herstellung von Gleichbehandlung abzielende, quasi-völkerrechtliche Einstufung liefe diesem Rechtsprinzip zuwider. Es würde als kirchenpolitisches Instrument missbraucht.90 Rechtssystematisch können Kirchenverträge weder als völkerrechtliche noch als quasi-völkerrechtliche Verträge eingeordnet werden. 2. Als Verwaltungsverträge Noch bis in die 1970er Jahre hinein entsprach es der herrschenden Auffassung, Kirchenverträge als verwaltungsrechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG einzuordnen.91 Diese rechtssystematische Zuordnung galt ausdrücklich auch für die hier im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden umfassenden Statusverträge, die das Verhältnis zwischen Staat und religiöser Gemeinschaft umfassend und dauerhaft regeln.92 Betont wird93 und wurde94, dass mit innerstaatlichen Verbänden paktiert 86

Dazu Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 174 ff.; Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Kirchenverträge von 1924, S. 167 ff. 87 So auch Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 177. 88 Brandweiner, Die christlichen Kirchen als souveräne Rechtsgemeinschaften, S. 35 ff. Zu diesem Ansatz vgl. auch Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 178 ff. 89 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 115 f. m. w. N. 90 Zu weiteren Ansätzen infolge des Missbrauchs näher: Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 117. 91 Renck, DöV 1997, S. 929 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225 f.; siehe ferner Wagnon, Concordats et droit international, S. 36 f. 92 Wie die umfangreiche Vertragspraxis indes belegt, ist der verwaltungsrechtliche Vertragsschluss entsprechend der Zielrichtung zur Begründung, Änderung oder Feststellung eines verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnisses mit Religionsgemeinschaften über einen minder

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

würde und verfassungsrechtliche Verträge nicht geschlossen werden könnten. Die hinter dieser Zuordnung stehende Annahme, die Privilegierung der Kirchen gegenüber (anderen) gesellschaftlichen Gruppen sei unangemessen und nicht mehr zeitgemäß,95 bewegt noch heute vereinzelt Stimmen dazu, die mit dem Heiligen Stuhl und der evangelischen Kirche geschlossenen Staatskirchenverträge als verwaltungsrechtliche Verträge einzuordnen.96 Auch Quaritsch propagiert eine verwaltungsrechtliche Lösung in der Hinsicht, dass sich im Ergebnis der Kirchenvertrag nur durch sein feierliches Verfahren des Zustandekommens und seiner Transformation in Staatsgesetz und damit nicht grundsätzlich vom normalen öffentlich-rechtlichen Vertrag unterscheide.97 Staatskirchenverträge werden von den Befürwortern einer verwaltungsrechtlichen Lösung überwiegend als schlichte öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 VwVfG eingeordnet. Thematisiert wird auch eine rechtssystematische Zuordnung zu den Verwaltungsabkommen nach Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG, das überdies auch in einfachen Gesetzen erwähnt wird.98 Eine derartige Zuordnung wird sonst eher für die Einzelgegenstände regelnden Spezialverträge vorgenommen. Da es keine materielle Begriffsbestimmung des Verwaltungsabkommens gibt, ist diese vielmehr im Wege der Negativabgrenzung zum Staatsvertrag vorzunehmen. Fest steht, dass es „darin um materielle oder verfahrensrechtliche Fragen der Regierungsbzw. Verwaltungstätigkeit geht“. Aus diesem Grund verweist Lutz-Bachmann darauf, dass beide Vertragspartner Hoheitsträger sein müssen. Dies trifft auf die evangelischen Landeskirchen nicht zu, so dass diese rechtssystematische Spezifizierung ausscheiden würde.99 Diese Eigenschaft in Hinblick auf die Vertragspartner wird durch das Rechtsinstitut des verwaltungsrechtlichen Vertrages im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG als einer besonderen Form der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse nicht verlangt. Bei ihm handelt es sich um eine Handlungsalternative zum Verwaltungsakt. Die Funktion wichtigen partiellen Vertragsgegenstand ein übliches Handlungsinstrument. Die Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und der Altkatholischen Kirche in Bayern vom 22. Oktober 1986/28. April 1987 über die Pauschalvergütung für die Erteilung des Religionsunterrichts zeigt namentlich auf, dass hier gerade keine grundlegende Verhältnisbestimmung zwischen den Kontrahierenden vorgenommen wird, vgl. Rüfner, in: FS Starck, S. 1175 ff. Einschlägige Vereinbarungen abgedruckt bei Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD II, S. 470. 93 Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 69 (75); Renck, ThürVbl. 1995, S. 31 (34); Renck, DöV 1997, S. 929 (934). 94 Wagnon, Concordats et droit international, S. 36. 95 Renck, ThürVbl. 1995, S. 31. 96 So vor allem Renck, DöV 1997, S. 929 ff.; ferner Czermak, Der Staat 39 (2000), S. 69. 97 Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 (140). 98 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 229; Rüfner, in: FS Starck, S. 1175 (1176); Scheven, JZ 1964, S. 643 ff. 99 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 121 m. w. N.

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des verwaltungsrechtlichen Vertragsschlusses besteht in der mitgestaltenden Teilnahme des Bürgers am Verwaltungsgeschehen.100 Infrage kommt dabei „die Konkretisierung oder Verschiebung verwaltungsrechtlicher Pflichten und Kompetenzen, die Auferlegung bzw. Übernahme öffentlich-rechtlicher Handlungs-, Unterlassungsund Duldungspflichten, die Erteilung einer Erlaubnis, die Verpflichtung einer Behörde zum Erlass bzw. zur Unterlassung eines VA, zur Erbringung einer sonstigen Leistung oder zur Vornahme einer organisatorischen Maßnahme, die Verpflichtung des Vertragspartners der Behörde zur Erbringung einer Gegenleistung oder zur Herstellung von Bedingungen, unter denen die Leistung der Behörde erfolgen oder z. B. eine Genehmigung realisiert werden soll“101. Zwischen Kirchenverträgen und herkömmlichen verwaltungsrechtlichen Verträgen ist nach dieser Definition keine abstrakte Vergleichbarkeit der Charakteristika gegeben. Zwar können Kirchenverträge auch verwaltungsrechtliche Inhalte regeln, dies geschieht jedoch eher vereinzelt. Ihr eigentliches Gepräge wird ihnen über die in Zusammenhang mit dem Verfassungsrecht stehenden Gewährleistungen verliehen.102 Denn evangelische Statusverträge dienen der umfassenden und dauerhaften Regelung des Verhältnisses zu ihrem staatlichen Vertragspartner, wie es im staatskirchenrechtlichen System des Grundgesetzes normiert ist. Eine rechtssystematische Einordnung von Kirchenverträgen als verwaltungsrechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 VwVfG ist nicht adäquat.103 Die Maßgeblichkeit des Inhalts eines Staatskirchenvertrages für seine rechtssystematische Zuordnung entspricht der überwiegenden Auffassung in der staatskirchenrechtlichen sowie verwaltungsrechtlichen104 Literatur. Zwar ist nicht jeder Vertrag, der sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis ergibt, auch ein verfassungsrechtlicher Vertrag.105 Jedoch wirkt die Besonderheit der staatskirchenvertraglichen Ausgangssituation einer hinkenden Trennung von Staat und Religionsgemeinschaft, die die Vertragsschließenden in eine Situation des „kooperativen Gegenübers“ als einer besonders freiheitsschonenden Form der Subordination bringt,106 regelmäßig in der inhaltlichen Ausgestaltung der Staatskirchenverträge fort. Sie kann demnach nicht ohne weiteres mit einer verwaltungsrechtlichen Ver100

Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 54 VwVfG Rn. 37. Hettich/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 54 Rn. 26. 102 Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen, S. 191; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 58. 103 Überwiegende Auffassung in der staatskirchenrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Literatur: Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 122 f.; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 53 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225 f. 104 Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 48. 105 So das BVerfGE 42, 103 (113). Vgl. auch Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 58. 106 Zum Begriff des „kooperativen Staates“ vgl. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245; Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 ff. 101

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tragsabschlusssituation gleichgesetzt werden.107 Bereits konzeptionell ist keine abstrakte Vergleichbarkeit zwischen der Handlungsform des Staatskirchenvertrages und dem Rechtsinstitut des Verwaltungsvertrages auszumachen. Auch weitere Argumente sprechen mal stärker, mal schwächer für die hier vertretene Auffassung und die herrschende Meinung. Zunächst enthalten Staatskirchenverträge regelmäßig Rechte Dritter betreffende Regelungen; wären diese als Verwaltungsvertrag einzuordnen, bedürften diese nach § 58 Abs. 1 VwVfG der Zustimmung.108 Weiterhin sprechen insbesondere die unterschiedlichen Verfahren von Staatskirchen- und Verwaltungsvertrag sowie der Umstand, dass „bei einem exklusiven Rekurs auf §§ 54 ff. VwVfG die einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Regelungen zur Handlungsform des Staatskirchenvertrages überflüssig wären“, dagegen, Kirchenverträge rechtssystematisch als Verwaltungsverträge einzuordnen109. 3. Als Staatsverträge Evangelische Kirchenverträge werden von der überwiegenden Auffassung rechtssystematisch als Staatsverträge eingestuft.110 Diese Einordnung liegt vor allem mit Blick auf die der Staatsverträge entsprechenden Form einschließlich des Verhandlungsstils und der Ratifikation von Kirchenverträgen durch die gesetzgebenden Körperschaften111 nahe.112 Der Begriff des Staatsvertrages ist mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Definition schwer fassbar. Gemeinhin werden darunter unterschiedliche Vertragstypen verstanden, insbesondere völkerrechtliche Verträge des Bundes113 oder der Bundesländer untereinander, mit dem Bund oder mit auswärtigen Staaten,114 „die nach ihrem Gegenstand wirksam nicht allein von den beteiligten Regierungen oder Verwaltungsbehörden abgeschlossen werden können, sondern einer Mitwirkung der Volksvertretungen im Wege des Zustimmungsgesetzes oder einer Zustimmung durch 107 Rust untersucht die konkrete Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses und lehnt eine Vergleichbarkeit ab, da sich die Vertragsparteien als koordinierte Rechtssubjekte gegenüberstünden. Allerdings ist diese Art der Verhältnisbestimmung auch beim verwaltungsrechtlichen Vertragsschluss möglich, Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 191. 108 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225. 109 Siehe ebenda. 110 Siehe dazu mit weiteren Nachweisen BeckOK GG/Germann, GG Art. 140 Rn. 22. 111 Dazu Stern, Staatsrecht, S. 1380. 112 Zum Verfahren bei innerbundesstaatlichen Verträgen Bauer/Brosius-Gersdorf, in: Heun/ Honecker/Morlok/Wieland, EvStL., Stichwort „Staatsverträge“, Sp. 2340 ff. 113 Creifelds/Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort „Staatsvertrag“, S. 1339 f.; Ipsen, Staatsrecht I, S. 303; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 209. 114 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 212. Dies aufnehmend Schier, Die Bestandskraft staatskichenrechtlicher Verträge, S. 48.

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parlamentarische Beschlussfassung bedürfen“.115 Ursprünglich kam Staatsverträgen eine Abgrenzungsfunktion der völkerrechtlichen Verträge von bloßen Verwaltungsabkommen zu, dieses Verständnis lag bereits den Art. 45 und 78 der Weimarer Reichsverfassung zu Grunde.116 Leitend für die Qualifizierung als „Staatsvertrag“ dürfte insbesondere auch ein besonderes Legitimationsbedürfnis der evangelischen Kirchenverträge, gerade auch im Verhältnis zu den als völkerrechtlichen Verträgen rechtssystematisch eingeordneten Konkordaten, sein, das aus der Annahme der Eigenrechtsmacht der Kirchen abgeleitet wird.117 Diese „außerweltliche rechtliche Eigenexistenz“ der Kirchen weise Parallelen zu der von Bund und Ländern auf.118 Kurz ist zu überprüfen, ob das Grundgesetz Anhaltspunkte für die Ableitung der Anforderungen und Merkmale des Rechtsinstituts des Staatsvertrages bietet oder ob ggf. die Wesensmerkmale auf der Grundlage des inneren Zusammenhanges des geltenden Staatsvertragsbestandes abgeleitet werden müssen. a) Der Staatsvertrag im Grundgesetz Der Staatsvertragsbegriff wird im Grundgesetz in den Bestimmungen der Art. 29 Abs. 7, 8 GG, Art. 123 Abs. 2 GG und Art. 130 Abs. 1, 3 GG ausdrücklich genannt, wobei Art. 29 Abs. 7, 8 GG, betreffend die Neugliederung des Bundesgebietes sowie Art. 130 Abs. 1, 3 GG, der lediglich eine Negativabgrenzung zu anderen Vertragsformen beinhaltet, nicht weiterführend in der rechtssystematischen Einordnung sind.119 Art. 123 Abs. 2 GG bestimmt: „Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge, die sich auf Gegenstände beziehen, für die nach diesem Grundgesetze die Landesgesetzgebung zuständig ist, bleiben, wenn sie nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gültig sind und fortgelten, unter Vorbehalt aller Rechte und Einwendungen der Beteiligten in Kraft, bis neue Staatsverträge durch die nach diesem Grundgesetze zuständigen Stellen abgeschlossen werden oder ihre Beendigung auf Grund der in ihnen enthaltenen Bestimmungen anderweitig erfolgt.“ Eine Wortlautauslegung des Art. 123 Abs. 2 GG mit der nichtamtlichen Überschrift „Fortgeltung des alten Rechts“ ist wenig ergiebig, er gilt allgemein als 115 Badura, Staatsrecht, D 91. Dies aufnehmend Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 48. 116 Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 201; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 209 f. 117 So auch Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 151 ff.; Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 251. 118 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 251. 119 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 135.

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„schlecht gefasst“.120 Zum Rechtsregime des Staatsvertrages oder gar Staatskirchenvertrages werden darin keine ausdrücklichen Aussagen getroffen. Anstoß gibt überdies, dass die evangelischen Landeskirchen keine Staatsqualität aufweisen, was jedoch nicht von Vornherein bedeuten muss, dass Staatskirchenverträge nicht unter diese Norm gefasst werden können.121 Der historischen Auslegung zufolge verfügt diese Verfassungsbestimmung ursprünglich über eine staatskirchenrechtliche Bedeutung. Die Vorgängerfassungen, die zunächst in einen eigenständigen staatskirchenrechtlichen Regelungskomplex eingebettet waren, widmeten sich der Fortgeltung älterer Staatskirchenverträge, insbesondere des Reichskonkordates.122 Dies entsprang der katholischen Interessenlage, die Fortgeltung sämtlicher Staatskirchenverträge zu sichern und eine spezifische Garantie dieses Regelungsinstruments festzuschreiben.123 Die daraufhin geschaffene Textfassung erfasste also auch die Kirchenverträge.124 Zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings die Frage aufgeworfen, ob die Staatskirchenverträge zum Zeitpunkt der Kapitulation überhaupt noch galten, so dass sich der Fokus in Richtung der Normierung einer allgemeinen Fortgeltungsanordnung verschob. Dass sich diese schlussendlich auf die durch das Deutsche Reich überhaupt geschaffenen Rechtsverhältnisse bezog,125 lässt sich angesichts einer Verallgemeinerung des Wortlautes sowie anhand einer im Hauptausschuss erfolgten Klarstellung erschließen, wonach durch den Staat in der Funktion des Fiskus abgeschlossene privatrechtliche Verträge durch diese Bestimmung nicht erfasst würden.126 Die Entwicklungsgeschichte erlaubt demnach vor allem folgende Schlüsse: Der Staatsvertragsbegriff erfasst neben dem völkerrechtlichen Vertrag auch weitere Vertragstypen und muss weit ausgelegt werden.127 Zudem können die Begriffe des Staatsvertrages und des völkerrechtlichen Vertrages nicht deckungsgleich verstanden werden. Zwar sind alle völkerrechtlichen Verträge Staatsverträge, durch den weiteren Staatsvertragsbegriff werden aber noch weitere Vertragsformen erfasst.128 120

Giegerich, in: Maunz/Dürig GG 84. Lieferung Art. 123 Rn. 65, zit. Maunz in der Vorauflage zu Art. 123 Rn. 10. 121 So auch Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (144). 122 Dazu Leibholz/v. Mangoldt (Hg.), JöR 1 n. F. (1951), Art. 123 S. 900 ff. 123 Hense, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 123 Rn. 13. 124 „Die am 8. Mai bestehenden Verträge zwischen den Ländern und den Kirchen bleiben in Kraft, [bis sie durch neue von den Ländern abzuschließende Vereinbarungen abgelöst werden]“, vgl. Hense, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 123 Rn. 18. 125 Dazu Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1 (1951), Art. 123, S. 841. 126 Diesen Schluss hinsichtlich der privatrechtlichen Verträge zieht auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 132 m. w. N. Vgl. auch Leibholz/v. Mangoldt (Hg.), JöR 1 n. F. (1951), Art. 123, S. 841 f. 127 So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 129, 134. 128 So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 132.

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Kirchenverträge werden weder ausdrücklich ein- noch ausgeschlossen.129 Entsprechend ihrer nicht-amtlichen Überschrift verfügt die Grundgesetzbestimmung über einen funktionsrechtlichen Charakter. In der Entstehungsgeschichte einer verfassungsrechtlichen Umbruchsituation lässt sich auch der spezifische Gesetzeszweck des Art. 123 Abs. 2 GG feststellen, der mit der Normierung einer Fortgeltungsanordnung funktional-rechtlicher Natur ist, wie dies auch in der nicht-amtlichen Überschrift zum Ausdruck gebracht wird und gerade nicht abstrakt begriffsbestimmend in Bezug auf das Regelungsinstrument des Staatsvertrages.130 Dieses funktional-rechtliche Legislativinteresse wurde durch das Konkordatsurteil des BVerfG vom 26. März 1957 weiter konkretisiert. Danach trifft „diese Bestimmung […] keine Entscheidung über den völkerrechtlichen Fortbestand der dort genannten Staatsverträge. Eine solche Entscheidung läge außerhalb des Wirkungsbereiches des Grundgesetzes als einer staatlichen Verfassung. Art. 123 Abs. 2 GG kann sich vielmehr nur mit dem Fortgelten des in innerstaatliches Recht transformierten Vertragsinhaltes befassen. Es handelt sich also um eine Rechtsanwendungsnorm, die bestimmt, welches Recht gelten soll“131. Der Regelungsgegenstand des Art. 123 Abs. 2 GG ist demnach das Zustimmungsgesetz, das die Vertragsinhalte in innerstaatliches Recht transformiert. Wie Lutz-Bachmann konstatiert, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich bei dem Zustimmungsgesetz um ein konstitutives Wesensmerkmal des Staatsvertrages oder des Staatskirchenvertrages handelt. Denn der normative Charakter des Art. 123 Abs. 2 GG ist gerade nicht abstrakt begriffsbestimmend, seine Merkmale werden funktionsspezifisch gebraucht, so auch das Transformationsgesetz.132 Eine „sinnvariierende“ Verwendung als Sammelbegriff,133 die dem Staatsvertragsbegriff in Hinblick auf die Landesverfassungen und die Rechtspraxis attestiert wird, kann in mehrerlei Hinsicht festgestellt werden: Zum einen wird er zur Bezeichnung von Verträgen der Länder mit anderen Ländern, dem Bund oder auswärtigen Staaten verwendet,134 zum anderen nicht nur im Sinne transformationsbedürftiger Verträge. Art. 43 Hamburgische Verfassung nennt beispielsweise „zustimmungspflichtige“ und „zustimmungsfreie“ Staatsverträge. Die weiteren Vertragsvorschriften des Grundgesetzes, Art. 32 Abs. 2, 3 GG sowie Art. 59 GG, nennen den Staatsvertrag nicht ausdrücklich, ihr Regelungsgegenstand 129

Siehe ebenda. Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 130. 131 BVerfGE 6, 309 (341, 350). 132 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 130. 133 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 209. Dies übernehmend Lutz–Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 130. 134 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 212. 130

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

ist zudem auch der durch Art. 123 Abs. 2 GG erfasste völkerrechtliche Vertrag.135 Während die Entstehungsgeschichte beider Grundgesetzbestimmungen auf Grund von widersprüchlichen Quellen, wie Lutz-Bachmann aufzeigt, keine Erkenntnis für die rechtssystematische Einordnung bringt,136 ist heute umstritten, ob Konkordate durch beide Normen erfasst werden.137 Der wohl überwiegenden Meinung zufolge ist bei Konkordaten des Bundes dem Gesetzeserfordernis des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG Rechnung zu tragen,138 wonach „Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, […] der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes“ bedürfen. Daraus und aus der Entstehungsgeschichte schlussfolgerte Hollerbach, dass die vertraglichen Übereinkünfte in Form von Konkordaten zwischen Staat und Kirche der parlamentarischen Zustimmung in Gesetzesform bedürfen. Dem sachlichen Grundgedanken dieser Vorschrift nach sei diese Norm darüber hinaus auch insbesondere auf Staatskirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen anzuwenden.139 Eine Auslegung der entsprechenden Artikel des Grundgesetzes, die sich auf Staatsverträge beziehen, ist nur bedingt weiterführend. Wie Wengenroth konstatiert, handelt es sich beim Staatsvertragsbegriff um einen „Ober- bzw. Sammelbegriff für verschiedene Arten von Verträgen, nämlich für die völkerrechtlichen Verträge des Bundes im Sinne der Art. 59 und Art. 123 GG sowie für Verträge der Bundesländer untereinander, mit dem Bund und mit auswärtigen Staaten“140. Art. 123 Abs. 2 GG verwehrt es nicht, Staatskirchenverträge darunter zu fassen.141 Als Sammelbegriff lassen sich in Hinblick auf das Rechtsregime in puncto Zustandekommen, Bin135

Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 132. 136 Dies., S. 133. 137 In der Entscheidung zum Reichskonkordat verneinte das BVerfG, dass Konkordate unter die Regelung der Art. 32 und 59 GG fallen, siehe BVerfGE 6, 309 (362). Lutz-Bachmann verweist allerdings darauf, dass die Art. 32, 59 GG sämtliche Verträge mit sonstigen nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekten erfassten und die „geistliche Zwecksetzung“ des Heiligen Stuhls eine Sonderbehandlung nicht rechtfertige, dies., Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 133 ff. 138 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 250; Hollerbach, in: Listl/ Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (279); Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 198; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 135. A. A. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band II, 7. Aufl. 2018, Art. 59 Rn. 20, Art. 32 Rn. 31 u. a.; vgl. auch BVerGE 2, 347 (374). 139 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (279). 140 Wengenroth, Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 212; so auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 135. 141 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 132 ff.

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dungswirkung und Bestandskraft im Wege der Auslegung des Art. 123 Abs. 2 GG keine weiteren Erkenntnisse ziehen; insbesondere aus den Vorschriften und ihren Rechtsgedanken lässt sich nicht ableiten, dass das Vorliegen eines Zustimmungsgesetzes ein konstitutives Wesensmerkmal ist Damit ist nicht gesagt, dass es sich um eine Worthülse handelt. Als ein gewohnheitsrechtlich und durch die Vertragspraxis ausgestaltetes Vertragsphänomen müssen die Wesensmerkmale auf der Grundlage eines inneren Zusammenhanges zwischen den unter dem Sammelbegriff des Staatsvertrages zusammengefassten einzelnen Vertragstypen herausgearbeitet werden. b) Die Wesensmerkmale eines Staatsvertrages und rechtssystematische Zuordnung der evangelischen Kirchenverträge aa) Form, Titulierung und Wille der Vertragsparteien Die Formanforderungen eines Staatsvertrages sind nicht gesetzlich festgeschrieben, sie haben sich aber inzwischen verfassungsgewohnheitsrechtlich verfestigt. Parallelen zwischen „herkömmlichen Staatsverträgen“ und Staatskirchenverträgen können im Verhandlungsstil sowie in der Ratifizierung durch die gesetzgebenden Körperschaften ausgemacht werden.142 Evangelische Kirchenverträge durchlaufen, genauso wie Konkordate, ein vierphasiges Abschlussverfahren. Nach der Verhandlungsführung werden sie paraphiert und unterzeichnet, daraufhin erfolgt die Zustimmung durch das Parlament und ihre Ratifikation.143 Angesichts der rechtlichen Außenwirkung ist auf das Zustimmungserfordernis gesondert einzugehen. In Hinblick auf die reinen Formfragen wird in der Literatur regelmäßig zu Recht darauf verwiesen, dass das genannte Prozedere ohne rechtliche Relevanz für die Bestimmung der Rechtsnatur der Staatskirchenverträge ist, sondern die Abschlussmodalitäten vielmehr die Konsequenz einer bestimmten Rechtsqualität darstellen.144 Auch die Titulierung eines Vertrages kann nicht als das objektive, das Wesen der Rechtsform bestimmende Merkmal gewertet werden.145 An ihr kann sich allenfalls der Wille der Vertragsschließenden hinsichtlich einer rechtssystematischen Einordnung abzeichnen und höchstens Indiziencharakter haben. Dies bedeutet nicht, dass der Titulierung kein weiterführender Wert zukommt. Der Schlussfolgerung 142

Stern, Staatsrecht, S. 1380. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 103 f.; Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 183. 144 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 103; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 139 f.; Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 (140). Vgl. auch Wengenroth, Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 50 ff. 145 Im Ergebnis ebenso Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 48. 143

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

Grassls, wonach die bestehende große Vielfalt an Titulierungen auf willkürlichen Kennzeichnungen beruhte,146 kann nicht gefolgt werden. Auch der Titel kann (politisch) ausgehandelt147 sein und vermag daneben häufig Aufschluss über die Vertragsmotive zu geben. Auch das BVerfG konstatierte in seiner Entscheidung zum ZVS-Staatsvertrag, dass allein eine Titulierung nicht zu einer Rechtsform führen könne.148 An dieser Entscheidung – es ging um einen schlichten Verwaltungsvertrag, zu welchem aber ein Zustimmungsgesetz erging – zeigt sich auch, dass die Begriffsbezeichnung „Staatsvertrag“ auch nur tendenziell für zustimmungspflichtige Verträge gebraucht wird.149 Im Allgemeinen kann angenommen werden, dass der Gebrauch des Staatsvertragsbegriffes eine möglichst feierliche Benennung bewirken und im Verhältnis zu den Konkordaten eine Aufwertung der mit den evangelischen Landeskirchen geschlossenen Verträge einschließlich der Betonung ihrer Eigenrechtsmacht mit sich bringen sollte. Die Titulierung evangelischer Kirchenverträge umfasst in der Regel die Bezeichnung der Vertragsparteien und häufig wird schlicht der Vertragsbegriff genannt, wie beispielsweise beim Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch – Lutherischen Kirche vom 29. November 2005. In Ausnahmefällen wird in der Titulierung direkt von der Rechtsform des Staatsvertrags Gebrauch gemacht, so wie beim Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und den evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachsen vom 24. März 1994. Für die rechtssystematische Einordnung eines Staatskirchenvertrages sind diese formellen Merkmale nicht weiterführend. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung kann ihnen allenfalls unterstützende Wirkung beigemessen werden. bb) Vertragspartner Dem Wortlaut „Staatsvertrag“ nach muss auf zumindest einer Seite eine Körperschaft in ihrer Eigenschaft „als Staat“ kontrahieren. Dem entspricht die Vertragsschlusssituation in der Praxis, in der regelmäßig beide Vertragspartner über Staatsqualität verfügen.150 Hinsichtlich der Frage der rechtssystematischen Einstufung der Kirchenverträge wurde mit Blick darauf, dass evangelischen Kirchen gerade 146

S. 4. 147

Grassl, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern der BRD,

So auch Schneider, Die Beteiligung der Landesparlamente beim Zustandekommen von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen der Bundesländer, S. 8. Diese Beobachtung gilt gerade auch für Staatskirchenverträge. 148 BVerfGE 42, 103 (115 f.). 149 Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, S. 41. 150 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 137; Renck, ThürVbl. 1995, S. 31 (35); ders., DöV 1997, S. 929 (934).

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keine Staatsqualität zukommt, eine staatsrechtliche Qualität angenommen oder als Staatsvertrag im weiteren Sinne eingestuft.151 In Hinblick auf die Anforderungen an die rechtliche Beschaffenheit des kirchlichen Vertragspartners eines „Staatsvertrages“ und in der daraus folgenden Frage, in welchem Verhältnis der Partner zu dem mit ihm kontrahierenden Bund/Land steht, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Mit Blick auf die Offenheit des grundgesetzlichen Staatsvertragsbegriffes und das Wesen eines gewaltengliedernden Verfassungsstaats ist zunächst die in Anleihe an das Völkerrecht geforderte „Souveränität der Vertragspartner“152 abzulehnen. Diesen Forderungen immanent ist, dass sie ein gewisses Maß an Unabhängigkeit der Vertragsparteien zueinander statuieren, sie in eine Situation des rechtlichen Gegenübers153 bringen, wie sie typischerweise der Situation des Vertragsschlusses zu eigen ist. Aus dem Umstand, dass der Staatsvertragsschluss auf der Ebene des Verfassungsrechts angesiedelt ist, ergibt sich, dass diese Situation des Gegenübers bzw. dessen rechtliche Beschaffenheit auch in verfassungsrechtlichen Rechten und Pflichten wurzeln muss, die in ihrer Gesamtheit den Status der verfassungsrechtlichen Eigenständigkeit der Vertragspartner konstituieren. Die Partner müssen sich als „verfassungsrechtliche Größen“154 gegenüberstehen. Dies bedeutet, dass sich „ihre Rechtsstellung im wesentlichen unmittelbar aus der Verfassung ableitet und sich ihre verfassungsrechtliche Stellung von der anderer Beteiligter des Rechtslebens deutlich abhebt“155. Wie Wengenroth konstatiert, führt die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Rechtsstellung der Kirchen vor allem durch die unmittelbare Einräumung des staatskirchenrechtlichen Korporationsstatus und der Stärkung ihrer rechtlichen Eigenstruktur durch ursprünglich nur dem Staat vorbehaltene Hoheitsinstrumente zur Verfassungsunmittelbarkeit ihres Rechtsstatus.156 Erforderlich ist demnach, dass zumindest ein Partner eines Staatsvertrages über Staatsqualität verfügt. Der nichtstaatliche Vertragspartner muss zumindest über einen unmittelbaren verfassungs151

Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 92. Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 203. 153 So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 138. 154 In Anknüpfung an BVerfGE 22, 221 (230) und BVerfGE 42, 103 (112) überträgt Wengenroth die Begrifflichkeit der „verfassungsrechtlichen Größen“ auf die Rechtsstellung der Beteiligten, Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 179. 155 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 179; ähnlich auch Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 193; a. A. Friauf, AöR 88 (1963), S. 257 (298), der in der rechtlichen Stellung der Vertragspartner kein eigenständiges Begriffsmerkmal sieht, sondern die Abschlussvoraussetzung eines verfassungsrechtlichen Vertrages. 156 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 184 ff. 152

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

rechtlichen Rechtsstatus verfügen. Dieser Anforderung wird durch die staatskirchenrechtliche Korporationsqualität der evangelischen Kirchen Genüge getan. cc) Vertragsinhalt und parlamentarisches Zustimmungsgesetz Entscheidendes gegenständliches Merkmal in der Definition und der rechtlichen Klassifizierung als Staatsvertrag ist zunächst der Vertragsinhalt.157 Für die Klassifizierung eines evangelischen Kirchenvertrages als Staatsvertrag ist zu überprüfen, ob die Legitimation und die Struktur seines Vertragsinhalts mit dem eines herkömmlichen, originär zwischenstaatlichen Staatsvertrages vergleichbar ist. Mit Blick darauf, dass Verträge nach Art. 59 Abs. 2 GG, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung durch ein förmliches Parlamentsgesetz bedürfen, und darauf, dass zu evangelischen Kirchenverträgen regelmäßig ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz erging, wird die Frage aufgeworfen, wie das Verhältnis zwischen Vertragsinhalt und parlamentarischem Zustimmungsgesetz ausgestaltet ist. Da weder Merkmale noch Voraussetzungen eines Staats(-kirchen)-vertrages gesetzlich kodifiziert sind, ist die Untersuchung unter die Prämisse zu stellen, der Natur des staatskirchenrechtlichen Statusvertrages besonders nahe zu kommen.158 (1) Inhalt von Kirchenverträgen und abstrakte Vergleichbarkeit Ausgehend von der Konkordatspraxis werden als Konkordate (Conventio sollemnis) die vertraglichen Regelungen zwischen Staat und Heiligem Stuhl bezeichnet, die die Beziehung zwischen den Vertragspartnern dauerhaft und umfassend zum Gegenstand haben.159 Die Momente der inhaltlichen Umfassendheit und Dauerhaftigkeit aufnehmend, werden Verträge zwischen den evangelischen Landeskirchen/der EKD sowie sonstigen Religionsgemeinschaften und dem Staat als (evangelische) Kirchenverträge160 rechtsbegrifflich erfasst.161 Zur typologischen Ab157

Herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und der Literatur, vgl. dazu etwa BVerfGE 42, 103 (113 ff.); Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 141; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 58. 158 Einen ähnlichen Untersuchungsansatz wählt Bauer, Die Bestandskraft von Verträgen zwischen Bund und Ländern, S. 82. 159 Die in Hinblick auf ihre Terminologie und (inhaltliche) Typologie erfolgte Systematisierung der Staatskirchenverträge gemäß der Untersuchung Hollerbachs aus dem Jahr 1965, vgl. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 68; ders., in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (285 f.). 160 Der Untersuchung Hollerbachs zufolge habe sich der Ausdruck des Kirchenvertrages spätestens seit dem Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931 eingebürgert, vgl. dazu Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 71. 161 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 68 ff.; Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der BRD I, S. 6 ff. Stern, Staatsrecht, S. 1379, weist darauf hin, dass sich der

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grenzung dieser sogenannten „Statusverträge“ von den einzelne Materien umfassenden „Spezialverträgen“162 schlug Hollerbach vor, „Vertrag“ nur solche Übereinkünfte zu nennen, welche der parlamentarischen bzw. synodalen Zustimmung bedürfen.163 Es gilt, dies in der nachfolgenden Untersuchung zu spezifizieren. Die einzelnen Regelungsgegenstände der Statusverträge werden in vier Gruppen zusammengefasst.164 Eine erste Gruppe besteht aus Bestimmungen zum religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht inklusive der Gewährleistung des Eigentums der Religionsgemeinschaft und der Freiheit der Ämterbesetzung sowie der vertraglichen Wiederholung verfassungsrechtlicher Garantien, wie der (kollektiven) Religionsfreiheit einschließlich des diakonischen karitativen Wirkens. In einer zweiten Gruppe lassen sich Vorschriften zum Zusammenwirken der kontrahierenden Akteure, so insbesondere in den Bereichen des Religionsunterrichts, der theologischen Fakultäten und der Anstaltsseelsorge zusammenfassen. Eine weitere Gruppe beinhaltet staatliche Leistungsversprechen, beispielsweise betreffend Staatsleistungen oder den Zugang zu Rundfunkgremien. Weiterhin finden allgemeine Verfahrensabsprachen zum gegenseitigen Umgang ihren Niederschlag. Dazu zählt auch die Freundschaftsklausel mit dem Zweck, möglicherweise eintretende Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich einer Lösung zuzuführen. Diese Vertragsgegenstände gestalten in ihrer Gesamtheit das Verhältnis zwischen Staat und Kirche im Sinne des staatskirchenrechtlichen Regelungssystems des Grundgesetzes umfassend und dauerhaft aus. Neben Gegenständen, die auch in einem verwaltungsrechtlichen Durchführungsabkommen geregelt werden können, beispielsweise zur Ausgestaltung des Religionsunterrichts oder des Umgangs der Vertragsparteien miteinander,165 werden insbesondere verfassungsrechtliche Gewährleistungen wiederholt. Auch wenn umstritten ist, ob ihnen ein eigenständiger Regelungsinhalt zukommt, können vertraglich normierte, objektive Verfassungsgarantien jedenfalls im Zusammentreffen mit einer gesetzlichen Regelung zur Ausbildung eines subjektiven Rechtes der kontrahierenden religiösen Gemeinschaft

Versuch der Verwendung des Konkordatsbegriffes für Verträge mit der evangelischen Kirche nicht hat durchsetzen können, m. w. N. 162 Die sogenannten „Spezialverträge“ wurden im Übrigen gemeinsam mit den Konkordaten und Kirchenverträgen umfassenden Inhalts in die ersten Quellenpublikationen aufgenommen. Daraus lässt sich schließen, dass die Autoren die Auffassung vertraten, das „Netz der Staatskirchenverträge“ werde nicht nur durch die umfassenden Statusverträge, sondern auch durch die sonstigen Vereinbarungen konstituiert. Dieser weite Staatskirchenvertragsbegriff wird auch noch heute vertreten, im Ergebnis ist die Unterscheidung in „Staatskirchenvertrag im engeren bzw. im weiteren Sinne“ eine terminologische Frage. 163 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 74. 164 Zu den traditionellen Materien vgl. Hollerbach, in: FS Häberle, S. 821 (831 ff.). 165 Dazu allg. vgl. Rüfner, in: FS Starck, S. 1175 (1175 ff., 1180). Zum Inhalt der evangelischen Kirchenverträge näher Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 59.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

führen.166 Aus staatskirchenrechtlichen Bestimmungen lassen sich auch unmittelbare Ansprüche der Vertragsparteien ableiten, so zum Beispiel hinsichtlich der Erteilung von Staatsleistungen an die Kirchen. Anders als Regelungen zum Umgang der Parteien, wie das Abhalten regelmäßiger Treffen, was im Übrigen auch justitiabel wäre, zielt eine solche Bestimmung auf die finale Begründung konkreter verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten ab und bindet zumindest eines der Verfassungsrechtssubjekte unmittelbar.167 Derartige, das institutionelle Verhältnis zwischen Staat und Kirche bestimmende Inhalte können gerade nicht Gegenstand eines Verwaltungsabkommens sein. Dies und ihr finaler Charakter in der Bewirkung von Rechtsfolgen sind prägend für die Verfassungsrechtlichkeit des Vertragsinhalts. Die Partner eines Staatsvertrages treten sich als souveräne Rechtsgemeinschaften beim Vertragsschluss gegenüber. In Abgrenzung zum Verwaltungsabkommen gleichen sie sich nach der Untersuchung Rusts darin, „dass sie für den einzelnen Staatsbürger Rechte und Pflichten begründen“168. Treffend formuliert er den Staatsvertragsbegriff, wie er sich insbesondere aus den Gemeinsamkeiten der selbständigen Stellung der Vertragspartner zueinander und der Begründung von Rechten und Pflichten ergibt, folgendermaßen: „Ein Staatsvertrag ist jeder von einem deutschen Staat mit einer seiner staatlichen Hoheit nicht unterworfenen Rechtsgemeinschaft abgeschlossener Vertrag, der für seine Bürger [seine Vertragsschließenden] rechts- und pflichtenbegründend wirkt“169. Freilich sind Kirchen als Körperschaften sui generis auch innerstaatliche Rechtssubjekte. Ihnen stehen jedoch Bereiche zu, die, beispielsweise geschützt durch das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht, frei von staatlicher Einflussnahme sind. In der Begründung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten ist die Parallele zwischen dem abstrakten Inhalt des Kirchenvertrages und demjenigen eines herkömmlichen Staatsvertrages zu sehen. Kirchenverträge sind rechtssystematisch als Staatsverträge zu klassifizieren. (2) Das Verhältnis von Staatsvertrag/Staatskirchenvertrag und parlamentarischem Zustimmungsgesetz Obwohl nach der herrschenden dualistischen Auffassung strikt zwischen (den Merkmalen eines) Vertrag[es] und dem dazu ergehenden Gesetz unterschieden wird, sind in der Rechtspraxis der staatskirchenrechtliche Vertragsschluss und das Um166 Dieser Frage widmete sich das OVG Greifswald in der Frage der Feiertags- und Sonntagsöffnungszeiten: OVG Greifswald, Beschluss v. 22. 12. 1999 – 2 M 99/99, in: NVwZ 2000, 948 (949). Vgl. auch de Wall, NVwZ 2000, S. 857 ff.; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 59. 167 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (306). 168 Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der Bayerischen Verträge von 1924, S. 204. 169 Siehe ebenda.

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setzungsverfahren eng miteinander verflochten. Spätestens mit Abschluss des preußischen Vertrages von 1931 ergeht regelmäßig170 ein parlamentarisches „Vertragsgesetz“, das anschließend im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet wird.171 Die Bedeutung des parlamentarischen Zustimmungsgesetzes lässt sich aus unterschiedlichen rechtlichen Blickwinkeln heraus beurteilen. Die rechtstechnische Bedeutung eines parlamentarischen Zustimmungsgesetzes besteht zunächst in der Ermächtigung und Verpflichtung des zuständigen Organs zur Vornahme der Ratifikation.172 Wie bei den als völkerrechtliche Verträge einzuordnenden Konkordaten ist es dabei praktisch irrelevant, ob nach der Vollzugslehre das Vertragsgesetz die Anwendbarkeit des Vertragsinhalts im staatlichen Recht bewirkt oder er im Sinne der Transformationslehre auf diesem Wege in staatliches Recht transformiert wird.173 Allgemein anerkannt ist, dass ein Parlamentsgesetz zur Anwendbarkeit der Vertragsinhalte sowie zu einer höheren Bindungswirkung der Vertragsinhalte über die Vertragsebene hinaus auf der Gesetzesebene führt, wobei die Verbindlichkeit für die Legislative stark umstritten ist.174 Die demokratietheoretische Bedeutung des parlamentarischen Zustimmungsgesetzes kommt in dem frühen Ansatz Hollerbachs zum Ausdruck. In inhaltlicher Abgrenzung zum Verwaltungsabkommen stellte er auf den Leitgedanken der „institutionellen oder politischen Wichtigkeit“ ab:175 Wesentliche Regelungen zum institutionellen Verhältnis von Staat und Kirche könnten nicht Gegenstand eines zustimmungsfreien Verwaltungsabkommens sein.176 Dies sei mit Demokratieerwägungen zu begründen, die den Vorbehalt des Gesetzes überlagerten.177 Dieser Ansatz korrespondiert mit dem oben dargestellten inhaltlichen Schwerpunkt der Ableitung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten. Der auf Hollerbach zurückgehende Ansatz fußt, so wie auch der Verweis auf das Bestehen eines Gesetzesvorbehaltes, in einem demokratischen Gesetzesbegriff. Aus diesem Grund ist nicht deutlich, weshalb der ersten Auffassung zwingend gefolgt werden müsste. Die Heranziehung des institutionellen Gesetzesvorbehaltes von 170 Eine Ausnahme von dieser „rechtlichen Selbstverständlichkeit“ bildet lediglich ein zwischen dem Land Schleswig-Holstein und jüdischen Verbänden geschlossener Vertrag. Dazu Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 457. 171 Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 (126). 172 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 208. 173 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 222. 174 Die Frage der Bindung des Gesetzgebers bereitet dabei erhebliche Schwierigkeiten und ist umstritten. Zu den drei Ansichten näher Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (302); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 224 f. 175 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 214 ff. 176 Siehe ebenda. 177 Später greift er für Verträge des Bundes direkt auf Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG zurück und überträgt den dahinter stehenden sachlichen Grundgedanken auf die weiteren Staatskirchenverträge, vgl. dazu Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (279).

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Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG, wonach gesetzgebende Körperschaften an Entscheidungen, die für den Staatsaufbau und das staatliche Leben von besonderer Bedeutung sind, zu beteiligen sind, führt zum selben Ergebnis. Sie hat aber den Vorteil, dass die dazu entwickelte Wesentlichkeitsrechtsprechung und die aus dem Wesentlichkeitsgedanken heraus entwickelte funktionell-rechtliche Betrachtungsweise178 des Gesetzesvorbehalts weitere Kriterien an die Hand geben, um bestimmen zu können, wann ein parlamentarischer Zustimmungsakt erfolgen muss. Allgemein ist anerkannt, dass ein Gesetzesvorbehalt in den drei Bereichen der Eingriffsverwaltung, vor allem aber in den grundrechtlich-sensiblen Fällen von Leistungs- sowie der Fiskalverwaltung besteht.179 Nach der Rechtsprechung des BVerfG lässt sich dieses Erfordernis „nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten, zu entnehmen.“180. Kriterien für die Beurteilung des Gegenstandes lassen sich also der Wesentlichkeitstheorie entnehmen, wie sie beispielsweise Ossenbühl folgendermaßen formulierte: „Entscheidend ist also der Gegenstand der Entscheidung, sein Gewicht, seine Bedeutung, seine Auswirkungen […] und die Stellung der Betroffenen. Dies alles muss in Beziehung gesetzt werden zur Organstruktur und zu den Entscheidungsverfahren, die nach der Verfassung zur Verfügung stehen.“181 Da Nordrhein-Westfalen als einziges Land die Zustimmungsbedürftigkeit landesverfassungsrechtlich in Art. 21, 23 Abs. 2 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen statuiert, sind diese Kriterien angesichts der dahinter stehenden allgemeingültigen, sich am Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, 2 GG und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG orientierenden Kriterien auch auf die mit den Ländern geschlossenen Staatskirchenverträge anwendbar. Ein Blick auf die staatskirchenrechtliche Bedeutung des Zustimmungsgesetzes zeigt, dass sein Ergehen im Wesen des im System einer hinkenden Trennung von Staat und Kirche wurzelnden Staatskirchenvertrags angelegt ist. Aus der umfassenden und dauerhaften verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, wie sie die Verfassung fordert, lässt sich zunächst ableiten, dass die verfassungsrechtlichen Vertragsinhalte auch vollzugsfähig sein müssen. Als einer der Ersten zeigte Quaritsch in einem Beitrag in den sechziger Jahren auf, dass ein Vertrag zwischen Staat und Kirche als solcher in seinem überwiegenden Inhalt vollzugsunfähig und demnach ein rechtlicher Umsetzungsakt 178 Dem Wesentlichkeitsgedanken ist vor allem zugute zu halten, dass er die Vorbehaltsdiskussion auch für andere Kriterien öffnete, so auch einer funktionell-rechtlichen Betrachtungsweise des Gesetzesvorbehalts, die zunächst von der verfassungsrechtlichen Stellung der beteiligten Staatsorgane ausgeht. Näher dazu Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, S. 315 ff. 179 Gröpl, Staatsrecht I, S. 121. 180 BVerfGE 49, 89 (127). 181 Ossenbühl, DöV 1980, S. 545 (549 f.).

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zwingend erforderlich ist.182 Dieser Annahme ist dahingehend zuzustimmen, dass aus dem Vertrag ableitbare verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten, welche dem Vertrag sein Gepräge verleihen, einen Zustimmungsakt erfordern. Hier sei die Erteilung von staatlichen Leistungen genannt. Der verfassungsrechtlichen Konzeption einer dauerhaften und umfassenden Verhältnisbestimmung der Kontrahierenden, wie sie sich in der Absicherungs- und Perpetuierungsfunktion einzelner Vertragsbestimmungen auch niederschlägt, kann indes nur durch eine höhere Bindungswirkung und Bestandskraft des Vertrages Rechnung getragen werden. Eine solche wird durch das Vorhandensein von Staatskirchenvertrag und Vertragsgesetz erzielt. Mit dem Abschluss des Staatskirchenvertrages sind, anders als bei einem (informell abgesprochenen) Gesetz, auch die Kirchen gebunden.183 Zudem gilt: Will die Kirche den Staat zu einem den Rechtskreis Dritter betreffenden Verhalten veranlassen, bleibt ihr nur die Berufung auf ein kirchenschützendes Gesetz.184 Auch wenn die Bestandskraft gegenüber einseitiger staatlicher Rechtsänderung umstritten ist, können Demokratieerwägungen durch die Einbeziehung des Parlaments in einer vorzugswürdig zu wählenden Abwägungslösung eine Entscheidung zu Gunsten der Kirchen begründen. Eine Abwägung zu Lasten der Kirchen würde einen höheren Begründungsaufwand angesichts höherer rechtlicher Hürden in der Gemeinwohlprüfung statuieren. Nur wenn ein Vertragsgesetz ergeht, kann die verfassungsrechtliche Konzeption des inhaltlich umfassenden und auf Dauerhaftigkeit angelegten Staatskirchenvertrages gerechtfertigt werden. Demnach kann nicht lediglich der Schluss gezogen werden, die Bedeutung des Vertrages liege auf der politisch-moralischen Ebene,185 sondern dass der Vertrag gerade auf die Absicherung und Perpetuierung bestimmter Rechtspositionen gerichtet ist. Im Ergebnis ist festzustellen, dass inhaltlich umfassende, das Verhältnis zum Staat dauerhaft regelnde Statusverträge ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz erfordern. Dies lässt sich in Abgrenzung zum Verwaltungsabkommen aus dem Leitgedanken der „institutionellen Bedeutsamkeit“ sowie aus dem institutionellen Gesetzesvorbehalt des Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG ableiten. Ferner ist es im Wesen des Staatskirchenvertrages als Handlungsinstrument in einem demokratischen Verfassungsstaat angelegt. Das Erfordernis ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Inhalt, da der Vertrag und auch das Vertragsgesetz im System einer hinkenden Trennung186 von Staat und Kirche das verfassungsunmittelbare Grundverhältnis

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Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 ff. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (300). 184 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (301 f.). 185 Demel, Gebrochene Normalität, S. 251; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 205. 186 Stutz, Kirchenrecht, S. 394 ff.; a. A. Germann, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 261 (314). 183

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

beider Akteure umfassend und dauerhaft im Sinne der staatskirchenrechtlichen Regelungskonzeption ausgestalten. Beide Rechtsinstitute stehen damit in einer funktional-rechtlichen Wechselbeziehung zueinander. Das Vorliegen eines Vertragsgesetzes kommt demnach der Bedeutung eines „Wesensmerkmals“ des Staatskirchenvertrags gleich. (3) Verfassungsgewohnheitsrechtliche Verfestigung des parlamentarischen Zustimmungserfordernisses in Gesetzesform Nach den Landesverfassungen, in denen die parlamentarische Zustimmungsbedürftigkeit für Staatsverträge angeordnet wird, ist regelmäßig ein einfacher Zustimmungsbeschluss ausreichend.187 Im Grundgesetz wird die Zustimmung durch Gesetz lediglich in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG angeordnet. Nordrhein-Westfalen verfügt in seiner Landesverfassung als einziges Land über entsprechende Bestimmungen in Art. 21, 23 Abs. 2 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.188 In Hinblick auf Staatskirchenverträge hat sich das Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsaktes in Gesetzesform bereits durch die Dauer, Gleichmäßigkeit und Allgemeinheit der Übung verfassungsgewohnheitsrechtlich verfestigt.189 Seit Abschluss des preußischen Vertrages im Jahr 1931 beschließt das Parlament regelmäßig seine Zustimmung in gesetzlicher Form,190 das „Vertragsgesetz“ wird anschließend im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Aus der umfassenden und dauerhaften Regelung folgt, dass die Transformationsbedürftigkeit keine Frage des Vertragsinhalts im Einzelfall191 oder der individuellen politischen Entscheidung ist, sondern in der Verfassung und im Wesen des Staatskirchenvertrages als einem inhaltlich umfassenden und auf Dauer angelegten Institut zur Regelung des Verhältnisses Staat – Kirche – bzw. Religionsgemeinschaften strukturell angelegt ist. Ferner hat sich das parlamentarische Zustimmungserfordernis in Gesetzesform auch verfassungsgewohnheitsrechtlich verfestigt. c) Ergebnis Evangelische Kirchenverträge sind rechtssystematisch als Staatsverträge einzuordnen.

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Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 206 f. Siehe ebenda. 189 So auch Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 206 f. Die Verfestigung qua Verfassungsgewohnheitsrecht auch bejahend Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 252. 190 Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 (126). 191 So aber Renck, DöV 1997, S. 929 (934). 188

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C. Die Rechtsqualität der Vereinbarung I. Der öffentlich-rechtliche Vertragscharakter der Vereinbarung Um die Vereinbarung einer Vertragsform des öffentlichen Rechts rechtssystematisch zuordnen zu können, muss es sich bei ihr um einen echten Vertrag handeln, der in der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung wurzelt. Unterschiedliche Geisteshaltungen zur Vormachtstellung von kurialer bzw. weltlicher Macht haben dazu geführt, dass bereits die Qualifizierung von Staatskirchenverträgen als echte zweiseitige Verträge noch bis zur Entstehung der WRV umstritten war.192 Von der Herausbildung einer kurialistischen Privilegien-, etatistischen Legal- und einer Vertragstheorie193 hat sich letztere durchgesetzt, zunächst in einer koordinationsrechtlichen194 Ausprägung unter Betonung eines den Kirchen eigenen Hoheitsanspruches. Heute wird vermehrt eine kooperationsrechtliche Ausrichtung unter Hervorhebung des Gedankens einer grundrechtlich gewährleisteten Freiheit der Kirchen vertreten.195 Da diese Theorien und ihre Spielarten vor einem komplexen historischen Hintergrund der Ausdifferenzierung der Macht von Staat und Kirche entstanden sind, können sie in der rechtlichen Beurteilung der Vereinbarung als einem im verfassungsrechtlichen System „hinkender Trennung“ von Staat und Kirche entstandenen Rechtsphänomen des 21. Jahrhunderts keine Anwendung finden. Maßgeblich muss demnach ein übergreifender und allgemeiner Vertragsbegriff sein, der unabhängig von den verschiedenen Rechtsordnungen ist.196 Die allgemeine Vertragsdogmatik besagt, dass ein echter, zweiseitiger Vertrag stets durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, die auf die Herbeiführung einer von den Parteien beabsichtigten Rechtsfolge gerichtet sind, entsteht.197 Dabei werden kon192

Obermayer, DöV 1967, S. 505 ff.; Stern, Staatsrecht, S. 1371. Während die Privilegientheorie die frühen Konkordate als Akte kirchlicher Gesetzgebung beurteilte und eine vertragliche Form damit nicht anerkannte, lag der im 19. Jahrhundert sich herausbildenden Legaltheorie die dazu diametrale Auffassung zu Grunde, bei den Abmachungen mit dem Heiligen Stuhl handle es sich um einen einseitigen staatlichen Gesetzgebungsakt. Vgl. dazu Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (272); Obermayer, DöV 1967, S. 505 (509); Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 44. 194 In Vertretung vieler Stern, Staatsrecht, S. 1371. 195 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245; Mückl, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 711 (738) m. w. N. Siehe dazu im Kontext des Vertragsabschlusses mit islamischen Verbänden auch diese Arbeit Teil 3 C. II. 3. c) aa). 196 Der allgemeine Gedanke des Vertragsschlusses entstammt dem römischen Recht. Der Vertrag stellt das typische Handlungsinstrumentarium des Privatrechts dar. Es kann von einem allgemeinen Vertragsbegriff ausgegangen werden, da sich das Wesen des Vertrages rechtsbegrifflich auf den verschiedenen Rechtsgebieten nicht unterscheidet. Vgl. dazu Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, S. 29; ferner Apelt, AöR 84 (1957), S. 249 ff. 197 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, S. 43 f.; Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, S. 29 ff., der herausar193

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krete zwischenparteiliche Rechtsverhältnisse begründet, geändert, festgestellt oder aufgehoben, wodurch ein subjektives Recht abgeleitet werden kann.198 Dass sich aus der Vereinbarung keine Rechte und Pflichten im Sinne eines herkömmlichen Korrespondenzverhältnisses ableiten lassen, ist darauf zurückzuführen, dass mit dem Vertragsabschluss komplexere Funktionen verfolgt wurden, die sich nicht in einem Interessenausgleich erschöpfen. Aus dem Vertragsinhalt lässt sich allerdings ein schwach ausgeprägter Rechtsbindungswille ableiten. Ein Beispiel dafür ist ein (schwacher) Anspruch der islamischen Verbände zur Vornahme von Bestattungen nach islamischen Vorschriften auf staatlichen Friedhöfen, Art. 10 Abs. 1 Vereinbarung. Die Vereinbarung ist unter Zugrundelegung des allgemeinen Vertragsbegriffes als echter Vertrag einzuordnen. In der Frage, in welcher Rechtsordnung die Vereinbarung wurzelt, sind die in ihr geregelten Rechtsverhältnisse maßgeblich.199 Ein öffentlich-rechtlicher Charakter ist dann anzunehmen, „wenn die den Vertrag prägenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner, die durch den Vertrag begründet, geändert, aufgehoben oder bindend festgestellt werden, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegen“.200 Die Vereinbarung erhält ihr Gepräge insbesondere durch die Wiederholung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen des Staatskirchenrechts, die mit Blick auf die islamische Religionsausübung konkretisiert werden. Das bedeutungsvolle „Herzstück“ der Vereinbarung ist die Bestimmung zum Religionsunterricht, dessen Weiterentwicklung nach Art. 6 Vereinbarung angestrebt werden soll und als Wiederholung des verfassungsrechtlichen Gewährleistungsinhalts des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ein Gegenstand des öffentlichen Rechts ist. Gegen den öffentlich-rechtlichen Charakter der Vereinbarung spricht auch nicht, dass die kontrahierenden islamischen Verbände nicht über den staatsrechtlichen Körperschaftsstatus verfügen.201 Eine sachliche Rechtfertigung, den Rechtsstatus des Vertragspartners des Staates als maßgeblich für die Zuordnung zu befinden, ist nicht auszumachen. Bereits für den subordinationsrechtlichen Vertrag des § 54 S. 2 VwVfG ist die Möglichkeit anerbeitet, dass die Vertragsdefinition losgelöst von etwaigen Zulässigkeits- und Wirksamkeitsfragen zu Grunde zu legen ist; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 54 Rn. 76. 198 Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, S. 29 f. 199 Für die Frage, ob ein Vertrag dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, ist allein der Gegenstand der vertraglichen Regelung entscheidend, dies ist ständige Rechtsprechung, vgl. zur Abgrenzung von öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Verträgen u. a. BGHZ 32, 76; 32, 214; BVerwGE 7, 181 ff.; für die Literatur, vgl. dazu Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen, S. 189 f.; Ziekow, VwVfG, § 54 Rn. 21 m. w. N. 200 BVerwGE 42, 331 (332); BVerwG, NVwZ 2002, S. 486 (487); siehe auch Ziekow, VwVfG, § 54 Rn. 21. 201 Hollerbach vertritt – soweit ersichtlich – als Einziger die Ansicht, derartige Verträge könnten nur dann dem öffentlichen Recht zugeordnet werden, wenn die kontrahierende Religionsgemeinschaft über den Körperschaftsstatus sui generis verfügt, Hollerbach, in: Listl/ Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (275).

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kannt, dass eine Behörde mit einem Privaten kontrahiert202 oder dass ein verwaltungsrechtlicher Vertrag auch nur durch Private geschlossen werden kann. Die Vereinbarung ist ein echter Vertrag, der in der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung wurzelt.

II. Paritätsrechtliche Überlegungen Die Frage eines staatlichen Kontrahierungszwangs, also der Verpflichtung des Staates zum Abschluss eines Staatskirchenvertrages, ist umstritten. Falls sich in Hinblick auf die Vereinbarung gesetzlich eine staatliche Verpflichtung203 zum Abschluss eines Staatskirchenvertrages oder die Obliegenheit zur paritätsrechtlichen204 Ermessensreduzierung auf Null ableiten ließe, könnte dies auch den Rechtscharakter der Vereinbarung betreffen. Da das Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsaktes in Gesetzesform einer konstitutiven Bedeutung für die Begründung des staatskirchenvertraglichen Charakters gleichkommt, müsste eine Erlassverpflichtung der Hamburger Bürgerschaft diskutiert werden. In den 50er und 60er Jahren war zunächst die Auffassung eines „rechtliche[n] Gebot[s] zu vertraglicher Einigung“205 herrschend. Da sie im Bezugsrahmen der Koordinationslehre zu sehen ist, ist sie jedoch nicht mehr zeitgemäß.206 Mit hinein spielte das „verfassungsrechtliche Vorverständnis des Staat-Kirche-Verhältnisses als Begegnung zweier gleichgestellter und aufeinander angewiesener Mächte auf der Ebene der Koordination“.207 Dieser geistesgeschichtliche Ausgangspunkt legt nahe, dass durch diese Stimmen nicht bedacht worden war, dass auch nichtchristliche, organisatorisch weniger verfestigte Gemeinschaften einen derartigen Anspruch geltend machen könnten. Diese Annahme könnte auch für diejenigen Stimmen der 90er Jahre gelten, die im Handlungsinstrument das „notwendige Korrelat“ zum verfassungsrechtlichen Grundsatz der Trennung von Staat und Kirchen sahen bzw. es unmittelbar einem grundgesetzlichen Grundsatz staatskirchenrechtlicher Koopera202

Siehe dazu und im Folgenden de Wall, Rechtsgutachten NRW 2004, S. 40. Allgemein dazu Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (268); Landau, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 333 (342). Zu der Frage nach dem verbindlichen Vorrang der Vertragsform vgl. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 28 ff. m. w. N. 204 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 31 ff.; Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (162 ff.); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 216 f.; Weber, in: Weber, Gesammelte Werke, S. 3 (19 f.). 205 Vgl. dazu vor allem Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 28 ff. 206 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 28 ff. 207 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 31. 203

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tion zusprachen208 und so eine Begrenzung des staatlichen Gestaltungsspielraumes aus dem Grundgesetz ableiteten.209 Das Bestehen eines originären Anspruches auf Abschluss eines Staatskirchenvertrages wird heute allgemein abgelehnt.210 Gegen die staatskirchenrechtliche Vorrangstellung bzw. Abschlussverpflichtung spricht bereits, dass das Grundgesetz nicht über ausdrückliche Anhaltspunkte im Sinne einer formellen Beschränkung verfügt,211 geschweige denn dieses Regelungsinstrument ausdrücklich erwähnt. Mit der staatlichen Souveränität und dem Demokratieprinzip ist eine solche Einschränkung unvereinbar, denn danach obliegt im Zweifelsfall stets den zuständigen und demokratisch legitimierten Organen die letztverbindliche Ausübung der Ordnungsaufgaben.212 Auch die in diesem Kontext häufig zitierte Vorschrift des Art. 109 Abs. 2 S. 3 Verfassung des Freistaates Sachsen belegt kein Verfassungsgebot zum Kontrahierungszwang. Nur der Staat, nicht aber die Religionsgemeinschaften, könnten zum Abschluss eines Staatskirchenvertrages verpflichtet werden.213 Eine undifferenzierte Abschlussverpflichtung dürfte nicht im Interesse des Verfassungsgebers gelegen haben.214 Die zweite, dazu diametrale Auffassung beruht auf einem obiter dictum des BVerfG, wonach der Abschluss von Staatskirchenverträgen „völlig im Belieben“ des Staates liege.215 Dieser Auffassung schloss sich im Grunde auch das VG Berlin in seiner Entscheidung von 2006 an. Geklagt hatte die Islamische Religionsgemeinschaft Berlin auf Abschluss eines Staatsvertrages. Nach dem VG Berlin liege der Abschluss von Staatsverträgen „völlig im Belieben des Staates“ und auch in Hinblick auf Art. 50 Verfassung von Berlin stehe der Abschluss eines Staatsvertrages im politischen Ermessen des Senats und des Abgeordnetenhauses von Berlin.216 Das Gericht vertrat aber die Auffassung, dass es „an der zur Notwendigkeit einer Paritätswahrung erforderlichen Vergleichbarkeit des Klägers mit den christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden, mit denen der Beklagte bisher Staatsverträge geschlossenen hat“, fehle.217 Es gilt auch 208

Heitmann, ZevKR 39 (1994), S. 403 (409 f.); Landau, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 333 (342). 209 Unter anderem v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 142; Heitmann, ZevKR 39 (1994), S. 403 (409 f.); Landau, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 333 (342); ferner Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 28 ff. 210 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 8 m. w. N. 211 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 31 m. w. N. 212 Für weitere Argumente vgl. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 32. 213 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 217. 214 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 31 ff. 215 BVerfGE 19, 1 (12); dies aufnehmend Stern, Staatsrecht, S. 1375. 216 VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 9. August 2006 – VG 27 A 55.06. 217 Siehe ebenda.

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hier, dass bei einer Vergleichbarkeit den Staat eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung trifft, insofern kann sich, wie auch eine weitverbreitete Auffassung annimmt, aus dem staatskirchenrechtlichen Paritätsgrundsatz auch eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben.218 Mit Blick auf neue, nichtchristliche Gemeinschaften erweisen sich diese Ansätze allerdings als nicht zielführend. Denn das Anlegen von objektiven Maßstäben, wie etwa Größe, Bedeutung in historischer und gesellschaftlicher Hinsicht, Organisationsform und -grad, gesellschaftliche Relevanz219, ist für die Vergleichbarkeit von Religionsgemeinschaften in einer sich in religionsstruktureller Hinsicht wandelnden Gesellschaft nicht praktikabel. Als zeitgemäß und praktikabel würden sich Ansätze erweisen, die z. B. Mindestanforderungen propagieren, wie sie in der zum Konzept des Religionsverfassungsrechtes tendierenden Rechtsprechung formuliert wurden. Weiterhin wäre auch denkbar, die besagten Kriterien im Rahmen einer relativen Würdigung unter Beachtung der Ausgangssituation eines religionsstrukturellen Wandels unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Gemeinschaften heranzuziehen. Auch hier gilt, dass die Heranziehung mehrerer Kriterien ein umfassenderes Bild zeichnet.220 Ausgehend davon ist auch die Auffassung, Gebietskörperschaften stehe es frei, nur mit staatskirchenrechtlichen Körperschaften zu kontrahieren, als rechtlich problematisch zu beurteilen und im Ergebnis abzulehnen.221 Im Vergleich mit der NEK oder der römisch-katholischen Kirche würde ein Anspruch der islamischen Religionsgemeinschaften nicht durchschlagen.

III. Rechtssystematische Einordnung der Vereinbarung 1. Die Vereinbarung als „Staatskirchenvertrag“ a) Als völkerrechtlicher Vertrag Anders als die Freie und Hansestadt Hamburg verfügen die islamischen Religionsgemeinschaften DITIB-Landesverband, Schura und VIKZ nicht über eine eigene Völkerrechtssubjektivität. Sie können also nicht in den Völkerrechtskreis eintreten, 218 Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (162 f.); Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2001, S. 471 (505 ff.); Lutz-Bachmann, Mater-rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 459, zit. Spaeth, Gutachten Berliner Staatsvertrag IRB, S. 9 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 217. 219 So Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 462. 220 In diese Richtung auch gehend Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (163 f.). 221 So aber Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 266, 462.

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auch nicht durch den Abschluss der Vereinbarung. Die Vereinbarung ist damit kein völkerrechtlicher Vertrag. b) Als Staatsvertrag In den Entstehungsprotokollen zur Vereinbarung und den Sitzungen des Verfassungs- und Bezirksausschusses gebrauchten die Vertragsschließenden (informell) häufig den Terminus des „Staatsvertrages“, verwehrten sich aber einer Festlegung. Aus der Bezeichnung durch die Vertragsschließenden als „Staatsvertrag“ lässt sich lediglich das rechtspolitische Anliegen einer möglichst feierlichen Benennung ableiten. Die amtliche Bezeichnung des Vertragswerks ist schlicht „Vertrag“. Das Verfahren orientierte sich zwar weitgehend an der Staatskirchenvertragspraxis, wobei aber nicht ganz außen vor bleiben kann, dass an Stelle eines förmlichen Zustimmungsgesetzes lediglich ein schlichter Parlamentsbeschluss ergangen ist. Bevor der Inhalt als maßgebliches Kriterium eines Staatsvertrages näher zu begutachten ist, ist zudem der Frage nachzugehen, ob der DITIB-Landesverband, die Schura und der VIKZ fähige Partner eines Staatsvertrages wären. Aufgeworfen werden dabei auch neue rechtliche Fragestellungen, die sich bei den Kirchen zuvor nicht stellten. aa) Die Vertragsparteien (1) Verbands- und Organzuständigkeit Für die Verbandszuständigkeit auf staatlicher Seite sind die Art. 30, 70 GG einschlägig,222 zumeist besteht eine Abschlusskompetenz der Bundesländer.223 Dies ist in Hinblick auf die Freie und Hansestadt Hamburg problemlos, genauso wie die Organzuständigkeit des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz, der den Vertrag auch unterzeichnet hat. Das jeweilige Organisationsrecht der islamischen Verbände bestimmt die Verbands- und Organzuständigkeit auf Seiten der islamischen Verbände, für die rechtliche Würdigung ist es jedoch nicht maßgeblich. (2) Vertragsfähigkeit (a) Erforderlichkeit des Körperschaftsstatus Die obige Untersuchung hat ergeben, dass sich die Vertragspartner eines Staatsvertrages als verfassungsrechtliche Größen gegenüberstehen. Die Freie und Hansestadt Hamburg verfügt über Staatsqualität. Den Religionsgemeinschaftsstatus (an dieser Stelle) unterstellt, verfügen die islamischen Verbände auch über einen unmittelbaren verfassungsrechtlichen Rechtsstatus.224 Es stellt sich die Frage, ob 222 223 224

Mückl, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 433 (464 f.). Dazu Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 228. Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 A. I., B.

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bereits der Religionsgemeinschafts- und nicht erst der staatskirchenrechtliche Körperschaftsstatus die Vertragsfähigkeit für den Abschluss eines Staatskirchenvertrages begründet. Bislang galt es als „staatskirchenrechtliche Selbstverständlichkeit“, dass Staatskirchenverträge nur mit als staatskirchenrechtlichen Körperschaften verfassten Religionsgemeinschaften geschlossen werden.225 Aus der Auffassung Hollerbachs, dass Staatskirchenverträge nur dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien, wenn die kontrahierende religiöse Gemeinschaft auch über den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus verfüge, lässt sich ableiten, dass auch nur solche Gemeinschaften fähig zum Staatskirchenvertragsschluss seien.226 Auch Lutz-Bachmann hält es nicht für illegitim oder gar rechtswidrig, wenn einige Länder sich dafür entscheiden, den Körperschaftsstatus zur Voraussetzung für den Abschluss eines Staatskirchenvertrages zu machen, etwa mit dem Argument, nur dieser Status erhebe die Religionsgesellschaft über sonstige Privatrechtssubjekte hinaus und rechtfertige den Einsatz dieses besonderen Regelungsinstruments, während für private religiöse Vereine die üblichen vereinsrechtlichen Regelungen und die Regelungsformen des Gesetzes – und natürlich des Verwaltungsvertrages – gelten sollen.227 Dem kann nicht gefolgt werden. Bereits der Religionsgemeinschaftsstatus ist ein eigenständiger, allgemeiner228 Rechtsstatus,229 der einer Religionsgemeinschaft spezifische verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten gewährt, ein grundlegendes Maß an Verfasstheit, wie sie für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, wird auch durch diesen Status sichergestellt. Ein „höherrangiger“ Rechtsstatus wäre nicht erforderlich. Weiterhin gilt, dass eine rechtliche Verpflichtung zur Erlangung der Korporationsqualität nicht begründet werden kann. Sie ist gerade für islamische Gemeinschaften nicht immer dienlich, beispielsweise ist das aus dem staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus erwachsende Besteuerungsrecht für eine sich traditionell durch Spenden finanzierende Gemeinschaft praktisch nicht relevant. Für den Wunsch der Erlangung der Korporationsqualität sind nach Eindruck der Verfasserin eher Anerkennungsgesichtspunkte leitend. Auch sprechen weitere, vor allem teleologische Überlegungen dafür, dass der Körperschaftsstatus nicht für die Begründung der Vertragsfähigkeit einer Religionsgemeinschaft zwingend ist. de Wall verwies in 225 Im Ergebnis geht es bei dieser die Vertragsfähigkeit im weiteren Sinne des Partners begründenden Anforderung um eine Abschlussvoraussetzung, bei der es sich gleichermaßen um ein Wesensmerkmal der Vertragsform Staatsvertrag handelt. Dadurch, dass die Frage nach dem Vertragspartner eines Staatsvertrages nur mit Blick auf dessen Spezifika beantwortet werden kann, lässt sich die Diskussion um die Abschlussvoraussetzungen eines Staatskirchenvertrages im engeren Sinne auch an dieser Stelle führen. Diese Frage aufwerfend, auch in Bezug auf jüdische Gemeinden Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (292 f.). 226 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (275). 227 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 269. 228 Towfigh, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 1019 (1020). 229 Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 A. I.

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seinem 2004 veröffentlichten Gutachten darauf, dass diese Annahme mit Blick auf das durch einen Vertragsschluss begründete Näheverhältnis nicht fernliegend sei, da deshalb auch eine Loyalitätsgarantie gefordert werden könne.230 Unter Verweis auf die grundrechtliche Deutung des Telos des Körperschaftsstatus in der Rechtsprechung schlussfolgert er jedoch konsistent, „wenn aber der Körperschaftsstatus ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit ist, […] es umgekehrt schwer nachvollziehbar [wäre], diesen Status zur Voraussetzung eines Vertragsschlusses zu machen“. Denn das BVerfG hat in seinem Zeugen-Jehovas-Urteil gerade verdeutlicht, dass für die Verleihung des Körperschaftsstatus eine besondere Nähebeziehung oder Loyalitätsgarantie gerade nicht erforderlich ist.231 Ihm ist in der Auffassung zu folgen, dass „es […] mit diesem begünstigenden Charakter nicht vereinbar [wäre], würde man andererseits die Möglichkeit von Vereinbarungen von ihm abhängig machen und damit einen indirekten Zwang zu einem solchen Antrag erzeugen“. Bei Abschluss eines Staatskirchenvertrages stehen die Kontrahierenden in einem Kooperationsverhältnis, das sich durch Nähe und Distanz kennzeichnet, der Verweis auf ein reines Näheverhältnis der Kontrahierenden wird der Komplexität der vertraglichen Beziehung nicht gerecht. (b) Staatsvertragswürde, Staatsloyalität oder -kompatibilität Neben der Frage des Rechtsstatus werden die Vertragsfähigkeit begründenden Kriterien diskutiert.232 Während das Erfordernis der Staatsvertragswürde aus der Perpetuierungsfunktion des Staatskirchenvertrages abgeleitet wurde, werden die Kriterien der Staatsloyalität oder -kompatibilität im Kontext des Vertragsschlusses mit islamischen Gemeinschaften propagiert.233 Gerade für die Staatsvertragswürde, die eine dem Staat „vergleichbare eigenständige Entscheidungsmacht“ impliziere, gilt, dass dieser damit ebenfalls implizierten Anfrage an islamische Selbstorganisation bereits durch den Religionsgemeinschaftsstatus zufriedenstellend begegnet wird. Das Kriterium der Staatsloyalität ist unter Verweis auf die in dieser Arbeit unter Anknüpfung an die maßgebliche Rechtsprechung entwickelten Erwägungen abzulehnen. Auch auf die in der Verneinung des Bestehens eines Kontrahierungszwanges fußende Annahme, dass der Staat diese Voraussetzung verlangen könne, ist zu entgegnen, dass eine derartige positive Identifikation mit der Rechtsordnung verlangt werden kann, insofern ist die oben geführte Argumentation heranzuziehen Ausgehend von dem Religionsgemeinschaftsstatus des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ wäre die Vertragsfähigkeit für den Abschluss eines Staatsvertrages zu bejahen.

230

de Wall, Rechtsgutachten NRW 2004, S. 18. BVerfGE 102, 370 ff. 232 Dazu Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (171). 233 Siehe dazu und im Folgenden Hense, in: Mückl, Das Recht der Staatskirchenverträge, S. 115 (171). 231

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bb) Vertragsinhalt und parlamentarisches Zustimmungsgesetz (1) Parallelen in der Typologie der Staatskirchenverträge Die Inhaltsanalyse hat zu dem Ergebnis geführt, dass es inhaltliche Parallelen zu den zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den christlichen Großkirchen geschlossenen Staatskirchenverträgen gibt.234 Dies schlägt sich auch in der Typologie nieder, die weitgehend der staatskirchenrechtlichen entspricht, wobei noch eine weitere Gruppe hinzukommt. Eine Gruppe erfasst das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 1 Abs. 2 S. 1 Vereinbarung, die Gewährleistung der Vermögensrechte nach Art. 9 Abs. 1 Vereinbarung, die vertragliche Wiederholung der Glaubensfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 Vereinbarung einschließlich der religiösen Betreuung in besonderen Einrichtungen nach Art. 7 Vereinbarung. Einer zweiten Gruppe zum Zusammenwirken der kontrahierenden Akteure lassen sich die Bestimmungen zum Religionsunterricht, Art. 6 Vereinbarung, der Hochschulausbildung, Art. 5 Vereinbarung, sowie der religiösen Betreuung in besonderen Einrichtungen, Art. 7 Vereinbarung, zuordnen. Art. 8 Vereinbarung beinhaltet keine Leistungsversprechen in einem definitiven Verständnis, es wird die Zielbestimmung formuliert, dass sich die Freie und Hansestadt Hamburg für die Erteilung von Direktsenderechten und Mitwirkung in Rundfunkgremien einsetzen will, was auch dem Fehlen des staatkirchenrechtlichen Körperschaftsstatus geschuldet sein kann.235 In der Vereinbarung finden sich zudem allgemeine Verfahrensabsprachen zum gegenseitigen Umgang, wie Art. 11 Vereinbarung, der in Absatz 1 die Möglichkeit der Aufnahme bedarfsabhängiger Gespräche und in Absatz 2 die Bestellung eines ständigen Beauftragten beim Senat und der Bürgerschaft durch die islamischen Verbände normiert. Auch verfügt der Vertrag mit Art. 12 Vereinbarung über die traditionelle und dort auch so bezeichnete Freundschaftsklausel. Die Normierung gemeinsamer Wertegrundlagen nach Art. 2 Vereinbarung sowie das Bekenntnis zur freiheitlichen und demokratischen Rechtsordnung sowie die Anerkennung der Besonderheit islamischer Religionsausübung, die mit einer Akzeptanzwerbung in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit einhergeht, können in einer fünften Gruppe zusammengefasst werden. (2) Regelungsverhältnis von institutioneller Bedeutsamkeit Die in dieser Typologie zusammengefassten Regelungsgegenstände erlauben nicht den finalen Schluss, dass ein spezifisch verfassungsrechtliches bzw. staatskirchenrechtliches Regelungsverhältnis von institutioneller Bedeutsamkeit vorliegt, 234 235

Siehe dazu diese Arbeit Teil 2 B. Siehe dazu diese Arbeit Teil 2 B. I. 9.

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das der Vereinbarung auch ihr Gepräge verleiht. Denn für eine Klassifizierung als Staatsvertrag müsste der prägende Vertragsinhalt der Vereinbarung auch entsprechende verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten beinhalten.236 Die Vertragsparteien müssten sich vertraglich zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet haben, dies dürfte nicht nur auf die finale Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet sein, sondern müsste auch von institutioneller Bedeutsamkeit für das Verhältnis der islamischen Verbände und der Hamburger Landesregierung zueinander sein. In Hinblick auf ihre rechtlichen Wirkungen lassen sich die Vertragsbestimmungen der Vereinbarung ihrer Art nach in sechs Kategorien unterteilen. Der überwiegende Anteil der Bestimmungen wiederholt verfassungsrechtliche Gewährleistungen, bezieht sich darauf und konkretisiert diese insbesondere in Hinblick auf die Spezifika der islamischen Religionsausübung. Diese Bestimmungen sind deklaratorischen Gehalts, als Anspruchsgrundlage kommen allenfalls entsprechende landesverfassungsrechtliche oder grundrechtliche Rechte in Betracht. Ein Beispiel dafür ist Art. 1 Vereinbarung. Eine weitere Kategorie beinhaltet allgemeine Absichtserklärungen, die sich durch Termini wie „hinwirken“, z. B. Art. 13 Abs. 2 Vereinbarung, oder „entschieden eintreten“, Art. 1 Abs. 2 S. 3 Vereinbarung, erkenntlich machen. Sie beziehen sich auf die Wiederholungen verfassungsrechtlicher Gewährleistungen oder statuieren „Rücksichtnahmepflichten“ wie in Art. 9 Abs. 3 Nr. 1 Vereinbarung, wobei auch diese Bestimmungen das Einigsein der Vertragsparteien in verfassungsrechtlichen Grund- und Wertentscheidungen zum Gegenstand haben können, wie mit dem Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter in § 2 Abs. 2 S. 1 Vereinbarung. Diese Bestimmungen sind rein deklaratorischer Natur, da sie gerade nicht final auf die Bewirkung einer konkreten Rechtsfolge gerichtet sind. Mit Art. 5 Vereinbarung findet eine Bestimmung zum Grundrechtsvoraussetzungsschutz Eingang in die Vereinbarung, wobei diskutiert werden kann, ob sich ein Anspruch der Gemeinschaften auch in Zusammenspiel mit dieser Vertragsbestimmung oder direkt aus Art. 7 Abs. 3 GG ergeben kann. Angesichts der sachlichen Notwendigkeit für die Einführung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts, islamische Religionspädagogen und Theologen auszubilden, ist der letzteren Lösung der Vorzug zu geben. Weitere Bestimmungen entsprechen verwaltungsrechtlichen Durchführungsvorschriften, wie den Ausführungen zum Konzept des Religionsunterrichts für alle in Art. 6 Abs. 1 Vereinbarung und der dazugehörigen Protokollerklärung. Einer fünften Gruppe können Verweise auf das einfache Recht, wie beispielsweise in Art. 3 Vereinbarung auf § 3 Feiertagsgesetz oder § 4 Abs. 1 Vereinbarung zugeordnet werden.

236 Zu verfassungsrechtlichen Verträgen in Abgrenzung zu verwaltungsrechtlichen Verträgen siehe Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 48.

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Aus der Vereinbarung lassen sich auch Rechte und Pflichten ableiten, die eine rechtsgeschäftliche Bindung zwischen den Vertragsparteien statuieren und einer sechsten Gruppe zugeordnet werden können. Da der Grundrechtsvoraussetzungsschutz weitergehend durch die Normierung bestimmter Rechte und Pflichten konkretisiert wird, lässt sich aus Art. 5 i. V. m. Protokollerklärung zu Art. 5 Vereinbarung das Stellungnahmerecht der islamischen Verbände vor der Berufung eines Hochschullehrers, auf die Äußerung zu Lehrinhalten sowie ihre Einbeziehung für eine Akkreditierung von Studiengängen und Formulierung von Prüfungsanforderungen ableiten. Diese Rechte sind schwach ausgestaltet. Art. 10 Abs. 1 Vereinbarung normiert das Recht der islamischen Verbände, auf staatlichen Friedhöfen Bestattungen nach islamischen Vorschriften vorzunehmen. Die Freie und Hansestadt verpflichtet sich dabei, dem Bedarf entsprechender Flächen zur Verfügung zu stellen. Aus Art. 10 Abs. 2 Vereinbarung lässt sich das Recht der islamischen Verbände, Gottesdienste und Bestattungsandachten auf staatlichen Friedhöfen abzuhalten sowie eine diesbezügliche Rücksichtnahmeverpflichtung ableiten. Art. 11 Abs. 1 Vereinbarung enthält, wenn auch mit Verweis auf die Bedarfsabhängigkeit, einen Anspruch auf Gesprächsführung beider Parteien. Art. 11 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung statuiert eine beiderseitige Informationsverpflichtung. Aus Art. 11 Abs. 2 Vereinbarung lässt sich das Recht bzw. die Pflicht, einen ständigen Beauftragten der Verbände zur ständigen Information bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg zu bestellen, ableiten. Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung gewährleistet das Recht, nach 10 Jahren in etwaige Änderungs- oder Ergänzungsverhandlungen zu dem Vertrag zu treten. Viele dieser Bestimmungen könnten durch ein verwaltungsrechtliches Durchführungsabkommen geregelt werden. Die Bestimmungen, die das Grundverhältnis der Parteien zueinander in institutioneller Hinsicht ausformen könnten, sind regelmäßig als allgemeine Absichtserklärungen formuliert. Gerade die Wiederholung von verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, die sich auf spezifische islamische Regelungsthemen beziehen, gibt der Vereinbarung ihr Gepräge. Dies wird bereits in der Präambel kenntlich gemacht, in der als Zielvorstellung formuliert ist, die religiöse Teilhabe der islamischen Verbände anzuerkennen und zu unterstützen. Die Anspruchsnormen, die sich aus dem Vertrag ableiten lassen, sind nicht prägend für den Vertragscharakter. Ihnen ist zu eigen, dass es sich nicht um originäre verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten handelt, die das institutionelle Verhältnis zwischen den islamischen Verbänden und der Freien und Hansestadt Hamburg grundlegend näher ausgestalten würden. Die in Hinblick auf die Vereinbarung geäußerte Kritik, dass die Bürgerschaft nicht mittels förmlichem Zustimmungsgesetz zustimmte und die Annahme lediglich in Form eines schlichten Parlamentsbeschlusses im Sinne des Art. 19 Hamburger Verfassung nach 1. und 2. Lesung am 13. 06. 2013 erfolgte, ist demnach in dieser Hinsicht unbegründet. Es ist unschädlich, dass die Hamburger Bürgerschaft lediglich ihre politische Absicht in Form einer Mehrheitsauffassung bekundet hat, sie ist nicht

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von konkreter Rechtswirkung. Dass politische Opportunitätserwägungen leitend waren und die Vereinbarung in einem „rechtlichen Graubereich“ verbleiben sollte, wird dadurch deutlich, dass das Feiertagsrecht teilweise mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes „ausgeklammert“ wurde, da damit eine konkrete Rechtsänderung einherging, die wiederum das Ergehen eines förmlichen Zustimmungsgesetzes erforderte. Dieser rechtstechnische Handgriff war nicht „sauber“, er hat jedoch keine weiteren rechtlichen Konsequenzen. Wäre die Vereinbarung öffentlich nicht als „Staatskirchenvertrag“ gehandelt worden, wären wahrscheinlich viele Kontroversen nicht entstanden. Die rechtlichen Konsequenzen des Fehlens eines Zustimmungsgesetzes sind in einer abgeschwächten Bindungswirkung bzw. Bestandskraft des Vertrages zu verorten. In gesellschaftspolitischer Hinsicht wirkt sich das Fehlen eines Zustimmungsgesetzes freilich in einer minderen „Anerkennung“ der islamischen Verbände aus. Zu diesem Ergebnis führt auch die Anwendung des aus der Wesentlichkeitstheorie abgeleiteten funktional-rechtlichen Maßstabes, wonach „der Gegenstand der Entscheidung, sein Gewicht, seine Bedeutung, seine Auswirkungen […] und die Stellung der Betroffenen in Beziehung zur Organstruktur und zu den Entscheidungsverfahren, die nach der Verfassung zur Verfügung stehen“237, gesetzt werden müssen. Mit Blick darauf, dass sich keine originären verfassungsrechtlichen, das Grundverhältnis zwischen den Akteuren betreffenden unmittelbaren Rechte und Pflichten ableiten lassen, ist das Erfordernis einer parlamentarischen Zustimmung in Gesetzesform im Ergebnis zu verneinen. cc) Ergebnis Die Vereinbarung ist kein Staatsvertrag – und damit auch kein „Staatskirchenvertrag im engeren Sinne“. 2. Die Vereinbarung als Verwaltungsvertrag Ausschlaggebendes und maßgebliches Kriterium, einen Vertrag dem verwaltungsrechtlichen Rechtsregime der §§ 54 ff. VwVfG zuzuordnen, ist der Vertragsinhalt.238 Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag zielt auf die Konkretisierung oder Verschiebung verwaltungsrechtlicher Pflichten und Kompetenzen, die Auferlegung bzw. Übernahme öffentlich-rechtlicher Handlungs-, Unterlassungs- und Duldungspflichten, die Erteilung einer Erlaubnis, die Verpflichtung einer Behörde zum Erlass bzw. zur Unterlassung eines VA, zur Erbringung einer sonstigen Leistung oder zur Vornahme einer organisatorischen Maßnahme, die Verpflichtung des Vertragspartners der Behörde zur Erbringung einer Gegenleistung oder zur Herstellung von Bedingungen, unter denen die Leistung der Behörde erfolgen oder z. B. eine Ge237 238

Ossenbühl, DöV 1980, S. 545 (549 f.). Ziekow, VwVfG, § 54 Rn. 21.

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nehmigung realisiert werden soll, ab.239 Eine abstrakte Vergleichbarkeit zwischen dem Inhalt eines herkömmlichen Verwaltungsvertrages und dem Inhalt der Vereinbarung ist nicht gegeben. Der Vereinbarung wird ihr eigentliches Gepräge durch die Wiederholung und Konkretisierung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen im Kontext islamischer Regelungsthemen verliehen. Demnach scheidet auch eine rechtssystematische Zuordnung zu dem bislang ausdrücklich noch nicht kodifizierten verwaltungsrechtlichen Kooperationsvertrag aus, der überdies auf den Vertragsschluss mit Rechtssubjekten des Privatrechts abzielt.240 Die Vereinbarung kann rechtssystematisch nicht als Verwaltungsvertrag eingeordnet werden. 3. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis a) Zulässigkeit einer Klassifizierung als „Vertrag eigener Art“ Angesichts wesensmäßiger Unterschiede konnte die Vereinbarung weder den völkerrechtlichen Verträgen und den Staatsverträgen als verfassungsrechtliche Vertragsformen, noch den verwaltungsrechtlichen Verträgen im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG, zugeordnet werden. Dies legt die Überprüfung nahe, ob mit der Herausbildung dieses neuen Rechtsphänomens in Negativabgrenzung zu bestehenden Vertragsformen auch eine eigenständige Rechtskategorie „sui generis“ geschaffen worden ist, zu übersetzen mit „einzigartig in ihren Charakteristika“. In Abgrenzung zu anderen Vertragsformen müsste die Vereinbarung rechtlich einzigartig sein. Weder im Verfassungsrecht noch im Verwaltungsrecht ist die Prägung neuer Rechtsbegriffe bzw. -kategorien unüblich.241 Diese Diskussion wird auch im Rahmen der rechtssystematischen Einordnung der evangelischen Kirchenverträge geführt.242 Die Zulässigkeit der Begründung einer „Vertragsform eigener Art“ wird mit Blick darauf, dass dadurch und ohne das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage eine Vertragsbindung hergestellt würde, problematisiert.243 Diese Bedenken können als ausgeräumt betrachtet werden, da von der Existenz eines Staatskirchenvertrages als Staatsvertrag, der eine höherrangige Stellung in der Rechtsquellenhierarchie einnimmt und unter Umständen über eine höhere Bindungswirkung verfügen kann, 239 Zum öffentlich-rechtlichen Vertrag als Handlungsform vgl. Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 1 ff. 240 Vgl. zur Einführung des Kooperationsvertrages diese Arbeit Teil 3 C. III. 3. c) aa). 241 Beispielsweise verfügt auch die staatkirchenrechtliche Körperschaft über den „sui generis-Zusatz“, damit wird ihre rechtliche Einzigartigkeit und Besonderheit in Abgrenzung zum staatsorganisationsrechtlichen Körperschaftsbegriff, der rechtsfähige Personenverbände in der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben umfasst, angezeigt. 242 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 40 ff. 243 Renck, DöV 1997, S. 929 (931 f.).

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schon lange ausgegangen wird. Unter diesen Gesichtspunkten wäre eine Klassifizierung als „Vertrag sui generis“ weitaus unproblematischer. Die Vertragsgeltung kann überdies auf den Grundsatz pacta sunt servanda als einen auch das Verfassungsund Verwaltungsrecht prägenden Rechtsgrundsatz zurückgeführt werden.244 Wie im Folgenden mit dem Hinweis auf die geplante gesetzliche Einführung des verwaltungsrechtlichen Kooperationsvertrages auch konkretisiert wird,245 gibt es im Verwaltungsrecht keinen numerus clausus der Vertragsarten. Dies gilt im Übrigen auch für das Verfassungsrecht.246 Dass die Schaffung einer eigenständigen Kategorie durch die Spezifika der Materie auch gerechtfertigt ist,247 gilt auch für die Vereinbarung. Auch bei ihr handelt es sich um einen Vertrag eines staatlichen Partners mit Religionsgemeinschaften. Eine eigene Kategorisierung bietet vielmehr den Vorteil, dass paritätsrechtlichen Problemen und der vertraglichen Bindungswirkung differenziert Rechnung getragen werden kann.248 Zudem erweist sich diese Lösung auch als praktikabel, da nichts dagegen spricht, allgemeine Grundsätze des Vertrags- und Verfassungsrechts hier Anwendung finden zu lassen. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Vereinbarung die Voraussetzungen für die Begründung einer Klassifizierungsform „sui generis“ mit sich bringt, in einem weiteren Schritt sind ihre Charakteristika und ihre Bindungswirkung zu untersuchen. b) Voraussetzungen für eine Klassifizierungsform „sui generis“ Mit „entia praeter necessitatem non sunt multiplicanda“ gilt die Maxime, dass eine neue rechtliche Begriffsbildung nur bei zwingender Notwendigkeit erfolgen darf.249 Dieser Grundsatz lässt sich vom sachlichen Grundgedanken her auch auf die Begründung neuer Vertragsformen übertragen. Dies bedeutet, dass die Vereinbarung als neues Rechtsphänomen keiner anderen Normengruppe zuzuordnen sein dürfte und in ihrer Einzigkeit bestehen müsste. Die besondere Herausforderung in Hinblick auf die Staatskirchenrechtsordnung liegt vor allem in der schwach ausgestalteten Rechtsgrundlage des Staatskirchenvertrages und dem Fehlen konkreter Anforderungen begründet. Dies zeitigt Folgen in der Negativabgrenzung von eben diesen Vertragsformen auch auf das so noch nie da gewesene Rechtsphänomen der Vereinbarung.

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Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 64. Siehe auch diese Arbeit Teil 3 C. III. 3. c) aa). 246 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 65. 247 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 251. 248 So auch: Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 251. Zur Qualifizierung der Staatskirchenverträge als „Verträge sui generis“ siehe ebenda, S. 253; Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (275); Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 140 GG Rn. 52. 249 Köck, Rechtliche und politische Aspekte von Konkordaten, S. 21; Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 2. 245

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Im Rahmen der vorhergehenden Untersuchung hat sich herausgestellt, dass sich die Vereinbarung den genannten Vertragsformen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts rechtssystematisch nicht zuordnen lässt. Sie ist kein Staatskirchenvertrag, der als Statusvertrag zwischen Land/Bund und einer zumindest als Religionsgemeinschaft verfassten religiösen Gemeinschaft das Verhältnis zwischen den Parteien (verfassungsrechtlich) inhaltlich umfassend und auf Dauer regelt. Auch wurde lediglich ein schlichter Parlamentsbeschluss erlassen, wesentlich wäre aber das Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsaktes in Gesetzesform gewesen. Da die Vereinbarung aber über verfassungsrechtliche Regelungsinhalte verfügt, ist sie gewissermaßen ein „rechtlicher Hybrid“. Sie bewegt sich zwischen der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Ebene, ohne vollkommen in einem der Normensysteme beheimatet zu sein. Bei der Vereinbarung handelt es sich um ein neues und einzigartiges Rechtsphänomen, so dass eine Klassifizierung „sui generis“ anhand ihrer Charakteristika erfolgen kann. c) Die Charakteristika der Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis aa) Der Rechtsraum und dessen kooperationsrechtliche Ausrichtung Dadurch, dass die Vereinbarung als neues Rechtsphänomen eigener Art nicht auf eine konkrete Normengruppe zurückgeführt werden kann, ist der „Rechtsraum“ der vertraglichen Verhältnisbegründung und damit die theoretische Fundierung des Vertrages näher zu untersuchen. In Bezug auf die Kirchenverträge als Verträge sui generis wurde angenommen, diese wurzelten in einem „eigenen Raum des Staat-Kirche-Rechts“ zwischen Völker- und Verfassungsrecht,250 andere Stimmen befinden allein die staatliche Rechtsordnung für maßgeblich,251 teilweise aber unter Verweis auf ein verfassungsgewohnheitsrechtliches Fundament.252 Das Erschließen des Rechtsraumes geht nicht nur einher mit der Verortung des Rechtsphänomens. Der Rechtsraum ermöglicht auch, den Legitimationsgrund und den Grundsinn der vertraglichen Verhältnisbegründung und die Eigenart der Partner sowie des Vertragsinhalts näher zu bestimmen.253 Ferner können durch eine nähere Einfassung des Rechtsraums bestimmte Rechtsphänomene in den sich (wandelnden) Prozess der Interpretation des Staatskirchenrechts eingeordnet werden, da dieser auch stets ein Abbild der tat-

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Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 100 ff.; in diese Richtung gehend Anke, in: Heun/Honecker/Morlok/Wieland, EvStL., Stichwort „Vertragsstaatskirchenrecht“, Sp. 3823; siehe auch Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 65 ff. 251 Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 65 ff. m. w. N. 252 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 251. 253 Dazu Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (272 ff.).

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sächlichen Verhältnisse ist.254 Mit der rechtssystematischen Einordnung der Staatskirchenverträge als Verträge sui generis insbesondere in den 50er Jahren wurden diese unbeschadet möglicher inhaltlicher Unterschiede einem spezifischen Bereich eines „Staat-Kirche-Rechts“ zugeordnet.255 Dieser Bereich wurde im Lichte der damals herrschenden Koordinationslehre gefasst. Ausgehend von einer staatstheoretischen Denktradition versteht diese Lehre Staat und Kirche als zwei nebeneinander bestehende Gemeinschaften gleichen Ranges, staatskirchenrechtliche Normen wurden im Sinne einer rechtlichen Gleichrangigkeit sowie weitreichenden Gleichordnung von Staat und Kirche interpretiert.256 Der Grundsinn dieser Verträge besteht in dem gemeinsamen Erschaffen einer staatskirchenrechtlichen und kirchenrechtlichen Ordnung und in deren Vollzug.257 Die Verpflichtungskraft des Vertrages sei darauf zurückzuführen, dass ein gemeinsamer Wille der Partner bestehe, der in den gemeinsamen Wesenszügen eines sonst auseinander tretenden staatlichen und kirchlichen Rechts wurzele.258 Die Koordinationslehre wird heute eher abgelehnt, sie entspricht nicht der im Grundgesetz angelegten „hinkenden Trennung“ von Staat und Kirche. Die alleinige Maßgeblichkeit des staatlichen Rechts kann nicht verneint werden, was sich in dogmatischer Hinsicht darin zeigte, dass dem Staatskirchenvertrag ein rechtlicher Vorrang vor einer Rechtsregelung eingeräumt wurde.259 In den 1960er Jahren bildete sich in Abkehr von der Koordinationslehre die Kooperationslehre heraus, die Staat und Kirche in einer „freundliche[n] Symbiose“ zueinander situierte, die Kirche solle sich um das geistige Wohlergehen und den Frieden des Einzelnen kümmern, gleichsam aber auch die Identität und kulturelle Integration erhalten bzw. stärken.260 Verstanden als Ausgleichsordnung zwischen religiös-neutralem Staat und Kirche, stand vor allem der Kooperationsgedanke im Vordergrund, wobei die einzelne grundrechtliche bzw. institutionelle Ausrichtung der Institutionen des Staatskirchenrechts anhaltend diskutiert wird.261 Die neue Kooperationsformel zeitigt verfassungstheoretische und -dogmatische Konsequenzen für das Staatskirchenvertragsrecht. Staatskirchenverträge werden demnach richtigerweise insbesondere in der staatlichen Rechtsordnung verortet. 254 So auch Korioth, in: Grote/Marauhn, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, S. 44 (59 ff.). 255 Siehe ebenda; Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 100 ff. 256 Dazu Korioth, in: Grote/Marauhn, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, S. 44 (59 ff.). 257 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (273). 258 Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (274). 259 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245 m. w. N. 260 Korioth, in: Grote/Marauhn, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, S. 44 (61) m. w. N. 261 Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 E.; zur Ausgleichslösung des Religionsunterrichts als Konkretisierung des staatskirchenrechtlichen Systems: Heckel, in: FS Starck, S. 1093 (1101); zur Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts bis zur Gegenwart: Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung.

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Der Vorteil, den eine Kooperation bringt, zeigt sich in den Vertragsschlussmotiven, wie sie heute allgemein wiedergegeben werden.262 Neben der Absicherung und Perpetuierung der das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche und deren Freiheiten bestimmenden staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen, zielt ein Staatskirchenvertrag auch auf die Förderung der Religionsgemeinschaft in der Wahrnehmung ihres religiösen Auftrages ab sowie darauf, diese zu verpflichten, in Richtung des Gemeinwohls zu wirken. Diese drei Funktionen werden durch die Kooperationsfunktion austariert.263 Im Ergebnis beinhaltet die Kooperationsformel eine „intelligente und freiheitsschonende Form der Subordination“264. Diese Formel findet sich nicht nur im Staatskirchenrecht, der „kooperative Staat“265 ist ein allgemeiner Leitgedanke, der prägend für eine Neuausrichtung der Exekutive in den vergangenen zehn Jahren war.266 Auch im Verwaltungsrecht wird die Einführung eines Kooperationsvertrages neben den bereits durch § 54 VwVfG erfassten koordinations- und subordinationsrechtlichen Vertragstypen diskutiert.267 Ziel ist, die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten zwischen Staat und Privaten, auch im Bereich öffentlicher Aufgaben, Rechnung zu tragen.268 Solche Kooperationen waren bereits nach bestehendem Verwaltungsrecht zulässig, mit der Einführung eines § 56a VwVfG soll der rechtliche Rahmen dieses Rechtsinstituts hinreichend konkretisiert werden.269 Wesentlich ist, die an den kontrahierenden Staat gestellte Anforderung, seinen hinreichenden Einfluss, vor allem durch die Verankerung von Aufsichtsrechten, auf die ordnungsgemäße Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sicher zu stellen.270 Die Kooperationsfunktion kommt in der Vereinbarung deutlich zum Ausdruck. Wie in Staatskirchenverträgen zeigt sie sich insbesondere in den Regelungen zum Zusammenwirken im Bildungsbereich, in vertraglich institutionalisierter Kooperation, wie einem Zusammenwirken, Art. 11 Vereinbarung, oder der Bestimmung zur Betreuung in religiösen Einrichtungen.271 Dadurch, dass durch das Vertragswerk 262 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 212 f. 263 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 246. 264 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245. 265 Zum kooperativen Staat vgl. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245; Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 ff. 266 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 245. 267 Näher dazu Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 VwVfG, Rn. 107 ff. 268 Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 VwVfG, Rn. 111 m. w. N. 269 Zum Bund-Länder-Entwurf einer verwaltungsrechtlich kodifizierten Einführung des Kooperationsvertrages Schmitz, Zur bevorstehenden Novellierung des Vertragsrechts im Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 2 f. 270 Siehe ebenda, S. 4. 271 Zu den in den Staatskirchenverträgen verfolgten Kooperationsfunktion, die hier in Hinblick auf die Einzelbestimmungen viele Ähnlichkeiten mit den Regelungsgegenständen der

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erstmalig ein inhaltlich umfassendes Verhältnis zwischen islamischen Verbänden und der Freien und Hamburg als Ausdruck eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens begründet wird, hat die Kooperationsformel in funktional-inhaltlicher Hinsicht eine leitende und besondere Funktion inne. Dies gilt auch gerade vor dem Hintergrund, dass ein Vertragsschluss stets neue Impulse für eine weitere und vertiefte Zusammenarbeit mit sich bringt272 und eine partnerschaftliche Kooperation gerade durch den Abschluss der Vereinbarung begründet wird. Demnach wurzelt die Vereinbarung im System der staatlichen Rechtsordnung, die sich vor allem durch eine kooperationsrechtliche Ausrichtung in der Verhältnisbestimmung von Staat und Religionsgemeinschaft auszeichnet. Charakteristisch für diesen Rechtsraum ist, dass er auf Grund des Fehlens ausdrücklicher Regelungen betreffend die Entstehung oder die Bindungswirkung der Vereinbarung vor allem durch allgemeine Verfassungs- und Vertragsprinzipien bestimmt wird. Diese Ausrichtung der Vereinbarung rechtfertigt den terminologischen Zusatz eines „kooperationsrechtlichen Vertrages sui generis“. bb) Die Vertragsparteien Auf der religionsgemeinschaftlichen Seite wurde die Vereinbarung von dem DITIB-Landesverband, der Schura und dem VIKZ geschlossen. Maßgeblich für Zuständigkeitsfragen der Religionsgemeinschaft ist das jeweilige Organisationsrecht.273 Die islamischen Verbände müssten aber vertragsfähig sein. Der obigen Untersuchung zufolge bedarf es schon nicht für den Abschluss eines höherrangigen Staatskirchenvertrages des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus, so dass, ausgehend von der Religionsgemeinschaftseigenschaft, die islamischen Verbände fähige Vertragspartner eines kooperationsrechtlichen Vertrages sui generis sind. Die Organzuständigkeit seitens der Freien und Hansestadt Hamburg lag beim Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. Auch für den kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis folgt das Recht zum Abschluss und zur Ausführung den allgemeinen Regelungen zur innerstaatlichen Kompetenzverteilung nach Art. 30 GG, wonach eine Verbandszuständigkeit der Länder besteht, soweit nicht nach dem Grundgesetz eine andere Regelung getroffen oder zugelassen ist. Bei Art. 30, 70 ff. GG handelt es sich dabei um eine allgemeine Regelung zur innerstaatlichen Kompetenzverteilung, sie ist maßgeblich für Gesetzgebung und Verwaltung.274 Eine in Einzelfällen bestehende bundesrechtliche Abschlusskompetenz, wie etwa bei einem länderübergreifenden Vereinbarung aufweist, vgl. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 218 ff. 272 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 218. 273 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 228. 274 So auch Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 180.

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Sachverhalt oder eine den Bund betreffende Einzelmaterie, ist hier auszuschließen.275 Die Vereinbarung enthält sämtliche Regelungsmaterien, die in die Landeskompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg fallen. cc) Besonderheiten im Inhalt Die Vereinbarung verfügt zwar über spezifisch staatskirchenrechtliche Gewährleistungen, in Abgrenzung zu herkömmlichen Staatskirchenverträgen wird ihr inhaltliches Eigengepräge vor allem durch die Wiederholung von sich auf spezifische islamische Regelungsthemen beziehende verfassungsrechtliche Gewährleistungen bestimmt. Funktional leitend im Vertragsschluss waren vor allem die Integrationsbzw. Einbettungsfunktion sowie die Kooperationsfunktion, wobei funktionalrechtliche Überschneidungen bestehen. Auch in typologischer Hinsicht können die Regelungsthemen den vier bestehenden Gruppen staatsrechtlicher Typologie zugeordnet werden, eine fünfte Gruppe wird durch die Normierung von Wertegrundlagen und der Anerkennung der demokratischen und freiheitlichen Verfassungs- und Werteordnung begründet. Dies korrespondiert mit der genannten Integrations- und Einbettungsfunktion. dd) Der schlichte Parlamentsbeschluss Am 13. 06. 2013 stimmte die Hamburger Bürgerschaft mit mehrheitlicher Auffassung nach 1. und 2. Lesung durch schlichten Parlamentsbeschluss der Vereinbarung zu. Das Parlament bekundete lediglich seine Auffassung, dem Vertrag „politisch zuzustimmen“, weitergehende Bindungswirkung entfaltet dieser schlichte Zustimmungsakt in Abgrenzung zu einem förmlichen Zustimmungsgesetz nicht.276 Ein schlichter Parlamentsbeschluss kann das Handeln von Regierung und Verwaltung rein faktisch beeinflussen oder die Öffentlichkeit über die politische Mehrheitsauffassung des Bundes- oder Landtages informieren. Nach herrschender Auffassung kommt dem schlichten Parlamentsbeschluss ausschließlich eine politische Bedeutung zu.277 d) Ergebnis Die Vereinbarung ist ein kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis.

275

Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 456. 276 Zum nichtförmlichen Institut des schlichten Parlamentsbeschlusses vgl. Ipsen, Staatsrecht I, S. 69 f.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 399. 277 Dazu Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluss, S. 23 ff.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

IV. Die Verbindlichkeit und die Wirkung der Vereinbarung Der erstmals im römischen Recht formulierte vertragsrechtliche Grundsatz „pacta sunt servanda“ gilt freilich auch für die Vereinbarung. Die rechtswirksame Bindung der Vertragsparteien, aber auch die Verbindlichkeit des Vertrages für die Exekutive im Ganzen, die Judikative und die Legislative, geben Aufschluss über den „rechtlichen Wert“: Ist eine Rechtsverbindlichkeit zu verneinen, handelt es sich bei einem Vertrag lediglich um „ein unverbindliches subjektives Instrument, ein bloßes Gefälligkeitsgeschäft“278. In Zusammenschau mit der Ableitung von Rechten und Pflichten aus dem Vertragsinhalt lässt das jeweilige Maß an Verbindlichkeit es zudem zu, Schlussfolgerungen hinsichtlich der Wirkung und demnach auch des Nutzens des Vertrages für die Parteien zu ziehen. Mit der Frage, ob der tiefere Sinn von Staatskirchenverträgen in der Beständigkeit seiner Abreden besteht, wird die Bindungswirkung kontrovers diskutiert. Insbesondere die rechtswirksame Bindung des staatlichen Gesetzgebers ist nach wie vor umstritten. Ferner wohnt der rechtlichen Bestandskraft eines Vertrages zusätzlich ein außerrechtlicher Wert in Form einer erhöhten gesellschaftlichen Anerkennung des Vertrages und damit auch in Hinblick auf seine Vertragspartner inne. Die Verbindlichkeit eines Vertrages richtet sich in der Regel nach dem jeweiligen Normensystem, dem dieser zugeordnet werden kann. Bei Fehlen entsprechender Normen wird sie durch allgemeine Rechtsgrundsätze bestimmt. Auf die Vereinbarung als kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis kann die für Staatskirchenverträge hinsichtlich ihrer Bestandskraft geführte Diskussion nicht übertragen werden. Die Vereinbarung kann zunächst einem bestimmten Normensystem nicht zugeordnet werden. Die Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG entziehen sich dem Analogieschluss, so dass eine entsprechende Anwendung ausscheidet.279 Die obige Prüfung hat ergeben, dass sich die Vereinbarung von herkömmlichen Staatskirchenverträgen vor allem dadurch unterscheidet, dass ihr ihr eigentliches Gepräge durch die Wiederholung und Konkretisierung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen im Kontext islamischer Regelungsthemen verliehen wird.280 Weiterhin wurde anstelle eines parlamentarischen Zustimmungsaktes ein schlichter Parlamentsbeschluss erlassen. Diese Besonderheiten bestimmen auch den Untersuchungsansatz. Zu untersuchen ist zunächst, wie sich dies auf die Rangbestimmung und die Verbindlichkeit der Vereinbarung auswirkt. Weiter sind mit Blick auf den Vertragsinhalt die Wirkung und der eigentliche rechtliche Nutzen der Vereinbarung herauszuarbeiten.

278 279 280

Renck, DöV 1997, S. 929. Dazu Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 96. Siehe dazu diese Arbeit Teil 2 C.; Teil 3 C. III. 1. b) bb), 3. c) cc).

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1. Der Rang der Vereinbarung Der Rang eines Rechtsphänomens entscheidet, welche Normengruppe für eine Höherrangigkeit im Falle eines Widerspruches zwischen Normengruppen entscheidend ist.281 Dieser Rechtsgrund ist in aller Regel entscheidend für die Geltung sowie die Beständigkeit eines Rechtsphänomens gegenüber Rechtsfehlern.282 Ein Kirchenvertrag ist in der Staatspraxis des demokratischen Parlamentsstaats mit einem parlamentarischen Vertragsgesetz verbunden, wodurch der vertragliche Inhalt den „Status geltenden staatlichen Rechts“ erlangt.283 Durch das Ergehen eines legislativen Gesetzesaktes erlangt der Staatskirchenvertrag nach allgemeiner Auffassung den Rang eines einfachen Gesetzes und begründet eine normative Wirkung für und gegen alle,284 wobei praktisch unerheblich ist, ob dies im Wege der Transformation oder des Vollzugs via Anwendungsbefehl geschieht. Da allein von dem Gesetz die gesetzlichen Bindungswirkungen ausgehen, wird die Anwendbarkeit der Vertragsinhalte gesichert,285 da das förmliche Zustimmungsgesetz den Vertragsinhalt im Sinne einer gesetzlichen Bestätigung der Vertragsinhalte in den Rang eines einfachen Gesetzes erhebt, nur so kann der Vertragsinhalt im Ergebnis auch eine Bürgerverbindlichkeit entfalten. Ein schlichter Parlamentsbeschluss, wie er in Hinblick auf die Vereinbarung erging, reicht nicht aus, um den Vertrag über den Rechtskreis rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zu heben. Der Vertrag nimmt, soweit man hier von Rang sprechen kann,286 den Rang von Vertragsrecht ein.

2. Die Bindung der Vertragsparteien Die Vereinbarung entfaltet als rechtsgeschäftliche Vereinbarung eine Bindungswirkung inter partes zwischen den islamischen Verbänden sowie der Regierung und Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg. Eine rechtsgeschäftliche Bindung besteht in einer Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und 281 Wengenroth, Die Rechtsnatur der Staatskirchenverträge und ihr Rang im staatlichen Recht, S. 149. 282 Zum Rang der Kirchenverträge Renck, DöV 1997, S. 929. 283 Zu einer umfassenden Diskussion der Rangbestimmung und der Unterscheidung von bzw. der Diskussion hinsichtlich des Ranges von Vertragsrecht, Vorverfassungsrecht, Übergesetzesrecht oder Gesetzesrecht vgl. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (300); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 227 f. 284 Ganz herrschende Meinung v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 142; Classen, Religionsrecht, S. 37 f.; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 195 f.; Stern, Staatsrecht, S. 1381; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 222. 285 Fastenrath, DöV 2008, S. 697 (698). 286 Bei einem echten, zweiseitigen Vertrag, der nur inter partes wirkt, könne nicht von einer „Rechtsquelle im Sinne einer Verlautbarung von objektivem Recht“ ausgegangen werden. Dazu Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (934); Müller-Volbehr, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 289 (295).

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damit in dem Treffen von Erklärungen, die final auf die Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet sind. Diese Verpflichtungen bestimmen, was zwischen den Vertragsparteien rechtens ist.287 Während der überwiegende Anteil der Vertragsbestimmungen deklaratorischer Natur ist, lassen sich aus den Art. 5, 10, 11, 13 Vereinbarung konkrete Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ableiten. Art. 5 i. V. m. Protokollerklärung zu Art. 5 Vereinbarung räumt den islamischen Verbänden ein Stellungnahmerecht vor der Berufung eines Hochschullehrers in Hinblick auf die Äußerung zu Lehrinhalten ein, weiterhin lässt sich daraus ihre Einbeziehung für eine Akkreditierung von Studiengängen und Formulierung von Prüfungsanforderungen ableiten. Nach Art. 10 Abs. 1 Vereinbarung haben die islamischen Verbände das Recht, auf staatlichen Friedhöfen Bestattungen nach den islamischen Vorschriften vorzunehmen. Die Freie und Hansestadt verpflichtet sich dabei, dem Bedarf entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen. Aus Art. 10 Abs. 2 Vereinbarung lässt sich das Recht der islamischen Verbände, Gottesdienste und Bestattungsandachten auf staatlichen Friedhöfen abzuhalten sowie eine Rücksichtnahmeverpflichtung und eine dementsprechende Duldungsverpflichtung der Freien und Hansestadt Hamburg ableiten. Art. 11 Abs. 1 Vereinbarung enthält, wenn auch mit Verweis auf die Bedarfsabhängigkeit, einen Anspruch auf Gesprächsführung beider Parteien, Art. 11 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung statuiert eine beiderseitige Informationsverpflichtung. Art. 11 Abs. 2 Vereinbarung normiert das Recht bzw. die Pflicht, das Amt eines ständigen Beauftragten der Verbände zur ständigen Information bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg einzuführen. Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung gewährleistet das Recht bzw. die Pflicht, nach zehn Jahren in etwaige Änderungs- oder Ergänzungsverhandlungen zu dem Vertrag zu treten. 3. Bindungswirkung und Erlöschensgründe a) Konkretisierung der Fragestellung mit Blick auf die Vertragsgegenstände Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung wird die Bindungswirkung eines Staatskirchenvertrages vor allem durch das Ergehen eines förmlichen Zustimmungsgesetzes erhöht.288 Wird aber nur ein schlichter Parlamentsbeschluss erlassen, ist die Bindung des parlamentarischen Gesetzgebers umso fraglicher. Das Fehlen eines Zustimmungsgesetzes hat zudem zur Folge, dass vertraglich konsentierte Rechtspositionen keine Bürgerverbindlichkeit entfalten können und eine Religionsgemeinschaft, will sie den Staat zu einem den Rechtskreis Dritter betreffenden Verhalten veranlassen, kann sich nicht auf das Gesetz berufen.289 Die Vereinbarung 287

Zu den Bindungswirkungen von Staatskirchenverträgen Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (300). 288 Siehe auch Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 252. 289 Zur Bindung von Regierung und Verwaltung an Staatskirchenverträge vgl. Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (300 ff.).

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kann man nicht in die Riege der historischen Staatskirchenverträge einordnen, deren gesellschaftliche Bedeutsamkeit auch in dem Ergehen eines parlamentarischen Zustimmungsaktes in Gesetzesform durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber begründet liegt, sie stellt eine hinter Gesetz und Verfassung grundsätzlich zurücktretende rechtsgeschäftliche Vereinbarung dar, die zunächst und grundsätzlich nur inter partes wirkt. Zwar ist es möglich, dass den aus der Vereinbarung ableitbaren Ansprüchen zuwiderlaufende einfache Gesetze erlassen werden. Da diese Rechte und Pflichten jedoch regelmäßig auch Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Durchführungsverordnung sein könnten, verschiebt sich der Schwerpunkt der Fragestellung dahingehend, ob der Vertrag als Ganzes oder einzelne Vertragsbestimmungen ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden können. Auch wenn der staatskirchenrechtliche Diskurs zur Bindungswirkung auf Grund der oben angezeigten Unterschiede nicht übertragen werden kann, zeigt sich, dass im Sinne der hier vertretenen Rechtsauffassung eine konkludente Kündigung im Ergebnis auch einer nachfolgend abweichenden Gesetzgebung entsprechen kann, so dass, angepasst an die oben genannten Besonderheiten der Vereinbarung, der in Hinblick auf herkömmliche Staatskirchenverträge entwickelte Argumentationshergang weiterführend ist.290 Diese Fallgestaltung ist freilich nur dann auch von Auswirkung, wenn aus dem Gesetz folgt, dass die Gesetzeslage ausnahmslos gegenüber jedermann einschließlich des religionsgemeinschaftlichen Vertragspartners gelten soll oder die Aufhebung durch Einzelfallgesetz erfolgt.291 Während die Bindungswirkung von Staatskirchenverträgen in der Praxis lediglich im gerichtlichen Streit um die Fortgeltung des Reichskonkordats292 Relevanz fand,293 wurde die Kündigung der Vereinbarung bereits in den Plenarberatungen der Hamburger Bürgerschaft diskutiert.294 Abgeordnete der FDP hatten mit Blick darauf, dass sich das Islamische Zentrum Hamburg, ein Mitglied der Schura, als ein „Instrument der iranischen Staatsführung“ israelfeindlich engagiere, verlangt, zu überprüfen, inwieweit die Vereinbarung aufgelöst werden solle.295 Dieser sowie der durch Abgeordnete der AFD gestellte Antrag, die Vereinbarung direkt aufzukündigen, wegen auf der Internetseite der 290 So auch Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 226; zur sogenannten legislativen Kündigung: Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (305 f.). 291 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (305 f.). 292 BVerfGE 6, 309 ff. 293 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 929 (303). 294 Antrag des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AFD) v. 18. 01. 2017, Drs. 21/7609. Darin wird insbesondere der DITIB vorgeworfen, sie habe durch die Verbreitung antichristlicher Karikaturen und Texte gegen die im Vertrag fixierten Verpflichtungen nach Art. 2 Vereinbarung verstoßen, ferner wird ihr die Verflechtung mit dem Diyanet vorgeworfen und Parteien, die vom Vertrag profitierten, seien durch islamistische Aktivitäten aufgefallen. 295 Antrag der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) v. 10. 01. 2017, Drs. 21/7510.

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DITIB veröffentlichter „anti-christlicher Zeichnungen“, eines mutmaßlichen islamistischen Engagements sowie einer Verflechtung des Verbandes mit dem Diyanet,296 wurde mehrheitlich durch die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft abgelehnt.297 b) Erlöschensgründe aa) Die einvernehmliche Aufhebung Es ist Konsens, dass evangelische Kirchenverträge planmäßig und friedlich beendet werden können.298 Auch in dem Abschluss eines neuen Vertrages wäre eine Vertragsaufhebung zu erblicken. Einigkeit besteht für Staatskirchenverträge darin, dass aus der Freundschaftsklausel ein Konsensprinzip abgeleitet werden könne, die Möglichkeit einer einvernehmlichen Aufhebung sei bereits in der Freundschaftsklausel angelegt.299 Auch die Vereinbarung verfügt mit Art. 12 Vereinbarung über eine Freundschaftsklausel, so dass der konsensualen Vertragsbeendigung keine rechtlichen oder besonderen vertraglichen Gründe entgegenstehen. bb) Die ordentliche Kündigung Im allgemeinen Vertragsrecht besteht ein Kündigungsrecht dann, wenn es vorgesehen ist. Auch in Hinblick auf herkömmliche Kirchenverträge wird die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung diskutiert und mit dem Verweis darauf begründet, dass der Vertragsschluss unter Gemeinwohlvorbehalt erfolge, dessen Bedrohung eine Kündigung zulässig mache.300 Diese Fallkonstellationen führen vor dem Hintergrund des Bestehens einer Bedrohungslage jedoch zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und damit zu einer Zuordnung zur allgemeinen Rechtsregel der clausula rebus sic stantibus, die seine verwaltungsrechtliche Normierung in § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG gefunden hat.301 Es gilt, dass eine Verpflichtung des Staates zur 296 Antrag des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AFD) v. 18. 01. 2017, Drs. 21/7609. Vgl. auch Plenarprotokoll Nr. 21/52 vom 01. 02. 2017, S. 3682 – 3697. 297 Siehe auch den Online-Artikel des NDR „Hamburg hält an Islam-Staatsvertrag fest“ vom 01. 02. 2017, abrufbar unter: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburg-haelt-an-Is lam-Staatsvertrag-fest,staatsvertrag188.html (Stand: 27. 09. 2017). 298 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 273; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 96. 299 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 249 ff.; Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 76, 96. 300 Dazu näher Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 97, die auf Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 166, verweist, der annimmt, bei Betroffenheit des Gemeinwohls entfalle die Bindungskraft des Vertrages automatisch, so dass eine Kündigung nicht erforderlich sei. 301 Siehe ebenda mit weiteren Nachweisen.

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Wahrung des Gemeinwohls besteht, so dass ihm eine uneingeschränkte Rechtsbindung gegenüber einem innerstaatlichen Rechtssubjekt verwehrt ist, wobei eine Vertragsbeendigung nur bei einer massiven Bedrohung des Gemeinwohls möglich ist, so dass die Vertragsgrundlage nicht mehr besteht.302 Eine solche Fallkonstellation könnte ungeachtet des Begründungsansatzes als außerordentliche Kündigung eingeordnet werden. cc) Die außerordentliche Kündigung Die außerordentliche Kündigung betrifft die einseitige Lösung als Reaktion auf eine zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unvorhergesehene Entwicklung.303 Denkbar wäre eine nicht einvernehmlich erfolgende Lösung vom Vertrag als Ganzem oder von einzelnen Vertragsbestimmungen, wobei ein solches konkludentes Verhalten seitens des staatlichen Vertragspartners im Ergebnis einer nachfolgend von den Vertragsbestimmungen inhaltlich abweichenden Gesetzgebung gleichkommen kann.304 Insofern weist die Frage der Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung Parallelen zum Diskurs der Bindungswirkung von Staatskirchenverträgen auf, die im Kern gerade die Frage nach der Beständigkeit des Vertrages gegenüber diesen inhaltlich zuwider laufenden Gesetzen betrifft. Dabei ist davon auszugehen, dass die landespolitischen Organe keine verfassungswidrigen Bindungen haben eingehen wollen und die entsprechenden Bestimmungen vertragskonform ausgelegt werden müssen.305 Im Sinne der Freundschaftsklausel sind erhebliche Bemühungen anzustrengen, eine Einigung ist vor einer außerordentlichen Kündigung anzustreben.306 Die Auffassung, dass das Vertragsrecht zur vollständigen Disposition des Gesetzgebers stehen müsse, um einseitig und direkt auf Veränderungen in der Gesellschaft reagieren zu können,307 könnte auch für die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung durch die Exekutive gelten. Dafür spricht, dass eine solche Notwendigkeit aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2, 28 302

S. 97 f. 303

Dazu und im Folgenden Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge,

Vgl. dazu das Gutachten von Isensee, Rechtsgutachten zum DITIB-Religionsunterricht in Hessen, als parallele Konstruktion, worin der Frage nachgegangen wird, ob die Voraussetzungen, die der Genehmigung zugrunde lagen, weiterhin bestehen. 304 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225 f. 305 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 253; Hollerbach, in: Listl/ Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (280); vgl. dazu auch BVerfGE 4, 157 (168); 36, 1 (14). 306 Zur Freundschaftsklausel näher Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (280). 307 Für Staatskirchenverträge dies u. a. annehmend Anke, Die Neubestimmung des StaatKirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 167; Quaritsch, in: FS Schack, S. 125 (134); Renck, ThürVbl.1995, S. 31 (35); ders., DöV 1997, S. 929 (936). Allgemein dazu Schier, Die Bestandskraft staatskirchenrechtlicher Verträge, S. 110.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

Abs. 1 S. 1 GG) und der daraus folgenden exekutiven Eigenverantwortung abgeleitet werden könnte, wobei sich noch verstärkend auswirken würde, dass sogar nur ein rechtlich nicht bindender Parlamentsbeschluss erlassen wurde. Aber auch wenn die Vereinbarung keinem gesetzlich kodifizierten vertragsrechtlichen System zugeordnet werden kann, würde das Vertragsinstrument als solches in dem Fall, dass man sich jederzeit davon lösen kann, ad absurdum geführt. Weiterhin ist anerkannt, dass Staatsverträge über Art. 123 GG und verwaltungsrechtliche Verträge über den im Verfassungsrecht wurzelnden Grundsatz des Vertrauensschutzes eine Bindungswirkung entfalten, wodurch eine Lösung ohne Weiteres nicht möglich ist.308 Damit ist gesetzlich abgesichert, dass dem Staat eine unkontrollierte „pure Machtentfaltung“ nicht zukommen darf. Diese insbesondere aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2, 28 Abs. 1 S. 1 GG) abzuleitende Annahme verwehrt es auch, die in der Frage der legislativen Bindungswirkung von Staatskirchenverträgen ältere herrschende309 Meinung, wonach eine Unterscheidung zwischen rechtlichem Können und Dürfen gemacht wird, auf die hiesige Fragestellung zu übertragen.310 Eine Gefährdung oder bereits eingetretene Verletzung des Gemeinwohls würde dennoch eine (potentielle) Konfliktlage zwischen dem religionsgemeinschaftlichen Vertrauen in das Fortbestehen der vertraglichen Inhalte und der staatlichen Notwendigkeit der Lösung vom Vertrag implizieren.311 Nur durch eine an dieser Stelle anzusetzende Güterabwägung, wie sie im Übrigen auch in der Frage der Bindung des Gesetzgebers an Staatskirchenverträge im Rahmen einer Abwägungslösung312 vorgenommen wird, kann eine derartige Konfliktlage aufgelöst werden. Bei dem Gedanken der „praktischen Konkordanz“ handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch für einen kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis Gültigkeit hat. Auch wenn es sich bei einem rechtsgeschäftlichen Vertrag nicht um eine unüberwindbare Position handelt, muss im Sinne der Gedanken der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine grundsätzliche Geltung der Vertragsinhalte bestehen, die nur „beim Vorliegen überwiegender Gemeinwohlbelange zurücktreten muss“.313 Die Begründung dieses Lösungsansatzes kann auch hier auf drei dogmatischen Wegen erfolgen, durch diese Anleihe kann ein handhabbarer Maßstab zur Auflösung der Konfliktlage entwickelt werden. 308

Ehlers, ZevKR 46 2001, S. 286 (303). Vgl. dazu v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 147; Hollerbach, in: Listl/ Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (276 f.). 310 Zu diesem Ansatz siehe Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225. 311 Renck, DöV 1997, S. 929 (930). 312 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 225 f. 313 Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (330). 309

C. Die Rechtsqualität der Vereinbarung

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Heinig verweist für Staatskirchenverträge auf die dem Vertragsrecht mit § 313 BGB nun auch konkret entspringende clausula rebus sic stantibus und demnach darauf, dass in dem Falle, dass eine einvernehmliche Lösung nicht zu erreichen ist, nach den Grundsätzen dieses Rechtsinstituts eine außerordentliche Kündigung möglich ist.314 Eine solche Fallgestaltung liegt vor, wenn sich vertragswesentliche, außerhalb des Vertragsinhalts befindliche Umstände derart geändert haben, ohne dass diese Änderung bei Vertragsschluss vorausgesehen wurde und ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.315 Dieser Gedanke findet sich auch in § 60 VwVfG zur Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen des öffentlich-rechtlichen Vertrages nach § 54 VwVfG, nach herrschender Auffassung handelt es sich dabei um die öffentlich-rechtliche Festschreibung des im Zivilrecht enthalten Grundsatzes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.316 Denkbar wäre auch eine Heranziehung der zum Schrankenvorbehalt in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV entwickelten Dogmatik.317 Angesichts dessen, dass es auch in Hinblick auf den Vertrag um einen Ausgleich divergierender Interessen geht, kann von einem Grundgedanken ausgegangen werden,318 der demnach auf den kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis Anwendung finden könnte. Zum Ausgleich der divergierenden Positionen wäre im Rahmen einer Wechselwirkungsbzw. Abwägungslehre zwischen dem staatlichen Regelungsinteresse zu Gunsten des Gemeinwohls und den Rechtspositionen der Religionsgemeinschaften abzuwägen und ein Ausgleich der divergierenden Positionen zu finden.319 Danach ist eine Kündigung zulässig und möglich, wenn solche Gemeinwohlbelange das Bestandsschutzinteresse der Religionsgemeinschaften hinsichtlich der Vertragsinhalte überwiegen. Unter Umständen könnte auch hier eine finanzielle Ausgleichspflicht eintreten. Ein weiterer Ansatz besteht in der Heranziehung des ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Prinzips des Vertrauensschutzes.320 Es ermöglicht die „Konfliktbewältigung zwischen Bestandsinteresse einerseits und Anpassungserfordernissen“321 andererseits. Danach ist eine Kündigung ausgeschlossen, wenn die kontra314

Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 253. Dazu Brox/Walker, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 331 ff. 316 Ziekow, VwVfG, § 60 Rn. 2 m. w. N. 317 Für den Staatskirchenvertrag vgl. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 205; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 226. 318 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 226. 319 Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge, S. 205; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 226. 320 Zum Vertrauensschutz als ein ungeschriebenes verfassungsrechtliches Prinzip, das die gesamte Rechtsordnung durchwirkt, näher Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip. 321 Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 557. 315

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

hierende Religionsgemeinschaft sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Dieses Prinzip wirkt in formeller und materieller Hinsicht, was bedeutet, dass die Kündigung die Ausnahme bleiben und die staatlichen Gemeinwohlbelange überwiegen müssen.322 All diese Ansätze zielen auf eine schonende Auflösung der Konfliktlage ab. Für die Bestimmung der Unzumutbarkeit oder des Gemeinwohlbegriffes ist eine Wertung vorzunehmen, welche sich an den einschlägigen Verfassungsprinzipien zu orientieren hat. Dabei gilt, dass es sich stets um eine Einzelfallentscheidung handelt; eine außerordentliche Kündigung der Vereinbarung wäre dabei wohl „schneller“ möglich, da hier ihre demokratische Legitimation durch das Fehlen eines förmlichen Parlamentsgesetzes nicht derart hoch anzusetzen ist wie etwa bei einem Kirchenvertrag. Allerdings ist genau zu überprüfen, ob die dem Gemeinwohl zuwiderlaufenden Umstände bereits bei Vertragsschluss bekannt waren, so beispielsweise die Verflechtungen zwischen der DITIB und dem Diyanet, von welchen die Öffentlichkeit Kenntnis hatte oder hätte haben können. Im Ergebnis gilt, dass eine außerordentliche Kündigung der Vereinbarung zwar zulässig und möglich wäre, allerdings erst nach umfassenden Einigungsversuchen und nach Vornahme einer sorgfältigen Abwägung des Gemeinwohls und des Vertrauens der islamischen Verbände in den Bestand der Vereinbarung bzw. einzelner Vertragsbestimmungen erfolgen kann. 4. Der eigentliche rechtliche Nutzen der Vereinbarung Die Vereinbarung ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit dem Rang eines Vertrages, sie tritt im Konfliktfall grundsätzlich hinter einfache Gesetze und zuwiderlaufende Verfassungsbestimmungen zurück. Desweiteren ist die Bindungswirkung der Vereinbarung im Verhältnis zu herkömmlichen Kirchenverträgen stark abgeschwächt, insbesondere eine außerordentliche Kündigung wäre unter Einhaltung der herausgearbeiteten Anforderungen unproblematischer möglich. Angesichts des Fehlens eines parlamentarischen Zustimmungsgesetzes könnte die Vereinbarung keine Bürgerverbindlichkeit entfalten, die islamischen Verbände könnten den staatlichen Vertragspartner überdies nicht zu einem den Rechtskreis Dritter betreffenden Verhalten veranlassen. Die Möglichkeit, dass sich ein subjektives Recht der islamischen Verbände durch das Zusammenspiel einer im Vertrag geregelten Institutsgarantie mit dem einfachen Gesetz ergibt, entfällt. Weiterhin sind angesichts des Fehlens eines parlamentarischen Zustimmungsaktes in Gesetzesform der demokratische Legitimationsfaktor und damit auch das Maß an gesellschaftlicher Anerkennung niedriger anzusetzen. Der Gedanke des tieferen Sinns von Staatskirchenverträgen, der gerade in der Beständigkeit seiner Abreden gesehen wird, ist auf die Vereinbarung demnach nicht zu übertragen. Aber warum wurde die Vereinbarung dann geschlossen? 322

Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (305 f.).

C. Die Rechtsqualität der Vereinbarung

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Der Abschluss eines Vertrages gewährt gegenüber dem Erlass eines einfachen Gesetzes zunächst den Vorteil, den nichtstaatlichen Vertragspartner binden zu können.323 Dass es den Vertragsparteien aber nicht um die Vereinbarung konkreter Rechte und Pflichten gegangen sein kann, wird dadurch deutlich, dass viele Vertragsbestimmungen auch Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Durchführungsverordnung sein könnten. Gemessen daran und im Vergleich zu den aus herkömmlichen Staatskirchenverträgen ableitbaren Ansprüchen, sind die in der Vereinbarung vereinbarten Rechte und Pflichten schwach ausgestaltet. Allerdings ist die Freie und Hansestadt Hamburg als erste staatliche Gebietskörperschaft in umfassende Vertragsverhandlungen mit islamischen Verbänden getreten, womit diese als vertragsfähiger Ansprechpartner anerkannt wurden. Dies und die rechtlichen Chancen, die sich aus der Vereinbarung ergeben, insbesondere Art. 13 Abs. 3 i. V. m. Protokollerklärung zu Art. 13 Abs. 3 Vereinbarung, welcher als Zielbestimmung die Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus als höherrangigen Rechtsstatus formuliert, begründen den eigentlichen Wert der Vereinbarung. Die in der Vereinbarung konsentierten konkreten Rechte und Pflichten treten eher in den Hintergrund. Anders als bei einem Gesetzeserlass oder einer verwaltungsrechtlichen Durchführungsverordnung entfällt bei dem Abschluss eines Vertrages gerade nicht der Prozess des Aushandelns, der sich hier als sehr umfangreich und langwierig erwiesen hat. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen wurde zudem die Frage aufgeworfen, ob die islamischen Verbände Religionsgemeinschaft sind. Nach langwierigen Diskussionen zwischen den Parteien wurden religions- und rechtswissenschaftliche Gutachten erstellt, die diese Frage im Ergebnis bejahen. Die Unterlagen zur Entstehung des Vertrages lassen erkennen, dass die „Anerkennung“ als Religionsgemeinschaft im Vorhinein durch den Hamburger Senat nicht geplant war. In der Anerkennung dieser spezifischen verfassungsrechtlichen Rechtssubjektsqualität liegt dabei die primäre Wirkung der Vereinbarung.324 Dies liegt zum einen in der grundlegenden Bedeutung, die der Religionsgemeinschaft als „Schlüsselbegriff des deutschen Staatskirchenrechts“ zukommt und zum anderen in dem Umstand begründet, dass islamische Verbände bislang nicht in Wissenschaft und Rechtspraxis als Religionsgemeinschaft klassifiziert wurden. Dadurch, dass es keines konstitutiven Aktes zur Verleihung dieses Rechtsstatus bedarf, handelt es sich um eine Wirkung, die sich im Aushandlungsprozess selbst ergeben hat.

323

Ehlers, ZevKR 46 (2001), S. 286 (300). Zur öffentlichen Anerkennung durch Vertragsschluss im rechtswissenschaftlichen Kontext siehe auch Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (204 f.). 324

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

D. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis Eine rechtssystematische Einordnung der Vereinbarung ist nicht ohne weiteres möglich. Dies liegt zunächst an dem spezifischen Charakter des Vertragsstaatskirchenrechts als Rahmenrecht. Es hat sich historisch herausgebildet und unterliegt primär einer verfassungsgewohnheitsrechtlichen Prägung. Ein Blick auf die Geschichte des Vertragsstaatskirchenrechts legt dar, dass es sich nicht um ein starres System handelt, obwohl die christlichen Großkirchen (lange Zeit) die einzigen maßgeblichen Größen waren. Diese „Offenheit zur Wirklichkeit“ wirkt sich auf die rechtliche Systematisierung und Klassifizierung der Vereinbarung aus. Dadurch, dass im Grundgesetz keine begriffsbestimmende positiv-rechtliche Regelung zu den konkreten Merkmalen eines Staatskirchenvertrages vorhanden ist, sind zunächst die Wesensmerkmale eines „Staatskirchenvertrages“ auf der Grundlage des vorhandenen Vertragsbestandes, d. h. der Konkordate und Kirchenverträge, festzustellen. Erst dann kann eine rechtliche Zuordnung oder ggf. eine Negativabgrenzung unter Begründung einer adäquaten Vertragsform der Vereinbarung erfolgen. Konkordate sind rechtssystematisch auf Grund der beiderseitigen Völkerrechtssubjektivität der Kontrahierenden und des Rechtsregimes des Völkerrechts, dem der Vertrag unterstellt werden soll, als völkerrechtliche Verträge einzuordnen. Ihren Standort im innerstaatlichen Recht haben sie als Staatsverträge. Die Anwendbarkeit der Vertragsinhalte im innerstaatlichen Recht wird durch ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz gewährleistet, wobei praktisch nicht relevant ist, ob nach der Vollzugslehre das Vertragsgesetz die Anwendbarkeit des Vertragsinhalts im staatlichen Recht bewirkt oder im Sinne der Transformationslehre auf diesem Wege in staatliches Recht transformiert wird. Kirchenverträge sind rechtssystematisch den Staatsverträgen zuzuordnen. Der kirchliche Vertragspartner eines Kirchenvertrages muss über einen verfassungsunmittelbaren Rechtsstatus verfügen. Begründet wird die staatsvertragliche Rechtsnatur insbesondere durch die Verfassungsrechtlichkeit des Regelungsinhalts, der die finale und nähere Ausgestaltung der Rechte und Pflichten im System des Staatskirchenrechts zum Gegenstand hat. Der Vertragsinhalt erschöpft sich dabei nicht in einer bloßen Wiederholung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen. Erforderlich ist, dass ein parlamentarischer Zustimmungsakt in Gesetzesform ergeht. Dies erfordert zunächst demokratietheoretische Gesichtspunkte, da Regelungen zur Bindung der Exekutive für das institutionelle Verhältnis von Staat und Kirche im Kern wesentlich sind. Sie können nicht in einem zustimmungsfreien Verwaltungsabkommen ergehen. Zum selben Ergebnis führt die Heranziehung des institutionellen Gesetzesvorbehalts des Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG, wonach gesetzgebende Körperschaften an Entscheidungen, die für den Staatsaufbau und das staatliche Leben von besonderer Bedeutung sind, zu beteiligen sind. In der Frage, welche Entscheidungen von besonderer Bedeutung sind, gibt die Wesentlichkeits-

D. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis

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rechtsprechung weitere Kriterien an die Hand. Das Erfordernis des Ergehens eines Zustimmungsaktes in Gesetzesform ist auch im Wesen eines staatskirchenrechtlich umfassenden und auf Dauerhaftigkeit angelegten Staatskirchenvertrags angelegt, da es die Anwendbarkeit der Vertragsinhalte und regelmäßig eine höhere Bestandskraft und Bindungswirkung gewährleistet. Das förmliche Zustimmungsgesetz kommt damit in seiner Bedeutung einem Wesensmerkmal gleich. Inzwischen hat sich das Zustimmungsgesetz auch verfassungsgewohnheitsrechtlich verfestigt. Daraus folgt, dass die alleinige Verortung der Bedeutung des Regelungsinstituts des Staatskirchenvertrages auf der politisch-moralischen Ebene zu kurz greift. Auch wenn politische Erwägungen leitend in der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages sein können, dient er doch der institutionellen Umsetzung konkreter verfassungsrechtlicher Regelungen im demokratischen Verfassungsstaat. Demnach kann das Verhältnis zwischen Staatskirchenvertrag und parlamentarischem Zustimmungsgesetz näher als funktional-rechtliches Wechselverhältnis gefasst werden. Daraus ergibt sich: Staatskirchenverträge sind Verträge zwischen Land/Bund und einer zumindest als Religionsgemeinschaft verfassten religiösen Gemeinschaft, die das Verhältnis zwischen den Parteien (verfassungsrechtlich) inhaltlich umfassend und auf Dauer regeln und zu denen ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz ergangen ist. Derartige Verträge werden als Statusverträge bezeichnet. Die Vereinbarung ist einem allgemeinen Vertragsbegriff zufolge zunächst ein echter Vertrag, der in der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung wurzelt. Da die islamischen Verbände schon nicht über eine Völkerrechtssubjektivität verfügen, ist die Vereinbarung kein völkerrechtlicher Vertrag. Die islamischen Verbände erfüllen als Religionsgemeinschaft die institutionellorganisatorischen Voraussetzungen, die an einen Partner eines Staatsvertrages zu stellen wären. Weitere Anforderungen müssen nicht erfüllt werden. Im Rahmen einer Typologisierung der Vertragsinhalte weist die Vereinbarung Parallelen zu Kirchenverträgen auf. Entscheidend ist, dass in der Vereinbarung ein verfassungsrechtliches Regelungsverhältnis von institutioneller Bedeutsamkeit nicht begründet wird. Vielmehr wird der Vereinbarung ihr Gepräge durch die Wiederholung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten, die in Hinblick auf die islamischen Spezifika konkretisiert werden, verliehen. Die Bestimmungen, die das Grundverhältnis der Parteien zueinander in institutioneller Hinsicht ausformen könnten, sind regelmäßig als allgemeine Absichtserklärungen formuliert. Die Vereinbarung ist demnach kein Staatsvertrag und damit auch kein Staatskirchenvertrag im engeren Sinne. Die Ausklammerung des Feiertagsrechtes im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes war in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht „sauber“. Allerdings ist mit Blick darauf, dass sich keine verfassungsrechtlichen und das institutionelle Verhältnis zwischen den Vertragspartnern betreffenden Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung selbst ableiten lassen, das Fehlen einer parlamentarischen Zustimmung in Gesetzesform eher unschädlich.

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Teil 3: Die Rechtsqualität der Vereinbarung

Angesichts dessen, dass der Vereinbarung ihr Gepräge durch die Wiederholung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten verliehen wird, kann sie auch nicht als Verwaltungsvertrag eingeordnet werden. Da sich die Vereinbarung aber auch keiner anderen Normengruppe zuordnen lässt und in ihren Charakteristika einzigartig ist, ist sie als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis einzustufen. Sie entspringt dabei einem kooperationsrechtlichen Rechtsraum, der prägend für eine Neuausrichtung des öffentlichen Rechts im Allgemeinen und des Staatskirchenrechts im Besonderen ist. Der moderne und zeitgemäße Leitgedanke des „kooperativen Staats“ kommt auch in der Kooperationsfunktion der Vereinbarung zum Ausdruck, die dort eine tragende Rolle einnimmt. Charakteristisch ist, dass dieser Rechtsraum vor allem durch allgemeine Verfassungs- und Vertragsprinzipien näher bestimmt wird. Die Frage der Bindungswirkung und Bestandskraft eines Staatskirchenvertrages ist hochumstritten, womit auch ihr „tieferer Nutzen“ unterschiedlich beurteilt wird. Diese Diskussion kann auf die Vereinbarung als kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis nicht übertragen werden. Aber auch für die Vereinbarung gilt, dass der Inhalt in Zusammenschau mit dem festgestellten Maß an Verbindlichkeit Aufschluss über die Wirkung und demnach auch den Nutzen des Vertrages für die Parteien gibt. Da lediglich ein schlichter Parlamentsbeschluss erlassen wurde, nimmt die Vereinbarung den Rang von Vertragsrecht ein. Als rechtsgeschäftliche Vereinbarung entfaltet die Vereinbarung eine Bindungswirkung inter partes zwischen der Regierung und Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg sowie den islamischen Verbänden. Der überwiegende Anteil der Vertragsbestimmungen ist deklaratorischer Natur, aus den Art. 5, 10, 11, 13 Vereinbarung lassen sich allerdings konkrete Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ableiten. Mit Blick darauf, dass diese Ansprüche auch Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Durchführungsverordnung sein könnten, verschiebt sich der Fokus der Fragestellung dahingehend, ob eine Vertragskündigung als Ganzes aufgrund oder einzelner Bestimmungen ordentlich oder außerordentlich möglich ist. Bereits mit Blick auf die Freundschaftsklausel des Art. 14 Vereinbarung ist eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrages möglich. Da in der Vereinbarung eine ordentliche Kündigung vertraglich nicht vorgesehen ist, ist diese Art der Vertragsbeendigung nicht möglich. Die außerordentliche Kündigung als einseitiges Lösen vom Vertrag als Reaktion auf eine zum Zeitpunkt des Abschlusses unvorhergesehene Entwicklung kann nur bei einer Gefährdung oder bereits eingetretenen Verletzung des Gemeinwohls erfolgen. Dabei müssen diese die Interessen des religionsgemeinschaftlichen Partners überwiegen. Vorher sind umfassende Einigungsversuche anzustrengen. Dogmatisch lässt sich diese Lösung auf die clausula rebus sic stantibus, das ungeschriebene Prinzip des Vertrauensschutzes, zurückführen oder mittels der zum Schrankenvorbehalt in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV entwickelten Dogmatik begründen.

D. Die Vereinbarung als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis

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Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass eine Lösung von der Vereinbarung „schneller“ als von einem herkömmlichen Staatskirchenvertrag möglich wäre. Anders als bei herkömmlichen Staatskirchenverträgen besteht der „tiefere Sinn“ der Vereinbarung nicht in der Beständigkeit ihrer Abreden. Gegenüber dem Erlass eines einfachen Gesetzes bietet der Vertragsschluss aber zunächst den Vorteil, den nichtstaatlichen Vertragspartner binden zu können. Die islamischen Verbände wurden als vertragsfähige Ansprechpartner anerkannt. Insbesondere diese primäre Wirkung der Feststellung der Rechtssubjektsqualität war ungeplant, sie hat sich im Aushandlungsprozess ergeben. Dies und die rechtlichen Chancen, die sich aus der Vereinbarung ergeben, vor allem die Zielbestimmung der Qualifizierung als Körperschaft sui generis, sind der eigentliche rechtliche Nutzen der Vereinbarung.325 Es kann festgestellt werden, dass die vierte Generation des Vertragsstaatskirchenrechts noch nicht angebrochen ist. Die Wirkung der Vereinbarung ist jedoch, wie dargestellt, nicht zu unterschätzen: Mit dem Abschluss eines kooperationsrechtlichen Vertrages sui generis wurde die Generation 3, 5 eingeleitet.

325 Pabel spricht in Bezug auf die Verleihung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus von einem staatlichen „Gütesiegel“: Pabel, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 985 (1018).

Teil 4

Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss? Die Bedeutung der Rechtsstatusfeststellung „Religionsgemeinschaft“ Es hat sich gezeigt, dass der eigentliche rechtliche Nutzen der Vereinbarung in der Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft sowie in den rechtlichen Chancen, die sich aus der Vereinbarung und insbesondere der Erlangung der Korporationsqualität sui generis ableiten lassen, besteht. Die Feststellung der Religionsgemeinschaftseigenschaft des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ war mit erheblichen Kontroversen verbunden. Ein Verbandsvorsitzender erzählte im vertraulichen Gespräch, dass das Zustandekommen des Vertrages daran fast gescheitert wäre. Aber nicht nur in Hamburg wurde die Frage nach der Klassifizierung islamischer Verbände als Religionsgemeinschaft derart kontrovers diskutiert. Bereits seit den 1950er Jahren von islamischen Verbänden gestellte Anträge auf die Ausrichtung eines ordentlichen islamischen Religionsunterrichts waren regelmäßig erfolglos. Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Anstrengungen, die seit Jahrzehnten unternommen werden, stellt sich zunächst die Frage, welche rechtliche Bedeutung der Religionsgemeinschaftsstatus im Allgemeinen und für islamische Verbände im Besonderen hat. Dabei ist – entsprechend der in Hinblick auf Staatskirchenverträge bekannten rahmenrechtlichen Konzeption des Staatskirchenrechts – auch näher darauf einzugehen, wie der Religionsgemeinschaftsbegriff bislang bestimmt wurde. Denn auch hier bietet das Grundgesetz keine positiv-rechtlichen Anhaltspunkte. Maßgeblich war bislang eine auf den Weimarer Staatsrechtslehrer und Herausgeber des Kommentars zur Weimarer Reichsverfassung Gerhard Anschütz zurückgehende Begriffsbestimmung, die sich an den Strukturen der bestehenden Religionsgesellschaften orientierte. Doch wie kann dann eine strukturell-rechtliche Integration islamischer Verbände erfolgen, wie sie das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und das Paritätsgebot unter Erfüllung bestimmter Anforderungen aber erfordern könnte? In 2005 hat das BVerwG ein Grundsatzurteil1 erlassen, das eine Öffnung des Religionsgemeinschaftsbegriffes zumindest in der Theorie bewirkte. Im zweiten Leitsatz heißt es: Auch ein mehrstufiger Verband (Dachverbandsorganisation) kann eine Religionsgemeinschaft sein. Damit wich es von der Rechtsauffassung der Vorinstanz des OVG Münster ab, das in der Sache einen Anspruch des Zentralrats der 1

BVerwG, Urteil v. 23. 02. 2005 – BVerwG 6 C 2.04.

Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

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Muslime in Deutschland e. V. und des Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Einführung eines islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen verneint und die Berufung zurückgewiesen hatte.2 Das BVerwG jedoch hielt mit Beschluss in 2018 an seinen im Grundsatzurteil aufgestellten Kriterien fest, das OVG Münster habe „tragende rechtliche Erwägungen“ nicht hinreichend beachtet.3 Das nordrheinwestfälische Oberverwaltungsgericht muss demnach erneut prüfen, ob islamischen Verbände Religionsgemeinschaften sind und Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG ausrichten dürfen. Das Grundsatzurteil des BVerwG soll mit Blick auf die innerislamischen Kompatibilitätsprobleme mit rechtlichen Vorgaben nachvollzogen werden. Dabei soll überprüft werden, ob durch den Religionsgemeinschaftsbegriff auch das Staatskirchenrecht in Fluss geraten ist. Die folgende Untersuchung soll auch ermöglichen, die Begriffsbestimmung einer Religionsgemeinschaft unter Umständen definitorisch neu bzw. weiter zu fassen. Mit Blick auf die Vertragsschlusssituation in Hamburg soll, soweit wie möglich, überprüft werden, inwieweit der DITIB-Landesverband, die Schura und der VIKZ über die Religionsgemeinschaftseigenschaft verfügen und welche Anforderungen an den Kooperationspartner des Staates bei der Ausrichtung eines islamischen Religionsunterrichts entsprechend Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG zu stellen wären. Alle diese Entwicklungen, die auch den Hamburger Vertragsschluss im Grunde erst ermöglicht haben, sind die Folgen eines tiefgreifenden religionsstrukturellen Wandels in der Bundesrepublik Deutschland, der sich auch in der Rechtsprechung und in der Rechtswissenschaft abbildet. Letztere wird infolgedessen durch eine Grundsatzdiskussion gespalten, die unter der Überschrift „Staatskirchenrecht vs. Religionsverfassungsrecht“ firmiert. Beide Begrifflichkeiten beinhalten unterschiedliche dogmatische und staatstheoretische Konzepte zur Deutung der Gewährleistungen und Institutionen. Dies betrifft auch die Religionsgemeinschaft, deren Zweck und Stellung im inneren System der Verfassung nur nach einer kurzen Darstellung dieser Kontroverse nachvollzogen werden kann. Es gilt zudem, das Grundsatzurteil des BVerwG näher einzuordnen und zu überprüfen, ob die Rechtsfindung nicht unzulässigerweise rechtspolitisch motiviert gewesen sein könnte. Zuletzt sollen die Rechtsentwicklungen in die sogenannten „Phasen“ des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts eingeordnet werden.

2 3

OVG Münster, Urteil v. 08. 11. 2017 – 19 A 997/02. BVerwG, Beschluss v. 20. 12. 2018 – 6 B 94.18.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft I. Als staatskirchenrechtlicher Grundstatus von „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Relevanz“4 Der Begriff der Religionsgesellschaft findet sich in den 1949 in das Grundgesetz inkorporierten Art. 136 ff. WRV, auch bezeichnet als das Sonderrecht der Religionsgesellschaften.5 Der Begriffsgebrauch der Religionsgemeinschaft in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ist dabei nur einem neueren staatskirchenrechtlichen Verständnis in Abkehr von der Kollegialtheorie geschuldet, das die Eigenarten religiöser Gemeinschaften und damit das dem Selbstverständnis entsprechende Moment der transzendenten Sinnstiftung zu Grunde legt.6 Dabei gilt jedoch zu beachten, dass erst mit dem sich in der Weimarer Republik ereignenden „Wandel vom christlich-integrativen zum religionsneutralen Staat“7 die rechtlichen Rahmenbedingungen der heutigen Religionsgemeinschaft gelegt wurden, die maßgeblich auch die Interpretation und damit die rechtliche Bedeutung dieses Rechtsbegriffes (mit-)bestimmen. Auch wenn sich die begrifflichen Wurzeln der Religionsgesellschaft im Zeitalter der Aufklärung verorten lassen – als erstes Gesetzeswerk sah das Preußische Allgemeine Landrecht vom 01. Juni 1749 den Religionsgesellschaftsbegriff vor –, ist die rechtliche Bedeutung des heutigen Verfassungsbegriffes eine andere. Der Korporationsbegriff des ALR8, der auch auf der rechtlich niederrangigen Begrifflichkeit der Religionsge4

Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13. Zum Sonderrecht für Religionsgemeinschaften Magen, in: Heinig/Walter, Religionsverfassungsrechtliche Spannungsfelder, S. 98. 6 Unruh betont die Vorzugswürdigkeit des Begriffs der Religionsgemeinschaft auch heute, da in Hinblick auf die Rechtsformenwahl der Religionsgemeinschaftsbegriff, anders als der der Religionsgesellschaft, keine Adäquatheit einer gesellschaftsrechtlichen Rechtsform suggeriere. Die Begriffsgeschichte spricht für die heute allgemein vertretene Auffassung, Religionsgemeinschaft und Religionsgesellschaft deckungsgleich zu interpretieren, wobei der Religionsgemeinschaftsbegriff als moderne Form vorzugswürdig Verwendung finden sollte. Dazu Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 161; vgl. auch die h. M. in der Literatur: Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 190; zur Entstehungsgeschichte der WRV-Kirchenartikel siehe Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn 1 ff.; Pieroth/Görisch, JuS 2002, 937 f.; für die Rechtsprechung siehe z. B. BVerwGE 110, 326 (342). 7 Wilms, NJW 2003, S. 1083. 8 In einem gestuften System wurden im Preußischen Allgemeinen Landrecht (PrALR) die Rechtsstatus der „ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften“ (§ 17 II 11 PrALR), der anerkannten (konzessionierten) Religionsgesellschaften sowie der geduldeten (§ 20 II 11 ff. PrALR) und verbotenen Religionsgesellschaften normiert. Die Gewährleistung des § 10 des 11. Titels des II. Teils des PrALR, die nur die Ortsgemeinden, nicht aber die kirchlichen Organisationsformen auf Landesebene sowie die Bekenntnisgemeinschaften selbst erfasste, weist darauf hin, dass von der Formation der einzelnen Religionsgesellschaften durch natürliche Personen ausgegangen wurde. Eine Vergleichbarkeit mit der heutigen Religionsgemeinschaft besteht in der Hinsicht nicht, als dass eine Erstreckung der Begrifflichkeit auf kleinere Gemeinschaften, die neben den Großkirchen koexistierten, in der Regel nicht erfolgte. Die bekannte Randverfügung Friedrichs II., jeder solle „nach seiner Façon selig werden“, bezog sich nur auf die persönliche Religionsausübung und den familiären Bereich, für die Verhältnisbe5

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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sellschaft aufbaut, ist eine gesetzesbegriffliche Ableitung kirchlicher Verbandsorganisation, kleinere nichtchristliche religiöse Gemeinschaften konnten neben den christlichen Großkirchen nicht rechtlich koexistieren.9 Die Religionsgemeinschaft wird gemeinhin und auch religionsneutral als „Schlüsselbegriff“ des deutschen Staatskirchenrechts bezeichnet.10 Dies impliziert auch, dass diese Rechtsqualität der „Türöffner“ zu staatskirchenrechtlichen Rechten ist. Ihre Bedeutung erschließt sich mit Blick auf eben diese im verfassungsrechtlichen Gesamtsystem. Die verfassungsrechtliche Grundnorm von Religionsgemeinschaften im Grundgesetz ist Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, die für das staatskirchenrechtliche Gesamtsystem auch Regelungen betreffend die organisatorische Seite von Religion und damit zur Einordnung der Religionsgemeinschaft in das Verfassungsganze trifft und so „die Beziehungen zwischen überindividuellen Institutionen“ ausgestaltet.11 Diese Beziehung wird mit Art. 137 Abs. 1 WRV, der die staatskirchenrechtliche Grundentscheidung der Trennung von Staat und Kirche beinhaltet, „auf ein […] verfassungsrechtliches Fundament“ gestellt.12 Aus der Unzulässigkeit ihrer Verbindung folgt nicht, dass alle Berührungen unterbleiben müssten, normiert wird lediglich eine Abgrenzungsobliegenheit, die für eine freiheitliche Aufgabenwahrnehmung in bestimmten, sich möglicherweise überschneidenden Bereichen geboten ist.13 Nach Art. 137 Abs. 2 WRV kommt einer Religionsgemeinschaft die Freiheit stimmung Kirche-Staat galten diese Worte nicht. Rechtlich anerkannt waren nach dem PrALR als nichtchristliche Gemeinschaften die jüdischen Synagogengemeinden, für die besondere Regelungen galten. Dass zu dieser Zeit Muslime dauerhaft in Preußen lebten, muss mit dem Religionswissenschaftler Lemmen bezweifelt werden: Zwar werden erste Gemeindegründungen mit dem Jahr 1732 datiert, neueren Nachforschungen zufolge soll der Aufenthalt 22 türkischer Kriegsgefangener jedoch nur vorübergehend gewesen sein – der preußische König Friedrich Wilhelm I habe sie alsbald aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Dazu Lemmen, Muslime in Deutschland, S. 17 ff. 9 Die rechtliche Privilegierung der katholischen, lutherischen und reformatorischen Konfessionen als öffentliche Korporationen, die beispielsweise in dem besonderen Schutz ihrer Gebäude oder darin, Beamte zu haben, bestand, wurde mit der geschichtlichen Verbindung zwischen Staat und Großkirchen sowie der religiös-sittlichen Leitfunktion der Kirchen gerechtfertigt. Diese Abstufung kam mit der den Religionsgesellschaften zustehenden Rechten einher, so durften die Angehörigen der ersten Gruppe ihre Kirchengebäude „Kirche“ nennen, § 18 II 11 PrALR und religiöse Feierlichkeiten auch außerhalb ihrer Räumlichkeit begehen, vgl. § 19 II 11 PrALR. Die Zugehörigkeit zur zweiten Gruppe wurde durch die Verleihung solcher Rechte durch Rechtsakt begründet. Den geduldeten Religionsgesellschaften war lediglich die private Religionsausübung gestattet, vgl. dazu auch Kirchhof, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 651 (659 f.); Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, S. 146 ff.; Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 1003. 10 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 99 m. w. N. 11 Korioth, in: Maunz/Dürig, GG Art. 140 Rn. 14. 12 Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 2. 13 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Rn. 266; Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 7.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

zur Vereinigung und zum Zusammenschluss zu, verfassungsrechtlich garantiert werden ihr auch die Bildung und der Bestand als Religionsgemeinschaft.14 Dies gilt auch für mehrere Teilorganisationen, die zusammen als eine solche gewertet werden können.15 Die grundlegende Bedeutung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechtes im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV, das auch als „eines der Fundamente der rechtlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften“16 bezeichnet wird, liegt in der „Freiheit […] vor staatlicher Bevormundung, Aufsicht und Einschränkung“.17 Die freiheitsrechtliche Bedeutsamkeit dieses Rechtes zeigt sich darin, dass es regelmäßiger und typischer Gegenstand von zwischen einer staatlichen Ebene und zunächst vor allem den mit den christlichen Großkirchen geschlossenen Staatskirchenverträgen war. Mit „der Ordnung der eigenen Angelegenheiten“ wird die Rechtsetzung der Religionsgemeinschaft ohne jegliche staatliche Einflussnahme vorbehalten.18 Das Recht „der selbständigen Verwaltung“ ist weit auszulegen, es gewährleistet den religionsgemeinschaftlichen Organen, ihre jeweiligen Aufgaben unter Einschluss des Verfahrensrechts freiheitlich zu verwirklichen.19 Dazu zählt auch die freie Ämterbesetzung.20 Als Maßstab für die Festlegung des Umfanges des Kreises der eigenen Angelegenheiten wird heute überwiegend auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften abgestellt,21 das gerichtlich auf seine Plausibilität überprüft werden kann.22 Gemeinhin wird dazu der Bereich der Lehre und des Kultus gezählt, geschützt ist etwa die Ausgestaltung des Gottesdienstes sowie die Sakramentsverwaltung. Weitere anerkannte geschützte Bereiche sind die Verfassung und die Organisation der Religionsgemeinschaft, worunter auch ihr institutioneller Aufbau fällt. Weiterhin geschützt sind auch die Bestimmung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten sowie die Bereiche der Vermögensverwaltung, der Unterhaltung eines Friedhofswesens sowie der Durchführung karitativer bzw. diakonischer Tätigkeit.23 Aus dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht kann zudem eine 14 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 279. 15 BVerfGE 83, 341 ff. 16 Hesse, Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 521; siehe auch Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. 17 Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 44. 18 Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 26. 19 Vgl. dazu Hesse, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 521 (537 ff.). 20 Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band III, 7. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 26. 21 Zu den verschiedenen Auffassungen vgl. Hesse, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 521 (538); Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 108 f. 22 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 108 f.; siehe dazu auch diese Arbeit Teil 4 A. II. 23 Zu den einzelnen Bereichen Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Rn. 22; Korioth, in: Maunz-Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Rn. 30 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 106.

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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einfachgesetzliche Privilegierung der Religionsgemeinschaften folgen. Dies zeigt sich anhand von arbeitsrechtlichen Bestimmungen, bei deren Interpretation das religionsgemeinschaftliche Selbstverständnis eine Berücksichtigung von besonderem Gewicht finden soll.24 Das kollektive Arbeitsrecht findet zu einem großen Teil auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen keine Anwendung, § 118 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz. Bieten Religionsgemeinschaften durch ihre Verfassung und die Zahl der Mitglieder die Gewähr der Dauer, so kann ihnen auf Antrag der staatskirchenrechtliche Körperschaftsstatus verliehen werden, vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV. Dieser Status bringt für die korporierte Religionsgemeinschaft einen zusätzlichen und nicht unerheblichen Zuwachs an Rechten und Pflichten mit sich, worunter die Dienstherrenfähigkeit, die Organisationsgewalt, das Parochialrecht, die Widmungsbefugnis, das Besteuerungsrecht sowie das einfachgesetzliche Rechtspositionen erfassende „Privilegienbündel“ zu zählen sind.25 Den Status einer Körperschaft sui generis zu erlangen stellt für Religionsgemeinschaften eine Option dar. Durch die Rückgriffsmöglichkeit auf vereins- oder gesellschaftsrechtliche Rechtsformen kann sich eine Religionsgemeinschaft auch ausschließlich privatrechtlich organisieren, vgl. dazu Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 4 WRV, der einen Anspruch auf Eintragung in das Vereinsregister vermittelt.26 Bis eine Gemeinschaft sich als idealrechtlicher Verein im Sinne des § 21 BGB eintragen lässt, ist sie als nicht-rechtsfähiger Verein im Sinne des § 54 BGB verfasst und partiell rechtsfähig.27 Aus der Zusammenschau der Absätze 1 und 3 mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des sich daraus ergebenden Normentrias folgt, dass der Schutz von privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften nicht niedriger anzusetzen ist.28 Wie zuvor dargelegt, muss eine religiöse Gemeinschaft zumindest als Religionsgemeinschaft verfasst sein, um einen Staatskirchenvertrag schließen zu können.29 Mit der Kirchengutsgarantie des Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV wird das Vermögen und damit alle einer religiösen Zweckbestimmung dienenden vermögenswerten Güter einer Religionsgemeinschaft geschützt.30 Für außerordentliche Feiertage gilt, dass in Bezug auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, der den Sonnund Feiertagsschutz gewährleistet, allgemein anerkannt wird, dass auch die Feiertage nichtchristlicher Religionsgemeinschaften von der Schutzwirkung dieser Norm erfasst werden können. Erforderlich dafür ist ein konstitutiver Anerkennungsakt, auf 24 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Rn. 26. 25 Zu den einzelnen Korporationsrechten Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 188 ff. 26 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 169 f.; Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13. 27 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 169 f. 28 Mückl, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 711 (763). 29 Siehe dazu diese Arbeit Teil 3 C. III. 1. b) aa) (2). 30 Korioth, in: Maunz-Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 WRV Rn. 16.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

den jedoch kein subjektiver Anspruch der betreffenden Religionsgemeinschaft besteht.31 Für das Wirken von Religionsgemeinschaften im sozialen Bereich ist die Gewährleistung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV bedeutsam, die ihnen ein subjektives Recht auf Anstaltsseelsorge vermittelt. Eingeschlossen ist das Recht, diese zu betreten und religiöse Handlungen in Heer, Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Anstalten vorzunehmen.32 Neben den aus den inkorporierten Gewährleistungen der WRV hervorgehenden Rechten ist vor allem der die Einrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen betreffende Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG von grundlegender Bedeutsamkeit für Religionsgemeinschaften. Wesentlich ist, dass unabhängig von der Beurteilung seines dogmatischen Status als einer institutionellen Gewährleistung oder eines subjektiven Rechts der Eltern bzw. Schüler bzw. Religionsgemeinschaften,33 nur die Religionsgemeinschaften Religionsunterricht in „konfessioneller Positivität und Gebundenheit“34 erteilen können. Dies ergibt sich aus der „Konzeption des Religionsunterrichts im Spannungsfeld zum Prinzip staatlicher Neutralität“35. Während der Staat die personellen und sachlichen Kosten zu tragen hat und ihm so die Wahrnehmung einer „Intendanturfunktion“ verbleibt, bestimmt die Religionsgemeinschaft als sein Kooperationspartner die zu lehrenden Inhalte. Die Hoheitsgewalt aber verbleibt dabei stets allein beim Staat, der Religionsgemeinschaft kommt die bedeutsame Funktion eines Kooperationspartners zu.36 Daneben kommt eine Religionsgemeinschaft auch in den Genuss einfachgesetzlicher Privilegien. Sie bekleidet im Kündigungsschutzrecht und in den staatlichen Mitbestimmungsordnungen eine Sonderstellung. Desweiteren können Religionsgemeinschaften bei der Schlachtung eines warmblütigen Tieres eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung erlangen, § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz.37 Dies gilt vor allem für jüdische oder islamische Gemeinschaften, denn ihre Voraussetzung für Fleischverzehr ist, dass das Tier im Judentum koscher und „im Islam“ halal ist. Allgemeine steuerrechtliche Begünstigungen von Religionsgemeinschaften sind zwar nicht der Regelfall, nach §§ 52, 53 Abgabenordnung können sie jedoch bei der 31

Korioth, in: Maunz-Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV Rn. 52. Korioth, in: Maunz-Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV Rn. 5, 8. 33 Zu der Frage, ob die Gewährleistung des Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG lediglich als institutionelle Einrichtungsgarantie verstanden werden kann oder ein subjektives Recht verleiht, vgl. z. B. Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I, 7. Aufl. 2018, Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG Rn. 119, 123 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 256. 34 Diese Formel wurde schon zu der Vorgängerbestimmung der WRV, Art. 149, geprägt, vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 256. 35 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 99. 36 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 252. 37 Vgl. dazu auch BVerfGE 104, 337 (353 f.). 32

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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Wahrnehmung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke begünstigt werden und damit eine Steuerbefreiung in Hinblick auf die Körperschaftssteuer, die Vermögenssteuer, die Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Gewerbesteuer, die Grundsteuer und die Abgaben nach dem Gesetz über den Lastenausgleich erhalten.38 Durch § 52 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung ist mit der Förderung der Allgemeinheit auch die der Religion geschützt. Die Bestimmung des § 51 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung erkennt mit der Förderung der Religion ausdrücklich auch diejenige der Allgemeinheit im Sinne der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit an. Zusätzlich zum kirchlichen Spendenzweck wird auch der religiöse Zweck begünstigt, § 10 b Abs. 1 S. 1 Einkommenssteuergesetz und § 9 Nr. 3 S. 1 Körperschaftssteuergesetz. Aus der „besonderen Funktion in ihrer Eigenschaft als Organisation“39 des Verfassungslebens im Zusammenspiel mit den ihr spezifisch zukommenden Rechten und Pflichten folgt, dass es sich bereits bei der Religionsgemeinschaft und nicht erst bei der staatskirchenrechtlichen Körperschaft um einen Status von „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Relevanz“40 handelt.41 Die Religionsgemeinschaft als religiös und rechtlich organisierte Gemeinschaft im verfassungsrechtlichen Bezugssystem, das ihr Rechte und Pflichten auferlegt und mit dem sie angesichts dessen Ausfüllungsbedürftigkeit in einem Verhältnis der Wechselwirkung steht, rechtfertigt, in ihr einen eigenen Rechtsstatus zu erblicken. Dem steht nicht entgegen, dass es sich, anders als bei der staatskirchenrechtlichen Körperschaft nicht um einen formalen Rechtsstatus handelt; vielmehr ist dieser allgemeiner Natur. Er ergibt sich aus dem Zusammenspiel ihrer organisatorischen Funktionalität und den sich aus den einzelnen Normen ergebenden Rechtswirkungen.42 Erst als Religionsgemeinschaften verfasste religiöse Gemeinschaften – und nicht schon religiöse Vereine – können sich Zugang zu den spezifischen religionsrechtlichen Gewährleistungen des Staatskirchenrechts verschaffen.43

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Hammer, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 1065 (1084). Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13, der sich auch auf Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 133 (137 ff.) beruft. 40 Siehe ebenda. 41 Zum Religionsgemeinschaftsstatus und seiner Bedeutung vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 119; Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 190 ff.; Heinig, in: Heun/Honecker/Morlok/Wieland, EvStL., Stichwort „Vertragsstaatskirchenrecht“, S. 2012 ff.; ders., Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 65 ff.; Mückl, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 711 (765); Jurina, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 689 ff.; Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 98 ff. 42 Siehe zu dieser Differenzierung auch Towfigh, der in der Religionsgemeinschaft die Verdichtung der Rechtswirkungen und einen „allgemeinen Rechtsstatus“ sieht: Towfigh, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 1019 (1021). 43 Jurina, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 689 (696). 39

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Vor diesem Hintergrund erschließt sich, warum die Religionsgemeinschaft als „Schlüsselbegriff“44 des deutschen Staatskirchenrechts bezeichnet wird. Trotz dieser grundlegenden Bedeutung fristete der Religionsgemeinschaftsstatus wissenschaftlich lange Zeit eher ein Randdasein, anders als der staatskirchenrechtliche Körperschaftsstatus. Dass die Religionsgemeinschaftseigenschaft überwiegend in einem funktionalen Zusammenhang als der in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV formulierten Verleihungsvoraussetzung thematisiert wurde, ist wohl darauf zurückzuführen, dass es sich dabei um eine rechtliche Selbstverständlichkeit auf dem Weg zur Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus handelte. Ein neues (Problem-)Bewusstsein, das der Bedeutung der verfassungsrechtlichen45 Religionsgemeinschaft als staatskirchenrechtlichem Grundstatus gerecht wird,46 bildete sich erst in den letzten Jahren mit dem verstärkten Wirken vor allem islamischer Verbände in der Öffentlichkeit heraus. Diese neue Anerkennung wurzelt insbesondere in dem Umstand, dass die Einstufung einer religiösen Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft (nunmehr) keine rechtliche Selbstverständlichkeit ist, für das religiöse Wirken einer Gemeinschaft im Bereich des institutionellen Staatskirchenrecht stellt sie aber eine Notwendigkeit dar. Auch die Rolle der Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Prozess ist nicht zu unterschätzen: Nimmt sie die verfassungsrechtlich offerierten Rechte wahr, ist die Religionsgemeinschaft an der Erfüllung „öffentlicher Aufgaben“ beteiligt, ihr kommt ein gesamtgesellschaftlicher Öffentlichkeitsauftrag zu.47 Auch für nichtchristliche Religionsgemeinschaften gilt die Annahme Links, dass diese „teil [haben] an der gelebten Verfassung als ,öffentlichem Prozeß‘“48.

II. Begriffsbestimmung und Prüfungshoheit Weder im Grundgesetz noch im einfachen Recht werden nähere Aussagen zur Definition von Religion bzw. hinsichtlich der an einen religionsgemeinschaftlichen 44

Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 99 m. w. N. 45 Der Terminus der Religionsgemeinschaft wird auch im einfachen Recht gebraucht, so in § 4 Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz. Die Auslegung des BVerfG im sog. Schächturteil, worin das Gericht darauf hinwies, dass eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Tierschutzgesetzes nicht mit der des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG gleichzusetzen sei, ist jedoch mit Pieroth und Dietrich als eine verfassungskonforme Auslegung der Begrifflichkeit einzustufen, vgl. dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 192 m. w. N.; siehe weiterhin BVerfGE 104, 337 (353 f.); 112, 227 (234 f.). 46 Siehe dazu vor allem Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 190 ff.; Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 98 ff. 47 Stern, Staatsrecht, S. 1007. 48 Link/Gampl, Deutsches und österreichisches Staatskirchenrecht in der Diskussion, S. 51 m. w. N.

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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Zusammenschuss zu stellenden Anforderungen getroffen. Dies ist damit zu erklären, dass dem Staat eine entsprechende Definitions- bzw. Ordnungskompetenz des religiösen Bereichs angesichts seines religiös-neutralen Charakters und der verfassungsrechtlich normierten Erfordernisse der Trennung von Staat und Religion sowie der Anerkennung der Grundrechte verwehrt ist.49 Der Religionsgemeinschaftsbegriff, dem damit naturgemäß „etwas Torsohaftes anhaftet“,50 entspringt einer Rahmenordnung, deren Charakteristikum ihre „besondere Offenheit zur Wirklichkeit“51 ist. Eine abschließende und konkrete inhaltliche Definition dieses auch so bezeichneten Mantel- oder Rahmenbegriffes52 kann es demnach nicht geben. Der Charakter der Religionsgemeinschaft als „ausfüllungsbedürftiger Rahmenbegriff“ führt die konfessionelle Offenheit des Grundgesetzes in organisatorischer Hinsicht fort, so wie sie auch durch das Auswechseln der Begrifflichkeit der Kirchen durch den der Religionsgemeinschaft durch den Allgemeinen Redaktionsausschuss zum Ausdruck gebracht wurde.53 Dieser Umstand betont abermals, dass nicht nur die christlichen Kirchen als Religionsgemeinschaft verfasst sind, sondern auch die Andersartigkeit nichtchristlicher Zusammenschlüsse innerhalb gewisser Grenzen anzuerkennen ist.54 Die Interpretation von Rechtsbegriffen stellt einen längerfristigen Prozess dar, an dem in der Regel mehrere Akteure beteiligt sind. Die Annahme, dass der Rechtswissenschaft die Aufgabe55 zukomme „juristische Entscheidungen in der Praxis vorzubereiten“,56 gilt auch für den Rahmenbegriff der Religionsgemeinschaft. Da es für den Religionsgemeinschaftsstatus, anders als für die Verleihung des Körperschaftsstatus sui generis, kein förmliches Anerkennungsverfahren gibt, obliegt der jeweiligen Schulbehörde und im Streitfall dem zuständigen Gericht die definitorische Letzt49

Zum Religionsgemeinschaftsbegriff in diesem Kontext vgl. v. Campenhausen, in: Listl/ Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 47 (49); Heckel, JZ 1999, S. 741 (752); Towfigh, in: Pirson/ Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 1019 (1031). 50 v. Campenhausen, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 47 (49). 51 Siehe ebenda. 52 Siehe ebenda; Heckel, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 598 (606) m. w. N.; Kästner, in: BK-GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV Rn. 281; Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13 (14). 53 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 196. 54 Im Kern betrifft dies die Frage danach, wie weit der Religionsgemeinschaftsbegriff einer Auslegung zugeführt werden kann und damit insbesondere die Frage nach der Berücksichtigung des religiösen Selbstbestimmungsrechtes, siehe dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 196 ff. 55 Inwiefern sich die Aufgabe der Rechtswissenschaft darin erschöpft, wird unterschiedlich beurteilt. Kriele verfolgt eine umfassendere Ansicht, wonach der Rechtswissenschaft auch die Funktionen zukomme, „den Rechtsstoff in didaktischem Interesse zu systematisieren und der Gesetzgebung rechts- und verfassungspolitische Erwägungen an die Hand zu geben“, Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 39 Fn. 37. 56 Coing schrieb der Rechtswissenschaft die ausschließliche Rolle der Vorbereitung der juristischen Entscheidungsfindung in der Praxis zu, vgl. Coing, Die juristische Auslegungsmethode und die Lehren der allgemeinen Hermeneutik, S. 23.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

kompetenz und damit die Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Bekenntnis als Religion und eine religiöse Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft zu klassifizieren ist. Die besondere rechtstechnische Konzeption der Religionsgemeinschaft ist von Auswirkung in der behördlichen bzw. gerichtlichen Überprüfung sowie in dem Vorgang der näheren Begriffsprägung. 1. Deskriptive Begriffsbestimmung nach Gerhard Anschütz Seit nahezu 100 Jahren wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Begriffsbestimmung einer Religionsgemeinschaft rezipiert,57 die auf den Weimarer Staatsrechtler Gerhard Anschütz und die 14. Auflage seines Kommentars zur Weimarer Reichsverfassung zurückgeht. Nach Anschütz ist eine Religionsgemeinschaft ein „die Angehörigen eines und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse […] – für ein Gebiet (ein Land, Teile eines Landes, mehrere Länder, Reichsgebiet) zusammenfassender Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben“58. Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung werden im Schrifttum regelmäßig die drei Merkmale des „(personellen) Zusammenschlusses“, ein dem zu Grunde liegender „religiöser Konsens“ sowie eine auf dessen Verwirklichung zielende „umfassende Bezeugung“ abgeleitet.59 Diese herkömmliche Rezeption des Religionsgemeinschaftsbegriffes hat sich in fast einhundert Jahren seit Herausgabe der letzten Auflage des Anschützschen Kommentars nahezu nicht gewandelt.60 Zunächst anhand der bestehenden Religionsgesellschaften entwickelt,61 wurde bereits die damalige Interpretation des Religionsgemeinschaftsbegriffes durch Wissenschaftler einem Änderungs- und Anpassungsprozess an religiöse Gegebenheiten unterzogen.62 Der ursprüngliche Passus von 1921 wurde in der zehnten Auflage unter Verweis auf die unierten evangelischen Landeskirchen dahingehend konkretisiert, dass auch die 57 Siehe dazu beispielsweise Heckel, JZ 1999, S. 741 (752); Hillgruber, DVBl. 1999, S. 1155 (1176); Muckel, JZ 2001, S. 58 (60); Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 f.; Tillmanns, RdJB 1999, S. 471 (476). Für die Rechtsprechung vgl. u. a. OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 492 (493); VGH Kassel, Urteil v. 14. 09. 2005 – 7 UE 2223/04, Rn. 52 (juris). 58 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 137 S. 633; siehe dazu auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 190 f. 59 Siehe dazu Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (938). 60 Teilweise wird eine leicht modifizierte Fassung allein aus dem Grund verwendet, dass sie gekürzt leichter praktikabel ist. Danach handelt es sich etwa bei einer Religionsgemeinschaft „um einen auf einem religiösen Konsens beruhenden Zusammenschluss von Personen zur umfassenden, gemeinschaftlichen Bezeugung (Verwirklichung) des religiösen Konsens“. Regelmäßig wird allerdings direkt auf Anschütz rekurriert. Siehe zu einer solchen gekürzten Fassung z. B. Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13 (14 f.). 61 Dazu näher unter Darlegung weiterer Beispiele Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 196 f. 62 Dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 196 ff.

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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Angehörigen „mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse“ eine Religionsgemeinschaft zu bilden vermögen.63 In dieser Neufassung äußert sich der objektsbezogene Charakter der Begriffsbestimmung deutlich, wodurch eine unmittelbare Bezugnahme auf die (damals nahezu ausschließlich) christliche Wirklichkeit in diesem definitorischen Veränderungsprozess zu Tage tritt.64 Daraus ergibt sich, dass die Begriffsbestimmung in erster Linie keinen definitorischen Charakter hat,65 sondern vielmehr deskriptiver Natur ist.66 Dass diese Begrifflichkeit ihre „Dynamik“ auch nach Einbettung in das Grundgesetz nicht verloren hat, zeigen aktuelle Rechtsentwicklungen um die Klassifizierung islamischer Verbände als Religionsgemeinschaft im Sinne eines im gegebenen Sachzusammenhang darzulegenden Rechtsprechungswandels. 2. Der Maßstab der „Plausibilitätskontrolle“ Da es im deutschen Recht das Institut einer formellen Anerkennung einer religiösen Gruppierung als Religionsgemeinschaft nicht gibt,67 besteht gewissermaßen ein Definitionsmonopol der betreffenden Gemeinschaft im Moment der Gründung für jedermann.68 Sobald sich die betreffende Gemeinschaft auf eine institutionelle Förderung beruft und im häufigen Fall die Ausrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG anstrebt, wird das Bestehen dieser Rechtseigenschaft durch die zuständige (Schul-)Behörde „nachvollzogen“. Dabei verwehren vor allem das Neutralitätsgebot und der weite Schutzbereich der Religionsfreiheit auf eine materielle Definition von Religion oder Religionsgemeinschaft zu rekurrieren69 oder die Strukturen oder Glaubensinhalte, etwa der christlichen Großkirchen, als Maßstab heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Art des rechtlichen Überprüfungsmaßstabs bzw. des Umfangs der Definitionskompetenz der staatlichen Rechtsanwendungsinstanzen.70 Weiterhin korrespondiert damit die Frage, in wel63 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 197, zit. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 10. Aufl., S. 548. 64 Dies. 65 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 197. 66 Dies. 67 Hofmann, ZG 2009, S. 201 (212). 68 Siehe ebenda. 69 BVerfGE 12, 1 (4) (Schutz der Glaubensbetätigung der „Kulturvölker“); anders BVerfGE 41, 29 (50) („der ,ethische Standard‘ des Grundgesetzes ist vielmehr die Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen angesichts eines Menschenbildes, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt ist“); siehe auch Hofmann, ZG 2009, S. 201 (212 ff.). 70 Zu dieser Frage ausführlich siehe Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 193; Kästner, AöR 123 (1998), S. 408 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 66 ff.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

chem Umfang das religiöse Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft zu berücksichtigen bzw. wie die einzelnen Begriffsmerkmale näher zu bestimmen sind. Insbesondere ist klärungsbedürftig, ob der Begriff der Religion restriktiv oder extensiv auszulegen ist,71 wobei letztere Diskussion sich auch auf den Religionsgemeinschaftsbegriff übertragen lässt. Hier spielen strukturelle Erwägungen vor allem in der Hinsicht eine Rolle, als dass diese hoch („verabsolutierend“) oder niedrig im Sinne des Aufstellens von Mindestanforderungen angesetzt werden können. Eine Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses kann zu einer „weiten“ bzw. in Hinblick auf die jeweilige Gemeinschaft „wohlwollenden“ Auslegung der einzelnen Merkmale führen. Bei der Bestimmung der Definitionskompetenz des Staates in puncto Religion werden zwei Standpunkte eingenommen:72 Während eine Seite auf das religiöse Selbstverständnis abstellt,73 fordert eine andere die ergänzende Heranziehung objektiver und justitiabler Maßstäbe.74 Die alleinige Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses wird vor allem mit dem religiös und weltanschaulich neutralen Charakter des Staates erklärt, woraus das Verbot der Bewertung bestimmter Bekenntnisse folge.75 Dazu wurde zudem regelmäßig auf das Lumpensammler-Urteil des BVerfG von 1968 verwiesen, wonach bei der Würdigung von Religion und Weltanschauung das Selbstverständnis der betreffenden Gemeinschaften „nicht außer Betracht bleiben“ dürfe.76 Führt man sich dieses Urteil genauer vor Augen,77 sah das Gericht eine Verletzung der „nach dem Grundgesetz gewährte[n] Eigenständigkeit und ihre[r] Selbständigkeit“ dann als gegeben an, wenn der religiös-neutrale Staat „bei der Auslegung der sich aus einem bestimmten Bekenntnis oder einer Weltanschauung ergebenden Religionsausübung“ das Selbstverständnis nicht berücksichtigte.78 Eine weitere Berücksichtigung objektiver und damit nachprüfbarer Kriterien wird damit auch durch das Lumpensammler-Urteil nicht ausgeschlossen. Das BVerfG selbst entzieht mit seinem Bahá’í-Urteil von 1991 einer exklusiven Heranziehung des religiösen Selbst71

Näher dazu Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 96 f. Allgemein dazu Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 69 f. 73 Zur wissenschaftlichen Diskussion nach der Berücksichtigung des religiösen oder weltanschaulichen Selbstverständnisses bei der Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 4 GG, die dann auch Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung fand, vgl. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, S. 251 ff.; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften und seine Bedeutung für die Auslegung staatlichen Rechts, S. 259 ff.; Kästner, AöR 123 (1998), S. 408 ff. 74 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 56; Listl, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 439 (449). 75 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 103. 76 BVerfGE 24, 236 (247). 77 So auch Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 67. 78 BVerfGE 24, 236 (248) m. w. N. 72

A. Der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft

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verständnisses den Boden,79 da es merklich auch objektive Merkmale zur Überprüfung heranzieht.80 Darin heißt es: „Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, können für diese und ihre Mitglieder die Berufung auf die Freiheitsgewährleistung des Art. 4 Abs.1 und 2 GG nicht rechtfertigen, vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt – als Anwendung einer Regelung der staatlichen Rechtsordnung – den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten.“81 Das Bestehen einer freien gerichtlichen Bestimmungsmacht verneinte das BVerfG, indem es forderte, dass diese den Sinn und Zweck von Religion – oder der Religionsgemeinschaft – zu Grunde zu legen hätte.82 Die aus diesen vielschichtigen Rechtsfragen erwachsende Schwierigkeit, den Rahmenbegriff Religion abschließend zu definieren, zeigt sich darin, dass es noch immer keine konkrete höchstrichterliche Definition gibt.83 Während das BVerfG den Religionsbegriff bislang84 sehr vage fasste,85 definierte das BVerwG diesen unter Verwendung subjektiver sowie objektiver Momente. Demnach ist unter Religion „eine mit der Person des Menschen verbundene Gewißheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen; dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende (transzendente) Wirklichkeit zugrunde“86. Regelmäßig wird eine hinreichende Konsistenz, Geschlossenheit und Breite des Bekenntnisses gefordert.87 In der Bahá’í–Entscheidung konkretisierte das BVerfG, dass es im Einzelnen dann keiner Prüfung bedürfe, wenn eine Vereinigung offenkundig „nach aktueller Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und allgemeinem wie auch religionswissenschaftlichem Verständnis“ den Religionsgemeinschaften zugeordnet werden kann.88 79

Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 67. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 56; Listl, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 439, 449. 81 BVerfGE 83, 341 (353); sich dem anschließend BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2102). 82 Siehe ebenda. 83 Kästner, AöR 123 (1998), S. 408 (414); Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 102. 84 Vgl. dazu z. B. BVerfGE 24, 236 (246 f.); 35, 366 (376); 83, 341 ff. 85 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 102. 86 BVerwGE 89, 368 (371); 90, 112 (115). 87 BVerwGE 89, S. 368 (371). Auf der Grundlage dieser Kriterien kann zudem die Abgrenzung zur Weltanschauungsgemeinschaft erfolgen, die jedoch angesichts der rechtlichen Gleichstellung zur Religionsgemeinschaft nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV jedoch einer praktischen Relevanz entbehrt, siehe dazu Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 102. 88 BVerfGE 83, 341 (353); BVerwGE 99, 1 (4). 80

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Für die Heranziehung objektiver und nachprüfbarer Kriterien, wie sie durch diese Rechtsprechung aufgestellt wurden, spricht zunächst die in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV angelegte Trennung von Staat und Religion.89 Nur dann kann eine solche Trennung auch aufrechterhalten werden, wenn der Staat auch auf das Vorliegen bestimmter Rechtseigenschaften hin prüfen kann. Ein alleiniges Abstellen auf das religiöse Selbstverständnis der betreffenden Gemeinschaft würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen,90 da eine bloße Behauptung schon zu bestimmten grundgesetzlichen Ansprüchen, wie der Erteilung von bekenntnisorientiertem Religionsunterricht, führen würde. Gerade wenn eine religiöse Gemeinschaft in ein Kooperationsverhältnis zum Staat tritt, ist das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die eine Zusammenarbeit gewährleisten, unabdingbar. Eine alleinige Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses ließe insbesondere die Schutzbereichskonturen der Religionsfreiheit verwässern.91 Desweiteren würde eine Anschlussmöglichkeit an die allgemeine Grundrechtsdogmatik verfehlt, auch andere Schutzbereichseröffnungen werden auf der Grundlage objektiver Kriterien überprüft.92 Es bleibt festzuhalten, dass die staatlichen Rechtsanwendungsinstanzen nicht dazu angehalten sind, zu akzeptieren, dass sich eine Religionsgemeinschaft beliebig definiert.93 Der betreffenden Religionsgemeinschaft obliegt eine Darlegungs- und Plausibilisierungspflicht, das subjektive Element verdichtet sich damit zum Kriterium des „plausibilisierenden Selbstverständnisses“.94 Auf dieser Grundlage obliegt den Gerichten hinsichtlich der Frage, ob eine Religion oder eine Religionsgemeinschaft im Rechtssinne vorliegt, die letztverbindliche Bestimmung.

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft Seit den 1950er Jahren stellen zumeist als Dach- oder Spitzenverbände verfasste islamische Gemeinschaften Anträge, als Körperschaft sui generis anerkannt zu werden oder als Religionsgemeinschaft islamischen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG erteilen zu können. Viele dieser Anträge ruhen noch oder 89 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 193; auch BVerwG, NJW 2005, 2101 (2102). 90 So auch Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 68. 91 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 68. 92 Siehe ebenda. 93 Hofmann, ZG 2009, S. 201 (212 f.). 94 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 69 m. w. N.; dazu auch Kästner, in: Kahl/Waldhoff/ Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 50.

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft

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werden bearbeitet,95 in anderen Fällen wurden sie abschlägig beschieden.96 Wie eingangs kurz thematisiert, verneinte zuletzt das OVG Münster nach einem nahezu 20-jährigen Rechtsstreit das Bestehen eines Anspruchs des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V. und des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland e. V. gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Einführung eines islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen.97 Worum geht es islamischen Gemeinschaften also primär bei diesen nicht unerheblichen Anerkennungsbemühungen, insbesondere mit Blick auf die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft? In rechtlicher Hinsicht steht die Einführung eines ordentlichen islamischen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Abs. 2 GG und eine Ausbildung entsprechender Lehrkräfte an deutschen Hochschulen im Vordergrund. Weiterhin wird der Aufbau einer religiösen Infrastruktur verfolgt, wodurch „seelsorgerische“ Angebote bereitgestellt werden sollen.98 Neben der Ableitung konkreter Rechte und Pflichten geht es islamischen Gemeinschaften auch darum, eine ihrem Selbstverständnis entsprechende gesellschaftliche Position einzunehmen. Dahinter steht nach dem Gutachten „Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland“ das Streben „nach gesellschaftlicher Wertschätzung, nach Gleichstellung mit den etablierten Religionsgemeinschaften, insbesondere mit den christlichen Kirchen, sowie nach dem Bekenntnis zu Zugehörigkeit und dauerhafter Präsenz von Muslimen in Deutschland“.99 Der Umstand, dass regelmäßig in Verbandsform organisierte islamische Gemeinschaften die Anträge stellen und nicht die Moscheegemeinden, die als kleinste organisatorische Einheit die an eine Religionsgemeinschaft gestellten Anforderungen (unproblematischer) erfüllen würden,100 ist vornehmlich damit zu erklären, dass die Einführung von Religionsunterricht sowie die Verleihung des Körperschaftsstatus sui generis Ländersache ist. Die Verbände verfügen häufig über ein hohes Maß an innerer konfessioneller und struktureller Homogenität. Die (mangelnde) Verfasstheit und religiöse Vielgestaltigkeit führen zu Kompatibilitätspro-

95 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Josef Philip Winkler u. a. (BÜNDNIS 90/GRÜNE) v. 18. 4. 2007, Drs. 16/75033, S. 36 f. Eine Zusammenfassung bis zum Jahr 2012 gibt Yanik, Die Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft in Deutschland, S. 19 ff. 96 So etwa der Antrag des Islamrats Schleswig-Holstein im Januar 1990 unter Verweis darauf, dass es durch die Zusammensetzung von Moscheevereinen an einer ausreichenden Anzahl natürlicher Personen mangele. Vgl. dazu Spielhaus/Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 18. 97 OVG Münster, Urteil v. 08. 11. 2017 – 19 A 997/02. 98 Drossou/Karacuban/Azzaoui, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 1. 99 Riem/Spielhaus, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 10. 100 Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13 (15).

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

blemen mit rechtlichen Vorgaben.101 Denn nicht nur Praktikabilitätserwägungen, sondern auch das staatliche Recht, verlangen nach einem geschlossenen Ansprechpartner. Dieses Erfordernis wurde durch die Großkirchen ohne Weiteres erfüllt, deren „staatsnahe Strukturen“ die Rechtsinterpretation abbildete.102 Die katholischen Diözesen sowie die evangelischen Landeskirchen verfügen als geborene Körperschaften über diesen Status auch in den 16 Bundesländern, in welchen sie durch ihre Gemeinden vertreten werden. Sowohl ihre höchste Organisationseinheit als auch deren Untergliederungen in Form der Gemeinden, Verbände und weiterer, aus der Kirchenverfassung folgenden Einrichtungen, sind korporierte Gemeinschaften.103 Im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1, 2 WRV sind sie damit zugleich auch eine Religionsgemeinschaft. Mit Blick auf die im Grundgesetz angelegte religiöse Neutralität des Staates stellt sich die Frage, welche Mindestanforderungen an den Religionsgemeinschaftsbegriff gestellt werden können. Wenngleich der Rechtsstreit um die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen zwar in der Sache negativ entschieden wurde, wird jedoch durch das zuvor erlassene Grundsatzurteil des BVerwG vom 23. Februar 2005 aufgezeigt, dass auch islamische Gemeinschaften in Verbandsform unter Erfüllung bestimmter Anforderungen als Religionsgemeinschaft klassifiziert werden können. In diesem als „Meilenstein“104 bezeichneten Urteil werden die Mindestanforderungen für den Religionsgemeinschaftsbegriff, ausgehend von der Anschützschen Begriffsbestimmung, neu verhandelt. Im Folgenden gilt es, die Mindestanforderungen, die an den Religionsgemeinschaftsstatus zu stellen sind, mit Blick auf dieses in der Sache wegweisende Urteil nachzuvollziehen. Anhand dessen soll konkret überprüft werden, ob und ggf. wie der Rechtsbegriff in Fluss geraten ist. Es soll der Versuch unternommen werden, die herkömmliche Begriffsbestimmung einer Religionsgemeinschaft unter Umständen zu modifizieren oder zu erweitern. In Anknüpfung an den zweiten Teil dieser Arbeit soll auf spezifische Organisationsprobleme und -praktiken islamischer Verbände hingewiesen und auf eine Kompatibilität mit dem Religionsgemeinschaftsbegriff hin überprüft werden.

101

Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 1., 2. Als ursächlich für die Entstehung der staatsnahen Strukturen der Landeskirchen wird insbesondere die Übernahme der Leitung der Kirchen durch den jeweiligen Landesherrn eines evangelischen Territoriums gesehen. Dazu Classen, Religionsrecht, S. 147. 103 Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 127, 161 f. 104 Oebbecke, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 3 (4). 102

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft

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I. Religionsgemeinschaftseigenschaft und islamische Verbände 1. Zusammenschluss natürlicher Personen innerhalb eines bestimmten Gebiets105 Die Anforderungen an die Organisationsstruktur einer Religionsgemeinschaft standen noch bis in die achtziger Jahre weitgehend unhinterfragt fest. Ein religionsgemeinschaftlicher Zusammenschluss konstituiert sich durch seine Gläubigen, im engeren Sinne verstanden als natürliche Personen.106 Diese notwendige Voraussetzung wurde aus der historischen-systematischen Entwicklung des Begriffes der Religionsgesellschaft sowie aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung des Art. 137 Abs. 2 S. 1 WRV abgeleitet. Nach § 10 des 11. Titels des II. Teils PrALR ist eine Religionsgesellschaft „eine Verbindung mehrerer Einwohner des Staates zum Zwecke der Religionsausübung“.107 Auch für die Beurteilung der Stabilität einer Religionsgemeinschaft zur Verleihung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus ist auch das Kriterium der Mitgliederzahl nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV heranzuziehen. Zudem ist mit Blick auf die Bestimmung des Art. 137 Abs. 5 WRV, die auf die Mitgliederzahl und damit auf natürliche Personen abstellt, davon auszugehen, dass auch der Protestant Anschütz bei dem Terminus der Angehörigen in seiner Begriffsbestimmung von natürlichen Personen ausging. Denn auch wenn die römisch-katholische Kirche noch bis zum zweiten Vatikanischen Konzil eher anstaltlich geprägt war,108 verfügte zumindest die evangelische Kirche über eine mitgliedschaftliche Beziehung des jeweiligen Gläubigen zur Landeskirche.109 Mit dem staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus sind sie jeweils mit Rechtsfähigkeit110 ausgestattet, was ihnen ein hohes Maß an rechtlicher Verfasstheit und Organisationsdichte attestiert.111 105 Diese Merkmale gehen auf eine Definition des VG Berlin zurück, die sich aber wohl an der Anschützschen Begriffsbestimmung orientiert. Vgl. dazu Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 7 Rn. 44. 106 In diese Richtung gehend BVerfGE 83, 341 (355); siehe vor allem VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (198); OVG Münster, NVwZ – RR 2004, 492 (493). 107 Dazu und im Folgenden Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 230 m. w. N. 108 Zur Bedeutung des zweiten vatikanischen Konzils vgl. auch Hollerbach, in: FS Häberle, S. 821 (830). 109 Kuntze, Bürgerliche Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaften, S. 35. 110 Towfigh, Die rechtliche Verfassung von Religionsgemeinschaften, S. 155 f. 111 Maßgebliches Charakteristikum der Organisationsstruktur der römisch-katholischen Kirche ist ihre hierarchische Verfasstheit in Form einer Diözesanverfassung, bestehend aus Teilkirchen: Die Diözesen, die zum einen die Jurisdiktionsbezirke der katholischen Weltkirche sind, üben über ihre Bischöfe bestimmte pastorale Aufgaben für die ihnen angehörenden Gläubigen aus. Diese Organisationsebene weist, so wie ihre Zusammenschlüsse in Form von Teilkirchenverbänden bzw. Kirchenprovinzen, die Pfarreien als nächst kleinere Untergliederungseinheit sowie deren Zusammenschlüsse zu Dekanaten den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus auf, vgl. dazu Art. 13 Reichskonkordat. Diese grundlegende Ausprägung

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Fraglich ist, über welches (Mindest-)Maß an rechtlicher Organisation und welchen Grad an personaler Rückbindung eine Religionsgemeinschaft verfügen muss. Denn „der Islam“ und islamische Verbände zeichnen sich im Allgemeinen durch eine fehlende bis schwache organisatorische Verfestigung aus,112 so dass eine personelle Rückbindung abhängig vom jeweiligen Verbandstypus unterschiedlich ausgestaltet bzw. zumindest unmittelbar nahezu nicht vorhanden ist. Diese Frage war im Schrifttum unter dem seitdem gängigen Terminus des „persönlichen Substrats“113 bereits kontrovers diskutiert worden. Die Problematik wird durch die verbandsspezifische und weit verbreitete Praxis der „nachträglichen Überstülpung der Mitgliedschaft“, die in Hinblick auf das Fortbestehen der Religionsgemeinschaftseigenschaft grundlegende Probleme bereiten kann, zusätzlich verschärft. a) Das erforderliche Maß an rechtlicher Organisation In Rechtsprechung114 und Schrifttum115 hat sich inzwischen die Auffassung durchgesetzt, dass an die Organisationsstruktur mit Blick auf die religiöse Neutralitätsverpflichtung des Staates nur Mindestanforderungen gestellt werden können. In Anlehnung an die Bahá’í-Entscheidung des BVerfG führte das BVerwG aus, dass „jedes Minimum an Organisation, welches immer entsteht, wenn sich Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Glaubens zur Erfüllung sich daraus ergebender Aufgaben vereinigen“ ausreiche.116 Dass das Bestehen der Religionsgemeinschaftseigenschaft nicht an juristisch-organisatorischen Kriterien festzumachen sei, begründete es mit der mit dem Religionsgemeinschaftsbegriff in einem engen Zusammenhang stehenden religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2, einer hierarchischen Verfasstheit zeichnet sich auch bei der evangelischen Kirche ab, Die Organisationsverfassung beider Großkirchen und damit auch ihr Mitgliedschaftsrecht ist in umfassenden Regelwerken genau beschrieben sowie Gegenstand einzelner grundlegender Staatskirchenverträge. Das kanonische Recht der Lateinischen Kirche, insbesondere auch ihre Organisationsverfassung, ist im Codex Iuris Canonici geregelt, der in seiner neuen Form am 27. 11. 1983 in Kraft getreten ist. Maßgeblich ist desweiteren das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Zur Organisationsstruktur bzw. zum kirchlichen Mitgliedschaftsrecht v. Campenhausen, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 755 (756); v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 149 ff.; Müller, in: Listl/Müller/Schmitz, HdbkathKirchR, S. 329 ff.; Schlief, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 347 ff.; de Wall/Muckel, Kirchenrecht, S. 140 ff. 112 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 2. 113 Diese Begrifflichkeit geht zurück auf Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (347). 114 BVerfGE 83, 341 (355); BVerwG, NJW 2005, 2101 (2102); vgl. auch BVerwGE 90, 112 (116). 115 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 116; Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 200 f.; Emenet, NWVBl. 2004, S. 214 (216); Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 91; Jurina, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 689 (690); Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (939); Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 107 ff.; Tillmanns, RdJB 1999, S. 471 (476); Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (347); Winter, ZevKR 42 (1997), S. 372 (377). In diese Richtung gehend auch Frisch, DöV 2004, S. 462 (469). 116 BVerwG, NJW 2005, 2101 (2102).

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft

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Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV, die gerade die Möglichkeit zum religionsgemeinschaftlichen Zusammenschluss eröffne.117 Dafür spreche auch die Norm des Art. 137 Abs. 4, 5 WRV, wonach einer bereits bestehenden Religionsgemeinschaft fakultativ unabhängig von einer Verfasstheit als Körperschaft sui generis das Erlangen von Rechtsfähigkeit möglich sei.118 Das Ansetzen von Mindestanforderungen werde zudem durch die zahlreichen, nicht nur von der förmlichen Rechtsordnung offerierten Organisationsmöglichkeiten untermauert, wie der eines losen Verbundes oder eines engen Zusammenschlusses.119 Qualifizierte Anforderungen könnten allenfalls in Bezug auf bestimmte Rechte und Pflichte, wie sie sich im Kontext des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ergäben, gefordert werden.120 Aus der Verfassungsunmittelbarkeit des Religionsgemeinschaftsstatus wird von einigen Stimmen zudem zutreffend geschlussfolgert, dass die betreffende Religionsgemeinschaft als solche für den Staat auch erkennbar sein muss.121 Dies erfordert in subjektiver Hinsicht das Bewusstsein der Gläubigen über das Bestehen ihrer Vereinigung sowie in objektiver Hinsicht, dass dieses Bestehen nach außen dokumentiert zur Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft führt.122 In Hinblick auf die spezifischen Zugehörigkeitsausprägungen „im Islam“, wie der Religion des Islam als solche, gilt, dass einzelne islamische Glaubensrichtungen sowie das ideelle Zusammengehörigkeitsgefühl der Muslime, die Umma, dieses organisatorische Minimum angesichts ihrer rechtlichen Konturenlosigkeit nicht erfüllen.123 Die in der Regel als eingetragene Vereine verfassten Moscheevereine, Dach- oder Spitzenverbände verfügen angesichts der zwingenden Organisationsvorgaben der §§ 21, 55 ff. BGB über einen gewissen, wenngleich niedrigen Grad an organisatorischer Verfasstheit, der unter Vergegenwärtigung der zweiten Grundursache und den spezifischen, „dem Islam“ urtümlichen Zugehörigkeitsausprägungen zudem eine gewisse Anpassungsleistung attestiert. Die Rechtsform des eingetragenen Vereins erfüllt das „organisatorische Minimum“.124 117

BVerwG, NJW 2005, 2101 (2102). BVerwG, NJW 2005, 2101 (2101); Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 198 f.; Heckel, JZ 1999, S. 741 (752); Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 91. 119 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 200. 120 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 201. Dazu auch diese Arbeit Teil 4 D. 121 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 200; Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (56). 122 So Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 200, die als Mindestanforderung „eine das Bewusstsein des Zusammenschlusses nach außen dokumentierende und zur Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft führende Struktur“ für erforderlich hält. Ferner Frisch, DöV 2004, S. 462 (469). 123 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 200. Zum Erfordernis einer Mindeststruktur siehe auch: Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 22 f.; BVerwGE, NVwZ 1996, 61 (62); in diese Richtung gehend BVerwGE, NJW 1992, 2496 (2497). 124 In Vertretung vieler Fechner, NVwZ 1999, S. 735 (736). 118

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

b) Die Problematik der personalen Rückbindung von Dachverbänden Islamische Verbände bestehen in der Regel aus einer Verbandsebene und mehrheitlich aus ihnen angeschlossenen Moscheevereinen. Die Pauschalisierung, Verbände erfassten nur juristische Personen mitgliedschaftsrechtlich, trifft allerdings nur auf den in Reinform konstituierten Dachverband zu. Bei dem Organisationsmodell erfassen erst die ihm nachgeordneten Moscheevereine die natürlichen Personen unmittelbar mitgliedschaftsrechtlich. Die daneben bestehenden Mischverbände erfassen mitgliedschaftsrechtlich neben juristischen auch natürliche Personen. Nach der Anschützschen Begriffsbestimmung wäre keiner dieser Verbandstypen als Religionsgemeinschaft einzuordnen. Während bei Dachverbänden in Reinform per definitionem die personale Grundlage fehlt, findet dies bei Dachverbänden in Form des Mischverbandes mit personaler Grundlage seinen Grund darin, dass bei diesen regelmäßig nicht das Glaubensleben der Individuen im Vordergrund der Aufgabenwahrnehmung steht.125 aa) Kontroverse in der rechtlichen Beurteilung von Dachverbänden (1) Erfordernis eines „persönlichen Substrats“ Welcher Grad an personaler Rückbindung zwischen einer Religionsgemeinschaft und ihren Gläubigen zu fordern ist, ist im Schrifttum stark umstritten. Neben vereinzelten Stimmen, die an der ursprünglichen Interpretation der Religionsgemeinschaft als einem Zusammenschluss von ausschließlich natürlichen Personen festhielten, vertrat eine breite Strömung die Ansicht, dass eine Religionsgemeinschaft sich aus mindestens zwei natürlichen Personen unmittelbar zusammensetzen, mithin ein „persönliches Substrat“126 aufweisen, müsse.127 Eine unmittelbare Mitgliedschaft natürlicher Personen zur Dachverbandsebene halten auch solche Stimmen für erforderlich, die eine „gelebte Gemeinschaft der natürlichen Personen“ auf Dachverbandsebene propagieren128 oder die Intensität des auf der Dachverbandsebene gelebten religiösen Lebens als Maßstab heranziehen.129 Die für eine Religionsgemeinschaft statuierte Notwendigkeit eines „persönlichen Substrates“ wird überwiegend mit der (christlichen) Begriffsgeschichte130 und dem Wortlaut der Religi125

Dazu auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 9. Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (347). 127 Emenet, NWVBl. 2004, S. 214 (216); Spriewald, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 108 f.; Tillmanns, RdJB 1999, S. 471 (476); Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (347); ZevKR 42 (1997), S. 372 (377). 128 Muckel, JZ 2001, S. 58 (60); Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 108 f.; Tillmanns, RdJB 1999, S. 471 (477). 129 Muckel/Tillmanns nehmen an, dass das dachverbandliche Leben in seiner Intensität dem gelebten religiösen Leben auf der Ebene des Moscheevereins entspricht: Dies., in: Muckel, Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaats, S. 234 (269). 130 Diese reicht nachverfolgbar wohl zumindest bis ins Jahr 1472 zurück: Noch bevor das personale Element in das PrALR, der Vorläuferbestimmungen der heutigen Normen, Eingang 126

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft

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onsgemeinschaft begründet.131 Weitere Argumente ergehen in Hinblick auf die verfassungsrechtliche Systematik: Neben dem Hinweis auf das Telos des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 S. 1 WRV, der Freiheit der Bildung von Religionsgemeinschaften,132 wird auf das Kriterium der Zahl der Mitglieder als natürliche Personen133 rekurriert, das nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV für die Verleihung des Körperschaftsstatus durch die antragstellende Religionsgemeinschaft erfüllt sein muss.134 Zudem spreche der Schutzzweck des Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV dafür, der nur auf natürliche Personen abzielen würde.135 Diesen Argumenten ist gemein, dass aus ihnen nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, ein sich nur durch juristische Personen konstituierender Zusammenschluss könne nicht als religionsgemeinschaftlicher gewertet werden.136 Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 3 WRV ist gerade eine Verbindung religionsgemeinschaftlicher Zusammenschlüsse zu einer höheren Organisationsstufe möglich, welcher nach Ansicht der Literatur bei Vorliegen der weiteren Merkmale die Religionsgemeinschaftseigenschaft nicht abgesprochen wird.137 Desweiteren ist nicht ersichtlich, wie die Anforderung einer „gelebte[n] Gemeinschaft der natürlichen Personen auf der Dachverbandsebene“ aus dem Merkmal der Religionsgemeinschaft abgeleitet werden kann.138 Auch die Differenzierung nach der Intensität des auf der Dachverbandsebene gelebten religiösen Lebens, welches in seiner Intensität dem gelebten religiösen Leben auf der Ebene des Moscheevereins entsprechen müsse,139 ist angesichts einer schnelllebigen Organisationsweise islamischer Zusammenschlüsse mit ihren fortwährenden strukturellen Veränderungen nicht zielführend. Letztlich entbehrt auch das historisch-systematische Argument einer Grundlage, da die heutige Religionsgemeinschaft zwar ihre begrifflichen Wurzeln im PrALR findet, sie in ihrer heutigen Form jedoch durch grundgesetzliche Vorgaben bestimmt wird.140

fand, wurde es durch Pfaff damit beschrieben, „daß die Kirche nach ihrer ursprünglichen Gestalt eine freye Gesellschaft derer seye, welche sich zu einem gemeinschaftlichen Gottesdienst nach der Vorschrifft Christi zusammen thun“, Pfaff, Academische Reden über das so wohl allgemeine als auch Teutsche Protestantische Kirchen-Recht, S. 38; ferner Anger, Islam in der Schule, S. 359. 131 Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (347). 132 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 229 f. 133 Fechner, Jura 1999, S. 515 (516); ferner Anger, Islam in der Schule, S. 359. 134 Dies. 135 Anger, Islam in der Schule, S. 359. 136 Anger, Islam in der Schule, S. 360. 137 Siehe ebenda. 138 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 10. 139 Muckel/Tillmanns, in: Muckel, Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaats, S. 234 (269). 140 Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 A. I.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

(2) Der Grad personaler Rückbindung im Lichte der Legitimationsproblematik „Überstülpung der Mitgliedschaft“ Auch das VG Düsseldorf sowie das OVG Münster hielten in ihren Urteilen zur Ausrichtung eines islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen im Ergebnis eine Vertretung durch natürliche Personen auf der Dachverbandsebene für erforderlich.141 In ihrer Begründung kommt neben den genannten Argumenten insbesondere eine „Legitimationsproblematik“ zum Tragen, wie sie sich auch aus der Praxis der „Überstülpung der Mitgliedschaft“ ergeben kann. Darin zeigt sich, dass sich vor allem die Frage nach dem Grad der personalen Rückbindung islamischer Dachverbände als sehr komplex gestaltet und auch im Lichte dieser spezifischen Praxis islamischer Verbände gedeutet werden kann. Dabei wird nachträglich, das heißt erst nach Beitritt des Basisvereins, die mittelbare Mitgliedschaft natürlicher Personen durch einen Dachverband begründet.142 Sie führt dazu, dass das Fortbestehen der Religionsgemeinschaftseigenschaft nicht mehr gewährleistet ist. Im Einzelnen divergierten die Begründungen der Gerichte: Das VG Düsseldorf leitete das Erfordernis, das Mandat durch natürliche Personen zu legitimieren, aus der religionsgemeinschaftlichen Ansprechpartnerfunktion im Kontext des religiös-neutralen Staates ab.143 Diese Legitimation könne bei Dachverbänden dabei nur auf einer „durchgehende[n] ,Legitimationskette‘ vom Ansprechpartner zur Basis der Religionsgemeinschaft“ gründen.144 Damit sprach das Gericht sich zwar nicht gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Einstufung eines Verbandes als Religionsgemeinschaft aus, stellte jedoch für Dachverbände mit ihrem derzeitigen Organisationsgrad nicht erfüllbare Anforderungen auf. Das OVG Münster rekurrierte darauf, dass natürliche Personen den Zusammenschluss durch ihr Wirken maßgeblich prägen müssten.145 In der Forderung nach Einräumung von Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für die mittelbaren Mitglieder auf der Dachverbandsebene klingt die Problematik der „übergestülpten Mitgliedschaft“ an. Ein formales Band allein sei gerade nicht ausreichend. bb) Paradigmenwechsel durch die Rechtsprechung des BVerwG Im Zuge einer Betrachtung des Gesamtorganismus Dachverband, bestehend aus der Dachverbandsebene, den örtlichen Gemeinden und überregionalen Verbänden sowie den Gläubigen, nimmt das BVerwG in seinem Urteil zur Ausrichtung eines islamischen Religionsunterrichts eine neue Gesamtbetrachtungsperspektive ein. Der dadurch vollzogene Paradigmenwechsel zeigt sich insbesondere darin, dass das 141 Vgl. dazu die Entscheidungsbesprechung zum Urteil des OVG Münster von Stock, NVwZ 2004, S. 1399. 142 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 233 ff. 143 VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (200). 144 VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (200). 145 OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 492 (494).

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Gericht die direkte personelle Rückbindung eines verbandlichen Zusammenschlusses zu seinen Gläubigen für obsolet hält. Dabei wendet sich das Gericht jedoch nicht von der die Argumentation der Literatur und Vorinstanzen beherrschenden Grundauffassung ab, die mit dem zum Ausgangspunkt erklärten Individuum erfordert, dass eine Religionsgemeinschaft „stets auf grundrechtsberechtigte und damit in ihrem Glauben, ihrem Bekenntnis und ihrer Religionsausübung freie Individuen“ rückführbar ist.146 Unter Anknüpfung an die Ausführungen zum Organisationsminimum schlussfolgert das Gericht, dass die unmittelbare mitgliedschaftliche Konstitution der Dachverbandsebene durch natürliche Personen entbehrlich sei: „Da das staatliche Recht den Religionsgemeinschaften keine bestimmte Organisationsform vorschreibt, kann nicht verlangt werden, dass die Gläubigen der Gemeinschaft selbst oder ihrer obersten Organisationshoheit als Mitglieder im Rechtssinne angehören“147. Als Bezugspunkt zieht das BVerwG die natürlichen Personen der lokalen Moscheevereine heran und weist ihnen die grundlegende (unentbehrliche) Funktion einer personalen Grundlage zu. Der durch das BVerwG gewählte Mittelweg148 zeigt sich darin, dass das Gericht ein formelles Mitgliedschaftsrecht nicht etwa für insgesamt überflüssig hält – die angeschlossenen Moscheevereine müssen weiterhin darüber verfügen, damit deren Mitglieder die erforderliche personale Grundlage bilden können. Dies gilt für Vereine, bei denen regelmäßig nicht alle den Verein aufsuchenden Muslime diesem auch formell mitgliedschaftlich zugeordnet sind. Dort lässt sich meist, – wenn überhaupt – nur eine formelle Mitgliedschaft des Familienvaters verzeichnen.149 Der Auffassung Loschelders, dass bei „bloß anstaltlich betriebene[n] Einrichtungen – Gebets- und Versammlungsstätten, Koranschulen, die ein elitäres Leitungsgremium für einen flukturierenden Benutzerkreis bereitstell[en]“150, ein stabiles persönliches Substrat nicht ausgebildet werden könne,151 ist zu entgegnen, dass Moscheevereine, als eingetragene Vereine organisiert, mit den erforderlichen sieben Gründungsmitgliedern über die erforderliche persönliche Grundlage verfügen.152 In Hinblick auf den strukturellen Zusammenhalt führt das Gericht an, dass es ausreichend sei, „dass die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit durch ein organisatorisches Band zusammengehalten wird“153. Dieses äußere sich in tatsächlicher Hinsicht durch den Beitrittsbeschluss der Moscheevereine und in geistiger Hinsicht durch die gemeinsame Konfession der Mitglieder. Dieser Schluss des BVerwG ist in Anbetracht der Eigenschaft des Mitgliedschaftsrechtes als 146

Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 67. BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2103). 148 So urteilt auch Mückl, RdJB 2005, S. 513 (517). 149 Diesen Hinweis verdankt die Verfasserin Dr. Zekeriya Altug, Verbandsvorsitzender des DITIB-Landesverbandes. 150 Loschelder, EssGspr. 20 (1986), S. 149 (163). 151 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 241. 152 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 233. 153 BVerwG, NJW 2005, 2101 (2104). 147

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

ureigenste Angelegenheit im Sinne des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV folgerichtig.154 Danach ist die Lösung gerade nicht in den Strukturen der verbandlichen Organisationsmodelle selbst zu suchen, indem hinsichtlich der Stellung des Gläubigen im Gesamtgefüge zwischen den Modellen des Vereinsverbandes und des Gesamtvereins differenziert wird.155 Der in der Literatur angeführten Rückkopplungsproblematik, die durch manche Stimmen als Argument gegen die Konstitution durch juristische Personen angeführt wird, da natürliche Personen gerade für die Bildung einer religiösen Überzeugung unentbehrlich seien, trägt das Gericht durch das Aufstellen qualifizierter Anforderungen im Rahmen des dritten Merkmals einer Religionsgemeinschaft, das vorwiegend auf der Bezeugungsebene angesiedelt ist, Rechnung. Das Aufstellen qualifizierter Anforderungen im Rahmen der dachverbandlichen Konsensbezeugung in Form einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung und eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs können auch als Lösungsansätze dieser durch die Praxis der nachträglichen Überstülpung der Mitgliedschaft entstehenden Rechtsproblematik gedeutet werden.156 Im Ergebnis gilt bei Zugrundelegung dieser freiheitlichen Auffassung des BVerwG, dass sich die mit dieser Praxis einhergehenden rechtlichen und praktischen Probleme nicht stellen. Dieser Neuansatz in Form der Gesamtbetrachtung hat zur Konsequenz, dass islamische Verbände auch mit ihrem derzeitigen Organisationsniveau grundsätzlich als religionsgemeinschaftliche Zusammenschlüsse aufgefasst werden können.157 c) Ergebnis In Anbetracht der höchstrichterlichen Entscheidung des BVerwG bedarf die Anschützsche Begriffsbestimmung einer Erweiterung in Hinblick auf ihre personelle Konstitution: Ein religionsgemeinschaftlicher Zusammenschluss besteht aus natürlichen Personen, er kann bei mehrgliedrigen Organismen auch durch die natürlichen Personen der nachgeordneten Ebenen konstituiert werden. Im Ergebnis lässt 154 Zum religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht vgl. Korioth, in: Maunz/ Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Rn. 23 ff. 155 So der durch Dietrich entwickelte Ansatz, wonach anders als für den Gesamtverein, bei dem das Erfordernis eines persönlichen Substrates gegeben sei, für einen Vereinsverband eine „satzungsmäßige Doppelverankerung“ der Mitgliedschaft für notwendig gehalten wird. Das Abstellen auf das Vorhandensein eines formellen Mitgliedschaftsrechtes widerspricht jedoch gerade dem religiösen Selbstbestimmungsrecht, vgl. dies., Islamischer Religionsunterricht, S. 235 f. 156 So auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 234. 157 Zu dieser grundsätzlichen Ansicht kommt auch de Wall unter Verweis auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV, wonach Religionsgemeinschaften sich ohne Beschränkungen – und damit auch in der verbandlichen Organisationsform – zusammenschließen können. Auch sei aus der Vereinigungsfreiheit und aus dem Selbstbestimmungsrecht zu schlussfolgern, dass es dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft obliege, über ihre innere Struktur zu entscheiden, vgl. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 10.

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sich zunächst feststellen, dass die Interpretation des Religionsgemeinschaftsbegriffes nachvollziehbar in Bezug auf das Merkmal 1 des Zusammenschlusses durch natürliche Personen infolge der Absenkung des Grades der personalen Rückbindung in Fluss geraten ist. 2. Vorhandensein eines religiösen (Grund-)Konsenses Nach allgemeiner Auffassung gründet sich eine Religionsgemeinschaft auf einer gemeinsamen, alle Mitglieder einenden religiösen Überzeugung. Diese transzendenten Inhalte liegen als Sinn und Zweck dem Zusammenschluss zu Grunde, sie sind Dreh- und Angelpunkt des religionsgemeinschaftlichen Wirkens. Zwischen den einzelnen Mitgliedern stellt das gemeinsame religiöse Bekenntnis als Bindeglied158 den Zusammenhalt der Gemeinschaft als Ganzes sicher. Vereinigen sich die Anhänger aus einer religiösen Motivation heraus, die aber nicht in einem religiösen Konsens wurzelt, ist sie lediglich als religiöser Verein im Sinne des Art. 138 Abs. 2 WRV einzustufen.159 So wie das Staatskirchenrecht rechtstechnisch als „säkulare Rahmenordnung“ ausgestaltet ist, handelt es sich auch bei dem Begriff des religiösen Bekenntnisses um einen Relativitätsbegriff, dessen Anforderungen nur frei von inhaltlichen Bewertungen und damit nicht letztverbindlich bestimmt werden können.160 Lebenspraktische Erwägungen erlauben den Schluss, dass nicht die Übereinstimmung in Detailfragen, sondern die Identifikation mit der „Theologie“, oder terminologisch vorzugswürdig dem „religiösen Grundkonsens“161 im Ganzen entscheidend sein muss.162 Daraus folgt, dass das einer Religionsgemeinschaft zu Grunde liegende religiöse Bekenntnis über eine gewisse thematische Breite, Geschlossenheit und Konsistenz verfügen muss.163 Dass dem Homogenitätspostulat in fast jeder Gemeinschaft Grenzen gesetzt sind, lässt sich schon in der glaubensmäßigen Verfasstheit der christlichen Großkirchen erkennen, vor allem bei der sich in verschiedene Bekenntnisstände gliedernden evangelischen Kirche und sogar bei der über ein verbindliches Lehramt verfügenden römisch-katholischen Kirche164 oder 158

Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (60). Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 202; Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (60) m. w. N. 160 Vgl. u. a. Heckel, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 589 (619 f.); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 GG Rn. 281; zu diesem Kriterium auch BVerwG, JZ 2002, 1102, (1103 f.). 161 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 202. 162 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 202. So auch Bock, RdJB 2001, S. 330 (336); Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (938); Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (59 f.). 163 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 111. Vgl. auch die Annäherung an den Religionsgemeinschaftsbegriff durch die Zugrundelegung der Kriterien der Totalität, Homogenität, Zentralität und Konsistenz: Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49. 164 Zwar kann die römisch-katholische Kirche angesichts ihrer Gliederung in Rituskirchen in Form der Lateinischen Kirche sowie der Unierten Ostkirchen eigenen Rechts nicht als 159

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den jüdischen Landesgemeinden165. Die religiöse Heterogenität islamischer Vereinigungen, die in dem in dieser Arbeit dargestellten ersten innerislamischen Grund einer Vielgestaltigkeit „im Islam“ wurzelt und regelmäßig in den Moscheevereinen, Dach- und Spitzenverbänden fortwirkt,166 wirft die Fragen auf, ob diese einen Konsens in religiöser Hinsicht überhaupt zu bilden vermögen, ggf. welcher rechtliche Maßstab zur Beurteilung der Konsensfähigkeit islamischer Gemeinschaften heranzuziehen und wie das Homogenitätspostulat in Hinblick auf seine „konfessionelle Dichte“ zu interpretieren ist. Dieser Fragestellungen zur Bestimmung der an den religiösen Konsens zu stellenden Anforderungen hat sich auch das BVerwG in seinem Urteil zum islamischen Religionsunterricht angenommen. Neben der Frage, ob Gemeinschaften, deren Gläubige miteinander verwandten islamischen Bekenntnissen folgen, das Homogenitätspostulat wahren, hat es sich zudem in spezifischen Rechtsfragen positioniert. Darunter fällt vor allem die Organisationsweise, dass sich Angehörige desselben Bekenntnisses in verschiedenen Gemeinschaften vereinen bzw. Doppelmitgliedschaften einzelner Gläubiger in mehreren Dachverbänden bestehen. a) Wahrung des Homogenitätsniveaus bei Verwandtschaft der islamischen Bekenntnisse vs. Erfordernis einer konfessionellen Spezifizierung Die Rechtsauffassung, dass ein gewisser Grad an konfessioneller Vielgestaltigkeit einer religiösen Gemeinschaft dem in der Anforderung eines „religiösen Konsenses“ per definitionem wurzelndem Mindestmaß an religiöser Homogenität nicht entgegen stehen kann, vertrat bereits Anschütz, der mit Blick auf die unierten evangelischen Landeskirchen167 die Begriffsdefinition einer Religionsgemeinschaft um den Zusatz vollständig konfessionell homogen angesehen werden. Die Lateinische Kirche, der der weitaus größte Anteil der Gläubigen angehört, liegt mit dem „römisch-lateinische[n] Ritus der alten westlichen Kirche“ ein hohes Maß an Einheitlichkeit in ritueller, rechtlicher sowie traditioneller Hinsicht zu Grunde. Zudem ist ihre Einheit „selbst Gegenstand des Glaubens der Kirche (Credo unam Ecclesiam)“, vgl. dazu Aymans, in: Listl/Müller, HdbkathKirchR, S. 243; de Wall/Muckel, Kirchenrecht, S. 98. 165 Classen, Religionsrecht, S. 120; Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 451, auch allgemein zu den Verträgen des Staates mit jüdischen Religionsgemeinschaften. 166 Vgl. dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 2. 167 Das Maß an religiöser Heterogenität war zu dieser Zeit nicht unerheblich ausgeprägt, bis zur Gründung der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) 1948 als „Bund lockerer lutherischer, reformierter und unierter Kirchen“ wurde noch viel Wert auf die jeweiligen theologischen Differenzen gelegt. Dies änderte sich mit der Erarbeitung der Leuenberger Konkordie 1973, mit der die Herstellung einer Kirchengemeinschaft angestrebt wurde, was so mit der Änderung in der Grundordnung von „Bund“ in „Gemeinschaft” auch Ausdruck fand, vgl. § 1 Abs. 1 KirchG der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit der EKD. Die Leuenberger Konkordie diente schließlich den reformatorischen Kirchen in Europa für die Verständigung auf das gemeinsame Evangeliums um so „einander Gemeinschaft an Wort und Sakrament“ zu gewähren ein-

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„eines und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse“168 erweiterte. Auch noch heute kann angesichts der unterschiedlichen Bekenntnisstände, die ein anhaltendes Charakteristikum der EKD sind, nicht von vollständiger religiöser Homogenität gesprochen werden,169 vgl. § 1 Abs. 1 Grundordnung EKD.170 Lutherisches, reformatorisches und uniertes Bekenntnis können sich in der Berufung auf unterschiedliche Bekenntnisschriften171 in Fragen über das Verhältnis von „Kirche und Welt, Glaube und Werke, Gesetz und Freiheit, geistliche und weltliche Gewalt, Menschenbild und Menschenrecht“172 unterscheiden. Jedenfalls gemein ist ihnen ihre Bekenntnisgrundlage „im Sinne der Bekräftigung und Zusammenfassung über die Lehre“173 der evangelischen Kirche. Ausgegangen wird heute in subjektiver wie in objektiver Hinsicht davon, dass es sich bei den Gliedkirchen um eine konfessionell gegliederte Einheit174 handelt.175 Zur Feststellung der religiösen Konsensfähigkeit islamischer Gemeinschaften wird in der Rechtspraxis176 und im Schrifttum177 als Bewertungsgrundlage in der Regel auf die islamwissenschaftlichen Trennlinien entsprechend der Richtungen Sunnismus, Schia und Alevitentum rekurriert. Eine Festlegung auf „Koran“ und „Sunna“ wurde regelmäßig für zu unspezifisch befunden, womit im Ergebnis tendenziell eine hinreichende Erkennbarkeit bzw. Festlegung,178 und damit ein spezifisch religiöses Profil, gefordert wurde. Die Angabe des Satzungszweckes mit schließlich der Zulässigkeit einer Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie der gegenseitigen Anerkennung der Ordination, zur Leuenberger Konkordie vgl. die Internetseite der EKD, abrufbar unter: http://www.ekd.de/glaubensbekenntnisse/leuenberger_konkordie.html (Stand: 22. 01. 2013). 168 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 137 S. 633. 169 Heckel, ZevKR 36 (1991), S. 113 (153). 170 de Wall/Muckel, Kirchenrecht, S. 247. 171 Während sich die Anhänger des lutherischen Bekenntnisstandes auf die in der lutherischen Tradition des 16. Jahrhunderts verfassten Bekenntnisschriften berufen, wird in der reformierten Kirche in der Tradition der auf Zwingli und Calvin zurückgehenden Lehren der Heidelberger Katechismus für besonders bedeutsam erachtet. Das unierte Bekenntnis ging aus beiden Bekenntnisständen hervor. Vgl. dazu auch de Wall/Muckel, Kirchenrecht, S. 245 ff. 172 Heckel, ZevKR 36 (1991), S. 113 (156). 173 de Wall/Muckel, Kirchenrecht, S. 246. 174 Dies. 175 Dies belegt nicht nur das neuere Kirchenrecht, sondern auch die staatskirchenrechtliche Praxis bei einem Wohnsitzwechsel eines Kirchenmitglieds, bei der die Kirchenmitgliedschaft bestehen bleibt und sich in der Landeskirche des neuen Wohnsitzes konkretisiert. Vgl. dazu v. Campenhausen, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 755 (767). 176 Dahingehend die Argumentation des Landes Berlin im Rechtsstreit mit der Islamischen Föderation Berlin e. V., vgl. OVG Berlin, NVwZ 1999, 786 (nicht rechtskräftig). 177 In der Literatur vgl. dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 204; Eiselt, DöV 1981, S. 205 (206); Hillgruber, JZ 1999, S. 538 (545). 178 So u. a. Hillgruber, JZ 1999, S. 538 (545); für die Rechtsprechung vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 10. 07. 2003 – 10 K 1794/01 –, Rn. 32, 36 (juris); VG Wiesbaden, Urt. v. 15. 06. 2004 – 6 E 2394/01 (V), S. 41; so auch implizit das VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (200).

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„Förderung der Religion“ bzw. „der Erhalt und die Verkündung der islamischen Religion“, vgl. dazu exemplarisch § 3 Abs. 1 VIKZ-Satzung bzw. § 3 Abs. 1 b) DITIB – Landesverbandssatzung, wurden als unzureichend befunden. Diese konkreten Forderungen muten verwaltungspraktisch an, sie sind im Kontext des allgemeinen rechtspolitischen Bestrebens zu sehen, islamischen Religionsunterricht einrichten zu wollen. Die angesichts der Zersplitterung179 der Landschaft islamischer Zusammenschlüsse bestehende Problematik eines fehlenden Ansprechpartners sollte demnach durch eine „vorgängig interne Einigung“ innerhalb „des Islam“ gelöst werden.180 Von der Rechtsauffassung eines irgendwie gearteten Festlegungserfordernisses, einschließlich derjenigen seiner Vorinstanzen, wich das BVerwG ab.181 Aus dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht folge gerade die Möglichkeit, dass sich Angehörige verwandter Konfessionen zusammenfinden können. Die Religionsfreiheit gewährleiste der Religionsgemeinschaft zudem die Definitionshoheit über den Inhalt.182 Dabei erachtet es die Verbindung aller Gläubigen durch die gemeinsame Konfession „des Islam“ im Sinne einer gemeinsamen Bekenntnisgrundlage als ausreichend.183 Eine Konkretisierung dahingehend, dass sich eine Gemeinschaft „an den Lehren des Korans und an der Sunna des Propheten Muhammads“ orientiere, erfülle diese Vorgabe.184 Einer weitergehenden Spezifizierung steht überdies die Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 2 GG entgegen. Sie hätte zur Folge, dass die staatlichen Gerichte im Streitfall „etwa unter Heranziehung religionswissenschaftlicher Sachverständiger“185 überprüfen müssten, ob eine bestimmte theologische Schnittmenge zur Begründung eines religiösen Konsenses vorhanden wäre. Das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten ist angesichts des hohen Maßes an konfessioneller Heterogenität, wie sie sich auch in der Diversität der Autorenschulen zeigt, schwerlich möglich. Dietrich plädiert dafür, darauf zu vertrauen, dass diese Fragen durch die eigens dafür eingerichteten religiösen Räte etc. geklärt werden.186 Denn auch eine Gemeinschaft kann im Ergebnis nur dauerhaft bestehen, wenn eine gemeinsame religiöse Grundüberzeugung als Bindeglied zwischen den einzelnen Mitgliedern fungiert. Auch die Mehrheit der Stimmen in der Literatur ist dieser

179 Zu den weiteren, eher durch politische Beweggründe geprägten Auffassungen der Autoren vgl. Hennig, Muslimische Gemeinschaften als Partner des Staates bei der Einführung islamischen Religionsunterrichts, S. 133, 134 Fn. 16. 180 Rohe, ZRP 2000, S. 207 (210). In diese Richtung gehend auch Heckel, JZ 1999, S. 741 (753); Hillgruber, JZ 1999, S. 538 (545); Mückl, RdJB 2005, S. 513 (5166). 181 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2105). 182 Siehe ebenda. Zu diesem Ergebnis kommend: Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 205 m.w.N; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 93. 183 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2105). 184 Siehe ebenda. 185 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2103). 186 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 207 f.

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freiheitsrechtlichen Rechtsauffassung zuzuordnen.187 Die Kontrolle hinsichtlich des Vorliegens von „Fundamentalunterschieden“, wie Unruh188 sie unter anderem propagiert, kann damit unter Berücksichtigung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nur hinsichtlich der Konfession „des Islams“ als Ganzem vorgenommen werden, beispielsweise in Abgrenzung zu anderen Religionen. Als gemeinsame Glaubensgrundlagen werden von allen Muslimen gleichermaßen in der Regel Koran und Sunna anerkannt.189 b) Angehörige desselben Bekenntnisses in verschiedenen (Religions-)Gemeinschaften Nach der Anschützschen Begriffsbestimmung fasst eine Religionsgemeinschaft die Angehörigen eines und desselben – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – für ein Gebiet zusammen.190 Diese Anforderung einer einheitlichen gebietsmäßigen Zusammenfassung wird durch die einzelnen korporierten Untergliederungseinheiten der christlichen Großkirchen, den Gemeinden bzw. Pfarreien, durch das mit dem Körperschaftsstatus einhergehende Parochialrecht im Wege einer automatischen Zugehörigkeitsbestimmung der Mitglieder erfüllt. In Hinblick auf herkömmliche islamische Vereinigungen, die über den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus nicht verfügen, wurde die nicht unübliche Praxis, dass sich Angehörige einer Glaubensrichtung in verschiedenen islamischen Zusammenschlüssen vereinigen, kritisiert.191 Dies hat wiederum zur Folge, dass Religionsgemeinschaften gleicher konfessioneller Ausrichtung nebeneinander bestehen und dadurch eine Unterscheidbarkeit nicht hinsichtlich ihres inhaltlichen Profils, sondern nach der personalen Zusammensetzung möglich ist.192 Mit Blick auf die religionsgemeinschaftliche Funktion als Ansprechpartner im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG wurde vertreten, dass eine religiöse Abgrenzbarkeit zwischen den einzelnen Religionsgemeinschaften auf der Grundlage ihres Bekenntnisses erforderlich sei, da gerade jener Ansprechpartner in der Lage sein müsse, „für eine religiöse Richtung Grundsätze unangefochten [zu] formulieren“.193 Zu Recht sieht es das BVerwG für unerheblich an, wenn sich Angehörige desselben Bekenntnisses in 187 Coumont, in: Muckel, Der Islam in der öffentlichen Ordnung des säkularen Verfassungsstaats, S. 440 (557); Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (938 f.); Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (60 f.); Spriewald, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 111. 188 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 282. 189 So de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 21. 190 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 137 S. 633. 191 Häußler, ZAR 2000, S. 255 (264); Hillgruber, DVBl. 1999, S. 1155 (1176); Mückl, AöR 122 (1997), S. 513 (552); Anmerkung von Rüfner, NWVBl. 2001, 114 (115). 192 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 212. 193 v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), S. 135 (152).

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unterschiedlichen Zusammenschlüssen zusammenfinden.194 Zwar können „Zersplitterungstendenzen“ hinderlich für die staatliche Zusammenarbeit sein, maßgeblich kann jedoch nur sein, ob der jeweilige Kooperationspartner als Ansprechpartner gemäß den rechtlichen Kriterien fungieren kann.195 Damit erkennt das Gericht freilich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Ansprechpartners an, sieht diese Funktion jedoch innerverbandlich durch die Vorstände als erfüllt an.196 Dies ist eine logische Konsequenz, die aus dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht folgt. Diese Einzelfallentscheidung gebietet der Rechtsstaat. Religiösen Vereinigungen kann in Anbetracht ihrer religiösen Vereinigungsfreiheit keine irgendwie geartete Koordinationsobliegenheit auferlegt werden. Dieser Ansatz ist zwar aus Staatsperspektive durchaus nachvollziehbar – die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts wird durch dieses Phänomen ungemein erschwert – er darf jedoch nicht bestimmend in Interpretationsfragen des Verfassungsbegriffes der Religionsgemeinschaft sein.197 Folglich können religiöse Gemeinschaften gleicher Konfession parallel nebeneinander bestehen. Auf der gleichen Argumentationsgrundlage erteilt das BVerwG so auch der Prämisse, dass ein Dachverband alle (muslimischen) Gläubigen für ein Gebiet umfassen müsse, wie es die Anschützsche Begriffsbestimmung ursprünglich verlangt, eine Absage.198 c) Ausschließlichkeitsanspruch des religiösen Konsenses: Statthaftigkeit von Doppelmitgliedschaften Fraglich ist des Weiteren, ob es schädlich für die Klassifizierung einer religiösen Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft sein kann, wenn ein dem Dachverband angehörender Moscheeverein gleichzeitig Mitglied eines anderen Dachverbandes ist, mithin eine Doppelmitgliedschaft innehat. Auch darüber hat das BVerwG in Kontinuität zu seiner freiheitsrechtlichen Interpretation des Religionsgemeinschaftsbegriffes befunden, indem es diese Entscheidung über die konfessionelle Einheitlichkeit der Religionsgemeinschaft als 194

BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2103). So auch Cavdar, RdJB 1993, S. 265 (269); Hennig, Muslimische Gemeinschaften als Partner des Staates bei der Einführung islamischen Religionsunterrichts, S. 134; Magen, in: Umbach/Clemens, GG, Band II, Art. 140 Rn. 60; Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (938 f.); Spriewald, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung islamischen Religionsunterrichts, S. 111; de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 22 f. 195 Dieser Problematik wird unter anderen Gesichtspunkten Rechnung getragen, Hennig verneint zu Recht eine Einschränkungsmöglichkeit auf Grund dessen in genereller Hinsicht, vgl. dies., Muslimische Gemeinschaften als Partner des Staates bei der Einführung islamischen Religionsunterrichts, S. 134. 196 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2107). 197 So auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 214. 198 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2102 f.). Vgl. zur christlich geprägten Begriffsentstehung de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 22, der den Begriff angesichts fortschreitender Entkirchlichungs- und Individualisierungsprozesse für zu eng hält.

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durch das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht für erfasst ansieht.199 Damit korrespondiert auch die Erwägung Kästners, wonach eine Duldung der Doppelmitgliedschaft einzelner Mitglieder durch die Religionsgemeinschaft schon aus organisatorischen Gründen nur schwerlich verhindert werden könne.200 de Wall ist auch in puncto Religionspflege, d. h. der Entäußerung dieses religiösen Konsenses, der Auffassung, dass religiöse Identität gewahrt und die Ausrichtung des Verbandes auf die umfassende Religionspflege nach außen sichtbar bleiben müsse.201 Diese Anforderung ist dabei von einem konkreten Festlegungserfordernis in der Hinsicht abzugrenzen, als das Moment der Identität weiter zu verstehen ist. Dieses Erfordernis ist auch in Hinblick auf die besonderen Rechte und Pflichten einer Religionsgemeinschaft zu statuieren, da der Staat wissen muss, mit „wem er es zu tun hat“. d) Ergebnis Die Anschützsche Begriffsbestimmung erfährt eine Modifizierung in der Hinsicht, als dass eine Religionsgemeinschaft die Angehörigen eines und desselben – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – zusammenfasst. Eine lokale Konzentration auf ein Gebiet muss dabei nicht bestehen. 3. Umfassende Bezeugung des religiösen Konsenses Nach Anschütz ist eine Religionsgemeinschaft auf eine allseitige Erfüllung der religiösen Aufgaben gerichtet.202 Der Kern dieses Merkmals wird von Poscher vor allem mit den Kriterien der Totalität und Zentralität erfasst:203 Eine Religionsgemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf die Erfüllung der durch den gemeinsamen Glauben gestellten Aufgaben in ihrer Totalität gerichtet ist, die eine zentrale Rolle im Leben der Vereinigung einnehmen. Dass der Formulierung auch die Durchsetzung der Glaubensinhalte204 folgt, ist wesentlich für das religionsgemeinschaftliche Wirken und damit für die Identitätsbildung.205 199

S. 24.

BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2103); de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft,

200 Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 282, wonach die Duldung einer Doppelmitgliedschaft einzelner Mitglieder von der prinzipiellen Hinnahme der gleichzeitigen Mitgliedschaft eigener Mitglieder in einer weiteren Religionsgemeinschaft zu unterscheiden sei. Bei einer prinzipiellen Hinnahme sei nicht von einem einigenden und abgrenzbaren Minimalkonsens auszugehen. 201 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S.32. 202 Jurina, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 689 (639). 203 Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (59 ff.). Sich dem anschließend Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 113 ff. 204 Siehe dazu BVerwGE 61, 152 (156 f.). 205 Siehe ebenda.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Verfassungsrechtlich lässt sich das Erfordernis einer umfassenden Konsensbezeugung aus der Abgrenzung der Religionsgemeinschaft zum religiösen Verein im Sinne des Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV bzw. i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV ableiten.206 Anders als der religiöse Verein, der sich als Interessenvertretung einzelnen religiösen Aspekten widmet, wendet sich die Religionsgemeinschaft der Religionspflege in einem umfassenden Sinn – in ihrer Totalität – zu.207 Religiöse Vereine können verschiedene Aufgaben verrichten, sind aber vor allem im karitativen oder sozialen Bereich aktiv, wie der der katholischen Kirche zuzurechnende Caritasverband oder die Diakonischen Werke der evangelischen Kirche. Die Bildung und der Bestand von religiösen Vereinen ist durch Art. 9 Abs. 1, 2 GG und deren Tätigkeit im Einzelnen durch das sachlich jeweils einschlägige Grundrecht, vor allem aber durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, geschützt.208 In seiner Goch-Entscheidung aus dem Jahr 1977 erklärte das BVerfG, das Selbstbeststimmungsrecht gelte auch für „alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn die Einrichtungen nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen“209. Als unproblematisch kann die umfassende Bezeugung des religiösen Konsenses für die unteren Gliederungseinheiten wie den Kirchengemeinden festgestellt werden, in denen kirchliche Aufgaben, wie das Abhalten von Gottesdiensten als primäre Ermöglichungsform der Kultusverrichtung, wahrgenommen werden. Allerdings muss eine Religionsgemeinschaft nicht alle aus dem religiösen Konsens sich ergebenden Aufgaben auch selbst verrichten, maßgeblich ist die Zielgerichtetheit des Bekenntnisbezugs im religionsgemeinschaftlichen Wirken. Wie Poscher konstatiert, muss die Religionsgemeinschaft „auch für Aufgaben insoweit zuständig bleiben, als sie sich für die religiösen Maßstäbe der Aufgaben und die Sicherung ihrer Erfüllung für verantwortlich erachtet“210. Das Merkmal der „Universalität des Wirkungskreises“211 ist in der Organisationsverfassung der christlichen Großkirchen angelegt. Die Gesamtkirche ist es, die auf die Sicherstellung der Einheit der Kirche sowie ihrer Sendung abzielt. Nach der Annahme des zweiten Vatikanischen Konzils setzt sich die Gesamtkirche „in und aus ihren Teilkirchen“ zusammen, womit die ka-

206 Coumont, in: Muckel, Der Islam in der öffentlichen Ordnung des säkularen Verfassungsstaats, S. 440 (557 f.); Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 219; Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (939). Für die Rechtsprechung vgl. BVerfGE 24, 236 (246 f.); 46, 72 (86). 207 Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (59). Vgl. auch Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 94. 208 Muckel, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 827 (828). 209 BVerfGE 46, 73 (86 f.). 210 Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (59). 211 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 137 S. 633 Fn. 3.

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tholische Kirche als solche „nur in der Einheit und im wechselseitigen Bezug von Gesamtkirche und Teilkirchen besteht“.212 Die EKD hat so für den Bereich der evangelischen Einrichtungen konkretisierte Zuordnungskriterien im Kirchengesetz zur Zuordnung rechtlich selbständiger Einrichtungen zur Kirche vom 12. November 2014 formuliert. Danach wirken die selbständigen Einrichtungen an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags im Einklang mit dem Selbstverständnis der Kirche mit und verfügen über eine kontinuierliche Verbindung zur Kirche, vgl. § 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Zuordnungsgesetz der EKD. Moscheevereine und Verbände verfügen nicht über einen derartigen Verfassungsaufbau. Die Gliederungseinheiten zielen entweder auf die direkte Kultusausübung ab oder dienen der Sicherstellung des religiösen Verwirklichungsauftrages. Bereits in Hinblick auf Moscheevereine ist häufig fraglich, ob sie auf eine umfassende Konsensbezeugung abzielen. Denn aus der Warte einer eher christlichen Perspektive verfolgt die kleinste Gliederungseinheit islamischer Organisation neben religiösen Zwecken zudem regelmäßig soziale, kulturelle oder politische Zwecke, so dass sich die Frage nach der Zentralität des religiösen Zweckes stellt.213 Schwierig ist zudem zu beantworten, welche Handlungsweisen islamischer Vereinigungen eine umfassende Pflege ihres Bekenntnisses bedeuten. Von der herkömmlichen Interpretation des dritten Merkmals einer Religionsgemeinschaft differiert, dass nach islamischem Selbstverständnis eine umfassende Konsensbezeugung nicht notwendigerweise in der Vornahme von Kultushandlungen bestehen muss. Spezielle Rechtsfragen betreffen die umfassende Konsensbezeugung von den von Gläubigen losgelösten formalrechtlichen Strukturen der Dachverbandsorganisationen, die auch Gegenstand der Grundsatzentscheidung des BVerwG zur Ausrichtung eines islamischen Religionsunterrichts waren. Das Gericht entwickelte in einer teilweisen Abkehr von der Rechtsauffassung seiner Vorinstanzen und in Kontinuität seines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Religionsgemeinschaftsbegriffes einen Ansatz, wonach auch die dem Verband nachgeordneten Ebenen arbeitsteilig die durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben verfolgen können. Neu sind vor allem die an die Dachverbandsebene gestellten (qualifizierten) Anforderungen im Form einer „identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung“ sowie eines „gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs“. Die Spezifika, die in der islamischen Konsensbezeugung liegen können, werfen die Fragen auf, welcher Maßstab zur Beurteilung, ob sich eine Vereinigung der Glaubenspflege in einer umfassenden Hinsicht widmet, heranzuziehen ist und ob bzw. welche konkreten Prüfungsparameter dafür maßgeblich sein könnten. In einem weiteren Schritt ist auf die Rechtsauffassung des BVerwG einzugehen und damit auf die Frage, ob bzw. wie die von Gläubigen losgelösten formalrechtlichen Strukturen der Dachverbandsorganisationen einen religiösen Konsens auf umfassende Weise 212 Dazu, einschließlich der Zitate siehe Köstler, Die religionsverfassungsrechtliche Zuordnung von sozialkaritativen Einrichtungen und Diensten zur katholischen Kirche, S. 35. 213 So auch Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (62).

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bezeugen und damit vor allem von einer bloßen Interessenvertretung abgegrenzt werden können. a) Maßstab und Prüfungsparameter zur Bestimmung des Merkmals der „allseitigen Pflege religiöser Aufgaben“ aa) Maßstab: Qualitative Bestimmung der Zwischen- und Endzwecke Ein qualitatives Moment, wonach das Religiöse „von zentraler Bedeutung für das Bekenntnis sein und das Wesen der Bekenntnisgemeinschaft ausmachen“214 müsse und nicht „bloße Randerscheinung sein“ dürfe, klang schon früh in der Rechtsprechung des BVerwG an. Dominierend war aber dennoch zunächst ein quantitativer Beurteilungsmaßstab215 in dem Sinne, dass wirtschaftliche oder politische Aktivitäten nicht überwiegen dürften. Diesem Maßstab wurde spätestens mit der OshoEntscheidung des BVerwG von 2002 der Boden entzogen,216 indem das Gericht die Grenze einer wirtschaftlichen Betätigung einer Religionsgemeinschaft beim Vorwand ansiedelte.217 Der heute in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend herangezogene qualitative Maßstab wird entweder in einer Unterscheidung in der „Abgrenzung von Zentrum-Peripherie“ oder wie von Pieroth/Görisch in einer qualitativen Bestimmung der Zwischen- und Endzwecke konkretisiert.218 Letztere Autoren messen quantitativen Momenten allenfalls eine indizielle Bedeutung bei. Entscheidend nach ihrer Auffassung ist, dass die sonstigen Aktivitäten in ihrer Bedeutsamkeit die religiöse Zielsetzung nicht überwiegen. Heute wird in Rechtsprechung und Schrifttum davon ausgegangen, dass ein wirtschaftliches, politisches oder kulturelles Engagement den Status einer Religionsgemeinschaft prinzipiell unberührt lässt.219 Es ist festzuhalten, dass sich auch eine plurale Ausrichtung islamischer Vereinigungen nicht schädlich auf ihre Religionsgemeinschaftseigenschaft auswirkt und sie das Merkmal der umfassenden Konsensbezeugung erfüllen, soweit das Religiöse den ausschließlichen Endzweck bildet.

214 BVerwGE 61, 152 (156). Vgl. auch für das Schrifttum Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, S. 56. Zum politischen Islam und dem säkularen Staatswesen siehe auch Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 134. 215 v. Campenhausen, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 597 (642 f.); in diese Richtung auch gehend Janz/Rademacher, NVwZ 1999, S. 706 (710). 216 BVerwGE 90, 112 (116 f.). 217 BVerwGE 90, 112 (118). 218 Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 135; Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (939); Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 225. 219 Siehe u. a. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 135; Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (62); Pieroth/Görisch, JuS 2002, S. 937 (939); BVerwGE 37, 344 (362 f.); 90, 112 (118).

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bb) Prüfungsparameter: Vornahme von Kultushandlungen Damit ist noch nicht gesagt, welche Aufgaben bzw. Endzwecke als ausschließlich religiös eingeordnet werden können. Infrage gestellt werden muss mit Blick auf die Prinzipien der Parität und der religiösen Neutralität des Staates ein christlich vorgeprägter Beurteilungsmaßstab, wonach als Prüfungsparameter kultische Handlungen gelten.220 An einem an der christlichen Wirkweise angepassten Maßstab orientierte sich auch das OVG Münster im Rechtsstreit um die verbandliche Ausrichtung islamischen Religionsunterrichts, indem es sich mit dem Verweis auf die fünf Hauptpflichten unmittelbar auf die Vornahme von Kultushandlungen bezog.221 Diese Sichtweise wird aber der islamischen Glaubenspflege in der Hinsicht nicht gerecht, als dass Muslime, anders als etwa Christen, in ihrer Religionsausübung weitaus weniger auf institutionalisierte Strukturen angewiesen sind.222 Auch sind Riten und weitere Glaubensäußerungen abhängig von der jeweiligen Glaubensschule oder -richtung.223 Dietrich zitiert in diesem Kontext einen Ausspruch des Schura-Vertreters Niedersachsen aus 2004, der auf den Kern der grundsätzlichen Problematik hindeutet: „Wir brauchen die Moscheen nicht. Die Moscheen brauchen die Deutschen“.224 Mit Blick auf das durch den Koran vorgeschriebene gemeinschaftliche Freitagsgebet ist diese Aussage nicht allgemeingültig; nach Sure 62, 9 besteht in der Regel für einen gläubigen muslimischen Mann die Verpflichtung, das aus zwei Gebetseinheiten bestehende Gebet jeden Freitag als Mittagsgebet in der Moschee hinter dem Imam zu verrichten.225 Das Freitagsgebet wird in den „Freitagsmoscheen“ abgehalten, von denen es in jeder Stadt nur eine geben soll. Möglich und als besonders verdienstvoll wird es zudem gewertet, wenn ein Muslim sein tägliches Gebet in einer Moschee verrichtet. Auch wenn dieser Ausspruch zugespitzt ist, verdeutlicht er den Kern der Problematik, der sich auch in dem Zirkelschluss, auf den Dietrich hinweist, manifestiert. Dieser bestehe darin, dass in der Begründung einer Religionsgemeinschaft auch der 220 Jurina, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 689 (693) m. w. N.; a. A. Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 221; Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 115. 221 Das Gericht verneinte im Ergebnis eine umfassende Glaubensverwirklichung durch beide Gemeinschaften, da diese vielmehr „die Aufgabe eines Dialog- und Ansprechpartners für den Staat, die Verwaltung und die Gruppen der Gesellschaft“ wahrnehmen würden und die Funktions- und Tätigkeitsbereiche damit überwiegend nach außen gewandt seien, vgl. dazu OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 492 (496). 222 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 2. 223 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 1. 224 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 222. 225 Dazu und zum Folgenden: Heine, in: Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, S. 93 ff.; Khoury/Hagemann/Heine, IslamLexikon, Stichwort „Moschee“, S. 536.

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Zweck derselben bestehe, da dieser Status islamischen Vereinigungen auch vor allem dazu diene, auf die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichtes hinzuwirken.226 Dies wird umso nachvollziehbarer, wenn man sich vor Augen führt, dass für einen Muslim die Religiosität in einem jeden Handeln liegen kann, soweit er sich des religiösen Charakters bewusst ist und das Handeln in Hingabe zu Gott erfolgt. Nach islamischem Verständnis können damit auch Handlungen, die nicht in der Vornahme eines religiösen Kultus bestehen, der religiösen Handlungsebene zugerechnet werden.227 Die Beurteilung, wann eine islamische Vereinigung ihren religiösen Konsens umfassend bezeugt, ist damit nur schwerlich und schon gar nicht allgemeingültig für alle Gemeinschaften möglich. Es stellt sich also die Frage, wie das Merkmal einer umfassenden Konsensbezeugung unabhängig von christlichen Wirkweisen interpretiert werden kann und wie sich dieses bei den von Gläubigen losgelösten formalrechtlichen Strukturen der Dachverbandsorganisationen darstellt. Deutlich wird jedenfalls schon vor dem Hintergrund des Gesagten, dass der Anspruchsgehalt des dritten religionsgemeinschaftlichen Merkmals offener interpretiert werden muss, soll eine Verchristlichung vermieden und dem Prinzip der Parität und der religiösen Neutralität des Staates Rechnung getragen werden. Im Schrifttum wird mit Blick auf das religiöse Selbstverständnis islamischer Vereinigungen die Ansicht vertreten, dass die Zentralität des religiösen Zwecks eine schwerpunktmäßige Vornahme eines kultischen Verhaltens nicht verlange.228 Spriewald und Isak verweisen darauf, dass es maßgeblich vom Inhalt abhänge, ob solche Aktivitäten erfolgten, die der Staat zwar erkennen, aber nicht zur notwendigen Voraussetzung von Rechtsbegriffen machen könne.229 Der von Dietrich in diesem Kontext verfolgte Ansatz leitet über zu der Frage, welche Anforderungen an die umfassende Konsensbezeugung von Dachverbänden zu stellen sind. Indem sie fragt, wozu es dem Glauben nach des Zusammenschlusses bedarf, nähert sie sich dieser Fragestellung von der Gegenseite an und sucht die Lösung in einer religionsimmanenten Abgrenzung zum religiösen Verein, indem sie gerade nicht von dem Kriterium der allseitigen religiösen Zweckrichtung ausgeht, sondern von einer Differenzierung zwischen der verbandlichen Öffentlichkeits- und Binnenarbeit.230 Dabei reiche es in Hinblick auf ersteres aus, dass sich der Dachverband für die daraus resultierenden Aufgaben aus einer 226 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 221; siehe dazu Ucar, in: Häberle/Hattler, Islam – Säkularisierung – Religionsrecht, S. 27 (30). 227 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 220 ff.; Ucar, in: Häberle/Hattler, Islam – Säkularisierung – Religionsrecht, S. 27 (30). 228 Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (63 f.); Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 115. 229 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 115; dazu und zur Ermittlung des Selbstverständnisses durch staatliche Stellen: Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften und seine Bedeutung für die Auslegung staatlichen Rechts, S. 140 ff. 230 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 223.

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umfassenden religiösen Zweckrichtung heraus einsetze, im Gegensatz zum religiösen Verein, der sich nur der Bewältigung von Einzelfragen widme.231 b) Besondere Anforderungen an die Konsensbezeugung durch Dachverbände: Identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung und gläubigenumfassender Glaubensvollzug Unter Zugrundelegung einer Gesamtbetrachtungsperspektive erkannte das BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung an, dass die umfassende Wahrnehmung religiöser Aufgaben nicht allein auf der Dachverbandsebene, sondern durch das Zusammenwirken der einzelnen Organisationsebenen erfolgen könne. In einer pluralen, auch nichtreligiöse Gegenstände umfassenden Ausrichtung von islamischen Dachverbänden, sieht das BVerwG keinen alleinigen Hinderungsgrund, solange die Dachverbandsebene qualifizierte Anforderungen in Form einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung sowie eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs erfüllt. Diese Kriterien erscheinen nicht nur geeignet, der (schnelllebigen) Organisationsweise und dem Selbstverständnis islamischer Dachverbände angemessen Rechnung zu tragen. Es liegt zudem nahe, dass das Gericht der mit der Praxis der „Überstülpung der Mitgliedschaft“ einhergehenden Rechtsproblematik sowie mit der zweiten Anforderung eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs der Problematik gemischter Dachverbände begegnen wollte. Für den Ansatz spricht, dass dadurch auch der von Verfassungs wegen gebotenen Abgrenzung zum religiösen Verein Rechnung getragen werden kann, wobei allerdings in der Beurteilung, welche Handlung als der religiösen Handlungsebene zuträglich gezählt werden kann, das islamische Selbstverständnis Beachtung finden muss.232 aa) Identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung Die Anforderung der identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung durch die Dachverbandsebene erschließt das Gericht unter Hinweis auf die primäre Beachtung des Selbstverständnisses233 im Wege der Kontrastierung bzw. Typisierung von durch die Vereins- bzw. Verbandsebene ergehenden „Lebensäußerungen“: Während sich die gemeindliche Aufgabenwahrnehmung vordergründig in Kultushandlungen, wie dem Abhalten von Gebeten oder Gottesdiensten, äußere, manifestierten sich diese

231

Siehe ebenda. OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 492 (495). 233 Dadurch, dass nach dem BVerwG für die Beurteilung zunächst das Selbstverständnis der Gemeinschaft zu beachten ist, ist auch die Kritik de Walls, wonach in der qualifizierten Anforderung der „identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung“ eine das Selbstbestimmungsrecht nicht zu rechtfertigende Einschränkung bestehe, unbegründet, vgl. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 12. Mit der Bestimmung dieser Anforderung trägt das BVerwG gerade der gesetzlichen Konzeption einer Religionsgemeinschaft Rechnung. 232

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auf der überörtlichen Ebene vornehmlich in dem Wirken eines geistlichen Oberhauptes sowie in der Ausübung von Lehrautorität.234 Problematisch mutet an, dass „im Islam“ die institutionelle Einrichtung von Lehrautoritäten nicht stets allgemein anerkannt ist.235 Wenngleich nur im Schiismus klerikale Hierarchien anerkannt werden, gibt es auch bei den Sunniten einige wenige theologische Institutionen, als richtungsweisend in dieser Hinsicht wird die AlAzhar Universität in Kairo eingestuft.236 Diese Strukturen sind für einen Laien schwerlich durchschaubar, da sie auch in der Regel durch die islamischen Gemeinschaften nicht offengelegt werden, beispielsweise durch entsprechende Satzungsbestimmungen. Hinzukommt,237 dass die Funktion eines Imams jeder Muslim übernehmen kann, der körperlich dazu fähig ist. Sie changiert sogar stets und ist in der Regel ein Zeichen des Respekts der Betergemeinschaft gegenüber dem ausgewählten Muslim.238 Treffender ist es, mit de Wall auf das Vorhandensein entsprechender Aus- und Fortbildungsstätten abzustellen, die auf der Dachverbandsebene angesiedelt sind und der wissenschaftlichen Pflege der Religion dienen.239 Diese Einrichtung vermag dadurch, dass sie einen maßgeblichen Beitrag zur religiösen Identitätsbildung leistet, den einzelnen Gläubigen dauerhaft einzubeziehen.240 Unter Berücksichtigung dessen, dass auch in der gesellschaftlichen Verankerung von Religionsunterricht nach islamischem Selbstverständnis eine der Glaubenspflege zuträgliche Handlung gesehen werden kann, kann sich dies in der Bewertung positiv auswirken. Berücksichtigt werden kann auch, dass die gesellschaftliche Verankerung der Religion für den Diaspora-Islam einen höheren Stellenwert einnimmt, gerade auch um den hierzulande lebenden Muslimen die Religionsausübung in einem größeren Ausmaß zu ermöglichen.241 In Anbetracht dessen, dass die Grenzen der Konsensbezeugung auch nicht zu weitläufig sein dürfen, sollten aber noch weitere religiöse Momente zu der Bewertung, die zur Herstellung bzw. Festigung der gemeinschaftlichen Identität weiterhin beitragen, hinzukommen.

234

BVerwG, NJW 2005, 2101 (2104). de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 14. 236 Wick, in: Häberle/Hattler, Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 41 (43). 237 Teilweise werden Imame durch verbundene Organisationen entsendet und fest eingestellt oder direkt durch eigens durch die Verbände eingerichtete Ausbildungsstätten ausgebildet. Mangels einer Einheitlichkeit erscheint das durch de Wall zu Grunde gelegte Kriterium zuverlässiger für die Feststellung, dass der Verband in einer identitätsstiftender Weise Aufgaben verrichtet. 238 Heine, Der Bürger im Staat 4 (2001), S. 195 ff. 239 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 14. 240 BVerwG, NJW 2005, 2101 (2104). 241 So bereits die Beobachtung von Johansen, EssGspr. 20 (1986), S. 12 (60). 235

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bb) Gläubigenumfassender Glaubensvollzug Der zweiten Anforderung eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzuges legt das BVerwG die Prämisse zu Grunde, dass die „Tätigkeiten auf der Dachverbandsebene einen Beitrag zur Erfüllung der durch die islamische Konfession gestellten Aufgaben (sind), der für die Gläubigen in den Moscheevereinen geleistet wird“.242 Erforderlich für die Wahrung des Charakters einer Gesamtorganisation sei, dass die Tätigkeiten der Verbandsebene durch die ihr angeschlossenen Moscheevereine und deren regionalen Zusammenschlüsse geprägt würden.243 Die Moscheevereine dürften demnach die religiösen Aufgaben nicht nur partiell erfüllen. In Abgrenzung zum religiösen Verein spricht das BVerwG den örtlichen Gemeinden die Rolle von „Garanten des Religionsbezugs der Gesamtorganisation“244 zu. Wie de Wall konstatiert, ist die Frage, ob die Moscheegemeinden das Leben gemischter Dachverbände prägen, eine des tatsächlichen Verbandslebens.245 Zur Ausgestaltung der Interaktivität der Organisationsbeziehung hinsichtlich der „gemeinsamen Pflege der Religion“ zwischen den einzelnen Akteuren äußert sich das Gericht nicht ausdrücklich, zumal es eine formale mitgliedschaftliche Bindung der den Basisvereinen angehörenden Mitglieder an den Dachverband grundsätzlich für nicht erforderlich hält. Ausgehend von diesen Grundannahmen - der Anerkennung der Mehrgliedrigkeit des Organismus Religionsgemeinschaft, dem Abgrenzungserfordernis zum religiösen Verein unter Heranziehung der aus dem Merkmal der identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung hervorgehenden, typischen Lebensäußerungen der jeweiligen Ebenen – kann diese erschlossen werden. Zum selben Ergebnis kommt auch Hennig mittels des Kontrastierens der vertikalen mit der horizontalen Arbeitsteilung:246 Bei der horizontalen Arbeitsteilung – so bei religiösen Vereinen – agieren die verschiedenen Vereine einer Organisationsebene nebeneinander, ihre Bekenntnispflege vollzieht sich partiell in den jeweiligen Moscheevereinen. Diese und ihre Interessen werden durch eine höhere Ebene lediglich zusammengehalten. Die vertikale Arbeitsteilung ist dagegen durch die Identität aller auf einer Organisationsebene sich befindenden Vereine gekennzeichnet. Der Glaubensvollzug ist in der Hinsicht gemeinsam und umfassend, als die Bekenntnispflege aller Gläubigen in gleicher allseitiger Weise erfolgt. Anders als bei der horizontalen Arbeitsteilung erfährt das durch die Moscheevereine den Gläubigen zur originären Glaubenspflege offerierte Angebot eine Ergänzung durch dachverbandliches Handeln in Form der Glaubenserziehung. Darin wird sichtbar, dass be242 243 244 245 246

BVerwG, NJW 2005, 2101 (2106 f.). BVerwG, NJW 2005, 2101 (2104). Hennig, ZAR 4/2007, S. 133 (136). de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 32. Dazu und zum Folgenden: Hennig, ZAR 4/2007, S. 133 (136).

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reits das erste Merkmal der identitätsstiftenden Aufgabenverrichtung auf das Erfordernis einer vertikalen Arbeitsteilung hindeutet bzw. es komplettiert. Zuzustimmen ist dem BVerwG, das ausführt, dass die vorweg beschriebene Verklammerung für eine direkte Einbeziehung des Gläubigen nicht ausreichend sei. Im Zentrum der Religionsausübung steht der einzelne Gläubige,247 so dass, wie Hennig auf der Grundlage des BVerwG-Urteils schlussfolgerte, die Interaktionsbeziehung bei Moscheevereinen und übergeordneten Organisationseinheiten nur in Form der vertikalen Arbeitsteilung erfolgen kann. Diese Unterscheidung ermöglicht eine Abgrenzung von dem Institut des religiösen Vereins: Während eine horizontale Arbeitsteilung gegen eine gemeinsame und umfassende Glaubenspflege spricht, kann eine solche bei vertikaler Arbeitsteilung, soweit die Aufgabenwahrnehmung in einer identitätsstiftenden Weise erfolgt, angenommen werden. c) Zusammenhang mit der Praxis „Überstülpung der Mitgliedschaft“ Das BVerwG hat, ausgehend von dem Erfordernis einer personalen Grundlage, qualifizierte Anforderungen an die Dachverbandsebene in Form einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung sowie eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs aufgestellt. Während auf die Wahrnehmung identitätsstiftender Aufgaben insbesondere die Einrichtung von Aus- und Fortbildungsstätten schließen lässt, manifestiert sich ein Glaubensvollzug durch die Dachverbandsebene, an dem auch die Gläubigen in den angeschlossenen Moscheevereinen teilnehmen, in einer vertikalen Arbeitsteilung. Auf diesem Wege wird einerseits der von Verfassungs wegen gebotenen Abgrenzung zum Institut des religiösen Vereins Rechnung getragen, zum anderen kann so komplexen Rechtsproblemen begegnet werden, die in spezifisch islamischen Strukturen und Praktiken wurzeln. Ein solches Rechtsproblem stellt die undurchsichtige Aufnahmepraxis islamischer Dachverbände dar, die in dem Phänomen der „Überstülpung der Mitgliedschaft“ kulminiert. Bei dieser Praxis, die in Zusammenhang mit dem ersten prägenden Merkmal einer Religionsgemeinschaft und den Fragen personaler Rückbindung zu sehen ist, wird nachträglich, das heißt erst nach dem Beitritt des Basisvereins zum Dachverband, die mittelbare Mitgliedschaft natürlicher Personen begründet.248 Abgesehen davon, dass bei dieser Praxis regelmäßig infolge der Begründung einer Zwangsmitgliedschaft die negative Religionsfreiheit der betreffenden Gläubigen verletzt werden kann, ist nicht mehr gewährleistet, dass die einzelnen Gläubigen und der Dachverband durch einen Glaubenskonsens verbunden sind.249 Der sachliche, untrennbare Zusammenhang zwischen der personellen Konstitution einer Religionsgemeinschaft und dem Fortbestehen eines gemeinsamen Glaubenskonsenses wird deutlich in Hinblick auf seine 247 248 249

BVerwG, NJW 2005, 2101 (2103). Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 235. Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 234.

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grundlegende Funktion als Bindeglied. Dadurch, dass die Begründung eines Konsenses ursprünglich auf natürliche Personen zurückzuführen ist, indiziert er auch das Vorhandensein der Gläubigen. Das ununterbrochene Fortbestehen des religionsgemeinschaftlichen Glaubenskonsenses stellt damit gewissermaßen einen Indikator dafür dar, dass der Gläubige noch im Mittelpunkt der Vereinigung steht, so wie die grundgesetzliche Konzeption es erfordert. In dem Fall, dass ein Glaubenskonsens in einer Religionsgemeinschaft nicht mehr vorhanden ist, würde diese nur noch eine formale Hülle bilden und könnte die kollektive Ausübung der Religionsfreiheit nicht mehr ermöglichen. Dies kann als Zweckentfremdung gewertet werden. Diese Erwägungen klangen bereits in der Argumentation der Vorinstanzen sowie in den durch die Literatur propagierten (strengen) Forderungen, beispielsweise nach einer gelebten Gemeinschaft natürlicher Personen auf der Dachverbandsebene, an. Sie zeigen, dass das grundlegende Problem für die Einstufung eines verbandlichen Zusammenschlusses strukturell nicht ausschließlich in seiner Mehrgliedrigkeit wurzelt, sondern in einem engen Zusammenhang mit der Rechtsfrage nach der Aufrechterhaltung des durch alle Mitglieder geteilten Glaubenskonsenses gesehen werden muss. Die Ursache allein in der verbandlichen Mehrgliedrigkeit mit seiner Konstitution durch juristische Personen zu sehen, würde der Komplexität der Problematik nicht gerecht werden. Das Aufstellen qualifizierter Anforderungen erscheint geeignet, im Wege der Stärkung der individuellen Religionsfreiheit dieser Rechtsproblematik sowie dem Phänomen schnelllebiger sowie gemischter Dachverbände zu begegnen. Dass das Gericht der gesetzlichen Konzeption des Gläubigen im Zentrum letztlich doch Rechnung trug, ist als Kurskorrektur einer ansonsten anzunehmenden deregulierenden Tendenz zu sehen. Den entscheidenden Schritt in einem Ausgleich nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz und Fortentwicklung ist hier die Judikative gegangen.

II. Zusammenfassung mit Blick auf das Urteil des OVG Münster vom 09. 11. 2017 sowie den Beschluss des BVerwG vom 20. 12. 2018 Unter Anknüpfung an die Anschützsche Begriffsbestimmung einer Religionsgemeinschaft bestand in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass sich ein religionsgemeinschaftlicher Zusammenschluss unmittelbar durch seine Gläubigen zusammensetzt. Das BVerwG statuiert einen Paradigmenwechsel, indem es das Bestehen einer unmittelbaren personellen Rückbindung zwischen der im Außenverhältnis rechtlich tätig werdenden formaljuristischen Struktur und den Gläubigen als natürlichen Personen nicht für notwendig befindet. Im Fokus der gerichtlichen Betrachtung steht der Gesamtorganismus Dachverband, dessen personale Grundlage auch durch die Mitglieder der lokalen, dem Dachverband angehörenden Moscheevereine gebildet werden kann. Erst diese müssen über ein formelles Mitgliedschaftsrecht verfügen. Diese freiheitsrechtliche, das religiöse Selbstverständnis

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der Religionsgemeinschaft betonende Deutung, wird dadurch untermauert, dass in Anlehnung an die Bahá’í-Entscheidung des BVerfG laut dem BVerwG an das erforderliche Maß an rechtlicher Organisation nur Mindestanforderungen gestellt werden können. Demnach können durch die durch das Gericht eingenommene freiheitliche Gesamtbetrachtungsperspektive auch mehrgliedrige Organismen, wie es islamische Dachverbände regelmäßig sind, als religionsgemeinschaftlicher Zusammenschluss eingestuft werden. Maßgeblich in der Beurteilung, ob einer religiösen Gemeinschaft ein religiöser Grundkonsens zu Grunde liegt, ist in erster Linie das religiöse Selbstverständnis. Während in Rechtsprechung und Schrifttum zunächst die Auffassung dominierte, dass eine Gemeinschaft über ein spezifisches religiöses Profil verfügen und dies auch hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müsse, hat das BVerwG in seinem Urteil aus dem Jahr 2005 zur Ausrichtung islamischen Religionsunterrichts durch islamische Verbände eine Festlegung auf die für alle Muslime verbindlichen Glaubensgrundlagen von Koran und Sunna für hinreichend dafür befunden, dass der Verband die konfessionellen Unterschiede für überwindbar hält. Es ist zudem nicht schädlich, wenn sich Angehörige desselben Bekenntnisses in verschiedenen Gemeinschaften vereinigen. Aus dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht folgt weiterhin, dass ein islamischer Dachverband nicht alle Gläubigen einer religiösen Richtung oder gar „des Islams“ auf einem bestimmten Gebiet erfassen muss. In diesem Sinne ist auch die Begründung von Doppelmitgliedschaften einzelner Moscheegemeinden bei zwei Dachverbänden gestattet. Angeraten wird jedoch, dies zur Wahrung der Übersichtlichkeit zu vermeiden bzw. eine Gastmitgliedschaft zu dokumentieren.250 Auf eine lokale Konzentration aller Gläubigen für die Begründung einer Religionsgemeinschaft kann verzichtet werden – und demnach auch auf den begrifflichen Zusatz nach Anschütz „auf ein Gebiet“. Für die Überprüfung, ob die Konsensbezeugung einer religiösen Gemeinschaft umfassend erfolgt, ist in erster Linie ihr Selbstverständnis maßgeblich. Angesichts des von Verfassungs wegen gebotenen Abgrenzungserfordernisses der Religionsgemeinschaft zum religiösen Verein ist mit dem BVerwG eine lediglich nach außen gewandte Interessenvertretung als nicht ausreichend zu erachten. Dem und der deregulierenden Tendenz des ersten Merkmals, wonach eine unmittelbare personale Konstitution der dachverbandlichen Ebene nicht mehr erforderlich war, Rechnung tragend, stellte es zwei weitere religiöse Merkmale auf, die den umfassenden Beitrag zur Identitätsbildung belegen. Während sich eine identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung im gemeindlichen Kontext vordergründig in Kultushandlungen, wie dem Abhalten von Gebeten oder Gottesdiensten, äußert, zeigen sie sich auf der überörtlichen Ebene insbesondere in dem Wirken eines geistlichen Oberhauptes sowie in der Ausübung von Lehrautorität. Weiterhin muss ein gläubigenumfassender Glaubensvollzug gewährleistet sein. Im Rahmen einer 250

de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 24.

B. Die Klassifizierung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft

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vertikalen Arbeitsteilung mit dem Dachverband nehmen die Moscheegemeinden die Rolle der Garanten des Religionsbezugs ein. Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerwG ist eine Religionsgemeinschaft ein Zusammenschluss natürlicher Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen auch der nachgeordneten Ebene angehören können – ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben, die bei mehrgliedrigen Organismen in einer allseitigen, identitätsstiftenden sowie gläubigenumfassenden Weise vollzogen werden müssen. Diese Kriterien legte auch das OVG Münster in seinem Urteil vom 09. 11. 2017 zu Grunde. Danach haben der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. keinen Anspruch auf die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG in Nordrhein-Westfalen, da sie keine Religionsgemeinschaften seien. Damit wollten die Verbände den provisorischen Religionsunterricht, eingeführt als Modellversuch 2012, ersetzen. Demnach wurden die Lehrinhalte weiterhin durch einen Beirat bestimmt, dessen Mitglieder zur Hälfte aus Vertretern bestanden, die das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den islamischen Verbänden bestimmt.251 Das OVG Münster verneinte das Bestehen des Anspruches, da sich nicht feststellen lasse, dass der Verband „über die satzungsmäßig vorgesehene mit Sachautorität und -kompetenz ausgestattete Instanz in Bezug auf seine identitätsstiftenden Aufgaben auch tatsächlich verfügt und eine von ihm in Anspruch genommene Autorität in Lehrfragen in der gesamten Gemeinschaft bis hinunter zu den örtlichen Moscheegemeinden reale Geltung hat“.252 Dieses Urteil hat das BVerwG mit seinem Beschluss vom 20. 12. 2018 auf die Nichtzulassungsbeschwerden der islamischen Verbände nun aufgehoben und die Sache erneut an das Berufungsgericht zurückverwiesen.253 Das OVG Münster habe die verwaltungsprozessrechtliche Bindung an die tragenden rechtlichen Erwägungen des ersten in dieser Sache ergangenen Revisionsurteils nicht hinreichend beachtet; die Einrichtung eines Lehramts hänge von dem Selbstverständnis der betreffenden Gemeinschaft ab. Weiterhin sei das Gericht der Frage der Respektierung der Verfassungsordnung nicht hinreichend nachgegangen, die Kläger hätten sich nicht in zentralen Konfliktfragen des Islams in Deutschland wie dem Verhältnis von Grundgesetz und Scharia, der Stellung der Frauen und der religiösen Toleranz geäußert.254 Der Beschluss zeigt, dass es sich bei den durch das BVerwG in 2005 251 Siehe dazu den Online-Artikel der Süddeutschen Zeitung „Muslimische Verbände scheitern vor Gericht“ v. 09. 11. 2017, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/nord rhein-westfalen-muslimische-verbaende-scheitern-vor-gericht-1.3742681 (Stand: 15. 12. 2017). 252 OVG Münster, Urteil v. 09. 11. 2017 – 19 A 997/02 –, Leitsatz (juris). 253 BVerwG, Beschluss v. 20. 12. 2018 – 6 B 94.18 –. 254 Dazu die Pressemitteilung Nr. 91/2018 v. 21. 12. 2018 des BVerwG, abrufbar unter: http: //www.bverwg.de/pm/2018(92 (Stand: 12. 01. 2019); siehe dazu diese Arbeit Teil 4 D. II. 2. b).

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

aufgestellten Anforderungen um „harte Kriterien“ handelt und islamische Verbände genau darlegen müssen, dass sie diese auch erfüllen. Aber auch mit Blick auf staatliche Stellen wird die freiheitsrechtliche Dimension des religiösen Selbstverständnisses als einem tragenden Grundgedanken des BVerwG-Urteils von 2005 als bindende Maßgabe erneut aufgezeigt.

C. Die Klassifizierung des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ als Religionsgemeinschaft I. Die Gutachtenerstellung in Hamburg Die Frage der Religionsgemeinschaftseigenschaft wurde im Rahmen der Verhandlungen zur Vereinbarung zwischen den Vertretern der Hamburger Senatskanzlei und der islamischen Verbände kontrovers diskutiert, an ihr wäre fast das Zustandekommen des Vertrages gescheitert. Noch im Ergebnisprotokoll der Sitzung vom 04. Juni 2010 heißt es: „Eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft […] stelle jedoch eine unabdingbare Forderung dar, von deren Erfüllung die Akzeptanz einer Vereinbarung bei den Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaften ganz entscheidend abhänge. Ohne eine Lösung in dieser Frage könne der Eindruck entstehen, dass die muslimischen Gemeinschaften lediglich als Legitimationsinstrumente für die Lösung eher verwaltungsseitiger Probleme herhalten sollten. Auf dieser Grundlage markiere eine Vereinbarung für die muslimischen Gemeinschaften gegebenenfalls eher einen Rückschritt […].“255 Man einigte sich schließlich, ein entsprechendes rechtswissenschaftliches Gutachten einzuholen. Am 09. März 2011 veröffentlichte der Rechtswissenschaftler Heinrich de Wall das Rechtsgutachten über die Eigenschaft von „DITIB Landesverband Hamburg e. V.“ „SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V.“ und „Verband der Islamischen Kulturzentren“ e. V. Köln als Religionsgemeinschaften und weitere Aspekte ihrer Eignung als Kooperationspartner der Freien und Hansestadt Hamburg in religionsrechtlichen Angelegenheiten. de Wall stellte die Religionsgemeinschaftseigenschaft der islamischen Verbände jedoch aus mehreren Gründen nicht endgültig und abschließend fest. Zum einen heißt es in seinem Gutachten: „Die Feststellung, ob eine Gemeinschaft Religionsgemeinschaft ist, ist insgesamt und abschließend nur auf der Grundlage einer wertenden Entscheidung möglich, die sowohl die rechtlichen Grundlagen der Vereinigung als auch deren tatsächliches Wirken berücksichtigt.“256 Zwangsläufig seien die folgenden Äußerungen auf die rechtliche Seite beschränkt und ließen „keinen endgültigen 255

Ergebnisprotokoll v. 26. 05. 2009 der Hamburgischen Senatskanzlei des Gesprächs mit der DITIB, der Schura und dem VIKZ v. 04. 06. 2016, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06-02. 256 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 14.

C. Die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft

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Schluss auf die Religionsgemeinschaftseigenschaft der Verbände zu.“257 Zudem gab er in seinem Gutachten des Öfteren die Empfehlung, bestimmte Punkte in den Satzungen deutlicher zu regeln und zeigte auch konkrete Problempunkte auf, wie das Fehlen eines Mitgliedschaftsrechtes bei Schura und VIKZ sowie die Anbindung des DITIB-Landesverbandes an den türkischen Staat. Maßgabe seiner Beurteilung war insbesondere das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005, so dass der spätere Beschluss aus 2018 die Wahl seines Maßstabs bekräftigte. Auf Grund des erstgenannten Punktes holte der Hamburger Senat ein weiteres Gutachten von der Religionswissenschaftlerin Gritt Klinkhammer ein, welches auf „der Grundlage einer stichpunktartigen Konsultation der den Verbänden zugehörigen Gemeinden, Gesprächen mit Gemeindemitgliedern und der Lektüre von kursierenden Gemeindebroschüren, Infoblättern u. ä.“258 basiert und am 20. 04. 2012 veröffentlicht und überprüft, ob „die Satzungen auch gelebt“ werden. Zweifelsfrei stellt darin die Religionswissenschaftlerin gleich zu Beginn des Gutachtens heraus, „dass es sich beim Islam um eine Religion im […] religionswissenschaftlichen Sinn handelt“.259 Dass die Klärung der Rechtsfragen nicht ganz unproblematisch war, wird auch dadurch deutlich, dass am 07. 04. 2011 zudem eine Ergänzende Stellungnahme zum Entwurf einer Satzung des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren Hamburg erstellt wurde.260

II. Überprüfungsmaßstab und -gegenstand Die Feststellung, ob eine religiöse Gemeinschaft Religionsgemeinschaft ist, sieht sich demnach vor mehrere Schwierigkeiten gestellt, die nicht allein in politischen Kontroversen begründet liegen. Hense merkt zutreffend an, dass eine rechtswissenschaftliche Prüfung nicht ausreichend sei, sie zudem ergänzender fachwissenschaftlicher Expertise und religionswissenschaftlicher Untersuchung bedürfe.261 Darüber hinaus liege ein „Webfehler“ zudem dann darin, dass „beide Perspektiven eher unverbunden nebeneinander stehengelassen werden anstatt sie miteinander zu verknüpfen und dabei nochmals eingehend zu reflektieren, bevor dann – in einem weiteren Schritt – gesamtbewertende Schlussfolgerungen gezogen werden (müssten), in die vielleicht auch religionspolitische Bewertungen einfließen können“.

257

Siehe ebenda. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 2. 259 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 8. 260 Allerdings konnte die Frage der Verfasserin, ob ein solcher Landesverband nun tatsächlich auch gegründet wurde, bis zum Abschluss dieser Arbeit nicht beantwortet werden. 261 Dazu und im Folgenden Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (286). 258

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Außer Acht gelassen werden sollte dabei nicht, dass die Satzungen als die einem Zusammenschluss niedergelegte rechtliche Ordnung Aufschluss über die Ausrichtung verbandlicher Arbeit und die religiöse Grundlage geben und auch (wahrscheinliche) einschlägige Problempunkte aufzeigen können. Im Folgenden soll unter Zugrundelegung der oben herausgearbeiteten Anforderungen des Religionsgemeinschaftsbegriffes auf der Grundlage einschlägiger Satzungen überprüft werden, ob und inwieweit die Verbände in Hamburg diese erfüllen bzw. einschlägige Problempunkte aufgezeigt werden. Einerseits soll so ein Abgleich zwischen Rechtsgrundlage in Form der jeweiligen Satzung und den in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien gegeben werden, andererseits sollen flankierend – soweit erforderlich – die diesbezüglichen religionswissenschaftlichen Ausführungen Klinkhammers herangezogen werden.262 Da es im Ergebnis auf das Zusammenwirken rechts-, religionswissenschaftlicher und weiterer (tatsächlicher) Faktoren ankommt, kann zwar in einer rechtswissenschaftlichen Arbeit keine letztverbindliche Feststellung hinsichtlich der Religionsgemeinschaftseigenschaft getroffen werden; im Rahmen einer Gesamtbetrachtung kann auf dieser Grundlage jedoch zumindest in Abgrenzung von einer Interessenvertretung eine erste Einschätzung gegeben werden. Unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Begriffsbestimmung ist eine Religionsgemeinschaft ein Zusammenschluss natürlicher Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen auch der nachgeordneten Ebene angehören können – ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben, die bei mehrgliedrigen Organismen in einer allseitigen, identitätsstiftenden sowie gläubigenumfassenden Weise vollzogen werden müssen. Maßgeblich ist der im Bahá’í-Beschluss des BVerfG entwickelte und durch das BVerwG in seinem Urteil zum islamischen Religionsunterricht übernommene verfassungsrechtliche Überprüfungsmaßstab, wonach im Rahmen einer wertenden Entscheidung nicht nur die Behauptung und das entsprechende Selbstverständnis maßgeblich sind, sondern es sich auch „tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild“ um eine Religion bzw. eine Religionsgemeinschaft handeln muss.263

262

Religionswissenschaftliche Dimensionen zur Bewertung der umfassenden Religionspflege sind die des geistigen Gehalts, der äußeren Erscheinung, der Struktur, der Religionspflege und der Art der religiösen Angebote. Das Gutachten Klinkhammers orientiert sich an diesen Dimensionen, vgl. dazu dies., Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 29 ff. 263 BVerfGE 83, 341; BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2102).

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Die Überprüfung erfolgt auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Vereinbarungsabschlusses geltenden Satzungsfassungen.264

III. Die Religionsgemeinschaftseigenschaft der islamischen Verbände 1. Behauptung und entsprechendes Selbstverständnis der islamischen Verbände Indem sich alle drei Verbände in ihren Satzungen als (islamische) Religionsgemeinschaft bezeichnen, verfügen sie auch über ein entsprechendes Selbstverständnis (§§ 1 Abs. 5, 2 Abs. 1 S. 2 DITIB-Landesverbandssatzung, § 2 S. 1 Schura-Satzung, § 1 Abs. 4 VIKZ-Satzung). Darüber hinaus verweist der VIKZ in § 1 Abs. 4 S. 2 VIKZ-Satzung auf ein Schreiben des Innenministeriums des Landes NordrheinWestfalen vom 12. 08. 1994, in welchem dem Verband die Religionsgemeinschaftseigenschaft in Nordrhein-Westfalen „attestiert“ wird.265 Da es im deutschen Recht jedoch kein Anerkennungsverfahren des Religionsgemeinschaftsstatus gibt, ist de Wall in der Hinsicht zuzustimmen, dass die Feststellung der Religionsgemeinschaftseigenschaft durch das nordrhein-westfälische Innenministerium keine über den Begründungscharakter im Einzelfall hinausgehende Wirkung hat.266 2. Die Religionsgemeinschaftseigenschaft a) Zusammenschluss von natürlichen Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen der nachgeordneten Ebene angehören können Der DITIB-Landesverband und der VIKZ tragen die Verbandsbezeichnung bereits im Vereinsnamen. Bei der Schura können nach § 4 Abs. 1 Schura-Satzung lediglich juristische Personen die Mitgliedschaft erlangen, es handelt sich bei dieser Vereinigung demnach um einen Dachverband in Reinform. 264 Satzung des Vereins DITIB-Landesverband in der Fassung der Änderung vom 28. 06. 2009 (DITIB-Landesverbandssatzung); Satzung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (D.I.T.I.B.) Köln mit dem Stand vom 08. 11. 2009 (DITIB-Satzung); eine Mustersatzung für die DITIB-Gemeinden nach dem Stand 11. 10. 2010 (DITIB-Gemeindesatzung); Satzung mit dem Stand der Änderung vom 18. 04. 2010 (Schura-Satzung); Satzung der islamischen Kulturzentren e. V. Köln (VIKZ-Satzung); Satzung des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren Hamburg. 265 Schreiben des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. August 1994, Az. IV A 3-224-o. Darin wird darauf verwiesen, dass eine Meldepflicht nach § 19 Durchführungsverordnung zum Vereinsgesetz für den VIKZ nicht greife, da für diesen als Religionsgemeinschaft keine Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 S. 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts bestehe. Vgl. dazu de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 5. 266 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 5.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Der DITIB-Landesverband gehört der „mittleren Ebene einer dreistufigen Dachverbandsorganisation“267 des Bundesverbandes mit Sitz in Köln an. Nach § 8 Abs. 3 DITIB-Landesverbandssatzung sind „Mitglieder zudem alle Gemeinden im Tätigkeitsbezirk des Verbandes, die auch Mitglied bei der DITIB sind und die die Mitgliedschaft beim Verband beantragen“. Das Verhältnis zwischen der Landes- und Bundesebene wird in den §§ 2 Abs. 2, 19, 21 Abs. 1, 22 Abs. 4, 23 DITIB-Landesverbandssatzung näher ausgestaltet. Neben juristischen können auch natürliche Personen die Mitgliedschaft beim DITIB-Landesverband erlangen, § 8 Abs. 1 DITIB-Landesverbandssatzung. Infolgedessen ist er als Mischverband einzustufen. Auch der VIKZ ist als Mischverband verfasst, § 6 Abs. 1 VIKZ-Satzung. Nach der derzeitigen Informationslage ist davon auszugehen, dass der VIKZ (noch) keinen Landesverband unterhält, was, wie de Wall konstatiert, für die Einstufung als Religionsgemeinschaft angesichts seines organisatorischen Selbstbestimmungsrechts aber nicht schädlich ist.268 Alle drei Verbände widmen sich laut ihrer Satzungen der übergemeindlichen Religionspflege (§§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1, 2 DITIB-Landesverbandssatzung; § 2 S. 2 Schura-Satzung; §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 VIKZ-Satzung). Angesichts ihrer verbandlichen Organisationsweise finden die in der Rechtsprechung entwickelten Besonderheiten zu formalrechtlichen Organisationen Anwendung. aa) DITIB-Landesverband Der DITIB-Landesverband ist im Vereinsregister eingetragen.269 Als eingetragener Verein erfüllt er das zu fordernde organisatorische Minimum ohne weiteres. Die gerichtliche sowie die außergerichtliche Vertretung erfolgt durch den Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied, wodurch der Gemeinschaft die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Staat oder Dritten auch möglich ist, § 18 Abs. 1 DITIB-Landesverbandssatzung.270 Als Mischverband konzipiert, ergibt sich eine personale Grundlage demnach unmittelbar über die natürlichen Verbandsmitglieder und mittelbar über diejenigen, die den angeschlossenen Mitgliedsgemeinden angehören. Der strukturelle Zusammenhalt des DITIB-Landesverbandes ergibt sich in tatsächlicher Hinsicht durch die Beitrittsbeschlüsse seiner Mitgliedsgemeinden, er manifestiert sich zudem in der Übernahme einer Mustersatzung durch alle Gemeinden. In geistiger Hinsicht wird der strukturelle Zusammenhalt durch die gemeinsame Konfession der Mitglieder unter Erfüllung der anschließend darzustellenden Anforderungen des Homogenitätspostulats gewährleistet. Dies ist gerade in den DITIB267 268 269 270

de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 15. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 19. Dazu § 1 DITIB-Landesverbandssatzung. So auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 19.

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Gemeinden unproblematisch, denn diese eint ein besonders hohes Maß an konfessioneller Homogenität angesichts ihrer engen Anbindung an die türkische Religionsbehörde Diyanet.271 Die Maßgabe eines geistigen Zusammenhalts wird auch durch die Bestimmung des § 2 Abs. 4 DITIB-Gemeindesatzung verstärkt, wonach durch den Verein Bestrebungen und Bindungen konfessioneller Art abgelehnt werden. Dieses hohe Maß an Homogenität verstärkt die Abgrenzung zu anderen Gemeinden. Im Ergebnis ist festzustellen: Beim DITIB-Landesverband handelt es sich um einen mehrgliedrigen, formalrechtlichen Zusammenschluss von juristischen und natürlichen Personen im Sinne des ersten Merkmals einer Religionsgemeinschaft. bb) Schura Als eingetragener Verein mit Sitz in Hamburg erfüllt die Schura das organisatorische Minimum. Nach § 7 Abs. 2, 5 Schura-Satzung i. V. m. § 26 BGB besteht die Einzelvertretungsbefugnis der drei Vorsitzenden. Die Schura ist ein Verband in Reinform,272 so dass die personale Grundlage ausschließlich durch die natürlichen Personen der Mitgliedsvereine gebildet wird. Der strukturelle Zusammenhalt ergibt sich einerseits durch die Beitrittsbeschlüsse der Mitgliedsvereine, andererseits durch die gemeinsame Konfession der Mitglieder. Ob die Schura, deren Charakteristikum gerade darin besteht, dass die ihr angehörenden Moscheevereine unterschiedlichen Glaubensrichtungen innerhalb „des Islam“ zuzurechnen sind, das Homogenitätspostulat erfüllt, ist an gegebener Stelle näher zu untersuchen. Unter diesem Vorbehalt ist die Schura als Zusammenschluss im Sinne der obigen Begriffsbestimmung zu klassifizieren. cc) VIKZ Mit seiner rechtlichen Verfasstheit als eingetragener Verein erfüllt der VIKZ das für einen religionsgemeinschaftlichen Zusammenschluss zu fordernde organisatorische Minimum. Es besteht eine gemeinschaftliche gerichtliche sowie außergerichtliche Vertretung des Verbands nach außen mindestens zweier der insgesamt fünf Vorstandsmitglieder, § 12 Abs. 2 i. V. m. § 1 S. 1 VIKZ-Satzung. Nach § 6 Abs. 3 VIKZ-Satzung vermitteln die dem Verband angehörenden Gemeindevereine ihren Mitgliedern die verbandliche Mitgliedschaft. Diese stellen die personale Grundlage des Verbandes. Der strukturelle Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsgemeinden und dem Verband ergibt sich in tatsächlicher Hinsicht durch die Beitrittsbeschlüsse der Moscheevereine. In § 7 VIKZ-Satzung ist das Verfahren der Mitgliedschaftsbegründung geregelt, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 VIKZ-Satzung wird die Mitgliedschaft durch einen schriftlichen Aufnahmeantrag, der an den Vorstand gerichtet werden 271 272

Siehe dazu diese Arbeit Teil 4 D. II. 1. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 16.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

muss, erworben. Weiterhin ergibt sich der strukturelle Zusammenhalt durch die gemeinsame Konfession der Mitglieder, auf die im Rahmen der Anforderung des religiösen Konsenses näher einzugehen ist. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der VIKZ über das Merkmal eines religionsgemeinschaftlichen Zusammenschlusses verfügt. b) Religiöser Konsens aa) DITIB-Landesverband Die Satzung des DITIB-Landesverbandes Hamburg bezieht sich durchweg auf „die islamische Religion“ oder „den Islam“. Nach § 2 Abs. 1 DITIB-Landesverbandssatzung widmet sich der Verband „dem Erhalt sowie der Vermittlung und Ausübung der islamischen Religion“. Allgemein bekannt ist, dass zwischen der Gemeinschaft der DITIB und der türkischen Religionsbehörde Diyanet eine organisatorische und ideologische Verbindung besteht, welche auch in der Satzung des Bundesverbandes zum Ausdruck kommt. In § 13 Abs. 6 DITIB-Satzung ist normiert, dass bei einer fehlenden Einigung des Religionsrates, der Stellung zu religiösen Themen nimmt, die Beschlüsse der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anwendung finden, die der sunnitischhanefitischen Tradition folgt. Gerade die Einrichtung von Religionsräten spricht für die Bestrebungen, für das Fortbestehen konfessioneller Einheitlichkeit zu sorgen.273 In Hinblick auf die tatsächliche Dimension ordnet Klinkhammer den „islamische[n] Dachverband DITIB als Vertreter einer religiös gemäßigten, den türkischen Laizismus anerkennende und anti-laizistischen Extremismus abwehrenden Richtung des sunnitischen Islams“274 ein. Wenngleich die Anbindung einer religiösen Gemeinschaft an ausländische Leitinstanzen im Kontext des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG mindestens problematisch ist, ist sie nicht schädlich für die Religionsgemeinschaftseigenschaft als solche. Gerade diese Anbindung führt zu einem hohen Maß an konfessioneller Homogenität und Stabilität der Religionsgemeinschaft. Dies führt zu einem starken strukturellen Zusammenhalt der einzelnen Mitgliedsgemeinden und damit des Verbandes im Ganzen. Dem deutschen Staat wird eine Einschätzung erleichtert, da die theologischen Grundlagen der konkreten islamischen Tradition in Form der durch das Diyanet veröffentlichen Schriften allgemein zugänglich sind.275 Durch die Übernahme der Mustersatzung darf die Gemeinde nach § 3 lit. q) DITIB-Gemeindesatzung mit anderen Organisationen, vorwiegend mit dem Amt für religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei und dem Bundesverband sowie der Diyanet Stiftung in Ankara zur Verwirklichung der Gemeindezwecke zusammenarbeiten, wodurch die unbedingte konfessionelle Einheitlichkeit vorausgesetzt wird. 273 274 275

So auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 207 f. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 50 f. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 50.

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Mit Bedacht auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht ist es nicht problematisch, dass die DITIB-Gemeinde Wandsbeck zugleich auch ein Unterverband der Schura ist. Nach de Wall toleriere die DITIB diese Verbindung eigenen Angaben zufolge, was für die Anerkennung konfessioneller Einheitlichkeit spricht.276 bb) Schura Die Erfüllung des Homogenitätspostulats durch die Schura ist nicht ganz unproblematisch, ihr bezeichnendes Charakteristikum ist gerade die konfessionell plurale Ausrichtung. Dem Verband gehören sunnitische, schiitische und sufische Moscheegemeinden an, womit er über ein sehr hohes Maß an konfessioneller Vielgestaltigkeit verfügt. Im Vergleich mit den hier begutachteten Verbänden ist das Homogenitätsniveau der Schura am niedrigsten. Als Zwecksetzung normiert die Schura allgemein die „Förderung der islamischen Religion“277. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die satzungsmäßige Festlegung auf „die islamische Religion“ oder „den Islam“ als ausreichend zu erachten. Maßgeblich ist zunächst das religiöse Selbstverständnis, die Gemeinschaft muss sich als einen derartigen Zusammenschluss auch in konfessioneller Hinsicht selber wahrnehmen. Wenngleich „im Islam“ die Umma als die Gemeinschaft aller Muslime anerkannt wird, ist die Lösung konfessioneller Grenzen nicht selbstverständlich, in einigen Teilen dieser Welt führt sie zu erbitterten Auseinandersetzungen und Kriegen, so dass eine derartige Vereinigung unter Friedensgesichtspunkten zu begrüßen ist. Darauf, dass sich der Verband als Einheit in konfessioneller Hinsicht wahrnimmt, verweisen die in § 3 Abs. 1 Schura-Satzung festgelegten „Allgemeine[n] Grundsätze“. Die Tätigkeit des Verbandes basiert „auf den Glaubensgrundlagen des Islam“, auch der Koran wird als maßgebendes Regelwerk genannt. Mit dieser Satzungsbestimmung haben sich die Mitgliedsvereine unter der Schura auf einen gemeinsamen Grund- bzw. Minimalkonsens geeinigt. Die Annahme, dass dieser in den unterschiedlichen Theologieschulen unterschiedlich ausgelegt würde, ist auch angesichts der Nennung der fünf Säulen als gemeinsame Glaubensgrundlagen nicht schädlich, vgl. dazu § 3 Abs. 1 S. 2 Schura-Satzung. Klinkhammer konstatiert, dass sich die Schura mit ihrem so durch diese auch bezeichneten „Mainstreamislam“ inhaltlich sehr nah an der Ausrichtung der DITIB befinden würde, „die für die islamische Auslegung in ähnlicher Weise einen Weg der Mitte zwischen Tradition und moderater Anpassung an gegenwärtige gesellschaftliche Verhältnisse sucht“.278

276

de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 24. § 2 S. 2 Satzung der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V., im Folgenden Schura-Satzung. 278 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 74. 277

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Dafür, dass der Verband auch in tatsächlicher Hinsicht durch einen religiösen (Grund-)Konsens getragen wird, spricht die Erstellung eines einheitlichen RamadanKalenders für die Mitglieder der Schura sowie die Entwicklung eines Halal-Gütesiegels.279 Dass dem Dachverband an dem (Fort-)Bestehen eines religiösen Konsenses liegt, davon zeugt auch die Möglichkeit der Erstellung islamischer Rechtsgutachten durch ein dazu einberufenes Gremium von Rechtsgelehrten, das repräsentativ für die einzelnen Richtungen und Rechtsschulen der Mitgliedsgemeinden ist.280 Diese Rechtsgutachten, die in der Regel nach einer Selbstauskunft bei „ortsbezogenen Problemen“ erstellt werden, erhalten nach der Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung Verbindlichkeit für die Mitglieder, § 9 S. 4, 5 SchuraSatzung. Dass ein Grundkonsens in der geistigen Erziehung der Nachfolgegenerationen vermittelt werden soll, zeigt sich in der Ausrichtung eines gemeindeübergreifenden Koranlesewettbewerbs zwischen Kindern und Jugendlichen.281 Weiterhin sind in größeren Mitgliedsgemeinden Frauengruppen aktiv, die Koran- und Islamunterricht organisieren. Veranstaltungen dieser Art können sich auch stabilisierend auf den Grundkonsens auswirken. Ferner ist in der Art der wahrgenommenen Außenkommunikation eine stabilisierende Wirkung zu sehen, so in Mitwirkung im Koordinationsrat der Muslime oder am gesellschaftlichen Dialog, beispielsweise durch das Erstellen „islamischer Wahlprüfsteine“ vor den Bürgerschaftswahlen 2001.282 Auf den strukturellen Zusammenhalt der Gemeinschaft in geistiger Hinsicht wirkt sich überdies positiv aus, dass sich die Mitgliederversammlung durch jeweils einen Vertreter der Mitgliedsvereine konstituiert, § 6 Abs. 2 Schura-Satzung. Diese befinden mit ihrer Stimme auch über die theologischen Fragen anderer Moscheevereine. Angesichts dessen, dass die Schura die Mitgliedschaft der DITIB-Gemeinde Wandsbeck begründet hat, ist davon auszugehen, dass dies dem religiösen Selbstverständnis des Dachverbandes auch entspricht. Erneut ist in diesem Kontext auf die Einschätzung Klinkhammers zu verweisen, die davon ausgeht, dass sich die konfessionelle Ausrichtung der Schura mit Bedacht ihres Grundkonsenses theologisch nah an der Ausrichtung der DITIB bewege, was auch nicht schädlich für das Bestehen eines religiösen Konsenses ist.283 cc) VIKZ Allgemeiner theologischer Bezugspunkt ist der „islamische Glaube“, § 2 Abs. 2 VIKZ-Satzung. Auf bestimmte Glaubensgrundlagen verweist der Verband in seiner Satzung nicht. Eine konfessionelle Festlegung ist freilich nicht geboten, aber der Eindeutigkeit halber zu empfehlen. Fehlt der Verweis auf gemeinsame Glaubensgrundlagen, können Hinweise auf die Erfüllung des Homogenitätspostulats und des 279 280 281 282 283

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 75. § 9 Schura-Satzung. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 86. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 88. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 74.

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Selbstverständnisses einer konfessionellen Einheit auch aus der Religionswissenschaft abgeleitet werden. Nach Klinkhammer ist der VIKZ dem sunnitisch-hanefitischen Islam zuzurechnen, mit Elementen, die dem sufischen Islam entstammen.284 Sie gibt an, dass der Verband in religionswissenschaftlicher Hinsicht „in der sunnitisch-hanefitischen Tradition des Islams eine eigenständige neue religiöse Gemeinschaft“ darstelle.285 Die Religionswissenschaftlerin berichtet zudem, dass die Besetzung eines Vorstandspostens mit einem Theologen angestrebt wird, der dann, vor dem Hintergrund der verbandlichen Vertretung durch den Vorstand, auch die religiöse Linie nach außen trägt.286 c) Umfassende Bezeugung des religiösen Konsenses durch eine identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung und einen gläubigenumfassenden Glaubensvollzug aa) DITIB-Landesverband Die religiöse Handlungsebene ist unter dem Gesichtspunkt zu untersuchen, ob eine strukturelle Einbindung des DITIB-Landesverbandes besteht, die „der gemeinsamen Religionspflege der Gläubigen dient“287. Nach der Rechtsprechung des BVerwG muss der religiöse Konsens nicht nur umfassend bezeugt werden, die Aufgabenwahrnehmung muss zudem identitätsstiftender Art sein und der Glaubensvollzug die Gläubigen umfassen. Nach § 2 Abs. 1 S. 1, 2 DITIB-Landesverbandssatzung widmet sich der Verband der Ausübung der islamischen Religion, indem er „seine Mitglieder umfassend bei der Erfüllung der religiösen Aufgaben und Pflichten“ unterstütze. Durch die enumerative Auflistung in § 3 DITIB-Landesverbandssatzung wird ein umfassender religiöser Tätigkeitsbereich abgedeckt. § 3 Abs. 1 lit. a) DITIB-Landesverbandssatzung normiert den Erhalt und die Verkündung der islamischen Religion. Die Interessenvertretung der Mitglieder nach außen, wie in § 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 lit. a) DITIB-Landesverbandssatzung festgelegt, reicht dafür jedoch nicht aus. Neben religiösen Zwecken verfolgt der DITIB-Landesverband laut seinem Tätigkeitenkatalog des § 2 DITIB-Landesverbandssatzung neben religiösen Zwecken zudem soziale Zwecke, wie das Einrichten von Hilfsfonds,288 kulturelle Zwecke, der Initiierung kultureller Projekte289 sowie die Information der Gesellschaft über „den Islam“.290 Allen diesen Bestimmungen ist jedoch zu eigen, dass sie laut der Satzung als Zwischenziele gewertet werden können, die jedoch dem Endziel des „Erhalt[s] und der Verkündung der islamischen Religion“ dienen. Dies wird durch die syste284 285 286 287 288 289 290

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 27. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 45. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 29. Siehe dazu auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 11. § 3 Abs. 1 lit. c) DITIB-Landesverbandssatzung. § 2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 3 Abs. 3 S. 3 DITIB-Landesverbandssatzung. § 4 Abs. 4 DITIB-Landesverbandssatzung.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

matische Stellung der Satzungsbestimmungen, bei welchen die „Förderung der Religion“ enumerativ an erster Stelle genannt wird, deutlich. Ferner stehen auch die konkretisierten Zwischenziele, wie das der Initiierung von Projekten zur kulturellen Verständigung, im Zusammenhang mit „dem Islam“, hier unter der Nennung von Grundprinzipien und islamischen Werten, § 3 Abs. 3 S. 1 DITIB-Landesverbandssatzung. Auch wenn eine wertende Gesamtbetrachtung ergibt, dass das Religiöse laut Satzungsbestimmungen vornehmlich den qualitativen Endzweck bildet, wozu im Übrigen auch de Wall kommt, der darauf abstellt, ob diese Tätigkeiten der Unterstützung der Religion dienen, steht dennoch hier nicht das Glaubensleben der Individuen im Vordergrund,291 was vor allem an der Konzeption des DITIB-Landesverbandes als Mischverband liegt. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Tätigkeitsumschreibung der Moscheen bzw. Gebets- und Gemeindehäuser, die nach § 3 lit. b) DITIB-Gemeindesatzung „zur Erreichung der religiösen, sozialen und kulturellen Bedeutung und des geistigen und körperlichen Wohlbefindens“ errichtet, ausgestattet und unterhalten werden könnten, auch zur Abhaltung von Gottesdiensten. Hierin manifestiert sich, wie de Wall konstatiert, dass diese auf islamischem Selbstverständnis fußende Tätigkeit als zentraler Aspekt für das islamische Glaubensleben zu berücksichtigen ist.292 Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann dies dadurch kompensiert werden, dass identitätsstiftende Aufgaben auf der Dachverbandsebene verrichtet werden und der Glaubensvollzug auch die Gläubigen umfasst. Die Bestimmung hinsichtlich Ziel und Zweck des Verbandes der „Förderung der Religion“ wird durch die nachfolgenden Satzungsbestimmungen konkretisiert. Neben dem „Erhalt und der Verkündung der islamischen Religion“, § 3 Abs. 1 lit. a) DITIB-Landesverbandssatzung, hat sich der Dachverband auch die Vermittlung von Glaubensinhalten zur Aufgabe gemacht, die mit der Einrichtung von Aus- und Fortbildungsstätten auch auf der wissenschaftlichen Ebene angesiedelt ist, § 3 Abs. 1 lit. b) DITIB-Landesverbandssatzung. Religiöse Inhalte werden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Wege der Förderung und Unterstützung der religiösen Unterweisung zugänglich gemacht, § 3 Abs. 1 lit. d) DITIB-Landesverbandssatzung. Dem religionswissenschaftlichen Gutachten Klinkhammers zufolge wird die Umsetzung dieser Bestimmung in der dachverbandlichen Praxis auch umfassend vorgenommen.293 Von identitätsstiftendem Charakter in diesem Kontext ist auch, dass der Dachverband den Inhalt des Koranunterrichts neu strukturiert hat.294 Der Verband engagiert sich im wissenschaftlichen Bereich durch die Gründung von Bildungseinrichtungen, wie Universitäten, der Ausbildung von Religionsbeauftragten oder durch die Vergabe von Stipendien an Studierende, §§ 3 Abs. 1 lit. b), 2 DITIB-Landesverbandssatzung. In diesem Sinne hat das dem DITIB-Bundes- wie 291 292 293 294

de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 25. So auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 30. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 69. Dies., S. 53, 64.

C. Die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft

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Landesverband nahestehende Diyanet an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main eine Stiftungsprofessur zur Ausbildung von Imamen und islamischen Theologen eingerichtet.295 Die religiösen Inhalte werden auch einem größeren Personenkreis bzw. der Allgemeinheit zugänglich gemacht, „durch die Förderung von Forschung oder [der] Beteiligung an den Forschungsprojekten Dritter, durch das Bereitstellen von Publikationen, insbesondere zu Forschungsergebnissen, Veranstaltungen und Projekten, durch das Bereitstellen von Bildungsangeboten, durch Ausstellungen oder durch die Auszeichnung von vorbildlichen Leistungen, Einrichtungen und Projekten für kulturelle und religiöse Verständigung“, § 3 Abs. 3 S. 3 DITIB-Landesverbandssatzung. Zu einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung ist auch die Organisation von Veranstaltungen zur Durchführung der Pilgerund der Wallfahrt durch den Dachverband, § 3 Abs. 1 lit. f) DITIB-Landesverbandssatzung, zu zählen. Diese in der Zentralmoschee des DITIB-Landesverbandes stattfindenden Vorbereitungsseminare ermöglichen es, in einen unmittelbaren Kontakt zu den Gläubigen zu treten und sie mit den religiösen Gesetzlichkeiten des Hadj vertraut zu machen. Klinkhammer verweist zudem darauf, dass zukünftig die Seminare verstärkt durch den Landesverband durchgeführt werden sollen, so auch die Zusammenstellung der Reisegruppen.296 Von Bedeutung ist desweiteren die zweisprachige Veröffentlichung der Freitagspredigten297 auf der Internetseite des Landesverbandes, da sie eine intensive Befassung mit den religiösen Inhalten durch den einzelnen Gläubigen ermöglicht. Die Aufgabenwahrnehmung durch den DITIBLandesverband erfolgt in einer identitätsstiftenden Art und Weise, was angesichts der Anbindung an das Diyanet nicht verwundert, da gerade das „Hinaustragen“ und Verbreiten des religiösen Konsenses auch in Aus- und Fortbildungsstätten ein wesentliches Moment der Arbeitsweise der türkischen Religionsbehörde ist. Die sich diesem Merkmal anschließende Anforderung eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs wird durch den DITIB-Landesverband Hamburg erfüllt. Die dem Verband angeschlossenen Vereine können unter Verweis auf das religionswissenschaftliche Gutachten Klinkhammers als „Garanten des Bekenntnisbezugs“ eingestuft werden, denn die Frage der Pflege des Lebens gemischter Verbände ist eine Frage des tatsächlichen Verbandslebens. In den zehn Moscheegemeinden steht nach Klinkhammer die Ausübung der Religion des Islams im Zentrum.298 Indem die Moscheevereine das fünfmalige Gebet und die Durchführung der Freitagspredigten sowie die Tradierung des religiösen Wissens als Hauptangebot offerieren, fungieren sie mit der Vermittlung originärer religiöser Aufgaben als die „Garanten des Bekenntnisbezugs“.299 Damit wird die Arbeit des Landesverbandes in sachlicher Hinsicht ergänzt, wodurch sie mit ihm in vertikaler Arbeitsteilung ver295 296 297 298 299

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 54. Dies., S. 60. Dies., S. 58. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 56. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 56 f.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

bunden sind. Dem widerspricht auch nicht, dass der DITIB-Landesverband selbst eine Zentralmoschee unterhält, da dies zum einen nicht den Arbeitsschwerpunkt der verbandlichen Aufgabenwahrnehmung darstellt und zum anderen die angeschlossenen Moscheevereine als regelmäßige Anlaufpunkte der originären Bekenntnisbezeugung dienen. Eine Abgrenzung zum religiösen Verein ist damit ohne weiteres möglich. Der DITIB-Landesverband bezeugt den religiösen Konsens in umfassender, in einer für die angeschlossenen Moscheevereine identitätsstiftenden und die Gläubigen umfassenden Weise. bb) Schura Auch wenn das Selbstverständnis der Gemeinschaft in der „Förderung der islamischen Religion“ nach § 2 Abs. 1 Schura-Satzung besteht und damit in einem umfassenden Sinne verstanden werden soll, können mit Blick auf die in § 2 SchuraSatzung aufgeführten Aufgaben und Ziele der Gemeinschaft Zweifel an der Erfüllung des Merkmals einer umfassenden Konsensbezeugung entstehen.300 Die schwerpunktmäßige Auflistung in erster Linie gesellschaftspolitischer Gegenstände, wie die „Vertretung islamischer Öffentlichkeit, insbesondere auch gegenüber Behörden, Parteien […]“,301 könnte auch auf die Ausrichtung des Verbandes als Interessenvertretung schließen lassen, was zudem durch die politisierte Gründungsgeschichte der Schura bestätigt würde. Hinzukommt, dass nach § 4 Abs. 1 Schura-Satzung alle in Hamburg bestehenden islamischen Gemeinschaften die Mitgliedschaft beim Verband begründen können. Nach der Mitgliederliste sind neben 32 Moscheegemeinden auch fünf mit diesen verbundenen Frauen-, Studentenund Bildungsvereine Mitglieder der Schura. Wie de Wall konstatiert, zeigen diese Zahlen auf, dass die Schura vorwiegend aus Moscheegemeinden besteht, wodurch eine Religionspflege in einem umfassenden Maße durch diese vorgenommen werden kann.302 Weiterhin ist den sonstigen Vereinen in ihrer Arbeitsweise ein enger Bezug zu den Gläubigen zu attestieren.303 Auch die in § 2 Schura-Satzung enumerativ aufgeführten Handlungsansätze lassen sich im Kontext des in qualitativer Hinsicht als religiös einzuordnenden Endziel der „Förderung der islamischen Religion“ verstehen. Dies gilt damit auch für solche Zwischenziele, deren religiöser Charakter sich nicht auf den ersten Blick erschließt, wie die Vertretung islamischer Interessen in der Öffentlichkeit. Aus einigen Zwischenzielen, wie der Förderung von Moscheen, § 2 Abs. 1 S. 3 SchuraSatzung, tritt der Religionsbezug zum Endziel der „Förderung der islamischen Religion“ unmittelbar hervor. Obgleich als Mischverband strukturiert, wird im 300 301 302 303

So auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 16. § 2 S. 3 Schura-Satzung. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 35. Siehe ebenda.

C. Die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft

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Rahmen einer wertenden Gesamtschau deutlich, dass nicht das Glaubensleben der Individuen im Vordergrund steht, so dass zu überprüfen ist, ob die Schura ihre Aufgaben in identitätsstiftender Art und Weise vornimmt und ihr Glaubensvollzug dennoch auch die Gläubigen in den ihr angeschlossenen Moscheevereinen umfasst. Neben gesellschaftspolitischen Handlungsansätzen, wie der „Verhinderung der Diskriminierung der Muslime“, finden sich auch Bestimmungen zur Einstellung von Imamen und Lehrkräften sowie deren Aus- und Weiterbildung, wodurch der religiöse Wirkungs- und Handlungsbereich umfassend abgedeckt ist. Klinkhammer resümiert, dass sich die Struktur des Verbandes an dem inhaltlichen Anliegen orientiere, religiöse Praxis nach innen zu ermöglichen und islamische Anliegen zu artikulieren.304 Insbesondere mit der in § 2 Abs. 1 S. 3 Schura-Satzung aufgeführten Aufgabe, Imame und Lehrkräfte einzustellen sowie deren Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten, wird die allgemeine Zielsetzung des § 2 Abs. 1 S. 2 Schura-Satzung der „Förderung der islamischen Religion“ in zentraler identitätsstiftender Weise konkretisiert.305 Zu einer zentralen identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung ist desweiteren die Erstellung von Rechtsgutachten durch den Verband zu zählen, die auf Beschluss des Vorstandes zwecks der Begutachtung aktueller ortsbezogener Probleme im Bereich der Mitgliedsvereine erstellt werden können und nach der Annahme durch die Mitgliederversammlung für die Mitglieder Verbindlichkeit entfalten, § 9 Schura-Satzung.306 Untermauert wird diese Anforderung durch die Tätigkeit des Arbeitsausschusses zur Initiierung eines innerislamischen Dialoges, § 8 Nr. 1 Schura-Satzung, der neben der Begutachtung der Rechtsfragen auch für die Organisation von Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitglieder zuständig ist. Gerade die Herstellung eines innerislamischen Dialoges ist für eine plural ausgerichtete religiöse Organisation, wie die Schura, von grundlegender identitätsstiftender Aufgabe. Auch nach Auffassung der Religionswissenschaftlerin Klinkhammer erweist sich diese Arbeit in den übergemeindlichen satzungsmäßigen Ausschüssen als zentral identitätsbildend.307 Damit korrespondiert auch die in § 2 Abs. 1 S. 3 Schura-Satzung genannte Abhaltung von Informations- und Diskussionsveranstaltungen auch zu allgemeinen islamischen Themen zum Zweck der Weiterbildung. Daran anknüpfend ist erforderlich, dass der Glaubensvollzug der Schura auch die Gläubigen in den ihr angeschlossenen Moscheevereinen erfasst. Dazu ist die Förderung der Einrichtung von Moscheen und anderen Stätten der Religionsausübung durch den Verband zu zählen, vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 Schura-Satzung. Klinkhammer zufolge ist die verbandliche Aufgabenwahrnehmung durch eine vertikale Arbeitsteilung mit den angeschlossenen Moscheevereinen gekennzeichnet. Die Moschee304 305 306 307

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Guthaben Religionsgemeinschaft, S. 76. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 16. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 16 f. Siehe ebenda.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

vereine ermöglichen ihren Gläubigen die Religionsausübung in originärer Weise und erfüllen die Aufgaben nicht nur partiell.308 Dem Gutachten Klinkhammers ist zu entnehmen, dass die sichtbaren Säulen „des Islams“ in den einzelnen Moscheegemeinden auch tatsächlich sichtbar werden, wie das gemeinsame Beten, das zur Basisarbeit der Gemeinden gehört.309 Das Wesen der Arbeitsteilung wird auch durch das hohe Maß an konfessioneller Heterogenität und den Bestrebungen der Schura bestimmt, „eine Einigung unterschiedlicher Gemeindetraditionen zu erreichen und die Umsetzung islamischen Lebens für alle Moscheemitgliedsgemeinden angemessen zu ermöglichen, um als eine gemeinsame Interessenvertretung für diese religiösen Belange nach außen zu treten“.310 Klinkhammer bewertet auch in religionswissenschaftlicher Hinsicht abschließend, dass „die SCHURA nicht allein ein Interessenverband unabhängig bestehender Moscheegemeinden nach außen“ sei.311 Vielmehr bilde sie „auch einen gemeinsamen Orientierungsrahmen zur Umsetzung des Islams für die beteiligten Moscheegemeinden und wirkt auf die Verbesserung der Integration des Islams in Deutschland innerislamisch wie gesellschaftlich ein“.312 In dieser Beurteilung klingt das in rechtswissenschaftlicher Hinsicht relevante Moment eines gläubigenumfassenden Glaubensvollzugs durch den Verband an. Die Schura erfüllt das Merkmal der umfassenden Konsensbezeugung, ihre Aufgabenwahrnehmung ist durch eine identitätsstiftende und gläubigenumfassende Weise gekennzeichnet. cc) VIKZ Nach § 3 Abs. 1 S. 1 VIKZ-Satzung bietet der „Verband […] soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste zum Zwecke der Förderung der Erziehung, Bildung, Religion […] an“. Wie de Wall konstatiert, lässt sich daraus nicht ableiten, dass sich der Gesamtorganismus, bestehend aus dem Verband einschließlich seiner ihm angeschlossenen Moscheevereine, der umfassenden Konsensbezeugung widmet.313 Ob das Religiöse als qualitativer Endzweck eingeordnet werden kann, ist fraglich und muss im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der in § 3 Abs. 1 S. 2 VIKZSatzung normierten Aufgaben und in Hinblick auf ihre religiöse Zweck- und Zielbestimmung untersucht werden.314 Unter eine religiöse Zwecksetzung sind vor allem die Einrichtung und Unterhaltung der Gemeinden im Rahmen der religiösen Aktivitäten sowie der Führung der Schüler- und Studentenwohnheime, die Unterweisung 308 309 310 311 312 313 314

Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 79 ff. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 81 ff. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 77. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 89. Dies., S. 89 f. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 27. So auch de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 28.

C. Die Klassifizierung als Religionsgemeinschaft

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im islamischen Glauben und Lehre und Wahrung der islamischen kulturellen Werte, der moralische Schutz der Menschen islamischen Glaubens in Europa, soziale Hilfeleistungen an Muslime, die Einrichtung von Ausbildungsstätten für islamische Theologie für Jugendliche und junge Erwachsene, die Hilfe und Unterstützungsleistungen an hilfsbedürftige Muslime und die religiöse Vorbereitung von Pilgerfahrten nach Mekka durch Seminare und Vorbereitungskurse zu fassen. In dieser Aufzählung lässt sich eine weitergehende Konkretisierung der eingangs dargestellten Zweckbestimmung sehen. Wie de Wall empfiehlt, sollte die umfassende Konsensbezeugung in der Satzung deutlicher kenntlich gemacht werden.315 Für die Folgerung, dass das Glaubensleben der Individuen auch primärer Bezugspunkt des verbandlichen Handelns ist, ist diese satzungsmäßige Ausgestaltung zu vage. Die identitätsstiftende Aufgabenwahrnehmung durch die Dachverbandsebene ist vor allem in der Einrichtung und Unterhaltung von Schüler- und Studentenwohnheimen zu erblicken, die sich die Unterweisung des islamischen Glaubens und seine Lehre zur Aufgabe gemacht haben, § 3 Abs. 1 S. 2 VIKZ-Satzung, und die einen Schwerpunkt des dachverbandlichen Wirkens des VIKZ darstellen. Die Einrichtung privater religiöser Bildungsstätten und damit die Vermittlung religiöser Inhalte ist für den VIKZ charakteristisch; schon der Begründer Süleyman Hilmi Tunahan hatte dies in der Türkei angestrebt.316 Sie stellen somit ein grundlegendes identitätsstiftendes Charakteristikum des VIKZ dar. Förderlich in der wertenden Gesamtbetrachtung in der Frage, ob die Aufgabenwahrnehmung durch den VIKZ in einer identitätsstiftenden Weise erfolgt, wirkt sich zudem aus, dass der VIKZ wissenschaftliche Seminare durchführt und Ausbildungsstätten der Islamischen Theologie für Jugendliche und Erwachsene einrichtet, § 3 Abs. 1 S. 2 VIKZ-Satzung. Dafür richtet der Verband entsprechende Bibliotheken ein, § 3 Abs. 1 S. 2 VIKZ-Satzung. Zu einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung ist auch die Ausbildung von Imaminnen und Imamen zu zählen; zu diesem Zweck hat der Verband jeweils ein Ausbildungsinternat in Köln und in Bergisch-Gladbach eingerichtet.317 Desweiteren werden durch den VIKZ jedes Jahr Vorbereitungsseminare zur Durchführung der Hadj angeboten.318 In der Satzung tritt die vertikale Arbeitsteilung bzw. der religiöse Charakter der Moscheevereine, wie sie Voraussetzung für einen gläubigenumfassenden Glaubensvollzug ist, nicht deutlich hervor. Laut seiner Selbstdarstellung vom 07. 03. 2007 sind neun selbständige Ortsvereine Mitglieder des Verbandes. Durch de Wall wird zudem kritisiert, dass auf der Internetseite des VIKZ sieben Unterorganisationen

315 316 317 318

de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 36. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 27. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 41. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 35.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

geführt werden, die hinsichtlich ihrer Begriffsbezeichnung einen religiösen Charakter nicht erkennen lassen.319 Aufschluss darüber, dass eine Komplettierung der verbandlichen Arbeitsweise durch die Moscheegemeinden in vertikaler Hinsicht erfolgt, gibt das religionswissenschaftliche Gutachten, wonach diese die Voraussetzungen für die Erfüllung der religiösen Pflichten, wie für das Abhalten des Pflichtgebets, gewährleisten. Die Vertikalität der Arbeitsteilung zwischen Verband und Moscheegemeinden zeigt sich darin, dass ersterer ein Lehrbuch in deutscher Sprache für den gemeindlichen Islamunterricht erstellt.320 In Hinblick auf die Ortsgemeinden resümiert Klinkhammer, dass die Gemeinden „sich […] in umfassender Weise der islamischen Religionspflege widmen“321. Die Aufgaben des VIKZ gehen über eine bloße Interessenvertretung hinaus, erfordern jedoch Klarstellung.

IV. Fazit In der vorangehenden Untersuchung wurde unter Rückgriff auf die Satzungen der Verbände überprüft, inwieweit die an den verfassungsrechtlichen Begriff der Religionsgemeinschaft gestellten Anforderungen erfüllt werden. In den Fällen, in denen die Satzungsbestimmungen keinen eindeutigen Schluss zuließen, konnte unter Heranziehung der entsprechenden religionswissenschaftlichen Ausführungen aus dem Gutachten Klinkhammers überprüft werden, ob die Anforderungen erfüllt bzw. die in den Satzungen gemachten Angaben auch „gelebt werden“. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung wäre auf dieser Grundlage die Religionsgemeinschaftseigenschaft eher zu bejahen, wobei sich jedoch gerade in Hinblick auf den VIKZ bestimmte Problemfelder auftun. Insbesondere muss dieser darlegen, dass es sich um eine Religionsgemeinschaft und nicht um eine bloße Interessenvertretung islamischer Anliegen handelt. Es ist in Rechnung zu ziehen, dass dies nicht bedeutet, dass die Verbände auch fähige Kooperationspartner im Rahmen eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG wären. Dies bzw. die entsprechenden Problempunkte gilt es im Folgenden zu untersuchen.

319 320 321

de Wall, Rechtswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 36. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 41. Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 46.

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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D. Die Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG Religion in einer pluralistischen Gesellschaft bringt vielfältige rechtliche Herausforderungen mit sich, wobei ein maßgebliches Feld der Bewährung gerade die öffentliche Schule darstellt.322 Religiöser Pluralismus in der Schule bildet sich insbesondere im Hamburger „Religionsunterricht für alle“ ab: Seit 1964 wird die gemeinsame Teilnahme aller Schüler im Sinne eines „dialogische[n] und konfessorische[n] Miteinander[s] am Religionsunterricht“ ermöglicht. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Konzeption blieb dabei nicht unhinterfragt323 und wurde gutachterlich untersucht; im Ergebnis wurde sie durch den Gutachter Link bejaht.324 Bekannt ist, dass die Einführung islamischen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG die zentrale Forderung islamischer Verbände darstellt. Die zahlreichen Schulversuche der letzten Jahre weisen jedoch darauf hin, dass sie mit erheblichen Rechtsproblemen verbunden ist.325 Schwierigkeiten zeichneten sich dabei jüngst insbesondere in Hessen ab, wo die Kooperation mit dem DITIB Landesverband Hessen e. V. ab dem Schuljahr 2020/2021 ausgesetzt worden ist.326 Bei allen praktischen Schwierigkeiten ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass das Anliegen nichtchristlicher Gemeinschaften Kooperationspartner in Sachen Religionsunterricht sein zu wollen, die Chance bietet, die konkreten Anforderungen, die eine Religionsgemeinschaft als fähiger Kooperationspartner erfüllen muss, zu diskutieren. Denn zwar besteht Einigkeit darin, dass die Geltung als Religionsgemeinschaft nicht bedeutet, dass sie auch fähiger Kooperationspartner in Sachen Religionsunterricht ist, sondern bestimmte rechtliche Wirkungsfelder die Erfüllung bestimmter Anforderungen erfordern, die über die Merkmale des Religionsgemeinschaftsbegriffes hinausgehen.327 Mit dem Urteil des BVerwG vom 23. 02. 2005 werden nun die qualifizierten Anforderungen benannt, welche eine Religionsgemeinschaft als Kooperationspartner des Staates im Rahmen eines in deutscher Sprache und als ordentliches Lehrfach an deutschen Schulen eingeführten Religionsunterrichts erfüllen muss.328 Diese Anforderungen wurden durch den Beschluss des BVerwG vom 20. 12. 2018 auf die Nichtzulassungsbeschwerden der islamischen Verbände vor dem OVG Münster 322

Vgl. dazu Wißmann, Religionsunterricht für alle?, S. 21 ff. Dazu Heckel, in: FS Starck, S. 1093 (1115), der die Auffassung vertritt, nur als evangelischer Religionsunterricht könne der Hamburger „Religionsunterricht für alle“ den staatlichen Rahmenbedingungen des Art. 7 Abs. 3 GG genügen. 324 Dazu diese Arbeit Teil 2 B. VII. 325 de Wall, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen eines islamischen Religionsunterrichts, S. 1. 326 Dazu diese Arbeit Teil 5 A. III. 327 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 3. 328 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2107 f.). 323

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

noch einmal betont.329 Aber bereits durch das Bahá’í-Urteil des BVerwG vom 28. 11. 2012 wird deutlich, dass gewandelte religiöse Ausgangssituationen und Religionskonflikte neue Rechtsfragen aufwerfen und andere Lösungen erfordern. Im Folgenden sollen die einzelnen Anforderungen unter dem Blickwinkel der veränderten Diskussion untersucht werden. Dazu zählen zunächst die allgemeinen Fragestellungen, ob eine Religionsgemeinschaft über den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus verfügen muss oder die in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV normierten Anforderungen zu übertragen sind. In Hinblick auf islamische Gemeinschaften tun sich insbesondere drei Problemfelder auf: Das erste betrifft die Einflussnahme ausländischer Staaten auf Religionsgemeinschaften im Bereich des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG, so dass nicht mehr gewährleistet ist, dass die religiösen Grundsätze staatsfrei durch die Religionsgemeinschaft definiert werden können. Das zweite Problemfeld betrifft die mitgliedschaftsrechtliche Zugehörigkeitsregelung. Denn die Religionsfreiheit gebietet, dass klar sein muss, welches Kind einer Religionsgemeinschaft zuzurechnen ist. Drittens muss zudem gewährleistet sein, dass eine Religionsgemeinschaft zumindest rechtstreu ist. Vor allem die Verflechtungen zwischen dem DITIB-Landesverband, dem DITIBBundesverband und dem Diyanet führen zu anhaltenden Kontroversen. Sie wurden bereits im Hamburger Verhandlungsprozess thematisiert und kürzlich öffentlich zum Gegenstand eines Antrags, der auf die direkte „Aufkündigung“ des Vertrages abzielte,330 gemacht. Der Antrag wurde im Ergebnis mehrheitlich durch die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft abgelehnt,331 dennoch ist diese Fragestellung von anhaltender Bedeutung. Diese Fragen der „Einflussnahme ausländischer Staaten und der Begriff der Religionsgemeinschaft“ sowie nach den Anforderungen an das Mitgliedschaftsrecht, waren auch Gegenstand des rechtswissenschaftlichen Gutachtens, das de Wall im Rahmen der Gespräche über die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Hamburg und den islamischen Verbänden erstellte. Zur Kooperationsfähigkeit der islamischen Verbände äußerte er sich jedoch nicht abschließend und umfassend, da diese maßgeblich auch von faktischen Merkmalen abhängig ist. Eine erste Orientierung für die Hamburger Behörden vermochte in dieser Hinsicht auch das von Gritt Klinkhammer im Jahr 2012 erstellte Gutachten zu geben. Allerdings unterliegen gerade faktische Merkmale einer Veränderung und maßgeblich muss gerade die tatsächliche Kooperationsfähigkeit zum Zeitpunkt der tatsächlichen Einführung des Religionsunterrichts sein, so dass insofern weiterer Forschungs- und Überprüfungsbedarf besteht. Für eine allein verfassungsrechtlichen 329

BVerwG, Beschluss v. 20. 12. 2018 – 6 B 94.18 –. Antrag von Jörn Kruse (AfD) u. a. v. 18. 01. 2017, Drs. 21/7609; siehe zur Plenarberatung Plenarprotokoll 21/52 01. 02. 2017, S. 3682 – 3697. 331 Siehe auch den Bericht des NDR „Hamburg hält an Islam-Staatsvertrag fest“ v. 01. 02. 2017, abrufbar unter: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburg-haelt-an-Islam-Staats vertrag-fest,staatsvertrag188.html (Stand: 27. 09. 2017). 330

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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Maßstäben genügende Kooperation zwischen Land und Religionsgemeinschaft ist es jedoch wesentlich, dass in Hinblick auf die geschriebenen sowie auch die ungeschriebenen Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit Klarheit herrscht. Weiterhin darf eine derartige Kooperation nicht „politisch verklärt“, der „Vertragspartner muss verstanden werden“. Dies bedeutet vor allem in Hinblick auf den DITIBLandesverband Hamburg e. V., die mit dem Bundesverband und dem Diyanet in personeller, organisatorischer und finanzieller Hinsicht bestehenden Verflechtungen offen zu legen.

I. Geschriebene Anforderungen Da eine Religionsgemeinschaft im Gefüge des eine besondere Stabilität erfordernden Religionsunterrichts dem Staat ein verlässlicher Partner sein müsse, wird gefordert, dass diese über den Körperschaftsstatus sui generis verfügen müsse.332 Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV sind Religionsgemeinschaften auf ihren Antrag die Körperschaftsrechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Gegen den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus im Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG spricht sein Wortlaut, der sich ausdrücklich nur auf den Grundstatus der Religionsgemeinschaft bezieht.333 Die jeweils durch Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG bzw. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV statuierten Kooperationsverhältnisse können zudem nicht miteinander verglichen werden, da die Verleihung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus nicht an die konkrete Kooperationsbereitschaft der Religionsgemeinschaft anknüpft.334 Weiterhin muss es einer Religionsgemeinschaft freistehen können, ob sie den staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus erlangen möchte, dieser Gedanke der Wahlfreiheit in Hinblick auf die Rechtsform ist der Bestimmung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV durch die Differenzierung in korporierte und privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften zu eigen.335 Der dieser Forderung innewohnende Grundgedanke, dass gerade im sensiblen Bereich des Religionsunterrichts verschiedenste (grundrechtliche) Interessen miteinander konfligieren können,336 lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen. Dies

332 Insbesondere Hillgruber, DVBl. 1999, S. 1155 (1176); Korioth, NVwZ 1997, S. 1041 (1047). 333 So unter anderem Anger, Islam in der Schule, S. 371; Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 122. 334 Anger, Islam in der Schule, S. 371 f. 335 Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 122. 336 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 247.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

wird bereits durch die umfassende Kasuistik belegt.337 Auch sind mit der Einrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichtes für den Staat ein beträchtlicher Organisations- und Planungsaufwand sowie damit einhergehend hohe finanzielle Kosten verbunden.338 Unter Würdigung dieser beiden Argumente sind einem überzeugenden zweiten Ansatz zufolge die Anforderungen, die an die Verleihung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV geknüpft werden, auf eine Religionsgemeinschaft, die ordentlichen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ausrichten möchte, zu übertragen.339 Im Unterschied zum erstgenannten Ansatz ist hier ein formeller Verleihungsakt nicht erforderlich. Auch das BVerwG liest in seinem Urteil zum islamischen Religionsunterricht die Anforderungen des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRVeng an denjenigen, die aus dem Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG abzuleiten sind.340 Durch das Aufzwingen eines bestimmten Rechtsstatus könne der Staat „seiner Verpflichtung zur Neutralität in Religions- und Weltanschauungsfragen nicht gerecht“ werden und würde überdies gegen das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht verstoßen. Im Ergebnis gilt unter Übertragung der geschriebenen Voraussetzungen des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV: Damit eine Religionsgemeinschaft als ein „berechenbarer Partner“ im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG fungieren kann, muss sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten341 und weiterhin über eine Mitglieder- und Vertretungsstruktur verfügen.

337 Vgl. dazu Hofmann, ZG 2009, S. 201 (221 ff.); Langenfeld, AöR 123 (1998), S. 375 (384 ff.). 338 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 248; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 102. Zu den Kostenpflichten Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 439 (469 f.); VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, 196 (199); BVerwG, NJW 2005, 2101 (2107). 339 Diese Auffassung entspricht der herrschenden Meinung: Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 439 (500). Dietrich nimmt hinsichtlich der einzelnen Anforderungen einen Relevanztest vor, kommt allerdings zu einem ähnlichen Ergebnis. Vgl. dazu dies., Islamischer Religionsunterricht, S. 248. 340 BVerwG, NJW 2005, 2101 (2107). So in der Literatur auch Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 248; Loschelder, EssGspr. 20 (1986), S. 149 (171); Mückl, AöR 122 (1997), S. 513 (522); Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 130 ff. 341 Teilweise werden dem Normtext des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV drei Kriterien unter Hinzuziehung des Merkmals der Gewähr der Dauer entnommen, so Korioth, in: Maunz/Dürig, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 73.

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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1. Gewähr der Dauer Die Bezugsgröße der „Gewähr der Dauer“, die auch eine Religionsgemeinschaft durch ihre Verfassung und ihre Mitgliederzahl als Kooperationspartner des Staates in Sachen Religionsunterricht bieten muss,342 soll also verhindern, dass Ephemeride in die leistungsstaatlichen Strukturen des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG eingebunden werden.343 Der betreffenden Religionsgemeinschaft muss eine kontinuierliche Kooperation mit der staatlichen Kultusverwaltung möglich sein, da auch der einem Land in der Ausbildung und Vergütung tausender islamischer Religionslehrer entstehende Verwaltungs- und Finanzaufwand zu rechtfertigen sein muss.344 2. Verfassung a) Der tatsächliche Gesamtzustand der Gemeinschaft Mit der Beurteilung des „qualitativen Gesamtzustand[es]“345 der Verfassung einer Religionsgemeinschaft hat sich heute ein Ansatz durchgesetzt, der in einem diametralen Gegensatz zu einer schematischen Überprüfung der Einzelmerkmale auf das Vorliegen von amtlichen Strukturen hin steht, wie sie durch einige Stimmen in der Literatur propagiert wird.346 Eine „prognostische Gesamtbetrachtung“ nahmen zunächst das BVerfG in seinem Zeugen-Jehovas-Urteil vom 19. 12. 2000347 und dies aufnehmend das BVerwG in seinem Urteil zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften – Bahá’í vom 28. 11. 2012348 vor. Unter dem Tatbestandsmerkmal der „Verfassung“ sei

342 Gegen eine Übertragung der Anforderung der Bestandsdauer auf Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG erteilende Religionsgemeinschaften, vgl. Anger, Islam in der Schule, S. 374 f.; a. A. zu Recht Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 253, so dass der an den Körperschaftsstatus gestellte Anforderungsgehalt auf Religionsgemeinschaften in dieser Funktion übertragen werden kann. 343 Zum Körperschaftsstatus allgemein vgl. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 322. Zum Religionsunterricht vgl. Häußler, NVwZ 2005, S. 1396 (1397); ferner Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, S. 108. 344 Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, S. 108. 345 Müller, ZevKR 2 (1953), S. 139 (157). Diesen Ansatz übernehmen Fechner, Jura 1999, S. 515 (516); BVerfGE 102, 370 (385) m. w. N. 346 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 101. Dies vertreten Hillgruber, NVwZ 2001, S. 1347 (1350); Loschelder, EssGspr. 20 (1986), S. 149 (165 ff.); Muckel, DöV 1995, S. 311 (314). 347 BVerfGE 102, 370 (384 f.); Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 322; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 102; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Rn. 21; Weber, NVwZ 2009, S. 503 (505). 348 BVerwG, NVwZ 2013, S. 943.

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gerade „nicht nur die satzungsmäßige Organisation“349, sondern die „Summe der Lebensbedingungen, denen die Religionsgemeinschaft unterworfen ist“, zu verstehen.350 Abgeleitet werden soziologische Bezugsgrößen mit indizieller Bedeutung wie zuverlässige Vermögensverhältnisse, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens.351 Daraus lässt sich ableiten, dass die betreffende Religionsgemeinschaft zwar nicht als religiöser Verein verfasst sein, aber über eine „fassbare Organisation“ verfügen und in der Lage sein muss, die sich aus dem Körperschaftsstatus/aus dem Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ergebenden Rechte und Pflichten auszuüben.352 b) Mitgliederzahl als eigenständiges Merkmal Die Lesart der Mitgliederzahl als qualitatives bzw. quantitatives Merkmal wurde unterschiedlich gehandhabt und dabei vereinzelt zu Unrecht ihre Entscheidungserheblichkeit abgesprochen.353 Ist die Mitgliederzahl Gegenstand des Gesamtabwägungsprozesses, erfährt sie eine Relativierung, was sich im Ergebnis positiv auf mitgliederschwache (und damit vor allem für nichtchristliche) Religionsgemeinschaften auswirken kann. In der Verleihungspraxis der Bundesländer, die sich unter Heranziehung von 2c der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz von 1954, einer unverbindlichen Verwaltungsempfehlung, an dem Richtwert von 1/1000 der Einwohnerzahl orientierte, erfolgte die Bestimmung der Mitgliederzahl noch schwerpunktmäßig quantitativ.354 Unter Verweis darauf, dass eine Religionsgemeinschaft eine gewisse Bedeutung im öffentlichen Leben erlangt haben müsse, 349 Vgl. auch 2c der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, wo (restriktiv) ein Gesamtzustand gefordert wird, zu welchem eine Organisationsordnung (Satzung, Verfassung) zu zählen ist, die in Form und Inhalt mindestens der Satzung eines eingetragenen Vereins entspricht. 350 BVerfGE 102, 270 (385); BVerwG, NVwZ 2013, S. 943 (945). Dazu in der Literatur vgl. auch v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 135; Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 252 ff.; Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 322; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 102 ff.; Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Rn. 21 f.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 140 GG i. V. m. 137 Rn. 101 f.; Tillmanns, DöV 1999, S. 441 (446) mit jeweils weiteren Nachweisen. Vgl. dazu Doose, Die rechtliche Stellung der evangelischen Freikirchen in Deutschland, S. 155; Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 116. Kritisch, aber im Ergebnis bejahend Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (350); Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Vierter Band, S. 110 (157); Müller, ZevKR 2 (1953), S. 139 (153); Smend, ZevKR 2 (1953), S. 374 (378); Tillmanns, DöV 1999, S. 441 (446). 351 BVerfGE 102, 370 (385) m. w. N.; BVerwGE, NVwZ 2012, S. 943 (945). 352 BVerwG, NVwZ 2013, S. 943 (945). 353 So aber Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (354). 354 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 GG Rn. 20; Voll, Handbuch des Bayerischen Staatskirchenrechts, S. 76.

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wurde diese Vorgabe aber nicht allzu restriktiv gehandhabt.355 Gegen eine rein quantitative Bestimmung sprach sich bereits Müller in einem Beitrag in den fünfziger Jahren aus, da absolute Zahlen nicht „von entscheidender Bedeutung“ sein könnten, es komme auch auf die „soziologische Struktur der Zahl“356 an. Auch das VG München vertrat die Auffassung, dass die Interpretation der Mitgliederzahl „von den übrigen den Gesamtstatus ausmachenden Faktoren beeinflusst“357 wäre und sich nicht generell festlegen ließe. Von diesen herrschenden Auffassungen wendet sich das BVerwG in seinem Urteil vom 28. 11. 2012 zur Korporationsqualität der Religionsgemeinschaft der Bahá’í ab, wonach die Mitgliederzahl weiterhin als ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal eingeordnet wurde.358 Das Gericht zementiert zwar unter Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung die Lesart einer „qualitativen Gesamtbetrachtung“,359 erweitert diesen Ansatz aber dadurch, dass es das Merkmal der Mitgliederzahl als ein „wesentliches Element dieses Gesamtzustands“ einordnet und damit zum Gegenstand der Gesamtabwägung „degradiert“.360 Dies begründet das Gericht damit, dass „regelmäßig allein aus der Zahl der Mitglieder nicht unmittelbar auf den künftigen Fortbestand geschlossen werden [könne]. Wie jede statistische Zahl bedarf die Zahl der Mitglieder einer Bewertung, wenn aus ihr eine Aussage für die zukünftige Entwicklung abgeleitet werden soll“361. Faktoren dafür seien die bisherige Bestandsdauer, die Entwicklung des Mitgliederbestandes in der Vergangenheit, die Altersstruktur der Mitglieder, ihre soziale Zusammensetzung, Einbindung der Religionsgemeinschaft in eine größere, gar weltweit verbreitete Gemeinschaft.362 In diesem Sinne ist auch das obiter dictum des BVerwG zur Verwaltungspraxis zu verstehen, wonach „auch zur Erleichterung des Verwaltungsvollzugs von einer bestimmten Richtzahl an ohne weitere Prüfung angenommen werden [kann], dass die Religionsgemeinschaft nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, weil schon die schiere Größe der Religionsgemeinschaft ihr Erlöschen nicht erwarten lässt“363. In der Literatur beliefen sich die Auffassungen der Mindestbestandszeit auf 355 Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (354); vgl. die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 12. März 1954, abgedruckt ebenda, Anlage 2, S. 377 f. 356 Müller, ZevKR 2 (1953), S. 139 (153 f.). 357 VG München, Urteil v. 13. 10. 1982 – Nr. M 2784 VII 80, in: ZevKR 30 (1985), S. 628 (631). 358 So auch kurz zuvor das OVG Berlin, Beschluss v. 6. 6. 2000 – 5 N 35/99, in: NVwZ-RR 2000, S. 604, das dem Merkmal der Mitgliederzahl „neben“ dem der Verfassung eine „besondere Bedeutung“ attestierte. 359 BVerwG, NVwZ 2013, S. 943. 360 BVerwG, NVwZ 2013, S. 943 f. 361 Dass. 362 So auch Anmerkung von Löhning/Preisner, NVwZ 2013, S. 945 (946). 363 BVerwG, NVwZ 2013, S. 943 (944).

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über wenige Jahre364, über dreißig365 entsprechend der Zeitdauer eines Generationenwechsels. Auch siebzig Jahre wurden gefordert.366 Dazu äußerte sich das Gericht zwar nicht ausdrücklich, degradierte aber auch dieses Kriterium mit Blick auf das obiter dictum zu einer relativen Größe.367 Dass schrittweise von einer absolut betrachteten Bezugsgröße Abstand genommen wird, zeigt dabei das Urteil des BVerwG zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts, in welchem das Gericht eine Bestandsdauer von fast zwanzig Jahren für ausreichend befand.368 Diese relativierende und abwägende Rechtsprechung wirkt sich insbesondere positiv auf islamische Verbände aus, da höhere Mitgliederzahlen häufig eine kürzere Bestandsdauer ausgleichen können. In Bezug auf islamische Gemeinschaften stellt sich die Frage, ob auch sogenannte „Nutznießer“ mitgliedschaftsrechtlich in den Kreis der Gläubigen hineinzählen. In islamischen Gemeinschaften ist die regelmäßige Teilhabe einer hohen Anzahl an Gläubigen am religiösen Leben übliche Praxis, über eine ordentliche mitgliedschaftsrechtliche Beziehung zur Gemeinschaft verfügen diese jedoch nicht. Überwiegend wird verneint, dass diese in die Bestimmung der Mitgliederzahl sowie der Stabilität ins Gewicht fallen.369 Eine Umdeutung von Nutznießern in formelle Mitglieder würde gegen das Persönlichkeitsrecht und die negative Religionsfreiheit derselben verstoßen,370 allerdings gilt zu berücksichtigen, dass gerade die am Gemeindeleben aktiv teilhabenden Gläubigen zur religionsgemeinschaftlichen Stabilität erheblich beitragen. Unter Heranziehung des Maßstabes der quantitativen Gesamtbetrachtung sind die Zahlen der Nutznießer, solange sie realistisch erscheinen, zu berücksichtigen. Sie können beispielsweise weiterführend in der Beurteilung eines intensiven religiösen Lebens sein. Die Zahlen selbst können durch die verbandliche Buchführung aufgezeigt werden; Aufschluss darüber können auch verbandsspezifische Praktiken geben, wie beispielsweise das Verschicken von Ramadankalendern an einen stabilen Personenkreis. Es gilt freilich, dass diese Zahlen nur eine Prognose stützen oder schwächen können und ihnen eine verminderte Relevanz gegenüber absoluten Mitgliederzahlen zuzusprechen ist.371 364

Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 118 m. w. N. Eine Bestandsdauer von 30 Jahren entspricht wohl der h. M., danach richtete sich die Verwaltungspraxis. Vgl. dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 252 m. w. N.; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 103; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 140 GG Rn. 20; Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (352). 366 Doose, Die rechtliche Stellung der evangelischen Freikirchen in Deutschland, S. 158. 367 Anmerkung von Löhning/Preisner, NVwZ 2013, S. 945 (946). 368 BVerwGE 123, 49 (70). 369 Weber, ZevKR 34 (1989), S. 337 (357); a. A. Dose, Die rechtliche Stellung der evangelischen Freikirchen, S. 164. 370 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 255. 371 So auch Dietrich im Verhältnis zur absoluten Mitgliederzahl, vgl. dies., Islamischer Religionsunterricht, S. 256. 365

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3. Anforderungen an das Mitgliedschaftsrecht und die Funktion eines Ansprechpartners Mit Blick darauf, dass die Schulverwaltung feststellen muss, für wen die Pflicht zur Teilnahme besteht, wird Mitgliedschaftsklarheit gefordert.372 Aus der negativen Religionsfreiheit folgt, dass kein Schüler ohne oder entgegen seinem Willen der Teilnahmepflicht am Religionsunterricht unterliegt, was in den mitgliedschaftlichen Zugehörigkeitsregelungen, die allgemein zu den eigenen Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft zählen, Berücksichtigung finden muss. Diskutiert wurde, ob die Religionsgemeinschaft über ein formalisiertes Mitgliedschaftsrecht verfügen muss und wie ein solches ggf. ausgestaltet sein sollte. a) Zugehörigkeitsregelungen im Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 3 GG Exemplarisch für die Forderung, eine Religionsgemeinschaft müsse „klare Regeln über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft besitz[en]“,373 stehen die beiden Großkirchen, die mit der Mitgliedschaft in der jeweiligen Diözese der römisch-katholischen Kirche374 bzw. mit dem „Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder“375 über ein formalisiertes, Außenwirkung entfaltendes Mitgliedschaftsrecht verfügen. Eine Zuordnung der muslimischen Gläubigen ist dagegen nicht ohne weiteres möglich. Im „Islam“ wurden kaum formale Strukturen ausgebildet, da eine religiöse Instanz angesichts der unmittelbaren Beziehung zwischen Gott und dem Gläubigen nicht von Nöten ist.376 Die religiösen Initiationsriten – Muslim wird man durch die Geburt von Muslimen oder im Wege der Konversion zur Umma – erfüllen diese Anforderungen nicht. Die Beachtung des islamischen Gebots der Darura,377 die aus schlichter Notwendigkeit zu erfolgende Institutionalisierung, hat allerdings zu einer Adaptionsleistung in Hinblick auf die hiesigen Rechtsstrukturen geführt, so dass Moscheevereine und Dachverbände als eingetragene Vereine auf der Grundlage ihrer Satzungsbestimmungen Aufschluss über die mitgliedschaftliche Zugehörigkeit geben können.378 Die Praxis sieht aber überwiegend so aus, dass vornehmlich juristische Personen den Dachverbänden angehören. Im Allgemeinen wird jedoch von denjenigen, die ein formalisiertes Mitgliedschaftsrecht 372 Albrecht, EssGspr. 20 (1986), S. 82 (102, 115). Übernommen u. a. durch Frisch, DöV 2004, S. 462 (469 f.); Häußler, ZAR 2000, S. 255 (263); BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2107). 373 Kirchhof, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 651 (686). Vgl. auch Muckel, DöV 1995, S. 311 (315). 374 Kuntze, Bürgerliche Mitgliedschaften in Religionsgemeinschaften, S. 202 ff. 375 Siehe ebenda, S. 238 ff. 376 Dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 2. 377 Rohe, Rechtliche Perspektiven eines islamischen Religionsunterrichts in Deutschland, S. 209. 378 Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 315.

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vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Konzeption des Art. 7 Abs. 3 GG zwingend für geboten halten, auch gefordert, dass die jeweiligen Kinder ungeachtet ihres Alters auch Mitglied bei der betreffenden Religionsgemeinschaft sind.379 In seinem Urteil zum islamischen Religionsunterricht vertritt das BVerwG die Auffassung, dass es für die mitgliedschaftliche Zurechnung nicht auf die Zugehörigkeit zum Dachverband ankomme, sondern auf diejenige zu einer der Mitgliedsorganisationen.380 Unschädlich sei, dass die Kinder nicht selbst förmliche Mitglieder seien, solange zumindest ein Elternteil der Religionsgemeinschaft mitgliedschaftsrechtlich angehöre. Darüber hinaus bestehe für diese Moscheevereine auch die Möglichkeit, der Teilnahmeverpflichtung durch das Schaffen eines ihrem Selbstverständnis entsprechenden, von der förmlichen Vereinsmitgliedschaft unabhängigen Zugehörigkeitskriteriums Rechnung zu tragen.381 Auch dabei komme es auf die Zugehörigkeit der erziehungsberechtigten Eltern bzw. religionsmündigen Schüler zur auszurichtenden Religionsgemeinschaft an. Diese Rechtsauffassung vertritt auch de Wall in seinem Rechtsgutachten, unter der Einschränkung, dass solche Zugehörigkeitsregelungen nur dann den aus der Verfassung, insbesondere der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abzuleitenden Anforderungen, entsprächen, wenn niemand „einseitig und ohne Rücksicht auf seinen Willen“ als Mitglied einer Religionsgemeinschaft in Anspruch genommen wird.382 Eine zulässige Alternative zur förmlichen Vereinsmitgliedschaft stellen beispielsweise die von der DITIB geführten Registerbücher dar.383 Waldhoff verweist auf die besondere integrationspolitische Bedeutung des Religionsunterrichts und die Schwierigkeiten islamischer Gemeinschaften, ihre Gläubigen mitgliedschaftsrechtlich zu erfassen und schlussfolgert, dass „seine Einführung aber bei Bedarf nicht daran scheitern [solle], dass z. B. die Qualifikation einer Organisation als Religionsgemeinschaft noch nicht endgültig feststeht – etwa wegen der Frage der mitgliedschaftlichen Struktur“384. Eine Übergangslösung, bis die betreffende Gemeinschaft in einer absehbaren Frist die rechtlichen Schwachstellen ausgebügelt habe, sei zulässig. Propagiert wird eine „Anmeldelösung“, wobei die Anmeldung des betreffenden Schülers durch die Erziehungsberechtigten erfolge und wodurch für eine Übergangszeit die formelle Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft ersetzt werde.385 Dafür spricht, dass auf diese Weise auch die Religionsfreiheit gewahrt bleibt.

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Vgl. Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 306. BVerwG NJW 2005, S. 2101 (2107). 381 Siehe ebenda. 382 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 39 mit dem Hinweis auf BVerfGE 30, 423. 383 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 39; Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 109. 384 Waldhoff, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag, D 107; de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 37 ff. 385 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 307. 380

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b) Ansprechpartnerqualität Noch bis zum Urteil des BVerwG zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts wurde vorwiegend ein materieller Vertretungsbegriff vertreten,386 wonach eine Religionsgemeinschaft über eine organisatorisch-institutionelle Binnenverbindlichkeit verfügen müsse, um die religiösen Grundsätze des Religionsunterrichts vor dem Hintergrund staatlicher Neutralität verbindlich bestimmen zu können.387 Diese „absolute“ Betrachtungsweise orientiert sich an den amtlichen Strukturen der christlichen Großkirchen, sie wird mit der „herausgehobene[n] Position im staatlichgesellschaftlichen Raum“388, dem Bestehen eines Kooperationsverhältnisses und dem Grundsatz staatlicher Neutralität begründet.389 In seinem Urteil zur Ausrichtung ordentlichen Religionsunterrichts durch islamische Verbände hat sich das BVerwG der inzwischen verbreiteten Auffassung,390 wonach eine Religionsgemeinschaft lediglich über eine klare Vertretungsstruktur nach Außen verfügen muss, angeschlossen. Das Gericht konstatiert, dass „deren Eignung als Instanzen zur verbindlichen Bestimmung der Grundsätze im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG […] unabhängig davon zu bejahen [sei], ob und inwieweit sie zu internen Abstimmungen gehalten sind“.391 In der Tat würde das auch hier lediglich zu statuierende organisatorische Mindestmaß überspannt, wenn weitere Anforderungen an die Vorgänge interner Willensbildungen gestellt würden.392 Weiterhin entspricht bereits das Selbstverständnis der neukorporierten Gemeinschaften nicht dem materiellen Vertretungsbegriff, der überdies in einem diametralen Gegensatz zum freiheitsrechtlichen paritätischen Gehalt des Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV steht und auch dem Verfassungswortlaut nicht zu entnehmen ist.393 Die Prüfung, ob die von einer Religionsgemeinschaft bestellten Vertreter deren Grundsätze repräsentativ und authentisch formulieren, würde den Staat überfordern.394 Die Organe einer Religionsgemeinschaft müssen dazu berechtigt sein, mit Wirkung für und gegen diese im Außenverhältnis zu handeln. Das für Religionsgemeinschaften in erster Linie relevante 386 Loschelder, EssGspr. 20 (1986), S. 149 (171) m. w. N. vertritt die Ansicht, dass, was die Religionsgemeinschaft nach innen legitimiere, sei dem Urteil des Staates entzogen. Siehe auch Muckel, DöV 1995, S. 311 (314); in diese Richtung auch gehend Bock, RdJB 2001, S. 330 (338); Kreß, ZRP 2010, S. 14 ff. 387 VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (200). 388 Loschelder, EssGspr. 20 (1986), S. 149 (165). 389 Siehe ebenda. 390 Bock, RdJB 2001, S. 330 (337 f.); Cavdar, RdJB 1993, S. 265 (268); Fechner, NVwZ 1999, S. 735 (736); Frisch, DöV 2004, S. 462 (469 f.); Heckel, JZ 1999, S. 741 (752 f.); Heimann, DöV 2003, S. 238 (243); Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 111; Langenfeld, AöR 123 (1998), S. 375 (401 f.); Muckel, JZ 2001, S. 58 (61). 391 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2107). 392 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 295; Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 110. 393 Siehe ebenda. 394 Siehe ebenda.

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Vereinsrecht trägt dem durch die Ausgestaltung der organschaftlichen Vertretungsbefugnisse des Vorstandes regelmäßig Rechnung.395 Da einer Religionsgemeinschaft allerdings keine Rechtsform vorgeschrieben werden kann, vermag diese Anforderung auch ein auf eine andere Weise bestimmtes Gremium zu erfüllen. Moscheevereine oder islamische Dachverbände, die regelmäßig als eingetragener Verein verfasst sind, erfüllen diese Anforderung ohne weiteres.

II. Ungeschriebene Anforderungen 1. Staatsfreie Definition der Grundsätze des Religionsunterrichts: Das Problem der Einflussnahme des Diyanets auf die DITIB-Gesamtorganisation Nach Art. 7 Abs. 3 GG darf nur eine Religionsgemeinschaft die zu lehrenden Grundsätze des Religionsunterrichts in einer staatsfreien Sphäre definieren. Aus dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche und der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates folgt, dass auch nicht ein anderer Staat unter dem Deckmantel von organisierter Religion Kooperationspartner des jeweiligen Landes sein darf.396 Dass eine derartige Einflussnahme verwehrt ist, folgt zudem aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV397 sowie aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 4 GG.398 Die Gewährleistung einer staatsfreien Sphäre bereitet vor allem399 der DITIB Probleme, aber auch das Islamische Zentrum Hamburg, ein Mitgliedsverein des VIKZ, weist zumindest eine finanzielle Anbindung an den Iran auf, da die dort arbeitenden Imame von der zuständigen islamischen Behörde entsendet und vergütet werden.400 Angesichts zahlreicher organisatorischer, personaler sowie finanzieller Verflechtungen zwischen dem namentlich bereits angelehnten Diyanet Isleri Türk Islam Birgili an das Diyanet, dem türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten und einer der größten türkischen Behörden mit Sitz in Ankara, wird der DITIB-Verband auch als „die Europa-Filiale der obersten türkischen Religionsbehörde“401 be395

Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (56). Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, S. 109. 397 Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 452. 398 Vgl. Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 452 m. w. N. 399 Anhaltspunkte zu den Anbindungen weiterer Gemeinden werden aufgelistet bei Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 154 f. 400 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 154; Feindt-Riggers/Steinbach, Islamische Organisationen in Deutschland, S. 126, 51. 401 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) v. 18. 08. 1995, Drs. 13/2063. 396

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zeichnet. Die enge Verbindung zeigt sich Seufert zufolge schon in der Gründungsmotivation. Der türkische Staat habe mittels der DITIB verhindern wollen, dass politische Gruppen in der Diaspora sich gegen das laizistische Verständnis von Religion einsetzen.402 Auch die Islamwissenschaftlerin Yasar ist der Auffassung, dass das Diyanet seit seiner Gründung bis heute für die Kontrolle eines „laizistischen Staatsislam“ und zur Identitätsbildung der im Ausland lebenden Türken eingesetzt würde.403 Diese Verflechtungen äußerten sich auch im Hamburger Verhandlungsprozess durch die zeitweilige Teilnahme des Religionsattachés der DITIB Yilmaz, der bei der Botschaft und den Generalkonsulaten der Republik Türkei direkt angestellt ist.404 Die Aufsichts-, Einflussnahme- und teilweise auch Kontrollrechte des Diyanets bzw. des DITIB-Bundesverbandes reichen also bis auf die Landesverbandsbzw. Gemeindeebene zurück.405 In Hinblick auf den DITIB-Landesverband ist fraglich, ob ihm Verflechtungen personeller, organisatorischer und finanzieller Art mit der Republik Türkei verwehren, die Grundsätze des Religionsunterrichtes in einer staatsfreien Sphäre zu definieren. Nach § 23 DITIB-Landesverbandssatzung, die als Mustersatzung in ähnlicher Form auch für weitere Landesverbände gilt, ist der Landesverband eine Zweigorganisation des Bundesverbandes, wodurch der Landesverband unmittelbar in das Organisationsgefüge der DITIB inkorporiert wird. Dies hat zur Folge, dass dem Diyanet die unmittelbare Einflussnahme möglich ist. Dies geschieht insbesondere durch seine Auslandsorganisation, die aus den Botschaftsräten und den Religionsattachés besteht, welche bei den Botschaften und Generalkonsulaten der Republik Türkei in der Bundesrepublik Deutschland angestellt sind.406 In einer Erhebung von 2009 identifizierte Yasar mindestens 15 der insgesamt 73 Mitglieder der Mitgliederversammlung des DITIB-Bundesverbandes als Diyanet-Vertreter. Dadurch kommt letzteren ein erhebliches Stimmgewicht zu, die Stimme eines Diyanet-Vertreters entsprach der eines Vorsitzenden eines DITIB402 Es wird angenommen, dass in Deutschland lebende Türken die Bitte geäußert hatten, durch die Entsendung von Religionsbediensteten aus der Türkei den lokalen Machtkämpfen zwischen politisierten türkischen Vereinen Einhalt zu gebieten. Dies habe auch den Ausschlag für die Gründung der DITIB gegeben. Teilweise wird die Gründungsinitiative ganz dem türkischen Staat, handelnd durch das Präsidium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet Isleri Baskanligi, abgekürzt Diyanet), zugesprochen, sie wird als „Reaktion auf den organisatorischen Erfolg nichtstaatlicher muslimischer Gruppen in der Diaspora“ eingeschätzt, dazu näher Seufert, Staat und Islam in der Türkei, S. 18. So auch Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 29; vgl. auch Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 62. 403 Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 43, 204. 404 Yilmaz musste auf Grund verfassungsrechtlicher Bedenken seine Teilnahme schließlich aussetzen, dies lässt sich anhand der Protokolle nachvollziehen. 405 Auf diese Verbindung erschöpfend einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, so dass einige zentrale Punkte aufgezeigt werden sollen. Es wird auf die umfassende Untersuchung verwiesen von Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland. 406 Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 40.

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Landesverbandes, der abhängig von seiner Größe zwischen 9 und 88 Gemeinden vertritt.407 Die Mitgliederversammlung beschließt beispielsweise über Satzungsänderungen oder die Auflösung eines Vereins, § 8 Abs. 5 DITIB-Satzung. Yasar kam zu dem Ergebnis, dass sich zudem der Beirat des Bundesverbandes „in fester Hand von Diyanet-Vertretern“ befindet, vgl. § 11 DITIB-Satzung.408 Dieses Organ besteht aus fünf Religionsbeauftragten, die durch das Diyanet entsendet werden. Vorsitzender ist der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik, § 11 Abs. 1 S. 1 DITIB-Satzung. Dem Beirat kommt die Entscheidungsgewalt über die Aufnahmeanträge von Personen oder Zweigvereinen in den DITIB-Bundesverband zu, er kann auch außerordentliche Versammlungen einberufen. In der Regel besteht Personalunion zwischen dem Botschaftsrat für religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei und dem Vorsitzenden des Bundesverbandes. Dessen Vorstand ist wiederum zugleich Aufsichtsrat der Landesverbände, vgl. § 19 DITIB-Landesverbandssatzung, wodurch einige Vorstandsmitglieder wichtige Funktionen auf der Dach- sowie auf der Landesverbandsebene innehaben. In § 9 Abs. 11 DITIB-Satzung ist normiert, dass, bevor der Vorstand über eine religiöse Angelegenheit entscheidet, er eine schriftliche Stellungnahme des Religionsrats einholt. Maßgeblich in Hinblick auf die Kooperationsfähigkeit des DITIB-Landesverbandes im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ist vor allem die Einflussnahme derjenigen verbandlichen Organe, die bei der Bestimmung der Grundsätze des Religionsunterrichts eine Rolle spielen und die sich beispielsweise auf die Aufstellung der Lehrpläne oder die Lehrpersonen beziehen. Verfassungsrechtlich problematisch sind vor allem die Einwirkungsmöglichkeiten der bundesverbandlichen Religionsräte auf die auf der Landesebene angesiedelten Religiösen Beiräte. Der Religionsrat auf Bundesverbandsebene setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen, die mindestens ein zweijähriges Studium der islamischen Theologie absolviert haben; Yasar geht angesichts dieser höheren Qualifikation davon aus, dass es sich bei ihnen um Imame des Diyanets handeln muss.409 Neben einer Beratung des Vorstandes in religiösen und kulturellen Fragen bestimmen sie zudem die Mitglieder der Religionsräte auf Landesebene; problematisch ist vor allem, dass sie diese in „ihrer Aufsicht über die Arbeit ihrer Religionslehrer“ unterstützen sollen, etwa durch die Stellungnahme zu religiösen Fragen, der Beratung des Vorstandes sowie in der Funktion eines Gutachters, § 22 DITIB-Satzung.410

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Dies., S. 74. Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 74 ff. 409 Yasar, Die DITIB zwischen der Türkei und Deutschland, S. 114. 410 Die Religionsräte können Gemeindemitgliedern zudem Antworten auf Fragen zur islamischen Religion geben. Außerdem haben sie das Recht, gegen Vorstandsbeschlüsse Einspruch zu erheben und ihre Überprüfung in der Mitgliederversammlung zu beantragen, wenn diese gegen die islamische Lehre verstoßen. 408

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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In § 13 Abs. 6 DITIB-Satzung ist normiert, dass, wenn sich „die Mitglieder des Religionsrates oder die Landes-Religionsbeiräte untereinander in einer Angelegenheiten nicht einigen, […] die Beschlüsse des Religionsrates des Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten Anwendung“ finden. Dieses Organ ist namentlich an den Hohen Rat für religiöse Angelegenheiten des Diyanets angelehnt. Mit der Anstellung der Imame hat das Diyanet die Aufsicht über die Religionslehrer gar im Regelfall inne. Dies ist mit dem Prinzip des Art. 7 Abs. 3 GG nicht vereinbar.411 Der strukturelle und personelle Einfluss des Diyanets bzw. des DITIB-Bundesverbandes macht sich in mehreren Organen des DITIB-Landesverbandes auch direkt bemerkbar. An jedem Konsulatsstandort der Türkei wurde in der Regel ein Landesverband errichtet, da das Diyanet in jedes Generalkonsulat einen Religionsattaché entsendet, der den Imamen der DITIB-Gemeinden in seinem Bezirk bzw. im entsprechenden Landesverband vorsteht. Weiterhin sind die Mitglieder des DITIBVorstandes gleichzeitig Mitglieder des Aufsichtsrates des Landesverbandes. Die Ausführungen machen deutlich, was auch de Wall in seinem Rechtsgutachten feststellt, dass aus der Satzung des DITIB-Landesverbandes nicht zweifelsfrei hervorgeht, „ob und inwiefern der türkische Staat Einfluss auf die Definition der religiösen Grundsätze der DITIB nimmt und ob ein solcher Einfluss sich auch auf die Bestimmung der Grundsätze des Religionsunterrichts erstrecken würde. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass ein solcher, verfassungsrechtlich nicht akzeptabler Einfluss auf die Definition dieser Grundsätze geübt würde“412. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Organe einen zumindest mittelbaren Einfluss ausüben. Diese Anbindung wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur lange Zeit für verfassungsrechtlich unproblematisch gehalten,413 was sich in Vergleichen mit der Verbindung zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Heiligen Stuhl414 oder der Forderung, den „verfassungsrechtlichen Blankettbegriff“ der Religionsgemeinschaft großzügiger auszulegen und das Diyanet als Ansprechpartner der Gruppe an türkischen Schüler zu sehen, zeigt.415 Diese allzu wohlwollende Einschätzung findet ihren Grund wohl in der rechtspolitischen Ambition, einen islamischen Religionsunterricht einführen zu wollen. Sie ist angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken und mit Blick auf die sich verschärfende politische Situation unter dem derzeitigen Staatspräsidenten Erdogan in der Türkei keinesfalls haltbar. Auch können die Türkei und der Heilige Stuhl keinesfalls gleichgesetzt werden. Das Diyanet ist nicht das geistige Oberhaupt einer Religionsgemeinschaft, sondern eine 411

In diese Richtung gehend de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 48. de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 42. 413 Für die verfassungsrechtliche Unschädlichkeit einer solchen Verbindung sich aussprechend Häußler, ZAR 2000, S. 255 (264); Heckel, JZ 1999, S. 741 (752). 414 Siehe ebenda. 415 Dilger, EssGspr. 20 (1986), S. 195; Langenfeld, AöR 123 (1998), S. 375 (402 f.); Link, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, 2. Aufl., S. 439 (502, Anm. 262); a. A. Mückl, AöR 122 (1997), S. 513 (552). 412

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staatliche Behörde, an deren staatliche Eigenschaft im Rahmen des Kooperationsverhältnisses aber anzuknüpfen wäre.416 Bemerkenswert ist auch, dass, wie Dietrich konstatiert, diese Verbindung bei den deutschen Behörden vor allem als ein stabilisierender Faktor in der Einschätzung „des Islams“ galt. Dies lässt sich mit einer Überschneidung des laizistischen Diyanets mit den Erziehungszielen an deutschen Schulen erklären.417 Auch wenn dies noch für die ursprüngliche religiöse Weichenstellung angenommen werden kann und auch mit Klinkhammer zu konstatieren ist, dass der islamische Dachverband der DITIB entsprechend seiner Anbindung an das Diyanet „als Vertreter einer religiös, gemäßigten, den türkischen Laizismus anerkennende und anti-laizistischen Extremismus abwehrende Richtung des sunnitischen Islam zu verstehen“418 sei, hält die Behörde aber an einer eher konservativen Auslegung „des Islams“ fest. Die Religionswissenschaftlerin konstatiert aber und vor allem auch: Die Behörde des Diyanets kann immer nur so gemäßigt sein, wie die Regierung der Türkei es ist, wobei es zu bedenken gilt, dass türkische Muslime mittlerweile in der dritten Generation in der Bundesrepublik leben und die türkische Religionskultur sprachlich und kulturell „etwas in den Hintergrund“ trete.419 Dies schlage sich beispielsweise in einer zurückhaltenden Bewertung des KopftuchTragens nieder; im Ergebnis stünden die religiösen Auffassungen der DITIB aber in nur geringer Spannung zu derjenigen anderer sunnitischer Gruppierungen.420 Dass diese Verbindung keinesfalls als ein stabilisierender Faktor gewertet werden sollte, sondern dass der politische Kurs der türkischen Regierung eine unter demokratischen, rechtsstaatlichen und insbesondere menschenrechtlichen Gesichtspunkten hochproblematische Richtung einnehmen kann, zeigen die politischen Ereignisse ab 2013. Begonnen mit der gewaltsamen Zerschlagung der Proteste zehntausender Türken im Gezi-Park und auf dem Taksim-Platz in Istanbul im Mai 2013, wurde die gewaltsame Linie im Juli 2016 nach einem Putschversuch gegen die türkische Regierung, bei welchem fast 300 Menschen starben, fortgeführt. Tausende Menschen wurden verhaftet. Auch zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland ist es zu einem politischen Zerwürfnis gekommen, das sich deutlich in der Reaktion Erdogans auf das „Schmähgedicht“421 des deutschen Satirikers Böhmermann oder der am 2. Juni 2016 verabschiedeten Armenien-Resolution des Bundestages zeig-

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So auch Lutz-Bachmann, Mater rixarum? Verträge des Staates mit jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, S. 452 f. 417 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 154. 418 Siehe auch Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 49. 419 Klinkhammer, Religionswissenschaftliches Gutachten Religionsgemeinschaft, S. 67. 420 Dies., S. 69. 421 Zu diesem Vorgang der Online-Artikel der Wochenzeitung Die Zeit v. 17. 05. 2016 „Schmähgedicht über Erdogan wird in Teilen verboten“, abrufbar unter: http://www.zeit.de/kul tur/2016-05/landgericht-hamburg-verbietet-passagen-von-boehmermanns-schmaehgedicht (Stand: 15. 07. 2016).

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te.422 Es ist davon auszugehen, dass sich der innen- und außenpolitische Kurs der Türkei unter dem seit 2014 amtierenden Präsidenten Erdogan weiterhin verschärft. In der Frage der Einstufung einer Gemeinschaft wie der DITIB als fähigen Kooperationspartner im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG zeigt sich besonders, dass stets auch politische Erwägungen leitend sind, Rechtsanwendung geht hier nahtlos in den politischen Bereich über. Neben rechts- und religionswissenschaftlichen Beurteilungen können zudem religionspolitische Beurteilungen notwendig sein, deren Ergebnisse miteinander verknüpft werden müssten, um gesamtbewertende Schlussfolgerungen ziehen zu können.423 Lehrpläne für islamischen Religionsunterricht werden häufig in Steuerungsgruppen erstellt, diese müssen in den Gemeinden konsensfähig entscheiden.424 In diese Prozesse der Entscheidungsfindung können verschiedene religionsgemeinschaftliche Organe hineinwirken. Ein Einfluss des Diyanets ist, wie schon die Teilnahme des Religionsattachés bei den Verhandlungen der Vereinbarung zeigt, eher zu vermuten. de Wall schlägt vor, eine unabhängige Kommission zur Bestimmung der Grundsätze einzurichten.425 Weiterhin konstatiert er, dass die Einspruchsrechte der Beiräte sich nicht auf die Bestimmung der religiösen Grundsätze des Religionsunterrichts erstrecken dürften.426 Allerdings können schon in vorgelagerten Stadien, wie Vereinbarungsverhandlungen, richtungsweisende Weichenstellungen getroffen werden. Die Kooperationsfähigkeit des DITIB-Landesverbandes ist nach der derzeitigen Satzungslage in Frage zu stellen. Die Einschätzungen betreffend die Kooperationsfähigkeit der DITIB haben sich seit Abschluss der Vereinbarung zudem stark gewandelt. Dies gilt vor allem für den islamischen Religionsunterricht in Hessen, dessen Zusammenarbeit mit DITIBHessen ab dem Schuljahr 2020/2021 bis auf weiteres ausgesetzt worden ist. Dem vorausgegangen waren rechts-, religionswissenschaftliche und religionspolitische Gutachten, die im Auftrag des Hessischen Kulturministeriums ab 2017 erstellt 422 Darin wird die Vertreibung und fast vollständige Vernichtung von 1,5 Millionen Armeniern in Anatolien während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet. Die Regierung unter Erdogan hatte im Falle einer Verabschiedung der Resolution mit einer Beeinträchtigung der Beziehung zu Deutschland gedroht und infolgedessen den türkischen Botschafter zurückgerufen. Der Streit eskalierte und das Verhalten Erdogans, der türkischstämmige deutsche Bundestagsabgeordnete als verlängerten Arm der PKK bezeichnete, ihnen ihre türkischen Wurzeln absprach und zu einem „Bluttest“ riet, wurde in Deutschland als vollkommen inakzeptabel wahrgenommen, siehe dazu die Meldung der Tagesschau, abrufbar unter: http: //www.tagesschau.de/inland/bundestag-armenien-109.html (Stand: 15. 07. 2016). Die Eskalation des Streits wird nachvollzogen unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/tuerkei-unddie-armenien-resolution-so-eskalierte-der-streit-a-1096618.html (abgerufen am 15. 07. 2016). 423 Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 187 (286). 424 Dazu exemplarisch für Baden-Württemberg Schröter, Die Einführung eines Islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg, S. 237. 425 de Wall, Rechtsgutachten Religionsgemeinschaft, S. 42. 426 Siehe ebenda.

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worden und sodann in 2019 aktualisiert worden waren.427 Isensee etwa formuliert als praktisches Ergebnis in These Nr. 9 seines Ergänzenden Rechtsgutachtens zum DITIB-Religionsunterricht in Hessen: „DITIB Hessen bildet das letzte Glied einer Weisungskette, die über den Bundesverband zur türkischen Religionsbehörde DIYANET führt, die ihrerseits unmittelbar dem türkischen Staatspräsidenten untersteht. In dieser Organisationseinheit verfügt der Landesverband nicht über jenes Minimum an institutioneller Unabhängigkeit, deren er bedarf, um selbstbestimmt seine Aufgaben als Religionsgemeinschaft erfüllen zu können.“428 In Nr. 11 heißt es noch deutlicher: „Der Mangel an Staatsunabhängigkeit beeinträchtigt die Eignung des Landesverbandes zur Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG, den der Verband aus eigener Kraft nicht beheben kann.“ 2. Weitere ungeschriebene Anforderungen Die Frage, ob eine Religionsgemeinschaft, die eine Körperschaft sui generis sein oder Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ausrichten will, qualifizierte Anforderungen erfüllen muss,429 wurde zunächst vor allem mit dem BVerwG-Urteil vom 26. 06. 1997430 zum Körperschaftsstatus der Zeugen-Jehovas praktisch bedeutsam. Ihre erforderliche Grundhaltung zum Staat wurde inzwischen durch das BVerfG mit Urteil vom 19. 12. 2000 auch höchstrichterlich beantwortet. Zudem wird diskutiert, ob eine Religionsgemeinschaft eine soziale Gemeinwohlerwartung erfüllen oder zur Herausbildung einer verfassungsrechtlich abgeleiteten sogenannten „christlich-abendländischen Kulturidentität“ beitragen müsse.431 Für die Verfassungs- und Rechtsinterpretation ist dabei grundlegend, die hinter den Argumenten für oder wider einer ungeschriebenen Verleihungsvoraussetzung stehenden, nicht selten ethisch-moralischen oder staatstheoretischen Hintergrundannahmen offen zu legen. Das Aufstellen ungeschriebener Anforderungen erfordert angesichts eines besonderen Legitimationserfordernisses einen genauen Prüfungsbedarf.

427 Gutachten abrufbar unter: http://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/ hkm/dr._guenter_seufert_-_aktualisiertes_gutachten_diyanet_wegen_ditib_hessen_fuer_hkm_2 019.pdf (Stand: 09. 02. 2021). 428 Siehe dazu und im Folgenden: Isensee, Ergänzendes Rechtsgutachten zum DITIBReligionsunterricht in Hessen, S. 63, abrufbar unter: http://kultusministerium.hessen.de/sites/de fault/files/media/hkm/prof._dr._josef_isensee_-_aktualisiertes_gutachten_ditib_hessen_fuer_ hkm_2019.pdf (Stand: 09. 02. 2021). 429 Die darin aufgestellten Anforderungen sind überwiegend auf solche Religionsgemeinschaften übertragen worden, welche die Ausrichtung eines ordentlichen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG anstreben. 430 Urteil des BVerwG v. 26. 06. 1997 – 7 C 11.96 (juris). 431 Zu der Diskussion um die weiteren inhaltlichen Voraussetzungen, die mit „Kulturvorbehalt“, „Anerkennungswürdigkeit“ in ihrem Gehalt weitgehend dem der hier genannten entsprechen, siehe Weber, ZevKR 41 (1996), S. 172 (216).

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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a) Kulturadäquanz, Gemeinwohlorientierung Dieser Überprüfung hält vor allem der heute noch vereinzelt propagierten Anforderung der Kulturadäquanz, die mit Verweis auf die vermeintlich identitätsstabilisierende Funktion der Kirchen aufgestellt wird, nicht Stand. Statuiert wird eine Mitwirkungspflicht bei der Verfestigung einer so angenommenen „christlichabendländischen“ Kulturidentität in einem „kulturoffene[n], aber nicht […] multikulturelle[n] Staat“432. Diese „Kulturleistung“433 habe sich nach Uhle in der wirkmächtigen Unterstützung der abendländischen Kulturidentität zu manifestieren.434 Fraglich ist bereits, was unter einer „abendländischen Kulturidentität“ zu verstehen ist.435 Gegen diese Anforderung bestehen auch grundsätzliche Verfassungsbedenken:436 Der verfassungsrechtliche Grundsatz religiöser Neutralität verwehrt es, ein Sonderrecht der christlichen Kirchen zu statuieren, welches aber faktisch durch den Zuspruch der Rolle einer kulturellen und moralischen Leitinstanz entstünde.437 Zudem verweist sie darauf, dass im Ergebnis die Beurteilung einer gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit der Religionsgemeinschaft eine inhaltliche Kontrolle erfordere, was allerdings im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 1 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1, 2 GG stehe, da danach religionspolitische Fördermaßnahmen nicht bekenntnisgebunden erfolgen dürfen. Es gilt hier zu differenzieren.438 Zuzustimmen ist dem, dass dieses Kriterium nicht in einem ausschließlich christlichen Sinne verstanden werden darf, die allgemeine gemeinwohlorientierte Wirkmächtigkeit von Religionsgemeinschaften kann allerdings nicht von der Hand gewiesen werden. Von dieser Grundannahme geht im Übrigen auch das Grundgesetz aus, wenn es konfessionsunabhängig Religionsgemeinschaften die Wahrnehmung von Verfassungsrechten, wie die Ausrichtung von Religionsunterricht oder der Erteilung von Seelsorge, garantiert. Ausgehend davon, dass bestimmte Grundannahmen dem Wesen von Religion entspringen und für das Handeln einer jeden religiösen Gemeinschaft auch im Verfassungsstaat leitend sind, wie etwa der Grundsatz der Nächstenliebe, verfügen Religionsgemeinschaften natur- sowie verfassungsgemäß über eine bestimmte gesellschaftliche Wirkmächtigkeit.

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Kirchhof, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 651 (668). Hillgruber, NVwZ 2001, S. 1347 (1351). 434 Uhle, Staat – Kirche – Kultur, S. 142 f. Dazu auch Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 112. 435 In diese Richtung auch gehend Müller-Volbehr, der konstatiert, dass der Begriff der verfassungsrechtlichen Kultur kaum konsensfähig zu interpretieren sei, Müller-Volbehr, NJW 1997, S. 3358 (3359). 436 Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, S. 112 ff. 437 Siehe ebenda. Dies aber fordernd Isensee, EssGspr. 20 (1986), S. 197. 438 Tillmanns, DöV 1999, S. 441 (449 f.); ähnlich Kirchhof, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 651 (668); Muckel, DöV 1995, S. 311 (313). 433

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b) Rechtstreue Dass eine Religionsgemeinschaft, die Religionsunterricht ausrichten oder den Körperschaftsstatus erlangen will, die Rechtsordnung respektieren muss, ist eine rechtliche Selbstverständlichkeit.439 Das Rechtstreueerfordernis wurde durch das BVerfG in seinem Zeugen-Jehovas-Urteil spezifiziert. Neben der allgemeinen Verpflichtung, Gesetze zu befolgen,440 müsse die betreffende Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer dafür bieten, die ihr übertragene Hoheitsgewalt in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorgaben auszuüben.441 Weiterhin müsse sie die Gewähr dafür bieten, die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden.442 Diese ursprünglich für die Erteilung des Körperschaftsstatus entwickelten Anforderungen werden in Form der ersten und der letzten Ausprägung rechtskonformen Handelns auch von Religionsgemeinschaften im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 GG verlangt.443 Dem Urteil zufolge ist ein qualitativer Maßstab anzulegen,444 wobei auch die Summe „kleinerer Verstöße“ den letztlich qualitativen Schluss erlauben kann, dass eine Zusammenarbeit in Sachen Religionsunterricht nicht mehr möglich ist. In diese prognostische Gesamtbeurteilung hinsichtlich einer drohenden Beeinträchtigung von Verfassungsgütern können der Grad der Verbindung, die Intensität und Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Verfassungsgutsverletzung sowie der Rang des bedrohten Rechtsguts hineinspielen.445 Mathematische Genauigkeit kann dabei freilich nicht erreicht werden.446 Als Ausschlusskriterien für eine (zukünftige) vertrauensvolle Zusammenarbeit können eine kämpferisch-aggressive Grundhaltung, die auch in dem Ziel der Errichtung einer Theokratie kulminieren kann, oder auch schon die Weigerung, Kinder in den Sexualkundeunterricht zu schicken, gelten.447 439 Eiselt, DöV 1981, S. 205 (208); Korioth, in: Maunz/Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 77; Müller-Volbehr, NJW 1997, S. 3358. Vgl. dazu auch § 18 der Badischen Verfassung vom 21. März 1919, der als unmittelbarer Vorläufer des Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV gilt und normierte, dass die Ziele der den Körperschaftsstatus beantragenden Religionsgemeinschaft „den Staatsgesetzen und der Sittlichkeit nicht zuwider sind“: Bad. GVBl., S. 279; abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, S. 142 f. 440 BVerfGE 102, 370 (390). 441 Siehe ebenda. 442 BVerfGE 102, 370 (394 f.). 443 BVerwGE 105, 117 (121 ff.); BVerwGE, NJW 2005, S. 2101 (2107 f.). Dies u. a. aufnehmend in der Literatur: Eiselt, DöV 1981, S. 205 (208); Kirchhof, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 651 (683 f.); Muckel, DöV 1995, S. 311 (315 f.), jeweils m. w. N. 444 BVerfGE 102, 370 (392 f.); Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 272. 445 Dies., S. 121 f. 446 BVerfGE 102, 370 (396 f.). 447 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 273, 276.

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In Bezug auf islamische Gemeinschaften wird regelmäßig die Beobachtung durch den Verfassungsschutz thematisiert. In Deutschland stehen nach Angaben des Verfassungsschutzes um die 90 Moscheen unter Beobachtung. In den letzten Jahren tauchten vor allem die IGMG448 und auch das Islamische Zentrum Hamburg e. V.449, beides Mitgliedsgemeinden der Schura, in den Verfassungsschutzberichten auf. Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder richten, müssen jedoch ausdrücklich festgestellt werden. Eine schlichte Beobachtung durch den Verfassungsschutz reicht dafür nicht aus, schon zumal die Rechtshürden dafür nicht allzu hoch angesetzt werden. Ein derartiger Eingriff muss zwar den im Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz normierten Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen, das Vorliegen einer latenten Gefahr wird aber für ausreichend befunden.450 Weiterhin knüpft die Beobachtungstätigkeit an den Terminus der „Bestrebung“ an, wodurch ein aggressives Vorgehen nicht gegeben sein muss. Auch in Hinblick auf das von Einzeltätern ausgehende Gefährdungspotential wird keine Steigerung verlangt.451 c) Erfordernis einer bestimmten inneren Grundhaltung Schwieriger in der Beurteilung ist eine ablehnende bzw. neutral-distanzierte Haltung einer sich aber nicht aktiv gegen die staatliche Ordnung richtenden Religionsgemeinschaft.452 Im Zeugen-Jehovas-Urteil von 1997 forderte das BVerwG mit Blick auf den Sinn und Zweck einer Körperschaft sui generis sowie ihrer Nähe zum Staat, dass die antragstellende Religionsgemeinschaft nicht nur eine grundsätzlich positive Grundeinstellung gegenüber den (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen des Staates und seinen Institutionen einnehmen, sondern sich darüber hinaus auch mit seiner Werteordnung identifizieren und damit staatsloyal sein müsse.453 Diese Forderung beruht teils auf einer teleologischen Interpretation des Art. 137 Abs. 5 WRV, teils auf verfassungs- und staatstheoretischen Vorverständnissen. Diese Argumentation kann auf eine Religionsgemeinschaft, die Religionsunterricht erteilen möchte, mit Blick auf das Kooperationsverhältnis (eingeschränkt) übertragen werden.454 Das dahinter stehende Interesse des Staates, einen zuverlässigen religiösen Partner zur 448

Verfassungsschutzbericht 2012, S. 296 ff.; 2013, S. 248 ff.; 2014, S. 110 ff.; 2015, S. 203 ff. 449 Verfassungsschutzbericht 2015, S. 202. 450 Warg, in: Grumke/Pfahl-Traughber (Hg.), Offener Demokratieschutz in einer offenen Gesellschaft, S. 50 f. 451 Siehe ebenda. 452 Dazu Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 273. 453 BVerwGE 105, 117 (126 f.); dies aufnehmend in der Literatur Muckel, DöV 1995, S. 311 (316). 454 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 277.

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gemeinwohlorientierten Kooperation zu gewinnen, ist verständlich, verfassungsrechtlich aber nicht haltbar und überdies nicht notwendig.455 Gegen das Erfordernis der Staatsloyalität spricht die Wortlautgrenze des Art. 137 Abs. 5 WRV sowie die Systematik, wonach das Verhältnis von Art. 137 Abs. 2 und 3 WRV einerseits und Art. 137 Abs. 5 WRV andererseits durch die Zurückdrängung der Organisationsfreiheit zu stark beeinträchtigt wird.456 Allein der Annahme, der Körperschaftsstatus diene allein der Förderung der Religionsfreiheit, nicht aber der Erfüllung von Verfassungserwartungen, ist angesichts der hier angenommenen Gemeinnützigkeit von organisierter Religion als solcher zu widersprechen, im Ergebnis mit dem BVerfG und der überwiegenden Auffassung in der Literatur also abzulehnen.457 Ob eine positive, unterhalb der Schwelle zur Staatsloyalität anzusiedelnde Grundhaltung verlangt werden kann, ist angesichts des dem Religionsunterricht immanenten Spannungsfeldes, das sich durch das Kooperationsverhältnis des religiös-neutralen, einen schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrag verfolgenden Staates mit der wiederum ihren Glaubenssätzen verpflichteten Religionsgemeinschaft ergibt, nicht einfach zu beantworten. Im Ergebnis wird dies mit Blick auf die zu lehrenden Unterrichtsinhalte aber zu bejahen sein.458 Unter Anknüpfung an den auf Hollerbach zurückgehenden Terminus der „wichtigen Grundsätze des verfassungsrechtlichen Systems“ leitet Wallkamm die inhaltlichen Grenzen des Religionsunterrichts im Einzelnen ab. Denn wie er konstatiert, lassen sich unter die „fundamentalen Verfassungsprinzipien, die Grundrechte Dritter und die Grundprinzipien des Staatskirchenrechts“ vor allem das Neutralitätsgebot, das daraus folgende Paritätsgebot, das Toleranzgebot, das Verbot einer Staatskirche, das Gewaltverbot des Grundgesetzes, die Menschenwürde, das Verbot der geschlechtsspezifischen Benachteiligung und der Religionsfreiheit fassen.459 Ihm ist auch in der Hinsicht zuzustimmen, dass das Modell einer Binnen- und Außenkonzeption einer Glaubenslehre lebensfremd und in der Beantwortung der eingangs gestellten Frage nicht weiterführend ist.460 Dass grundgesetzliche Verfassungswerte durch die Religionsgemeinschaft anerkannt werden, zeichnet sich im Lehrplan ab, der Staat kann ihre Befolgung im Wege der Unterrichtsaufsicht fortlaufend einfordern.461 Dabei ist 455

So auch BVerfGE 102, 370 (395); Stern, Staatsrecht, S. 1303. Dazu und zu den weiteren Argumenten: Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 187 f. 457 Heckel, JZ 1999, S. 741 (748 f.). 458 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 277. 459 Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 233. 460 Siehe ebenda, S. 236. 461 Überdies obliegt der Kultusverwaltung ein Prüfungsrecht und eine -pflicht, sie muss sich über die religiösen Zielvorstellungen der betreffenden Religionsgemeinschaft und die Art ihrer Verwirklichung vergewissern in puncto Einrichtung, Genehmigung der Lehrpläne, Einstellung und Einsatz der staatlichen Lehrkräfte sowie die nachfolgende Schulaufsicht über die Lehrveranstaltungen im Bilde halten. Bevor bekenntnisorientierter Religionsunterricht stattfinden kann, muss dieser vorbereitet werden. Dazu zählt vor allem die Erstellung von Lehrplänen und die Ausbildung von Lehrkräften. Dadurch, dass bei diesen Vorbereitungshandlungen auch 456

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niemand angehalten, seine allgemeine Handlungsfreiheit auch auszuschöpfen; beispielsweise ist die Werbung für sexuelle Enthaltsamkeit zulässig. Kritische Reflexion ist im Rechtsstaat überdies zulässig und sogar zu begrüßen.462 Die Menschenrechte sowie die grundlegenden Verfassungswerte mit dem letzteren Maßstab der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG stehen allerdings nicht zur Disposition. Weiterhin gilt, dass die eigenen Lehren als einzig wahr und zu einem bestimmten Tun verpflichtend dargestellt werden dürfen und es auch zulässig ist, andere zu kritisieren. Ein Missbrauch der Religionsfreiheit bestünde aber darin, anderen ihre Rechte abzusprechen und Intoleranz Raum zu geben.463 Der Religionsunterricht muss die staatlichen Erziehungsziele widerspiegeln. Mit Blick auf das Kooperationsverhältnis lassen sich jedoch besondere Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten der staatlichen und religionsgemeinschaftlichen Akteure im Umgang miteinander statuieren,464 um widerstreitende Interessen im Rahmen einer praktischen Konkordanz in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Dies ist in der praktischen Umsetzung freilich nicht einfach, da gerade normative Vorgaben, wie Werte oder auch Staatsstrukturprinzipien, einen beachtlichen Interpretationsspielraum bieten, der überdies kulturkreisspezifisch ausgefüllt werden kann. Diese unterschiedlichen Auffassungen zur Vereinbarkeit bestimmter Glaubensauffassungen mit der grundgesetzlichen Werteordnung zeigen sich besonders ungefiltert in Rechtsstreitigkeiten, wie in dem am 15. 06. 2014 ergangenen Urteil des VG Wiesbaden zur Einführung islamischen Religionsunterrichts in Hessen. Die klagende Islamische Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) vertrat, dass „das Frauenbild des Islam […] sich zwar in einigen Bereichen von dem derzeit in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Frauenbild“ unterscheide, es „jedoch keineswegs so weit von den Erziehungszielen der Schule und den Wertentscheidungen des Grundgesetzes entfernt [sei], dass es nicht mit ihnen in Einklang zu bringen wäre“465. Die Kompatibilitätsprobleme inhaltlicher Art werden „im Islam“ insbesondere in Hinblick auf die Ausgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung, die Rolle und Stellung der Frau sowie die Religionsfreiheit im Islam diskutiert.466 Zumindest abgemildert, jedoch wie die Rechtspraxis zeigt, nicht gelöst werden, kann diese Problematik dadurch, dass aus gemeinschaftlich gearbeitet werden muss – so müssen sich etwa die Lehrpläne mit den Glaubensauffassungen der Religionsgemeinschaften und weiterhin mit den staatlichen bzw. schulischen Erziehungszielen decken – können diese als Kontrollmechanismen fungieren. Rechtstreues Verhalten ist eine Voraussetzung, um Religionsunterricht im Rahmen eines langfristigen, auf Zusammenarbeit ausgelegten Prozesses ausrichten zu können. Staatliche Kontrollmöglichkeiten bzw. Korrektive bei kleineren, noch zu tolerierenden Verstößen bietet gerade eine institutionalisierte Einbettung des Kooperationsverhältnisses, z. B. in Arbeitsgruppen, vgl. auch Heckel, JZ 1999, S. 741 (749). 462 Dietrich, Islamischer Religionsunterricht, S. 279. 463 Näher dazu Rux, Schulrecht, S. 82. 464 In diese Richtung gehend BVerwGE 105, 117 (125). 465 Wallkamm, Muslimische Gemeinden in Deutschland im Lichte des Staatskirchenrechts, S. 238 Rn. 824, zit. VG Wiesbaden, Urteil v. 15. Juni 2004 – 6 E 2394/01, Rn. 71 (juris). 466 Siehe dazu diese Arbeit Teil 1 A. II. 3. a), b).

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

den in Art. 33 Abs. 5 GG normierten „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ zumindest in der Theorie folgt, dass die grundsätzlich zu verbeamtenden Lehrer nicht in einen Glaubenskonflikt geraten, da sie den da heraus erwachsenden beamtenrechtlichen Erfordernissen Genüge leisten oder „dass deren Berufung nicht schon immer allein deswegen ausscheidet, weil sie eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Staat an den Tag legen“. Gerade der schulische Bereich ist rechtlich hochsensibel, hier lassen sich bestimmte Konfliktthemen in Zusammenhang mit der islamischen Religionsausübung, wie sie sich beispielsweise aus der Verwehrung der Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Schwimm- oder Sexualkundeunterricht ergeben, nicht von der Hand weisen, obwohl bereits die Teilnahmepflicht allgemein geregelt ist. Sie können mit grundgesetzlichen Vorgaben konfligieren und sind in ihrer Vielschichtigkeit ernst zu nehmen und differenziert zu würdigen. Im Ergebnis muss der Staat seinem Aufsichtsrecht gewissenhaft nachkommen können, wozu es notwendig ist, dass bekenntnisorientierter Religionsunterricht, auch um seiner Integrationsfunktion willen, auf Deutsch erteilt wird.467

III. Zusammenfassung: Geschriebene und ungeschriebene Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 GG Eine Religionsgemeinschaft, die einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ausrichten möchte, muss durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten sowie über eine Mitglieder- und Vertretungsstruktur verfügen. Die Anforderungen sind eine Anleihe an die für die Erlangung der Korporationsqualität in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV festgeschriebenen Voraussetzungen, was nicht bedeutet, dass die betreffende Religionsgemeinschaft einen entsprechenden formellen Antrag auf Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus stellen muss. Dies steht ihr frei. Im Rahmen einer „prognostischen Gesamtbetrachtung“ ist zu überprüfen, ob die Verfassung einer Religionsgemeinschaft der einer „religiösen Verwaltungsgemeinschaft“ entspricht. Bezugsgrößen zur Feststellung, ob sie über eine „fassbare Organisation“ verfügt, sind etwa zuverlässige Vermögensverhältnisse, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens.468 Gegenstand dieser qualitativen Gesamtbetrachtung ist auch die Mitgliederzahl. Bewertungsfaktoren für diese statistische Zahl sind insbesondere die bisherige Bestandsdauer, die Entwicklung des 467

Rohe, ZRP 2000, S. 207 (210 f.). VG München, Urteil v. 13. 10. 1982 – Nr. M 2784 VII 80, in: ZevKR 29 (1984), S. 628, (630 ff.); OVG Berlin, NVwZ 1996, S. 478 (480) (nicht rechtskräftig); BVerfGE 102, 370 (385); BVerwGE, NVwZ 2012, S. 943 (945). 468

D. Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit von Religionsgemeinschaften

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Mitgliederbestandes in der Vergangenheit, die Altersstruktur der Mitglieder, ihre soziale Zusammensetzung, Einbindung der Religionsgemeinschaft in eine größere, eventuell weltweit verbreitete Gemeinschaft. Ob eine Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer bietet, ist eine Einzelfallentscheidung, auch wenn dies ab 20 Jahren Bestandszeit unproblematisch zu bejahen ist. Für die Frage der religionsgemeinschaftlichen Stabilität kann auch die Anzahl der aktiv am Gemeindeleben teilhabenden Nutznießer entscheidungserheblich sein. Die Schulverwaltung muss weiterhin feststellen können, für welche Schüler die Pflicht zur Teilnahme am Religionsunterricht besteht. Maßgeblich ist dabei nicht die Zugehörigkeit zum Dachverband, sondern diejenige zu einer seiner Mitgliedsorganisationen.469 Die religionsunterrichtspflichtigen Kinder müssen dabei nicht selbst förmliche Mitglieder sein, entscheidend ist, dass zumindest ein Elternteil der Religionsgemeinschaft mitgliedschaftsrechtlich angehört. Den Moscheevereinen ist dabei auch möglich, ein von der förmlichen Vereinsmitgliedschaft unabhängiges Zugehörigkeitskriterium zu schaffen.470 Eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG muss über eine klare Vertretungsstruktur nach Außen verfügen. Maßgeblich ist nicht die interne Willensbildungsstruktur, die Organe einer Religionsgemeinschaft müssen mit Wirkung für und gegen diese im Außenverhältnis handeln können. Ausreichend dafür ist die vereinsrechtliche Ausgestaltung der organschaftlichen Vertretungsbefugnisse des Vorstandes, diese Aufgabe kann aber auch durch ein konkret dafür bestimmtes Gremium erfüllt werden.471 Aus der verfassungsrechtlichen Konzeption folgt, dass nur eine Religionsgemeinschaft ohne Einwirkung des Staates die religiösen Grundsätze des Religionsunterrichts definieren darf. Ob dies dem DITIB-Landesverband möglich ist, ist angesichts umfassender personaler, organisatorischer und finanzieller Anbindungen über den DITIB-Bundesverband und partiell auch unmittelbar an das Diyanet als türkische Religionsbehörde mit Sitz in Ankara sehr zu bezweifeln. Wegen der rechtspolitisch sehr nachvollziehbaren und für einen gesellschaftlichen Frieden und eine glückende Integration unabdingbaren Einführung eines islamischen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG sind rechtliche Vorkehrungen zu treffen, um die verfassungsrechtlich geforderte staatsfreie Sphäre sicher zu stellen. Dies kann, wie de Wall vorschlägt, durch die Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Bestimmung der religiösen Grundsätze des Religionsunterrichts geschehen. Dabei ist zu gewährleisten, dass sich die Einspruchsrechte der Beiräte nicht auf ihre Bestimmung erstrecken dürfen. Die Anforderung einer Kulturadäquanz ist verfassungsrechtlich nicht haltbar, anders das „Kriterium“ der Gemeinwohlorientierung, das sich aber bereits naturgemäß aus einer jeden Religion ergibt und sich in einer ernsthaften und umfassenden 469 470 471

BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2107). Siehe ebenda. Poscher, Der Staat 2000 (39), S. 49 (56).

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Bezeugung des religiösen Konsenses abzeichnet. Dass eine Religionsgemeinschaft im Kontext des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG rechtstreu ist, ist eine Rechtsselbstverständlichkeit. Unter Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerfG zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas, ist diese in einer allgemeinen Gesetzesverfolgungspflicht sowie darin, die Gewähr zu bieten, die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden, zu konkretisieren. Dagegen muss eine Religionsgemeinschaft nicht staatsloyal sein, aber eine positive Grundhaltung zum Staats- und Verfassungswesen haben. Die Grenzen lassen sich dabei aus den „wichtigen Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Systems“ ableiten. Im Einzelnen bestehen diese in den fundamentalen Verfassungsprinzipien, den Grundrechten Dritter sowie in den Grundprinzipien des Staatskirchenrechts, vor allem dem Neutralitätsgebot, dem daraus folgenden Paritätsgebot, dem Toleranzgebot, dem Verbot einer Staatskirche, dem Gewaltverbot des Grundgesetzes, der Menschenwürde, dem Verbot der geschlechtsspezifischen Benachteiligung und der Religionsfreiheit. Aus dem Kooperationsverhältnis lassen sich umfassende Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ableiten, welche dazu dienen sollen, widerstreitende Interessen im Rahmen des Grundgedankens der praktischen Konkordanz zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Gerade an der Diskussion um ungeschriebene Verleihungsvoraussetzungen zeigt sich, dass „neue Akteure im Staatskirchenrecht“ andere Rechtskonflikte entstehen lassen, die wiederum zu neuen Rechtsfragen führen, deren Beantwortung in der Tat zu einem Abschied von „staatskirchenrechtlichen Selbstverständlichkeiten“ führen kann. Weiterhin wird deutlich, dass pauschalisierende Einschätzungen „des Islams“ keinesfalls weiterführend sind. Es gilt die Maßgeblichkeit des Einzelfalls.

IV. Ausblick zur Kooperationsfähigkeit der islamischen Verbände Da in der Frage, ob eine Religionsgemeinschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, der Maßstab einer „prognostischen Gesamtbetrachtung“ heranzuziehen ist, kann die Kooperationsfähigkeit islamischer Gemeinschaften im Allgemeinen nach einer entsprechenden Einzelfallprüfung im Grunde positiv bewertet werden. Schwächere Größen, wie eine niedrige Mindestbestandszeit, können durch Stabilität vermittelnde Bezugsgrößen, wie eine junge Altersstruktur oder ein intensives religiöses Leben, ausgeglichen werden. Eine weitere, aber wohl zu bewältigende Hürde ist die Schaffung einer Mitgliederstruktur. Vor allem die Einstellungen einiger islamischer Gemeinschaften sowie Verflechtungen mit ausländischen Leitinstanzen im Feld des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG erweisen sich als hochproblematisch. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Berichte laut, dass einzelne Moscheegemeinden islamistische Bestrebungen äußerten, einige werden durch den Verfassungsschutz beobachtet. Allerdings ist in der rechtlichen

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

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Bewertung zu beachten, dass eine schlichte Beobachtung nicht ausreichend ist, um Gemeinschaften die Rechtstreue und damit die Kooperationsfähigkeit abzusprechen. Insbesondere die Verflechtungen einzelner Verbände mit ausländischen Instanzen, allen voran diejenige zwischen den DITIB-Verbänden und dem Diyanet, lassen sich nicht einfach auflösen. Auch wenn dies schon vorher allgemein in Rechtswissenschaft, Rechtspolitik und Rechtspraxis bekannt war, erreicht der Konflikt mit der politischen Zuspitzung der Kontroverse zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei seinen Höhepunkt, der Ausgang ist ungewiss.

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im inneren System der Verfassung sowie Einordnung ihrer veränderten Rezeption Der Rechtsprechungswandel des Religionsgemeinschaftsbegriffes ist kein „Einzelphänomen“, sondern im Lichte der unter „Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?“ firmierenden Grundsatzdiskussion zur interpretativen Gesamtausrichtung dieses Teilrechtsgebiets zu sehen. Die im Angesicht des religionsstrukturellen Wandels der siebziger Jahre aufgekommene und insbesondere nach dem im Jahr 2000 ergangenen Zeugen-JehovasUrteil geführte Diskussion kann nur schwerlich und dann auch vereinfachend in einem binären Schema dargestellt werden. In der Begriffsneuschöpfung des Religionsverfassungsrechts472 der siebziger Jahre klang bereits ein grund- und individualrechtlicher Deutungsansatz in der zentralen Frage der Verhältnisbestimmung der religionsbezogenen Normen des Grundgesetzes an, nämlich der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 GG und der durch Art. 140 GG inkorporierten Weimarer-Kirchenartikel.473 Dagegen betone die seit Mitte des 19. Jahrhunderts geläufige Begrifflichkeit des Staatskirchenrechts die institutionelle Seite des Staat/Kirche-Verhältnisses, was im Grunde zwar richtig ist, wobei aber zu beachten ist, dass sich hinter diesem Konzept unterschiedliche verfassungstheoretische bzw. dogmatische Konzepte verbergen.474 Im Folgenden soll auf beide Konzepte eingegangen und deren Auswirkungen auf den Zweck und die Stellung der Religionsgemeinschaft im inneren System der Verfassung untersucht werden. Klärungsbedürftig ist, wie sich 472

Im Angesicht des religionsstrukturellen Wandels – so wurde schon damals argumentiert – sei eine begriffsmäßige Fokussierung auf die christlichen Großkirchen nicht mehr zeitgemäß und zudem durch das Neutralitätsgebot versagt, dazu Korioth, in: FS Badura, S. 727 (728); ferner Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 23 ff.; siehe auch Germann, in: Pirson/ Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 261 (312 ff.), der auf die „Klarheit“ der Begrifflichkeit des Staatskirchenrechts verweist. 473 Dazu Walter, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 1 ff. 474 Vgl. Heinig, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 357 f.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

diese Diskussion in der Rechtsprechung, konkret im Urteil des BVerwG zur Ausrichtung eines ordentlichen Religionsunterrichts durch islamische Verbände, abzeichnet, und welche Auswirkungen dies in der strukturell-rechtlichen Integration „neuer religiöser Gemeinschaften“ zeitigt. Vor dem Hintergrund dessen, dass gerade in der Rechtsinterpretation von Rahmenbegriffen auch außerrechtliche Grundannahmen leitend sind sowie mit Blick auf die mit dem Rechtsprechungswandel erzielte Öffnung des Staatskirchenrechts bzw. Religionsverfassungsrechts auch für islamische Verbände, ist die Frage, ob das BVerwG nicht „Politik gemacht haben könnte“, nicht mehr fernliegend.

I. Der Perspektivendualismus „Staatskirchenrecht vs. Religionsverfassungsrecht“ 1. Das Konzept des „Staatskirchenrechts“ – institutionelle Deutung Die Befürworter des Begriffes Staatskirchenrecht nehmen die Zuordnung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 136 ff. WRVunterschiedlich vor. Angenommen wird ein zumindest institutioneller Eigenwert475 besagter Vorschriften und aus einer differenzierten Betrachtungsweise heraus einigen Normen ein enger Zusammenhang zur grundrechtlichen Gewährleistung476 bzw. ein grundrechtsähnlicher Charakter477 attestiert. Führt man die Lehre von den Einrichtungsgarantien auf ihren Kern zurück, zeigt sich, dass sie der Unterstützung subjektiver Rechte dienen, wodurch die Schutzwirkung ergänzt wird.478 Die herrschende Lehre479 lehnt, wie im Übrigen auch das BVerfG480, die Grundrechtsqualität der Weimarer-Kirchenartikel generell ab, mit der Folge, dass die Verfassungsbeschwerdefähigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG 475 Vgl. Hillgruber, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 213 (215); Huster, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 107 (128); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 157; Korioth, in: FS Badura, S. 727 (738 ff.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 14 f.; Stern, Staatsrecht, S. 1171; im Ergebnis auch Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 (141); Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. Zu der Frage nach der dogmatischen Existenzberechtigung von Einrichtungsgarantien vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 330 f. m. w. N. 476 So Korioth für Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV; ders., in: Maunz-Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art 137 Rn. 21. Zum Streitstand im Allgemeinen vgl. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, S. 324 ff. 477 Magen, in: Umbach/Clemens, GG, Band II, Art. 140 Rn. 22; Morlok, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 55; zu dieser Frage im Allgemeinen Kästner, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 140 Rn. 153. 478 Stern, Staatsrecht, S. 795. 479 Siehe dazu z. B. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 22. 480 BVerfGE 19, 129 (135); 19, 206 (218).

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

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i. V. m. § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht auf diesen Normen beruhen kann.481 Der institutionelle Charakter einiger Rechtsnormen, insbesondere der Weimarer-Kirchenartikel, wird betont. 2. Das Konzept des „Religionsverfassungsrechts“ – Vergrundrechtlichung Die Vertreter des Religionsverfassungsrechts begreifen das Teilrechtsgebiet von der individuellen Religionsfreiheit aus, die Rechte des Individuums werden damit betont und die aus der staatskirchenrechtlichen Perspektive so beurteilten „Institutionen“ mit grundrechtlichen Begründungsmustern hinterlegt.482 Im Zentrum des Streits steht hier die Norm des Art. 137 Abs. 3 WRV, für die diskutiert wird, ob sie sich „im Schutzbereich nicht mit der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 GG deckt“. Einige Autoren plädieren dafür, die Unterscheidbarkeit von Grundrecht und institutioneller Regelung (teilweise) aufzuheben,483 teilweise wird den einzelnen, durch Art. 140 GG inkorporierten Gewährleistungen ein Grundrechtscharakter attestiert; diese könnten sodann, soweit sie subjektive Rechte enthalten, mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.484 Darunter fällt im Ergebnis auch, der Norm des Art. 140 GG ihre sogenannten „institutionellen Aspekte“ zwar nicht gänzlich abzusprechen, sie dennoch als „spezifische und kontingente Ausprägungen und Ausformungen der Schutzpflichtendimension der Religionsfreiheit“485 einzustufen. Eine weitergehende Beschränkung der korporativen Seite wird in Anbetracht der organisatorischen Seite der Religions- und Weltanschauungsfreiheit auch teilweise den Schranken der WRV-Gewährleistungen entnommen.486 Argumentativ wird diese grundrechtszentrierte Lesart mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG als Ausgangspunkt allen staatskirchenrechtlichen Argumentierens neben dem Neutralitätsgebot des Staates in religiösen Dingen vor allem mit der Systematik des Grundgesetzes und seinem normativen und umfassenden Charakter untermauert.487 Während das Grundrecht der Religionsfreiheit die speziellen Freiheitsrechte des Grundrechtsteils anführe, befänden sich die WRV-Vorschriften im Abschnitt der Übergangs- und Schlussbestimmungen. Aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG wird der Vorrang des Individuums vor der Institution geschlussfolgert. 481

Allerdings zieht das BVerfG in der Begründetheitsprüfung als Prüfungsmaßstab die Gewährleistungen des Art. 140 GG direkt heran, mit der Begründung, der angegriffene Rechtsakt müsse unter jedem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt auch unbedenklich sein, vgl. dazu Mückl, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 2009, S. 711 (781 f.). 482 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 497; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 25 f. 483 Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 497; Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 25 f. 484 BeckOK GG/Germann, GG Art. 140 Rn. 6. 485 Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 25. 486 Differenziert dazu Morlok, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 124 ff. 487 Dazu und zum Folgenden Unruh, Religionsverfassungsrecht, S. 25.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Dieses verfassungstheoretisch als auch verfassungsrechtlich abgesicherte Konzept sei zudem ein integratives Konzept, das alle Religionsgemeinschaften in den Blick nehme und eine Fokussierung auf die christlichen Großkirchen verhindere.

II. Konzeptionelle Auswirkungen auf den Religionsgemeinschaftsbegriff und Einordnung der Rechtsprechungsentwicklung und der Art der Rechtsfindung durch das BVerwG Aus den unterschiedlichen Konzepten folgt auch eine unterschiedliche Beurteilung des telos der „Institution“ Religionsgemeinschaft. In der nachzugehenden Frage, wie der Zweck und die Stellung der Religionsgemeinschaft im inneren System der Verfassung durch den Perspektivendualismus beurteilt wird,488 vermögen gerade verfassungstheoretische Ansätze durch ein „Nachspüren der Verfassungsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen“489 „gegenstandsadäquatere Leit- und Orientierungsdienste“490 bei der Feststellung der rechtlichen Bedeutung und Funktion von verfassungsrechtlichen Institutionen bereitzustellen. In einem zweiten Schritt ist ein Blick auf die Rechtsprechungsentwicklung zu werfen sowie das BVerwG-Urteil zur Ausrichtung eines islamischen Religionsunterrichts näher einzuordnen. 1. Konzeptionelle Auswirkungen auf den Religionsgemeinschaftsbegriff Die Religionsgemeinschaft vom Standpunkt eines „klassischen Staatskirchenrechtsverständnisses“ betrachtet, das in religionsbezogenen Regelungen schwerpunktmäßig staatliche Interessen abgebildet sieht, sieht in ihr vor allem eine Garantin in der Bewirkung gesellschaftlicher Verhaltens- und Erwartungsstabilisierung.491 Mit der Annahme der „soziale[n] Nützlichkeit organisierter Religion“492 gehen diese 488 Der Fragestellung nach dem Sinn und Zweck der Religionsgemeinschaft im „inneren System der Verfassung“ widmen sich nur vereinzelt Autoren, hervorzuheben ist insbesondere Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 ff. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht vielmehr die Organisationsform der staatskirchenrechtlichen Körperschaft sui generis und schlägt sich konkret vor allem in der Frage nach den zu stellenden qualifizierten Verleihungsvoraussetzungen in Form der Rechts- oder Verfassungstreue nieder, vgl. dazu Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 39 ff.; Hillgruber, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 213 (224 f.). Umfassend zum Körperschaftsstatus vgl. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit. In der Rechtsprechung vgl. vor allem BVerfGE 102, 370 (390). 489 Dazu Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 57 ff. 490 Ders., in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 3 (43). 491 Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 (141). 492 Brenner, Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts zwischen Grundgesetz und Gemeinschaftsrecht – Rechtslage und Perspektiven, S. 43 (48).

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

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Vertreter von einem weltlichen Nutzen von Religion für den Staat aus, einem grundlegenden Gedanken, der schon in der politischen Philosophie der Aufklärung in der Staatstheorie Kants oder Rousseaus von konstitutiver Bedeutung war.493 Da bei der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Religion unterschiedliche (außerrechtliche) Perspektiven eingenommen werden, wird auch der Gemeinnützigkeitsbegriff verschiedenartig materiell definiert.494 Der Ausgangspunkt des staatstheoretischen Ansatzes von Grzeszick ist das dialektische Verhältnis zwischen Staat, gläubigem Bürger495 und Religionsgemeinschaft.496 Mit dieser verfassungstheoretischen Art der Inbezugsetzung dieser drei Akteure korrespondiere die besondere staatstheoretische Bedeutung der Religionsgemeinschaft, die aus ihrer Bedeutung für den einzelnen Bürger, „weil bzw. soweit sie als Institution den Glauben und das Verhalten“ des Einzelnen präge, erwachse.497 Dies wurzele in dem Umstand, dass Sinngebung für den Glaubenden von der Institution als adäquate und in der modernen Gesellschaft erforderlichen Organisationsform verlaufe und die Religionsgemeinschaft überdies die zentrale Bedingung zur Ausübung des individuellen Glaubens darbiete.498 Aus dieser dialektischen Verhältnisbestimmung von Distanz und Legitimation im modernen Verfassungsstaat und der verfassungsrechtlichen Unterscheidung zwischen Religion und Religionsgemeinschaft schlussfolgert Grzeszick die Zuordnung einer eigenen Rechtsstellung.499 Grzeszick deutet mit der (institutionellen) Funktion der Verhaltens- und Erwartungsstabilisierung das Faktum der Gemeinnützigkeit damit in materieller Hinsicht neutral. Uhle nimmt die Verhältnisbestimmung von Staat und Religion aus einer historisch-kulturellen Perspektive heraus vor.500 Der Zweck der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen liege neben der Gewähr von religiöser Freiheit zudem in einer kulturstabilisierenden, freiheitssichernden Funktion.501 Religionsgemeinschaften, 493

Siehe dazu Korioth, in: Gedächtnisschrift für Bernd Jeand’Heur, S. 221 m. w. N. Siehe dazu vor allem Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 ff.; Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff.; ders., Staat – Kirche – Kultur, Berlin 2004. 495 Da die Religionsfreiheit ein „Jedermannsrecht“ ist, müsste es eigentlich „gläubiges Individuum“ heißen. 496 Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 ff. Vgl. auch ders., AöR 129 (2004), S. 168 (202 ff.). Diese klassische Richtung auch propagierend Hillgruber, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 213 ff. 497 Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 (135). 498 Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 (135 ff.). 499 Siehe ebenda, S. 138 ff. 500 Uhle, Staat – Kirche – Kultur, S. 130 ff.; ders., in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. 501 Uhle, Staat – Kirche – Kultur, S. 130 ff.; ders., in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. 494

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

die bei der Stärkung der verfassungsrechtlichen und historisch-kulturell gewachsenen Geltungs- und Realisierungsbedingungen mitwirkten, sollten ihrerseits in den Genuss verfassungsrechtlicher Förderung kommen.502 Im institutionellen Staatskirchenrecht erblickt Uhle eine „staatliche Prämierung des integrationsspezifische[n] Mehrwerts“ oder auch eine institutionalisierte Form der Mitwirkung am Gemeinwohl der integrationswilligen Religionsgemeinschaften.503 Anders als Grzezsick, der eine Aufrechterhaltung dieses Zustands trotz eines anhaltenden Individualisierungs- und Säkularisierungsschubs annimmt, definiert er diese aber nicht neutral, sondern schreibt einigen Regelungen gerade die Funktion der Aufrechterhaltung einer „abendländischen Kulturidentität“ zu.504 Exemplarisch geht Uhle auf die staatskirchenrechtliche Körperschaft sui generis ein, deren Status durch die Sicherung abendländischer Kulturidentität legitimiert und „mit der besonderen Zuordnung bestimmter Religionsgemeinschaften zum Staat gesichert und gefördert“505 werden solle. Ausdrücklich verlangt wird diese im Ergebnis abzulehnende Anforderung von Religionsgemeinschaften, die Körperschaften sui generis sein oder ordentlichen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG erteilen wollen. Vom Grundgedanken her kann sie zur Herausarbeitung des Telos auch auf die Grundform Religionsgemeinschaft als Institution übertragen werden.506 Würde aber der Grundgedanke des Religionsverfassungsrechts konsequent weitergeführt, müsste der Zweck der Religionsgemeinschaft in der Sicherung religionsgemeinschaftlicher Privilegien und damit in der Gewährleistung von Freiheitsrechten bestehen. Dies wird so kohärent regelmäßig nicht mehr vertreten.507 502

(319). 503

Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299

Siehe ebenda, S. 320. Ders., Staat – Kirche – Kultur, S. 131 ff.; ders., in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff., der als Maßstab den „grundgesetzlichen Mindestkatalog historisch-kulturell gewachsener Kompatibilitätsanforderungen“ heranzieht. 505 Uhle, Staat – Kirche – Kultur, S. 136. 506 Neben der Einnahme unterschiedlicher Perspektiven im Rahmen der klassischen staatskirchenrechtlichen Lesart werden aber Zweifel allgemeiner Art vermeldet. Da das Recht keine allgemeingültige Definition des Gemeinwohlbegriffs kenne, so konstatiert etwa Magen, sei es auch dem Staat vor dem Hintergrund seiner religiös-weltanschaulichen Neutralität verwehrt, über die Gemeindienlichkeit von (einzelnen) Religion(-sgemeinschaften) zu urteilen. Art. 137 Abs. 5 WRV erkenne die religionsgemeinschaftliche Tätigkeit mit der Anforderung der Rechtstreue unmittelbar als gemeinnützig an und bereite einen Maßstab zur negativen Gemeinwohlprüfung. Allerdings ist die Unterscheidung zwischen einem religiösen und weltlichen Bereich der deutschen Rechtsordnung immanent, so beispielsweise in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Sie wäre gegenstandslos, wenn staatlichen Behörden und Gerichten eine Kompetenz zur Überprüfung hinsichtlich eines Bestehens eines „säkularen Mehrwerts von Religion“ zustehen würde, vgl. dazu Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, S. 155 ff., 172 ff., 183. Zum „säkularen Mehrwert von Religion“ näher Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 262 ff.; Morlok, in: Dreier, GG, Band III, 2. Aufl. 2000, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV Rn. 73. 507 So auch die Auffassung von Heinig, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 357 (359 Rn. 8). 504

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

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Durch das Hinterlegen der Religionsgemeinschaftseigenschaft mit grundrechtlichen Begründungsmustern wird vielmehr die Sicherung religiöser Interessen in der Deutung des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG sowie Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 ff. WRV betont, wodurch aber nicht ausgeschlossen wird, dass in diesem Rahmen auch Gemeinwohlinteressen gewissermaßen als ein dazu eintretender Nebeneffekt bedient werden.508 Dass eine Lagerbildung auf Grund der Komplexität nicht sauber erfolgen kann, führt wieder der Ansatz Korioths – eher als ein Vertreter der staatskirchenrechtlichen Lesart einzuordnen – vor Augen, wonach die Religionsgemeinschaft jedoch – im Gegensatz zur staatskirchenrechtlichen Körperschaft sui generis – in einem ausschließlich grundrechtlichem Verhältnis zum Staat zu verorten sei.509 2. Entwicklungen in der Rechtsprechung Bereits in den frühen Urteilen der siebziger Jahre wurde die Tragweite und der wegweisende Charakter des Art. 4 GG in der Auslegung der Weimarer Kirchenartikel durch das BVerfG betont.510 Ab Mitte der siebziger Jahre hat sich eine grundrechtsfunktionale Tendenz herausgebildet, wonach angenommen wurde, dass einzelne Tatbestände der Weimarer Kirchenartikel „in ihrer funktionalen Bedeutung auf Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der kollektiven kirchlichen Bekenntnis- und Kultusfreiheit (Art. 4 GG) angelegt“511 seien. Darin kommt die Annahme zum Ausdruck, dass organisatorische Freiheit dienende Freiheit ist.512 Diesem religionsverfassungsrechtlichen Interpretationsansatz ist auch die (staatstheoretisch) geäußerte Annahme zuzuordnen, Religionsgemeinschaften stünden dem Staat als Teile der Gesellschaft – als gesellschaftliche Akteure – gegenüber.513 In dieser grundrechtsfunktionalen Linie stehen auch der Bahá’í-Beschluss514 des BVerfG von 1991 und sein im Jahr 2000 ergangenes Zeugen-JehovasUrteil515. An diese Rechtsauffassung knüpft das BVerwG in seinem Urteil zur Ausrichtung ordentlichen Religionsunterrichts durch islamische Verbände an. Mit der Rechtsauffassung des BVerfG in seinem Bahá’í-Beschluss, dass die religiöse Vereinigungsfreiheit mit der Gewährleistung der Bildung einer Religionsgesellschaft dieser den Weg eröffne, sich als Vereinigung von Menschen zur Verwirklichung des gemeinsamen religiösen Zwecks zu organisieren, eine rechtliche Gestalt zu geben 508

Siehe ebenda; ders., Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 497. Eine Ausnahme könnte das Verständnis Korioths sein, Korioth, in: FS Badura, S. 727 (741): „Alle anderen [nicht öffentlich-rechtlichen] Religionsgemeinschaften stehen zum Staat im Verhältnis grundrechtlicher Freiheit“. 510 BVerfGE 33, 23 (30 f.). 511 BVerfGE 42, 312 (322); BVerfGE 102, 370 (387). 512 Korioth, in: FS Badura, S. 727 (741). 513 BVerfGE 53, 366 (387); 70, 138 (160 f.). 514 BVerfGE 83, 341. 515 BVerfGE 102, 370. 509

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

und am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen,516 zementierte das Gericht die grundrechtsfunktionale Tendenz – denn organisatorische Freiheit ist dienende Freiheit.517 Zudem hinterlegt es, wie später im Zeugen-Jehovas-Urteil, den Körperschaftsstatus mit grundrechtlichen Begründungsmustern. Im Zeugen-JehovasUrteil heißt es: „Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit“.518 An diese Rechtsauffassung knüpft auch das BVerwG an, indem es dem Begriff der Religionsgemeinschaft „einen engen inhaltlichen Bezug zur religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV“ attestiert. „Die grundrechtlich garantierte Möglichkeit der Bildung einer Religionsgemeinschaft soll[e] den Weg eröffnen, sich als Vereinigung von Menschen zur Verwirklichung des gemeinsamen religiösen Zwecks zu organisieren, eine rechtliche Gestalt zu geben und am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen“.519 Tendenziell kann festgestellt werden, dass an die Organisation von Religionsgemeinschaften nur Mindestanforderungen gestellt werden, wodurch die „amtlichen Strukturen“ der christlichen Großkirchen vernachlässigt werden: Ermöglicht wird eine irgendwie geartete rechtliche Existenz einschließlich der Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr unabhängig von einer bestimmten Rechtsform. Mit Verweis auf die in Art. 137 Abs. 2 WRV umfassend und vorbehaltlos gewährleistete Organisationsfreiheit nimmt das Gericht eine Gesamtbetrachtungsperspektive ein und leitet daraus ab, dass auch die Bildung mehrgliedriger Organismen möglich ist.520 Neben dieser funktionalen Betrachtung sind weitere Indikatoren für eine grundrechtliche und damit freiheitsrechtliche Betrachtungsweise auch in der Betonung und Stärkung subjektiver Momente zu sehen, wie der Heranziehung des Selbstbestimmungsrechtes in der Frage nach der inneren Homogenität eines Bekenntnisses oder in Hinblick auf die Anforderung einer identitätsstiftenden Aufgabenwahrnehmung entsprechend dem Selbstverständnis der betreffenden Gemeinschaft.521 Dazu zählt auch das Ansetzen organisatorischer Mindestanforderungen. Sie wirken auch in weiteren grundrechtsdogmatischen Fragen fort, wie derjenigen nach der Reichweite des Schutzbereichs der Religionsfreiheit oder des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG.522 Es zeigt sich, dass mit dem religionsstrukturellen Wandel auch eine Öffnung des Rechts durch die Rechtsprechung eingeleitet wurde. Eine strukturell-rechtliche Integration nichtchristlicher Gemeinschaften wird dadurch erst ermöglicht, wobei es sich um einen langwierigen Prozess handelt, der noch nicht abgeschlossen ist. 516

BVerfGE 83, 341 (355). Korioth, in: FS Badura, S. 727 (741). 518 BVerfGE 102, 370 (387, 393). 519 BVerfGE 83, 341 (355). 520 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2103 f.). 521 BVerwG, NJW 2005, S. 2101 (2104). 522 Zum religiösen Selbstverständnis als einem umstrittenen Rechtskriterium vgl. Spriewald, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht, S. 171 ff. 517

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

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3. Rechtsfindung durch das BVerwG Die Öffnung des Staatskirchenrechts bzw. Religionsverfassungsrechts für die strukturell-rechtliche Integration islamischer Dachverbände erfolgte durch das BVerwG-Urteil zur Ausrichtung eines ordentlichen Religionsunterrichts durch islamische Verbände. Während das VG Düsseldorf und das OVG Münster die Religionsgemeinschaft noch auf herkömmliche Weise im Sinne der auf Anschütz zurückgehenden Begriffsbestimmung rezipierten,523 leitete das BVerwG einen Rechtsprechungswandel ein. Danach kann unter einer Religionsgemeinschaft auch ein Zusammenschluss natürlicher Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen auch der nachgeordneten Ebene angehören können – ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben, die bei mehrgliedrigen Organismen in einer allseitigen, identitätsstiftenden sowie gläubigenumfassenden Weise vollzogen werden müssen524 verstanden werden. Vor dem Hintergrund dieses Paradigmenwechsels in der nahezu 100-jährigen, gleichförmigen Rezeptionsgeschichte dieser Begrifflichkeit und unter Vergegenwärtigung, dass bei der Bestimmung staatskirchenrechtlicher Begrifflichkeiten häufig auch (nichtrechtliche) Hintergrundannahmen leitend sein können, stellt sich die Frage, ob das Gericht die grundgesetzlichen Grenzen überschritten und diese Begrifflichkeit einem totalen, politisch motivierten Sinnwandel unterzogen haben könnte.525 In dem Fall, dass das BVerwG damit jedoch Recht erkannt und den Rahmenbegriff juristisch ausgelegt hätte, wäre in dieser Rechtsprechungsänderung ein zulässiger Interpretationswandel zu sehen. Für die Feststellung eines Interpretations- oder Bedeutungswandels sind die Rechtsfindungsarten des VG Düsseldorf, OVG Münster sowie des BVerwG zueinander in Relation zu setzen, wobei aber auch die besondere rahmenrechtliche Konzeption des Religionsgemeinschaftsbegriffes zu beachten ist. Dass die Rechtsfindungsarten der Vorinstanzen faktisch „im Dienste der Reproduktion einer vorgegebenen Normsetzungsautorität“526 im Sinne der herkömmlichen527 Auslegung dieses Begriffes in Orientierung an Anschütz bestanden, zeigt sich vor allem durch

523

(493). 524

VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, S. 196 (198); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 492

Dazu diese Arbeit Teil 4 B. II. Zum Bedeutungswandel m. w. N. vgl. Stern, Staatsrecht, S. 140; siehe auch zu Deutungstheorien des Staatskirchenrechts Germann, in: Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, HdbStKirchR I, 3. Aufl., S. 261 (295 ff.). 526 Zur „juristischen Auslegung als Erkenntnis- und Entscheidungsprozess“ näher Karpen, Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes, S. 41 ff.; Kellermann, Verfassungsinterpretation, S. 27 ff. Zur Auslegung der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen siehe v. Campenhausen, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 47 (52 ff.). 527 Siehe dazu auch diese Arbeit Teil 4 A. II. 1. 525

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

die Berufung auf die herkömmlichen Auslegungsmethoden nach Savigny,528 insbesondere in der Form des Wortlautarguments bzw. des Wortsinns unter weiterem Rekurs auf die Historie, um das Erfordernis einer unmittelbaren Konstitution des religionsgemeinschaftlichen Zusammenschlusses durch natürliche Personen zu statuieren.529 Zusätzlich dazu verwies das OVG auf die historisch-systematische Entwicklung sowie auf den Sinn und Zweck der in Art. 137 Abs. 2 S. 1 WRV gewährleisteten Freiheit, sich zu Religionsgesellschaften zu vereinigen. Das BVerwG veränderte das herkömmliche inhaltliche Normprogramm in seinem Urteil vor allem dadurch, indem es von einer notwendigen unmittelbaren Konstitution durch natürliche Personen absah. Der Wortlaut der Vorschrift des Art. 137 Abs. 5 S. 2 GG verbiete „nicht die Anerkennung höherer bzw. mehrstufiger Verbände“, vielmehr komme es auf die ihnen mittelbar angeschlossenen natürlichen Personen an. Für diese Auslegung spreche der systematische und teleologische Zusammenhang mit den Bestimmungen in Art. 137 Abs. 2, Abs. 5 S. 3 WRV. Desweiteren schließe der Wortlaut dieser Vorschrift nicht aus, dass durch den Zusammenschluss eine neue oder weitere Religionsgemeinschaft entstehe. Auch der Passus, dass eine Religionsgemeinschaft alle Gläubigen eines Gebietes erfassen müsse, entfiel. Das BVerwG stellte weiterhin die qualifizierenden Kriterien einer identitätsstiftenden und gläubigenumfassenden Aufgabenwahrnehmung auf, um der deregulierenden Tendenz, die durch das Absehen von dem Erfordernis einer unmittelbaren mitgliedschaftlichen Konstitution durch natürliche Personen entstehen würde, entgegen zu wirken. Dieser Rechtsprechungswandel bewirkt eine faktische Öffnung des Staatskirchenrechtssystems in Richtung neuer Religionsformen, hier konkret für islamische Verbände. Dadurch werden grundlegende rechtspolitische Fragen berührt; mit derjenigen nach der Ausrichtung eines ordentlichen islamischen Religionsunterrichts durch Verbände geht es auch um ihre gesellschaftlichen Wirkmöglichkeiten. Aber hat das BVerwG damit auch als politischer Akteur gewirkt? Ein Blick auf die staatskirchenrechtliche Praxis zeigt, dass eine Aktivität des Gesetzgebers seit Inkrafttreten des Grundgesetzes gänzlich fehlt.530 Diese Tatsache lässt sich vor allem mit der Ausgestaltung des Staatskirchenrechts als Rahmenrecht in einem religiös-neutralen Staat erklären. Dies bietet gerade Raum für interpretative Weiterentwicklungen. Die besondere Dynamik dieser Fallgestaltung ergibt sich nicht daraus, dass sich ein Gericht der Klärung dieser Rechtsfragen angenommen hat. Besonders ist, dass hier nicht das BVerfG, sondern das BVerwG den Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft (neu) interpretiert und sich damit originär verfassungsrechtlichen Fragen widmet. 528 Grundsätzlich gelten für die Verfassungsauslegung die Auslegungsprinzipien, die auch für die Auslegung einfacher Gesetzesbestimmungen und sonstiger Rechtsnormen herangezogen werden, vgl. dazu Maurer, Staatsrecht I, S. 17 ff. 529 Die Gerichte folgen damit der sog. objektiven Auslegungstheorie, der herrschenden Lehre in Rechtsprechung und Literatur, siehe dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 484 ff. 530 Fritsche, Der Kulturbegriff im Religionsverfassungsrecht, S. 72.

E. Zweck und Stellung der Religionsgemeinschaft im System der Verfassung

247

Aber auch wenn eine richterliche Weiterentwicklung dem praktischen Umgang mit diesem Teilrechtsgebiet eher entspricht, stellt sich in rechtstheoretischer Hinsicht die Frage, wie diese Art der Rechtsfindung einzuordnen ist. Eine Anpassung an aktuelle Erfordernisse von „Normsituationen“ kann gerichtlich entweder durch eine objektiv-teleologische Interpretation oder durch eine Rechtsfortbildung erfolgen.531 Ausgehend von der Wortsinngrenze des Religionsgemeinschaftsbegriffes zur Abgrenzung beider Rechtsfindungsarten voneinander, sprechen die weitaus überzeugenderen Argumente allerdings dafür, dass hier eine (Neu-)Interpretation des Religionsgemeinschaftsbegriffes erfolgt ist. So ist die vermeintlich konträre Deutung des Wortlauts durch das BVerwG nur auf den ersten Blick ein Paradoxon: In Abkehr von einer historischen und damit subjektiv gefärbten Betrachtungsweise wird durch das Aufzeigen des systematischen Zusammenhangs mit den oben zitierten Rechtsnormen deutlich, dass auch Rechtssprache, gerade wenn sie in einen anderen (normativen) Kontext gestellt wird, Bedeutungsfreiräume lässt und eher selten das Ziehen eindeutiger Schlüsse verlangt. Auch wenn die Begründung eines Vorrangs bestimmter grundrechtlich geschützter Rechtsgüter, wie hier der Betonung des engen inhaltlichen Bezugs zur religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV, in der Regel mit Blick auf Folgeerwägungen geschieht, hat das BVerwG diese dem Grundgesetz entnommen. Die systematische Auslegung erweist sich vor allem bei einem Rahmenbegriff als bedeutsam, dessen Inhalt einerseits nicht losgelöst von seinem normativen Umfeld und andererseits nur unter Einbeziehung der religiösen, regelungsbedürftigen Wirklichkeit interpretiert werden kann. Wirklichkeit und Rechtsbegriff stehen hier in einem besonders intensiven Wechselverhältnis. Gerade die rechtstechnische Konzeption eines Rahmenbegriffes, der deskriptiv die bestehenden religionssoziologischen Verhältnisse spiegelt und dem eine besondere Sinnvariabilität wesensmäßig zu eigen ist, lässt Raum für eine (Weiter-) Entwicklung des Anforderungsgehaltes. Auch wenn eine solche für den historischen Gesetzgeber angesichts der damaligen Homogenität der religionssoziologischen Verhältnisse nicht in seiner Gänze absehbar sein konnte, spricht das normative Umfeld mit dem Paritätsprinzip und der religiösen Neutralität des Staates dafür, dass die Möglichkeit einer interpretativen Veränderung gegeben ist. Dies spricht auch dagegen, den Lückenbegriff hier Anwendung finden zu lassen. Im Ergebnis ist die Rechtsfindungsart als eine objektiv-teleologische Interpretation532 einzuordnen, die vor dem Hintergrund des deskriptiven Rahmencharakters des Religionsgemeinschaftsbegriffs und dem Phänomen eines sich vollziehenden religiösen Strukturwandels als eine verfassungsaktualisierende Auslegung533 bezeichnet werden kann. 531 Vgl. zu den Methoden richterlicher Rechtsfindung Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 147 ff. 532 Stern, Gesetzesauslegung und Auslegungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts, S. 44 f. 533 Zu Interpretation und Aktualisierung von Verfassungsrecht im Sinne eines fließenden Übergangs m. w. N. vgl. Stern, Staatsrecht, S. 128.

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Damit bewegt sie sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Auslegung – das BVerwG hat seine Funktion als Rechtsprechungsorgan wahrgenommen.

F. Zusammenfassung Die Religionsgemeinschaft ist der Schlüsselbegriff des deutschen Staatskirchen-/ Religionsverfassungsrechts. Erst als Religionsgemeinschaft verfasste religiöse Gemeinschaften können sich auf grundlegende staatskirchenrechtliche/religionsverfassungsrechtliche Gewährleistungen berufen. Die Rechtsstellung und grundlegenden Rechte der Religionsgemeinschaft sind vor allem im Sonderrecht der Religionsgemeinschaften in den Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 ff. WRV geregelt. Für das Wirken einer Religionsgemeinschaft wesentlich ist das Recht, bekenntnisorientierten Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ausrichten zu können. Auch noch neben der staatskirchenrechtlichen Körperschaft sui generis kommt der Religionsgemeinschaft eine wesentliche und eigenständige Bedeutung zu. Aus der „besonderen Funktion in ihrer Eigenschaft als Organisation“534 des Verfassungslebens und der ihr zukommenden Rechte und Pflichten lässt sich ein eigenständiger Rechtsstatus von „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Relevanz“535 ableiten. Dass es sich dabei nicht um eine „rechtliche Selbstverständlichkeit“ handelt, führen die zahlreichen und erfolglosen Versuche islamischer Gemeinschaften, diesen Status zu erlangen, vor Augen. Dass sich im Grundgesetz keine Definition der Religionsgemeinschaft findet, ist dem religiös-neutralen Charakter des Staates, der verfassungsrechtlich festgelegten Trennung von Staat und Religion sowie der Anerkennung der Grundrechte durch den Staat geschuldet. Der Religionsgemeinschaftsbegriff wurzelt, wie auch der Staatskirchenvertrag, in einer konfessionell offenen Rahmenordnung. Es gibt für den Religionsgemeinschaftsstatus kein förmliches Anerkennungsverfahren, so dass der jeweiligen Schulbehörde, im Streitfall dem jeweiligen Gericht, die definitorische Letztkompetenz zusteht. Dabei ist ein objektiv-subjektiver Maßstab anzuwenden, der betreffenden Religionsgemeinschaft obliegt eine Darlegungs- und Plausibilisierungspflicht, das subjektive Element verdichtet sich damit zum Kriterium des „plausibilisierenden Selbstverständnisses“. Im Schrifttum sowie in der Rechtsprechung wurde seit nahezu über 100 Jahren eine Begriffsbestimmung rezipiert, die auf Gerhard Anschütz und seine 14. Auflage des Kommentars zur Weimarer Reichsverfassung zurückgeht. Nach Anschütz ist eine Religionsgemeinschaft „ein die Angehörigen eines und desselben Glaubensbe534 Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13. Vgl. dazu auch diese Arbeit Teil 4 A. I. 535 So auch Grzeszick, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 131 (137 ff.); Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13.

F. Zusammenfassung

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kenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – für ein Gebiet zusammenfassender Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben“. In den verschiedenen deskriptiven Fassungen einer Religionsgemeinschaft orientierte sich Anschütz zunächst an der Verfasstheit der römisch-katholischen Kirche und erweiterte diese später unter Nennung der verschiedenen Glaubensrichtungen der evangelischen Kirchen. Daran zeigt sich zweierlei: Zum einen ist die Begriffsbestimmung konfessionell offen, bislang wurden darin deklaratorisch die Strukturen und die glaubensmäßige Verfasstheit der christlichen Großkirchen abgebildet. Mit dem Religionsgemeinschaftsstatus streben islamische Verbände vor allem die Einführung eines ordentlichen islamischen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Abs. 2 GG und eine Ausbildung entsprechender Lehrkräfte an deutschen Hochschulen an. Ferner sollen „seelsorgerische“ Angebote bereitgestellt werden. In gesellschaftlicher Hinsicht geht es für islamische Gemeinschaften auch darum, eine ihrem gesellschaftlichen Selbstverständnis entsprechende Stellung einzunehmen. Die Begriffsbestimmung der Religionsgemeinschaft ist vor allem durch das Grundsatzurteil des BVerwG vom 23. 05. 2005 zur Ausrichtung eines Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG durch islamische Verbände in Fluss geraten. Der Paradigmenwechsel des BVerwG besteht zunächst darin, dass es von dem Erfordernis einer unmittelbaren personellen Rückbindung zwischen der im Außenverhältnis rechtlich tätig werdenden formaljuristischen Struktur und den Gläubigen als natürlichen Personen absah. Die personale Grundlage kann sich auch aus den Mitgliedern der Moscheevereine bilden. Weiterhin muss der Zusammenschluss lediglich über ein organisatorisches Minimum verfügen. Maßgeblich in der Frage, ob eine religiöse Gemeinschaft über einen religiösen Grundkonsens verfügt, ist das religiöse Selbstverständnis. Eine Festlegung auf die für alle Muslime verbindlichen Glaubensgrundlagen von Koran und Sunna ist dabei ausreichend. Weiterhin können sich Angehörige desselben Bekenntnisses in verschiedenen Gemeinschaften vereinigen. Ein islamischer Dachverband muss nicht alle Gläubigen einer religiösen Richtung oder gar „des Islams“ auf einem bestimmten Gebiet erfassen. Der begriffliche Zusatz „auf ein Gebiet“ kann demnach entfallen. In der Frage, ob die Konsensbezeugung einer religiösen Gemeinschaft umfassend erfolgt, ist primär das Selbstverständnis maßgeblich. Eine lediglich nach außen gewandte Interessenvertretung ist dabei nicht ausreichend. Die formalrechtliche Struktur selbst muss zudem ihre Aufgaben in identitätsstiftender Weise verrichten und über einen gläubigenumfassenden Glaubensvollzug verfügen. Der Religionsgemeinschaftsbegriff nach Anschütz ist in allen seinen drei Merkmalen nachvollziehbar und insbesondere durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BVerwG in Fluss gekommen. Danach ist eine Religionsgemeinschaft ein Zusammenschluss natürlicher Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

Organismen auch der nachgeordneten Ebene angehören können – ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben, die bei mehrgliedrigen Organismen in einer allseitigen, identitätsstiftenden sowie gläubigenumfassenden Weise vollzogen werden müssen. In der Frage der Klassifizierung des DITIB-Landesverbandes, der Schura und des VIKZ als Religionsgemeinschaft lassen die Satzungen häufig keinen eindeutigen Schluss zu. In diesen Fällen war der Rückgriff auf die religionswissenschaftlichen Ausführungen im Rahmen des Gutachtens von Gritt Klinkhammer weiterführend. Auf diesem Wege konnte auch überprüft werden, ob die Satzungsbestimmungen gelebt werden. Vor allem die Erfüllung des dritten Merkmals, der umfassenden Konsensbezeugung auf der Handlungsebene, bereitete dabei den Verbänden Probleme. Dies gilt vor allem für den DITIB-Landesverband und den VIKZ. Sie müssen darlegen, dass es sich nicht um bloße Interessenvertretungen handelt. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Beachtung des in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstabes, wonach nicht nur die Behauptung und das Selbstverständnis maßgeblich sind, sondern es sich auch „tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild“ um eine Religionsgemeinschaft handeln muss, wäre wohl eher zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Damit sind noch keine Aussagen zur Kooperationsfähigkeit der Verbände im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG getroffen. Religionsgemeinschaften, die bekenntnisorientierten Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ausrichten, müssen qualifizierte geschriebene sowie ungeschriebene Anforderungen erfüllen. Damit eine Religionsgemeinschaft als ein „berechenbarer Partner“ im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG fungieren kann, muss sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten und weiterhin über eine Mitglieder- und Vertretungsstruktur verfügen. Unter dem Merkmal der Verfassung ist richtigerweise die „Summe der Lebensbedingungen, denen die Religionsgemeinschaft unterworfen ist“, zu verstehen. Die Mitgliederzahl ist ein wesentliches Element des Gesamtzustands einer Religionsgemeinschaft und bedarf einer Bewertung. Faktoren dafür können beispielsweise die bisherige Bestandsdauer und die Entwicklung des Mitgliederbestandes in der Vergangenheit sein. Auch die sogenannten „Nutznießer“ islamischer Gemeinden können in diese Abwägung mit hineinspielen. Für die Schulbehörde muss weiterhin ersichtlich sein, für welche Schüler die Pflicht zur Teilnahme am Religionsunterricht besteht. Islamische Gemeinschaften verfügen regelmäßig nicht über ein formalisiertes, Außenwirkung entfaltendes Mitgliedschaftsrecht, wobei hier richtigerweise die Mitgliedschaft zumindest eines Elternteils zu einer Mitgliedsorganisation bestehen muss. Das Zugehörigkeitskriterium kann im Übrigen dem Selbstverständnis der betreffenden Gemeinschaft entspringen. Eine zulässige Lösung zur Überbrückung ist in einer sogenannten „Anmeldelösung“ zu erblicken. Zulässiger An-

F. Zusammenfassung

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sprechpartner ist der Vorstand einer als eingetragener Verein verfassten Religionsgemeinschaft. Bei der Ableitung ungeschriebener Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit der Religionsgemeinschaft ist zu beachten, dass mit einem erhöhten Legitimationsbedürfnis auch ein erhöhter Legitimations- und damit auch Prüfungsbedarf entsteht. Aus Art. 7 Abs. 3 GG folgt, dass nur eine Religionsgemeinschaft die Grundsätze des Religionsunterrichts in einer staatsfreien Sphäre definieren muss. Dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche und der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates zufolge darf auch nicht ein anderer Staat unter dem Deckmantel organisierter Religion als Kooperationspartner des jeweiligen Landes fungieren. Insbesondere die DITIB verfügt über zahlreiche personelle, sachliche und finanzielle Verflechtungen mit dem Diyanet, der türkischen Religionsbehörde. Diese äußern sich zunächst durch die Auslandsorganisation des Diyanets, die aus den Botschaftsräten und den Religionsattachés besteht, welche bei den türkischen Botschaften und Generalkonsulaten in der Bundesrepublik Deutschland angestellt sind. Als verfassungsrechtlich problematisch erweisen sich insbesondere die Einwirkungsmöglichkeiten der bundesverbandlichen Religionsräte bezüglich der auf der Landesebene angesiedelten Religiösen Beiräte. Nach derzeitiger Satzungslage ist die Kooperationsfähigkeit des DITIB-Landesverbandes in Frage zu stellen. Die Anforderung der Kulturadäquanz ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Das Kriterium der Gemeinwohlorientierung entspringt bereits dem Wesen der Religion. Es ist eine Rechtsselbstverständlichkeit, dass eine Religionsgemeinschaft im Kontext des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG rechtstreu ist. Diese Anforderung konkretisiert sich in einer allgemeinen Gesetzesverfolgungspflicht sowie darin, die Gewähr zu bieten, die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Die Anforderung der Staatsloyalität ist abzulehnen, nicht dagegen eine positive Grundhaltung zum Staats- und Verfassungswesen. Der in dieser Arbeit thematisierte Wandel der Staatskirchenrechtswissenschaft wird auch terminologisch mit „Staatskirchenrecht vs. Religionsverfassungsrecht“ aufgegriffen. Hinter dieser Grundsatzdiskussion zur vornehmlich institutionellen bzw. grundrechtlichen Deutung dieses Teilrechtsgebiets verbergen sich demnach gegensätzliche dogmatische und staatstheoretische Konzepte. Während die staatskirchenrechtliche Deutung in erster Linie die institutionelle Seite des Staat/KircheVerhältnisses betont, zielt die religionsverfassungsrechtliche Interpretationsart auf eine grundrechtliche Begründung von „Institutionen“ unter Betonung der Individualgrundrechte ab. Diese unterschiedlichen Sichtweisen wirken auch konzeptionell im Religionsgemeinschaftsbegriff fort. Der Zweck der Religionsgemeinschaft kann sich nicht in

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Teil 4: Das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht im Fluss?

der Sicherung von Freiheitsrechten und damit in einer religionsverfassungsrechtlichen Deutung erschöpfen. In ihr ist zudem eine Garantin in der Bewirkung von gesellschaftlicher Verhaltens- und Erwartungsstabilisierung zu sehen. Ab Mitte der siebziger Jahre hat sich in der Rechtsprechung eine grundrechtsfunktionale Tendenz herausgebildet. Diesem Verständnis zufolge zielen einzelne Tatbestände der Weimarer Kirchenartikel funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der kollektiven kirchlichen Bekenntnis- und Kultusfreiheit des Art. 4 GG ab. Dieser Grundlinie, wonach „organisatorische Freiheit dienende Freiheit ist“, folgt das BVerfG in seinem Bahá’í-Beschluss sowie später im Zeugen-Jehovas-Urteil. In diese Linie ist auch die Rechtsprechung des BVerwG zur Ausrichtung eines ordentlichen Religionsunterrichts im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG durch islamische Verbände einzuordnen. Für eine religionsverfassungsrechtliche Deutung sprechen die weiteren Indikatoren, wie die der Stärkung subjektiver Momente infolge eines verstärkten Abstellens auf das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht oder das Ansetzen organisatorischer Mindestanforderungen. Der Rechtsprechungswandel des BVerwG in Hinblick auf den Religionsgemeinschaftsbegriff ist als verfassungsaktualisierende Auslegung einzustufen, das oberste deutsche Verwaltungsgericht hat demnach in zulässiger Weise Recht gesetzt und nicht „Politik gemacht“. Auch Heinig wirft die Frage auf, ob sich das Staatskirchenrecht nicht im Aufbruch zu einer vierten Phase befindet. Treffend schätzt er ein: „Die anbrechende vierte Phase des Staatskirchenrechts wird nicht einfach zu einem rollback zurück zur klassischen institutionellen Sichtweise führen, sondern auch wesentliche, mit dem Paradigma des Religionsverfassungsrechts verbundene Einsichten aufnehmen“536. Dies hat sich in der Rechtsprechungsentwicklung mit der grundrechtsfunktionalen Tendenz bereits manifestiert. Es wird die Einschätzung geteilt, dass es kein „rollback“ zur klassischen institutionellen Sichtweise geben, sondern eine grundrechtsfunktionale Tendenz leitend sein wird.

536 Heinig teilt die Staatskirchenrechtswissenschaft ab der Nachkriegszeit in drei Phasen. Eine erste Phase sieht er in den Gleichordnungsbestrebungen von Kirche und Staat im Sinne der „Koordinationslehre“, eine zweite Phase in „Kirchen unter dem Grundgesetz“ mit einer Rückanbindung des Staatskirchenrechts an die allgemeine Methodik der Staatsrechtslehre und eine dritte Phase in der Herausbildung des religionsverfassungsrechtlichen liberal-emanzipativen Deutungsansatzes. In der sich seit dem 11. 09. 2001 herausbildenden „Suchbewegung“ sieht er die mögliche Einleitung einer vierten Phase. Er sieht jedoch darin eine Gefahr, das Staatskirchenrecht als Gefahrenabwehrrecht zu „instrumentalisieren“, dem „grundrechtlichen Überschwang“ begegnet er mit Skepsis. Im Ergebnis ist die Einleitung einer vierten Phase vor allem in den Bestrebungen islamischer Gemeinschaften mit deutschen Ländern in ein Kooperationsverhältnis zu treten, indem sie sich auf staatskirchenrechtliche/religionsverfassungsrechtliche Gewährleistungen berufen, zu sehen. Dieser Prozess ist freilich noch nicht abgeschlossen. Dazu Heinig, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 357 (362).

F. Zusammenfassung

253

Ausgehend von der Vereinbarung und anknüpfend an das Ergebnis des dritten Teils ist der Anbruch der Generation 3, 5 des Vertragsstaatskirchenrechts festzustellen. Der Terminus des Staatskirchenrechts ist nicht mehr zeitgemäß. Heinig konstatiert wahrscheinlich zu Recht, dass es sein kann, dass „wir uns alsbald auf die Suche nach einem dritten Begriff machen müssen, wenn wir die Einheit der Disziplin abbilden wollen.“537 Als solche Begriffsvorschläge könnten sich „Religionsgemeinschaftsverfassungsrecht“ oder „Religionsgemeinschaftsstaatsrecht“ anbieten.

537

Siehe ebenda.

Teil 5

Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse: Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts Die Freie und Hansestadt Hamburg ist als erste staatliche Gebietskörperschaft in Vertragsverhandlungen mit islamischen Verbänden getreten. Der Vertrag, der am 13. 11. 2012 unterzeichnet wurde, regelt Aspekte der Religionsausübung, wie den Religionsunterricht oder das Bestattungswesen, und enthält Bestimmungen zur grundgesetzlichen Ordnung und zu gemeinsamen Wertegrundlagen. Hamburg hat eine Vorreiterrolle in der Entstehung neuer Verträge in anderen Bundesländern eingenommen. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit können weiterführend in der Analyse weiterer Vertragswerke sein. Insbesondere werden auch die strukturellen Probleme und das Problem der Anbindung an ausländische Leitinstanzen, die zur Aussetzung einiger Vertragsverhandlungen geführt haben bei dem Prozess der rechtlichen Integration muslimischer Gemeinschaften in das deutsche Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht sichtbar. Es stellt sich dabei auch die Frage: Ist dieses System zukunftsfähig?1

A. Aktuelle vertragsrechtliche Entwicklungen und Probleme I. Vereinbarungen mit der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. Die Inhalte des 2012 mit der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. geschlossenen Vertrages sowie der Vereinbarung entsprechen sich weitgehend, wobei sich die Inhalte des Vertrags mit den Aleviten an der Geschichte und dem religiösen Selbstverständnis dieser religiösen Gemeinschaft ausrichten. Angesichts dessen und in Hinblick darauf, dass die Hamburgische Bürgerschaft lediglich mittels schlichtem Parlamentsbeschluss zustimmte,2 kann davon ausgegangen werden, dass es sich auch hierbei um einen kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis handelt. Allerdings war 1

Dazu auch Muckel, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 125 (126). 2 Vgl. den parlamentarischen Vorgangsablauf der Hamburgischen Bürgschaft mit der Vorgangsnummer 20/5830.

A. Aktuelle vertragsrechtliche Entwicklungen und Probleme

255

die Einbeziehung der AABF in das Hamburger Schulwesen den Senatsvertretern zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen schon nicht mehr fremd, in Hamburg finden schon seit 1998 nach einer Unterschriftenkampagne alevitische Glaubensinhalte im Rahmen des Religionsunterrichts für alle an Grundschulen Berücksichtigung.3 In den Vertragsverhandlungen verwiesen sie auf zwei Gutachten, die das nordrhein-westfälische Schulministerium infolge des 2001 durch die Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu/Föderation der Aleviten gestellten Antrages auf Einrichtung eines ordentlichen alevitischen Religionsunterrichts in Auftrag gegeben hatte. Die Religionswissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann kam in dem 2003 veröffentlichten Gutachten zu dem Schluss, dass es sich bei den Aleviten um eine „eigenständige Größe innerhalb des Islam“ und bei der AABF um eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG handle.4 Zu diesem Ergebnis kommt auch der Rechtswissenschaftler Stefan Muckel in seinem 2004 erstellten Rechtsgutachten.5 Die Senatsvertreter konstatierten, dass „angesichts der hierzu in den anderen Ländern eingeholten Gutachten“ sowie des dort inzwischen tatsächlich stattfindenden bekenntnisorientierten alevitischen Religionsunterrichts „kein Zweifel an der Eigenschaft der Alevitischen Gemeinde, Religionsgemeinschaft zu sein“, bestünde.6 Es stellten sich ähnliche Rechtsfragen, vor allem die personelle Konstitution als Verband betreffend; diese konnten jedoch durch eine entsprechende Auslegung des Religionsgemeinschaftsbegriffes gelöst werden. Die Kooperationsfähigkeit der AABF gestaltet sich dabei nicht problematisch, der Mitgliedschaftsklarheit sei durch das Eintragungserfordernis der Mitgliedsvereine ins Vereinsregister sowie ihrer Vorlageverpflichtung der Mitgliedschaftslisten Rechnung getragen.7 Weiter verfügt die AABF auch nicht über eine Anbindung an ausländische Leitinstanzen. Am 14. 10. 2014 unterzeichneten staatliche Vertreter und Vorsitzende der alevitischen Verbände auch in der Freien Hansestadt Bremen eine entsprechende Vereinbarung, die an die Hamburger Vereinbarung angelehnt ist.8 Der Alevitischen Gemeinde wird nach Artikel 8 des Vertrages zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. bei der Weiterentwicklung des Unterrichtsfaches Biblischer Geschichte auf allgemein Christlicher Grundlage Gelegenheit gegeben, zu den Bildungsplänen Stellung zu nehmen.

3 Kaplan, Alevitischer Religionsunterricht an den Schulen, S. 2, abrufbar unter: http:// www.alevidu.com/almancadeutsch/alevitischer-religionsunterricht/ (Stand: 27. 09. 2016). 4 Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftliches Gutachten Aleviten. 5 Muckel, Rechtsgutachten Aleviten. 6 Ergebnisprotokoll v. 05. 05. 2019, Gespräch mit der AABF vom 15. 04. 2010, S. 3, Senatskanzlei Hamburg, Gespräche über eine Vereinbarung mit muslimischen Gemeinschaften, Az. 734.06 – 02. 7 Muckel, Rechtsgutachten Aleviten, S. 43 ff. 8 Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und den Islamischen Religionsgemeinschaften im Lande Bremen vom 14. Oktober 2014.

256

Teil 5: Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse

Die am 09. April 2019 zwischen Rheinland-Pfalz und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. geschlossene Vereinbarung wird in der einleitenden Formel als „Verwaltungsvereinbarung“ bezeichnet.9 Anders als in Hamburg wurde in Rheinland-Pfalz der zuständige Ausschuss des Landtags in seiner Sitzung am 07. 02. 2019 unter Vorlage des damaligen Entwurfs lediglich über die Vereinbarung informiert. Sie ist in inhaltlicher Hinsicht zu großen Teilen an die Hamburger Vereinbarungen angelehnt. Ob es sich tatsächlich um eine Verwaltungsvereinbarung handelt, ist zumindest anzuzweifeln. Naheliegend ist, dass die Beteiligten durch die Wahl der Begrifflichkeit vielmehr politische Kontroversen in der Öffentlichkeit vermeiden wollten, wenngleich die Verhandlungen mit der AABF tendenziell sehr viel leiser verlaufen als mit islamischen Verbänden.10

II. Weitere Entwicklungen im Lichte der Hamburger Vereinbarung Neben Hamburg hat bisher allein Bremen einen kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis mit islamischen Verbänden geschlossen. Die Freie Hansestadt Bremen konnte dabei auf den Erfahrungen Hamburgs aufbauen und einen sehr ähnlichen Vertrag mit islamischen Religionsgemeinschaften schließen.11 Die Regelungsinhalte entsprechen sich in beiden Verträgen überwiegend. In der Vereinbarung wird im Bereich des staatlichen Schulwesens den islamischen Verbänden lediglich die Möglichkeit erteilt, bei der Weiterentwicklung des Unterrichtsfaches Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage zu den Bildungsplänen Stellung zu nehmen, Art. 8 Abs. 3 Vereinbarung Bremen. Weiterhin werden keine Aussagen zum Rundfunkwesen sowie zur Einrichtung einer Ausbildungsstätte für Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Bremen getroffen. Wie die Hamburger Bürgerschaft stimmte auch die Bremische Bürgerschaft mittels schlichtem Parlamentsbeschluss dem Vertrag am 24. 01. 2013 zu.12 Viele der wesentlichen Untersuchungsergebnisse zur Vereinbarung sind weiterführend in der Analyse der Vereinbarung Bremen und können entsprechend übertragen werden. Insbesondere ist auch die Vereinbarung Bremen rechtssystematisch als kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis einzustufen. Auch in

9 Vertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. vom 09. April 2019, abrufbar unter: http://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/vorla gen/4636-V-17.pdf (Stand: 22. 02. 2021). 10 So auch die Beobachtung Thümlers für Niedersachsen, vgl. dazu: Thümler, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 7 (12). 11 Riem/Spielhaus, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 20. 12 Parlamentsprotokoll der Bremischen Bürgerschaft Nr. 15/576 v. 24. 01. 2013, S. 6.

A. Aktuelle vertragsrechtliche Entwicklungen und Probleme

257

Bremen wurde Kritik angesichts der Anbindung der DITIB an das Diyanet laut. Bremen will weiterhin an dem Vertrag festhalten.13

III. Aussetzungen und Zwischenlösungen Dagegen ist der Abschluss von Verträgen mit islamischen Verbänden in einigen Bundesländern von erheblichen Kontroversen begleitet, die größtenteils zur Aussetzung der Verfahren geführt haben. Diese betreffen auch den islamischen Religionsunterricht. Die hessische Landesregierung hat die Kooperation mit dem DITIB Landesverband Hessen e. V. beim islamischen Religionsunterricht ab dem Schuljahr 2020/2021 unter Verweis auf die Frage der hinreichenden Unabhängigkeit des Verbandes vom türkischen Staat ausgesetzt.14 Als ursächlich zeigen sich strukturelle Mängel und die Anbindung an ausländische Leitinstanzen, wie sie sich als Kompatibilitätsprobleme im Rahmen des Hamburger Vereinbarungsabschlusses darstellten.15 In den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen waren durch die jeweiligen Landesregierungen bereits teilweise erhebliche Verfahrensschritte in Richtung des Abschlusses entsprechender Verträge mit islamischen Verbänden unternommen worden.16 In Rheinland-Pfalz wurden die Verhandlungen zunächst ausgesetzt, in 2020 wurden Zielvereinbarungen mit den islamischen Verbänden geschlossen. In zwei Zusatzgutachten, die „den Einfluss ausländischer staatlicher Stellen auf die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V., die Schura RheinlandPfalz Landesverband der Muslime e. V. und die Ahmadiyya Muslim Jamaat in der Bundesrepublik Deutschland“ zum Gegenstand hatten, „und damit verbunden die Frage […], ob diese als Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 13 Siehe dazu den Online-Artikel „Bremen hält am Islamvertrag fest“ von Elke Hoesmann und Ralf Michel v. 24. 01. 2017, abrufbar unter: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremenStadt_artikel,-Bremen-haelt-am-Islamvertrag-fest-_arid,1536624.html (Stand:18. 12. 2017). 14 Zur Aussetzung, mit der Möglichkeit des Downloads der diesbezüglich erstellten Gutachten: http://kultusministerium.hessen.de/presse/pressemitteilung/islamischer-religionsunter richt-zusammenarbeit-mit-ditib-hessen-wird-ab-dem-kommenden-schuljahr (Stand: 15. 01. 2021). 15 Siehe dazu auch diese Arbeit Teil 4 D. II. 1. 16 Vgl. zum Verfahrensstand bis November 2016: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Rolle religionswissenschaftlicher und staatskirchenrechtlicher Expertise im Prozess der rechtlichen Anerkennung des Islams in Deutschland – Darstellungen der Veröffentlichungspraxis verschiedener Landesregierungen, v. 10. 11.2016, Az. WD 10 – 3000 – 053/ 16, S. 6. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Bundesländer bestrebt sind, derartige Vertragsverhandlungen aufzunehmen. Laut der Untersuchung von Riem/Spielhaus ist das auch auf die unterschiedliche Geschichte im Umgang mit diesem Instrument, die rechtlichen Rahmenbedingungen, den islampolitischen Ansatz der jeweiligen Landesregierung, den Organisationsgrad islamischer Vereine im Land zurückzuführen. Vgl. dazu Riem/Spielhaus, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland, S. 20.

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Teil 5: Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse

Grundgesetz […] gelten können und damit geeignete Vertragspartner für die Landesregierung darstellen“17, hatten die Gutachter empfohlen, fortlaufende Gespräche zwischen der Landesregierung und den islamischen Verbänden zu führen, „um die bestehenden Hindernisse zu beseitigen, das muslimische Leben in Rheinland-Pfalz zu stärken und die strukturelle Integration muslimischer Religionsgemeinschaften zu fördern“18. Es solle erreicht werden, dass beispielsweise die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz ihre strukturelle Basis und den Schutz ihrer selbstbestimmten Willensbildung weiter ausbaut. Auch in Schleswig-Holstein war die Möglichkeit eines derartigen Vertrages bereits in 2013 geprüft worden, nach ersten Absichtserklärungen des Ministerpräsidenten Albig hatte es jedoch keine regelmäßigen Gespräche mehr gegeben. In Niedersachsen19 waren nach Unterzeichnung einer Absichtserklärung des Vertragsschlusses mit islamischen Verbänden bereits konkrete Verhandlungen am 30. 09. 2013 auf Arbeitsebene aufgenommen worden.20 Nachdem die Niedersächsische Landesregierung die Entwürfe zu den beabsichtigten Verträgen zustimmend zur Kenntnis genommen hatte, wurden diese den Landtagsfraktionen zugeleitet.21 In einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 09. 02. 2017 heißt es allerdings: „Die Niedersächsische Landesregierung und die muslimischen Verbände haben am 20. 01. 2017 gemeinsam beschlossen, die Gespräche über einen Vertragsabschluss bis zum Ende dieser Legislaturperiode des Landtages auszusetzen.“22 In einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage niedersächsischer Abgeordneten vom 15. 11. 2018 heißt es: „Die bisherigen Verhandlungen wurden trotz abschließender inhaltlicher Übereinstimmung nicht zu Ende geführt, weil die aufgrund von Terrorakten zunehmend kontroverse Diskussion über den Islam in Deutschland sowie die Belastungen im deutsch-türkischen Verhältnis und der erkennbare Einfluss der Türkei auf DITIB Deutschland aller Voraussicht nach dazu geführt hätten, dass ein Vertragsschluss in Niedersachsen öffentlich gerade nicht als Schritt der Annäherung und Normalisierung wahrgenommen worden

17 Zielvereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V., abrufbar unter: http://mwwk.rlp.de/fileadmin/ mbwwk/Presse/Anlagen/Zielvereinbarung_DITIB.pdf (Stand: 15. 01. 2021). 18 Siehe ebenda, S. 1. 19 Vgl. zur Situation in Niedersachsen im Vergleich mit den hanseatischen Verträgen: Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit islamischen Verbänden?, S. 187 (213 ff.). 20 Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) v. 02. 09. 2014, Drs. 17/1922. 21 Siehe dazu die Pressemitteilung des Niedersächsischen Kultusministeriums „Vertragsverhandlungen mit DITIB und SCHURA sowie der Alevitischen Gemeinde“ v. 09. 02. 2017, abrufbar unter: http://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/vertragsverhandlungen_ mit_ditib_und_schura_sowie_alevitischen_gemeinde/vertragsverhandlungen-mit-ditib-und-sch ura-sowie-der-alevitischen-gemeinde-139428.html (Stand: 18. 12. 2017). 22 Siehe ebenda.

A. Aktuelle vertragsrechtliche Entwicklungen und Probleme

259

wäre“23. Ende 2018 hat schließlich Yilmaz Kiliç den Vorsitz des DITIB – Landesverband Niedersachsen und Bremen e. V. niedergelegt, als Grund nannte er die Einmischung aus der Türkei in seinen Landesverband.24 Es zeigt sich, dass die Anbindung der jeweiligen DITIB-Landesverbände an das Diyanet mit der Verschärfung des politischen Konflikts in und mit der Türkei unter Erdogan verstärkt ins politische und öffentliche Bewusstsein getreten ist und zumindest zur Aussetzung der Vertragsverhandlungen geführt hat. Dieses Problem konnte bislang nicht gelöst werden, so dass es nicht absehbar ist, ob und ggf. wann entsprechende kooperationsrechtliche Verträge sui generis mit den islamischen Verbänden geschlossen werden. Auch die Bemühungen in SchleswigHolstein gilt es zu beobachten. Andere Bundesländer, wie Berlin, die den Abschluss eines entsprechenden Vertrages anstrebten, werden wohl weiterhin abwarten. Dass diese Problematik absehbar war, zeigt die Vorgehensweise Bremens. Dort hatte man den islamischen Verbänden, wohl in weiser Voraussicht, lediglich ein Stellungnahmerecht in der Weiterentwicklung des Unterrichtsfaches Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage zu den Bildungsplänen eingeräumt, Art. 8 Abs. 3 Bremer Vereinbarung. Auch in Hamburg wurde die Kündigung bzw. die Aussetzung des Vertrages mit Verweis auf anti-israelische und anti-christliche Bekundungen einzelner islamischer Gruppen sowie wegen des Vorwurfs geheimdienstlicher Tätigkeit gegen die DITIB gefordert.25 Dennoch hält Hamburg weiterhin an seinem kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis mit den islamischen Verbänden fest.26 Unter rechtlichen Gesichtspunkten gestaltet sich der Abschluss eines Vertrages mit einer Religionsgemeinschaft, die an ausländische Leitungsinstanzen angebunden ist, sehr problematisch. Anderes gilt jedoch für die Ausrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichtes im Sinne des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG. Hierbei muss zwingend gewährleistet sein, dass die Definition der religiösen Grundsätze in einer staatsfreien Sphäre erfolgt.

23 Antwort Niedersächsischen Staatskanzlei auf die schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling und Dr. Stefan Birkner (FDP) v. 15. 11. 2018, Drs. 18/2116. 24 Presseinformation der Niedersächsischen Senatskanzlei vom 25. 01. 2019, abrufbar unter: http://www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/zukuenftige-zusammenar beit-mit-dem-islamischen-dachverband-ditib-landesverband-niedersachsen-und-bremen-ev-1 73288.html (Stand: 15. 01. 2021). 25 Dazu der Online-Artikel „Hamburg hält an Islam-Staatsvertrag fest“ v. 01. 02. 2017, abrufbar unter: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburg-haelt-an-Islam-Staatsvertragfest,staatsvertrag188.html (Stand: 18. 12. 2017). 26 Siehe ebenda.

260

Teil 5: Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse

B. Wesentliche Ergebnisse der Arbeit Inhaltlich weist die Vereinbarung Parallelen zu dem in Hamburg geschlossenen Kirchenvertrag sowie zum Konkordat auf. Allerdings steht die Vereinbarung ganz im Zeichen ihrer besonderen Ausgangssituation des Vertragsschlusses mit islamischen Verbänden. Dies zeigt sich auch daran, dass die Kooperationsfunktion wesentlich ist und eine Einbettungs- und Integrationsfunktion aus den Vertragsinhalten abgeleitet werden kann. Das eigentliche inhaltliche Gepräge wird der Vereinbarung durch die Wiederholung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten im Kontext islamischer Religionsausübung verliehen. Die vorliegende Untersuchung zielte darauf ab, die Wesensmerkmale eines Staatskirchenvertrages klarer zu bestimmen. Daraus ergab sich, dass Staatskirchenverträge zwischen Band/Land und einer zumindest als Religionsgemeinschaft verfassten religiösen Gemeinschaft geschlossen werden, die das Verhältnis zwischen den Parteien (verfassungsrechtlich) inhaltlich umfassend und auf Dauer regeln und zu denen ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz ergangen ist. Der Vertrag und der parlamentarische Zustimmungsakt stehen dabei in einer funktional-rechtlichen Wechselbeziehung. Die Bedeutung eines Zustimmungsgesetzes kommt derjenigen eines Wesensmerkmals gleich. In der Vereinbarung wird ein institutionelles Verhältnis abweichend von der Wiederholung verfassungsrechtlicher Rechte bzw. Pflichten nicht begründet, auch ist lediglich ein schlichter Parlamentsbeschluss ergangen. Rechtssystematisch kann die Vereinbarung nicht zu den Staatskirchenverträgen im engeren Sinne gezählt werden, es handelt sich um einen kooperationsrechtlichen Vertrag sui generis. Auch die rechtliche Wirkung und der Nutzen sind anders geartet. Während der tiefere Sinn von Staatskirchenverträgen in der Beständigkeit ihrer Abreden gesehen wird, ist die primäre Wirkung der Vereinbarung die Anerkennung der Rechtssubjektsqualität der islamischen Verbände in Form der Religionsgemeinschaftseigenschaft. Weiterhin besteht der Nutzen in den Chancen, die sich aus der Vereinbarung ergeben, insbesondere der Erlangung der staatskirchenrechtlichen Korporationsqualität. Dieser tiefere Sinn ist allerdings nicht zu unterschätzen. Die Religionsgemeinschaftseigenschaft ist ein eigenständiger Rechtsstatus von „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Relevanz“27 und der Schlüsselbegriff des deutschen Religionsgemeinschaftsstaatsrechts. Islamischen Verbänden geht es in rechtlicher Hinsicht primär darum, islamischen Religionsunterricht im Sinne von Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG auszurichten. Diese Rechtsfrage war Gegenstand des Grundsatzurteils des BVerwG vom 23. 02. 2005. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht erweiterte den Religionsgemeinschaftsbegriff verfassungsaktualisierend unter Zugrundelegung der organisatorischen und glaubensmäßigen Verfasstheit islamischer Verbände. Als Religionsgemeinschaft 27

Waldhoff, Dossier Muslimische Gemeinschaften zwischen Recht und Politik, S. 13.

B. Wesentliche Ergebnisse der Arbeit

261

kann demnach ein Zusammenschluss natürlicher Personen – die bei mehrgliedrigen, formalrechtlichen Organismen auch der nachgeordneten Ebene angehören können – ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben, die bei mehrgliedrigen Organismen in einer allseitigen, identitätsstiftenden sowie gläubigenumfassenden Weise vollzogen werden müssen, verstanden werden. Im Kontext des grundgesetzlichen Religionsunterrichts muss eine Religionsgemeinschaft überdies in Anlehnung an Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV qualifizierte Anforderungen erfüllen. In Hinblick auf den DITIB-Landesverband, die Schura und den VIKZ wäre im Rahmen einer Gesamtwürdigung in der Frage nach ihrer Religionsgemeinschaftseigenschaft unter Zugrundelegung ihrer Satzungen und tatsächlichen religionswissenschaftlichen Lebensäußerungen eher zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Allerdings ist insbesondere die Kooperationsfähigkeit des DITIB-Landesverbandes mit Blick auf dessen Anbindung an das Diyanet und darüber auch an den türkischen Staat stark zu bezweifeln und mit Blick auf die derzeitigen Satzungsfassungen und den derzeitigen Sachstand wohl zu verneinen. Auch in Hinblick auf die Schura und den VIKZ stellen sich (mitgliedschaftsrechtliche) Probleme. Diese verfassungsrechtlichen Probleme zeigen sich auch in den derzeitigen Vertragsschlussbemühungen. Sie haben zu der in den einschlägigen Bundesländern politischen Schlussfolgerung geführt, die Vertragsschlüsse (zunächst) auszusetzen. Neben Hamburg wurde nur noch in Bremen eine entsprechende Vereinbarung geschlossen. Parallel zu den aufgezeigten Entwicklungen, bestehend in dem judikativen Interpretationswandel staatskirchenrechtlicher Rechtsbegriffe bis hin zum Vertragsschluss mit islamischen Verbänden, wird, dies auch aufnehmend, die Grundsatzdiskussion „Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?“ geführt. Dazu zählt insbesondere auch die Integration „des Islams“ in dieses Teilrechtsgebiet. Mit Blick auf den Abschluss des kooperationsrechtlichen Vertrages sui generis zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den islamischen Verbänden zeigt sich der Anbruch der Generation 3, 5 des Vertragsstaatskirchenrechts. Davor erscheint die Bewertung der Vereinbarung durch den Ersten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz als „Meilenstein“ zutreffend – auch, da der Weg der strukturell-rechtlichen Integration islamischer Verbände erst mit Erlangung des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus und dem Abschluss eines herkömmlichen Staatskirchenvertrages vollständig beschritten sein wird.

262

Teil 5: Aktuelle Entwicklungen, wesentliche Ergebnisse

C. Die Zukunftsfähigkeit des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts oder die Frage nach der strukturell-rechtlichen Integration islamischer Gemeinschaften Vertragsschlüsse mit islamischen Verbänden stehen vor großen Herausforderungen und Widerständen. Bemühungen, diese aus der Welt zu schaffen, gestalten sich als kompliziert, insbesondere, da es „den einen Ansprechpartner“ nicht gibt.28 Insbesondere Verbindungen religiöser Gemeinschaften zu ausländischen Leitinstanzen sind hierbei im Auge zu behalten, denn diese „Verbindungen sind geeignet, die Grundlagen des deutschen Religionsverfassungsrechts zu gefährden“29. Auch neben islamfeindlichen sowie islamistischen Tendenzen können auch rein praktische Aspekte in Form eines Minus an finanziellen Ressourcen und Erfahrungen mit juristischen Abläufen in der Bundesrepublik den Prozess der rechtlichen Integration erschweren.30 Dennoch hat die rechtliche Untersuchung ergeben, dass dieser ganzen Schwierigkeiten zum Trotz mit der Vereinbarung zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg ein Vertrag geschaffen wurde, der über einige wesentliche Elemente eines Staatskirchenvertrages verfügt. Die aktuellen Probleme wegen der Anbindung der DITIB an das Diyanet sollen nicht verunklären, dass das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht vor allem mit dem Abschluss des Hamburger kooperationsrechtlichen Vertrages sui generis die Marke der Generation 3, 5 des Vertragsstaatskirchenrechts überschritten hat Das Überschreiten dieser Wegmarke verbildlicht die Standortbestimmung in der Integration islamischer Verbände in die Ordnungskonfigurationen der Staatskirchenrechtsordnung, denn wie Beck konstatiert, ist es die Zeit „semiotischer Metamorphosen“; „die Verhältnisse wählen sich die Rechtsform, die für sie die günstigste ist“31. Erstem Bürgermeister Olaf Scholz ist also in der Hinsicht zuzustimmen, dass es sich bei dem Abschluss der Vereinbarung um einen Meilenstein handelt – und dies auch in rechtlicher Hinsicht. Diese Entwicklungen belegen die Zukunftsfähigkeit dieses Teilrechtsgebiets im Allgemeinen und des Handlungsinstruments des Staatskirchenvertrages im Besonderen. Die Frage, ob „der Islam“ inzwischen strukturell-rechtlich in das tradierte Staatskirchenrecht eingepasst ist, muss differenziert beantwortet werden. Islamischen Gemeinschaften ist es gelungen, sich als Religionsgemeinschaften Zugang 28 29 30 31

Spielhaus, Wie steht es um die rechtliche Anerkennung des Islams?, S. 7. Beck, ZRP 2019, S. 85 (88). Siehe ebenda, S. 8. Beck, ZRP 2019, S. 85.

C. Die Zukunftsfähigkeit des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts

263

zum institutionellen Staatskirchenrecht zu verschaffen. Bevor dieser Weg auch langfristig im Klassenzimmer endet, sind vor allem die Probleme der Anbindung an ausländische Leitungsinstanzen sowie die Entwicklung einer nachvollziehbaren mitgliedschaftlichen Zurechnung dringend klärungsbedürftig. Entsprechende Willenserklärungen sind nicht ausreichend. Die politischen Entwicklungen in der Türkei und einzelne Kontroversen in den Bundesländern führen zu einer genauen Prüfung, ob eine strukturelle und inhaltliche Kompatibilität mit verfassungsrechtlichen Vorgaben angenommen werden kann. Für den Prozess der strukturell-rechtlichen Integration islamischer Gemeinschaften in das Staatskirchenrecht/Religionsverfassungsrecht bietet die rahmenrechtliche Konzeption eine Chance und ist eine Gefahr zugleich. Schon Weber wusste um die Gefahr einer standortgebundenen ideologischen Verklärung in der Rechtsanwendung und -interpretation.32 Bei der Ableitung ungeschriebener Anforderungen staatskirchenrechtlicher Gewährleistungen besteht ein erhöhter Legitimationsbedarf. Es gilt, dass in Hinblick auf islamische Gemeinschaften differenzierter geurteilt werden muss. Das BVerwG und das OVG Münster haben mit ihrer Rechtsprechung zum islamischen Religionsunterricht unter Beweis gestellt, dass eine verfassungsgemäße und verfassungsaktualisierende Weiterentwicklung des Rechtsbegriffes der Religionsgemeinschaft möglich ist. Die Annahme Hollerbachs, dass in einem Staatskirchenvertrag eine „große Chance und religionspolitische Notwendigkeit liegen, an der sich die kulturintegrative Kraft der deutschen Verfassungs- und Rechtsordnung bewahren könne und die dem Pfad des deutschen Religionsrechts besonders entspräche“33, hat nichts an Aktualität eingebüßt. Es gilt, dass die Gewährleistungen und Handlungsinstrumente eine besondere Form der Problemlösung bieten, die den religiösen Frieden garantieren können.34 Dieses Potential ist auch in der Hamburger Vereinbarung enthalten.35

32

Weber, in: Weber, Gesammelte Werke, S. 6 ff. Hollerbach, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, 2. Aufl., S. 253 (269). 34 Siehe ebenda; vgl. auch Hense, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden, S. 187 (S. 303), der darauf hinweist, dass „auch in und aus kontroversen Auseinandersetzungen […] schiedlich-friedliche Ordnungsmuster wachsen“ können. 35 Siehe dazu auch Thümler, in: Thümler, Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden?, S. 7 (10). 33

Anhang Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren vom 13. November 2012

Anhang

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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode

Drucksache 20/5830

Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren Die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat und der DITIB-Landesverband Hamburg e.V., vertreten durch seinen Vorstand, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V., vertreten durch seinen Vorstand, und der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V., vertreten durch seinen Vorstand (im Folgenden als islamische Religionsgemeinschaften bezeichnet), schließen –



– –



in dem Bewusstsein, dass die Bürgerinnen und Bürger islamischen Glaubens einen bedeutenden Teil der Bevölkerung der Freien und Hansestadt Hamburg bilden und der Islam als ihr gelebter Glaube zu einem festen Bestandteil des religiösen Lebens geworden ist, in dem Wunsch, die Freiheit der Religionsausübung der Bürgerinnen und Bürger islamischen Glaubens als Teil einer pluralen und weltoffenen Gesellschaft zu bestätigen und zu bekräftigen, in der Überzeugung, dass Religion einen wertvollen Beitrag als Mittlerin zwischen unterschiedlichen Kulturen und Traditionen zu leisten vermag, in dem Wunsch, die Beteiligung der islamischen Religionsgemeinschaften am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt anzuerkennen und zu unterstützen, mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den islamischen Religionsgemeinschaften partnerschaftlich weiterzuentwickeln, den folgenden Vertrag:

A r t i ke l 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet der Freiheit, den islamischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den Schutz durch Verfassung und Gesetz. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Achtung des religiösen Bekenntnisses untrennbar mit der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen und ab4

weichenden Anschauungen und Handhabungen der eigenen Religion verbunden ist. (2) Die islamischen Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Die Vertragsparteien bekennen sich zum Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen und zur vollständigen Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze. Sie werden hierfür entschieden eintreten, auf entgegenstehende

266

Anhang

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode Äußerungen verzichten sowie sich gegen widersprechende Anschauungen wenden. A r t i ke l 2 Gemeinsame Wertegrundlagen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften bekennen sich zu den gemeinsamen Wertegrundlagen der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Geltung der Grundrechte, der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen sowie der freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassung des Gemeinwesens. Sie sind sich einig in der Ächtung von Gewalt und Diskriminierung auf Grund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben oder religiöser oder politischer Anschauungen und werden gemeinsam dagegen eintreten. (2) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften bekennen sich insbesondere zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zur vollständigen und gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen am gesellschaftlichen und politischen sowie am schulischen und beruflichen Leben. Sie setzen sich für die Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen ungeachtet ihrer religiösen Überzeugungen an Bildung, Erwerbstätigkeit und gesellschaftlichem Leben ein und wenden sich entschieden gegen jede Art von Diskriminierung. Protokollerklärung zu Artikel 2 Absatz 2 Die Vertragsparteien teilen die Überzeugung, dass Frauen und Mädchen die Teilhaberechte weder aus religiösen Gründen von Dritten bestritten noch wegen eines ihrer eigenen religiösen Überzeugung entsprechenden Verhaltens vorenthalten werden dürfen. Dies schließt das Recht muslimischer Frauen und Mädchen ein, nicht wegen einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Bekleidung in ihrer Berufsausübung ungerechtfertigt beschränkt zu werden. A r t i ke l 3 Islamische Feiertage Folgende islamische Feiertage sind kirchliche Feiertage im Sinne des hamburgischen Feiertagsgesetzes mit den Rechten aus § 3 des Feiertagsgesetzes für islamische Religionsangehörige: 1. Opferfest (Id-ul-Adha bzw. Kurban Bayrami) – Einer der zwei Tage ab zehnten Dhul-Hiddscha,

Drucksache 20/5830

2. Ramadanfest (Id-ul-Fitr bzw. Ramazan Bayrami) – Einer der zwei Tage ab ersten Schawwal, 3. Aschura – Ein Tag am zehnten Muharram. Die Daten der Feiertage beziehen sich auf den islamischen Mondkalender und werden von den islamischen Religionsgemeinschaften jeweils vorher bestimmt und bekannt gegeben. Protokollerklärung zu Artikel 3 Die islamischen Religionsgemeinschaften und die Freie und Hansestadt Hamburg sind sich darüber einig, dass die ganztägigen Ausgestaltungen des Ramadan-Festes und des Opferfestes für die muslimischen Gemeinden gleichbedeutend sind mit gottesdienstlichen Handlungen. Der gottesdienstliche Charakter äußert sich nicht nur im morgendlichen Ritualgebet, sondern umfasst den gesamten Tag, der in weiten Teilen ritualisierte Abläufe enthält. Diese Feiertage werden deshalb als Gottesdienst im Sinne des § 3 Hamburger Feiertagsgesetz verstanden. A r t i ke l 4 Bildungswesen (1) Die islamischen Religionsgemeinschaften haben nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften das Recht, Bildungs- und Kultureinrichtungen zu unterhalten. Die Vertragsparteien werden sich im Rahmen ihrer finanziellen, organisatorischen und rechtlichen Möglichkeiten gemeinsam dafür einsetzen, das Wirken dieser Einrichtungen auch über die Mitgliedschaft der islamischen Religionsgemeinschaften hinaus verstärkt in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. (2) Unbeschadet des Rechts auf Unterhaltung eigener Bildungseinrichtungen bekennen sich die islamischen Religionsgemeinschaften zum staatlichen Schulwesen, der allgemeinen Schulpflicht und der umfassenden Teilnahme am Unterricht staatlicher Schulen. A r t i ke l 5 Hochschulausbildung Die Freie und Hansestadt Hamburg fördert eine Ausbildungsstätte für islamische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Hamburg. Protokollerklärung zu Artikel 5 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Förderung einer Ausbildungsstätte für islamische Theologie und Religionspädagogik in ihrem Schwerpunkt zunächst auf die Gewinnung in Deutschland ausgebildeter schulischer Lehrkräfte für den Religionsunterricht zielen soll. Sie teilen die Überzeugung, dass das Aufgreifen der Glaubensvorstellungen prak5

Anhang Drucksache 20/5830

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode

tizierender Muslime eine wesentliche Voraussetzung für die wünschenswerte Akzeptanz des Unterrichts bei den muslimischen Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern sein wird. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird sich deshalb unter Beachtung der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre dafür einsetzen, dass –

die islamischen Religionsgemeinschaften vor der Berufung einer Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten,



ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich zu Lehrinhalten zu äußern, soweit sie schwerwiegende Abweichungen von den islamischen Glaubensgrundsätzen geltend machen, und



sie in die Erarbeitung von Grundsätzen für eine Akkreditierung von Studiengängen und Formulierung von Prüfungsanforderungen einbezogen werden.

Die islamischen Religionsgemeinschaften erklären, dass sie Stellungnahmen einheitlich abgeben werden. Stellungnahmen, die nicht einheitlich abgegeben werden, lösen keine Verpflichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg im Sinne des vorstehenden Absatzes aus. A r t i ke l 6 Religionsunterricht (1) Die Vertragsparteien sind sich einig in der Anerkennung der Bedeutung, des Wertes und der Chancen des an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religionsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen. Sie streben deshalb im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes eine Weiterentwicklung an, deren Ziel es ist, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Religionsunterrichts im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemeinschaften im verfassungsrechtlichen Sinne gleichberechtigt am Religionsunterricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit ermöglicht, um so die bestehende dialogische Form des Religionsunterrichtes zu erhalten. Das Nähere wird gesondert geregelt. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 anerkennt die Freie und Hansestadt Hamburg das Recht der islamischen Religionsgemeinschaften, bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen die Erteilung eines besonderen islamischen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes verlangen zu können. 6

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Protokollerklärung zu Artikel 6 Absatz 1 Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre Schulpraxis, Didaktik und Rahmenpläne, Lehrerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rahmen für den Religionsunterricht nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes weiterentwickelt werden sollen. Dies soll durch eine Arbeitsgruppe erfolgen, die aus Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Behörde sowie aus Vertreterinnen und Vertretern solcher Religionsgemeinschaften besteht, die beabsichtigen, die Inhalte eines Religionsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen in Hamburg zu verantworten. Die Arbeitsgruppe legt ihre Ergebnisse den jeweiligen Entscheidungsgremien zum Beschluss vor. Die Beteiligten beachten die ihnen durch Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes zugewiesenen Funktionen. A r t i ke l 7 Religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen (1) In öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Heimen, aber auch Justizvollzugsanstalten oder Polizeiausbildungsstätten gewährleistet die Freie und Hansestadt Hamburg den islamischen Religionsgemeinschaften das Recht zur religiösen Betreuung. Sie sind zu Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen, insbesondere zu den islamischen Festtagen, berechtigt. Soweit sich Einrichtungen nicht in staatlicher Trägerschaft befinden, wird die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Gewährleistung der religiösen Betreuung hinwirken. (2) Der Zutritt zu einer Justiz- oder Polizeieinrichtung setzt das Einverständnis der zuständigen Behörde zur Person der Betreuerin oder des Betreuers voraus; das Einverständnis kann nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen werden. Der Zutritt zu sonstigen öffentlichen Einrichtungen erfolgt im Benehmen mit dem Träger. Näheres soll durch Vereinbarung mit den öffentlichen, freien oder privaten Trägern der Einrichtungen unter Berücksichtigung des Absatzes 1 geregelt werden. (3) Die Freie und Hansestadt Hamburg wird darauf hinwirken, dass in den öffentlichen Einrichtungen eine Ernährung angeboten wird, die religiöse Speisevorschriften im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten einhält. Protokollerklärung zu Artikel 7 Zu Absatz 1 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Gewährleistung des Zugangs der islamischen Religionsgemeinschaften zu öffentlichen Einrichtungen sich nur auf solche Personen bezieht, die die Gemein-

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Anhang

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode schaften vorab benennen. Die für die religiöse Betreuung erforderlichen Räumlichkeiten werden im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten kostenfrei zur Verfügung gestellt. Den zur religiösen Betreuung eingesetzten Personen soll die Möglichkeit gegeben werden, bei der Beschaffung religiöser Literatur beratend mitzuwirken. Zu Absatz 3 Zu der den islamischen Speisevorschriften entsprechenden Ernährung gehört die Möglichkeit, während des Ramadan ein nächtliches Essen zu sich zu nehmen. Für die Gefangenen des geschlossenen Vollzugs muss dies im jeweiligen Haftraum stattfinden. A r t i ke l 8 Rundfunkwesen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg wird sich bei künftigen Verhandlungen über Änderungen der rundfunk- und medienrechtlichen Staatsverträge dafür einsetzen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die privaten Rundfunkveranstalter den islamischen Religionsgemeinschaften angemessene Sendezeiten zum Zwecke der Verkündigung und Seelsorge sowie für sonstige religiöse Sendungen gewähren. (2) Sie wird unter Wahrung der verfassungsrechtlich garantierten Staatsferne des Rundfunks darauf bedacht sein, dass in allen Rundfunkprogrammen die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung einschließlich der muslimischen Bevölkerung geachtet werden. (3) Die Freie und Hansestadt Hamburg wird sich bei künftigen Verhandlungen über die Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (im Rahmen der Diskussion über die Neubesetzung der Aufsichtsgremien) dafür einsetzen, dass die islamischen Religionsgemeinschaften in den Aufsichtsgremien (NDR-Rundfunkrat, ZDF-Fernsehrat, DLR-Hörfunkrat und den entsprechenden Ausschüssen) angemessen vertreten sind. A r t i ke l 9 Gewährleistung der Vermögensrechte; Errichtung und Betrieb von Moscheen, Versammlungsräumen, Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet den islamischen Religionsgemeinschaften das Eigentum und andere Rechte an ihrem Vermögen gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung.

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(2) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet islamischen Religionsgemeinschaften das Recht, im Rahmen der geltenden Gesetze Moscheen, Gebets- und Versammlungsräume sowie Bildungseinrichtungen und sonstige Gemeindeeinrichtungen zu errichten und ihrer Bestimmung entsprechend zu betreiben. Dies schließt die Gewährleistung des Rechts ein, Moscheegebäude der islamischen religiösen Tradition entsprechend, insbesondere mit Kuppeln und Minaretten, auszustatten. (3) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass Errichtung und Betrieb von Moscheen, Gebetsund Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen der islamischen Religionsgemeinschaften zur Förderung eines gedeihlichen Miteinanders der muslimischen und der nicht-muslimischen Bevölkerung von akzeptanzfördernden Maßnahmen begleitet werden sollen. Deshalb 1. werden die Vertragsparteien Bedacht darauf nehmen, dass sich Moscheegebäude unbeschadet des Rechts der islamischen Religionsgemeinschaften, sie der islamischen religiösen Tradition entsprechend auszustatten, in ihre jeweilige Umgebung einfügen, 2. wird sich die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen des geltenden Rechts und unter Beachtung der staatlichen Pflicht zu weltanschaulichreligiöser Neutralität in der Bevölkerung für die Akzeptanz des Errichtens und Betreibens von Moscheen, Gebets- und Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen einsetzen, 3. werden die islamischen Religionsgemeinschaften bei Errichtung und Betrieb von Moscheen, Gebetsund Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen die Ziele von Transparenz und Öffnung verfolgen. (4) Die Freie und Hansestadt Hamburg wird den Bedarf der islamischen Religionsgemeinschaften an Grundstücken bzw. grundstücksgleichen Rechten, insbesondere bei Erschließung neuer Stadtteile und Aufsiedlung neuer Gebiete, nach Maßgabe des geltenden Rechts berücksichtigen. Macht die Freie und Hansestadt Hamburg einen dringenden öffentlichen Bedarf an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten der islamischen Religionsgemeinschaften, ihrer Einrichtungen oder Gemeinden geltend, werden die islamischen Religionsgemeinschaften darauf hinwirken, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte, soweit sie nicht für religiöse Zwecke benötigt werden, zu angemessenen Bedingungen erwerben kann. 7

Anhang Drucksache 20/5830

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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode

(5) Im Rahmen der allgemeinen Gesetze wird die Freie und Hansestadt Hamburg bei der Anwendung enteignungsrechtlicher Vorschriften auf die Belange der islamischen Religionsgemeinschaften Rücksicht nehmen und im Falle eines Eingriffs bei der Beschaffung gleichwertiger Ersatzgrundstücke Hilfe leisten. Bei der Stellung von Ersatzgrundstücken gelten die für die Enteignung maßgeblichen Grundsätze.

Um die Durchführung islamischer Bestattungen auch in Fällen behördlich veranlasster Bestattungen zu ermöglichen, werden die zuständigen Behörden der Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften Verfahren der wechselseitigen Information über Fälle vereinbaren, die die Notwendigkeit einer islamischen Bestattung nahe legen.

Protokollerklärung zu Artikel 9

Zu Absatz 3

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Regelungen dieses Artikels die Rechte der islamischen Religionsgemeinschaften an ihrem Eigentum und sonstigem Vermögen nicht beschränken. Dies gilt insbesondere für das Recht, Immobilien, welche sie in Eigentum oder gemietet haben, im Rahmen der geltenden Gesetze für religiöse, soziale, Bildungs-, kulturelle, sportliche und gewerbliche Zwecke zu nutzen oder zu vermieten. Die Vertragsparteien stimmen ebenfalls darin überein, dass die Gewährleistungen des Absatzes 4, wonach die Freie und Hansestadt Hamburg den Bedarf der islamischen Religionsgemeinschaften an Grundstücken bzw. grundstücksgleichen Rechten berücksichtigen wird, nicht die Rechte der islamischen Religionsgemeinschaften auf gewerbliche Einrichtungen und Betätigungen einschließen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg anerkennt das Recht aller Religionsgemeinschaften, nach Maßgabe der geltenden Vorschriften eigene Friedhöfe zu unterhalten. Sie sieht sich jedoch gegenwärtig nicht in der Lage, von dem Erfordernis, dass es sich bei dem Friedhofsträger um eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft handeln muss, abzusehen. Ungeachtet dessen ist sie bereit, über die Frage der Friedhofsträgerschaft unter Berücksichtigung von Fortentwicklungen sowohl der Bedarfssituation als auch der strukturellen Leistungsfähigkeit potentieller Friedhofsträger mit den islamischen Religionsgemeinschaften mittelfristig in erneute Verhandlungen zu treten.

A r t i k e l 10 Bestattungswesen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet das Recht, auf staatlichen Friedhöfen Bestattungen nach den islamischen religiösen Vorschriften vorzunehmen. Sie stellt hierfür dem Bedarf entsprechende Flächen zur Verfügung. (2) Die islamischen Religionsgemeinschaften haben auf staatlichen Friedhöfen das Recht zu Gottesdiensten und Bestattungsandachten. Auf den Ablauf anderer Bestattungen ist Rücksicht zu nehmen. (3) Die gesetzlichen Vorschriften über die Möglichkeiten nichtstaatlicher Friedhofsträgerschaft bleiben unberührt. Protokollerklärung zu Artikel 10 Zu Absatz 1 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Gewährleistung des Rechts, auf staatlichen Friedhöfen Bestattungen nach den islamischen religiösen Vorschriften vorzunehmen, insbesondere das Recht auf sarglose Bestattungen umfasst. Die dauerhafte Totenruhe wird auf den islamischen Gräberfeldern, auch nach Neuvergabe von Grabstätten, dadurch gewährleistet, dass die Gebeine bereits Bestatteter in der Grabstätte verbleiben. 8

A r t i k e l 11 Zusammenwirken (1) Die Vertragsparteien werden bedarfsabhängig Gespräche zur Intensivierung ihrer Beziehungen führen. Sie werden sich außerdem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die beiderseitigen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und zur Besprechung solcher Angelegenheiten zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für Gesetzesvorhaben des Senats, die Belange der islamischen Religionsgemeinschaften unmittelbar berühren. (2) Zur ständigen Vertretung ihrer Anliegen gegenüber der Freien und Hansestadt Hamburg und zur gegenseitigen Information bestellen die islamischen Religionsgemeinschaften eine Beauftragte oder einen Beauftragten bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. A r t i ke l 1 2 Freundschaftsklausel Die Vertragsparteien werden in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung dieses Vertrages soweit möglich einvernehmlich klären. A r t i ke l 1 3 Schlussbestimmungen (1) Dieser Vertrag tritt mit der Zustimmung der Bürgerschaft in Kraft.

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Anhang

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode (2) Die Vertragsparteien werden auf die umfassende Verbreitung und Kenntnis der Vereinbarungen dieses Vertrages bei ihren Organen und Mitgliedern sowie in der Öffentlichkeit hinwirken. Sie stehen einander zur Erläuterung von Verhaltensweisen und Äußerungen ihrer Organe und Mitglieder zur Verfügung, die Inhalte dieser Vereinbarung berühren. Auf begründetes Verlangen einer Vertragspartei stehen sie auch für öffentliche Erklärungen zur Verfügung. (3) Die Vertragsparteien werden nach Ablauf von zehn Jahren Gespräche mit dem Ziel aufnehmen, im Lichte der gewonnenen Erfahrungen über diesen

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Vertrag und die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen zu verhandeln. Protokollerklärung zu Artikel 13 Absatz 3 Die islamischen Religionsgemeinschaften streben im Rahmen ihrer weiteren organisatorischen Entwicklung die Erlangung der Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung an. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass diesbezügliche Fortentwicklungen auch die Neuordnung der wechselseitigen Beziehungen erforderlich machen werden.

Hamburg, den 13. November 2012 Für den Senat

Für den Vorstand des DITIB-Landesverbands Hamburg

gez. Olaf Scholz

gez. Z. Altug

Olaf Scholz Erster Bürgermeister

Dr. Zekeriya Altug Vorsitzender Für den Vorstand der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg gez. Daniel Abdin Daniel Abdin Vorsitzender Für den Vorstand des Verbandes der Islamischen Kulturzentren gez. Pirildar Murat Pirildar Bevollmächtigter des Vorstands für Hamburg

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Sachwortverzeichnis Alevitentum 30 f. Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. 56 ff., 254 ff. Anbindung islamischer Gemeinschaften an ausländische Leitinstanzen siehe DITIBLandesverband Hamburg, VIKZ Anerkennung 24 ff., 165 Ansprechpartner 26, 44, 221 ff. Anstaltsseelsorge siehe Betreuung, religiöse Apostasie 40 Arbeitsmigration siehe Geschichte, „Islam“ in Deutschland Auslegung, verfassungsaktualisierende 247 Aussetzungen Vertragsverhandlungen 257 ff. Autokratie 40 Bahá’í-Beschluss (BVerfGE 83, 341) 162 f., 168, 192, 215, 243, 252 Bedeutungswandel siehe Auslegung, verfassungsaktualisierende Bestattung – als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 80 f. – islamische Riten 80 ff. Betreuung, religiöse 74 f. Bildungswesen, als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 69 ff. Bindungswirkung siehe Vereinbarung, Bindungswirkung Bremen 18, 255 ff. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Studien des 22, 36 Bürgerschaft, hamburgische 59 ff., 119, 125, 127, 135 Clash of civilizations 31, 46 Clash within civilizations 31 Dachverband 33 ff., 170 ff. Definitionshoheit, staatliche 82, 159, 162

Demokratie(-prinzip) 113, 230 ff. Deutsche Islamkonferenz 39, 49, 54 Diaspora siehe Geschichte „Islam“ in Deutschland DITIB-Bundesverband 47 f., 212, 222 f. DITIB-Landesverband Hamburg 47 ff. – als Religionsgemeinschaft? 197 ff. – Anbindung an das Diyanet 144, 199, 222 ff., 251, 261 Diyanet 47 f., 75, 144, 222 f. Einwohnerzahl, Muslime in Deutschland siehe Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Studien des Erdogan, Recep Tayyip 49, 225 ff. Erlöschensgründe siehe Vereinbarung, Bindungswirkung Evangelischer Kirchenvertrag Hamburg 20, 56, 83 Feiertage, als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 68 f. Feiertagsgesetz, hamburgisches 58, 60, 68 f., 128, 147 Frauenrechte 37 f., 68, 69, 193, 233 Freundschaftsklausel 111, 125, 140 Friedhöfe siehe Bestattung Funktionen der Vereinbarung 83 ff., 118 Gefängnisseelsorge siehe Betreuung, religiöse Generationen-Typologie 91 ff. Geschichte, „Islam“ in Deutschland 22 ff. – Staatskirchenverträge 89 ff. Gesetzestreue siehe Rechtstreue Gesetzesvorbehalt 113 ff., 146 Gleichberechtigung 39, 57, 68, 91, 126 Gutachten – Hamburg 57 f., 145, 194 ff., 212, 220, 225, 250 – Hessen 18, 227 f.

Sachwortverzeichnis – Nordrhein-Westfalen 255 – Rheinland-Pfalz 17, 257 Heiliger Stuhl 96 Hochschulausbildung, als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 70 f. Hybrid, rechtlicher siehe Vereinbarung, kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis Imam, Imamin 29 f., 34, 51, 58, 188, 209, 222 Inkrafttreten der Vereinbarung 61, 82 Integration – als Funktion 62 ff., 135 – gesellschaftspolitische 24 ff., 47, 52, 62, 88, 220, 235 – (staats-)rechtliche 25, 56, 63, 84, 150, 242, 245, 262 Interessenvertretung 182, 192, 196, 249, 250 Inter partes Wirkung 64, 137, 148 Interpretationswandel siehe Auslegung, verfassungsaktualisierende Islamische Gemeinschaft Milli Görüs 36, 43 f., 231 Islamismus 41 ff., 77 Katholischer Kirchenvertrag Hamburg 56, 62 ff., 74, 81 ff., 83 Kirche – evangelische Landeskirchen 20, 90 ff., 104, 106, 108, 160 f., 166 – Nordelbisch evangelisch-lutherische Kirche 55, 72, 81, 94 – römisch-katholische Kirche 93, 167, 175, 249 Kirchenvertrag, Rechtsnatur 99 ff. Kompatibilitätsprobleme 26 ff., 37 ff., 44 ff., 60, 67 ff., 124, 165 f. Konkordanz, Grundsatz der 46 f., 81, 142, 191 Konkordat, Rechtsnatur 94 ff. Konkordatsurteil (BVerfGE 6, 309) 92 Kontrahierungszwang 88, 119 ff. Kooperation 63, 84, 132 ff., 142, 146, 164, 194, 211 ff., 236 f., 254 ff. Koordinationslehre 119 f., 132 Kopftuch 37, 67

295

Koran 27 ff., 67, 177 ff. Körperschaftsstatus 24 – Ahmadiyya Muslim Jamaat 24 – Anerkennung/Verleihung 24, 32, 83, 155 ff., 228 ff. – Anforderungen 122 ff., 228 ff. Kulturkonflikt 46 f., 66 Kündigung eines Vertrages mit einer Religionsgemeinschaft siehe Vereinbarung, Bindungswirkung Legaltheorie 117 Leitentscheidungen, staatskirchenrechtliche 23 Loccumer Vertrag 92 Meilenstein 59 Menschenrechte 37 f., 42 f., 45 Minarett 78 f. Mitgliederverluste, christliche Großkirchen in Deutschland 23 Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaft siehe Religionsgemeinschaft, Mitgliedschaft Moschee 33 ff., 55, 78 ff., 185, 220, 231 Muezzinruf 79 Neutralitätsgrundsatz 229

67, 150, 156, 166,

Pacta sunt servanda siehe Vereinbarung, Bindungswirkung Papst 96 Parität 119 ff., 150 Parlamentsbeschluss, schlichter 82, 135, 256 Plausibilitätskontrolle 161 ff. Pluralisierung 28 ff. Präambel 61 ff. Rang der Vereinbarung siehe Vereinbarung, Rang der Vereinbarung Recht, islamisches 29 ff., 43 Rechtsnatur siehe Vereinbarung Rechtsqualität der Vereinbarung siehe Vereinbarung, kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis Rechtsschulen, islamische siehe Recht, islamisches

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Sachwortverzeichnis

Rechtstreue 45, 230 ff. Reichskonkordat 93 Religionsfreiheit, als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 64 ff. Religionsgemeinschaft – Abgrenzung Interessenvertretung 182 ff. – Anforderungen an Dachverbände 187 ff. – Begriff 158 ff., 167 ff., 174 f., 181, 193, 218 – Beschluss des BVerwG vom 20. 12. 2018 191 ff. – Bezeugung des religiösen Konsenses 181 ff. – Definition nach Anschütz 151, 160 ff. – Interpretationswandel siehe Auslegung, verfassungsaktualisierende – Mitgliedschaft 154, 170 ff., 189 ff., 195, 219 f., 235, 250 – Rechte 152 ff. – religiöser (Grund-)Konsens 175 ff. – Status 123, 248, 260 – Substrat, personales 170 ff. – Urteil des BVerwG zu islamischem Religionsunterricht (BVerwGE 123,49) 150, 172 ff., 245 ff. – Zusammenschluss natürlicher Personen 167 ff. – Zweck 237 ff. Religionsgemeinschaftsstaatsrecht 253 Religionsgesellschaft siehe Religionsgemeinschaft Religionsunterricht 25 – als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 71 ff. – Anforderungen, verfassungsrechtliche 215 ff. – für alle, hamburgischer ~ 72 f. – Modellversuche 26, 193 Religionsverfassungsrecht siehe Staatskirchenrecht Religionsverfassungsrechtlicher Vertrag siehe Vereinbarung Runder Tisch 26 Rundfunkwesen 75 ff. Säkularisierung 22 f., 242 Schächten 58 Scharia 31 f., 33 ff., 193

Schia 29 f., 177 Schura 49 ff. – als Religionsgemeinschaft? 197 ff. – Binnenorganisation 50 f. Seelsorge siehe Betreuung, religiöse Spitzenverband 33 ff. Staat, kooperativer 133 Staatskirchenrecht, Konzepte 238 ff. Staatskirchenvertrag siehe Vereinbarung Stellungnahmerechte 127, 259 Sunna 28 f., 178 f., 192 Todes- und Körperstrafen siehe Menschenrechte Toleranzgebot 65 f. Trennung, Staat und Kirche 40, 114, 117 Türkei 17, 22, 30, 47, 200, 209, 223 ff., 237, 258, 259, 263 Türkische Gemeinde Hamburg und Umgebung e.V. 56, 64 Unterzeichnung

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Verein, religiöser 175 f., 187, 192, 205 f., 216 Vereinbarung – Bindungswirkung 129 ff., 135 ff. – kooperationsrechtlicher Vertrag sui generis 129 ff., 134 – Nutzen, eigentlich rechtlicher 136 ff., 144 – Quasi-völkerrechtlicher Vertrag siehe Vereinbarung, völkerrechtlicher Vertrag – Rang der Vereinbarung 137 ff. – Rechtsqualität 99 ff. – Spezialverträge 100, 111 – Staatsvertrag 122 ff. – Typologie 35, 125 ff. – Verbindlichkeit 236 ff. – Vertragscharakter, öffentlich-rechtlicher 117 ff. – Vertragsfähigkeit 122 ff. – Vertragsfunktionen 115 ff. – Verwaltungsabkommen 100, 112 ff. – verwaltungsrechtliche Durchführungsverordnung 145, 148 – Verwaltungsverträge 99 ff., 128 ff. – völkerrechtlicher Vertrag 121 f.

Sachwortverzeichnis Vereinbarung mit jüdischen Religionsgemeinschaften 20, 66, 87, 93, 120, 156 Verfassungsschutz 43 f. Verfassungstreue siehe Rechtstreue Verhandlungen 56 ff. Vermögensrechte 77 ff. Verständigung 81 f. Vertrag siehe Vereinbarung Vertrauensschutz 143, 148 VIKZ 52 ff. – als Religionsgemeinschaft? 197 ff. – Anbindung an ausländische Leitinstanz 222 – Organisationsstruktur 52 ff. Wegfall der Geschäftsgrundlage siehe Vereinbarung, Bindungswirkung Weimarer Reichsverfassung 102, 160, 248

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Wertegrundlagen, gemeinsame, als Regelungsgegenstand der Vereinbarung 66 ff. Wesentlichkeitstheorie 114, 128 Wiesbadener Integrationsvereinbarung 88 Wirkung der Vereinbarung 136 ff., 146 f. Wormser Konkordat 89 Zeugen Jehovas – Urteil (BVerfGE 102, 370) 124, 215, 230, 236 f., 243, 244, 252 Zukunftsfähigkeit 262 f. Zusammenwirken, als Gegenstand der Vereinbarung 81 ff. Zustimmungsbeschluss siehe Parlamentsbeschluss, schlichter Zustimmungsgesetz 102 f., 110 ff.