Recht durch Eigentum: Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648-1806) 9783486717242, 9783486716184

Als fundamentaler Leitwert strukturierte Eigentum den Zugang sowie die Qualität von Rechten im Alten Reich. Besonders fü

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German Pages 353 [356] Year 2012

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Recht durch Eigentum: Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648-1806)
 9783486717242, 9783486716184

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Hendrikje Carius Recht durch Eigentum

bibliothek altes Reich herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Band 12

Hendrikje Carius

Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648–1806)

R. Oldenbourg Verlag München 2012

Gedruckt mit Unterstützung der jenacon foundation gGmbH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: hauser lacour, www.hauserlacour.de. Umschlagbild: Philippe-Jacques de Loutherbourg, Radierung, 1751–1825, Ausschnitt. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Graph. A1: 1584. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-71618-4 e-ISBN 978-3-486-71724-2

Inhaltsverzeichnis Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

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1.2 Quellenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Gerichtsakten als Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 45 46

1.3

Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik . .

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . .

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2.1

Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frauen und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechts- und Gerichtswesen . . . . . . . . . . . . .

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Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17. und 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten . . . 2.2.1 Rechte am Eigentum: Ehegüterrechtliche Normen 2.2.2 Recht auf Transfer und Erwerb von Eigentum: Erbrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Recht der Forderungen: Schuldrechtliche Normen 2.2.4 Grenzen von Eigentumsrechten . . . . . . . . . . 2.2.5 Schutz von Eigentums- und Besitzrechten . . . . .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.1 Verhandlungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Rahmenfaktoren der Eigentums- und Rechtspraxis in Sachsen-Weimar(-Eisenach) . . . . . . . . . . . 3.1.2 Das Jenaer Hofgericht . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Zugang und Aktionsradius von Frauen vor Gericht, im Prozessrecht und in der Praxis . . . . . . . . . .

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4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte . . . . . . . . 3.2.1 Partizipation am Eigentumstransfer . . . . . . . . . 3.2.2 Die ,gerechte Forderung‘ im Kontext von Eigentum: Schuldkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Konflikte um die Durchsetzung konkurrierender Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . Wörterbücher, Lexika, Enzyklopädien Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349 352

Meinen Eltern

Dank Kolosser 3, 12–15; 23–24

Die vorliegende Studie wurde im Herbst 2008 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertationsschrift angenommen. Sie entstand im Rahmen der Nachwuchsgruppe „Eigentums- und Besitzrechte von Frauen in der Rechtspraxis des Alten Reiches“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Für die Drucklegung wurde die Arbeit geringfügig bearbeitet und um neuere Literatur ergänzt. Allen denen, die mich über Jahre hinweg bei der Entstehung der Studie begleitet und gefördert haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. An erster Stelle bin ich Prof. Dr. Siegrid Westphal zu herzlichem Dank verpflichtet. Sie hat meinen wissenschaftlichen Weg seit Beginn meines Studiums begleitet, die Entstehung der Dissertation mit großem Engagement betreut und immer wieder mit konstruktiven Anregungen bereichert. Mein besonderer Dank gilt zudem Prof. Dr. Georg Schmidt, der das Vorhaben nicht nur stets aufgeschlossen gefördert, sondern auch begutachtet hat. Ebenso gilt Prof. Dr. Elisabeth Koch für die Übernahme des Gutachtens Dank. Ein Promotionsabschlussstipendium der Friedrich-Schiller-Universität Jena unterstützte die Fertigstellung der Arbeit. Für die Aufnahme in die Reihe „bibliothek altes Reich“ danke ich den Herausgebern Prof. Dr. Anette Baumann, Dr. Stephan Wendehorst sowie Prof. Dr. Siegrid Westphal. Auch der Lektorin des Oldenbourg Verlages, Dr. Julia Schreiner, sei gedankt. Die Drucklegung wurde durch die großzügige Übernahme des Druckkostenzuschusses von der jenacon foundation gGmbH ermöglicht. Ein weiterer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der von mir benutzten Archive und Bibliotheken sowie ganz besonders den Kolleginnen und Kollegen der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha. Bereichernd war der Austausch mit meinen Jenaer Kolleginnen und Kollegen in der Nachwuchsgruppe und im Sonderforschungsbereich „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“, namentlich Dr. Julia di Bartolo, Dr. Katja Deinhardt, Stefanie Freyer, Anne Fuchs, Dr. Nicole Grochowina, Claudia Häfner, Christian Hain, Katrin Horn sowie Bianca Türk. Für kritische Lektüre, wertvolle Hinweise und Gespräche sei schließlich Christine Carius-Düssel, Dr. Daniel Gehrt, Dr. Danko Knothe, Ines Langelüddecke, Prof. Dr. Alexander Schmidt und Dr. Beate Agnes Schmidt herzlich gedankt. Christian Carius danke ich für die gewährten Freiheiten während der Entstehungszeit der Dissertation. Unschätzbar ist der Rückhalt meiner gesamten Familie. Meinen Eltern Roswitha und Boje E. Hans Schmuhl sowie meinen Geschwistern Irmela und

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Dank

Friedemann Schmuhl danke ich in jeder Hinsicht für ihre immerwährende Unterstützung, ganz besonders meiner Tochter Johanna Sophie Luise. Erfurt, Ostern 2012

Hendrikje Carius

1. Einleitung „Ich als Besizzerin“ – mit diesen selbstbewussten Worten fundierte Caroline Hennicke 1802 ihre Appellation vor dem Jenaer Hofgericht gegen eine für sie nachteilige erstinstanzliche Entscheidung in einer Bausache.1 Vor der höchsten Appellationsinstanz im ernestinischen Herzogtum SachsenWeimar-Eisenach verdeutlichte sie dezidiert ihre Eigentümerposition, denn im erstinstanzlichen Verfahren war sie schlichtweg übergangen worden. Adressat der Klage des Amtskommissars Ludwig Carl von Hellfeld vor dem Stadtgericht war nämlich fälschlicherweise der Ehemann der Appellantin, der Eigentümerin des Grundstückes, auf dem der Neubau zu nachbarschaftlichen Konflikten geführt hatte. Deshalb käme, so Caroline Hennicke, dem Stadtgerichtsbescheid auch keine Rechtskraft zu. Das Hofgericht sah dies genauso und gab der Appellantin die Möglichkeit, mit Anwalt und cum curatore – ohne ihren Ehemann – für ihre Rechtsposition sowohl in der gütlichen Handlung als auch während der örtlichen Begehungen einzutreten. So unspektakulär und geläufig dieses Procedere zeitgenössisch gewesen sein mag, so wenig befindet es sich im Einklang mit den gängigen Vorstellungen vom frühneuzeitlichen Rechtswesen. Denn gemeinhin gilt dieses noch immer als Paradigma dafür, der gesellschaftlichen Handhabung entsprechend ein für Frauen sozial, rechtlich und ökonomisch ungünstiges Geschlechterverhältnis zu bestätigen, umzusetzen oder erst zu konstruieren.2 Nun basierte die ständisch differenzierte Gesellschaft der Frühen Neuzeit prinzipiell auf sozial und rechtlich verankerten Ungleichheiten, die sich unter anderem an der Standeszugehörigkeit, dem Personenstand oder auch am Geschlecht festmachen lassen.3 Im rechtlichen Normensystem trat zur 1 2

3

Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (= ThHStAW), Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 488a–b, hier Nr. 488a, Bl. 10r . So auch die ältere Frauenforschung, z. B. Marianne W, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, Tübingen 1907; Emma O, Die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der deutschen Frau, Jena 1925. Vgl. Gisela J, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen. Über die Geschlechtsvormundschaft im 19. Jahrhundert, Darmstadt/Marburg 1997, S. 19. Forschungsüberblick bei Ute G, Einleitung, in: D. (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 11–24. Demnächst auch: Karin G (Hrsg.), Gender Difference in European Legal Cultures. Historical Perspectives, Stuttgart 2012. Zur Konstruktionsthese neuerer Studien der historischen Kriminalitätsforschung vgl. Ulrike G, „Das Mensch“ und „der Kerl“. Die Konstruktion von Geschlecht in Unzuchtsverfahren der Frühen Neuzeit (1700–1760), Frankfurt a.M./New York 1994; Susanna B, Zeiten der Reinheit – Orte der Unzucht. Ehe und Sexualität in Basel während der Frühen Neuzeit, Paderborn 1999; Michaela H, Macht, Herrschaft und Geschlecht. Ein Plädoyer zur Untersuchung von Gewaltverhältnissen in der Frühen Neuzeit, in: L‘Homme 7,2, 1996, S. 8–17. Gerhard D, Die Ordnung der Ungleichheit. Haus, Stand und Geschlecht, in: G-

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1. Einleitung

Subordination der Frau gegenüber dem Mann deren Amtsunfähigkeit sowie reglementierte Rechts-, Geschäfts- und Eigentumsfähigkeit. Ihren Ausdruck fand dies in dem Institut der Geschlechtsvormundschaft, der männlichen Vormundschaft bzw. Beistandschaft bei Rechtsgeschäften.4 Mit Blick auf das frühneuzeitliche Strafrecht schien sich dieses Bild auch zu bestätigen.5 Der älteren, politisch ambitionierten frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung gelang dabei eine umfangreiche Viktimisierung der Frau.6 Erst mit der Versachlichung der Geschlechtergeschichte einerseits und dem Blick auf die Rechtspraxis andererseits wurden zunehmend Forschungsfelder bearbeitet, deren Ergebnisse die Viktimisierungsthese grundsätzlich relativieren.7 Gerade die Untersuchungen zur sozialen Praxis sowie zur Zivilgerichtsbarkeit geben ganz andere Sichtweisen zu bedenken. Gerichtlich ausgetragene Konflikte werden nunmehr als gesellschaftliche Handlungsperspektiven auch von den Frauen verstanden, die nicht wie Kauf- und Handelsfrauen durch explizite Ausnahmeregelungen von der Geschlechtsvormundschaft entbun-

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 (Hrsg.), Frauen, S. 55–72; Paul M, Lebensformen in der Frühen Neuzeit, Berlin 1998. Vgl. den juristischen Diskurs zur Vorrangstellung des Mannes im Privat- und Strafrecht Elisabeth K, Maior dignitas est in sexu virili. Das weibliche Geschlecht im Normensystem des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1991; D., Zur juristischen Stellung des weiblichen Geschlechts im Jahrhundert von Humanismus und Reformation, in: Maria Teresa G M (Hrsg.), Orientamenti civilistice e canonistici sulla condizione della Donna, Neapel/Rom 1996, S. 139–150; ., Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit. Juristische Lehren und Begründungen, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 73–93, Stephan B, Sub viri potestate eris et ipse dominabitur tibi (Gen. 3, 16). Das imperium mariti in der Rechtsliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 111, 1994, S. 355–404; Ursula F, Österreichische Privatrechtsgeschichte, 6. Aufl., Wien/New York 2008, S. 26–29; D., Die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Privatrechtsgeschichte, in: D. (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, FS für Hermann Eichler, Wien/New York 1977, S. 119–144; D., Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gleichbehandlungsgebot als Strukturelemente frühneuzeitlicher Rechtsordnungen, in: Louis C. M/Markus E (Hrsg.), Festschrift für Louis Carlen, Zürich 1989, S. 617–625. Vgl. Helmut C (Hrsg.), Europäisches Privatrecht, Bd. 1: Älteres Gemeines Recht (1500–1800), München 1985, S. 258. Vgl. auch den systematischen Überblick speziell zur Geschlechtsvormundschaft bei Ernst H, Die Geschlechtsvormundschaft. Ein Überblick von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 390–451; Werner O, Art. Munt, Muntgewalt, in: Adalbert E/Ekkehard K (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (= HRG), Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 750–761; Dieter S, Art. Gleichberechtigung der Geschlechter, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 390–398. Vgl. die Nachweise in Kapitel 1.1. So z. B. durch den Blick auf die Hexenverfolgung. Vgl. Gabriele B/Silvia B/Helmut B u. a. (Hrsg.), Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes, Frankfurt a.M. 1977. Vgl. G (Hrsg.), Frauen; Siegrid W, Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches: Eine Einführung, in: D. (Hrsg.), In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 1–17.

1. Einleitung

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den waren.8 Frauen konnten durch das Prozessieren im zivilrechtlichen Bereich – auch als Personen minderen Rechts und somit trotz ihrer normativ eingeschränkten Rechts- und Eigentumsfähigkeit – an Aushandlungsprozessen vor Gericht teilhaben. Fungierte das Zivilrecht als ordnungspolitisches Steuerungsinstrument in einer durch ihre Besitz- und Vermögensverteilung gestalteten Gesellschaft,9 nahm die Zivilrechtspraxis für die Rechtsstellung von Frauen somit eine Schlüsselrolle ein. Dies war jedoch an Voraussetzungen geknüpft. Erst die Verfügung über Eigentum bedeutete für Frauen Zugang zur Partizipation am Recht. Inwiefern nun Frauen ihre Eigentumsrechte und damit ihre sozialen oder ökonomischen Ordnungsvorstellungen tatsächlich durchsetzen konnten, lässt sich insbesondere an den konfliktiven Eigentumsverhältnissen ermessen, die gerichtlich ausgetragen wurden. Ist der Ausgangspunkt des Rechts der Konflikt10 , so galt es dazu die vor Gericht in ein verdichtetes Arrangement tretenden Akteure mit ihren divergierenden eigentumsrechtlichen Ansprüchen, den gewohnheitsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben, der Gerichtspraxis, den gesellschaftlichen Normen und Ordnungsvorstellungen sowie individuellen Dispositionen auszutarieren. Die Bedeutung von Eigentum für Recht – und damit auch für die Rechtsposition der Rechtsuchenden – tritt somit vor allem im Konflikt hervor. Dementsprechend bieten Gerichte als Orte gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Aushandlung von (Eigentums-)Rechten einen adäquaten Ausgangspunkt dafür, dieser Wechselbeziehung nachzugehen. Konflikte eignen sich darüber hinaus besonders gut dafür, das Werte- und Normensystem einer Gesellschaft zu eruieren – zumal vor Gericht verhandelte Werte sowie Normen stets aufs Neue aktualisiert und entweder bestätigt oder relativiert wurden.11 Die Aushandlungsprozesse waren dabei nicht nur durch juristische, sondern auch metajuristische Diskurse geprägt, die zentrale gesellschaftliche Leitkategorien thematisierten. Hier setzt die Studie an und untersucht Eigentums- und Besitzrechtskonflikte, die vor dem Jenaer Hofgericht im Zeitraum von 1648 bis 1806 anhängig waren. Der zeitliche Untersuchungsrahmen resultiert aus den sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts intensivierenden Wandlungsprozessen, die mit den Rechtsnormen und dem Eigentumsbegriff 8 9

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Vgl. zur Geschlechtsvormundschaft H, Geschlechtsvormundschaft. Helga S-S, Überwachen und Strafen im Territorialstaat. Bedingungen und Auswirkungen des Systems strafrechtlicher Sanktionen im frühneuzeitlichen Württemberg, Köln/Weimar/Wien 1997, S. 8. Niklas L, Konflikt und Recht, in: D., Ausdifferenzierung des Rechts, Frankfurt a.M. 1999, S. 92–112, hier S. 92. Zur Thematik der gesellschaftlichen Grundwerte in der Frühen Neuzeit vgl. Paul M, Grundwerte der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft? Aufriß einer vernachlässigten Thematik, in: Winfried S (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, München 1988, S. 53–72. Siehe einführend zur historischen Werteforschung Maria Luisa A/Katharina B/Katharina Ulrike M (Hrsg.), Eule oder Nachtigall? Tendenzen und Perspektiven kulturwissenschaftlicher Werteforschung, Göttingen 2007.

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1. Einleitung

wesentliche Rahmenfaktoren der Zivilrechtspraxis tangierten. Dabei fungiert das Jenaer Hofgericht in erster Linie als paradigmatischer Untersuchungsort für die Zivilrechtspraxis der zahlreichen territorialen Obergerichte im Alten Reich. Zugleich wird das Hofgericht auch als Bestandteil der exponierten Jenaer Rechts- und Gerichtslandschaft herangezogen, der über den sächsischen Rechtsraum hinaus eine herausragende Position im Recht der Frühen Neuzeit zukam. Dabei wies sich das von reichsweit estimierten und einflussreichen Rechtsgelehrten besetzte Gericht in besonderer Weise durch eine enge Verbindung von Wissenschaft und Praxis aus. Vor diesem Hintergrund sind jene Verfahren um Eigentums- und Besitzrechte zu analysieren, in denen eine professionell agierende Justiz von Frauen unterschiedlichen sozialen und familiären Standes aus eigenem Antrieb in Anspruch genommen wurde. Der Fokus liegt jedoch nicht nur auf Rechtsuchende, die ihre Ansprüche in zivilrechtlichen Verfahren einforderten und absicherten. Auch jene Fälle, in denen Frauen als Beklagte Eigentum abgesprochen oder mit Schuldforderungen konfrontiert wurden, werden als Analysegrundlage herangezogen. Untersucht wird dabei anhand der Fälle der Zusammenhang von Eigentum, Recht und Geschlecht. Diese Trias wird allerdings nicht vorrangig aus der Perspektive einer rechtsgeschichtlich orientierten Historie der Geschlechterdifferenz beschrieben, sondern aus dem Blickwinkel einer sozial- und kulturgeschichtlich ausgerichteten Eigentumsgeschichte der Frühen Neuzeit. Diesem liegt die Hypothese zugrunde, dass der Faktor Eigentum den Rechtsstatus einer Person weit mehr bestimmte, als es andere Differenzkategorien vermochten. Dementsprechend lassen sich über die Konturierung der fundamentalen Bedeutung von Eigentum in der Frühen Neuzeit die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten von Personen, in diesem Fall prozessierenden Frauen, eruieren. Im Mittelpunkt stehen also nicht die Fähigkeit von Frauen, über Eigentum zu verfügen und im Konfliktfall gerichtlich erfolgreich einzuklagen und abzusichern, sondern die Funktionen und Bedeutung von Eigentum. Denn erst dieses bildet den Ausgangspunkt für die jeweilige gesellschaftliche Position einer Frau. Eigentum und Besitz, so die These, strukturierte den Zugang und die Qualität von Rechten. Deren gerichtliche Aushandlung und (herrschaftliche) Sicherung erfolgte status- und geschlechtsunabhängig. Als wichtiger Faktor für die Organisation der frühneuzeitlichen Gesellschaft ermöglichte Eigentum somit, gesellschaftliche Ordnungsprinzipien wie die Geschlechterordnung zu unterlaufen. Diese These schließt den Nachweis ein, dass in der frühneuzeitlichen Rechtspraxis Eigentumsrechte gegenüber anderen, im Kontext von Eigentum mitverhandelten rechtlich und gesellschaftlich relevanten Kategorien, Normen und Werte prävalent war.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

15

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext Die leitende Perspektive dieser Studie ergibt sich aus der Frage nach der Wechselbeziehung von Eigentum und Recht in der zivilrechtlichen Gerichtspraxis, der anhand der Eigentums- und Besitzrechtskonflikte von Frauen nachgegangen werden soll. Gleichwohl mit diesem Horizont ein relativ junges Forschungsterrain beschritten wird und teilweise noch immer Desiderata etwa im Bereich des frühneuzeitlichen Zivilprozessrechts zu konstatieren sind, lässt sich das Erkenntnisinteresse an bereits vorhandene, neuere Entwicklungen im Bereich der Eigentumsforschung, der Rechtsstellung von Frauen und des frühneuzeitlichen Gerichtswesens rückbinden. Allen diesen Forschungsbereichen, deren Leitlinien im Folgenden zu skizzieren sind, liegt einerseits das Phänomen der ,Kulturalisierung‘ zugrunde, andererseits sind sie geprägt durch eine mehr oder minder intensive Wende von den Normen zur sozialen Praxis. Der Schnittpunkt der drei Untersuchungsgebiete lässt sich unter der Prämisse der ,Rechtskultur‘ verorten, dessen heuristischer Wert allerdings aufgrund seiner holistischen Tendenz nur begrenzt sein kann.12 Konsequenterweise soll damit lediglich die mit der vorliegenden Arbeit korrelierende Forschungstendenz verdeutlicht werden, die den Themenkomplex über den Rechtsgegenstand hinaus kulturgeschichtlich, mit Orientierung an (rechts-)praktischen Bezügen, Normen, Diskursen, Sinnstrukturen, Wissensbeständen, Deutungsmustern und Wertvorstellungen, in neue ,Metanarrative‘ einfügt. 1.1.1 Eigentum Eigentum als Kategorie des Rechts bzw. als grundlegende Institution der Rechtsordnung gehört zu den zentralen Themen der Rechtswissenschaft. Im Zentrum stehen dabei vor allem auf juristische Normen, Verfahren und Doktrinen basierende dogmatische Konzeptualisierungen von Eigentum.13 Ebenso wie bei ideen- und philosophiegeschichtlichen Zugängen14 operieren 12 13

14

Harriet R, Rechtskultur der frühen Neuzeit. Perspektiven und Erkenntnispotentiale eines modischen Begriffs, in: Historische Zeitschrift (= HZ) 278, 2004, S. 347–374. Gabriel G, Der Schutz obligatorischer Rechte durch die Eigentumsgarantie. Ein Beitrag zur Geschichte und dogmatischen Struktur des Eigentumsgrundrechts, Berlin 1998; Damian H, Eigentum als Sachherrschaft. Zur Genese und Kritik eines besonderen Herrschaftsanspruchs, Paderborn 1990. Udo M/Matthias Z, Eigentum und Freiheit. Eigentumstheorien im 17. und 18. Jahrhundert, Idstein 1993; Reinhard B, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, Stuttgart/Bad Cannstadt 1974; Arnold K, Mein und Dein. Zur Ideengeschichte der Eigentumsfeindschaft, Köln 1986; Andreas E/Bernd L (Hrsg.), Was ist Eigentum? Philosophische Positionen von Platon bis Habermas, München 2005;

16

1. Einleitung

sie dabei zumeist unabhängig von sozialen und historischen Rückbindungen, setzen die soziale Wirksamkeit juristischer Begriffsbildungen hoch an oder projizieren Typen des heutigen – zivil- oder verfassungsrechtlichen – Eigentumsverständnisses in die Rechtsgeschichte.15 Mag der Konsens über den Eigentumsbegriff in der Rechtswissenschaft insgesamt homogener als in der historischen sein,16 so gibt es auch hier entscheidende Differenzen.17 In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben sind die unterschiedlichen Auffassungen über die Genese des Eigentumsbegriffs, wie er letztlich dem frühneuzeitlichen Rechtssystem zugrunde lag. So votieren etwa Theo MayerMaly und Karl Kroeschell entschieden gegen die in der Rechtswissenschaft gängige Kontrastierung eines absoluten und bindungsfreien römischrechtlichen mit dem eines pflichtgebundenen germanisch-deutschrechtlichen Eigentumsbegriffs.18 Diese wird als wirkmächtiges ideologisches Konstrukt der romanistischen Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts charakterisiert,19 das dazu herhalten musste, die Eigentumsdoktrin des bürgerlichen Liberalismus zu legitimieren. Ebenfalls in das 19. Jahrhundert datiert die Lehre vom pflichtgebundenen germanischen Eigentum, die es zuvor so noch nicht gab. Kroeschell führt das auf die Teleologie einer ,deutschen Rechtsidee‘ zurück, der es nicht um das konkrete historische Rechtsinstitut selbst ging.20 Insgesamt sind zum Themenfeld Eigentum zahlreiche Einzelaspekte aus juristischer Perspektive bearbeitet worden. So liegt etwa mit der Studie von Christoph Klemm für die Zeit des Usus modernus eine Arbeit vor, die die Doktrin des Eigentums und der Eigentumsbeschränkung untersucht.21 Andere

15

16

17

18

19 20 21

Manfred B, Arbeit und Eigentum. Der Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie, Darmstadt 1992. Dazu Theo M-M, Das Eigentumsverständnis der Gegenwart und die Rechtsgeschichte, in: Gottfried B u. a. (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag, Berlin 1984, S. 145–158. Hannes S/David S, Geschichte als historisch-vergleichende Eigentumswissenschaft. Rechts-, kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Perspektiven, in: . (Hrsg.), Eigentum im internationalen Vergleich (18.–20. Jahrhundert), Göttingen 1999, S. 9–30, hier S. 20. Anders Dietmar W, Dominium und Proprietas, in: Historisches Jahrbuch 94, 1974, S. 131–156, hier S. 131, der einen Konsens in der Rechtswissenschaft ausmacht, der weiterer Forschungen nicht bedürfe. M-M, Eigentumsverständnis; Karl K, Zur Lehre vom „germanischen“ Eigentumsbegriff, in: Rechtshistorische Studien. Hans Thieme zum 70. Geburtstag zugeeignet von seinen Schülern, Köln/Wien 1977, S. 34–71. Gegen u. a. Otto von G, Deutsches Privatrecht, Leipzig u. a. 1895–1905. K, Lehre, S. 60. Peter Christoph K, Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des Usus modernus pandectarum, Basel 1984.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

17

Untersuchungen widmen sich weiteren Dimensionen wie etwa dem Eigentumsvorbehalt22 , dem Rechtsbesitz23 oder der Sachherrschaft.24 Über die rechtlichen Implikationen von Eigentum hinaus existieren in der historischen Forschung je nach zugrundeliegendem Eigentumsverständnis eine Vielzahl variierender Perspektiven auf Eigentum. Dabei wird Eigentum entweder hinsichtlich seiner ökonomischen, materiellen oder soziokulturellen Bedeutung verortet und nicht zuletzt als Ausgangspunkt unterschiedlicher Gesellschaftsdoktrinen und Geschichtsphilosophien genutzt. Auf die Frühe Neuzeit bezogen, ist der politische und gesellschaftliche Umgang mit Eigentum vor allem im Zusammenhang mit Studien über Freiheitsrechte, Agrargeschichte, Bauernbefreiung oder das Ende des Alten Reiches in den Blick genommen worden.25 Unter dem Einfluss der angelsächsischen New 22 23

24 25

Martin Jürgen M, Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u. a. 2000. Christopher B, Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten. Eine Untersuchung zum Rechtsbesitz: Versuch der Rechtfertigung eines verkannten Instituts aus rechtshistorischer Sicht, Münster u. a. 2000. H, Eigentum. Vgl. die älteren Studien von Rudolf V (Hrsg.), Eigentum und Verfassung. Zur Eigentumsdiskussion im ausgehenden 18. Jahrhundert, Göttingen 1972; D., Eigentumsrecht und Mediatisierung. Der Kampf um die Rechte der Reichsritterschaft 1803– 1815, in: ebd., S. 229–257; Rudolfine Freiin von O, Der Eigentumsbegriff in der Säkularisierungsdiskussion am Ende des Alten Reiches, in: ebd., S. 193–228; Christof D, Probleme einer Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Säkularisation (1803–1813), in: Armgard von R-D (Hrsg.), Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, Wiesbaden 1979, S. 123–170; Wolfgang S/Alfred K, Säkularisierung und Mediatisierung. Die Veräußerung der Nationalgüter im Rhein-Mosel-Departement 1803–1813, Boppard 1987; Gabriele B. C, Immobilienhändler und Spekulanten. Die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung der Großkäufer bei den Nationalgüterversteigerungen in den rheinischen Departements (1803–1813), Boppard 1995; Hannah R, Das Problem Leibeigenschaft. Eine Untersuchung über die Anfänge einer Ideologisierung und des verfassungsrechtlichen Wandels von Freiheit und Eigentum im deutschen Bauernkrieg, Wiesbaden 1977; Diethelm K, „Libertas commerciorum“ und „Vermögens-Gesellschaft“. Zur Geschichte ökonomischer Freiheitsrechte in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Günter B (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte. Beiträge zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848, Göttingen 1981, S. 313–335; D., Familie versus Eigentum. Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Begründung von Testierfreiheit und Familienerbrecht im 18. und 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (= ZRG, GA) 101, 1984, S. 117–168; D., Die Theorie der Freiheitsrechte am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland, in: Heinz M (Hrsg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988–1990). Beispiele, Parallelen, Positionen, Frankfurt a.M. 1991, S. 348–386; Renate B, Nahrung und Eigentum als Kategorien in der ständischen Gesellschaft, in: Winfried S (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, München 1988, S. 73–93. Der Wechselbeziehung von Eigentumsordnung und agrarischen Konflikten geht nach Renate B, Agrarische Konflikte und Eigentumsordnung in Altbayern 1400–1800, in: Winfried S (Hrsg.), Aufstände, Revolten und Prozesse. Beiträge zu bäuerlichen Widerstandsbewegungen im

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1. Einleitung

Legal History26 , der es um die gesellschaftliche Kontextualisierung von Recht geht, und deren Weiterentwicklung, der Cultural Legal History27 , kommen verstärkt neue Ansätze zum Tragen, die auch für die aktuelle historische Eigentumsforschung einflussreich geworden sind.28 Bereits der cultural turn bedeutete für den Zusammenhang von Recht und Eigentum, den Blickwinkel um die jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Bezüge zu erweitern. So plädierten sozialanthropologische Ansätze Anfang der 1970er Jahre dafür, Eigentum über seine dingliche Bedeutung hinaus als „relational idiom“29 , als „soziales Beziehungsidiom“ zu fassen.30 Danach wurden Eigentumsrechte als Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Personen mit verschiedenen wechselseitigen Pflichten und Schuldigkeiten beschrieben. John Davis hat dies plastisch formuliert: „When we describe rights of ownership, or of use, or of tenancy, we are talking about relationships between people. Rights imply duties and liabilities, and these must attach to people. A hectare cannot be sued at law, nor is a boundary dispute a quarrel with a boundary.“31 Eigentumsverhältnisse ließen sich so eher als „Rechtsverhältnisse zwischen Personen in Bezug auf einen materiellen Gegenstand“ definieren.32 Unter dem Schlagwort „Emotionen und materielle Interessen“ wurden diese Überlegungen von Hans Medick und David Sabean aufgegriffen, um Eigentum in der „Ökonomie der Emotionen“ zu verorten und dabei die Rolle des Eigentums in den Familien- und

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31 32

frühneuzeitlichen Europa, Stuttgart 1983, S. 166–187. Exemplarisch für neuere agrargeschichtliche Forschungen Dirk S, Die Entwicklung der Besitzverteilung und der Bewirtschaftungsformen im Kirchspiel Görmin zwischen 1343 und 1837. Ein Beitrag zu den strukturellen Grundlagen der ländlichen Gesellschaft in Vorpommern, in: Baltische Studien 90, 2004, S. 161–180. Umfassendere Perspektiven auf Eigentum bieten Günter B, Eigentum und ständische Gesellschaft im 18. Jahrhundert, in: Helmut B u. a. (Hrsg.), Vom Staat des Ancien Régime zum modernen Parteienstaat. FS für Theodor Schieder, München 1978, S. 59–72; Wolfram F, Eigentum und Wirtschaftsordnung in historischer Perspektive, in: Werner D/Gerhard F (Hrsg.), Gesellschaftliche und ökonomische Funktionen des Privateigentums, Köln 1993, S. 16–46. Z. B. David S (Hrsg.), Law in History. Histories of Law and Society, 2 Bde., Aldershot u. a. 1996; Willibald S, Law, Crime and Society in England 1750–1950, in: Bulletin of the German Historical Institute London 16, 1994, S. 3–30. Z.B. Christopher L. T/Bruce H. M (Hrsg.), The Many Legalities of Early America, Chapel Hill 2001. S/S (Hrsg.), Eigentum. Vgl. Esther N. G, Contexts of Kinship. An Essay in the Family Sociology of the Gonja of Northern Ghana, Cambridge u. a. 1973, S. 2 f., S. 41–50, S. 121–128. Hans M/David S, Emotionen und materielle Interessen in Familie und Verwandtschaft: Überlegungen zu neuen Wegen und Bereichen einer historischen und sozialanthropologischen Familienforschung, in: D. (Hrsg.), Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, Göttingen 1984, S. 27–54, hier S. 34 f. John D, Land and Family in Pisticci, London 1973, S. 73. Jack G, Death, Property and the Ancestors, Stanford 1962, S. 287.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

19

Verwandtschaftsbeziehungen zu bestimmen.33 Sabean hebt dabei die „Vermittlerqualität des Eigentums“34 hervor. Um diese hervortreten zu lassen, müsse Eigentum als „Moment eines wechselseitigen Zusammenhangs von Ansprüchen und Rechten gesehen werden, welche Menschen über Sachen geltend machen.“35 Definiert als „strukturierter materieller Zusammenhang“ sei Eigentum grundlegender Vermittler von Verbindlichkeiten und Pflichten. Sabean plädiert dabei gegen einen vergegenständlichten Eigentumsbegriff und für den Blick auf die „Regeln des Austausches, den Verhandlungsmustern und den Zonen des Widerspruchs“, auf den „Weg, auf welchem Menschen ihre Beziehungen untereinander in gemeinsamen Handeln und in Auseinandersetzung mit ihrem „Sach“ einrichten, gestalten und immer wieder erneut abgrenzen.“36 Dieser Fokus auf die sozialen Aspekte von Eigentum wird in den neueren, von der New Legal History sowie der Property Rights Theory37 inspirierten kulturgeschichtlichen Ansätzen insbesondere um die kulturellen, aber auch symbolischen Komponenten erweitert. In diesem Zusammenhang ist der Themenkomplex Eigentum in einige Dynamik getreten, die das Diktum David Sabeans, nach der Eigentum als analytische Kategorie „a powerful but frequently neglected tool for social analysis“ sei,38 zumindest hinsichtlich seiner Konzeptualisierung für historische Fragestellungen revidiert. Diese steht im Kontext der Versuche, Geschichtswissenschaft als Eigentumswissenschaft39 darzustellen, Eigentum mithin als „Schlüsselthema der modernen Gesellschafts- und Kulturgeschichte“40 zu platzieren. Unter Bündelung rechts-, kultur- und gesellschaftsgeschichtlicher Perspektiven versteht das von Hannes Siegrist und David Sugarman entwickelte Konzept Eigentum als ein „historisches, soziales, rechtliches und kulturelles Konstrukt, das auf der symbolischen und der sozialen Ebene zu untersuchen ist.“41 Gleichzeitig wird Eigentum bestimmt als ein verhandelbares „Bündel von Rechten und 33

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40 41

M/S (Hrsg.), Emotionen; David Warren S, „Junge Immen im leeren Korb“: Beziehungen zwischen Schwägern in einem schwäbischen Dorf, in: M/S (Hrsg.), Emotionen, S. 231–250; D., Devolution of Property in Southwest Germany around 1800, in: Hannes G/Patrick H (Hrsg.), Distinct Inheritances. Property, Family and Community in Changing Europe, Münster 2003, S. 115–125; Ulrike L, Geerbte Dinge. Soziale Praxis und symbolische Bedeutung des Erbens, Köln/Weimar/Wien 2002. S, „Junge Immen im leeren Korb“, S. 231. Ebd., S. 232. Ebd. Clemens W, Der Property-Rights-Ansatz und die „neue“ Wirtschaftsgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft (= GG) 19, 1993, S. 239–258. David Warren S, Property, Production and Family in Neckarhausen 1700–1870, Cambridge u. a. 1992, S. 17. Peter H, Vielfalt der Property Rights und der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, in: Manfred N (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Berlin 1984, S. 63–102, v.a. S. 88 f. S/S, Eigentumswissenschaft, S. 9. Ebd., S. 11.

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1. Einleitung

Berechtigungen“, das „die Beziehungen und das Handeln zwischen Personen und korporativen Akteuren symbolisiert.“42 Unter Eigentumsrecht werden dabei weit mehr als die auf Eigentum bezogenen Normen, Richtersprüche und Doktrinen, sondern eben auch alle – wandelbaren – Vorstellungen und soziokulturellen Praktiken begriffen.43 Als „symbolische Realität“ motiviert Eigentum zum Handeln – mit sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Konsequenzen.44 Wichtig in dem Kontext der vorliegenden Studie ist insbesondere der Gedanke, dass (Eigentums-)Recht nicht nur eine äußere Struktur bildet, sondern einen Prozess darstellt, in dem gesellschaftliche Vorstellungen geschaffen und gerechtfertigt werden. Gleichzeitig fungiert Eigentum als Medium zur Verständigung über gesellschaftliche Leitideen und Werte.45 Für das 19. und 20. Jahrhundert haben Siegrist und Sugarman den Ansatz der „Eigentumskultur“ geprägt. Darunter verstehen sie eine „symbolische Sinnordnung“, die mit Gesetzen, Normen, Institutionen, Werten, Wissensbeständen, Diskursen, Mentalitäten, materiellen Artefakten und soziokulturellen Praktiken Orientierungen für Gesellschaften, soziale Gruppen, Gesetzgeber, Experten und Laien vorgibt.46 Frühneuzeitliche Studien haben den Ansatz der Eigentumskultur zunächst rezipiert, um etwa die Funktion von Eigentum für die Geschlechterbeziehungen in der Frühen Neuzeit zu bestimmen. Aufgrund der aus dem Konzept der Eigentumskultur für die Analyse frühneuzeitlicher Gesellschaften resultierenden forschungspraktischen Problemen47 – etwa die Orientierung am modernen juristischen Eigentumsbegriff – wurde allerdings Vermögen als Leitbegriff in die Diskussion gebracht.48 Darunter können dann auch jene Rechte, Fähigkeiten und Ansprüche subsumiert werden, die als Form von Eigentum fungieren, jedoch nicht explizit als Eigentum einzuordnen sind. Kritisch mit dem Begriff der Eigentumskultur auseinandergesetzt hat sich Nicole Grochowina in ihrer Studie zu Gutachten des Jenaer Schöppenstuhls, die sie unter der Perspektive 42 43 44 45 46 47

48

Ebd. Ebd., S. 13. Ebd. Ebd., S. 14. Ebd., S. 27. Die Diskussion hat sich mittlerweile in die Richtung eines eher dynamischen, akteurszentrierten und sozialwissenschaftlich orientierten Konzepts der Propertisierung (sog. „Propertization“) entwickelt, um die Strategien der Akteure sowie die Prozesse der Herausbildung, Reproduktion und Weiterentwicklung von Eigentumskulturen besser zu fassen. Dazu Hannes S, Kommentar: Eigentum und soziale Handlungsrechte im Übergang von der frühen Neuzeit zur Moderne. Die „Propertization“ von Gesellschaft und Geschlecht, in: Nicole G/Hendrikje C (Hrsg.), Eigentumskulturen und Geschlecht in der Frühen Neuzeit, Leipzig 2005, S. 97–108 sowie Hannes S, Die Propertisierung von Gesellschaft und Kultur. Konstruktion und Institutionalisierung des Eigentums in der Moderne, in: D. (Hrsg.), Entgrenzung des Eigentums in modernen Gesellschaften und Rechtskulturen, Leipzig 2007, S. 1–52. G/C (Hrsg.), Eigentumskulturen.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

21

von Eigentumsbeziehungen untersucht hat.49 Dabei werden unterschiedliche Formen von Eigentumsbeziehungen gebündelt und die Reichweite sowie Bedeutung des Eigentums im gesellschaftlichen Leben um 1800 herausgearbeitet. Grochowina fasst ähnlich wie Siegrist und Sugarman Eigentum als konstitutives Element von Gesellschaften, die sie u. a. mit der Rückwirkung von Eigentumsbeziehungen auf die sozialen Beziehungen begründet.50 Überdies sind instruktive Überlegungen zur Bedeutung von Eigentum als konstitutives Element von Gesellschaften auch im Kontext der neueren Kriminalitätsforschung gemacht worden. So votiert der Mediävist Peter Schuster mit Blick auf das Spätmittelalter dafür, „die mittelalterliche Stadtgesellschaft vom Eigentum her [zu, d. Verf.] denken.“51 Gegenüber dem in der historischen Kriminalitätsforschung lange Zeit dominierenden Interesse an Gewaltdeliquenz richtet er den Fokus auf das Eigentum bzw. die Eigentumsordnung als fundamentales soziales und gesellschaftliches Charakteristikum des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Im Rahmen der Strafrechtspraxis wird dies mit dem hohen Strafverfolgungswillen im Bereich des Diebstahls belegt. War Diebstahl nach Peter Schuster das „Verbrechen mit dem höchsten Bedrohungspotential“52 , so ging von dort der Impetus aus, die Sorge um Eigentum und Besitz zum Signum der städtischen und ländlichen Gesellschaft werden zu lassen.53 Als – insgesamt jedoch noch genauer zu untersuchende – Ursachen dafür bietet Schuster zwei Erklärungsmodelle an: So sei der „rigorose Besitzindividualismus“54 einer Gesellschaft zu beachten, die der Idee der „limited goods“ entspreche und in der ökonomisches Handeln nicht in Kategorien des Wachstums, sondern des Bewahrens verlaufe. Wichtig ist auch ein weiterer Einwurf, der auf die spezifischen Grenzziehungspraktiken in der Vormoderne verweist, die für Eigentum und Besitz nicht den entsprechenden Schutzraum boten.55 49

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Anhand von zivilrechtlichen Eigentumsprozessen vor dem Jenaer Schöppenstuhl (10.124 Gutachten zwischen 1780 und 1800) untersucht Nicole Grochowina „Dynamiken und Ausgestaltung der Eigentumskultur“ (S. 16), wobei die Fallbeispiele nach den „neuralgischen Punkten des Eigentumstransfers“ (S. 34) – Zugang, Schutz, Verlust von Eigentum – geordnet sind (S. 181–355). Ziel ist es, „dem Eigentum einen Fundamentalcharakter im gesellschaftlichen Zusammenleben zuzuweisen.“ (S. 16). Nicole G, Das Eigentum der Frauen. Konflikte vor dem Jenaer Schöppenstuhl im ausgehenden 18. Jahrhundert, Köln 2009. Ebd., S. 169–181. Peter S, Die mittelalterliche Stadtgesellschaft vom Eigentum her denken. Gerichtsquellen und Mentalitäten im späten Mittelalter, in: Pierre M/Otto Gerhard O (Hrsg.), Stadt und Recht im Mittelalter. La ville et le droit au Moyen Age, Göttingen 2003, S. 167–180; Peter S, Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz, Paderborn u. a. 2000. S, Stadtgesellschaft, S. 171. Ebd., S. 177. Rainer W, Agonale Kommunikation im Dorf der Frühen Neuzeit, in: Westfälische Forschungen 42, 1992, S. 215–251. Vgl. S, Stadtgesellschaft, S. 178 f.

22

1. Einleitung

Vom Eigentum ausgehend wird aber auch die frühneuzeitliche Geschlechterordnung analysiert. Die Geschichte der Eigentumsordnung dezidiert mit jener der Geschlechterbeziehungen zu verbinden, ist neu. In den Blick gerückt sind dabei Fragen danach, wie Innehabung, Verfügung und Transfer von Besitz, Eigentum und dingliche Berechtigungen die rechtliche Position von Frauen in der sozialen Praxis bestimmten.56 Die noch von Hannes Siegrist und David Sugarman reproduzierte Auffassung von einer Ungleichheit der Geschlechter vor dem Eigentum,57 wurde mittlerweile durch Studien zur Praxis modifiziert. Neben Eigentums- und Besitzstreitigkeiten wurden auch spezifische Formen von weiblichem Eigentum und Erbanspruch untersucht, etwa der in Mittel- und in weiten Teilen Norddeutschlands verbreitete geschlechtsbezogene Erbgang der Gerade58 oder das Kunkellehen.59 Hier deutet sich an, dass Eigentum gerade in Transferprozessen eine bedeutende lebensweltliche Rolle zukam, die sich im historiographischen Interesse widerspiegelt. Dies zeigt auch der von Stefan Brakensiek, Michael Stolleis und Heide Wunder herausgegebene Sammelband, der erstmals umfassender Normen und Praxis im Erb- und Ehegüterrecht im Zeitraum von 1500–1850 in den Blick nimmt.60 Insgesamt wird Eigentum in den neueren, an der Zivilrechtspraxis orientierten Forschungen eine entscheidende Bedeutung für Teilhabemöglichkeiten von Frauen an der ständischen Gesellschaft beigemessen.61 Komparative Studien haben darüber hinaus darauf hingewiesen, dass Frauen etwa im Vergleich zur durch ,liberty and property‘ gekennzeichneten englischen Eigentumskultur über weitaus günstigere Eigentumspositionen 56

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Vgl. hierzu Nicole G, Geschlecht und Eigentumskultur in der Frühen Neuzeit, in: D./C (Hrsg.), Eigentumskulturen, S. 7–21. Vgl. auch S, Kommentar. S/S, Eigentumswissenschaft. Die Gerade war eine weibliche Vermögensmasse, die nur in weiblicher Linie – an die nächste weibliche Verwandte oder Niftel – vererbt wurde. Unter die Geradestücke fielen auf die Haushaltung bezogener Besitz, Kleidung, Schmuck, Bettzeug, Haus-, Wohntextilien, Aufbewahrungsgegenstände, Hausrat, Arbeitsgeräte etc. Vgl. Karin G, Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit. Haushalten und Erben im frühneuzeitlichen Leipzig, Frankfurt a.M./New York 2003, S. 41; D., Art. Gerade, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 113–117. Zu dieser Form weiblicher Erbfolge siehe den Beitrag von Ulrike H, Weibliche Erbfolgen im Lehnsbesitz im Fürstentum Osnabrück, in: G/C (Hrsg.), Eigentumskulturen, S. 46–59 sowie D., Rechtsnorm und Rechtspraxis der Kunkellehen im Fürstentum Osnabrück, in: Stefan B/Michael S/ Heide W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit? Normen und Praxis im Erb- und Ehegüterrecht 1500–1850, Berlin 2006, S. 95–113. B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit. Jüngst für Sachsen gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch: Stefanie B, Eigentum und Geschlecht im sächsischen Bürgertum. Vererben und Erben im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 2009. So auch Ellinor F/Margareth L, Stationen einer Ehe. Forschungsüberblick, in: L’Homme 14,1, 2003, S. 141–155, hier S. 155.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

23

im Alten Reich verfügten, die allerdings im Zuge kameralistischer, aufklärerischer und rechtsvereinheitlichender Tendenzen im Laufe des 18. Jahrhunderts zurückgenommen wurden.62 Ferner konnten spezifische Charakteristika beim Umgang von Frauen mit Eigentum herausgearbeitet werden, die familienorientierte, ständische und versorgungspolitische Tendenzen aufwiesen.63 Die zum Teil geschlechtsindifferenten Eigentumsverhältnisse werden auf den in der Zeit vor den Kodifikationen noch nicht strikt in Beziehung zueinander gesetzten Zusammenhang von Eigentum, Recht und Geschlecht zurückgeführt.64 1.1.2 Frauen und Recht Die Etablierung von Geschlecht als soziales Merkmal und analytische Kategorie in der Frühneuzeitforschung steht in engem Zusammenhang mit den Untersuchungen zur Geschlechterdifferenz in der Geschichte des Rechts. Die Debatten um die Theoretisierung der Kategorie Geschlecht führten dabei zu differenzierten Interpretationsangeboten.65 Während die ältere Frauen- und Geschlechterforschung Geschlecht als universell prägende Leitkategorie zu etablieren suchte, plädieren zunehmend Frühneuzeithistoriker wie Heide Wunder66 und jüngst weitere Vertreterinnen der geschlechtergeschichtlich arbeitenden historischen Kriminalitätsforschung gegen die Rückprojektion der Kategorie Geschlecht als ,Metakategorie‘.67 Unter dem Schlagwort der ,Dezentrierung‘ der Kategorie Geschlecht favorisieren etwa Andrea Griesebner und Christina Lutter die methodische Ausrichtung auf eine Dekonstruktion von Geschlecht – als „Chance, Frauen und Männer als 62

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67

Siegrid W, Freiheit, Eigentumskultur und Geschlechterordnung, in: Georg S/Martin van G/Christopher S (Hrsg.), Kollektive Freiheitsvorstellungen im frühneuzeitlichen Europa (1400–1800), Frankfurt a.M. 2006, S. 473–492. G/C (Hrsg.), Eigentumskulturen. Vgl. S, Kommentar, S. 97–108. Für Forschungshistorie, Debatten und Konzepte der Geschlechtergeschichte statt einzelner Nachweise siehe z. B. Claudia O, Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte, Tübingen 2005; Claudia O-B, Geschlechtergeschichte, Frankfurt a.M. 2010. Danach besaß „in der ständischen Gesellschaft die ,Kategorie Geschlecht‘ nicht die universelle Strukturierungskraft wie in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein war die Wirksamkeit der Geschlechtszugehörigkeit nach Lebensalter, Zivilstand und sozialer Schicht gestuft.“ Heide W, „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond.“ Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, S. 264 f. Vgl. die mikrohistorisch ausgerichtete Arbeit von Claudia U, Frauen im Dorf. Handlungsräume und Erfahrungswelten von Frauen im 18. Jahrhundert aus der Perspektive einer lokalen Gesellschaft, Bochum 1994 und die kriminalitätshistorischen Untersuchungen von G, „Das Mensch“ und „der Kerl“; B, Zeiten der Reinheit und Andrea G, Konkurrierende Wahrheiten. Malefizprozesse vor dem Landgericht Perchtoldsdorf im 18. Jahrhundert, Wien/Köln/Weimar 2000.

24

1. Einleitung

Individuen ernst zu nehmen und stereotypen Geschlechterzuschreibungen entgegenzutreten.“68 Dass damit nicht unbedingt eine Relativierung des eigenen Forschungsgebietes einhergeht, zeigt die Neuorientierung des analytischen Konzepts. Dabei wird Geschlecht als biologisches (sex) und kulturelles Geschlecht (gender) umfassende „sozio-kulturelle Konstruktion“ begriffen, die erst in einem komplexen Bezugsfeld, in Interdependenz mit anderen gesellschaftsanalytischen Kategorien ihre Relevanz erhält. Funktionalisiert unter dem Label der „mehrfach relationalen Kategorie“69 sollen dabei die historisch veränderlichen Überlagerungen verschiedener, sichtbar zu machender Kategorien analysiert werden.70 In diesem Zusammenhang hat sich auch der doing gender-Ansatz Candace Wests und Don H. Zimmermanns als weiterführendes Konzept erwiesen, der auf die kontextuelle bzw. situative Variabilität von Geschlechtsidentitäten ausgerichtet ist.71 Danach wird Geschlecht nicht als individuelles Charakteristikum, sondern als Erscheinungsform sozialer Interaktionen operationalisiert. Mit der Perspektive auf die sogenannte agency von Akteuren gerät dann auch der Inszenierungscharakter von Geschlecht in den Blick.72 Diese Ansätze wurden insbesondere im Rahmen der historischen Kriminalitätsforschung rezipiert, die der Bedeutung der Geschlechterdifferenz im Recht nachgeht. Neben der Hexenforschung haben die Untersuchungen von weiblicher Deliquenz, Sittlichkeits- bzw. 68

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72

Andrea G/Christine L, Geschlecht und Kultur. Ein Definitionsversuch zweier umstrittener Kategorien, in: D. (Hrsg.), Beiträge zur Historischen Sozialkunde, Sondernummer: Geschlecht und Kultur, Wien 2000, S. 58–64, hier S. 63. Andrea G, Geschlecht als soziale und als analytische Kategorie. Debatten der letzten drei Jahrzehnte, in: Johanna G/Maria M (Hrsg.), Frauen- und Geschlechtergeschichte. Positionen/Perspektiven, Innsbruck u. a. 2003, S. 37–52. Vgl. Andrea G/Monika M, Fragile Liebschaften? Methodologische Anmerkungen zum Verhältnis zwischen historischer Kriminalitätsforschung und Geschlechtergeschichte, in: Andreas B/Gerd S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000, S. 205–232; Andrea G/Christina L, Mehrfach relational: Geschlecht als soziale und analytische Kategorie (Hefteditorial), in: D. (Hrsg.), Die Macht der Kategorien. Perspektiven historischer Geschlechterforschung, Innsbruck u. a. 2002, S. 3–5; U, Frauen; G/L, Geschlecht und Kultur; Claudia U, Shulamit und Margarete. Macht, Geschlecht und Religion in einer ländlichen Gesellschaft des 18. Jahrhundert, Wien/Köln/Weimar 1999. Siehe neuerdings auch Monika M, Geschlecht als „Markierung“, „Ressource“ und „Tracer“. Neue Nützlichkeiten einer Kategorie am Beispiel der Wissenschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Christine R/Frank P/Matthias M (Hrsg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen in der Frühen Neuzeit. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln 2010, S. 573–594. Vgl. Candace W/Don H. Z, Doing Gender, in: Judith L/Susan A. F (Hrsg.), The Social Construction of Gender, Newbury Park/London/New Dehli 1991. Vgl. Judith B, Performative Akte und Geschlechterkonstitution. Phänomenologie und feministische Theorie, in: Uwe W (Hrsg.), Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M. 2002, S. 301–320.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

25

Unzuchtsverfahren und Ehestreitigkeiten73 ihren Fokus allerdings vor allem auf die für Frauen in ihrer Rechtsposition benachteiligenden Dimension der Jurisdiktion gerichtet.74 Dadurch wurden die Handlungsperspektiven von Frauen innerhalb des frühneuzeitlichen Rechtswesens ausgeblendet. Nun hat die Auseinandersetzung der neueren Kriminalitätsforschung mit dem Zusammenhang von Kriminalität und Geschlecht gezeigt, dass Frauen im Vergleich zu Männern sowohl im Strafrecht als auch in der Strafrechtspraxis als gleichwertig und damit als ebenso schuldfähig behandelt wurden.75 Dabei wurden auch das aktive Handeln sowie die Handlungsspielräume von Frauen vor Gericht sichtbar gemacht.76 So konnte für Strafrechtsverfahren nachgewiesen werden, dass Frauen diesen keineswegs nur als Opfer gegenüberstanden, sondern die Gerichte für ihre Interessen zu instrumentalisieren und sich so ihrer geschlechtsspezifischen Statuszuschreibung zu widersetzen vermochten.77 Joachim Eibach hat dabei darauf verwiesen, dass die „Intensität geschlechtlicher Markierung“ „nicht zuletzt vom Vergehen und Rechtsgut“ abhängt.78 Insgesamt wird in der historischen Kriminalitätsforschung die Rolle 73

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78

Otto U (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1995; Ulinka R, Magd, Metz‘ oder Mörderin. Frauen vor frühneuzeitlichen Gerichten, Frankfurt 1998; Barbara K-R, Schlagende Männer, keifende Weiber? Geschlechtsspezifische Aspekte von Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit, in: Christel KH/Martin S/Rolf Wilhelm B (Hrsg.), Männlich. Weiblich. Die Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der Kultur, Münster u. a. 1999, S. 271–281; Alexandra L, Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2006. Vgl. insbesondere den Forschungsüberblick S. 9–20. Vgl. Gerd S, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum. Zum Profil eines „verspäteten“ Forschungszweiges, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 21–67; Ulrike G, Geschlechtsspezifische Diskriminierung durch Recht. „Unzuchtsverfahren“ in der Frühen Neuzeit, in: Jan C. J (Hrsg.), Diskriminierung, Antidiskriminierung, Berlin u. a. 1996, S. 67–86. Vgl. Helga S-S, Frauen im Strafrecht vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 185–198; G/M, Fragile Liebschaften; Claudia U, „Kriminalität“ und „Weiblichkeit“ in der Frühen Neuzeit. Kritische Bemerkungen zum Forschungsstand, in: Martina A/Sybille K (Hrsg.), Geschlechterverhältnis und Kriminologie, Weinheim 1995, S. 208–220; D., Weibliche Deliquenz im 18. Jahrhundert. Eine dörfliche Fallstudie, in: U (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern, S. 281–311; R, Magd, Metz‘ oder Mörderin; Gerd S, Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn 1991, S. 451; S, Stadt vor Gericht. Zum Konzept der Justiznutzung vgl. das Kapitel 1.1.3. Rebekka H, Frauen und Männer im Kampf um Leib, Ökonomie und Recht, in: Richard van D (Hrsg.), Dynamik der Tradition, Frankfurt a.M. 1992, S. 109– 136; Franzisca Loetz, L‘infrajudiciaire. Facetten und Bedeutung eines Konzepts, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 545–562; G, Konkurrierende Wahrheiten. Joachim E, Männer vor Gericht – Frauen vor Gericht, in: R/P/M (Hrsg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen, S. 559–572, hier S. 570.

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1. Einleitung

der Gerichte für die Geschlechterordnung in der Frühen Neuzeit, konkret die Herstellung und Reproduktion geschlechtsspezifischer Ungleichheit, hoch bewertet.79 Beispielhaft dafür ist die Studie Ulrike Gleixners, in der sie anhand von frühneuzeitlichen Unzuchtsverfahren vor Gerichten in der brandenburgischen Altmark die Perspektive auf Geschlecht als Konstruktion verfolgt. In Anlehnung an Joan Scotts Einteilung von Geschlecht in vier analytisch zu trennende Elemente – kulturelle Symbole, normative Konzepte, sozialökonomische Bedingungen, subjektive Identität80 – untersucht sie unter Dekonstruktion von Verhörprotokollen den „Konstruktionsprozess der zweigeschlechtlichen Paßform“.81 Indem sie dabei das Gericht mit Uwe Wesel als Ort der gesellschaftlichen Wahrheitsproduktion begreift,82 weist sie den vor Gericht produzierten Geschlechterentwürfen eine hohe Wirkmächtigkeit zu: „Die symbolische Ordnung der Protokolle strukturierte auch die soziale Wirklichkeit.“83 Die Gerichtsverfahren werden dabei als kulturelle Praxis gedeutet, in der ausgehandelt wird, was Frauen und Männer sein sollen. Geschlecht wird zu einer „Instanz fortwährender Regulierungs- und Normierungsverfahren“.84 Ähnlich gesellschaftlich prägend sehen auch Susanna Burghartz oder Michaela Hohkamp die Bedeutung von Geschlecht im Gerichtszusammenhang, wobei Geschlecht als Voraussetzung von Zuschreibungsprozessen sowie als deren Produkt fungiere.85 Auffallend bei diesen Analysen ist das grundlegende methodische Problem der Verschränkung der Konstruktion von Geschlechtsrollen mit den historisch gelebten Geschlechtsidentitäten. Die Diskrepanzen zwischen Norm und Existenzweise gilt es daher stärker als bisher in die Konstruktionsthese einzupassen. Zudem werden die Ergebnisse hinsichtlich der Funktion des frühneuzeitlichen Rechtssystems für die Herstellung der Geschlechterdifferenz auf das gesamte Rechtswesen und somit auch auf die Zivilgerichtsbarkeit appliziert. Nun lagen für diesen Bereich lange keine vergleichbaren Untersuchungen vor. Anders als es die Forschungslandschaft zur Rechtsstellung von Frauen 79 80 81 82 83

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Vgl. allgemein Joachim E, Versprochene Gleichheit – verhandelte Ungleichheit. Zum sozialen Aspekt in der Strafjustiz der Frühen Neuzeit, in: GG 35, 2009, S. 488–533. Vgl. Joan W. S, Gender. A useful Category of Historical Analysis, in: D., Gender and the Politics of History, New York 1988, S. 28–50. G, „Das Mensch“ und „der Kerl“, S. 20 ff. Uwe W, Juristische Weltkunde. Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl., Frankfurt a.M. 2000. G, „Das Mensch“ und „der Kerl“, S. 17. Sie geht davon aus, dass vor Gericht „zeitgleich mit der Hervorbringung von Einteilungen durch die Institution Recht eine Rückkopplung stattfindet und diese in den sozialen Gruppen Realitäten schafft“, wobei „die Menschen auch den betreffenden Etikettierungen entsprechen.“ G, Diskriminierung, S. 85. Michael M, Diskurs, Macht und Geschichte. Foucaults Analysetechniken und die historische Forschung, Frankfurt a.M./New York 2002, S. 210. B, Zeiten der Reinheit; vgl. auch Michaela H, Macht, Herrschaft und Geschlecht.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

27

allerdings evoziert, machte die Zivilrechtsprechung den größeren Teil der Rechtsanwendung in der Frühen Neuzeit aus und stellte für die Gesellschaft und damit auch für Frauen eine alltäglichere Bezugsgröße als das Strafrecht dar.86 Dass jedoch Zivilrechtsfälle im Unterschied zu Kriminalfällen weniger Sensationsversprechendes zu bieten scheinen, mag wohl einer der Gründe für das zunächst schleppende Interesse an der zivilen Gerichtsbarkeit sein. In jüngster Zeit hat sich die zivile Rechtsprechung zur Erforschung der Rechtsstellung von Frauen jedoch stärker empfohlen. Dies resultiert zum einen aus dem methodischen Bewusstsein, die Ergebnisse aus der Kriminalitätsforschung nicht unreflektiert auf das Zivilrecht übertragen zu können.87 Die Perspektivenerweiterung von der Straf- zur Zivilrechtsprechung steht jedoch auch in Zusammenhang mit dem Paradigmenwechsel von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis.88 Dabei haben die genaueren Differenzierungen zwischen Straf- und Zivilrecht sowie der Blick auf die Rechtspraxis zahlreiche Facetten deutlich gemacht, die die Teilhabemöglichkeiten von Frauen an rechtlichen bzw. rechtsgeschäftlichen Zusammenhängen sichtbar machen. Dadurch konnten normengenerierte Thesen der Rechtsgeschichte89 oder der Forschungen zur Hausväterliteratur korrigiert werden.90 Die rechtlichen Handlungsspielräume von Frauen stehen im Zusammenhang mit ihrer ökonomischen Funktion in der frühneuzeitlichen 86

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Vgl. Stefan B, Erfahrungen mit der hessischen Policey- und Niedergerichtsbarkeit des 18. Jahrhunderts. Zugleich ein Plädoyer für eine Geschichte des Gerichtspersonals, in: Paul M (Hrsg.), „Erfahrung“ als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte, München 2001, S. 349–368. Vgl. W, Einführung, in: D. (Hrsg.), In eigener Sache, S. 4. Vgl. G, Einleitung, in: D. (Hrsg.), Frauen, S. 11–24, hier S. 15. Z. B. Dieter S, Schutz und Entrechtung – Die Rechtsstellung der Frau nach älterem Recht mit Bezug auf Regensburger Quellen, in: Helmut A (Hrsg.), Emanzipiert und doch nicht gleichberechtigt? Lebensräume von Frauen im Blick heutiger Forschung, Regensburg 1991, S. 83–99; Dirk B, Bürgerliche Rechtsgleichheit und die Ungleichheit der Geschlechter, in: Ute F (Hrsg.), Bürgerinnen und Bürger. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert, Göttingen 1988, S. 67–84; Karina K, Die Abhängigkeit der Frau in Eherechtsnormen des Mittelalters und der Neuzeit als Ausdruck eines gesellschaftlichen Leitbilds von Ehe und Familie. Zugleich eine Untersuchung zu den Realisierungschancen des zivilrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes, Frankfurt a.M. u. a. 1988; Stephan M/Arne D/Andrea C unter Mitwirkung von Tanja A (Hrsg.), Frauenrecht und Rechtsgeschichte. Die Rechtskämpfe der deutschen Frauenbewegung, Köln 2006. Dies gilt für jene Thesen, die eine generelle Rechts- und Geschäftsunfähigkeit von Frauen durch das Institut der Geschlechtsvormundschaft sowie deren Benachteiligung in den frühneuzeitlichen Ehegüter- und Erbrechten nahelegen. Vgl. Heide W, Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 27–54, hier S. 31; H, Geschlechtsvormundschaft; Susanne W-W, Geschlechtsvormundschaft und weibliche Rechtswohltaten im Privatrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 452–459; D. Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, Frankfurt a.M./Bern/New York 1983.

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1. Einleitung

Gesellschaft.91 So hat Heide Wunder bereits zu Beginn der 1980er Jahre darauf hingewiesen, dass Frauen nicht durch ihre Beziehung zum Mann als Vater, Ehemann oder Vormund, sondern vor allem durch ihre Arbeit definiert waren.92 Wunder konstatiert dabei eine Gleichwertigkeit bzw. Sachorientierung im Verhältnis der Geschlechter, die auf dem ökonomischen Ziel des standesgemäßen Unterhalts basierte.93 Diese differenziertere Beurteilung der Stellung von Frauen im Alten Reich beeinflusste den frauen- und geschlechtergeschichtlichen Perspektivenwechsel der letzten Jahre, die Geschichte der Frauen verstärkt unter der Prämisse von Akteurinnen in der ständischen Gesellschaft zu schreiben.94 Dies ging einher mit einer Erweiterung der von der Rechts- und Verfassungsgeschichte entwickelten, etatistisch ausgerichteten Kriterien für Herrschaft, die sich mit einer Kritik an der rechtshistorischen Begriffsbildung „öffentlich“ versus „privat“95 verband. Dadurch vermochte sich der Blick auf die Rolle von Frauen in der ständischen Gesellschaft zu erweitern. Somit ließen sich auch Frauen in die Herrschaftsterminologie ein91

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Vgl. Heide W, „Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert“. Zur geschlechtsspezifischen Teilung und Bewertung von Arbeit in der Frühen Neuzeit, in: Karin H (Hrsg.), Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen von Männern und Frauen, Göttingen 1993, S. 19–39; vgl. auch Renate D, Von der Ausbildung zur Bildung. Erziehung zur Ehefrau und Hausmutter in der Frühen Neuzeit, in: Elke K/Claudia O ( Hrsg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt a.M./New York 1996, S. 189–206; Irmintraut R, Oeconomia. Lehren vom Haushalten und Geschlechterperspektiven, in: Heide W/Gisela E (Hrsg.), Geschlechterperspektiven. Forschungen zur Frühen Neuzeit, Königstein/Ts. 1998, S. 316–336; Peter B, Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland, München 2003, S. 232. Daraus konnten sie auch das Recht auf Eigentum – als Materialisierung von Arbeit – ableiten. Vgl. B, Leibeigenschaft. Vgl. Heide Wunders These von der arbeitsteiligen Wirtschaftsorganisation als „Ehe- und Arbeitspaar“. Heide W, Zur Stellung der Frau im Arbeitsleben und in der Gesellschaft des 15.–18. Jahrhunderts. Eine Skizze, in: Geschichtsdidaktik 6, 1981, S. 239–251; D., Sonn‘, S. 265; D., Arbeiten, Wirtschaften, Haushalten: Geschlechterverhältnisse und Geschlechterbeziehungen im Wandel der deutschen Agrargesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Reiner P u. a. (Hrsg.), Ländliche Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 18.–19. Jahrhundert, Göttingen 2003, S. 187–204. Heide Wunder hat deutlich auf die Handlungsperspektiven von Frauen in der ständischen Gesellschaft verwiesen, die sich aufgrund der heterogenen Geschlechteranthropologie in der Frühen Neuzeit ergaben: „Diese Mehrpoligkeit eröffnete Handlungsräume, und es bleibt im einzelnen zu klären, was jeweils über die Nutzung von Geschlechtsstereotypen und Geschlechterordnungen verhandelt wurde, so dass sie für Institutionen wie einzelne von solcher Bedeutung waren.“ Heide W, Normen und Institutionen der Geschlechterordnung am Beginn der Frühen Neuzeit, in: D./ Gisela E (Hrsg.), Geschlechterperspektiven. Forschungen zur Frühen Neuzeit, Königstein/Ts. 1998, S. 57–78, hier S. 64. Vgl. W, Herrschaft, S. 27–54; Julia F/ Siegrid W (Hrsg.), Handlungsspielräume von Frauen um 1800, Heidelberg 2005. Vgl. Otto B, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, ND der 5. Aufl., Darmstadt 1973, S. 123.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

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binden, etwa dadurch, dass sie über ihre Haushaltsposition bzw. ihre Position als Ehefrau und Mutter – im Konfliktfall gerichtlich einklagbaren – Zugang zu Herrschaftsfunktionen erhielten.96 Diese Überlegungen haben die Forschungen zur Rechtsposition von Frauen in der sozialen Praxis in besonderem Maße angeregt. Für die Ebene der Höchstgerichte des Alten Reiches haben Studien zur Inanspruchnahme des Reichshofrats und des Reichskammergerichts durch Frauen nachgewiesen, dass diesen in der Tat eine bessere Rechtsstellung zukam, als es die normativen Befunde nahelegen.97 Frauen waren in der Praxis weder „in der Parteistellung überwiegend handlungsunfähig“, noch als „Beweismittel nur begrenzt tauglich“.98 Im Widerspruch zu den rechtsbegründenden Inferioritätsvorstellungen99 kannten Frauen ihre Rechte und vermochten sie vor Gericht durchzusetzen.100 Einzelfallanalysen aus dem Bereich der Geldwirtschaft sowie dem Ehe-, Familien- und Erbrecht ergaben, dass den Frauen in den zivilrechtlichen Verfahren – anders als in strafrechtlichen Verfahren – kein Nachteil aufgrund ihres Geschlechts erwuchsen.101 Dieser Befund wurde mit dem Terminus „Geschlechtsneutralität“ versehen, um gegenüber der Strafrechtsprechung die Nachordnung der Kategorie Geschlecht in der zivilen Gerichtsbarkeit zu kennzeichnen.102 Die Studien machen allerdings 96 97

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Vgl. dazu umfassender W, Herrschaft. Zur Rolle von Frauen an den Höchstgerichten des Alten Reiches vgl. u. a. Anette B, Frauen vor dem Reichskammergericht, in: Friedrich B/Bernd S (Hrsg.), Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Wien 2010, S. 93–115; W (Hrsg.), In eigener Sache; Irene J, „Ihrem Herzen und Charakter Ehre machen“. Frauen wenden sich an das Reichskammergericht, Wetzlar 1998; Anette B, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zum 17. und 18. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2001; Pauline P, Reichsgerichtsakten als Quelle: Frauen, in: zeitenblicke 3, 2004, Nr. 3, 13. Dezember 2004, http://www.zeitenblicke.de/2004/03/ [13.04.2012]; Siegrid W, „Weshalber wir mit diesem ganz unerträglich gewordenen Weibe mancherlei unangenehme Beschäftigungen haben müssen.“ Ein individueller Untertanenkonflikt zwischen Herzogin Anna Amalia und ihrer Untertanin Maria Elisabeth Döpelin, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde (= ZVThGA) 50, 1996, S. 163–200; Rita S, Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht. Rechtsschutz gegen die Obrigkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Köln/Weimar/ Wien 1999, S. 335–371; Hans S, Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Münster 1999. So allerdings normativ K, Maior dignitas, S. 84. Mit Legitimationstheorien wie der weiblichen Schwäche sowie der Unerfahrenheit von Frauen in Rechtsgeschäften wurden normativ Institute wie die Geschlechtsvormundschaft oder das Interzessionsverbot begründet. Vgl. K, Maior dignitas. P, Reichsgerichtsakten. W, Einführung, in: D. (Hrsg.), In eigener Sache, S. 17. Ebd. Julia Haack konzidiert sogar eine geschlechtsunabhängige Streitkultur – bezogen auf Konfliktlösungsversuche, Beschimpfungen, Drohungen, Tätlichkeiten etc. Die Untersuchung zur Streitkultur im 18. Jahrhundert widmet sich den Konfliktfeldern Ehe,

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1. Einleitung

auch deutlich, dass von einer Heterogenität der Rechtssituation für Frauen im Alten Reich ausgegangen werden muss. Sie bestimmte sich durch den jeweiligen Rechtskreis, die lokalen bzw. territorialen Rechte, den Rechtsstand (Mündigkeit, Personen-, Familienstand, sozialer Stand, Religion/Konfession) sowie der Ebene der Gerichtsbarkeit.103 Zum Teil ähnliche, insgesamt jedoch in Abhängigkeit von der jeweiligen Untersuchungsperspektive und ihren Bedingungen relativ heterogene Befunde hinsichtlich der Justiznutzung von Frauen sowie der Rolle von Geschlecht vor Gericht liegen für weitere Ebenen der Gerichtsbarkeit vor. So hat Susanne Rappe anhand niedergerichtlicher Protokolle des Amtsgerichts Dannenberg privatrechtliche Streitigkeiten zwischen 1650 und 1750 untersucht.104 Auf der Basis geschlechtergeschichtlicher Fragestellungen zeigt sie, dass Frauen, unter ihnen vor allem Witwen, das Gericht erfolgreich nutzten und dabei eine „unvermutete Selbständigkeit“ aufwiesen.105 Sie kommt zu dem Schluss, dass das „biologische Geschlecht einer Person kaum, ihre Stellung in der dörflichen Gemeinschaft aber erheblich die grundsätzliche Möglichkeit zum Gerichtsstreit und die Streitthemen bestimmte.“106 David Sabeans Ergebnisse für die Gerichtspraxis in Württemberg gehen über diese Überlegungen hinaus. Er zeigt, dass Frauen unter gerichtsstrategischer Nutzung der Geschlechtsvormundschaft oder der ,weiblichen Freiheiten‘ vorteilhafte Prozesserfolge für sich erzielen konnten.107 Unter der Perspektive der ,Öffentlichkeit‘ kommt Michaela Hohkamp für die vorderösterreichische Kameralherrschaft und Obervogtei Triberg insgesamt zu einem anderen Fazit.108 Auf der Basis einer Analyse von Gerichtsprotokollen für die Zeit von 1740 bis 1780 macht Hoh-

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Injurien, Nachbarschaft und Erbe anhand von Spruchakten der Juristenfakultäten der Universitäten Rostock und Tübingen sowie Prozessakten der Gerichte Stralsund und Freiburg. Julia H, Der vergällte Alltag. Zur Streitkultur im 18. Jahrhundert, Köln/ Weimar/Wien 2008, S. 279. Vgl. W, Herrschaft, S. 30; W, Einführung, in: D. (Hrsg.), In eigener Sache, S. 17. Susanne R, Klägerin und Beklagtin – Frauenleben im Dorf zwischen 1650 und 1750 im Spiegel niedergerichtlicher Protokolle aus dem Amt Dannenberg, in: Hannoversches Wendland 14, 1992/93, S. 117–142. Ebd., S. 123, 137. So auch Jenny T, Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft. Eine mikrohistorische Untersuchung am Beispiel eines altmärkischen Patrimonialgerichts um 1700, Berlin 2001, S. 107; Peter K, Die Protokolle des Bremer Kämmereigerichts von 1600 bis 1800, in: Historical Social Research 40, 1986, S. 72–83, hier S. 79. R, Klägerin und Beklagtin, S. 125. David Warren S, Das zweischneidige Schwert. Herrschaft und Widerspruch im Württemberg der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1990; D., Allianzen und Listen: Die Geschlechtsvormundschaft im 18. und 19. Jahrhundert, in: G (Hrsg.), Frauen, S. 460–479. Siehe dazu das Kapitel 3.2.2. Michaela H, Frauen vor Gericht, in: Mireille O-G/Anna G/Sabine T (Hrsg.), Frauen und Öffentlichkeit. Beiträge der 6. Schweizerischen Historikerinnentagung, Zürich 1991, S. 115–124.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

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kamp eine unterschiedliche Nutzung des Gerichts von Männern und Frauen aus. Die geringere Inanspruchnahme jurisdiktioneller Konfliktlösungsmittel von Frauen begründet sie mit der Existenz einer „geschlechtsspezifischen Öffentlichkeit“: „Es wäre möglich, dass eine unterstellte „weibliche Öffentlichkeit“ so organisiert war, dass sie es nicht erlaubte oder nötig machte, ihre Konflikte von einer „männlichen Öffentlichkeit“ lösen zu lassen.“109 Dass sich diese Sphären jedoch auch durchdringen konnten, zeigen die Argumentationsmuster der Parteien. Während die Argumentationen der weiblichen Parteien um Arbeit kreisten, nahmen die Klagen zwischen Männern eher das ,Haus‘ in den Blick.110 Weitere Anknüpfungspunkte bietet Ulrike Gleixners Auswertung der Protokollbücher des Schulenburgischen Gesamtgerichtes aus den Jahren 1725 und 1731.111 Das Gericht sieht Gleixner weniger als „strafende Disziplinierungsinstanz“, sondern als „friedensichernde Instanz“ für Eigentums-, Erbschafts- und Streitsachen, dessen Zugang geschlechts-, standes-, und besitzspezifisch reguliert war.112 Den eingeschränkten Zugang von Frauen zum Gericht begründet Gleixner – allerdings normenorientiert – mit der gerichtlichen Praxis der Geschlechtsvormundschaft. Gleichwohl je nach Streitgegenstand und Personenstand der Frauen nicht in allen Verfahren ein Geschlechtsvormund obligatorisch war, traten Frauen oft dennoch mit einem männlichen Beistand auf. Gleixner erklärt dies mit einer dadurch erhöhten Durchsetzungschance der Frauen vor Gericht: „Ohne dörfliche, männliche Unterstützung konnten Frauen jedenfalls nur schwer Rechte einfordern.“113 Insgesamt relativiert sie die Bedeutung des Geschlechts für die gesellschaftliche Ungleichheit und akzentuiert die Bedeutung von Besitz- und Statusstrukturen. Das Gericht spiegelt dabei, so Gleixner, die innerdörfliche Asymmetrie bezüglich „Geschlecht, Klasse und Stand“ wider.114 Pointiert kommt sie dabei zu dem Fazit, dass der Zugang zu Recht reglementiert war und „in erster Linie Besitzende in Abhängigkeit von ihrem Geschlecht und ihrer Haushaltsposition“ zukam.115 Dass die rechtlichen Handlungsspielräume von Frauen insbesondere an ökonomische Bedingungen, Besitz und Eigentum gekoppelt waren, zeigen 109 110 111

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Ebd., S. 122 f. Ebd., S. 123. Ulrike G, Das Gesamtgericht der Herrschaft Schulenburg im 18. Jahrhundert. Funktionsweise und Zugang von Frauen und Männern, in: Jan P (Hrsg.), Gutsherrschaft als soziales Modell. Vergleichende Betrachtungen zur Funktionsweise frühneuzeitlicher Agrargesellschaften, München 1995, S. 301–326; Jan P, Frauen vor Gericht in einer märkischen Gutsherrschaft (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts), in: U (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern, S. 231–258. G, Gesamtgericht, S. 312, 322. Ebd., S. 325. Ebd. Ebd. Vgl. auch Gleixners Untersuchungen dörflicher Auseinandersetzungen um Alimentationen, bei denen vor allem besitzende Frauen ihre Interessen erfolgreich durchsetzen konnten: G, „Das Mensch“ und „der Kerl“.

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1. Einleitung

auch die neueren Studien zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen um Eigentum und Besitz im Alten Reich.116 Dabei wurde der frühneuzeitliche Rechtspluralismus als wichtiger Faktor für die in der Praxis günstigen Eigentumsrechte von Frauen herausgestellt, da dadurch immer mehrere Deutungs- und Handlungsoptionen möglich waren und sich die Ansprüche dementsprechend situativ regeln ließen.117 Während für die Niedergerichtsbarkeit bereits etliche Erkenntnisse hinsichtlich der Rechtsposition von Frauen vorliegen,118 mangelt es noch an einer Auswertung von Materialen der territorialen Gerichtsbarkeit im Alten Reich.119 Dafür sind einzelne Handlungsfelder von Frauen untersucht worden, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auch mit der zivilen Rechtsprechung in Berührung kamen. Zu nennen sind hierbei etwa die Arbeiten von Susanne Schötz zu den Handelsfrauen in Leipzig und insbesondere ihrer rechtlichen Stellung im sächsischen Recht,120 aber auch Christine Werkstetters Studie zu den Augsburger Handwerkerinnen.121 Im Rahmen der Adelsforschung sei auf Anke Hufschmidts Arbeit verwiesen, die adlige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700 und dabei deren rechtliche und ökonomische Bedingungen sowie Vererbungsstrategien in den Blick nimmt.122 Zudem ist die Bedeutung verschiedener Rechtsinstrumente in der sozialen Praxis, wie die weiblichen Rechtswohltaten oder die Geschlechtsvormundschaft, unter rechts- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive ausgewertet worden.123 116

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Vgl. W (Hrsg.), In eigener Sache; D., Freiheit sowie die Aufsätze in G/C (Hrsg.), Eigentumskulturen. Diese Verbindung hat z. B. kürzlich auch Julie Hardwick – ausgehend von Gerichtsprozessen in Lyon und Nantes – für das frühneuzeitliche Frankreich betont: „The early modern legal system had a broad commitment to the protection of property, and battered wives were able to use the property of their labour and lineage claims as an avenue to seek legal redress.“ Julie H, Family Business. Litigation and the Political Economies of Daily Life in Early Modern France, Oxford 2009, S. 217. Siehe auch Peter O, Rechtsvielfalt vor Gericht. Rechtsanwendung und Partikularrecht im Alten Reich, Frankfurt a.M. 2002. Laut Julia Haack „finden sich keine Hinweise, dass seitens der Gerichte Verfahren anders geführt wurden, wenn Frauen beteiligt waren.“ H, Streitkultur, S. 266. Speziell für Sachsen-Weimar-Eisenach ist jedoch die bereits o.g. Arbeit von Nicole Grochowina hervorzuheben, die am Beispiel des Jenaer Schöppenstuhls frühneuzeitliche Eigentumsbeziehungen untersucht und dabei Aussagen zur Geschlechterordnung und insbesondere zur Stellung von Frauen in der Rechtspraxis getroffen hat. Vgl. G, Eigentum. Susanne S, Handelsfrauen im neuzeitlichen Leipzig: Gewerberecht und Lebenssituationen (16. bis 19. Jahrhundert), in: G (Hrsg.), Frauen, S. 151–174; D., Handelsfrauen in Leipzig. Zur Geschichte von Arbeit und Geschlecht in der Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004. Christine W, Frauen im Augsburger Zunfthandwerk. Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im 18. Jahrhundert, Berlin 2001. Anke H, Adlige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700. Status – Rollen – Lebenspraxis, Münster 2001, S. 269–436. Anja A, Frauen in der handelsrechtlichen Jurisdiktion des Reichskammergerichts.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

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Mittlerweile sind auch umfangreiche Untersuchungen zur rechtlichen Stellung von Frauen in der Ehe bzw. deren Ehekonflikte vor Gericht124 sowie der Position von Frauen bei Vermögenstransfers vorhanden.125 Speziell für den sächsischen Raum sind unter den Studien zur rechtlichen Stellung von Frauen insbesondere die Arbeiten zum Landrecht im Sachsenspiegel von Mariella Rummel126 sowie zum Ehe- und Erbrecht127 zu nennen. Eine für die Stoßrichtig der Studie paradigmatische Perspektive hat jüngst Julie Hardwick eröffnet. In ihrer methodisch bemerkenswerten Analyse von Familienangelegenheiten im Frankreich des 17. Jahrhunderts hat sie auf die zentrale Bedeutung von Justiznutzung als „indispensable element of family business“ hingewiesen – als Kernbestandteil ökonomischer Strategien zur Erhaltung von zentralen Ressourcen der Lebensgestaltung wie Ehe und

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Über die Frage, ob „Weibs=Personen mit Wechsel contrahiren können“, in: W (Hrsg.), In eigener Sache, S. 119–151. Z. B. Gerald B, Ehe und Übergabeverträge in Hessen. Ein Überblick über die Geschichte, Aufbau und Funktion, Marburg 1998; Heide W, Vermögen und Vermächtnis – Gedenken und Gedächtnis. Frauen in Testamenten und Leichenpredigten am Beispiel Hamburgs, in: Barbara V/Ulrike W (Hrsg.), Frauen in der Ständegesellschaft. Leben und Arbeiten in der Stadt vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit, Hamburg 1991, S. 227–240; Ernst E, Probleme zur Rechtsstellung der Frau nach den kursächsischen Konstitutionen von 1572, Heidelberg 1964; Claus E, Rechtsstellung und Ansprüche der Ehefrau gegen ihren Mann während der Ehe nach dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Köln 1998; Heinrich Richard S, Männergewalt und Staatsgewalt. Frühneuzeitliche Ehekonflikte vor Gericht in vergleichender regionalgeschichtlicher Perspektive, in: L‘Homme 14,1, 2003, S. 35–54; Uwe S, Eherecht und Staatsbildung. Ehegesetzgebung und Eherechtsprechung in der Landgrafschaft Hessen(-Kassel) in der frühen Neuzeit, Darmstadt 1994; Sylvia M, Ehekonflikte und sozialer Wandel, Göttingen 1740–1840, Frankfurt a.M./New York 1997; L, Ehepaare vor Gericht; Arne D, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe. Persönliche Stellung von Frau und Mann im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft 1700–1914, Köln/Weimar/Wien 2003; Stefanie W, Die (Un-)Ordnung der Ehe. Normen und Praxis ernestinischer Fürstenehen in der Frühen Neuzeit, München 2011. Zum aktuellen Forschungsstand vgl. Siegrid W/Inken S-V/Anette B (Hrsg.), Venus und Vulcanus. Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit, München 2011. Vgl. Katharina S-M, Der weite Weg zur Erbschaft. Weibliche Rechtswege und Strategien im späten Mittelalter, in: Jens F/Pauline P/Werner T/Christina V/Ortrud W-H (Hrsg.), Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. FS für Heide Wunder zum 65. Geburtstag, Kassel 2004, S. 402–417; vgl. auch B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit; G/C (Hrsg.), Eigentumskulturen. Mariella R, Die rechtliche Stellung der Frau im Sachsenspiegel-Landrecht, Frankfurt a.M. u. a. 1987. Christel A/Horst K, Rechte der Frau und Vormundschaftsrecht im Sachsenspiegel, in: Gerhard L/Heiner L (Hrsg.), Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel und Aufklärung, Rolf Lieberwirth zum 70. Geburtstag dargebracht von Schülern, Freunden und Kollegen, Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1991, S. 27–36; Angela S, Vom feudalen zum bürgerlichen Eherecht – Grundlinien der deutschen Rechtsentwicklung von 1789 bis 1870/71, Diss. Leipzig 1989.

34

1. Einleitung

Haushaltung.128 Frauen hatten dabei auf der lokalen Ebene im Rahmen unterschiedlicher „Ökonomien“129 – eingebunden in komplexe Netzwerke von Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft und Justiz – Teil an einer partizipatorischen Rechtskultur und damit den „interactions between state and subject“.130 Hier wie auch im Kontext anderer Analysen der normativen und rechtspraktischen Position von Frauen werden die Diskrepanzen zwischen Rechtsnormen, -diskursen sowie der Praxis wiederholt thematisiert und unterschiedlich gedeutet. Einerseits werden die Widersprüchlichkeiten unter dem Erklärungsansatz der „Gesetze, die nicht durchgesetzt werden“ diskutiert.131 Andere Überlegungen gehen von einem „Zusammenspiel komplexer Konstruktionen von Geschlecht und Regulierungen von Geschlechterdifferenz“ aus.132 Zu überzeugen vermögen jene Ansätze, die unabhängig von genuin geschlechtergeschichtlichen Fragestellungen die Mechanismen und Bedingungen des Rechtssystems selbst in den Blick nehmen. So scheint für die Flexibilität der frühneuzeitlichen Rechtsprechung vor den Kodifikationen eine auf Rückkopplungseffekten basierende „dynamische Beziehung zwischen Normgebung und Rechtspraxis“ systeminhärent gewesen zu sein.133 Im Kontext der Policeyforschung wurde darauf verwiesen, dass Recht „umstandsorientiert“ erfolgte.134 Die daraus resultierende flexible Handhabung von Normbeständen im Privatrecht führte eben im Einzelfall zu (richterli-

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H, Family Business, S. 60. „Economies of Marriage“, „Economies of Justice“, „Economies of Family Politics“, „Economies of Markets“, „Economies of Violence“. H, Family Business. Ebd., S. 58. Vgl. insbesondere das 2. Kapitel „Economies of Justice“ (S. 57–87) sowie das 3. Kapitel „Economies of Family Politics: Litigation Communities, Subject, and State“ (S. 88–127). Vgl. Jürgen S, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates?, in: GG 23, 1997, S. 647–663; Achim L, „Normdurchsetzung“ in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (= ZfG) 48, 2000, S. 146–162; Martin D, Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozess der „Sozialdisziplinierung“?, in: Gerhard J (Hrsg.), Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Wien 1997, S. 39–53. Vgl. den Tagungsbericht von Pauline Puppel und Heide Wunder zu: Geschlechterdifferenz im europäischen Recht – Interdisziplinäre Tagung. 23.–25. Februar 2000, Frankfurt a.M., in: H-Soz-u-Kult, 21. Juli 2000, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ tagungsberichte/id=1980 [13.04.2012]. Stefan B, Generationengerechtigkeit? Normen und Praxis im Erb- und Ehegüterrecht 1500–1850. Eine Einführung, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit?, S. 1–21. André H, Die Umstände der Normen – die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und lokaler Gesellschaft im Ancien Régime, in: Karl H (Hrsg.), Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2000, S. 1–46.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

35

chen) Ermessensspielräumen,135 die auch für die Stellung von Frauen in der rechtlichen Praxis Konsequenzen hatte. 1.1.3 Rechts- und Gerichtswesen Das Normen-Praxis-Verhältnis ist eine der zahlreichen Perspektiven auf das frühneuzeitliche Rechtswesen, das in den letzten Jahren verstärkt in das Blickfeld historischer Forschungen gerückt ist. Diese haben gegenüber einer sich lange am Maßstab moderner Staatlichkeit und an den normativen Grundlagen historischer Gesellschaften orientierenden Rechtsgeschichte verstärkt sozial- und kulturgeschichtlich ausgerichtete Akzente gesetzt. Im Zentrum stand dabei – wie bereits gesehen – die Strafgerichtsbarkeit, die als Forschungsfeld der historischen Kriminalitätsforschung über gesellschaftliche Marginalisierungsformen sowie das Verhältnis von Untertanen und Obrigkeit in der sozialen Praxis Aufschluss gibt.136 In diesem Kontext wurde das Konzept der Justiznutzung137 entwickelt und damit eine Alternative zum modernisierungstheoretischen Modell der ,Sozialdisziplinierung der Untertanen‘138 geschaffen. Der eindimensionale Fokus auf Justiz als Medium herrschaftlicher Kontrolle von ,oben‘ wurde um die Perspektive von ,unten‘, 135

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Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Anmerkung Stefan Brakensieks, dass erfolgreiche Prozessresultate von Untertanen gegen Obrigkeiten nicht ungeprüft als Ergebnis „listiger Strategien von Untertanen“ zu interpretieren sind. B, Generationengerechtigkeit?, S. 16. Vgl. Gerd S, Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitätsforschung, Tübingen 1999; B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte. Neben der städtischen Konfliktkultur ist nun auch der ländliche Bereich in den Fokus historischer Kriminalitätsforschungen gerückt: Magnus E/Barbara K-R (Hrsg.), Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit (16.– 19. Jahrhundert), Köln/Weimar/Wien 2003. Aktuelle Perspektiven bieten Rebekka H, Rechts- und Kriminalitätsgeschichte revisited – ein Plädoyer, in: D./Gerd S (Hrsg.), Verbrechen im Blick. Perspektiven einer neuzeitlichen Kriminalitätsforschung, Frankfurt a.M./New York 2009, S. 19–42; Achim L, Jenseits von Diskursen und Praktiken. Perspektiven kriminalitätshistorischer Forschung, in: ebd., S. 42–67. Martin D, Frühneuzeitliche Justiz: Justizphantasien und Justiznutzung am Beispiel von Klagen bei der Pariser Polizei im 18. Jahrhundert, in: Heinz M/Dieter S (Hrsg.), Vorträge zur Justizforschung. Geschichte und Theorie, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1992, S. 269–292; D., Justiznutzungen als soziale Kontrolle in der Frühen Neuzeit, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 503–544; Ulrike G, Frauen, Justiznutzung und dörfliche Rechtskultur – Veränderungen nach dem Dreißigjährigen Krieg, in: Klaus G u. a. (Hrsg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden. Religion – Geschlechter – Natur und Kultur, München 2001, S. 453– 461. Gerhard O, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: D., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze, Berlin 1969, S. 179– 197. Vgl. dazu Winfried S, Gerhard Oestreichs Begriff „Sozialdisziplinierung in

36

1. Einleitung

auf die Nachfrage nach Justiz durch Untertanen bei Rechtsbedarf, ergänzt. Der Blick auf Justiznutzung wurde darüber hinaus als Korrektiv zum Interpretationsmuster ,Verrechtlichung sozialer und politischer Konflikte‘139 in die Diskussion gebracht.140 Der aus dem Kontext der Agrargeschichte sowie der Erforschung von Untertanenprozessen stammende Terminus begreift die wachsende Entscheidung von Konfliktparteien für einen rechtsförmigen Konfliktaustrag als ein besonderes Signum in der Geschichte der frühneuzeitlichen Rechtspraxis.141 Zugleich wird damit der sich im Laufe der Frühen Neuzeit vollziehende Prozess intensivierter rechtlicher Normierung und Professionalisierung, der Ausdifferenzierung von Behörden und Instanzen sowie der Vereinheitlichung von Verfahren und der rechtlichen Fundierung obrigkeitlich-administrativer Handlungsprinzipien in einen Begriff gefasst.142 Trotz verschiedener Einwände gegen diese Konzeptualisierung, die insbesondere auf die Kontinuität traditionellen, z. T. gewaltsamen Konfliktaustrags sowie den hohen Stellenwert außergerichtlicher Konfliktregulierungen zielen,143 wird ,Verrechtlichung‘ gerade für die Zivilgerichtsbarkeit als schlüssiges Interpretament beibehalten.144 Dennoch geht die Tendenz innerhalb der historischen Justizforschung insgesamt dahin, die frühneuzeitliche Gerichtspraxis weniger als obrigkeitliches Disziplinierungs- und Repressionsinstrument zu bewerten, sondern vielmehr mit Blick auf die konsensualen

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der frühen Neuzeit“, in: Zeitschrift für historische Forschung (= ZHF) 14, 1987, S. 265– 302; Heinz S, Disziplinierung oder „Selbstregulierung der Untertanen“? Ein Plädoyer für die Doppelperspektive von Makro- und Mikrohistorie bei der Erforschung der frühmodernen Kirchenzucht, in: HZ 264, 1997, S. 675–692. Zur Kritik siehe u. a. Heinrich Richard S, Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: HZ 265, 1997, S. 639–682. Winfried S, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1980, S. 76; D., Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: D. (Hrsg.), Europäische Bauernrevolten der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1982, S. 276–308; D., Einführung in die Neuere Geschichte, 5. Aufl., Stuttgart 2010, S. 79–91. Martin D, Justiznutzungen als soziale Kontrolle in der Frühen Neuzeit, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 503–544. Belege dafür etwa bei Filippo R, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption. Eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, Bd. 1, Köln/Wien 1985, S. 162 ff. Dazu z. B. Bernhard D, Verwissenschaftlichung, Bürokratisierung, Professionalisierung und Verfahrensintensivierung als Merkmale frühneuzeitlicher Rechtsprechung, in: D., Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, Frankfurt a.M. 1999, S. 263–275. L, L‘infrajudiciaire sowie Carl A. H, Außergerichtliche Einigungen bei Straftaten als vertikale und horizontale soziale Kontrolle im 16. Jahrhundert, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 563–579. Vgl. z. B. Ralf-Peter F, Der lange Kampf der Catharina von Dahlhausen um ihre Ehre. Eine Fallstudie zur Justiznutzung von Frauen im 16. Jahrhundert, in: W (Hrsg.), In eigener Sache, S. 43–60.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

37

Elemente zwischen Herrschaft und Untertanen zu untersuchen.145 Im Zentrum stehen dabei die Kommunikationsprozesse zwischen beiden Polen, die als „Aushandeln von Herrschaft“146 begriffen werden. In Anlehnung an diese Ansätze lassen sich somit auch die vor Gericht verhandelten Streitigkeiten als „Aushandlungsprozesse“ fassen. Daran orientieren sich insbesondere auch die an Niklas Luhmann orientierten systemtheoretischen Zugriffe147 sowie aktuelle Studien zur symbolischen148 und politischen149 Kommunikation vor Gericht. Zur Ausdifferenzierung der Perspektiven auf das Rechtswesen haben jedoch noch andere – im Kontext der kulturalistischen Wende in der Geschichtswissenschaft zu verortende – Forschungsziele beigetragen. Recht als kulturelles Phänomen zu fassen,150 führte dabei für mentalitäts-, alltags-, bzw. mikrohistorische Auswertungen von Gerichtsakten zu einem über den Rechtsgegenstand hinausgehenden Erkenntniszuwachs, etwa hinsichtlich historisch-anthropologischer Fragestellungen. In Anknüpfung an Rein145

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Z. B. S-S, Überwachen und Strafen; Joachim E, Städtische Strafjustiz als konsensuale Praxis: Frankfurt a.M. im 17. und 18. Jahrhundert, in: Rudolf S (Hrsg.), Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt, Konstanz 2004, S. 181–214. Alf L, Einleitung: Herrschaft als soziale Praxis, in: D. (Hrsg.), Herrschaft als soziale Praxis, Göttingen 1991, S. 9–63; Ronald G. A/Dagmar F (Hrsg.), Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005; Markus M/Ralf P (Hrsg.), Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses, Münster u. a. 2004; Stefan K, Aushandeln von Herrschaft am Beispiel der Landrekrutenstellung in Kursachsen im 18. Jahrhundert, in: M/P (Hrsg.), Herrschaft, S. 161–194. Um nicht zuletzt die Mittelbarkeit solcher Aushandlungsprozesse bzw. die institutionalisierte Kommunikation besser zu fassen, hat Stefan Brakensiek dagegen das Konzept der „akzeptanzorientierten Herrschaftspraxis“ vorgeschlagen. Stefan B, Akzeptanzorientierte Herrschaft. Überlegungen zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit, in: Helmut N (Hrsg.), Die Frühe Neuzeit als Epoche, München 2009, S. 395–406. Niklas L, Legitimation durch Verfahren, Neuwied/Berlin 1969; Franz-Josef A, Gnade und Verfahren. Kommunikationsmodi im spätmittelalterlichen Stadtgerichtsverfahren, in: S (Hrsg.), Interaktion und Herrschaft, S. 137–162; D., Genossenschaft, Gericht und Kommunikationsstruktur. Zum Zusammenhang von Vergesellschaftung und Kommunikation vor Gericht, in: D./Ingrid B/Vincenzo C/Susanne L/Thomas W (Hrsg.), Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, Frankfurt a.M. 2006, S. 155–186; Barbara S-R/André K (Hrsg.), Herstellung und Darstellung von Entscheidungen – Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, Berlin 2010. Vgl. die Aufsätze in Reiner S (Hrsg.), Symbolische Kommunikation vor Gericht in der Frühen Neuzeit, Berlin 2006. Zu Gerichten als Orte der politischen Kommunikation jüngst z. B. H, Family Business, bes. S. 90–92. Julie Hardwick begreift Justiznutzung dabei, wie bereits in Kapitel 1.1.2 angemerkt, als zentralen Bestandteil ökonomischer Strategien. Dazu R, Rechtskultur; Werner G, Recht als Kultur: Zur kultursoziologischen Analyse des Rechts, Frankfurt a.M. 2006.

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1. Einleitung

hart Kosellecks Reflexionen zu ,Erfahrungsraum‘ und ,Erwartungshorizont‘ als historische Analysekategorien151 wurde Justiz, nach Gerd Schwerhoff einer der „wichtigsten Erfahrungsräume überhaupt“152 , auch unter erfahrungsgeschichtlicher Perspektive untersucht.153 Mit Blick auf Fragen der „Streitkultur“ eröffnen sich weitere Forschungsfelder.154 Hinsichtlich der heuristischen Bedingungen juristischer Semantiken haben sich verschiedene Studien zwar mit einzelnen Phänomenen155 auseinandergesetzt und mittlerweile liegen auch systematische Untersuchungen zur frühneuzeitlichen Rechtssprache vor.156 Doch zuweilen bleibt in der Forschungspraxis die Auseinandersetzung mit den Techniken juristischer Narrationen bei den Verweisen auf die fiktionalen Elemente von Gerichts151

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Reinhart K, ,Erfahrungsraum‘ und ,Erwartungshorizont‘ – zwei historische Kategorien, in: D., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1979, S. 349–375. Gerd S, Justiz-Erfahrungen. Einige einleitende Gedanken, in: M (Hrsg.), „Erfahrung“, S. 341–348, hier S. 345. Vgl. auch B, Erfahrungen, S. 351. Vgl. S, Justiz-Erfahrungen; B, Erfahrungen; Karl H, Erfahrungen in der frühneuzeitlichen Strafjustiz, in: Paul M (Hrsg.), „Erfahrung“ als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte, München 2001, S. 377–388; S-M, Frauen vor Gericht. Vgl. H, Streitkultur; E/K-R (Hrsg.), Streitkulturen. Vgl. Natalie Zemon D, Der Kopf in der Schlinge. Gnadengesuche und ihre Erzähler, Berlin 1988; Katharina S-M, Reden und Schweigen vor Gericht. Klientelverhältnisse und Beziehungsgeflecht im Prozeßverlauf, in: Mark H (Hrsg.), Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.–18. Jahrhundert), Konstanz 1999, S. 35–52; Claudia U, Zeuginnen und Bittstellerinnen. Überlegungen zur Bedeutung von Ego-Dokumenten für die Erforschung weiblicher Selbstwahrnehmung in der ländlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, in: Winfried S (Hrsg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, S. 207–226; Silke G, Zur Konstruktion schichtenspezifischer Wirklichkeit. Strategien und Taktiken ländlicher Unterschichten vor Gericht, in: Brigitta B-B u. a. (Hrsg.), Erinnern und Vergessen: Vorträge des 27. Deutschen Volkskundekongresses Göttingen 1989, Göttingen 1991, S. 443–452; Axel L, Kommunikation im Konflikt. Gutsherrliche Argumentationsmuster zum Bauernlegen im 18. Jahrhundert in Mecklenburg, in: E/K-R (Hrsg.), Streitkulturen, S. 371–388. Allgemein: Ludger H, Kommunikation vor Gericht, Tübingen 1983; Robert J, Sprachliches Handeln und kommunikative Situation. Der Diskurs zwischen Obrigkeit und Untertanen am Beginn der Neuzeit, in: Harry K (Hrsg.), Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Wien 1992, S. 159–181. Andreas G, Rechtssprache in der Frühen Neuzeit. Eine vergleichende Untersuchung der Fremdwortverwendung in den Gesetzen des 16. und 17. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. u. a. 2002; Martin Johannes H, Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u. a. 1992; Ulrike K, Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, Frankfurt a.M. u. a. 2010. Zur rechtshistorischen Semantik m.w.N. Andreas D, Historische Semantik aus Sicht der Rechtswissenschaft, in: Jörg R (Hrsg.), Historische Semantik, Berlin/Boston 2011, S. 111–127.

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

39

akten oder die Nähe zwischen Jurisprudenz und Rhetorik stehen.157 Auch wenn gerade im Bereich des geschlechtergeschichtlichen Zugriffs auf Gerichtstexte geschlechtsspezifisches Sprachverhalten – etwa im Hinblick auf Stereotype – in den Blick genommen wurde,158 so ist dem Zusammenhang von Sprache und Recht sowie den juristisch-institutionell bedingten Argumentationsstrukturen bislang zu wenig Beachtung geschenkt worden. Aktuell erschienene Studien zu Sprachformen in der Rechtspraxis159 und zur juristischen Argumentation160 liefern dafür entsprechende Hinweise. Insgesamt zeichnet sich ein differenzierterer Umgang mit juristischen Narrationen und Begrifflichkeiten bei der historischen Analyse frühneuzeitlicher Gerichtstexte ab. Allerdings mangelt es weiterhin an einer systematischen sozialgeschichtlichen Bearbeitung des frühneuzeitlichen Zivilrechts.161 Dabei gaben die territorial geregelten zivilrechtlichen Materien Rahmenbedingungen für die sozialen Verhältnisse in den jeweiligen Regionen vor.162 So wie sich Anerbenrecht und Realteilung als Grundlage für Vererbungspraktiken sozial unterschiedlich auswirkte und die jeweiligen agrarischen Strukturen einer Region prägten, erwies sich das Ehegüterrecht für die Geschlechterordnung oder 157 158

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Vgl. z. B. Ulrich F, Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2006. Hinsichtlich der Verortung geschlechtsspezifischer Argumentationsmuster in Gerichtstexten haben bereits Andrea Griesebner und Christina Lutter darauf verwiesen, dass entgegen häufiger historiographischer Praxis aktuelle Geschlechterkonzepte der Gegenwart über weiblich oder männlich konnotierte Handlungen, Verhaltens- bzw. Argumentationsmuster nicht auf historische Gesellschaften rückzuprojizieren sind. Beispielsweise sind oftmals geschlechtsspezifisch kategorisierte Argumente eher altersspezifisch oder ständisch ausgerichtet. Vgl. G/M, Fragile Liebschaften. Vgl. Jörg S in Zusammenarbeit mit Konstantin I und Joachim L (Hrsg.), Erzählte Kriminalität. Zur Typologie und Funktion von narrativen Darstellungen in Strafrechtspflege, Publizistik und Literatur zwischen 1770 und 1920, Tübingen 1991; Andreas B/Gerd S (Hrsg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1993; S, Kriminalitätsgeschichte im deutschen Sprachraum, S. 21–67; FranzJosef A, Sprachformeln und Fachsprache. Zur kommunikativen Funktion verschiedener Sprachmodi im vormodernen Gerichtswesen, in: S (Hrsg.), Symbolische Kommunikation, S. 57–72. Albrecht C (Hrsg.), Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, Köln/ Weimar/Wien 2006; Kent D. L (Hrsg.), Die Sprache des Rechts, Bd. 2: Recht verhandeln. Argumentieren, Begründen und Entscheiden im Diskurs des Rechts, Berlin/ New York 2005. Für die juristische Aufarbeitung v.a. Helmut C (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2: Neuere Zeit (1500–1800). Das Zeitalter des gemeinen Rechts, 2. Teilbd.: Gesetzgebung und Rechtsprechung, München 1976; Franz W, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 2. unveränd. Nachdr. der 2. neubearb. Aufl. von 1967, Göttingen 1996. Vgl. dazu Gottfried K, Kultur, in: Hermann B u. a. (Hrsg.), Grundzüge der Volkskultur, Darmstadt 1978, S. 17–80.

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1. Einleitung

das Vertrags- und Schuldrecht für die ökonomischen Verhältnisse bedeutsam. Die Kenntnis um die für die gesellschaftliche Stabilität und Ordnung ebenso wie die strafrechtlichen Grundlagen wichtigen zivilrechtlichen Normen ist somit für die historische Forschung unabdingbar.163 Im Kontext der Verrechtlichungsthese hat sich zumindest in der Untersuchungslandschaft zu den beiden Höchstgerichten des Alten Reiches, dem Reichshofrat und dem Reichskammergericht, viel getan. Quantifizierenden Studien164 wurden qualitative Auswertungen von Prozessakten zu bestimmten Themen- und Prozessfeldern wie Untertanenprozesse, Religionskonflikte, Ehrenhändel oder auch zu Gruppen minderen Rechts (z. B. Juden, Frauen) hinzugefügt; ein eigener Forschungszweig wurde etabliert.165 Eine ähnlich systematische Aufarbeitung der Zivilrechtspraxis in den Territorien des Alten Reiches steht – auch im Unterschied zur Strafgerichtspraxis166 – erst am Anfang.167 Dagegen ist das Gerichtswesen auf lokaler bzw. niedergerichtlicher 163

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167

Hans S, Situation, Zielsetzung und Perspektiven der rechtshistorischen Forschung zum Zivilprozeß. Ein Forschungsbericht, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (= ZNR) 4, 1982, S. 42–51. Siehe dazu auch B, Erfahrungen sowie Helga S-S, Rechtssetzung, Rechtsanwendung und Rechtsnutzung. Recht als Ursache und Lösung von Konflikten, in: H (Hrsg.), Devianz, S. 293– 315; Anja A, Zivilverfahren vor dem Reichskammergericht – Rückblick und Perspektiven, in: B/S (Hrsg.), Reichskammergericht, S. 125–155. Z. B. R, Recht und Gesellschaft. Vgl. exemplarisch zum Forschungsstand m.w.N. Eva O/Siegrid W, Die Höchstgerichtsbarkeit im Alten Reich: Bedeutung, Forschungsentwicklung und neue Perspektiven, in: ZRG, GA 123, 2006, S. 291–304. Zum rechtlichen Verfahren im Zivilprozess: Peter O (Hrsg.), Zwischen Formstrenge und Billigkeit. Forschungen zum vormodernen Zivilprozeß, Köln/Weimar/Wien 2009. Zuletzt B/S (Hrsg.), Reichskammergericht. Gerade die Arbeiten zu Besitzschutzverfahren basieren allerdings nicht auf Prozessaktenauswertungen: Fritz C, Der Besitz in der Rechtsprechung des Reichskammergerichts. Dargestellt auf Grund der Observationen von J. Mynsinger u. A. Gaill, Diss. jur. Frankfurt a.M. 1953; Jessica J, Besitzschutz vor dem Reichskammergericht. Die friedenssichernde Funktion der Besitzschutzklagen am Reichskammergericht im 16. Jahrhundert, dargestellt anhand von Kameralisten, Frankfurt a.M. u. a. 1998. Vgl. u. a. S-S, Überwachen und Strafen; Michael F, Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität. Das Fallbeispiel Lippe 1650–1800, Paderborn 1995 sowie die Synthese von Policey- und historischer Kriminalitätsforschung Karl H, Policey und Strafjustiz in Kurmainz. Gesetzgebung, Normdurchsetzung und Sozialkontrolle im frühneuzeitlichen Territorialstaat, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2005; Harriet R/ Helga S-S (Hrsg.), Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, Trier 2003. Vgl. Monika R, Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur territorialen Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Frankfurt a.M. u. a. 1994; Michaela H, Herrschaft in der Herrschaft. Die vorderösterreichische Obervogtei Triberg von 1737 bis 1780, Göttingen 1998; Nils J/Bernhard D/Kjell Åke M (Hrsg.), Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806), Köln/Weimar/Wien 2003 sowie Armand M, Prozesse niederadeliger Grundherren gegen Dorfgemeinden vor dem hessischen Hofgericht 1500–

1.1 Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext

41

Ebene mit den entsprechenden intermediären Gewalten – v.a. im Zusammenhang mit adels- bzw. agrargeschichtlichen Fragestellungen – punktuell besser untersucht.168 Wie wichtig jedoch die Aufarbeitung gerade des territorialen Gerichtswesens – insbesondere unter der Perspektive der Vorinstanzen für die Reichsgerichte – ist, wurde erst kürzlich wieder deutlich. Justiznutzung im Alten Reich kann nur dann umfassend ermittelt werden, wenn auch die strukturellen Gegebenheiten der Rechts- und Justizlandschaft in den einzel-

168

1620. Ein Beitrag zum Konzept der „Verrechtlichung sozialer Konflikte“ in der Frühen Neuzeit, in: Eckart C/Alexander J/Heide W (Hrsg.), Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert, Marburg 2010, S. 269–291. Rechtshistorische Arbeiten zur territorialen Gerichtspraxis: Frithjof S, Gerichtsorganisation und Prozeßpraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1784 bis 1801, Würzburg 1981; Hagen W, Die Anwendung des Trierer Landrechts von 1668/1713 im rechtsrheinischen Teil des Kurstaates und in benachbarten Gebieten. Zugleich eine Studie zum Verhältnis zwischen Gesetzesrecht und der Rechtswirklichkeit im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt a.M. 1973; Martin P. S, Gesetz und Herrschaft. Die Entstehung des Gesetzgebungsstaates am Beispiel Tirols, Köln/Weimar/Wien 2010; Stefan Andreas S, Das Oberappellationsgericht Celle und seine Rechtsprechung im 18. Jahrhundert, Köln u. a. 2011. U. a. Peter K, Die Protokolle des Bremer Kämmereigerichts von 1600 bis 1800, in: Historical Social Research 40, 1986, S. 72–83; D., Die quantitative und qualitative Auswertung einer frühneuzeitlichen Protokollserie des Gogerichts Grönenberg im Hochstift Osnabrück, in: Vierteljahresheft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (= VSWG) 77, 1990, S. 514–529; Christian W, Civil Litigation and Modernization. The Work of the Municipal Courts of Bremen, Germany, in Five Centuries, 1549– 1984, in: Law & Society Review 24,2 1990, S. 261–282; Winfried H, Konfliktfelder und Formen der Konfliktaustragung im ländlichen Alltag der frühen Neuzeit. Ergebnisse einer Auswertung von Gerichtsprotokollen, in: Ostbairische Grenzmarken 29, 1987, S. 48–67; Silke G, Konstruktion; Peter-Michael H, Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im Zeitalter des „Absolutismus“. Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät für die brandenburgisch-preußischen Territorien 1675– 1710, Berlin 1989; Ferdinand Wilhelm W, Das Gericht Tannenberg. Eine frühneuzeitliche Adelsherrschaft im hessisch-thüringischen Grenzraum vornehmlich im 16. und 17. Jahrhundert, Diss. Kassel 1997; Thomas S, „. . . darmit nachbarliche Eynichkeit mochte erhalten werden.“ Nachbarschaftskonflikte und gerichtliche Quellen zum Nachbarschaftsrecht der Stadt Lemgo zwischen 1590 und 1620, in: Heinz M/Dieter S (Hrsg.), Vorträge zur Justizforschung. Geschichte und Theorie, Bd. 2, Frankfurt a.M. 1993, S. 131–146; P, Frauen vor Gericht; G, Gesamtgericht; Karin G, „auß dem Stattgericht ein Ambtsgericht zu machen“. Lokale Gerichtsbarkeit zwischen landesherrlichen Amtsträgern und städtischem Rat in Grebenstein (18. Jahrhundert), in: F/P/T/V/WH (Hrsg.), Lesarten der Geschichte, S. 317–332; Christine S, Formen der außergerichtlichen gütlichen Konfliktbeilegung. Vermittlung und Schlichtung am Beispiel nachbarrechtlicher Konflikte in Münster (1600–1650), in: Westfälische Forschungen 47, 1997, S. 643–667; D., Nachbarn im Konflikt. Zur Entstehung und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten um Haus und Hof im frühneuzeitlichen Münster, Münster 2007; T, Gerichtspraxis; Monika W, Patrimonialgerichte in Preußen. Ländliche Gesellschaft und bürgerliches Recht 1770–1848/49, Göttingen 2001.

42

1. Einleitung

nen Territorien nachgezeichnet werden.169 Dabei sind auch die Gebiete mit stark verankerten Rechtstraditionen – etwa dem sächsischen Recht – als Bestandteil der Rechtskultur im Alten Reich zu berücksichtigen. Nun wird mit der Judikatur des Jenaer Hofgerichts ein Gericht in den Blick genommen, das im sächsischen Rechtskreis verortet ist. Während das Gerichtswesen im auch zum sächsischen Rechtskreis zählenden albertinischen Kursachsen relativ gut erschlossen ist,170 gibt es für Sachsen-Weimar(-Eisenach) noch erhebliches Forschungspotential.171 Dies gilt vor allem für dessen höchstes Landesgericht, das Jenaer Hofgericht. Lediglich mit Bernhard Gottlieb Huldreich von Hellfelds Studie aus dem Jahre 1782 liegt eine Arbeit über das – neben der landesherrlichen Jurisdiktion – höchste Gericht des ernestinischen Herzogtums vor.172 Erst dessen Nachfolgeinstitution, das ab 1816/1817 als Oberappellationsgericht über Sachsen-Weimar-Eisenach hinaus für weitere thüringische Staaten verantwortlich war, wurde rechtshistorisch untersucht.173 Neben

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173

Anja A/Anette B/Stephan W/Siegrid W (Hrsg.), Gerichtslandschaft Altes Reich. Höchste Gerichtsbarkeit und territoriale Rechtsprechung, Köln/Weimar/Wien 2007; S, Oberappellationsgericht Celle, S. 269. Christian Gottfried K, Geschichte des Churfürstlich Sächsischen Oberhofgerichts zu Leipzig von seiner Entstehung 1483 an bis zum Ausgange des XVIII. Jahrhunderts, Leipzig 1804; Adolf L, Ursprung und Entwicklung der höchsten sächsischen Gerichte. Ein Beitrag zur Geschichte der sächsischen Rechtspflege, Leipzig 1905; Heiner L, Die kursächsische Gerichtsverfassung (1423–1550), Köln/ Weimar/Wien 1997; D., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristen. Organisation, Verfahren, Ausstrahlung, Köln 1998; Martina S, „... dass die Untertanen außerhalben Rechtens in nichts willigen und eingehen wollen“. Gerichtsprozesse in einem sächsischen Rittergut im 16. und 17. Jahrhundert, in: P (Hrsg.), Gutsherrschaft als soziales Modell, S. 385–400; D., Mit den Mitteln des Rechts. Studien zum Konfliktaustrag in einem sächsischen Rittergut, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 22, 1993, S. 293–311; Thomas R, Zwischen landesgesetzlichem Rahmen und gutsherrschaftlicher Praxis. Zur ökonomischen und juristischen Situation kursächsischer ländlicher Untertanen in der Stolpener Pflege im 17. und 18. Jahrhundert, in: Jan P (Hrsg.), Konflikt und Kontrolle in den Gutsherrengesellschaften. Über Resistenz- und Herrschaftsverhalten in ländlichen Sozialgebilden der Frühen Neuzeit, Göttingen 1995, S. 315–358; Ulrike L, Das Herz der Justitia. Gestaltungspotentiale territorialer Herrschaft in der Strafrechts- und Gnadenpraxis am Beispiel Kursachsens 1548–1648, Konstanz 2008. Vgl. Angela K, Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena. Strukturen, Tätigkeit, Bedeutung und eine Analyse ausgewählter Spruchakten, Frankfurt a.M. u. a. 2008, S. 3 f. Für den Forschungsstand zu den rechtlichen Grundlagen in Sachsen-Weimar(-Eisenach) vgl. die Nachweise in den jeweiligen Kapiteln. Bernhard Gottlieb Huldreich von H, Versuch einer Geschichte der landesherrlichen höchsten Gerichtsbarkeit und derer Hofgerichte in Sachsen, besonders des gesammten Hofgerichts zu Jena, Jena 1782. Ulf H, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena. Ein Beitrag zur Geschichte des Gerichtswesens im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u. a. 1996.

1.2 Quellenbasis

43

universitäts-174 , behörden-175 und stadtgeschichtlichen176 Verortungen des Jenaer Hofgerichts findet das Gericht auch in der Studie Siegrid Westphals zur Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten Erwähnung.177 Intensiver als das Hofgericht wurden vor allem der Jenaer Schöppenstuhl178 sowie das Strafrechtswesen Sachsen-Weimar-Eisenachs untersucht.179 Darüber hinaus finden sich in den Standardwerken Fritz Hartungs und Georg Mentz‘ zur politischen Geschichte des Herzogtums Informationen über dessen Rechtswesen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.180 Ebenfalls in diesem Zeitraum angesiedelt ist der Einblick in die Reformbemühungen des Justizwesens, den Markus Ventzke im Rahmen seiner Studie über das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach (1775–1783) geleistet hat.181

1.2 Quellenbasis Die Studie basiert in erster Linie auf Untersuchungen der im Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar aufbewahrten Archivalien des Jenaer Hofgerichts. In diesem Rahmen werden die Akten der ,Abteilung Weimar‘ 174 175

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Stefan W, Fürstliche Normen und akademische „Observanzen“. Die Verfassung der Universität Jena 1630–1730, Köln/Weimar/Wien 2009. Ulrich H, Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1952, Jena/Stuttgart 1993. Katja D, Stapelstadt des Wissens. Jena als Universitätsstadt zwischen 1770 und 1830, Köln/Weimar/Wien 2007. Siegrid W, Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648–1806, Köln 2002, S. 73. Max V, Der Schöppenstuhl zu Jena (1588–1882), in: ZVThGA 36, 1929, S. 189– 219; Gerhard L, Vom Schöppenstuhl zum Oberlandesgericht. Zu vier Jahrhunderten Rechtsprechung in Jena, in: Hans-Joachim B/Olaf W (Hrsg.), Festschrift zur Wiedererrichtung des Oberlandesgerichts in Jena, München 1994, S. 3– 44; K, Spruchkörper; Nicole G, Die höchste Gerichtsbarkeit und der Jenaer Schöppenstuhl. Zivilrechtsprechung und Geschlechterverhältnis im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: W (Hrsg.), In eigener Sache, S. 81–107; D., Eigentum. Friedrich Wilhelm L, Die Strafrechtspflege in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August, Berlin/Leipzig 1929; Gerhard L, Injurie und Injuriensachen im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, in: Stefan M (Hrsg.), Organisation der Kritik. Die Allgemeine Literatur-Zeitung in Jena 1785–1803, Heidelberg 2004, S. 143–156. Fritz H, Das Großherzogtum unter der Regierung Carl Augusts 1775–1828, Weimar 1923; Georg M, Weimarische Staats- und Regentengeschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Carl Augusts, Jena 1936. Markus V, Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1775–1783. Ein Modellfall aufgeklärter Herrschaft?, Köln/Weimar/Wien 2004.

44

1. Einleitung

erstmals systematisch ausgewertet. Mit insgesamt 1.605 überlieferten Verfahren aus dem Herzogtum Sachsen-Weimar bzw. Sachsen-Weimar-Eisenach ist dieses Quellenkorpus eines der umfangreichsten aus dem Bestand des Jenaer Hofgerichts. Als gemeinschaftliches Gericht der sachsen-ernestinischen Herzogtümer oblag diesem auch die höchste Gerichtsbarkeit über Sachsen-Gotha(-Altenburg) (1.924 Verfahren), Sachsen-Meiningen (36 Verfahren), Sachsen-Hildburghausen (24 Verfahren), Sachsen-Coburg-Saalfeld (203 Verfahren) sowie die Schwarzburg-Sondershausische Herrschaft Arnstadt (113 Verfahren). Im Zentrum der Studie stehen Fallanalysen anhand der Prozessakten, die im Untersuchungszeitraum von 1648 bis 1806 insgesamt 1.050 Fälle, davon 275 Verfahren mit Frauenbeteiligung umfassen. Die Verfahren sind in einem Repertorium erfasst, das neben den Namen der Beklagten und Klägern ihren familiären und sozialen Stand, Wohnort, Streitgegenstand, Verfahrensart, Prozessbeginn, -ende sowie den Aktenbestand der einzelnen Rechtsverfahren aufführt. Abgesehen von den Prozessakten sind weitere Quellen aus dem Aktenbestand des Jenaer Hofgerichts heranzuziehen, um dessen Funktionsweise zu rekonstruieren. Die Bestände enthalten Prozessordnungen, Akten mit administrativen und verfahrensrechtlichen Belangen, Fragen der Stellenbesetzung und Besoldung, Schriftverkehr mit unteren Behörden und der Landesregierung, Reskripte derselbigen und chronologisch geordnete Urteilsbücher.182 Der Entscheidungsfindungsprozess durch das Hofgericht lässt sich anhand der Akten in der Regel nicht rekonstruieren. Eine Dokumentation fehlt ebenso wie eine umfangreichere Urteilsbegründung.183 Allerdings enthalten die an den Landesherrn gerichteten Appellationen Berichte des Hofgerichts, die in Einzelfällen mit entsprechenden Urteilsbegründungen versehen sind. Insofern die Landesregierung über eine zur Judikatur des Jenaer Hofgerichts parallele Rechtsprechungskompetenz verfügte, sind auch die diesbezüglichen Aktenbestände zu konsultieren. Auf dieser Basis lassen sich Fragen zur Ausrichtung und Abgrenzung beider Rechtsprechungsorgane sowie insgesamt zur Stellung des Jenaer Hofgerichts in der Gerichtslandschaft Sachsen-Weimar(-Eisenachs) beantworten. Wichtige Aufschlüsse über die Arbeitsweise des Gerichts geben darüber hinaus die Visitationsakten, die speziell das Hofgericht betreffen, aber auch im Zusammenhang mit den Visitationen des Jenaer Schöppenstuhls angefertigt worden sind.184 Darüber

182 183

184

ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia. Somit müssen Rückschlüsse auf die Rechts- und Verfahrensgrundsätze in der Gerichtspraxis allein aus der Gewichtung der Beweismittel und der rechtlichen Argumentationen der Anwälte (mit den zitierten Rechtsgrundlagen) gezogen werden. ThHStAW, Bestand A, Kunst und Wissenschaft: A 5515 (Visitation 1660–1670), A 5552 (Visitation 1766/67), A 5512 (Visitationen 1643–1654). Eigenständige Visitation des Hofgerichtes: A 7950 (1696–1707).

1.2 Quellenbasis

45

hinaus finden sich im Bestand des Hofgerichts hinterlegte Testamente (76), die zusätzliche Informationen zu erbrechtlichen Fragen liefern.185 Grundlage einer Analyse strittiger Eigentums- und Besitzrechte in der Rechtspraxis bildet die Herausarbeitung des Eigentumsbegriffs und der Eigentumsrechte aus den normativen Quellen und der zeitgenössischen Rechtsliteratur. Herangezogen werden dabei die auch vom Jenaer Hofgericht rezipierten Lehren des Usus modernus und der Naturrechtslehre sowie zeitgenössische Repertorien und Rechtslexika. Ein weiteres Quellenkorpus bilden die gesetzlichen Grundlagen, angefangen bei der Landesordnung von 1589 über die Kursächsischen Konstitutionen bis hin zu den lokalen Statuten. Die naturrechtlichen Kodifikationen, hier speziell das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, werden in der Rechtsprechungspraxis des Jenaer Hofgerichts nicht rezipiert und daher nicht eigens in den Blick genommen. 1.2.1 Gerichtsakten als Quelle Der klassischen Einteilung von historischen Quellen entsprechend zählen Gerichtsakten zur Tradition, die als Überreste administrativer Handlungen überliefert sind.186 Sie umfassen Akten aller Gerichtshandlungen, die bei einem Verfahren anfielen.187 Dabei unterscheidet sich das aus zivilrechtlichen Verfahren stammende Quellenkorpus bereits hinsichtlich seiner Entstehungsbedingungen von den Akten, die als Gerichts- bzw. Verhörprotokolle im Kontext von Strafrechtsverfahren entstanden sind und insbesondere der historischen Kriminalitätsforschung als zentrale Quellengrundlage dienen.188 Aufbau und Bestandteile der zivilen Gerichtsakten sind äußerst heterogen und nach Entstehungskontext, Streitgegenstand, Prozessart und dem Verlauf der Verfahren differenzier- bzw. kategorisierbar. Sie können folgende Quellensorten umfassen: Klageschriften, Berichte der niederen Instanzen, Citationes (Ladungen), Vollmachten, einstweilige Verfügungen, die von den Parteien im dialogischen Wechsel eingebrachten Einreden (actio) und Gegenreden (exceptio) mit den weiteren Stellungnahmen (Replik, Duplik, Triplik, Quadruplik), Protokolle der gütlichen Handlungen und Begehungen, Zeugenaussagen, Schriftverkehr zwischen den Parteien, Zwischenbescheide, 185 186 187

188

ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 86–200. Johann Gustav D, Historik, 7. Aufl., Darmstadt 1972, S. 37 ff. Vgl. die zeitgenössischen Definitionen: Art. Gerichts-Buch, in: Johann Heinrich Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 10, Halle/Leipzig 1735, Sp. 1113 sowie Art. Gerichtsacten, in: Jacob G/Wilhelm G, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, Leipzig 1873, Sp. 3654. Vgl. Martin S, Gerichtsakten, in: Josef P/Martin S/Thomas W (Hrsg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert), Wien/München 2004, S. 561–571.

46

1. Einleitung

Endurteile, Appellationen bzw. Suppliken an den Landesherren, Berichte des Hofgerichts an den Landesherren, Kostenberechnungen und Botenberichte. Darüber hinaus enthalten sie die jeweiligen Beweisgrundlagen wie Kaufkontrakte, Eidablegungen, Rechtsgutachten von Juristenfakultäten, Grundstücksvermessungen, Zeugenaussagen, Testamente oder Inventare. Wichtigste Quellengrundlage für die Fallanalysen bilden die Klageschriften, die weiteren Einreden, der Schriftverkehr der Parteien und die Suppliken. Diese Bittschriften fungierten als außerordentliches Rechtsmittel in Verfahren, deren Adressat der Landesherr bzw. die Landesregierung war. Sie fielen im Rahmen des Instanzenzuges an, wenn an den Landesherren gegen Entscheide des Hofgerichts appelliert wurde.189 Im Unterschied zu den formalisiert gestalteten Klageschreiben waren die Suppliken in der Regel in ihrem Aufbau und ihrer Argumentation formloser gestaltet. Der Gerichtsstil orientierte sich an den kanzlistischen Stilelementen, die in Form von Formularbüchern190 , Musterschriften für alle Fälle des Rechtsverkehrs, zugänglich waren.191 Den Rahmen gaben jedoch die Hofgerichtsordnung (HGO) sowie der stilus curiae, der Gerichtsbrauch, mit den am Gericht etablierten gerichtsüblichen Förmlichkeiten vor. Orientierung boten darüber hinaus auch die juristischen Stil- und die auf die Prozesspraxis bezogene Praktikerliteratur.192 1.2.2 Hermeneutik Mit dem cultural turn hat sich die Perspektive auf Gerichtsakten als Basis für eine ,neue‘ Sozial-, Wirtschafts-, Alltags- bzw. Mentalitätsgeschichte sowie für Forschungen zu sozialen Wissensbeständen erweitert.193 Systematisch werden Gerichtsakten für mikrohistorische Rekonstruktionen von Lebens189

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191 192

193

Wobei lediglich die Suppliken im Kontext von rechtsanhängigen Verfahren beim Jenaer Hofgericht verzeichnet sind und daher die direkte Anrufung des Landesherrn unter Umgehung des Instanzenzuges nicht in Betracht gezogen wird. Vgl. zu Suppliken Martin Paul S, Supplikationen, in: P/S/W (Hrsg.), Quellenkunde, S. 572–584. Überblick über die einflussreichsten Formularbücher bei Gottfried Daniel H, Vermischte Beobachtungen aus denen Deutschen Staats=Geschichten und Rechten, 3. Bd., Ulm/Frankfurt/Leipzig 1762, Kap. VII: Geschichte derer lateinischen sowohl als teutschen Formular=Büchern [. . . ] von denen ältisten Zeiten, bis auf das siebenzehende Jahrhundert, S. 183–204. Nachschleppen der Verben, Partizipialsätze, Parenthesen, vgl. H, Reform, S. 185. Z. B. Johann Georg S, Anleitung zur Juristischen Praxi, Nürnberg 1761; Achatius Ludwig Carl S, Kurze Anweisung, wie die Kunst zu referiren angewendet werden müssen, Jena 1766; Daniel N, Versuch einer Anleitung zu der ganzen Practischen Rechtsgelahrtheit, Halle 1767. Vgl. Ralf-Peter F/Winfried S (Hrsg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit, Münster u. a. 2002; Alexander S, Soziales Wissen und dörfliche Welt. Herr-

1.2 Quellenbasis

47

welten herangezogen und – allerdings umstritten – als Ego-Dokumente gelesen.194 Gerichtsakten werden insgesamt ein hoher Quellenwert beigemessen – trotz aller ,Hyperrelativismen‘195 , die sich aus der Reflexion der komplexen Interpretationsprobleme zuweilen ergeben. Dessen ungeachtet ist es jedoch methodisch unabdingbar, die heuristischen Bedingungen von Gerichtsquellen hinsichtlich ihres Entstehungskontextes und ihrer Intention umfassend zu berücksichtigen. Denn die Texte der Parteien enthalten typisierte Kommunikation und sind Ausdruck einer spezifischen Interessenkonstellation der Akteure vor Gericht. Sie sind auf die Produktion von Plausibilität ausgerichtet. Dazu wurde die Komplexität des realen Handlungsgeschehens auf prozessrelevante Ausschnitte der sozialen Wirklichkeit hin selektiert sowie auf Rechtsfiguren reduziert. Daraus war ein dem geltenden Recht entsprechender, kohärenter und justiziabler Fall zu konstruieren, den es gegen die konkurrierenden Narrative der Gegenpartei durchzusetzen galt.196 Diese mussten formalen, institutionellen (stilus curiae), narrativen und materiellrechtlichen Anforderungen genügen. Dabei fungierten professionelle Anwälte als „Mittlerinstanz zwischen Gericht und Partei“197 , die die Anpassung des Klagevorhabens an das gerichtliche Reglementarium übernahmen und Argumentationslinien vorgaben. Gleichwohl ein in den Akten dokumentierter Fall in besonderer Weise Konsistenz suggeriert, sind daher unmittelbare Rückschlüsse auf gesellschaftliche Realitäten, mithin auf individuelle Lebenspraxen, Selbstdeutungen oder Weltbilder der Akteure, nicht ohne weiteres möglich. Die überlieferten Texte der Prozessparteien enthalten in erster Linie Reflexe ihrer Strategien; sie folgten dem interessegeleiteten Kalkül. Die hermeneutischen Grenzen von Gerichtstexten, die Katharina Simon-Muscheid prägnant als eine Mischung von „real Faktischem

194

195 196

197

schaft, Jagd und Naturwahrnehmung in Zeugenaussagen des Reichskammergerichts aus Nordschwaben (16.–17. Jahrhundert), Frankfurt a.M. u. a. 2000. Nach Winfried Schulze weisen Gerichtsprotokolle logische Brüche auf, die die Rekonstruktion von Selbstdeutungen der Akteure vor Gericht ermöglichen. Winfried S, Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte?, in: D. (Hrsg.), Ego-Dokumente, S. 11–30. Richard J. E, Fakten und Fiktionen. Über die Grundlagen historischer Erkenntnis, Frankfurt a.M./New York 1998, S. 112 f. Ludger H, Vom Ereignis zum Fall. Sprachliche Muster zur Darstellung und Überprüfung von Sachverhalten vor Gericht, in: S (Hrsg.), Erzählte Kriminalität, S. 87–114; Wolfgang S, Relationen und Referierkunst. Zur Juristenausbildung und zum Strafverfahren um 1790, in: S (Hrsg.), Erzählte Kriminalität, S. 159– 176; U, Zeuginnen, S. 207–226; Regina S, Bürgerliches Recht und bäuerliche Norm. Semantische Konfliktlinien im Dorf des 19. Jahrhunderts im Spiegel bayerischer Gerichtsakten, in: M/S (Hrsg.), Vorträge zur Justizforschung, Bd. 2, S. 405–425. Thomas L, Der Rechtsanwalt und das juristische Argument, in: C (Hrsg.), Juristische Argumentation, S. 75–96, hier S. 75.

48

1. Einleitung

und fiktionaler Realität“198 charakterisiert hat, relativieren den Wert von Gerichtsakten als Zugang zu Handlungsmustern und Werthaltungen allerdings nicht grundsätzlich. Mit Gerd Schwerhoff kann angenommen werden, dass der rechtliche Rahmen als analytisches Korrektiv dient.199 Schwerhoff hat darüber hinaus auf den Unterschied zwischen der konkreten ,Wahrheit‘ eines Falls und einer damit nicht unbedingt konvergenten allgemeinen gesellschaftlichen ,Wahrheit‘ verwiesen.200 Dabei geht er davon aus, dass eine Aussage im zeitgenössischen Interpretationshorizont als plausibel angenommen werden können muss. Auf dieser Grundlage sind historische Analysen nicht einer individuellen ,Wahrheit‘, sondern des sozialen Alltagswissens und gesellschaftlicher Werthaltungen möglich.201 Die hermeneutischen Probleme im Umgang mit Gerichtsquellen lassen sich durch den Fokus auf die forschungspraktisch vielfach ausgeblendete202 Technik und Logik juristischen Argumentierens und ihrer narrativen Strategien eingrenzen.203 Methodisch sind dazu die Grundlagen der Bedeutungsfindung im Rahmen einer Rechtssemiotik bzw. historischen Semantik zu reflektieren und mit literaturwissenschaftlichen Narrativitätskonzepten zu verbinden.204

1.3 Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik Die kommunikativen Aushandlungsprozesse vor Gericht wurden sowohl durch das Einbringen juristischer Argumentationen auf der Basis gesetzestextlicher Normen und Rechtstraditionen als auch nichtjustiziabler 198

199 200 201

202 203

204

Katharina S-M/Christian S, Zur Lektüre von Gerichtsquellen: Fiktionale Realität oder Alltag in Gerichtsquellen, in: Dorothea R/Katharina S-M/Christian S, Arbeit, Liebe, Streit. Texte zur Geschichte des Geschlechterverhältnisses und des Alltags, 15. bis 18. Jahrhundert, Liestal 1996, S. 17–39. Vgl. S, Gerichtsnotorisch, S. 65. Ebd. S, Gerichtsnotorisch, S. 66; Ralf-Peter F, „Gott läßt sich nicht verspotten“. Zeugen im Parteienkampf vor frühneuzeitlichen Gerichten, in: B/S (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte, S. 315–335. Vgl. die Kritik an historischen Zugriffen bei Dietrich B, Historische Semantik. Analyse eines Programms, Stuttgart 1987, S. 27. Beispielhaft Natalie Zemon D, Fiction in the Archives. Pardon Tales and Their Tellers in Sixteenth-Century France, Stanford 1987, die die fiktionalen Elemente von Gnadengesuchen in Frankreich herausgearbeitet hat. Vgl. zum Ansatz der Konstruktion von Realitäten vor Gericht z. B. G, „Das Mensch“ und „der Kerl“. H, Vom Ereignis zum Fall; vgl. zum Ansatz der „narrativen Distanzierung“ Konstantin I, Exkurs zur Theorie des Erzählens, in: S (Hrsg.), Erzählte Kriminalität, S. 20–24.

1.3 Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik

49

Sachverhalte gekennzeichnet.205 Letztere präsentierten sich als intentionaler oder auch subtextueller Diskurs zentraler Leitkategorien der ständischen Gesellschaft des Alten Reiches wie Gemeinnutz, „gute Policey“ oder Ehre. Besondere Beachtung hat in der Forschung allerdings – wie bereits gezeigt – die Kategorie Geschlecht gefunden, der eine herausragende Bedeutung vor Gericht zugeschrieben wurde. Generiert wurde diese Auffassung aus dem Fokus auf strafrechtliche Verfahren, deren Streitgegenstand mehr oder minder das Geschlecht selbst ist. Mit Blick auf die Zivilrechtspraxis verändert sich die Perspektive hin zu Auseinandersetzungen um Eigentum und Besitz. Dabei fielen gegenüber dem Strafrecht religiöse und moralische Verhaltensnormen weg, aus deren Geschlechterbild oftmals eine für Frauen nachteilige Rechtsposition erwuchs, die auf die Geschlechterordnung rückwirkte. War die „Herstellung dieser Geschlechterordnung durch Recht [. . . ] fundamental für die gesellschaftliche Ordnung überhaupt und erster Regelungsmechanismus für die Verteilung gesellschaftlicher Macht“206 , dann muss dieser Zusammenhang für die Zivilrechtspraxis neu bestimmt werden. Dabei ist das Vorhaben, den analytischen Ausgangspunkt nicht beim Geschlecht selbst, sondern vielmehr beim Eigentum anzusetzen, probates Mittel dafür, die behauptete Prädominanz von Geschlecht über Recht kritisch zu überprüfen. Diesem liegt zum einen die Hypothese zugrunde, dass Geschlecht nicht die Qualität einer durchgängig ubiquitären Strukturkomponente aufweist und zum anderen der Faktor Eigentum weit mehr den Rechtsstatus einer Person bestimmte, als es andere Differenzkategorien wie Geschlecht, Personenstatus oder Stand vermochten. Gilt es Eigentum als wichtiges Strukturelement der ständischen Gesellschaft des Alten Reiches zu bestimmen, so bezieht sich das in diesem Kontext vor allem auf dessen Eigenschaft, personenrechtliche Differenzierungen bzw. Beschränkungen z. B. qua Geschlecht zu unterlaufen. Inwiefern mit Blick auf die Kategorie Eigentum auch der Stellenwert anderer in Relation zum Eigentum mitverhandelter Kategorien neu zu gewichten ist, soll daher auf der Basis von Gerichtsakten, insbesondere den Parteieneinreden, herausgearbeitet werden. Werden dabei die gerichtlich ausgetragenen Konflikte als Aushandlungsprozesse bestimmt, dient diese Begriffsbildung als eine heuristische Kategorie. In Anlehnung an o.g. Konzepte, die Herrschaft als soziale Praxis und als „kommunikativen Prozess“207 verstehen, charakterisiert diese Perspektive die Gerichtssituation als ein wechselseitiges Agieren der verschiedenen Akteure (Richter, Anwälte und Rechtsuchende).208 Damit wird der Prozess der Rechtsprechung nicht als obrigkeitlich-herrschaftliches Ok205

206 207 208

Vgl. John B, Policy Arguments in Judicial Decisions, Oxford 1983; Alain W, Argumentationsmuster in belgisch-niederländischen Konsiliensammlungen des 16. Jahrhunderts. ,Policy considerations’ in der ius commune-tradition, in: C (Hrsg.), Juristische Argumentation, S. 55–73. G, Diskriminierung, S. 76. M/P (Hrsg.), Herrschaft, S. 44 f. Julie Hardwick nutzt den Begriff der „litigation community“, der alle Akteure eines Pro-

50

1. Einleitung

troy verstanden. Perspektivisch wird bei der Flexibilität des Rechts und seiner Institutionen sowie der individuellen Handlungsoptionen und Dispositionen der Akteure angesetzt – ohne jedoch hierarchische Beziehungen oder Abhängigkeiten gänzlich ausblenden zu wollen. Stehen dabei gegenüber anderen gesellschaftlichen Leitkategorien zu gewichtende Eigentums- und Besitzrechte im Mittelpunkt, ist auch das zugrunde liegende Eigentumsverständnis konkret zu bestimmen. Eigentum wird in diesem Kontext insoweit als analytische Kategorie verwendet, als hierunter entsprechend des frühneuzeitlichen Verständnisses höchst unterschiedliche Formen von dinglichen Rechten und abgestuften Berechtigungen subsumiert wurden. Eigentum war ein Zuordnungsbegriff, der je nach Herkunft oder nach Nutzungsnähe funktionalisiert wurde und sich erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einem allgemeinen, umfassenden Eigentumsverständnis wandelte. Die Studie nimmt vor allem die an Eigentum gebundenen Rechte in den Blick. Neben konkurrierenden Eigentumsrechten an Haus, Grund und Boden werden jedoch auch konfliktive Gütertransfers bei Erbprozessen sowie Schuldbeziehungen untersucht, die sich eher mit dem Vermögensbegriff konzeptualisieren lassen. Vermögen umfasst die Gesamtheit einer Person zustehenden Gegenstände (Immobilien, Fahrnis, persönliche Habe: Bargeld, Obligationen) und entspricht insbesondere im Schuldwesen Geldwerten. Diese sind jedoch an dingliche Gegenwerte (Haftung, Pfandleihe) rückgebunden, so dass sich auch Schuld- bzw. Kreditbeziehungen in die auf Eigentum und Besitz ausgerichtete These der Arbeit einpassen lassen. Neben der rein rechtlichen Dimension des Eigentumsbegriffes, der eine Grundlage der Arbeit bleibt, wird Eigentum jedoch auch im weiteren Sinne als kulturelles Konstrukt bzw. als Leitidee verstanden. Für die Situation vor Gericht bedeutet dies vor allem, dass Eigentum je nach Kontext und in Relation zu anderen Kategorien mit kulturellen, sozialen oder politischen Sinnbezügen oder Wertvorstellungen aufgeladen werden konnte. Für die methodische Ausrichtung dieser Arbeit resultiert daraus ein besonderes Augenmerk auf das sprachliche Handeln vor Gericht. So werden anhand von Fallanalysen die Argumentationsmuster der Parteien, mit denen Eigentumsansprüche oder -schutz fundiert wurden, in ihrer Gewichtung herausgearbeitet und der Quellenlage entsprechend nach der Rezeption durch die Rechtsprechung bewertet.209 Im Zentrum der Analyse steht dabei die diskursive Praxis der Parteien vor Gericht, die auf den Texten der Parteien mit ihren jeweiligen Fallerzählungen basiert. Anleihen bei der semantischen

209

zesses (Richter, Anwälte, Streitparteien und Zeugen) in die politische Kommunikation vor Gericht einschließt. H, Family Business, S. 89–92. Urteilsbegründungen sind lediglich im Rahmen von Berufungen einer Partei an die Landesregierungen überliefert.

1.3 Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik

51

Wortfeld- und Kontextanalyse210 bieten ein methodisches Instrumentarium für die Untersuchung der juristischen Sprache, d. h. den rechtlichen und narrativen Strukturen der Gerichtstexte. Entscheidende Prämisse ist dabei, dass sich die Gerichtskommunikation in einem topisch organisierten Diskurs konstituierte. Besondere Aufmerksamkeit kommt daher dem Gebrauch von Topoi und eristischer Muster als wichtige Elemente juristischen Argumentierens zu.211 Topik fungiert im Kontext der juristischen Argumentation als situative Ordnungslehre212 , wobei sich Topoi als „operative Prämissen“213 bestimmen lassen. Unter Rezeption der klassischen Bestimmung als sedes argumentorum durch die Rhetoriklehren Aristoteles‘ oder Quintilians begreift die Rhetorische Rechtstheorie Topoi als „Suchformeln oder heuristische Gesichtspunkte, mit deren Hilfe sich juristische Begründungen finden, sammeln und katalogisieren lassen.“214 Neben fachlichen Topoi wie Präzedenz, Vergleich oder Analogie werden dabei erfahrungspraktische (allgemeine Lebensregeln, Stereotypen) und sachlogische Topoi (Äquivalenz, Relation, Kausalität) voneinander unterschieden. Dazu kommen noch Standardargumente, Wertformeln, Rechtssprichworte und Rechtsbegriffe.215 In 210 211

212

213 214 215

K, Vergangene Zukunft. Die These von der Rhetorizität des Rechts (Theodor Vieweg, Rhetorische Rechtstheorie), führte zu einem Methodenstreit in der Rechtswissenschaft, da Vertreter der traditionellen Methodenlehre das Gesetzbindungspostulat unterminiert sahen. Mit der Versachlichung dieser Auseinandersetzungen wird der juristische Herstellungsprozess zunehmend auch im Kontext außerrechtlicher, rhetorischer Faktoren betrachtet. Theodor V, Topik und Jurisprudenz, 5. Aufl., München 1974 (Erstauflage 1954). Vgl. die Beiträge in: L (Hrsg.), Die Sprache des Rechts, Bd. 2, u. a.: Gerhard S, Eristik für Juristen. Konzeptuelle Überlegungen und praktische Beispiele, in: ebd., S. 521–547; Gerhard S, Topische Jurisprudenz. Argument und Gemeinplatz in der juristischen Arbeit, Frankfurt a.M. 1971; Klaus L, Juristische Topik und konsensorientierte Rechtsgeltung, in: Norbert H (Hrsg.), Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, München 1982, S. 549–564; Heino G, Zur rhetorischen Begründungsfunktion juristischer Topik, in: Thomas S/Gert U (Hrsg.), Topik und Rhetorik – Ein interdisziplinäres Symposium, Tübingen 2000, S. 499–519; Jan S, Topik und Jurisprudenz in der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang D/Stefan M/Norbert W (Hrsg.), Muster im Wandel. Zur Dynamik topischer Wissensordnungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 2008, S. 33–48. Mit dem rhetorical turn liegen mittlerweile zwei Grundlagenwerke über die rechtswissenschaftliche Bedeutung der Topik vor: Jan S, Recht als Wissenschaft. Geschichte der juristischen Methode vom Humanismus bis zur historischen Schule (1500–1850), München 2001; Christian F, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, Tübingen 2007. Katharina G  S, Zur topisch-pathetischen Ordnung juristischen Denkens. Resultate empirischer Rhetorikforschung, in: L (Hrsg.), Die Sprache des Rechts, Bd. 2, S. 405–448. Wolfgang G, Juristische Rhetorik, 4. neu bearb. Aufl., Heidelberg 2006, S. 151. G  S, Ordnung, S. 439. Gregor K, Juristische Rhetorik. Systematische, historische und interdisziplinäre Aspekte der forensischen Beredsamkeit, in: L (Hrsg.), Die Sprache des Rechts, Bd. 2, S. 321–342. Für eine weitere Typologie von Topoi vgl. G  S,

52

1. Einleitung

der vorliegenden Studie sind jurisdiktionell-fachliche, materiale Topoi von den Topoi sozialer Inszenierungen zu trennen, die als ,labelling approach‘ weniger eine gesellschaftliche Wirklichkeit reflektierten als gesellschaftliche Zuschreibungen und Ordnungsvorstellungen präsentierten. Untersucht wird, mit welchen gesellschaftlich relevanten Argumentationsmustern ein Topos in bestimmten Konfliktkonstellationen verbunden wurde. Die kontextanalytische Abkopplung der Topoi bzw. mitverhandelter Kategorien von ihrer semantischen Aufladung ermöglicht dabei gegebenenfalls das Herausfiltern der Argumentationen, die als zentrale gesellschaftliche Leitbilder und nicht als Topoi im Sinne rhetorischer Motive fungierten. Mit dieser Perspektive lässt sich an die politische Kultur- und Kommunikationsforschung anschließen, zumal sich mit dem Begriff der politischen Kommunikation kontext- und zeitgebundene gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen ganz unterschiedlicher Traditionen einbeziehen lassen.216 Methodisch greift die Arbeit auf die Verbindung von qualitativen und quantifizierenden Methoden zurück. Die Berücksichtigung der quantitativen Ebene ist erforderlich, um zunächst das Profil der Inanspruchnahme des Jenaer Hofgerichts durch Frauen zu bestimmen. Ausgangsbasis für die quantitative Analyse bilden dabei alle 1.050 im Zeitraum von 1648 bis 1806 am Hofgericht anhängigen Rechtsverfahren aus Sachsen-Weimar(-Eisenach). Für die qualitative Analyse werden die insgesamt 275 Verfahren mit Frauenbeteiligung selektiert, um die Untersuchung des Arguments Geschlecht zu gewährleisten. Dies ermöglicht den Nachweis, dass – im Unterschied zur Strafrechtspraxis – Geschlecht im Kontext von Eigentum als eine nachrangige, relationale Kategorie fungierte. Vor der quantitativen Analyse ist jedoch die Untersuchung institutioneller und normativer Rahmenbedingungen zu leisten. Zum einen wird dazu der Fokus auf die Judikatur des Jenaer Hofgerichts als Verhandlungsort der Eigentums- und Besitzstreitigkeiten gerichtet,

216

Ordnung, S. 440; V, Topik, S. 104; G, Begründungsfunktion, S. 502–504; S, Jurisprudenz, S. 20 ff. Vgl. Luise S-S, Politische Kommunikation als Forschungsfeld. Einleitende Bemerkungen, in: Angela D B/Gustavo C/Brigitte M/ Luise S-S (Hrsg.), Die Sprache des Politischen in actu. Zum Verhältnis von politischem Handeln und politischer Sprache von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Göttingen 2009, S. 7–18, bes. S. 10–13; Herfried M/Marcus L, Ideengeschichte (Politische Philosophie), in: Otfried J u. a. (Hrsg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 65–80; Willibald S, Neue Wege einer historischen Semantik des Politischen, in: D. (Hrsg.), „Politik“. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit, Frankfurt a.M./New York 2007, S. 9–40; Volker S (Hrsg.), Schlüsselbegriffe der politischen Kommunikation in Mitteleuropa während der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2009. Für einen allgemeinen Überblick: Luise S-S, Historische Politikforschung. Eine Einführung, München 2006.

1.3 Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik

53

zum anderen gilt es, den Zugang und Aktionsradius von Frauen vor Gericht im Prozessrecht und der Praxis zu untersuchen (Kapitel 3.1.1). Um die Vergleichbarkeit mit anderen Erhebungen zur Justiznutzung zu ermöglichen, stützt sich die quantitative Analyse zunächst auf die von Filippo Ranieri entwickelte Klassifizierung der Streitgegenstände Familienverband, Geldwirtschaft, Grundherrschaft sowie Grund- und Bodenwirtschaft.217 Die gewonnenen Daten dienen als Basis für die qualitative Analyse der Rechtspraxis anhand von ausgewählten, nach Konfliktinhalten systematisierten Einzelfällen, die pars pro toto typische Muster gerichtlicher Aushandlungsprozesse in Bezug auf Eigentum in sich vereinen.218 In der qualitativen Analyse werden dazu die Kategorien Ranieris thesengeleitet aufgebrochen. So erfolgt die Bündelung der Konflikte nicht in erster Linie auf der Basis der klassischen privatrechtlichen Kategorisierung nach sachen-, schuld- und erbrechtlichem Bereich, sondern orientiert sich an der Dynamik der jeweils zugrunde liegenden Aushandlungssituation und ihren Argumentationsstrukturen bzw. -figuren.219 Damit setzt sich die Arbeit auch in diesem Zusammenhang von geschlechtergeschichtlichen Vorschlägen ab – so etwa dem Ansatz Andrea Griesebners. Sie geht zwar auch davon aus, dass die Relevanz geschlechtlicher Markierung nur in Relation zu anderen Differenzen analysiert werden kann. Ausgehend von Pierre Bourdieus Theorie des sozialen Raumes kommt sie allerdings zu dem Fazit, dass „ähnliche Praktiken von Frauen und Männern nicht nur in einer doppelten, sondern zumindest in einer vierfachen Relation“220 zu untersuchen seien: in Relation zu Praktiken von Individuen gleichen Geschlechts (laut Griesebner „geschlechtlicher Markierung“) sowohl mit ähnlichem als auch divergierendem Status; dann in Relation zu Praktiken von Individuen verschiedenen Geschlechts einmal mit gleichem, dann mit anderer Position im sozialen Raum.221 In diesem Kontext geht es jedoch nicht primär um die Frage nach Geschlechterkonstellationen; außerdem greifen Griesebners Prämissen in Bezug auf zivilrechtliche Zusammenhänge nicht, denn sie entsprechen nicht den dort vorliegenden Differenzierungskriterien. So erfolgt die Systematisierung der Fälle einem eigenen Schema: Dafür werden die Fälle nach dem jeweiligen Konfliktfeld, dem Streitgegenstand und den Argumentationsmustern systematisiert und überprüft. Dabei geht es nicht darum, zu entscheiden, wie Stand oder Geschlecht die Rechtsprechung beeinflusste, was ein Ansatz wie o.g. suggerieren könnte, sondern welche Leitbilder die Parteien im Kontext der Eigentums- und Besitzrechtskonflikte präsentierten, wie sie gewichtet 217 218 219 220 221

R, Recht und Gesellschaft. Zur Diskussion von Fallstudien vgl. Johannes S/Susanne S/Gisela E (Hrsg.), Fallstudien. Theorie – Geschichte – Methode, Berlin 2007. Vgl. Kapitel 3.2.1, 3.2.2, 3.2.3. G, Geschlecht als mehrfach relationale Kategorie, S. 134. Position ist laut Griesebner nicht deckungsgleich mit sozialem Stand.

54

1. Einleitung

wurden und ob sich argumentative Aushandlungsprozesse der Parteien je nach Personen-, Familienstand bzw. sozialem Status oder vielmehr in Abhängigkeit vom jeweiligen Streitgegenstand selbst verschieben konnten. In der Regel wird dabei je Streitgegenstand bzw. Konfliktkonstellation ein Musterfall präsentiert, dem weitere Auseinandersetzungen unter ähnlichen Bedingungen zugeordnet werden. Hierbei werden Fälle mit nachweisbaren und ohne nachweisbare Rechte betrachtet. Einerseits können somit Kriterien ermittelt werden, nach denen geurteilt wurde, andererseits lässt sich die Frage beantworten, wie stark das Verfahrensrecht im Vergleich zu Eigentum zu bewerten ist. Da das Jenaer Hofgericht vornehmlich als Appellationsinstanz diente, geraten in den einzelnen Fallanalysen auch die jeweiligen Vorinstanzen in den Blick. Dies erlaubt erstens Aussagen über die Qualität der Spruchpraxis unterer Instanzen, zweitens können dadurch die narrativen Elemente und juristischen Argumentationsweisen im Instanzenzug verfolgt werden.222 Die Untersuchung der Konflikte im zeitlichen Rahmen von 1648 bis 1806 bezieht zugleich die Frage nach Kontinuitäten und Wandel in der Bedeutung von Eigentum und Eigentumsvorstellungen sowie den Semantiken im Kontext des Wortfeldes Eigentum ein – etwa hinsichtlich der Einbindung in die Bedeutungszusammenhänge von Herrschaft, Freiheit, Eigentumssicherheit, -schutz und Geschlecht. Des Weiteren ist zu fragen, inwiefern sich aufklärerisch und naturrechtlich fundierte Diskurse und Postulate in Bezug auf Eigentum (Grundrecht) sowie der Geschlechterordnung (Gleichheit von Frau und Mann) überhaupt in den Gerichtstexten niederschlugen. Alle diese Untersuchungskriterien werden an jedem der drei Konfliktbereiche ,Eigentumstransfer‘, ,gerechte Forderung‘ sowie ,konkurrierende Eigentumsrechte‘ angelegt. Unter dem Profil ,Eigentumstransfer‘ werden dabei Erbauseinandersetzungen in den Blick genommen, die um Erbfolge, Testamente etc. zwischen und innerhalb der Generationen geführt wurden (Kapitel 3.2.1). Der Blick auf die konfliktiven Vergabeprozesse ist zentral für die Bestimmung von Eigentumspositionen von Frauen in der sozialen Praxis, zumal die Einbindung von Frauen in die Zirkulation von Vermögen letztlich auch über ihre wirtschaftliche und soziale Position entschied. Vor allem ist jene auch ein Indikator für ihre Position im Familienverband.223 In einem weiteren Fallkomplex wird die Teilhabe von Frauen an Geldgeschäften und Kreditbeziehungen untersucht. Darunter fallen alle Auseinandersetzungen, die sich aus Kredit- und Vertragsbeziehungen ergaben (v.a. aus Schuldforderungen auf der Basis von Schuldscheinen, Obligationen, Darlehen, 222

223

Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die Überlieferungssituation zu den Vorakten des Jenaer Hofgerichts problematisch ist. Weder im Stadtarchiv Weimar noch in Jena liegen die entsprechenden Gerichtsakten bzw. -protokolle vor. Die Rekonstruktion des erstinstanzlichen Verfahrens muss sich daher weitgehend auf die Berichterstattung der niederen Gerichtsbarkeit beschränken. W, Sonn‘, S. 244 f.

1.3 Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik

55

Bürgschaften und Wechsel). In diesem Bereich geht es über die familiale Position hinaus um Verfügungsrechte über Vermögen, rechtsgeschäftliche Kompetenzen sowie die Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsverkehr (Kapitel 3.2.2). Miteinander konkurrierende Eigentums- und Nutzungsansprüche (Besitzzuordnung, Nutzung und Grenzen) werden im dritten Konfliktbereich untersucht. An diesem Bereich lassen sich vor allem die Bezüge der prozessierenden Frauen zu ihrem Besitz konturieren, denn hier wurden an Besitz geknüpfte Handlungsbefugnisse neu verhandelt (Kapitel 3.2.3). In den Auseinandersetzungen um Eigentum und Besitz präfigurierte nicht nur die Entscheidung für eine Verfahrensart, sondern auch die aus den Eigentumsansprüchen abgeleiteten strittigen Rechtstitel das gerichtliche Verfahren. Dementsprechend gilt es, den frühneuzeitlichen Eigentumsbegriff in seiner normativ-diskursiven Fixierung zu überprüfen. Im Zentrum stehen dabei exemplarische, für die Literatur des gemeinen bzw. sächsischen Rechts paradigmatische und von der Rechtsprechung rezipierte Eigentumsdefinitionen. Für die Verortung normativ und praktisch ausgestalteter Eigentumsrechte ist dabei die Frage entscheidend, auf welcher Basis rechtliche Eigentumsbestimmungen Exklusionsmechanismen festlegten (Kapitel 2.1). In einem zweiten Schritt werden mit Blick auf die qualitative Analyse die in Sachsen-Weimar(Eisenach) relevanten Normen im Umgang mit Eigentumsrechten herausgearbeitet (Kapitel 2.2). Am Ende sind über die Analyse gerichtlicher Verfahren und Kommunikationsweisen nicht nur Aussagen über die Bedeutung von Eigentumsrechten in der sozialen Praxis möglich. Zugleich gibt die Untersuchung der Gerichtspraxis einen Einblick in virulente Grundkonflikte sowie Ordnungsleitbilder der frühneuzeitlichen Gesellschaft.224

224

Vgl. für das Spätmittelalter: A, Genossenschaft. Arlinghaus sieht die genossenschaftliche Grundstruktur der Stadt im Gerichtsgeschehen reflektiert. Gerichtskonflikte erscheinen dabei immer als eine Verhandlung über die Zugehörigkeit zu einem Personenverband.

2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit In den zivilrechtlichen Verfahren um Eigentum und Besitz trafen Eigentumsvorstellungen der Rechtsuchenden auf Eigentumskonzepte des zeitgenössischen Privatrechts sowie der Eigentumsregelungen in den rechtlichen Normen. Deshalb kam der terminologisch präzisen Begriffsbestimmung im Rechtsprozess eine hohe Bedeutung zu. Entsprechend der Mehrstufigkeit des anwendbaren Rechts stand dabei den prozessführenden Parteien sowie der Rechtsprechung ein Reservoir von Eigentumsbegriffen zur Verfügung, die in der römischrechtlichen Tradition, im Kontext der gemeinrechtlichen sowie der Naturrechtslehre standen. Daraus ergibt sich im Folgenden die Notwendigkeit, die juristischen Eigentumsbestimmungen des 17. und 18. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Elemente sowie der ihnen inhärenten Differenzierungs- und Exklusionsmechanismen zu sondieren. Das juristische Vorverständnis war jedoch nicht nur durch rechtswissenschaftliche Eigentumskonzeptionen geprägt. Denn mehr oder weniger unabhängig davon war Eigentum im Unterschied zu anderen Rechtsinstituten ein besonderes Objekt ordnungspolitisch motivierter Gesetzgebung. Eine gesetzliche Eigentumsbestimmung lag dieser in Sachsen-Weimar(-Eisenach) zwar nicht zugrunde – die ersten gesetzlichen Definitionen wurden im Zuge der Kodifikation überhaupt erst mit dem bayerischen Gesetzbuch von 1756 (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis) und später im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) getroffen. Dessen ungeachtet formulierten die relevanten Rechtsquellen Normen im Umgang mit Eigentum, die konkrete Ausdifferenzierungen bezüglich Zugang, Transfer, Grenzen und Schutz festlegten. Diese gilt es daher mit dem Fokus auf die Rechts- und Eigentumspositionen von Frauen in der Rechtspraxis Sachsen-Weimar(Eisenachs) zu eruieren.

2.1 Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17. und 18. Jahrhunderts Der frühneuzeitliche Eigentumsbegriff war keine statische Rechtskategorie.1 Er unterlag einem Entwicklungsvorgang, an dessen Ende die Durchsetzung 1

Vgl. einführend Hans Rudolf H, Art. Eigentum, in: HRG, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 2008, Sp. 1271–1285; Andreas T, Art. Eigentum – rechtlich, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 3, Stuttgart 2006, Sp. 98–103; Elisabeth K, Art. Eigentum, in: Hubert

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

eines bürgerlichen, absoluten Eigentumsverständnisses stand. Die ,Karriere‘ des Eigentums durchlief mehrere Stadien, die sich mit der Rezeption des römischen Rechts entscheidend dynamisierte.2 Für die Herausbildung des frühneuzeitlichen Eigentumsbegriffs war jedoch nicht nur die römischrechtliche Traditionslinie ausschlaggebend, sondern auch das weite mittelalterliche Eigentumsverständnis. Unter Eigentum wurde dabei eine Vielfalt konkreter Berechtigungen und Befugnisse verstanden, die Grundeigentum, fahrende Habe und beschränkte dingliche Rechte umfassten.3 Nutzungsrechte und Servituten wurden in diesen Begriff ebenso integriert wie Hoheitsrechte (Gerichtsgewalt, Regalien) und grundherrliche Rechte auf Frondienste und Zinszahlung.4 Insgesamt ging der Eigentumsbegriff nicht nur in der lateinischen Bezeichnung dominium, sondern vor allem in dem Bedeutungsfeld der proprietas auf.5 Während bei proprietas der Akzent auf der Zuordnung des Objekts zu einem bestimmten Rechtssubjekt im Sinne des ,zu-Eigenseins‘ (Zuordnung) lag, beinhaltete dominium auch den Herrschaftsgedanken.6 Im klassischen römischen Recht wurde der Eigentumsbegriff in eben diesem Sinne einer umfassenden Herrschaft an einer Sache verstanden, die C/Helmuth S (Hrsg.), Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 13, Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 928–934; Dieter S, Eigentum, in: Otto B/ Werner C/Reinhart K (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 65–115. 2 B, Nahrung, S. 74. 3 Vgl. den Katalog z. B. bei Johann Gottfried S, Einleitung zum Sächsischen Recht mit Anführung derer neuern zeithero und bis jetzo erlassenen allerhöchsten Mandate, Rescripte und Patente, vermehrt und fortgesetzt durch Rudolf Christian B, Bd. 3, Dresden/Leipzig 1768, Sect. I, Exerc. I, S. 685–688. Zu den beweglichen Gütern zählen nach Schaumburg auch Geld, „so man auf Zinsen ausleihet“, Wechselgeld, sonstige Barschaften, Hochzeitsgeschenke, „die von verkauften unbeweglichen Gütern zu zahlende Termin=Gelder“, Windbrüche, Waren (§ 7, S. 685). Zu den unbeweglichen Gütern gehören alle „Pertinentien derer Häuser und liegenden Gründe, sowohl als die Accessoria, folglich auch fructus pendentes“, unablösliche Zinsen (§ 8, S. 686). 4 Servituten bezeichnen dingliche Nutzungsrechte an einer fremden Sache. Werner O, Art. Servitut, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 1645–1648. 5 Vgl. W, Dominium, S. 147; C, Privatrecht, S. 291; Gerhard K, Eigen und Eigentum, in: ZRG, GA 95, 1978, S. 1–33; Paolo G, La proprietà nel sistema privatistico della seconda scolastica, in: D. (Hrsg.), La seconda scolastica nella formazione del diritto privato moderno, Mailand 1973, S. 117–122; Dirk O, Die geschichtliche Entwicklung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs, in: Juristische Schulung 24, 1984, S. 328–335. 6 Wurden die beiden Termini im römischen Recht weitgehend synonym verwandt, differenzierten gemeinrechtliche Eigentumsdefinitionen zwischen den Begrifflichkeiten. Definitionen, die sich für die Begriffsbestimmung des Eigentums lediglich auf das Kriterium der Proprietät, der rechtlichen Verfügungsgewalt über Sachen, bezogen, konnten sich allerdings im 18. Jahrhundert nicht mehr durchsetzen. Im Gegensatz zu den herrschaftsbestimmten war bei den proprietätsorientierten Definitionen die Frage der Verfügungsfreiheit irrelevant, da diese nicht in den Kontext der Eigentumsrechte, sondern der konkreten Eigentumspraxis mit ihrer Pluralität an unterschiedlichen Eigentumsformen verortet wurde. W, Dominium, S. 131 ff. sowie D., Historische

2.1 Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17./18. Jahrhunderts

59

alle denkbaren dinglichen Zuordnungen bzw. Befugnisse in sich integrierte. Die übrigen dinglichen Rechte galten dementsprechend als vom Eigentümer veräußerte Teilbefugnisse des Eigentumsrechts.7 Damit besaß nur der Rechtsinhaber die volle und freie Verfügungs- sowie Nutzungsgewalt. Dieses engere Eigentumsverständnis wurde in der durch den italienischen Juristen Bartolus (1314–1357) repräsentierten spätmittelalterlichen Rechtswissenschaft erstmals in eine systematische Eigentumsdefinition gefasst.8 Bis in das 19. Jahrhundert wirkte seine Bestimmung des dominium als „ius de re corporali perfecte disponendi nisi lege prohibeatur“.9 Das römischrechtliche dominium war damit im Unterschied zum deutschen Eigentumsbegriff von der possessio und den Servituten klar abgegrenzt.10 Sowohl die frühneuzeitliche Rechtswissenschaft als auch die Gesetzgebungen des 16. und 17. Jahrhunderts rezipierten zwar die Terminologien der Eigentumskonzeption des Corpus Iuris Civilis. Gleichwohl blieb die tradierte Vielfalt deutschrechtlicher Eigentumsformen von gebundenem, beschränktem und belastetem Eigentum weiterhin bestehen.11 Ausgehend vom Problem der gestuften Qualität von Eigentumsformen und Besitzrechten wurde daher unter Anlehnung an die im Lehnsrecht entwickelten Konzeptionen der italienischen Legisten des Mittelalters und der Kommentatoren des 14. und 15. Jahrhunderts eine Trennung zwischen dominium plenum und minus plenum, dem vollen oder unvollständigen Eigentum und der daraus resultierenden Verschränkung der Befugnisse von Ober- und Untereigentümer konstruiert.12 In dieser auf den Jenaer Juristen Georg Adam Struve

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Grundlagen des Privatrechts, 3. Teil: Das Eigentum, in: Juristische Schulung 17, 1977, S. 429–433, hier S. 430. Folglich waren die beschränkten dinglichen Rechte wie Dienstbarkeiten, Nutznießung oder Erbpacht vom Eigentum als unbegrenztes Herrschaftsrecht über eine Sache fundamental unterschieden. S, Eigentum, S. 70. Siehe zur Entwicklung des römischen Eigentumsbegriffs Max K, Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. Aufl., Köln/Graz 1956; Helmut C, Zur Eigentumslehre des Bartolus, in: ZRG, RA 70, 1953, S. 348–371. Ebd., vgl. K, Eigentum, S. 49. Max K/Rolf K, Das römische Privatrecht, 17. Aufl., München 2003, S. 122 f.; S, Eigentum, S. 70. Die Belastungen umfassten Dienstbarkeiten (z. B. Weg-, Flucht-, Tränkungs- und Durchleitungsrechte), Grundlasten (Zins-, Dienst- und Zehntpflichten), Pfandrechte, Vorkaufs- und Näherrechte. Vgl. Theodor B, Zur Geschichte des Eigentumsbegriffs, in: Schweizerische Juristen-Zeitung 70, 1974, S. 289–294, 305–310, hier S. 306; Andreas T, Art. Geteiltes Eigentum, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 4, Stuttgart 2006, Sp. 769–771; H, Eigentum, S. 83–87. Vgl. die stärker ausdifferenzierten Begrifflichkeiten etwa bei S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. II, § 1, S. 696. Hier wird das Eigentum in simplex bzw. solitarium sowie condominium geteilt, das sich über die Ausschließung anderer definiert. Eine weitere übliche Einteilung ist die Trennung von dominium eminens (Recht des Landesherrn auf res communes) und vulgare. Das dominium vulgare hat „ein jeder über das Seinige“, das entweder plenum oder minus plenum sein kann. „Bey jenem

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(1619–1692) zurückgehenden Neukonzeption erhielten beide Seiten Anteil an der Proprietät und mithin Dispositionsbefugnis über das Eigentum: „Weil aber die Macht und Gewalt mit dem Seinigen nach Belieben zu thun / was man wolle / entweder gantz unbeschränckt und gäntzlich frey ist / oder auff gewisse Masse eingeschrencket / also daß auch ein anderer des Eigenthums theilhafftig ist, [...] als wird dahero das Dominium von denen Rechts-Lehrern unterschieden / in plenum, oder in die vollkommene Eigenthums-Gerechtigkeit / wann nemlich kein anderer einige Gerechtigkeit des Eigenthums halber hat / und in minus plenum, oder die unvollkommene Eigenthums-Gerechtigkeit, wann ein anderer des Eigenthums auff gewisse Masse mit theilhafftig ist.“13

Während sich demnach volles Eigentum über dessen uneingeschränkten Gebrauch und Nutzen unter Ausschluss anderer Eigentumsansprüche definierte, bestimmte sich unvollständiges Eigentum über die Teilhaberechte anderer am Eigentum, die somit die eigenen Eigentumsrechte einschränkten.14 Diese Form des Eigentums wurde nochmals in Ober- und Untereigentum (dominium directum und dominium utile) geteilt: „Und dieses minus plenum wird wieder unterschieden in directum, das mehrere oder OberEigenthum / Grund-Eigenthum / und in das utile, das mindere Eigenthum / Nutzens-Eigenthum / oder die erbliche Nutzbarkeit.“15

Stand dem Inhaber des dominium directum das Verfügungsrecht über Eigentum zu, war das dominium utile für Lehnsnehmer, Erbpächter (Emphyteuta), Erbbauberechtigte (Superficiar) oder sonstige Nutzungsberechtigte zugunsten des Obereigentümers je nach den konkreten Rechtsverhältnissen auf das Nutzungsrecht beschränkt.16 Allerdings wurde dem Nutzeigentümer neben dem Gebrauchsrecht an der Sache auch ein Teil der Proprietät zugewiesen, die ursprünglich nur dem Obereigentümer zugeordnet wurde. Der Hallenser Jurist Nicolaus Hieronymus Gundling (1671–1729) formulierte dies 1734 mit dem Verweis auf Struve pointiert: „Wenn ich das Eigenthum theile, so behält der Oberlehns=Herr partes, der dominus utile aber hat particulam proprietatis.“17 Intention dieser Einordnung der Eigentumsrechte war es, den Eigentumscharakter des dominium utile, des Nutzungseigentums, entspre-

13 14 15 16 17

ist das Eigenthum mit dem Nießbrauch verknüpft, und bleibt dennoch bei Kräften wenn gleich der Nutzen einem andern auf eine Zeitlang vergönnet wird. Denn ein Ususfructuarius nimmet an dem Eigenthum keinen Antheil, er disponiret nicht über die Sache, davon er den Nutzen hat.“ Bei dem minus plenum aber „ist das würkliche Eigenthum getheilet.“ Verweis auf die Unterscheidung von nutzbarem Eigentum und Nießbrauch: „Denn jenes hört mit der Person nicht auf, es kann dergleichen Eigenthümer die Sache von dem dritten Besitzer vindiciren.“ Ebd., § 2, S. 697. Georg Adam S, Jurisprudenz oder: Verfassung der Land-üblichen Rechte, Frankfurt a.M./Leipzig 1711, Lib. II, Tit. X, § 2, S. 297 f. Art. Dominium, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 7, Sp. 1216. S, Jurisprudenz, Lib. II, Tit. X, § III, S. 298. Heinz W, Das geteilte Eigentum im Naturrecht und Positivismus, Breslau 1938, S. 27 f. Nicolaus Hieronymus G, Ausführlicher Discours über das Natur- und VölckerRecht, Frankfurt/Leipzig 1734, Cap. XIX, S. 253; siehe H, Eigentum, S. 84 f.

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chend der grundherrschaftlichen Wirtschafts- und Sozialstruktur im Alten Reich abzusichern.18 Das dominium utile wurde als Eigentum klassifiziert und galt daher nicht als ein nur beschränkt dingliches Recht. So verband sich mit der Teilhabe des Nutzungseigentümers an der Proprietät auch ein dem Eigentum analoger Rechtsschutz im Sinne des Herausgabeanspruchs (rei vindicatio utilis) sowie der actio negatoria (Eigentumsfreiheitsklage), die eine Klagegrundlage boten. Hier lagen auch die Anknüpfungspunkte, die für die Gruppen minderen Rechts (z. B. unfreie Bauern, Frauen) Teilhabe an Eigentumsrechten ermöglichten: Insofern dem Untereigentümer nicht nur die alleinige Nutzung von Eigentum, sondern auch die Teilhabe an der Proprietät zukam, erweiterte die Konzeption die Rechtsstellung des Nutzungsberechtigten gegenüber dem Obereigentümer sowie den weiteren beschränkt Besitzberechtigten. Dies kam der Tendenz zur Aufwertung der Nutzung gegenüber dem formalen Titel entgegen und gilt als Ausgangspunkt für die Stärkung des bäuerlichen Nutzeigentums und der Zurückdrängung des Obereigentums im Laufe des 18. Jahrhunderts.19 Insgesamt ist die Rechtsfigur des geteilten bzw. teilbaren Eigentums als fundamentales Element des am Liegenschaftsrecht (Lehns-, Erbzinsverhältnisse) orientierten Eigentumsverständnisses in der Rechts- und Eigentumskultur des Alten Reiches zu bewerten. Vom zeitgenössischen Usus modernus vertreten, wurde sie von der Naturrechtslehre rezipiert, fand Eingang in das Reichsrecht sowie die territorialen Rechte und blieb bis zum Ende des Alten Reiches für die Eigentumsordnung prägend.20 Ausgehend von diesen prinzipiellen Befunden sind im Folgenden die jeweiligen Akzentverschiebungen und Differenzierungen des Eigentumsbegriffs im Laufe der Frühen Neuzeit zu umreißen. Besonderen Einfluss auf die Rechts- und Eigentumspraxis im Untersuchungszeitraum nahm dabei die in der Zeit des Usus modernus verfasste Rechtsliteratur.21 Ein herausragender Stellenwert kam hier dem von Georg Adam Struve verfassten Zivilrechtslehrbuch „Jurisprudentia Romano-Germanica forensis“ (1670) zu, das als Standardwerk bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder neu aufgelegt

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Hintergrund war insbesondere das komplexe Problem der Verortung vor allem der Lehn- und Leihegüter. Vgl. Bartholomäus Leonhard S/Heinrich Johann P, De putativo dominio utili, Leipzig 1697; Karl L, Die Entwicklungsgeschichte des Dominium utile, Göttingen 1916; Anton Friedrich Justus T, Über dominium directum und utile, in: D., Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts, Bd. 2, 2. Aufl., Jena 1817, S. 67–99. Die Perspektive des Ablösungsprozesses vom dominium directum zugunsten des dominium utile hat Peter Blickle prägnant zusammengefasst, wobei die Formel „Arbeit schafft Eigentum [. . . ] das Ende eines Umwandlungsprozesses“ markiere, „an dessen Anfang gestanden hatte, Herrschaft schafft Eigentum.“ B, Leibeigenschaft, S. 232. Vgl. L, Sachherrschaft, S. 151; C, Privatrecht, S. 293; S, Eigentum, S. 65 ff. Vgl. W, Eigentum, S. 27 ff.; S, Eigentum, S. 71. Siehe dazu insgesamt K, Eigentum.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

wurde.22 Auch in der Gerichtspraxis des Jenaer Hofgerichts fungierte Georg Adam Struve neben weiteren Vertretern des Usus modernus (Samuel Stryk, Benedict Carpzov, Justus Henning Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius) als zentrale Referenz. Mit Blick auf juristische Differenzierungskriterien der Kategorie Eigentum ist daher zunächst grundlegend nach der Verortung von Eigentum im Zivilrecht zu fragen. In seiner Privatrechtslehre trennte Georg Adam Struve in der für den Usus modernus typischen Systematik das obligatorische ius ad rem und das dingliche ius in re, das Recht auf die bzw. an der Sache. Gegenüber dem ius ad rem, das sich auf Schuldverhältnisse bezog, bezeichnete ius in re das eigentliche Herrschaftsrecht. Dieses umfasste nach Struve folgende dingliche Rechte: dominium latius dictum, ius pignoris (Pfandrecht) und ius possessionis (Besitz).23 Unter dem Eigentum im weiteren Sinne subsumierte Struve das dominium singulare (Eigentum), servitus (Servitut) und dominium universale (Erbrecht).24 Diese Einteilung der dinglichen Rechte wurde neben der Unterscheidung in ius in re und ius ad rem zur Gliederung des Vermögensrechts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts rezipiert.25 Mit dem Eigentum substanziell in Verbindung stehend sah Struve zwei weitere Elemente, die er allerdings nicht zu dessen Wesensgehalt zählte. Dies ist zum einen die „freye(n) Macht und Gewalt darvon zu disponiren und zu ordnen“ und zum anderen das Gebrauchs- und Nutzrecht, die „Niessung / so aus dem Eigenthum herfleust / und nach des Eigenthums=Herrn Belieben von der Proprietät kan abgesondert seyn.“26 Proprietät und die daraus resultierenden Rechte der freien Dispositionsbefugnis sowie der Nutzung definierte Struve als die Merkmale des Eigentums. Die hiermit im juristischen Eigentumsbegriff angelegte libertas des Eigentums im Sinne einer umfassenden Dispositionsbefugnis des Eigentümers im Rahmen der Gesetze ging auf o.g. spätmittelalterliche Konzeptionen zurück.27 Das durch die Freiheit des Menschen definierte Eigentum wurde als konstitutives Element den zivilrechtlichen Eigentumsdefinitionen inkorporiert und fungierte seit dem 17. Jahrhundert als Prinzip der sachenrechtlichen Systeme.28 Dass Eigentum allerdings bestimmten Restriktionen unterlag, deutete Struve mit dem Verweis auf „Pupillen, Minderjährige(n) und derer sub cura 22 23 24 25 26 27 28

Georg Adam S, Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, 9. Aufl., Jena 1704. Ebd., Lib. II, Tit. 1, § XIV, S. 91. Ebd., § XVI, S. 91 f. Vgl. S, Einleitung; weitere Beispiele bei Jan F, Georg Adam Struve (1619–1692) als Zivilrechtler, Frankfurt a.M. u. a. 2003, S. 68 f. S, Jurisprudenz, Lib. II, Tit. X, § I, S. 297. C, Eigentumslehre. Vgl. Georg Adam S, Syntagma Jurisprudentiae secundum ordinem Pandectarum, Jena 1692, Exerc. XI ad Lib. 6, Tit. I, § IV, S. 270 f.; Johann Gottlieb H, Elementa iuris civilis secundum ordinem Pandectarum, Bd. 2, Amsterdam 1728, Lib. XLI, Tit. I, § CLXI, S. 146; Johann August von H, Jurisprudentia forensis secundum Pandectarum ordinem, Bd. 1, 6. Aufl., Jena 1783, Lib. VI, Tit. I, § 576, S. 194. Vgl. W, Grundlagen, S. 430.

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stehende(n) Personen“ an, die zwar Eigentum innehaben könnten, jedoch in den Eigentumsrechten beschränkt seien. Weitere Ausdifferenzierungen im Sinne der Zuordnung von Eigentumsrechten zu Subjekten nahm Struve im Rahmen seiner Begriffsbestimmung nicht vor. Ausschließungen wurden dagegen im Zusammenhang mit der Darstellung von Normen im Umgang mit Eigentumsrechten angeführt. Im Zentrum stand dabei der Eigentumstransfer, bei dem nach Struve „possunt dominium in alium transferre, seu res alienare, qui natura idonei sunt, nec lege prohibentur.“29 Aus der Formel „qui natura idonei sunt“ wurden entsprechend dem geltenden Recht Gruppen von Menschen aufgrund der Kriterien des Alters, Geschlechts und des Verstandes exkludiert: „Non vero sunt natura idonei (I.) propter aetatem, pupilli & minores; quorum bona, non nisi peculiaribus requisitis intervenientibus, alienari & oppignorari possunt. [. . . ] His etiam quodammodo accenseri possunt (1) feminae, que certis casibus in foro saxonico curatore opus habent. [. . . ] (2) furiosi & mente capti, in quorum bonorum alienatione itidem certa requisita observanda.“30

Frauen waren dabei nicht per se, sondern lediglich „que certis casibus“ – insbesondere beim Grundstückstransfer von Immobilien – ausgeschlossen. Mit der Bindung an die Geschlechtsbeistandschaft und der daran gekoppelten reglementierten Dispositionsfähigkeit über Eigentum stand jedoch die grundsätzliche Eigentumsfähigkeit von Frauen außer Frage. Dies gilt auch und insbesondere für die naturrechtlichen Eigentumstheorien. Die vor Gericht eingebrachten Eigentumskonzeptionen von Vertretern der Naturrechtslehre wie Hugo Grotius (1583–1645), Samuel Pufendorf (1632–1694), Christian Wolff (1679–1754) und Christian Thomasius (1655– 1728) wiesen zwar abgesehen von der Ableitung aus naturrechtlichen Prinzipien durchaus Parallelen zum Usus modernus auf.31 Doch im Gegensatz zu den gemeinrechtlichen Lehren stellte gerade diese Ableitung die Frage der Teilhabe an Eigentum und Eigentumsrechten auf eine andere Basis. So wurde auf der Grundlage des gemeinrechtlichen Eigentumsbegriffs Eigentum zum rechtmäßigen Instrument der individuellen und staatlichen Selbsterhaltung. Allerdings lag insbesondere bei Hugo Grotius’ Konzeption der Fokus eher auf der naturrechtlichen als der inhaltlichen Fundierung des Eigentums.32 Individualeigentum begründete er auf vertragsrechtlicher Basis 29

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32

S, Jurisprudentia Romano-Germanica, Lib. II, Tit. XI: De personis quae possunt transferre dominium, sive de iis, qui alienare possunt vel non: et per quas personas quique adquiritur, § 1, S. 184 f. Ebd, S. 185. Reinhard V, Der Einfluß des Naturrechts auf den Usus modernus. Eine Untersuchung anhand der Literatur zum geltenden Recht im 17. und 18. Jahrhundert, Köln u. a. 1996; Christoph U, Eigentum und Naturrecht im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts, Berlin 2003. Vgl. Stephen B, Natural Law and the Theory of Property. Grotius to Hume, Oxford 1991; O, Entwicklung, S. 333.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

und dem Prinzip der socialitas, die ausgehend vom Naturzustand zu Übereinkünften über die Zugehörigkeit von Sachen führte.33 Naturrechtliches Eigentum war dementsprechend zunächst als Zugehörigkeit einer Sache zu einer Person konzipiert.34 Doch darüber hinaus operierte Grotius auch mit der Aufteilungskonzeption, die Eigentum unter verschiedene Berechtigte in dominium plenum oder minus plenum dividiert sah. Ohne zwischen dominium und proprietas zu unterscheiden, definierte er volles Eigentum als „waer door yemant met de saecke alles mach doen naer sijn geliefte ende t’sijnen bate dat by de Wetten onverboden is.“35 Samuel Pufendorf erweiterte diese Begriffsbestimmung um den Gedanken der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Dabei basierte auch seine Konzeption auf dem geteilten Eigentumsverständnis, setzte dominium und proprietas gleich und akzentuierte die Verfügungsfreiheit als zentrales Charakteristikum für Eigentum. Gleichzeitig führte Pufendorf den Begriff „arbitrium“ ein, in dem er von der Befugnis ausging, mit dem Eigentum „pro arbitrio nostro disponere“.36 Neben diesem bis zur Missbrauchsoption37 reichenden Vokabular hat Pufendorf auch die Ausschließungsbefugnis im Blick, die aus der Eigentümerfreiheit resultiere: „et ab earundam usu quovis alios arcere possimus.“38 Bezeichnend ist, dass Pufendorf in Anlehnung an die Konzeption Struves auch das dominium utile als wirkliches Eigentum und nicht als nur beschränkt dingliches Recht klassifizierte. Stand diesem der Einwand entgegen, dass Nutzungseigentum der Veräußerungscharakter nicht immanent war, verwies Pufendorf auf die Verbrauchs-, Verbesserungs- oder Verschlechterungsmöglichkeit einer Sache als ausreichende Eigentumsinhalte.39 Im Gegensatz zu Grotius und Pufendorf trennte Christian Wolff klar zwischen dominium und proprietas. Dabei definierte Wolff proprietas als freie Verfügungsgewalt und dominium als die Berechtigung zur Nutzung und Fruchtziehung.40 In den „Grundsätzen des Natur und Völkerrechts“ formulierte er eine freiheits- und herrschaftsbestimmte Definition, die für die Vernunftrechtslehre paradigmatisch wurde:

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38 39 40

Hugo G, De iure belli ac pacis libri tres, Amsterdam 1712, Lib. II, Cap. II, § 1, S. 181. Hugo G, Inleydinghe Tot de Hollandsche Rechts-gheleerdheydt, Haerlem 1636, S. 40. Vgl. O, Entwicklung, S. 333. G, Inleydinghe, S. 43. Dazu W, Eigentum, S. 42. Samuel P, De Jure Naturae et Gentium Libri Octo, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1694, Lib. IV, Cap. IV, § 2, S. 529. Auch in anderen Eigentumsdogmatiken – besonders in der neueren Naturrechtslehre – wurde der Freiheitsgedanke in Richtung auf die Missbrauchsoption („Willkühr“) umgeformt. Vgl. die Beispiele (Gundling, Hufeland etc.) bei U, Eigentum, S. 81; H, Eigentum, S. 93–99. P, De Jure Naturae, Lib. IV, Cap. IV, § 2, S. 529. Vgl. O, Entwicklung, S. 333. Vgl. Christian W, Jus Naturae Methodo Scientifica, Pars II, Halle/Magdeburg 1742, Cap. II, § 131, S. 127 f.; § 138, S. 131 f.

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„Und dieses eigene Recht mit einer Sache vorzunehmen, was man will, oder nach seinem Gutdüncken, wird Eigenthum (dominium) genannt. [. . . ] Daher erhellet, daß ein Herr, oder Eigenthümer, ingleichen Eigenthums=Herr von allem Rechte, welches ihm vermöge des Eigenthums zukommt, alle andere ausschliesse, und daß das Eigenthum ohne seinen Willen auf niemand anders kommen könne [. . . ] folglich ihm das Recht zukomme, einem jeden alles zu untersagen, was er mit der Sache thun kann.“41

Dabei hatte Wolff allerdings auch eindeutige Grenzen des Eigentums im Blick: „Es soll derowegen der Eigentumsherr das Seinige nicht anders gebrauchen, als wie es seine Pflichten erfordern. Der Mißbrauch ist natürlich unerlaubt.“42 Eigentum bestimmte Wolff als dreifaches Recht: „1) mit der Sache selbst, 2) mit ihrem Gebrauch, und 3) mit den Früchten derselben vorzunehmen, was ihm gefällig ist. Das erste heist die Proprietät (proprietas), das andere das Recht die Sache zu brauchen (jus utendi), das dritte das Recht zu den Früchten (jus fruendi). [. . . ] Wenn das Eigenthum um keines dieser Rechte verkürzt worden ist, heist es das völlige Eigenthum (dominium plenum); wenn es aber um eines, oder das andere verkürtzt worden, ein nicht völliges Eigenthum (dominium minus plenum). Wer die Proprietät hat, ist eigentlich der Eigenthümer (proprietarius), weil die Sache doch sein eigen bleibt, wenn ein anderer gleich den Gebrauch, oder die Früchte davon zu geniessen hat, und wird deswegen auch noch der Herr von der Sache (dominus) genannt.“43

Insgesamt erweiterten die naturrechtlichen Eigentumslehren das juristische Eigentumsverständnis und verknüpften es unter Aufbrechen der frühneuzeitlichen Synthese von Herrschaft und Eigentum mit dem Gedanken der individuellen Freiheit.44 Ansatzpunkt für die Frage, wie Eigentum in der naturrechtlichen Eigentumslehre ausdifferenziert wurde, bildet die postulierte Gleichheit der Menschen und damit auch der Geschlechter. Zwar war das Recht auf Gleichheit ähnlich wie das Recht auf Eigentum aus der Personnatur des Individuums abgeleitet, allerdings bestand hier durch die Unterscheidung zwischen angeborenen und erst zu erwerbenden Rechten ein fundamentaler Unterschied. Eigentum als ,hypothetisches‘ Recht zählte zu den erst zu erwerbenden Rechten und war damit von den Forderungen nach ursprünglicher Gleichheit abgekoppelt.45 Eigentum wurde somit nicht über den Gedanken der sozialen oder geschlechtlichen Gleichheit begründet. Die Frage des Rechts von Frauen auf Eigentum wurde in diesem Zusammenhang nicht expliziert. Auch der Eigentumsartikel in Zedlers Universal-Lexicon legte keine explizite Ausdifferenzierung bei den Subjekten des Eigentumsrechts vor. Vor dem Hintergrund 41

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Christian W, Gesammelte Werke, I. Abt.: Deutsche Schriften, Bd. 19: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, hrsg. von Marcel T, ND der Ausgabe Halle 1754, Hildesheim/New York 1980, § 195, S. 124 f. W, Grundsätze, § 202, S. 129. Vgl. H, Eigentum, S. 99–107. Ebd., § 198, S. 126 f. Zur Eigentumslehre Wolffs auch Hans H, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts, München 1982, S. 116 ff. Dazu u. a. neuerdings und stellvertretend Werner M, Freiheit und Eigentum aus Neuerer Zeit, Berlin 2011. Vgl. U, Eigentum, S. 33 f.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

der naturrechtlichen Argumentation des Artikels mit der „natürlichen Gleichheit aller Menschen“, die alle Menschen als Eigentumsobjekte ausschließe, ist daher davon auszugehen, dass unabhängig positivrechtlicher Bestimmungen eine Eigentumsfähigkeit standes- und geschlechtsübergreifend allen Menschen zugeschrieben wurde. Bestätigt wird dieser Grundgedanke durch den Beitrag zu den „Weiber=Rechten“, in dem die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter postuliert wird: „Sonst ist überhaupt zum Voraus zu erinnern, daß außer denen in den Rechten ausdrücklich benannten Fällen, die Weibs Personen, mit denen Manns=Personen gleiche Rechte genießen.“46 Der geschlechtsneutralen Konzeption des naturrechtlich fundierten Eigentums stehen allerdings die impliziten Verweise auf die positivrechtliche Eigentumsposition von Frauen entgegen. Dabei wird die per Gesetz definierte Teilhabe von Frauen am Eigentum mit dem Verweis auf den durch die Geschlechtsvormundschaft bestimmten Rechtsstatus unkommentiert als eingeschränkt beschrieben. Der Hallenser Jurist Johann Gottlieb Heineccius (1681–1741), der „wohl erfolgreichste deutsche juristische Autor im 18. Jahrhundert“47 und Verfasser der ersten geschlossenen Darstellung des deutschen Privatrechts („Elementa iuris germanici“, 1735/36), fixierte im Rahmen seiner Eigentumsbestimmung auch keine sozialen oder geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierungen.48 Er definierte dominium als das Recht, alle anderen vom Gebrauch einer Sache auszuschließen.49 Rechtsakte, die sich aus dem Eigentum ergaben, lagen nach ihm zum einen in der freien Verfügung (libera dispositio) und zum anderen im Besitz (possessio) sowie dem Recht auf Beanspruchung der Herausgabe einer Sache (vindicatio). Modifikationen seiner Konzeption durch das geltende positive Recht begründete er mit dem Gemeinen Nutzen, der es erforderliche mache, Eigentumsrechte rechtlich zu reglementieren und gegebenenfalls einzuschränken: „Quum vero iuris civilis sit, actiones indifferentes saluti cuiusque populi et reipublicae attemperare [...] reipublicae autem plerumque expediat, ne quis re sua male utatur: [. . . ] 43) dominium aliquando arctioribus limitibus circumscribi a rectoribus civitatum, ac proinde 44) aliquando liberam dispositionem, aliquando 45) ius possessionem adprehendendi, aliquando 46) ius vindicandi dominis vel plane adimi, vel non nisi cum aliqua restrictione concedi.“50 46 47

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Art. Weiber-Rechte, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 54, Sp. 78–106. Christoph B, Staat und Gesetz, Naturrecht und Vertrag bei Grotius und Heineccius, in: Jean-Fraçois K/Heinz M (Hrsg.), Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung in Rechtsgeschichte und Philosophie, Frankfurt a.M. 1999, S. 95–119, hier S. 95. Zu Heineccius V, Naturrecht, S. 159–163; Patricia W, Johann Gottlieb Heineccius (1681–1741). Leben und Werk, Frankfurt a.M. 2007. „D vero vocamus ius, seu facultatem alios usu rei alicuius excludendi.“ Johann Gottlieb H, Elementa iuris naturae et gentium, Halle 1738, Lib. I, Cap. VIIII, § CCXXXI, S. 182. Ebd., Lib. I. Cap. XII, § CCCXVII, S. 256.

2.1 Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17./18. Jahrhunderts

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Nach dieser Systematik fielen die freie Verfügung, das Recht der tatsächlichen Besitzergreifung sowie der Beanspruchung unter die rechtlich begrenzten oder aufgehobenen Eigentumsrechte. Dies wurde anhand potenzieller Eigentumssubjekte konkretisiert, in dem Heineccius auf den Ausschluss von Mündeln, Tobsüchtigen, Verschwendern und Minderjährigen von der freien Verfügung verweist: „Sic animaduertimus, leges civiles liberam rerum dispositionem adimere pupillis, furiosis, prodigis, minoribus.“51 Geschlecht wurde als Ausgrenzungsmotiv in diesen Katalog nicht integriert. Damit befand sich Heineccius im Konsens mit anderen vom Naturrecht beeinflussten Vertretern der gemeinrechtlichen Lehre des 18. Jahrhunderts wie den Hallensern Samuel Stryk, Justus Henning Böhmer oder dem Helmstedter bzw. Wittenberger Juristen Augustin Leyser. Mit Blick auf den sächsischen Rechtskreis bietet die seit 1728 erschienene „Einleitung zum sächsischen Recht“ des Jenaer Rechtsgelehrten und Hofgerichtsassessors Johann Gottfried Schaumburg (1703–1746) eine einschlägige Grundlage. Grundsätzlich bestimmte er das Eigentum einer Sache als dingliches Recht, „vermöge dessen man eine Sache eigenthümlich besitzt.“52 Darüber hinaus beschrieb Schaumburg es gängig als Recht, „von einer cörperlichen Sache, mit Ausschließung anderer, frey und vollkommen zu disponiren, und sie zu vindiciren.“53 Schaumburg ging jedoch darüber hinaus und entfaltete die generell im sächsischen Recht stark verankerte Spaltung des Eigentums in dominium naturale und civile. Diese Konstruktion trug der Duplizität des formellen und materiellen Eigentums Rechnung.54 Bezeichnenderweise exemplifizierte Schaumburg die Differenzierung an der weiblichen Mitgift (dos). Die Ehefrau transferiere als wahre Eigentümerin der dos (dominium naturale) den Gebrauch und die Nutzung an ihren Ehemann.55 Dieser erhielte dementsprechend das dominium civile am Gut seiner Ehefrau, das ihm während des Ehestandes „ordentliche Nutzungen“ ermögliche. Diese Konstruktion wurde jedoch strikt von der Rechtsfigur des nutzbaren Eigentums abgegrenzt. Abgesehen vom konkreten Beispiel einer bei der dos vom dominium civile ausgeschlossenen Ehefrau geht Schaumburgs 51 52 53

54 55

Ebd. S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. II, § 1, S. 695 f. Dabei werden res incorporales nicht dazu gezählt, diese seien „eigentlich nicht in dominio. Denn dieses hat seinen Ursprung von dem natürlichen Besitz einer Sache, und darzu wird eine cörperliche Ergreifung erfordert.“ Ebd. Stephan B, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, Frankfurt a.M. 1978, S. 113. Vgl. die Definition in Art. Dominium, in: Johann August von H, Repertorium Reale Practicum Iuris Privati Imperii Romano-Germanici oder vollständige Sammlung aller üblichen und brauchbaren Rechte im Heil. Römischen Reiche, und den benachbarten Landen, Bd. 1, Jena 1753, S. 1228: „so haben die Gesetze dergleichen Eigenthum, oder dominium civile in den Handlungen fest gesetzet, wodurch der wahre Eigenthümer entweder einen bestendigen, oder doch wenigstens langjährigen Gebrauch und Nutzung eines Dinges einen andern transferiret.“

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Darstellung zum ius rerum des sächsischen Rechts im Kapitel „Von den Würkungen des Eigenthums und deren Einschränkungen“ auch auf spezifische Ausklammerungen vom Eigentum und seiner Eigentumsformen ein.56 Zu den Wirkungen des Eigentums zählten nach Schaumburg: „1) Die Macht, sich der Sache nach Belieben zu gebrauchen; 2) das Recht, die Sache zu veräußern; 3) das Recht, die Sache auf die Erben zu transferieren; 4) das Recht, andere vom Gebrauch der Sache auszuschließen, oder selbige zu vindiciren.“57

Mit dem Verweis auf die Rechtspraxis behielt er sich die Punkte 1 bis 3 als Charakteristika der Eigentumsrechte jedoch vor, denn „es zeiget die Erfahrung, daß oftmals jemand ein Eigenthum habe, und gleichwohl ein anderer die Nutzung von der Sache ziehet.“58 Die Veräußerung einer Sache und der Transfer auf die Erben könne durch Verträge und Testamente eingeschränkt werden. Daher bliebe nur das Ausschließungs- bzw. Vindikationsrecht als Wirkung des Eigentums bestehen und „so lange dieses jemand ausüben kann, so lange darf man ihm das Eigenthum nicht streitig machen.“59 Ähnlich wie in den Naturrechtslehren pointierte Schaumburg seinen Eigentumsbegriff somit auf die Ausschließungsbefugnis als das stärkste Recht des Eigentums. In den erläuternden Kapiteln differenzierte er dann die einzelnen Elemente entsprechend der sächsischrechtlichen Gesetzeslage aus. Dabei zählten nach Schaumburg zu den per Gesetz in ihrem Veräußerungsrecht beschränkten Gruppen Pupillen (Mündel), Minderjährige, Verschwender sowie Schuldner, die zum Nachteil ihrer Gläubiger nichts veräußern dürften. Darüber hinaus fielen Kirch- und Stadtgüter, die Gerade und der Pflichtteil unter die Kategorie der in ihrer Veräußerung beschränkten Güter.60 In den Katalog waren Frauen insofern aufgenommen, als sie „nicht allemal über ihre Güter schalten“ könnten.61 Allerdings wurde über das eingeschränkte Vindikationsrecht von Ehemännern über die unbeweglichen Güter der Frau implizit auch die Eigentumsrechte von Ehefrauen bestimmt – eben durch die an eine Veräußerung gebundene Zustimmung der Frau und ihres Vormundes. Damit waren Frauen zwar in ihrem Veräußerungsrecht eingeschränkt, allerdings nicht per se vom Eigentum und seinen Rechten ausgeschlossen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeichnete sich im Zuge der Rechtsvereinheitlichung und -systematisierung in der rechtswissenschaftlichen Diskussion ein Wandel hin zu einem abstrakten Eigentumsbegriff ab. In diese Richtung ging bereits das von 1753 bis 1762 erschienene „Repertorium 56

57 58 59 60 61

Abgesehen von der Teilung in dominium eminens, das den Landesherren zusteht und den Eingriff in das dominium vulgare der Untertanen gestattet. Vgl. S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. II, § 2, S. 696 f. S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. XI, § 1, S. 797. Ebd. Ebd., S. 798. Ebd., § 5, S. 800 f. Ebd., S. 800.

2.1 Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17./18. Jahrhunderts

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Reale Practicum Iuris Privati Imperii Romano-Germanici“ des Jenaer Juristen Johann August von Hellfeld (1717–1782).62 In dem Artikel zum dominium wurde Eigentum als „Macht und Gewalt, nach Gefallen davon zu disponiren“ definiert.63 Der „Haupt=Effect“ des Eigentums sei dabei, „daß der Herr und Eigenthümer des Dinges ein dingliches Recht daher erlange, vermöge dessen er nach Gefallen von dem Ding disponiren, folglich solches veräußern, consumiren und durchbringen kann, in so weit sothane Freyheit durch die Gesetze nicht eingeschrencket ist.“64

An dieser begrifflichen Fassung des Eigentums wird einmal mehr der Wandel von der proprietäts- hin zur herrschafts- und freiheitsbetonten Eigentumsbestimmung evident, die sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durchgesetzt hat. Wer nun in seiner Eigentumsdefinition als Subjekt von Eigentumsrechten in Frage kommt und als eigentumsfähig gilt, bestimmte Hellfeld auf vernunftrechtlicher Basis: „Alle Menschen, welche ihrer Vernunft mächtig sind, können das Eigenthum erlangen und acquiriren.“65 Dementsprechend waren Kriterien wie Geschlecht oder Stand kein Exklusionsgrund. Vom Eigentum ausgeschlossen wurden dagegen Menschen aufgrund ihres Status – eines durch Alter und Verstand definierten Mangels an Vernunft. Darunter fielen dem klassischen Katalog entsprechend „Rasende, Blödsinnige, Kinder und Minderjährige“. Lediglich diese könnten „vor sich dergleichen Eigenthum nicht acquiriren [. . . ], sondern die Vormünder und Curatores müssen dabey concurriren.“66 Weiter als Johann August von Hellfeld ging die juristische Literatur gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Dabei wurde Eigentum im Sinne eines „wahren, echten Eigentums“67 zunehmend von den bislang unter die Rechtsinstitution des Eigentums subsumierten Besitz- und Nutzungsrechten abgekoppelt. 62 63

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Zu Johann August von Hellfeld als Beisitzer und Ordinarius des Jenaer Schöppenstuhls G, Eigentum, S. 82–84. Art. Dominium, in: H, Repertorium, Bd. 1, S. 1224. Vgl. die Lehrbuchdefinition: „Est autem D stricte tale, species iuris realis, ex quo competit facultas de re corporali pro arbitrio disponendi. [. . . ] In omni vero re, et eius substantiam, et usum distinguere licet. Facultas de ipsa rei substantia disponendi, P, facultas de fructibus rei pro arbitrio disponendi, R U, vel U vocatur. Quem si ipse dominus percipit, C, si vero tertius eum habet,   vocamus. Dominus proprietatem, et usumfructum habet causalem, qui tamen a proprietate potest separari.“ H, Jurisprudentia forensis, Bd. 1, Lib. VI, Tit. I, § 576, S. 194. Art. Dominium, in: H, Repertorium, Bd. 1, S. 1226. Außerdem ergeben sich aus dem dominium „verschiedene Actiones“: „1) rei vindicatio; 2) Actio ad exhibendum, welche praeparatoria der ersten ist; 3) Actio de communi diuidundo.“ Vgl. Gottfried Reinhard K/Friedrich Salomo H, De dominio eiusque effectibus, Leipzig 1731. Weitere zeitgenössische Literatur bei H, Repertorium, Bd. 1, S. 1228. Ebd., § 5, S. 1225. Ebd. Art. Eigenthum, Directum, in: Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Bd. 8, Frankfurt a.M. 1783, S. 34.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Exemplarisch dafür ist der 1800 erschienene „Versuch einer systematischen Einleitung in die Eigenthumsrechte“ des Wetzlarer Regierungsassessors Johann Theodor Reinhard.68 Ähnlich wie Anton Friedrich Justus Thibaut in seinem berühmten Aufsatz „Über dominium directum und dominium utile“69 dokumentierte sich in Reinhards Werk die Tendenz, die Eigentumsproblematik in Anknüpfung an das römische Recht weitgehend von den Rechtsstrukturen des Alten Reiches zu entkoppeln. Dies führte zu einer Rekonstruktion des abstrakten und absoluten römischen Eigentumsbegriffs, wobei die einzelnen Eigentümerbefugnisse nicht mehr als selbständige Teile, sondern als Elemente eines einheitlichen Rechts begriffen wurden.70 Reinhards Plädoyer für eine Trennung von Eigentum und den iura in re aliena ergab sich aus seiner Ansicht, „daß sich in die ganze Lehre vom Sachenrechte eine strenge systematische Einheit bringen läßt, wenn man, dem Geiste des Römischen Systems gemäß, alle außer der Proprietät an eine Sache stattfindenden Rechte auf die Proprietät bezieht, als wenn man der Proprietät die Servitut, das Pfandrecht und andere Rechte als ,cospecies’ entgegensetzt.“71 Dementsprechend differenzierte Reinhard in seinem Eigentumsrechtssystem bezüglich der möglichen Eigentumssubjekte zwischen einem grundsätzlichen Eigentumsrecht von Personen und ihrer tatsächlichen Proprietätsausübung. Der Status der Proprietät war dabei entscheidend für die Qualität des ausgeübten Eigentumsrechts: „Ruhendes Eigentumsrecht (dominium quiescens) ist vorhanden, wenn der Eigenthümer die Proprietät gar nicht oder doch nur zum Theil ausüben darf, sondern ein Anderer hierzu berechtigt ist.“72 Gründe dafür, „warum ein Eigenthümer die Proprietät nicht ausüben darf “, waren vor allem alters-, vernunfts-, verhaltens- und geschlechtsbedingt. Von einem aktiven Eigentumsrecht ausgeschlossen waren nach dem umfassenden Katalog Reinhards 1.) Ungeborene als Subjekte der Proprietät, 2.) Unmündige unter väterlicher oder anderer Vormundschaft, 3.) Kinder in väterlicher Vormundschaft, 4.) Pupillen, 5.) „Rasende und Wahnsinnige“, 6.) „gerichtlich erklärte Verschwender“, 7.) Abwesende und über einen längeren Zeitraum Kranke, 8.) Frauen, die unter unbeschränkter Geschlechtsbeistandschaft stünden. Reinhard verwies hier jedoch einschränkend auf die jeweiligen Regelungen der partikularen Gesetzgebung. Darüber hinaus fielen unter ru68

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Johann Theodor R, Versuch einer systematischen Einleitung in die Lehre vom Eigenthumsrechte, Frankfurt/Leipzig 1800. Vgl. Michael K, Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei Ernst Ferdinand Klein, Frankfurt a.M. 1998, S. 102. Anton Friedrich Justus T, Über dominium directum und dominium utile, in: D., Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts, Bd. 2, 2. Aufl., Jena 1817, S. 67–99. Thibauts Überlegungen, die die Eigentumskonzeptionen der frühneuzeitlichen Rechtswissenschaft theoretisch ablösten, gelten als bahnbrechend für die Durchsetzung des abstrakten Eigentums. U, Eigentum, S. 78. R, Versuch, S. 4. Ebd., S. 57.

2.1 Eigentum in juristischen Eigentumsbestimmungen des 17./18. Jahrhunderts

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hendes Eigentumsrecht 9.) „Gemeinheiten“, da ihr Testierrecht wegfalle und ihr Vermögen unter einer ständigen Administration stehe, 10.) die Mitglieder einer Gesellschaft mit Gesamteigentumsrecht sowie abschließend 11.) unvermögende Schuldner, deren Vermögen zu den Gläubigern übergegangen sei.73 Mit dieser Systematisierung wurden keine Ausschließungen vom Eigentum bzw. Eigentumsrecht vorgenommen. Lediglich „Klostergeistliche, welche Profeß gethan haben, und Klöster, wenn sie vermöge ihrer Regel kein Eigenthum besitzen können“ wurden prinzipiell als vom Eigentum ausgeschlossen betrachtet.74 Damit galten neben Frauen als Personen minderen Rechts auch Leibeigene, die Reinhard im Übrigen auch nicht als Objekte des Eigentums definiert, als eigentumsfähig.75 Dies trifft in ähnlicher Weise auch für die breit rezipierte Monographie Friedrich Carls von Savigny über das „Recht des Besitzes“ von 1803 zu. Unter methodischer Orientierung an das römische Recht Justinians behandelte er darin die Rechte des Besitzes (ius possessionis) im Unterschied zu dem der Eigentumstheorie zugeordnetem Recht zu besitzen (ius possidendi).76 Exklusionen vom Besitz diskutierte von Savigny in seinem Kapitel über den Erwerb von Besitzrechten, indem er danach fragte, welche Personen keinen Besitz erwerben können, „weil sie überhaupt nicht wollen können.“77 Grundlage war dementsprechend der „animus possidendi“ für den als Ausschließungskriterien der Status als juristische Person, Wahnsinn und Minderjährigkeit, nicht jedoch das Geschlecht galt. Damit wurden Frauen eindeutig als Inhaberinnen eines „animus possidendi“ begriffen und somit als besitzfähig ausgewiesen. Insgesamt bleibt mit diesem Befund zu resümieren, dass die juristischen Eigentumsbestimmungen des 17. und 18. Jahrhunderts aufgrund ihres Abstraktionsprinzips prinzipiell geschlechtsneutral strukturiert waren und nicht mit sozialen Ausschließungsformeln operierten. Die Erläuterungen zu den Definitionen legten zwar die Gegenstände und Rechte des Eigentums, jedoch keine expliziten Ausschlusskriterien vom Eigentum fest. In der Systematik der Eigentumsdefinitionen waren die Eigentumsbeschränkungen der Vorstellung des unbegrenzten Herrschaftsrechts des Eigentümers bezeichnenderweise nachgeordnet. Erst in diesem Kontext wurden Ausdifferenzierungen zur Bestimmung von Eigentumsrechten eingeführt. Waren diese rein naturrechtlich begründet, gehörten Frauen nicht in die Kategorie der (wegen mangelnder Vernunft) ausgeschlossenen Gruppen. Mit dem Verweis auf die für Frauen per Gesetz eingeschränkten Dispositionsbeschränkungen fielen sie allerdings 73 74 75

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Ebd., S. 58–64. Ebd., S. 15. Ebd., § 3, S. 16. In dem Kapitel über die Objekte des Eigentumsrechts oder Sachen werden „nur Sachen d. i. alles Irdische außer der Person des Menschen“ als Gegenstände des Eigentumsrechts definiert. Vgl. Friedrich Carl von S, Das Recht des Besitzes. Eine civilistische Abhandlung, Gießen 1803, S. 3. Ebd., S. 190.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

in die Gruppe derjenigen Personen, die der Eigentumsrechte enthoben oder eingeschränkt waren. Von der Verfügung über Eigentum abgekoppelt war die prinzipielle Teilhabemöglichkeit am Eigentum, in die Frauen sowohl in der naturrechtlichen als auch in der gemeinrechtlichen Eigentumslehre inkludiert waren. Eigentum trug damit nach den juristischen Eigentumsbeschreibungen des 17. und 18. Jahrhunderts keinen Exklusionscharakter. Dieser Konstante ungeachtet unterlag der juristische Eigentumsbegriff, der sich über die Elemente Proprietät, Herrschaft und Verfügungsbefugnis (ius disponendi) konstituierte, im Laufe der Frühen Neuzeit grundlegenden Akzentverschiebungen. Stand in der spätmittelalterlichen Jurisprudenz die ,Zugehörungsidee‘78 (Proprietät) und die Verfügungsbefugnis im Zentrum der Eigentumsidee, wandelte sich dies im 17. Jahrhundert. Die Eigentumsdoktrin des Usus modernus ging verstärkt vom Recht an der Substanz der Sache aus. Die Erweiterung des ius disponendi um die Nutzungsbefugnis (ius libere disponendi, ,mit dem Eigentum nach Belieben schalten und walten‘) beeinflusste dabei die Lehre vom geteilten Eigentum, indem sowohl Unter- als auch Obereigentümer einen Teil der utilitas und proprietas zugewiesen wurde. Mit den Eigentumskonzepten der Naturrechtslehre blieb Eigentum vor der Folie dieser Konstellation von Herrschafts- und Nutzeigentum zwar grundsätzlich in einzelne Befugnisse spaltbar. Doch erweiterte sich das juristische Eigentumsverständnis im 18. Jahrhundert, indem zur Verfügungsbefugnis das Ausschließungsrecht trat. Die – das Nutzungsrecht einschließende – Verfügungsmacht wurde sukzessive in den Eigentumsbegriff eingepasst und mit diesem gleichgesetzt. Daran war die zunehmende semantische Kopplung mit dem als Freiheit der Verfügung verstandenen Freiheitsgedanken verbunden. Dies führte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Umgestaltung des bisherigen Eigentumsbegriffs in der aufklärerischen und staatsrechtlichen Literatur. Aus der im Naturrecht angelegten Kopplung der Idee von der individuellen Freiheit an das Eigentum wurde dabei der durch die Freiheitslehren des politischen und ökonomischen Liberalismus beeinflusste neue Eigentumsbegriff konsequent vom „Individuum und dessen Freiheit her gedacht.“79 Waren mit der ständischen Eigentums- und Gesellschaftsstruktur tradierte Herrschaftsrechte, ,Gerechtsame‘, Freiheiten und Privilegien assoziiert, wurden diese Bindungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts somit diskursiv aufgebrochen. Mit der formelhaften Verknüpfung von Freiheit und Eigentum ging aber nicht nur die Delegitimierung wohlerworbener Rechte, sondern – mit Blick auf ein ,wahres‘ Eigentum – auch die Ablehnung des geteilten Eigentums einher. Dieser Bruch mit der ständischen Eigentumsordnung wurde in der rechtswissenschaftlichen Eigentumsdogmatik jedoch 78 79

B, Nahrung, S. 89. S, Eigentum, S. 74; Diethelm K, Persönlichkeit und Freiheit. Das „Recht der Persönlichkeit“ in der Entwicklung der Freiheitsrechte im 18. und 19. Jahrhundert, in: B (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte, S. 269–290.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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nicht so weit vollzogen, wie er in der physiokratischen Eigentumslehre oder im publizistischen Diskurs, etwa 1790 im Dialog Ernst Ferdinand Kleins über „Freyheit und Eigenthum“, angelegt war.80 Dies galt im Übrigen auch für die semantische Aufladung von Eigentum als „droit inviolable et sacré“ („Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“, 1789).81 Wurde Eigentum um 1800 „in allen sozialen Schichten und auf allen gesellschaftlichen Ebenen als freier individueller Besitz verstanden“,82 blieb die ständische Eigentumsordnung mit der Integrität wohlerworbener Rechte im Alten Reich rechtlich verankert. Die Sprengkraft des im Eigentum angelegten Herrschafts- und Freiheitsgedankens wurde dabei rechtstechnisch durch das ordnungspolitische Regulativ der salus publica aufgefangen.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten Eigentumsrechte wurden in der Rechtspraxis Sachsen-Weimar(-Eisenachs) in Orientierung an die geltende Rechtsquellenhierarchie ausgestaltet, die durch landesherrliche Gesetzgebung sowie Rechtsfortbildungen in der Rechtsprechung bzw. im Prozessgebrauch ergänzt wurden.83 Grundlage für den Umgang mit Eigentumsrechten bildete das auf dem Sachsenspiegel basierende sächsische Recht.84 Dabei unterlag es einer stetigen Anpassung an neuere Rechtsentwicklungen, so dass sich das gemeine Sachsenrecht gegen das in 80

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„Es ist wahr, die persönliche Freiheit ist ein unverletzliches Menschenrecht und die Heiligkeit des Eigentums ist nur eine Folge davon.“ Ernst Ferdinand K, Freyheit und Eigenthum, abgehandelt in acht Gesprächen über die Beschlüsse der Französischen Nationalversammlung, Berlin/Stettin 1790, S. 121. Vgl. auch den Gedanken des Staatszweckes als Schutz des Eigentums des Einzelnen bei Johann Heinrich Gottlob von J, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey=Wissenschaft, Königsberg 1760, S. 148 ff. Christoph L, Naturrechtliche Grundlagen des Grundrechtsdenkens in der deutschen Staatsrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts, in: B (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte, S. 215–233, hier S. 227. Elisabeth B, Eigentum in der Französischen Revolution. Gesellschaftliche Konflikte und Wandel des sozialen Bewußtseins, München 1992, S. 248. Allgemein zur Rechtsquellenhierarchie siehe O, Rechtsvielfalt. Die Rechtsanwendung verlief dabei in der Regel praxisorientiert, d. h. ausschlaggebend war die spezifische Observanz des Gerichts. Observanz bezeichnet dabei die durch Praxis anerkannte Geltung von Rechtsnormen. Vgl. ebd., S. 682. Für Sachsen-Weimar vgl. H, Großherzogtum, S. 105–120. Harry S, Das sächsische und magdeburgische Recht und seine Literatur in Deutschland vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Dietmar W/Winfried S (Hrsg.), Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, Frankfurt a.M./Bern/Circencester 1980, S. 163–190; Heiner L, Art. Gemeines Sachsenrecht, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 77–84; Hiram K, Sachsenrecht. Studien zur Geschichte des sächsischen Landrechts in Mittelalter und früher Neuzeit, Berlin 2009.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

anderen Territorien des Alten Reiches rezipierte römisch-kanonische Recht bis in das 19. Jahrhundert hinein behaupten konnte. Neben dem sächsischen Recht kamen lokale Traditionen und Rechtsgewohnheiten, Landes- und Policeyordnungen sowie landesherrliche Spezialverordnungen als Rechtsquellen hinzu.85 Diese blieben bis zu Beginn des 19. Jahrhundert die Hauptformen der Gesetzgebung. Zur Regulierung von Eigentumsverhältnissen setzten entsprechend dem Vorrang des kleineren gegenüber dem größeren Rechtskreis in erster Linie Gewohnheitsrecht und lokale Statuten entscheidende Rahmenbedingungen. Erst danach waren das allgemeine Landesrecht und das gemeine sächsische Recht zu konsultieren. Römisch-gemeine Rechtsprinzipien hatten subsidiären Charakter und wurden herangezogen, wenn die heimischen Rechtsquellen keine eindeutige Rechtsfindung erlaubten.86 Reichsweite Normen im Umgang mit Eigentum waren, freilich mit unterschiedlicher Stoßrichtung, in den Reichsgrundgesetzen verankert: 1532 in der Peinlichen Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Carolina), der Augsburger Ordnungsgesetzgebung von 1555 sowie 1648 im Westfälischen Frieden. Eigentumssicherheit und Schutz von Eigentum wurden hier zu einer rechtlichen Norm, die über konfessionellen Divergenzen stand und zu einem Grundwert im Alten Reich avancierte.87 Für den sächsischen Reichkreis wurden mit den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 entscheidende eigentumsrechtliche Regelungen getroffen, die auch den Umgang mit weiblichem Eigentum betrafen.88 Die Konstitutionen waren eine Kontroversengesetzgebung, die als eine Weiterentwicklung des ius saxonicum zeitgemäße Prinzipien des sächsischen Rechts im Bereich des Straf-, Zivil- und Zivilprozessrechts inkorporierten und mit dem rezi85 86

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Vgl. L, Gerichtsverfassung; Gregor R, Die ernestinischen Landesordnungen und ihre Vorläufer von 1446 und 1482, Köln/Graz 1964. Vgl. S, Einleitung, Bd. 1, 3. Aufl., Dresden/Leipzig 1781, 1. Theil, Exerc. II, S. 9–30 sowie die revidierte Hofgerichtsordnung von 1653: Des Fürstlichen Sächsischen gemeinen Hof=Gerichts zu Jehna Erneuerte und verbesserte Ordnung, Jena 1653 (= HGO 1653), ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 28, 35. Abgedruckt in: Johannes S, Aeltere und neuere Gesetze, Ordnungen und Circular=Befehle für das Fürstenthum Weimar und für die Jenaische Landes=Portion, Bd. 4, Jena 1802, S. 457– 520, hier Kap. XV. Georg S, Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495–1806, München 1999, S. 235 sowie das Kapitel „Ständische Ordnung, deutsche Freiheit und Eigentum“ in: D., Wandel durch Vernunft. Deutsche Geschichte im 18. Jahrhundert, München 2009, S. 291–296 und Winfried S, Ständische Gesellschaft und Individualrechte, in: B (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte, S. 161– 179. Churfürst Augusti Verordnungen und Constitutiones, 21. April 1572, in: Johann Christian L (Hrsg.), Codex Augusteus Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici, worinnen Die in dem Churfürstenthum Sachsen und darzu gehörigen Landen, Auch denen Marggrafthuemern Ober= und Nieder=Lausitz, publicirte und ergangene Constitutiones, Decisiones, Mandata und Verordnungen enthalten, Bd. 1, Leipzig 1724, Sp. 73– 131.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

75

pierten römischen Recht harmonisierten.89 Sie wurden in der Rechtspraxis zwar weitgehend übernommen, aufgrund territorialpolitischer Abgrenzungsbestrebungen gegenüber Kursachsen jedoch nicht als verbindliche Landesgesetze eingeführt.90 Grundlegendes Landesgesetz in Sachsen-Weimar bildete hingegen bis zum Ende des Alten Reiches die am 7. März 1589 erlassene Fürstlich-Sächsische Policey- und Landesordnung, die lediglich durch Einzelmandate, Patente und Reskripte (Verordnungen) erweitert wurde.91 Diese legislatorischen Aktivitäten bezogen sich in der Regel auf konkrete Phänomene im wirtschaftlichen, policeylichen, jurisdiktionellen und religiösen Bereich. Auch die 1705 in Kraft getretene Policeyordnung trug diesen occasionellen Charakter und nahm nicht den Rang einer umfassenden Landesordnung ein.92 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten waren dabei den unterschiedlichen Regelungsbereichen zugeordnet. Eigenständige Eigentumsordnungen wie sie etwa in Westfalen vorlagen, gab es für SachsenWeimar(-Eisenach) zwar nicht.93 Doch existierten mit der Revisionsinstruktion vom 6. Februar 1726 und der Einführung des Erbscheinsystems 1782 zentrale Reglemente, die die Eigentumsverhältnisse Sachsen-Weimars

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Vgl. Hermann Theodor S, Die Constitutionen Kurfürst August’s von Sachsen vom Jahre 1572, Leipzig 1857; D., Zur Geschichte der sächsischen Justizpflege und Prozeßgesetzgebung im 17. Jahrhundert, Dresden/Leipzig 1843 sowie Gerhard B, Art. Kursächsische Konstitutionen, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 1304–1310; K, Sachsenrecht, S. 285–291. Dazu ausführlicher in Kapitel 3.1. Vgl. Carl Wilhelm Ernst H, Lehrbuch des particulären Privatrechts der zu den O.A. Gerichten zu Jena und Zerbst vereinten Großherzoglich u. Herzoglich Sächsischen, Fürstlich Reußischen, Fürstlich Schwarzenburgischen und Herzoglich Anhaltischen Länder, Jena 1848, S. 82 ff. Anders dagegen August Sigismund K, Über die Gültigkeit des Sachsenspiegels und der KurSächsischen Constitutionen in den Landen des Sächsischen Rechts, in: Themis. Zeitschrift für praktische Rechtswissenschaft 1, 1828, H. 2, S. 326–337, bes. S. 329 ff. Die Kursächsischen Konstitutionen galten mit der Kanzleiordnung von 1655 in Gotha und seit 1700 in Eisenach. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 25. Der Durchlauchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herren/ Herren Friederich Wilhelms/ vnd Herren Johansen, Gebrüdern/ Hertzogen zu Sachsen [. . . ] Policey vnd Landesordnunge/ zu wolfart/ nutz vnd besten derselben Vnderthanen vnd Fürstenthumb bedacht und ausgangen, Jena 1589 (= Policey- und Landesordnung 1589). Die Landesordnung basierte auf der Landesordnung von 1556, die für das gesamte ernestinische Gebiet galt. Am 1. August 1768 wurde sie unter der obervormundschaftlichen Regierung Anna Amalias von Sachsen-Weimar-Eisenach erneut publiziert. Vgl. R, Landesordnungen, S. 22 ff.; H, Großherzogtum, S. 106. Ordnung/ Wie es hinführo In dem Fürstentum Weimar/ und darzu gehörigen Landen/ wie auch Der Hennebergischen Landes=Portion/ bey Verlöbnüßen/ Hochzeiten/ Kindtauffen/ Begräbnüßen/ Handwercks=Zusammenkünften und Kirmsen/ wie auch/ wegen einiger andern zum Policey=Wesen gehörigen nöthigen Puncten/ gehalten werden soll, Weimar 1706 (datiert vom 22. Dezember 1705). Erneuert durch eine Ordnung vom 19. Juli 1727. Vgl. Klaus S, Die westfälischen Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. Göttingen 1965.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

umfassend ordneten. Die von Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar erlassene Revisionsinstruktion sah die Neubestimmung des Grundbetrages für Steuererhebungen vor.94 Dazu wurde, wie um 1700 auch in anderen Territorien des Alten Reiches üblich, eine generelle Landvermessung angeordnet; Grenzdifferenzen waren beizulegen und Grenzmarkierungen vorzunehmen. Hinzu kam die Taxierung von Grundstücken nach Ertrag und unter Einschluss der auf ihnen liegenden Verpflichtungen (onera realia).95 Damit wurden Eigentums- und Besitzrechte an Grund und Boden, der Kaufwert von Grundstücken sowie Abgaben beweiskräftig in Fundbüchern, Flurkarten und Katastern bestätigt und dokumentiert.96 In die Kataster waren zudem alle Änderungen in den Besitzverhältnissen, d. h. alle Abschreibungen durch Kauf, Tausch und Erbe aufzunehmen.97 Die Deklarationspflicht jeglicher Besitzveränderungen trafen dabei fiskalpolitische Interessen, die die Verstetigung und Stabilität des Abgaben- und Steueraufkommens im Blick hatten.98 Gegenüber den Untertanen präsentierte sich das landesherrliche Projekt aber vor allem als Garant ihrer Eigentumssicherheit. Zur Etablierung einer „durchgängige(n) Gleichheit bey dem modo contribuendi“99 sollte kein „Rain und Stein im Felde verrückt werden, weniger ein Stück Gut aus dem Lehn-Zins- und Fundbuche verlohren gehen, sondern viel mehr ein jeder getreuer Unterthan für sich und die Seinigen seines Eigenthums gewiß versichert leben“ können.100 Eigentumssicherheit blieb jedoch kein legitimatorisches Etikett, denn anders als bei ähnlichen Unternehmungen in Mecklenburg wurde in SachsenWeimar nicht in Besitzstände eingegriffen. In der Tendenz schrieb damit die Revision die gewohnheitsrechtliche Übertragbarkeit des Grundbesitzes fest,

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Verordnung und Instruction, Wornach sich Bey der im Fürstentum Sachsen=Weimar angeordneten General-Revision zu achten, ThHStAW, B 17639, Bl. 129r –184r ; S, Gesetze, Bd. 6, S. 182–333. Hintergrund war die Vereinheitlichung der Steuererhebung in den weimarischen Gebieten und der Jenaer Landesportion. Etliche Steuerrevisionen sind für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts dokumentiert, die in Zusammenhang mit der Landesteilung standen. Vgl. Rosalinde G, Das Verhältnis von Eigentum, Zins und Steuer in der Weimarer Revisionsinstruktion von 1726, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 11, 1987, S. 125–155, hier S. 324. Reallasten umfassten alle Belastungen eines Grundstückes, die sich auf die Verpflichtung zu Geldzahlungen, Naturalabgaben oder Arbeitsleistungen bezogen. Die dogmatische Verortung der Reallasten war zeitgenössisch umstritten. Vgl. dazu K, Eigentum, S. 126–139. Ab 1733 wurden mit der Steuererhebung nach den neuen Bemessungen in einzelnen Gemeinden begonnen, 1744 war die Revision abgeschlossen. Vgl. ThHStAW, B 17645, Bl. 4r . Vgl. Katasterformblatt: Revisionsinstruktion, S, Gesetze, Bd. 6, S. 342. Andreas S, „Ohne Steuer kein Staat“. Zur Entwicklung und politischer Funktion des Steuerrechts in den Territorien des Heiligen Römischen Reichs (1500– 1800), Frankfurt a.M. 1996. Revisionsinstruktion, S, Gesetze, Bd. 6, Cap. I, S. 184. Ebd., S. 185.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

77

die in der Landesordnung von 1589 noch untersagt war.101 Im Sinne eines auch die bäuerlichen Güter inkludierenden freien Besitzrechtes war Eigentum frei vererb-, teil-, verkauf- und belastbar.102 Abgabeleistungen in Form von Erbzinsen, die neben Geschoß, Gefällen, Abzugsgeldern, verschiedenen Gebühren und Steuergeldern primär in den herzoglichen Kammer- bzw. Staatshaushalt flossen, bewiesen Eigentum und Erbe.103 Mit der reklamierten Steuergerechtigkeit war jedoch keine umfassende Änderung des Steuersystems verbunden, wie es beispielsweise die Reformpläne des Weimarer Kammerpräsidenten Johann August Alexander von Kalb vom November 1776 intendierten.104 Kameralistische Überlegungen zur Einbindung der steuerprivilegierten Stände wurden nicht realisiert. Die Revision betraf die 101

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Danach durfte „niemandts sein Lehen und Zinsgut, durch Kauff, Wechsel, Erbfall, Vorpfendunge oder anderer gestalt, ohne bewilligung des Lehenherrn, zurreissen vnd verreintzeln“. Policey- und Landesordnung 1589, § 38. Zum Verbot der Teilung von Lehn- und Zinsgütern (1582–1619) vgl. auch ThHStAW, B 4913. Vergleichsweise minimal war 1726 die Auflage, dass Teilungen von Grund und Boden nicht unter ¼ Acker (0,07 ha) vorgenommen werden sollten. Mit Beschränkungen verbunden war auch das Näherrecht (Vorkaufsrecht) für Feldnachbarn oder Gemeindemitglieder. Vgl. Revisionsinstruktion, S, Gesetze, Bd. 6, Cap. XIV, § 10, S. 302. Zu weiteren Modifizierungen im 18. Jahrhundert vgl. M, Staats- und Regentengeschichte, S. 212 f. Speziell für Frauen wurde am 29. Juni 1741 ein Verbot erlassen, ihre Güter zu verkaufen. Eine Verfügung vom 27. Juni 1742 hob diese Regelung allerdings wieder auf, sah aber bei Veräußerungen eine Abgabe von 16 % vor. Vgl. S, Gesetze, Bd. 9, S. 195; ThHStAW, B 2223. Zu den Beschränkungen und Belastungen zählten auch Frondienste, wobei in SachsenWeimar, wie bereits angedeutet, weder Zwangsgesindedienste noch Leibeigenschaft verankert waren. Bereits S, Einleitung, Bd. 1, 1. Theil, Exerc. X, S. 205 hat dazu pointiert vermerkt: „Unsere Bauern sind keine Römische Knechte, sondern freye Leute. Sie geniessen mit denen übrigen Unterthanen gleiche Jura.“ Diese Feststellung ist symptomatisch für den sächsischen Bereich, in dem Universitäten und Obergerichte von der praesumtio pro libertate ausgingen. Winfried S, Die Entwicklung des „teutschen Bauernrechts“ in der Frühen Neuzeit, in: ZNR 12, 1990, S. 127–163, hier S. 153. Zum bäuerlichen Besitzrecht in Sachsen-Weimar Rosalinde G, Untersuchungen zur Agrargeschichte des Weimarer Territoriums vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zu den bürgerlichen Reformen im frühen 19. Jahrhundert, Diss. Jena 1982, S. 22 ff.; Wieland H, Zwischen Marktplatz und Anger. Stadt-Land-Beziehungen im 16. Jahrhundert in Thüringen, Weimar 1988; Bernd S, Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft. Verfassung und Recht der Landgemeinde Thüringens in der frühen Neuzeit, Weimar 1996. Lehngelder betrugen fünf Prozent des Wertes der Güter laut Policey- und Landesordnung 1589, § 24. Dazu auch G, Agrargeschichte, S. 25, 31. Zinsleistungen gingen daneben auch an Kommunen, Kirchen, Pfarreien, Bildungseinrichtungen sowie Rittergüter. G, Verhältnis, S. 334. Zum privilegierten Grundbesitz in SachsenWeimar-Eisenach um 1800 vgl. Marko K, Zwischen ständischer und bürgerlicher Lebenswelt. Adel in Sachsen-Weimar-Eisenach 1770 bis 1830, Köln/Weimar/ Wien 2008, S. 290–326. Für Kursachsen u. a. Axel F, Bürgerliche Rittergüter. Sozialer Wandel und politische Reform in Kursachsen (1680–1844), Göttingen 2000; D., Die Vererbung adliger Lehngüter in Kursachsen im 18. Jahrhundert, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 115–135. ThHStAW, B 17026; Ventzke, Herzogtum, S. 129–134.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

städtischen und ländlichen Grundstücke; Rittergüter waren nach wie vor steuerfrei. Insgesamt blieb die Steuerlast für die Untertanen erheblich; selbst im europäischen Maßstab war die Quote mit rund dreiunddreißig Prozent enorm.105 Auch die Katasterverwaltung blieb auf lange Sicht unzureichend. Ebenso ließ sich auf Dauer kaum eine Kontinuität im Anzeigeverhalten von Besitzveränderungen in den Ämtern und Gerichten erreichen, wie ein am 31. August 1752 erlassenes Patent belegt.106 Immer mehr stand auch die Rechtssicherheit des mobilen Eigentums zur Debatte.107 Durch Kauf, Tausch, Schenkung und vor allem auch durch Erbschaft erworbener Besitz sollte besser als bisher gerichtlich in Besitzurkunden bestätigt, jeder Eigentumswechsel regelmäßig in Handels- und Konsensbüchern dokumentiert werden. Lösung für dieses Problem waren die am 8. März 1782 in den Ämtern, Patrimonialgerichten und Stadträten eingeführten „Erb- und ZuSchreibescheine“, die sich in Orientierung an das kursächsische System auf Einzelerbschaften und nichtteilende Erbengemeinschaften bezogen.108 In der Tendenz boten sie eine „behördlich gesicherte Eigentumssicherheit“109 , denn mit den obligatorisch notwendigen Erbzuschreibescheinen lagen beweiskräftige Besitzdokumente bei Erbstreitigkeiten vor, die auch bei Hypothekenverträgen oder sonstigen Investitionsgeschäften von Vorteil waren.110 Insgesamt konturierten diese auf Rechts- und Eigentumssicherheit abzielenden landesherrlichen Reformen die Rahmenbedingungen für die Rechtspraxis Sachsen-Weimar(-Eisenachs). Den normativen Umgang mit Eigentumsrechten (Erwerb, Transfer, Grenzen und Schutz) legten jedoch die Rechtsgrundlagen fest. In Korrespondenz zu den Problemfeldern der analysierten Eigentums- und Besitzstreitigkeiten im Kapitel 3.2 wird daher im Folgenden in die zentralen Normierungen eingeführt, die den Umgang mit Eigentumsrechten im Bereich des Erb- und Schuldrechts sowie im Bereich der Eigentumsbeschränkungen und des Eigentumsschutzes präfigurierten.111 Der Fokus richtet sich dabei – vor der Folie

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Vgl. V, Herzogtum, S. 131. Regierungs=Acta das erlaßene Patent, daß alle Tausch-, Kauf-, Vererbungs- auch andere Veräußerungens=Fälle derer Güther und GrundStücke bey denen Aemtern und Gerichten behörig angezeigt werden sollen betr., ThHStAW, B 2239. Weitere Verfügungen bei S, Gesetze, Bd. 1, S. 12–19. Zu den Reformversuchen im Steuer- und Abgabenwesen in Sachsen-Weimar-Eisenach ab 1775 siehe V, Herzogtum, S. 129–161. ThHStAW, B 2286, Bl. 78r –80r . V, Herzogtum, S. 450. Ebd., S. 448 f. Erbbücher waren damit gegenüber den Katastern auch die entscheidende Beweisgrundlage bei Rechtskonflikten. Vgl. Reskript vom 5. März 1794, S, Gesetze, Bd. 2, S. 560. Der Zugriff erfolgt daher auch nicht rechtssystematisch, sondern in Bezug auf die Fallanalysen kontextualisierend. Dies gilt auch für die Berücksichtigung zeitgenössischer Rechtsdiskurse.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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allgemeiner rechtlicher Tendenzen im jeweiligen Regelungsbereich – auf die eigentumsrechtlichen Normen für Frauen.112 2.2.1 Rechte am Eigentum: Ehegüterrechtliche Normen Nach dem sächsischen Recht waren Frauen zwar prinzipiell vermögensfähig – sie wurden auch explizit als Eigentümerinnen ihres Vermögens verstanden.113 Doch gab es Unterschiede in den Verfügungsrechten über das Eigentum, die zum einen standesspezifisch und zum anderen in Abhängigkeit von Alter und Personenstand bestimmt wurden.114 Danach konnten unverheiratete mündige Frauen sowie Witwen über ihre beweglichen Güter frei disponieren. Als Heiratsgut (Mitgift, dos, bona paraphernalia), Morgengabe (Leibgedinge, Widerlage, donatio propter nuptias) und Hochzeitsgeschenke brachten Frauen ihr Eigentum in die Ehe ein oder erwirtschafteten es während der Ehe.115 Wurden sie mit der Heirat der Vormundschaft ihres Mannes unterstellt, stand ihm das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das als Einheit betrachtete eheliche Gesamtvermögen zu.116 Auf die Proprietät der weiblichen Güter hatte die eheliche Vormundschaft jedoch prinzipiell keinen Einfluss.117 Ungeachtet dieser eigentumsrechtlichen Konstruktion konnten Frauen – abgesehen von Handelsfrauen – gerichtlich und außergerichtlich nicht ohne Zustimmung ihres Ehemannes über ihr Eigentum verfügen oder sich und ihr Gut durch Verträge verpflichten.118 Der Ehemann hatte nicht nur das Verwaltungs-, sondern auch das Nießbrauchrecht am Vermögen der Ehefrau.119 Des Weiteren war er befugt, Teile der fahrenden Habe (Mobilien einschließlich Kapitalien, Zinsen 112

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Dies gilt jedoch nur für das Ehegüter-, Erb- und Schuldrecht, da im Bereich der bau- und nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen sowie des Eigentumsschutzes keine umfassenden frauenspezifischen Distinktionen vorlagen. Vgl. Johann Andreas H, Handbuch des teutschen Eherechts nach den allgemeinen Grundsätzen des teutschen Rechts sowohl, als der besondern Landes= Stadt= und Orts=Rechte, Jena 1789; m.w.N.: E, Rechtsstellung, S. 39, 45 f.; K, Abhängigkeit, S. 117 f.; Gustav E, Pandekten des gemeinen Sächsischen Rechts, Jena 1851, S. 279. Für adlige Frauen galten besondere Erbrechtsregelungen. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 102–127. Dazu genauer ebd., S. 40–45. Vgl. Sachsenspiegel, Landrecht I, Art. XXI; E, Pandekten, S. 278; C, Privatrecht, S. 235. Damit diente das gemeinschaftliche Vermögen zugleich als Haftungsgrundlage. Vgl. Christian Gottlieb H, Lehrbuch des Königlich-Sächsischen Privatrechts, Leipzig 1820, § 70, S. 71. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, S. 88 f. „In Saxonia [. . . ] ex pristino jure hoc retentum est, ut maritus bonorum suae uxoris sit ususfructuarius: inde uxor nec de bonis suis propriis in praeiudicium ususfructus maritalis disponere, nec ea durante matrimonio aere alieno cum effectu obnoxia facere potest.“ H, Jurisprudentia forensis, Bd. 2, Lib. XXIII, Tit. III, § 1240, S. 469.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

etc.) aus dem Vermögen der Ehefrau ohne ihre Zustimmung zu veräußern; es bestand jedoch eine Ersatzpflicht.120 Im Zusammenhang mit dem sächsischen Ehegattenerbrecht erstreckte sich dieses Recht jedoch nicht auf das weibliche Eigentum an Immobilien. Verfügten Frauen über ihr Eigentum ohne Zustimmung des Ehegatten, waren diese Rechtsgeschäfte allerdings nicht per se, sondern lediglich „schwebend unwirksam“. Nachträglich hatte der Ehemann die Option, diese Vermögenstransaktionen zu befürworten oder auch zu annullieren.121 Frauen besaßen durchaus Verfügungsrechte über Teile ihres Besitzes und Vermögens.122 Dazu zählte das Vorbehalts- bzw. Receptizgut (bona receptitia), über das sie im Rahmen ihres Wirtschafts- und Kompetenzbereiches eigenständig disponieren konnten.123 Über die Schlüsselgewalt (ius clavium) erhielten Frauen Verfügungsrechte über die Fahrnis und das von ihr erwirtschaftete Vermögen. Eheverträge sowie andere Formen des Gütertransfers (Schenkungen) trugen zu weiteren rechtlichen und ökonomischen Handlungsspielräumen hinsichtlich Verwaltung und Nutznießung ihres Eigentums bei.124 Den Rahmen für Ehekontrakte bildete jedoch nicht nur das Ehegüter-, sondern auch das Erbrecht wie die Erbpraxis.125 Waren Verträge vorhanden, dann galten diese auch bei Erbteilungen als eine entscheidende Grundlage. Anders war es bei der gesetzlichen Erbfolge, bei der die Heterogenität hinterlassener Eigentumsbestandteile und Befugnisse, mithin die Distinktion zwischen Grund- und Mobiliareigentum, zumindest normativ für die Einbindung von Frauen in Eigentumslinien ausschlaggebend war.126

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Vgl. H, Privatrecht, S. 180. E, Rechtsstellung, S. 47. Vgl. W, Sonn‘, S. 244 f.; H, Frauen, S. 401 ff. Vgl. S, Einleitung, Bd. 1, Exerc. II, § 14, S. 39; § 27, S. 71 f.; K, Abhängigkeit, S. 124 f. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 46; Margareth L, Aushandeln von Ehe – Heiratsverträge in europäischen Rechtsräumen. Einleitung, in: Margarethe L/ Gunda B-S/Ellinor F/Gertrude L-O (Hrsg.), Aushandeln von Ehe. Heiratsverträge der Neuzeit im europäischen Vergleich, Wien 2010, S. 11–25. Erbansprüche und -teile ergaben sich nicht aus einer „Schlussbilanz“, sondern unterlagen Anpassungen im Zuge unterschiedlicher lebensgeschichtlicher Phasen. F, Vererbung, S. 119. Zur engen Verbindung zwischen Güter- und Erbrecht vgl. auch Susanne R, Erbrecht und Besitzweitergabe: Praktiken in der ländlichen Gesellschaft Deutschlands, Diskurse in Politik und Wissenschaft, in: Rainer P/Jürgen S/Gérard B/Christophe D (Hrsg.), Ländliche Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 18.–19. Jahrhundert, Göttingen 2003, S. 145–166. Mit dem Begriff der Eigentumslinie werden die an Abstammungslinien bzw. die an männlicher oder weiblicher Linie orientierten Besitzweitergaben gefasst.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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2.2.2 Recht auf Transfer und Erwerb von Eigentum: Erbrechtliche Normen Der Transfer von Eigentum bzw. Vermögen an die nachfolgende Generation wurde auf rechtlicher Ebene durch das Erbrecht strukturiert.127 Für die gesetzliche Eigentumsvererbung gab es im Alten Reich allerdings kein einheitliches System, sondern ein Konglomerat aus unterschiedlichen und zum Teil sehr widersprüchlichen Rechtsquellen.128 Die Erbbestimmungen variierten insbesondere bei den Regelungen für Frauen hinsichtlich ihrer Chancen auf und ihre Verfügungsmöglichkeiten über das Erbe. Zwar galten sowohl in der gesetzlichen Erbfolge des ius commune als auch in den lokalen Rechten Männer und Frauen grundsätzlich für erbfähig- und erbberechtigt. Doch während im römischen Erbrecht die Erbportionen von Töchtern und Söhnen gleich groß waren, gab es im Intestaterbrecht der deutschen Partikularrechte eine Ungleichbehandlung zwischen weiblichen und männlichen Erben bzw. Söhnen und Töchtern.129 Daraus wurde vielfach die generelle Benachteiligung von Frauen im Erb- bzw. Ehegattenerbrecht gegenüber männlichen Erben abgeleitet.130 Allerdings ist dieser Befund zu den frühneuzeitlichen Erbbestimmungen insofern zu modifizieren, als diese hinsichtlich der Vermögensgegenstände (Immobilien, Fahrnis, persönliche Habe) und der Herkunft der Vermögensmassen (Heiratsgut, in der Ehe erwirtschaftetes Vermögen, durch Schenkung/Erbe erworbenes Vermögen) differenzierten. Darüber hinaus waren auch der Stand, Familienstand, die Anzahl von Kindern sowie das Geschlecht des überlebenden Ehegatten ausschlaggebende Differenzierungskriterien.131 Im Land- und Lehnrecht des Sachsenspiegels galt die Nachfolge der Blutsverwandten in den Nachlass, wobei dem im Grad nächsten Verwandten das

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Martin L, Art. Erbfolgeordnung, in: HRG, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 2008, Sp. 1361–1365; Wolfgang S, Art. Erbvertrag, in: ebd., Sp. 1389–1392; Hans Rudolf H, Art. Erbrecht, in: ebd., Sp. 1370–1384; C, Privatrecht, S. 602–627; K, Maior dignitas, S. 51–55. Vgl. stellvertretend für die Differentialliteratur Heinrich Elias Gottlob S, Erbfolge zwischen Mann und Frau nach Römischen gemeinen Sächsischen und Chursächsischen Rechten, Jena 1782. C, Privatrecht, S. 602; Hermann C, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1: Frühzeit und Mittelalter, 2. Aufl., Karlsruhe 1962, S. 418; Ulrich E, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., München 1999, S. 73; Peter O, „Wahre deutsche Denkungsart“ – Justus Möser und die erbrechtliche Benachteiligung von Frauen, in: ZRG, GA 121, 2004, S. 283–312. Vgl. Jacob G, Deutsche Rechtsalterthümer, Bd. 1, Göttingen 1828, S. 407: Erbrecht „ist allen weibern nach den ältesten gesetzen entwed. versagt oder beschränkt.“ Siehe auch Karl von A, Erbenfolge und Verwandschaftsgliederung nach den alt-niederdeutschen Rechten, München 1874; vgl. R, Stellung, S. 164 f. K, Maior dignitas, S. 51.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Erbe zufiel.132 Durch diese abstammungsorientierte Besitzweitergabe waren Witwen, die lediglich Gerade, Morgengabe und Musteil erhielten, von der Erbfolge ihres verstorbenen Ehemannes ausgeschlossen.133 Dessen Vermögen erbten die Kinder, wobei zunächst die Söhne gegenüber den Töchtern bevorzugt waren.134 Das zwischen den Kindern bestehende ungleiche Erbrecht wurde allerdings bereits durch die lateinische Glosse des Sachsenspiegels modifiziert.135 Töchtern stand somit über die Gerade hinaus die gleiche Erbportion wie Söhnen zu, an die analog zur Gerade das Heergerät ging. Bei der Vererbung von weiblichem Eigentum wurde zwischen Immobilien und Mobilien differenziert. Dabei erbten die Kinder einer verheirateten Frau die Liegenschaften, der verwitwete Ehemann erhielt das bewegliche Vermögen – soweit es nicht zu den Geradestücken zählte.136 Diese Regelungen wurden in den Kursächsischen Konstitutionen spezifiziert.137 So galt nunmehr das Erbegeld138 als unbewegliches Vermögen unter der Voraussetzung, dass es aus den Immobilien gezahlt wurde, die Frauen als Erbmasse zustanden. Als unbewegliches Vermögen wurde auch auf Immobilien liegendes Kapital betrachtet. Die Kursächsischen Konstitutionen trafen jedoch insgesamt für die Stellung von Frauen im Erbrecht entscheidende Neuregelungen. So wurden Witwen in die Eigentumsverteilung stärker eingebunden. Dabei kombinierten die Konstitutionen das sächsischrechtliche Erbfolgesystem nach dem Dritteilsrecht mit dem römischrechtlichen Ehegattenerbrecht, das zwischen beerbter und unbeerbter Ehe unterschied. Waren Kinder vorhanden, erbten Witwen ein Viertel des Gesamtvermögens. Bei kinderloser, unbeerbter Ehe galt das Drit132

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Vgl. dazu für die normative Ebene Markus W, Erbrechte thüringischer Staaten vor Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Einheit des Rechts in partikularen Rechten?, Diss. Jena 2003; vgl. auch Ludger M, Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts. Ein Beitrag zur Geschichte des sächsischmagdeburgischen Rechts, Frankfurt a.M. 2000. Die Gerade galt im Kurfürstentum bzw. Königreich Sachsen bis 1814, war in den ernestinischen Herzogtümern außer Altenburg allerdings kaum üblich. Vgl. H, Handbuch, § 299, S. 678. Siehe dazu weitere Anmerkungen in Kapitel 3.2.1. Zum Musteil: Dazu zählten Lebensmittelvorräte zur Versorgung der Witwe. Vgl. Adalbert E, Art. Musteil, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 798–799. Ausnahmeregeln betrafen besondere Vermögensmassen und Vermögensgegenstände: Stammgüter des Adels, Heergeräte und Gerade. Heergerät war eine in männlicher Linie vererbte Vermögensmasse (Pferd, Rüstung, Waffen, Bettzeug etc.). Vgl. Wilfried B, Art. Heergewäte, Heergerät in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 858 f.; Johann Christoph R, Praktisches Handbuch von der Gerade, den fräulichen Gerechtigkeiten und dem Heergeräthe, nebst beygedruckten Statuten, Leipzig 1781. Vgl. G, Eigentum, S. 36. Vgl. Sachsenspiegel, Landrecht I, Art. XXXI. Vgl. im Folgenden das Kapitel zum gesetzlichen Erbrecht in Kursachsen bei G, Eigentum, S. 34–39. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars III, § XXI, Sp. 110 f. Erbegeld bezeichnet in diesem Kontext eine von Miterben jährlich gezahlte Erbabfindung. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 78.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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teilsrecht, nach dem sie eine sogenannte statutarische Portion erhielten. Ein Drittel des Vermögens bekam die Witwe, der Rest ging in das Eigentum der Erben über.139 In das Gesamtvermögen mussten Frauen allerdings auch ihr Vermögen sowie die Gerade einbringen (Dritteilsrecht) – doch bestand für sie die Option, unter Verzicht auf ihren Erbanteil ihr Eigentum und die Gerade aus der Erbteilung herauszunehmen (Gütertrennung).140 Diese Konstruktion sorgte in der Rechtspraxis bei Einklagen von Erbansprüchen, konkret bei Zugriffsversuchen auf das Eigentum von Witwen (etwa bei ausstehenden Passivschulden des verstorbenen Ehegatten), oftmals für Rechtsunsicherheiten. Denn durch die Annahme der statutarischen Portion erhielten Witwen den Rechtsstatus als Erbin mit den entsprechenden Rechten und Pflichten – ein Status, der ihnen bei der Gütertrennung nicht zukam.141 Abgesehen von den Regelungen im sächsischen Recht des Sachsenspiegels und der Konstitutionen existierte auf der Ebene des Landesrechts für SachsenWeimar(-Eisenach) kein umfassendes, eigenständiges Erbrechtssystem. Die ernestinische Landesordnung von 1589 traf lediglich in Bezug auf das Minorat spezielle Regelungen. Um die Gesamtökonomie der Bauerngüter zu erhalten, sollte der jüngste direkte Nachkomme das alleinige Recht auf das Erbgut erhalten – eine Vorgabe, die sich – wie oben bereits gesehen – in der Praxis nicht durchsetzte.142 Üblich waren Realteilung und eine freie Erbfolge.143 Vererbung stand insgesamt vornehmlich unter der Kontrolle der lokalen Obrigkeiten, die entsprechende Regelungen in Form von Statuten, Gemeinde- bzw. Stadtordnungen erließen. Ausschlaggebend waren hier Erbrechte, die sich aufgrund der gemeinsamen sächsischrechtlichen Basis zwar an den Kursächsischen Konstitutionen orientierten, doch auch in bestimmten Punkten abwichen.144 Die Sukzessionsstatuten von Jena (1677), die in den Statuten von 1704 integriert wurden, folgten etwa dem gemeinsächsischen Drei-Linien-System – allerdings ohne Sonderstellung der Geschwister gegenüber entfernteren Aszendenten.145 Im Unterschied zu den Konstitutionen war in allen Verwandtschaftslinien ausschließlich der nächste Grad für 139 140 141 142 143 144 145

Constitutiones, Codex Augusteus, Pars III, § XX, Sp. 110. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 70–73. Vgl. ebd., S. 73. Policey- und Landesordnung 1589, § 38. G, Agrargeschichte, S. 25. Vgl. H, Handbuch, § 300, S. 679 ff. Erbrechtliche Statuten für Jena sind bereits für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt, die in die revidierte Stadtordnung von 1624 aufgenommen worden sind. Vgl. Andreas Ludwig Jakob M (Hrsg.), Johann Friedrich des Großmütigen Stadtordnung für Jena, Jena 1858, S. 78 ff. Abgelöst wurden sie von den Sukzessions-Statuten der Stadt Jena vom 6. September 1677, in: Adolph Christoph Friedrich L, Repertorium reale, oder Alphabetischer Auszug der in das Herzogtum Weimar und in die Jenaische Landes=Portion vorzüglich seit 1700 bis 1782 in Kirchen= Policey= Justiz= und Cammer=Sachen ergangenen gedruckten und ungedruckten Landes Gesetze, Bd. 2, Jena 1785, S. 258–266; Jenaer Statuten 1704, in: S, Gesetze, Bd. 7, S. 420 ff. Die

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

die Erbfolge entscheidend. Die Kinder beerbten die Eltern zu gleichen Teilen. Hatte ein Kind schon „eine ansehnliche Hülffe“ bekommen, mussten sie das bereits erhaltene Vermögen in die Teilungsmasse geben – „damit Gleichheit erhalten werde.“146 Auch die Statuten Weimars von 1590 orientierten sich an den egalitären Erbprinzipien. Sie legten eine ähnliche Erbfolge fest, bestimmten jedoch zusätzlich eine Sondererbfolge. Danach wurden Kleidungsstücke ausschließlich in männlicher bzw. weiblicher Linie vererbt.147 Im Unterschied zum gemeinsächsischen Recht gab es in Weimar wie auch an anderen Orten Sachsen-Weimars keine Erbfolge in Gerade und Heergerät.148 Mit einer am 22. Juli 1727 erlassenen landesherrlichen Verfügung wurde die bis dato im Herzogtum uneinheitliche Handhabung des Geraderechts in ganz SachsenWeimar außer Kraft gesetzt: „Die Gerade und Heegewette soll ohne Unterschied der Orte und Personen in dem gesamten Fürstenthum und Landen allzeit für Erbe ästimiret und geachtet und von niemand einiger Vorzug an dergleichen Stücken prätendiret und darnach in allen judiciis gesprochen werden.“149

Die Gerade war auch in der Jenaer juristischen Literatur im Gegensatz zu Leipzig und Wittenberg kein besonders relevantes Thema.150 Entscheidend dafür war einerseits, dass den beiden kursächsischen Juristenfakultäten als den „bedeutendsten Urteilsgremien des sächsischen Rechts (auch über Kursachsen hinaus)“ insgesamt die „Meinungsführerschaft“ im Geraderecht zukam und daher eher als Jena konsultiert wurden.151 Andererseits scheint die Gerade als Eigentumsform schwächer in der ernestinischen Erbpraxis verankert gewesen zu sein. Damit war der Rechtsbedarf hinsichtlich des Geraderechts entsprechend niedrig, ein akuter juristischer Diskussionsbedarf bestand nicht. Abgesehen von der auf Rechtsvereinheitlichung zielenden Abschaffung der Gerade und des Heergerätes wurde die komplexe Erbrechtslage in Sachsen-Weimar(-Eisenach) legislatorisch eher zurückhaltend an die Bedürfnisse der Rechtspraxis angepasst. Einzelbestimmungen betrafen etwa sogenannte Mantelkinder (vorehelich geborene Kinder, die durch die Eheschließung der Eltern den Rechtsstatus ehelich geborener Kinder erhielten), die von der

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Erbfolge setzte bei der Linie der Deszendenten ein. War diese nicht vorhanden, folgten Aszendenten und danach die Seitenverwandten. Vgl. W, Erbrechte, S. 14. L, Repertorium, Bd. 2, S. 261. Weimarer Statuten von 1590, S, Gesetze, Bd. 8, S. 125–132. „Was aber die Gerade, Heergeräthe und Mußtheil belanget, soll in allen Fällen, wie vor Alters zur gemeinen Erbschaft gerechnet und für Erbe gehalten werden.“ Gottfried August H, Statuta localia, Das ist, Ausführliche Beschreibung Der Gerade und des Heer=Geräthes Von Ober= und Nieder=Sachsen, 2. Teil, Frankfurt/Leipzig 1733, S. 421; H, Handbuch, § 299, S. 677 ff. Verordnung für Sachsen-Weimar vom 22. Juli 1727, S, Gesetze, Bd. 4, S. 129. Vgl. die Erhebungen zur Dissertationsliteratur zur Gerade bei G, Eigentum, S. 203 ff., hier S. 207. Ebd., S. 207 f.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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Sukzession in Lehngüter (Mann- und Weiberlehen) exkludiert wurden.152 Zum Teil wurden Anpassungen an gemeinrechtliche Prinzipien vorgenommen, um Ungleichheiten in der Erbfolgeordnung zu beseitigen. So wurde mit einem am 16. Februar 1788 erlassenen Landesgesetz die sächsischrechtliche Intestaterbfolge modifiziert. Einen zentralen Aspekt bildete die Einführung des gemeinrechtlichen ius repraesentationis bei Sukzessionsfällen zwischen konkurrierenden Geschwistern und Geschwisterkindern.153 Dieses Eintrittsrecht war bislang nach dem auf dem Prinzip der Sippennähe basierenden sächsischen Recht ausgeschlossen.154 Damit war allerdings keine allgemeine Tendenz zu einer Rechtsvereinheitlichung unter Prädominanz gemeinrechtlicher Prinzipien verbunden. So regelte das Mandat zugleich die Erbrechtsgrundlage für schriftsässige Personen, die über den Kauf eines städtischen Grundstückes das Bürgerrecht erlangt hatten. Ihr Vermögen wurde der Intestaterbfolge der lokal gültigen Sukzessionsordnung bzw. dem gemeinen Sachsenrecht unterstellt. Die landesrechtlichen Regelungen strebten demnach keine gänzliche Vereinheitlichung des Erbrechtes an, sondern betrieben in begrenztem Rahmen eine Rechtsfortbildung des gemeinen sächsischen Rechts. Gewohnheitliche Übereinkünfte und lokale Statuten behielten dabei ihre herausragende Stellung im Rechtssystem. Für das Einklagen von Erbansprüchen galt dementsprechend das Prinzip der Vorrangigkeit gewohnheitlicher bzw. statutarischer Rechte gegenüber der Landesgesetzgebung. Wurde Eigentumstransfer durch Erbe individuell ausgestaltet, dann bildeten jedoch Verträge die ausschlaggebende rechtliche Basis für einen Prozess. So gaben erb- und ehegüterrechtliche Rechtsnormen lediglich die Struktur von Erbteilungen vor, sie definierten die Erbfolge nicht vollkommen. Rechtliche Handlungsoptionen im Eigentumstransfer boten – in Orientierung an Prinzipien der gesetzlichen Erbfolge – testamentarische Verfügungen, vertragliche Vereinbarungen (Ehe-, Erbverträge bzw. -stiftungen) und die Gerichtspraxis.155 Zu den eigentumsrechtlichen Regelungen gehörte auch der Eigentumstransfer mortis causa, der durch eine letztwillige Verfügung (Legat) in einem Kodizill oder der Schenkung auf den Todesfall (donatio propter mortem) gestaltet werden konnte.156 Zentrales Institut war jedoch das Testament als rechtswirksame Willenserklärung eines Erblassers.157 Dem Recht auf 152 153 154 155 156 157

ThHStAW, B 2276. Vgl. das Mandat vom 15. Juni 1779, L, Repertorium, Bd. 2, S. 9. Zum Repräsentations- bzw. Eintrittsrecht vgl. Christoph B, Art. Eintrittsrecht, in: HRG, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 2008, Sp. 1305–1306; C, Privatrecht, S. 603 f. ThHStAW, B 2309. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars III, § 7, Sp. 106; § XX, Sp. 110; vgl. E, Rechtsstellung, S. 81–85; G, Eigentum, S. 20 f. Dirk O, Vorweggenommene Erbfolge in historischer Sicht, Berlin 1988. Im Unterschied zum Kodizill stand im Testament die Einsetzung von Erben im Zentrum, die bei den Verfügungen im Kodizill schon vorausgesetzt war. Vgl. Art. Codicill, in: H, Repertorium, Bd. 2, S. 929–931, hier S. 930; vgl. allgemein Peter L,

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

testamentarische Eigentumsverteilung zugrunde lag das römischrechtliche Prinzip der Testierfreiheit. Diese zählte in den naturrechtlichen Begründungen zu den fundamentalen Dispositionsbefugnissen des Eigentümers insofern, als dem Eigentümer das Recht zukam, über seine Sachen beliebig zu verfügen.158 Als Konsequenz des Eigentumsbegriffs wurde die Testierfreiheit etwa von Hugo Grotius als Höchstmaß der aus dem Eigentum resultierenden Rechte verstanden.159 Dies galt allerdings nicht mehr für die naturrechtlichen Konzeptionen ab den 1780er Jahren, in denen die Testierfreiheit nicht als wesentlicher Bestandteil des Eigentumsrechts verortet wurde.160 So argumentierten Physiokraten wie Johann August Schlettwein (1731–1802), dass mit dem Tod eines Menschen „all sein Eigenthumsrecht über seine Güter auf(hört), und er ist also nicht berechtigt, für diesen Augenblick und über denselbigen hinaus über seine Güter zu disponiren, und zu bestimmen, wer sie haben soll.“161 Auf die Gesetzgebung hatten die naturrechtlichen Debatten um die Fragwürdigkeit des Zusammenhangs zwischen Testierfreiheit und Eigentumsrecht jedoch keinen Einfluss. Das Recht auf Erbe wurde als dingliches Recht kategorisiert.162 Die dem sächsischen Recht unbekannte Testierfähigkeit hatte sich mit der Rezeption durch die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 auch im sächsischen Rechtskreis als Rechtsprinzip etabliert.163 Entsprechend dem gemeinen Recht galten Einschränkungen für die Testierfähigkeit bei interdizierten Verschwendern, Geisteskranken mit Ausnahme der lucida intervalla sowie bei

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Die Testierfreiheit in der Geschichte des Deutschen Rechts im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: ZRG, GA 114, 1997, S. 56–72. Vgl. K, Familie, S. 119 f. „Quanquam enim testamentum, ut actus alii, formam certam accipere possit a jure civili, ipsa tamen ejus substantia cognata est dominio, & eo dato juris naturalis.“ G, De iure belli ac pacis, Liber II, Cap. 6, § 14, S. 273. Dagegen allerdings neben Johann Gottlieb Heineccius und Christian Thomasius auch Samuel Pufendorf mit der Position, dass über den Tod hinaus keine Befugnisse aus dem Eigentum abgeleitet werden können. Vgl. P, De Jure Naturae, Lib. IV, Cap. X, § 4, S. 609–611; Lib. IV, Cap. X, § 6, S. 612–614. Siehe dazu K, Familie, S. 121 f. Ausführlicher zur Ableitung der Testierfreiheit aus dem Eigentum Rüdiger B, Vorstellungen von Gerechtigkeit und gerechtem Erben in der frühneuzeitlichen Philosophie und Theologie, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 29–43; Bernhard B, Sukzession und Freiheit. Historische Voraussetzungen der rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Auseinandersetzungen um das Institut der Familienfideikommisse im 18. und 19. Jahrhundert, Berlin 1999. K, Familie S. 136. Johann August S, Die Rechte der Menschheit, Gießen 1784, S. 256. Vgl. C, Privatrecht, S. 588; Wolfgang R, Familienerbrecht und Testierfreiheit im deutschen Recht, in: Dieter H/Dieter S (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, Bielefeld 2001, S. 33–52. Christian Ludwig R, Deutsches eheliches Güterrecht, Oldenburg 1841, S. 370; Johann Christoph R, Kurze Vorstellung der in Chursachsen üblichen Rechte, insonderheit mit Rücksicht auf den gemeinen Bürger und Landmann, Leipzig 1780, S. 6.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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Taubstummen.164 Wie im ius commune konnten Frauen auch nach den Regelungen der Konstitutionen unabhängig von ihrem Familienstand über ihr Eigentum durch Testament oder anderen letzten Willen verfügen und hatten damit die rechtliche Möglichkeit, auf geordnete Besitztransfers innerhalb der Familie Einfluss zu nehmen.165 An eine Zustimmung bzw. Mitwirkung eines Geschlechtsvormundes waren sie aufgrund ihrer Testierfähigkeit und -freiheit nicht angewiesen.166 Die weibliche Testierfähigkeit unterlag jedoch in den territorialrechtlichen Normen verschiedenen Einschränkungen. So wurde ähnlich wie im ius commune der Beginn der Testierfähigkeit auf ein Mindestalter festgesetzt, das mit 14 Jahren gegeben war.167 Des Weiteren waren gebundenes Eigentum (z. B. Lehen, Fideikommisse) bzw. Sondererbfolgen zu berücksichtigen. Bei Frauen in Sachsen-Weimar galt dies bis 1727 – sofern üblich – für das Institut der Gerade als spezifisch weibliches und in weiblicher Linie zu vererbendes Eigentum.168 Während diese zu Lebzeiten in ihrer Dispositionsbefugnis über Geradestücke mit Zustimmung des Ehemannes nicht beschränkt waren, wurde im Erbrecht die letztwillige Verfügung über die Gerade durch ein Testament nicht gestattet. Alle Geradestücke, die sich beim Tod einer Frau in ihrem Nachlass befanden, gingen dabei auf die nächste weibliche Verwandte über, so dass lediglich das verbliebene Vermögen auf die weiteren Erben fiel.169 Zwar waren dadurch die Möglichkeiten für verheiratete Frauen stark reglementiert, ihr Vermögen testamentarisch zu vererben. Die Praxis der Vergabung unter Lebenden in Form einer gerichtlichen Auflassung erweiterte jedoch die erbrechtlichen Bestimmungen zur Gerade und ermöglichte das Übergehen der gesetzlichen Erben.170 Die Testierfreiheit von Frauen wurde zudem durch das gesetzliche Erbrecht 164 165

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Vgl. C, Privatrecht, S. 565. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, Sp. 88 f.; Pars III, § 1; Vgl. Barbara D, Vermögenstransfer in bürgerlichen Familien: Frankfurt am Main im 18. und 19. Jahrhundert, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 79–94, hier S. 85 f. Vgl. S, Einleitung, Bd. 1, Exerc. III, § 12, S. 37 f.; siehe auch E, Rechtsstellung, S. 52 f. Die Vollmündigkeit trat nach sächsischem Recht jedoch erst mit 21 Jahren, 6 Wochen und 3 Tagen ein. Vgl. Johann Bernhard W, Das Vormundschaftsrecht sowol nach gemeinen deutschen, kanonischen und römischen als auch nach heutigen statutarischen vorzüglich nach Sächsischen, Schlesischen und übrigen Preussischen Rechten theoretisch und praktisch in systematischer Ordnung abgehandelt, Halle 1785, S. 146. Vgl. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XIV, Sp. 88. Siehe dazu G, Eigentum. Vgl. R, Vorstellung, S. 449; E, Rechtsstellung, S. 53 ff. Vgl. Ferdinand von M, Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels und der verwandten Rechtsquellen, Leipzig 1867, S. 239 ff.; Otto S, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Bd. 5, 2. Aufl., Berlin 1885, S. 181, 186. Ausnahme bildete das sächsisch- und römischrechtliche Verbot der Ehegattenschenkung: E, Rechtsstellung, S. 59 f.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

der Verwandten, mithin das römischrechtliche Pflichtteilsrecht bestimmt.171 Danach waren gesetzliche Erben wie Kinder und Eltern mit einem Pflichtteil (legitima) zu versehen, das sich nach gemeinrechtlichem Prinzip aus einem Drittel des Erbes zusammensetzte.172 Dies entsprach der Höhe des gesetzlichen Erbteils der Kinder aus dem mütterlichen Nachlass, während der Anspruch auf den väterlichen Nachlass mit drei Viertel umfangreicher ausfiel. Unter diese Rechtsgestaltung fielen auch letztwillige Verfügungen zum Nachteil des Ehegatten, die als wechselseitige Pflichtteilsberechtigte betrachtet wurden.173 Dies sollte die Geltung des Ehegattenerbrechts entsprechend den Kursächsischen Konstitutionen garantieren.174 Mit dem Erwerb von Eigentum und Eigentumsrechten durch den förmlichen Erbschaftsantritt war die Übernahme aller dinglichen Rechte verbunden – zusammen mit den Verpflichtungen wie der Haftung für Schulden.175 Die Anfertigung eines Inventars bzw. einer eidlichen Spezifikation über die Verlassenschaft war daher unabdingbar für die Taxierung und die Berechnung von Erbteilen, die eine beweiskräftige Grundlage bei gerichtlich ausgetragenen Erbkonflikten bot.176 Überstiegen Schulden die Verlassenschaft, trat das Prinzip in Kraft, nach dem nicht mehr zu zahlen war, als die Erbschaft selbst umfasste.177 Erbgänge unterlagen obrigkeitlichen Zugriffen. Neben der Anzeigepflicht von Änderungen im Besitz- und Eigentumsstand innerhalb von vier Wochen waren mit dem Erbantritt Gebühren- und Abgabeleistungen verbunden.178 Nichtortsansässige Erben (extranei) hatten vor Verteilung des Erbes eine entsprechende Erlaubnis einzuholen, das Erbgeld sowie zehn Prozent Abzugsgelder auf das ererbte Vermögen abzutragen.179 Insgesamt wurde daher die Vermögensauflösung amtlich begleitet – angefangen bei der Versie171 172 173 174 175 176 177 178

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Vgl. L, Testierfreiheit, S. 70 f. Vgl. C, Privatrecht, S. 611–615. Vgl. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars III, § VII, Sp. 106. Dazu R, Vorstellung, S. 457; H, Privatrecht, S. 184. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars III, § VII, Sp. 106. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 59. S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. IX, § 18, S. 782 f.; E, Pandekten, S. 639–645. Vgl. ebd., S. 646–652. S, Einleitung, Bd. 3, Sect. I, Exerc. IX, § 21, S. 784. Dies betraf auch die Grundstücke, die vom Erblasser unverteilt auf eine Erbengemeinschaft übergingen. Patent wegen der Ab- und Zuschreibegebühren vom 8. August 1768, S, Gesetze, Bd. 2, S. 560. Erbgebühren betrugen einen Gulden für jeden Erben: ebd., S. 561. Abzugsfreiheit bestand für Staatsbedienstete (einschließlich ihrer Ehefrauen bzw. Witwen). Vgl. L, Repertorium, Bd. 1, S. 7 ff. Ausnahmen in Jena galten z. B. für Professoren, Hofgerichtsadvokaten, Geistliche sowie ihren Witwen und Kindern laut einem Eisenacher Justizreglement vom 16. März 1731, § 20. Gebühren in Erbschaftsangelegenheiten richteten sich nach der Taxordnung vom 28. November 1704, L, Repertorium, Bd. 2, S. 274–287, hier S. 284. Modifizierungen zum Abzugsgeld bei S, Gesetze, Bd. 1, S. 24–36.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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gelung und Inventarisierung des Nachlasses über die Testamentseröffnung, Feststellung der Erben bis hin zur Erbteilung.180 2.2.3 Recht der Forderungen: Schuldrechtliche Normen Vor Gericht banden die Parteien Schuldforderungen argumentativ an Eigentumspositionen, so dass auch auf normativer Ebene vertragliche sowie schuldrechtliche Ansprüche und Pflichten von Frauen in den Blick zu nehmen sind.181 Frühneuzeitliche Privatrechtssysteme definierten Schuldverhältnisse als ius ad rem (obligatio) bzw. als ,Recht der Forderungen‘ und trennten sie damit terminologisch vom ius in re (dominio).182 Im Zentrum stand damit die obligatio, die als Schuldvertrag zwischen einem Gläubiger und seinem Schuldner fungierte und letzterem die Verpflichtung zur Erfüllung der Schuld zuwies. Als schriftlich fixierte und rechtsförmige Zahlungsversprechen dienten dabei vor allem Obligationen sowie Wechsel, die besonders im Handelswesen als Kreditinstrument eingesetzt wurden. Diese auf Geld als auch auf Geldwerten beruhenden Verbindlichkeiten waren grundsätzlich einklagbar. Die auf diesem Recht beruhenden Verfahren sowie insgesamt das Eingehen von Schuldbeziehungen, mithin die Teilhabe am Kreditwesen, wurde durch obrigkeitliche Normierungen auf territorialer wie lokaler Ebene determiniert.183 Im Folgenden ist daher zunächst die allgemeine Gesetzgebungslage zum Kreditwesen in Sachsen-Weimar(-Eisenach) zu umreißen. Konkretisiert wird dies für die Normen, die die Vertragsfähigkeit und die Haftung von Frauen im Schuldrecht regelten.

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Karin G, „unserer Jurisdiction ohne Wiederspruch unterworffen“. Nachlaß, Gerichtsbarkeit und Herrschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Heide W (Hrsg.), Jedem das Seine. Abgrenzungen und Grenzüberschreitungen im Leipzig des 17. und 18. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2000, S. 307–328, hier S. 310. Vgl. Kapitel 3.2.2. Wilhelm E, Grundlegung zu einer Darstellung eines Deutschen Schuldrechts des Mittelalters, in: ZRG, GA 105, 1988, S. 1–16; Johann Heinrich Christian von S, Grundsätze des Wechselrechts, 2. Aufl., Göttingen 1777. Vgl. die Einteilung in den Privatrechtslehren: H, Privatrecht; H, Privatrecht; Thuiskon Friedrich S, Handbuch des Großherzoglich=Sächsischen Privatrechts, Weimar 1824. Vgl. Anja A-T, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht. Praktiziertes Zivilrecht in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2009; Thomas D, Policey, Handel und Kredit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1999; Beate S, ,wat ich schuldich war‘. Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750), Stuttgart 2009, S. 31–36. Frau Dr. Beate Sturm danke ich für die freundliche Zurverfügungstellung des Manuskripts ihrer Dissertationsschrift.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Allgemeine schuldrechtliche Normen in Sachsen-Weimar(-Eisenach)

Schuldrechtliche Normen wurden in Sachsen-Weimar(-Eisenach) im Rahmen zahlreicher landesrechtlicher Verordnungen und lokaler Statuten erlassen. Dazu zählten u. a. Regelungen von Münz-, Steuerwesen, Wucher, Pfand- und Wechselrecht sowie prozessuale Fragen.184 Im Zentrum stand dabei der gesetzgeberische Impetus, Rechtsrisiken für die Teilnehmer am Kreditwesen zu minimieren und damit im Rahmen der öffentlichen Wohlfahrt den Kredit bzw. das Kreditwesen insgesamt zu stützen. So wurde am 18. Juli 1726 das Weimarer Wechselrecht erlassen, wodurch erstmals Wechselgeschäfte im Herzogtum auf eine rechtliche Grundlage gestellt wurden.185 Ferner legte ein Pfand- und Versatzmandat vom 17. April 1758 Regularien für Pfandleiher fest. Eine am 19. Februar 1759 ergangene Auktionsordnung schrieb fest, dass sich Subhastationen in Sachsen-Weimar nicht auf Immobilien beziehen sollten.186 Immer wieder in den Blick gerieten vor allem die langwierigen Verfahren, die durch Einlegung von Rechtsmitteln verzögert wurden.187 In einem Patent Herzog Ernst Augusts von SachsenWeimar (1747) wurde der Anspruch formuliert, standes- und geschlechtsübergreifend jedem Gläubiger durch „prompte Iustiz“ zu dem „Seinigen“ zu verhelfen. Debitoren, die vor Gericht ihre Schuld anerkannt hatten, sollte dabei nur noch eine sechswöchige Frist gewährt werden, um die Schulden zu tilgen. Weitere Rechtsmittel waren nicht mehr zugelassen. Als Exekutivmittel wurden die Subhastation des hypothekarisch belasteten Eigentums oder des ganzen Vermögens festgelegt.188 Wirtschaftlicher Wandel, zunehmende Zirkulation von Vermögen und die Ausweitung des Kreditwesens erforderten weitergehende rechtliche Normierungen, so dass zwölf Jahre später die Arbeit an einem Gesetz zum Kreditwesen begann.189 Vor dem Hintergrund zahlreicher Konkurse wurde 184

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Zum Wucher: Acta der geh. HofCanzley das Credit=Wesen betr., ThHStAW, Rechtspflege, B 2191c, darin Verfügung von Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar vom 23. Februar 1705, Bl. 7r . Hatte die Policey- und Landesordnung von 1589 einen Zinssatz von fünf Prozent festgeschrieben (§ VII), betrug er hier sechs Prozent. S, Gesetze, Bd. 9, S. 318; ThHStAW, Rechtspflege, B 2198. Auch die Verpfändung war reglementiert: Eigentum durfte „über den dritten Theil des Werths mit Schuld- und Pfandverschreibungen nicht beschwert, oder dazu Amtswegen Consens ertheilt werden.“ (u. a. Verfügung vom 28. März 1729, Mandat vom 14. März 1730). Vgl. den Artikel zu den Grundstücken in S, Gesetze, Bd. 4, S. 291–298. Abdruck bei S, Gesetze, Bd. 9, S. 177–185; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 204. S, Gesetze, Bd. 1, S. 244–251; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 207. Circular vom 28. Februar 1741, Schmidt, Gesetze, Bd. 2, S. 335. Regierungs Acta, was zu Erhaltung des Credit=Wesens verordnet worden, betr: Weimar 1747, ThHStAW, Rechtspflege, B 2226, Bl. 5r . Vgl. das Patent vom 19. und 21. August 1741, S, Gesetze, Bd. 2, S. 580. ThHStAW, Rechtspflege, B 2250, Bl. 1r .

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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das Sachsen-Weimar-Eisenacher Kreditwesen durch eine am 25. Mai 1780 erlassene Konkursordnung umfassend neu reguliert.190 Im Zentrum stand neben dem Erlass von Richtlinien für Schuldenaufnahme und -tilgung eine Verbesserung der individuellen Zahlungsmoral.191 Dazu sollte sich die obrigkeitliche Kontrolle verstärkt auf die Vermögensverhältnisse der Untertanen erstrecken. So waren in amtlich zu führenden Konsensbüchern alle Finanz- und Eigentumstransfers zu fixieren.192 Darüber hinaus wurden die Unterobrigkeiten damit betraut, Vermögens- und Eigentumsverhältnisse der Untertanen nachzuweisen („Intabulation“). Des Weiteren wurde das Kreditverfahren geregelt und der Konkursprozess im Interesse der Gläubiger optimiert. Die Ordnung scheiterte allerdings an der Praxis und wurde letztlich zurückgezogen.193 Neuregelungen betrafen einzelne Punkte wie das Subhastationsverfahren, das nun auf einen einzigen Termin gelegt wurde.194 Mit Blick auf eine anstehende umfassende Kodifikation blieb es im Weiteren bei Einzelverordnungen. So wurde erst 1789 „zur Beförderung des Credits und zum Besten des gemeinen Wesens“ der sächsische Realarrest195 aufgehoben, der bereits in der sogenannten Erläuterten kursächsischen sowie den altenburgischen und gothaischen Prozessordnungen abgeschafft war.196 Verfahrensrechtlich wurden obrigkeitlich-rechtliche Vollstreckungsmaßnahmen festgelegt, die bei Nichtzahlung der Schuld den Zugriff auf das Vermögen von Debitoren ermöglichen sollten.197 Als rechtliche Zwangsmittel fungierten dabei Pfändung, Subhastation und Immission, bei der der 190

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Constitution die Banquerotes und Concurse betreffend, worinnen auch enthalten, wie ein Gläubiger sich in Zukunft, nach Beschaffenheit der Umstände, durch die Intabulation und andere Mittel, prospiciren kann. D. d. 25sten May 1780, Weimar 1780 (= Konkurspatent), Geheime Canzley=Acta, das wegen der zeithero enstandenen vielen Concurse und Banqueroute zu erlassende Patent betr. 1758–1810, ThHStAW, Rechtspflege, B 2250. Vgl. auch B 2251, B 2260, B 2288, B 2291. Zur Konkursordnung siehe auch H, Großherzogtum, S. 112–115. Vgl. V, Herzogtum, S. 184 f. Erreichten die Schulden ¾ des Vermögens, konnte gerichtlich eingeschritten werden. Konkurspatent, ThHStAW, Rechtspflege, B 2250, § X, S. 13 ff. Sie wurde bereits 1781 suspendiert. ThHStAW, Rechtspflege, B 2288, Bl. 198r –236r . Vgl. genauer zum Scheitern der Konkursordnung V, Herzogtum, S. 184–190, 429. In einzelnen Punkten blieb die Ordnung gültig. Verordnung vom 28. Februar 1793 bei S, Gesetze, Bd. 2, S. 278 f. Patent vom 14. Mai 1798, S, Gesetze, Bd. 8, S. 311 ff.; Vgl. ThHStAW, Rechtspflege, B 2256. Danach hatte der Gläubiger nicht nur ein dingliches Recht am Vermögen des Schuldners, sondern auch ein Vorzugsrecht vor anderen Gläubigern. Landesherrliche Weisung vom 10. Dezember 1789 zur Aufhebung sächsischer Realarreste: RegierungsActa die Aufhebung der Sächsischen Realarreste betr., ThHStAW, Rechtspflege, B 2327, Bl. 19r (Druck). Dies erschien dringend notwendig, denn die Frage stand im Raum, ob angesichts einer zu erwartenden Landesordnung diese Verfügung wirklich als Einzelverordnung erlassen werden solle. Zu den einzelnen Prozessordnungen vgl. Kapitel 3.1.2. Michael H, Art. Mahnverfahren, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 160–165.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Gläubiger lediglich in die Güter des Schuldners eingewiesen wurde.198 Aber auch Gefängnis- oder Zuchthausstrafen wurden angeordnet. In der Rechtspraxis selbst war die noch in den Kursächsischen Konstitutionen verankerte persönliche Schuldhaftung nahezu irrelevant.199 Schuldrechtliche Normen in Bezug auf Frauen in Sachsen-Weimar(-Eisenach)

Hinsichtlich der Haftung und Vertragsfreiheit unterlagen Frauen im Schuldrecht besonderen Normierungen. So galt im Rechtssystem des Alten Reiches das Senatus Consultum Velleianum (SCV) als klassisches Rechtsinstitut für gerichtliche Argumentationen, um den Zugriff auf das Eigentum von Frauen zu verhindern.200 Das im Usus modernus unter die Begriffe ,Rechtswohltaten‘ oder ,weibliche Freyheiten‘ subsumierte SCV war kein Bestandteil des mittelalterlich-deutschen Bürgschaftsrechts, sondern ging auf eine der wichtigsten Einschränkungsklauseln weiblicher Verpflichtungsfähigkeit im römischen Recht des Corpus Iuris Civilis zurück.201 Die einzelnen Elemente des Instituts blieben in ihrer Rechtswirksamkeit seit den Debatten der Rezeptionszeit umstritten. Dennoch – mit unterschiedlich starker Ausprägung – rezipierten

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Vgl. Wolfgang S, Art. Missio in bona, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 607–608. Die öffentliche Versteigerung verschuldeter Güter war bereits in der Policey- und Landesordnung 1589, § 22 so geregelt, dass der Schuldner sein Gut binnen Jahresfrist wieder einlösen konnte. Der Schuldner haftete nach gemeinem und sächsischem Recht nicht nur mit seinem Vermögen, sondern auch seiner Person. Wegen Nichterfüllung seiner Verbindlichkeiten konnte der Schuldner der persönlichen Schuldknechtschaft verfallen, d. h. er wurde dem Gläubiger „an die Hand gegeben“, um so die Tilgung zu erzwingen. Vgl. Steffen B, Schuldknechtschaft und Schuldturm. Zur Personalexekution im sächsischen Recht des 13.–16. Jahrhunderts, Berlin 2004; Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, Sp. 88 f. und Codex Augusteus, Pars II, § XXII, Sp. 91. Senatus Consultum Velleianum D. 16, 1, 2, 1. Die Verbürgung zugunsten des Ehemannes betraf die Authentica „si qua mulier“ C. 4, 29, 22. Vgl. dazu Art. Weiber=Rechte, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 54, Sp. 78–106; Ulrike M, Frauenschutz vor riskanten Geschäften. Interzessionsverbote nach dem Velleianischen Senatsbeschluß, Köln/Weimar/Wien 1999; Oskar L, Senatus Consultum Velleianum – Die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur im frühneuzeitlichen österreichischen Recht, in: ZRG, GA 105, 1988, S. 270–288; Dieter M, Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum, Köln/Graz 1957; Heinrich V, Studien zum Senatus Consultum Velleianum, Bonn 1952; Otto P, Zur deutschen Bürgschaft im Rezeptionszeitalter, in: Abhandlungen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte. FS für Adolf Zychs, Weimar 1941, S. 337–370. Vgl. Gunter W, Art. Rechtswohltat, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 423–426; Art. Beneficium Avth: si qua mulier & c.C. ad Sct. Vellej., in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 3, Sp. 1135–1136 sowie Art. Beneficium Senatus Consulti Vellejani, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 3, Sp. 1148–1151; vgl. auch Art. Weibliche Contracte, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 54, Sp. 136–142.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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die gemeinrechtliche Praxis und viele Partikularrechte202 das SCV in nahezu allen europäischen Rechtsordnungen zusammen mit der Authentica si qua mulier – dem Interzessionsverbot zugunsten des Ehemannes.203 Nach dem spezifisch für Frauen relevanten Rechtsinstitut konnten Frauen keine Bürgschaften für Geschäfte übernehmen, die im Interesse Dritter abgeschlossen wurden. Das Interzessionsverbot wurde als Schutzklausel reklamiert. Schutzbedürftig erschien die Frau vor allem wegen ihrer imbecillitas, fragilitas und der infirmitas sexus, aus der unbedachte und für die Frau ungünstige Rechtsgeschäfte resultieren könnten. In charakteristischer Weise begründete etwa Zedlers Universal-Lexicon 1747 das Institut damit, dass „Frauen in Ansehung ihrer weiblichen Blödigkeit und Einfältigkeit, daß sie nicht listiglich und mit guten Worten etwan hintergangen werden und in Schaden kommen, [. . . ] daß sich das Weib damit helffen kann, wenn sie sich von ihren Mann, oder ihr eigen Gut, oder sich selbst verschreiben, daß solches nicht kräfftig sey, und geachtet wird, als wenn die Verschreibung niemals geschehen.“204 Durch das SCV blieben rechtsgeschäftliche Handlungen von Frauen nicht per se unwirksam. Das Rechtsinstitut sollte Frauen lediglich eine vor Gericht relevante Einrede gegen die Inanspruchnahme aus diesen Geschäften geben.205 Hatte etwa eine Frau eine persönliche Schuldhaftung für die Schulden ihres Ehemannes oder für Dritte übernommen, so war diese Haftungsübernahme in Anwendung des SCV unverbindlich. Auf diese Weise war es einem Gläubiger nicht möglich, bei Schulden des Mannes oder der Familie auf das Vermögen der Ehefrau zurückzugreifen. Von dem Interzessionsverbot betroffen waren Rechtsgeschäfte der Bürgschaft, der Pfandbestellung für eine fremde Schuld, des Schuldbeitritts, der Schuldübernahme, der Darlehensaufnahme im fremden Interesse sowie der Gesamtschuld.206 Ausnahmen von der Interzessionsklausel waren zulässig, wenn eine Frau – etwa als Handelsfrau207 – eidlich bzw. unter Mitwirkung ihres Geschlechtsvormundes vor Gericht auf die Rechtsfolgen des SCV verzichtet hatte.208 Interzessionen geschäftstätiger 202

203

204 205 206 207 208

Vgl. Karlheinz Rudolf M, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern, 16. bis 18. Jahrhundert, Tübingen 1980; siehe zur Rezeptionsgeschichte den Überblick bei M, Frauenschutz, S. 168–179. Vgl. für das gemeine deutsche Recht Christian Friedrich G, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld, ein Commentar, Bd. 14, Erlangen 1813, S. 433 ff; Wilhelm G, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Jena 1851, S. 133 ff., 258 ff., 335 ff.; Otto G, Die Ungültigkeit obligatorischer Rechtsgeschäfte, Berlin 1887, S. 69 ff. Art. Beneficium Avth: si qua mulier & c.C. ad Sct. Vellej., in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 3, Sp. 1136. Dazu A-T, Wechselverbindlichkeiten, S. 337–358. Vgl. Max K, Das römische Privatrecht, Bd.1: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, 2. Aufl., München 1971, S. 292. Vgl. S, Handelsfrauen im neuzeitlichen Leipzig, S. 151–174; A-T, Wechselverbindlichkeiten, S. 235–244. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 66.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Frauen kam aufgrund eines angenommenen größeren geistigen Vermögens ein rechtsverbindlicher Charakter zu.209 Dies gilt auch für Ehefrauen, denen Teilhabe an den geschäftlichen Aktivitäten des Ehemannes (Geldeinnahme, Unterschrift unter Schuldscheine etc.) nachgewiesen werden konnte. In diesen Fällen wurden auch sie für die Kreditschulden ihres Ehemannes in Haftung genommen. Weitere Ausschlusskriterien von der ,Rechtswohltat‘ waren vorsätzlicher Betrug oder der Abschluss von Rechtsgeschäften zum eigenen Vorteil.210 Das SCV stand sowohl in den Normen als auch Diskursen in engem Zusammenhang mit der Geschlechtsvormundschaft, konnte allerdings auch in Rechtsregionen ohne Kuratel geltendes Recht sein.211 Im sächsischen Rechtsgebiet wurden die Rechte erstmals in den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 als Rechtsnorm schriftlich fixiert. Die Regelung, „ob und wie die Weibspersonen bestendiglich contrahiren können“, erklärte darüber hinaus in Anwendung der Rechtswohltaten des SCV und der Authentica Schuldübernahmen von Frauen zugunsten der Ehemänner oder Dritter grundsätzlich für ungültig.212 Doch zu den gemeinrechtlichen Ausnahmen existierten auch sächsischrechtliche Modifikationen. Dabei wurden Schuldübernahmen dann zugelassen, wenn Frauen den Verzicht auf die ,Rechtswohltaten‘ uneidlich unter Mitwirkung ihres Geschlechtsvormundes vor Gericht aussprachen.213 Allerdings waren von dieser Ausnahme die Verzichte nicht betroffen, die Frauen im Rahmen einer Schuldübernahme zugunsten ihres Ehemannes leisteten und dabei ihr Heiratsgut, Gegenvermächtnis oder Leibgeding (ratione dotis et donationis propter nuptias vel dotalitii) zur Sicherung des Gläubigers zur Disposition stand.214 Die normativen Vorgaben der Kursächsischen Konstitutionen wurden bis ins 18. Jahrhundert vielfach durch landesrechtliche Modifikationen bzw. lokale Statuten und Wechselordnungen erweitert.215 So 209 210 211

212 213

214 215

Vgl. bei den zeitgenössischen Juristen Samuel Stryk, Georg Adam Struve, Benedikt Carpzov: M, Bürgschaft, S. 209. Siehe auch A, Frauen, S. 119–151. Vgl. K, Maior dignitas, S. 69–74. Vgl. zur Einordnung des Interzessionsverbots in die Geschlechtsvormundschaft D, Gleichheit, S. 992. Normative Spielräume führten insbesondere im sächsischen Rechtskreis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu kontroversen juristischen Debatten. Siehe dazu Kapitel 3.1.2 sowie 3.2.2. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, Sp. 88 f. Vgl. E, Rechtsstellung, S. 67. Vgl. H, Privatrecht, S. 332 ff.; E, Pandekten, S. 146; Wilhelm Theodor K, Die Vormundschaft nach den Grundsätzen des deutschen Rechts, Bd. 2, Göttingen 1847, S. 312; H, Privatrecht; D., Lehrbuch, Bd. 1, Jena 1852, S. 468 ff. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, Sp. 88 f. Wie volljährige Weibspersonen vor und außer Gerichte handeln mögen, in: Herzoglich=Sachsen=Gothaische vermehrte und verbesserte Gerichts= und Proceß=Ordnung, welche auf Befehl [...] Herrn Ernst des Zweyten, Herzogs zu Sachsen, [...] verfasset, und

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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legte 1682 die Leipziger Wechselordnung fest, dass handeltreibende Frauen prinzipiell dem Wechselrecht unterlagen.216 Damit unterstanden Kauffrauen der Wechselordnung unabhängig von der Zustimmung eines Vormundes oder des Rekurses auf weibliche Privilegien. Im Unterschied zu Leipzig traf das strukturell nicht besonders durch den Handel geprägte Sachsen-Weimar erst mit dem Wechselrecht von 1726 Regelungen für Frauen.217 Daran wird deutlich, dass sich hier die Rechtsstellung handeltreibender Frauen nicht in dem Maße als problematisch erwies wie in der sächsischen Handelsmetropole. So legte die Sachsen-Weimarische Verordnung auch kein grundlegendes wechselrechtliches Reglementarium für Frauen fest, sondern schloss lediglich neben Frauen, die keinen Handel trieben, auch Geistliche, Lehrer, Bürger und Bauern aus.218 Die Sachsen-Gothaische Prozessordnung von 1776 regelte dagegen die Stellung von Frauen im Wechselrecht konkreter und schränkte die Gültigkeit des SCV ein bei „Weibspersonen, welche vor sich, und wenn sie verheyratet sind, ohne ihre Männer besondere Handlung treiben, und in ihren eigenen Nahmen einen Wechsel ausstellen, ob es gleich ohne Autorität und Einwilligung ihres Curatoris, auch ohne vorhergegangene Erinnerung

216

217 218

in dem Herzogthum Sachsen=Gotha zur allgemeinen Nachachtung bekannt gemacht worden, Gotha 1776, Cap. V, S. 37–40; Vgl. Art. Frauens=Personen, in: H, Repertorium, Bd. 2, S. 1655–1662, hier § 6c–§ 7, S. 1660: „Ob gegen Frauens=Personen nach der Strenge des Wechsel=Rechts zu verfahren sey? Darüber ist vormals in Sachsen großer Streit gewesen. Das sogenannte Markt=Rescript de a. 1621 den 25. Jul. meldet von Frauenspersonen nichts. Leipziger Schöppen urteilten 1673, daß dieses Rescript als ein ius singulare auf diejenige Fälle, so darin nicht gedruckt, nicht zu ziehen sei. Die Wittenberger und Jenaer Juristen meinen dagegen, daß auch Frauen „sich dem Wechsel=Recht unterwerfen müsten, alldieweil das Markt=Rescript von allen und jeden, so Wechsel=Briefe ausgestellet haben, insgemein redete, und damit es zum Besten der Handlung angesehen sey. Darauf erfolgte 1674 ein Churfürstlich Rescript „daß über Wechsel=Briefe von einem jeglichen, der sie von sich gestellet, und betreffen, wen sie wollen, steif und fest gehalten werden sollen. Wie denn, gestalten Sachen nach, nicht unbillig, daß wider die Weibes=Personen, welche Kaufmannschafte treiben, oder durch Abgebung derer Wechsel=Briefe, sich dadurch dem Rechte der Kaufmannschaft unterwerfen, nach dem Wechsel=Stylo verfahren werde.“ Dadurch wurden Frauen ohne Unterschied unter das Wechselrecht unterworfen.“ Weiterhin führt Hellfeld an, dass der Protest der sächsischen Landstände 1676 zu einem Landtagsabschied führte, der das Wechselrecht nur auf handeltreibende Frauen bezog – wie dann auch in der Leipziger Wechselordnung 1682. Laut Kursächsischem Mandat von 1683 basierten Obligationen auf dem Wechselrecht. Dies galt jedoch nur für Handelsleute, andere Personengruppen konnten gegen Schuldner nur executive vorgehen. Vgl. auch Art. Handels-Obligation, Z, UniversalLexicon, Bd. 12, Sp. 435. Vgl. Wechselordnung vom 18. Juli 1726, ThHStAW, Rechtspflege, B 2198. M, Staats- und Regentengeschichte, S. 204; Friedrich F, Staat, Verwaltung und Wirtschaft in Sachsen-Gotha unter Herzog Friedrich II. (1691–1732). Eine Studie zur Geschichte des Barockfürstentums in Thüringen, Gotha 1933, S. 64. Abdruck der Ordnung bei S, Gesetze, Bd. 9, S. 177–185. Die Wechselfähigkeit war in SachsenWeimar mit 25 Jahren gegeben. H, Privatrecht, S. 47.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

ihrer weiblichen Privilegien und Rechtswohlthaten geschehen.“219 Diese seien an das Wechselrecht gebunden, „auch nicht einmal die Exception, daß sie durch den ausgestellten Wechsel directo oder indirecte, ohne dem Scto Vellejano oder Auth. Si qua mulier etc. renunciiret zu haben, sich vor jemanden verbürget und gut gesaget, vorschützen können.“220 Vorgaben, die explizit Frauen betrafen, wurden in Sachsen-Weimar-Eisenach erst 1780 mit dem Fürstlich-Sachsen-Eisenachischen Patent erlassen. Darin wurde der Verzicht auf die ,weiblichen Rechtswohltaten‘ auch dann für gültig erklärt, wenn dieser ohne Eid abgeleistet worden war.221 Das Patent spiegelt dabei die Entwicklungen einer Rechtspraxis wider, in der die ,velleianischen Freiheiten‘ unter gewissen Voraussetzungen als verzichtbares Privileg betrachtet wurden.222 Das Interzessionsverbot berührte nicht generell die Handlungs- und Geschäftsfähigkeit von Frauen, wie die Beteiligung und Mitwirkung an Kauf-, Darlehens- und Schenkungsverträgen zeigen. Die Kursächsischen Konstitutionen etwa legten fest, ob und inwieweit Frauen für eingegangene Verpflichtungen persönlich und mit ihrem Vermögen hafteten.223 Witwen und mündige ledige Frauen konnten dabei rechtsverbindlich agieren. Verheiratete und unmündige Frauen waren dagegen bei Verpflichtungsgeschäften an die geschlechtsvormundschaftliche Zustimmung und Mitwirkung angewiesen. Mündige ledige Frauen hafteten für ihre Verbindlichkeiten gerichtlich und außergerichtlich nur mit ihrem beweglichen Vermögen, da sie über das unbewegliche Vermögen nur mit der Zustimmung des Geschlechtsbeistandes rechtsverbindlich verfügen konnten. Ihre vor der Eheschließung eingegangenen Schuldverpflichtungen tangierten dabei den neuen Rechtstatus als Ehefrau nicht. Während der Ehe bestand die Haftung für voreheliche Schulden und Verbindlichkeiten weiter.224 Da die Ehefrau nun jedoch in ihrer Handlungs- und Geschäftsfähigkeit an die eheliche Vormundschaft gebunden war, konnten Frauen nur mit der Zustimmung des Ehegatten voreheliche Verbindlichkeiten erfüllen. Gab es diese erforderliche Zustimmung nicht, blieb dem Gläubiger die gerichtliche Exekution seines Anspruchs in das Vermögen der Frau. Der Ehegatte wäre aufgrund seines Verwaltungsrechts 219 220

221

222 223 224

Gerichts- und Prozessordnung von Sachsen-Gotha 1776, Cap. II, § 2. Ebd. Vgl. Johann Christian Konrad S, In wie weit der vellejanische Rathschluß in Deutschland gelte?, in: Vermischte juristische Abhandlungen zur Erläuterung des deutschen Privat=, Kirchen= und Peinlichen Rechts, Bd. 1, Halle 1785, S. 25–71, hier S. 33 f. Fürstlich-Sachsen-Eisenachisches Patent, die Gültigkeit der Renunciation weiblicher Rechtswohlthaten, obgleich solche nicht eidlich geschehen, betreffend, d. d. Eisenach, den 16. August 1780. Vgl. dazu die Fallanalyse im Kapitel 3.2.2. Constitutiones, Codex Augusteus, Pars II, § XV, Sp. 88 f.; E, Rechtsstellung, S. 62 ff. M, Das eheliche Güterrecht, S. 159, 306; Richard S, Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 2, 3. Abt., Stettin 1874, S. 274 ff.; S, Handbuch, Bd. 4, S. 80.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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nicht dazu verpflichtet, diesem Vorgang beizupflichten.225 Da Ehefrauen Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung des Ehemannes eingehen konnten, waren sie für eingegangene Verpflichtungen nicht haftbar. Allerdings hafteten Frauen persönlich und mit ihrem gesamten Vermögen für Schulden, die sie unter den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kursächsischen Konstitutionen eingegangen sind. Für den Grundsatz, dass weder das Vermögen der Ehefrau für Schulden des Ehemannes noch umgekehrt haftete, gab es bezüglich der Schuldverbindlichkeiten des Ehemannes eine Ausnahme: Vor dem Hintergrund, dass der Ehemann über das bewegliche Vermögen der Frau verfügen konnte, trat eine Haftung des Frauenvermögens für Schulden des Ehemannes ein. Der Ehemann konnte auf Grund seiner Dispositionsbefugnisse das bewegliche Vermögen der Ehefrau zur Begleichung der Schulden verwenden. Mit Blick auf Erbschaftsschulden bestand eine Haftung dann, wenn der überlebende Ehegatte nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf sein Erbrecht verzichtet hatte.226 Dabei haftete er für die gemeinsamen Schulden entsprechend seinem erbrechtlichen Anteil an dem Gesamtvermögen voll- oder teilweise. Unter bestimmten Voraussetzungen (Berufung der Ehefrau auf ihr privilegium dotis) konnte sich eine Ehefrau im Konkursfall des Mannes allerdings von der Haftung ihres eingebrachten Vermögens befreien.227 Mit der Konkursordnung von 1780 wurde die Haftung von Frauenvermögen speziell für Sachsen-Weimar-Eisenach konkretisiert. Dabei sollte die nachweisliche Mitverantwortlichkeit der Ehefrau eines Schuldners durch Betrug gegenüber Gläubiger, durch Verschwendung und „böse Wirthschaft“ zum Verlust ihrer Illaten und sämtlichen Forderungen führen.228 Konnte zur Tilgung der Passivschulden des Ehemannes auf das Vermögen der Frau zurückgegriffen werden, gingen weitere Restriktionen noch darüber hinaus: „auch noch überdies, in dem Fall, wenn sie durch ihre Theilnehmung an denen auf eine vorsetzliche Hintergehung des Gläubigers abzielenden Handlungen ihre Mannes, oder durch eigene Falsa, oder andere Vergehungen, zu dem Banqueroute die Veranlassung mit gegeben, oder, wenn der Mann sie sogar durch obrigkeitliche Hülfe von ihrer Verschwendung abzubringen gesucht, sie aber dessen ungeachtet dennoch damit continuirt hat, mit der §pho XII bestimmten Gefängniß= resp. Zuchthaus=Strafe belegt werden.“229

Mit der auf ein generelles weibliches Fehlverhalten abzielenden Ordnung sollten Frauen im Konkursfall umfassend als Schuldnerin zur Verantwortung gezogen und haftbar gemacht werden können. Dieser Generalverdacht ließ damit zugunsten einer transparenten Kreditwirtschaft zielgerichtet die Fälle unberücksichtigt, in denen Frauen unverschuldet dem Konkurs ihrer 225 226 227 228

229

H, Statuta localia, Bd. 1, S. 154. Regelungen dazu auch im Weimarer Wechselrecht, S, Gesetze, Bd. 9, S. 180. Vgl. J, Stellung, S. 189. Konkurspatent: Geheime Canzley=Acta, das wegen der zeithero enstandenen vielen Concurse und Banqueroute zu erlassende Patent betr. 1758–1810, ThHStAW, Rechtspflege, B 2250, § 13, S. 18–19. Ebd.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

Ehemänner ausgesetzt waren. Diese harte Linie hatte bereits der weimarische Rat Johann Friedrich von Hendrich in einer Stellungnahme zu einem Entwurf kritisiert, da hiermit „auch ehrlich handelnden Weibern ohne ihr Verschulden ein beneficium iuris und denen schon jezo verehelichten ein würckliches ius quaesitum“ genommen werden würde.230 Im Rahmen der Ausarbeitung einer neuen Prozessordnung stand daher wiederum die rechtliche Ausgestaltung der Schuldhaftung von Frauen zur Debatte.231 Einer Erörterung der Eisenacher Regierung vom 1. September 1792 zufolge sollte beispielsweise die amtliche Anzeige des von Ehefrauen eingebrachten und als Paraphernalgut getrennt vom Mann zu administrierenden Vermögens vor Zugriffen schützen. Rechts- und Eigentumsschutz erstreckten sich dabei nicht nur auf Frauen, sondern auch auf die Gläubiger. Die schriftlich fixierten Vermögensverhältnisse der Frauen sollte ihnen dabei die Möglichkeit nehmen, bei einem Konkurs ihre mit dem Vermögen des Ehemannes vermischten Illaten einzufordern. Da es allerdings nicht zu einer Realisierung einer neuen Landes- und Prozessordnung kam, blieben auch diese Normierungsvorhaben lediglich auf den Diskurs beschränkt. 2.2.4 Grenzen von Eigentumsrechten Grundsätzlich galt im Umgang mit Eigentumsrechten die Freiheit des Eigentümers, die das Recht zur beliebigen Veräußerung, Teilung, Belastung und Vererbung vorsah. In der Rechtspraxis konkurrierte dieses Prinzip mit gewohnheitsrechtlichen, statutarischen, legislatorischen und vertraglichen Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen.232 Diese wurden zum einen vor dem Hintergrund fiskal-, standes-, wirtschaftspolitischer sowie policeylicher Motive zugunsten der Allgemeinheit (bonum commune), zum anderen auch mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen benachbarter (Grundstücks-)Eigentümer legitimiert. Den normativen Rahmen für Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen von Grundeigentum gaben in Sachsen-Weimar(-Eisenach) auf territorialer Ebene die Landesordnung von 1589, die Policeyordnungen von 1706 und 1727 sowie die in landesherrlichen Einzelerlassen getroffenen Bestimmungen vor.233 Auf lokaler Ebene wurden Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen obrigkeitlich geregelt und in 230 231 232

233

Johann Friedrich von Hendrich in einem Bericht zum Entwurf der Konkursordnung von 1780, 20. November 1772, ThHStAW, Rechtspflege, B 2250, Bl. 27r –47v , hier Bl. 44v . Geh. Canzley Acta die Fertigung einer neuen Landes und Proceß-Ordnung betr. 1768– 1816, ThHStAW, Rechtspflege, B 2256, Bl. 291v , 292r . Rechtssystematisch zählten zu den Grenzen von Eigentum Servituten, Pfandrechte, Näherrecht und Abzugsrecht (Vgl. z. B. H, Privatrecht; H, Privatrecht). In diesem Kontext liegt der Fokus allerdings auf den Beschränkungen, die in den analysierten Rechtsstreitigkeiten vor dem Jenaer Hofgericht verhandelt wurden. S, Gesetze, Bd. 4, S. 15 f.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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Gemeindeordnungen und städtischen Statuten definiert. Insgesamt waren die Regelungen nicht in einem systematisierten Normenkatalog gebündelt, sondern den einzelnen Bestimmungen zum Boden-, Güter-, Grundstücks-, Bau- und Nachbarrecht etc. zugeordnet.234 Im städtischen Bereich zählten letztere zu den zentralen Ordnungsprinzipien, die die Eigentümer in ihren Rechten reglementierten.235 Das Baurecht galt der zeitgenössischen Rechtsauffassung gemäß als „die dem Eigenthums=Herrn eines Grund und Bodens zustehende Befugnis, nach seinem Gutdünken darauf allerley Gebäude des Orts Brauch gemäß und dem dritten ohnschädlich, aufzuführen.“236 Die generelle Baufreiheit des Eigentümers als wesentlicher Bestandteil des Eigentumsrechts wurde jedoch „zum Besten und Wohlstand des gemeinen Wesens“ sowie der jeweiligen Haus- und Grundstücksanlieger eingeschränkt.237 Vorschriften für den Hausbau waren bereits in der ernestinischen Landesordnung von 1589 enthalten, die im lokalen Recht aufgegriffen wurde: „Alldieweil in der Fürstl. Landes=Ordnung deutlich versehen, wie insonderheit bey Erbauung neuer Häußer es zu halten, als wird derselben sträcklich nachzuleben ein jedweder hiermit ermahnet, und zwar soll bey Aufführung neuer Gebäude der Untertheil oder Fuß wenigstens von Stein gemacht werden, aber der Ueberhang an denen Häußern nach der Gasse zu bey Zehn Rthlr. Strafe verboten seyn.“238

Bei Änderungen am Bau und sonstigen Bauvorhaben bestand eine Anzeigepflicht gegenüber der städtischen Obrigkeit, die Anlieger verfügten über ein Einspruchsrecht.239 Das potenziell konfliktbehaftete Rechtsverhältnis zwischen Grundstücksnachbarn wurde dabei auch durch nachbarrechtliche Normen reguliert.240 Dazu gehörte das Rechtsinstitut der Servituten, die sich in diesem Kontext als beschränkte dingliche Rechte mehr oder weniger auf Grunddienstbarkeiten (Grundstücksservituten) bezogen.241 Legten Le234

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In Orientierung an die Streitgegenstände vor dem Jenaer Hofgericht bleiben Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen von Eigentum auf bau- und nachbarrechtliche Normierungen fokussiert. Beschränkungen an Fahrnis werden daher ebenso ausgeklammert wie Beschränkungen durch Abgaben, Steuern, Dienste etc. Zu letzteren siehe die Anmerkungen in der Einleitung zu diesem Kapitel. Vgl. dazu m.w.N. S, Nachbarn (Münster); Thomas S (Hrsg.), Bauen nach Vorschrift? Obrigkeitliche Einflussnahme auf das Bauen und Wohnen in Nordwestdeutschland (14.–20. Jahrhundert), Münster u. a. 2002. Siehe normativ Johannes Michael R, Bau- und nachbarrechtliche Bestimmungen im klassischen römischen Recht, Graz 1987. Art. Bau=Recht, in: H, Repertorium, Bd. 1, S. 539. Ebd.; vgl. Björn D, Art. Hausbau – öffentlich-rechtlich, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 798-200. Policey- und Landesordnung 1589, § 69 (Bausachen); Jenaer Statuten 1704, S, Gesetze, Bd. 7, Tit. XIII, S. 401–404, hier § 1, S. 401 f. Dort auch die Regelung von Bauabständen und Bauhöhe. Vgl. S, Gesetze, Bd. 1, S. 273–291. Werner O, Art. Nachbarrecht, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 815–819. Sie verliehen „ihrem Inhaber die Befugnis, entweder auf ein fremdes Grundstück ein-

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

galservituten (servitutes legales) gesetzliche Eigentumsbeschränkungen vor allem baurechtlicher Art fest, konnte der Eigentümer eines sog. ,dienenden‘ Grundstückes auch qua Vertrag bestimmte Befugnisse an einem sogenannten ,herrschenden‘ Nachbargrundstück erhalten. Grunddienstbarkeiten waren an das Grundstück gebunden, so dass sie bei einem Eigentümerwechsel zusammen mit dem Grund an den neuen Eigentümer übergingen.242 Duldete der Eigentümer die nachbarliche Nutzung seines Eigentums widerspruchslos, hatte dies rechtliche Folgen für dessen Eigentumsrechte. Denn eine Servitut konnte nach zehn- bis zwanzigjähriger Ausübung ersessen werden. Der Besitzer wurde damit zum rechtlichen Eigentümer.243 Zu den zentralen Servituten im städtischen Bereich zählten das Fenster-, Licht- und Aussichtsrecht.244 Danach konnte der Eigentümer eines Hauses nur mit nachbarlicher Zustimmung Veränderungen an den Fenstern der Wand vornehmen, die unmittelbar an das Grundstück des Nachbarn angrenzte. Ferner gehörten zu den städtischen dinglichen Servituten insbesondere das Dachtraufs-, Fußwegs- und Fahrwegsrecht.245 Dem Besitz an einer Servitut stand als quasi possessio Besitzschutz zu.246 Konkurrierten das Recht der Baufreiheit mit dinglichen Servituten, bot das Rechtsmittel der novi operis nuntiatio eine Möglichkeit, das nachbarliche Bauvorhaben durch eine richterliche Verfügung, der Inhibition, einstweilig zu unterbinden.247 Darunter fiel auch der sogenannte Neidbau. Dieses „klassische Beispiel des Rechtsmissbrauchs“ untersagte die Errichtung von Bauten, die dem Grundei-

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zuwirken oder den Eigentümer des fremden Grundstücks in der Nutzung seiner Sache zu beschränken.“ S, Nachbarn, S. 67; siehe auch O, Servitut. Vgl. Heinrich H, Römisches Recht, 7. Aufl., Heidelberg u. a. 2010, S. 73. Thomas F, Art. Ersitzung, in: HRG, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 2008, Sp. 1414– 1416. Vgl. Wilhelm August Friedrich D, Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts, Bd. 2, Stuttgart 1797, § 284a, S. 553; Christian August H, Die Rechtsverhältnisse zwischen Grundstücksnachbarn, Jena 1880. Vgl. Ludwig Friedrich G, De servitute luminum et ne luminibus officiatur, cum duplici appendice de servitute prospectus et fenestrae, Leipzig 1819; Richard K, Fensterrecht (Aussichtsrecht, Lichtrecht) nach den wichtigeren geltenden Partikularrechten Deutschlands, München/Leipzig 1913. Vgl. C, Privatrecht, S. 317. Das Rechtsmittel wurde zeitgenössisch definiert als ein „rechtmäßiges, oder in denen Rechten gegründetes Verbot, so demjenigen, der wider die alte Forme bauet, oder zu bauen vorhat, von dem, welchem wegen des ihm zustehenden dinglichen Rechtes (Juris in re) daran gelegen ist, daß solches unterbleibe, zu dem Ende geschiehet, daß er mit dem Bauen oder Einreißen nicht fortfahre, biß erscheinet, ob er dessen berechtiget oder dessentwegen gnügsame Sicherheit gestellet hat.“ Art. Neuen Wercks Verkündigung, Neuen Wercks Verbot, Nunciation, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 24, Sp. 73–82. Siehe dazu auch Adolf S, Die Lehre von der operis novi nunciatio und dem interdictum quod vi aut clam, Kassel/Göttingen 1865; Christian August H, Das Einspruchsrecht gegen Bauunternehmen und andere Veränderungen an Grundstücken, oder das Interdictum Quod vi aut clam und die Operis novi nuntiatio, Leipzig 1866. Zur Inhibition vgl. Kapitel 3.1.1.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

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gentümer keinen Nutzen brachten, dem Nachbarn jedoch schadeten.248 Das Neidbauverbot fungierte damit naheliegenderweise als zentrale Argumentationsfigur in Besitzschutzverfahren.249 Ähnlich war es für Beschränkungen, die sich aus dem Verbot übermäßiger Immissionen (Geruch, Feuchtigkeit, Rauch etc.) ergaben. Sanktionen konnten sich auch aus dem Näherrecht ergeben, das „einem Besitzer eines Grundstückes in Ansehung des an denselben gränzenden, und an einen Dritten verkauften Grundstücks zustehet.“250 Der Jenaer Jurist Karl Friedrich Walch (1734–1799) ordnete 1766 das Nachbarrecht in einer ersten systematischen Arbeit zum Näherecht diesem Rechtsbereich zu.251 Die Frage der Rezeption des römischrechtlichen Instituts und dessen Kategorisierung war zuvor juristisch nicht ganz unumstritten gewesen.252 Für den Untersuchungsraum wurde diese Zuordnung durch die SachsenWeimarische Verordnung zum Näherrecht von 1760 vorweggenommen.253 Die Geltung des Nachbarrechts wurde personenrechtlich nicht weiter ausdifferenziert. Es galt allgemein, dass „sie [die Personen, d. Verf.] das Eigenthum des zu retrahierenden angränzenden Grundstücks haben.“254 Pächter und Inhaber von Nutzungsrechten an dem Grundstück waren somit von diesem Rechtsinstitut ausgeschlossen. Weiteren Veräußerungsbeschränkungen von Immobilien unterlag nach den lokalen Statuten üblicherweise das Gemeindegut, dessen Verkauf vom Stadtrat genehmigungspflichtig war.255 Staatliche Eingriffe in Eigentumsrechte richteten sich besonders auf 248 249 250

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C, Privatrecht, S. 315; O, Nachbarrecht. K, Eigentum, S. 159; S, Nachbarn. Vgl. dazu Kapitel 3.2.3. Karl Friedrich W, Das Näherrecht systematisch entworfen, 3. verm. Aufl., Jena 1795, S. 471. Vgl. dazu Elisabeth K, Karl Friedrich Walch (1734–1799), in: Gerhard L (Hrsg.), Rechtsgelehrte der Universität Jena aus vier Jahrhunderten, Jena 2012, S. 67–76; siehe auch Art. Näher=Kauf, Näher=Recht, L, Repertorium, Bd. 2, S. 64–69. Zum Retraktsrecht im Usus modernus K, Eigentum, S. 104–123. W, Näherrecht, S. 470 f. Vgl. Augustin von L, Meditationes ad pandectas, Bd. 3/4, Leipzig/Wolfenbüttel 1776, Spec. CXCVI, Med. III, S. 492–495; Samuel S, Specimen Usus moderni pandectarum, 4. Aufl., Halle/Magdeburg 1723, Lib. XVIII, Tit. I, S. 288–292; Justus Henning B/Christian D, Dissertatio inauguralis iuridica de fundamento retractus duplicis in agris Hamburgensium usitati, Halle/Magdeburg 1722, Cap. 2, S. 43–52. Hochfürstlich Sachsen-Weimar- und Eisenachische OberVormundschaftliche Verordnung und Patent, wie es führohin in Ansehung des Näher- und GespildeRechts gehalten werden soll. So geschehen und geben Weimar zur Wilhelmsburg, den 6ten Martii 1760 sowie Fürstlich Sachsen-Weimarische Verordnung, wodurch das unterm 6ten Mart 1760 emancirte Näher-Rechts-Patent erläutert wird, Weimar 1775. W, Näherrecht, S. 473 f. „Gemeindegut, Ränder und Plätze sollen ohne erhebliche Ursachen und des Raths Vorwissen und Gutbefinden nicht veräußert, sondern zu der Gemeinde Nutzen und Besten vorbehalten werden. Würde sich aber jemand unterfangen, von gemeinem Gute und ohne des Raths Erlaubniß etwas an sich zu ziehen oder sonsten zu verändern, soll derselbe es wieder in vorigen Stand zu setzen, der Gemeinde wieder abzutreten schuldig, auch in des Raths willkührlicher Strafe verfallen seyn.“ Jenaer Statuten 1704, S, Gesetze, Bd. 7, S. 379–427, Tit. XX, § 1, 2, S. 413.

102

2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

infrastrukturelle Maßnahmen. Dies betraf zum einen den Bereich des Straßenwesens (Instandhaltung, Pflasterung und Reinhaltung)256 und zum anderen den Bereich des Brandschutzes, der den Eigentumsschutz in existenzieller Weise tangierte.257 In diesem Zusammenhang wurde auch die Umsetzung von Bauvorschriften zum öffentlichen Thema.258 Allerdings scheiterten die Vorschriften, die aus Brandschutzgründen etwa den Einsatz von Ton- und Lehmziegeln zum Dachbau vorsahen, oft an den finanziellen Möglichkeiten der Bauherren bzw. Hauseigentümer.259 Überhaupt bauten „die meisten Bürger unter Umgehung fast aller Vorschriften“.260 Nicht selten war damit auch die Unterminierung nachbarlicher Eigentumsrechte verbunden, so dass gerade in diesem Bereich Rechtsbedarf bestand. Frauen waren dabei über ihr Haus- und Grundeigentum in den einklagbaren Rechts- und Besitzschutz ebenso einbezogen, wie in die bürgerlichen Pflichten (Steuern, Einquartierungen etc.).261 Auch für das ländliche Grundeigentum wurden nachbarrechtliche Nutzungsbeschränkungen umfänglich determiniert.262 Innerhalb des dörflichen Rechts erhielten Bestimmungen zur Gewährleistung der Ordnung in der Gemeindeflur eine große Bedeutung.263 Im Laufe des 18. Jahrhunderts stellten zunehmend landesherrliche Mandate und Ordnungen Bewirtschaftungsvorschriften auf, die die Freiheit der Nutzung landwirtschaftlicher 256

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262

263

Policey- und Landesordnung 1589, § 43. Entsprechende Verfügungen ergingen 1730 (Anordnung an städtische Hauseigentümer zur Pflasterung der Straßen vor ihren Häusern) und 1731 (Verfügung zur Erhaltung der Straßen). Vgl. M, Staats- und Regentengeschichte, S. 196; siehe die Verfügungen zum Gassenreinhalten bei S, Gesetze, Bd. 4, S. 15–26. Die Bestimmungen in der Policey- und Landesordnung 1589, § 94 sowie den Policeyordnungen wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts durch neue Feuerordnungen, zahlreiche Verordnungen, Reskripte und Befehle ergänzt. Vgl. dazu V, Herzogtum, S. 332– 348; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 189 f. V, Herzogtum, S. 340 ff. Dies war bereits in der Policey- und Landesordnung 1589 vorgeschrieben. Das Verbot, mit Stroh und Schindeln zu decken, betraf Städte und Dörfer. Es wurde bei Verlust der Bausteuerfreiheit kontinuierlich erneuert. Vgl. ThHStAW, A 2009, Bl. 30v , 31r ; S, Gesetze, Bd. 1, S. 273–291. V, Herzogtum, S. 340. Weitergehende Rechte wie das politische Aktivbürgerrecht erhielten Frauen nicht. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund, das nur einem exklusiven Kreis männlicher Bürger eine umfassende politische Partizipation zukam, nicht allzu aussagekräftig in Bezug auf geschlechtsspezifische Distinktionen. Vgl. Barbara S, Frauen im Bürgerrecht. Überlegungen zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau in spätmittelalterlichen Städten, in: Rainer Christoph S (Hrsg.), Neubürger im späten Mittelalter, Berlin 2002, S. 169–200, hier S. 177; Gudrun W, Städterin und städtischer Frieden im deutschen Hoch- und Spätmittelalter, in: Die alte Stadt 23, 1996, S. 276–291. Allerdings sind sie nicht systematisch erfasst, sondern verschiedenen sachenrechtlichen Themen zugeordnet. Dazu u. a. E, Pandekten. Für den Usus modernus vgl. K, Eigentum, S. 142–145. S, Bauer.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

103

Grundstücke rechtlich normierten. Flankiert wurden die legislatorischen Aktivitäten von den aufklärerischen Diskursen des 18. Jahrhunderts, aus denen auch in Sachsen-Weimar-Eisenach Reforminitiativen zur Intensivierung der Landwirtschaft hervorgingen (z. B. Futterkräuteranbau).264 Davon unbenommen blieben ablösbare Servituten wie Hut- und Triftrechte an Immobilien aller Art sowie andere dingliche Nutzungsrechte und Berechtigungen zentrale Rechtsinstitute, die das ländliche Grundeigentum reglementierten.265 Hierbei galten Vertrag, Verjährung und Herkommen neben den gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen als Hauptnormen bei Rechtsstreitigkeiten.266 Eine Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der meisten nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen im agrarischen Kontext war die Definition der Grundstücke des Eigentümers. Zur Vermeidung von Konflikten waren Grundstücksgrenzen in der Dorfflur mit Lag-, Mahl- oder Flursteinen zu kennzeichnen.267 Obrigkeitliche Abmarkungspflichten wurden abgesehen von den umfassenden Bestimmungen der Revisionsinstruktion von 1726 zuvor schon in der Landesordnung von 1589 sowie den Policey- und Dorfordnungen festgehalten.268 Umfassend reglementiert wurden auch alle Arten der an Grundeigentum gebundenen Gerechtigkeiten, die etwa mit obrigkeitlichen Nutzungs- bzw. Regulierungsansprüchen konkurrierten.269 So stand der Gemeinde das Näherrecht zu; der Verkauf von Grundstücken der Gemeindeflur war nur an Bauern und Gemeindemitglie-

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H, Großherzogtum, S. 76; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 212; V, Herzogtum, S. 258–289. Vgl. H, Privatrecht, S. 362 f. Vgl. C, Privatrecht, S. 310–318. Zu den vorwiegend im ländlichen Bereich relevanten nachbarrechtlichen Instituten zählte neben dem Grenz- auch das Anwenderecht (Tret-, Pflug-, Trepp-, oder Rädelsrecht). Es verpflichtete den Eigentümer dazu, dem Nachbarn das Wenden des Pfluges auf seinem Grundstück zu gestatten. Fremdem Vieh musste nur dann Weide gewährt werden, wenn mit dessen Eigentümer eine entsprechende Abmachung getroffen wurde. Durften in Dörfern die Weiden wegen ihrer zu geringen Parzellierung nicht abgetrennt werden, sollte das Vieh unter Aufsicht eines gemeinsamen Hirten auf die unabgegrenzte Weide getrieben werden. Die Anzahl der Tiere richtete sich dabei nach der Größe des jeweiligen Grundbesitzes. Vgl. D, Handbuch, S. 553, § 284a; H, Rechtsverhältnisse; K, Eigentum, S. 143. Vgl. dazu H, Privatrecht, S. 363. S, Bauer, S. 163. Zur Verrainung der Felder: Policey- und Landesordnung 1589, § 39; K, Eigentum, S. 170. Personenrechtliche und insbesondere geschlechtsspezifische Ausdifferenzierungen wurden dabei nicht vorgenommen. Einzuschränken ist dies jedoch für den Bereich der bäuerlichen Dienste, die allerdings vor dem Jenaer Hofgericht in diesem Kontext nur marginal verhandelt wurden und somit auszublenden sind. Allgemein dazu S, Entwicklung.

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2. Eigentum im Recht der Frühen Neuzeit

der möglich. Grundstücke unterlagen schließlich auch der Nutzungspflicht (bzw. Verpachtung), die Teil des Eigentumsrechts war.270 2.2.5 Schutz von Eigentums- und Besitzrechten An das Eigentumsrecht war im Rechtsschutzsystem des Alten Reiches das Recht auf Eigentumsschutz gebunden. Als eine Rechtsoption konnte es dazu prinzipiell in zivilrechtlichen Besitzschutzverfahren eingeklagt werden.271 Besitzstörung (turbatio) oder Entziehung von Besitz ließ sich dabei über den possessorischen oder petitorischen Besitzschutz geltend machen. Ziel des possessorischen Besitzschutzverfahrens (Spolienklage, Possessorienklage) war die Restitution der entzogenen Sache, wozu der Kläger den früheren Besitz zu beweisen hatte.272 Im Zentrum der Klage stand dabei lediglich die tatsächliche Sachherrschaft, nicht jedoch generell das Recht zum Besitz. Der possessorische Besitzschutz war provisorisch angelegt und diente daher primär dazu, „den Rechtsfrieden, der durch eine Besitzstörung oder -entziehung beeinträchtigt worden war, zügig wiederherzustellen.“273 Rechtsbehauptungen, die sich direkt auf das Recht zum Besitz (Eigentum, Servitut) bezogen, waren dagegen in einem petitorischen Verfahren anzubringen. Dieses in diesem Prozess endgültig getroffene Urteil konnte gegebenenfalls zur Revision des possessorischen Entscheids führen. Das petitorische Verfahren ließ sich als Eigentumsfeststellungsklage (rei vindicatio) führen, bei der der nicht besitzende Eigentümer gegen den Besitzer vorging.274 Die Beweispflicht oblag dabei dem (nicht besitzenden) Kläger, da die Rechtsvermutung (praesumtio) von der Übereinstimmung des Besitzers einer Sache mit dem Eigentümer ausging. Gegen die nachbarliche Inanspruchnahme von Servituten konnten Eigentümer mit der aus der libertas naturalis desselben und des Bodens abgeleiteten Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) intervenieren.275 Wurden hierbei konkurrierende Eigentumsansprüche vor Gericht verhandelt, ging die Rechtsvermutung prinzipiell von der Freiheit des Eigentums von Belastungen 270

271 272 273 274 275

„Es ist keinem Unterthan erlaubt, seine Aecker, ob er schon Zinsen und Steuern abträgt, nach Gefallen wüste liegen zu lassen, sondern er soll selbige in Anbau bringen.“ Andernfalls war „das unbebauete Stück einem andern erblich zuzuschreiben und auf solchen Fall, wofern der negligirte Anbau von 3 und mehr Jahren her erweislich, an den neuen Besitzer [. . . ] niemals einiger Anspruch zu gestatten ist.“ Revisionsinstruktion, S, Gesetze, Bd. 6, Cap. XV, § 5. Vgl. G, Agrargeschichte, S. 27. Vgl. konkret zum Hofgerichtsprozess Kapitel 3.1.2. C, Privatrecht, S. 285; Therese M, Besitzschutz in Europa, Tübingen 2010, S. 7–37. S, Nachbarn, S. 117 f. C, Privatrecht, S. 295. Sie stand „dem Eigentümer gegen jeden zu, der ihn im freien Gebrauch seiner Sache stört, sofern diese Beeinträchtigung sich als Handlung darstellt, die den Inhalt einer Art (species) von Servitut oder sonstigen iura in re bilden kann.“ C, Privatrecht, S. 298.

2.2 Normen im Umgang mit Eigentumsrechten

105

aus, so dass die Beweispflicht dem zukam, der eine Beschränkung geltend machen wollte.276 Sowohl die possessorische als auch die petitorische Besitzschutzklage konnte im summarischen Verfahren (Summariissimum) geführt werden. Die Prozessart erlaubte für die Dauer des gesamten Verfahrens eine einstweilige Regelung über den Besitz des Streitgegenstandes, ohne über eine Präjudizwirkung zu verfügen.277 Aufgrund des weiten Besitzbegriffs, der neben den Sach- auch den Rechtsbesitz umfasste, fungierte der summarisch angestrebte possessorische Besitzschutz gleichsam als „universale[s] Rechtsmittel“.278 Besonders relevant war diese Option rechtlichen Konfliktaustrags, wenn konkurrierende Eigentumsrechte kollidierten – etwa, wenn sich Eigentümer und Servitutsberechtigte gegenüberstanden. Mit Blick auf den Rechtsfrieden und die Sicherheit des Rechtsverkehrs sollten diese potenziell konfliktträchtigen Konstellationen in der Rechtspraxis somit zügig austariert werden. Voraussetzung für Konfliktlösungsstrategien, die zur Eigentumssicherung den Rechtsweg in Anspruch nahmen, war jedoch eine professionalisierte Rechtskultur, die die entsprechende legislative und institutionelle Infrastruktur zur Verfügung stellte.

276 277 278

Ebd., S. 299, 134–136. Ebd., S. 286 f. Ebd., S. 278; vgl. B, Besitzschutz, S. 26 f.; Carl Georg B, Das Recht des Besitzes im Mittelalter und in der Gegenwart, Tübingen 1848, S. 375.

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis 3.1 Verhandlungsort 3.1.1 Rahmenfaktoren der Eigentums- und Rechtspraxis in Sachsen-Weimar(-Eisenach) Die über die Prozesse am Jenaer Hofgericht gerichtsförmig konstituierte Eigentums- und Rechtspraxis in Sachsen-Weimar(-Eisenach) war an mehrere Faktoren gebunden. Dazu zählten neben Rechtsverfassung und politischem System zum einen die territorialen und zum anderen die ökonomisch-sozialen Gegebenheiten im Herzogtum. Hinsichtlich der territorialen Strukturen Sachsen-Weimar(-Eisenachs) ist zu berücksichtigen, dass das Herzogtum seit 1572, als sich der ernestinische Besitz in Thüringen in einen Weimarer und Coburger Teil spaltete, territorial nicht mehr geschlossen war. Im Untersuchungszeitraum veränderten sich die politischen Strukturen SachsenWeimars nochmals durch weitere, dynastisch begründete Teilungsvorgänge.1 Nach einer Teilung 1672 zerfiel das Territorium in Sachsen-Weimar, SachsenEisenach (1672–1641) und Sachsen-Jena (1672–1690). Aus Sachsen-Weimar wurde ab 1741 das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, nachdem der Eisenacher Landesteil (jüngere Linie) wieder inkorporiert wurde. Mit dem Erlöschen der Jenaer Linie kam 1691 wieder ein Teil von Sachsen-Jena als Landesportion hinzu. Dieser territoriale Status Sachsen-Weimar(-Eisenachs) blieb bis 1806 erhalten.2 Die Staatsbildung blieb indes mangelhaft, zu einer Zentralisierung der beiden Verwaltungen der Landesteile Weimar und Eisenach kam es nie. Weimar-Eisenach war durch eine Verwaltungs-, Steuer- und Geleitsgrenze geteilt, „die dazu führte, dass innerhalb des Fürstentums faktisch zwei voneinander separierte Wirtschaftsräume existierten.“3 SachsenWeimar(-Eisenach) besaß verschiedene Ämter, die als Unterbehörden der landesherrlichen Verwaltung u. a. als Vorinstanzen des Jenaer Hofgerichts dienten.4 1

2

3 4

Hans Stephan B, Die ernestinischen Landesteilungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des Territorialstaates in Mitteldeutschland, Diss. Jena 1951. Hans P/Walter S, Geschichte Thüringens, Bd. 5, 1. Teil, 1. Teilbd., Köln 1982, S. 178–209; Reinhard J, Folgen eines Bruderzwists: die Ernestiner, in: Konrad S/Jördis F (Hrsg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Katalog der 2. Thüringer Landesausstellung, Bd. 1, Mainz 2004, S. 40–48; D., Dynastien und Territorien im Thüringer Raum (1485–1806), in: ebd., Essayband, S. 84–94. V, Herzogtum, S. 219. Bis 1672 zählten dazu die Ämter Berka, Ilmenau (seit 1660), Jena-Burgau, Kapellendorf, Oberweimar, Oldisleben, Ringleben, Roßla, Weimar, die Landeshoheit über Apolda und

108

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Im Vergleich zu anderen Gebieten des Alten Reiches verfügte SachsenWeimar in der ,klassischen Zeit‘ zwar über kulturelles Prestige, war in wirtschaftlicher Hinsicht allerdings ressourcenarm und strukturschwach. Das Herzogtum wies eine nur mäßig entwickelte Ökonomie auf, die Industrialisierung verlief langsam.5 Sachsen-Weimar gehörte zu den Territorien, die vom Dreißigjährigen, aber auch vom Siebenjährigen Krieg (1756–1763) als Aufmarsch- und Durchzugsgebiet des Militärs besonders betroffen waren. Ökonomisch basierte das Herzogtum hauptsächlich auf einer kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft6 sowie auf städtischem Handwerk.7 Als Rohstoffe standen vor allem die thüringischen Wälder zur Verfügung. Die Erzgewinnung war mit der Schließung des Ilmenauer Bergwerkes 1739 eingestellt worden, wurde 1784 jedoch wieder aufgenommen (bis 1800). Lediglich im Eisenacher Gebiet wurde Kohleförderung betrieben. Im Sektor der Manufakturwirtschaft dominierte mit der Strumpfwirkerei die in den Gebieten um Apolda, Jena, Buttstedt und Creuzburg angesiedelte Textilerzeugung.8 Entsprechend der ersten nachweisbaren Volkszählung im Jahre 1785 verfügte Sachsen-Weimar-Eisenach über 106.398 Einwohner9 ; das Verhältnis

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6 7

8

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das Universitätsamt Remda (seit 1633). Ab 1672 gehörten dazu die Ämter Berka, Hardisleben (seit 1673), Ilmenau, Oberkranichfeld (1704–1728 pfandweise), Roßla, Weimar und seit 1691 die „Jenaer Landesportion“ (Bürgel, Dornburg, Kapellendorf mit Heusdorf, 1742–1749 und seit 1756 Allstedt und Jena, Landeshoheit über Apolda und Remda (1742– 1749, seit 1756). Vgl. Heß, Behördenorganisation, S. 32. Vgl. zu den Konsequenzen für das Verhältnis der Geschlechter in der Wirtschaft Michael C. S, Wirtschaft und Geschlecht um 1800. Forschungsperspektiven für Sachsen-Weimar-Eisenach, in: F/W (Hrsg.), Handlungsspielräume, S. 331– 340; Peter L, Kleinstaatlichkeit und Wirtschaftsentwicklung, in: Jürgen J (Hrsg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar/Köln/Wien 1994, S. 187–203; Hans H, Wirtschaftliche und politische Verhältnisse in den Territorialstaaten während der Übergangsperiode vom Feudalismus zum Kapitalismus (1525– 1789), in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität, GSR 35/6, 1986, S. 593–606. Die Landwirtschaft basierte v.a. auf Getreideanbau. Vgl. V, Herzogtum, S. 258. Vgl. Julius Constantin K, Landeskunde des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, 2 Bde., Weimar 1878/79; Walter H. B, Die gesellschaftlichen Grundlagen der Goethezeit, Weimar 1936; Hans E, Goethes Umwelt. Forschungen zur gesellschaftlichen Struktur Thüringens, Weimar 1951, S. 24–85; H, Großherzogtum, S. 72–95; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 209–241; G, Agrargeschichte. Sozial- und wirtschaftshistorisch ist Sachsen-Weimar-Eisenach nur in Ansätzen erforscht. Dazu V, Herzogtum, S. 191–289. Helmut M, Handwerk und Industrie im Fürstentum Sachsen-Weimar und in der Jenaischen Landesportion während des 18. Jahrhunderts, Diss. Jena 1951, S. 179 ff.; Tobias K, „Protoindustrialisierung“, Sozialkonflikt und staatliches Handeln – Apolda 1770– 1800, Staatsexamensarbeit Jena 1998, S. 77–85. A, Über die Bevölkerung der Herzoglich Weimarischen Lande, in: Journal von und für Deutschland 5, 1788, S. 149–151. Das Eisenacher Gebiet wies laut Johann Ernst F (Hrsg.), Beyträge zur Geographie, Geschichte und Staatenkunde, Bd. 1, Nürnberg 1769, S. 93 1789 46.513 Einwohner auf. Weitere Volkszählungen fanden 1786 und 1788 statt. Vgl. E, Goethes Umwelt, S. 9 f.

3.1 Verhandlungsort

109

von Stadt- zu Landbevölkerung betrug 37 zu 63 %.10 Die beiden größten Städte in Sachsen-Weimar waren die Residenzstadt Weimar mit 3.375 (1699) bis 7.112 (1806) Einwohnern11 sowie in unmittelbarer Nachbarschaft die Universitätsstadt Jena mit 4.334 Einwohnern (1785).12 Eisenach verfügte über 8.270 Einwohner.13 Weimar hatte den Charakter einer Hof- und Beamtenstadt, wies jedoch eine überwiegend handwerkliche Prägung auf.14 Handel sowie landwirtschaftlicher Nebenerwerb spielten durchaus eine Rolle, wobei der Schwerpunkt jedoch im Dienstleistungssektor lag.15 Hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur waren vor allem Staats- und Hofbeamte, akademische Berufe (v.a. Geistliche, Lehrer und Ärzte) mit 26 % präsent, gefolgt vom gewerblichen Bürgertum mit 22 % Handwerkern, Kaufleuten und Gastwirten, 17 % Handwerksgesellen sowie 35 % männliche und weibliche Bediente und Tagelöhner.16 Die Einkommensverhältnisse waren entsprechend: 73,4 % verfügten über ein Einkommen von unter 200 Reichstalern, 12 % über 200–400 Reichstaler, 14,2 % über 400–2.000 und 0,4 % über 2.000 Reichstaler.17 Die 10 11

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13 14

15 16 17

Vgl. ebd., S. 12 f. Jens R, Weimars Größe – statistisch. Eine quellenkritische Untersuchung zur Zahl seiner Einwohner zwischen 1640 und 1840, in: Weimar-Jena: Die große Stadt 3, 2010, S. 87–116, hier S. 98 f. Die Zahl erhöhte sich bis 1830 auf 10.112 Einwohner. Sebastian H, Die (groß-)herzogliche Residenzstadt Weimar um 1800. Städtische Entwicklungen im Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft (1770– 1830), Jena 2011, S. 47. In dieser Zahl nicht inbegriffen waren Studenten, Handwerksgesellen, Bediente, Knechte und Mägde. Diese mit eingerechnet gab es laut Johann Ernst F, Geographie für alle Stände, 1. Teil, 4. Bd., Leipzig 1793, S. 45 7.000 Einwohner in Jena. Vgl. auch Klaus R, Zur Jenaer Bevölkerung um 1800. Ein Problemaufriss, in: D. (Hrsg.), Zwischen Universität und Stadt. Aspekte demographischer Entwicklung in Jena um 1800, Weimar u. a. 2004, S. 7–18. Laut Johann Ernst Basilius W, Beschreibung der Stadt Jena nach ihrer Topographisch= Politisch= und Akademischen Verfassung, Bd. 2, Jena 1785, Beilage A hatte Jena im Jahr 1784 4.366 Einwohner, für 1769 hat Katja Deinhardt 5.177 Einwohner errechnet. Der Stand sank bis 1815 auf 3.635 Einwohner. Vgl. Katja D, Kirchenbücher als Quelle für eine stadtgeschichtliche Studie am Beispiel Jenas um 1800, in: R (Hrsg.), Universität, S. 155–178, hier S. 163; D, Stapelstadt, S. 23–41. Stand 1785/86. Die Bevölkerungsverhältnisse wiesen bis 1806 nur geringen Zuwachs auf. E, Goethes Umwelt, S. 14. Willy F, Grundzüge einer Verfassungsgeschichte der Stadt Weimar, in: Hellmut K (Hrsg.), Vom Mittelalter zur Neuzeit. Vom Mittelalter zur Neuzeit. Zum 65. Geburtstag für Heinrich Sproemberg, Berlin 1956, S. 144–239; E, Goethes Umwelt, S. 31–66; Klaus R (Hrsg.), Zwischen Hof und Stadt. Aspekte der kultur- und sozialgeschichtlichen Entwicklung der Residenzstadt Weimar um 1800, Weimar 2007. H, Weimar, S. 91–245, hier S. 244. E, Goethes Umwelt, S. 27 f. Die Daten basieren auf einer Abschätzungsrolle von 1820. Die Angaben bei E, Goethes Umwelt, S. 29 f. basieren auf 2.537 steuermäßig erfassten Personen in der Abschätzungsrolle von 1820. Siehe jetzt auch H, Weimar, S. 129 f.

110

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

statistischen Daten spiegeln das städtische Profil wider, wonach „die Nahrung der Einwohner größtenteils auf den Ausflüssen des Hofs und der Landeskollegien, dann auf Ackerbau, Brauerei, Gewerbe und Kleinhandel“ basierte.18 Aktuelle Forschungen bestätigen den Einfluss der Residenzfunktion Weimars auf das städtische Erwerbsleben.19 Jena, Sitz des gesamternestinischen Hofgerichtes, wies auch in der Zeit des 18 Jahre währenden Status als Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Jena (1672–1690) das Gepräge einer ,Ackerbürger- und Weinbauernstadt‘ auf. Neben Acker- und Weinbau basierte die städtische Wirtschaft auf Buchdruck, Verlagswesen und Universität. Unter den Berufsgruppen dominierten – einem Steueranschlag von 1659 zufolge – Handwerker mit einem Anteil von 52,1 %. 11,7 % der Steuerzahler waren Tagelöhner, 8 % Händler, 7,6 % akademische Berufe (Professoren, Geistliche und Lehrer), 4,3 % Fuhrunternehmer, 2,5 % Buchdrucker und -händler sowie 2,1 % Staatsbedienstete.20 Die Mehrzahl der Steuerzahler (59 %) besaß ein Vermögen von weniger als 50 Reichstalern, lediglich 2,5 % standen mehr als 500 Reichstaler zur Verfügung. Zu dieser Gruppe zählten Professoren, höhere Staatsbedienstete, Buchdrucker und Fuhrunternehmer.21 Als Universitätsstandort befand sich Jena seit Anfang des 18. Jahrhunderts in einer Krise. Mangelndes Studenteninteresse, insbesondere das Ausbleiben der für die Universität prestigeträchtigen adligen Studenten führten zu ökonomischen Verlusten und gravierenden Problemen in der Finanzverwaltung.22 Zusammen mit dem Rückgang der einst wichtigsten Erwerbsquelle, dem Weinbau, kam es somit im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem Niedergang der städtischen Wirtschaft.23 Über das soziale und ökonomische Gefüge der städtischen Gesellschaft Sachsen-Weimar(-Eisenachs) hinaus ist der Blick auch auf die ländlichen Besitzverhältnisse zu richten. Im weimarischen Landesteil gab es um 1785 8 Schatullgüter, 37 Kammergüter und 81 Ritter- und Freigüter. Der Grundbesitz war zu 79 % in bäuerlichem Besitz.24 Wie bereits angedeutet, waren die dem Typus der westelbischen Grundherrschaft zugeordneten Besitzverhältnisse für Bauern günstig, zumal Leibeigenschaft in diesem Raum keine Rolle

18

19 20 21 22 23 24

Karl Ernst Adolf von H, Geographischer-statistischer Abriß der Länder des Hauses Sachsen Ernestinischer Linie, Weimar 1819, S. 62. Vgl. weiterführend zur Einkommensverteilung sowie zu den Besitz- und Vermögensstrukturen in Weimar: H, Weimar, S. 109–131; zu den wirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungen siehe ebd., S. 140–210. Ebd., S. 204–210. Herbert K, Geschichte der Stadt Jena, Stuttgart 1966, ND Jena u. a. 1996, S. 151 f. Berücksichtigt sind Steuerzahler mit Grundbesitz. K, Jena, S. 152. Vgl. D, Stapelstadt; V, Herzogtum, S. 371–373. Zur wirtschaftlichen Struktur Jenas genauer D, Stapelstadt, S. 75–118. E, Goethes Umwelt, S. 38 f.; G, Verhältnis, S. 323.

3.1 Verhandlungsort

111

spielte.25 Einschränkungen ergaben sich durch die anfallenden Dienstbarkeiten sowie den Triftzwang, der Bauern das System der Mehrfelderwirtschaft vorgab und als „Einschränkung in dem freien Gebrauch seines [d. h. ihres, d. Verf.] Eigentums“ wahrgenommen wurde.26 In der o.g. Generalrevision von 1726, die auf der Basis einer Landvermessung eine einheitliche Steuererhebung in Sachsen-Weimar vorsah, bestätigt sich insgesamt jedoch die Qualität des bäuerlichen Besitzrechts.27 3.1.2 Das Jenaer Hofgericht Zum Gerichtswesen in Sachsen-Weimar(-Eisenach)

Gesetzgebung und Rechtsprechung gehörten zu den fundamentalen Instrumenten territorialstaatlicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Ein funktionierendes und vor allem einheitliches territoriales Gerichtswesen mit einem geordneten Instanzenzug schuf dafür die institutionellen Rahmenbedingungen. Ähnlich wie in anderen Territorien des Alten Reiches bildete sich dieses seit dem 16. Jahrhundert in Sachsen-Weimar heraus, doch blieb die Justizorganisation auch weiterhin durch die vielfältigen sich überlagernden Herrschaftsrechte gekennzeichnet.28 Neben der Landesregierung als oberstes Gericht und Verwaltungsbehörde beanspruchten Adel, Städte, Kirchen, Dorfgemeinden und andere Korporationen Herrschaftsrechte, mit denen Rechtsprechungskompetenzen in den Unter- und Mittelinstanzen verbunden waren. Im Verlauf der Frühen Neuzeit schwächte die Landesregierung diese Mediatgewalten und forcierte seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Ausbau landesherrlicher Institutionen. In Sachsen-Weimar wie in den weiteren ernestinischen Gebieten konstituierte sich mit „drey besondere[n] Instanzien“ ein dreistufiges Instanzensystem, so dass „bey einem jedem Ammt und Stadt, dann bey einem sonderlichen OberGericht, das HoffGericht genannt, und endlich bey dem Chur- und Fürsten zu Sachsen selbst“ geklagt werden konnte.29 Die Struktur des frühneuzeitlichen Gerichtswesens bestimmte sich durch die Trennung von Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, dementsprechend entschied die Art der Straftat über die Zuweisung von Verfahren an die zuständige Instanz. Neben der niederen, weltlichen Gerichtsbarkeit der Ämter, Kanzleien der Grafen, Adelsgerichte und Räte der 25 26

27 28 29

Vgl. Friedrich L, Die mitteldeutsche Grundherrschaft und ihre Auflösung, 2. Aufl., Stuttgart 1957. Karl Christoph Gottlieb S, Allgemeine Darstellung der thüringischen Landwirtschaft mit Berücksichtigung ihrer weiteren Vervollkommnung, in: Jahrbuch der thüringischen Landwirtschaft, 2. Bd., Eisenberg 1809, S. 19. G, Verhältnis, S. 349. Vgl. Hendrikje C, „Gute Policey“ und „liebe Justiz“: Rechtsprechung und Gerichtswesen, in: S/F (Hrsg.), Neu entdeckt, Bd. 1, S. 363–370. H, Versuch, S. 152.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

schriftsässigen Städte bestand dabei eine untere geistliche Gerichtsbarkeit in Form von Kirchenkommissionen oder -inspektionen. Die Konsistorien (Oberkonsistorium zu Eisenach und Weimar, Konsistorium in Jena) verwalteten als oberste Kirchenbehörden die landesherrlichen Rechte in kirchlichen sowie schulischen Angelegenheiten und fungierten dabei insbesondere als Ehegericht.30 Zu den Elementen einer professionalisierten landesherrlichen Justizadministration gehörten Gerichtsvisitationen und Kontrollen der Untergerichte ebenso wie die Durchsetzung von einheitlichen Gerichtsgebühren, Advokatenordnungen, das Supplikenwesen oder das Armenrecht für unvermögende Prozessparteien. Ausdruck rationalisierter, auf Schriftlichkeit basierender Rechtsprechung war die im Herzogtum wie reichsweit übliche Aktenversendung. Die Praxis, Prozessakten für Gutachten oder Urteile an auswärtige Schöppenstühle bzw. Juristenfakultäten zu versenden, hatte sich seit dem 16. Jahrhundert herausgebildet. Neben den Spruchgremien zu Halle, Leipzig und Wittenberg wurde hier vor allem der seit 1566 existente Schöppenstuhl zu Jena als locus ordinarius in Anspruch genommen.31 Der Jenaer Schöppenstuhl war als ein fünfköpfiges Expertengremium ausschließlich mit Mitgliedern der Juristenfakultät besetzt, die sowohl in zivil- als auch strafrechtlichen Angelegenheiten Rechtsbelehrungen formulierten.32 Gleichwohl der Schöppenstuhl nicht in den regulären Instanzenzug integriert war, kam ihm dennoch eine zentrale Bedeutung in der Gerichtsverfassung zu. Die Aktenversendung bot – wie die Supplikation an den Landesherrn33 – den Prozessparteien und Gerichten eine wichtige Alternative zu den in 30 31 32

33

Vgl. H, Behördenorganisation; Felix P, Die Entwicklung der Zentralverwaltung in Sachsen-Weimar bis 1743, in: ZVThGA 28, 1910/11, S. 237–305. Vgl. zur Vorzugsstellung des Jenaer Schöppenstuhls M, Staats- und Regentengeschichte, S. 200 sowie L, Strafrechtspflege, S. 26. Zum Jenaer Schöppenstuhl und zum Rechtscharakter der Gutachten K, Spruchkörper; G, Eigentum, bes. S. 43, S. 47–81; L, Spruchtätigkeit, S. 233; allgemein: F, Consilia. Vgl. zur Verschränkung der Juristischen Fakultät mit dem Jenaer Schöppenstuhl als Jenaer Sonderfall: K, Spruchkörper, S. 74–83; G, Eigentum, S. 122–142; W, Fürstliche Normen, S. 387–390. Zur akademischen Gerichtsbarkeit der Universität Jena Christin V, Die akademische Gerichtsbarkeit der Universität Jena. Rechtsinstitution, Rechtsnorm und Rechtspraxis unter besonderer Berücksichtigung der Visitation von 1766/1767, in: ZThG 62, 2010, S. 181–214. Gero D, Art. Suppliken, in: HRG, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 94–97; S, Supplikationen. Supplikationen fungierten in Policey-, Zivil- und Strafverfahren als extrajudiziales Rechtsmittel, das neben der professionalisierten und formalisierten Justiz ein wichtiger Bestandteil innerhalb rechtlicher Aushandlungsprozesse war. Dazu wie auch zu den definitorischen Problemen H, Policey, Bd. 1, S. 495 f.; Cecilia N/ Andreas W (Hrsg.), Forme della comunicazione politica in Europa nei secoli XV– XVIII / Formen der politischen Kommunikation in Europa vom 15. bis 18. Jahrhundert. Suppliche, gravamina, lettere / Bitten, Beschwerden, Briefe, Bologna/Berlin 2004; Cecilia N/Andreas W (Hrsg.), Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert), Berlin 2005.

3.1 Verhandlungsort

113

Sachsen-Weimar(-Eisenach) eingeschränkten Appellationsmöglichkeiten an die beiden Reichsgerichte.34 Denn das von den Ernestinern beanspruchte unbeschränkte Appellationsprivileg unterband im Regelfall den Rechtszug von Gerichten der Landesherren und der Reichsstädte. Das insgesamt vergleichsweise geringe Prozessaufkommen an den höchsten Gerichten des Alten Reiches deutet auf eine Rechtskultur, für die die innerterritorialen Konfliktlösungsmechanismen in der Regel ausreichend waren.35 Dies spricht nicht nur für die erfolgreiche Durchsetzung der Appellationsprivilegien, sondern auch für die integrative Kraft des heimischen sächsischen Rechts.36 Der Wegfall des römisch-rechtlich orientierten Reichskammergerichts als Appellationsinstanz trug dabei zur Festigung des sächsischen Rechts bei. Die Fälle mussten nicht auf die Rechtsgrundsätze des Reichskammergerichts hin konstruiert werden, so dass der Spielraum für die lokalen Rechte größer blieb. Die Rahmenbedingungen des territorialen Gerichtswesens gaben die Landesordnung von 1589, die kursächsische Gerichtsordnung von 1622 sowie die am 1. März 1723 publizierte Sachsen-Weimarische Prozessordnung vor.37 Die im modus procedendi sehr präzise ausformulierte, umfassende sogenannte Erläuterte kursächsische Prozessordnung von 1724 wurde aus territorialpolitischen Gründen nicht übernommen.38 Erst bei Regierungsantritt Herzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar-Eisenach trat mit der Konstitution zur „Abkürtzung und Verbeßerung der Proceße“ eine Modifi34

35

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38

Vgl. Gernot S, Das Verhältnis von Landes- und Reichsgerichtsbarkeit im Heiligen römischen Reich. Eine Neubewertung der privilegia de non appellando, in: Der Staat 41, 2002, S. 263–284, hier S. 277. Insgesamt gingen nur drei Rechtsstreitigkeiten vom Jenaer Hofgericht an das Reichskammergericht Vgl. Torsten F (Bearb.), Inventar der Prozessakten des Reichskammergerichts in den Thüringischen Staatsarchiven, Weimar 1997. Zur Bedeutung der Reichsgerichtsbarkeit für die thüringischen Territorialstaaten siehe W, Rechtsprechung. Die Appellationsprivilegien konnten durch Klagen wegen Rechtsverweigerung umgangen werden. Siehe dazu Peter O, Rechtsverweigerung im Alten Reich, in: ZRG, GA 127, 2010, S. 51–141. In den thüringischen Gebieten wurde dieses Rechtsmittel zwar in Anspruch genommen, hatte jedoch nicht die weitreichenden Konsequenzen für die landesherrliche Stellung, wie der Jenaer Jurist Hellfeld im Jahre 1782 unterstellte: „Diese Verordnung glaubt man hier in ihre Würkung setzen zu können – man geht an die kaiserlichen Gerichte. Dieses geschahe einigemal – der Erfolg entspricht vielleicht der Erwartung – und nun folgt alles diesem Beispiel. Der Landesherr läuft Gefahr, darüber seine oberstrichterliche Gewalt ganz über den Haufen geworfen zu sehen.“ H, Versuch, S. 116. Vgl. W, Rechtsprechung, S. 72. Policey- und Landesordnung 1589, § X–XVIII, XXIX; Proces Und Gerichts Ordnung/ Des Durchlauchtigsten Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn Johann Georgen/ Hertzogen zu Sachssen [. . . ], Dresden 1622; Fürstliche Sachsen=Weimarische Verordnung zu Verbeßerung bißhero angemerckter Process-Gebrechen und Mißbräuche, Auch möglichster Abkürtzung derer Rechtfertigungen, Weimar 1723. Laut Exkurs zu den gültigen Rechtsgrundlagen in Sachsen-Weimar-Eisenach innerhalb eines Gutachtens zum Entwurf einer Landes- und Prozessordnung, ThHStAW, B 2256, Bl. 145r . Nicht so eindeutig dagegen bei L, Schöppenstuhl, S. 10.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

zierung der Prozessordnung in Kraft (1. Dezember 1775).39 Die jeweiligen Prozessordnungen regelten den Verfahrensgang, Zuständigkeiten der Rechtsinstanzen und das Appellationswesen.40 Der Zivilprozess wurde zudem in den Hofgerichtsordnungen von 1566 und 1653 festgelegt. Rechtsquellenvielfalt zum einen und eine fehlende Gesetzeskompilation zum anderen machten die genaue Kenntnis des aktuell geltenden Rechts – auch für die Rechtsprechenden – im Sinne eines ius certum nahezu unmöglich. Die Systematisierung und Vereinheitlichung von Recht in einem landesweit gültigen Gesamtrechtskodex war daher ein notwendiges Reformprojekt, das seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer wieder von den Ständen eingefordert wurde.41 Die Erarbeitung einer neuen Landes- und Prozessordnung ging jedoch über zahlreiche Entwürfe nicht hinaus.42 Damit blieb SachsenWeimar-Eisenach das einzige ernestinische Territorium ohne eine erneuerte Landes- und Prozessordnung.43 Die 1702 von Sachsen-Eisenach übernommene verbesserte Gerichts- und Prozessordnung des Herzogtums SachsenGotha (1670) wurde in Sachsen-Weimar nicht rezipiert.44 Indirekt galt die Gothaer Prozessordnung allerdings in der jenaischen Landesportion insofern, als dort bis 1740 die Eisenacher Prozessordnung eine Rechtsprechungsgrundlage bildete. Territoriale Verschiebungen führten daher auch zu Änderungen der jeweiligen Rechtsgrundlagen, die die Hofgerichtsjudikatur zu berücksichtigen hatte. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts trugen partielle Gesetzessammlungen zu einer stärkeren Rechtssicherheit bei. Grundlegend war dabei das vom Jenaer Justizamtsauditor Ludwig Carl von Hellfeld angelegte Realrepertorium der von 1783 bis 1788 erlassenen Gesetze für den Weimarer Landesteil.45 Das Realrepertorium fungierte dabei als Fortsetzung des vom Hofadvokaten Adolph Christoph Friedrich Loeber 1783/1785 veröffent39 40 41 42

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H, Großherzogtum, S. 110. Vgl. L, Schöppenstuhl, S. 9 f.; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 202– 204. Vgl. ThHStAW, Landtagsakten, B 69, B 73, B 75, B 35, B 114; Rechtspflege, B 2045. Beispielsweise bearbeitete Rudolph Wilhelm Krause 1675 die Landesordnung (ThHStAW, B 4989) und Georg Adam Struve eine Gerichts- und Prozessordnung, die er am 17. September 1678 fertiggestellt hatte. Vgl. ThHStAW, B 2192a, B 2200–2205, B 2256, B 2273, B 4941, B 5193. Siehe dazu R, Landesordnungen, S. 22 ff.; M, Staats- und Regentengeschichte, S. 202 f. Für die Entwicklung im 18. Jahrhundert vgl. V, Herzogtum, S. 428–433. Für Sachsen-Gotha wurde 1653 von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha eine Landesordnung erlassen, die bereits 1666/67 erweitert wurde. Die 1704 erlassene Altenburger Landesordnung deckte sich weitgehend mit der Gothaer Landesordnung. Vgl. Andreas K, Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen, Husum 2002, S. 250–281. Die Gothaer Ordnung regelte auch den summarischen Prozess und Strafrechtsverfahren. Ludwig Carl von H, Realrepertorium derer seit 1783 bis 1788 in das Herzogthum Weimar und in die Jenaische Landes=Portion erlassenen Landes=Gesetze und Circular=Verordnungen, Jena 1789.

3.1 Verhandlungsort

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lichten Repertoriums, das einzelne Gesetze aus dem Zeitraum von 1700 bis 1782 zugänglich machte.46 Am umfassendsten war die zwischen 1800 und 1805 vom geheimen Kanzleisekretär Johannes Schmidt publizierte zehnbändige Gesetzessammlung. Sie präsentierte – allerdings in alphabetischer, nicht rechtssystematischer Ordnung – neben Gesetzesauszügen und lokalen Statuten auch die erneuerte Hofgerichtsordnung von 1653.47 Insgesamt gestaltete sich die Rechtsentwicklung in Sachsen-Weimar(-Eisenach) problematisch. Mit einer Justizverfassung auf systematischer normativer Grundlage konnte Sachsen-Weimar-Eisenach im Unterschied zu den anderen ernestinischen Herzogtümern nicht reüssieren.48 Einerseits wurden aus politischen Erwägungen einzelne Gesetzeswerke suspendiert, andererseits kamen Gesetzesvorhaben mit Verweis auf die anstehende umfassende Gesetzeskodifikation erst gar nicht zu Stande.49 Daraus resultierende Akzeptanzprobleme von Rechtsentscheiden stießen gleichwohl auf eine Herrschaftspraxis, die von der Fürsorgepflicht für Recht und Frieden getragen war und neben der ,guten Policey‘, der Sorge für Herstellung und Erhaltung der Ordnung im Gemeinwesen, auch die untertanenfreundliche „liebe Justiz“50 umfasste.51 Das Jenaer Hofgericht sollte dabei als „Grundfeste derer Lande“ für eine „wahre und getroste stracklauffige Justiz“ sorgen.52 Das Gericht, das in herrschaftlicher Rhetorik als „gröste(s) Kleinod“53 und als „Asylo der Rechte“54 reklamiert wurde, musste sich in der Rechtspraxis allerdings an den Ansprüchen der Untertanen auf eine „prompte Justiz“ und „gerechte Urtel“ erweisen.55

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Adolph Christoph Friedrich L, Repertorium reale, oder Alphabetischer Auszug der in das Herzogtum Weimar und in die Jenaische Landes=Portion vorzüglich seit 1700 bis 1782 in Kirchen= Policey= Justiz= und Cammer=Sachen ergangenen gedruckten und ungedruckten Landes Gesetze, 2 Teile, Jena 1783–1785. Johannes S, Aeltere und neuere Gesetze, Ordnungen und Circular=Befehle für das Fürstenthum Weimar und für die Jenaische Landes=Portion, 10 Bde., Jena 1800– 1805. Vgl. die ausgewählte Zusammenstellung von Rechtsvorschriften für Sachsen-Gotha, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Hildburghausen bei K, Spruchkörper, S. 177 f. Vgl. V, Herzogtum, S. 433. Herzog Johann Wilhelm an das Hofgericht, 7. März 1703, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 10r –12v , hier Bl. 12r . Vgl. zur Policey als politisches Ordnungsleitbild der Frühen Neuzeit stellvertretend und m.w.N. Thomas S, „Gute Policey“. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Handelns in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2004; H, Policey. Hofgericht an ernestinische Herzöge, 7. Februar 1702, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 4r –9v , hier Bl. 6r . Ebd., Bl. 9v . Herzog Johann Wilhelm an das Hofgericht, 7. März 1703, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 10r –12v , hier Bl. 10r . Hofrichter von Kalb, 9. Juli 1788, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 63, Bl. 5r–v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Verfassung des Jenaer Hofgerichts

Ausgangspunkt für die Einrichtung eines für die ernestinischen Herzogtümer zuständigen Hofgerichts in Jena (1566–1816) bildete das am 2. Mai 1559 für alle Linien des Hauses Wettin bestätigte privilegium de non appellando illimitatum, das Appellationen an die höchsten Reichsgerichte ausschloss und die höchste Gerichtsbarkeit auf den Landesherrn übertrug.56 Aufgrund des Appellationsprivilegs war allen Untertanen und Ständen die Appellation an auswärtige Gerichte bei Verlust der Lehn- und Erbgüter bzw. bei Leibesstrafe verboten.57 Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Appellationsprivilegien war jedoch erst mit dem Aufbau adäquater territorialstaatlicher Rechtsprechungsorgane und damit auch der Trennung von Verwaltungs- und Justizaufgaben gegeben. Für die Herzöge zu Sachsen hatte die Behauptung des Privilegs durch die Errichtung eines eigenen Hofgerichts – auch mit Blick auf die 1547 verlorene Kurwürde – eine reichspolitische Stoßrichtung. Nach außen war infolge der reichsrechtlichen Degradierung nicht nur der Machtverlust zu kompensieren, sondern vielmehr der Machtanspruch durch die Wahrnehmung territorialer Herrschaftsrechte zu behaupten. Darüber hinaus entsprach die Gründung eines eigenen Obergerichts dem dynastischen Bewusstsein der ernestinischen Herzöge gegenüber den Albertinern. Die für die Wettiner bisher zuständigen (Hof-)Gerichte lagen durch die territorialpolitischen Veränderungen nunmehr auf albertinischem Gebiet und die Ernestiner verloren 1547 auch ihr Mitbesetzungsrecht des Leipziger Oberhofgerichts.58 Durch das von den Ernestinern ausgehende Appellationsverbot ihrer Untertanen nach Leipzig und Wittenberg übernahmen deren

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Privilegium de plane non appellando Kaysers Ferdinandi I. vor das Chur= und Fürstl. Haus Sachsen vom 2. May, Anno 1559, nebst beygefügtem Reichs=Gutachten; Daß das Kayserliche und des Heil. Röm. ReichsCammer=Gericht das Chur= und Fürstl. Haus Sachsen an diesem Privilegio nicht beeinträchtigen solle, vom 27. Sept. Anno 1670, in: Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1215–1220. Karl Gottlob G, Das Privilegium de non appellando des Kur- und Fürstlichen Hauses Sachsen, Dresden/Leipzig 1788. Zu den kaiserlichen Privilegien vgl. Ulrich E (Hrsg.), Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, Köln/Wien 1980, § 55, S. 59 ff. Von 1598 bis 1641 war ein für Coburg und Eisenach zuständiges Hofgericht in Coburg aktiv. Siehe L, Gerichtsverfassung, S. 112; K, Spruchkörper, S. 152. Das Oberappellationsgericht in Jena löste am 7. Januar 1817 das Hofgericht als oberste Gerichtsinstanz der ernestinischen Staaten und der Fürstentümer Reuß ab und entwickelte sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zum obersten Gericht aller thüringischen Staaten. Siehe hierzu H, Oberappellationsgericht; L, Schöppenstuhl, S. 90 ff. H, Versuch, S. 107. Vgl. L, Gerichtsverfassung, S. 120 f.; K, Oberhofgericht zu Leipzig; L, Ursprung; Karlheinz B, Das kursächsische Appellationsgericht 1559–1835 und sein Archiv, in: ZRG, GA 84, 1967, S. 329–354.

3.1 Verhandlungsort

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Höfe übergangsweise die Rechtsprechung.59 Während in Leipzig nun ein kurfürstlich-albertinisches Gericht Recht sprach, wurde im ernestinischen Gebiet mit der Organisation eigener Gerichts- und Verwaltungsorgane begonnen. Die Etablierung eines obersten Landesgerichtes diente schließlich auch der Konsolidierung der landesherrlichen Gewalt nach innen. Weist bereits die ernestinische Landesordnung von 1556 in diese Richtung,60 wurde zehn Jahre später die Gerichtsverfassung sowohl durch die Einrichtung des Konsistoriums als auch des Hofgerichts institutionell abgeschlossen.61 Motiv für die Zentralisierung der Justiz- und Kirchenverwaltung in Jena war nicht zuletzt der Wunsch nach einer effizienten Rechtsprechung, wie er im Vorbericht zur ersten Hofgerichtsordnung formuliert wurde: „Und zweifelt Uns gar nicht das solch Hofgericht der rechtlichen ausübung aller sachen, so bis anher am Hoff etwas langsam und verzögerlich von stat gegangen, ein merklich fürdernis bringen, und unser beiderseits wesentlich Rathstuben vieler Hendel, die sonsten dafür hetten gelangen müssen, erleichtern und erheben werden.“62 Richtete sich die Gesetzgebung an der kursächsischen Entwicklung aus, galt dies auch für die Gerichtsbarkeit. Im Unterschied zum Wittenberger stellte das Jenaer Hofgericht allerdings keinen sich zum Schöffenstuhl formierenden Gelehrtenausschuss.63 Es trat vierteljährlich im örtlichen Rathaus zusammen und bearbeitete die Fälle in der Regel innerhalb einer Woche.64 Entsprechend der am 25. März 1566 durch die Herzöge Johann Friedrich II. von Sachsen und Johann Wilhelm I. von Sachsen-Weimar publizierten Hofge59

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Der Hofrat fungierte dabei erstinstanzlich als Gerichtsbehörde für Schriftsassen sowie zweitinstanzlich als Appellationsinstanz gegen Urteile der Ämter, Stadträte und Patrimonialgerichte. L, Strafrechtspflege, S. 24. Vgl. R, Landesordnungen, S. 59 f. Daniel G, Ernestinische Konfessionspolitik. Bekenntnisbildung, Herrschaftskonsolidierung und dynastische Identitätsstiftung vom Augsburger Interim 1548 bis zur Konkordienformel 1577, Leipzig 2011, S. 269–273. H, Versuch, S. 187. Die Gründung ist nicht zuletzt in Zusammenhang mit der Mutschierung des ernestinischen Territoriums von 1566 zu sehen, infolgedessen gesamternestinische Institutionen in Jena zentralisiert wurden. G, Konfessionspolitik, S. 266–269. Dazu aus universitätsgeschichtlicher Perspektive auch W, Fürstliche Normen, S. 67–70. Der Jenaer Schöppenstuhl war somit keine Ausgründung des Jenaer Hofgerichts. Vgl. K, Spruchkörper, S. 68–74. Siehe zur Orientierung der Organisation des Jenaer Hofgerichts am Modell des Wittenberger Hofgerichts und des Oberhofgerichts in Leipzig L, Ursprung, S. 31 ff. Sitzungstermine waren jeweils der erste Montag nach Oculi (3. Sonntag der Passionszeit), Viti (15. Juni), Aegidi (1. September) und Advent (1. Advent). HGO 1653, Kap. II, S. 457 f. Da sich die Hofgerichtsarbeit in den Sessionen theoretisch auf insgesamt nur einen Monat im Jahr erstreckte, hielt sich der zeitliche Arbeitsaufwand zumindest für das Hofgericht in Grenzen. Finanziell lukrativer, aber zeitintensiver war die Gutachtertätigkeit am Jenaer Schöppenstuhl. Vgl. Visitation 1660–1670, ThHStAW, A 5515, Bl. 252v sowie G, Eigentum, S. 144.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

richtsordnung bestand das Kollegium aus acht Mitgliedern, von denen aus den adligen Beisitzern ein Hofrichter gestellt wurde.65 Seit 1653 kamen zwei außerordentliche Assessoren hinzu, um etwaige Ausfälle unter den Beisitzern zu kompensieren. Wie für fast alle territorialen, ständisch strukturierten Obergerichte des 16. bis 19. Jahrhunderts typisch,66 wurde auch in Jena die Teilung der Gerichtsbeisitzer in adlige (Adligenbank) und gelehrte Assessoren (Gelehrtenbank) festgelegt. Dabei wurden die Assessoren zur Hälfte aus dem (in der Regel auswärtigen) Adel und zur anderen Hälfte aus Mitgliedern der Jenaer Juristenfakultät rekrutiert. Der Ordinarius erhielt einen besonderen Status. Er stand der gelehrten Bank vor und übernahm außerhalb der Hofgerichtssitzungen die Aufgaben des Hofrichters. Die enge Verbindung von iura in foro und iura in cathedra ist keine besondere Jenaer Konstellation. Eine ähnliche Praxis ist etwa aus Tübingen, Marburg, Wittenberg oder Leipzig bekannt. So nahm auch beim Leipziger Oberhofgericht der Ordinarius den ersten Platz unter den gelehrten Räten ein. Dass in Jena bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die ganze gelehrte Bank mit Professoren der Jenaer Juristischen Fakultät besetzt war, blieb jedoch eine Besonderheit des hiesigen Hofgerichts.67 Das Hofgericht diente den Ernestinern als Prestigeobjekt, wie auch die Besetzung der Hofrichterstelle mit Personen aus der Verwaltungs- und Amtselite des ernestinischen Herrschaftsbereichs zeigt. So avancierte 1657 mit dem Gothaer Hof- und Kammerrat Veit Ludwig von Seckendorff (1626– 1692) einer der herausragenden Staatsdenker des 17. Jahrhunderts zum Hofrichter. Er war Nachfolger des altenburgischen Hofrats Johann Friedrich von Brandt (1596–1657), der dem Hofgericht seit 1633 vorgestanden hatte. Ab 1670 folgte Johann Sigismund von Osterhausen und ab 1698 der Hofmarschall Bernhard von Pflug (1637–1716). Von 1716 bis 1725 wurde mit dem Geheimrat und Kammerdirektor Anton Ludwig von Schwarzenfels (1678–1725) ein erfahrener Finanz- und Wirtschaftsexperte als Hofrichter verpflichtet. Weitere Hofrichter waren von 1727 bis 1734 der brandenburgkulmbachische Geheimrat Georg Friedrich von Nauendorff (1662–1734), von 1742 bis 1753 der Weimarer Geheimrat Anton Carl von Griesheim (1675–1753), von 1765 bis 1773 der sachsen-gothaische Geheimrat und Konsistorialpräsident Friedrich Freiherr von Wolzogen, von 1774 bis 1775 65

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Der Durchlauchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herren/ Herren Johans Friedrichen des Mittlern/ vnd Herren Johans Wilhelmen/ Gebrüdere/Hertzogen zu Sachsen/ Landgraven in Düringen/ vnd Marggraven zu Meissen/ Newe Hoffgerichts Ordnung/ so jherlich zu vier vnterschiedenen zeiten/ in jrer F. G. Stad Jhena besatzt/ vnd wie es darinnen allenthalben gehalten werden solle, Jena 1566; ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O, Nr. 1063. Vgl. L, Spruchtätigkeit, S. 73. Dies war in der Hofgerichtsordnung von 1566 noch nicht vorgesehen. So auch H, Versuch, S. 162. Die Entwicklung von Hofgerichten anderer Territorien des Alten Reiches skizziert Otto S, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Braunschweig 1864, S. 83 ff.

3.1 Verhandlungsort

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der gothaische Kammerpräsident Friedrich von Schwarzenfels (1710–1775), von 1776 bis 1792 der Weimarer Geheimrat und Kammerpräsident Carl Alexander von Kalb (1712–1792) und von 1793 bis 1813 schließlich der Gothaer Geheimrat und Kanzler August Friedrich Carl Reichsherr von Ziegesar (1746–1813). Seit 1775 war der Weimarische Oberhofmeister Friedrich Hildebrand von Einsiedel (1750–1828) als Assessor am Hofgericht beschäftigt, bevor er als letzter Hofrichter von 1814 bis 1816 dem Gericht vorstand. Von Einsiedel fungierte nach der Auflösung des Hofgerichtes als erster Präsident des Oberappellationsgerichts in Jena.68 Waren die Hofrichterstellen prestigeträchtig besetzt, galt dies nicht minder für die Stellen der Beisitzer. Bereits bei der Errichtung des Hofgerichts wurden prominente Universitätsgelehrte wie Heinrich Schneidewein (1510–1580), Mattheus Wesenbeck (1531–1586) sowie der als Rechtsgutachter in Halle lebende Melchior Kling (1504–1571) und Christoph Dürfeld (gest. 1583) als gelehrte Beisitzer nach Jena geholt. Mit Johann Gottfried Schaumburg (1703–1746), der seit 1736 als Assessor am Hofgericht wirkte, gestaltete einer der herausragenden Experten für sächsisches Recht die Rechtsprechung des Hofgerichts mit. Dem curriculum curiae entsprechend konnten Hofgerichtsadvokaten dann zum Assessor avancieren, wenn sie eine ordentliche Professur an der Jenaer Universität vorweisen konnten. Dies traf auf Johann Christian Schröter (1659–1731) ebenso zu wie auf Caspar Achatius Beck (1685–1733), Johann Friedrich Hertel (1667– 1743), Johann Salomo Brunquell (1693–1735) oder Johann Caspar Heimburg (1702–1773).69 Auch einer der reichsweit nahmhaften Rechtsgelehrten wie Johann August von Hellfeld (1717–1782) war seit 1745 Advokat am Hofgericht, bevor er mit seiner ordentlichen Professur (1748) an der Universität Jena Assessor wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren mit Johann Ludwig Schmidt (1726–1792), Karl Friedrich Walch (1734–1799), Justus Christian Ludwig von Schellwitz (1735–1797), Johann Ludwig von Eckardt (1732–1800) oder Ernst Carl Friedrich Mereau (1765–1825) ausgewiesene Juristen am Hofgericht tätig. Sie fungierten dabei nicht nur als Beisitzer oder Hofgerichtsadvokaten, sondern waren auch an der Juristischen Fakultät und im Schöppenstuhl engagiert.70 Eine Personalunion zwischen Hofgericht und Spruchkollegium existierte allerdings nicht.71 Allemal profitierte das Hofgericht von der Kompetenz der Jenaer Universitätsprofessoren, die am zeitgenössischen juristischen Diskurs teilhatten und für eine professionalisierte Rechtsprechung standen. Die Rechtsentscheide des Hofgerichts waren

68 69 70 71

Vgl. H, Versuch, Beilagen I, S. 222–224; ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 43a, c. Vgl. Johannes G, Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena seit 1558 bis 1858, Jena 1858. Vgl. G, Eigentum, S. 81–117. Ebd., S. 143.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

damit an aktuelle wissenschaftliche Rechtsdiskussion angebunden, ohne dass sich dies freilich in den Prozessakten explizit manifestierte. Insgesamt sechs Juristen vertraten als Hofgerichtsadvokaten die Prozessparteien bei den Gerichtsterminen. Sie wurden ebenso wie die Beisitzer von den Höfen bestellt.72 Dabei waren zwei der Advokaten eigens für die gütlichen Handlungen zuständig.73 Zudem wurde den im Armenrecht klagenden Parteien ein spezieller, vom Hof finanzierter Advokat zugewiesen, der die Vertretung ohne Advokaten- und Hofgerichtsgebühren übernahm. Weitergehende Zuordnungen der Advokaten zu spezifischen Rechts- und Konfliktbereichen wurden jedoch nicht getroffen. Die Advokaten sollten ihren Wohnsitz in Jena haben und waren damit sowohl institutionell als auch räumlich eng an das Gericht gebunden. Gleichwohl wurde den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich bei entsprechender Qualifikation selbst zu vertreten oder eine andere Vertretung auf freundschaftlicher Basis, d. h. unentgeltlich, zu beauftragen. In der Praxis wurde auf diese Möglichkeit allerdings kaum zurückgegriffen. Ferner gehörten auch drei ordentliche Prokuratoren bzw. Anwälte zum Hofgericht, die vom Hofgericht bestellt wurden.74 Sie fungierten gewissermaßen als Mittler zwischen den Hofgerichtsadvokaten und den Parteien. Dabei kommunizierten die Anwälte dem Klienten den jeweiligen Verfahrensstand, unterrichteten ihn über anstehende Termine und sorgten für die Bezahlung der Gerichts- und Advokatengebühren. Zur Hofgerichtsverwaltung gehörte ein Protonotariat, das als kommunikative Schaltstelle zwischen Hofgerichtskollegium, Anwälten, Parteien etc. fungierte.75 Der Protonotar nahm die eingehenden Schreiben der Parteien entgegen und leitete sie weiter, fertigte ausgehende Bescheide an, besorgte alle darüber hinausgehenden notwendigen Schreibarbeiten (Abschriften von Dokumenten, Protokolle), wies die Zustellung der Ladungen an die Parteien durch Boten an und verwahrte die Gerichtsakten sowie das Gerichtssiegel. Darüberhinaus war ein Fiskal zur Aufsicht über die Hofgerichtsjudikatur beauftragt.76 Neben der institutionellen Ausgestaltung des Hofgerichts regelte die Hofgerichtsordnung auch die Gebühren, legte die jeweiligen Eidesformeln für die Advokaten, Anwälte und den Protonotar, entsprechende Sanktionen bei Pflicht- und Fristversäumnissen sowie den Zugang zum Hofgericht fest. In erster Instanz war das Hofgericht für schriftsässige Untertanen, Lehnsleute, Landstände, Amtsleute sowie Hofbedienstete (außer in Amtsangelegenheiten) zuständig.77 Die Hofgerichtsordnung ließ 72 73 74

75 76 77

Vgl. HGO 1653, Kap. I, S. 457. Ebd., Kap. V, S. 463. Ebd., Kap. XI. Vgl. zur frühneuzeitlichen Unterscheidung von Advokaten und Anwälten bzw. Prokuratoren Adolf W, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, Leipzig 1905, ND Frankfurt a.M. 1967. HGO 1653, Kap. VII, S. 472–474. Ebd., Kap. IX, S. 474–476. Ebd., Kap. XVII, S. 484–487.

3.1 Verhandlungsort

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dabei auch Prozesse gegen die Landesherren „in Ansehung ihrer Kammergüther und anderer Nutzungen“ zu.78 Darüber hinaus konnte das Gericht von Untertanen ab einem Streitwert von 60 Gulden für Berufungen gegen niedergerichtliche Entscheidungen in Anspruch genommen werden. Ähnlich wie bei den Reichsgerichten war es allerdings möglich, auch die erste Instanz zu umgehen. Wies die klagende Partei eine Verweigerung oder Verzögerung der Justiz auf der untergerichtlichen Ebene nach, konnte das Hofgericht den Prozess an sich ziehen.79 Gegen Urteile des Hofgerichts war wiederum eine Appellation an den Landesherrn bzw. an dessen Räte möglich.80 Das Hofgericht befasste sich ausschließlich mit Zivil-, Inhibitions-, Injurien- und Lehnssachen. Strafrechtliche Angelegenheiten lagen nicht im Kompetenzbereich dieses Gerichts, sondern wurden von den Ämtern, Patrimonialgerichten, der Landesregierung sowie dem Jenaer Schöppenstuhl verhandelt.81 Parallel zu dem Hofgericht zu Jena galt der jeweilige Landesherr bzw. dessen Regierung als höchstes Gerichtsorgan, so dass „in allen Fällen, wo ein Ernestinisch-Sächsischer Unterthan an das Jenaische Hofgericht gehn, und daselbst seine Klagen anbringen kann, ihm zugleich die Freiheit zustehe, ob er bey diesem, oder bey dem RegierungsCollegio seines Landes, seinen Rechtsstreit untersuchen und entscheiden lassen wolle.“82 Neben der Gerichtsbarkeit des Hofgerichts befasste sich somit – bezogen auf das Untersuchungsgebiet – die Weimarer bzw. Eisenacher Landesregierung weiterhin mit Justizangelegenheiten, auch wenn ihr Schwerpunkt auf Regierungs-, Gnaden- und Policeysachen lag.83 Die Probleme, die sich aus der parallelen Jurisdiktion von Landesregierung und Hofgericht ergaben, wurden auf normativer Ebene in der erneuerten Hofgerichtsordnung von 1653 geregelt. Diese bestimmte die ausschließliche Bearbeitung des Verfahrens an einer der jeweils gewählten Institutionen. Die Annahme von Rechtsstreitigkeiten, die bereits an einem der beiden Organe anhängig waren, konnte somit verweigert werden. Die Kompetenzen von Regierung und Hofgericht blieben nie eindeutig ausdifferenziert. Dennoch war der Regierung auf landesherrliche Anordnung hin der Vorzug zu gewähren.84 Die oberstrichterliche Gewalt des Landesherrn ließ dabei auch Nachprüfungen von Urteilen und Eingriffe in den regulären Gang der Justiz zu.85 Diese Situation sorgte immer wieder für Differenzen zwischen Hofgericht und Landesregierung.86 So befand das 78 79 80 81 82 83 84 85 86

H, Versuch, S. 181; vgl. HGO 1653, Kap. X. HGO 1653, Kap. XVII, S. 486. Ebd., Kap. XVIII, S. 487–490; vgl. Gerhard B, Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, in: ZRG, GA 73, 1958, S. 274–348. Vgl. L, Strafrechtspflege, S. 19. H, Versuch, S. 183. Ebd., S. 188 f. HGO 1653, Kap. XVII. Vgl. L, Strafrechtspflege, S. 24. Ein anderes Bild zeichnete Hellfeld. Er befand, dass „die ehemaligen Mißhelligkeiten zwi-

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Hofgerichtskollegium in einer umfangreichen Beschwerdeschrift 1702 die Eingriffe der Regierung als systematische Blockade der hofgerichtlichen Jurisdiktion. Der „freye Lauff der Justiz “ würde durch die Abforderung von Berichten oder die Erteilung von Inhibitionen stagnieren.87 Die Parteien distanzierten sich wegen des daraus resultierenden Zeit- und Kostenaufwands von einem Verfahren. In der Konsequenz sei die Jurisdiktion des Hofgerichts damit „algemach unbrauchbar gemachet“.88 Die Eisenacher Regierung wies die Anwürfe zurück. Die Eingriffe in Hofgerichtsverfahren wurden darin auf der Basis landesherrlicher Fürsorgepflicht gegenüber den Untertanen legitimiert. In dem Bestreben, Rechtsprechung ohne Ansehen der Person zu leisten, habe das Hofgericht nach Auffassung der Regierung Billigkeitsprinzipien außer Acht gelassen. Die Landesregierung verstand sich dabei als Korrektiv gegenüber der Position des Hofgerichts, für die etwa der Status einer Witwe kein relevanter Milderungsgrund war: „zuweilen auch die Straffe [des Hofgerichts, d. Verf.] gar zu übermäßig und ungewöhnlich dictiret worden, da doch die Condition der Personen, wenn es zumahl Wittwen sind, die ihres theils wenig von den Sachen verstehen und der ihrigen Schuld entgelten müßen, in consideration gezogen werden sollen.“89 Die Position der Landesregierung als höchstrichterliches Korrektiv im Instanzenzug war damit klar abgesteckt. Doch es kam auch zu Reibungsverlusten bei der landesherrlichen Nutzung privilegierter Rechtsprechungskompetenz. Diese veranlasste das Hofgerichtskollegium Mitte 1760 wiederum zu einer grundsätzlichen Erklärung.90 Zentraler Kritikpunkt waren die Praktiken der Regierung, vom Hofgericht verhandelte Streitigkeiten abzufordern und unbearbeitet liegen zu lassen. Auch die Intervention von Parteien hätten, so das Gericht, die Prozesse nicht wesentlich vorangebracht.91 Die von der Landesregierung so interpretierte konkurrierende Jurisdiktion war aus verschiedenen Gründen inakzeptabel für das Hofgericht. Erstens bedeutete ein derartiger Entzug von Entscheidungsbefugnis einen Reputationsverlust für das Hofgericht und zweitens höhlte es systematisch die Bedingung – Gewähr landesinternen Rechtsschutzes – des privilegium de non appellando aus.92 Die Lösung für das Konkurrenzproblem sah die Konzentration des Verfahrens auf einer Ebene

87 88 89 90 91 92

schen beyden Gerichten gehoben – und der Friede wieder hergestellt“ sei. H, Versuch, S. 189. Beschwerden des Hofgerichts vom 7. Februar 1702, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 4r –9v . Vgl. ThHStAW, A 7950, Bl. 80r –85r ; A 7963, A 7965. Beschwerden des Hofgerichts vom 7. Februar 1702, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 4v . Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach an das Hofgericht, 7. März 1703, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 10r –12v . Schreiben des Hofgerichts an die Landesregierung, 27. Juni 1760, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 21, Bl. 106r –112v . Liste der Rechtsverfahren: ebd., Bl. 113r –117v . Vgl. ebd., Bl. 109r–v . Vgl. S, Verhältnis, S. 267 ff.

3.1 Verhandlungsort

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vor. Die an die Landesregierung gehenden Verfahren des Hofgerichts wurden automatisch dort anhängig und endgültig beschieden.93 Das Hofgericht ist auch im Kontext eines weiteren herausgehobenen Rechtsprechungsorgans in Sachsen-Weimar(-Eisenach) zu verorten – dem Jenaer Schöppenstuhl. Das Verhältnis zwischen ernestinischem Obergericht und Schöppenstuhl wird dabei aktuell als Konkurrenz konturiert.94 Dies beschreibt allerdings vorrangig die Perspektive des Jenaer Spruchgremiums. Abgrenzungsbestrebungen formulierte das Hofgerichtskollegium vor allem gegenüber den jurisdiktionell-herrschaftlichen Monopolisierungstendenzen der Landesregierung. Alles in allem war das Hofgericht trotz Kompetenzdebatten fest in dem Justizsystem der Ernestiner verankert und nahm dort – im Übrigen auch in fiskalischer Hinsicht – eine prominente Stellung ein.95 Streitwert und Gerichtsbarkeit bedingten die Relevanz des Hofgerichts, das – zumindest aus der legitimatorischen Perspektive der Hofgerichtsadvokaten – „meistens nur in wichtigen und mühsamen Rechts-Sachen“ konsultiert wurde.96 Die Notwendigkeit, sich etwa gegenüber dem Schöppenstuhl profilieren zu müssen, bestand damit nicht. Denn erstens war das Hofgericht gegenüber dem Schöppenstuhl gewissermaßen eine Revisionsinstanz.97 Gutachten des Schöppenstuhls hatten in diesem Fall also nicht per se die Bedeutung eines letztinstanzlichen Urteils. Zweitens existierten keine direkten Verflechtungen zwischen Hofgericht und Spruchgremium, die sich aufgrund des Instanzenzuges ergeben konnten. Das Hofgericht forderte nicht nur wegen der partiellen Identität von Mitgliedern des Spruch- und Hofgerichtskollegiums nie Rechtsgutachten vom Jenaer Schöppenstuhl ein.98 Auch insgesamt war das Institut der Aktenversendung in den untersuchten Fällen vor dem Hofgericht nicht relevant.99 In den Gerichtsakten sind Konsilien von Spruchkollegien lediglich dann dokumentiert, wenn sie im Rahmen eines 93 94 95 96 97

98

99

Vgl. ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 21, Bl. 111v . So G, Eigentum, S. 142–152. Zur Funktion von Gerichtssporteln und -gebühren im landesherrlichen Verwaltungs- und Justizapparat vgl. B, Erfahrungen, S. 360 f., m.w.N. Beschwerden des Hofgerichts, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 40v . Aus diesem Grund bezweifelt Angela Kriebisch eine verallgemeinerungsfähige Aussagekraft der Gutachten: „Nicht automatisch aber kann über den im Konzept enthaltenen Entwurf eine abschließende Aussage über die Rechtswirklichkeit getroffen werden. Was gesprochenes Recht war, läßt sich mit Sicherheit erst den Prozeßakten entnehmen. [. . . ] Empirische Beiträge zur Entwicklung des Rechts sind also allein aus den Jenaer Spruchkonzepten nur in begrenztem Maße zu gewinnen.“ K, Spruchkörper, S. 253. Eine andere Situation gab es in Wittenberg, wo Hofgericht, Juristenfakultät und Schöppenstuhl eng miteinander verflochten waren. Heiner Lück hält diesen institutionellen Zusammenhang für ein singuläres Phänomen innerhalb der territorialen Gerichtsverfassungen des Alten Reiches. Vgl. L, Spruchtätigkeit, S. 232. Dazu Carl Gottlieb K, Anleitung zum Gerichtlichen Proceß, Worin so wol die Unterschiedene Arten des Bürgerlichen und Peinlichen Processes, als auch die Abweichungen des gemeinen von dem Sächsischen Proceß, in einer natürlichen Ordnung abgehandelt und die brauchbareste Formulare beygefüget werden, Halle 1777, S. 247.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

erstinstanzlichen Verfahrens verhandelt worden sind. Hintergrund war das Profil des Hofgerichts selbst, das Effizienz als ein wichtiges Leitmotiv seiner Jurisdiktion postulierte. Zu dem Programm gehörte aus herrschaftlicher Perspektive auch die Forcierung des innerterritorialen Instanzenzuges. Dabei war insbesondere die Landesregierung als höchste Appellationsinstanz zu stärken.100 Dazu sollte auch das zeit- und kostenintensive Rechtsmittel der Aktenversendung eingeschränkt werden. Bezeichnend dafür sind die landesherrlichen Instruktionen an die niederen Gerichte, die Gutachten verstärkt aus Jena anzufordern.101 Seit 1776 konnten sie nur noch auf Antrag der Parteien eingeholt werden.102 1778 folgte eine Einschränkung des Revisionsrechts externer Spruchkollegien, das bei drei gleichlautenden Voten mit der Anerkennung des Urteils endete.103 Dies sollte vor allem im zivilrechtlichen Bereich (Konkurs-, Erbschafts- und Steuerverfahren) zu einer Prozessbeschleunigung führen. Die Eingrenzung der von den Parteien strategisch genutzten Einspruchsmöglichkeiten, die zur Suspension von Urteilen führte, sollte aber auch die Prozesskosten in Grenzen halten. Damit war die Intention verbunden, Recht immer weniger von der finanziellen Ausstattung der Parteien abhängig zu machen. Das Appellationswesen blieb insgesamt allerdings ein neuralgischer Punkt im Gerichtswesen Sachsen-Weimar(-Eisenachs). Die Praxis, von einer ersten Instanz schon bei Ladungen oder Zwischenbescheiden direkt an den Landesherrn zu appellieren, war weit verbreitet und trug zur Prozessverschleppung bei. Zahlreiche landesherrliche Einzelerlasse sollten dieser Variante von Justiznutzung entgegenwirken.104 Auch die Visitationsinstruktionen an das Hofgericht reglementierten das Rechtsmittel der Appellation, modifizierten gleichzeitig aber auch Verfahrensabläufe und die Gerichtsbarkeit des Hofgerichts. Gleichwohl blieb die Hofgerichtsordnung von 1653 bis 1816 Grundlage der Gerichtsverfassung. Für die Ausgestaltung der Hofgerichtsjurisdiktion besonders richtungsweisend waren die Visitationen von 1714 und 1729.105 Auch diese standen unter dem Zeichen, Justiz zu professionalisieren und stringenter zu gestalten. Das Visitationsreskript von 1714 verbot etwa unter Verweis auf verfahrensrechtliche Konsequenzen 100 101 102 103 104

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Vgl. das Schreiben vom Hofgericht an die ernestinischen Herzöge vom 7. Februar 1702, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 20, Bl. 4r –9v . Vgl. ThHStAW, B 2029. Anordnungen vom 15. Mai 1776 und 16. November 1786, S, Gesetze, Bd. 1, S. 115. Vgl. V, Herzogtum, S. 333. Patent vom 20. November 1749, Regierungs=Acta, was wegen Mißbrauch des unmittelbaren Appellirens verordnet worden betr., ThHStAW, B 2228, Bl. 3r–v . Vgl. auch ThHStAW, B 2234a, B 2235, B 2236. Für das Hofgericht: Fürstliche Rescripte, betr. das Appellationswesen am Hofgericht im allgemeinen (Form, Stil, Behandlung der Appellationen u. dgl.) 1604–1757, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 214. Ebd., Nr. 18b, d. Die Visitationsreskripte ergingen am 12. November 1714 und am 31. Oktober 1732. Der Visitationsbescheid von 1714 war in späteren Anordnungen – noch um 1800 – die entscheidende Referenz. Vgl. auch ThHStAW, A 7950, A 7959.

3.1 Verhandlungsort

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Appellationen kurz vor oder während des Gerichtstermins.106 Gleichzeitig wurde das Verfahren transparenter gestaltet. Das Hofgericht hatte nun bei Appellationen an die Regierung in einem Bericht Entscheidungsgründe anzugeben. In der Praxis ging die Berichterstattung jedoch keinesfalls in die Richtung deliberativer rationes decidendi der Konsilien. Das Hofgericht schilderte knapp den Verfahrenslauf und begründete sein Urteil mit kurzen Formeln wie „aus beregten Ursach“. Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsmaterie fand in der Regel nicht statt, so dass die Berichte die Motive justiziellen Handelns auch an dieser Stelle kaum offen legten. Weitere Regelungen betrafen die Protokollierung der Sitzungen, die der dienstjüngste Beisitzer zu übernehmen hatte. Das Protokoll sollte allerdings nicht zu den Akten gelegt werden.107 Hinzu kamen Verordnungen an die Advokaten, die allesamt von der Intention getragen waren, den Prozessparteien schnelle Justiz und Rechtssicherheit zu gewähren.108 Damit Advokaten von ihren Klienten keine übermäßigen Gebühren erhoben, wurden sie in einer Verordnung von 1783 bei einer Geldstrafe von fünf Reichstalern dazu verpflichtet, den Betrag aktenkundig zu machen. Auf dieser Basis konnte das Hofgericht dann entsprechende Ermäßigungen festsetzen.109 Oftmals ergingen Klageschriften und andere Anträge ohne Nennung des Konzipienten. Seit 1793 sollten diese Schriften nicht mehr angenommen werden, es sei denn, der Verfasser verträte sich als rechtskundige Partei selbst.110 Das Problem bestand darin, dass die auswärtigen Konsulenten nicht der Hofgerichtsordnung verpflichtet waren und bei Bedarf kaum zur Rechenschaft gezogen werden konnten – eine Situation, die für die jeweilige Partei gravierende Rechtsnachteile mit sich bringen konnte. Insgesamt ergingen neben der Hofgerichtsordnung eine Fülle weiterer Bescheide und Verordnungen, die jeweils konkrete Problemfelder betrafen. Der Regelungsbedarf und der Anpassungsdruck an neuere Entwicklungen in der Rechtspraxis nahm allerdings sukzessive zu. Zahlreiche Bestimmungen der Hofgerichtsordnung von 1653 erwiesen sich hundert Jahre später als anachronistisch und modifizierungsbedürftig – wie etwa der Ausschluss der mittlerweile durchweg juristisch geschulten adligen Assessoren vom Relationsrecht. Der Zivilprozess war in der Hofgerichtsordnung nur skizziert, Unzulänglichkeiten im modus procedendi waren die Folge. Ab Mitte der 1790er Jahre wurde deshalb eine umfassende Revision der Hof-

106 107 108

109 110

Visitationsreskript vom 12. November 1714, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 18d, Bl. 16r –25r . Vgl. ebd., § 12. Acta, worinne einige an die Hof Gerichts Advocaten ergangenen Verordnungen enthalten sind a. c. 1776, 1778, 1779, 1780, 1783, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60a. Verordnung vom 27. Juni 1783, ebd., Bl. 14r –15r . Verfügung vom 7. März 1793, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60b, Bl. 74r – 75v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

gerichtsordnung forciert, die aber ähnlich wie die anderen legislatorischen Reformprojekte über einen Entwurfsstatus nicht hinausging.111 Hofgerichtsprozess

Gerichtlich regulierte Konflikte wurden durch prozessrechtliche Grundsätze und Mechanismen strukturiert. Sie gaben gleichsam die Rahmenbedingungen für die anwaltliche Gestaltung eines Rechtsstreits vor, deren Strategien sich zum einen auf die diskursive Ebene der Argumentationen und zum anderen auf die praktische Ebene der Justiznutzung auswirkten. Den Verfahren am Jenaer Hofgericht lag der sächsische Prozess zugrunde, der im Gerichtsbrauch um Elemente des gemeinen Prozessrechts ergänzt wurde.112 Allgemeine Charakteristika des sächsischen Prozesses waren Mündlichkeits-, Kontumazialprinzip sowie die Distinktion zwischen Behauptungs- und Beweisverfahren. Es galt das Eventualprinzip, nach dem alle Klagetatsachen gleichzeitig vorzubringen waren. Ferner wurde zur Effektivierung der Verfahren nur eine Instanz für die Einbringung des Sachverhalts und der Beweise zugelassen. Im Läuterungs- bzw. Appellationsverfahren konnte daher aus Gründen der Prozesskonzentration lediglich der von der ersten Instanz aufgenommene Sachverhalt geprüft werden.113 Neben der Kodifikation des Zivilprozessrechts in der kursächsischen Prozessordnung von 1622 waren die Hofgerichtsordnung sowie der Gerichtsbrauch primär ausschlaggebend, die durch einzelne Spezialverordnungen sukzessiv modifiziert wurden. Grundprinzip der Verfahren vor dem Jenaer Hofgericht war die Verhandlungsmaxime, wonach die Prozessparteien weitgehend selbst Träger des Verfahrens waren und für die Beibringung der Beweismittel Verantwortung trugen.114 Damit kam den Anwälten bzw. Advokaten der Parteien eine starke Position im Verfahren zu, die durch den Dispositionsgrundsatz 111 112

113 114

Ebd., Nr. 28, 29; ThHStAW, A 8024, A 8031, A 8032. Zum sächsischen Prozess vgl. v.a. Benedict C, Processus juris in foro Saxonico, 2. Aufl., Jena 1657; Jacob Friedrich L, Einleitung zum Civil-Proceß, Halle 1710; Samuel Gottfried L, Vollständige Erläuterung des gemeinen Teutschen und Sächsischen Processes, 4 Bde., Leipzig 1792–1794; Johann Christian M, Geschichte und Verfassung der Rechtspflege und Prozeßform in bürgerlichen Sachen bey den alten Deutschen und Sachsen und der daher noch üblichen Vorbeschiede bey den Chursächsischen Obergerichtshöfen, Leipzig 1790; Carl Wilhelm Ernst H, Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Processes, Bd. 1: Allgemeiner Theil und ordentlicher Proceß, Jena 1852; K, Proceß; B, Rechtsmittel; S, Geschichte der sächsischen Justizpflege; K, Sachsenrecht, S. 295–300. Vgl. auch dazu das Gutachten der weimarischen Regierungsräte Johann Friedrich von Koppenfels und Johann August von Hellfeld, ThHStAW, B 2256, Bl. 42r . Vgl. Wolfgang S, Art. Prozeß, sächsischer, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 36–39. Friedrich August B, Vollständige Nachweisung der Widersprüche, in welchen die kursächsischen Prozeßordnungen von 1622 und 1724, mithin aber auch der gemeine deutsche Prozeß, mit ihrem Grundprinzip, der Verhandlungsmaxime, stehen, Ilmenau 1829; S, Zivilprozessrecht.

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zusätzlich akzentuiert wurde. Das Verfahren oblag der Verfügungsbefugnis der Parteien und gestaltete sich somit entlang der jeweiligen Parteianträge. So wie die Prozesse auf Initiative des Klägers eingeleitet wurden, lag auch die Beendigung des Verfahrens in der Entscheidungshoheit der Parteien. Dementsprechend wurde dem Hofgericht auch nur in seltenen Fällen ein außergerichtlicher Vergleich angezeigt. Dem sächsischen Zivilprozessrecht gemäß konnte ein Hofgerichtsverfahren als summarischer Prozess (processus summarius) geführt werden, der in geringfügigen Rechtssachen ein Verfahren ohne die im ordentlichen Prozess (processus ordinarius) notwendigen Formalitäten ermöglichte. Weitere Prozessarten waren der possessorische Prozess, Mandats-, Inhibitiv-, Exekutiv-, Wechsel- und Arrestprozess.115 Zusätzlich gab es eine Bescheidpraxis, in der der Rechtsgang eines Verfahrens außerhalb der Hofgerichtssessionen durch Verfügungen an die Parteien geleitet wurde. Nach sächsischem Gerichtsbrauch war die Klageschrift vor dem Hofgericht in Briefform – der Kläger sprach von sich in der ersten Person – einzureichen, wobei selbst der Anrede des Gerichts eine wichtige Bedeutung zukam (Courtoisieformeln, Gebrauch der Titulaturen).116 Im Unterschied zum vom römisch-kanonischen Recht geprägten Kameralprozess war die Klage summarisch, nicht in einzelne Artikel aufgegliedert: „Die Klag=Libello sollen nicht artikuliret, sondern wie es bißhero in unsern Landen gewesen, mit kurtzer Erzehlung der Geschichte, förmlich und schlüßlich fürbracht [. . . ] werden.“117 Auf die Klageerhebung folgte eine prozesseinleitende Citatio (Ladung). Sie erging im Namen des Hofrichters und wurde der beklagten Partei durch einen Hofgerichtsboten überbracht.118 Wurde mit der Klage ein Antrag auf Inhibition des Beklagten gestellt, dann erging diese zusammen mit der Ladung. Die Inhibition war als gerichtlicher Untersagungsbefehl besonders bei Besitzstörungsklagen relevant. Dieser verbot der beklagten Partei, die strittige Handlung weiter auszuführen.119 Inhibitionen konnten allerdings auch die jeweilige Vorinstanz betreffen, die in der zur Appellation gebrachten Streitsache nicht weiter verfahren durfte.120 Bei Appellationen von erster Instanz forderte das Hofgericht entsprechende Berichte von den Untergerichten an.121 Die Klagebeantwortung galt als litis contestatio, die sogenannte Streitbe115 116 117

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Dazu genauer z. B. K, Proceß; Justus C, Einleitung in sämtliche summarische Processe zum Gebrauch der practischen Vorlesungen, 3. Aufl., Göttingen 1793. Vgl. Achatius Ludwig Carl S, Anweisung, wie die Regeln des gemeinen und des Sächsischen Processes geschickt anzuwenden sind, Jena 1766, § 5, S. 14. Prozessordnung 1622, Tit. V, § 1. Vgl. auch Wolfgang S, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen Verfahrens, Aalen 1973. Ladung, HGO 1653, Kap. XX, S. 493–495. Inhibition, HGO 1653, Kap. XIX, S. 490–492. Art. Inhibitionsbefehl, Inhibitionserkenntnis, in: DRW, Bd. 6, Sp. 232. HGO 1653, Kap. XVIII, S. 488.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

festigung.122 Das Ausbleiben des Beklagten bei einem Gerichtstermin führte zu Rechtsnachteilen. Dabei erging auf klägerischen Antrag eine richterliche ,Ungehorsamsbeschuldigung‘ (in contumaciam) an die säumige Partei, die mit einem Ordnungsgeld verbunden war. Dieses Kontumazialprinzip war folglich ein prozessrechtliches Mittel, um Versäumnisse (Nichterscheinen vor Gericht, Nichteinhalten von Fristen) zu sanktionieren. Wurde der Beklagte peremtorisch, ohne weitere Frist, vorgeladen, ging das Urteil auch ohne dessen Erscheinen in die Rechtskraft über. Vor dem Jenaer Hofgericht üblicher war jedoch die zweimalige erfolglose Vorladung, bevor es zur automatischen Schuldanerkenntnis kam und ein rechtskräftiges Sachurteil gesprochen wurde.123 Gütliche Einigungsversuche waren den Rechtsverfahren vorgeschaltet. Sie wurden unter Vorsitz eines Assessors der gelehrten Bank geführt und von zwei Güteadvokaten sowie den Prokuratoren der Parteien rechtlich begleitet. Gütliche Einigungen waren vor allem bei armen Parteien sowie in Angelegenheiten von Witwen und Waisen, bei Injurien und Konflikten zwischen Obrigkeit und Untertanen zu forcieren.124 In der Praxis wurde dieses Verfahren jedoch oftmals vernachlässigt, so dass die Aufrechterhaltung des Gütegedankens in Visitationsbescheiden oder Verfügungen an die Advokaten angemahnt werden musste.125 Scheiterten die Vergleichsbemühungen, kam es zur weiteren Verhandlung. Die Advokaten der Parteien hatten dabei am ersten Hofgerichtstermin alle Mandate und Vollmachten (namentlich Tutoria, Curatoria, Actoria, Syndicata) vorzuweisen.126 Beim Gerichtstermin konnten zunächst Einreden (exceptiones) gegen die formelle Zulässigkeit als auch gegen die sachliche Begründetheit der Klage formuliert werden.127 Die Advokaten entwickelten dabei den jeweiligen Rechtsstandpunkt in Sätzen, die von den Parteien in dialogischem Wechsel als Replik, Duplik, Triplik und Quadruplik vorgebracht wurden.128 Dem Mündlichkeitsprinzip gemäß geschah dies „vom Munde aus in die Feder.“129 122

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126 127 128 129

Es gab keinen Liteskontestationsakt wie etwa beim Reichskammergerichtsprozess. Vgl. S, Prozeßgrundsätze, S. 238 sowie allgemein Steffen S, Litis contestatio. Eine Untersuchung über die Grundlagen des gelehrten Zivilprozesses in der Zeit vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2008. Vgl. S, Art. Prozeß, sächsischer, Sp. 36–39. Vgl. auch Gerhard B, Art. Contumacia, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 636 f., H, Prozess, § 87, S. 252. HGO 1653, Kap. III. Visitationsreskript 1714, Hofgericht, Generalia, Nr. 18d, § 15; Verfügung an die Hofgerichtsadvokaten, 8. September 1769, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 66, Bl. 18r . HGO 1653, Kap. XI, S. 478. Exceptionen, HGO 1653, Kap. XXII, S. 496–498. Sätze, HGO 1653, Kap. XXVIII, S. 506–507; vgl. S, Prozeß, sächsischer, Sp. 36– 39. HGO 1653, Kap. V, S. 468. Die mündlich vorgebrachten Sätze wurden als summarisches Protokoll vom Gerichtsschreiber in indirekter Rede formuliert.

3.1 Verhandlungsort

129

Allerdings war es den Advokaten bei Zustimmung des Hofgerichtskollegiums auch möglich, Schriftsätze vorzulegen.130 In der Rechtspraxis blieb dieses Nebeneinander von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bis 1816 typisch. Theoretisch sollte eine Rechtssache innerhalb eines Tages, spätestens bis zum nächsten Tag absolviert werden. Den Anwälten wurde daher der Verzicht auf eine – für sie unter finanziellen Aspekten allerdings lukrative – Fallakkumulation nahegelegt.131 Waren entscheidungserhebliche Tatsachen streitig, wenn etwa die beklagte Partei die Schuld bzw. das klägerische Vorbringen nicht anerkannte, wurde mit dem Beweisinterlokut ein Beweisverfahren eingeleitet.132 Das Beweisinterlokut legte das Beweisthema, -last und -frist fest, die sich in der Regel an der sächsischen Frist von sechs Wochen und drei Tagen orientierte. Dabei hatte die klagende Partei die anspruchsbegründenden Tatsachen (Beweis) und die beklagte Partei die anspruchsvernichtenden Beweise (Gegenbeweis) vorzulegen. Als Beweismittel fungierten neben Urkunden, Zeugen und Augenschein auch das Urteil von Sachverständigen und der Parteieid. Als wichtiges Rechtsmittel diente hier der Malitieneid (iuramentum malitiae, „Eyd vor Gefährde“).133 Damit konnte eine Partei bei Bedarf nachweisen, eine Klage oder Rechtsansprüche nicht wider besseres Wissen geltend zu machen.134 Nachweislich relativierte sich jedoch im Zuge einer vom naturrechtlichen Gedankengut beeinflussten Rechtspraxis die Bedeutung des ,Glaubenseides‘ zugunsten des Tatsachenbeweises.135 Lagen alle für den Rechtsstreit entscheidenden Akten vor, wurde er im Rahmen der Hofgerichtssitzung verhandelt. Um eine effiziente Gerichtsverhandlung zu gewährleisten, mussten die Akten umfangreicherer Streitsachen spätestens eine Woche vor dem Gerichtstermin von den Advokaten eingereicht und unter den gelehrten Referenten vergeben werden.136 In den übrigen Fällen wurden die Akten vor den Sitzungen des Hofgerichts vom Hofrichter unter den Assessoren verteilt. Angefangen beim Ordinarius übernahmen die gelehrten Beisitzer der Reihe nach den Aktenbericht, der mit 130 131 132 133 134

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Ebd. HGO 1653, Kap. V, S. 469. Michael R, Art. Interlokut, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 1269– 1271. HGO 1653, Kap. XXIV, S. 499 f. Wolfgang S, Art. Kalumnieneid, in: HRG, Bd. 2, 2. Aufl., Berlin 2009, Sp. 1538– 1540. Vgl. zur Eideszuschiebung (Delation) als Beweisführung im Zivilprozess Georg Wilhelm W, System des ordentlichen Civilprocesses, 2. Aufl., Leipzig 1865, S. 254–265. S, Kalumnieneid. Aus diesem Grund sollten die Advokaten ihre Akten nicht erst am Hofgerichtstermin einreichen, sondern mindestens acht Tage vor dem Termin. Anordnung vom 27. Februar 1788, Acta die vom Herzoglich-Sächsischen Gemeinen Hof=Gerichte zu Jena, an die HofgerichtsAdvocaten neuerlich erlassene Befehle betreffend, Anno 1685–1805, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60b, Bl. 36r –37v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

einem Votum abzuschließen war. Die adligen Assessoren waren von der Relationspflicht entbunden, besaßen jedoch ein Stimmrecht. Die Aktenrelation folgte formellen Vorgaben, wie sie zeitgenössisch etwa der Jenaer Jurist Schaumburg konzise ausarbeitete.137 Aus den Voten, den Entscheidungsvorschlägen des Hofgerichtskollegiums, formierte der Hofrichter das conclusum. Das Urteil wurde durch Mehrheitsprinzip bestimmt.138 Gab es eine Stimmengleichheit, war das Votum des Hofrichters ausschlaggebend. Die Urteile, die vom jeweiligen Referenten des Falls entworfen wurden, ergingen im Namen des Hofrichters und der Beisitzer. Sie wurden sowohl gegenüber den Prozessvertretern öffentlich publiziert, als auch den Parteien zugestellt.139 Entscheidungsgründe wurden den Parteien nicht mitgeteilt.140 Dies entsprach dem frühneuzeitlichen Zivilprozessrecht, das unter der Prämisse des Gerichtsgeheimnisses keine Urteilsbegründungspflicht vorsah.141 Der Rekonstruktion von Rechtsprechungsmotiven sind damit im Unterschied zu den Konsilien der Spruchgremien enge Grenzen gesetzt. Gegen die Urteile konnten innerhalb von zehn Tagen Rechtsmittel eingelegt werden. Dies war zum einen in Form einer Appellation an den jeweiligen Landesherrn möglich, die einen Suspensiv- und Devolutiveffekt hatte.142 Das Hofgericht erstattete dabei der Regierung einen Bericht ab, die daraufhin die Begründetheit der Appellation überprüfte. Zog die Landesregierung den Fall nicht ganz an sich, erging ein Urteil der Landesregierung mit einer Verfügung an das Hofgericht. Die Urteile wurden direkt vom Landesherrn unterzeichnet.

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Vgl. die Anleitung von Johann Gottfried Schaumburg bei Georg Melchior von L, Der expedite Referendarius; oder Anleitung, wie man Gerichtliche Acten mit Nutzen lesen, geschickt excerpiren, und verständig referiren soll, 3. Aufl., Wetzlar 1765, S. 155 ff. Dazu Filippo R, Stilus Curiae. Zum historischen Hintergrund der Relationstechnik, in: Rechtshistorisches Journal 4, 1985, S. 75–88; D., Entscheidungsfindung und Technik der Urteilsredaktion in der Tradition des deutschen Usus Modernus. Das Beispiel der Aktenrelationen am Reichskammergericht, in: Alain W (Hrsg.), Case Law in the Making. The Techniques and Methods of Judicial Records and Law Reports, Bd. 1, Berlin 1997, S. 277–297. HGO 1653, Kap. III; Visitationsreskript vom 12. November 1714, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 18d, Bl. 16r –25r , § 13. Es bestand bei fünf Reichstalern Strafe Anwesenheitspflicht für die Rechtsvertreter der Parteien, die allerdings nicht immer wahrgenommen wurde. Sie wurde daher in speziellen Verfügungen aktualisiert und neu reglementiert, z. B. in einer Verfügung vom 5. September 1776, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60a, Bl. 2r . Zur ungleichen Kommunikation zwischen Richter und Prozessparteien siehe Stephan H, Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang. Zur Publizität der Entscheidungsgründe im Ancien Régime und im frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2002, S. 26 f; Heinrich G, Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands. Charakteristik und Bibliografie der Rechtsprechungs- und Konsiliensammlungen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1974, S. 31. Dazu ausführlich und mit weiterer Literatur H, Gerichtsgeheimnis. Von der Appellation, wann und wohin vom Hofgericht appeliret werden soll, HGO 1653, Kap. XXXV.

3.1 Verhandlungsort

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In dringlichen Angelegenheiten erhielten auf Antrag des Hofgerichtskollegiums allerdings auch die Regierungsräte eine Unterzeichnungskompetenz.143 Ein zweites Rechtsmittel war zum anderen die Läuterung, die keinen Devolutiveffekt hatte.144 Die angefochtene Entscheidung konnte demzufolge nur in derselben Instanz überprüft werden.145 Hinsichtlich der Gerichtskosten bestand normativ die Kostentragungspflicht für die im Rechtsstreit unterlegene Partei.146 In der Rechtspraxis wurden die Kosten der Parteien in Orientierung am Billigkeitsprinzip allerdings oftmals gegeneinander aufgehoben.147 Der Prozesssieger musste dabei mittels einer schriftlichen Liquidation die Gebühren für Ladung, Advokatendienste etc. geltend machen. Die schriftliche Fixierung der Gebühren in den Parteiakten wurde allerdings erst im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts üblicher. In einer Verfügung von 1793 wurde sie explizit angemahnt.148 Die Hofgerichts- und Advokatengebühren waren in einer der Hofgerichtsordnung inkorporierten Gebührenordnung festgelegt.149 Abweichungen von der Satzung erklären sich aus der im Urteil festgelegten Kostenkompensation oder der im richterlichen Ermessen liegenden Moderation einzelner Posten. Das Honorar richtete sich insgesamt nach der Verfahrensgestaltung und konnte in Abhängigkeit von Umfang und Aufwand für die Sätze auch erhöht werden. Die Hofgerichtsordnung sah eine Zwangsvollstreckung von Urteilen in jenen Fällen vor, in denen der Kläger innerhalb der sächsischen Frist nicht befriedigt wurde. Dabei sollte „erstlich die fahrende Haab, so einer nicht zu seiner Kunst, Handtierung, Ackerbau oder täglichen Arbeit nothwendig gebrauchen und haben muß, und wo dieselbe nicht zureicht, also dann die liegende Güter, und endlich der Beklagten geständige Schulden angegriffen und darein, servato iuris ordine, verholfen werden.“150 Vom prozessrechtlichen Procedere abgesehen definierte die Hofgerichtsordnung auch die Qualität der Rechtsvertretung und -findung. Die 143 144 145 146 147

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Visitationsreskript 1714, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 18d, § 11. Läuterung, HGO 1653, Kap. XXXIV, S. 511. Vgl. Gerhard B, Art. Läuterung, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 1648–1652, hier Sp. 1649 f. Sporteln, HGO 1653, Kap. XXI, S. 495–496. In der Weimarer Prozessordnung von 1723, § 54 wurde unter Rekurs auf Rechtslehrer und Prozessualisten lediglich die Gebührenkompensation unter Verwandten in den Blick genommen. Ausschlusskriterium von einer Kostenmoderation waren dolus und calumnia der Partei (temeritas litigandi). Vgl. zur Kostentragungspflicht auch F, Consilia, S. 102 ff. Verfügung vom 7. März 1793, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60b, Bl. 88r . Gesonderte Auflistung der „Hofgerichts=Sportul=Taxe“ bei S, Gesetze, Bd. 4, S. 521–528. HGO 1653, Kap. XXXVIII. Umfassendere Regeln traf die Prozessordnung von 1622, Tit. XL–LII (Exekution von Lehensgütern, Regelungen der Schuldner-Gläubiger-Beziehungen, Arrest, Schuldturm).

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Rechtsprechung des Hofgerichts war aequa lance, rational und sachorientiert zu realisieren. Dies galt allen Rechtsuchenden „ohne Ansehen der Person, mit Hintansetzung aller Privataffecten, oder anderer der Gerechtigkeit hinderlichen Respecte“.151 Bedingung dafür war ein von gegenseitigem Respekt getragenes Verhältnis der Advokaten untereinander, das sich „absque collusione, einig, friedlich und verträglich“ gestalten sollte.152 Die weiteren Reglements für die Hofgerichtsadvokaten orientierten sich auch in diesem Bereich an den Maximen einer stringenten Prozessführung und der Kostenbegrenzung.153 Dem stilus curiae gemäß wurde der Schwerpunkt auf einen konzisen, konzentrierten Sachvortrag gelegt. Insgesamt orientierte sich der gerichtliche Sprach- und Redestil an den klassischen Rhetoriklehren Ciceros und Quintilians. Der Thomasiusschüler Nicolaus Hieronymus Gundling, Hauptvertreter der Hallenser staatsrechtlichen Schule, bewertete dabei den im sächsischen Bereich vorherrschenden Stil als den „beste[n] Stylus judicialis“: „Und haben sie [in Sachsen, d. Verf.] sonderlich nette expressiones. In Bayern ist ein schlechter Stylus und überhaupt ie näher man dem Rheinstrome kömmt, ie schlechter ist er. [. . . ] In Hannover, Bremen und Hamburg ist auch schon alles affectirt. Im Reich heißt der Kläger Sacher, hier weiß kein Mensch, was das ist.“154 Dieser sächsische Stil sollte „kürzlich und förmlich“, „klar, lauter, gründlich und verständlich, ohne weitläuftige Allegirung der beschriebenen Rechte“ sein.155 Dementsprechend war auch eine Rechtsbeibringungspflicht des Statutar- und Gewohnheitsrechts normativ nicht vorgeschrieben.156 Trotz stetig aktualisierter Verweise auf die Nutzung „teutscher Worte“ blieben jedoch „ohne Noth“ verwandte Latinisierungen, „lateinische Allegate“, nicht aus.157 Redundante anwaltliche Sätze mit „unnöthigen Weitläuffigkeiten“ stießen kontinuierlich auf die Kritik des Hofgerichtskollegiums, zumal sie die Schreib- und Advokatengebühren in die Höhe trieben. Allerdings erregte auch die zeitgenössisch als stilus aculeatus158 bezeichnete rabulistische Konfliktkultur der Anwälte Anstoß. So erging 1685 eine hofgerichtliche Anordnung vor dem Hintergrund, dass „zuweilen mit ungewöhnlichen, dem stylo curiae ungemäßen formulen, ja gar mit anzüglich-schimpff- und stach151 152 153 154 155 156 157 158

Ebd., Kap. III, S. 459. HGO 1653, Kap. V, S. 464 f. Vgl. dazu auch die Sachsen-Weimarische Advokatenordnung vom 12. Juni 1727 (Erneuerungen 1731, 1764). Dazu M, Staats- und Regentengeschichte, S. 204, 207. Nicolaus Hieronymus G, Erläuterung über Schilteri Institutiones iuris feudalis, Frankfurt a.M./Leipzig 1736, S. 385. HGO 1653, Kap. V. Die Reglementierung bezog sich nicht generell auf die Anführung von Belegstellen, sondern das vollständige Zitieren von Rechtstexten. In der Praxis wurden die entsprechenden Normen dennoch von den prozessführenden Parteien vorgelegt. Ebd.; Verfügung vom 16. März 1757, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 66, Bl. 8r . H, Reform, S. 186.

3.1 Verhandlungsort

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lichten Redarthen, auch wohl gegeneinander, und wider die Acta lauffenden anführen [. . . ] gefüllt gewesen.“159 Sachbezogenheit war die hofgerichtliche Norm, zu der anwaltliche „Anzüglichkeiten“, „Schmähungen, höhnische, unbescheidene, verbitterliche Anziehungen“ in Kontrast standen.160 Ab 1714 wurde als Regulativ eine Geldstrafe eingeführt, die ausdrücklich nicht auf den Klienten zu transferieren war. Mit Verweis auf die Hofgerichtsordnung und den Visitationsbescheid von 1714 wurden wiederum 1793 nicht nur die affektiv aufgeladenen anwaltlichen Debatten sanktioniert, sondern auch die Argumentationen mit Kontexten, die über den justiziablen Sachverhalt hinausgingen. Die Anwälte sollten sich „alles unnöthigen Disputirens über die nicht zu dem in Frage stehenden Beweißmittel selbst“ enthalten. Der Fokus war auf die „zur HauptSache gehörigen Gegenstände“ zu richten.161 Diesen Normierungen der Gerichtskommunikation entsprach letztlich nur der anwaltliche Verzicht auf umfangreiche Allegationen.162 Dennoch versachlichte sich der Stil im Laufe des 18. Jahrhunderts tendenziell.163 Den auf Rationalität, Stringenz und brevitas abzielenden Verfahrensgrundsätzen entsprach die zeitgenössische Juristenausbildung, die eine Abkehr von der Nutzung „oratorischer Figuren“ zur Affektbewegung vorsah.164 Rhetorisches Wirkungsinteresse blieb dabei allerding nie ganz ausgeblendet, wie etwa das einflussreiche Lehrbuch August Ludwig Schotts (1751–1787) belegt.165 Dieser betonte ganz explizit die Notwendigkeit von „Kraft“, „Nachdruck“ und „Lebhaftigkeit“ der Ausdrücke.166 Affektbeeinflussung blieb – je nach Konfliktkonstellation – ein wichtiges Mittel interessegeleiteter Fallgestaltung. Auch die in den zeitgenössischen Anwaltshandbüchern fixierte Anwaltsethik setzte da kaum Schranken.167

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Verfügung vom 5. Dezember 1685, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60b, Bl. 2r . Visitationsreskript 1714, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 18d, § 16, Bl. 21v . Verfügung vom 7. März 1793, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 60b, Bl. 82v . Allegation meint den Verweis auf Rechtsquellen, die als „Spezialfall eines Beweises, nämlich als Beweis von Rechtsbehauptungen im Gegensatz zum Beweis sonstiger Behauptungen“ fungierte. Zur terminologischen Abgrenzung von Allegation und Beweismittel O, Rechtsvielfalt, S. 29 ff., insbesondere S. 32. Heller spricht von einer „geistvollen Ironie“, die sich in dem neuen Sprachstil ausdrücke: H, Reform, S. 186. Vgl. Carl Friedrich C, Salz und Scherz vor Gericht. Eine Sammlung ironischer und unterhaltender Memoiren aus dem Französischen, Leipzig/ Dessau 1783. So etwa Christian T, Höchstnöthige Cautelen Welche ein Studiosus Iuris, Der sich zu Erlernung der Rechts=Gelahrtheit [. . . ] vorbereiten will, zu beobachten hat, Halle 1713. August Ludwig S, Vorbereitung zur juristischen Praxis besonders in Rücksicht auf die Schreibart in rechtlichen Geschäften, Erlangen 1784. Ebd., S. 24 f. Zur Fraglichkeit standesethischer Schranken vgl. F, Consilia, S. 88–91. Vgl. zum Diskurs um die juristische Schreibart in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Michael W, Stil und Status. Juristisches Schreiben im 18. Jahrhundert, in: Ulrich

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

3.1.3 Zugang und Aktionsradius von Frauen vor Gericht, im Prozessrecht und in der Praxis Normative Regelungen

Die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von Frauen und damit auch ihr Zugang zu Gericht unterlagen statusgebundenen, standes- und geschlechtsabhängigen Normierungen.168 Personenrechtliche Kriterien differenzierten dabei ihre rechtlichen Handlungsspielräume nach Alter, Familienstand und der Erwerbstätigkeit aus. Entscheidendes normatives Reglement war das auch im sächsischen Recht verankerte Institut der Geschlechtsvormundschaft, der cura sexus bzw. cura maritalis.169 Dieses sah

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K/Jörn G (Hrsg.), Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, Tübingen 2001, S. 99–112. Der Rückgriff auf den modernrechtlichen juristischen Terminus der Rechtsfähigkeit ist methodisch nicht ganz unproblematisch. In diesem Kontext ist er jedoch notwendig, um die zivilrechtliche Stellung von Frauen als mit Rechten und Pflichten ausgestatteten Rechtssubjekten systematisieren zu können. Von der Rechtsfähigkeit ist die Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden, die sich auf die Fähigkeit bezieht, Rechtsgeschäfte wirksam abzuschließen. Diese ist dem Recht der Handlungsfähigkeit zugeordnet, die als „Fähigkeit zu eigenem rechtswirksamen Handeln“ (M/L, Privatrecht, S. 39) definiert wird. Vgl. Jan S, Art. Rechtsfähigkeit, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 288–293; Andreas T, Art. Geschäftsfähigkeit, in: HRG, Bd. 2, Berlin 2009, Sp. 270–273. Allgemein zu den Problemen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit: Volker L, Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson, Tübingen 2000; Eckhart K/Christoph M (Hrsg.), Der Mensch als Person und Rechtsperson – Grundlage der Freiheit, Berlin 2011, darin bes. Dagmar R, Rechtspersönlichkeit und Geschlechterrolle, S. 171–202. Vgl. dazu auch J, Stellung, S. 27 f. Zur Stellung der Frau im frühneuzeitlichen Recht siehe auch die bereits in Kapitel 1.1.2 zitierte Literatur, v.a. K, Maior dignitas; die Beiträge in G (Hrsg.), Frauen, bes.: K, Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit; H, Geschlechtsvormundschaft; W-W, Geschlechtsvormundschaft sowie D., Die rechtliche Stellung der Frau; F, Gleichberechtigung; speziell zur Handlungs- und Geschäftsfähigkeit von Ehefrauen: D, Gleichheit. Der Terminus Geschlechtsvormundschaft ist eine erst im 18. Jahrhundert etablierte Übersetzung für die seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Begriffsverwendung cura sexus. Er wird aktuell auch durch den Begriff der Geschlechtsbeistandschaft (oder Geschlechtspflegschaft, vgl. J, Stellung, S. 43, Anm. 88) substituiert, um die unterschiedlichen Ausprägungen besser voneinander abgrenzen zu können. Die Geschlechtsvormundschaft war territorial sehr unterschiedlich verankert und konnte von der umfassenden Geschlechtsvormundschaft bis zur uneingeschränkten Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit lediger Frauen reichen. Dazu H, Geschlechtsvormundschaft. Vgl. für den sächsischen Rechtskreis A/K, Rechte der Frau, S. 27–36; H, Prozess, S. 82. Zu den zeitgenössischen Diskursen siehe Susanne J, „Die berüchtigte Materie von der weiblichen Geschlechts-Curatel“. Die Abschaffung der ,Geschlechtsvormundschaft‘ in der aufklärerischen Diskussion, in: Ulrike W u. a. (Hrsg.), Ordnung, Politik und Geselligkeit der Geschlechter im 18. Jahrhundert, Göttingen 1998, S. 285–301; WW, Geschlechtsvormundschaft.

3.1 Verhandlungsort

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bei dem Abschluss von bestimmten außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsgeschäften eine Vertretung mündiger lediger und verheirateter Frauen durch einen gerichtlich bestätigten männlichen Beistand vor. Ausnahmen von dieser Regelung galten für Handel treibende Frauen bezüglich ihrer Handelstätigkeit.170 Außerdem bestand nach sächsischem Recht für unmündige Frauen bis 21 Jahre die Bindung an die elterliche Vormundschaft oder eine Altersvormundschaft.171 Eine Zustandsvormundschaft erstreckte sich geschlechtsunabhängig auf Personen mit geistiger oder körperlicher Krankheit sowie gerichtlich erklärte Verschwender.172 In Sachsen-Weimar(-Eisenach) galt nicht die unbeschränkte Geschlechtsvormundschaft, so dass im normativen Bereich je nach Rechtsstatus der Frau Freiräume bestanden. Ledige mündige Frauen konnten bei außergerichtlichen Handlungen, die ihre beweglichen Güter und Kapitalien betrafen, auch ohne den Einbezug eines Vormundes rechtskräftig agieren. Ausgenommen waren jedoch die Belange, die in Zusammenhang mit dem Institut der Gerade standen. Verheiratete Frauen unterstanden nicht automatisch einer an die cura maritalis gebundenen Rechtsvertretung durch den Ehemann. Diesem kam zwar ratione dotis dominum civile und ratione paraphernalium (ehegüterliche) Administrationsrechte zu, doch ein Kuratorium in Rechtsgeschäften musste genauso gerichtlich autorisiert werden, wie die einer anderen vormundschaftlichen Vertretung. Ehemänner konnten demnach nur dann Rechtsgeschäfte für die Ehefrauen übernehmen, wenn sie auch gleichzeitig ihre Kuratoren waren. Die Hofgerichtsordnung selbst traf keine generellen Vorschriften hinsichtlich des Zugangs für Frauen zum Gericht. Bedingungen für das Auftreten von Frauen vor Gericht wurde in Sachsen-Weimar durch die Prozessordnung von 1622 spezifiziert: „Witwen und Jungfrauen sollen ohne Unterschied des Alters in allen Rechtlichen Processen, sie halten gleich Klägerin oder Beklagten statt, nichts für ihre Persohn, sondern alles durch ihre Vormünden, ob sie deren hätten, oder welchen die Vormünden hierzu Vollmacht aufftragen, handeln. [. . . ] Gleicher gestalt sollen die Eheweiber anderer gestalt nicht, als durch verordnete Curatores, es seynd hierzu ihre Ehe=Männer oder andere Personen Gerichtlich bestätiget, oder durch deroselben verordnete Actores, Personam standi in Judicio haben, und die Ehe=Männer ohne sonderbahre Curatoria,

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Rechtlich relevant war die genaue Differenzierung dieser Tätigkeit entweder als eheliche Arbeitsteilung in Form des Arbeitspaares oder eigenständiger Erwerbstätigkeit, die nach Stand (ledig, verheiratet, verwitwet) rechtlichen Rahmenbedingungen folgte. Zu den sächsischrechtlichen Bedingungen vgl. S, Handelsfrauen in Leipzig. Siehe auch Kapitel 2.2.3. W, Vormundschaftsrecht, S. 146. Frauen konnten die Vormundschaft über ihre Kinder übernehmen, wenn sie auf die ,weiblichen Rechtswohltaten‘ verzichteten. S, Einleitung, Bd. 1, 1. Theil, Exerc. III, § 21, S. 43. Vgl. H, Prozess, S. 83 f.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

oder zum wenigsten Cautionem rati, nicht zugelassen werden.“173 Danach waren alle Frauen generell in der Führung von Prozessen an einen gerichtlich bestätigten Vormund (curator litis) gebunden. Dieser sogenannte Kriegsvogt fungierte lediglich beratend und konnte keine rechtskräftigen Handlungen für die Kurandinnen übernehmen. Die Aufgaben des Kurators waren dabei in den formalisierten Legitimationsschreiben umrissen: „Wir begehren hiermit, du wollest deiner nunmehrigen Curandin in allen ihren so gericht- als außergerichtlichen Handlungen mit Rath und That beystehen, deren Nutzen und frommen zu befördern, Schaden und Nachtheil aber abzuwenden, und überhaupt alles dasjenige zu verrichten suchen, was die Rechte von einem Gott und Ehrliebenden Curatore sexus in genere heischen und erfordern.“174 Streng prozessrechtlich gesehen hatten Frauen somit nicht die Fähigkeit, ihr Recht vor Gericht eigenständig zu verfolgen. Die Gruppe der Frauen gehörte nicht zur legitima persona standi in iudicio, wie es die zeitgenössische gemeinrechtliche Terminologie formulierte.175 Gleichwohl verfügten die Frauen in der Wahl ihres Vertreters über Handlungsspielräume. Sie entschieden über den einzusetzenden Beistand selbst, konnten ihn bei Bedarf absetzen und zur Wahl einer anderweitigen Vertretung Vorschlagsrechte geltend machen. Die Vollmacht für den mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsbeistand mussten die Frauen durch ihre Unterschrift rechtskräftig legitimieren. Über einen besonderen Rechtsstatus verfügten verwitwete Frauen (wie auch Unmündige, Kranke und Waisen), der sich auch auf ihre prozessrechtliche Stellung auswirkte. Ihnen wurde aufgrund ihres Status als personae miserabiles das Recht gewährt, in einem Rechtsstreit die erste Instanz zu umgehen und sich gleich an die höhere wenden. Zudem waren ihre Rechtssachen vorrangig zu behandeln.176 Auch die als Sonderbereich der cura sexus mit der Geschlechtsvormundschaft in Verbindung stehenden ,weiblichen Rechtswohltaten‘ beeinflussten die prozessrechtliche Stellung von Frauen in spezifischer Weise. Hierbei verband sich u. a. mit der Interzessionsklausel das Verbot, bestimmte rechtsgeschäftliche Handlungen vorzunehmen. Dies hatte – wie bereits gesehen – gerichtsrelevante Folgen. Mit den ,weiblichen Freiheiten‘ stand eine Rechts-

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Prozessordnung 1622, Tit. VIII, § 1, § 2. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 120, Bl. 17r . H, Prozess, § 29, S. 79 ff.; W, System, S. 78–84, hier S. 80. Die modernrechtlichen Begriffe der Partei- und Prozessfähigkeit waren im zeitgenössischen Prozessrecht nicht verankert. Vgl. Jürgen W, Art. Prozessfähigkeit, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 48 f. Vgl. die im vorherigen Kapitel erwähnte Vorschrift der HGO, dass gütliche Einigungen bei verwitweten Frauen zu favorisieren seien. Vgl. auch die Verfügung vom 23. September 1741, nach der insbesondere armen Witwen und Waisen „ohne Kosten und sonder Geld Gerechtigkeit und prompte Hülfe angedeyhen“ sollte. L, Repertorium, Bd. 2, S. 503.

3.1 Verhandlungsort

137

figur zur Verfügung, die als Einrede gegen Klagen funktionalisiert werden konnte. Darüber hinaus war die Prozessfähigkeit von Frauen hinsichtlich konkreter prozessualer Rechte eingeschränkt. Dies betraf zum einen ihre Zeugenaussagen und zum anderen ihre Eidesleistung, denen im Vergleich zum Mann eine geringere Beweiskraft beigemessen wurde.177 Grundlage dafür waren auch in diesem Kontext die römischrechtlich fundierten Topoi imbecillitas, fragilitas und infirmitas des weiblichen Geschlechts. Hinzu kam das römischrechtliche Postulationsverbot für Frauen, das aus dem Topos der weiblichen Streitsucht generiert wurde.178 Vor allem die Zuschreibung einer imbecillitas, die zeitgenössisch als „Civilschwäche“179 ausgedeutet wurde, diente als Legitimationsfigur weiblicher Schutzrechte auf der einen und der damit verbundenen Handlungseinschränkung von Frauen auf der anderen Seite. Dieser Zusammenhang wurde auch in der Rechtsliteratur des 18. Jahrhunderts weitgehend weiter tradiert.180 Dabei war im Laufe des 18. Jahrhunderts gerade das Institut der Geschlechtsvormundschaft als „Aenderung des natürlichen Rechts“ und als „Einschränkung der Freyheit“ bei den naturrechtlich beeinflussten Juristen in die Kritik geraten.181 Im Geltungsraum des gemeinen Sachsenrechts stieß dies bei der Gesetzgebung zumindest der anhaltischen Herzogtümer auf frühe Resonanz. In Anhalt-Bernburg etwa wurde die Geschlechtsvormundschaft über die ledige Frau bereits im Jahre 1784 abgeschafft.182 Dieser Schritt blieb jedoch vorerst ein Ausnahmephänomen, den verstärkt Juristen aus dem säch177 178

179

180

181

182

K, Maior dignitas, S. 84. Vgl. speziell für Ehefrauen D, Gleichheit, S. 551– 556. D. 3, 1, 1, 5. Vgl. K, Maior dignitas, S. 86. Ein Katalog weiterer weiblicher Negativstereotype findet sich z. B. bei Christoph B/Joachim W, Dissertatio de jure mulierum singulari, Ex Jure Canonico, Civili, Feudali ac insimul Consuetudinario concinnata, Tübingen 1623, S. 60. Vgl. Adam Sigmund Philipp S, Über die Entbehrlichkeit und Abschaffung der Geschlechtscuratel in Teutschland überhaupt, in: Archiv für die theoretische und practische Rechtsgelehrsamkeit 6, 1792, S. 30–85, hier S. 44. Vgl. Dieter S, Frauenrechte und Naturrecht, in: D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten. Ausgewählte rechtshistorische Aufsätze, Heidelberg 1995, S. 101–119, hier S. 103 f.; B, Sub viri potestate, S. 398 f.; F, Gleichberechtigung, S. 131–134. Bereits der einflussreiche sächsische Rechtsgelehrte Augustin von Leyser votierte in den Meditationes ad pandectas (Bd. 5/6, Leipzig/Braunschweig 1778, Spec. CCCXXVIII, Med. XXII. S. 462 f.; Spec. CCCL, Med. II, S. 577 f.) für die Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft. Vgl. auch Johann Heinrich von B, Electa disceptationum forensium, Leipzig 1706; Johann Wilhelm von T, Versuch über die Rechtsgelahrtheit, Magdeburg/Leipzig 1777, S. 549; Justus C, Ohnmasgeblicher Entwurf eines Gesetzbuches, Teil 1–3, Frankfurt a.M. 1773–1776; S, Entbehrlichkeit, S. 66; D., Sollte es nicht vorträglich seyn, die Geschlechts=Bevormundung auch in denjenigen Provinzen Deutschlands, wo sie noch üblich ist, abzuschaffen?, in: Juristisches Journal 1, 1798, S. 220–233; Gottfried Christian V, Von der weiblichen Vormundschaft in Sachsen, in: Hannoverisches Magazin 22, 1784, Sp. 1041–1062. Vgl. V, Vormundschaft, S. 1059.

138

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

sischen Rechtsbereich diskursiv begleitet bzw. vorbereitet haben. So hatte der Magdeburger Regierungsdirektor Johann Wilhelm von Tevenar ähnlich wie der Jurist Adam Sigmund Philipp Semler entschieden für die Aufhebung der weiblichen Privilegien plädiert. Dieses als Formalie diskreditierte Institut wäre „dem weiblichen Geschlecht mehr zum Nachteil als zum Vortheil“ und sei zudem „auch der Klugheit und der allgemeinen Wohlfahrt nicht gemäß“.183 Neben dem unverhältnismäßigen ökonomischen und zeitlichen Aufwand der Kuratorenbestellung kam als weiterer wichtiger Angriffspunkt die Rechtsunsicherheit in der praktischen Ausgestaltung des Instituts hinzu.184 Mit seinem Werk über das Vormundschaftsrecht reihte sich der Hallenser Jurist Johann Bernhard Wiesner 1785 in die Reihen der Kritiker ein. Problem des Prinzips sei die Rechtsgültigkeit der Geschäfte mit Frauen, „weil es immer sehr weitläuftiger Untersuchung bedarf, worinnen die gesezlichen Vorschriften bei der Bestellung eines kriegerischen Vormundes, Zuziehung und Genehmigung des Geschäfts bestehen, welche Rechtswohlthaten von dem Richter oder dem Vormunde den Frauenspersonen erklärt werden müssen, ob außer dem Geschlechtsvormunde auch noch der Ehemann zugezogen werden müsse.“185 In diesem Zusammenhang führte er ein weiteres Motiv an, das die problematische Komplexität der Geschlechtsvormundschaft bedinge: „Die meisten Statuten und Geseze haben weder Vollständigkeit, Präcision, noch Plan, und Deutlichkeit.“ So könne „nur ein strenger Kenner aller Verordnungen, den Rechtspruch gehörig entscheiden.“186 Gerade diese Rechtssituation war es allerdings auch, die die rechtlichen Handlungsspielräume von Frauen entgegen den fortdauernden normativen Beschränkungen begünstigte. Rechtspraxis

Der Zusammenhang zwischen widersprüchlichen Normen, Diskursen und sozialer Praxis erwies sich in der Regel zugunsten der Rechte und Pflichten von Frauen als brüchig. So war die zivilrechtliche Position von Frauen in der Rechtspraxis des Jenaer Hofgerichts im Vergleich zu den normativen Handlungsbegrenzungen weitreichend – trotz der Bindung an einen curator sexus und einen ,kriegerischen Vormund‘. Die Vorlage der entsprechenden Legitimation zu Beginn des Verfahrens blieb allerdings über den ganzen Untersuchungszeitraum prozessrechtlich unabdingbar. Nichtsdestotrotz traten Frauen als selbständige Prozesspartei auf und klagten in der Regel im eigenen Namen. Ladungen und Klagen wurden direkt an die betreffenden Frauen gerichtet. Auch verheiratete Frauen agierten vor Gericht weitgehend selbständig. Eine eheliche Vormundschaft des Mannes wurde nur in seltenen Fällen wahrgenommen und kann daher als marginal betrachtet werden. 183 184 185 186

T, Versuch, S. 548. Auch C, Entwurf. Ebd., S. 52. W, Vormundschaftsrecht, § 160, S. 201 f. Ebd.

3.1 Verhandlungsort

139

Insgesamt ergibt sich freilich kein einheitliches Bild. Beispielsweise waren die Klageschriften nicht durchgängig von den Kuratoren beglaubigt. Während dieser Umstand in einigen Rechtsstreitigkeiten Grundlage für die Klageabwehr einer Prozesspartei sein konnte, wurde das in anderen Fällen nicht thematisiert. Es deutet auf die lediglich formal bewertete Funktion des curator litis. Aus gerichtlicher Perspektive waren rechtliche Handlungen prinzipiell auch ohne Einschaltung eines curator litis rechtskräftig, wenn sie sich zum Vorteil von Frauen auswirkten.187 Aufgrund der normativen Situation blieb diese Praxis potenziell und je nach Bedarf von der gegnerischen Prozesspartei angreifbar. Grundsätzlich begrenzte die Kriegsvogtei die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten von Frauen in der Rechtspraxis jedoch nicht. Im Übrigen wurden auch die prozessualen Rechte von den klagenden Frauen unterschiedlich wahrgenommen – etwa, wenn ein Actor als Prozesspartei die prozessuale Vertretung für den Rechtsstreit einer Frau vollkommen übernahm. In dem Fall übertrug diese ihm mit der gerichtlichen Stellvertretung eine generelle Handlungsbefugnis. In der – allerdings nicht häufig vorkommenden – Konstellation waren die Frauen im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht präsent. Demgegenüber konnten prozessierende Frauen ihre Gerichtsverfahren durchaus aktiv mitgestalten.188 So verfügten sie grundsätzlich über die Option, persönlich an den gütlichen Einigungen teilzunehmen. In etlichen Fällen wurden Frauen auch per Ladung explizit zum Erscheinen aufgefordert. Zudem lässt sich ihre Beteiligung an den örtlichen Begehungen im Rahmen von besitz- und eigentumsrechtlichen Streitigkeiten nachweisen. Zeugenaussagen von Frauen wurden nicht nachrangig gewichtet, sie konnten den Prozessausgang gegebenenfalls entscheidend beeinflussen. Sie verfügten grundsätzlich über Eidfähigkeit, geschlechtsspezifische Vereidigungsprozeduren gab es nicht. In den Argumentationen der Parteien sind dessen ungeachtet durchaus hierarchisch gestufte Zuschreibungen dokumentiert; hierbei wurde die Glaubfähigkeit jedoch eher an den Stand geknüpft.189 Alles in allem wurde die Entscheidung von Frauen für einen rechtlichen Konfliktaustrag durch ihre lediglich formale Bindung an einen Geschlechtsvormund bzw. curator litis begünstigt. In der Zivilrechtspraxis SachsenWeimar(-Eisenachs) konnten Frauen somit trotz ihres normativ festgeschriebenen minderen Rechtsstatus eigenständig agieren.

187 188 189

Ähnlich J, Abschaffung, S. 291. Vgl. die ähnlichen Ergebnisse bei H, Streitkultur, S. 265–267. Dies verdeutlichen Argumentationen wie folgende: Ihr „Adelsstand auch vermuthen läßt, daß sie nicht leichtsinnig ihren geleisteten ZeugenEyd werde verlezt haben.“ ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1042a, Bl. 3v .

140

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Tabelle 1: Gesamtprozessaufkommen des Jenaer Hofgerichts für Sachsen-Weimar(-Eisenach)

Herzogtum SWE Weimar Eisenach S

Fälle (absolute Zahlen) Gesamtzahl Frauen 1566–1816 1648–1806 1566–1816 1.564 66 1.630

992 58 1.050

360 21 381 23,4 %

1648–1806 255 20 275 26,2 %

Quantitative Aspekte

Wie sich die rechtlichen Handlungsspielräume von Frauen in der Nutzung des Jenaer Hofgerichts konkret niederschlugen, soll die folgende quantitative Erhebung skizzieren. Grundlage dafür bildet eine auf der Basis der Repertorien zum Jenaer Hofgericht erstellte Datenbank.190 Aufgenommen sind alle die Rechtsverfahren, in die Frauen als Klägerinnen oder Beklagte beteiligt waren. Mitberücksichtigt sind dabei auch die an untere Instanzen weitergeleiteten sowie die aufgrund eines zu geringen Streitwertes abgewiesenen Fälle. Neben den Namen der Frauen als Beklagte und Klägerinnen sind der familiäre und soziale Stand, der Wohnort, der Streitgegenstand, Prozessbeginn und -ende sowie der Aktenbestand der einzelnen Rechtsverfahren aufgeführt. Auf der Basis dieser Kategorien werden die quantitativen Aussagen zur Inanspruchnahme des Jenaer Hofgerichts durch Frauen generiert. Danach waren Frauen aus Sachsen-Weimar(-Eisenach) zu 26,2 % an Prozessen vor dem Jenaer Hofgericht involviert. Insgesamt war also in jedem vierten der insgesamt 1.050 im Untersuchungszeitraum anhängigen Rechtsverfahren eine Frau als Klägerin oder Beklagte beteiligt. Für die Analyse der zeitlichen Verteilung der Rechtsverfahren wurden alle die Fälle berücksichtigt, die ab 1648 angestrengt worden sind. Der von 1648 bis 1806 reichende Untersuchungszeitraum wird dazu in Fünfjahresabstände unterteilt. Bei der zeitlichen Verteilung der Prozesse ist die stetige Zunahme der Verfahren von Frauen ab den 1690er Jahren signifikant. Das höchste Prozessaufkommen lässt sich in den Jahren um 1720 bis 1740 feststellen. Auf den Zeitraum zwischen 1700 und 1750 entfällt dabei mehr als die Hälfte (51,3 %) aller Rechtsverfahren mit Frauenbeteiligung. Während für das Hofgericht ab 1730 zeitgleich mit einer allgemeinen Subsistenzkrise in Sachsen-Weimar ein Einbruch beim Gesamtprozessaufkommen zu konstatieren ist, setzte der Abfall der Prozesszahlen für die Frauen mit einer zeitlichen Verschiebung von zehn Jahren ein.191 Die Prozesse san190 191

ThHStAW, Repertorium Hofgericht und Ergänzungsregistrande. M, Staats- und Regentengeschichte, S. 209.

3.1 Verhandlungsort

141

Abbildung 1: Gesamtaufkommen der Rechtsverfahren vor dem Jenaer Hofgericht (1648–1806) aus Sachsen-Weimar(-Eisenach) in 5-Jahres-Abständen, absolute Zahlen

ken bis 1775 auf den Stand von 1648 bis 1690 rapide ab. Der signifikante Rückgang der Rechtsverfahren um 1760 steht dabei im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg, der die Justiznutzung kriegsbedingt sinken ließ. Der Anstieg des Klageaufkommens um 1750 korrespondiert mit den Agrar- und Subsistenzkrisen Anfang der 1770er Jahre sowie einer allgemeinen Währungs- und Wirtschaftskrise in Sachsen-Weimar-Eisenach, die zu zahlreichen Verschuldungen und Konkursen führte.192 Entgegen dem Gesamttrend beim Hofgericht kam es bei den Frauen zu Spitzen um 1785 sowie einem Abfall in den 1790er Jahren mit einem Aufwärtstrend bis 1806. Dieser ging allerdings über die kleineren Spitzenzeiten um 1755 und 1785 nicht hinaus. Auswirkungen der Französischen Revolution lassen sich somit lediglich beim Gesamtprozessaufkommen vermuten, nicht jedoch beim weiblichen Klageverhalten. Mit Blick auf die Prozessdauer ist zu konstatieren, dass die überwiegende Mehrheit der Verfahren (75 %) innerhalb eines Zeitraumes von bis zu einem Jahr abgeschlossen wurde. Weitere 14 % konnten innerhalb von zwei bis drei Jahren beendet werden. Die Verfahren wurden damit insgesamt relativ zügig verhandelt.193 Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die zahl192

193

Vgl. Kapitel 3.2.2 die Ausführungen zum Profil der Schuldkonflikte. Zur Währungskrise vgl. V, Herzogtum, S. 161 ff.; siehe auch Katrin P, Die Bevölkerungsentwicklung der Universitätsstadt Jena um 1800. Vitalstatistische Auswertung der Kirchenbücher, in: R (Hrsg.), Universität, S. 19–50, S. 27 f. Vgl. ähnliches für das Reichskammergericht, das viel effizienter agierte, als in den gängigen Vorstellungen tradiert wurde. Die Klagen über die Prozesslänge fungierten, so Baumann, u. a. als verfahrenstaktisches Instrument der Prozessparteien. Vgl. B,

142

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Tabelle 2: Prozessbeteiligung von Frauen als Klägerinnen und Beklagte in Rechtsverfahren am Jenaer Hofgericht Zeitraum/ Prozessbeteiligung Frauen

1648–1806

1648–1699

1700–1749

1750–1806

Klägerinnen Beklagte G 

189 (55,3 %) 153 (44,7 %) 342

45 (57,7 %) 33 (42,3 %) 78

93 (52,5 %) 84 (47,5 %) 177

51 (58,6 %) 36 (41,4 %) 87

reichen zeitgenössischen Monita über Prozessverschleppungen ein konträres Bild vom Rechtswesen Sachsen-Weimars vermitteln.194 Die Differenzierung der Prozessbeteiligung durch Frauen in Klägerinnen und Beklagte zeigt, dass Frauen das Gericht vor allem als Klägerinnen (55,3 %) in Anspruch genommen haben. Dabei klagten sie – auf den ganzen Untersuchungszeitraum gerechnet – zu 66 % überwiegend als Einzelpartei. Der Anteil verheirateter, am Hofgericht prozessierender Frauen ist mit 59,3 % vergleichsweise hoch. Prozessierten 66 % der Frauen allein, bildete die Gruppe der verheirateten Frauen den Hauptanteil. Dabei waren auf die Gesamtzahl der Klägerinnen gerechnet allein klagende Verheiratete mit einem Anteil von 42 % in einem überraschend hohen Maße an den Rechtsverfahren am Hofgericht beteiligt. Ähnliche Ergebnisse lassen sich für die Beklagten festhalten. Auch hier dominierten mit 40 % die Gruppe der als Einzelpartei verklagten verheirateten Frauen gegenüber den Witwen mit insgesamt 34,8 %. Ledige Frauen (5,6 %) fielen dabei weniger ins Gewicht. Auffallend ist auch der geringe Prozentsatz von Prozessen zwischen Frauen. Sie machten – auf die Gesamtzahl der Verfahren mit Frauen bezogen – lediglich einen Anteil von 12,4 % aus. Die soziale Herkunft der prozessierenden Frauen ist über den Beruf bzw. die Titel der Ehemänner zu fassen. Diese waren vornehmlich im Hof- und Staatsdienst (30 %), im Handwerk und Gewerbe (21 %), Handel (5 %), Universität (4 %), Militär (4 %) und Medizin (2 %) vertreten. Bei 31 % der Klägerinnen ging ihre soziale Herkunft nicht aus den Gerichtsakten hervor. Wurde das Hofgericht im 17. Jahrhundert verstärkt von Frauen aus dem Landadel in Anspruch genommen, verschob sich das Nutzungsprofil des Hofgerichts im

194

Gesellschaft, S. 106, 110. Ähnlich für den Reichshofrat W, Inanspruchnahme, S. 34. Dabei bedienten sich vor allem auch landesherrliche Verfügungen dieser Vorstellung zur Legitimation für Gesetzesreformen. Die Kritik betraf dabei eher die Situation in den Justizämtern. Für die traditionelle Bewertung der Funktionalität des Sachsen-Weimarer Rechtssystems vgl. M, Staats- und Regentengeschichte sowie H, Großherzogtum, S. 105 ff.: „Aus der Wohltat des Rechtsschutzes war die Plage der schikanösen Rechtsverzögerung geworden.“ (S. 107).

3.1 Verhandlungsort

143

Laufe des 18. Jahrhunderts hin zu Frauen mit bürgerlichem, akademischen oder gewerblichen Hintergrund. Auf die gesamte Untersuchungszeit bezogen, klagten rund 18 % (nieder)adlige Frauen vor dem Hofgericht. 24,2 % der beklagten Frauen stammten ebenfalls aus dem Adel. Zwar erfasste das Hofgericht als Appellationsinstanz grundsätzlich alle Schichten, doch wirkten sich die mit dem Streitwert verbundenen Zugangsbeschränkungen auch auf die Inanspruchnahme aus. Grundsätzlich konnte jedoch der Streitwert nach Ermessen gesenkt werden, um auch die unteren Schichten in das Rechtssystem einzubinden. Dennoch gelangten kaum Klagen im Armenrecht (2,1 %) vor das Hofgericht. Sie blieben bis auf wenige Ausnahmen auf das 17. Jahrhundert beschränkt und kamen vor allem aus dem agrarischen Umland Jenas. Die Verschiebungen im Sozialprofil der Klägerinnen stehen in engem Zusammenhang mit den Streitgegenständen. Der Blick auf die Konfliktbereiche zeigt folgendes Profil: Hauptstreitgegenstände waren der Bereich der Geldwirtschaft (48,7 %) sowie der Bereich der Grund- und Bodenwirtschaft (20,7 %). Zu letzteren zählten insbesondere die Formen von Eigentums- und Besitzstreitigkeiten, die sich aus baurechtlichen Auseinandersetzungen oder Konflikten um Gerechtigkeiten und Grenzen ergaben.195 An dritter Stelle standen Konflikte im Bereich des Familienverbandes mit Erbstreitigkeiten (18,9 %).196 Während in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Schuldenklagen und Erbschaftsstreitigkeiten überwogen, waren die Auseinandersetzungen um Erbfolge, Testamente und Nachlässe nach 1750 rückläufig. Zusammen mit den Konflikten um Schulden aus Darlehen, Bürgschaften und Kaufverträgen (53,4 %) traten nun Auseinandersetzungen aus der Grund- und Bodenwirtschaft in den Vordergrund (17,8 %). Da das Hofgericht in Strafsachen nicht zuständig war, entfielen auf den Bereich der Kriminalität ausnahmslos Injurienklagen, die mit sinkender Tendenz im Untersuchungszeitraum verhandelt wurden. Streitigkeiten im Bereich der Jurisdiktion betrafen Klagen von Frauen gegen den eigenen Anwalt, z. B. wegen unterlassener Klageeinreichung, Auseinandersetzungen um den Gerichtsstand oder Kompetenzkonflikte zwischen dem Stadtgericht Jena, Hofgericht und Landesregierung.197 Staatlich-hoheitliche Rechte betrafen Konflikte um Steuerpflichten, die allerdings bei der Landesregierung anhängig wurden. Die 195 196

197

Eine Ausdifferenzierung der jeweiligen Streitgegenstände erfolgt im Zusammenhang mit den Fallanalysen (Kapitel 3.2). Kategorien nach R, Recht und Gesellschaft, Bd. 2, S. 493 ff. Geldwirtschaft: Kaufverträge, Mietverhältnisse, Verpachtung, allgemeine Schuldforderungen aus Schuldscheinen, Obligationen, Darlehen, Bürgschaften, Wechselschulden, Grundschulden, Hypotheken, Verschreibungen, Renten; Familienverband: Ehe, Ehegüterrecht, Alimente, Erbfolge, Familienverträge, Erbteilungen, Fideicommisse; Grund- und Bodenwirtschaft: Eigentums- und Besitzschutz, Allmendewesen (Weide- und Schafgerechtigkeit, Waldnutzung), Baurecht, Servituten, Dienstbarkeiten, Wegerecht, Nachbarrecht, Näherrecht, Retraktsrecht, Nießbrauch, Pfründe, Benefizien und Präbenden. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1417, 711.

144

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Abbildung 2: Streitgegenstände der Rechtsverfahren von Frauen am Jenaer Hofgericht, 1648– 1806

für den agrarischen Bereich typischen Konflikte der Grundherrschaft und des Lehnswesens wurden nach 1750 nicht mehr vor dem Hofgericht anhängig.198 Im Zeitraum von 1648 bis 1700 wurde das Jenaer Hofgericht mit 59 % aller Klagen vor allem aus dem agrarisch geprägten Bereich Sachsen-Weimar(Eisenachs) in Anspruch genommen. Auf die beiden größten Städte, Jena und Weimar, entfielen lediglich 24 % bzw. 16,4 % der Klagen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts verschob sich die Nutzung des Hofgerichts, an dem nun 59,2 % des Prozessaufkommens Klagen aus Jena (51,2 %) und Weimar (8 %) ausmachten. Das Klageaufkommen von Frauen vor dem Jenaer Hofgericht ähnelt insgesamt den Befunden, die bereits für andere Rechtsprechungsorgane in der Gerichtslandschaft des Alten Reiches vorliegen. Im 17. und 18. Jahrhundert prozessierten 9,3 % Frauen und Witwen vor dem Reichskammergericht;199 vor dem Reichshofrat waren Frauen im Zeitraum von 1495–1806 mit einem Anteil von 17 % präsent.200 Einen weiteren Vergleich bietet der Jenaer 198

199 200

Grundherrschaft: Abgaben, Bede, status personae, Zehntrecht, Blut- und Kornzehntrecht, Umfang der Dienstpflichten, Erbfolge bei Meiergütern, Rechte und Pflichten bäuerlicher Gemeindemitglieder; Lehnswesen: Adelsprivilegien, Zahlung des Lehnsgeldes. Ein Fall aus dem Jahr 1661 betraf Frondienste. Hier klagten die Gemeinden Schwerstedt, Krautheim, Heigendorf und Weiden gegen Liebmann und Christian von Meusebach sowie Magdalena von Dölau wegen unzulässiger Erhebung von Frondiensten. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 919. B, Gesellschaft, S. 80. Vgl. W, Frauen, in: D. (Hrsg.), In eigener Sache, S. 1–21, hier S. 32. Vgl. das

3.1 Verhandlungsort

145

Tabelle 3: Herkunftsorte prozessbeteiligter Frauen am Jenaer Hofgericht ab zwei- bzw. dreimaliger Nennung, 1648–1806 Herkunftsort Klägerinnen

Verfahrensbeteiligung, absolute Zahlen

Herkunftsort Beklagte

Verfahrensbeteiligung, absolute Zahlen

Jena Weimar Burgau Kahla Dornburg Eisleben Lobeda Altenburg Arnstadt Buttelstedt Eisenach sonstige Orte

116 (42,2 %) 16 (5,8 %) 5 (1,8 %) 4 (1,5 %) 4 (1,5 %) 3 (1,1 %) 3 (1,1 %) 3 (1,1 %) 2 (0,7 %) 2 (0,7 %) 2 (0,7 %) 105 (38,2 %)

Jena Weimar Eisenach Lobeda Dornburg Buttelstedt Ziegenhain Bürgel Daasdorf Remderoda Thalborn sonstige Orte

119 (43,3 %) 26 (9,5 %) 11 (4 %) 6 (2,2 %) 5 (1,8 %) 4 (1,5 %) 4 (1,5 %) 3 (1,1 %) 3 (1,1 %) 3 (1,1 %) 3 (1,1 %) 72 (26,2 %)

Schöppenstuhl, der um 1800 in den zu begutachtenden Rechtsverfahren auf einen Frauenanteil von insgesamt 25 % kam.201 Die vergleichsweise hohe Inanspruchnahme des Hofgerichts durch verheiratete Frauen bestätigt die rechtlichen Handlungsspielräume, über die sie in der Rechtspraxis SachsenWeimars unabhängig von der Geschlechtsvormundschaft verfügten.202 Das Ergebnis für Jena ist zugleich der traditionell behaupteten Tendenz gegenläufig, die von freier agierenden ledigen Frauen und Witwen und in ihrem rechtlichen Aktionsradius beschränkteren Ehefrauen ausgeht.203 Das im Vergleich zu Männern geringere Klageaufkommen von Frauen steht dabei im Zusammenhang mit der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung und ist explizit keine Folge des Vormundschaftsrechts.204

201 202

203

204

ähnliche Ergebnis für das Oberappellationsgericht Celle, bei dem über 10 % der Privatparteien Frauen waren. S, Oberappellationsgericht Celle, S. 213. G, Eigentum, S. 24. Vgl. ähnliche Ergebnisse für weitere Ebenen der Gerichtsbarkeit im Alten Reich: P, Frauen vor Gericht, S. 234; R, Klägerin und Beklagtin, S. 124. Skeptisch dagegen für Schulenburg G, Gesamtgericht, S. 312 ff. Jenny Thauer stellte für die Gerichtspraxis des altmärkischen Gesamtgerichts Schulenburg gleichwohl fest, dass auch verheiratete Frauen zivilrechtlich frei agieren konnten. T, Gerichtspraxis, S. 48 f. Vgl. ähnlich H, Streitkultur, S. 266. Für Prozesse am Reichskammergericht im 16. Jahrhundert hatte Filippo Ranieri vermutet, dass Frauen im Rechtsleben kaum eine Rolle gespielt haben. Lediglich Witwen oder durch Ehemänner vertretene Frauen traten als Prozesspartei auf. Vgl. R, Recht und Gesellschaft, S. 227. Im Widerspruch dazu sieht jedoch Ulrike Gleixner die niedrigere Präsenz von Frauen vor Gericht in einer generellen Zugangsbegrenzung infolge der Geschlechtsvormundschaft. G, Gesamtgericht, S. 312 ff. So auch Otto U, Geschlechtergeschichte, Historische Kriminalitätsgeschichte und weibliche Kriminali-

146

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Die soziale Herkunft der prozessierenden Frauen veränderte sich im Untersuchungszeitraum. Gehörten sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vornehmlich dem Adel an, zählten die klagenden Frauen im 18. Jahrhundert – mit Ausnahmen – eher zur städtisch-bürgerlichen Elite.205 Die naheliegende Vermutung, dass das Hofgericht generell zunächst primär als erstinstanzliches Adelsgericht fungierte und mit zunehmender Verrechtlichung einer ,Verbürgerlichung‘ in der Justiznutzung unterlag, ist anhand des untersuchten Materials nicht eindeutig zu klären.206 Sowohl die Verschiebung in den Prozessgegenständen als auch das überwiegende Klageaufkommen aus dem städtischen Bereich deuten jedoch – auf die Klägergruppe der Frauen bezogen – darauf hin. Die zeitliche Verteilung der Gerichtsnutzung weist zum einen Parallelen zur Gerichtsbarkeit anderer Territorien wie Kursachsen und zum anderen der Reichsgerichtsbarkeit auf. Die stete Zunahme der Hofgerichtsverfahren bis in die 20er/30er Jahre des 18. Jahrhunderts ist dabei mit einer sich zunehmend verrechtlichenden Konfliktkultur zu erklären, die zu einem steigenden Rechtsbedarf und demzufolge zu einem erhöhten Appellationsinteresse führte.207 Dabei waren insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg Eigentums- und Besitzverhältnisse zu regulieren, die vor allem auch den Landadel betrafen. Der Einbruch im Geschäftsanfall des Hofgerichts seit den 30er bzw. 40er Jahren des 18. Jahrhunderts deckt sich mit den Befunden, die die Auswertung der Reichsgerichtsprozesse für den südlichen Ostseeraum oder die thüringischen Territorialstaaten ergeben haben.208 Dieses Phänomen wird mit der reichspolitischen Entwicklung im Zusammenhang gesehen – konkret der durch die Regierungszeit Karls VII. eingeleiteten Krise des Kaisertums.209 Da die Inanspruchnahme des Hofgerichts jedoch in territorialen Kontexten zu verorten ist, sind diese Einschätzungen aus der Reichsgerichtsforschung nur bedingt übertragbar. Für Kursachsen liegen Erhebungen vor, die die Ausweitung grundherrschaftlicher Kompetenzen und insgesamt den Ausbau des Absolutismus als signifikanten Konfliktstoff um 1700

205 206

207

208

209

tät in der Frühen Neuzeit, in: D. (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern, S. 1–37, hier S. 11 f. Zur Sozialstruktur in Jena ab 1770–1830 siehe D, Stapelstadt, S. 42–74. Die 275 qualitativ untersuchten Verfahren mit Frauenbeteiligung machen lediglich 7 % des Gesamtklageaufkommens des Jenaer Hofgerichts im Zeitraum von 1566 bis 1816 aus. Ähnlich bewertet Wolfgang Schmale die Ergebnisse für die kursächsische Gerichtsbarkeit. Wolfgang S, Archäologie der Grund- und Menschenrechte in der Frühen Neuzeit. Ein deutsch-französisches Paradigma, München 1997, S. 170 f. Tobias F/Nils J, Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte im südlichen Ostseeraum 1495–1806, in: Nils J/Michael N (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 39–141; W, Rechtsprechung. Vgl. B, Gesellschaft, S. 26 f.; W, Rechtsprechung, S. 57.

3.1 Verhandlungsort

147

nahelegen.210 Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hin wurden diese Auseinandersetzungen kanalisiert, was zum Rückgang der Justiznutzung führte.211 Anhand des in diesem Rahmen ausgewerteten Quellenmaterials lässt sich die These nicht zweifelsfrei für den ernestinischen Herrschaftsbereich verifizieren – zumal Frauen gerade nicht in grundherrschaftlichen Angelegenheiten vor dem Jenaer Hofgericht prozessierten. Plausibel erscheint, dass das Klageaufkommen am Jenaer Hofgericht durch zwei aufeinandertreffende Tendenzen im Rechtssystem minimiert wurde. Zum einen führten Professionalisierungstendenzen in der Niedergerichtsbarkeit zur Entlastung der Appellationsinstanz. Zum anderen kamen die Monopolisierungstendenzen landesobrigkeitlicher Jurisdiktion im Zuge der absolutistischen Herrschaftsintensivierung zum Tragen. Da sich auch für andere Regionen und Gerichte ähnliche Phasen des Klageverhaltens abzeichnen, liegt dem Phänomen vermutlich auch ein genereller Trend in der Rechtskultur des Alten Reiches zu Grunde.212 Die Zunahme der Schuldsachen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging einher mit der allgemeinen gesellschaftlichen Kommerzialisierung.213 Dass die Erbstreitigkeiten in Sachsen-Weimar-Eisenach in diesem Zeitraum erheblich zurückgingen und nach dem Bereich ,Grund- und Bodenwirtschaft‘ nunmehr erst an dritter Stelle rangierten, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Einerseits die behördliche Fixierung von Eigentumsverhältnissen in Sachsen-Weimar-Eisenach, andererseits die Zunahme von Konflikten im bau- und nachbarrechtlichen Bereich. Die Veränderung im Konfliktprofil ist mit der Verschiebung im Nutzungsprofil zu erklären, das sich aus dem zunehmend städtischen Zuschnitt des Jenaer Hofgerichts ergab. Abgesehen von dem vergleichsweise erhöhten Geschäftsanfall in städtischen Eigentums- und Besitzstreitigkeiten ähnelt das Klageaufkommen am ernestinischen Hofgericht jenem der Reichs- und anderer Territorialgerichte. Schuldforderungen und Erbstreitigkeiten waren seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die häufigsten Konfliktbereiche, die vor den Reichsgerichten zur Entscheidung gelangten.214 Im territorialen Vergleich bestätigen sich diese Tendenzen. So 210

211 212

213

214

Vgl. Wolfgang S, Vergleichende Analyse der Seigneurie in Burgund und der Gutsherrschaft in Kursachsen, in: P (Hrsg.), Gutsherrschaft als soziales Modell, S. 101–125. Siehe dazu auch die Untersuchung von Martina S, Gerichtsprozesse. S, Archäologie, S. 166 ff., hier S. 173, 182 f. Vgl. beispielsweise Christian W, Civil Litigation and Modernization. The Work of the Municipal Courts of Bremen, Germany, in Five Centuries, 1549–1984, in: Law & Society Review 24,2 1990, S. 261–282. Das Klageaufkommen am Bremer Zivilgericht stieg bis 1720 und sank bis 1800. Vgl. Michael N, Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen (1450–1815), in: D. (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2. Aufl., München 2000, S. 112–196, hier S. 188 ff. Vgl. die Ergebnisse zur Reichsgerichtsbarkeit. Der Bereich Grund- und Bodenwirtschaft kommt an fünfter Stelle nach Jurisdiktion und Kriminalität, Vgl. W, Inanspruchnahme, S. 36.

148

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

deckt sich das Klageaufkommen an einem territorialen Obergericht wie dem Wismarer Tribunal weitgehend mit dem des Jenaer Hofgerichts.215 Für die Zivilrechtspraxis der vorderösterreichischen Herrschaft Triberg ergibt sich ein ähnliches Bild.216 Die Verschiebung im Profil der Streitgegenstände in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts korreliert mit einer zunehmenden Inanspruchnahme des Jenaer Hofgerichts als städtisches Gericht für Jena und das Umland. Allerdings beziehen sich diese Befunde lediglich auf die Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach, denn der insgesamt höhere Geschäftsanfall kam mit 1.924 Verfahren aus Sachsen-Gotha(-Altenburg). Gleichwohl spiegeln die Streitfälle aus Sachsen-Weimar-Eisenach – vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – vermehrt die städtischen Konfliktfelder Jenas wider. Im Gegenzug wurde für Appellationen aus Weimar und der Umgebung eher die lokal zugängliche Gerichtsbarkeit der Weimarer Regierungsbehörde genutzt. Dass dies insgesamt kein außergewöhnliches Phänomen ist, zeigen die Forschungen zum Reichskammergericht, das aufgrund seiner auffallend häufigen Inanspruchnahme durch Kläger aus Wetzlar als lokale Gerichtsinstanz fungierte.217 Fazit

Insgesamt fanden Frauen mit Rechtsbedarf günstige lokale bzw. territoriale Rahmenbedingungen in Sachsen-Weimar(-Eisenach) vor. Ihre rechtlichen Handlungsspielräume ergaben sich dabei aus der Differenz von nicht eindeutigen Rechtsnormen und zeitgenössischen Diskursen, der institutionellen Verfasstheit des Gerichts sowie der Rechtspraxis. Die grundsätzliche Aushandelbarkeit von Recht ermöglichte den Frauen, Optionen auch hinsichtlich der Nutzung des Rechtssystems mit all seinen Rechtsmitteln wahrzunehmen. Grundsätzlich stand ihnen dazu ein auf Jena und Weimar konzentriertes Justizsystem zur Verfügung, das neben dem Hofgericht die niedere patrimoniale, Amts- oder Stadtgerichtsbarkeit sowie die zum Hofgericht parallele Juris215

216

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Auch hier dominierten im Zeitraum von 1759–1815 die Prozessgegenstände Geldwirtschaft (47,6 %), Familienverband (11,6 %) und Grund- und Bodenwirtschaft (9,5 %). Nils J, Gerichtstätigkeit, personelle Strukturen und politisch relevante Rechtsprechung am Wismarer Tribunal 1653–1815, in: Anette B/Siegrid W/ Stephan W/Stefan E (Hrsg.), Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 219–257, hier S. 239. Die Auswertung der Klägergruppe ergab für Wismar eine Dominanz des Landadels (22 %) gegenüber Kaufleuten (10 %) und Handwerkern. Ebd., S. 241. Schuldklagen (42,7 %) dominierten im untersuchten Zeitraum von 1737 bis 1780, gefolgt von Gewalt- und Ehrenklagen (33,4 %) und Besitzstreitigkeiten (20,1 %). Zentraler Konfliktgegenstand war nach Hohkamp die Familie: H, Herrschaft, S. 157–215. Vgl. B, Gesellschaft, S. 31, 110. Zum Reichskammergericht in den städtischen Machtstrukturen Sigrid S, Normdurchsetzung im frühneuzeitlichen Wetzlar. Herrschaftspraxis zwischen Rat, Bürgerschaft und Reichskammergericht, Frankfurt a.M. 2008, S. 49–56.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

149

diktion der Weimarer bzw. Eisenacher Landesregierung in den Gerichtszug einschloss. Zum anderen bot die Aktenversendung an die Juristenfakultäten bzw. Schöppenstühle den Akteuren auf der niedergerichtlichen Ebene eine wichtige Alternative gegenüber den eingeschränkten Appellationsmöglichkeiten an die Reichsgerichte. Die Nutzung rechtlicher Handlungsspielräume durch Frauen war an bestimmte Faktoren geknüpft, die sich aus ihrer Eigentumsfähigkeit und der daraus resultierenden Rechtsposition als Besitzerinnen oder Eigentümerinnen ergaben. Diese gestand ihnen trotz formaler Bindung an einen Geschlechtsbeistand bzw. einen curator litis eine weitgehende Eigenständigkeit im Zivilrecht zu. Im Konfliktfall konnten Frauen die Option nutzen, eigentums- bzw. besitzrechtliche Ansprüche zu formulieren und gerichtlich einzufordern. Zudem gewährte das Prozessrecht den Prozessparteien als Träger des Verfahrens weitreichende Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zentraler Fokus der Konfliktregulierung war die gütliche Einigung. Wurde parallel zur gerichtlichen Auseinandersetzung ein außergerichtlicher Konsens erreicht, konnte das Verfahren ohne weiteres eingestellt werden.218 Mit dem Jenaer Hofgericht stand Frauen insgesamt ein Justizorgan zur Verfügung, das erstinstanzlich zivilrechtliche Streitigkeiten um Schulden, Erbe, Eigentums- und Besitzrechte professionell sowie effizient bearbeitete und als Appellationsinstanz niedergerichtliche Entscheidungen überprüfte und gegebenenfalls modifizierte. Dass der Anspruch des Hofgerichts einer ,ohne Ansehen der Person‘ zu leistenden Jurisdiktion keine von der Rechtspraxis abgekoppelte Leitbildmetaphorik blieb, können jedoch nur konkrete Fallanalysen belegen.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte 3.2.1 Partizipation am Eigentumstransfer Profil

Konflikte um Partizipation am Eigentumstransfer ergaben sich vor dem Jenaer Hofgericht vor allem aus Ansprüchen auf Eigentum bei Erbgängen, die rechtliche und soziale Beziehungen sowie individuale Existenzbedingungen grundlegend gestalteten. Dies erklärt den Fokus der Analyse, die mit dem erbrechtlichen Eigentumstransfer eine der wichtigsten Erscheinungsformen familienbezogener Eigentumsverteilung in den Blick nimmt. Freilich ist diese 218

Vgl. zur nicht zuletzt auf außergerichtliche Konfliktlösung ausgerichteten Streitschlichtung als wichtiger Bestandteil der Streitkultur im 18. Jahrhundert auch H, Streitkultur, S. 279.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

jedoch nicht nur als ein genealogisches Konstrukt, sondern als grundlegendes Element der frühneuzeitlichen Eigentumsordnung zu konzeptualisieren. Das frühneuzeitliche Erbsystem war eines der fundamentalen Strukturelemente des wirtschaftlichen, rechtlichen sowie kulturellen Werte- und Normengefüges im Alten Reich. Die materielle und symbolische Bedeutung des inter- bzw. intragenerationellen Eigentumstransfers für das frühneuzeitliche Ordnungssystem wurde dabei bereits zeitgenössisch in Orientierung an das gesellschaftliche Leitmotiv des bonum commune hoch bewertet.219 Gleichwohl verweist die auf allen gerichtlichen Ebenen vergleichsweise hohe Anzahl verhandelter Erbfälle auf den dissoziierenden Charakter, der diesen Prozessen grundsätzlich immanent war.220 Die Organisation von Eigentums- und Besitztransfers durch Erbe besaß demnach prinzipiell ein hohes Konfliktpotenzial. Sozial- und kulturanthropologische Ansätze haben dies auf eine sozialkonstitutive Motivlage zurückgeführt, die mit der – innerhalb kulturhistorischer Erbrechtsforschungen immer noch wirksamen – Formel ,Emotionen und materielle Interessen’ markiert wurde.221 Aktuelle Untersuchungen frühneuzeitlicher Erbpraktiken und -vorstellungen fügten diesem Zusammenhang unlängst weitere Dimensionen hinzu, die unter der Perspektive der Generationengerechtigkeit sowie der Relation von Erbfolgeordnung, Familienstruktur und Verwandtschaftsbeziehungen analysiert wurden.222 Dahinter steht ein agrar-, erb- und familienhistoriographischer Perspekti219

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Der Artikel zum „Erb-Recht“ in Zedlers Universal-Lexicon nahm darauf explizit Bezug. So sei es „der Klugheit gemäß, dass ein Regente durch die weltlichen Gesetze denen Neigungen derer Unterthanen durch die Verstattung des letzten Willens und durch die Hoffnung, dass die nächsten Anverwandten ihre Güter besitzen mögen, nachgebe, um sie dadurch zu mehrern Fleiße, welcher zum Nutzen des gemeinen Wesens dienet, anzufrischen.“ Art. Erb-Recht, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 8, Sp. 1499. Für eine allgemeine Zusammenfassung der Forschungsperspektiven auf Erbe ist zu verweisen auf L, Geerbte Dinge, S. 15–40. Jack G, Introduction, in: Jack G/James T/Edward P. T (Hrsg.), Family and Inheritance. Rural Society in Western Europe 1200–1800, Cambridge 1976, S. 3. Vgl. die Anmerkungen dazu in der Einleitung sowie M/S, Emotionen, S. 27–54; S, Property, S. 341–354; Jack G, Erbschaft, Eigentum und Frauen. Einige vergleichende Betrachtungen, in: Michael M/Reinhard S (Hrsg.), Historische Familienforschung, Frankfurt a.M. 1982, S. 88–122; Andrea H, Dinge des Alltags. Studien zur historischen Sachkultur eines schwäbischen Dorfes, Tübingen 1994. Vgl. die Beiträge in B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit. Siehe dort auch die Bündelung des frühneuzeitlichen Forschungsstandes zu Erbrecht und Erbpraxis; vgl. auch H, Streitkultur, S. 179–227. Außerdem demnächst: Bernhard J/Stefan W (Hrsg.), Erbe. Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur in historischer Perspektive. Zum Konzept der Generation vgl. Ohad P/Ulrike V/Stefan W, Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte, Frankfurt a.M. 2008; Mark H/Christian K/Lina H (Hrsg.), Generationen in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (ca. 1250–1750), Konstanz 2011.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

151

venwechsel, der zur Flexibilisierung rechts- und verfassungsgeschichtlicher Stabilitätsannahmen führte und damit den Blick für Handlungsoptionen und -strategien der an Vererbungsprozessen teilhabenden Akteuren öffnete.223 Diese Ansätze sind für die Analyse rechtsförmig ausgetragener Erbkonflikte instruktiv, zumal sich die bislang untersuchten Normen, Praktiken und Vorstellungen vor Gericht verdichteten.224 Allerdings sind gerade für den Untersuchungsraum Forschungsdesiderate zu konstatieren, der in erbrechtlicher Hinsicht im Unterschied zu Kursachsen noch kaum Berücksichtigung fand.225 Mit der Analyse von Erbstreitigkeiten vor dem Hofgericht liegt die Perspektive jedoch weniger auf der Erbpraxis an sich, als auf den im Kontext von Rechtsverfahren um Erbansprüche virulenten Eigentumssemantiken. Anhand der gerichtlichen Aushandlungsprozesse um Eigentum und Erbe wird deren Leitmotivik eruiert, die verhandelten Kategorien in Beziehung zueinander gesetzt und die jeweiligen semantischen Verschiebungen gedeutet. Dabei impliziert der Fokus auf die Partizipation an Eigentumstransfer eine doppelte Perspektive. Einerseits bezeichnet er die Möglichkeit, durch Erbe Zugang zu Eigentum zu erlangen und andererseits durch Verträge,

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Vgl. dazu R, Erbrecht, S. 158–166. Siehe dazu insgesamt die o.g. Forschungen von Michael Mitterauer, David Warren Sabean, Hans Medick sowie Jürgen S, Lebensläufe, Familien, Höfe. Die Bauern und Heuerleute des osnabrückischen Kirchspiels Belm in proto-industrieller Zeit, 1650–1860, Göttingen 1994; Werner T/Clemens Z (Hrsg.), Agrargeschichte. Positionen und Perspektiven, Stuttgart 1998; Giovanni L, Das immaterielle Erbe. Eine bäuerliche Welt an der Schwelle zur Moderne, Berlin 1986. Vgl. zu den geschlechtergeschichtlich ausgerichteten Forschungen u. a. H, Frauen; Michaela H, Wer will erben? Überlegungen zur Erbpraxis in geschlechtsspezifischer Perspektive in der Herrschaft Triberg von 1654–1806, in: P (Hrsg.), Gutsherrschaft als soziales Modell, S. 327– 341; S-M, Der weite Weg zur Erbschaft, S. 402–417; Margareth L, Das gesicherte Erbe. Heirat in lokalen und familialen Kontexten. Innichen 1700– 1900, Wien/Köln/Weimar 2003; Dana Š, Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungsspielräume von Untertanen in der Gutsherrschaft. Die Herrschaft Frýdlant in Nordböhmen 1558–1750, Wien/Köln/Weimar 2009. Vgl. allgemein zur Verortung der Kategorie Geschlecht in Erbprozessen Marianne K, Wie Frauen erben: Geschlechterverhältnis und Erbprozeß, Opladen 1998. Für den rechtlichen Rahmen dieser Untersuchung besonders instruktiv: Thomas D, Generationengerechtigkeit und Altersvorsorge in der juristischen Literatur zur Rechtsstellung alter Menschen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 45–61. Mit der Studie zu den vom Jenaer Schöppenstuhl verhandelten Erbkonflikten steht die Untersuchung der Erbpraxis in Sachsen-Weimar erst am Anfang: G, Eigentum, S. 181–186, 221–225, 344–346. Anhaltspunkte zu Praktiken der Besitzweitergabe liefert G, Agrargeschichte. Für andere thüringische Gebiete: Udo H, Wer erhielt den väterlichen Hof? Betrachtungen zur Übergabe- und Erbpraxis auf den landwirtschaftlichen Höfen in den Fürstentümern Reuß, in: Jahrbuch des Museums Reichenfels-Hohenleuben 44, 1999, S. 81–87. Zu Sachsen-Altenburg vgl. Erich K, Die bäuerlichen Güter und ihre Vererbung im Herzogtum Sachsen-Altenburg, Jena 1941; für Kursachsen u. a. F, Vererbung; D. Rittergüter; G, Eigentum.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Verfügungen und Testamente Eigentum zu gewähren.226 Damit gerät – für die Topiken vor Gericht nicht ganz irrelevant – neben dem gleichsam ,unverdienten Vermögen‘227 auch der strategische Eigentumstransfer von Frauen in den Blick. Die insgesamt 52 unter Frauenbeteiligung anhängigen Erbstreitigkeiten vor dem Jenaer Hofgericht rangierten mit einem Anteil von rund 18,9 % nach den Konflikten um Schulden oder Eigentumsschutz.228 Dies hatte entscheidende institutionelle Hintergründe. Die oftmals hochkomplexen Auseinandersetzungen um Erbfolge, Erbteile, Testamente und Fideikommisse wurden erstinstanzlich – im Unterschied zu den anderen Konfliktbereichen – hauptsächlich durch die Begutachtung vor allem des Jenaer, aber auch anderer Spruchgremien entschieden. Damit korrespondiert der im Erbrecht angesiedelte Schwerpunkt der Jenaer Gutachtenpraxis.229 Dass zudem gerade Erbstreitigkeiten aufgrund ihrer „hohen wirtschaftlichen und sozialen Relevanz zur Einholung von Privatgutachten prädestiniert waren“, hat kürzlich Ulrich Falk konzediert.230 Für Jena wurde in den Sukzessionsstatuten aber auch dezidiert die Begutachtung durch Urteilsgremien nahegelegt. Ergab sich Rechtsbedarf in Bereichen, für die die Statuten keine Regulierung vorsahen, wurden Gerichte bzw. Prozessparteien dazu aufgefordert, sich „nach den allgemeinen in Thüringen recipirten Landüblichen Sächsis[chen] Rechten bey den Juristen Facultaeten oder Schöppenstühlen des Rechten zu erholen.“231 Der Gang zum Jenaer Hofgericht stand daher in erbrechtlichen Angelegenheiten meist am Ende der Fallbegutachtung durch mehrere Spruchgremien, langwieriger und aufwendiger Beweisverfahren sowie der Nutzung weiterer Rechtsmittel (Läuterung). Nicht selten wurden parallel zum Instanzenzug Suppliken an den Landesherrn oder Appellationen vom Hofgericht an die Landesregierung gerichtet. Zur Vermeidung zusätzlicher, hoher Prozessführungskosten ergingen die Appellationen bei Erbkonflikten oft auch in Form nichtformalisierter Gravamina. In diesen Fällen verblieb das Verfahren bei der ersten Instanz und das Hofgericht agierte gegenüber der niedergerichtlichen Ebene mit Bescheiden. Insgesamt war eine intensive Justiznutzung symptomatisch für das Konfliktprofil, die das gerichtliche Aushandeln von Eigentumspositionen mit der Frage ökonomischer und sozialer Lebensperspektiven verband.232 Ansprüche auf Eigentum durch Erbe wurden dabei 226 227 228 229 230 231 232

Der Erbbegriff wird dabei in seiner Bedeutung als Transferform und Vermögensmasse verstanden. Jens B, Unverdientes Vermögen. Soziologie des Erbrechts, Frankfurt a.M./New York 2004. Vgl. dazu Kapitel 3.1.2. Vgl. F, Consilia, S. 31 f. F, Consilia, S. 32. Jenaer Sukzessionsstatuten vom 6. September 1677, L, Repertorium, Bd. 2, S. 258– 266, hier § 9, S. 266. Rainer S, Der Funktionsverlust des bürgerlichen Erbrechts, in: Heinz M-

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

153

verstärkt ständeübergreifend formuliert, die Aushandlungsprozesse vor dem Hofgericht integrierten somit auch die ärmeren Schichten. Dementsprechend finden sich vor allem in diesem Konfliktbereich Klagen im Armenrecht und bezeichnenderweise wurde das Hofgericht gerade in Erbstreitigkeiten als „wahres Asylo“ der „bedrückten Unterthanen“ eingeschaltet.233 So emotional eine Auseinandersetzung um Erbe durch die Instanzen getragen wurde, in der übergroßen Mehrheit der Fälle kam es vor dem Hofgericht zu einem Vergleich, dem allerdings auch hier – so er nicht außergerichtlich erreicht wurde – nicht selten mehrtägige gütliche Verhandlungen vorangegangen waren. Der gerichtliche Fokus auf gütlichen Einigungen bei Erbstreitigkeiten entsprach normativen Vorgaben, die in der Prozessordnung von 1622 verankert waren. Danach sollten „Differentien“ zwischen „nahe verwandten Personen“, wie sie typischerweise bei Erbkonflikten vorlagen, „auf billiche Maaße, in Güten zu vergleichen, oder, da solches nicht Statt finden wollte, zum wenigsten der Process, mit ihrer beyder Bewilligung per modum compromissi“ beschieden werden.234 Die Konfliktlinien verliefen bei Erbstreitigkeiten zwischen und innerhalb der Generationen. Die Konkurrenzen um Erbe betrafen Geschwister-, Schwieger- und Stiefverhältnisse ebenso wie Enkel- und Großelternverhältnisse sowie Seitenverwandte. In eher marginaler Größenordnung forderten nicht mit dem Erblasser oder der Erblasserin verwandte, aber testamentarisch mit Legaten bedachte Personen ererbtes Eigentum ein. Insgesamt waren die Konfliktthemen sehr heterogen und lassen sich schwerlich auf eine Tendenz hin zuspitzen. Allgemeine Aussagen für die Erbpraxis dürften aufgrund der o.g. Dominanz der Spruchgremien bei Erbstreitigkeiten ohnehin eher problematisch sein, da vor dem Hofgericht nicht das breite Spektrum möglicher Erbkonflikte verhandelt wurde.235 Gehörten bei niedergerichtlichen Konflikten Klagen von Frauen gegen den hoferbenden Bruder zu den häufigsten Konstellationen familialer Erbschaftskonflikte aus dem agrarischen Bereich,236 spiegelte sich dieses Thema nicht in dem Ausmaß vor dem Jenaer Hofgericht wider. Strittige Eigentumstransfers zu Lebzeiten an eines der Kinder (Haus- und Hofübergabe) standen gleichwohl zur Debatte, verweisen

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 (Hrsg.), Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts. Politische Implikationen und Perspektiven, Frankfurt a.M. 1987, S. 281–294, hier S. 282. „Der Toepfferischen Eheleute zu Krippendorf, Bekl.te und Appellanten, contra Annen Elisabethen Fuchsin zu Closwitz, Kl.rin und Appellatin, Anno Christi 1750“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 327, Bl. 9v ; vgl. auch ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 174, Bl. 34v . Die Formulierungen gingen auch mit der Prozessordnung von 1622 konform: „Ob wir auch wohl denen Armen nicht weniger, als denen Reichen ohne Unterschied und Ansehen der Person deme, wessen sie befugt [. . . ] durch ordentliche [. . . ] Processe verhelffen zu lassen [. . . ] damit Armuths wegen niemands an seinem Rechte verkürtzet werde.“ Prozessordnung 1622, Tit. 1. Ebd. So waren beispielsweise genuine Altenteilerklagen nicht zu ermitteln. G, Gesamtgericht, S. 316.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

aber nicht generell auf geschlechtsspezifische Rangordnungen innerhalb der Erbpraktiken.237 So wurden vor dem Hofgericht auch Fälle verhandelt, in denen bei der Sukzession von Frauen in Grundeigentum, etwa im Zuge der Vererbung des väterlichen Bauerngutes an die Tochter, Auszahlungen an die Geschwister zur Debatte standen.238 Konflikte um die Erbfolge in Rittergüter oder auch spezielle Weiberlehen wurden nicht vor dem Hofgericht verhandelt bzw. sind nicht überliefert,239 waren jedoch vor der Landesregierung anhängig.240 In der Regel wurde abgesehen von Haus, Hof oder Gut nicht um spezifische Eigentumsgegenstände oder Eigentumsformen gestritten.241 In rund siebzig Prozent der Fälle ging es um allgemeine Ansprüche auf Erbteile aus testamentarischen Verfügungen und Erbvergleichen, die gleichermaßen immobiles wie mobiles Eigentum umfassten. Sie zeugen vom Einbezug von Frauen in eine Vererbungspraxis, die auch die „nachträgliche Gestaltung“ von Erbprozessen inkludierte.242 In dieser Hinsicht erweiterten auch Frauen ihre Handlungsspielräume, etwa wenn sie Erbgüter durch Veräußerungen in andere Vermögensformen umwandelten. Beispielhaft dafür ist ein Rechtsstreit zwischen den Schwestern Johanna Magdalena Tubald und Johanna Dorothea Meinhardt von 1797, die ein vom Bruder geerbtes Haus gemeinschaftlich („in communion“) in Jena besaßen. Der Konflikt um Machtpositionen im und die Verfügungsgewalt über das Haus eskalierte, so dass eine der Schwestern die Versteigerung des Hauses betrieb.243 237 238 239

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ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 834. Ebd., Nr. 890. Gleichwohl waren Rittergüter im Laufe des 18. Jahrhunderts als freies Erblehen auch an Ehefrauen oder Töchter übertragbar. G, Agrargeschichte, S. 95; K, Adel, S. 291–326. Zur Einordnung dieses Prozesses sowie für die Gruppe der Rittergutsbesitzerinnen in Kursachsen vgl. F, Rittergüter, S. 139–143. Vor dem Hofgericht anhängige Rechtssachen, in denen Rittergutsbesitzerinnen involviert waren, sind jedoch für die anderen Konfliktbereiche belegt. Rosalinde Gothe schildert den Fall der Majorin von Schönfeld, die als Allodialerbin ihres 1774 verstorbenen Bruders Friedrich Adolf von Creuz das Rittergut Schwerstedt beanspruchte, im Konflikt mit Johann Heinrich von Helldorf 1776 als Rechtsnachfolger eines Mitbelehnten allerdings unterlag. Vgl. G, Agrargeschichte, S. 91 f. Ausnahme war z. B. die Vererbung einer Fleischbank. Die Witwe Elisabeth Beyer klagte 1664 in Vormundschaft ihres unmündigen Sohnes erfolgreich die großmütterlich durch ein Testament an ihren Sohn vererbte Fleischbank von ihrem Schwager Wolf Beyer, einem Jenaer Fleischer, ein. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 50a, b. Andrea H, Erben und Teilen – ein zweiter Blick auf Forschungsergebnisse einer Sachkulturforschung, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 301–315, hier S. 314. Allgemein zu den Handlungsoptionen bei Erbprozessen Jon M, From Ecotypes to Sociotypes. Peasant Household and State-Building in the Alps, Sixteenth–Nineteenth Centuries, in: The History of Family 5, 2000, S. 55–74. „Da wir aber uns länger nicht mit einander vertragen können, indem sie [Johanna Magdalena Tubald, d. Verf.] sich angemaset, über dieses Hauß, nach eigenen Gefallen, ohne mich und meinen Consens zu befragen, zu disponiren, auch nach eigenen Gefallen ge-

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

155

Neben dem eher selteneren Einklagen von Erbteilen ab intestato wurden vor dem Hofgericht aber auch Klagen angestrengt, die zur Bestimmung der Erbteile eine gerichtliche Versiegelung von Verlassenschaften (Obsignation) sowie Nachlassinventarisierungen zum Ziel hatten (13,5 %). Gerade in diesem Bereich, in dem es um die bei Erbfällen anstehenden Gebührenerhebungen ging, kamen verstärkt lokal- und fiskalpolitisch motivierte, obrigkeitliche Interventionen zum Tragen.244 Schenkungen unter Lebenden (3,8 %) sowie Konflikte um Fideikommisse (5,8 %) spielten eine untergeordnete Rolle. Auffallend ist die praktische Irrelevanz von Konflikten um spezifisch weibliche Vermögensbestandteile und Eigentumsformen in der Rechtspraxis. In Korrespondenz zur insgesamt schwachen normativen Verankerung und legislatorischen Abschaffung des Geraderechts in Sachsen-Weimar (1727) wurden Streitigkeiten um die Gerade in lediglich zwei Fällen anhängig. In einer Auseinandersetzung von 1714 aus dem Amt Dornburg, wo die Gerade üblich war, stand das Geraderecht an sich nicht zur Debatte.245 Anders war es in der Auseinandersetzung zwischen Sophia Maria Hermann aus Heusdorf und dem sächsischen Kammerjunker Christian Friedrich von Milckau, der als Gerichtsherr des Rittergutes Wormstedt die Geradestücke ihrer verstorbenen Mutter beanspruchte und die Veräußerung ihres Mobiliarvermögens verbot.246 Die Klägerin wandte sich daraufhin am 14. Juni 1728 mit einer Appellation an das Hofgericht. Dafür, dass von Milckau die mütterlichen „mobilia eigenthümlich an sich ziehen“ wolle, gab es nach dem klägerischen Anwalt Bernhard Friedrich Schwabe keine Rechtsgrundlage.247 Das ehedem „unbillige“ Geraderecht sei in Sachsen-Weimar nicht mehr rezipiert.248 Dagegen präsentierte Christian Friedrich von Milckau eine alte, landesherrlich bestätigte Observanz, die auch für die unter dem Wormstedter Adelsgericht stehende Mutter der Klägerin gelte. Von Milckau reklamierte zudem das den Vasallen und Gerichtsherren zustehende „ius ex conventione quaesitum“, womit er die Irrelevanz des Landesrechts als ein „ius novum“ begründete.249 Damit wurde über das hier als ständisches Privileg fungierende Geraderecht

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bauet, worüber öfters Zänkerey zwischen uns vorgefallen, ja, dieselbe mich verschiedene mal übel geschlagen; So sehe ich mich endlich genöthiget, ad divisionem zu provociren.“ Schreiben an das Hofgericht, 20. September 1797, „Johannen Magdalenen Tubaldin, eine Meinhardin zu Jena, Appellantin an einem, entgegen deren Schwester Johannen Dorotheen Meinhardin, Appellatin am andern Teil. A. C. 1797“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 907, Bl. 13r –19r . Vgl. z. B. ebd., Nr. 688, 1058. Ebd., Nr. 527. Bericht, 26. September 1727, „Sophia Maria Herrmannin zu Heußdorff Implorantin contra die Adel. Milckauischen Gerichte zu Wormstedt Implorat, Anno Christi 1728“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 925a–c, Bl. 2r –4v . Hofgerichtstermin, 30. August 1728, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 925a, Bl. 13v . Ebd., Bl. 36v , 37r . Ebd., Bl. 27r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

der grundsätzliche Konflikt zwischen der Behauptung wohlerworbener Rechte des Adels, den iura et libertates, und den unter Zurückdrängung adliger Privilegien auf Rechtsvereinheitlichung zielenden legislatorischen Interessen der Landesherrschaft ausgetragen.250 Das – ständisch geprägte – Hofgericht ließ von Milckau bezeichnenderweise den Raum, Recht und Herkommen des beanspruchten Geraderechts in einem gesonderten Beweisverfahren zu demonstrieren.251 Fallanalysen

Die Argumentationspraxis bei Erbkonflikten wird aus zwei unterschiedlichen Perspektiven untersucht. Zum einen bestimmt sich der Ausgangspunkt für die Analyse nach der Art des Eigentumstransfers (Testament) und zum anderen nach der akteursorientierten Aushandlungskonstellation. Der Schwerpunkt auf Rechtsverfahren bei testamentarischen Erbgängen erklärt sich einerseits aus der Dominanz dieses Konfliktbereiches vor dem Hofgericht.252 Andererseits eröffnen gerade diese Auseinandersetzungen Einblicke in die Argumentationslinien bei prozessstrategischen Anfechtungen dieser individuell strukturierten Erbteilungen, die im Spannungsverhältnis zur Testierfreiheit standen. Darüber hinaus geraten so auch die Erbstrategien von Frauen in den Blick, die über Testamente und andere Verfügungen Eigentumstransfers organisierten und damit zugleich über familiale Eigentumspositionen entschieden. Die Differenzierung nach Aushandlungsprozessen und den daran geknüpften Argumentationen tragen gleichsam über die spezifische Einzelkonstellation hinaus einen Modellcharakter. Hintergrund dieses Zugriffs ist die These, dass zwar Normen, Erbpraktiken, Art des Eigentumstransfers (testamentarische bzw. Intestaterbfolge) oder auch das speziell eingeklagte Eigentum wichtige Ausgangspunkte im Konflikt setzten, doch insgesamt eher die Konstellationen und Dispositionen der Akteure Konfliktlinien zwischen oder innerhalb der Generationen vorgaben und damit den Rahmen für Topiken und diskursive Bezüge vor Gericht setzten.

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Im Übrigen belegte die klägerische Partei die Relevanz der Landesgesetzgebung auch damit, dass diese unter Beteiligung der Stände verabschiedet worden sei. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 925a, Bl. 35r . Vgl. insgesamt zum juristischen Diskurs um die Abschaffung des Geraderechts G, Eigentum, S. 240–264. Urteil, 20. September 1728, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 925a, Bl. 75r–v . Der Beweis wurde zwar angetreten, doch der Gegenbeweis blieb aus, so dass kein Endausgang des Rechtskonflikts überliefert ist. Vgl. Hendrikje C, Konflikte um Eigentum und Besitz in der frühneuzeitlichen Zivilrechtspraxis: Frauen vor dem Jenaer Hofgericht, in: G/D. (Hrsg.), Eigentumskulturen, S. 33–45.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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Eigentumstransfer durch Testamente: Testierfreiheit und Erbstrategien

War der Zugang zu Erbe durch Testamente geregelt, führten als ungerecht empfundene Eigentumsverteilungen zu familieninternen Konflikten. Vor Gericht wurden dann vor allem die Bedingungen der Testamentserrichtung in den Mittelpunkt der anwaltlichen Argumentationen gerückt. In dieser Hinsicht typische Muster bündelt der folgende Konflikt, in dem die Testierfreiheit einer Erblasserin intensiv auf den Prüfstand gestellt wurde. Die Witwe Maria Catharina Faber, die im April 1782 starb, hatte am 19. August 1777 beim Amt Jena ein Testament errichtet.253 Darin setzte sie ihren Neffen Johann Wilhelm Sieber und dessen Kinder zu ihren Universalerben ein. Ein Jahr später änderte sie jedoch dieses Testament zugunsten ihrer beiden Nichten Maria Sophie Hahnemann und Friederike Hüttich, die dadurch zusammen mit Johann Wilhelm Sieber Erben zu gleichen Teilen eines Vermögens von rund 800 Reichstalern wurden. Daraufhin focht Sieber das geänderte Testament in einer förmlichen Nullitätsklage beim Amt Jena an.254 Da die vom Amt Jena eingeholten Gutachten der Schöppenstühle zu Jena, Leipzig, Halle und Erfurt nicht im Sinne des Klägers urteilten und die Rechtsgültigkeit des zweiten Testamentes anerkannten, wandte er sich 1791 an das Jenaer Hofgericht.255 Im Juni 1791 wurde vor dem Jenaer Hofgericht zunächst die gütliche Handlung vollzogen. Johann Wilhelm Sieber unterbreitete zusammen mit seiner rechtlichen Vertretung Ernst Carl Friedrich Mereau den Vorschlag, dass ihm die Appellatinnen Maria Sophie Hahnemann und Friederike Hüttich entweder 600 Reichstaler geben und im Gegenzug die ganze Erbschaft behalten oder ihm die Erbschaft abtreten könnten. Dafür wollte er sie mit 100 Reichstalern entschädigen und die ihnen im ersten Testament zugedachten Grundstücke überlassen. Darauf ließen sich Siebers Cousinen jedoch nicht ein, so dass das rechtliche Verfahren eingeleitet wurde. Das Urteil des Jenaer Hofgerichts vom 24. Juni 1791 wies die Appellation zurück, bestätigte die Gültigkeit des angefochtenen Testaments und damit die Erbansprüche Maria Sophie Hahnemanns und Friederike Hüttichs.256 Johann Wilhelm Sieber reagierte daraufhin mit einer Läuterung. Das Urteil aus dem Läuterungsverfahren erhielt jedoch die letzte Entscheidung des Hofgerichts aufrecht. Für den Kläger blieb somit als letzte der möglichen Rechtsmittel die Appellation an die Landesregierung, die allerdings auch erfolglos blieb.257 Im Zug durch die Instanzen modifizierten die Prozessparteien ihre Ar253

254 255 256 257

„Johann Wilhelm Sieber zu Beutnitz, Apellantens eines entgegen Marien Sophien Hanemannin und Frideriken Hüttichin zu Golmsdorf, Appellaten andern Teils. A. C. 1791“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 580a–b. Vgl. ebd., Nr. 580a, Bl. 1r –5v sowie Bl. 6r –13v . Ebd., Bl. 6r –13v . Ebd., Bl. 124r . Ebd., Bl. 161r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

gumente erheblich. In der Appellationsschrift an das Hofgericht explizierte Siebers Anwalt Johann Friedemann Gottfried Salzmann zunächst die Klagemotive. Die Testierende hätte nach der Errichtung des ersten Testamentes, in dem Johann Wilhelm Sieber als alleiniger Erbe eingesetzt worden war, bei „guten Verstande und freiwillig“ beschworen, dass „sie dieses Testament nicht umstoßen wolle, sondern daß es dabei seinen unabänderliches Bewenden haben solle.“258 Allerdings sei diese dann „schwach an Verstande“ geworden und hätte über „den Gebrauch ihres Verstandes und der Vernunft nicht mehr“ verfügen können.259 Die Änderung des Testaments sei nur aufgrund einer unlauteren Einflussnahme auf die verstorbene Witwe und ihrer geistigen Verwirrung geschehen. Durch „Drohungen, und ungestümes Bitten, und derbe Zudringlichkeiten, auf fürchterliche Vorstellungen“ ihrer Nichten Maria Sophie Hahnemann und Friederike Hüttich zu Golmsdorf hätte Maria Catharina Faber das Testament vor dem Jenaer Amt widerrufen. Allerdings sei sie von ihnen „wider ihren, der Faberin, Willen, dahin gebracht, indem sie ohnverlangt nach Jena ins fstl. Amt gefahren wurde, daß sie hieselbst den 8den December 1778 ein anderweites testament worinne aber nicht bemerkt stehet, daß die Faberin bei guten und gesunden Verstande gewesen errichtete.“260 Damit rekurrierte Sieber auf einen Ausschlusskatalog, durch den sich die Rechtsverbindlichkeit eines Testamentes wegen Fragen der äußeren und inhaltlichen Ausgestaltung des Rechtsaktes aushebeln ließ: Ein sane mente geschlossener (Erb-)vertrag, Geisteskrankheit sowie eine durch Gewalteinwirkung aufgesetzte fremdbestimmte Verfügung.261 Neben der Erfordernis einer selbstbestimmten Erbeinsetzung durch den Erblasser war das Testament unabhängig von unzulässigen Einflüssen wie vis, metus und dolus zu verfassen. Unterschieden wurde dabei zwischen dem Fall, dass „der Erblasser von einem gesetzlich Berufenen oder bereits Eingesetzten gehindert worden ist, ein Testament zu machen bzw. zu ändern“262 und der Erzwingung eines Testamentes zugunsten des Einwirkenden. Blieb im ersten Fall das Testament bei Einzug der Erbschaft zugunsten des Fiskus gültig, wurde eine erzwungene Verfügung seit dem 17. Jahrhundert nur beim Fehlen eines eigenen Willens des Erblassers unwirksam.263 Im Verfahren selbst konzentrierte sich die anwaltliche Vertretung Siebers vornehmlich auf prozessuale Mängel der ersten Instanz. Im Zentrum stand ein Eid, den Sieber ohne „Rechtsfreund, und also unberathen“ geleistet hätte.264 Da ihm „wie sich von rechtswegen gebühret hätte, die Eides Formel ante terminum nicht abschriftlich communiciret worden war, so war

258 259 260 261 262 263 264

Ebd., Bl. 6r . Ebd. Ebd. Vgl. etwa G, Pandecten, Bd. 34/1, Erlangen 1830, § 1408, S. 149–187. C, Privatrecht, S. 567. Vgl. ebd. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 580a, Bl. 31r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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er als einfältiger Bauernsmann zu ohnmächtig, in termino selbst fehlerhafte der Eides Formel zu moniren und zu beurtheilen“.265 Johann Wilhelm Sieber versuchte dabei das standesspezifische Topos des ,einfältigen Bauern’ argumentativ für sich zu nutzen. Damit wollte er sich von eigenen vorgeblichen Verfahrensfehlern exkulpieren, um so ein neues Verfahren zu legitimieren. Eine weitere Argumentationslinie orientierte sich am Parteilichkeitsvorwurf gegen die erste Instanz, insofern das Amt Jena „die Sache vor die Appellatinnen vertheidigte, und sich zum Gegenpart Appellantens, des bedrängten Siebers, mit machte, und sogar ganz widerrechtlich von eilige und partheiische Urtheile wider alle Gewohnheit in die Urthelsfrage mit mischte.“266 In der Läuterung ergänzte Siebers Anwalt, der sich bisher auf die Konstruktion der Testamentsungültigkeit, der Rechtsunkenntnis seines Klienten und der Parteilichkeit der Vorinstanz fokussiert hatte, die Argumentation um ein weiteres Element. Johann Wilhelm Sieber hätte sich „über 25 Jahr mit der närrischen Faberin [. . . ] plagen“ müssen, indem er und seine Familie sich um die Unterkunft und Nahrung der Witwe sorgten.267 Die Anzeigen ihrer geistigen Unzurechnungsfähigkeit mit der Bitte um „sicher(e) Verwahrung“ hätte das Jenaer Amt allerdings kontinuierlich ignoriert. Als Tenor lag den Argumenten der klägerischen Prozesspartei eine Gerechtigkeitsvorstellung zugrunde, die im ersten Testament mit der Einsetzung Siebers zum Universalerben als adäquat realisiert betrachtet wurde. Mit den Dienstleistungen für die Witwe Maria Catharina Faber verband sich für den Kläger ein erworbenes alleiniges Anrecht auf das Erbe. Davon ausgehend empfand Sieber den Umstand, dass die Nichten der Witwe in den Mitbesitz ihres Vermögens kommen sollten, als nicht rechtmäßig. Ihnen sprach Sieber das Erbe nicht zuletzt deshalb ab, weil sie seinen Darstellungen nach „gar nichts an ihr [der Witwe, d. Verf.] gethan, und sich in keinem Stück um sie verdient gemacht“ hätten.268 In die Richtung einer Erbunwürdigkeit der Beklagten ging die Argumentation nicht, zumal sich Indignitätsgründe klassischerweise auf die Tötung des Erblassers oder der Hinderung an der Testamentserrichtung bezogen.269 Im Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung trat nun auch die Frage eines pactum de non mutando. Dabei zitierte Faber die Erblasserin, die bei der Errichtung des ersten Testamentes den Schwur geleistet hätte: „Gott sollte sie strafen, wenn sie das Testament (1777) über den Haufen werfen werde [. . . ] oder ändern wolle.“270 Die vom Hofgerichtsadvokaten Werther vertretene Gegenseite entkräftete die Argumentation des Läuteranten Sieber

265 266 267 268 269 270

Ebd. Ebd., Bl. 36r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 580b, Bl. 27r . Ebd. Vgl. C, Privatrecht, S. 619. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 580a, Bl. 92r . Vgl. ebd., Nr. 580b, Bl. 15r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

und bestritt die Rechtsverbindlichkeit dieser Formel. Die Beklagten befanden sich dabei auf dem Standpunkt, dass es der Witwe Faber durchaus „frei [stehe, d. Verf.], ihren letzten Willen nach Gefallen zu ändern.“271 Damit nahmen sie auf die Testierfreiheit Bezug, die als ein rechtliches Grundprinzip galt und lediglich durch das Noterbrecht sowie das Näherrecht der nächsten Verwandten (Erblosung, ius retractus consanguinitatis) beschränkbar war.272 In die Testierfreiheit war auch das Recht zur Änderung eines erklärten letzten Willen eingeschlossen.273 Die Frage der Änderung eines Testamentes konnte allerdings in der Normenkonkurrenz zum heimischen Recht insofern problematisch werden, als hier die Bindung an ein einmal aufgesetztes Testament rechtlich stärker ausgestaltet war. Diese Rechtsgestaltung, die im 18. Jahrhundert allerdings zunehmend obsolet geworden war, versuchte die klagende Partei für sich zu nutzen.274 Im Zuge Siebers Appellation an die Landesregierung machte das Hofgericht in einem Bericht vom 5. März 1792 seine Entscheidungsgründe deutlich.275 Zentraler Punkt war die „Freyheit des Willens“276 der Testierenden, die ihr revidiertes Testament beim Amt Jena ad Protocollum aktenkundig verwahren ließ. Die Landesregierung schloss sich dieser Auslegung an, womit auch letztinstanzlich die Ansprüche des Klägers zurückgewiesen und der „freye Wille“ der Erblasserin betont wurde. Hofgericht und Landesregierung akzeptierten das revidierte Testament als gültigen Rechtsakt, da er von der Testatorin unterschrieben, rechtlich korrekt dokumentiert und beim Amt Jena hinterlassen war. Dies entsprach dem geltenden Recht, in dem der publicatio, der Archivierung des Testaments in den Akten, die Beweiskraft einer Urkunde zukam.277 Insgesamt ist der Fall in mehrfacher Hinsicht ein typisches Beispiel für eine Rechtspraxis, in der Frauen der Zugang zu Eigentum und die Teilhabe am Eigentumstransfer ausdrücklich zugesprochen wurde. Zum einen hatte der Kläger unter Nutzung aller Rechtsmittel von der ersten bis zur höchsten Gerichtsinstanz des Herzogtums die Testierfähigkeit und -freiheit einer Frau und damit das Erbe von zwei weiteren Frauen massiv in Frage gestellt. Zum anderen blieben die Interventionen des Klägers gegen das Testament und die Erbeinsetzung der beklagten Frauen mit seiner durch vehementen rechtlichen Druck gekennzeichneten Justiznutzung sowie eines auf standes- bzw. geschlechtsspezifischen Topoi basierenden starken emotiv-appellativen Argumentationsduktus erfolglos. Insofern das strittige Testament von allen Ebenen der Rechtsprechung als rechtsgültig anerkannt wurde, schützte das Rechtssys-

271 272 273 274 275 276 277

Ebd., Bl. 42v . Vgl. C, Privatrecht, S. 566. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 568. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 580a, Bl. 156r ff. Ebd., Bl. 157v . S, Handbuch, Bd. 5, S. 37.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

161

tem nicht nur den Eigentümerwillen der Erblasserin. Darüber hinaus wurden auch die Rechtsposition der Erbberechtigten sowie die Rechtsverbindlichkeit der Eigentumsübertragung an zwei Frauen bestätigt. So wurden den Frauen nicht zuletzt auch die Zugangschancen zu ihrem ererbten Vermögen gesichert, das ihnen der Rechtslage nach zustand. Die Muster, mit denen im Fall Faber die Rechtsgültigkeit des Testamentes angefochten wurde, gehörten zum topischen Argumentationsset vor Gericht. So auch im Fall des Jenaer Hofgerichtsprokurators und Stadtschreibers Adam Vater, der am 29. April 1700 in Vormundschaft für seine beiden leiblichen Kinder gegen die Stieftöchter Clara Catharina Schincke aus Neustadt an der Orla sowie Anne Rosine Heintz aus Jena klagte.278 Der am 24. Januar 1700 verstorbene Großvater seiner Kinder mütterlicherseits hatte ein Testament hinterlassen, das nach Auffassung des Klägers nicht Bestand haben könne.279 Adam Vater, der in erster Ehe mit der verstorbenen Tochter des Erblassers Augustin Diethmuth verheiratet war, sah darin seine beiden Stieftöchter gegenüber den leiblichen Kindern rechtswidrig begünstigt. Vor dem Hofgericht konnten sich die Prozessparteien rasch einigen, es wurde ein Vergleich geschlossen.280 Adam Vaters Rechtsvertretung versuchte vor Gericht die Gültigkeit des Testaments vollständig zu widerlegen. In diesem Sinne war schon in der Klage der Sprachduktus konsequent suggestiv gehalten – das Testament wurde grundsätzlich als „vermeintliches Testament“ bezeichnet. Alle Argumentationslinien gingen zudem von den Begriffsfeldern der Ungleichheit und Unbilligkeit aus, die durch dieses Testament manifestiert werden würden. Das großväterliche Vermögen sei „dermaßen ungleich [. . . ] vertheilet“, seine Kinder „wircklich hinden gesetzt“ worden.281 Darüber hinaus hätte er unrechtmäßig über Vermögensgegenstände aus dem Eigentum (Mutterteil) seiner Ehefrau disponiert. In einem weiteren Schritt wurde das Testament als konträr zu einem unterstellten eigentlichen Willen des Erblassers gestellt. Es sei dem „wahren und eigenthlichen willen des seel. verstorbenen keines weges gleichförmig“.282 Die Existenz und die Ausgestaltung der Disposition wurden zudem auf eine nicht legale Einflussnahme auf Augustin Diethmuth zurückgeführt. Das Testament sei ihm „durch verbothenen wege abgezwungen, oder er durch ungleiche Vorstellungen und praesupposita darzu verführet.“283 Systematisch arbeitete 278

279 280 281 282 283

„Adam Vater, Hoffgerichts-Procurat[or] und Stadtschreiber zu Jena Tut[or] no[m]i[n]e seiner beeden unmündigen Kinder contra Clara Catharinen Schincken zu Neustadt an der Orla, Annen Rosinen Heintzin zu Jene, Bkl. Anno Christi 1700“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1163. Klage, 29. April 1700, ebd., Bl. 1r –4r . Vergleich, 21. Juni 1700, ebd., Bl. 46r–v . Klage, 29. April 1700, ebd., Bl. 1v , Bl. 3r . Ebd., Bl. 2r . Ebd.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

der Anwalt auch die weiteren Gründe ab, die ein Testament ungültig werden lassen konnten. So wurde aus dem Umstand, dass das Testament von einem Dritten aufgesetzt wurde, der Schluss gezogen, er sei schlichtweg „nicht mehr seinen völligen GemüthsKräffte fähig gewesen“.284 Außerdem habe der Erblasser kurz vor seinem Tod gegenüber seiner Tochter Clara Magdalena Vater die Existenz eines Testamentes „beständig negirt“.285 Ziel eines Rechtsverfahrens war für den Kläger die Berücksichtigung seiner Kinder als Miterben und die Verteilung der großväterlichen Verlassenschaft „zu gleichen Theilen“.286 Die Umgehung der ersten Instanz legitimierte er mit dem seinen unmündigen, mutterlosen Kindern zustehenden privilegierten Gerichtsstand.287 Der Anwalt der Stieftöchter fokussierte sich in den Einreden gegen die Klage auf die exceptionem primae instantiae, in dem er die Rechtsgültigkeit des von der Gegenseite behaupteten Schutzrechtes und damit die Zuständigkeit des Hofgerichts negierte. Erstens seien in diesem Fall keine Pupillen (Mündel) vorhanden, selbst die jüngste Tochter sei „schon lang mannbar“. Außerdem beziehe sich das zitierte beneficium unter Berufung auf Benedict Carpzov nicht auf Jungfrauen.288 Die Anwendbarkeit der Rechte sei auch deswegen unmöglich, weil Adam Vaters Töchter nicht pro pauperibus vel personis miserabilibus gehalten werden könnten.289 Das Hofgericht nahm den Fall unter Protest des Pößnecker Amtes dennoch an, da er die klägerische Berufung auf die Schutzrechte für entscheidend hielt und gleichzeitig den vorgebrachten Bedenken hinsichtlich einer neutralen Rechtsprechung der ersten Instanz entsprach.290 Insgesamt gestalteten die Seiten mit diesen Einlassungen lediglich ihre Verhandlungsbasis aus, zumal letztlich die Kompromissbereitschaft der Stieftöchter überwog. Am Ende hatte der klagende Vater durch den Gang zum Gericht erreicht, seine Töchter – sie erhielten ein nicht näher bezeichnetes Ackergrundstück – am Erbe ihres Großvaters zu beteiligen. Dass der Kläger damit auch eigene Eigentumsinteressen verband, kann nur spekuliert werden. Die anwaltliche Argumentationsweise blieb freilich konsequent auf die Kinder bezogen. Dies gilt auch für die eingebrachten Vorstellungen von Gleichheit, Billigkeit und Gerechtigkeit, mit denen er die Rechtsansprüche auf den Erbteil akzentuierte. Insgesamt waren testamentarische Erbteilungen nicht nur innerhalb der Familie ein potenziell konfliktbehaftetes Thema, in dem sich materielle Inter284 285 286 287 288 289 290

Ebd., Bl. 2r–v . Ebd., Bl. 2v . Ebd., Bl. 3v . Referenz war die römischrechtliche Rechtswohltat L. un. C. quand. imper. Inter pupill. vel vid. Hofgerichtstermin, 21. Juni 1700, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1163, Bl. 21r ff. Ebd., Bl. 22v . Bericht des Hofgerichts an die Landesregierung, 27. Juli 1700, ebd., Bl. 30r –38r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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essen existenziell bündelten. Eigentumstransfer durch Erbe tangierte darüber hinaus fiskalische wie kommunal- bzw. lokalpolitische Problemfelder. Denn Erbteilungsprozesse standen unter der Kontrolle lokaler Obrigkeiten, die mit Gebühren oder Abzugsgelder Einnahmequellen für den jeweiligen Finanzbedarf generierten. Auch vor dem Hintergrund einer zu garantierenden Stabilität der Besitzeinheiten war das Interesse hoch, Aufsichtsrechte über Teilungsprozesse wahrzunehmen. Daher boten die mit den Transfervorgängen verbundenen obrigkeitlichen Zugriffsansprüche auch ein Medium für den Austrag virulenter Kompetenzkonflikte zwischen den städtischen Institutionen.291 In Jena entzündeten sich diese immer wieder an den sich überlagernden Jurisdiktionsansprüchen von städtischem Amt, Stadtrat und Hofgericht, die u. a. in der Frage der Nachlassversiegelung und überhaupt in der Frage des Gerichtsstandes zum Tragen kamen. So beispielsweise im Fall der Sophia Dorothea Beck, Witwe des Jenaer Professors und Hofgerichtsassessors Caspar Achatius Beck, die am 13. September 1768 beim Hofgericht eine Klage gegen den Jenaer Stadtrat einreichte.292 Es ging um die durch den Stadtrat vorgenommene gerichtliche Versiegelung (Obsignation) des Mobiliarnachlasses vom sachsen-gothaischen Oberforstmeister von Taubadel, der in ihrem Haus gewohnt hatte und dort verstorben war. Gegen den als unrechtmäßig deklarierten Eingriff in die Rechte der nicht der stadträtlichen Jurisdiktion unterliegenden Hauseigentümerin, wandte sie sich an das Hofgericht. Der städtische Zugriff wurde dabei von der Klägerin als Angriff auf ihre Ehre und ihr Eigentum interpretiert. In Korrespondenz zum Rekurs auf diese starken Kategorien wurde die hofgerichtliche Rückweisung des Stadtrates terminologisch als Akt der Satisfaktion nicht nur für sie, sondern auch für die – ebenfalls in ihren durch den Jenaer Stadtrat beschränkten Rechten – Landesregierung, Hofgericht und Universität gewendet. „So muß mich doch hierüber nun der Consequenz und auch meiner Ehre willen äußerst beschweren, daß dergleichen passus jurisdictionis und Versiegelung von einem judice, unter welchem mein Hauß immindesten nicht als vielmehr solches unter der hochlöb. Universitaet stehet, zu Wercke gerichtet, in der That aber, hierdurch sowohl einer hoch preislichen Landes Regierung zu Weimar und dem [...] Hofgerichte als auch der Academie unziemenster Eingrif gethan worden, angesehen defunctis eines Theils vor seine Person kein ander Forum als obige hohe decasteria, welche concurrentem jurisdictionem haben, agnosciret, und folglich auch nur von daher [...] gerichtlichen Obsignation hätte erfolgen sollen, anderen theils aber dem Stadt Rath nicht gebühret, ungescheuet in Universitaets Hauße aus 291

292

Vgl. dazu auch Ruth B, Die rechtlichen Beziehungen zwischen Universität Jena, dem Rat der Stadt und der Landesregierung von Sachsen-Weimar(-Eisenach) als Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts, Diss. Jena 1958. Ähnlich für Leipzig G, Jurisdiction, S. 182–232. „Die Ehrentugentsame Frau Sophia Dorothea weyl. Herrrn D. Caspar Achatii Becks, Fürstl. Sächs. gemeinschaftl. HofRaths und hiesige RechtsCollegiorum Ordinarii nachgelaßenen Wittibe, eine Slevogtin, zu Jena, Impetrantin, contra Stadt Rath hierselbst, zu Jena, Impetraten. Anno Christi 1768“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 688.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

seinen Mittel Personen abschicken und daselbst [...] actus iurisdictionis vernehmen laßen zu wollen.“293

Der Jenaer Stadtrat kontrastierte diese Argumentation mit seiner auf der Sorge um „Ordnung, Ruhe und Sicherheit“ beruhenden Amtspflicht.294 Weitere Argumentationslinien betrafen den Status des Verstorbenen als „fremder“ Einwohner, der über kein officium publicum verfügte und daher entsprechend der Observanz unter der Gerichtsbarkeit des Jenaer Stadtrates stehe. Der Bürgermeister Janson markierte zudem den Klagegrund Sophia Dorothea Becks als rechtlich fragwürdig, in dem er der Klägerin zur Delegitimation ihrer iusta causa litigandi individuelle, materielle Interessen am Nachlass von Taubadels zuschrieb. „Und können wir in Unterthänigkeit nicht verhalten, daß die Beckin, nur dadurch aufgebracht worden, weil wir eintzig und allein verhindert haben daß diese Wittib mit dem Taupadelischen Nachlaß nicht nach Gefallen schalten und walten dürffen. Wir hören sogar, daß die Beckische Wittib noch eines oder das Andere, so weder von uns noch von dem Hochlöbl[ichen] Hofgerichte obsigniret worden und dennoch zu der Verlaßenschaffte quaest. gehörig, in ihrem Beschluß haben solle.“295

Bartholomäus Janson setzte damit der Darstellung Sophia Dorothea Becks eine Interpretation entgegen, die die Einschaltung des Hofgerichts durch die Witwe als bloße Instrumentalisierung des Gerichts zur Durchsetzung ihrer illegalen Eigentumsansprüche an der Verlassenschaft abwertete. Dass am Ende auf Intervention der Landesregierung im Sinne des Stadtrates geurteilt wurde, lag an dessen Verweis auf das städtische Herkommen.296 Dementsprechend war der Stadtrat in diesem als possessio vel quasi verstandenem Recht zu schützen, solange kein Urteil in einem ordentlichen Prozess ergangen sei. Die subjektiven Rechtsansprüche der Klägerin wurden damit in Relation zur gewohnheitsrechtlichen Handhabung gewichtet und abschlägig beschieden. Maßstab dafür war die Orientierung am bewiesenen lokalen Recht. Dieses konnte der Stadtrat allerdings nicht immer so überzeugend darlegen, so dass seine Ansprüche in anderen Auseinandersetzungen abgewiesen wurden. Der folgende Fall entfaltet unter Berücksichtigung des lokalpolitischen Kontextes entsprechende Hintergründe.297 Auf einer zweiten Ebene bietet der Rechtskonflikt eine paradigmatische Analysegrundlage für die Auseinandersetzungen, in denen der von Frauen strategisch vorgenommene Besitztransfer verhandelt wurde. Der Prozessverlauf sei kurz skizziert: Das

293 294 295 296 297

Klage, 13. September 1768, ebd., Bl. 2r –3r , hier Bl. 2v . Schreiben des Jenaer Bürgermeisters Bartholomäus Janson, 26. Oktober 1768, ebd., Bl. 27r –50r . Ebd., Bl. 41r–v . Bescheid Anna Amalias von Sachsen-Weimar-Eisenach, 13. Januar 1769, ebd., Bl. 68r . „Die Reineckischen Testaments-Erben Johanna Dorothea Hegnerin und Cons. zu Schlaitz, Klägere contra den Bürgermeister Herr Licentiat Wilhelm Reinicke, zu Jena, Bekl.ten Anno Christi 1746“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

165

Verfahren war zunächst vor dem Jenaer Hofgericht anhängig und wurde mit einem Vergleich zwischen einer Erbengemeinschaft und dem Ehemann der Testatorin beendet. Im weiteren Verlauf schaltete sich der Jenaer Stadtrat ein, da obrigkeitliche Ansprüche auf Abzugsgelder zur Disposition standen. Neben dieser Konfliktlinie war die familieninterne Erbteilung zu absolvieren, die sich durch zwei voneinander unterscheidende Dispositionsgrundlagen diffizil gestaltete. Die Erbengemeinschaft ließ daher Privatgutachten von Juristenfakultäten einholen – mit unterschiedlichem Ergebnis. Am Ende wurde ein Vergleich in Form eines Decretum transigendi getroffen. Im Zentrum jener Auseinandersetzung stand ein Erbfall, der durch ein beim Jenaer Hofgericht deponiertes Testament und Kodizill von Anna Maria Reinecke strukturiert wurde. Die am 11. Mai 1746 verstorbene Frau des Jenaer Bürgermeisters setzte in ihrem Testament vom 31. März 1741 zunächst die Tochter ihres verstorbenen Bruders, Maria Magdalena Hegner, als Universalerbin ein.298 Zur Nichte, die bei ihr lebte und sie im Haushalt unterstützte, hatte die kinderlose Erblasserin ein besonderes Verhältnis. Dementsprechend sollte Maria Magdalena Hegner ihr Erbgut „eigenthümlich behalten und damit, als mit ihrem wahren Eigenthum, schalten und walten“.299 Ihr Mann Wilhelm Reinecke, mit dem sie in zweiter Ehe verheiratet gewesen war, sollte aufgrund des Ehevertrages vom 1. November 1732 von ihrem Vermögen, inklusive der 2.000 Reichstaler Dotalgelder, die Hälfte erhalten.300 Der Betrag ging jedoch bereits zu Lebzeiten in das Vermögen ihres Mannes über. Für späteren Konfliktstoff sorgte folgende Passage im Testament: „Ich solchemach wohl Ursach hätte, Ihm [ihrem Ehemann, d. Verf.] von meinem Vermögen nichts mehr zu gönnen, in mehrerer Erwägung er sich nicht so gegen mich bezeiget, wie er in denen Ehe=Pactis versprochen, noch sonst einen getreuen Ehegatten zukommt, nicht weniger auch dessen Jungfer Tochter [. . . ] ihren Ungehorsam und Wiederwillen in allen Stücken sehen und mercken laßen [. . . ] wie solches alles mit Grund der Wahrheit ihnen beyderseits nachsagen und hiermit contestiren muß.“301

Gleichwohl vermachte Anna Maria Reinecke ihrem Ehemann verschiedene Immobilien in Jena (Haus, Scheune, Acker, Wiesenfläche, Weinanbaufläche), die insgesamt einen Wert von 768 Gulden ausmachten. Im Kodizill bestimmte sie neben Maria Magdalena Hegner auch die anderen drei Töchter ihres Bruders und die Tochter ihrer Schwester als Universalerben.302 Im Testament hatte sie ihnen allen – zu gleichen Teilen – ein für 684 Gulden erkauftes

298 299

300 301 302

Testament vom 31. März 1741, ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 160, Bl. 10r – 18v . Ebd., Bl. 11v . Gleichzeitig bestimmte sie für ihre Nichte den Jenaer Bürger und Bäckermeister Georg Michael Müller als vertrauenswürdigen Vormund. Dieser Vormund wurde am 7. September 1746 vom Jenaer Hofgericht bestätigt (Bl. 76v ). Ebd., Bl. 12v . Ebd., Bl. 12v , 13r . Kodizill vom 21. Juni 1741, ebd., Bl. 20r –21v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Wiesengrundstück zugedacht.303 Bemerkenswerterweise beschränkte sich die Eigentumsverteilung auf die weibliche Linie ihrer Familie, erst in dem Kodizill gewährte sie ihren beiden Neffen je 25 Meißner Gulden.304 Ihren in Schleiz ansässigen Geschwistern, dem allerdings vor ihr verstorbenen Johann Rudolph Hegner und Anne Sybille Rudolph, hatte sie bereits zu Lebzeiten unbewegliches und bewegliches Vermögen überlassen, so dass sie ihnen nun lediglich ein dortiges Ackerstück vermachte. Mit ihrem Kurator Johann Gottfried Tannenberg, Johann Christoph Tannenberg und Johann Justus Fick u. a. benannte sie weitere Erben von Grundstücken und Mobilien. Insgesamt hatte Anna Maria Reinecke die Dispositionsmöglichkeiten über ihr Eigentum voll ausgeschöpft. Ihre Herkunftsfamilie privilegierte sie dabei gegenüber der Familie ihres Ehemannes. Als Legitimation für ihr Vergabekonzept diente das ihr gegenüber als nicht adäquat eingeschätzte Verhalten des Ehemannes und der Stieftochter. Gegen diese im Testament fixierte Nachordnung in der Erbfolge ging Wilhelm Reinicke umgehend vor. Nach der Testamentseröffnung im Juni 1746 hatte er zur Untersuchung des Falls eine Kommission beim Herzog erbeten, die aus dem Justizrat und Stadtsyndikus Trautmann sowie dem Vizebürgermeister und Stadtrichter Kromeyer bestehen sollte.305 Gleichzeitig machte er nach außen seine Eigentumsansprüche durch die Inbesitznahme eines beim Jenaer Löbdertor gelegenen Hauses deutlich – ohne die notwendige Versiegelung der Verlassenschaft vorzunehmen. Daraufhin erhoben im Juli 1746 neben dem Kurator der Universalerbin auch die Kuratoren der vier anderen unmündigen Nichten der Erblasserin Klage gegen Wilhelm Reinecke vor dem Jenaer Hofgericht.306 Dabei forderten sie eine eidliche Spezifikation bzw. ein Inventar der Verlassenschaft sowie das ihnen dem Testament nach zustehende Erbe ein.307 In einem Schreiben an das Hofgericht legten die Vormünder der Testamentserbinnen ihre Rechtsposition gegenüber dem Jenaer Bürgermeister dar.308 Auf unterschiedlichen argumentativen Ebenen stellten sie dabei mit der Integrität auch die Rechtsansprüche Wilhelm Reinickes in Frage. Rein juristischer Bezugspunkt bildeten zunächst die jura saxonica, nach denen der überlebende Ehegatte keinen Erbanspruch auf die Immobilien der verstorbenen Ehefrau habe. Die darauf abzielenden, über das Testament hinausgehenden materiellen Interessen des Bürgermeisters markierte die klagende Prozesspartei sprachlich mit Formulierungen, die die Unrechtmäßigkeit des Zugriffs auf ihr Eigentum akzentuierten. Reinicke habe die

303 304 305 306 307 308

Ebd., Bl. 14r–v . Ebd., Bl. 21r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 7r –8r . Die klägerische Seite wird im Folgenden unter dem Begriff ,Testamentserbinnen‘ bzw. Erbengemeinschaft zusammengefasst. Klage, ebd., Bl. 2r –4r . Schreiben an das Hofgericht, 18. Juli 1746, ebd., Bl. 10r –13r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

167

„Possession überall ergriffen“309 und wolle alles „zu sich setzen“.310 Ihre Ansprüche auf die im Haus befindlichen Mobilien unterstrich der Anwalt der Erbengemeinschaft, Johann Christian Beuthold, im ähnlichen Stil. Sie wollten sich durch Wilhelm Reinicke „die Possession nicht entziehen laßen“, er solle sich „aller Occupirung enthalten.“311 Mit dem Testament hätte ihm Anna Maria Reinicke doch „ein mehreres zugeeignet“, so dass es näher liege „mit beyden Händen zu[zu]greiffen“, als einen Prozess anzustrengen.312 Die innerfamiliären Machtverhältnisse definierte die klagende Prozesspartei vor dem Hintergrund des Testamentes neu. Nicht der Ehemann der Erblasserin war für die Verteilung des Erbes zuständig, sondern die Erbengemeinschaft. Nach Maßgabe des Inventars hätte Wilhelm Reinicke ihnen die Verlassenschaft zu überantworten und seinen Anteil herauszugeben – denn, „die Testaments=Erben selber, vermittelst eines Inventarii, die curam et custodiam übernehmen wollen und deßen befugt sind.“313 Die Einsetzung einer Kommission bewertete die Erbengemeinschaft aus verschiedenen Gründen als „illegal, strafbahr und unrecht.“314 Gerichtsstand des Bürgermeisters sei das Jenaer Hofgericht, den dessen Frau bereits durch die Hinterlegung des Testamentes und durch die Beauftragung mit der Testamentsvollstreckung als solchen anerkannt habe. Die weitergehenden Anwürfe waren erheblich. Den zur Kommission bestellten Justizrat Trautmann hielten sie unter der Voraussetzung einer „unpartheiischen JustizAdministration“ für voreingenommen. Dieser habe die Eheverträge vom 1. November 1732 für das Ehepaar Reinicke angefertigt, die den Besitzstand nicht nur für Anna Maria Reinicke, sondern letztlich auch für sie, ihre Erben, von höchstem Nachteil gestalteten.315 Ein weiterer Punkt war das als unrechtmäßig bewertete Verhalten des Bürgermeisters, mit dem die Vormünder dessen Rechtsansprüche aushebeln wollten. Er hätte seiner Frau weder eine Alimentation gewährt, noch die Beerdigung entsprechend den testamentarischen Vorgaben durch ihren Vormund, den Ratsverwandten Johann Christoph Tannenberg, ausrichten lassen. Letztlich müsse Wilhelm Reinicke seine rechtlichen Schritte wohl überlegen, da das Testament mit der Klausel versehen sei: Wer das Testament anfechte, solle vom „Vermögen gar nichts haben, noch bekommen, sondern dessen Vermächtniß dem alhiesigen Gottes Kasten anheimfallen.“316 Vor diesem Hintergrund erreichten die beiden Seiten einen Vergleich, den sie am

309 310 311 312 313 314 315 316

Ebd., Bl. 3r . Ebd., Bl. 10r . Schreiben an das Hofgericht, 6. September 1746, ebd., Bl. 43r –44r , Bl. 43v . Ebd., Bl. 11r . Schreiben an das Hofgericht, 6. September 1746, ebd., Bl. 43r –44r . Ebd., Bl. 10v . Ebd., Bl. 11v , Bl. 12r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Generalia, Nr. 160, Bl. 18r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

6. September 1746 vor dem Hofgericht bestätigen ließen.317 Der Vergleich legte die Gültigkeit des Ehevertrags und Testaments fest, und der Bürgermeister verpflichtete sich grundsätzlich zur Herausgabe des Erbes. Im Gegenzug erhielt er bis zum Ende des Jahres die Nutzungsrechte, musste jedoch auch die anfallenden Abgaben leisten.318 Damit war die Angelegenheit ohne weitere gerichtliche Auseinandersetzung zunächst befriedet, der Erbteilungsprozess eingeleitet. Im Dezember 1746 meldeten sich allerdings mit dem Kurator der Erblasserin, Johann Christoph Tannenberg und Johann Justus Fick Gläubiger und Miterben beim Hofgericht, die ihre Ansprüche – sie beliefen sich auf rund 51 bis 55 Reichstaler – auf ihre Legaten geltend machten und diese wiederholt im März 1747 abforderten.319 Neben diesem Problem wurde die Erbteilung zusätzlich durch eine Auseinandersetzung mit dem Jenaer Stadtrat flankiert. Die Universalerbin lebte in Schleiz, der Residenz des Fürstentums Reuß-Schleiz, wohin sie auch ihr Mobiliareigentum transferieren wollte. Der Jenaer Stadtrat verwies auf seine obrigkeitlichen Ansprüche auf Erb- und Abzugsgelder und untersagte der Erbin bei zehn Reichstalern Strafe den Transfer der Mobilien sowie überhaupt die Verteilung der Erbschaft.320 Nach Auffassung der Erbengemeinschaft konnten jedoch von dem beweglichen Vermögen und Haushaltsgegenständen keine Abzugsgelder gefordert werden, zumal sie noch über Eigentum (Weinberg, Scheune, Garten, Wiese) in Jena verfügte und in diesem Sinne ortsansässig war. In einem Bescheid vom 8. September 1747 entsprach das Hofgericht der Rechtsposition der Erben und wies den Stadtrat an, diese nicht weiter in ihren Erbangelegenheiten zu behindern.321 Der Stadtrat sah sich durch diese hofgerichtliche Anweisung in seiner städtischen Finanzautonomie beschnitten. Unter Bezug auf ein entsprechendes herzogliches Reskript machte der Stadtrat dem Gericht daraufhin deutlich, dass dem Stadtrat und dem Rentamt je zu Hälfte zehn Prozent Abzugsgelder von der auswärtigen Miterbin Johanna Dorothea Knüpfer zustünden.322 Als Voraussetzung für die Bestimmung des Abzugsgeldes sowie der rechtmäßig anfallenden Gefälle müsse das Bargeld und das andere bewegliche Vermögen inventarisiert werden. Dies hätten jedoch die vom Stadtrat als „Querulanten“ betitulierten Testamentserbinnen nicht getan. Der unter obrigkeitlichem Ausschluss vollzogene Teilungsmodus wurde zudem als mit einer Strafe zu sanktionierendem Vorgang bewertet. Ein weiterer Punkt war die Frage des Gerichtsstandes, den der Stadtrat aus zwei Gründen 317 318 319 320 321 322

Vergleich, 6. September 1746, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 47r –48v . Ebd., Bl. 48v . Schreiben an das Hofgericht, 22. Dezember 1746, ebd., Bl. 49r –50r ; Schreiben an das Hofgericht, 7. März 1747, ebd., Bl. 52r –53r . Schreiben an das Hofgericht, 6. September 1747, ebd., Bl. 58r –60v . Vgl. K, Jena, S. 188. Bescheid an den Jenaer Stadtrat, 8. September 1747, ebd., Bl. 61r . Stadtrat an das Hofgericht, 13. September 1747, ebd., Bl. 61r –71v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

169

bei sich und nicht beim Hofgericht sah. Zum einen war die Erblasserin Jenaer Bürgerin, die „bürgerliche Nahrung exerciret“ hätte.323 Zum anderen stünde auch die Universalerbin Maria Magdalena Hegner als auswärtige, unmündige Person unter der Obervormundschaft und Jurisdiktion des Stadtrates. Ihr Kurator sei schließlich dem Stadtrat hinsichtlich der jährlich vorzulegenden Vormundschaftsrechnungen rechenschaftspflichtig.324 Mit Rekurs auf seine obrigkeitlichen und jurisdiktionellen Rechte kündigte der Stadtrat die Einschaltung des Herzogs ein, um die Stadtkämmerei in ihren „wohlhergebrachten juribus auch lequiden Gefällen gerechtest schützen“ zu lassen.325 Dem Stadtrat ging es dabei nicht nur um die symbolische Behauptung von Privilegien. Die Eintreibung städtischer Steuern und Abgaben war in Zeiten einer ausgesprochen desolaten Finanzsituation schlichtweg eine existentielle Frage. Seit 1740 befand sich Jena in einer ökonomischen Krise, die die nächsten Jahrzehnte bis zum Ende des Jahrhunderts andauern sollte.326 Darauf nahm der Stadtrat Bezug, verwies auf seine „schwere Verantwortung“ hinsichtlich der Vorgänge, die dem „ohnedem in sehr schlechten Umständten sich befindenden Cämmerey=Aerarium einen großen Schaden besorgen müßen.“327 Vor diesem Hintergrund kämpfte der Stadtrat um entsprechende Einnahmequellen, die ihm insbesondere aus solchen „etwas wichtigen Vermögen“ zuflossen.328 Dass es hier um eine „ziemlich wichtige Erbschafft“ ging, schob er dann auch entsprechend oft in seiner Argumentation gegenüber dem Herzog ein.329 Die Vermögenswerte des Erbes betreffend, vertrat die Seite der Testamentserben freilich eine konträre Ansicht. Ihr Anwalt Beuthold setzte dem Stereotyp gemäß die Schutzrechte für Waisen in Beziehung zu der für ihre Subsistenz notwendigen Erbschaft. Diese stelle allerdings keineswegs eine ausreichende materielle Basis bereit: „Wir sind insgesammt arme und theils unerzogene Waysen und bringen von der Erbschafft gar wenig davon.“330 Die Landesregierung bestätigte dann 323

324

325 326 327 328 329 330

,Bürgerliche Nahrung‘ wurde zeitgenössisch als Sammelbegriff für alle Arten von „Handthierungen, Professionen, Handwercker, Gewerbe, Kauffmannschaft, Handel und Wandel“ definiert. Z, Universal-Lexicon, Bd. 23, Sp. 538. Bericht des Jenaer Stadtrats an den Herzog, 7. September 1747, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 75r –81r , hier Bl. 77v . Vgl. dazu das Patent vom 29. Februar 1732: „Es sollen künftighin alle Theilungen, besonders, wo Abwesende, Unmündige oder personae miserabiles mit interessiret, wenn solche unter Bürgern, Amts=Unterthanen oder Gerichtssassen geschehen, jedesmahl mit Zuziehung des Beamten und der Gerichte jedes Orts, wohin die Sache gehöret, vorgenommen, und von diesen kürzlich ad protocollum gebracht werden.“ S, Gesetze, Bd. 2, S. 567. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 71r . Zum Finanzwesen Jenas um 1800 vgl. D, Stapelstadt, S. 265–283. Bericht des Jenaer Stadtrats an den Herzog, 7. September 1747, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 75r –81r , hier Bl. 79r . Ebd., Bl. 75v . Ebd., Bl. 78r . Schreiben an das Hofgericht, 6. September 1747, ebd., Bl. 59r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

auch die Position des Jenaer Hofgerichts, Abzugsgelder erhielt die städtische Kämmerei damit nicht.331 Die Differenzen unter den Erbinnen bzw. ihren Vormündern dauerten indessen an, da die im Testament und im Kodizill getroffene Erbeinsetzung noch immer nicht zugunsten einer Variante interpretiert wurde. Der Vormund der im Testament genannten Universalerbin Anna Maria Hegner ließ daher ein Privatgutachten bei der Jenaer Juristenfakultät einholen, das den Fall zugunsten seiner Kurandin beurteilte.332 Danach wurde die Sukzession entsprechend des Testamentes aufrechterhalten, die im Kodizill vier zusätzlich als Universalerben eingesetzten Nichten als rechtlich ungültige Regelung bewertet. In einem Kodizill könne zwar eine Schenkung auf den Todesfall, jedoch keine Erbeinsetzung vorgenommen werden. Ausschlaggebend für den Bescheid war jedoch, dass im Kodizill die Formel fehlte: „zu meinen wahren und alleinigen Erben [. . . ] eingesetzt.“333 Anna Maria Hegner könne demnach ihre drei Schwestern und ihre Cousine von dem Erbe ausschließen. Die Vormünder der Geschwister nahmen daraufhin die Dienste der Leipziger Juristenfakultät in Anspruch, die für das Kodizill als rechtlich maßgebliche Grundlage der Erbteilung entschied. Das dritte Gutachten ließ die Erbengemeinschaft zusammen von Halle anfertigen, das mit dem Leipziger konform ging. Im Mittelpunkt des Responsums stand die Testierfreiheit, die auch die Freiheit zur Änderung eines Testamentes einschließe.334 Vor diesem Hintergrund entschieden sich die Vormünder der Erbinnen für einen Vergleich, der alle zu gleichen Teilen berücksichtigte. Dieser Vergleich wurde am 20. März 1748 von dem Jenaer Hofgericht bestätigt.335 Im Vergleich zum Fall Faber zeigt diese Erbregulierung ein anderes, wenn auch ebenso typisches Aushandlungsmuster. Zum einen wurde wie in vielen anderen Fällen über die Regulierung von Erbgängen Konflikte der städtischen Gesellschaft mitverhandelt. Zum anderen ist dieser Fall ein Beispiel für die Bestrebungen der Erben, das hinterlassene Eigentum im Sinne der Erblasserin möglichst konsensual zu verteilen. Dies gelang sowohl im Konflikt der Universalerbinnen mit dem Ehemann der Verstorbenen als auch bei der Erbteilung zwischen den Erbinnen. Dass die Erblasserin ein Testament anfertigte und beim Hofgericht deponierte, geschah offenbar sehr bewusst mit Blick auf ihre potenziell konfliktauslösende Disposition.336 Die gesetzliche 331 332 333 334 335 336

Herzog Ernst August an das Hofgericht, 11. Dezember 1747, ebd., Bl. 98r . Schreiben an das Hofgericht, 26. Februar 1748, ebd., Bl. 104r –107r . Gutachten der Juristenfakultät Jena, 18. September 1746, ebd., Bl. 108r –115r , hier Bl. 112r–v . Gutachten der Juristenfakultät Halle, ebd., Bl. 116r –123r , hier Bl. 118r . Decretum transigendi, 20. März 1748, ebd., Bl. 126r–v . Vgl. Margareth Lanzingers These, dass den mit den Testamenten verfolgten Erbstrategien zur Vermeidung von Streitigkeiten ein ausgeprägtes Rechts- und Konfliktbewusstsein zugrundelag. Margareth L, Generationengerechtigkeit mittels Vertrag. Besitz- und Vermögensregelungen zwischen Reziprozität und Unterordnung, Ausgleich

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

171

Erbfolge hätte ihren Ehemann entscheidend begünstig. Im testamentarischen Eigentumstransfer propter mortem bedachte sie allerdings vorrangig ihre Herkunftsfamilie. Mit dem Testament nutzte sie die Option, den Eigentumstransfer eigenständig und in Abhängigkeit von Beziehungsqualitäten zu organisieren. Ihrem Ehemann bzw. seiner Herkunftsfamilie entzog sie dabei den von ihm erwarteten Status als Universalerben, nicht ohne diesen Schritt mit dem Verweis auf dessen Vertragsbrüchigkeit bezüglich der Eheverträge zu legitimieren. Argumentierte Johann Wilhelm Siebers Anwalt zur Einforderung des Erbes mit Reziprozitätsvorstellungen, waren diese auch hier für die Erblasserin handlungsleitend – allerdings im umgekehrten Sinn.337 Im Übrigen wurde auch in diesem Fall mit den beiden Dispositionen (Testament, Kodizill) die Testierfreiheit der Erblasserin bestätigt. Lediglich das vom Vormund der testamentarisch eingesetzten Universalerbin eingeholte Gutachten entkräftete interessegeleitet das Kodizill mittels einer rechtlich vagen Konstruktion, die die Frage der Testierfreiheit allerdings nicht tangierte.338 Dass es die Vormünder der Universalerbinnen nicht auf einen Prozess ankommen ließen, begründeten sie unter Rekurs auf das Leitbild geschwisterlicher Eintracht mit dem verwandtschaftlichen Näheverhältnis. Im Zentrum stand jedoch die Intention, die Erbschaft als zu sichernde Eigentumsbasis zusammenzuhalten und nicht durch eine Prozessführung zu dezimieren.339 Aushandlung von Erbe innerhalb und zwischen den Generationen

Als ungleich und ungerecht ausgedeutete erbbedingte Eigentumstransfers sorgten für Konfliktpotential unter den um ihre Anteile konkurrierenden Akteuren. Auf welcher Basis diese rechtlich austariert werden konnten, ist anhand von unterschiedlichen, in ihren Argumentationsmustern repräsentativen Parteien- und Erbkonstellationen zu demonstrieren. Exemplarisch werden dabei Aushandlungsprozesse aus dem Bereich intra- und intergenerationeller Konfliktlagen in den Blick genommen, die zugleich für weitere signifikante Grundkonflikte stehen. Vor dem Jenaer Hofgericht prozessierten typischerweise vor allem Ge-

337

338 339

und Begünstigung (zweite Hälfte 18. Jahrhunderts), in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 241–263, hier S. 263. Auf diesen Zusammenhang von Ökonomie, Gerechtigkeit und Emotionen, der Sanktionierung von Verhalten in testamentarischen Verfügungen hat auch Gertrude LangerOstrawsky verwiesen. Gertrude L-O, Bäuerliche Testamente als Instrumente der Generationengerechtigkeit in der niederösterreichischen Stiftsherrschaft Göttweig (18./19. Jahrhundert), in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 265–280. Vgl. zu den Parteigutachten, die Konflikte im Sinne des zahlenden Auftraggebers entschieden F, Consilia. Es sei nicht schicklich, „daß wir als Geschwister, die wir ohnehin außer dieser Erbschafft nichts im Vermögen haben, mit einander streiten und dieses wenige verprocessiren wollen“. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1058, Bl. 105v , Bl. 106r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

schwister um ihre entsprechenden Erbteile. Dabei waren die Konflikte besonders dann virulent, wenn Eigentumsrechte zu Lebzeiten übertragen wurden und die Geschwister des (Hof-)Erben ihre Ansprüche geltend machten.340 Ähnlich gelagert war der Fall bei Juliane Sophie Letsch aus Kahla, die gegen Ende des Jahres 1800 gegen ihren Bruder, den Müller Johann Adam Alexander Letsch aus Leutra vor dem Jenaer Hofgericht appellierte.341 Ausgangspunkt des Konflikts war die vier Jahre zuvor vollzogene Übereignung des gesamten väterlichen und mütterlichen Mobiliar- und Immobialvermögens an ihren Bruder. Dies geschah in Form eines gerichtlich bestätigten Kaufkontraktes, der auf einen Betrag von 3.000 Reichstalern ausgestellt war. Bedingung des Besitztransfers war, dass die Eltern auf Lebenszeit die Dispositionsbefugnis über das Vermögen und die Wirtschaft überlassen bleiben sollte. Darüber hinaus wurde den Kindern die genannte Summe „zum Erbtheil und zur Vertheilung“ angewiesen.342 Die aus dieser Transaktion resultierende Nachordnung der Tochter beabsichtigte der Vater nach Angabe der Klägerin auszugleichen. Zur Umsetzung dieser mündlichen Garantie kam es allerdings durch den kurz darauf erfolgten Tod des Vaters nicht mehr. Zwei Jahre bemühte sich Juliane Sophie Letsch zusammen mit ihrem Ehemann erfolglos um eine Abfindung für ihre Erbportion. Am Ende versuchte sie auf rechtlichem Weg „ein mit dem Werthe des überkommenden Vermögens in Verhältnis stehendes nach richterlichen Ermessen zu bestimmendes Abfindungsquantum“ zu erhalten.343 Die Klägerin legte vor dem Amt Jena einen Eid als Beweis über die Zusage des Vaters ab. Dennoch wurde die Klage abgewiesen, lediglich die Kosten waren gegeneinander zu kompensieren. Ausschlaggebend dafür war das ihrer Klage zugrunde gelegte Versprechen, das „nichts genug Bestimmtes enthielte, um daraus ein Klagrecht zu erlangen.“344 Da auch ein von der Juristenfakultät Leipzig eingeholtes Gutachten dieses Urteil bestätigte, wandte sich Juliane Sophie Letsch an das Hofgericht. Das Gericht erließ daraufhin eine Inhibition an das Amt Jena und die bisherigen Entscheide wurden außer Kraft gesetzt, „um der Appellantin an ihrem Recht nicht schädlich oder nachteilig“ zu sein.345 Weitere Verhandlungen vor dem Jenaer Hofgericht erwiesen sich jedoch als nicht mehr notwendig, denn Ende Februar 1801 erreichten beide Seiten einen au-

340 341

342 343 344 345

Vgl. dazu Martine S, ,Sein Teil haben’. Geschwisterbeziehungen in einem egalitären Vererbungssystem, in: M/S (Hrsg.), Emotionen, S. 181–198. Klage, 22. Dezember 1800, „Acta Appellationis Julianen Sophien, verehl. u. geb. Letschin zu Cahla, Appellantin am einen, entgegen Johann Adam Alexander Letsch, EigenthumsMüller zu Leutra am andern Teil. A. C. 1800. 1801“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 834, Bl. 1r –17v . Ebd., Bl. 3r . Ebd., Bl. 5r . Ebd., Bl. 8r–v . Inhibition, 7. Januar 1800, ebd., Bl. 20r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

173

ßergerichtlichen Vergleich.346 Daraus geht hervor, dass sich die Appellantin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder auf eine Abfindungssumme von 450 Meißner Gulden einigen konnten. Juliane Sophie Letsch erhielt damit zusätzlich etwa ein Drittel des Betrages, der ihr als Pflichtteil zustand. Die Argumentationsmuster der Appellationsschrift von Juliane Sophie Letsch implizieren eine ausgeprägte Geschwisterkonkurrenz als Hintergrund der Auseinandersetzung um die gerechte Verteilung des elterlichen Eigentums. Ihre durch den Eigentumstransfer an den Bruder manifestierte Nachordnung führte die Appellantin auf dessen Bevorzugung durch die Mutter zurück. Dies lag ganz auf der Argumentationslinie ihres Anwalts, der den ,eigentlichen‘ Willen des Vaters nicht in der Entsprechung zum Kaufkontrakt, sondern in ihrem auf Gleichheit ausgerichteten Verständnis interpretierte. Während diese Konstruktion ihre Rechtsansprüche fundieren sollten, wurde die elterliche Eigentumsübergabe an den Bruder als strategisches Resultat der interessegeleiteten Einflussnahme ihrer Mutter auf den Vater deklariert. Insgesamt wurde dabei das Verhalten der Mutter systematisch diskreditiert. Der sterbenskranke Vater hätte auf „Andringen“ der Mutter den Abschluss des Vertrages geschehen lassen. Nur die Instrumentalisierung der Unterlegenheit ihres Mannes aufgrund seiner persönlichen Situation und ihrer generellen Machtposition ihm gegenüber hätten zu dessen interventionsloser Akzeptanz der Übergabe geführt.347 Mit diesem anwaltlichen Interpretationsangebot wurde die Legitimität des Kaufkontrakts zwar nicht gänzlich in Frage gestellt, doch sollte diese den argumentativen Spielraum vollauf nutzende Darstellung zumindest dessen rechtliche Fragilität suggerieren. Zentraler Punkt in der anwaltlichen Argumentation war nun in einem zweiten Schritt der Versuch, das väterliche Versprechen als rechtsgültig zu konturieren. Verwies der Anwalt dazu vage auf die der Klägerin bereits von verschiedenen Juristen bescheinigte „gerechte Sache“348 , wurde das argumentum ab auctoritate durch den Rekurs auf Christian Thomasius‘ Lehrmeinung zum unbestimmten Versprechen noch verdichtet: „Unter den unbestimmten Versprechen welchen die Rechte Würksamkeit absprechen, können durchaus auch keine andern zu verstehen seyn, als solche in Ansehung daran gar nicht nachgekommen ist, wohin die Intention des Promittenten gegangen sey und die in desßen Willkühr so ganz beruhen, daß außer dieser durchaus kein Maastab sich finden läßt, denn sobald aus den Umständen, unter welchen das Versprechen geschahe, und der Promittent und Promißor resp. bey Äußerung und Annahme des Versprechens im Auge hatten, eine

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348

Vergleich, 21. Februar 1801, ebd., Bl. 22r –23r . „Als mein Vater, der verstorbene Müller Johann Gottfried Letsch zu Leutra, im Jahr 1796 auf das Krankenlager geworfen worden war und in dieser Lage dem Andringen meiner Mutter, die von jeher eine grose Gewalt über ihn geübt hatte, und ihren Sohn Adam Alexander Letsch begünstigte, nicht länger widerstehen konnte, daß diesem die Mühle und sämtliche väterliche und mütterliche Habe für 3000 rh zugeschlagen werden sollte.“ Ebd., Bl. 16v . Ebd., 16v .

174

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Bestimmung und ein Maasstab sich ausfinden lässt, sobald [. . . ] nach der Natur der Sache das Versprechen auch unbestimmt zu seyn und eo ipso hat Promittent an diese Bestimmung welche die Umstände an die Hand geben, sich gebunden.“349

Ausgehend von dieser Einschätzung versuchte der Anwalt der Appellantin dem Gericht plausibel zu machen, dass ihre Klage nicht auf einem unbestimmten Versprechen basiere. Zudem war die Intention des Vaters im Sinne der Klägerin als rechtsrelevant auszuweisen. Dazu wurde – auch vor der Folie der Geschwisterkonkurrenz – die Beziehung zwischen Tochter und verstorbenem Vater konsequent positiv konnotiert. Ihr Vater habe „niemals in seiner Zuneigung mich zurückgesezt, sondern vielmehr nur auf mich und meinen Ehemann Philipp Letsch, der sein Halbbruder und vieljähriger vertrauter Freund war, mehr als auf vorbenannten seinen Sohn gehalten.“350 Der Vater habe bei Übergabe der Güter ihren Ehemann konsultiert, der dabei „unverhohlen“ äußerte, dass sie „hierbey sehr verkürzt“ worden sei.351 Vor dem anwesenden Gerichtspersonal hätte er allerdings kein Veto eingelegt, zumal der Vater „ihm durch die mit seiner zwischen ihnen beyden gewöhnlichen Herzlichkeit ertheilten ausdrückliche Versicherung“ gab, dass er das, „was bey diesem Contract nicht gleich sey, noch gleich machen wolle.“352 Mit dem Verweis auf die gute Beziehung zwischen Juliane Sophie Letsch und dem Vater zielte der Anwalt legitimatorisch auf ihre prinzipielle Erbwürdigkeit im Sinne eines vermuteten Eigentümerwillens. Damit einher ging ihr Anspruch auf eine erbrechtliche Gleichbehandlung mit dem Bruder. Dabei wurde der „ernstliche Wille des Vaters“ akzentuiert, die durch den Kaufkontrakt mit seinem Sohn entstandene Benachteiligung der Tochter zu korrigieren. Danach wollte er ihr eine „die verwaltende Ungleichheit aufhebende“, dem eigentlichen Betrag ihrer Erbportion „angemeßne Entschädigung“ gewähren.353 Damit sollte sie „dem Sohn gleich gesezt werden.“354 Wie diese Gleichheit von Juliane Sophie Letsch im behaupteten Einklang mit der väterlichen Intention ausgedeutet wurde, verdeutlichte ihr Anwalt unmissverständlich. Bei einer gleichen Verteilung des Erbes stünden Juliane Sophie Letsch 3.000 Reichstaler zu. Ein Akt der Ungleichheit und Ungerechtigkeit wäre es, würde sie statt dieser zugesicherten Summe lediglich das von einer Disposition unabhängige Pflichtquantum von 1.333 Reichstalern und 8 Gulden erhalten. War der Wille des Erblassers durch die Qualität der Beziehung zu seiner Tochter und einer intendierten egalitären Erbteilung umrissen, bemühte der 349

350 351 352 353 354

Ebd., Bl. 8v , 9r ; Dissertatio CXII. De obligatione ex promissione rei incertae, in: Christian T, Dissertationum academicarum varii imprimis juridici argumenti, Bd. 4, Halle/Magdeburg 1780, S. 90–133, § 31 und 33. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 834, Bl. 1v , 2r . Ebd., Bl. 2r . Ebd., Bl. 2r–v . Ebd., Bl. 10r–v . Ebd.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

175

Anwalt darüber hinaus auch vertragsrechtliche Argumente. Nach „deutschen Rechten“ würden „alle Successions=Verträge ohne eine besondere Form gelten, wenn nur die Meinung der Contrahenten erathen werden kann.“355 In der Tat ließen die rechtlichen Normen einen „Vergleich wegen Nachfolgung in eines annoch lebenden Erbschaft“ zu.356 Im Gegensatz zum römischen Recht galt „bey uns Deutschen das bekannte Verbot nicht, daß sich nemlich niemand durch ein ausdrückliches Pact oder Vergleich seines Rechtes, nach Belieben zu testiren oder seinen letzten Willen auf die sonst gewöhnliche Art und Weise zu erklären, begeben, und also einem andern bey seinen Lebzeiten die gewisse Hoffnung, alles und jedes, was er einmahl verlassen möchte, auf den Todes=Fall von ihm zu erben, machen solle.“357 Mit dem Verweis auf ein entsprechendes Urteil der Juristenfakultät Wittenberg vom März 1710 befindet auch Zedlers Universal-Lexicon einen solchen „Erb-Vergleich“ in der Gerichtspraxis in dem Sinne anerkannt, als „daß nach denen heutigen durch gantz Deutschland eingeführten Rechten die gesamten Erbschafften nicht allein durch Testamente, Codicille und Schenckungen auf den Todes=Fall, sondern auch durch Contracte und Verträge unter Lebendigen nachgelassen werden können.“358 Da erstinstanzlich der von der Klägerin behauptete väterliche Wille und damit ein pactum successorium als nicht erwiesen abgelehnt wurde, unterlegte der klägerische Anwalt die Argumentation vor dem Hofgericht mit einem abschließenden Appell an tradierte Rechtsprinzipien. Im Sinne des Topos „ein Wort, ein Mann“ rekurrierte er dabei auf die Verbindlichkeit mündlicher Verträge, so wie sie ausgesprochen wurden.359 Die Perspektive der Beklagten kam vor dem Hofgericht nicht mehr zum Ausdruck, da der Schritt zum Hofgericht ausreichte, um außergerichtlich einen Vergleich auszuhandeln. Alles in allem konnte Juliane Sophie Letsch somit durch die Nutzung des Rechtsweges, inklusive des Instanzenzuges, eine Korrektur ihrer durch die elterliche Erbfolgeregulierung definierte und ihrem Bruder gegenüber ungünstigere Eigentumsposition erreichen. Das Jenaer Hofgericht setzte die erstinstanzliche Entscheidung aus und stellte damit ihre erbrechtlichen Gleichheitsansprüche auf eine neue Verhandlungsbasis. Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung wurde mit dem daraufhin erreichten Interessenausgleich obsolet. Die Rückweisung der Ansprüche Juliane Sophie Letschs auf der niedergerichtlichen Ebene darf 355 356 357

358 359

Ebd., Bl. 16r . Art. Pactum Successorium, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 151–153, hier Sp. 151. Dietrich Gotthard E, Erklärung der jurisprudentiae civilis, das ist: die gantze römische Rechts-Gelahrtheit nebst den gemeinen sächsischen Rechten und jure saxonico electorali, 1. Bd., Leipzig/Breslau 1734, S. 378. Art. Pactum Successorium, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 152. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 834, Bl. 16r . Die Frage nach dem Willen oder Irrtum blieb damit unberücksichtigt. Dazu G, Privatrecht, Bd. 1, S. 288.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

nicht als Reproduktion geschlechtsspezifischer Ungleichheit fehlinterpretiert werden.360 Gerade in Relation zu ähnlichen Fällen wird deutlich, dass es hier ausschließlich um die Argumentation der Klägerin mit einer als Rechtsfigur nicht anerkannten Rechtsbehauptung ging. Davon abgesehen verweist auch dieser Fall auf die bei Erbfällen hochvirulenten Gleichheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen, die in diesem Kontext an Beziehungsqualitäten und nicht an geschlechtsspezifische Distinktionen gekoppelt waren. Dies galt auch für die Argumentationen, die sich über Fragen erbrechtlicher Gleichstellung hinaus auf die Subsistenz bezogen. 1772 appellierte die verwitwete Elisabeth Rosine Wilhelmine Mackenrodt gegen ihre Schwester Dorothea Sophie Caroline Scheffenberg aus Dornburg sowie ihren Bruder, den Jenaer Kauf- und Handelsmann sowie Ratsverwandten Rudolph Heinrich Scheffenberg vor dem Hofgericht gegen ein Urteil des Amtes Dornburg, das auf einem Hallenser Gutachten beruhte.361 Die Klägerin forderte von ihren Geschwistern ihre Anteile des väterlichen, mütterlichen und brüderlichen Erbes ein, die sie seit über dreizehn Jahren erfolglos erbeten hatte. Fokus ihrer Argumentation vor dem Hofgericht lag auf der Subsistenz, die in weiterreichende Begründungsstrukturen integriert war. So wurde zunächst das Leitbild geschwisterlicher Eintracht als Norm zitiert, um die durch den Gang der Klägerin zum Gericht manifestierte Normabweichung zu begründen und damit zugleich mögliche Gegenangriffe auf dieser Ebene auszuhebeln. Dazu rückte Elisabeth Mackenrodts Anwalt zunächst die gütliche Einigung als Zielvorstellung in das Zentrum. Des Weiteren wurde ihren Geschwistern ein rechtlicher und moralischer Normbruch zugeschrieben, um daraus das Begründungsmuster für die Initiierung eines rechtsförmigen Konfliktaustrags zu entwickeln: „Es ist mein aufrichtiger Wunsch, die zwischen mir und meinen Geschwistern obwaltende unselige Streitigkeiten gütlich beyzulegen. Gleichwohl gehen die Beklagte, meine Geschwister, so wenig brüderlich und schwesterlich mit mir um, daß sie durch Vorenthaltung meines mütterlichen und väterlichen Vermögens mich in der großen Noth darben laßen und dadurch die Verkürtzung meines kummervollen Lebens unfehlbar bewürcken werden.“362

Die Vorenthaltung ihrer Erbportion wurde damit – rhetorisch dramatisierend – in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Lebensperspektiven und ihrer materiellen Bedürftigkeit gerückt. Hochappellativ zog sich dieses Argumentationsmuster durch die komplizierte Auseinandersetzung. Die „unrechtmäßige Vorenthaltung“ ihres Erbteils würde sie in die „bedrängtes-

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362

Zur These einer Reproduktion sozialer Ungleichheit im Erben z. B. B, Vermögen. „Der verwittibten Inspectorin Elisabethen Rosinen Wilhelminen Mackenrodtin, einer Scheffenbergin zu Jena und Appellantin, contra Ihre beede Geschwistere Dorotheen Sophien Carolinen Scheffenbergin, zu Dornburg und den Raths-Verwandten Rudolph Heinrich Scheffenbergen zu Jena, Beklagte und Appellaten. Anno Christi 1772“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1149. Gutachten des Hallenser Spruchgremiums, Bl. 134r –142r . Schreiben an das Hofgericht, 24. Juli 1772, ebd., Bl. 14r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

177

ten“ Umstände363 versetzen, zumal sie „kaum den nothdürftigen Unterhalt ihres Lebens“ hätte und damit „weitere Kosten in dieser Sache zu bezahlen außer Stand gesezt“ sei.364 Bemerkenswerterweise wurden die Argumente nicht mit ihrer Rechtsposition als Witwe verbunden. Statt der „armen bedrängten Witwe“ ging es um die „arme bedrängte Person“.365 Damit wurden auch nicht die Schutz- und Standesrechte als Witwe funktionalisiert, sondern vielmehr der sozialnormativ verankerte Anspruch auf ein ihrem (sozialen) Stand angemessenes Einkommen („standesgemäße Nahrung“) und ihren „Unterhalts auf die Zukunft“ akzentuiert.366 Armut war in diesem Kontext ein topisches Argument, über das materielle Ansprüche zwar geltend gemacht wurden, jedoch weniger mit einer realen existenzgefährdenden Bedürftigkeit korrespondierte. Geradezu ironisch ist daher der hofgerichtliche Hinweis zu verstehen, doch ihre „vorgebliche Armuth“ zu bescheinigen und im Armenrecht zu klagen.367 War insgesamt die über die Teilhabe am Erbe eingeforderte standesgemäße Nahrung zentraler Verhandlungsbestandteil, wurde dies in einem abschließenden Votum des klägerischen Anwalts auf eine prinzipielle Ebene gehoben sowie topisch als das „ihr von Gott und Rechts wegen zu kommende Erbtheil“368 überformt. Am Ende konnte Elisabeth Mackenrodt ihre Eigentumsposition in einem Zwischenurteil verbessern, in dem sie statt den von dem Hallenser Gutachten zuerkannten fünften, den vierten Erbteil der väterlichen Erbmasse erhalten sollte.369 Von den noch vorhandenen väterlichen und mütterlichen Gütern wurden ihr zudem Nutzungsrechte (Naturalien) zugesprochen. Die beklagten Geschwister mussten bezüglich zur Erbmasse, die einer Collation370 unterlag, ihren Rechtsstandpunkt in einem Beweisverfahren bzw. mittels Eid belegen.371 Mit Blick auf Erbstreitigkeiten zwischen den Generationen erwiesen sich neben Haus- und Hofübergaben auch (scheinbar) nicht an familiale Entwicklungen angepasste Dispositionen als potenziell konfliktauslösend. 363 364 365 366

367 368 369 370 371

Schreiben an das Hofgericht, 7. September 1772, ebd., Bl. 21v . Hofgerichtstermin, 12. März 1773, ebd., Bl. 51v , 52r . Ebd., Bl. 68v . Schreiben an das Hofgericht, 7. September 1772, ebd., Bl. 21v . Vgl. zur frühneuzeitlichen Leitkategorie ,Nahrung‘ als ständisch ausdifferenzierte Begrifflichkeit für den Lebensunterhalt B, Nahrung; Christine W, Auskommen: Arbeit und Nahrung, in: Stephan W/Siegrid W (Hrsg.), Lesebuch Altes Reich, München 2006, S. 176–188; Gesa I, Witwen in der Frühen Neuzeit. Eine kulturhistorische Studie, Frankfurt a.M. 2006. Hofgerichtsurteil, 19. März 1773, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1149, Bl. 125v . Hofgerichtstermin, 12. März 1773, ebd., Bl. 69r . Hofgerichtsurteil, 19. März 1773, ebd., Bl. 125r–v . Collatio ist die Einwerfung des Vermögens des Erblassers in die gemeinschaftliche Erbschaft: Art. Collatio, in: H, Repertorium, Bd. 2, S. 936–940. Es kam zwar zu weiteren Verhandlungen, ein abschließendes Urteil ist allerdings nicht überliefert.

178

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Typische Konfliktkonstellation betrafen dabei aufgrund der zeittypischen Mehrfachheiraten die wechselnden Schwieger- und Stiefverhältnisse,372 wobei die jeweiligen Akteure den Willen des Erblassers den eigenen materiellen Interessen gemäß flexibel auslegten. Eine in dieser Hinsicht beispielhafte Auseinandersetzung war eine Erbstreitigkeit, die ein Testament Michael Sanders aus Umpferstedt auslöste. Am 11. Mai 1701 appellierten die Kinder des Erblassers vor dem Hofgericht gegen ein erstinstanzliches Urteil, das nach ihrer Auffassung die Stiefmutter Christine Sander, zweite Ehefrau des Erblassers, begünstigte.373 Michael Sander hatte seine Kinder aus erster Ehe testamentarisch zu Erben seiner Verlassenschaft ernannt. Seine Frau Christine Sander erhielt als Legat ½ Hufe Land mit einem Haus, Hof und Garten mit dem Hausrat, den sie innerhalb der Ehe erworben hatte und in ihrer Verwaltung lag.374 Gegen diese Erbregelung gingen die Stiefkinder zunächst auf der zuständigen niedergerichtlichen Ebene vor und strengten am 9. Oktober 1698 eine Testamentsanfechtung beim Weimarer Amt an. Der Konflikt nahm mehrere Rechtsinstitutionen in Anspruch. Das Amt wies den Klägern einen Beweis für die Begründetheit einer Testamentsanfechtung zu. Allerdings legten sie diesen nicht innerhalb der sächsischen Frist vor.375 Ein aus Halle eingeholtes Gutachten gewährte den Klägern noch einmal die halbe sächsische Frist zum Beweisantritt, der allerdings wiederum ohne Resultat verstrich. Konsequenz war eine Ungehorsamsbeschuldigung der Gegenseite, die durch ein Leipziger Gutachten bestätigt wurde.376 Gegen die Abwehr ihrer Klage aufgrund des Kontumazialprinzips legten die klagenden Erben eine Läuterung ein. Sie begründeten diese zum einen mit einem von negligentia, culpa und inopia begleiteten Fehlverhalten ihres Anwalts, der die Prozessverschleppung und den versäumten Beweisantritt zu verantworten habe. Zum anderen wurden Sonder- bzw. Schutzrechte aufgrund ihres Rechtsstatus als Bauern und Frauen geltend gemacht: „als einfältigen unerfahrenen Bauern [. . . ] zumahlen da weibes Personen unter Ihnen wären, um derer willen sie alle des beneficii Restitutionis in integrum contra lapsum probationis fatale mit zugenießen hatten, weil Sie sich an Ihrem advocato, als der nicht solvendo wäre, keiner Erholung zugetrösten hatten.“377 Die Läuterung führte jedoch nicht, wie erhofft, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum), die als prozessuales Rechtsmittel bei unverschuldeten

372 373

374 375 376 377

Vgl. M, Lebensformen, S. 227. „Sämtliche Sanderische Erben zu Umpferstedt Appellanten, contra Christinen verwittibte Sanderin das. Appellatin, anno Christi 1701“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1143. Bericht an das Hofgericht, 11. Mai 1701, ebd., Bl. 2r –6r . Ebd., Bl. 2v . Ebd., Bl. 3r . Ebd., Bl. 3r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

179

Fristversäumnissen nachteilige Rechtsfolgen abwenden konnte.378 Insgesamt scheiterte die Testamentsanfechtung der Kinder erstinstanzlich und sie wandten sich daher an das Hofgericht. Doch auch hier wurde der Fall nach einem vergleichsweise umfangreichen Verfahren am 9. September 1701 im Sinne der Witwe entschieden.379 Beim Blick weg von der prozessualen hin zur argumentativen Ebene ist zunächst der Bericht des Weimarer Amtes an das Hofgericht interessant, der im Zusammenhang mit der Appellation Hintergründe des Verfahrens, Prozessverlauf und ein Votum enthält. Die Argumentationslinie des Berichterstatters Johann Volckmar Riemann war wenig abwägend gehalten. Ihre tendenziöse Stoßrichtung wurde später vor dem Hofgericht auch durch den klägerischen Anwalt kritisch bewertet.380 Die Ansprüche der Kinder wurden insgesamt als rechtlich unbegründet, durch Emotionalia motiviert und moralisch abqualifiziert. Nach der Beurteilung Riemanns hätte der Testator zur Regulierung einer konfliktfreien Erbverteilung bereits zu Lebzeiten seinen Kindern die meisten Güter übereignet, „aus der besonderen absicht und hofnung, dass sie hiernechst sein weib bey denen legirten stücken desto geruhiger laßen und keinen streit drüm anfangen sollten.“381 Das Verhalten der Witwe bezüglich des Erbantritts gestaltete sich nach Ansicht des Amtmanns rechtskonform, indem sie die Verlassenschaft nur im Rahmen der ihr zugedachten Legaten in Besitz nahm. Dass die Stiefkinder dessen ungeachtet die väterliche Disposition anfochten, führte er auf einen gegenüber der Stiefmutter von Hass und Neid geleiteten Impetus zurück: „So haben doch die Kinder ex odio et invidia gegen die stiefmutter actionem hereditatis petitionis als Erben ab intestato in hiesigem fürstl. Amte angestellet, und die väterliche Disposition nicht recognosciren wollen.“382 Diese Darstellung läuft mit der Perspektive der beklagten Witwe konform, die aus ihrer Supplik an den Landesherrn hervorgeht. Intention ihrer Stiefkinder sei es, sie „um das Ihrige zu bringen“. Diese hätten ihr „auch albereit eine Kuh aus dem Stalle und die Kleider vom Leibe gehadert, dass sie solche und andere mehr verkauffen und auf den process wenden müssen.“383 Johann Volckmar Riemann empfahl dem Hofgericht, die Appellation der Erbengemeinschaft Sander abzuweisen. Ausschlaggebend dafür war neben odio et invidia der klagenden Stiefkinder die Gültigkeit des Kontumazialbescheids. Auch die Versäumnisse des Anwalts hebelten nach Auffassung des Weimarer Amtes den Klageabweis nicht aus. Verwiesen wurde auf die Eigenverantwortlichkeit der Prozesspartei, die sich in einem solchen Fall 378 379 380 381 382 383

H, Privatrecht, § 383, S. 427 ff.; allgemein u. a. Georg Christian B, Die Lehre von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Göttingen 1831. Urteil, 9. September 1701, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1143, Bl. 90r–v . Hofgerichtstermin, 2. September 1701, ebd., Bl. 67r . Bericht an das Hofgericht, ebd., Bl. 2v . Ebd. Ebd., Bl. 3v , Bl. 4r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

um einen „fleißigeren und getreuen Beystand“ hätte bemühen müssen.384 Abgewiesen wurde auch die Argumentation, die den Rechtsstatus der an der Klage beteiligten Frauen instrumentalisierte. Auch ihnen käme die Rechtswohltat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu, da sie mit einem Geschlechtsvormund rechtskräftig agiert hätten.385 Den Vorstellungen vom biblischen Gehorsamsgebot der Kinder gegenüber ihren Eltern entlang lief eine weitere Argumentationslinie, die die voluntas paterna in das Zentrum rückte. Die Kinder hätten den väterlichen Willen zu respektieren und müssten daher „der Stiefmutter dasjenige, was er ihr legirt hat, zu laßen, in conscientia verbunden“ sein.386 Erst am Schluss des Berichtes thematisierte Riemann Inhalt und Umfang der Erbschaft. Das Legat an die Ehefrau enthielte nicht einmal ein „Kindstheil“, es sei „daher keine Laesio Legitimae [. . . ] sintemahl die Kinder noch bey Lebzeiten des Vaters fast alle Güther bekommen und unter sich vertheilet, Er aber außer der dem Weibe legirten halben Hufe Land nur 14 acker vor sich behalten, welche sie nach dessen Tode samt dreyen Häusern, Scheun und Garthen auch vollen bekommen, zugeschweigen der väterlichen Hülfe, der sie sonst von ihn untereinander genossen.“387

Während des Hofgerichtstermins stand bei den Appellanten die Erwirkung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Vordergrund. Auch hier wurde der Anspruch mit dem Verweis auf den Rechtsstatus der mitprozessierenden Frauen und insgesamt der Rechtsunkenntnis von Bauern und Frauen legitimiert.388 Zusätzlich überformte der Anwalt die Erbansprüche seiner Mandaten auch mit naturrechtlich orientierten Argumentationen. Seine Klienten beanspruchten lediglich die „nach natürlichen Rechten und Ordnungen auf sie verfällete väterliche Erbschafft“.389 Die Unterstellungen, sie würden aus emotionalen Gründen gegen die Stiefmutter prozessieren, wurde zurückgewiesen. Das, was diese „mit Bestand zu fordern haben möchte“ würden sie ihr „gerne gönnen“.390 Der Erbengemeinschaft ginge es vielmehr um eine „rechtmäßige Forderung“, die sie in dem Schutz des Eigentums der mütterlichen Linie und dessen Erhalt in der Herkunftsfamilie sähen.391 Der Anwalt der Gegenseite berief sich hingegen auf die Unerheblichkeit der Klage. Zentral war der ökonomische Schaden, den ihr der seit drei Jahren andauernde Prozess zugefügt hätte. Die Witwe sei nun „fast bis aufs blut ausgesogen“.392 Diese Argumentation verwies der klägerische Anwalt jedoch in 384 385 386 387 388 389 390 391 392

Ebd., Bl. 4v . Ebd., Bl. 5r . Ebd., Bl. 5v . Ebd., Bl. 5v , 6r . Hofgerichtstermin, 2. September 1701, ebd., Bl. 61v , 62r . Ebd., Bl. 43r . Ebd., Bl. 43r–v . Die Klage sei nur „dahin gezielet, wie sie, was ihr seel. Vater ihnen zu entziehen nicht gemeinet, und von ihrer leiblichen Mutter herkomme, erhalten könten.“ Ebd., Bl. 67r . Ebd., Bl. 57r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

181

den Bereich prozessualen Kalküls: „Wie wohl auch außerdem [. . . ] ihre Stiefmutter und appellantin von dem Unvermögen wie sie gegen Anwald vorstellet, bey weitem nicht ist, und von ihren jetzigen Mitteln nicht nur arme Appellanten, sondern wohl vermögendere in Process aus zuhalten fähig wäre.“393 Ungeachtet aller klägerischen Versuche, jenseits der testamentarischen Verfügung ihre Eigentumsinteressen gegenüber der Stiefmutter durchzusetzen, schützte das Rechtssystem auf allen gerichtlichen Ebenen das ererbte Eigentum der Witwe gegenüber den Ansprüchen ihrer Stiefkinder. Ausschlaggebend dafür waren das Testament und der Umstand, dass den klagenden Kindern bereits zu Lebzeiten des Vaters einen großen Teil des väterlichen Besitzes übereignet wurde. Die Ansprüche auf ein nicht näher benanntes Erbgut der verstorbenen leiblichen Mutter belegten die Erben nicht mit konkreten Rechtsnormen, sondern mit allgemeinen naturrechtlich untermauerten Ansprüchen. Mit dieser Strategie wie auch mit den Verweisen auf zu berücksichtigende Schutzrechte kamen die Kinder rechtlich jedoch nicht weit. Verfahrensrechtliche Fehler, aber auch die als nachrangig gewichtete Argumentation mit standes- bzw. geschlechtsspezifischen Sonderrechten führten zu einem Scheitern der Klage. Dieser Fall steht typischerweise für das Spannungsfeld zwischen Emotionen und materiellen Interessen, in denen divergierende Erbansprüche ausgehandelt wurden. Die Emotionen, mit denen die Prozessparteien agierten, wurden auf der niedergerichtlichen Ebene aufgegriffen. Unterstellte Emotionen bei den Klägern wurden dabei als Kriterium für die Unbegründetheit von Rechtsansprüchen gewertet. In dieser Hinsicht – allerdings eher auf die niedergerichtliche Ebene bezogen – ist der Konflikt in seiner Topik typisch. Zuschreibungen von moralisch zu disqualifizierenden Handlungsmotiven oder mit biblischen Normen fundierte Erwartungen wurden als Verhandlungsbestand mit eingebracht. Für den hofgerichtlichen Abweis der Appellation waren diese Argumentationen der Gegenseite und der ersten Instanz allerdings irrelevant. Hier war nur die auf dem gültigen Testament als einem rechtsförmigen Dokument beruhende Rechtsposition der Stiefmutter entscheidend. Standen in den bisherigen Konflikten die an testamentarische oder vertragliche Eigentumstransfers geknüpfte Teilhabe an Erbe zu Debatte, soll folgende – zwischen einem Enkel und seiner verwitweten Großmutter verhandelte – Rechtssache nach dem Intestaterbrecht in den Blick genommen werden. Unabhängig von dieser Perspektive auf Zusammenhänge der gesetzlichen Erbfolge verdichteten sich in dem Fall in geradezu paradigmatischer Weise unterschiedliche Eigentumsvorstellungen. Dabei wurde im Unterschied zu den Geschwisterkonkurrenzen eher weniger auf Gleichheit als zentrales Movens rekurriert, sondern vor allem auf eine rechtmäßige und – kontextabhängig definiert – gerechte Partizipation am Familieneigentum. Diese

393

Ebd., Bl. 68r .

182

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

machte der Jenaer Schlossergeselle Johann Friedrich Chemnitz geltend, in dem er am 19. April 1752 im Armenrecht gegen seine Großmutter Anna Elisabeth Chemnitz väterlicherseits, ihre drei Töchter und den Besitzer der bei Stadtroda gelegenen Papiermühle Johann Carl Hartung klagte.394 Das Rechtsverfahren fokussierte sich vor allem auf die Großmutter, die nach dem Tod ihres Ehemannes zusammen mit ihren Töchtern die Papiermühle mit weiteren Liegenschaften für 1.600 Meißner Gulden an den Mitbeklagten Hartung verkauft hatte.395 Von dem Kaufpreis hatte dieser bereits 600 Meißner Gulden bar gezahlt, der Rest lag als Hypothek auf den Immobilien. Zusätzliche Bedingung des Kaufkontrakts war ihre Aufnahme und Versorgung im Haus des Käufers. Nach Ansicht ihres Enkels gehörte jedoch die Mühle zusammen mit einem Acker, Wiesen, Gärten und Teichen nicht seiner Großmutter, sondern zum hinterlassenen Eigentum seines Großvaters Andreas Chemnitz. Der Geselle klagte nun von der Erbschaft seines verstorbenen Vaters den vierten Teil und von den Kaufgeldern den dritten Teil nebst Zinsen ein. Des Weiteren verlangte er die Inventarisierung oder eine eidliche Spezifikation des großväterlichen Nachlasses. Im Gegenzug wollte Johann Friedrich Chemnitz auch seinen Anteil am Unterhalt der Großmutter beitragen. Mit seiner Klage konnte der Enkel erfolgreich seine Erbansprüche einfordern. So erreichte Chemnitz nach Scheitern der innerfamiliären Kommunikation auf rechtlichem Weg die Inventarisierung und eine eidliche Spezifikation der großväterlichen Hinterlassenschaft.396 Auf dieser Basis wurden Anna Elisabeth Chemnitz und ihre Töchter verpflichtet, dem Kläger seinen Erbanteil herauszugeben. Johann Hartung hatte ihm die Prozesskosten aus den zur Erbmasse zählenden Kaufgeldern vorschussweise zu erstatten. Ganz so gradlinig verlief das Verfahren allerding nicht weiter, da Chemnitz gegen die Spezifikation Einwände geltend machte. Gegen das darauf ergangene Urteil vom 15. Dezember 1752 legte der Anwalt der Witwe eine Läuterung ein.397 Dessen ungeachtet erreichten die Prozessparteien letztlich doch einen gerichtlichen Vergleich, damit – wie der sich irenisch gerierende Anwalt der Beklagten formulierte – „jedes das Seinige in Seegen genießen kann.“398 Johann Friedrich Chemnitz erhielt hundert Meißner Gulden, abzüglich der zwanzig Reichstaler Prozesskosten, die Hartung für ihn bezahlte. Für die 394

395 396 397 398

„Der Schloßer Geselle Johann Friedrich Chemnitz, zu Jena, Klaeger, contra Johann Carl Hartungen, Besitzern der Papiermühle, im Zeitzgrunde wie auch Annen Dorotheen Chemnitzen, und Consorten, zu Jena, Beklagte, Anno Christi 1752“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 174, Bl. 2r –4r . Kaufbrief vom 27. Mai 1738, ebd., Bl. 5r –9r ; Bestätigung vom Amt Roda vom 11. Juni 1738, ebd., Bl. 9r–v . Urteil vom 23. Juni 1752, ebd., Bl. 69r ; Spezifikation, ebd., Bl. 78r –81v . Urteil vom 15. Dezember 1752, ebd., Bl. 133r ; Läuterung vom 22. Dezember 1752, ebd., Bl. 135r –137v . Schreiben Johann Christian Beutholds an das Hofgericht, 21. Juni 1753, ebd., Bl. 155r–v . Vergleichsverhandlungen, Juni/Juli 1753, ebd., Bl. 156r –159r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

183

Erbportion, die dem Kläger aus dem auf der Papiermühle liegenden Kapital zustand, sollte er sich an das zuständige Amt Roda wenden.399 So friedlich, wie sich die Auseinandersetzung am Ende zu gestalten schien, zeichneten sich die Aushandlungsprozesse vor Gericht allerdings nicht ab. Denn Anna Elisabeth Chemnitz‘ Anwalt verwahrte sich in seiner Replik auf die Klage gänzlich unkonziliant gegen die Erbansprüche des Enkels. Unter Rekurs auf das Rechtssprichwort „viventis autem nulla hereditas“ hätte er sein Erbe erst nach dem Tod seiner Klientin einzufordern.400 Damit war der Ausgangspunkt für die Klageabwehr gesetzt, die zwischen dem Eigentum der Witwe und dem Erbe ihres verstorbenen Ehemannes differenzierte. Der Verkauf der Immobilien wurde in Übereinstimmung mit ihrer Eigentümerposition als rechtlich akkurat akzentuiert, da diese eindeutig ihrem Eigentum und nicht dem Eigentum ihres Mannes zuzuordnen seien. Zwar habe dieser die Mühle für 375 Gulden gekauft, doch Anna Elisabeth Chemnitz befand: „So habe ich mehr meine eigene als Klägers großväterliche Mühle verkaufft.“401 Die Legitimation dafür, die Immobilien als ihr Eigentum zu etikettieren, beruhte auf ihrer für Mühle und Haus erbrachten Arbeitsleistung.402 Nach ihren Angaben hatte ihr Ehemann die zu Lebzeiten allerdings nicht mehr realisierte Absicht, zusätzlich zu der erkauften Mühle ein Haus zu bauen, das sie nach dessen Tode bewohnen könne. Sie habe in ihrem „25 jährigen Wittbenstand es mit blut sauer werden laßen, und das nur gerichtete Hauß von grund aus ausgebauet auch die Mühle reparirt und in einen solchen Stand gesetzt, daß gar leicht zu schließen, was ich müße gethan haben, da die Mühle nun 3 mahl höher hat an den Mann gebracht werden können.“403 Das vom Kläger geforderte Decretum aliendi sei gar nicht nötig, da der Kauf obrigkeitlich bestätigt worden sei und die Vormünder aller Kinder zugestimmt hätten. Die zum einen von ihrem Ehemann zur Bezahlung der Mühle und des Holzes zum Hausbau, zum anderen für den Bau und die Erziehung ihrer vier Kinder aufgenommenen Schuldposten habe sie von den 600 Gulden Kaufgeldern aus ihrem eigenem Vermögen sowie ihrem „Witwenerwerb“ bestritten.404 Ihre Alimentation nehme sie aus den jährlich anstehenden fünf Prozent Zinsen, die der neue Mühlenbesitzer ihr von dem restlichen Kaufgeld zu entrichten habe. Insgesamt sei dieses Vermögen weder väterliches noch großväterliches Gut, sondern gehöre zu ihrem Eigentum als „mein eingebrachtes und selbst erwor-

399 400 401 402 403 404

Vergleich, 5. Juli 1753, ebd., Bl. 157r –158v . Schreiben an das Hofgericht, 3. Mai 1752, ebd., Bl. 12r –14r , hier Bl. 13r . Ebd., Bl. 12v . Vgl. zur geschlechtsspezifischen Bewertung von Arbeit in der Frühen Neuzeit W, „Jede Arbeit ist ihres Lohnes Wert“. Spezifisch für Witwen: Ingendahl, Witwen. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 174, Bl. 12v . Der Verweis auf die Schuldenaufnahme für die Kindererziehung erschien deshalb wichtig, als dieser Posten von der Collatio ausgeschlossen war. Vgl. Art. Collatio, in: H, Repertorium, Bd. 2, S. 936–940.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

benes Guth“.405 Wenn der Enkel den Anteil an den 600 Gulden nicht erhalten hätte, solle er seine Ansprüche bei dem Vormund geltend machen, der die Erbteilung seines Großvaters vorgenommen habe. Während der Verhandlungen vor dem Hofgericht hob ihr nun zuständiger Hofgerichtsprokurator Johann Andreas Laun die Auseinandersetzung zusätzlich auf eine entsachlichte, affektiv-emotional aufgeladene Ebene, die den prozessierenden Enkel moralisch diskreditieren sollte. Der Anwalt deutete den Prozess dabei als Affront gegen die Großmutter, die mit entsprechender „wehmuth“ auf den als „zudringlich“ bewerteten Prozess mit „großer gemüths Beunruhigung“ reagierte.406 Rhetorisch dramatisierend wirkten die Argumentationsmuster, die den persönlichen Affront an das Alter der Beklagten koppelten. Der Anwalt verwies redundant auf die „hochbejahrte Wittbe“, auf die „alte auf der Grube gehende etliche 80 jährige“, „die durch Last ihren des Alters ohnehin gnug belästigte alte wittwe“.407 Der Enkel solle besser mit der Klage abgewiesen werden, „biß sie die Schuld der Natur vollends durch den ihr schon auf der Zunge sitzenden Tod, bezahlet hat, damit sie nur ruhig und nicht unter herznagender Process-Sorgen und Streit mit Kummer in die Grube fahren“ dürfe.408 War diese Argumentationslinie nur bedingt rechtsrelevant, so setzten sie den suggestiven Rahmen, um die iusta causa des Prozesses noch fragiler erscheinen zu lassen. Mit der exceptio non rite formati libelli wurde die Klage als zu unspezifisch zurückgewiesen. Um die konkreten Ansprüche des Klägers belegen zu könne, müsse klar sein, wie der Eigentumsstatus des Erblasser konkret ausgestaltet war – als „Eigentümer oder als proprietarius oder als usu fructuarius oder alio titulo“.409 Eingefordert wurde die Spezifizierung, ob und was für Eigentum der Großvater hinterlassen hatte. Dieses war definitorisch von dem zu trennen, was der Erblasser lediglich in Besitz hatte: „Durante vita“ könne jeder „viel besitzen, das post mortem nicht auf seine Erben fällt.“410 Diesen mit einem spezifischen Rechts- und Eigentumsverständnis aufgeladenen Narrativen diametral entgegen verlief die Perspektive des Klägers Johann Friedrich Chemnitz.411 Ebenso prozessstrategisch wies dessen Anwalt Johann Christian Beuthold die Eigentumsrechte exklusiv seinem verstorbenen Großvater zu. Während dieser finanziell gut ausgestattet gewesen sei, habe die Großmutter hingegen „keinen Heller inferirt“.412 Ihre nach dem Tode seines Großvaters aufgewendeten Ausgaben für Mühlen- und Hausausbau seien vollkommen aus dessen Nachlass bestritten worden. Nicht nur 405 406 407 408 409 410 411 412

ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 174, Bl. 13r–v . Hofgerichtstermin, 15. Juni 1752, ebd., Bl. 25r ff. Ebd., Bl. 26r . Schreiben an das Hofgericht, 3. Mai 1752, ebd., Bl. 13r . Hofgerichtstermin, 15. Juni 1752, ebd., Bl. 26v , 27r . Ebd., Bl. 29v . Hofgerichtstermin, 15. Juni 1752, ebd., Bl. 30r . Schreiben an das Hofgericht, 25. Mai 1752, ebd., Bl. 16r –19r . Ebd., Bl. 17v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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die Herkunft des Geldes, sondern auch die zeittypischen Vorstellungen von der Qualität häuslicher Ökonomie nutzte der Anwalt, um sich von den behaupteten Eigentumsrechten der Witwe abzugrenzen. Dazu kehrte er den in den Normen der Oeconomia Christiana verankerten, geschlechtsspezifischen Topos der ,guten Haushälterin‘ um, in dem er sie als „eine üble Haußhälterin“ und als „keine gute Erwerberin“ disqualifizierte.413 Als Beleg für diese Zuschreibungen nutzte er den Verkauf der Mühle, bei dem sie ein höheres Angebot eines anderen Interessenten unberücksichtigt gelassen hatte. Der von dem Anwalt der Witwe assoziierte Kausalzusammenhang zwischen der hohen Differenz von Kauf- und Verkaufspreis und ihrer eingebrachten Arbeitsleistung für die Mühle wies er als schlichtweg „einfältig“ unter Rekurs auf die commercia rerum, d. h. die Inflationsrate ab.414 Die emotionalisierte, suggestive Fallgestaltung der Gegenseite entkräftete der Anwalt als konstruiert („affectirte Wehmut“) und setzte diese dem Vorwurf der Unbilligkeit aus.415 Die Fallerzählung wurde gegenüber der narratio in der Klage nun stärker substanziell gefüllt und damit noch deutlicher im Sinne einer spezifischen Notdurft als rechtsförmig konturiert. Johann Friedrich Chemnitz gehe es um seinen Anteil an der großväterlichen Erbschaft, die ihm bisher verwehrt blieb, da die Großmutter den Nachlass ihres Ehemannes unverteilt besessen hätte: „So bin ich nicht schuldig, auf ihren Todt zu warten, sondern will das meinige haben.“416 Seit etwa rund achtunddreißig Jahren seien ihm jedoch die väterliche, respektive großväterliche Erbschaft zusammen mit den daraus resultierenden Erträgen vorenthalten worden. Der Prozess und damit die Einschaltung obrigkeitlicher Regulierungsmechanismen wäre notwendig, da er nun „das seinige selbsten braucht, und gerne Bürger und Meister werden wollte, um sich in der Welt ehrlich fortbringen zu können, dieses hingegen ohne Geld nicht möglich zu machen ist.“417 Über die Partizipation am Erbe wollte der sich als arm ausweisende Schlossergeselle Zutritt zur ständischen Gesellschaft als Bürger und Meister erlangen. Die materielle Basis dafür sollte der ihm zustehende Erbteil bieten. Die an symbiotische Vorstellungen von Eigentum, Ehre und Teilhabe geknüpfte Bedürftigkeit stand nun im starken Kontrast zu der Argumentationslinie der Kontrahenten. Die dem Kläger von der Gegenseite zugeschriebene mangelnde Ehrerbietigkeit arbeitete der Anwalt mit deifizierten Ordnungsvorstellungen ab. Johann Friedrich Chemnitz würde seine Großmutter durchaus so ehren, „wie er schuldig ist, glaubet aber, daß dieses wider seine Pflicht nicht gehandelt sey, wann er den

413

414 415 416 417

Ebd. Vgl. zur Charakterisierung von Frauen als guter Haushälterin (hier allerdings als ,Mägdeklischee‘) die Studie von Renate D, Mägde in der Stadt. Das Beispiel Schwäbisch Hall in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M./New York 1995, S. 117–119, 133–138. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 174, Bl. 18v . Hofgerichtstermin, 16. Juni 1752, ebd., Bl. 33r . Ebd. Ebd., Bl. 33v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

ihm von Gott und Rechts wegen gebührenden großväterlichen erbtheil, welche er auf keine Weise in güte zu erhalten vermocht“ nun auf dem rechtlichen Wege einfordere.418 Die so suggerierte Konformität klägerischer Ansprüche mit der göttlichen und positiven Rechtsordnung wurde hiermit gegenüber den von den Kontrahenten eingebrachten gesellschaftlichen Ehrnormen höher gewichtet. Zugleich bemühte sich sein Anwalt mit gleichsam taktischer Finesse auch das Hofgericht als ständeübergreifendes, neutrales Justizorgan in seine Argumentation zu integrieren: „Dank sey diesem hohen Judicio, daß auch arme bedrängte nicht verschmähet, sondern so wohl als reiche und wohlhabende mit ihrer Nothdurfft gehöret und zu Ausführung ihres Rechtes gelaßen werden.“419 Dabei war das Thema ,Armut‘ ein geradezu neuralgischer Aspekt im Konflikt zwischen den Generationen. Während der Schlossergeselle seine Bedürftigkeit als Resultat des ihm bislang verwehrten Eigentums interpretierte,420 argumentierte Anna Elisabeth Chemnitz‘ Anwalt mit der nötigen und möglichen Eigenleistung für dessen Subsistenz und Existenzgründung. Der „Kläger ist jung, hat sein Handwerck, und kann sich wohl ernehren, wann er nur arbeiten will.“421 Damit lenkte der Anwalt den Fokus weg von der Armutsursache hin zu der Frage der Versorgungbedürftigkeit des Klagenden, die aufgrund seiner Arbeitsfähigkeit jedoch nicht zur Verhandlung stehe.422 Im Ganzen genommen war diese Auseinandersetzung um Eigentum und Erbe ein emotionalisierter Generationenkonflikt par excellence. Konträre gesellschaftliche Erwartungen und Verhaltensnormen wurden dabei im Kontext der Erbstreitigkeit mit ausgetragen. Diese wurde jedoch auch zu einem Medium, über das unterschiedliche Konzeptionen und Begründungen von Eigentum verhandelt wurden. Bemerkenswert ist die anwaltliche Argumentation für die Witwe, die aus ihrer Arbeit Eigentümerpositionen ableitete und damit den Zugriff auf das Erbe ihres verstorbenen Ehemannes – das sie nunmehr als 418 419 420

421

422

Ebd., Bl. 35r . Ebd., Bl. 34v . Seine Großmutter hätte „kein Bedencken getragen ihm in ihren Schreiben [. . . ] sein Armuth vorzuwerfen und denselben den Armen Schlößer Gesellen zu nennen, ohnerachtet nur um des willen arm ist, weile die Beklagten ihm seinen Erbtheil so viel Jahre vorenthalten, wodurch er sich freylich in besßern Umständen hätte setzen können.“ Hofgerichtstermin, 16. Juni 1752, ebd., Bl. 34r–v . Hofgerichtstermin, 17. Juni 1752, ThHStAW, ebd., Bl. 43v , 44r . Vgl. dazu z. B. Martin D, Aushandeln von Armut in der Frühen Neuzeit: Selbsthilfepotential, Bürgervorstellungen und Verwaltungslogiken, in: WerkstattGeschichte 10, 1995, S. 7–15; Robert J, Arme, Bettler, Beutelschneider. Eine Sozialgeschichte der Armut in der Frühen Neuzeit, Weimar 2000. Zu den Bedeutungsnuancen von Armut um 1800 vgl. Sabine V-F, Der Wandel des Begriffs Armut um 1800, in: Christoph K/Clemens S (Hrsg.), Aktuelle Tendenzen der historischen Armutsforschung, Wien 2005, S. 15–43. Siehe dazu Josef E/Peter G, Probleme und Deutungsmuster der ,Arbeitsgesellschaft‘ in der Gegenwart und in der Frühen Neuzeit, in: Gerhard A u. a. (Hrsg.), Tradition und Wandel. Beiträge zur Kirchen-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte. FS für Heinz Dopsch, Wien/München 2001, S. 305–320.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

187

ihr Eigentum deklarierte – abwehren wollte. Ihr Enkel durchbrach diese an das Leistungsprinzip gekoppelte Legitimation von Eigentumsrechten erstens mit der Abwertung ihrer Funktion als ,guter Haushälterin‘. Zweitens argumentierte er mit einem eigentumsstiftenden Modell, das ihn über das Individuum hinaus als Glied in das Kontinuum der Familienkette einschrieb. Somit ließ sich das von ihm eingeforderte familiale Eigentum als legitime Ausgangsbasis für den Aufbau einer eigenen Existenz begreifen. Damit standen sich idealtypisch Zugang zu Eigentum durch Arbeit und Zugang zu Eigentum durch Erbe gegenüber. In diesem Fall bewertete die beklagte Partei die Eigenleistung moralisch und prozesstaktisch höher, während der Kläger sein Konzept mit der typischen Formel „von Gott und Rechts wegen“ fundierte. Dementsprechend wurde in die Topik auch nicht die ,auskömmliche Nahrung‘ als Argumentationsfigur integriert, die er sich nach Ansicht seiner Großmutter aufgrund Alter und Beruf selbst erarbeiten könne. Aus diesen Konstruktionen wie aus dem bloßen, prozesstaktisch überformten Eigentumsbewusstsein der Beklagten leiteten sich jedoch keine Eigentumsrechte ab. Das Jenaer Hofgericht entschied eben nicht nach Maßgabe subjektiver Rechtsansprüche und suggestiver Eigentumsdiskurse der Prozessparteien, sondern in diesem Fall nach dem Intestaterbrecht (Pflichtteilsrecht). Daher hatten die beklagte Witwe und ihre Töchter das dem Kläger zustehende Erbteil auszuhändigen. Fazit: Recht auf Eigentum, Gleichheit und Gerechtigkeit

Die rechtliche Folie, vor dem Konflikte um Erbvorgänge ausgetragen wurden, waren die in den Rechtsnormen fixierten Ordnungsvorstellungen zum Erb- und Ehegüterrecht mit den normativen Differenzierungskriterien nach Stand, Geschlecht, Alter, Geburtsrang, spezifischer Lebenssituation (z. B. Bedürftigkeit) oder bereits vollzogener Besitztransfers. Diese formierten sich bei gerichtlichen Streitigkeiten allerdings nicht zum ausschließlichen Referenzrahmen. In Übereinstimmung mit neueren Befunden zur Erbpraxis ist auch für die am Hofgericht anhängigen Verfahren eine ausgesprochen flexible Auslegung und Orientierung am Erbrecht zu konzedieren.423 Argumentative Bezugspunkte blieben zwar auch gewohnheits- oder statutarrechtlich fundiert, je nach Situation und Nutzen wurden von den Prozessparteien zudem Prinzipien des ius commune als Argumentationsgrundlage präsentiert. Gleichwohl spiegelten die anwaltlichen Argumentationen eher die Vielzahl individueller Erbpraktiken jenseits ehegüter- und erbrechtlichen Normenbestandes wider. 423

Vgl. dazu R, Erbrecht, S. 166 sowie die Beiträge in B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit. Zu bedenken ist jedoch auch, dass das Erbrecht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts per se auch individualistisch begründet wurde, so dass nicht nur der testamentarische Eigentümerwille, sondern auch das Erbrecht der Familie Orientierungspunkte im Konfliktfall vorgab. Vgl. B, Vermögen, S. 68; K, Familie, S. 121, 128.

188

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Bei Erbprozessen traten neben Recht auch Religion, Moral und Politik als zentrale gesellschaftliche Normensysteme in ein verdichtetes Bezugsfeld.424 Dementsprechend war die Argumentation über die juristischen Kontexte hinaus sehr stark an soziale, religiöse oder moralische Kategorien orientiert, die bei den gerichtlichen Aushandlungen mit Blick auf eine „Güterabwägung“425 miteinander konkurrierten und flexibel gewichtet wurden. Die Rivalitäten um Erbe und damit um begrenzte ökonomische Ressourcen und Handlungsoptionen wurden vor Gericht terminologisch durchaus, aber nicht stringent über Eigentum formuliert. So wurden Eigentumsansprüche nur bei Konflikten um bestimmte Immobilien (Haus, Gut, Mühle etc.) auf die strittige Eigentumsform hin eindeutig ausdifferenziert. Mit emotionalen Bindungen an bestimmte Eigentumsgegenstände innerhalb der Erbmasse wurde nicht argumentiert.426 Überhaupt wurde in den meisten Fällen das eingeforderte mobile und immobile Eigentum nach der Herkunft definiert und ohne hierarchisierende Wertung als Erbe, Erbschaft, Erbteil oder Erbmasse sprachlich gebündelt. Erbforderungen wurden über eine Vielzahl von Semantiken artikuliert, die die Erbbegriffe mit dem breit angelegten Wortfeld von Eigentum und Vermögen verknüpften. Sie umfassten Terminologien, die das Recht auf Eigentum weitgehend sachbezogen als das Recht auf „das Meinige“ oder das „vererbfällete Vermögen“427 akzentuierten. Dieses Recht wurde bezeichnenderweise in den Fällen von den Prozessparteien um Konnotationen ergänzt, in denen erstens ihre Rechtsansprüche auf einer unterstellten oder tatsächlich vagen Beweisgrundlage basierten und zweitens die Exklusion vom Erbe als besonders ungerechter Zustand mit dem Rekurs auf entsprechend starke Kategorien markiert wurde. Die Konvergenz des subjektiven Erbanspruchs mit dem objektiven Recht („das gerechte Erbe“) wurde dabei mit topischen Formulierungen fundiert, die die Trias des natürlichen, positiven und göttlichen Rechts funktionalisierten. Geklagt wurde dementsprechend auf die „nach natürlichen Rechten und Ordnungen verfällete Erbschafft“428 oder auf das „von Gott und Rechts wegen zu kommende Erbtheil“.429 Die eigenen interessegeleiteten Ansprüche wurden von den Eigentumsinteressen der Kontrahenten klar abgegrenzt. Dabei wurden 424

425 426

427 428 429

Vgl. Roy G, Non di solo diritto. Spunti di riflessione, ad uso della storia giuridica, sul rapporto fra diritto ed altri ordinamenti normative, in: Forum historiae iuris, 14. Februar 2003, http://www.forhistiur.de [13.04.2012]; Ulrike L, Vom Ideellen im Materiellen. Plädoyer für einen mikroskopischen Blick auf das Erbe, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 283–299, hier S. 299. B, Generationengerechtigkeit?, S. 9. Vgl. dazu David Sabeans Befund für das württembergische Neckarhausen, aufgrund dessen er das gängige Postulat einer Bindung an bestimmte Immobilien zurückgewiesen hat. Vgl. S, Property. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1206, Bl. 7r . Ebd., Nr. 1143, Bl. 43r . Ebd., Nr. 1149, Bl. 69r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

189

diese mit Formulierungen, sie wollten sie „um das Ihrige bringen“ oder die „widerrechtliche Vorenthaltung der Erbteile“ als contra iura disqualifiziert.430 Die gegnerisch zugeschriebenen Vorhaben, etwa die „mobilia eigenthümlich an sich [zu] ziehen“431 oder alles „zu sich setzen“432 wurden als Eingriff in Eigentumsrechte konstruiert. Dies kontrastierte gleichzeitig mit der eigenen Intention, sich „die Possession nicht entziehen“ 433 oder – semantisch noch schärfer aufgeladen – der „Possess berauben“ oder „occupieren“ zu lassen. Besitz- und eigentumsrechtliche Kategorien wurden damit besonders dann bemüht, wenn über die Transformation von Erbe zum Eigentum durch intendierte oder bereits vollzogene Aneignung und Neuzuordnung ein Verhandeln nicht mehr nur von allgemeinen Erbansprüchen, sondern stärkere Rechtsqualitäten suggerierende Eigentumspositionen zur Debatte standen. So gegensätzlich und emotionalisiert die von den Prozessparteien eingebrachten Eigentumsinteressen artikuliert wurden, die Norm der von Liebe und Friede getragenen Familienverhältnisse blieb ein steter legitimatorischer, wenn auch kontextuell unterschiedlich entfalteter Bezugspunkt. Dies korrespondierte mit der jurisdiktionellen Selbstverpflichtung, gerade in familieninternen Auseinandersetzungen konsensuale Regulierungsmechanismen zu garantieren. Dies wurde mit dem Gedanken des Eigentumsschutzes verbunden, der in den Kategorien der Angemessenheit und distributiven Gerechtigkeit (suum cuique) Ausdruck fand. Gleichsam paradigmatisch dafür steht der vor dem Hofgericht aktivierte Zieltopos, nach dem jeder „das Seinige in Segen“ genießen können solle.434 Mit dem Begriff der Gerechtigkeit ist ein zentraler Leitbegriff gerichtlicher Aushandlungsprozesse benannt, da vor allem Erbansprüche über Gerechtigkeitsvorstellungen eingebracht wurden. Gerechtigkeit war dabei kein statisches Leitmotiv, sondern wurde interessegeleitet und variabel in Abhängigkeit vom spezifischen Kontext und den angelegten Maßstäben konkretisiert.435 Die Vorstellungen von einem als gerecht reklamierten Erbe, mit dem sich die Teilhabe an generationenübergreifenden Eigentumslinien verband, waren zugleich immer mit Gleichheits-, Billigkeits- und 430 431 432 433 434 435

Ebd., Nr. 1196. Ebd., Nr. 925a, Bl. 13v . Ebd., Bl. 10r . Ebd., Nr. 1058, Bl. 43r –44r , Bl. 43v . Ebd., Nr. 174, Bl. 155r–v . Zu dieser Gerechtigkeitsvorstellung auch W, Herrschaft, S. 27–54; D. (Hrsg.), Jedem das Seine. Ähnlich Stefan Brakensiek, der den in den frühneuzeitlichen Gerechtigkeitsdiskursen variabel ausgelegten Terminus darauf zurückführt, dass „Reden über Gerechtigkeit in der Regel ein Reden über Interessen ist.“ In den Gerechtigkeitskonzeptionen waren zudem Antinomien angelegt, die auf unterschiedlichen handlungsleitenden Maximen beruhten. „Jedem das Gleiche – Jedem gemäß seinen Fähigkeiten – Jedem gemäß seinen Werken – Jedem gemäß seinen Bedürfnissen – Jedem gemäß seinem Rang – Jedem gemäß dem ihm durch Gesetz Zugeteilten“. B, Generationengerechtigkeit?, S. 8.

190

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Reziprozitätserwägungen assoziiert.436 Billigkeit (aequitas) war neben der Gleichheit (aequalitas) ein rechtsethischer Terminus, der in der Vorstellung von Gerechtigkeit und Angemessenheit aufging. Die juristischen Argumentationen rekurrierten mit der Billigkeit auf ein konstitutives Element der frühneuzeitlichen Rechtsprechung, das die Rechtsanwendung im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit vorsah. Billigkeit wurde dabei als Rechtsprinzip wirksam, wenn die aus dem positiven Recht abgeleiteten Rechtsfolgen zu Ungerechtigkeiten führten oder wenn eine Einzelfallproblematik rechtlich nicht erfasst war.437 Vor Gericht rekurrierten Prozessparteien jedoch nicht nur auf Billigkeit als konkretes Rechtsprinzip. Vielmehr wurde Billigkeit generell topisch genutzt, um Prozessziele zu akzentuieren.438 Den Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb der Generationen waren Konflikte um gegenseitige Verpflichtungen inhärent, aus denen sich (subjektive) Ansprüche auf Eigentum ergaben. Zum einen wurde der aus der Subsistenzleistung für die vererbende Generation legitimierte Anspruch auf das Eigentum als gerecht abgeleitet. Erbe wurde in diesem Sinne als legitime materielle Kompensation für die geleistete Altenversorgung verstanden. Zum anderen wurde insgesamt das als ,gerecht‘ verstanden, was als ,gleich‘ postuliert wurde, bzw. was auf der Basis reziproker Verbindlichkeiten und Beziehungen als gerecht abgeleitet wurde. Erbansprüche wurden damit auch über die Kategorie der Gleichheit kommuniziert, im negativen („dermaßen ungleich vertheilet“439 ) wie im positiven (Verteilung „zu gleichen Theilen“440 )

436

437

438

439 440

Andrea G/Martin S/Herwig W (Hrsg.), Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge (16.–19. Jahrhundert), Innsbruck u. a. 2002; Tomasz G, Privatrecht als Technik der Gerechtigkeit, in: Herfried M/Marcus L (Hrsg.), Konzeptionen der Gerechtigkeit. Kulturvergleich – Ideengeschichte – Moderne Debatten, Baden-Baden 1999, S. 69–80; Hans-Otto M, Gerechtigkeitsvorstellungen in ,Fürstenspiegeln‘ der Frühen Neuzeit, in: M/L (Hrsg.), Konzeptionen der Gerechtigkeit, S. 81–99; Herfried M/Marcus L, Die Frage nach der Gerechtigkeit in der Geschichte des politischen Denkens, in: M/Llanq (Hrsg.), Konzeptionen der Gerechtigkeit, S. 9–19. Christoph B, Art. Billigkeit, in: HRG, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 2008, Sp. 587–592; C, Privatrecht, S. 40–42; Jan S, Aequitas und Rechtsquellenlehre in der frühen Neuzeit, in: Quaderni Fiorentini 26, 1997, S. 265–305; D., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, in: ZNR 21, 1999, S. 29–44; Margarethe B-M/Helmut B/Georg G (Hrsg.), Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts. Eine FS für Theo Mayer-Maly zum 65. Geburtstag, Wien/New York 1996; Gunter W, Aequitas naturalis, „natürliche billigkeyt“ in der privatrechtlichen Dogmen- und Kodifikationsgeschichte, in: B-M/B/G (Hrsg.), Gerechtigkeitsanspruch, S. 81–105. Dies gilt prinzipiell für alle Konfliktbereiche. Im Unterschied zu den anderen Streitgegenständen wurde Billigkeit hier jedoch konkret auf den Erbanspruch, d. h. den Streitgegenstand appliziert, während in den anderen Fällen Rekurse auf die Billigkeit allgemein auf das Prozessziel in der petitio bezogen waren. Zit. nach ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1163, Bl. 3r . Ebd., Bl. 3v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

191

Sinn. Als Konsequenz der Ungleichheit wurde eine scheinbar benachteiligte Teilhabe am Erbe als „wircklich hinden gesetzt“441 und „verkürzt“442 oder – abstrahierend – als ungerecht und unbillig deklariert. Gleichheit vor dem Erbe diskutierten die Prozessparteien vor allem bei Geschwisterkonkurrenzen. Die in den Verfahren präsentierten Rechtsvorstellungen verweisen damit auf Abweichungen gegenüber den Normenvorstellungen egalitärer Erbpraktiken. Gleichheit zog sich jedoch nicht durch alle Erbkonflikte als Leitmotiv. Die verhandelten Kategorien verschoben sich in Abhängigkeit von der Konstellation, in der gestritten wurde. Dabei wurde bei Konflikten zwischen den Generationen anders als bei Geschwisterkonkurrenzen weniger auf Gleichheit als zentrales Movens, sondern vor allem auf eine rechtmäßige und – kontextabhängig definiert – gerechte Partizipation am überzeitlich gedachten Familieneigentum rekurriert. Dieser Eigentumskonzeption konträr standen allerdings auch Begründungsmuster, die sich am Leistungsprinzip orientierten. Aus ihnen wurden Anrechte auf Erbe abgeleitet, die sich gegenüber gegnerischen Ansprüchen als rechtlich ausschlaggebend erweisen sollten. Prinzipiell wurden dabei vor Gericht auch die aus Erbgängen resultierenden Machtverschiebungen innerhalb der Familie ausgehandelt.443 Die argumentierten Hierarchisierungslinien liefen hierbei nicht entlang der Kategorie Geschlecht, sondern eher der Generation.444 Insgesamt ist für die Konflikte um Partizipation am Eigentumstransfer durch Erbe die diskursive Auseinandersetzung mit den Kategorien der Gleichheit, Gerechtigkeit, Subsistenz, aber auch der Teilhabe an der ständischen Gesellschaft sowie deren Zielwerte (Sicherheit, Stabilität, Berechenbarkeit des Wirtschaftens445 ) zu konzedieren. Stärker als in den anderen eigentums- und besitzrechtlichen Konfliktbereichen schlugen sich in den Erbstreitigkeiten aber auch religiösmoralische Aufladungen nieder. Dabei fungierte der Dekalog als normatives wie topisches Ordnungsschema. Als handlungsleitende Normen galten vor allem das biblische Obödienzgebot gegenüber den Eltern446 , das christliche Liebesgebot sowie das siebente („Du sollst nicht stehlen“) und zehnte Gebot („Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut“). Das Übertreten dieser Normenvorstellungen durch den rechtsförmig ausgetragenen und damit nach außen hin dokumentierten Familienstreit gehörte zu den Topiken

441 442 443

444 445 446

Ebd., Bl. 1v . Ebd. Barbara K-R, „Als ein Knecht und Magd zu dienen“. Konflikte um Gut und (Haus-)Herrschaft in der westfälischen Grund- und Gerichtsherrschaft Canstein um 1700, in: B/S/W (Hrsg.), Generationengerechtigkeit, S. 317– 335; W (Hrsg.), Jedem das Seine. Ähnlich für das Jenaer Spruchgremium G, Eigentum, S. 324. D, Vermögenstransfer, S. 86 f. Vgl. dazu auch die Ausführungen bei W, Sonn‘, S. 51–55, 180–188.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

vor Gericht und wurde mit dem zuvor bereits vollzogenen Normbruch der Gegenseite legitimiert. 3.2.2 Die ,gerechte Forderung‘ im Kontext von Eigentum: Schuldkonflikte Profil

Schuldangelegenheiten zählten am Jenaer Hofgericht wie an vielen anderen Ober- und Höchstgerichten des Alten Reiches zu den am häufigsten verhandelten Streitgegenständen.447 Darunter fallen alle Auseinandersetzungen um Schuldforderungen, die sich aus Transferleistungen ergaben, etwa aus Schuldscheinen, Obligationen, Darlehen, Bürgschaften, Wechseln, Grundschulden, Hypotheken sowie aus Mietverhältnissen, Kreditkäufen, Pacht, Tausch- und Dienstverträgen.448 Das Spektrum zeigt, dass diese lediglich im weiteren Sinn unter den Typus der Eigentumskonflikte subsumiert werden können. Allerdings waren Schuldverhältnisse infolge des Kreditsicherungsverfahrens durch Belastung etwa von Grundeigentum oder Immobilien jeweils an Eigentum rückgebunden. Bei Kreditgeschäften stand eben immer auch die Verfügungsgewalt über Eigentum zur Disposition. Zugleich war Eigentum bzw. entsprechende Eigentumsrechte oft erst eine Voraussetzung für die Aufnahme von Hypotheken.449 Über diese angedeutete rechtliche Dimension hinaus geht es hier jedoch vor allem um Fragen der semantischen Zuordnung. Fokus bei der folgenden Analyse von Schuldkonflikten ist die Kategorie Eigentum, die im Kontext weiterer vor Gericht verhandelter Kategorien zu gewichten ist. Dies erscheint nicht zuletzt auch deshalb ergiebig zu sein, weil die Kreditbeziehungen und -netzwerke in der Frühen Neuzeit von immenser ökonomischer und gesellschaftlicher Bedeutung waren. Stände- und geschlechterübergreifend gab es vielfältige Einbindungen in Kredit- und Geldgeschäfte, die sich auch anhand von Gerichtsfällen nachzeichnen lassen.450 447

448 449

450

Vgl. für die Höchstgerichte u. a. W, Rechtsprechung, S. 53–64; B, Gesellschaft, S. 84–86; A-T, Wechselverbindlichkeiten sowie für weitere Gerichtsebenen u. a. S, Privatkredit; T, Gerichtspraxis. Vgl. zur Systematik Kapitel 3.1.2. Dazu ausführlich auch S, Privatkredit, S. 36–64. Bestimmte Wertgegenstände oder Bürgen konnten Grund und Boden bzw. Immobilien als Sicherheit ersetzen. Zum Zusammenhang von Kredit-, Grundstücks- und Immobilienwesen vgl. S, Privatkredit, S. 263–267. Jürgen S (Hrsg.), Soziale Praxis des Kredits. 16.–20. Jahrhundert, Hannover 2007. Vgl. darin insbesondere Carola L, Aspekte der mikrohistorischen und kulturanthropologischen Kreditforschung, S. 15–36 sowie Mark H, Kreditbeziehungen und Kapitalmärkte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, S. 37–51; Herman V  W, Forschungen zur Geschichte des privaten Kredits. Ein methodologischer Überblick, in: Michael N (Hrsg.), Kredit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa, Köln/Wien 1991, S. 215–219. Dort wie auch bei S, Privatkredit, weiterführende Literatur.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

193

Vor dem Hintergrund der vergleichsweise hohen Prozessbeteiligung von Frauen bei Schuldkonflikten wird deutlich, wie alltäglich bzw. selbstverständlich ihr Umgang mit Geld und das Eingehen finanzieller Verbindlichkeiten in der sozialen Praxis waren.451 Diese Einsichten deuten insbesondere die neueren (rechts-)historischen Fallstudien an, die sich jenseits traditioneller institutionengeschichtlicher Zugänge der Wirtschaftshistorie452 in den letzten Jahren verstärkt dem Themenfeld Kreditwesen, Verschuldung und Schuldkonflikte gewidmet haben.453 Mikrohistorische wie kulturanthropologische Ansätze haben darüber hinaus das Kreditwesen unter der Perspektive der sozialen Beziehung erforscht.454 Neben dem Kredit im Allgemeinen sind einzelne Rechtsinstrumente wie der Wechsel genauer untersucht worden. Besonders zu verweisen sind in diesem Zusammenhang auf die Studien von Anja Amend-Traut zu den Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht.455 Beate Sturm hat das Phänomen der Verschuldung von Privatpersonen in Nordwestdeutschland 1550 bis 1750 untersucht.456 Beide Autorinnen haben dabei auch ein besonderes Augenmerk auf die juristische Argumentationspraxis bei Schuldprozessen gelegt. Die von ihnen herausgearbeiteten Motive bieten mit Blick auf die Jenaer Konstellation eine entsprechende Vergleichsbasis. Mit der Untersuchung von Eigentumskonflikten vor dem Jenaer Schöppenstuhl liegen erste Ergebnisse für die Bewertung von Schuldkonflikten in der Rechtspraxis Sachsen-Weimar(Eisenachs) vor.457 Gleichfalls anregend für die kulturhistorische Verortung des Schuldwesens sind die Studien Craig Muldrews für das frühneuzeitliche England, die eine Kongruenz zwischen sozialem und ökonomischem Kredit im Sinne einer „moral economy“ nachgewiesen haben.458 Nicht zuletzt erscheint aber auch Martin Dinges Studie über den Zusammenhang von Ehre,

451 452 453 454 455

456 457 458

Dies bezieht sich auf Rechtsstreitigkeiten mit Frauenbeteiligung. Dazu H, Kreditbeziehungen. Vgl. ebd. Dazu u. a. L, Aspekte; H, Family Business, S. 128–182. A-T, Wechselverbindlichkeiten; D., Gerichtslandschaft Altes Reich im Spiegel einer Wechselbürgschaft, in: D./B/W/W (Hrsg.), Gerichtslandschaft, S. 7–15; D., Konfliktlösung bei streitigen Wechseln im Alten Reich. Der Kaufmannstand zwischen der Suche nach Alternativen zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen und strategischer Justiznutzung, in: Rolf L/Heiner L (Hrsg.), Akten des 36. Deutschen Rechtshistorikertages Halle an der Saale, Baden-Baden u. a. 2008, S. 153–175. Für die Gruppe der Handelsfrauen: D., Frauen; Barbara S, In puncto debiti – Prozesse jüdischer Geldleiherinnen am Reichshofrat, in: W (Hrsg.), In eigener Sache, S. 153–180. Beate S, „Borg macht Sorg“. Schuldkonflikte im frühneuzeitlichen Hannover, in: S (Hrsg.), Soziale Praxis des Kredits, S. 53–79; S, Privatkredit. G, Eigentum. Craig M, The Economy of Obligation. The Culture of Credit and Social Relations in Early Modern England, Basingstoke 1998.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Geld und sozialer Kontrolle im Paris des 18. Jahrhunderts hinsichtlich seines diskurs- und geschlechtergeschichtlichen Zugriffs instruktiv.459 In der Forschung zum frühneuzeitlichen Schuldenwesen wird die Zunahme von Konflikten im Bereich der Geldwirtschaft seit dem 16./17. Jahrhundert in Zusammenhang mit der allgemeinen Monetarisierung im Laufe der Frühen Neuzeit gesehen.460 Hintergrund ist der wirtschaftliche Transformationsprozess, in dem der Zahlungsverkehr gegenüber dem grundherrschaftlich geprägten Wirtschaftssystem stetig an Bedeutung gewann.461 Kredit- bzw. Darlehensbeziehungen intensivierten sich speziell im 18. Jahrhundert und beinhalteten dabei ein hohes Konfliktpotential.462 Ganz konkret verursachte aber auch der Wertverlust von Immobilien insbesondere nach dem Dreißigjährigen bzw. dem Siebenjährigen Krieg große Probleme im Kreditwesen.463 Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Sachsen-Weimar(-Eisenach) waren zusätzlich durch Währungskrisen nach 1763 und Subsistenzkrisen (1771/72) geprägt. Die Grundstückspreise fielen stark, so dass im Konkursfall die Gläubiger nicht entsprechend befriedigt werden konnten. Insbesondere Anfang der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen Insolvenzen und Versteigerungen, die in Zusammenhang mit der 1780 erlassenen Konkursordnung standen. Waren zuvor zur Erhöhung der Kreditsummen die Sicherheiten auf Eigentum oft zu hoch angegeben worden, sanken die Immobilienwerte nunmehr infolge der bei Versteigerungen und Konsensverlängerungen gesetzlich vorgeschriebenen Taxation durch vereidigte Schätzer beträchtlich.464 Aus dem Werteverfall einer Immobilie folgte dann unter Umständen der Verlust von Forderungen eines Gläubigers. Scheiterten Kreditnetzwerke, führte auch dies zur verstärkten Justiznutzung.465 Dies belegen Schuldkonflikte vor dem Jenaer Hofgericht, in denen Gläubiger(innen) ihre Einbindung in ein Kreditnetzwerk als Motivationsgrundlage für die Klage benannten.466 In der Regel führte Schuldnerverzug zu einer schuldrechtlichen Auseinandersetzung, die der Gläubiger zunächst mit außergerichtlichen Mahnungen zu regulieren suchte.467 Blieben diese ohne Erfolg, wurde der Vorgang rechtsanhängig. Üblicherweise gab das Klageschreiben formelhaft die nicht erfüllte 459 460 461 462 463 464 465 466 467

Martin D, Der Maurermeister und der Finanzrichter. Ehre, Geld und soziale Kontrolle im Paris des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994. Vgl. Michael N, Das Geld und seine Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1994, S. 123. Vgl. N, Handelsexpansion, S. 188 ff. Vgl. die Ergebnisse zur Reichsgerichtsbarkeit. Z. B. O, Rechtsvielfalt, S. 1–5, S. 47–53, S. 199–202, S. 431–436; AT, Wechselverbindlichkeiten, S. 1–3; N, Geld, S. 105. Für Sachsen-Weimar-Eisenach vgl. V, Herzogtum, S. 161 f. Vgl. S, Schuldkonflikte, S. 62, 232 f. Vgl. Kapitel 2.2.3. Vgl. auch V, Herzogtum, S. 184–190. H, Kreditbeziehungen, S. 40. Z. B. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 849. Zu außergerichtlichen Druckmitteln wie die Ausstellung einer neuen Obligation oder

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

195

Zahlungsleistung, die jeweilige Beweisurkunde sowie eine rechtliche Bitte an. In der Regel wurden dabei die Forderungssumme zusammen mit den Zinsen – im Allgemeinen der übliche Zinssatz von fünf Prozent – sowie die Kosten des Prozesses eingefordert – meist ohne zunächst auf gerichtliche Zwangsmaßnahmen („bey Vermeidung der Hüllfe“) zurückgreifen zu wollen. Druckmittel wie Immission, Subhastation, Arrest bis hin zur Bitte um Personalarrest wurden allerdings auch direkt im Klageschreiben angetragen.468 Auffällig ist, dass die Prozesse um Forderungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Jenaer Hofgericht in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum gewissermaßen in Schnellverfahren beschieden wurden. Komplexe und umfangreiche Verfahren, wie sie von 1648 bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts meist in Verbindung mit Erbvorgängen dokumentiert sind, wurden kaum mehr verhandelt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden viele Appellationen nach gerichtlicher Prüfung zumeist wegen Geringfügigkeit oder wegen der Wahl des falschen Forums abgewiesen. Dies machte ca. 8 % der insgesamt 134 anhängigen Schuldkonflikte aus. Gründe für den Rückgang komplizierter Schuldklagen liegen insbesondere in der zunehmenden Normierung der Eigentumsordnung im Herzogtum.469 So sorgte die Einführung des Erbscheinsystems (1782) für rechtlich eindeutigere Eigentumsverhältnisse und damit für mehr Sicherheiten bei Erbteilungen.470 Dahinter steht aber auch die Zunahme von Wechselgeschäften, die vor allem gegen Ende des 18. Jahrhunderts verstärkt als Streitgegenstand vor dem Jenaer Hofgericht verhandelt wurden. Das vor dem Hofgericht prozessierende Klientel agierte darüber hinaus innerhalb formalisierter Kreditbeziehungen. Mit Schuldverschreibungen und Wechselbriefen lagen rechtsförmige Dokumente über die Kreditgeschäfte und ihre Laufzeiten als entscheidende Beweisgrundlagen vor. Die Verfahren ließen sich – der Gesetzgebungslage konform – entsprechend zügig abwickeln.471 Auffallend ist die hohe Quote der Verfahren, die noch vor dem eigentlichen Gerichtstermin außergerichtlich oder gerichtlich verglichen wurden (rund 35 %). Häufig fungierte die Schuldklage vor Gericht als ein starkes Druckmittel dafür, Außenstände erfolgreich einzutreiben. Auch vor dem Hintergrund des Kostenaufwandes für ein Hofgerichtsverfahren war es oftmals ausreichend, lediglich mit der Klageschrift den Schuldner zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten zu bewegen. Die von den Parteien als „Liebe zum Frieden“472 markierten konsensualen Lösungsbestrebungen

468 469 470 471 472

die Androhung der Justiz siehe S, Schuldkonflikte, S. 195–199. Vgl. zum Ablauf auch S, Privatkredit. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 511, 523, 964, 1157 u. a. Dazu ausführlicher im Kapitel 2.2.3. Vgl. die Ausführungen dazu in der Einleitung, Kapitel 1. Dazu Kapitel 3.1. Zur Rückbindung von ,Frieden‘ an übergeordnete politische Ordnungsziele in zivilrechtlichen Konflikten Inken S-V, Das Haus und sein Frieden. Plädoyer für eine Auswertung des politischen Friedensbegriffs in der Frühen Neuzeit, in: D./Siegrid

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

hatten eben auch greifbare ökonomische „Unbequemlichkeiten, welche mit Continuation des Proceßes unzertrennlich verbunden“ waren.473 Zudem waren gerade Mitglieder der städtischen Elite bemüht, mit Blick auf ihre Reputation Schuldangelegenheiten möglichst nicht coram publico zu regeln. Beispielsweise wurde der Weimarer Kammerrat Franz Ludwig Albrecht von Hendrich (1754–1828) 1785 von der Ehefrau des verstorbenen Geraer Kauf- und Handelsmanns Carl Gottlob Reißmann vor dem Hofgericht verklagt.474 Für eine Lieferung ungarischen Weins war er dem Kaufmann seit Januar 1782 rund 58 Reichstaler schuldig geblieben, die die Witwe als Erbin nebst Verzugszinsen gerichtlich einforderte. Prompt entledigte sich von Hendrich dieser finanziellen Verbindlichkeit und vermied somit ein weiteres Verfahren. Dabei war es ein zentrales Anliegen (vermeintlicher) Debitoren, ihre Ehre und Kreditwürdigkeit zu erhalten. Als vom Lobedaer Stadtrat in „öffentlicher Rathsversammlung“ Gelder der Jenaer Hofadvokatin Regina Juliana Hochhaus arrestiert wurden, sah sie sich „publice beschimpfet“ und in ihrem „guten Credite“ geschmälert.475 Die Klage vor dem Jenaer Hofgericht sollte dabei nicht nur die Arrestierung annullieren, sondern auch ihr Sozialkapital wieder aufwerten. In diesem wie in zahlreichen weiteren Fällen führten Klageerhebungen und damit die Höherstufung des Konflikts zur Verbesserung außergerichtlicher Lösungsmöglichkeiten oder zu gerichtlichen Vergleichen.476 Hinsichtlich der Prozessbeteiligung von Frauen ist der hohe Anteil von wohlhabenden – zumeist verwitweten und adligen – Frauen auffällig, die über ihre Kreditgeschäfte in gerichtliche Auseinandersetzungen gerieten.477 Auch

473

474

475

476 477

W u. a. (Hrsg.), Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit, München 2010, S. 197–218. Siehe auch Kapitel 3.2.3. Zit. aus einem Vergleich zwischen Johannette von Breitenbach und dem Weimarer Kommissionssekretär Ludwig Neuber vom 26. Februar 1774: „Der Breitenbachische Actor zu Themar, Klaeger contra den Fürstlich Sächsischen CommissionsSecretarium, Heinrich Ludewig Neubern, zu Weimar, Beklagten. Anno Christi 1774“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 975, Bl. 13r –16r , hier Bl. 13v . „Actor Curatorn, Christianen Reißmannin zu Gera, Kläger, entgegen den Herzoglich Sachsen. Weimar. und Eisenachischen Cammer: Herrn, und Cammer Rath, Herrn Franz Ludwig, Ernst Albrecht Carl Friedrich von Hendrich, zu Weimar, Beklagten. A. C. 1785“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 502. Zu Hendrich vgl. Katja D, Der Jenaer Stadtkommandant Franz Ludwig Albrecht von Hendrich (1754– 1828) – Eine Persönlichkeit der Goethezeit, in: Die große Stadt. Das kulturhistorische Archiv von Weimar-Jena 3, 2009, S. 183–193. Hintergrund dafür waren die vom Jenaer Stadtrat beanspruchten Abzugsgelder auf das Vermögen der Klägerin. Regina Juliana Hochhaus hingegen war der Ansicht, dass der Stadtrat ihr mehr schulde als vice versa. „Die Hofadvocatin Regina Juliana Hochhäußin eine Thierbachin alhier zu Jena, Klägerin contra Den Stadt Rath zu Lobeda, Beklagten Anno Christi 1774“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 849. Vgl. D, Justiznutzungen, S. 504–525; S, Privatkredit, S. 200. Z. B. die verwitwete Weimarer Hofrätin Anna Maria von Berger, die mehrmals vor dem Hofgericht ausstehende Zahlungen einforderte, so u. a. in einer Auseinanderset-

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

197

in Sachsen-Weimar(-Eisenach) verfügten Frauen über ökonomische Handlungskompetenzen und waren in die regionalen Geldmärkte eingebunden. Witwen nutzten Geldleihegeschäfte vor allem als Anlage zur Kapitalvermehrung, um sich über Zinseinnahmen finanziell abzusichern.478 Wie existenziell diese Basis allerdings sein konnte, zeigt der Fall der verwitweten Anna Regina Margaretha Wildvogel, die sich über Zahlungsraten aus ihrem verkauften Hof und den daran gelegenen Gütern alimentierte. Als sie von ihrer Debitorin eine Rate von 1.500 Talern nebst Zinsen nicht erhielt, zog sie umgehend vor Gericht. Sie sei durch den Zahlungsverzug nun selbst in Schulden geraten und stehe, da ihr die „nöthige Sustentation“ fehle, vor ihrem „Untergang“.479 Auch verheiratete Bürgerinnen wie beispielsweise die bereits erwähnte Jenaer Bürgermeisterfrau Anna Maria Reinicke waren in Wechselgeschäfte involviert, die vor dem Jenaer Hofgericht verhandelt wurden.480 Wechselseitige Schuldbeziehungen erstreckten sich dabei nicht nur auf Privatpersonen, sondern auch auf städtische Institutionen. Hier ging es beispielsweise um vom Jenaer Stadtrat nicht fristgerecht zurückgezahlte Darlehen, die zum Wasserbau aufgenommen wurden.481 Die Viertelsmeister der Jenaer Bürgerschaft, gewählte Vorstände der zünftisch organisierten Vertretung der Bürger, wurden u. a. auf die Tilgung eines Darlehens von 120 Talern verklagt, das sie zur Finanzierung ihres seit den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts virulenten Konflikts mit dem Stadtrat um die städtische Verfassung erhalten hatten.482 Den sozialen und gesellschaftlichen Strukturen der Städte SachsenWeimar(-Eisenachs) entsprechend waren Handelsfrauen im Vergleich zu

478 479

480 481

482

zung von 1751 um Forderungen aus einem Darlehen von 200 Reichstalern sowie einer Wechselschuld von rund 380 Reichstalern (1760), ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 523, Nr. 120. Ebd., Nr. 1691. „Der Wildvogel. Actor zu Jena, Contra Die verwittbete Fr. CammerRäthin Johannen Wilhelminen Hochhaußen, hieselbst, Beklte Anno Christi 1733“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 559. Die Schere zwischen vermögenden adligen Kreditgeberinnen und verarmten adligen Witwen ist auch für den Weserraum belegt. Vgl. H, Frauen, S. 374 f. Vgl. dort auch das Kapitel zu Frauen als Kreditgeberinnen (S. 406–408). Vgl. den Hinweis bei ThHStA, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 13 (Fall von 1734). „Die verwittbete Drin Sophia Amalia Slevogt und Cons. zu Jena, Kl.rin contra StadtRath alhier, Bekl.e Anno Christi 1742“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 683. „Dorothe Maria Müllerin eine Koppischin alhier, Klrin, Contra Paul Andrea und Michael Senffen beyde Bürger und Seiler hies. Bekl. Anno Christi 1734“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 13. Dorothe Maria Müller klagte als Erbin ihres Vaters Michael Friedrich Koppisch, Konrektor der Jenaer Stadtschule, so dass die politische Einflussnahme auf städtische Belange nicht auf die Klägerin zurückging. Zum Konflikt zwischen dem Jenaer Stadtrat und der Bürgerschaft vgl. D, Stapelstadt, S. 121 ff.

198

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Messestädten nicht sehr präsent.483 Daher sind in diesem Raum auch kaum Prozesse von Handelsfrauen dokumentiert. Waren Frauen im städtischen Gewerbe tätig, dann insbesondere im Gastgewerbe – zumal dem Gaststättengewerbe insbesondere in einer Universitätsstadt wie Jena eine besondere Bedeutung zukam.484 So initiierten Gastwirtinnen etliche Prozesse vor dem Jenaer Hofgericht, um ihre Debitoren zur Zahlung von Außenständen zu bewegen.485 Häufig lagen den Konflikten persönliche Schuldverhältnisse der Frauen zugrunde, die auf ihre Beteiligung bzw. Mithaftung bei Kreditnahme oder Bürgschaften zurückgingen. Des Weiteren waren sie vor allem an Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Auszahlung von Erbansprüchen beteiligt. Dabei standen dem gerichtlichen Einklagen ausstehender Forderungen soziale Näheverhältnisse nicht entgegen. Dies zeigen die vielen innerfamiliären Schuldprozesse um Erbteile. Typisch sind darüber hinaus die Fälle, in denen Frauen als fordernde Erbinnen die Aktivschulden ihrer verstorbenen Ehegatten einklagten.486 An Erbschaften war aber auch die oftmals damit verbundene Abzahlung von Darlehen bzw. Schulden gekoppelt.487 Die zahlreichen Prozesse im Bereich der Erbschulden hatten im Übrigen auch den hohen Anteil von klagenden und beklagten Witwen bei Schuldkonflikten zur Folge. An Auseinandersetzungen um Geldschulden aus Kaufverträgen (7,46 %), Verpachtung (3 %), Warenschuld (3,8 %) und Lohn (2,24 %) waren Frauen in den Hofgerichtverfahren nicht signifikant beteiligt.488 Dass der Kredittypus Pfandleihe nicht verhandelt wurde, hängt mit der Sozialstruktur der klagenden bzw. beklagten Frauen zusammen. Zwar nutzten alle Schichten diese Kreditform, doch griffen vor allem ärmere Bevölkerungsteile darauf zurück, denen es sowohl an finanziellem als auch sozialem Kapital mangelte.489 Somit konzentrierten sich die Konfliktfelder vor allem auf die Bereiche Geldschulden aus Schuldscheinen, Obligationen, Darlehen und Bürgschaften (51,1 %), aus Wechseln (9 %)490 sowie auf geerbte Forderungen und Schulden (18,6 %). Die Forderungssummen bewegten sich dabei in der Regel zwischen 100 bis um die 500 Reichstaler. Höchster Streitwert war mit 7.000 Reichstalern eine geerbte Obligation.491 483

484 485 486 487 488 489 490 491

Gleichwohl waren Frauen z. B. in Jena in Handelsberufen durchaus präsent. Vgl. zu Frauen im sozialen und wirtschaftlichen Erwerbsleben Jenas D, Stapelstadt, S. 72– 74. Vgl. ebd., S. 73. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 100, 705, 893, 1342 u. a. Z. B. ebd., Nr. 1406. Ebd., Nr. 42, 577, 1237. Weitere Forderungen beziehen sich auf Kämmereigefälle, Bestallungsgelder, Quartiersgeld, Speisegeld (je 0,7 %), Legatengelder (1,49 %), rückständige Zinsen (2,24 %). Vgl. L, Aspekte, S. 22. Darunter sind auch geerbte Forderungen und Schulden aus Darlehen und Wechseln subsumiert. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 42.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

199

Fallanalysen

Die Konflikte um Schulden sind bei ihrer Analyse nach jenen Kriterien auszudifferenzieren, die die Auseinandersetzungen in ihrem Ausgang und ihrer Semantik in spezifischer Weise präfigurierten und strukturierten. Diese lassen sich am deutlichsten über einen rechtlichen Zugriff bündeln, der das Prozessrecht, die strittige Transferleistung sowie die Verhandlung spezifischer Rechtsfiguren in den Fokus rückt. Im Zentrum steht dabei jeweils die Frage, welcher weitere Referenzrahmen im Kontext von strittigen Geldforderungen formiert wurde. Den Ausgangspunkt dafür bilden unabhängig vom Streitgegenstand verfahrensrechtliche Elemente und Mechanismen, da diese für einen Großteil der Konflikte ausschlaggebend waren. Neben den Taktiken auf prozessrechtlicher Ebene werden in einem weiteren Punkt die vor dem Jenaer Hofgericht häufig verhandelten Schuldsachen aus Erbvorgängen analysiert. Am Beispiel dieses nahe am Erbrecht rangierenden Bereiches lässt sich am besten zeigen, mit welchen Mitteln fordernde oder schuldende Erbinnen insbesondere in Exekutivprozessen ihre Rechte argumentativ einforderten, absicherten oder den Zugriff auf ihr Vermögen abwehrten. Zugleich steht dieser Bereich hinsichtlich ihrer Argumentationsmuster auch exemplarisch für andere strittige Transferleistungen wie Kauf oder Pacht, die nicht über eine erbrechtliche Dimension verfügten. Wird ausgehend von der strittigen Transferleistung nach prozess- bzw. streitspezifischen Semantiken gefragt, soll abschließend die Bedeutung genuin weiblicher Rechte in der anwaltlichen Argumentations- und Rechtspraxis überprüft werden. Das Ergebnis ist ein wichtiger Indikator dafür, welche Bedeutung Geschlecht in den Auseinandersetzungen um strittige Geldforderungen insgesamt einzuräumen ist. Verfahrensrechtliche Mechanismen

Gerade im Bereich von Schuldklagen setzten taktische Justiznutzungen prozessrechtliche Mechanismen in Gang, die über den Ausgang eines Verfahrens entschieden. Typisches Instrument beklagter Schuldner war dabei die Verzögerung des Prozessganges – und damit auch der Zahlung – durch gezieltes Nichterscheinen zu den anberaumten Gerichtsterminen. Ferner war durch den Einsatz von Rechtsmitteln (Appellationen an die Landesregierung) der Übergang eines hofrichterlichen Urteils in die Rechtskraft einstweilig zu umgehen. Bedeuteten diese Taktiken vor allem Zeitgewinn für die Debitoren, konnten gerichtlich gewährte Eidesleistungen insbesondere in Konfliktkonstellationen ohne gesicherte Beweisgrundlagen den Verfahrensausgang beeinflussen. Für alle diese Verfahrensläufe gilt, dass entsprechende materiellrechtliche Fragen nicht im Vordergrund standen. Gleichwohl wurde die Nutzung verfahrensrechtlicher Taktiken unter Rekurs auf metajuristische Argumentationen legitimiert. Besonders umfassend geschah dies in jenen Fällen, in denen die beklagte Partei nicht zu den Gerichtsterminen erschien und sich ,contumacieren‘ ließ. Das Einlassen auf das Kontumazialprinzip

200

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

war eine gängige anwaltliche Strategie, um für den Klienten zumindest in einem zeitlich begrenzten Rahmen finanzielle Handlungsspielräume zu erlangen.492 Oftmals war der Schuldner tatsächlich nicht vor Ort, so dass unter Umständen dessen Ehefrau die Kommunikation mit dem Hofgericht aufnahm. Dies tat etwa Maria Dorothea Sachse, Ehefrau des Weimarischen Hofkommissars und Kaufmanns Johann August Heinrich Sachse. Dieser hielt sich geschäftlich in Russland auf, als er 1797 von einer Erbengemeinschaft wegen rund 104 Reichstalern beklagt wurde.493 Mit wiederholten Gesuchen bat Maria Dorothea Sachse darum, den Gerichtstermin zu verschieben.494 Das Gericht reagierte lediglich mit Bescheiden, in dieser Sache keine Änderung zuzulassen. Der Beklagte hätte seiner Ladung vor Gericht zu entsprechen. Da dies nicht geschah, kam das Hofgericht zu folgendem Urteil: „Der producirte Wechsel [ist, d. Verf.] nunmehr für recognoscirt zu achten und daher Beklagter den libellirten Rückstand samt Zinsen des Verzugs, von der Verfallszeit der im Wechsel bestimmten Zahlungsfristen an gerechnet, zu bezahlen [schuldig, d. Verf.], wie auch die verursachten Kosten.“495 Maria Dorothea Sachse appellierte dagegen zwar an die Weimarer Landesregierung, blieb allerdings erfolglos.496 Dabei hatte sie einen immensen Einsatz gezeigt, um das Verfahren bis zur Rückkehr ihres Ehemannes zu verschieben. Sie richtete zahlreiche Schreiben an das Hofgericht mit der Bitte um Aufschub. Ihr „ehelicher Mann“ würde alles begleichen, wenn er wieder da sei.497 Ferner legte sie dar, dass sie in die geschäftlichen Angelegenheiten ihres Mannes nicht involviert sei, folglich sie selbst sich „ohnmöglich mit der gesuchten Befriedigung der jetzigen Klägerin befassen kann.“498 Eine Mithaftung bzw. eine denkbare eigenständige Erledigung wies sie mit diesen Formulierungen zurück. Dass sie nichtsdestotrotz in den Angelegenheiten ihres Mannes außergewöhnlich aktiv war, zeigt die von ihr angestrengte Einschaltung verschiedener Instanzen bis hin zur Landesregierung. Ihre Argumente unterlegte Maria Dorothea Sachse nicht geschlechtsspezifisch, d. h. ihre argumentativ eingebrachte beschränkte Verfügungsfähigkeit in den 492 493

494 495 496 497 498

Vgl. z. B. ebd., Nr. 577. In dem Verfahren wandte die Schuldnerin ein, dass ihr Anwalt den Rat erteilt hatte, sich „contumacieren“ zu lassen (Bl. 43v ). „Des Kaufman Gräfers Wittbe und Söhne zu Langensalza, Kläger eines, entgegen den Herzogl[ich] Weimarischen Hofcommissar und Kaufmann, Johann August Heinrich Sachsen zu Jena, Beklagter am andern teil. A. C. 1797“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1130b. Vgl. Hendrikje C, Rechtliche Handlungsspielräume von Frauen vor dem Jenaer Hofgericht, in: F/W (Hrsg.), Handlungsspielräume, S. 193–210, hier S. 205–207. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1130b, Bl. 5r , 9r , 22r . Ebd., Bl. 35r . Ebd., Bl. 36r–v . Schreiben Maria Dorothea Sachses an das Hofgericht, 12. Mai 1797, ebd., Bl. 27r–v . Gemeint ist die Kaufmannswitwe Gräfe aus Langensalza, die als Erbin ihres verstorbenen Mannes zusammen mit ihren Söhnen die ausstehenden Forderungen einklagte. Ebd., Bl. 5r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

201

geschäftlichen Dingen des Ehegatten wurde nicht zusätzlich durch Stereotype weiblicher Unerfahrenheit in Geschäftsangelegenheiten akzentuiert. Streng am Prozessrecht orientiert blieb das Hofgericht auch bei Krisenargumentationen wie im Fall des Sachsen-Weimar-Eisenachischen Generalmajors Georg Heinrich von Burgsdorff, gegen den die verwitwete Weimarer Hofrätin Anna Maria von Berger 1760 wegen einer Wechselschuld von rund 380 Reichstalern prozessierte.499 Der Wechsel war auf von Burgsdorff und dessen zwischenzeitlich verstorbenen Bruder Friedrich Gottlieb von Burgsdorff ausgestellt und beruhte auf dem Leipziger Wechselrecht. Gefordert wurde binnen sächsischer Frist die Anerkennung und Zahlung des Wechsels durch von Burgsdorff, die Begleichung der Zinsen sowie der Prozesskosten. Der Beklagte erschien nicht zu den Hofgerichtsterminen, so dass ein Urteil in contumaciam erging.500 Von Burgsdorffs Appellation gegen das Urteil wurde abgewiesen; er hatte seine Schulden bei der Hofrätin von Berger zu begleichen.501 In dieser Schuldangelegenheit war der Debitor Georg Heinrich von Burgsdorff bestrebt, das Nichterscheinen vor Gericht unter anderem mit dem Rekurs auf Beruf, die aktuelle Krisensituation sowie den eigenen Sozialstatus zu legitimieren und rechtliche Handlungsabläufe in seinem Sinne zu wenden. Einen wesentlichen Bezugspunkt bildete dabei der Stand. Unter Berufung auf standesspezifische Privilegien seines Klienten versuchte von Burgsdorffs Anwalt, das Verfahren zu beeinflussen, nachdem das Hofgericht ihn zur Zahlung der Außenstände aufgefordert hatte. In einem Schreiben an das Jenaer Hofgericht äußerte er „ungezweiffelte Hofnung“, dass das Hofgericht „in anbetracht derer meinem Hochadel. Herrn Principalen zustehendenden so klaren Rechten und Befugnißen, dero [...] mir ertheilte abfällige Resolution gnädig und hochgeneigt zu mildern, und dass nunmehro auch mein vorhin eingereichtes Restitutions-Gesuch die erforderliche Citation ausfließen zu verfügen geruhen.“502 Umfassender als der Rekurs auf den Stand war allerdings die anwaltliche Bezugnahme auf von Burgsdorffs politischen Status, der in den Zusammenhang mit dessen patriotischen Leistungen zum Nutzen des Gemeinwesens gebracht wurde. Dessen Verwicklung in das Rechtsverfahren wurde dabei als reine private Angelegenheit abqualifiziert und stattdessen um richterliches Entgegenkommen für die vergleichsweise bedeutenderen ,Vaterlandsverdienste‘ geworben. Lediglich „in Besorgung bonis publici“ hätte der Beklagte „diese privat sache aus der Acht gelaßen, mithin gedachten Termin

499

500 501 502

„Der Adelich. Bergerische Actor, zu Weimar, Klaeger contra den Fürstl. Sächs. weimar= und eisenachischen General Herrn Georg Heinrichen von Burgsdorff daselbst Beklagten, Anno Christi 1760“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 120. Ebd., Bl. 20r . Ebd., Bl. 59r . Ebd., Bl. 47v .

202

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

nicht gehörig respectiret“.503 Ausführlich geschildert werden darüber hinaus die problematische politische Lage und deren Erfordernisse, um einmal mehr die bedeutende Funktion von Burgsdorffs zu akzentuieren: „Die gegenwärtige betrübte Umstände welche auch hiesige Lande an dem gantz Teutschland drückenden verderblichen Kriege nicht einen geringen Antheil nehmen laßen liegen leyder am Tage. Jedermann weiß auch wie viel Mühe und Arbeit die Stellung und Recrutierung des von hiesigen Landen erforderten Reichscontingents und tausend andern sich dabey ereignende Vorfälle verursachen. Da nun alles dieses oft wohlbesagter mein Herr Principal als Chef und Commandant sämtlicher Sachs. Weimarischer Trouppen zu besorgen hat, und wie gar leicht dargethan werden kann, eben zu der Zeit damit am meisten beschäfftigt gewesen.“504

Mit appellativer Suade suchte die schuldnerische Argumentationsstrategie das Hofgericht ebenso zu manipulieren wie mit der abschließenden captatio benevolentiae. Von Burgsdorff „würde sehr zubeklagen seyn, wenn er durch den Rigeur derer denen Civil Personen vorgeschriebenen Gesetze, welche wegen zweymaligen nicht erscheinens den streitenden Partheyen dem Verlust der Sache androhen, seine gerechte Sache den Dienst des Vaterlandes aufzuopfern genöthiget werden sollte.“505 Die klagende Seite ließ sich inhaltlich nicht auf die Argumente ihres Schuldners ein. Im Zentrum stand hingegen der Verweis auf ihre „in iudicato beruhenden Forderung“ mit der erfolgreichen Bitte um Abweisung der gegnerischen Gesuche an das Gericht.506 Der Anwalt von Burgsdorffs präsentierte hingegen ein umfangreiches Argumentationsbündel. Im Mittelpunkt standen auf der rechtlichen Ebene zunächst ständische Privilegien, auf deren Basis Sonderrechte eingefordert wurden. Auf einer weiteren Ebene wurde vor dem Hintergrund eines allgemeinen Krisenzustands das Verhältnis von Recht und Gemeinwohl gewichtet und letzteres interessegeleitet höher bewertet. Indem Recht zusätzlich als privatum konnotiert wurde, schwang dabei auch der Gegensatz zwischen Eigen- und Gemeinnutz mit. Damit wurde das salus publica-Prinzip bemüht, das unter bestimmten Umständen rechtliche Vorgaben aushebeln konnte. Allerdings nicht in diesem Kontext. Interessenausgleich geschah zwar vor der Folie des bonum commune, doch konnte es nicht den regulären Verfahrenslauf außer Kraft setzen. Die Gründe lagen im Prozessrecht selbst. Extrajudizialschreiben, in denen Beklagte ihr Nichterscheinen umfangreich begründeten und daraus für sie begünstigende Rechtsfolgen erbaten, wurden vom Hofgericht nicht akzeptiert. Die Argumente stießen erst judicialiter, innerhalb des Hofgerichtstermins, auf rechtliches Gehör. Grundsätzlich bestanden jedoch auch richterliche Ermessensspielräume in begründeten Fällen, wenn „die allegirte Impedimenta kundbar und erheblich“ waren.507 503 504 505 506 507

Ebd., Bl. 48v . Ebd., Bl. 48r–v . Ebd., Bl. 48v , 49r . Schreiben Beutholds an das Hofgericht, 8. Dezember 1760, ebd., Bl. 40r . HGO 1653, Kap. XX.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

203

In der Regel verliefen die Kontumazialverfahren anders als im Fall von Burgsdorffs relativ unspektakulär ab. Beklagte ließen sich oft ohne größere Einlassung verurteilen. Auch in einer Schuldsache zwischen Sophia Elisabetha von Meußbach aus Kreipitzsch und Hans Wilhelm Worm aus Heichelheim (1691) wurde dieses Prinzip verfolgt.508 Worm, der seiner Gläubigerin 100 Reichstaler schuldete, bat wegen seiner Reisetätigkeit um eine Verschiebung des Gerichtstermins.509 Das Hofgericht lehnte dieses Gesuch mit dem Verweis auf die Hofgerichtsordnung ab, die bei angenommener Ladung zum termingerechten Erscheinen vor Gericht verpflichtete.510 Um den Rechtsfolgen der accusatio contumacia zu entgehen, kam es vor, dass schlichtweg behauptet wurde, die Ladung nicht empfangen zu haben. So zum Beispiel Maria Catharina von Hepp zu Thalborn, die 1750 vom Weimarer Jurist Johann Samuel Fischer 700 Meißner Gulden geliehen hatte. 1756 forderte er die Summe zurück.511 Die Debitorin hatte viel zu verlieren, zumal sie in der Obligation ihr ganzes Vermögen, „liegend und fahrend zu Thalborn“ als Pfand eingesetzt hatte.512 Gleichwohl erschien Maria Catharina von Hepp bzw. ihre anwaltliche Vertretung nicht zum Hofgerichtstermin. Sie wurde daher dazu verurteilt, zu einem nächsten Termin zu erscheinen und die Schuldverschreibung „sub poena“ anzuerkennen.513 Daraufhin gab Maria Catharina von Hepp an, nichts vom Termin gewusst zu haben – die Berufung auf die Rechtsfigur „inscia ac indepensa et laudabiliter absens“ sollte die Rechtsfolgen des Kontumazialverfahrens modifizieren.514 Dies konnte nicht im Interesse des Kreditors sein, der ihren Einwand als „gantz offenbar affectiret“ zurückwies.515 Das Hofgericht orientierte sich hingegen strikt an der Hofgerichtsordnung. Nach „unverrückte beybehaltene Observanz“ waren die Termine nicht verhandlungsfähig.516 Letztlich erschien die zahlungsunfähige Schuldnerin zu keinem der Termine. Mit dem Endurteil vom 10. September 1756 galt die Obligation deshalb als anerkannt und von Hepp musste automatisch zahlen.517 Dies tat sie nicht, so dass im September 1757

508

509 510 511

512 513 514 515 516 517

„Frau Sophia Elisabetha von Meußbach geborne von Ende Wittbe, ietzo zu Kreipitzsch Contra Hannß Wilhelm Wormen zu Heuchelheim, anno Christi 1691“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1691. Schreiben an das Hofgericht vom 16. November 1691, ebd., Bl. 9r–v . Bescheid des Hofgerichts vom 21. November 1691, ebd., Bl. 10r–v . „Der Fischerische Anwald zu Weimar Klaeger Contra Frau Marien Catharinene von Hepp, gebohrne von Thun, zu Thalborn, Beklagte, Anno Christi 1756“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 511. Schreiben vom 1. Oktober 1755, ebd., Bl. 3v . Urteil vom 25. Juni 1756, ebd., Bl. 18r–v . Schreiben an das Hofgericht vom 26. August 1756, ebd., Bl. 23r –24r , hier Bl. 23v . Schreiben des Fischerschen Anwalts Beuthold an das Hofgericht vom 31. August 1756, ebd., Bl. 26r –27v . Bescheid des Hofgerichts, 1. September 1756, ebd., Bl. 28r . Endurteil des Hofgerichts vom 10. September 1756, ebd., Bl. 34r–v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

zunächst die Pachtgelder von ihrem Thalborner Gut arrestiert wurden,518 ein Jahr später kam es zur Zwangsversteigerung.519 Ähnliche Konsequenzen erwarteten auch Christine Margarethe Charlotte Hoffmann, Witwe und Universalerbin des Hofgerichtsprotonotars Johann Gottlieb Hoffmann. Der Gerichtsherr Johann Christian Scholber von Neubraunshayn forderte von ihr eine geerbte Wechselschuld von 100 Reichstalern ein.520 Ihr Ehemann hatte diese Summe am 28. November 1780 von Martin Herrmann gegen fünf Prozent jährliche Zinsen aufgenommen. Bis Weihnachten 1781 sollte laut Schuldschein der Betrag zurückgezahlt sein.521 Da es dazu allerdings nicht kam, haftete dafür zunächst Scholber als Bürge und Selbstschuldner des Wechselgeschäftes. Den Betrag, den er entsprechend eines Dokumentes vom 29. Juli 1793 an Martin Herrmann zahlte,522 forderte er nun gerichtlich von Charlotte Hoffmann ein: „Als Erbin ihres verstorbenen Ehegenoßens auch deßen Schulden ex quasi contractu und weil sich keine Erbschaft ehr als deducto aere alieno dencken läßt besonders aber weil sie solche nach deßen Tode an Klägers Hr. Principal zu bezahlen oder gerichtliche hypothec zu verschaffen versprochen in den Rechten zu bezahlen schuldig.“523 Diese hatte ihn offensichtlich bereits länger hingehalten524 – eine Strategie, die die Beklagte auch auf das Hofgerichtsverfahren übertrug. So tat sich auf einen dem Gericht angezeigten Vergleich beider Parteien nichts weiter.525 Auch einen daraufhin anberaumten Gerichtstermin nahm Charlotte Hoffmann nicht wahr.526 Automatisch wurde damit die Schuld anerkannt und sie wurde dazu verurteilt „binnen sächsischer Frist, bey Vermeidung der Hülffe“ den Betrag mit Zinsen sowie die Kosten für den Prozess zu zahlen.527 Ein dreiviertel Jahr später erfolgte dann wiederum die Bitte um einen Gerichtstermin, denn Charlotte Hoffmann hatte sich nicht weiter gerührt. Auf eine Ladung erfolgte die Anzeige eines außergerichtlichen Vergleichs beider Parteien.528 Ende

518 519 520

521 522 523 524

525 526 527 528

Ebd., Bl. 79r . Ebd., Bl. 90r ff. „Johann Christian Scholber, Erb=Lehn= und Gerichts=Herr auf und zu Neubraunshayn, Kläger an einem, entgegen die verwittibte Hofgerichts Protonotariussin Charlotte Hoffmann, eine Fick, zu Jena, Be=klagte am andern Teil a. c. 1797“. Klage vom 24. Mai 1797, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 577, Bl. 3r –5v . Schuldschein, ebd., Bl. 6r . Laut Dokument, ebd., Bl. 6v –7v . Klage, ebd., Bl. 4v . „Frau Beklagte sich deßen [ihres Ehemannes, d. Verf.] Nachlaßes als Erbin angemaßet auch nach der Zeit Klägers H. Principal dieses Capital nebst Interessum seit verschiedenen Jahren her zu bezahlen versprochen, so ist doch Frau Beklagte ihren Versprechen nicht nachgekommen sondern hat sich der Bezahlung wo nicht verweigert doch solche geflißentlich verzögert.“ Ebd., Bl. 4r . Brief vom 19. September 1797, ebd., Bl. 13r–v . Hofgerichtstermin vom 20. November 1797, ebd., Bl. 15r –21r . Urteil vom 15. Dezember 1797, ebd., Bl. 22r . Vergleichsanzeige vom 1. August 1798, ebd., Bl. 32r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

205

März 1799 teilte Scholbers Anwalt Johann Friedrich Werther dem Hofgericht allerdings mit, dass Charlotte Hoffmann dennoch nicht gezahlt hätte.529 Das Hofgericht zitierte daraufhin die Schuldnerin zu einem Gerichtstermin am 22. Mai 1799, zu dem sie „mit ihrem Vormund unausbleibend“ erscheinen solle.530 Die Beklagte kam nun zum Termin, an dessen Ende sie vom Hofgericht in einem Urteil vom 20. Juni 1799 zur Entrichtung der entsprechenden Summe an den Kläger verpflichtet wurde.531 Auf ein Gesuch des Scholberschen Anwalts vom 24. Juli 1799 hin erging darüber hinaus vom Hofgericht am 30. Juli 1799 eine Verfügung an den Jenaer Stadtrat.532 Dieser wurde angewiesen, bei der Verurteilten nach dem Scheitern der gütlichen Einigung eine Zwangsvollstreckung bestimmter „objecti executionis“ vorzunehmen.533 Dass es auf ein Zwangsverfahren hinauslief, machte der klägerische Antrag während des Gerichtstermins im Mai 1799 deutlich. Johann Friedrich Werther benannte, nachdem Scholber nun seit mehr als sechs Jahren vertröstet wurde,534 mögliche Objekte einer Pfändung. Er wolle aufgrund ihres bislang begangenen Ungehorsams bei Nichterfolg „in voraus in optima forma iuris accusiren“535 und dabei „der Frau Liquidatin in der Jenaer=Gaße gelegenes ihr eigenthümlich behöriges Wohnhauß in Ansehung des Capitals und der Interessen, in Ansehung der Kosten ihre sämtliche Mobilien und Semoventien pro objecto Executionis hiermit denominiren“.536 Sollte dies nicht reichen, wollte er auch „ihre Person pro objecto Executionis zu denominiren sich reserviren.“537 Der Anwalt verfolgte dabei eine besonders harte Linie. Der Antrag auf Personalexekution als Zwangsmaßnahme war keineswegs üblich und sorgte auf der beklagten Seite selbstredend für Unmut. Aufgrund der geradezu notorischen Zahlungs- und Prozessverzögerung waren die rechtlichen Handlungsspielräume allerdings so gering geworden, dass die Beklagte ihre Schuld während des neuerlich angesetzten Hofgerichtstermins grundsätzlich anerkannte.538 Der Klage konnten dabei aufgrund des Kontumazialprinzips keine umfassenden Einreden mehr entgegengesetzt werden. Die Fallgestaltung der beklagten Partei blieb so entsprechend defensiv, thematisierte lediglich den verfahrensrechtlichen Kontext dieses Falls. Der Anwalt Charlotte Hoffmanns, Johann August Christian von Hellfeld, argumentierte mit der Rechtsunkundigkeit seiner Klientin und einer für diese im Endef529 530 531 532 533 534 535 536 537 538

Schreiben Johann Friedrich Werthers an das Hofgericht vom 23. März 1799, ebd., Bl. 33r –34r . Citatio vom 28. März 1799, ebd., Bl. 35r . Endurteil vom 20. Juni 1799, ebd., Bl. 46r . Ebd., Bl. 47r –48v . Verfügung des Hofgerichts an den Jenaer Stadtrat, ebd., Bl. 49r–v . Ebd., Bl. 37r . Ebd., Bl. 39v . Ebd., Bl. 39v f. Ebd. Ebd., Bl. 43r .

206

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

fekt nachteiligen Beratung durch ihren vorherigen Rechtskonsulenten. Sie hätte im Verfahren durchaus „triftige und begründete Einreden“ vorbringen können, „wenn selbige wohlberathen gewesen und ihr nicht der gute Rath!! gegeben worden wäre, sich contumaciren zu laßen.“539 Diese Argumente haben insofern weniger eine rechtliche als eine affektive Stoßrichtung, als sie den Appell an die Nachsicht Johann Christian Scholbers vorbereiteten. Er möge sich doch im Hinblick auf die Zinsen „christlich und billig finden“ und „selbige schwinden lassen“.540 Die Bitte um Konzilianz hatte nur in Bezug auf die Senkung ihrer Advokatengebühr Erfolg, die ihr im Endurteil zugestanden wurde.541 Den weiteren Verfahrenslauf beeinflusste sie allerdings nicht. Es wurde eine Zwangsvollstreckung eingeleitet, das Eigentum der zahlungsunfähigen Witwe beschlagnahmt und der Gläubiger befriedigt.542 Ihr Rechtsstatus als Frau stand dabei nicht zur Debatte. Vielmehr fokussierte sich die anwaltliche Argumentation auf den Topos der Rechtsunkenntnis und das Prinzip der Billigkeit, um die Rechtsfolgen für die säumige Schuldnerin einzugrenzen. In jenen Fällen, in denen die von einer Partei beantragte und vom Gericht gewährte Eidesleistung einen Konflikt entschied, standen eher Formalia im Mittelpunkt. Beispielhaft dafür ist die Auseinandersetzung zwischen Moritz Adolph von Rudolph und Agnese Dorothea Petersen. Von Rudolph klagte am 7. April 1772 gegen die Witwe wegen 60 Reichstalern, die er mit den entsprechenden Zinsen und Kosten binnen sächsischer Frist bei Vermeidung der Exekution einforderte.543 Am 29. Mai 1764 hatte er ihr den Betrag in bar vorgeschossen. Agnese Petersen verpflichtete sich im Gegenzug dazu, die Summe nach einer vierteljährigen Aufkündigung zurückzuzahlen.544 Als Unterpfand wurde ihr Vermögen „so viel darzu von nöthen“ eingesetzt.545 Nach dem rechtlichen Verfahren erließ das Hofgericht am 10. Oktober 1772 das Urteil. Danach musste die Beklagte entweder die Verschreibung anerkennen oder einen Eid (juramentum diffessionis) darüber ablegen, dass sie die Urkunde zum einen weder ge- noch unterschrieben hat und zum anderen nicht mit ihrem Willen und in ihrem Namen unterschrieben wurde.546 Der Diffessionseid spielte insbesondere in Wechselrechtsprozessen als Beweismittel eine 539 540 541 542 543

544

545 546

Ebd., Bl. 43v . Ebd., Bl. 44r . Ebd., Bl. 44r–v . Ebd., Bl. 46r . „Der Fürst.-Sächsische Lieutenant Moritz Adolph von Rudolff alhier Kläger, contra die verwittbete Agnese Dorothea Petersen, Beklagte zu Lobeda, Anno Christi 1772“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1012, Bl. 2r –3r . Vgl. die Kopie der Schuldverschreibung vom 29. Mai 1764 mit der Unterschrift von Agnese Dorothe Leysering, Andreas Nicolaus Petersen „Lieut. als Selbst Schuldner“, ebd., Lit. L, Bl. 4r . Ebd., Bl. 2v . Urteil des Hofgerichts vom 10. Oktober 1772, ebd., Bl. 36r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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besondere Bedeutung. Mit der Ablegung des Eides konnte die Echtheit bzw. Rechtsgültigkeit einer Urkunde durch den Schwörenden geleugnet und somit die Beweisgrundlage für den klägerischen Rechtsanspruch entkräftet werden.547 Agnese Petersen wählte den Eid548 , wodurch sie mit dem Endurteil vom 12. Dezember 1772 vom Hofgericht von der Klage entbunden wurde.549 Allerdings waren die Kosten der Parteien gegeneinander zu vergleichen. Dass sich Agnese Petersen aus der Zahlungsverantwortung lösen konnte, liegt insbesondere an der von ihrer Seite als strittig reklamierten Beweisgrundlage. Ihr Anwalt Johann Christian Beuthold focht dabei die Rechtsgrundlage der Klage insgesamt an. Die Klage sollte abgewiesen, Agnese Petersen von der Anerkennung des Schuldscheines verschont werden.550 Zum einen wurde die Schuldnerschaft der Frau für nicht erwiesen erklärt, weil die Schuldverschreibung nicht nur den Namen der Agnese Petersen, sondern auch ihres verstorbenen Ehemannes enthielt.551 Zum anderen berief sich der Anwalt auf die Regel, dass ein nicht selbst unterschriebenes Dokument auch nicht anzuerkennen sei. Die Klägerin habe erst von der Schuldverschreibung erfahren, als diese ihr als Abschrift bei der Klage zugegangen sei.552 Im Übrigen wurde neben formalen Angriffspunkten auch das SCV herangezogen, um die Schuldhaftung der Frau zu widerlegen.553 Diese hätte weder den für die weibliche Interzession vorausgesetzten Verzicht der weiblichen Rechte abgeleistet, noch sei diese gerichtlich und mit dem Geschlechtsbeistand geschehen: „das Extensum nur von einem einigen Schuldner redet: es fehlet aber einer dergleichen von Beklagtens Frau Constituentin angeblich geschehen seyn sollenden Verbürgung nicht mehr als an allen requisitis welche die Rechte zu einer gültigen Intercession der WeibsPersonen erfordern, da sie weder gerichtlich noch cum Curatore geschehen, auch denen weiblichen Gerechtsame nicht renunciret worden.“554 Die klägerische Seite mit Johann Conrad Sell als Anwalt hielt dagegen, dass die benutzte Formulierung „Endes unterschriebene“ und nicht „Endes unterschriebenen“ einen weiblichen Unterzeichner belege.555 Die vom Beklagten suggerierte Ungewissheit „wer der eigenthliche Schuldner sey“ wird als konstruiert zurückgewiesen, als „ein wenig zu weit hergeholt“.556 Dagegen und gegen die Gültigkeit des SCV macht der Kläger 547 548 549 550 551 552 553 554 555 556

H, Prozess, § 88, S. 255 ff. Juramentum diffensionis auf den im Original vorgelegten Schuldschein, 9. Dezember 1772, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1012, Bl. 40r . Endurteil des Hofgerichts vom 12. Dezember 1772, ebd., Bl. 50r . Hofgerichtstermin vom 31. August 1772, ebd., Bl. 11r–v . Ebd., ab Bl. 13v . Ebd., Bl. 15v , 16r . Dieser Fall ist einer der wenigen vor dem Hofgericht anhängigen Verfahren, in dem das SCV als exceptio eingebracht und verhandelt wurde. Dazu ausführlicher Kapitel 3.2.2. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1012, Bl. 17r–v . Ebd., Bl. 20r . Ebd., Bl. 20v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

mehrere Gründe geltend, insbesondere den Rechtsstatus der Frau als Witwe, die als Wirtin und Eigentümerin des Gasthofes „Zum schwarzen Adler“ in Lobeda fungierte: „die Frau Lieutenantin Petersin war zu der Zeit, als sie die 60 Rthlr. erborget, eine Wittbe und eine Wirthin wie auch Eigenthümerin des Gasthofes zum schwartzen Adler in Lobeda, man siehet auch aus dem Beysatz des Herrn Lieutenante Petersen. als Selbstschuldner, daß er das Geld nicht erborget, sondern die Frau Leyseringen es erhalten, sich als Selbstschuldner mit verbindlich gemachet, zu bezahlen, dadurch aber ist sie keineswegs liberiret worden.“557

Agnese Petersens Anwalt setzte daraufhin beim „eigenthlichen Wort Verstand“ an und erklärte, dass Selbstschuldner derjenige sei, welcher ein eigene Schuld zu bezahlen hat.558 Dies sowie der Umstand, dass Agnese Petersen das Dokument weder ge- noch unterschrieben habe, weise auf eine „fremde Schuld“559 – zumal die Unterschrift des Ehemanns und Frau Petersens „einerley hand“560 seien. Die Klage basiere nicht auf „gegründetem Recht“, dem Kläger fehle ein „fundamento agendi“.561 Daher bot die beklagte Seite im Hinblick auf die Schuldverschreibung die Ableistung eines Diffessionseides an, den seine Mandantin „mit unverletztem Gewißen“ schwören könne.562 Der Eid wurde vom Jenaer Hofgericht zugelassen und von der Beklagten abgeleistet.563 Dessen ungeachtet fuhr der klagende Anwalt noch einmal Material gegen die Kontrahentin auf, das ihre Schuldnerschaft beweisen sollte. Etwa, dass diese sein „Tisch Geld“ in ihrem Wirtshaus mit den Zinsen des geliehenen Geldes kompensiert habe.564 Außerdem habe sie nach dem Tod ihres Mannes „auf Abschlag monirten Intereßen“ Holz geliefert.565 Ferner habe sie ihren Cousin, den Kauf- und Handelsmann Schröder, gebeten, einen Zahlungsaufschub bei ihrem Gläubiger zu bewirken.566 Als „theils unwahr, theils irrelevante Umstände“ wies Agnese Petersens Anwalt diese Argumente zurück.567 Im prozessrechtlichen Sinn waren die Argumente tatsächlich irrelevant, da sie an diesem Punkt des Verfahrens nicht mehr verhandelbar waren. Auch der kommunizierte Gegensatz zwischen dem Rechtsstatus der Beklagten als Wirtin sowie Eigentümerin und andererseits der Haftungsentzug durch die SCV-Klausel spielten daher keine Rolle. Der Diffessionseid stand am Ende des Verfahrens und wurde als einzig rechtskräftiges Beweismittel der Urteilsfindung zugrundegelegt. 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567

Ebd., Bl. 20v , 21r . Ebd., Bl. 28r . Ebd., Bl. 28r–v , 29r . Ebd., Bl. 29v . Ebd., Bl. 30v . Ebd., Bl. 37r –38r , hier 37v . Ebd., Bl. 18v . Ebd., Bl. 44v . Ebd., Bl. 45r . Ebd. Ebd., Bl. 46r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

209

Eine familieninterne Auseinandersetzung zwischen dem Jenaer Strumpfverleger Georg Friedrich Heydenreich und seiner in Weimar ansässigen Schwester, der Hoffaktorin Emilie Regine Theus, illustriert einmal mehr den Stellenwert prozess- und beweisrechtlicher Aspekte in der Rechtsprechungspraxis.568 Im Zentrum des Konflikts stand die Verteilung eines auf die Schwester geschriebenen und zum Nachlass des gestorbenen Bruders gehörigen Kapitals aus der Weimarer Landschaftskasse.569 Der im November 1773 verstorbene Bruder Carl Heydenreich aus Apolda versprach seinen vier Geschwistern einige Wochen vor dem Tod ein Kapital von jeweils 1.000 Reichstalern, das er der Weimarischen Landschaftskasse überlassen wolle.570 Allerdings verstarb er, bevor diese Summe in die Kasse eingezahlt worden war. Dies übernahm – der Version des Klägers entsprechend – der Ehemann Emilie Theus‘, der Weimarer Hoffaktor Johann Zacharias Theus. Der Kassenschein vom 25. Juni 1774 wurde allerdings auf Heydenreichs Schwester ausgestellt.571 Nun war Emilie Theus jedoch dazu „in Güte nicht zu bringen“572 , seinen Anteil „nebst denen davon erhobenen Nuzungen“573 zu bezahlen, auch die gerichtlichen Einigungsversuche scheiterten.574 Vor Gericht stritt Emilie Theus alle Behauptungen ihres Bruders ab. Eine Auszahlung an die Landschaftskasse sei nicht verzeichnet, das Kapital auch nicht an die Kasse gezahlt worden. Das Geld in der Kasse zähle nicht zu dem unverteilten Geld aus dem brüderlichen Nachlass.575 Da Emilie Theus alle Klagepunkte gänzlich negierte, wies ihr das Hofgericht in einem Zwischenurteil den „Eyd vor Gefährde“ zu.576 Mit diesem Kalumnieneid (iuramentum calumniae) konnte die Beklagte beweiskräftig die Klage als falsche Beschuldigung zurückweisen.577 Sie leistete den Eid ab und wurde daraufhin von der Klage entbunden. Die Kosten des Prozesses hatten jedoch beide Seiten zu tragen.578 Alles in allem belegen die Fälle, dass Prozessrecht und prozessuale Rechtsmittel für die Entwicklung einer rechtsanhängigen Auseinandersetzung um Schulden von nicht zu unterschätzender Bedeutung waren. Weder persönlichsituativ verankerte sowie auf den Rechtsstatus abzielende, noch standesspe568

569 570 571 572 573 574 575 576 577 578

„George Friedrich Heydenreich alhier zu Jena Kläger contra Emilien Reginen Theusin, eine Heydenreichin, zu Weimar, Beklagte, Anno Christi 1775“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1298. Ebd., Bl. 2r –4v . Ebd., Bl. 2v . Ebd., Bl. 3r . Ebd. Ebd., Bl. 4r–v . Hofgerichtstermin am 28. August 1775, ebd., Bl. 19v ff. Ebd., Bl. 20r . Urteil des Hofgerichts vom 8. September 1775, ebd., Bl. 31r–v . Vgl. Hans-Joachim M, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, Berlin/ New York 1975. Endurteil des Hofgerichts vom 16. Dezember 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1298, Bl. 63r–v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

zifische oder gemeinwohlorientierte Argumentationsstrategien beeinflussten das Hofgericht in Bezug auf das prozessrechtliche Procedere. Ermessens- und Beurteilungsspielräume gab es nur im Rahmen der Hofgerichtsordnung, die vom Gericht als Verfahrensmaxime umgesetzt wurde. Dies geschah auch im Kontext territorialrechtlicher Bestimmungen zum Kredit- und Schuldenwesen, die auf effiziente Verfahren zugunsten einer schnellen Zufriedenstellung der Gläubiger abhoben. In der Regel lagen mit Wechseln oder Schuldscheinen die entscheidenden Beweisgrundlagen vor, was zu einer Rationalisierung der Verfahren beitrug.579 Es kam dennoch vor, dass sich Parteien durch Anzweifeln klägerisch vorgebrachter Beweise argumentative Spielräume und damit rechtliche Möglichkeiten zu verschaffen suchten, eine Klage abzuwehren. Allerdings geschah dies lediglich innerhalb des Rahmens, den das Hofgericht der Partei zugestand. Konnten die vom Kläger vorgelegten Beweismittel den gegnerischen Argumenten auch aus der Perspektive des Hofgerichts nicht standhalten, dann ließen sich mittels Beweislastumkehrung durch Eid die klägerischen Ansprüche entkräften. Eidliche Versicherungen waren zwar im Laufe des 18. Jahrhunderts kein zentrales prozessuales Mittel mehr vor dem Hofgericht, doch belegen sie einmal mehr die prinzipielle Eidfähigkeit von Frauen und damit ihre prozessualen Handlungsspielräume in der Rechtspraxis.580 Strittige Transferleistung: Erbschulden aus Darlehen und Wechsel

Insbesondere verwitwete Frauen waren vor dem Jenaer Hofgericht häufig in Konflikte um ererbte Aktiv- und Passivschulden v.a. aus Darlehen und Wechseln beteiligt. Rechtlicher Hintergrund dafür war der Umstand, dass mit dem rechtmäßigen Antritt des Erbes sowohl die Abtragung von Schulden als auch der Anspruch auf Eintreibung von Forderungen verbunden war. Frauen konnten daher als Erbinnen zur Verpflichtung herangezogen werden oder sie traten als fordernde Gläubigerin auf. In der Rechtspraxis führte dies insbesondere dann zu Konflikten, wenn etwa die Annahme einer Erbschaft bestritten wurde. Kompliziert und langwierig gestalteten sich vor allem die Rechtsstreitigkeiten, die mit Erbteilungskonflikten verbunden waren. Gerade der enge Zusammenhang von schuld- und erbrechtlichen Fragen gab den Parteien einen großen Raum zur Fallgestaltung. Dabei standen Zugriff auf Eigentum und dessen Abwehr insbesondere in 579

580

Eine weniger professionalisierte Rechtspraxis spiegelte sich auch in den anwaltlichen Argumentationen wider. Mit Blick auf formale Kriterien zeigt z. B. Beate Sturm für Hannover, dass unklare, nicht schriftlich fixierte Vertragskonditionen hier kein Einzelfall waren. Dies führte im Vergleich zum Jenaer Hofgericht auch zu anderen Argumentationsmustern (konträre Angaben der Parteien hinsichtlich der Schuldsummen; Behauptung, die Schulden wären bereits getilgt u. a.). Vgl. S, Privatkredit, S. 225– 229. Vgl. ähnlich für das Reichskammergericht A-T, Wechselverbindlichkeiten, S. 356.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

211

Exekutivprozessen als zentrale Verhandlungsmotive im Vordergrund. Dies spiegelte sich auch in semantischer Hinsicht wider. Bereits der Anspruch auf Geldvermögen wurde über die Kategorie Eigentum kommuniziert und damit gegenüber dem Prozessgegner als das stärkere Recht konnotiert. So etwa im Fall des Fechtmeisters der Prinzen zu Preußen Friedrich Weidner, der im August 1791 vor dem Jenaer Hofgericht gegen seine verwitwete Schwester, der Kriegssekretärin Rosine Maria Meyer, um 100 Gulden Erbschafts- und Hauskaufgelder stritt.581 Die zwischen den Geschwistern unverteilten Gelder waren bislang bei der Weimarer Kammer deponiert. Im August 1789 ließ sich die Schwester das Geld auszahlen, ohne allerdings den Bruder darüber zu informieren.582 Weidner reagierte darauf mit einer Klage, auf die eine gerichtliche Einigung der Geschwister folgte. Diese wurde hart erhandelt, denn Rosine Maria Meyer stellte ihrem klagenden Bruder Bedingungen. Vor dem Hintergrund, dass auch sie entsprechende – jedoch nicht weiter konkretisierte – Ansprüche an ihren Bruder hätte, bot sie ihm drei Louisdor – unter der Bedingung, dass Weidner von allen weiteren Ansprüchen auf das elterliche Erbe absehe. Demgegenüber bestand der Kläger auf einer Summe von 12 Gulden, auf die jedoch seine Schwester nicht eingehen wollte. Der Vorschlag des Hofrichters, die Hälfte des eingeklagten Betrages als Vergleichssumme anzunehmen, wurde schließlich von beiden Parteien akzeptiert und somit ein gerichtlicher Vergleich geschlossen.583 Die Argumentation des klägerischen Anwalts konzentrierte sich dabei auf eine rein rechtlich relevante und sachorientierte Narration. Im Mittelpunkt stand das als nicht rechtmäßig bestimmte Vorgehen seiner Schwester, die ohne „Wißen und Willen weniger denn mit Rechte“ die Gelder genommen habe.584 Weidner stellte dies als Eingriff in sein Eigentum dar und beanspruchte den eingeklagten Betrag als ein „mir eigenthümlich zustehendes Capital“. Weiter sprach er von den „ohne mein Wißen und Willen erhobenen mir eigenthümlich gehörigen in rechten so sehr privilegierten Erb=Gelder“.585 Recht und Eigentum standen damit im Zentrum der klägerischen Argumentation. Schuldrechtliche Auseinandersetzungen konnten noch stärker eigentumsrechtlich strukturiert sein. Ähnlich wie beim Abstreiten eines Erbes wurde hierbei die Rechtmäßigkeit des durch den Debitoren hypothekarisch belasteten Eigentums hinterfragt, um klägerische Rechtsansprüche auf Schuldhaftung zurückzuweisen. Als Beispiel dafür sei ein Rechtsstreit zwi581

582 583 584 585

„Friedrich Daniel Alexander Weidner, der Königlich-Preussischen-Prinzen zu Berlin Instructeur im Fechten, Kläger an einem, entgegen die verwittbete KriegsSecretariussin, Rosinen, Marien Meyer, eine Weidner, zu Weimar, Beklagte am andern Teil. a. c. 1795“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 923. Vgl. die Urkunde der Weimarer Kammer über das ausgezahlte Kapital vom 24. Juni 1791, ebd., Bl. 13r –14v . Vergleich, 5. Oktober 1791, ebd., Bl. 5r –7r . Ebd., Bl. 1v . Ebd., Bl. 2r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

schen Friedrich Siegmund Freiherr von Stubenroll zu Lobeda auf der einen und Marie Sibylle Häberle mit Kindern und Enkeln sowie dem Jenaer Bürgermeister Johann Michael Häberle auf der anderen Seite benannt (1731).586 Die verstorbene Mutter der Beklagten Häberle hatte 1721 200 Reichstaler von den Vormündern des Klägers geliehen und dafür ihr Holz als Pfand eingesetzt. Von Stubenroll wollte nun die geerbte Schuldpost einfordern und erbat vom Amt Kahla die Pfändung des Holzes. Seinem Gesuch wurde dort jedoch nicht stattgegeben, so dass er sich an das Hofgericht wandte.587 Die beklagte Seite wies den Zugriff auf ihr Eigentum zurück, indem es die Hypothek und damit die Verpfändung des Holzes für rechtsungültig erklärte.588 Das verpfändete Holz zähle zum „avo paterno Dionysico“ und sei auf den Vater Michael Häberle vererbt worden. Die Mutter könnte daher das (groß)väterliche Gut weder verpfänden noch „das geringste daran verborgen“.589 Ferner habe der Vater insgesamt fünf Kinder hinterlassen. Ohne die Zustimmung ihrer Vormünder sei „a non domina in re aliena“ keine rechtsbeständige Hypothek möglich.590 Als Beweise wurden ein Steuerauszug des Amtes Leuchtenburg vom 27. November 1714591 sowie das großväterliche Testament vorgelegt.592 Von Stubenroll negierte die vorgelegten Beweise, so dass das Hofgericht ihm einen Gegenbeweis auferlegte.593 Ein solcher wurde allerdings nicht vorgelegt. Zwei Jahre später nahm der Fall eine Wende, ohne dass jedoch nähere Hintergründe rekonstruiert werden können. Familie Häberle bat das Hofgericht um eine Verfügung an das Amt Kahla, „daß das bis daher strittig gewesene und ihm [von Stubenroll, d. Verf.] verpfändete Holtz Erb= und Eigenthümlich zugeschrieben werden, immaßen wir ihm solches hiermit an Zahlungs statt übergeben.“594 Dies belegt freilich, wie konstruiert zuvor die Fallgestaltung der beklagten Seite war. Erstinstanzlich hatten sie erfolgreich mit dem Dementieren des mütterlichen Eigentumsrechts an dem Holz die rechtmäßige Basis der Hypothek und damit verbunden die Zahlungshaftung für sich abgelehnt. Dies verschuf ihnen offensichtlich ökonomische Handlungsspielräume, zumal vor dem Hofgericht dem Kläger auch noch die Erbringung der Beweislast zugewiesen wurde. Ein Rechtsstreit konnte auch auf die Negation einer Erbschaft hinauslaufen, um einer Haftungsverpflichtung zu entgehen.595 Major Jacob Rudolph 586 587 588 589 590 591 592 593 594 595

ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 450. Klage vom 13. Juni 1731, ebd., Bl. 2r–v . Schreiben der Erbengemeinschaft Häberle an das Hofgericht vom 20. Februar 1733, ebd., Bl. 12r –14r . Ebd., Bl. 13r . Ebd. Ebd., Bl. 14v . Ebd., Bl. 34v , 35r . Hofgerichtsurteil vom 27. Juni 1733, ebd., Bl. 51r–v . Schreiben an das Hofgericht vom 30. April 1735, ebd., unfol. Vgl. ähnliche Fälle bei S, Privatkredit, S. 219–221.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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von Carlowitz zu Kolckwitz wandte sich 1743 mit einer Appellation gegen Dorothea Margarethe Pfeiffer, Witwe eines Nauendorfer Pfeffermüllers an das Jenaer Hofgericht.596 Erstinstanzlich hatte er erfolglos einen Betrag von 32 Gulden eingeklagt. Auch vor dem Hofgericht legte die Beklagte jedoch erfolgreich dar, keine Erbin ihres Mannes zu sein und somit nicht zur Zahlungsverantwortung herangezogen werden zu können. Das Hofgericht bestätigte das vorherige Urteil und entband Dorothea Margarethe Pfeiffer von der Klage.597 Der klägerische Anwalt begründete die Haftungsverpflichtung der Gegnerin entlang des sächsischen Rechts, wonach die Witwe an der Verlassenschaft des verstorbenen Mannes „ratione portionis statutaria Erbin“ sei, „woferne sie sich dieses Rechtes nicht begeben, [. . . ] dergl. aber facti ist“.598 Der Anwalt Dorothea Margarethe Pfeiffer argumentierte mit einem konträren Rechtsverständnis, nach dem seine Klientin wie alle Witwen ihren Erbteil nicht als Erbe, sondern als „jure singulari“ erhalten habe. Die statutarische Portion hätte Dorothea Margarethe Pfeiffer nicht gewählt.599 Die Passivschulden ihres Mannes seien „facta aliena“.600 Dies stützte er autoritativ mit der communis opinio doctorum. Jenseits dieser Argumente waren allerdings konkrete Beweise ausschlaggebend. Mit der erstinstanzlichen Eidesleistung der Beklagten über die Unkenntnis der Schuld lag ein rechtskräftiger Beweis vor, der vor dem Hofgericht als entscheidende Rechtsgrundlage behandelt wurde. Der Bezugsrahmen ,Eigentum‘ wurde bei schuldrechtlichen Auseinandersetzungen vor allem dann um weitere ergänzt, wenn die Beweislage unsicher und nicht direkt mit erbrechtlichen Fragen verbunden war. Die Rechtsstreitigkeiten gestalteten sich darum nicht weniger kompliziert, denn oftmals waren gegenseitige Verbindlichkeiten und Ansprüche auseinander zu dividieren. Ein typisches Beispiel dafür ist ein Streit um Schuldposten, die die verwitwete Frau des Jenaer Amtsrentverwalters Heinrich Ludwig Mähler geerbt hatte. Diese Auseinandersetzung beanspruchte das Hofgericht in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts über Jahre hinweg und mündete in wechselseitige Verfahren. Ausgangspunkt war eine Kapitalschuld von rund 202 Reichstalern, die der Jenaer Kauf- und Handelsmann Jacob Pfündel – er gehörte zu einer der geschäftlich erfolgreichsten lokalen Handelsdynastien601 – von Anna Maria Mähler gerichtlich einforderte. Der Pfündelsche Anwalt Johann Wilhelm Otto reichte am 19. Januar 1722 vor dem Jenaer Hofgericht Klage gegen sie als 596

597 598 599 600 601

„Appellations=Acta der Adel. Carlowitzischen Anwalds zu Kolckwitz, KL. und Appellant, contra des Pfeffer=Müllers nachgelaßene Wittbe Dorotheen Margarethen Pfeifferin und Cons. bey Nauendorff, Bekl. und Appelaten Anno Christi 1744“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1014. Hofgerichtsurteil vom 20. Juni 1744, ebd., Bl. 71r . Ebd., Bl. 46v . Ebd., Bl. 48r . Ebd., Bl. 2v . Herbert K, Handelsbeziehungen zwischen Hamburg und Jena 1768–1786, in: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter 17/3, 1959, S. 1–9.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Erbin und als Vormünderin ihrer beiden Kinder ein.602 Als Nachweis legte der Kläger einen Handelsbuchauszug vom 22. Oktober 1720 vor.603 Neben der Schuldsumme forderte Pfündel die Zinsen und Prozesskosten ein. Dem Gesuch Mählers, das Verfahren auf eine untere Instanz zu verlegen, gab das Hofgericht nicht statt, sie solle ihre „etwa habende Nothdurfft“ auf dem einberaumten Hofgerichtstermin einbringen.604 Auch eine Supplik an den Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach vom 18. Februar 1722 half ihr da nicht weiter. Die Landesregierung orientierte sich an dem Gerichtsbrauch, keine Extrajudizialschreiben der beklagten Partei vor dem Gerichtstermin zuzulassen.605 Das Verfahren blieb beim Hofgericht, vor dem der Anwalt Anna Maria Mählers die Klage dezidiert abwies. Stattdessen erhob er im Gegenzug eine Forderung von 200 Reichstalern an Pfündel, mit der dieser dem verstorbenen Mähler verbindlich gewesen wäre. Anna Maria Mähler erkannte die Schuld nicht an, so dass das Hofgericht daher in einem Zwischenurteil vom 20. Juni 1722 ein Beweisverfahren anordnete.606 Pfündels Anwalt Otto legte daraufhin am 12. August 1722 umfangreiche Articuli Probatoriales vor.607 In Übereinstimmung mit Zeugenaussagen608 gab er dabei zu, dass Mähler ihm 200 Reichstaler geliehen habe.609 Am 16. Mai 1724 legte die beklagte Partei den Gegenbeweis vor,610 woraufhin das Hofgericht die Klage abwies.611 Pfündels Anwalt appellierte dagegen am 28. Juni 1725 an den Herzog von SachsenEisenach612 – erfolglos, denn dieser wies die Appellation wegen Unerheblichkeit der Beschwerden ab. Das Hofgerichtsurteil wurde rechtskräftig.613 Die Beklagte wurde nicht zur Zahlung der von Jakob Pfündel geforderten Summe verpflichtet. 602

603 604

605

606 607 608 609 610 611 612 613

„Pfündelischer Anwaldt zu Jena Kl. Contra Annen Marien, verwittibte Ambts=RenthVerwalter Mählerin vor sich und in Vormundschaft ihres Kinder daselbst Bekl. A C 1722, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872a, Klage vom 19. Januar 1722, Bl. 2r –4r . Mähler und Pfündel waren in Geldgeschäften miteinander verbunden gewesen. Der Kaufmann wechselte die bei Mähler im Rentamt eingelaufenen kleineren Münzen in größere Sorten, um sie dann an die Eisenacher Rentkammer zu schicken. Ebd., Bl. 3r . Ebd., Bl. 12r . Als Grund dafür wurde in ihrer Supplik an den Landesherrn der finanziell aufwendige Hofgerichtsprozess benannt. Für die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens wurde auf Belegstellen sächsischer Rechtsgelehrter verwiesen (Bl. 21v ). Supplik Anna Maria Mählers an Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach, 18. Februar 1722, ebd., Bl. 19r –24v ; Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach an das Hofgericht, 28. April 1722, ebd., Bl. 28r –v . Ebd., Bl. 61r . Ebd., Nr. 872b. Ebd., Nr. 872c. Ebd., Nr. 872b. Ebd., Nr. 872e. Urteil vom 22. Juni 1725, ebd., Nr. 872a, Bl. 87r–v . Appellation vom 28. Juni 1725, ebd., Bl. 88r –90v . Urteil des Herzogs von Sachsen-Eisenach vom 15. Mai 1726, ebd., Bl. 100r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

215

Die beklagte Seite legte in ihren Einreden gegen die Klage zahlreiche Gründe für eine erforderliche Klageabweisung dar.614 Sie negierte dabei eine von Pfündel postulierte „gerechte Forderung“. Diesen Leitbegriff stützte der Kläger später zusätzlich mit christlichen Wertbezügen.615 „Gleichwie aber Gott im Himmel“616 sei die Gerechtigkeit seiner Forderung erwiesen. Mit Gott als sakraler Instanz bediente sich Pfündel typischen gerichtlichen Legitimierungsvokabulars. Darauf wurde besonders dann rekurriert, wenn sich die materielle Beweissituation ungünstig gestaltete. Dessen ungeachtet bescheinigte Anna Maria Mähler der Klage eine mangelnde iusta causa. Die Forderung sah sie als unredlichen Angriff auf die Ehrbarkeit der Familie. Diese habe sie sehr „gekräncket“.617 Ihrer Version zufolge hatte ihr Ehemann noch kurz vor seinem Tode mitgeteilt, dass Pfündel ihm eine beträchtliche Summe schuldete, nicht vice versa. Sie wisse von circa 200 Reichstalern, die der Kaufmann am 5. April 1721 von ihrem Mann geborgt hätte. Noch auf dem Totenbett habe er diesen Sachverhalt bei „gutem verstande“ erwähnt.618 Der Anwalt der klagenden Seite bediente sich umgekehrt der gleichen emotionalaffektiven Ebene und beanspruchte die von der Gegnerin ins Feld geführte Ehrverletzung für sich. Ihre „injuriense und verleumbderische Diffamation“ hätte gleichsam das Spiel verkehrt.619 Die Aussage ihres Mannes entkräftete er ebenso in metapherngeleiteter Rhetorik. Was ihr Mann „in dem hitzigen Paroxismo deliri vorgegeben hätte“, sei „dießfalls nicht pro Johanne Evangelista zu halten.“620 Damit standen u. a. zur Frage des Geisteszustandes, in dem sich Mähler während seiner Äußerung zu den Geldgeschäften befand, widersprüchliche Versionen der Parteien zur Disposition. Als eine zentrale Argumentationsfigur der Beklagten fungierte auch ihr Rechtsstatus als Witwe, mit dem sie je nach Bedarf – aber nicht unbedingt erfolgreich – Schutzrechte für sich reklamierte: „Überdieses so bin ich leider! bekanter masen eine betrübte und verlaßen Wittbe, und mein unerzogenes Kind eine vaterlose Wayse, beyde auch unsers Defensoris durch Gottes unwandelbaren Schluß beraubet, auch durch diese Sache des Wittben und Waysen harte fata noch mehr zu besorgen.“621 Diesen Rechtsstatus wollte sie zunächst dazu nutzen, sich „ad Supremam Curiam Principis und ad Principem“622 zu wenden. Dies blieb ihr jedoch unter Verweis auf die Hof614 615 616 617 618 619 620 621 622

Schreiben Anna Maria Mählers an das Hofgericht vom 27. Januar 1722, ebd., Bl. 6r –8r . Nur ihre Unterschrift ist vorhanden, weder Vormund noch Konzipient sind genannt. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872e, Bl. 8v . Schreiben an das Hofgericht vom 5. Juni 1726, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872a, Bl. 102r –103r , hier Bl. 102v . Schreiben an das Hofgericht vom 27. Januar 1722, ebd., Bl. 6r . Ebd., Bl. 20r . Schreiben an das Hofgericht vom 4. Februar 1722, ebd., Bl. 10r –11r , hier Bl. 10r . Ebd. Ebd., Bl. 7r . Ebd.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

gerichtordnung verwehrt. Nichtsdestotrotz nutzte Anna Maria Mähler ihren Rechtsstatus auch weiterhin – etwa, indem sie ihre Rechtsposition gegenüber dem Kläger mit den Topoi einer „armen bekümmerten Wittbe“ und den „vaterlosen Waysen“623 gezielt aufzuwerten versuchte. Dabei ließ sie die Klage als unbillig erscheinen. Ihr würde „allzu harte und wehe geschehen, wenn ein ieder Kauff- oder Handelsmann eine ungegründete Praetension wider sie formiren“ könne.624 Sie suggerierte dem „hohen Asylum iustitiae“ dabei gleichzeitig die ihr gelegene Klageabweisung, zumal es „einer armen Wittbe und Waysen ohne dem schwer genug fället, mit einem reichen und wolbegüterten Handelsmann [. . . ] Proceße zu führen.“625 Anna Maria Mähler wies allerdings nicht nur das Wort ihres Ehemannes sowie ihren Rechtsstatus als Einrede vor, sondern äußerte auch einen begründeten Zweifel an dem Beweischarakter des klägerischen Handelsbuchauszuges: „die ohnedem kundbaren Rechte, quod nempe libri Mercatorum, in causa proprie non=mercatoria zu einigem beweiß nicht gebrauchet werden könnten, sondern nur pro scripturis privatis.“626 Der Handelsbuchauszug sei als „privat Scriptur“ kein rechtsförmiges Dokument.627 Mit dem Verweis auf die zeitgenössische Rechtsliteratur, die „bewährtesten Rechts-Lehrern“, wird diese Ansicht zudem autoritativ gestützt. Auch der von Pfündel als Beweis vorgelegte Handkalender Mählers sei kein „Documentum obligationis“.628 Pfündel sei „einfältig“, dies zu glauben. Anna Maria Mählers Anwalt verließ auch hier die sachliche Ebene und operierte mit diffamierenden Zuschreibungen, um den Kläger und dessen Klagegrund zu diskreditieren.629 Dem Handkalender sei jedenfalls nicht zu entnehmen, ob Mähler 202 Reichstaler schulde.630 Im Gegenzug machte der Anwalt geltend, dass im Kalender vielmehr die Summen notiert wurden, die Pfündel Mähler schulde.631 Insgesamt könne jedoch die Bedeutung der notierten Summen (Schuldposten oder Darlehen) nicht nachgewiesen werden.632 Somit stand Aussage gegen Aussage. Auch der Zeugenbeweis verlief zuungunsten Jakob Pfündels so widersprüchlich, dass das Hofgericht die Klage abwies. Das Urteil bedeutete hinsichtlich seiner kaufmännischen Berufsehre eine schwerwiegende Niederlage. Ehre war eng mit der Kreditwürdigkeit verknüpft, die als eine entscheidende Basis für Handelsgeschäfte fungierte. Um geschäftlichen Nachteilen zu entgehen, war es aus seiner Perspektive gewissermaßen unumgänglich, Rechtsmittel gegen 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632

Ebd., Bl. 51v . Ebd. Ebd., Bl. 52r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872e, Bl. 4r . Ebd., Bl. 4v . Ebd., Bl. 5v . Ebd. Ebd. Ebd., Bl. 6r . Ebd.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

217

das Urteil einzulegen. Er appellierte daher an den Herzog von SachsenEisenach.633 Im Appellationsschreiben gab er an, das Urteil des Hofgerichts nicht akzeptieren zu können.634 Der Beweis wäre keineswegs „so gar de nihilo“, dass Anna Maria Mähler nicht zur Ablegung iuramentum purgatorium angewiesen werden könne.635 Ihm sei auch nicht einmal das iuramentum suppletorium gewährt worden.636 Die Freisprechung der Beklagten stellte er dabei als Degradierung eines „ehrlichen Mannes und Mercatoris“ zum „homine suspecta fidei“ dar.637 Die Aufrechterhaltung von Ehre, Reputation und Kredit avancierte zu einer der wichtigsten Argumentationsfiguren Jakob Pfündels. Er räsonierte darüber, dass „ein ehrlicher Mann, deßen Ehre und reputation darauf beruhet, daß ihm eine in seinen richtigen Büchern eingeschriebene Post vor unrichtig nicht erkant, und ich zu meiner aller grösten gefahr durch dieses irreparabile praejudicium mit allen meinen Posten in dergleichen hazard gesetzet werden möge.“638 Jakob Pfündel ging jedoch noch weiter. Mit dem Verweis auf eine „Unbilligkeit des Jenaischen Hoffgerichts=Urthels“ und auf seine „gekränckten juribus“639 attackierte er gleichzeitig das ganze Rechtssystem des Herzogtums. Er formulierte dabei eine grundsätzliche Kritik an der heimischen Justizadministration, die durch den beschränkten Instanzenzug Rechtsunsicherheiten zulasse: „Ist denn nicht unter andern auch die Haupt Ursach des kayserl. Privilegii, von denen Chur= und fürstl. Sächß. Judiciis nicht weiter zu appelliren, diese, daß ein unterthan von einer gravirlichen Sentenz an höhere Instantien provociren, auch allenfalls mit Einholung eines auswärtigen collegialischen Rechts=Spruchs sich eines beßern Judicati getrösten könnte? Wo habe ich mich nun dieser heilsamen Raison bey gegenwärtiger Sache zu erfreuen, wenn mir die Justiz der höhern Instanz dergestalt denegiret wird?“640

Diese insbesondere an das Hofgericht adressierte Kritik gereichte nach Auffassung des Kollegiums „zum höchsten Nachtheil des Gemeinen Wesens“.641 Sie hatte damit unmittelbare Konsequenzen für Pfündel bzw. dessen Anwalt, 633 634 635

636

637 638 639 640 641

Appellation vom 28. Juni 1725, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872a, Bl. 88r –90v . Ebd., Nr. 872e, Bl. 88v . Ebd., Nr. 872a, Bl. 90r . Iuramentum purgatorium bezeichnete eine Art der Beweisführung im gemeinrechtlichen Zivilprozess. Der Reinigungseid konnte dem Beweisgegner bei unvollständigem Beweis auferlegt werden. Vgl. W, System, S. 254–265. Mit der Suppletion, dem sog. Ergänzungs- und Erfüllungseid, konnten unvollständige Beweisführungen durch einen eigenen Eid vervollständigt werden. Peter Oestmann hat für die Lübecker und Frankfurter Reichskammergerichtsverfahren allerdings gezeigt, dass die Suppletion in der Rechtspraxis nicht relevant war. Dies scheint auch für das Jenaer Hofgericht zu gelten. O, Rechtsvielfalt, S. 398–400. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872a, Bl. 90r . Supplikation an den Herzog von Sachsen-Eisenach, 7. Juni 1726, ebd., Bl. 109r –113v , hier Bl. 110v , 111r . Ebd., Bl. 111v , 112r . Schreiben vom 6. Juni 1726, ebd., Bl. 105r –108r , hier 107r–v . Ebd., Bl. 117r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

denn das Hofgericht wollte den Kaufmann wegen der „gebrauchten unzulässigen Schreib=Art nachdrücklich“ und zur Aufrechterhaltung der „Amts-Ehre“ bestraft wissen.642 Zunächst musste sich Jakob Pfündels Anwalt dafür verantworten. Johann Friedrich Hertel als einer der Anwälte gab dabei an, sich nicht an derartige Äußerungen erinnern zu können.643 Er verwies auf verschiedene auswärtige Rechtskonsulenten, die sich nach ihm der Pfündelschen Sache angenommen hätte. Weitere Sanktionen in der causa Pfündel sind allerdings nicht dokumentiert. Dass sich das Hofgericht in seiner Entscheidung strikt an den vorgelegten Beweisen orientiert hat, belegt ein Protokoll des Gerichts.644 Darin werden alle von Pfündel eingebrachten Beweisgrundlagen (Handelsbuchauszug, Handkalender, Zeugen) zurückgewiesen. Daran ist auch ersichtlich, dass die Berufung der Witwe auf ihren Rechtsstatus und den daraus resultierenden Anspruch auf Rechtsschutz nicht in die Entscheidungsfindung der Rechtsprechenden einbezogen wurde. Im Unterschied zu den bisherigen Fallgeschichten wurde also zwischen Jakob Pfündel und Anna Maria Mähler ein Rechtsstreit verhandelt, der weder auf einer Obligation noch auf einem Wechsel basierte. Die präsentierten Beweise belegten die rechtlichen Ansprüche des Klägers nicht hinreichend. Die Auseinandersetzung wurde daher von den Parteien zusätzlich auf eine metajuristische, nichtjustiziable Ebene gestuft, auf der der Prozessgegner rhetorisch in seiner Person und damit auch in seinen Rechtsansprüchen diskreditiert wurde. Die Argumentation wurde vom Kläger über die Codes Gerechtigkeit und (berufliche) Ehre geführt. Die Beklagte setzte ihre familiale Ehre sowie ihren Schutzbedarf aufgrund ihres Rechtsstatus als Witwe entgegen. Damit präsentiert der Fall geradezu klischeehaft die Topoi, mit denen Rechtsansprüche interessegeleitet fundiert werden sollten. Die Auseinandersetzung war allerdings hinsichtlich ihrer dramatisierenden Rhetorik eher atypisch für den stilus curiae, was letztlich auch obrigkeitliche Interventionen provozierte. Wurde eine schuldrechtliche Streitigkeit als Konflikt um Ehre und Recht/Gerechtigkeit gewendet, bildete Eigentum in seiner juristischen Dimension keine explizite Referenzkategorie. Eigentum war allerdings semantisch in der Hinsicht präsent, als es in der Kategorie Ehre aufging. Andere Fallgestaltungen rekurrierten zwar auch auf Ehre als Argumentationsmittel, doch konnte dies zusätzlich an weitere substantielle Kategorien gekoppelt werden. Besonders signifikant waren dabei die Argumentationsmuster, die dem Bereich der Subsistenz zuzuordnen sind. Die Erbengemeinschaft Zesch und Nothnagel forderte von der Witwe des Hofgerichtsprotonotars Slevogt 1751 300 Reichstaler ein, die beim Hofgericht 642 643 644

Bericht des Hofgerichts an den Herzog von Sachsen-Eisenach vom 5. April 1728, ebd., Bl. 129r –131r , hier Bl. 131r . Schreiben Hertels an das Hofgericht vom 13. Dezember 1726, ebd., Bl. 125r –126v . Ebd., Bl. 128r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

219

deponiert waren.645 Diese Gelder hatte Slevogt am 4. Juli 1741 genommen und dafür einen Wechsel hinterlegt. Die Beklagte ordnete ihre Argumentation vor dem Hofgericht der Perspektive ,Subsistenz‘ unter. Grundsätzlich habe sie ja bereits schon einmal für ihren verstorbenen Ehemann „ansehliche Geld=Summen“ bezahlt.646 Außerdem hätten ihre Kinder nichts von ihrem Vater geerbt. Die Illaten aus den ihr „hinterlaßenen Güthern“ würden kaum den halben Betrag der geforderten Schuldsumme decken. Aufgrund des allgemeinen Werteverfalls wären auch ihre Häuser, Weinberge und Gärten von geringem Wert und reichten nicht zur Kapitaldeckung.647 Sowohl diese ihre problematische Eigentumssituation als auch ihr Rechtsstatus als „bedrängte Wittbe“ nutzte sie, um ihre Rechtsposition verbessern zu wollen.648 Ihr Ziel war es, zumindest die Zahlung von Zinsen zu umgehen. Kostenaufwand für einen Prozess und die „Rettung meines seel. Ehemannes reputation“649 waren für sie die ausschlaggebenden Gründe, einem Exekutionsverfahren zu entgegen und die Bereitschaft zur Begleichung der Wechselschuld zu signalisieren. Alles in allem belegen die Auseinandersetzungen, dass Frauen für die Schulden ihrer Ehemänner bei entsprechender Beweislage auch konsequent in Haftung genommen wurde. In diesen wie auch in jenen Rechtsstreitigkeiten, in denen Frauen Forderungen ihrer verstorbenen Ehemänner einklagten, standen die materiellen Beweisgrundlangen im Vordergrund. Auf dem Rechtsstatus (Witwe, Waise) basierende Schutzrechte wurden zwar von den Parteien eingefordert, in der Rechtspraxis materiellen Beweisen allerdings nachgeordnet. Freilich boten Rechtsunsicherheiten in den Eigentumsverhältnissen und das erbrechtliche Normengeflecht entscheidende Spielräume in den anwaltlichen Fallkonstruktionen. Im Kontext der Konflikte um geerbte Schulden bzw. Forderungen bildeten Eigentum und Eigentumsrechte eine zentrale Referenz. Kontextabhängig waren Kategorien wie Ehre, Recht/ Gerechtigkeit und Subsistenz eng damit verbundene Leitbegriffe. Je bestimmter eine Fallkonstruktion allerdings an die juristische Kategorie Eigentum gebunden wurde, desto stärker wurde die Auseinandersetzung – auch in semantischer Hinsicht – sachbezogen juristisch geführt. Spezifisch weibliche Rechte in der Rechtspraxis

Rechtsunsicherheit im Wirtschaftsverkehr, finanzieller Aufwand und Summierung von Prozessen waren die zentralen Argumente, mit denen in 645

646 647 648 649

„Der Nothnagel. und Zeschischen Erben Mandantani und Actores zu Jena, Impetranten, contra die verwittibte Protonotarin Johanna Sophia Slevogtin, eine Hilscherin, und ihre Kinder alhier, Impetraten, Anno Christi 1751. 52“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1237. Schreiben an das Hofgericht vom 30. Mai 1752, ebd., Bl. 24r –26r . Ebd., Bl. 25r . Ebd., Bl. 25v . Schreiben an das Hofgericht vom 10. November 1752, ebd., Bl. 34r –36r , hier Bl. 34v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

den juristischen Debatten des 18. Jahrhunderts für die Abschaffung der ,weiblichen Freiheiten‘ plädiert wurde.650 Dabei wurde immer wieder auch der Zusammenhang zwischen einer Prozesshäufung und dem Prinzip der weiblichen Rechtswohltaten konzediert. Prima vista könnte die Dominanz der Schuldklagen vor dem Jenaer Hofgericht diese Vermutung bestätigen. Schließlich boten die weiblichen Freiheiten und insbesondere das SCV mit seinem Ausnahmekatalog ein gewisses Reservoir an anwaltlichen Interpretationsspielräumen vor Gericht. Auch neuere Forschungen betrachten das SCV vor dem Hintergrund zeitgenössischer Diskurse und im Zusammenhang mit der Debatte um die Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft als zentrales, besonders im 18. Jahrhundert virulentes Problem.651 Verwiesen wird dabei zum einen auf die ökonomischen Folgen der Rechtsanwendung der ,velleianischen Freiheiten‘– die Unsicherheiten im Geschäftsverkehr mit Frauen und deren Rückwirkungen auf die Stabilität des frühneuzeitlichen Rechts- und Wirtschaftssystems.652 Gängige Interpretationslinien sehen darin entweder einen Ausdruck der eingeschränkten Rechts- und Geschäftsfähigkeit von Frauen: das SCV als Mittel, Frauen aus dem Wirtschaftsverkehr zu eliminieren.653 Oder der Akzent wird auf den Schutzcharakter des SCV und damit seiner tendenziell positiven Auswirkung auf die rechtliche Position von Frauen gelegt.654 Für eine weitere Perspektive auf die ,velleianischen Freiheiten‘ sind die Forschungen David Sabeans zu Württemberg beispielhaft, in denen die ,weiblichen Rechtswohltaten‘ vor allem als ein wichtiges strategisches Mittel von Frauen begriffen werden.655 Insgesamt erscheinen die ,velleianischen Freiheiten‘ dabei als ein überaus präsentes anwaltliches Instrument vor Ge650

651 652 653

654

655

Vgl. Kapitel 2.2.3. Vgl. auch exemplarisch die von David Sabean ausgewertete Kontroverse zwischen Adam Semler und Karl Ludwig Christoph Röslin: S, Allianzen, S. 468–474. Vgl. S, Allianzen. Vgl. A, Frauen. So etwa V, Studien, S. 6 ff. Vgl. K, Maior dignitas; D., Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit, S. 73–93. Zur Auseinandersetzung über den Schutz- oder Ausschließungscharakter des SCV M, Geschichte, S. 4–9 sowie M, Frauenschutz, S. 33–36. J, Abschaffung, S. 285–301; D., „... und verzichten auf ihre weiblichen Freyheiten“. Aspekte der rechtlichen Stellung von Ehefrauen in Württemberg vom 16. bis 18. Jahrhundert, in: D. (Hrsg.), Standpunkte. Ergebnisse und Perspektiven der Frauengeschichtsforschung in Baden-Württemberg, Tübingen/Stuttgart 1993, S. 56–70. Medicus verbindet beide Positionen und sieht einen Doppelzweck im SCV, obgleich er eher dessen Schutzcharakter betont. „War [. . . ] mit dem SC Velleianum im öffentlichen Interesse eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit der Frau bezweckt, so wurde sie dadurch zugleich vor Schaden bewahrt, weil sie keine Gelegenheit zum Abschluß der gefährlichen Geschäfte hatte und äußerstenfalls aus ihnen nicht in Anspruch genommen werden konnte.“ M, Geschichte, S. 23, 79–83. Ähnlich auch L, Senatus Consultum Velleianum, S. 272. S, Allianzen, S. 460–479. Sabean greift dabei auf Argumente zurück, die bereits in den Debatten um 1800 unter anderem von Adam Semler eingebracht worden sind.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

221

richt. In der Tat hatte das SCV für die ökonomische und rechtliche Situation in Handelszentren wie Frankfurt durchaus eine erhebliche Bedeutung.656 Auch für die Prozesse jüdischer Geldleiherinnen am Reichshofrat ist die Relevanz des SCV als exceptio belegt.657 Mit Blick auf Untersuchungen zur Handelsstadt Leipzig scheinen diese Ergebnisse auch für die sächsische Rechtspraxis zu gelten.658 Dies entspricht zumindest den normativen Befunden, in denen dem SCV ebenso wie in den juristischen Debatten eine wesentliche Rolle zukam. Dieses Fazit lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf strukturell anders geprägte Räume im Alten Reich übertragen. Denn vor dem territorialen Obergericht in Sachsen-Weimar(-Eisenach) stand das Instrument letztlich kaum als exceptio zur Disposition.659 Lediglich in knapp vier Prozent der am Jenaer Hofgericht anhängigen Schuldkonflikte mit Frauenbeteiligung wurde das Instrument in die anwaltliche Argumentation einbezogen. Im Folgenden sollen daher Fallanalysen dieser Verfahren verdeutlichen, welchen Stellenwert dem SCV als argumentatives Mittel vor Gericht tatsächlich zukam und auf welche Position des Hofgerichts das anwaltliche Argument mit den weiblichen Rechtswohltaten bzw. ,velleianischen Freiheiten‘ traf. Einen wichtigen Baustein im Umgang mit den ,weiblichen Freiheiten‘ in Sachsen-Weimar lieferte ein 1724 am Jenaer Hofgericht anhängiges Verfahren, in dem die Modalitäten weiblicher Interzessionen zur Disposition standen. Drei Instanzen verhandelten dabei über den rechtsgültigen Verzicht auf weibliche Rechtswohltaten. Vom Weimarer Rat eingeholte Gutachten der Schöppenstühle Jena und Leipzig kamen dabei zu konträren Erkenntnissen, so dass 1726 die Landesregierung mit konkreten normativen Festlegungen für Sachsen-Weimar reagierte. Die Normierung in Gang gesetzt hatte der Konflikt zwischen dem Weimarer Rat und Leibarzt Georg Friedrich Rumpel sowie Christine Keul, Witwe des Gewürzhändlers Johann Sebastian Keul.660 Rumpel hatte dem Handelsmann Keul 1702 ein Darlehen von 120 Reichstalern als Geschäftskredit gewährt.661 Als Sicherheit dafür verlangte der Arzt die Bürgschaft Christine Keuls, die auch durch den Weimarer Stadtrat 656

657 658 659

660 661

Vgl. A, Frauen; Eva T-S, Frauen in Frankfurt. Das gesellschaftliche Verständnis der Frau und ihre privatrechtliche Stellung im Normensystem des Frankfurter Partikularrechts von der Spätaufklärung bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Frankfurt a.M. u. a. 1997. S, In puncto debiti. Vgl. u. a. S, Handelsfrauen in Leipzig. Vgl. dazu bereits Hendrikje C, Strategien vor Gericht? Die „velleianischen Freyheiten“ im sächsischen Recht (1648–1806), in: Grethe J/Inger D/Helle V (Hrsg.), Less Favoured – more Favoured in Law and Legal Practice: Gender, Power and Authority, 12th–19th centuries, Kopenhagen 2005, http://www.kb.dk/export/ sites/kb_dk/da/publikationer/online/fund_og_forskning/download/A07_Carius.pdf [13.04.2012]. „H. Dr. Georg Friedrich Rumpeln zu Weimar contra Christinen Keulin das. 1724“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745. Klage vom 8. Juli 1724, ebd., Bl. 2r –3v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

unter Zustimmung ihres Vormundes, Hofadvokat Leißen, „mit Handschlag“ bestätigt wurde.662 Damit hatte sie nach Ansicht Rumpels rechtsgültig auf die weiblichen Rechtswohltaten verzichtet. 22 Jahre später, der Hauptschuldner Keul war inzwischen nicht nur bankrott, sondern auch während des Konkurses verstorben, forderte Georg Friedrich Rumpel schließlich den Rest seines geliehenen Geldes zurück. Das Vermögen aus der Konkursmasse konnte allerdings nicht die gesamte Darlehenssumme decken und die Bürgin war nicht bereit, für den Betrag aufzukommen. So kam der Fall zunächst vor den Weimarer Stadtrat. Entsprechend eines vom Jenaer Schöppenstuhl eingeholten Urteils wurde zugunsten Christine Keuls entschieden und die Klage Georg Friedrich Rumpels abgewiesen.663 Das Jenaer Votum unterstützte dabei den Rechtsstandpunkt der Beklagten, dass entsprechend der Rechtslage ein eidlicher Verzicht zur rechtsgültigen Übernahme einer Bürgschaft notwendig sei. Allerdings wurde Georg Friedrich Rumpel die Möglichkeit gewährt, fristgemäß konkrete Beweise zu seinen Gunsten einzubringen. Dazu zählte einerseits der Nachweis, dass die Beklagte Keul zusammen „mit ihrem verstorbenen Manne zugleich Handlung getrieben habe“664 oder „das erborgte Geld in ihren Nutzen verwendet worden sey“.665 Rumpel legte gegen das Urteil eine Läuterung ein. Innerhalb des anschließenden Verfahrens wurde die Beklagte nun entsprechend eines Gutachtens vom Leipziger Schöppenstuhl am 16. Juni 1724 vom Weimarer Rat doch dazu verurteilt, die Summe mit Zinsen und Prozesskosten zu bezahlen.666 Dagegen kündigte Christine Keul eine Appellation an das Hofgericht an. Georg Friedrich Rumpel wandte sich daher am 8. Juli 1724 selbst an das Hofgericht und bat, eine solche Appellation abzuweisen.667 Er scheute keinen Aufwand und schaltete zusätzlich die Regierung als „Judici[um] Suprem[um] dieser Lande“668 ein und erbat einen Attest. Dieses sollte bestätigen, dass der in den Kursächsischen Konstitutionen vorgeschriebene eidliche Verzicht auf die Rechtswohltaten bei weiblichen Interzessionen nicht in Sachsen-Weimar rezipiert sei.669 Dem entsprach die Regierung auch und erließ ein Reskript, das die Abweichung von den Kursächsischen Konstitutionen in diesem Fall bestätigte.670 Damit 662 663 664 665 666 667 668 669 670

Ebd., Bl. 2v . Bericht des Rats Weimar an das Hofgericht, 11. Juli 1724, ebd., Bl. 5r –6r . Vgl. auch ThHStAW, B 2209, unter Lit. A, Bl. 4r . Bericht des Rats Weimar an das Hofgericht, 11. Juli 1724, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 5r . Ebd., Bl. 5v . Abschrift des Leipziger Schöppenstuhlgutachtens in ThHStAW, B 2209, Bl. 5v –7r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 3v . Gesuch an die Landesregierung vom 4. Juli 1724, ThHStAW, B 2209, Bl. 2r . Vgl. das Regierungsschreiben vom 7. Juli 1724, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 1r–v . Landesherrliches Reskript vom 26. August 1726: „Euch ist bekannt, was dergestalt, sowohl bey Unser Gesamten Fürst. Regierung, alß dem Amte und Stadt Rath allhier die vieljährige ja unfürdenckliche Observanz gewesen, daß, wenn Weibliche Bürgschaff-

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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wurde festgeschrieben, dass der Rechtsverzicht auf die ,weiblichen Freiheiten‘ in Sachsen-Weimar gerichtlich, in Anwesenheit eines Vormundes, unter Rechtsbelehrung und per Handschlag zu vollziehen war.671 Der Aufwand mit dem Zug durch die Instanzen lohnte sich für Georg Friedrich Rumpel. Das Hofgericht wies die Appellation Christine Keuls ab, wie aus einem Schreiben an den Weimarer Rat am 3. September 1724 ohne Angabe weiterer Gründe hervorgeht: „Gestalten Sachen nach“ sei die Annahme „bedencklich“.672 Der Blick auf die Argumente der beiden Parteien während des Prozesses zeigt zunächst vor allem eines: Der Rechtskomplex der weiblichen Rechtswohltaten bot den entscheidenden argumentativen Spielraum für den Anwalt der beklagten Seite. Dabei sollte das Schuldverhältnis zwischen Rumpel und Keul aufgrund nicht eingehaltener Modalitäten (Eid) bei der eingegangenen Interzession der Bürgin ausgehebelt werden. Grundsätzlich erkannte Christine Keul den entsprechenden Schuldschein zwar an. Der Verweis auf eine allerdings rechtlich ungültige Bürgschaft sollte sie jedoch der Haftung entziehen. So suchte sie sich mit ihrem Einwand, dass „meine

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ten und Renunciationes Ihrer in Rechten gegönnten Beneficiorum beschehen, solche, ohne auf die Chur Sächs. Rechte dießfallß zu reflectiren, auch ohne Eyd vor gültig erachtet worden, anjetzo aber, sonderlich in der Rumpel= und Käulichen Sache, wie Uns unterthänigst vorgetragen worden, dieses Verfahren und Herkommen als ungültig und null angesehen und impugniret werden wolle. Nachdem Wir nun berührte Observanz, als die zwar ohne dies gültig, krafft dieses zum Überfluß approbiren, und alle die gerichtliche Renunciationes, so von denen Weiber Leuten cum curatore, nach beschehener genugsamer Information von ihrern Weiblichen Gerechtigkeiten, in hiesigen und anderen Gerichten unsers gesamten Fürstenthums und Landen erfolget oder künfftig erfolgen werden.“ ThHStAW, B 2209, Bl. 11r –12r . Als Gewähr für dieses Procedere wurde in einem Regierungsgutachten einerseits auf die Praxis des Weimarer Amtes verwiesen und andererseits auf römisch- sowie sächsischrechtliche Lehren (Gail, Carpzov). Die Rechtskraft des Eides wurde unter Bezug auf Carpzov als accessorium relativiert: „Ist das Juramentum, oder Formula an Eydes statt, nur ein accessorium bey der Renunciation, ut renunciantem arctius devinciat. Carpz. Decis. 58. Kann alß wohl jene ohne dieses bestehen.“ ThHStAW, B 2209, Bl. 9r –10v . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 9r–v , hier Bl. 9r . Für Rumpel war die Angelegenheit auf Grund eines Fehlers in den Organisationsabläufen des Hofgerichtes allerdings nicht beendet. Die Ablehnung der gegnerischen Appellation erreichte ihn nicht. Außerdem blieben die Akten beim Hofgericht liegen. Er wandte sich daher am 16. November 1724 zunächst an das Hofgericht „auch weil [ich, d. Verf.] des Meinigen höchlich benöthiget bin“ mit der Bitte, die Akten an den Weimarer Rat zurückzusenden (Bl. 10v ). Einige Monate später, am 28. März 1725, richtete er sich wegen Verzögerung der Justiz an den Herzog (Bl. 14r –15r ). Ihn wundere es sehr, dass er bis dato keine Reaktion zum Verfahren erhalten hätte, „welches mich umb so mehr wundert, da doch sonst dieses hohe Tribunal den weldtkundigen Ruhm prompter Justiz Administration“ genieße (Bl. 14r ). Er bat die Regierung daher um Beschleunigung der Sache und die Ablehnung der Appellation Christine Keuls. Die entsprechende Anweisung erging von Herzog Wilhelm Ernst an das Hofgericht am 9. April 1725 (Bl. 16r–v ). Das Hofgericht meldete der Regierung daraufhin, dass die Resolution längst ergangen sei – das Protonotarium habe lediglich einen Band der Akten verlegt (Bl. 17r–v ).

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

intercessio nicht legaliter geschehen“673 sei, zu exkulpieren. Dies war der zentrale Argumentationsstrang, worauf auch Rumpel in seinem Gesuch an die Landesregierung hinwies. Christine Keul hätte „weiter dagegen aber nichts gesagt, als das sie ihre weiblichen Rechtswohltaten nicht jurato noch unter der Formul an Eydes statt renuncirt hat.“674 Keuls Anwalt erhob dabei unter Bezug auf die Kursächsischen Konstitutionen den eidlichen Verzicht auf die weiblichen Rechtswohltaten zur notwendigen Grundlage einer rechtsgültigen Bürgschaft von Frauen in Sachsen-Weimar. Rumpels Anwalt hingegen wies eine derartige Konstruktion auf einer affektiven Ebene als „Vorwand“675 und „ungegründete Chicane“ ab.676 Auf der sachlich-rechtlichen Ebene stand der Einwand einer „unerheblichkeit und illegalität“ der gegnerischen Appellation. Dabei wurde die argumentative Stoßrichtung des von Christine Keul verfolgten Verpflichtungsentzugs als „wieder hiesige Jura“677 deklariert. Im Kontrast dazu hob die klägerische Seite die Übereinstimmung des eigenen Standpunktes mit der Rechtslage hervor. Konsequent wurden so die Ansprüche Rumpels als „gerechte Forderung“ reklamiert.678 Appellativ warb der Gläubiger innerhalb eines ähnlichen terminologischen Rahmens um die Gewogenheit des Hofgerichtes. Dabei wurde nicht nur der hofrichterliche „Justiz Eyfer“ beschworen, sondern auch die „Beförderung der heilsamen Justiz“.679 Rumpel wurde allerdings noch konkreter in seiner Argumentation; schließlich lag die Beweislast beim Gläubiger.680 Zunächst war der Beweis zu erbringen, dass die Bürgin den geliehenen Betrag für ihre eigenen Zwecke verwendet hatte. Dazu konzentrierte sich die anwaltliche Strategie darauf, einen rechtsrelevanten Eigennutz zu belegen. Christine Keul sei aufgrund ihres materiellen Besitzstrebens zu ihrem „eigenen besten“681 selbst dafür verantwortlich, dass das Vermögen aus der Konkursmasse nicht zur Deckung der klägerischen Forderungen gereicht habe. Denn diese hätte „das meiste vor ihre illata hinweg genommen“.682 Der Anwalt passte die Argumentation den Gründen des SCV-Ausnahmekataloges ein, die Frauen zur Abgeltung von Forderungen verpflichteten. Die Verwendung des Darlehens zu eigenen Zwecken hätte die Verpflichtung zur Rückzahlung eingeschlossen. Da 673 674 675 676 677 678 679 680 681 682

Schreiben Christine Keuls (allein unterschrieben) an das Hofgericht, 7. September 1724, ebd., Bl. 7r–v . Gesuch an die Landesregierung vom 4. Juli 1724, ThHStAW, B 2209, Bl. 2r . Ihr Bezug auf das SCV, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 2v . Ebd., Bl. 3r . Gesuch Georg Friedrich Rumpels vom 8. Juli 1724 an das Hofgericht, ebd., Bl. 2r –3v , hier Bl. 3v . Schreiben Georg Friedrich Rumpels an das Hofgericht vom 16. November 1724, ebd., Bl. 10r –11r , hier Bl. 10v . Gesuch Georg Friedrich Rumpels vom 8. Juli 1724 an das Hofgericht, ebd., Bl. 2r –3v , hier Bl. 3v . Vgl. L, Senatus Consultum Velleianum, S. 283. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 745, Bl. 3r . Gesuch an die Landesregierung vom 4. Juli 1724, ThHStAW, B 2209, Bl. 1r –3r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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der Beklagten offenbar keine Aktivitäten als Handelsfrau im Geschäft ihres Ehemannes nachzuweisen waren, setzte Georg Friedrich Rumpels Anwalt neben dem genannten Konstrukt auf eine weitere Möglichkeit – die für ihn letztlich erfolgreiche Einschaltung des Gesetzgebers. Christine Keuls Versuch scheiterte an dieser eher unüblichen Art von Justiznutzung. Denn zumindest erstinstanzlich war es der Bürgin gelungen, die komplexen Regularien des SCV für sich nutzen, um der Zahlungsverpflichtung zu entgehen. Auch im albertinischen Sachsen hätte der Gläubiger sein Geld erfolglos eingeklagt. Beleg dafür ist das Leipziger Votum selbst. Eigentlich, so die Gutachter, wäre der Rechtslage nach die Forderung wegen der ungültigen Bürgschaft geplatzt. Entscheidend für das Votum zugunsten des Gläubigers war lediglich dessen Regierungsattest.683 Für Sachsen-Weimar ergab sich mit dem landesherrlichen Reskript von 1726 auch per lege ein anderes Bild. Normative Freiräume wurden geschlossen und im Interesse der Gläubiger an die Bedürfnisse der Rechtspraxis angepasst. Durch Gerichtsverfahren initiierte rechtliche Normierungsprozesse blieben eine Ausnahmeerscheinung.684 Vielmehr richtete die anwaltliche Strategie ihren Fokus in der Regel darauf, widersprüchliche Rechtsnormen flexibel zu nutzen. Beispielhaft dafür ist der Konflikt zwischen dem Weimarer Kaufmann Johann Christian Eichmann und Martha Elisabeth Franckenhäuser.685 Der Kaufmann klagte am 14. Juli 1780 erstinstanzlich vor dem Jenaer Hofgericht gegen die verheiratete Weberin.686 Fünf Jahre zuvor hatte sie sich nach Aussage des Klägers bei ihm mit einer Summe von 300 Reichstalern verbindlich gemacht. Die Schuld ging auf ihren nunmehr verschollenen Sohn Johann Christian Dietmar zurück, der den Betrag als Lehrling und Handelsdiener bei Eichmann veruntreut hatte. Die Mutter übernahm für ihren Sohn die Schuldsumme. Innerhalb von maximal vier Jahren sollte die Summe beglichen werden. Allerdings bezahlte sie dem Kaufmann nur einen Teil des Geldes – 270 Reichstaler blieb sie ihm letztlich nach etlichen Zahlungsversprechungen schuldig. Eichmann forderte nun diesen Betrag sowie die Zinsen und die Kosten für den Prozess ein. Die Klage gegen Martha Franckenhäuser begründete Eichmann mit der Erklärung ihres Sohnes, zu683

684 685

686

Üblicherweise sei „dergleichen Interzession unbeständig“. Anders sei es in diesem Fall, „dieweil Kläger durch das gerichtlich beygelegte Attestat soviel beibracht, daß bei Interzession der Weiber im fürstl. Sachsen Weim. Lande auch die würckliche eydliche Renunciierung nicht geschehe.“ Abschrift des Leipziger Schöppenstuhlgutachtens, ebd., Bl. 5v –7r , hier Bl. 6v . Diese Angabe bezieht sich auf die im Untersuchungszeitraum geprüften Verfahren mit Frauenbeteiligung. „Der Kauf- und Handelsmann, Johann Christian Eichmann zu Weimar, Kläger entgegen Marthen Elisabethen Franckenhäuserin zu Riednordhausen, Beklagte, A. C. 1780“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 306. Dazu auch C, Strategien, S. 6–8. Klage vom 14. Juli 1780, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 306, Bl. 1r – 2r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

gunsten der Begleichung seiner Schuld beim Kaufmann auf das Erbe seines verstorbenen Vaters687 und seiner Mutter verzichten zu wollen. Damit hätte Martha Franckenhäuser die Schuld auf sich genommen und dafür auch haften müssen. Zu einem Urteil des Hofgerichts kam es jedoch nicht, denn mit den Einreden brach das Verfahren ab. In den anwaltlichen Disputen während der Hofgerichtstermine fallen vor allem zwei Spezifika auf. Zum einen steht das Sozialkapital der Beklagten und ihrer Familie zur Disposition – die Narrative sind dabei außergewöhnlich stark affektiv-emotional aufgeladen. Zum anderen wird auf zwei Ebenen über die Kategorie Geschlecht verhandelt: einerseits rechtlich mit dem SCV und andererseits topisch mit Geschlechterstereotypen. Im Hinblick auf das Sozialkapital versuchte Eichmanns Anwalt Johann Conrad Sell, über die Kategorie Ehre die soziale und moralische Integrität sowohl der Beklagten als auch ihrer ganzen Familie zu destruieren. Dies funktioniert in dem vorliegenden Fall im Vergleich zu anderen Schuldkonflikten um so eher, als dem Verfahren durch die Veruntreuung des Sohnes der Beklagten eine prinzipiell strafrechtlich sanktionierbare Handlung vorangegangen war. So legte Eichmann vor dem Hofgericht dar, dass Martha Franckenhäuser ihm zwar mehrmals die Bezahlung versprochen, er jedoch bis dato lediglich 30 Reichstaler erhalten habe. Dementsprechend würde es „gewißermaßen Bosheit seyn [. . . ], auch wenn sie die Schuld [. . . ] nicht übernommen, nicht nur ihr Sohn Johann Christian Dietmar, sondern sie selbst und ihre Familie in den grösten Schimpf würden verfallen seyn und also die Übernahme der Schuld zur Erhaltung der Ehre ihres Sohnes, ihrer selbst und ihrer Familie geschehen ist.“688

Der Ehrbegriff wird aber nicht nur zur persönlichen Diskreditierung der Prozessgegnerin, sondern ganz konkret im rechtlich relevanten Kontext, nämlich im Zusammenhang mit der Einrede des SCV, funktionalisiert. Um die Rechtswirksamkeit des von der Gegenseite vorgebrachten SCV auszuhebeln, argumentierte Eichmann mit einer Ausnahmeregel – der eigenen Vorteilsnahme. So habe Martha Franckenhäuser die Schuld ganz eindeutig zu ihrem eigenen Vorteil übernommen. Dieser liege in ihrer dadurch „geretteten Ehre“689 – jener Ehre, die Eichmann ihr im Vorfeld eben erst selbst abgesprochen hatte. Dieser anwaltliche Coup sollte eine mögliche Relevanz des SCV einmal mehr unterminieren. Denn Martha Franckenhäusers Anwalt Wolfgang Carl Rost wollte unter anderem mit Rekurs auf das Institut die Klage abwenden. Dabei machte er zunächst die fehlenden Formalitäten bei der Schuldaufnahme durch seine Mandantin geltend. Eichmann habe in seiner Klage nicht deutlich machen können,

687 688 689

Der Vater, der Riednordhausener Pastor Dietmar, war der verstorbene erste Ehemann der mittlerweile wieder verehelichten Martha Franckenhäuser. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 306, Bl. 2r . Ebd., Bl. 46r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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„daß Beklagte die angebliche Verbindlichkeit mit Einwilligung eines Vormundes übernommen, so wie bekannten Rechtens ist, daß eine Weibsperson ohne gesetzliche Solemnität der gleichen Verbindlichkeit nicht legal übernehmen kann, und ohne selbige eine solche Uebernahme ungültig und ohne Kräften ist.“690

Auf die umfassenden Einwände der beklagten Seite erklärte Eichmanns Anwalt nunmehr zur „Rettung der Klage den ganzen Zusammenhang der Sache“ und die „Geschichtserzählung dem hochlöbl. Hofgericht vorzulegen“ genötigt zu sein, obgleich er von der Franckenhäuserin und ihrem Sohn um Verschwiegenheit gebeten worden war. Der klägerische Anwalt weist dabei die gegnerische Argumentation mit dem SCV entschieden zurück. Die Zustimmung eines Vormundes sei nicht erforderlich gewesen, da das Geschäft mit Wissen des Ehemanns geschehen sei und dieser nicht dagegen interveniert hatte. Hinzu kämen die kontinuierlichen Versprechungen, die Zahlungen vorzunehmen. Daher wäre aus der fremden eine „eigene Schuld der verbürgenden Weibsperson“ geworden.691 Eichmann wirbt unter Rekurs auf geschlechtsspezifische Stereotype vor dem Hofgericht zusätzlich um Verständnis dafür, dass er auf die Schuldübernahme der Beklagten eingegangen sei, da sie die Möglichkeiten einer „frauensperson“ eingesetzt hätte, um „zuerst durch ängstliches Bitten, Flehen [...]“ zu erreichen, „dass man sie zur Schuldnerin annehmen und ihrer Familie nebst ihr nicht beschimpfen solle“.692 Dabei hätte Martha Franckenhäuser, wie bereits angedeutet, durch seinen Verzicht auf eine allgemeine Bekanntmachung zugunsten ihrer Ehre durchaus einen eigenen Vorteil genossen. Diese Linie unterstützend konstruierte Eichmanns Anwalt einen weiteren Zusammenhang. Einen eigenen Vorteil hätte die Beklagte auch deshalb gehabt, weil ihr Sohn das Geld für den Unterhalt seines studierenden Bruders veruntreut habe. Hätte sie ihre Kinder ausreichend materiell versorgt, wäre die Veruntreuung durch ihren Sohn vermeidbar gewesen.693 Neben Vorteilsnahme führte der Anwalt noch einen weiteren Aspekt ein, der auch den aktiven Part Martha Franckenhäusers betonte. Der ,velleianische Ratschluss‘ könne in diesem Fall auch deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil die Beklagte ihn, Eichmann, selbst zur Leistung der Bürgschaft überredet hätte.694 Die Beklagte setzte dieser Argumentation den klassisch weiblichen Topos der imbecillitas entgegen. Lediglich aus weiblicher Schwachheit hätte sie sich vom Kläger dazu verleiten lassen, die Bezahlung der angeblichen Schuld 690 691 692 693 694

Ebd., Bl. 17v , 18r . Ebd., Bl. 30v , 31r . Ebd., Bl. 100v , 101r . Ebd., Bl. 100r–v . „Die Gesezze wollen auch in dem Fall, daß ein solches Geschäfte, wobey, die verbürgende Weibsperson selbst Vortheil hat, nicht als ein fremde, sondern als ein eigenes Geschäfte angesehen werden und der Vellejanische Rathschluß nicht zur Anwendung kommen soll; besonders wenn die Weibsperson (wie geschehen) denjenigen, welchen sie Bürgschaft geleistet, selbst dazu überredet hat.“ Ebd., Bl. 45v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

ihres Sohnes zu übernehmen. Dem „ohnedem ungültigen facto“, weil ohne Vormund geschlossen, hätte der Ehemann nicht widersprechen müssen.695 Und außerdem: „wenn auch der Beklagtin Vormund und Ehemann eingewilliget hätten, so ist bekannten Rechtens, daß die Beklagtin doch keine Verbindlichkeit zur Bezahlung überkommen hätte, wenn sie nicht denen ihr zuständigen Rechtswohltaten legal renunciret, es mag dieses Geschäfte als eine Fidejußion [. . . ] oder wer weis als was sonsten angesehen worden, sondern es bleibt ihr die exceptio Scti. vellej.“696

Wie das Hofgericht dieses und die anderen Argumente bewertete, überhaupt den Fall beurteilte, muss offen bleiben. Allemal erweist sich der Blick auf die anwaltlichen Einreden als aufschlussreich – zumal der Konflikt zeigt, wie flexibel die narrativen Strategien der Anwälte mit den Prinzipien der Geschlechtsvormundschaft und des SCV umgehen konnten. Diese spezifisch weiblichen Rechtsinstitute ließen sich dabei je nach Interessenlage instrumentalisieren. So suchte die anwaltliche Strategie der beklagten Seite die Mandantin mit dem ganzen klassischen Argumentationsbündel zu exkulpieren – angefangen beim fehlenden Vormund, dem Imbecillitas-Motiv bis hin zur exceptio Velleiani. Der klägerische Anwalt reagierte darauf nicht mit einer generellen Zurückweisung des in seiner Rechtsgültigkeit als fraglich betrachteten SCV, sondern mit den Ausnahmen vom Rechtsprinzip: Dem rechtswirksamen Verzicht auf das Institut durch die repetitiven Verweise auf die Schuldübernahme der Frau, die zudem zu ihrem eigenen Vorteil geschehen sei. Die Nähe zu einem strafrechtlich relevanten Tatbestand machte die Argumentation wesentlich offener für moralische Einwände. Mit dieser Ebene wie auch überhaupt mit seinem argumentativen Set reiht sich der Konflikt zwischen dem Kaufmann Eichmann und Martha Franckenhäuser in die Fallbeschreibungen ein, wie sie etwa für Frankfurt oder Hannover vorliegen. Zu bedenken ist allerdings, dass eine in dieser Art geführte Auseinandersetzung eher atypisch für das Jenaer Hofgericht war. Außerdem erschien bereits dem Anwalt der beklagten Seite der Rückzug auf die Rechtswohltaten als lediglich begrenzt erfolgreicher Versuch, die Klage abzuwehren. Die Einrede war nur eine von insgesamt neun und keineswegs zentral positioniert.697 Für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist auch kein weiteres Hofgerichtsverfahren bekannt, in dem die weiblichen Privilegien eine bedeutende Rolle gespielt hätten. Erstaunlicherweise wurde 1813 doch wieder ein Prozess – zweitinstanzlich – vor dem Hofgericht anhängig, der in der Bewertung des SCV Kontroversen zwischen den Prozessparteien auslöste. In diesem Fall stand die Bürgschaft bzw. Schuldhaftung von Ehegatten zur Disposition, die in der 695 696 697

Ebd., Bl. 64v . Ebd., Bl. 65v , 66r . Weitere Punkte waren u. a. der Gerichtsstand, die von der beklagten Seite als injuriös abgewiesene Klage sowie die Schuldnerschaft Johann Christian Dietmars.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

229

deutschen Rechtspraxis einer der wichtigsten und zugleich umstrittensten Anwendungsfälle der Interzessionsklausel darstellte.698 Der Jenaer Hofadvokat Johann und dessen Ehefrau Johanne Christiane Hoffmann hatten gemeinschaftlich eine Summe von 300 Reichstalern bei dem Seifensieder Christian Elze geborgt. Letzterer erhielt das geliehene Geld allerdings nicht zurück und forderte daher den Betrag mit einer Klage vor dem Jenaer Stadtgericht ein.699 Das Gericht wies jedoch die Klage gegen Johanne Christiane Hoffmann mit dem Hinweis auf das SCV ab. Dabei wurde die Unterzeichnung eines Darlehens durch eine Ehefrau und ihren Ehemann als eine gesetzeswidrige Bürgschaft behandelt – entsprechend „der Praxis der hiesigen Herzog. Lande recipirte Meinung“.700 Elze akzeptierte dieses Urteil allerdings nicht und appellierte an das Hofgericht. Dort wurde zugunsten des Appellanten gegen die Entscheidung der ersten Instanz und den Ratschluss als ausschlaggebenden Rechtsgrundlage votiert. Johanne Hoffmann wurde als Mitbeklagte und -schuldnerin anerkannt. Elze erhielt Zugriff auf ihr Vermögen, indem sie zur Zahlung ihres Anteils verurteilt wurde.701 Anders als in dem Verfahren zwischen dem Kaufmann Eichmann und Martha Franckenhäuser liegt in diesem Verfahren die Stellungnahme des Hofgerichts zum SCV vor. In einer Urteilsbegründung gegenüber der Weimarer Landesregierung erklärte das Gericht seine Position. Zwar sei es „unter den Rechtsgelehrten [eine, d. Verf.] sehr bestrittene Frage: ob eine Ehefrau, welche mit ihrem Ehemann eine Schuld contrahirt und den Schuldschein mitunterschreibt, nur als Bürgin für die Schuld des Mannes, oder aber als Hauptschuldnerin, und daher als zur Bezahlung der Hälfte der Schuld verbindlich, anzusehen sei.“702 Allerdings hätte der Kläger und hofgerichtliche Appellant seine Klage auf Schuldbekenntnisse gegründet, die „auf beide unterschriebene Hofmannische Eheleute, als Empfänger der Darlehen, lauten, und von beiden

698

699

700

701 702

Vgl. D, Gleichheit, S. 992. Inwiefern das SCV nur für den Fall einer „wirklichen“ Bürgschaft galt, nicht wenn eine Frau selbst Geld auslieh, war umstritten. Vgl. zu den verschiedenen Auslegungen A, Nimmt die Frau, welche mit ihrem Manne ein Anlehn, als Mitschuldnerin, aufleihet, an der Rechtswohlthat des Vellejanischen Senatus Consults Theil?, in: Archiv für die theoretische und practische Rechtsgelehrsamkeit 4, 1789, S. 260–265, hier S. 261. „Acta Appellationis des Bürgers und Seifensieders, Christian Günther Elze, hier zu Jena, Appellants an einem, entgegen den Hofadvokaten, Johann Gottlieb Benjamin Hof=mann, und deßen Ehefrau, Johanne Christiane, eine Sahl, Appellaten am andern Theile. A. C. 1813“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 578. Vgl. C, Rechtliche Handlungsspielräume, S. 207 f. Dazu auch C, Strategien, S. 8–10. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 578, Bl. 1v . Darüber hinaus orientierte sich das Gericht an der Sachsen-Weimarischen Constitution von 1775, § 2 zur Abkürzung der Prozesse. Urteil des Hofgerichts vom 16. Juni 1813, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 578, Bl. 3r . Bericht des Hofgerichts an die Landesregierung vom 19. August 1813, ebd., Bl. 6r –7v , hier Bl. 6v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Eheleuten schlechtweg unterschrieben sind.“703 Nach den Gesetzen seien lediglich die Interzessionen von Ehefrauen, nicht jedoch die Inanspruchnahme von Darlehen problematisch. Allerdings gehe diesbezüglich aus den Akten keineswegs hervor, dass „die Hofmannische Ehefrau die Schuldscheine blos als Bürgin für ihren Ehemann unterschrieben, eigentlich und an sich aber der Hofmannische Ehemann allein die Darlehen empfangen habe und der Hauptschuldner gewesen sei.“704 Dass Frauen zusammen mit ihren Männern als Mitschuldnerinnen unter vorbehaltlicher Nutzung des SCV Darlehen aufnehmen konnten, war insbesondere wegen der Missbrauchsoptionen zuungunsten der Gläubiger ein umstrittenes Rechtskonstrukt.705 Möglicherweise trennte das Hofgericht auch vor diesem Hintergrund – im Gegensatz zur ersten Gerichtsinstanz – eindeutig zwischen einer unter die Rechtsfolgen des SCV fallenden Bürgschaft im Interesse eines Dritten und einer aus einer Kollateralverbindlichkeit resultierenden Mitschuldnerschaft. Die Unterschrift der Ehefrau Hoffmann unter den Schuldschein wurde dabei nicht als Bürgschaft für ihren Ehemann, sondern als eigenständiger Rechtsakt der Schuldnerin gewertet. Hatte die Beklagte versucht, mit dem Verweis auf ihren Rechtsstatus die weiblichen Rechtswohltaten zu ihrem Vorteil einzubringen, wurde sie vom Jenaer Hofgericht rechtlich in die Pflicht genommen. Der Fall war für das Agieren des Hofgerichts gegenüber dem Institut der weiblichen Rechtswohltaten symptomatisch. Er verdeutlicht die Absicht, Rechtssicherheit im geschäftlichen Umgang mit Frauen zu schaffen und die Handlungsspielräume der Gläubiger zu sichern.706 Dies hinderte die anwaltliche Strategie jedoch nicht daran, auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor Gericht zu versuchen, spezifisch weibliche Argumentations- und Rechtsinstrumente einzubringen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das SCV vor dem Hofgericht nur deshalb verhandelt wurde, weil er als Rechtsfigur im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Jenaer Stadtgericht zur Debatte stand. Gleichwohl die ,weiblichen Rechtswohltaten‘ auch in Sachsen-Weimar(-Eisenach) normativ abgesichert waren, konnte sich das SCV in der praktischen Rechtsanwendung nicht in dem Maße durchsetzen, wie es der juristische Diskurs im 18. Jahrhundert unterstellte. Während auf diskursiver Ebene die Rechtsgültigkeit weiblicher Privilegien lebhaft diskutiert wurde, entschied die Rechtsprechung zugunsten der Rechte und Verpflichtungen von Frauen – gemäß den Erfordernissen des alltäglichen Rechtsverkehrs und der Rechtssicherheit. Zwar bot neben der Geschlechtsvormundschaft auch das SCV den Frauen Möglichkeiten, Taktiken und gerichtsrelevante Strategien zur Durch-

703 704 705 706

Ebd., Bl. 7r . Ebd. Vgl. A, Anlehn. Vgl. dazu übereinstimmend u. a. A, Frauen und S, Handelsfrauen in Leipzig.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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setzung der eigenen Interessen zu entwickeln.707 Von den Parteien wurde das SCV allerdings kaum eingebracht und somit nicht verhandelt.708 Wurde das Rechtsprinzip doch einmal genutzt, dann ging es vor allem einerseits um Formalia (Eid, Anwesenheit des Geschlechtsvormunds) und andererseits um die im Kontext der weiblichen imbecillitas beanspruchten Rechtsfolgen. Weitere im juristischen Diskurs vorhandene Argumente wie die weibliche Habsucht oder die Unfähigkeit, ein officium civile zu bekleiden, wurden in den Verfahren allerdings nicht aufgegriffen.709 Insgesamt muss die Wirkkraft der Interzessionsklausel in der Rechtspraxis relativiert werden. Nach diesem Befund blieb es lediglich eine Strategie unter anderen, auf die die anwaltliche Vertretung der Frauen allerdings kaum – weil offensichtlich erfolglos – rekurrierte. Die Gründe dafür liegen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen wurde der Gerichtsbrauch gegen die im römischen Recht wurzelnden Rechtstraditionen durch den stilus Saxonicus dominiert. Dementsprechend orientierten sich auch die beim Hofgericht engagierten Advokaten in ihrer Argumentation vorrangig an dem Gerichtsbrauch und den Rechtsprinzipien mit der größtmöglichsten – präzedentiell orientierten – Durchsetzungschance. Das SCV war dabei keine ausschlaggebende exceptio. Programmatisch für diese Haltung ist die 1778 erschienene Dissertationsschrift des Hofgerichtsadvokaten Johann Ernst Emminghaus, der die Rechtsgültigkeit des SCV einschränkte.710 Auch Johann Gottfried Schaumburg (1703–1746) hat sich in seiner Einleitung zum sächsischen Recht gegen das SCV ausgesprochen. Die rechtlichen Ausnahmen seien zu komplex, als dass das SCV eine rechtswirksame Einrede gegen eine Klage hätte bieten können.711 Ein weiterer Grund lag nicht nur in der wirtschaftlichen Struktur des gerichtlichen Einzugsgebietes, sondern auch in der Sozialstruktur der klagenden und beklagten Frauen. Das Hofgericht nahmen vor allem Frauen von Hof- und Staatsbediensteten, kaum Handels- und Kauffrauen in Anspruch. Darüber hinaus war es offensichtlich – zumindest vor dieser Ebene der Gerichtsbarkeit – nicht nötig, auf weibliche Rechte zu rekurrieren, um Durchsetzungschancen zu erhöhen. Insgesamt waren die prozessualen Handlungsspielräume von Frauen vor Gericht ausreichend genug, so dass spezifisch weibliche, ,übervorteilende‘ Rechtsinstitute zum einen nicht als zentrale Argumentationsfigur dienen und zum anderen auch an ihre Grenzen stoßen mussten. Insofern prägten auch 707 708 709 710 711

Vgl. S, Allianzen, S. 473. Anders S, In puncto debiti, S. 180. Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Anja Amend für Frankfurt: A, Frauen, S. 127 f. Karl Friedrich W/Johann Ernst Bernhard E, Dissertatio inauguralis iuridica de femina mutuum contrahente beneficiorum muliebrium experte, Jena 1778. „Von der verbotenen Bürgschaft derer Weiber machet man bey uns ein grosses Aufheben, aber ohne Grund, indem ich selbige allerdings vor erlaubt halte [. . . ]. Das Römische Recht selbst giebt von der Regul selbst so viele Limitationes und Exceptiones, dass die Regul selbst wegfället.“ S, Einleitung, Bd. 3, Sect. II, Exerc. III, § 9, S. 1010.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

weibliche Rechte in Form der ,velleianischen Freiheiten‘ die durch das Jenaer Hofgericht geprägte Rechtskultur nicht in dem Maße, wie sie die Debatten des 18. Jahrhunderts suggerierten.712 Damit wird deren eigentliche Stoßrichtung umso deutlicher, die als Teil einer generellen Kritik am ius commune zu begreifen ist und in der Forderung nach einer Kodifikation eines allgemeinen Rechts mündete.713 Im Zuge der Kodifizierungsbestrebungen waren die vielfältigen Berechtigungen und Privilegien wie die Rechtswohltaten zugunsten der Systematisierung und Vereinheitlichung von Recht zurückzudrängen und zu delegitimieren.714 Somit ist die Debatte um das SCV in den Prozess der Entwicklung des bürgerlichen Rechts einzuordnen. Ferner lässt sich die Diskrepanz zwischen dem sächsischen Diskurs um das SCV und der Rechtspraxis auch in den Zusammenhang verorten, mit dem Adam Semler seine Diskussion zur „Entbehrlichkeit und Abschaffung der Geschlechtscuratel in Teutschland überhaupt“ begonnen hatte: „Enthusiasmus fürs fremde Recht und Haß gegen unser vaterländisches Recht sind bekanntlich die zwey vorzüglichsten Entstehungs= und Nahrungsquellen einer labyrinthartigen Ungewißheit der anwendbaren Rechtsquellen und Rechtsgrundsätze in abstracto, und steten Collision derselben bei der Anwendung in concreto.“715

Mit dieser Polemik reihte sich der Jurist in den zeittypischen Diskurs deutscher Rechtsgelehrter um die Prävalenz des ius Romanum oder des deutschen Rechts ein. Das SCV wurde somit nicht nur als eines der auszuhebelnden Rechtswohltaten, sondern vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen zwei Rechtssystemen als römisches Rechtsinstitut diskreditiert. Fazit: Eigentum, Ehre, ,Handel und Wandel‘

Die vor dem Hofgericht anhängigen Schuldkonflikte initiierten Gläubiger vor allem deshalb, um ihre Schuldner mittels obrigkeitlicher Autorität zum Verhandeln über die ausgebliebenen Zahlungen zu bewegen. Die Parteien nutzten dabei die Justiz, um Vergleichsangeboten aufgrund der eingeschalteten amtlichen Autorität einen größeren Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig bot das Gericht eine Plattform, die Kreditwürdigkeit der Beteiligten formal und sozial wieder herzustellen.716 Insgesamt zeigen die Argumentationslinien der Parteien eine Fokussierung auf die rechtlich handhabbaren Sachverhal712

713 714

715 716

Ähnlich scheint dies auch für den nordwestdeutschen Raum zu gelten, zumindest hat Beate Sturm in ihrer Studie die ,weiblichen Freiheiten‘ lediglich auf der normativen Ebene berücksichtigt, nicht jedoch als Faktor in der Rechtspraxis. Vgl. S, Privatkredit, S. 86, 243–246. C, Privatrecht, S. 76–79. Auch die Abschaffung der Gerade als weiblicher Rechtswohltat gehört nach Karin Gottschalk in den Zusammenhang der Delegitimierung von Privilegien. G, Eigentum, S. 268 f. S, Entbehrlichkeit, S. 30. Zum Zusammenhang von Kreditwürdigkeit, Vertrauen und Reputation vgl. H, Kreditbeziehungen, S. 40, 47 f.; S, Privatkredit, S. 190–192.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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te. Zentrales Synonym für den Rechtsanspruch bildete dabei die „gerechte Forderung“.717 Im Vordergrund standen juristische Aspekte. Das eng an Eigentumssemantiken gebundene Recht auf strittige Geldwerte war dabei vorrangiges, von den Parteien debattiertes Argumentationsmuster. Generell wurde die Bindung an Vermögen insbesondere als attributive Zuordnung deutlich gemacht. Vermögen wurde als „eigenthümlich zustehend“718 reklamiert. Eine Kapitalschuld konnte aber auch im engeren juristischen Sinn als dingliches Recht am Vermögen des Schuldners definiert und eingefordert werden.719 Als Motivationsgrundlage für eine Klage wurde im semantisch ähnlichen Rahmen angegeben, „das Meinige länger nicht entrathen“720 zu können. In anderen Zusammenhängen ließ sich die Rechtsfolge des eingeleiteten Subhastationsverfahrens als Aufhebung des „praetendirten EigenthumsRechts“ terminologisch deutlich machen.721 Vice versa wurde mittels Dementieren von hypothekarisch belastetem Eigentum durch die beklagte Partei auch die Rechtmäßigkeit der an sie gerichteten Geldforderungen negiert – eine Strategie, auf die etwa bei angedrohten Verpfändungen oder bei ererbten Geldforderungen zurückgegriffen wurde. Eigentum formierte somit auch bei Schuldkonflikten eine starke, wenn nicht – neben eingefordertem Recht und Billigkeit – eine der gewichtigsten Referenzkategorien. Ausschlaggebend für den sachorientierten Konfliktaustrag bei Schuldkonflikten sind die in der Regel klar justiziablen Sachverhalte und Beweisgrundlagen. Die Verfahren basierten fast durchweg auf schriftlich fixierten Dokumenten (Wechsel-, Schuldscheine) mit eindeutigen Vertragskonditionen, so dass diese der Logik juristischer Argumentation folgten. Je komplexer sich allerdings eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Beweislage und des gegenseitigen Schuldengeflechts gestaltete, desto größere Argumentationsspielräume boten sich den Parteien hinsichtlich ihrer – dann auch in der Regel affektiv gestalteten – Fallkonstruktion. Mitverhandelt wurde dabei ein breites Spektrum an Kategorien und Legitimationsmustern. Sie reichten von semantisch unterschiedlich aufgeladenen Ehrbegriffen über Stand, Subsistenz bis hin zu den auf das Gemeinwesen bezogene Werte wie der Gemeine Nutzen oder auch das Vaterland. Des Weiteren wurden christliche Normen und Werte instrumentalisiert – allerdings erst dann, wenn der Erfolg auf die Durchsetzung von Rechtsansprüchen innerhalb eines Verfahrens vager wurde. Eine herausragende Bedeutung kam neben dem anwaltlichen Rekurs auf Eigentumsrechte vor allem den Ehrsemantiken zu, die als Code für Rechtsansprüche fungierten. Sie bezogen sich positiv auf die eigene und negativ auf die soziale, ständische und persönliche Ehre des Prozessgeg717 718 719 720 721

ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 872e, Bl. 8v . Ebd., Nr. 559, Bl. 5v . Ebd., Nr. 218. Ebd., Nr. 245. Ebd., Nr. 889, Bl. 18r .

234

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

ners.722 Über das Medium der Ehre als handlungsprägendes, immer wieder neu auszuhandelndes Strukturprinzip der frühneuzeitlichen Gesellschaft, wurden Sachkonflikte transformiert und auf eine moralisch-persönliche Ebene gehoben.723 Soziale (z. B. kaufmännische Ehre) und moralisch-rechtliche Ehr-Rhetoriken vor Gericht konnten dabei zu Konsequenzen in der sozialen Praxis führen. Ehrverletzende Diffamierungen sollten den Kontrahenten diskreditieren und hinsichtlich seiner Kreditwürdigkeit in Frage stellen. Dies war nicht zu letzt deshalb so gravierend, als das Erfüllen von Verträgen und das Begleichen von Schulden ein grundlegender Bestandteil der sozialen Ehre war. Wie in keinem anderen Konfliktbereich wurde in den Argumentationen daher gerade mit Reputation und bona fide724 , dem Vertrauen als Kreditgrundlage, das symbolische Kapital des Prozessgegners zu destruieren gesucht.725 Mit dem Verlust von Vertrauen und Kreditwürdigkeit konnten daraus ganz konkrete ökonomische Nachteile erwachsen.726 Bei gerichtlichen Aushandlungsprozessen um Schulden war somit das Prinzip der ,moralischen Ökonomie‘ grundlegend. Der Gebrauch bestimmter Argumentationsmuster korrelierte nicht nur mit dem Streitgegenstand, sondern auch den spezifi722

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Ehre wird in der neueren Frühneuzeitforschung als kulturelle Strategie bestimmt, die sich als eine Vielzahl unterschiedlicher Ehrkonzepte präsentierte. Konzeptualisiert als kontextgebundenes, komplexes Kommunikationssystem nimmt es die Mechanismen sozialer Beziehungen in den Blick. Dazu u. a. Sabine A, Weibliche Lebenswelten und die Normen der Ehre, in: D./Christine S, Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, Bielefeld 1994, S. 17–185; S/S (Hrsg.), Verletzte Ehre; Ralf-Peter F, Um die Ehre. Westfälische Beleidigungsprozesse vor dem Reichskammergericht (1525–1805), Paderborn 1999; D, Maurermeister, S. 24 ff.; Sibylle B/Hans-Jörg K/Sabine U/Ann B. T (Hrsg.), Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen, Berlin 1998; Peter S, Ehre und Recht. Überlegungen zu einer Begriffs- und Sozialgeschichte zweier Grundbegriffe der mittelalterlichen Gesellschaft, in: ebd., S. 40–66; H, Family Business, S. 165–178; Sylvia Kesper-B/Ulrike L/ Alexandra O (Hrsg.), Ehre und Recht. Ehrkonzepte, Ehrverletzungen und Ehrverteidigungen vom späten Mittelalter bis zur Moderne, Magdeburg 2011. Vgl. Barbara K-R, Von nackten Hummeln und Schandpflastern. Formen und Kontexte von Rauf- und Ehrenhändeln in der westfälischen Gerichtsherrschaft Canstein um 1700, in: E/D. (Hrsg.), Streitkulturen, S. 269–307, hier S. 276. Vgl. die Formulierungen z. B. im Entwurf zum Sachsen-Weimarer Konkurspatent, ThHStAW, B 2250, Bl. 59r . Zur Ehre als symbolisches Kapital vgl. Pierre B, Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1976, S. 11–45, 335 ff. Craig M, Zur Anthropologie des Kapitalismus. Kredit, Vertrauen, Tausch und die Geschichte des Marktes in England 1500–1750, in: Historische Anthropologie 6, 1998, S. 167–199, hier S. 94 ff. Zu Vertrauen und Verpflichtung: M, The Economy of Obligation. Dieser Zusammenhang wurde auch im zeitgenössischen Diskurs thematisiert, etwa durch Johann Friedrich von Hendrich in einem Bericht zum Entwurf des Sachsen-Weimarer Konkurspatents von 1780, 20. November 1772, ThHStAW, B 2250, Bl. 27r –47v , hier Bl. 31r : „Der einmahl verlohrne Credit, besonders bey Handelsleuten“ sei ein „unwiederbringlicher Verlust.“

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

235

schen Konstellationen, in denen gestritten wurde. Die streitenden Parteien nutzten Argumente, die auf die eigene familiäre, berufliche bzw. allgemeine (Krieg) oder wirtschaftliche (Krisen-)situation rekurrierten oder das konfliktreiche Kreditgeschäft in den Blick nahm. Um sich zu exkulpieren oder die eigene Rechtsposition zu verbessern, wurden Notsituationen als unverschuldet dargestellt. Krankheit, Alter, Personenstand waren dabei die gängigsten Argumentationsfiguren. Gleichwohl sie der persönlichen Lage der Akteure entsprochen haben mögen, erfüllten sie taktische Funktionen. Rechtsrelevanten Zuschreibungen wie Verschwendungssucht, dolus oder metus konnte somit von vornherein die Basis entzogen werden. Geschlechtsspezifika waren dabei nahezu irrelevant. Auch wenn Frauen an den Verfahren beteiligt waren, wurde – abgesehen vom Bezug auf spezifisch weibliche Rechte – kaum dezidiert geschlechterstereotyp argumentiert. Dies betrifft auch die Ehre, die im Kontext von Schuldkonflikten mit Frauen keine spezifisch weibliche, sexuelle Konnotierung erfuhr – eine berufliche oder ökonomische Ehrbarkeit stand bei klagenden oder beklagten Frauen nie zur Disposition.727 Ehre wurde bei Frauen vielmehr in Bezug zur Ehrbarkeit der Familie gestellt.728 Die Grundlage für das Eingehen von Kreditbeziehungen, Kreditwürdigkeit, hing dabei vor allem von der sozialen Stellung und nicht vom Geschlecht ab.729 Die Rechtsprechungspraxis war entsprechend geschlechtsneutral strukturiert. Gleichwohl Schuldner(inne)n wie Gläubiger(inne)n das Rechtsinstitut der ,velleianischen Freiheiten‘ argumentativ zur Verfügung standen, wurde es kaum genutzt. Dass das SCV von keiner so herausragenden rechtspraktischen Präsenz und damit Brisanz war, wie in Diskurs und Forschung vertreten, wird an der aufgezeigten gerichtspraktischen Irrelevanz des Instituts in der Rechtsprechung des Jenaer Hofgerichts deutlich. Der Rekurs auf das SCV war zumindest in diesem Rechtsgebiet keine Strategie vor Gericht, sondern eine Strategie des zeitgenössischen Diskurses. Die weibliche Interzession wurde dabei in der Rechtsprechung ungeachtet der Option auf geschlechtsspezifische Rechtsfiguren geschlechtsneutral behandelt. Zwar blieb das Schuld- bzw. Bürgschaftsrecht vor dem Hintergrund der eingeschränkten Interzessionsmöglichkeiten für Frauen geschlechterdifferent, dies trat jedoch in der Rechtsprechung in den Hintergrund.730 In der Rechtspraxis ging es gerade nicht nur um die Durchsetzung von Rechten von Frauen, sondern vor allem 727

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Ähnlich Herman R, Ehre in einer pluralistischen Gesellschaft: Die Republik der Vereinigten Niederlande, in: B/K/U/T (Hrsg.), Ehrkonzepte, S. 366–387, hier S. 371 f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt S, Handelsfrauen in Leipzig, S. 131. S, Privatkredit, S. 87. Inwiefern jedoch Kreditnetzwerke durchaus geschlechtsspezifisch strukturiert waren, zeigt H, Family Business, S. 142–152. Geschlecht war nach Julie Hardwick jedoch „a component, although not a determinant, of how individuals and families navigated economies of markets.“ (Ebd., S. 152). Ausdifferenzierungen bei einer möglichen Rechtsanwendung der ,velleianischen Freiheiten‘ nach Familienstand der Frau, der Art ihrer etwaigen Geschäftstätigkeit sowie

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

auch um ihre Mitverantwortlichkeit und Verpflichtung. Diese Verpflichtung traf wirtschaftlich selbständig agierende Kreditgeberinnen ebenso wie die Frauen, gegen die aufgrund ihres Status als Erbin Regresspflichten abgeleitet wurden. Zentrales Kriterium der Rechtsprechung war die Sicherung des „öffentlichen Kredits“ und damit von „Handel und Wandel“.731 Die Gewährleistung der Kreditgeschäfte und eines funktionsfähigen Wirtschaftsverkehrs ließen das Prinzip der Schutzbedürftigkeit von Frauen im Rechtsverkehr in den Hintergrund treten.732 3.2.3 Konflikte um die Durchsetzung konkurrierender Eigentumsrechte Profil

Konflikte um konkurrierende Eigentumsrechte bezogen sich ganz dem zeitgenössischen, weiten Eigentumsverständnis entsprechend auf sehr heterogene Streitgegenstände, die neben Eigentum an Grund und Boden alle möglichen Rechtstitel als possess, quasi possess oder dominium vel quasi in den Eigentumsvorbehalt integrierten. In diesem Kontext waren neben Eigentumsrechten vor allem Verfügungs- und Nutzungsrechte gerichtlich auszuhandeln und hinsichtlich ihrer Abgrenzung zu definieren. Denn Eigentumsrechte waren nicht nur innerhalb des normativen Rahmens reglementiert, sondern in der Praxis mit Berechtigungen von Inhabern konkurrierender Verfügungs- und Nutzungsrechte (Gerechtigkeiten, Servituten) konfrontiert. Dem Umgang mit Eigentum und Besitz war daher gerade in den räumlich begrenzten städtischen Verhältnissen ein hohes Konfliktpotential inhärent. Dies korrespondierte mit der omnipräsenten Sorge um Eigentum und Besitz – ein Charakteristikum der frühneuzeitlichen Gesellschaft, das mit Blick auf die Eigentumsdeliquenz bislang eher kriminalitätshistorisches Interesse fand.733 Zivilrechtliche Eigentums- und Besitzstreitigkeiten sind als Elemente städtischer Kultur dabei kaum in den Blick genommen wurden. Im Zentrum standen eher Konflikte im Rahmen von Nachbarschaft als wichtigster

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dem Typus und Umfang des Rechtsaktes sind dabei in diesem Kontext aufgrund mangelnder Quellenbasis nicht überprüfbar. Z. B. Johann Friedrich von Hendrich in einem Bericht zum Entwurf des Sachsen-Weimarer Konkurspatents, 20. November 1772, ThHStAW, B 2250, Bl. 29v . Vgl. auch A, Frauen, S. 136 f. E/Krug-R (Hrsg.), Streitkulturen; Heinrich Richard S, Pazifizierung des Dorfes – Struktur und Wandel von Nachbarschaftskonflikten vor Berner Sittengerichten 1570–1800, in: Heinz S (Hrsg.), Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, Berlin 1994, S. 91–128; Pascale S, Von guten und bösen Nachbarn. Nachbarschaft als Beziehungsform im spätmittelalterlichen Zürich, Zürich 2002; Rebekka H, Eigentum vor Gericht, in: WerkstattGeschichte 42, 2006, S. 25–43; S, Stadtgesellschaft.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

237

familienübergreifender Gruppe innerhalb der städtischen Gesellschaft.734 Für den ländlichen Raum wurden Konflikthaftigkeit und -fähigkeit bereits aus unterschiedlichen Perspektiven als Kennzeichen frühneuzeitlicher Agrargesellschaften konturiert.735 Vor dem Hintergrund der limited-goodsTheorie736 erscheint die ländliche Gesellschaft dabei als agonale „Kultur, die nicht nur durch die Konkurrenz um Güter, sondern noch mehr durch die Art des Kampfes um diese bestimmt war.“737 Dabei waren in der dörflichen Gesellschaft Auseinandersetzungen um Beleidigungen und Ehrverletzungen, aber eben auch um Wahrung und Sicherung von Besitz, Eigentum und ma-

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Das Themenfeld Nachbarschaft wird von der Forschung jüngst verstärkt in den Blick genommen, wobei zuvor bereits die Untersuchungen zum Haus sowie zu Ehe und Familie auf die zentrale Bedeutung der Nachbarschaft als rechtliches und soziales Organisationsprinzip und Leitwert des Zusammenlebens in der frühneuzeitlichen Gemeinschaft verwiesen haben. Vgl. Robert J, Das Stadtviertel als Problem und Gegenstand der frühneuzeitlichen Stadtgeschichtsforschung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte (= BldtLG) 127, 1991, S. 235–269. Mit der Studie von Christine Schedensack zu frühneuzeitlichen Nachbarrechtskonflikten in Münster liegt erstmals eine Arbeit über städtische Eigentums- und Besitzrechtskonflikte mit kommunikationstheoretischem und rechtstechnischem Fragehorizont vor. Vgl. S, Nachbarn sowie D., Formen. Weitere Arbeiten zu bau- und nachbarrechtlichen Konflikten: S, Einigkeit sowie D., „Streit und Irrsahlen in Bawsachen. . . “. Quellen zur Baurechtsprechung im frühneuzeitlichen Lemgo, in: Jahrbuch für Hausforschung 42, 1994, S. 33–46; Jost H, „Mandati de tollendo limites“. Zum Problem der Grenzen in der Praxis der Höchstgerichtsbarkeit, in: Ingrid S (Hrsg.), Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, Mainz 1994, S. 221–230; Matthias K, „Gangh und gerechtigkeit uf einem heymlichen stuell und torn.“ Ein Kölner Servitutenstreit vor dem Reichskammergericht am Ende des 16. Jahrhunderts, in: Geschichte in Köln 44, 1998, S. 23–52; H, Streitkultur, S. 90–126 (vgl. zu den Streitpunkten in Städten S. 95–110). Vgl. zuletzt auch die Beiträge zu den Grenzen der Nachbarschaft in: R/P/M (Hrsg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen, S. 377–450, u. a.: Inken S-V/Siegrid W, Nachbarn und Nachbarschaft. Grenzräume und Grenzerfahrung in der sozialen Ordnung frühneuzeitlicher Gemeinden, in: ebd., S. 377–384; Inken S-V, Nachbarn im Haus. Grenzüberschreitungen und Friedewahrung in der „guten Nachbarschaft“, in: ebd., S. 413–427; Hendrikje C, Transformierte Eigentumskonflikte. Semantiken gerichtlicher Aushandlung von Grenzen, in: ebd., S. 429–450. Programmatisch zur Stadtgeschichte aus Nachbarschaftsperspektive: Eric P, Nachbarschaft, Gemeinschaft und sozialer Raum, in: discussions 5, 2010 – Raumkonzepte – Raumwahrnehmungen – Raumnutzungen, http://www.perspectivia.net/content/publikationen/ discussions/5-2010/piltz_nachbarschaft [13.04.2012]. E/K-R (Hrsg.), Streitkulturen, S. 1. Siehe dort auch weitere Literaturangaben zum bäuerlichen Widerstand und Protest. Vgl. zum Forschungsstand auch T/Z (Hrsg.), Agrargeschichte. Spezielle Besitz- und Eigentumskonflikte nimmt T, Gerichtspraxis, in den Blick. Siehe auch H, Herrschaft. George M. F, Peasant Society and the Image of Limited Good, in: American Anthropologist 67, 1965, S. 293–315. W, Agonale Kommunikation, S. 221.

238

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

teriellen Interessen zentrale Konfliktmuster.738 Dieser Postulate ungeachtet blieb die Untersuchung zivilrechtlicher Streitigkeiten bislang auf Untertanenkonflikte bzw. spezifische Eigentumsformen fokussiert.739 Allerdings wird auch in diesem Zusammenhang nicht der Schwerpunkt auf ländliche Eigentums- und Besitzstreitigkeiten liegen, zumal diese mit 21 (35,6 %) von insgesamt 59 Besitzschutzverfahren unter Frauenbeteiligung keinen allzu großen Anteil in der Rechtspraxis des Jenaer Hofgerichts ausmachten. In der Regulierung von Besitzstreitigkeiten aus dem agrarischen Bereich nahm das Jenaer Hofgericht eine Sonderrolle ein. Denn es wurde oft erst dann eingeschaltet, wenn alle anderen Konfliktregulierungsmaßnahmen, die Begutachtung durch Spruchgremien eingeschlossen, gescheitert waren.740 Zumeist verblieben die Prozesse auch auf der niedergerichtlichen Ebene und das Hofgericht regulierte lediglich einzelne Verfahrensschritte über Bescheide an das jeweils zuständige Amts- oder Patrimonialgericht. Nur für wenige Fälle sind daher vom Hofgericht getroffene Besitz- oder Nutzungszuweisungen durch Endurteile überliefert.741 Oftmals wurden einfach nur Kommissionen von dem Hofgericht erbeten, wie etwa im Fall der Rittergutsbesitzerin Johanne Sophie von Kospoth auf Burgau, die 1702 gegen die Gemeinden zu 738

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Michael F, Ehre und Gewalt im Dorf der Frühen Neuzeit. Das Beispiel Heiden (Grafschaft Lippe) im 17. und 18. Jahrhundert, in: S/S (Hrsg.), Verletzte Ehre, S. 320–338; Rudolf S, Bedingungen dörflicher Kommunikation. Gemeindliche Öffentlichkeit und Visitation im 16. Jahrhundert, in: Werner R (Hrsg.), Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne, Göttingen 2000, S. 241–261; Werner T, Individuum und Gemeinde in der ländlichen Welt, in: Richard van D (Hrsg.), Entdeckung des Ichs. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 197–217; Renate B, From Subsistence to Property. Traces of a Fundamental Change in Early Modern Bavaria, in: Central European History 4, 1992, S. 377– 386; S, Property; Heide W, Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, Göttingen 1986. Der Anteil von Frauen an der verrechtlichten Auseinandersetzung wird dabei unterschiedlich bewertet. Dazu m.w.N. Barbara K-R, Agrargeschichte der frühen Neuzeit in geschlechtergeschichtlicher Perspektive. Anmerkungen zu einem Forschungsdesiderat, in: T/Z (Hrsg.), Agrargeschichte, S. 33–55; Ulrike G, Rechtsfindung zwischen Machtbeziehungen, Konfliktregelung und Friedenssicherung. Historische Kriminalitätsforschung und Agrargeschichte in der frühen Neuzeit, in: ebd., S. 57–71. Vgl. z. B. Stefan von B/Stefan B, Wald – von der Gottesgabe zum Privateigentum. Gerichtliche Konflikte zwischen Landesherren und Untertanen um den Wald in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1998; S, Untertanenprozesse. Häufig wurden auch parallele Konfliktregulierungsmechanismen im Laufe der Auseinandersetzung genutzt. Neben den rechtlichen Mitteln boten andere soziale, informelle Verhaltensweisen wie Gewalt – physische oder verbale Aggression – eine Option, konkurrierende Eigentumsinteressen sichtbar zu machen und durchzusetzen. Vgl. E/K-R (Hrsg.), Streitkulturen. In vielen Fällen ist die Aktenüberlieferung für die niedergerichtlichen Instanzen nicht mehr vorhanden. Parallelüberlieferungen in den Akten des Hofgerichts sind äußerst lückenhaft.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

239

Ammerbach, Winzerla und Burgau wegen der Räumung des verschütteten Ammerbaches vorging.742 Insgesamt ging es in den ländlichen Konflikten zumeist um Zugehörigkeit, Nutzung und Grenzen von Grundeigentum. Als besonders problematisch erwies sich dabei die Beweislast, da Besitzzuordnung, Grenzverläufe und Nutzungsbestimmungen meist nicht schriftlich fixiert waren, sondern auf mündlicher Überlieferung beruhten.743 Vor allem in diesem Konfliktbereich wirkten sich daher die Maßnahmen zur Fixierung der Eigentums- und Besitzstände im Gefolge der Revisionsinstruktion von 1726 in Sachsen-Weimar eigentumssichernd aus. Gerade die Zahl der an das Hofgericht gelangenden Grenzstreitigkeiten nahm im Laufe des 18. Jahrhunderts deutlich ab. Insgesamt betrafen die Rechtsverfahren Besitzstörungen von Acker- und Wiesengrundstücken (8,5 %) und Pachtgüter (5,1 %). Im Zentrum der Streitigkeiten standen jedoch auch Gerechtigkeiten (v.a. Hut- und Triftrecht 8,5 % sowie Holzungsrecht 5,1 %).744 Unter der Formel possessio vel quasi ließen sich dabei die unterschiedlichsten Konflikttypen bündeln. Maria Hülfmann aus Remderoda klagte etwa am 27. März 1696 aus „höchster Noth dazu angetrieben“ gegen die Gemeinde Großschwabhausen.745 Sie forderte erfolgreich die ihr gewohnheitsmäßig zustehende possess des Wasserholens aus der Schwabhäuser Quelle ein, die ihr auf einmal verwehrt wurde. In einem anderen Fall klagte die Besitzerin des schriftsässigen freien Lehnguts Maua, Susanna Magdalena Finx, gegen die Gemeinde, die „mit Ungestüm“ eine Dorfwache gefordert und ihren Pächter gepfändet hatte.746 Um als possess definierte Rechtsansprüche ging es auch in der Klage der Witwe Johanna Catharina von Göchhausen, die 1712 gegen den Weimarer Oberjägermeister und Kammerrat Hermann Friedrich von Göchhausen prozessierte. Dieser hatte seine Besitzrechte an dem Rittergut Buttelstedt geltend gemacht, das ihrem verstorbenen Ehemann gehört hatte. Mit der Einstellung eines Verwalters sei sie „aus der Possess“ gesetzt.747 Die Klägerin forderte mit Verweis auf

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ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 11. Vgl. Lieselotte E, Die Landgemeinde in Brandenburg. Grundzüge ihrer Funktion und Wirkungsweise vom 13. bis 18. Jahrhundert, in: BldtLG 129, 1993, S. 195–256, hier S. 245 f. Die Zahlenangaben beziehen sich auf den ganzen Konfliktbereich, d. h. alle die Verfahren, die 1648 bis 1806 unter Frauenbeteiligung vor dem Hofgericht nachgewiesen sind. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1222. „Fr[au] Susanna Magdalena, verehelichte Licentciat[in] Finxin zu Maue, Provocantin, Contra die Sämtl[iche] Gemeinde daselbst, Provocat, Anno Christi 1722“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 900, Bl. 2r–v . Klage, 7. April 1712, „In Sachen fr[au] Johannen Catharinen, verwittbete von Göchhausen, gebohrene Pflugin zu Buttelstedt, Implorantin contra H[erren] Hermann Friedrich von Göchhausen, fürstl[icher] Oberjägermeister und Cammerrath zu Weimar, Imploranten [. . . ] Anno Christi 1712“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 381, Bl. 6r –7r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

ihren Ehevertrag erfolgreich ihren einstweiligen Verbleib in dem Rittergut Buttelstedt ein, solange ihre Ehegelder nicht ausgezahlt waren. Ganz andere Themen wurden bei Besitzschutzschlagen aus dem städtischen Bereich verhandelt. Das Jenaer Hofgericht nahm dabei gegenüber den ländlichen Klagen auch andere Funktionen wahr. Dies verdeutlichen bereits die quantitativen Daten. Mehr als die Hälfte der Klagen (54,2 %) kamen direkt aus Jena. Aus Weimar oder Eisenach sind hingegen keine Verfahren überliefert. Das Hofgericht regulierte somit vornehmlich als schnell agierende Justizbehörde städtische bau- und nachbarrechtliche Auseinandersetzungen. Ausschlaggebend für die Inanspruchnahme des Hofgerichts in Jena war dessen Präsenz vor Ort, die Zugangsschwellen für die Nutzung des Gerichts als Appellationsinstanz für ansässige Einwohner herabsetzte und damit als Korrektiv für Bescheide des Jenaer Stadtrates bzw. für Stadtgerichtsurteile genutzt wurde. Der Gang zum Hofgericht hatte jedoch auch institutionelle Hintergründe. Gerade in den Bauangelegenheiten wurde die lokale Justiz den Ansprüchen der Rechtsuchenden auf eine zügige Rechtsprechung nicht gerecht. Aufgrund der eingeschränkten Funktionsfähigkeit des Jenaer Stadtrates gab es daher auch von 1791 bis 1794 verstärkt landesherrliche Bestrebungen, dem Stadtrat das Stadtgericht zu entziehen.748 Konflikte um konkurrierende Eigentumsrechte, die sich im Zusammenhang von Baumaßnahmen oder sonstigen Besitzstörungen ergaben, tangierten einen für den städtischen Sozial- und Rechtsfrieden sensiblen Bereich.749 Daher galt auch in diesem Konfliktbereich ein „Primat des Vergleichs“.750 Dabei übernahm das Hofgericht dezidiert mediatorische Aufgaben in Form von Vergleichsverhandlungen und Kommissionen, die strittige Bauprojekte begutachteten und begleiteten.751 Ziel der Rechtsprechung waren pragmatische Konfliktlösungen, die einen Interessenausgleich der beteiligten Akteure anstrebte. Dies entsprach den in aller Regel summarisch geführten Verfahren, so dass die eindeutige Klärung von Eigentums- und Besitzverhältnissen oft gar nicht zur Verhandlung stand. Der hohe Anteil außer- und gerichtlicher Einigungen deutet insgesamt auf die strategische Nutzung des Gerichts in der Funktion eines Druckmittels und Katalysators nachbarschaftlicher Konflikte. Nach der Klageerhebung wurden nicht selten alternative, informelle Regulierungsformen wieder aufgegriffen.752 Dieses Phänomen 748

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Mit der neuen Stadtordnung von 1810 kam das Stadtgericht unter staatliche Kontrolle. Vgl. K, Jena, S. 205; D, Stapelstadt, S. 125 f. Vgl. für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts (1723–1751), StAJ, B XVh – 11 (Akten zum Reglement für die Ämter und Gerichte der Jenaer Landesportion vom 23. August 1726). Dazu allgemein Heinz S, Die Stadt in der Frühen Neuzeit, München 1993; Ulrich R, Städte in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2006. S, Einigkeit, S. 146. Vgl. auch H, Streitkultur, S. 126. Zur Selbstregulierung von zivil- und strafrechtlich relevanten Konflikten vgl. u. a. Gerd S, Köln im Kreuzverhör, S. 288; M, „Ich, Lisa Thielen“, S. 315.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

241

verweist auf die grundlegende Motivation, das Auskommen in der städtischen face-to-face-Gesellschaft abzusichern.753 In den Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn angrenzender Grundstücke standen in der Regel Fragen der Nutzung, Veränderung, Reparatur bzw. Instandhaltung der Immobilien im Zentrum.754 Es ging in den Konflikten juristisch gesehen vor allem um die Existenz von Servituten, die bei Eigentumsverletzungen oder Besitzstörungen an Hauseigentum, Gärten, Rasenflächen oder Weinbergen (15,3 %) zu verhandeln waren. Baustreitigkeiten, die 20,3 % der Fälle betrafen, hatten zumeist eine nachbarspezifische Dimension, wobei die gegenseitige Geltendmachung konkurrierender Eigentumsrechte als justiziabler Grundkonflikt fungierte. In den Verfahren vor dem Jenaer Hofgericht wurden beispielsweise die verminderte Aussicht bei nachbarschaftlichen Neubauten oder auch jene Konflikte verhandelt, die sich im Zusammenhang mit gemeinschaftlich genutzten Mauern oder Secreten ergaben. Streitigkeiten mit der Bürgerschaft entstanden etwa, wenn gewohnheitsrechtlich genutzte Rasenränder plötzlich als Gemeindegut deklariert wurden.755 Turbationsklagen konnten auch in Zusammenhang mit Erbschaftsstreitigkeiten stehen, wobei Ansprüche auf Erbteile nach außen durch die Aneignung von Besitz dokumentiert wurden.756 So etwa im Fall Johann Dietrich Hoffmanns, gegen den Dorothea Elisabeth Dietrichs am 12. April 1697 klagte. Dieser hatte ihre Arbeiter „armata manu“ von ihrem Weinberg vertrieben, der ihr als Erbgut ihres verstorbenen Ehemannes zustand.757 Die relativ häufigen Besitzstandsklagen um Weinberge verdeutlichen im Übrigen den Kampf um die ökonomische Basis in der städtischen Gesellschaft, von dem auch Frauen als Eigentümerinnen betroffen waren. Genuin ökonomische, auf den Haushalt abzielende Argumentationen wurden jedoch eher selten in den Rechtsstreitigkeiten formuliert. Sie standen vor allem im Zusammenhang mit abzusichernden landwirtschaftlichen Erträgen. Beispielsweise klagte die Witwe Lorenz Seyfarts 1712 gegen Martha Elisabetha Kromeyer, die an die Klägerin einige Äcker und Wiesen verpachtet hatte.758 Das Getreide war bis dahin in der Scheune der Verpächterin gelagert worden, was der Sohn der Beklagten nun verwehrte hatte. Hier machte die Klägerin den Schaden für die „bestreitung unßers Haußhalts“ erfolgreich geltend.759 753

754 755 756 757 758

759

Vgl. John A. S, „Such Disagreement betwyx Neighbours“. Litigation and Human Relations in Early Modern England, in: John B (Hrsg.), Disputes and Settlements. Law and Human Relations in the West, Cambridge 1983, S. 167–187, S. 173. Siehe dazu auch die instruktiven Anmerkungen von Julie H, Family Business, S. 74–77. Das Näherrecht stand lediglich in 3,4 % der rechtsanhängigen Verfahren zur Debatte. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 711. Ebd., Nr. 519, 937. Ebd., Nr. 572, Bl. 2r –4r . Der Konflikt wurde mit einem Vergleich beendet. „Seyfartische Erben zu Jena, Contra Marthen Elisabeth verwittibte FloßMeister= Kromeierin daselbst, Anno Christi 1712“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 801. Ebd., Bl. 2v , 3r .

242

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Insgesamt war die Beteiligung von Frauen an Prozessen um Eigentumsverletzungen an Haus- und Grundeigentum keineswegs ein marginales Phänomen. In Jena sind für 1810 immerhin 125 Hauseigentümerinnen belegt, was einem Anteil von mehr als einem Siebentel entsprach.760 In Weimar bildeten im Jahr 1758 Frauen mit einem Anteil von 15,6 % die zweitgrößte Gruppe aller städtischen Hausbesitzer nach den Handwerkern.761 Gerichtlich durchsetzbare Eigentumssicherheit und Eigentumsschutz war daher ein zentrales Thema für sie, wobei die Erwartungshaltungen an die „hoffrichterliche Autoritaet“762 zur Gewähr „gnädigen Schutzes“ und „obrigkeitlicher Hülffe“ hoch waren.763 Fallanalysen

Strittige Eigentums- und Nutzungsrechte wurden im städtischen Bereich meist in Zusammenhang mit privaten Baumaßnahmen verhandelt, die vor allem die konkurrierenden Rechte benachbarter Hauseigentümer betrafen.764 Die mit Haus, Hof und den dazu gehörigen Grundstücken verbundenen Rechte boten zwar die entsprechende Ausgangsbasis für Rechtsbehauptungen und spezifische Legitimationsstrategien vor Gericht. Doch die Narrative passten sich auch den jeweiligen Dynamiken der Aushandlungsprozesse an, die aufgrund der Lokaltermine in diesem Konflikttypus verstärkt die persönliche Präsenz und Interaktion der Prozessteilnehmer erforderte. Mit den jeweiligen Beweisgrundlagen, die Einbindung in öffentlich-rechtliche, stadtpolitische Kontexte und dem Grad des nachbarlichen Dissenses sind weitere wichtige Elemente benannt, die die Rechtsstreitigkeiten auch hinsichtlich der jeweiligen Eigentumssemantiken unterschiedlich strukturierten.765 Vor diesem Hintergrund ist den typischen Konfliktkonstellationen nachzugehen, in denen Streitigkeiten um Eigentums- und Besitzrechte ausgetragen wurden. Die Kriterien für die Selektion der Einzelfälle sind dabei so angelegt, dass jede rechtliche Auseinandersetzung (Abgrenzung von Nutzungsrechten bzw. Servituten, Vertragsrecht, Eigentum an sich) zugleich den Blick auf spezifische

760

761 762 763 764 765

Diese Zahl ergibt sich aus den Auswertungen der Wahlberechtigung im Zusammenhang mit der Wahl bei der Einführung der Stadtordnung im Jahr 1810. Im Vergleich: Es gab 60 akademische und 20 schriftsässige Hausbesitzer. Aus dem Hausbesitz ergaben sich für Frauen mit der Stadtordnung von 1825 politische Rechte, in der die Vormünder der Bürgerinnen Stimmberechtigungen erhielten. D, Stapelstadt, S. 175. H, Weimar, S. 113. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1531, Bl. 45r . Ebd., Nr. 1184a, Bl. 2v . Vgl. C, Konflikte, S. 33–45. Die Aushandlungsprozesse vor Gericht sind dabei an die spezifischen kommunikativen Rahmenbedingungen in der Stadt rückzubinden. Dazu z. B. Uwe G, Politische Kommunikation in den Städten der Vormoderne. Zürich und Münster im Vergleich, Köln u. a. 2007, bes. S. 30 f.; Jörg R, Für den gemeinen Nutzen. Politisches Handeln und Politikverständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter, Tübingen 1996.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

243

(politisierte, emotionalisierte) Grundkonflikte und Topiken (z. B. Geschlecht) freilegt. Angesichts der Dominanz städtischer Eigentums- und Besitzstreitigkeiten kann der abschließende Blick auf ländliche Konflikte nur kursorisch erfolgen. Auch hier liegt der Untersuchung keine rechtssystematische, an den strittigen Eigentumsformen oder -rechten orientierte Perspektive zugrunde. Entscheidend sind die argumentativen Grundmuster, wobei sich der Fokus exemplarisch auf Freiheitsargumente richtet, die besonders in ländlichen Streitigkeiten um Eigentum und Gerechtigkeiten mitverhandelt wurden. Politisierte Eigentumskonkurrenzen

Bau- und nachbarrechtliche Konflikte sind im Kontext der frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft zu verorten, die mit den obrigkeitlich-policeylichen Zielvorstellungen über konkrete Leitbilder der städtischen Eigentümergesellschaft verfügte.766 Eigentumskonkurrenzen können vor diesem Hintergrund unter einen spezifischen Konflikttypus subsumiert werden, dessen Argumentationshorizont sich insofern als politisiert verstehen lässt, als er sich dezidiert im Kontext stadtpolitischer Konfliktlagen wie (ordnungs-)politischer Leitbilder konstituierte. Diese eigneten sich die Prozessparteien ergebnisorientiert vor allem dann an, wenn die Transformation eines individuellen nachbarlichen zum öffentlich-rechtlich dimensionierten Konflikt Eigentumspositionen zusätzlich zu fundieren und damit Erfolgsaussichten zu verbessern schienen. Exemplarisch dafür steht eine Besitzstörungssache, in der Dorothea Regina Brückner am 12. August 1716 gegen Johann Friedrich Rau, Gastwirt des Jenaer Gasthofes „Zum güldenen Greif “, appellierte.767 Der Gastwirt hatte neben ihrem Haus eine neue Einfahrt in seinen Hof errichtet.768 Der daraufhin einsetzende Fahrverkehr der Wagen beschädigte die Hausecke der Appellantin, so dass sie einen Eck- bzw. Weichstein an ihr Haus setzen ließ. Gegen die Ecksteinsetzung intervenierte der Gastwirt erstinstanzlich erfolgreich beim Jenaer Stadtrat mit der Begründung, dass der Weichstein seine Einfahrt behindere.769 Dorothea Regina Brückner zog daraufhin vor das Jenaer Hofgericht und konnte eine Kommission zur Ortsbegehung erwirken. In einem Bescheid an den Jenaer Stadtrat vom 27. August 1716 urteilte das Hofgericht dann zugunsten der Klägerin.770 Danach war der Stein nicht „ad 766

767

768 769 770

Allgemein zu den städtischen Leitbildern Eberhard I, Obrigkeit und Stadtgemeinde in der Frühen Neuzeit, in: Hans Eugen S (Hrsg.), Einwohner und Bürger auf dem Weg zur Demokratie, Ulm 1997, S. 74–126. „Dorothea Regina Brücknerin zu Jena, contra Johann Friedrich Rauen Gastwirth zum Güldnen Greiff daselbst, A Christi 1716“, in: ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1052, Bl. 2r –3r . Vgl. C, Transformierte Eigentumskonflikte, S. 435– 436. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1052, Bl. 2r . Vgl. Extrakt aus dem Ratsprotokoll vom 10. August 1716, ebd., Bl. 11r –13v . „Ihr wollet, sothaner Bewandnüs nach, die Implorantin, Brücknerin, den Weichstein quaest. auf die maße, wie er bereits, nembl. 1 Schuh ii. Zoll [. . . ] abgesetzt gewesen,

244

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

aemulationem, sondern wie es die Nothdurft erfordert“771 gesetzt worden und konnte unter Auflagen verbleiben.772 Auch die Landesregierung, an die Johann Friedrich Rau appellierte, votierte in einem Urteil vom 20. November 1716 in diesem Sinne. Damit wurden die Maßnahmen der Klägerin zum Schutz ihres Hauses im zweitinstanzlichen Verfahren bestätigt.773 Vor dem Hofgericht setzte die klägerische Strategie im Wesentlichen auf die rechtliche Figur des Eigentumsschutzes. Diesen fundierte der Anwalt Dorothea Regina Brückners mit ihrer Notdurft, denn das „continuirliche(n) hin und her fahrens der Posten“774 hätte ihrer Hausecke und dem dort angebauten „Crahmgewölbe“ „unvermeidlichen Ruin und Schaden“ zugefügt.775 Mit dem als Notdurft eingeforderten Eigentumsschutz bemühte der Anwalt ein Rechtsprinzip, das auf die „einem zustehende Rechtsbefugnis“ abzielte.776 Damit wurde die Auseinandersetzung zwischen den Kontrahenten als eindeutig juristisch relevant kategorisiert und gegenüber potenziell unterstellten, nichtjustiziablen nachbarschaftlichen Differenzen abgegrenzt. Dies sollte auch die mögliche gegnerische Argumentation mit einem unzulässigen Neidbau aushebeln. Auf einer weiteren Ebene wurde die Appellation als notwendige Konsequenz einer zugunsten des Gastwirts einseitig ausgerichteten Stadtratsjurisdiktion legitimiert. In dieser Perspektive erschien der Stadtrat nichts anderes als ein Instrument zur Durchsetzung der Interessen des Beklagten. Johann Friedrich Rau hätte sich zudem „hinter das Marckt=ambt gestecket“777 , das der Klägerin nach einer Besichtigung durch ein „obrigkeitlich[es] Verboth“ die Setzung des Steines mit sofortiger Wirkung untersagte.778 Der Anwalt des Gastwirts nutzte verschiedene argumentative Stränge. Zum einen versuchte er mittels juristischer Argumente, die Ecksteinsetzung

771 772

773 774 775 776

777

778

wieder setzen zu laßen, ferner nicht behindern, im Gegentheil den Gastwirth Rauen, mit seinem Suchen zur Ruhe weisen.“ Ebd., Bl. 15v –16r . Jenaer Hofgericht an Jenaer Stadtrat, 27. August 1716, ebd., Bl. 15r –16r , hier Bl. 15r . Allerdings wurde der Jenaer Stadtrat dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass „der zu setzende WeichStein die Auß= und Einfarth der Wagen und Feuer Spritzen nicht verhindern möge.“ Ebd., Bl. 38v . Ebd., Bl. 37r –38v . Ebd., Bl. 2r –3r . Ebd., Bl. 2v . Rechtliche Notdurft bezeichnet, „was zur vertheidigung einer rechtssache erforderlich ist, sowie die einem zustehende rechtsbefugnis und rechtswolthat“. Art. Nothdurft, in: G/G, Wörterbuch, Bd. 13, Sp. 924–936, hier Sp. 926. „Rechtliche Nothdurfft, bedeutet in denen Rechten, und sonderlich in Proceß=Sachen, so viel, als das der einen oder der andern Partey zustehende Recht, und die wider einander habenden Ausreden.“ Art. Rechtliche Nothdurfft, in: Z, Universal-Lexikon, Bd. 30, Sp. 1417. Vgl. auch den Extrakt aus dem Ratsprotokoll vom 10. August 1716, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1052, Bl. 11r –13v . Das Marktamt wurde von je zwei Mitgliedern des Stadtrates und der Bürgerschaft geleitet und nahm Überwachungs- und Taxierungsaufgaben für den Markthandel wahr. Vgl. D, Stapelstadt, S. 191. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1052, Bl. 3r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

245

durch seine Kontrahentin tatsächlich als Neidbau zu klassifizieren. Darüber hinaus erweiterte er die juristische Perspektive auf den Sachkonflikt, in dem er den Rechtsstreit als eine Verhandlung über das Gemeinwohl inszenierte und damit das noch vor dem Stadtrat formulierte wirtschaftliche Interesse seines Klienten kaschierte: „Hauptsächlich [ist, d. Verf.] auch dieses zu confidiren, daß nicht allein ich als ein privatus an meiner Einfahrth gehindert werde, sondern auch das commune publicum mit darunter leiden muß.“779 Auf dieser Linie lag dann auch der Appell an das Hofgericht, „nicht so wohl bey dem von der Brücknerin gesetzten Weichstein auff das Interesse privatum, als hauptsächl. Publicum zu sehen.“780 Mit dem Fokus weg von den eigenen und hin zu den gemeinwohlorientierten Interessen versuchte Raus Anwalt das starke Argument der ,Notdurft‘ auszuhebeln. Dies verband er mit dem Appell an das Hofgericht, den Einsatz seines Klienten für das Gemeinwesen durch ein entsprechendes Urteil auch rechtlich anzuerkennen.781 Den Topos des Gemeinnutzes füllte er nämlich rechtlich mit dem Argument der städtischen Brandschutzbestimmungen. Wegen des „ungeheuren Weichsteins“ sei die freie Zufahrt bei Bränden beeinträchtigt.782 Mit dem Einwand einer potenziellen Gefahr für die Stadt und deren Einwohner brachte der Anwalt einen sensiblen Punkt in das Verfahren ein, war Feuerabwehr doch einer der wichtigsten Aufgaben des städtischen Gemeinwesens und im 18. Jahrhundert ein „gesellschaftliches Thema“.783 Das Hofgericht griff diesen Punkt auf, indem es den Stadtrat anwies, in diesem Fall auf entsprechende vorbeugende Brandschutzaktivitäten zu achten. Hatte der Jenaer Stadtrat erstinstanzlich zugunsten des Gastwirtes entschieden, bestätigte die Landesregierung das Hofgerichtsurteil, das zugunsten Dorothea Regina Brückners votierte. Insgesamt gesehen wurden somit ihre Rechte auf Schutz des Hauseigentums gegenüber konkurrierenden gemeindlichen Ordnungsprinzipien abgewogen und austariert. Im Unterschied zu Dorothea Regina Brückner, deren gerichtliche Argumentation sich allein auf den ihrem Eigentum zugefügten Schaden bezog, verlagerte Johann Friedrich Rau sein eigenes wirtschaftliches Interesse prozesstaktisch auf die Akzentuierung der gemeindlichen Dimension seines Anliegens. Dieser Aspekt wurde als plausibel auch tatsächlich im hofgericht779 780 781 782

783

Ebd., Bl. 24v . Schreiben an das Hofgericht, 24. Dezember 1716, ebd., Bl. 27r –31v , hier Bl. 31r . Vgl. Winfried S, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: HZ 243, 1986, S. 591–626. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1052, Bl. 27r . Damit begründete er das Vorhaben, das von dem Hofgericht in der Angelegenheit ergangene Reskript durch eine Appellation an die Landesregierung zu suspendiren. Vgl. ebd., Bl. 22r –25v , hier Bl. 25r . Appellation an die Landesregierung, ebd., Bl. 40r –42v . V, Herzogtum, S. 332–438, hier S. 332. Als eine der wichtigsten, existenziellen Aufgaben des städtischen Gemeinwesens wurde Brandschutz nicht nur durch die Landesordnung, sondern auch durch lokale Feuerordnungen umfassend geregelt. Vgl. Kapitel 2.2.4.

246

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

lichen Bescheid aufgegriffen und entsprechend reguliert. Die eingebrachte Rechtsauffassung einer existenziellen ökonomischen Bedeutung seiner Einfahrtgestaltung ohne Ecksteinbegrenzung konnte Rau allerdings nur beim Jenaer Stadtrat, nicht jedoch beim Hofgericht durchsetzen. Inwiefern der Stadtratsbescheid innerstädtische Abhängigkeiten zwischen Gewerbe, Rat und Marktamt widerspiegelte, lässt sich in diesem Fall nur vermuten. Zumindest suggerierte die Klägerin durch die Einschaltung des von ihr zugunsten Raus als parteilich wahrgenommenen Stadtrats eine persönliche Übervorteilung des Nachbarn. Mit Eigentum, Interesse und Gemeinnutz sind die wesentlichen Kategorien beschrieben, die den Rechtsstreit strukturierten. Sie lassen sich in unterschiedlichen Konstellationen in zahlreichen innerstädtischen Rechtskonflikten aus diesem Bereich nachweisen. Typischerweise verschob sich das Spannungsverhältnis zwischen diesen drei Kategorien, wenn über den Rechtsstreit vor dem Hofgericht innerstädtische, politische Konflikte ausgetragen wurden. Beispielhaft dafür ist eine Auseinandersetzung zwischen der verwitweten Hofrätin Anna Maria Wedel und dem fürstlich-sächsischen Hofagenten, Kaufmann und späteren Jenaer Bürgermeister Johann Johann Jacob Heinrich Paulsen, gegen den sie am 13. April 1775 eine Klage einreichte.784 Paulsen hatte neben ihrem Haus ein Gebäude ersteigert, das er nach dessen Abriss neu aufbaute. Da dieser Neubau nach Angaben der Klägerin ihre Aussicht behinderte, erwirkte sie zunächst qua novi operis nuntiatio erfolgreich ein einstweiliges Bauverbot.785 Nach einem Besichtigungstermin unter der kommissarischen Leitung Johann August von Hellfelds wurde dieses allerdings wieder aufgehoben. Ende April 1775 erreichten die Prozessparteien eine gerichtliche Einigung, worin Johann Jacob Heinrich Paulsen sich verpflichtete, nur eine Viertel Elle mit dem Haus an die Straße herauszurücken.786 Die entstehende Ecke sollte dagegen entsprechend dem Anliegen Anna Maria Wedels abgerundet und mit Kalk versehen werden – wobei die 784

785 786

„Die verwittibte Hofräthin Anna Maria Wedelin alhier, Impetrant contra den Fürstlich Sächßischen Hof=agent Johann Jacob Heinrich Paulßen alhier Impetraten. Anno Christi 1775“, in: ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a–b, hier Nr. 1010a, Bl. 2r –3r . Johann Jacob Heinrich Paulsen folgte den in diesen Konflikt involvierten Jenaer Bürgermeistern Johann Christian Nicander und Bartholomäus Janson im Bürgermeisteramt, das er 1780 bis 1789 innehatte. Er war übrigens Wunschkandidat der Bürgerschaft. Vgl. D, Stapelstadt, S. 158 f., 161. Zur Jenaer Kauf- und Handelsfamilie Paulsen ebd., S. 219–230. Dazu auch C, Transformierte Eigentumskonflikte, S. 437–442. Inhibition vom 13. April 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 4r . „Acta Commissionis in Sachen der verwittibten Frau Hofräthin Annen Marien Wedelin Implorantin contra den Fürstl. Sächs. Hofagent, Herrn Johann Jacob Heinrich Paulsen. Impetraten. Anno Christ 1775“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010b, Bl. 16r –17v . Vgl. die Vergleichsvorschläge Anna Maria Wedels, ebd., Bl. 40r – 41v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

247

Erhaltung dieses Baus nicht zu Lasten Paulsens gehen sollte. Erwartete die Klägerin die Übernahme der Prozessführungskosten durch Paulsen,787 so konnte sie sich mit diesen Vorstellungen nicht durchsetzen: „ieder Theil“ sollte letztlich „seine Kosten“ tragen.788 Darüber hinaus verpflichtete sich Johann Jacob Heinrich Paulsen pro redimenda lite sowohl an die Klägerin Anna Maria Wedel als auch an die Bürgerschaft 10 Reichstaler oder 2 Louisd’or zu zahlen. Insgesamt standen vor allem konkurrierende eigentums- und baurechtliche Normen im Zentrum der Auseinandersetzung. Der Anwalt Anna Maria Wedels, Gottfried Justin Wilhelm Salzmann, rekurrierte dabei auf ihre mit dem Haus verbundenen, als „ruhigen Besitz“ definierten Eigentumsrechte.789 Die „fundata mea intentio“ sei „klar und fällt so gleich in die Augen, weil man mir widerrechtl. Luft, Licht und Aussicht verbauen und mein Hauß dadurch gantz ruiniren will.“790 Die zitierte fundata-intentio-Formel entsprach im Übrigen einer gemeinrechtlichen Theorie, nach der die Beweisbedürftigkeit einer Rechtsquelle ausgeschlossen und die Beweislast auf den Kontrahenten transferiert wurde. Der Rekurs auf die fundata intentio fungierte in diesem Zusammenhang allerdings topisch, indem sie lediglich die Rechtsbehauptung akzentuierte791 – zumal insgesamt die rechtlichen Ansprüche, die Salzmann aus dem Licht- und Aussichtsrecht generierte, auch mit Normen aus dem statutarischen Recht Jenas verbunden wurden. So interpretierte er den Bau des Beklagten als Winkelbau, der den Jenaer Statuten gemäß nicht gestattet war.792 Der gegnerische Anwalt Johann Adolph Hellbach arbeitete sich zunächst an der Fragwürdigkeit der klägerischen iusta causa ab, bevor sich seine Argumentation auf die eigentumsrechtlichen Fragen zuspitzte.793 Dazu wurde der Klägerin eine negative emotionale Motivlage für ihre Prozessführung zugeschrieben, um so ihre Rechtsansprüche zweifelhaft erscheinen

787 788 789

790 791 792

793

Ebd., Bl. 41v . Vergleich, 28. April 1775, ebd., Bl. 17r . Jacob Heinrich Paulsen, so der klägerische Anwalt, sei nicht dazu befugt, sein neues Haus „ein gut Stück heraus in die Strasse [zu] sezzen, mir meine anstehende Fenster und allen Prospekt [zu] verbauen und [zu] benehmen.“ ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 2v , Bl. 12v . Ebd., Bl. 13r . Vgl. Peter Oestmann, der einen weitgehend untechnischen Gebrauch der Formel nachgewiesen hat. O, Rechtsvielfalt, S. 282 ff. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 13v . „Ebenfalls sollen hinführo alle Winkelgebäude nicht nur so viel möglich abgeschaffet, sondern auch dergleichen aufs neue, unter was für Schein solches nur vorgenommen werden wollte, ohne Obrigkeitliche Besichtigung durchaus nicht mehr gebauet werden, bey Strafe Zehn Rthlr., die beydes Bauherr und Baumeister, jedweder ganz erlegen soll, und über das jener das Gebäude wieder abzuthun schuldig und gehalten seyn.“ Jenaer Statuten 1704, S, Gesetze, Bd. 7, Tit. XX, § 4, S. 403. Schreiben an das Hofgericht, 14. April 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 5r –8r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

zu lassen. Anna Maria Wedel würde gegen Johann Jacob Heinrich Paulsen aus einem „ganz unbekanten erbitterten Gemüthe als aus einem Grund des Rechtens“ vorgehen.794 Diese Diffamierungsstrategie sollte jedoch auch zur Profilierung der eigenen Rechtsposition beitragen, die Paulsen mit einer Baugenehmigung des Stadtrates belegen konnte. Genuin eigentumsrechtlich fundiert war das Rechtsprinzip der Eigentumsfreiheit, das der Bauherr gegen seine Nachbarin in Anspruch nahm und in Konkurrenz zu den von ihr behaupteten Eigentumsrechten stand. Von den Freiheiten des Eigentümers ausgehend, negierte die anwaltliche Argumentation prinzipiell ein Recht der Kontrahentin, ihm auf seinem Grund und Boden ein Bauverbot erteilen zu lassen.795 Diese eigentums- und baurechtliche Dimension wurde um einen politischen Konflikt erweitert, der sich bereits in der Klage andeutete. Denn der Anwalt hob den Fall prozesstaktisch auf eine Ebene, die aus der Angelegenheit seiner Klientin ein städtisches Problem konstruierte. Da der Hausbau nahe an der Kirche gelegen sei, wäre es die Aufgabe der Bürgerschaft gewesen, sich dieser Sache anzunehmen und beim Stadtrat ein Verbot der Bautätigkeit zu erwirken. Indem Anna Maria Wedel die Sache nun übernahm, wurde sie in der Rhetorik ihres Rechtskonsulenten gleichsam zur Anwältin der Bürgerschaft stilisiert. Dies griff Paulsens Anwalt auf, um einen Zusammenhang der gegen ihn gerichteten Aktionen der Nachbarin und des offensichtlich doch eingelegten bürgerschaftlichen Vetos gegen die Baugenehmigung herzustellen. Vermutlich habe die Bürgerschaft „auf Anfeuern der Frau Hofräthin Wedelin bey dem hiesigen Wohllöb[lichen] Stadtrathe sich meines Baues halber mit gemeldet, von demselben aber ihrer Unstatthaftigkeit willen abgewiesen worden ist.“796 Das der Klägerin damit unterstellte taktische Agieren und die erfolglose Intervention der Bürgerschaft beim Stadtrat sollte die Unrechtmäßigkeit ihrer Klage einmal mehr akzentuieren. Die Taktik des klägerischen Anwalts bestand nun darin, die Zuständigkeit des Stadtrates zu bestreiten, um die Rechtskraft der Baugenehmigung auszuhebeln. Den Jenaer Bürgermeistern Johann Christian Nicander und Bartholomäus Janson wurde dabei die alleinige Entscheidungskompetenz in dieser Angelegenheit abgesprochen.797 Der ohne die Einwilligung des ganzen Ratskollegiums vorgenommene Bau auf kommunalem Grund und Boden wurde dazu nicht nur als Besitzverletzung gegenüber der Klägerin, sondern auch gegenüber der Jenaer Bürgerschaft statuiert.798 In einem Schreiben vom 26. April 1775 an das Hofgericht formulierte Anna Maria Wedels Anwalt diesen Zusammenhang pointiert. Danach stelle die rechtliche Unterstützung des Beklagten durch 794 795 796 797 798

Ebd., Bl. 5v , 6r . Ebd., Bl. 7r . Ebd., Bl. 8r . Schreiben an das Hofgericht, 17. April 1775, ebd., Bl. 11r –16v , hier Bl. 13v . Ebd., Bl. 14r–v . Die Bürgerschaft hatte ein eigenes ,Communvermögen‘, zu dem auch Grundstücke gehörten. D, Stapelstadt, S. 200 f.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

249

den Stadtrat nicht nur für die Klägerin ein „damnum“ dar, sondern war ein Nachteil für die „ganze(n) Commun“.799 Ganz von persönlichen Interessen abstrahierend ließ sich so ihr Widerspruch gegen den nachbarlichen Bau als das „beste Recht“ und die „gröste Pflicht“ konturieren.800 Ausdruck dieses Programms war Anna Maria Wedels erreichte Mobilisierung der Jenaer Bürgerschaft, die vor dem Hofgericht auf ihr „ohnstreitiges ius prohibendi“ verwies.801 Dem Schreiben der Klägerin fügte die Bürgerschaft eine Intervention bei, in dem sie sich formelhaft in den Dienst des ,Gemeinwohls’ entsprechend ihrer ,Bürgerpflicht’ stellte.802 Sie unterstütze die Klägerin auf der Basis ihrer gemeindlichen Funktion, die ihr „das Wohl der Stadt“ nahelege.803 Die Mitunterschrift der Viertelsmeister unter das Schreiben Anna Maria Wedels interpretierte Paulsens Anwalt gegenüber dem Hofgericht als Strategie der Klägerin aufgrund ihrer nicht prozessfähigen Ansprüche. Dementsprechend sei ihr „nicht wohl um die Sache. Sie siehet ein, dass sie zu voreilig novum opus nunciirt, daher hat sie ein paar Viertels Meister durch ihr Ersuchen so weit gebracht, dass sie das [. . . ] Schreiben mit unterschrieben haben. Ihr widerrechtlich unternommenes Factum aber wird dadurch nicht besser als es vorher war.“804 Der Beklagte bestritt zugleich die Entscheidungskompetenz der Bürgerschaft „in publicis“, die sich in dieser Angelegenheit „a limini iudicii“ befände.805 Gleichzeitig bezog er sich auch auf die von Wedels Anwalt eingebrachten gemeinwohlorientierten Argumentationen. Anders als die Klägerin stellte Paulsens Anwalt dabei die Koinzidenz zwischen Gemeinwohl und eigenen Interessen über die Qualität seines Bauprojektes her. Paulsens Bau wäre durchaus im Sinne des „Wohlstandes“ der Stadt Jena, „damit das Publicum nicht mit einem schiefen Gebäude belästiget werde, geschehen, welches die Statut Jenensia nicht ver=, sondern vielmehr gebieten. Der Stadt-Magistrat hat sogar die Macht ihren Bürgern vorzuschreiben, wie sie bauen sollen.“806

Weder die Bürgerschaft noch die Klägerin hätten daher ein Recht, seinen Bau zu verhindern: „Es ist bekanten Rechtens, daß ich in to meo bauen kann, wenn und wo ich will.“807 Ad absurdum geführt sah Paulsen die Klage auch durch 799 800 801 802 803 804 805 806

807

Schreiben an das Hofgericht, 26. April 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 34r –42r , hier Bl. 38v . Schreiben an das Hofgericht, 17. April 1775, ebd., Bl. 14v . Schreiben an das Hofgericht, 26. April 1775, ebd., Bl. 39v . Schreiben an das Hofgericht, 17. April 1775, ebd., Bl. 15v . Ebd. Schreiben an das Hofgericht, 20. April 1775, ebd., Bl. 18r –21r , hier Bl. 18r–v . Ebd., Bl. 18v . Ebd., Bl. 19v . Paulsens Anwalt zielte insgesamt auch auf eine allgemeine Ästhetik des Neubaus (Bl. 6r–v ), wogegen die gegnerische Seite eine andere Perspektive geltend machte. Durch das vorbeilaufende Wasser sei die ohnehin enge Straße an sich keineswegs eine Zierde. Ebd., Bl. 20r . Der pauschale Rechtshinweis wurde bezeichnenderweise nicht aus konkreten Rechtsgrundlagen abgeleitet.

250

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

die fehlende Verletzung von Grund und Boden der Klägerin, die sie selbst in ihrer Darstellung nicht argumentativ eingebracht habe: „Da nun die Frau Hofräthin Wedelin selbst nicht behauptet, daß ich auf ihren Grund und Boden baue: so ist ihre Contradiction um so unstathafter.“808 Zugleich bestritt er jedoch auch die Verletzung der Luft, die Verdunklung der Fenster und die Behinderung der Aussicht. Aus einem Bericht des Hofgerichts an die Landesregierung gehen die Entscheidungsgründe für den Abweis Anna Maria Wedels Klage hervor. Danach ließe sich „im Grunde der Wahrheit weiter nichts zum Vortheil der Hofräthin Wedelin, behaupten, als daß ihr die Aussicht, nach der Seite hinauf durch das Paulßische Gebäude etwas eingeschränket werden könne.“809 Weitergehende Rechtsansprüche wie das Aussichts- oder Lichtrecht wurden ihr dabei abgesprochen, da die ihrem Haus „zustehende [. . . ] Dienstbarkeit die Ansehung des Paulßischen Haußes vor sich nicht anführen können, und auf die vorgegebene Possess, einer freyen Aussicht hierbey gar nicht ankommt.“810 Auch die rechtlichen Ansprüche und Partizipationsforderungen der Bürgerschaft an innerstädtischen Entscheidungen wurden als nicht rechtmäßig zurückgewiesen. Das Hofgericht argumentierte dabei mit der ausschließlich obrigkeitlichen Entscheidungskompetenz des Stadtrates in Policeyfragen, dem auch Baustreitigkeiten zugeordnet wurden. Diese stünden „ieder Obrigkeit, der Ordnung nach“ zu und wären „ohne Concurrenz der untergebenen Bürger, und Unterthanen allein zu besorgen.“811 Bezog das Hofgericht damit gegen die Ansprüche der Bürgerschaft Position, nutzte der Hofadvokat Friedrich Gottlieb Otto als Anwalt der Bürgerschaft die Vergleichsverhandlungen, sich dezidiert gegenüber Kompetenzübergriffen und Verobrigkeitlichungstendenzen des Stadtrates abzugrenzen. So wies er am Ende der Vergleichsschrift darauf hin, „daß die Herren Bürgermeister, sich das Recht über die Commun Plätze, in der innern Stadt, allein anmasen wollten, er dergleichen Anmasungen, als Bürgerschaftes Consulent, nomine Praefecti und der Viertelsmeister, wiedersprechen“ wolle.812 Die Bürgerschaft nutzte diesen Rechtsstreit zwar als Podium, Partizipationsforderungen zu formulieren – blieb allerdings erfolglos. Am Ende des Verfahrens stand somit die Zementierung des innerstädtischen Konkurrenzverhältnisses zwischen lokaler Obrigkeit und Bürgerschaft.813 Insgesamt gesehen wurden vor dem Hofgericht mit dem Rekurs auf traditionelle Werte der städtischen Gemeinschaft wie dem Gemeinen Nutzen bzw. 808 809 810 811 812 813

Ebd. Bericht des Hofgerichts an die Landesregierung, 26. April 1775, ebd., Bl. 30r –33v , hier Bl. 32r–v . Ebd., Bl. 32v . Ebd., Bl. 33r . Vergleich, 28. April 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010b, Bl. 17v . Siehe dazu D, Stapelstadt, S. 121 ff.; B, Beziehungen.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

251

dem Gemeinwohl versucht, die jeweiligen Partikularinteressen zu legitimieren. Versprach sich Anna Maria Wedel durch die Einschaltung städtischer Funktionsträger in ihr Verfahren eine in ihrem Sinne vorteilhafte Assistenz bei der gerichtlichen Konfliktregulierung, blieb ihr prozessstrategischer Blick auf die „ganze Commun“ allerdings nicht so erfolgreich, wie sie es sich bei der Initiierung des Verfahrens offenbar vorgestellt hatte. In diesem Fall wurde die Baufreiheit des Eigentümers gegenüber den nachbarrechtlichen Instituten des Licht-, Aussichts- und Immissionsrechts qualitativ stärker bewertet. Die etwaige Frage konkurrierender Eigentumsrechte durch das Bauen auf kommunalem Grundeigentum hatte bereits die städtische Obrigkeit zugunsten des Bauherrn beschieden. Das Hofgericht bestätigte nach der Ortsbegehung somit das Recht Johann Jacob Heinrich Paulsens gegen die Ansprüche der Klägerin, die letztlich auch einen Vergleich akzeptierte. Hierbei konnte Anna Maria Wedel immerhin wesentliche Punkte zu ihren Gunsten aushandeln. Damit vermittelte das Hofgericht erfolgreich zwischen den konkurrierenden Eigentumsrechten und divergierenden Interessen der Parteien. Zwar hatte Johann Jacob Heinrich Paulsen zu Beginn mit dem Bezug auf die persönliche Motivation der Klägerin zum gerichtlichen Austrag der nachbarschaftlichen Auseinandersetzung eine emotionale Argumentationsebene in den Rechtsstreit eingezogen. Diese reaktivierte er jedoch im Laufe der Auseinandersetzung nicht mehr. Vielmehr rückte mit dem Wunsch nach „Güte“814 bei entsprechender „friedliche[r] Gesinnung“815 der Topos nachbarlicher Einigkeit in das Zentrum der Verhandlungen. Vor allem Johann Jacob Heinrich Paulsen betonte, dass er „niemals die Absicht gehabt“, sich „in eine[n] Streit mit ihr einzulassen.“816 Scheinbar unberechtigte Zugriffe auf nachbarliches Eigentum wurden insgesamt als Eingriff in die Eigentumsfreiheit verstanden, aus der die Bau- und Nutzungsfreiheit abgeleitet wurden. Zwar wurde die postulierte Freiheit des Eigentums zusätzlich durch Argumente mit konkreten Rechtsgrundlagen unterstützt, doch zog das abstrakte Rechtsprinzip die Verhandlung weiterer starker Kategorien wie das Gemeinwohl nach sich. Die prozessualen Strategien suggerierten dabei individuelle Eigentumsrechte als dann besser legitimiert, wenn sie mit dem Gemeinwohl konvergent oder dem öffentlichen Interesse förderlich dargestellt werden konnten. Gemeinwohlargumente waren zwar prädestiniert für gleichsam politisierte, öffentlich-rechtlich dimensionierte Eigentumskonflikte, sie konnten davon unbesehen aber auch in rein ,privatrechtlichen‘ Auseinandersetzungen funktionalisiert werden. Wie die folgenden Fallanalysen zeigen, war die damit tangierte Gemeinwohlbin-

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Schreiben an das Hofgericht, 26. April 1775, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1010a, Bl. 34v . Ebd., Bl. 35r . Schreiben an das Hofgericht, 27. April 1775, ebd., Bl. 43r –45v , hier Bl. 43r–v .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

dung des Eigentums jedoch keine durchgängige Konstante in den besitz- und eigentumsrechtlichen Streitigkeiten. Emotionalisierte Eigentumskonkurrenzen und Eigentumsbewusstsein

Gerichtliche Auseinandersetzungen um an städtisches Haus- oder Grundeigentum geknüpfte Rechte blieben so lange verhältnismäßig sachorientiert, wie keine grundlegend eskalierten persönlichen Konfliktlagen hinzukamen. Eine eigenständige Perspektive auf diese emotionalisierten Eigentumskonkurrenzen verspricht Einsichten über argumentierte Eigentumsbindungen, die auch prozessierende Frauen in ein spezifisches Eigentumsbewusstsein einbanden. Dieser Konflikttypus umfasst dabei zum einen die Emotionen, die vor Gericht zumeist als argumenta ad personam artikuliert wurden und als Affekte zum typischen rhetorischen Pathos zählten.817 Von diesen topischen Affektrhetoriken können die Eigentumskonkurrenzen differenziert werden, die auch außerhalb der anwaltlichen Gerichtskommunikation verbal emotional und zum Teil physisch gewaltsam ausgetragen wurden. Ein weiterer Indikator für die Emotionalisierung ist die in der Regel extensiv genutzte Justiz, die parallel zum nachbarschaftlichen Konfliktaustrag verlief. Gerichtliche Berichte nahmen darauf gelegentlich auch explizit Bezug. Mit Blick auf Eigentum ist dabei auffallend, dass in emotionalisierten Streitigkeiten konkurrierende Eigentums- und Besitzrechte strategisch viel eher als Auseinandersetzungen um Eigentum an sich ausgefochten wurden – obgleich das Hofgericht darüber im Rahmen der in der Regel summarisch geführten Prozesse nicht zu befinden hatte. Paradigmatisch dafür ist die Auseinandersetzung zwischen der in Jena ansässigen Witwe Susanna Sabina Meix und Anne Christine Trübner, in der es um eine gemeinschaftliche Mauer, einer der typischen nachbarrechtlichen Konflikte, ging.818 Letztere ließ an ihrem Haus ein Gewölbe errichten und dazu einen Balken einziehen, der zur Abstützung auch die nachbarliche Mauer beanspruchte. Gegen diese Baumaßnahme protestierte Susanna Sabina Meix bereits vor dem Jenaer Stadtrat, dort wurde ihre Klage jedoch aufgrund einer Ortsbegehung abschlägig beschieden.819 Daher wandte sie sich am 11. März 1753 an das Hofgericht.820 Sie erreichte eine Inhibition, die der Beklagten den Weiterbau bei zehn Reichstalern Strafe untersagte.821 Die nach mehreren Besichtigungsterminen vor 817

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Vgl. zu den Ansätzen und Methoden der Emotionsgeschichte stellvertretend: Bettina H, Emotionsgeschichte – ein Anfang mit Folgen, in: H-Soz-u-Kult, 23. November 2011, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2011-11-001 [13.04.2012]. „Susanna Sabina Meixin, zu Jena, Impetrant Contra Annen Christinen Trübnerin, alhier, Impetrat Anno Christi 1753“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1333. Vgl. C, Transformierte Eigentumskonflikte, S. 442–445. Vgl. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1333, Bl. 24r . Klage, 11. Mai 1753, ebd., Bl. 2r–v . Inhibition, 12. Mai 1753, ebd., Bl. 3r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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dem Hofgericht vollzogenen Vergleichsverhandlungen scheiterten jedoch, da beide Seiten auf ihrem Eigentums- bzw. Nutzungsrecht an der Mauer bestanden.822 Zudem ignorierte die Beklagte das an sie ergangene Bauverbot.823 Trotz intensiver Bemühungen ließ sich der Konflikt auch durch das Hofgericht nicht kanalisieren.824 Daraufhin vermittelte die Landesregierung zwischen den Parteien. Wie bereits das Hofgericht vorgeschlagen hatte, sollte die Mauer gemeinschaftlich genutzt werden. Zugleich erhielt die Beklagte Auflagen für die Nutzung des Gewölbes, die bei Verstößen auf nachbarlichen Antrag gerichtliche Visitationen zur Folge haben konnte.825 Die klägerische Argumentation fokussierte sich vor dem Hofgericht ganz auf den Schutz des behaupteten Eigentums. Dabei verliefen Susanna Sabina Meix‘ Justiznutzungsstrategien praktisch wie rhetorisch überaus vehement – zumal ihr bereits von dem Stadtgericht „kein ius“ und damit kein Eigentum an der strittigen Mauer zugesprochen wurde, das die nachbarlichen Servituten ausschließen könnte.826 In dem Klageschreiben war die Sachverhaltsdarstellung zunächst in einem vergleichsweise sachorientierten Duktus gehalten: „Meine Nachbarin, die Trübnerin, untergriff meine zwischen mir und ihr befind[liche] Mauer, fängt auch an, solche einzureißen, will auch sonst ein gantz neu Gebäude mir zu großen Schaden dahin setzen, zeiget nicht einmahl den Grund=Riß ihres Mauer Wercks.“827 Dass der Schaden dabei ihr Eigentum betraf und daher Rechtsbedarf bestand, explizierte die Klägerin bzw. ihr Rechtskonsulent in zahlreichen Schreiben an das Hofgericht. Über die ausgesprochen redundante Verteidigung der Mauer als „mein

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Bei der Ortsbegehung waren die Tochter und der Vormund Susanna Sabina Meix‘, Johann Michael Schumann, sowie Anna Christina Trüber mit ihrem Vormund Ehrenfried Hoffmann anwesend. Besichtigungstermin, 26. Mai 1753, ebd., Bl. 28r –32r ; Hofgerichtstermin zur Güte unter Anwesenheit der prozessierenden Frauen, 26. Juni 1753, ebd., Bl. 54r –56v . „Alle mein Bitten und Flehen gilt nichts. Des Hochlöb. Hofgerichts Inhibition wird nicht respectiret. Meine vielen Vorstellungen haben auch keinen Effect, wenn es länger währet, als ich nicht hoffen will, so wird meine Constituentin mit Steinen zu werffen, welches bey einer novi operis nunciatione rechtens ist; sie wird auch en. desperat und will zu dingen greiffen, die ich nicht nennen mag; denn die gegenseitige BauLeute reitzen sie dazu und lachen und spotten ihrer.“ Schreiben an das Hofgericht, 6. Juni 1753, ebd., Bl. 45r–v . Vgl. auch die Schreiben Beutholds vom 1. Juni 1753, Bl. 41r –43v oder vom 6. Juni 1753, Bl. 44r–v . Zumal ein Vergleichsvorschlag Friedrich Gottlob Ottos, dem Anwalt Anna Christina Trübners, laut Angabe des Protonotars Georg Christian Rehm „ohne einige Nachricht“ wieder an das Hofgericht zurückgeschickt wurde. Ebd., Bl. 48r . Danach wurde sie bei zwanzig Reichstalern Strafe dazu angehalten „nichts naßes in dieses Gewölbe zulegen, nicht weniger keine Nägel in diese Mauer nach der Meixin Hauße zu einzuschlagen.“ Urteil der Landesregierung vom 5. Dezember 1753, ebd., Bl. 149r – 150r . Schreiben an das Hofgericht, 26. Mai 1753, ebd., Bl. 24r –27v , hier Bl. 24v . Ebd., Bl. 2r .

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

eigen“828 , als „eigenthümlich zustehend“, artikulierte sich ein dezidiertes Eigentumsbewusstsein. Um ihr Recht zu beweisen, engagierte Susanna Sabine Meix allerdings auch mehrere Maurermeister, die in ihrem Sinne bescheinigten, dass „mit Bestande Rechtens und nicht anders geschloßen werden kann, als daß die [. . . ] in Streit gekommenen Quer=Mauer, die das Gewölbe verschließet, der verwittibten Frau Meixin, keineswegs aber der benachbarten Trübnerin, eigenthümlich zustehen müße.“829 Insgesamt grenzte sie sich so kategorisch von den nachbarlichen Rechtsansprüchen unter Verweis auf ihre qualitativ höherwertigen Eigentumsrechte ab. Dieser Linie entsprach auch die Ablehnung des auf Konsens und Interessenausgleich zielenden hofgerichtlichen Vergleichsvorschlags, der die Mauer als eine „commun-Mauer“ zu deklarieren bestrebt war.830 Bemerkenswerterweise wurde die terminologische Zweideutigkeit von „commun“ im Laufe des Verfahrens reflektiert. So wurde in einem Protokoll vermerkt, dass nicht von einer „commun-Mauer“ zu sprechen sei, sondern nur von einer gemeinschaftlich genutzten Mauer.831 In dieser genuin privatrechtlichen Auseinandersetzung ging es eben nicht um kommunales Eigentum, wie es der Terminus „commun“ jedoch implizieren konnte. Davon unberührt ging es der Klägerin um die kompromisslose Durchsetzung ihrer Eigentumsrechte – und dieser Fokus divergierte erheblich von der Zielvorstellung des Hofgerichts, nach der eine gemeinschaftliche Mauer „iedem Theile mehr verträglich als nachtheilig“ wäre, „da sodann bey [. . . ] Reparatur, solche auf gemeinschafftliche Kosten besorget werden müsten“.832 Auch die gegnerischen Vorschläge wurden unter entsprechenden Anwürfen zurückgewiesen. Anne Christine Trübners Anwalt signalisierte etwa die Bereitschaft, dass seine Klientin auf das ihr zustehende, auf der Hauswand liegende Recht der „servitutes tigni imittendi et oneris ferendi“, „gänzlich und völlig“ verzichten zu wollen.833 Damit reklamierte die Beklagte das Recht, einen Balken von ihrem Gebäude in die Mauer des nachbarlichen Gebäudes ziehen und darauf ruhen lassen zu können (Trammrecht) sowie das Recht, auf einem Nachbarbauwerk aufzubauen (oneris ferendi).834 Diese Rechtsbehauptung wies Meix‘ Anwalt Christian Beuthold affektgesteuert als „vermeynte(n) Servitut“835 zurück, denn die Kontrahentin verlange mit diesem Vorschlag 828 829 830 831 832 833 834

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Schreiben an das Hofgericht, 10. Juli 1753, ebd., Bl. 57r –62r , hier Bl. 60v . Bescheinigung vom 13. Juli 1753, ebd., Bl. 85r–v . Schreiben an das Hofgericht, 10. Juli 1753, ebd., Bl. 60v . Ebd., Bl. 124r–v . Ebd., Bl. 55v , 56r . Ebd., Bl. 31v ; Vergleichsvorschlag ebd., Bl. 47r –48r , hier Bl. 47v . Vgl. Carl Heinrich W, Juristisch=Literarisches Handwörterbuch, Stettin 1833, S. 155. Als Beweis für die Servituten wurde vage auf einen Vertrag der Vorbesitzer Bezug genommen. Schreiben an das Hofgericht, 19. Juli 1753, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1333, Bl. 101r –110v , hier Bl. 102v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

255

„das Eigenthum von der [. . . ] Mauer, und will gestatten, daß solche, so lange sie stehet, mein Gewölbe verschliesen, und ich biß dahin keine neue Mauer zu deßen Verwahrung und Einschliesung machen und aufführen lassen dürffe. O! das sind raisonnable Vorschläge, die denen Sodoms Aepffeln gleichen, von welchen gesagt wird, daß sie auswendig schöne und roth, inwendig aber Asche führen.“836 Diese über plastische Metaphoriken kommunizierten Abgrenzungsstrategien gegenüber der Beklagten bezogen sich jedoch nicht nur auf den rechtlichen Eigentumskonflikt an sich, sondern insgesamt auf die nachbarliche Beziehung. Die Klägerin ließ in ihren vom Jenaer Vizebürgermeister Kromeyer konzipierten Schreiben an das Hofgericht keinen Zweifel an den eskalierten nachbarlichen Differenzen. Anne Christine Trübner wurde mit pejorativen Zuschreibungen („böse[s] Gutdüncken“837 , „listige Art“838 , „hintansezzung alles respects und gehorsam“839 ) umfänglich diskreditiert, ein Schreiben vom 20. Juli 1753 kündigte „Mord und Todtschlag“ an.840 Die Diffamierungen operierten auch mit tendenziell blasphemischen Äußerungen. Aus allen Vorschlägen der Nachbarin sei „die Gottlose und wider alles Christenthum streitende Absicht der Gegnerin handgreiffl. zu erkennen“.841 Ihr Recht auf ihr Eigentum sei dagegen „unter der Banck im finstern gesteckt“.842 Dieser rhetorischen, injuriöses Vokabular inkludierenden Kontrastierungstaktik der klägerischen Prozesspartei setzte der gegnerische Anwalt Friedrich Gottlob Otto mit dem Topos der „Liebe zum Frieden“ und dem Wunsch nach „nachbarlicher Einigkeit“843 ein Pazifizierungsnarrativ entgegen. Gleichzeitig betonte Anna Christina Trübners Anwalt die Konvergenz seiner Partei mit den Vorgaben des städtischen Baurechts: „Dießeits hat man sich ja zu sehr offt wiederholten malen anerkläret, bey den Bauen überal die Bau=Regeln auf das allergenaueste zu beobachten, und man ist dießeits gar nicht so böse oder gefährlich, daß nach dem Meix[ischen] Vorgeben; Mord und Todtschlag zu besorgen sey.“844 Eine Konfliktbeilegung sah Otto allerdings trotz der angeführten Kompromissbereitschaft seiner Seite kaum realisierbar: „wenn es dieser zum Streiten geneigten Gegnerin nach gehen sollte; so wäre in dieser Sache bey ihrer Leben kein Ende zu hoffen.“845 Meix‘ Ablehnung des angebotenen Verzichts auf das Trammrecht 836 837 838 839 840 841 842 843

844 845

Ebd., Bl. 102v . Schreiben an das Hofgericht, 10. Juli 1753, ebd., Bl. 57v . Ebd., Bl. 58r . Ebd. Schreiben an das Hofgericht, 20. Juli 1753, ebd., Bl. 57r –62r , hier Bl. 57v . Ebd., Bl. 111r –119r , hier Bl. 117v . Ebd., Bl. 117v . „Aus Liebe zum Frieden, nachbarlicher Einigkeit und solche so viel möglich zu erhalten, auch die processualische Weitläuftigkeiten und damit verknüpften schwehren Kosten und Unruhe zu verhüten“. Vergleichsentwurf, ebd., Bl. 47r –48v , hier Bl. 47r . Schreiben an das Hofgericht, 13. Juli 1753, ebd., Bl. 71r –76r , hier Bl. 72v . Ebd.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

und damit auf eine Servitut an ihrer Hauswand wurde vor dem Hofgericht dann auch in diese Richtung interpretiert. Zumal sie damit auch gewisser vorgeblicher Vorteile entsage, denn ihr Haus wäre so von „beschwehrlichen oneribus befreyet und um ein ansehliches im Preiß erhöhet“ worden.846 Auch dies galt als Zeichen der prinzipiellen Kompromissverweigerung der Kontrahentin: „So hat selbige ihren Widersinn zum friedlichen Betragen.“847 Dass in diesem Fall der Topos gegnerischer Streitsucht nicht nur ein prozesstaktisches Argument war, wird in dem Bericht des Hofgerichtes an die Landesregierung vom Anfang August 1753 deutlich. Das Kollegium informierte darin über die „Verbitterung“ der Parteien in diesem Fall. Dies mache es sogar notwendig, zu den Begehungen und Verhandlungen nicht – wie üblich – den Protonotar, sondern einen hofrichterlichen Kommissar mit entsprechend höherer Autorität zu schicken.848 Das Engagement des Hofgerichts, in diesem Konflikt zwischen den beiden Frauen mediatisierend zu fungieren, war immens. Allerdings konnten auch mehrere Ortsbegehungen und gerichtliche Vergleichsversuche den hoch emotional ausgefochtenen Rechtsstreit nicht versachlichen. Inwiefern mit dem Eingriff der Weimarer Landesregierung in das Verfahren der Konflikt letztlich befriedet werden konnte, bleibt offen. Allemal spiegelt das Urteil den Versuch wider, zwischen den divergierenden Positionen zu vermitteln und einen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Ansprüchen auf Eigentums- und Nutzungsrechte zu schaffen. Der Fall demonstriert damit auch die soziale Funktion der Justiz, die sie bei Streitigkeiten um konkurrierende Eigentumsrechte gerade in nachbarschaftlichen Verhältnissen haben konnte. Dabei ging es weniger um die Frage nach dem Eigentum an sich, sondern um die praktische Ausgestaltung nachbarrechtlicher (Eigentums-)Beziehungen. Mit der Definition der Mauer als gemeinschaftliches Eigentum wurden die Ansprüche der Klägerin auf ein die nachbarlichen Servituten exkludierendes Eigentum an der Mauer abschlägig beschieden. Gleichzeitig wurden jedoch auch die Nutzungsrechte der Nachbarin eng definiert und mit Auflagen versehen. Im Ganzen genommen wurden in diesem Typus von Eigentumskonflikten über Eigentum nachbarliche, mithin soziale Beziehungen verhandelt. Vor Gericht stand damit nicht nur die Eigentumsfrage, sondern die Aushandlung nachbarlicher Machtverhältnisses zur Disposition. Das Eigentumsbewusstsein der Klägerin, mit dem sie den nachbarschaftlichen Konflikt gewissermaßen als justiziablen Eigentumskonflikt inszenierte, trug sie durch den ganzen Instanzenzug. Das so manifestierte Eigentumsbewusstsein stand dabei in Wechselbeziehung zu dem hoch emotional aufgeladenen Nachbarschaftskonflikt. Je emotionalisierter die Auseinandersetzung vor Gericht

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Schreiben an das Hofgericht, 10. Juli 1753, ebd., Bl. 65r –68r , hier Bl. 65r–v . Ebd., Bl. 65v . Bericht des Hofgerichts an Landesregierung, 3. August 1753, ebd., Bl. 140r –147r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

257

geführt wurde, desto stärker artikulierten sich auch Eigentumsbindungen mit den daraus resultierenden Rechtsansprüchen. Die jeweiligen argumentativen Referenzrahmen waren gleichsam komplementär strukturiert. Gegen die klägerische Polemik sowie den autoritativen Bezug auf religiöse Symboliken und Ordnungsvorstellungen setzte die beklagte Partei auf Irenik und die Orientierung an konkreten rechtlichen Normierungen. So individuell diese Argumentationsmuster im Einzelfall arrangiert wurden, verweisen sie doch auf die gängigen Topiken im Kontext der als Eigentumskonflikte codierten, emotionalen Nachbarschaftskonflikte. Gemeinsames Leitmotiv dieser Konflikte war ein ausgeprägtes Eigentumsbewusstsein der Akteure, das sich in den gerichtlichen Verhandlungen artikulierte. Dabei konnte selbst gewohnheitsrechtlich beanspruchter Besitz vor Gericht prozesstaktisch und suggestiv als Konflikt um Eigentum an sich geführt werden – auch wenn es nur um einen Quadratmeter Grundstücksfläche ging. So ähnlich war es im Fall der Jenaer Lieutenantswitwe Eva Maria Magdalena Schmidt, die in Verteidigung eines kleinen Grundstückes alle rechtlich möglichen Schritte ausreizte. Sie hatte die außerhalb ihrer Gartenmauer in der Nähe des Jenaer Johannistors gelegene Fläche bislang als Garten genutzt. Im Sommer 1795 wurde ihr dieser allerdings durch den herzoglich-meiningischen Rat Johann Ehrhard Wolfgang Wedel 1795 streitig gemacht. Er hatte das nachbarliche Grundstück, das auch Eva Schmidts Gartenfläche einschloss, für einen Hausbau von der Bürgerschaft abgekauft.849 Darüber gerieten die Witwe und der Rat Wedel so in Konflikt, dass sie ab Juli 1795 eine vom Jenaer Stadtrat bis zur Weimarer Landesregierung reichende intensive Justiznutzung betrieb.850 Zunächst legte sie wegen des Grundstücksverkaufs beim Jenaer Stadtrat gegen die Bürgerschaft und einige Tage später auch beim Jenaer Hofgericht gegen die angefangenen Baumaßnahmen ihres Nachbarn Klage ein.851 849

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„Die verwittbete Lieutenantin Eva Maria Magdalena Schmidt, zu Jena, Implorantin an einem, entgegen den herzog[lich] Meiningischen Rath Johann Erhard Wolfgang Wedel, daselbst, Imploraten am andern Teil, A. C. 1795“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403a–k. Geometrischer Aufriss des strittigen Grundstückes Bl. 25r . Vgl. C, Rechtliche Handlungsspielräume, S. 203–205. Zur Chronologie der rechtlichen Auseinandersetzung: Am 17. Juli 1795 klagte Eva Schmidt zunächst beim Stadtrat gegen die Jenaer Bürgerschaft; am 21. Juli gegen Wolfgang Wedel beim Hofgericht (Inhibitionsverfahren); am 4. August 1795 erfolgte die Appellation gegen die Bürgerschaft beim Hofgericht, die am 15. August 1795 vom Hofgericht abgewiesen wurde. Dies betraf auch ihre Appellation an Carl August vom 23. September 1795, die am 22. Oktober 1795 abgewiesen wurde. Die am 19. Oktober 1795 erhobene Klage gegen Wolfgang Wedel wurde mit einem Urteil am 9. Dezember 1796 beendet. Ab Juni 1797 strengte Wolfgang Wedel gegen die Bürgerschaft ein Verfahren wegen der Prozesskosten an, das am 20. November 1797 durch einen Vergleich beendet wurde. Klage vor dem Hofgericht, 21. Juli 1795, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403a, Bl. 1r –2r . Eva Schmidt machte gegen die Bürgerschaft vor dem Stadtrat zunächst ihr Näherecht geltend, nahm es jedoch zurück und strengte einen summari-

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Da der Stadtrat die bei ihm anhängige Possessoriensache gegen die Bürgerschaft nach Ansicht der Klägerin verschleppt hatte,852 appellierte diese kurz darauf auch gegen die Bürgerschaft ans Hofgericht.853 Damit initiierte Eva Schmidt eines der materialreichsten Verfahren vor dem Jena Hofgericht überhaupt. Am Ende entschied das Hofgericht mit dem Urteil vom 9. Dezember 1796 zugunsten der Klägerin, dass ihr Besitz solange zu schützen war, bis Wolfgang Wedel sein Eigentumsrecht an dem strittigen Grundstück in einem ordentlichen Prozess nachgewiesen hatte.854 Klägerisches Ziel war es, gegenüber dem Hofgericht den geforderten Schutz ihres Eigentums durchzusetzen. Auf juristischer Ebene vertrat Eva Schmidts Anwalt dazu einen gewohnheitsrechtlichen Besitzanspruch auf das strittige Grundstück. Aussagen von fünf Zeuginnen und Zeugen bestätigten dies. Seit „30 und mehrern Jahrn“ hätte die Klientin das Grundstück als Garten genutzt.855 Damit wurde ein rechtsgültiger Verkauf der Fläche durch die Bürgerschaft an Wolfgang Wedel negiert. Der Nachweis des eigenen Besitzstandes wurde terminologisch eng entlang an verschiedenen Besitz- und Eigentumsbegrifflichkeiten geführt, um die Rechtsbehauptungen über die starke Eigentumskategorie als objektive Rechtsansprüche zu markieren. Der Kontrahent würde Eva Schmidt den Teil eines „Stück Landes“ nehmen, den sie „bisher ruhig besessen“ hätte.856 Dabei verfüge sie doch über das „Eigenthums Recht“857 sowie „unbezweifelten Besitz des [. . . ] Platzes“.858 Dass sie „aus dem Besitz gesetzt“ worden sei, stelle ein „irreparabile damnum“ dar.859 Der argumentative Fokus auf das Eigentum wurde zusätzlich durch weitere Strategien flankiert. Dabei setzte Eva Schmidts Anwalt typischerweise auf die Kontrastierung des eigenen Rechts gegenüber dem

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schen Prozess an. Vgl. Bericht des Jenaer Stadtrates an das Hofgericht, 11. August 1795, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403c, Bl. 3r –4v . Dies geschah offensichtlich nicht nur aus prozesstaktischen Erwägungen, denn der Vorwurf der Prozessverschleppung an das Jenaer Stadtgericht war kein Einzelfall. Vgl. die Anmerkungen zum Jenaer Stadtgericht im Konfliktprofil, Kapitel 3.2.3. Die Bürgerschaft vertrat vor dem Gericht die Auffassung, dass sie in die Auseinandersetzung zwischen Wolfgang Wedel und der Klägerin nicht zu involvieren sei. Darüber hinaus könne die Eigentumsfrage kein Gegenstand in diesem Prozess sein, da diese erstinstanzlich vor den Jenaer Stadtrat gehöre: „So ergibt sich keinesweges aus der jenseits aufgestellten Klage, daß Frau Implorantin von der Bürgerschaft, turbiret worden, sondern es sind die angeblichen actus turbativi des H[errn] Rath Wedels [...], welcher dieselbe in ihren angeblichen besitze gestöhret habe.“ ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403c, Bl. 53r . „Da von dem Eigenthum alsdann die Rede ist, welches in petitorio verfochten werden muß, wo aber keines weges die erste Instanz übergangen werden darf.“ Ebd., Bl. 57r . Urteil vom 9. Dezember 1796, ebd., Bl. 80r . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403i, Bl. 7r . Schreiben an das Hofgericht, 31. August 1795, ebd., Nr. 1403a, Bl. 38r . Appellation an die Landesregierung, 23. September 1795, ebd., Bl. 55r –68r , hier Bl. 65r . Schreiben an das Hofgericht, 18. September 1795, ebd., Bl. 49r . Schreiben an das Hofgericht, 31. August 1795, ebd., Bl. 38r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

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Unrecht der beklagten Partei. Sowohl Wolfgang Wedels Verhalten als auch sein Bau wurden in der anwaltlichen Rhetorik dabei stets um die Attribute „widerrechtlich“860 ergänzt, gelegentlich aber auch als „nachtheilig“861 in Bezug auf ihr Gartenhaus (Licht- und Aussichtsrecht) konkretisiert. Ferner wurde die Rechts- und Eigentumsposition des Gegners abgewertet, in dem ihm eine rechtliche Notdurft für den Zugriff auf ihr Eigentum abgesprochen und persönliche Motive („blose Zudringlichkeit und Kränkung gegen mich“862 , „vexa gegen mich“863 ) zugeschrieben wurden.864 Insgesamt stellte sie den Kauf des nachbarlichen Grundstücks und damit auch die Beanspruchung ihres Gartenstückes als einen persönlichen Racheakt Wolfgang Wedels dar.865 Sie habe ihm ihr Wohn- und Gartenhaus vermietet, das er ihr später zusammen mit dem Garten abkaufen wollte. Dieses Anliegen erschien ihr nachvollziehbar, denn durch eine Zusammenlegung seines mit ihrem Grundstück wäre „das ansehnlichste größte und nutzbarste Grund Stück in dieser Art“ entstanden. Gerade deshalb, wie der Subtext nahelegt, verkaufte Eva Schmidt ihr Eigentum nicht. Die Witwe zielte damit gegenüber den nachbarlichen Arrondierungsversuchen auf Besitzstandswahrung, die – hier bezogen auf die Aushandlung sozialer Beziehungen und Hierarchien auf engem Raum – immer auch mit Blick auf den Erhalt der eigenen Sozialstellung gekoppelt war.866 Zur suggestiven Fallkonstruktion gehörte auch der verstärkte Rekurs auf Argumentationsmuster, die die Bedürftigkeit der Klägerin aufgrund ihres Alters, einer Krankheit und überhaupt ihres besonderen Rechtsstatus („Wahrung meiner Gerechtsame als eine bedrängte Wittbe“867 ) in den Vordergrund stellten. Damit ließ sich die behauptete gegnerische „Chicane“ umso stärker von den eigenen Rechtsbehauptungen als ungerecht und unbillig abgrenzen. Schikane war dabei ein erst im Laufe des 18. Jahrhunderts im Sprachgebrauch verankerter, topisch genutzter Terminus zur Diskreditierung der Gegenseite vor Gericht.868 Als eine konkrete Rechtsfigur entsprach er der exceptio doli (Arglisteinrede), einem Sonderfall des Rechtsmissbrauchs, die hier aufgrund

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867 868

Schreiben an das Hofgericht, 31. Juli 1795, ebd., Bl. 9r . Schreiben an das Hofgericht, 4. August 1795, ebd., Bl. 26r f. Schreiben an das Hofgericht, 31. August 1795, ebd., Bl. 38r . Appellation an die Landesregierung, 23. September 1795, ebd., Bl. 55r –68r , hier Bl. 65r . Schreiben an das Hofgericht, 31. August 1795, ebd., Bl. 38r . So in der Appellation an die Landesregierung, 23. September 1795, ebd., Bl. 55r –68r . Vgl. dazu weiterführend Patrick S/Horst C (Hrsg.), Stadtgemeinde und Ständegesellschaft. Formen der Integration und Distinktion in der frühneuzeitlichen Stadt, Berlin/Hamburg/Münster 2007. Appellation an die Landesregierung, 23. September 1795, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403a, Bl. 55r –68r , hier Bl. 55r . Nach Grimm wurde der Terminus Schikane „erst in neuerer zeit aufgenommen“, der begrifflich „verdrehungen, spitzfindige[n] nachstellungen, kleinliche[n] bedrängungen, schädigungen im rechtsverkehr“ umfasst. Art. Schikane, G/G, Wörterbuch, Bd. 15, Sp. 108.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

ihrer lediglich topischen Funktion nicht von der Rechtsprechung aufgenommen wurde. Bemerkenswert ist schließlich auch die klägerische Rechtsauffassung, die sich in einem Appell an das Hofgericht manifestierte. Dabei wurde aus dem hohen materiellen Einsatz für den rechtlichen Konfliktaustrag eine – im Sinne der Klägerin – adäquate Rechtsprechungsleistung eingefordert. Das Hofgericht solle den Eigentumsschutz ihr gegenüber forcieren, „um endlich einmal vor mein vieles Geld gegen diesen zudringlichen Turbanten gesichert zu seyn.“869 Wolfgang Wedels Anwalt wies im Gegenzug die „vorgeblichen“ Ansprüche pro forma auch als „Chikane“870 zurück. Allerdings standen für ihn, bevor es um die Frage des Besitzstandes ging, praktische Erwägungen im Vordergrund. Die Klage seiner Nachbarin verursache Schäden für Hausbau und Baumaterialien. Außerdem sei der Abzug der Handwerker bei einem Baustopp nachteilig, da diese nur schwer wieder zu engagieren seien.871 Gegen die gewohnheitsrechtliche Argumentation der Klägerin wies der Beklagte sein käuflich erworbenes Eigentum mit einem Kaufkontrakt der Bürgerschaft sowie mit Zeugenaussagen nach. Sie bescheinigten Wedel, dass das betreffende Grundstück zum ,Commungut‘ der Bürgerschaft gehörte.872 Auch die Bürgerschaft stützte Wolfgang Wedel als „Eigenthümer“ des bisherigen „Commun Flecks“.873 Insgesamt vertrat die beklagte Seite damit den Standpunkt, dass Eva Schmidt ihre Ansprüche lediglich gegenüber der Bürgerschaft geltend machen könne und ließ daher auch die Vergleichsverhandlungen vor dem Hofgericht zwischen ihm, der Klägerin und der Jenaer Bürgerschaft platzen.874 In Replik auf die explizit benannten Eigentumsansprüche des Beklagten differenzierte jetzt die Klägerseite ganz genau zwischen Eigentum und Besitz. Damit sollte die von der Klägerin eingebrachte, nun jedoch problematisch werdende Eigentumsfrage interessegeleitet aus den Verhandlungen exkludiert werden: „Was Herr Implorat von einem Wedelischen Eigenthum hat erfinden wollen, so wie von einem Commun Fleck, ist lächerlich, und unter aller

869 870 871 872 873 874

Schreiben an das Hofgericht, 26. Juli 1795, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403c, Bl. 15r –16r . Schreiben an das Hofgericht, 12. September, ebd., Nr. 1403a, Bl. 44r –v f. Schreiben an das Hofgericht, 24. Juli 1795, ebd., Bl. 4r f. Ebd., Nr. 1403b. Schreiben an das Hofgericht, 4. Oktober 1796, ebd., Nr. 1403c, Bl. 30r–v . Gütliche Einigung, 3. Oktober 1796, ebd., Bl. 20r –22v . Er „hat das Fleck von der Bürgerschaft erkauft, diese muß ihm daher gegen der Klägerin Ansprüche vertreten und eviction leisten.“„So achtet sich auch Beklagter nicht verbunden, sich weiter mit der Frau Klägerin einzulassen, vielmehr ist dieselbe Beklagten alle durch ihre Zudringlichkeit verursachte Kosten wider zu erstatten verbunden.“ ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403d, Bl. 3r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

261

Beantwortung, weil hier in possessorio davon zu sprechen nicht Zeit ist.“875 Prozesstaktisch orientierte sich Eva Schmidts Anwalt damit nicht mehr auf die eigenen implizit mitlaufenden Eigentumsbehauptungen, sondern auf das Prozessziel, den Schutz ihrer Nutzungsrechte an dem strittigen Grundstück: „Vom Eigenthum ist dermalen die Rede gar nicht, sondern von dem Besitz, worinne Implorantin turbiret worden ist.“876 Das Urteil des Hofgerichts orientierte sich im Rahmen der Prozessart (possessorium summarissimum) dann auch an dem gewohnheitsrechtlichen Besitz der Klägerin. Damit konnte Eva Schmidt bis auf weiteres erfolgreich ihre Besitzrechte durchsetzen und den Garten weiter nutzen. Ausschlaggebend dafür waren auch die Zeugenaussagen von Frauen, so dass von einer geschlechtsspezifischen Einschränkung ihrer Beweiskraft in der Hofgerichtsjudikatur nicht die Rede sein kann. Zwar stand die Eigentumsfrage nicht zur rechtlichen Entscheidung, doch wurde der Konflikt durch die strategische Vermischung von Besitz- und Eigentumssemantiken auf diese Ebene gehoben. Dabei arrangierte die klägerische Seite die Auseinandersetzung mehr oder weniger subtextuell als Debatte über das Eigentum an sich. Erst im Laufe der Auseinandersetzung verzichtete der Anwalt auf diese Strategie zugunsten einer definitorischen Eindeutigkeit, um die gegnerischen Eigentumsbehauptungen auszuhebeln. Durch ihre Justiznutzungsstrategien grenzte sich Eva Schmidt nach außen sichtbar von den Arrondierungsversuchen des Kontrahenten ab. Über den Rechtsweg versuchte sie dabei auch, die sich zum Vorteil ihres Nachbarn verschiebenden Eigentumsverhältnisse zu ihren Gunsten zu korrigieren. Insgesamt wurde der nachbarliche Eigentumserwerb mit dem daraus resultierenden Anspruch auf ihr bislang genutztes Grundstück als Eingriff in ihre Eigentumsrechte deklariert. Rechtsbedarf auf Eigentumsschutz kontrastierte dabei mit der Behauptung einer fehlenden rechtlichen Notdurft des Kontrahenten. Im Vergleich zu ähnlichen Fällen war das Eigentumsbewusstsein, mit dem die Klägerin diese Rechtspositionen verfechten ließ, typisch. Auch ihre nachdrückliche Anspruchshaltung an die Rechtsprechung, die sich nicht zuletzt in der ungewöhnlich umfangreichen Kommunikation mit dem Hofgericht niederschlug, war kein exzeptionelles Phänomen. Lediglich die Begründungsmuster, über die sich das Eigentums- und Rechtsbewusstsein artikulierte, differierten in anderen Streitigkeiten. Es stand dabei in engem Zusammenhang mit dem subjektiven Anspruch auf rechtlichen Eigentumsschutz, der durch Reziprozitätserwägungen zusätzlich akzentuiert wurde.877 Diese bezogen sich etwa auf die explizit als hoch ausgewiesenen Abgabeleistungen für Eigentum, 875 876 877

Schreiben an das Hofgericht, 11. Oktober 1796, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1403c, Bl. 47r ff., hier Bl. 52r–v . Schreiben an das Hofgericht, 28. Oktober 1796, ebd., Bl. 63r ff., hier Bl. 67r . Vgl. die Argumentation Eva Schmidts, die in ihrem Kampf um das Rasenstück Rechts- und Eigentumsschutz aufgrund der hohen Prozesskosten einforderte.

262

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

aus denen das Recht abgeleitet wurde, Eigentumssicherheit und Eigentumsschutz einzufordern. So etwa im Fall von Anna Margareth Hoffmann, die 1715 gegen den Jenaer Stadtrat Klage erhob.878 Dieser hatte die Straße vor ihrem Gasthof „Zum halben Mond“ neu pflastern lassen, wobei das Regenwasser nun ihren Hof flutete. Der Anwalt der Klägerin machte gegen die „höchstbeschwerliche und schädliche Servitut so vieler Abzuchten und Aquaeductum vel cloaca communis“ ihre Rechte geltend.879 Von dieser für sie nachteiligen Änderung sei sie „nicht eine einzige zu leiden schuldig“, denn sie habe sich „biß dato in continua et quieta possessione libertatis von solchen neuerlichen Werck und oneribus“ befunden.880 Dieser Freiheit konträr wurde der Wasserlauf durch die Neupflasterung als Eingriff in ihre Eigentumsrechte interpretiert. Der Schaden für ihren Gasthof wäre „unverwindlich“, zumal sie „gleichwohl so schwere onera und Herrengefälle ertragen“ müsse.881 Auf dieses Legitimationsmuster ließ sich der Stadtrat nicht ein, sondern stellte ganz topisch der beanspruchten possessio libertatis das Recht der „zu des publici besten und Wohlstande abzielenden unternehmungen“ gegenüber. Gerade bei diesen Projekten sei es zu bedauern, „durch eines oder des anderen ungegründetes Einwenden und protestiren“ behindert zu werden.882 Im Unterschied zu diesem Fall ist für einen anderen Konflikt mit ähnlichem Argumentationsmuster ein Urteil überliefert. Dies betraf die Witwe Anna Magdalena Matthes, die am 6. November 1725 gegen den Jenaer Stadtrichter Kromeyer an das Hofgericht appellierte.883 Kromeyer hatte dem in ihrem Haus arbeitenden Buchbinder das Bücherschlagen untersagt, „anfänglich eigenmächtig“ und als sie sich „wiedersetzet, hernach mit autorität des Stadrates“.884 Das Argument des Stadtrichters, dass wegen der Lärmbelästigung „die in seinem Hauße wohnenden H[erren] Studiosi im studiren gehindert“ werden würden, setzte der klägerische Anwalt eine gewohnheitsrechtliche Legitimation entgegen. Der Vorbesitzer des Kromeyerischen Hauses, der Rentmeister Hochhausen, ha878

879 880 881 882 883

884

„In Sachen Annen Margarethen Hoffmannin und Johann Caspar Hoffmanns Imploranten, contra den hiesigen Stadtrath, Imploraten in puncto angemaßter nachtheil[iger] Pflasterung vorm Löberthor und beym halben Mond. Anno Christi 1715“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 667. Das Problem wurde eindrücklich illustriert: „Meine Thorfarth und Hoff durch diese nachtheilige novum opus von Näße und Unflat, bey Frost, Thau= und regenwetter, dergestalt würde angefüllet und schändlich zugerichtet werden, daß Niemand trockenen Fußes hindurch gehen, noch die Thorflügel vor dem gestemmeten Eiße oder zusammen geschwemmeten Kote füglich auf= und zu= zu machen seyn möchten.“ Klage, 3. August 1715, ebd., Bl. 2r –3r , hier Bl. 2v , 3r . Ebd., Bl. 2v . Ebd. Ebd., Bl. 2v , 3r . Schreiben an das Hofgericht, 7. August 1715, ebd., Bl. 5r –8r . „Anna Magdalena Matthes zu Jena, Appellanten wieder den Dr. Kromeyer das. Appellaten, das den in der Erstern Hause wohnendern Buchbinder, des Bücherschlagesn halber zugegangene Verbot betr.“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 803. Appellation, 6. November 1725, ebd., Bl. 3r –4r , hier Bl. 3r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

263

be sich nie beschwert. Stärker wog jedoch das Argument, dass das Untersagen des Bücherschlagens mit dem Verbot der Berufsausübung gleichkomme, das „wider die klaren Rechte und selbstredene Billigkeit“ sei.885 Anna Magdalena Matthes hatte Erfolg. Das Hofgericht erließ einen Tag später einen Bescheid an den Stadtrat, der das Verbot aufzuheben hatte. Die Appellantin sei „bey ihrer notorischen Possess wieder dergleichen Turbation schützen“.886 In diesem Kontext besonders festzuhalten ist jedoch die anwaltliche Argumentation mit den Steuerleistungen, die die Hauseigentümerin erbrachte. Mit dem Rekurs auf die Abgaben wurden nicht nur das Eigentum und damit das Klagerecht bewiesen, sondern Erwartungshaltungen an Sicherung und Schutz der an das Eigentum gebundenen Rechte formuliert. In zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen manifestierte sich das Rechts- und Eigentumsbewusstsein der prozessierenden Frauen zum einen konkret in den Eigentums- und Rechtsschutzansprüchen durch die Teilhabe an den Lasten (Steuern, Abgaben, Prozesskosten) oder zum anderen abstrakt in den Verweisen auf ihren Status als Eigentümerin. Diese Argumentationsfigur war semantisch insofern aufgeladen, als damit nicht nur eine Zuordnung beschrieben, sondern auf eine starke Rechtsposition abgezielt wurde. Intention war es, eine deutliche Hierarchisierung in die Aushandlung miteinander konkurrierender Eigentums- und Besitzrechte einzuziehen, um vor diesem Hintergrund die eigenen Rechtsansprüche als die besseren (Eigentums-)Rechte zu postulieren. Geschlechtsspezifische Argumentationen in Eigentumskonkurrenzen

Dies galt prinzipiell auch für den folgenden Fall, in dem die Klägerin unter dieser Prämisse Handlungsspielräume vor Gericht wahrnahm. Der Blick wird dabei zusätzlich auf die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen gerichtet, die im Laufe des emotionalisierten Konfliktaustrags im Unterschied zu den bislang präsentierten Rechtsstreitigkeiten durchaus eine gewisse Rolle spielten. Ursula Rugeröhn klagte am 21. März 1720 gegen Martin Christian Ziegenmeyer in seiner Funktion als Vormund für den unmündigen Kuranden von Windheim.887 Dieser hatte nicht nur Besitzansprüche auf ihre in der Umgebung Jenas befindlichen Liegenschaften (ein Krautland, eine Holzung auf dem Jenaer Forst sowie einen Weinberg) formuliert, sondern offenbar auch Dritten zur Pacht angeboten. Die Klägerin erwirkte vom Hofgericht erfolgreich 885 886 887

Ebd., Bl. 3v . Hofgericht an den Jenaer Stadtrat, 7. November 1725, ebd., Bl. 2r–v . „Ursula Rugeröhn, zu Jena Implorantin Contra, Martin Christian Ziegenmeyern, beeder Rechten Doctoren und Vormundes des Blöden von Windheim, das. Implorat, Anno Christi 1720“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1531, Bl. 25r –26r . Die Klage zielte auf ein summarisches Besitzschutzverfahren, die Klägerin strebte insgesamt jedoch ein ordentliches Verfahren an. Dazu sind jedoch keine Dokumente überliefert; das Verfahren endete mit der Inhibition gegen den Beklagten.

264

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

eine Inhibition gegen ihn,888 erhielt im Gegenzug allerdings eine kommissarische Inhibition der Landesregierung, die ihr die weitere Nutzung des Weinbergs untersagte.889 Hintergrund war eine Vormundschaftsrechnungssache, die von einer landesherrlichen Kommission verhandelt wurde und sowohl Martin Christian Ziegenmeyer als auch Ursula Rugeröhns Ehemann als ehemaligen Kurator von Windheims betrafen. Die Klägerin bat das Hofgericht daher um die Wiederholung einer Inhibition zumindest für die anderen beiden Grundstücke, nebst Ersetzung aller verursachten Schäden und Kosten. Per Hofgerichtsbescheid wurde daraufhin die gegen Martin Christian Ziegenmeyer gerichtete Inhibition aufrechterhalten und die Klägerin vorläufig in ihrem Besitz geschützt.890 Vor dem Hofgericht machte Ursula Rugeröhns Anwalt ihre Eigentumsrechte über mehrere Strategien geltend. Zum einen war zunächst die gegen sie gerichtete landesherrliche Inhibition abzuwehren. Ihr Anwalt verdeutlichte daher, dass zwischen der vor dem Hofgericht anhängigen Rechtssache und dem Verfahren vor der Landesregierung kein Zusammenhang, sondern eine „diversitas objectorum“ bestünde.891 Die Inhibition der Landesregierung hätte für seine Klientin demnach auch keine Rechtskraft. Diese sei im Hinblick auf die Vormundschaftsrechnungen erlassen worden, woraus keine Eigentumsbeschränkungen für Ursula Rugeröhn abzuleiten seien. Vice versa sei ihr Ehemann auch nicht in ihr eigenständig zu führendes Besitzschutzverfahren zu involvieren, weil „diese Sache mich [Ursula Rugeröhn, d. Verf.] in individuo betrifft“.892 Ihre behauptete, vom Ehemann unabhängige Eigentümerposition bewies Ursula Rugeröhns Anwalt zweifach. Erstens beanspruche sie die strittigen Grundstücke als Erbin ihrer verstorbenen Mutter Elisabeth Hahnemann. Zweitens wurde mit dem aktuellen Besitz der Grundstücke argumentiert, der durch Bewirtschaftungsmaßnahmen wie Düngen, Rasenpflege sowie Einnahmen aus der Verpachtung des Krautlandes abgeleitet wurde.893 Damit, so ihr Anwalt, sei Ursula Rugeröhns „Eigenthumb“ „pro qualitate hujus possessorii momentanei“ „überflüßig coleriret“.894 888 889

890 891 892 893 894

Schreiben an das Hofgericht, 4. März 1721, ebd., Bl. 15r –19r , hier Bl. 15v . „Windheimischer Curator Ziegenmeyer dagegen geklaget, daß die Frau D. Rugeröhin heutigen morgens sich unterstanden, in dem Windheimischen Weinberg, der Heinemann genannt ungescheuet zu gehen, und ein gantz Tuch voll Weintrauben [. . . ] wegzutragen. Da doch auf fürstl[iche] Gnädigste Special=Befehl bey 50 R[eichs]th[a]l[e]r Strafe inhibition ergangen, sich ermelden Weinbergs zu enthalten.“ Schreiben der landesherrlichen Kommission an das Hofgericht, 14. Oktober 1720, ebd., Bl. 2r–v . Der Kommission gehörten Christian Wildvogel und Christian Friedrich Schröter an. Vgl. auch die weiteren Schreiben an das Hofgericht vom 11. Oktober 1720 und 9. September 1720, ebd., Bl. 4r –7r . Bescheid des Hofgerichts, 29. April 1720, ebd., Bl. 37r . Ebd., Bl. 43r . Schreiben an das Hofgericht, 20. April 1720, ebd., Bl. 33r –34r , hier Bl. 33v . Ebd. Ebd., Bl. 43v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

265

Im Unterschied zu anderen Fällen dominierte der so abgesteckte Referenzrahmen ,Eigentum‘ nicht die ganze Auseinandersetzung. Die typische anwaltliche Polarisierungsstrategie (Recht/Unrecht) setzte zwar bei der Argumentationsfigur Eigentum an, transformierte den Eigentumsstreit jedoch in einen persönlichen Konflikt. Dabei wurde schließlich auch die Kategorie Geschlecht in die Auseinandersetzung hinein genommen. Insgesamt kommunizierte die klägerische Seite dabei die unterstellte Unrechtmäßigkeit des gegnerischen Zugriffs auf ihr Eigentum in überaus polemischer, dramatisierender Rhetorik. Hatte ihr Kontrahent praktisch die Unterminierung ihrer Eigentümerposition initiiert, wurde in Äquivalenz dazu mit dem Angriff auf dessen Sozialkapital ein verbaler Ausgleich geschaffen. Martin Christian Ziegenmeyers Agieren („mich in meiner bißherigen geruhigen Poßeß gewalthätig zu turbiren“) zeuge von „unumbschränckten frevel und Kühnheit“.895 Er sei ein „zancksüchtiger turbatori“ dem „mit solchen rechtmäßigen Verfahren gar nicht gedienet“ sei.896 Dass die Klägerin bei weiteren gegnerischen Verstößen gegen die Inhibition nicht bei rechtsförmigen Besitzschutzmaßnahmen bleiben würde, präzisierte ihr Konsulent im Anschluss. Wenn Ziegenmeyer „durch keine obrigkeitl[ichen] Befehle gebändiget werden sollte“, sei „leicht zu besorgen, daß ein großes Unglück daraus entstehen möchte, maßen ich mich solchergestalt bey meiner possess auf alle möglichsten arth und weise zu schützen suchen müste.“897 Sollte damit der Handlungsdruck auf das Hofgericht intensiviert werden, wurde zudem auch Martin Christian Ziegenmeyers Justiznutzungsstrategie („seine böse Sache“ durchzusetzen) diskreditiert, um die von ihm betriebene Einschaltung der landesherrlichen Jurisdiktion als zielgerichtete und Unrecht stiftende Instrumentalisierung zu entlarven. Dabei wurde vor allem dem zuständigen Kommissar Christian Wildvogel Parteilichkeit (gegen „mich und mein gantzes Hauß sehr übelgesinnt“) zugunsten Martin Christian Ziegenmeyers unterstellt. In Kontrast dazu stand eine Hofgerichtspanegyrik, dessen unparteiischer Judikatur sich prozesstaktisch als „ein solch Billigkeit liebendes und gleich durchgehendes hohes Judicium“ vergewissert wurde. In Replik auf die klägerischen Einlassungen meinte Martin Christian Ziegenmeyers Anwalt auf der justiziablen Ebene ein Eigentumsrecht aufgrund von Inventaren seines Kuranden belegen zu können, die die strittigen Grundstücke aufführten. Von Windheim habe diese 1693 nach dem Tod Ursula Rugeröhns Mutter gekauft. Eine Vorlage des Kaufbriefs, wie seine Kontrahentin verlangte, war für ihn ausgeschlossen, da damit die abgelehnte Anerkennung der Hofgerichtsjurisdiktion verbunden war.898 Ferner reagier895 896 897 898

Schreiben an das Hofgericht, 20. April 1720, ebd., Bl. 15r –19r , hier Bl. 18v , 16v . Schreiben an das Hofgericht, 22. Juni 1720, ebd., Bl. 40r –45v , Bl. 41r . Die folgenden Zitate ebd. Ebd., Bl. 45r . Weitere Argumente betrafen die regelmäßige Steuerzahlung und ein Kaufbrief für die

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

te der Beklagte auf die klägerischen Darstellungen mit einer Gegenattacke, in dem er nicht nur die Eigentumsansprüche („ungerechte Rügeröhnische Occupation“899 , „eingebildete Turbation“900 ), sondern insgesamt die persönliche Integrität der Klägerin („kecke und unruhige“, die „mit affectirter ignoranz schwanger“901 gehe) angriff.902 Die generelle Dubiosität ihrer Rechtsansprüche wurde zusätzlich dadurch akzentuiert, dass ihre Argumente als „affectirtes Gewäsche“ abgewertet wurden.903 Dabei nutzte der Beklagte suggestiv das weibliche Negativstereotyp des „Weibergeschwätzes“.904 Auch die Rechtsfigur des temerarius litigator wurde hier im Unterschied zum noch folgenden Fall Niethammer/Becker als geschlechtsspezifischer Topos semantisch aufgeladen. Damit deutet der Fall eine Stoßrichtung an, der in den bisher analysierten Fällen nicht zum Tragen kam. In dieser Auseinandersetzung fiel die konfliktträchtige nachbarschaftliche Komponente weg, die Prozessdynamik entwickelte sich daher eher aus der Gemengelage zweier unterschiedlicher, parallel laufender Rechtssachen und der Absolutheit gegenseitiger Eigentumsansprüche. Der als strategisch unterstellten Justiznutzung des Kontrahenten, der seinen Rechtsstreit gegen den Ehemann auch auf die Ehefrau ausweitete, wurde pointiert die Eigentümerposition der Klägerin entgegengehalten. Sie als „individuo“ sah sich diesem Eigentum allein, ohne ihren Ehemann, in der rechtlichen Verantwortung. Auch in diesem Fall gilt die dynamische Wechselbeziehung von emotionalisiertem Konfliktaustrag auf der einen und postulierter Eigentumsbindung auf der anderen Seite. Im Unterschied zu den bislang untersuchten Auseinandersetzungen zielten die Argumentationen dabei vornehmlich abstrakt auf den Rechtsstatus und die Rangstellung ,Eigentümer‘. Konkrete Rückbindungen, etwa durch umfassende beweisrechtliche Argumentationslinien, blieben marginal. Mit der Verschiebung von einer Beweis- zur tendenziell injuriösen Sprachrhetorik korrespondierte der in den Hintergrund tretende Sachkonflikt.905 So absolut beide Seiten auf

899 900 901

902 903

904

905

drei Grundstücke, der der landesherrlichen Kommission vorgelegt worden sei. Schreiben an das Hofgericht, 10. März 1721, ebd., Bl. 20r –22v , hier Bl. 21v . Ebd., Bl. 21r . Schreiben an das Hofgericht, 1. August 1720, ebd., Bl. 49r –50r , hier Bl. 50r . Art. Schwanger, in: G/G, Wörterbuch, Bd. 15, Sp. 2237. Obgleich der Terminus im Sinne von „voll, erfüllt von etwas“ verwandt wurde, implizierte er kontextbezogen hier auch eine geschlechtsspezifische Stoßrichtung. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1531, Bl. 21r . Das „affectirte Gewäsche“ sei „keiner Antwort würdig“. Schreiben an das Hofgericht, 1. August 1720, ebd., Bl. 49r –50r , hier Bl. 49r . Art. Gewäsche, in: G/G, Wörterbuch, Bd. 6, Sp. 5360 f. Barbara K-R, Weibergeschwätz? Zur Geschlechtsspezifik des Geredes in der Frühen Neuzeit, in: Doerte B/Martina W-E (Hrsg.), Weibliche Rede – Rhetorik der Weiblichkeit. Studien zum Verhältnis von Rhetorik und Geschlechterdifferenz, Freiburg 2003, S. 301–319. Dazu ähnlich W, Agonale Kommunikation, S. 221.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

267

ihrer Eigentümerposition insistierten, so emotional wurden die Differenzen auf eine persönliche Ebene gehoben, um hier kurzfristig Positionsverschiebungen für sich zu entscheiden.906 Diese Form des Konfliktaustrags wurde mit Blick auf Ehrenhändel als multifunktionaler „kultureller Stil“ verortet, die alle Gruppen, Generationen und Geschlechter nutzten.907 Dieser Stil war jedoch alles andere als ein substanzieller Bestandteil der Konfliktkultur in Eigentums- und Besitzrechtsstreitigkeiten vor dem Jenaer Hofgericht. Dass beim emotionalisierten Konfliktaustrag narrative Abgrenzungen auch über geschlechterspezifische Zuschreibungen getroffen werden konnten, bleibt als eines von zahlreichen Elementen suggestiver Fallgestaltung festzuhalten. Die Kategorie Geschlecht gehörte zwar zum Topoikatalog anwaltlicher Argumentationspraxis, wurde allerdings lediglich situativ genutzt und lief keinesfalls als generelle Strukturkomponente oder Matrix in den Auseinandersetzungen mit.908 Insgesamt lässt sich daher gerade vor dem Hintergrund dieses Falles resümieren, dass die Aushandlungsprozesse vor Gericht über Dynamiken verfügten, die bei aller Subsumtion unter idealtypische Leitkategorien und Grundkonflikte immer auch durch die Diversität individueller Praktiken und Referenzgrößen (Topiken) konturiert wurden. Abgesehen von geschlechtsspezifisch markierten Diffamierungen wurden Hierarchisierungslinien in den bau- und nachbarrechtlichen Konflikten am Eigentum orientiert und nicht am Geschlecht. Die Argumentationen verschoben sich allerdings, wenn bereits außergerichtliche Vereinbarungen zwischen Nachbarn getroffen wurden. Mit dieser vertragsrechtlichen Ausgestaltung nachbarlicher Eigentumsverhältnisse lag eine Option vor, die konkurrierenden Besitz- und Nutzungsrechte individuell zu regeln. Wurden Vertragsbrüche gerichtsanhängig, ergaben sich dementsprechend für die Prozessparteien narrative Spielräume, um die individuellen und personenrechtlichen Aspekte stärker zu betonen. So wurden über die Modalitäten des Vertragsabschlusses im Unterschied zu den allgemeinen bau- und nachbarrechtlichen Normen auch geschlechtsspezifische Distinktionen mitverhandelt. Einer der umfangreichsten Hofgerichtsprozesse um Baustreitigkeiten, der sich aus einer Auseinandersetzung zwischen der Jenaer Professorengattin Rosine Johanne Eleonore Niethammer und dem herzoglich-sächsischen Postmeister Carl August Becker ergab, soll exemplarisch für diesen Konflikttypus stehen.909 Die Klägerin war zusammen mit ihren 906 907 908

909

Vgl. dazu insgesamt die Untersuchungen zu Ehrverletzungen bzw. Ehrenhändel, u. a. D, Maurermeister; F, Um die Ehre. K-R, Hummeln, S. 280. Auch Barbara Krug-Richter konzediert, dass unterschiedlich definierte Geschlechterrollen nicht zwingend Ehrenhändel strukturierten, sondern durch andere soziale Beziehungen überlagert wurden. K-R, Hummeln, S. 282. „Die Frau Doctorin und Profeßorin, Rosine Johanne Eleonore Niethammer, geb. von Eckardt, zu Jena, Klägerin am einen, entgegen den Herzog[lichen] Sächßi[schen] Postmeister Carl August Becker, daselbst, Beklagten am andern Teil. Anno Christi 1798.

268

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

beiden volljährigen Söhnen aus erster Ehe mit dem verstorbenen Kirchenrat und Theologieprofessor Johann Christoph Döderlein Erbin und somit Miteigentümerin des „Döderleinischen Erbschaftshauses“ in der Jenaer Leutragasse. Ende Juli 1798 hatte der Postmeister Becker an einer Seitenwand des Hauses einen Pferdestall errichten lassen, der jedoch die Sicht ihres Hauses behinderte. In mehreren außergerichtlichen Vergleichen verpflichtete er sich dazu, neue Fenster brechen zu lassen, die alten Fenster zuzumauern, den Stall bis zu einer bestimmten Grenze wieder abzutragen sowie die entstehenden Unkosten zu übernehmen.910 Diesen mündlichen Vereinbarungen kam er jedoch nicht nach, so dass Rosine Niethammer im September 1798 eine ordentliche Klage gegen ihren Nachbarn einreichte. Darin machte sie geltend, dass trotz des Vertrages immer noch „1. unten in einem Gange, welcher in das Auditorium führet, ein Fenster und zwey Luftlöcher verbauet worden sind, 2. in dem Gang in der belle etage, welche für jetzt der Herr Justiz Rath Hufeland bewohnet, zwey fenster ganz und drey ander über die Hälfte verdunkelt“ worden seien.911 Es kam im April 1799 zu einer gütlichen Handlung unter Vorsitz Johann August Reichardts, die an dem klägerischen Anliegen einer Kostenkompensation scheiterte.912 Mit einer Entscheidung des Hofgerichts vom 20. Juni 1799 wurde ein bis März 1801 geführtes Beweisverfahren eingeleitet, dessen Ausgang allerdings nicht dokumentiert ist.913 Zentraler Gegenstand der Auseinandersetzung war aus klägerischer Perspektive der gegnerische Vertragsbruch. Zugleich fundierte der Anwalt Carl Wilhelm Walch die Rechtsposition seiner Klägerin eigentumsrechtlich mit Bezug auf das Licht- und Aussichtsrecht. Danach dürfe niemand „den andern zum Nachtheil einen neuen bau aufführen, noch weniger seines Nachbarn Fenster verbauen“.914 Die gegnerische Taktik fokussierte sich demgegenüber darauf, die Ungültigkeit des zwischen den Prozessparteien geschlossenen mündlichen Vertrages zu konstruieren. Dazu bemühte Beckers Anwalt Gottfried Justin Wilhelm Salzmann unterschiedliche Argumentationslinien, die auf suggestivemotionaler Ebene eine persönliche Diffamierungsstrategie verfolgte und auf materialer Ebene eigentums- und vertragsrechtliche Positionen vertrat.

910 911 912 913

914

1799“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35a–f. Vgl. C, Rechtliche Handlungsspielräume, S. 198–202. Klage, 1. September 1798, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35a, Bl. 1r – 3r . Ebd., Bl. 1r . Ebd., Bl. 9r –11r . Urteil, 20. Juni 1799, ebd., Bl. 60r–v . Die Zwischenurteil, 22. März, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35b, Bl. 128r–v sowie vom 13. März 1801, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35d, Bl. 111r regelte weitere Verfahrensschritte im Beweisverfahren. Schreiben an das Hofgericht, 1. August 1798, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35f, Bl. 1r –2r , hier Bl. 1v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

269

Die Diffamierung der Prozessgegnerin betraf insgesamt die mit der Klage verbundene Fallerzählung, die als eine Fiktion („bloses Mährgen“915 ) und damit als rechtlich irrelevant kategorisiert wurde. In dem gleichen dramatisierenden Duktus wurden die Rechtsansprüche der Klägerin als „bodenlos und blose vexa“ ausgehebelt. Auf dieser Linie lag auch die Rückweisung der klägerischen Position, in dem Rosine Niethammer den Status einer „muthwilligen Streiterin“ beigemessen wurde.916 Dies konnte prinzipiell auch mit dem Topos der weiblichen Streitsucht gefüllt werden, was hier allerdings nicht der Fall war.917 In diesem Kontext ging es um eine vor Gericht zwar topisch genutzte, jedoch geschlechtsneutrale Rechtsfigur (temerarius litigator) mit potenziell rechtswirksamen Folgen. Denn nach richterlichem Ermessen hatte die der leichtfertigen Prozessführung bezichtigte Partei die volle Prozesskostentragungspflicht.918 Darauf zielte Beckers Anwalt ab, indem er sowohl die Klageabweisung als auch die Erstattung sämtlicher Prozessführungskosten beantragte. Als zentrales eigentumsrechtliches Legitimationsmuster fungierte das hier als ius dominii explizierte Eigentumsrecht: „Jeder Nachbar hat nach denen bekanntesten Rechten iure dominii das Recht, auf seinen Grund und Boden zu bauen, wie es ihm beliebt. Ich baue dermalen in meinem Hofe auf meinem eigenthümlichen Grund und Boden [. . . ] kann also nach Gefallen hier bauen.“919

Die so umrissene Eigentumsfreiheit schloss nach anwaltlicher Rechtsbehauptung ein Servitut der Nachbarin und damit auch ein Verbietungsrecht aus. Zum typischen Argumentationsbündel gehörten auch die ökonomischen Verluste für den Bauherren Becker. Einerseits müssten die Handwerker entlassen werden, „die ohnedem schwer alhier zu bekommen sind“, andererseits würden auch die Baumaterialien Schaden nehmen.920 Schließlich suggerierte der Anwalt einen besonderen Handlungsdruck, in dem er zum ius dominii noch das starke Prinzip des bonum publicum als – freilich hochkonstruierten – mentalen Anker in die Argumentation hineinnahm.921 Aus dem Stall wurde dazu ein im öffentlichen Interesse zu errichtendes Gebäude: „Da ich das Gebäude

915 916 917 918

919 920 921

Schreiben an das Hofgericht, 18. August 1798, ebd., Bl. 16r –20r , hier Bl. 18r . Ebd., Bl. 19v . Vgl. K, Maior dignitas, S. 86. Vgl. F, Consilia, S. 103 f. In der Tendenz blieben die Argumentationen allerdings ohne diesen Effekt, da aufgrund von Billigkeitserwägungen in der Rechtspraxis auch des Jenaer Hofgerichts die Kostenkompensation stand. Daher sind diese Argumentationen eher als Bestandteil suggestiver Fallkonstruktion zu verstehen, die die eigenen Spielräume für weitere Verhandlungen so weit wie möglich absteckte. Schreiben an das Hofgericht, 3. August 1798, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35f, Bl. 5r –9r , hier Bl. 6r–v . Vgl. ebd., Bl. 7r–v . Zur Konzeptualisierung des Ankereffekts für die Analyse juristischer Entscheidungsfindung F, Consilia, S. 398.

270

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

zum Postwesen unentbehrlich und höchstnöthig habe, so leidet die Vollführung desselben selbst ob bonum publicum keinen Verzug.“922 In seiner weiteren Argumentation tendierte Carl August Beckers Anwalt interessegeleitet dazu, verfahrensrechtlich relevante Fehler in Bezug auf die Eigentumsposition sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Klägerin zu konstruieren. Diese Argumentation wies insofern eine geschlechtsspezifische Dimension auf, als sie den Rechtsstatus einer Ehefrau betrafen. Dazu wurden zunächst die prinzipielle Frage der Hauseigentümerschaft und das daran geknüpfte Klagerecht thematisiert. Rosine Niethammer habe nicht erwiesen, ob sie tatsächlich Eigentümerin des Hauses und dazu autorisiert sei, die Klage auch im Namen ihrer Söhne zu führen.923 Der klägerische Anwalt wies diese Einrede allerdings mit den Eigentums- und Administrationsrechten seiner Klientin zurück. Sie sei ohne besondere Legitimation zur Klageerhebung berechtigt, da ihr das Haus nicht nur „eigenthümlich zustehe“, sondern sie auch die Administration darüber führe.924 Zusätzliche argumentative Spielräume nutzte der Anwalt prozesstaktisch mit dem Vormundschaftsrecht, das rechtsgeschäftlich gültige Handlungen für Ehefrauen nur mit einem Kurator vorsah. Die auf der irrtümlichen Annahme beruhende Einrede, Rosine Niethammer habe ohne Vormund mit Becker und damit nicht rechtsverbindlich gehandelt, schlug allerdings fehl. Bereits in der Klage und später in den Zeugenaussagen war festgehalten worden, dass die Verhandlungen in der Sache zwischen dem Ehegatten der Klägerin und dem Postmeister stattgefunden haben.925 So wurde dieser Passus später durchgestrichen und durch die Einfügung „durch den Herrn Ehegemahl“ ersetzt.926 War diese Prozesstaktik missglückt, fand Beckers Anwalt noch eine andere argumentative Lücke, indem die rechtliche Verbindlichkeit des Vertrages in Frage gestellt wurde. Da das Haus nicht ihrem Ehegatten gehöre, hätte die Klägerin mit ihrem ehelichen Vormund und den Söhnen den Vertrag abschließen müssen.927 Darüber hinaus nahm er die Eigentumsverhältnisse der Familie Becker in die Argumentation hin922 923 924 925

926

927

Schreiben an das Hofgericht, 3. August 1798, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35f, Bl. 8v . Vgl. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35a, Bl. 15r–v ff. Vgl. ebd., Bl. 20r –23v . Befragt wurden neben zwei Handwerksmeistern, die den strittigen Stall gebaut hatten, auch der Bruder der Klägerin, Friedrich Sebastian von Eckardt. Von Eckardt, der sich übrigens auch als Freund Carl August Beckers bezeichnete, bestätigte dabei als einziger einen mit Handschlag zwischen Niethammer und dem Postmeister abgeschlossenen Vertrag. Vgl. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35e. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 35a, Bl. 15v . Die für die Auseinandersetzung vor dem Hofgericht eher ungewöhnliche Prozessbeteiligung Friedrich Immanuel Niethammers als curator maritalis zusätzlich zu einem curator litis war formalrechtlich deshalb notwendig, weil er den Vertrag mit dem Beklagten ohne seine Frau abgeschlossen hatte. Dies konnte nur über die eheliche Vormundschaft legitimiert werden, die dann auch vor Gericht noch zu bestätigen war. Ebd., Bl. 26r–v ff.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

271

ein. Carl August Beckers Haus sei auch zur Hälfte Eigentum seiner Frau. So hätte ein gültiger Vertrag nur zwischen dem Beklagten mit Frau und Vormund geschlossen werden können. Gegen den klägerischen Bezug auf die ausschließliche Relevanz der Handlung des Beklagten setzte Beckers Anwalt eine weite Definition von Gütergemeinschaft und Vertragsrecht. Demjenigen stünden die Rechte zu, der das Eigentum des Grundes und des Bodens habe – also auch die Rechte über das Eigentum des darauf errichteten Gebäudes. Demnach hätte auch die Ehefrau Beckers am Vertragsabschluss beteiligt werden müssen.928 Mit Blick auf die anwaltliche Argumentation der beklagten Prozesspartei tritt die interessegeleitete Flexibilität der Rechtsinterpretation signifikant hervor. Wurden in Konkurrenz zu personenrechtlichen Regelungen anfänglich tendenziell die aus dem Hauseigentum der Klägerin abgeleitete Rechts- und Geschäftsfähigkeit hinterfragt, sollte am Ende die Exklusion der Hauseigentümerin Becker aus den Vertragsverhandlungen als prozessentscheidender Tatbestand im Sinne einer Klageabwehr fungieren. Damit ist der Fall ein typisches Beispiel für die narrativen Strategien vor Gericht, mit denen den Prozessbeteiligten ihre an Eigentum gebundenen Rechte und Pflichten je nach Nutzen prozesstaktisch ab- und zugesprochen werden konnten. Die Rechtsposition von Frauen ermöglichte dabei den Rekurs auf spezifische Argumentationsmuster, die aufgrund ihrer diffizilen Stellung in vertragsrechtlichen Zusammenhängen wirksam werden konnten. Hier ließen sich die Normenkonkurrenzen zwischen allgemeinen eigentums-, ehegüter-, personen- und vertragsrechtlichen Bestimmungen im Interesse der jeweiligen Prozesspartei funktionalisieren. Im Übrigen waren in den Konflikten um die Durchsetzung konkurrierender Eigentumsrechte Argumente mit dem privilegium miserabilium selten. Rechtsschutzansprüche wurden mit Blick auf die Eigentumssicherheit formuliert und weniger personenrechtlich mit dem Schutzbedarf einer Witwe oder Waise. Der Rechtsstatus wurde lediglich dann als Argument herangezogen, wenn ungünstige niedergerichtliche Entscheidungen durch das Hofgericht korrigiert werden sollten. So klagte o.g. Anna Magdalena Matthes gegen ein Stadtgerichtsurteil an das Hofgericht, damit dieses „wider solch wiederrechtlich Verfahren, mich arme bedrängte Wittwe in dero mächtigen Schutz“ nehme.929 Libertas naturalis in ländlichen Eigentumskonkurrenzen

Konkurrierende Eigentumsrechte im ländlichen Bereich unterschieden sich strukturell von den Argumentationsmustern im städtischen Bereich, schließlich wurden mit Blick auf die Gerechtigkeiten größtenteils auch andere Rechtsqualitäten und Konfliktkonstellationen verhandelt. Die Legitimati928 929

Ebd., Bl. 28v . ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 803, Bl. 3v .

272

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

onsmuster waren insgesamt stärker an ökonomischen Kategorien orientiert, zumal die Ressourcenknappheit hier dringlicher war als etwa bei städtischen Konflikten um Baumaßnahmen. Gleichwohl wurden die Streitigkeiten in der Regel auf eine prinzipielle Ebene gehoben, in der sich idealtypisch Argumentationen mit Freiheitssemantiken den Legitimationsmustern ,Herkommen‘ oder Privilegien gegenüber standen. Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen der Besitzschutzverfahren, die dingliche und nichtdingliche Rechte betrafen, sollen dies im Folgenden illustrieren. In dem ersten Fall ging es typischerweise um Feldnachbarn, wobei sich der eine an den Bäumen des anderen störte. Johann Andreas Fischer klagte im April 1804 in Vormundschaft für seine Stieftochter Regine Marie Hartung gegen Georg Andreas Fuchs vor dem Amt Bürgel.930 Ziel der Klage war es, den Feldnachbar zur Abholzung von zweiundzwanzig Bäumen zu verpflichten, die zu nahe an seinem Acker standen.931 Das Amt Bürgel verurteilte Georg Andreas Fuchs daraufhin dazu, die strittigen Bäume zu entfernen, die weniger als zwölf Ellen vom klägerischen Acker entfernt standen. Anstelle der Bäume sollte er Getreide oder Gemüse pflanzen.932 Georg Andreas Fuchs appellierte gegen diesen Entscheid an das Hofgericht. Um den Streitwert zu messen, wurde zunächst eine Taxation in Auftrag gegeben. Diese sollte den Nutzen abschätzen, den die Bäume bis zu ihrem Absterben geben würden.933 Der nötige Streitwert wurde letztlich nicht erreicht und das Hofgericht wies Appellation sowie Läuterung wegen Geringfügigkeit ab.934 Georg Andreas Fuchs hatte die Bäume zu entfernen.935 Johann Andreas Fischers Rechtsberatung machte für seinen Anspruch gegen Georg Andreas Fuchs erstinstanzlich eine am 12. November 1797 erlassene Verfügung erfolgreich geltend. Dieses Gesetz sah vor, dass bei Anpflanzungen in „offenen, fruchttragenden Feldern“ die Bäume nur in einer Entfernung von zwölf Ellen von einem nachbarlichen Grundstück gesetzt werden dürfen. In seiner Replik auf diese Argumentation fokussierte sich Fuchs‘ Anwalt vor dem Hofgericht zunächst auf die gewohnheitsrechtliche Fundierung des von ihm präferierten status quo. Gegen die Baumpflanzung, die vor Fischers Zeiten vorgenommen wurde, sei bis dato kein Widerspruch formuliert worden. Die Bäume seien „vor mehr als rechtsverjährter Zeit, von meinem verstorbenen Vater“ gepflanzt worden, „ohne daß die damaligen Besitzer des Grundstücks meiner Gegner, noch die ihm gefolgten, über ein 930

931 932 933 934 935

„Acta Appellationis Georg Andreas Fuchs, zu Naußitz, Appellants an einem, entgegen Johann Andreas Fischer und Reginen Marien Hartungin das. Appellaten am andern Theil. A. C. 1805“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 285. Klage, 1. März 1805, ebd., Bl. 1r . Ebd., Bl. 1v . Hofgericht an das Amt Bürgel, 12. Juni 1805, ebd., Bl. 21r . Hofgericht an das Amt Bürgel, 20. Juni 1805, ebd., Bl. 23r ; Hofgericht an das Amt Bürgel, 4. Februar 1806, ebd., Bl. 36r . Ebd.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

273

ihnen schädliches Zunahesetzen sich beschweret hätten.“936 Daraus und aus der Unmöglichkeit einer Rechtsanwendung des gegnerisch beigebrachten Gesetzes „ad praeteritum“, wurde eine rechtsbeständige iusta causa der Appellaten gänzlich zurückgewiesen.937 Eine zweite Argumentationsstrategie zugunsten der Aufrechterhaltung Georg Andreas Fuchs‘ Besitzstandes richtete sich auf landwirtschaftliche Nützlichkeitserwägungen. Danach könne der Acker wegen seiner problematischen Lage und wegen des geringen Bodengehalts nur mit Bäumen genutzt werden. Zur „Erzielung von Getreidefrüchten oder Futterkräutern“ sei sein Grundstück hingegen „ganz und gar nicht“ geeignet.938 Im Zentrum der Appellation standen freilich auch prinzipielle eigentumsrechtliche Überlegungen, die zum einen auf die prozessrechtliche Ebene und zum anderen auf die grundsätzliche Eigentumsfrage verwiesen. Um sich zunächst gegen den drohenden Abweis der Appellation wegen eines zu geringen Streitwertes abzusichern, wurde die Angelegenheit prozesstaktisch und hochkonstruiert auf die Ebene eines Rechtsstreits um Servituten gehoben. Unter Rekurs auf Samuel Stryk wurde die Ansicht vertreten, dass die Appellationssumme bei Auseinandersetzungen um Servituten unerheblich sei.939 Georg Andreas Fuchs‘ Anwalt konzedierte, dass „mithin im Wesentlichen und der Sache“, jedoch „nicht dem Namen nach, ein Servitut“ vorläge, da er sich „im rechtsverjährten Quasibesitz der Befreyung von einer solchen Einschränkung“ befände.940 Damit deutete der Anwalt die Rechtsansprüche Johann Andreas Fischers interessegeleitet zwar als subjektiv behauptbare Servitutsrechte. Gleichzeitig wurde jedoch im Sinne der o.g. gewohnheitsrechtlichen Argumentation die objektive Existenz von Servituten des Grundstücksnachbars negiert. Zur zentralen Argumentationsfigur avancierte jedoch die naturrechtlich begründete Eigentumsfreiheit. Die Ansprüche des Appellaten Fischer wurden als Eingriff in seine „natürlichen Eigenthumsrechte“ interpretiert: „Wenn aber meine Gegner auf die Wegschaffung derjenigen meiner Bäume, welche angeblich nicht weit genug von ihren Grundstück entfernt stehen, dringen, so maßen sie sich offenbar die Befugniß an, meine natürlichen Eigenthumsrechte in Ansehung meines Grundstückes [. . . ] einzuschränken, daß ich für die Zukunft etwas unterlassen muß was ich eigentlich vermöge der natürlichen Freyheit zu thun berechtiget wäre.“941

Der Topos der natürlichen Freiheit inkludierte dabei keine unabhängige individualrechtliche Stoßrichtung, sondern war im Sinne naturrechtlicher 936 937 938 939 940 941

Schreiben an das Hofgericht, 15. April 1805, ebd., Bl. 13r –16v , hier Bl. 15v , 16r . Bericht Johann Friedrich Schallings (Amt Bürgel) an das Hofgericht, 14. März 1805, ebd., Bl. 5r –7r , hier Bl. 5v . Schreiben an das Hofgericht, 15. April 1805, ebd., Bl. 15r–v . Ebd., Bl. 14v , 15r ; Vgl. S, In usus modernus, Lib. XLIX, Tit. 2, § 15. Schreiben an das Hofgericht, 15. April 1805, ebd., Bl. 15v , 16r . Ebd., Bl. 15r–v .

274

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Eigentumskonzeptionen eng an das Eigentum (libere disponendi) gebunden. Weder diese noch die gewohnheitsrechtlichen Argumentationen wurden jedoch von der Appellationsinstanz aufgenommen. Dies betraf vor allem auch den vermeintlich autoritativ abgesicherten Versuch, den Gang zum Hofgericht trotz unterschrittener Appellationssumme zu legitimieren. Ausschlaggebend dafür war die prozessrechtlich orientierte Judikatur, die den Fall aufgrund des niedrigen Streitwerts wieder an das Amt Bürgel zurückgab. Dass gerade in diesem Kontext nicht nur auf die Eigentumsfreiheit, sondern insgesamt auf das natürliche Eigentumsrecht rekurriert wurde, liegt weniger an den sich um 1800 in der Gerichtspraxis manifestierenden Vorstellungen eines absoluten, grund- bzw. menschenrechtlich abgeleiteten Eigentums. Die Argumentationsfigur gehört eher in die Traditionslinie des sich im Usus modernus formierten legitimatorischen Argumentationsfundus zum Eigentum. Dabei galt es, subjektive Rechtsansprüche durch eine starke Kategorie zu fundieren und gegenüber den gegnerischen Ansprüchen – dem erstinstanzlich erfolgreichen Kläger wurden nicht einmal Servituten an seinem Grundstück zuerkannt – abzugrenzen. Nicht zu unterschätzen sind dabei auch die Regulierungsansprüche der lokalen Obrigkeit, gegen die sich Georg Andreas Fuchs‘ Protest vor dem Hofgericht implizit richtete. Mit der Freiheit des Eigentums wurden zwar nicht direkt, so doch implizit auch die obrigkeitlichen Eingriffe in das Eigentum (Bepflanzungsvorschriften) abgewehrt. Die Kategorie der Freiheit wurde jedoch nicht nur mit Blick auf Eigentumsrechte an Grund und Boden genutzt, sondern vor allem in Bezug auf Gerechtigkeiten. Als Beispiel dient eine Mahltrifftsache, in der Hans Georg Schilling aus Olbersleben am 20. Januar 1688 vor dem Amt Großbrembach gegen den Müller Hans Caspar Öfftiger klagte.942 Öfftiger trieb zur Abholung der Mahlfrüchte mit vier bis fünf Eseln durch das Dorf. Dagegen machte Schilling das Herkommen geltend, nach dem nur mit zwei Eseln getrieben werden dürfte, die zudem vor dem Dorf verbleiben müssten. Der auf ein summarisches Verfahren gerichtete Amtsbescheid enthielt eine Inhibition, die den Kläger solange beim Herkommen schützte, bis der Beklagte etwas anderes bewies. Diese Inhibition befolgte Öfftiger jedoch nicht, so dass einige seiner Esel gepfändet wurden. Dies war der Anfang eines langwierigen Konflikts, der außerhalb des Rechtsweges mit den Schöppenstühlen Jena, Leipzig auch die Landesregierung sowie gewaltsame Konfliktregulierungsmaßnahmen umfasste. Nachdem auf der Basis eines Leipziger Gutachtens vom 19. November 1692 Hans Caspar Öfftiger definitiv zum Einhalten des Herkommens verurteilt wurde,943 942

943

Bericht an das Hofgericht, 19. Januar 1693, „In Appellation Sachen, Acta, Hannß Caspar Oefftrigers Müller zu Elbersleben Beklagten und Appellanten eines, Contra Hannß Georg Schillings nachgelaßenen Wittben und Erben zue Olbersleben Klägern und Appellaten anderstheils, Anno Christi 1693“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1162, Bl. 4r ff. Ebd., Bl. 14r–v .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

275

appellierte dieser am 2. Februar 1693 gegen Elisabeth Schilling als Rechtsnachfolgerin des Verfahrens ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes vor dem Hofgericht. Mit dem Urteil vom 21. Juli 1694 wurde der Müller schließlich „bey der freyheit mit wie viel Eseln er die Mahlfrüchte aus besagten Dorffe holen undt dahin überbringen wolle“ geschützt.944 Diese Freiheit bezog sich in der Auseinandersetzung vor dem Hofgericht auf die Rechte, die der Appellant bezüglich einer Treibgerechtigkeit reklamierte. Dazu rekurrierte er ganz konkret auf sein Recht, „in dem freyen Genuß, Besitz und Gebrauch der Abholung der Mahlfrucht“.945 Als Referenz dazu diente die Normenvorstellung, „daß keiner den andern in seiner Possess und Befugnüs turbiren solle.“946 Das auf der Olberslebener Mühle liegende Recht der freien Treibgerechtigkeit947 , dessen Besitzrechtsqualität als „Possess“ eindeutig akzentuiert wurde, beinhaltete dabei auch die Gewähr einer „unbeschränckten Zahl des Treibeviehes“.948 Der Freiheitsbegriff wurde dabei unter Verweis auf die Lehren des Usus modernus (Georg Adam Struve) als libertas naturalis postuliert, die nicht restrictivum sei. Elisabeth Schillings Anwalt setzte gegen die freiheitsorientierte Argumentation die „wohlhergebrachte Gewohnheit“, die er zudem mit ökonomischen Argumenten unterstützte.949 Der Nutzen für die eigene Mühle sei gefährdet, „wenn Appellant seines beliebens nach mit so viel Mahl=Thieren [. . . ] eintreiben dürffte, alß Ihm Beliebet.“ Zum dem „schweren“ Erbzins, die auf der Mühle zu Olbersleben läge, würde durch das gegnerische Treibrecht auch noch das „brodt gleichsam vom dem Munde weggenommen werden.“950 Öfftigers Anwalt konzedierte dagegen, dass die Kontrahentin über keine Privilegien verfüge, ihm seine Rechte einzuschränken. Schließlich gehörten beide mit ihrer Mühle zum Dorf Olbersleben und beide wären von der Weimarer Landesherrschaft mit Zinssteuern belastet, wobei er durchaus mit höheren Erbzinsen „beschweret“ sei.951 Hatte Elisabeth Schillings Anwalt ökonomisches Privatinteresse und Subsistenzfragen in die Auseinandersetzung eingeführt, diente diese Argumentationslinie nun dazu, Öfftigers Anliegen von diesen Kategorien abzugrenzen. In das Zentrum rückte er gemeinwohlorientierte Argumente, die seine Rechte auch in dieser Hinsicht als besser legitimiert erscheinen lassen sollten. Die Kontrahentin sei nicht dazu befugt, „ein höchstverbothenes

944

945 946 947 948 949 950 951

Hofgerichtsurteil, 24. März 1693, ebd., Bl. 119r–v . Das Urteil wurde von der Landesregierung am 21. Juli 1693 bestätigt, an die Elisabeth Schilling nach dem für sie ungünstigen Hofgerichtsurteil appelliert hatte. Schreiben an das Hofgericht, 27. März 1693, ebd., Bl. 92r –95r , hier Bl. 92v . Ebd., Bl. 92r . Schreiben an das Hofgericht, 5. April 1693, ebd., Bl. 100r–v , hier Bl. 100v . Ebd., Bl. 95r . Ebd., Bl. 69r . Ebd., Bl. 81r–v . Ebd.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

monopolium in Betreibung dieses dorffes wieder mich aufzurichten.“ Dies würde „dem gantzen dorffe“ Schaden zufügen.952 Argumentationsmuster, die sich zur Begründung von Rechten auf die libertas naturalis stützten, waren kein Spezifikum der Freiheitsdiskurse in Untertanenprozessen um Frondienste und Leibeigenschaft, in Zunftprozessen oder Privilegienstreitigkeiten.953 Vielmehr gehörten sie – freilich mit anderer Stoßrichtung – in den hofgerichtlichen Auseinandersetzungen um Besitz, Eigentum und Gerechtigkeiten als topische Argumentationsfiguren in das gängige anwaltliche Repertoire. So auch im Fall der Sabine Elisabeth von Brandt zu Gleina, die 1671 gegen Jost Adam von Wolfframsdorff, Rittergutsbesitzer zu Beulbar, klagte.954 Dieser hatte in der Gleinischen Flur gejagt, für die sie jedoch die Jagdgerechtigkeit beanspruchte. Die Klägerin konnte sich gegen ihren Kontrahenten erfolgreich durchsetzen, im Urteil vom 11. März 1675 wurde von Wolfframsdorff das Jagen und Pirschen in ihrer Flur untersagt.955 Sabine Elisabeth von Brandts Rechtsansprüche wurden anwaltlich damit begründet, dass ihr die Gerichtsbarkeit über Gleina ebenso zustehe wie die Jagdgerechtigkeit sowie das Hetzen in den Bürgeler Amts- und Zinsdörfern. Diese von ihrem verstorbenen Ehemann ererbten Gerechtigkeiten wurden dabei als ihr „iure dominii vel quasi“ zustehendes Besitzrecht kategorisiert, das unter den gerichtlich durchsetzbaren Eigentumsschutz fiel. Insofern Dienstbarkeiten Dritter negiert und ausgeschlossen wurden, galt das gegnerische Jagen in ihrer Flur als Eingriff in ihre Besitzrechte und damit – der anwaltlichen Argumentation entsprechend – in ihre natürliche Freiheit: „Obwohl in gemeinen undt Sächsischen Rechten [. . . ] klar versehen, daß sich niemand eines anderen Grund und Boden, so demselben eigenthümlich oder sonsten auß einer darauf habenden gerechtigkeit zustendig, mit einiger dienstbarkeit beschwehren oder darinnen zue turbiren [. . . ] unterstehen solle, maßen aus vermutung der rechte, eines jeglichen Guth undt gerechtigkeit von aller dienstbarkeit undt beschwehrung frey zu achten, biß das Gegentheil erwiesen werde.“956

Dieses Zitat aus der Klage Sabine Elisabeths von Brandt fasst nicht nur in einer geradezu klassischen Definition den Zusammenhang von Eigentum und Nutzungsrechten zusammen, sondern deutet auch auf die Intention anwaltlicher Freiheitsargumentation. Die libertas naturalis war durch das gemeinrechtliche Prinzip der praesumtio pro libertate gestützt, die die Beweislast auf denjenigen schob, der Einschränkungen geltend machte. Daher konstituierte sich die prozesstaktische Berufung auf die natürliche Freiheit auch im Lau952 953 954

955 956

Ebd., Bl. 81v . Vgl. u. a. S, Untertanenprozesse, S. 463 ff. „Curator Frawen Sabinen Elisabethen von Brandt gebohrene von Zehmen Wittiben und Vormunderin zue Gleina contra Jost Adam von Wolframsdorff zu Beulbar anno christi 1671“, ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1485a–g. Urteil, 11. März 1675, ebd., Nr. 1485a, Bl. 118r . Klage, 31. Januar 1671, ebd., Bl. 2r –4r .

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

277

fe des 18. Jahrhundert nicht im Rahmen des aufklärerischen Freiheitspathos. Die libertas naturalis fungierte vielmehr als Rechtsfigur, um die Rechtsvermutung zu akzentuieren, die grundsätzlich von der Eigentumsfreiheit ausging. Damit konnten gleichzeitig die gegnerischen Rechtsbehauptungen abgewehrt und eine Einlassung auf die gegnerisch eingebrachten Rechtsnormen umgangen werden. Die rechtliche Verortung der Berufung auf die natürliche Freiheit verdeutlichen auch die anwaltlichen Bezüge auf die auctoritas römischrechtlicher Prinzipien und den Rechtslehren des Usus modernus (v.a. Samuel Stryk, Georg Adam Struve).957 Die Argumentationsmuster, die die prozessierenden Frauen in die ,possessio libertatis‘, das ,natürliche Eigenthumsrecht‘, die ,natürliche Freiheit‘ oder die ,libertät‘ integrierten,958 blieben strikt rechtsfigürlich orientiert. Eine überpositiv fundierte Berufung auf die Einbindung in eine libertas civilis war damit nicht verbunden. Auch eine Verortung in den Zusammenhang grundrechtlicher Freiheitsdiskurse überstrapaziert die an die Prozesslogik gebundene juristische Argumentationspraxis.959 Gleichwohl ist zu konzedieren, dass die ,natürliche Freiheit‘ in der anwaltlichen Argumentationspraxis der Ober- und Höchstgerichte des Alten Reiches nicht generell so prominent verankert war wie in Jena.960 Dies hängt damit zusammen, dass die Freiheitsvermutung in der sächsischen Rechtspraxis insgesamt stärker etabliert war.961 In Korrespondenz zum stilus curiae stand eine – dann auch intensiv genutzte – Freiheitstopik im Rahmen der Argumentationskette ,Eigentumsschutz‘ zur Verfügung. Dessen anwaltliche Einforderung ließ sich durch die Konnotation mit Freiheitssemantiken gleichsam appellativ akzentuieren. Zugleich wurde damit suggestiv der rechtliche Handlungsdruck forciert und der status quo des Besitzstandes verteidigt.

957 958 959

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Römischrechtliche Belegstellen sind C 4, 19, 16; 3, 34, 8 und 9; D 39, 2, 16; 31, 2, 12. Dazu C, Privatrecht, S. 317. W, Freiheit, S. 473–492. Anders Wolfgang Schmale, der die Rechtsfigur der possessio libertatis (naturalis) in den grundrechtlichen Freiheitsdiskurs integriert. Vgl. die Argumentationskontexte der Fallbeispiele bei S, Archäologie, S. 528 ff. Dazu auch Diethelm K, Verfaßte Freiheit. Die Entdeckung der Freiheitsrechte als Verfassungsprinzip im 18. und 19. Jahrhundert, in: Paul-Joachim H u. a. (Hrsg.), Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. FS für Peter M, Berlin 2000, S. 149–169. Für die Reichskammergerichtsprozesse aus Lübeck und Frankfurt hat Peter Oestmann gezeigt, dass die Berufung auf die natürliche Freiheit in den Gerichtsprozessen kaum eine Rolle spielte. O, Rechtsvielfalt, S. 218. Andererseits gibt es jedoch auch Belege für den Erfolg des Argumentationsmusters bei Jürgen W, Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Bernhard D (Hrsg.), Die politische Funktion des Reichskammergerichts, Köln/Weimar/Wien 1993, S. 163–186. Vgl. S, Entwicklung, S. 153.

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3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

Fazit: Eigentumsschutz, Freiheit und Gemeinnutz

In den Konflikten um die Durchsetzung konkurrierender Eigentumsrechte manifestierten sich abhängig vom jeweiligen Kontext und den zu verhandelnden Streitgegenständen sehr heterogene Eigentumssemantiken. Dabei wurde der Argumentationsrahmen in Korrespondenz zu obrigkeitlichen bzw. gemeindlichen Zielvorstellungen eng an gesellschaftliche Leitbilder orientiert. Dazu zählten im städtischen Bereich neben Frieden, Eintracht, Gerechtigkeit, Gemeiner Nutzen, Recht (z. B. Unabhängigkeit des Gerichts962 ), Auskömmlichkeit auch die freie Verfügung über Besitz und Eigentum.963 Eigentum war damit Bestandteil von gemeindlichen Integrationswerten, die je nach Interessenlage der vor Gericht interagierenden Akteure in Beziehung zu den anderen „verbandserhaltenen Normen und Werte“ gesetzt wurde.964 Appelle an diese Werte waren insofern gerichtsstrategisch, als damit direkt Bezug auf obrigkeitliche Aufgaben genommen und der rechtliche Erwartungshorizont formiert wurde.965 Angesichts der regulativen Idee von Frieden und stadtbürgerlicher Eigentumssicherheit bestand die Aufgabe des Hofgerichts darin, Interessen der Eigentümer bei Kollisionen von Eigentums- und Nutzungsrechten konsensorientiert auszutarieren.966 Frauen waren über Haus- und Grundstückseigentum in die städtische Eigentümergesellschaft integriert. In den rechtsanhängigen Konflikten wird sinnfällig, wie sie über ihre Eigentums- und Besitzrechte – in einem konkret abgesteckten Rahmen – auch an politischen Aushandlungsprozessen teilhatten. Gerade in diesem Konfliktbereich, der generell von den Prozessparteien ein hohes Engagement bezüglich der Verfahrensgestaltung abverlangte, wur962

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Demgegenüber wurde die Niederlage in erstinstanzlichen Rechtsverfahren oft als verweigerter Besitzschutz interpretiert und auf die Parteilichkeit der Justiz zurückgeführt. Die Parteilichkeit des Jenaer Stadtrates war ein geradezu topisches Element in anwaltlichen Diskursen vor dem Hofgericht, um Appellationen zu legitimieren. Der Anwalt Magdalena Sophia Thümlers formulierte 1728 in einer Klage gegen den Hofadvokaten Georg Jacob Schmidt wegen der Durchstechung eines Weinbergrasenrandes: „Allein es sind in solchen judiciis die Assessores nicht lauter Engel oder Götter, sondern haben auch zum theil menschliche Schwachheiten an sich“. ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 1184a, Bl. 40v , 41r . Vgl. Patrick S/Horst C, Einleitung, in: D. (Hrsg.), Stadtgemeinde, S. 8–30, hier S. 22. Zur kommunikativen Funktion von Friedensnarrativen in sozialen und politischen Ordnungsprozessen auf Mikroebene vgl. m.w.N. S-V, Das Haus und sein Frieden, S. 197–218; D., Nachbarn im Haus, S. 425 f. Hans-Christoph R, Grundwerte in der Reichsstadt im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Horst B (Hrsg.), Literatur in der Stadt. Bedingungen und Beispiele städtischer Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts, Göppingen 1982, S. 9–36, hier S. 17; I, Obrigkeit, S. 113; D., Norms and Values in the European City, 1300–1800, in: Peter B (Hrsg.), Resistance, Representation, and Community, Oxford 1997, S. 185–215. Diese Beobachtung gilt für den ganzen Untersuchungszeitraum. Ähnlich für Suppliken bei E, Städtische Strafjustiz, S. 202. Vgl. C, Transformierte Eigentumskonflikte, S. 446–450.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

279

den Frauen an den stadtbürgerlichen Diskursen vor Gericht beteiligt. In diesem Zusammenhang waren Frauen keineswegs „unpolitische Bürger“.967 Denn in den bau- und nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen wurden mit der innerstädtischen Eigentumsordnung zumeist auch Grundkonflikte des politischen Systems mitverhandelt. Besonders virulent waren dabei die für die frühneuzeitlichen Städte signifikante Konfliktlinie zwischen Rat und Bürgerschaft – Verfassungskonflikte, die prozesstaktisch von den prozessierenden Akteuren instrumentalisiert werden konnten.968 Mit dem (behaupteten) Eigentümerstatus korrelierte bei den prozessierenden Frauen oft ein Eigentumsbewusstsein, das sich in der Artikulation von Rechtsansprüchen vor Gericht dezidiert äußerte. Dabei wurde der subjektive Anspruch auf Rechts- und Besitzschutz als reziproke Leistung für Steuern, Abgaben oder Prozesskosten abgeleitet. Vor dieser Folie wurde gerichtlich durchsetzbare Eigentumssicherheit appellativ als Erwartung an die Justiz formuliert. Die Zuordnungen ,ich als Besizzerin‘ oder ,ich als Eigenthümerin‘ waren keine rein deskriptive Beschreibung von Eigentumsverhältnissen, sondern eine semantisch stark aufgeladene Formel, die individuelle Eigentumsrechte scharf von Gegenansprüchen abgrenzte. Narrative Grenzziehungen waren in diesem Konfliktbereich symptomatisch, da mit den konkurrierenden Eigentumsrechten zugleich die Qualität des Eigentums und damit auch der Eigentümerstatus selbst verhandelt wurde. Entscheidend dafür war, dass gerade in der Kollision von Eigentumsrechten des Eigentümers mit Rechten von Servitutsberechtigten eine potenziell konfliktgeladene Eigentumsbeziehung zur Disposition stand. Entsprechend eng waren die Argumentationen an das Wortfeld Eigentum angelegt und auf die Kategorie Eigentum zugespitzt, auch wenn im Endeffekt lediglich Nutzungsrechte beansprucht werden konnten. Taktisch wurden die auf Besitz- und Eigentumsrechte bezogenen Begrifflichkeiten gegebenenfalls synonym verwandt,

967

968

Andrea L, Unpolitische Bürger. Frauen und Partizipation in der vormodernen praktischen Philosophie, in: Reinhart K/Klaus S (Hrsg.), Bürgerschaft. Rezeption und Innovation der Begrifflichkeit vom Hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 239–273, hier S. 259. Ulrich M/Klaus S, Regimen civitatis. Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Ordnung in alteuropäischen Stadtgesellschaften, in: . (Hrsg.), Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Göttingen 1994, S. 9–34; Wolfgang M, Genossenschaft, Republikanismus und konsensgestütztes Ratsregiment. Zur Konzeptualisierung der politischen Ordnung in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen deutschen Stadt, in: Luise S-S (Hrsg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie – Res Publica-Verständnis – konsensgestützte Herrschaft, München 2004, S. 13–122; S/C, Einleitung, S. 23; Rudolf S, Vergesellschaftung unter Anwesenden. Zur kommunikativen Form des Politischen in der vormodernen Stadt, in: D. (Hrsg.), Interaktion und Herrschaft, S. 9–60.

280

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

um stärkere Rechte (ein „beßer Recht“969 ) zu suggerieren. Genauso taktisch wurde aber auch klar differenziert zwischen Eigentum und Nichteigentum. Zur zentralen Topik gehörte dabei der Eigentumsschutz, der als rechtliche Notdurft argumentativ legitimiert wurde. Rechtliche Notdurft (necessitas) fungierte allerdings auch unabhängig davon – neben der Billigkeit – als zentraler Bestandteil topisch genutzter Rechtserzeugungsgründe.970 Weitere Elemente der Argumentationsketten bildeten wie auch in den anderen Konfliktbereichen auf die Subsistenz bezogene ökonomische Kategorien (Nahrung, Auskömmlichkeit). In keinem der Rechtsverfahren wurden allerdings Rechtsansprüche als Hausnotdurft, die Renate Blickle als frühneuzeitliche Fundamentalkategorie begriffen hat, geltend gemacht.971 Notdurft wurde lediglich rechtlich legitimiert, nicht über die Bedarfsidee.972 Bereits im 17. Jahrhundert waren in der Rechtspraxis des Jenaer Hofgerichts generell andere Kategorien vorrangig.973 Zentral waren bei Eigentumskonkurrenzen die in Entsprechung zum zeitgenössischen juristischen Eigentumsverständnis von den Bedeutungsfeldern der (Dispositions-)Freiheit ausgehenden Argumentationen. Denn in den Konflikten um konkurrierende Eigentums- und Nutzungsrechte waren Schutz, Herausgabe oder Ausschließung Anderer von Besitz und Eigentum die zentralen Prozessziele. Vor dieser Folie erweiterte sich der anwaltliche Argumentationsspielraum um die Freiheitskomponente, die in den Auseinandersetzungen um die Partizipation an Eigentums- bzw. Geldtransfer nicht zur Debatte stand. Dabei gehörte neben statutar- und policeyrechtlich fundierten Rechtsbehauptungen die Rechtsfigur der Eigentumsfreiheit zur zentralen Topik der Verfahren um Eigentum, Besitz oder Gerechtigkeiten. Im Vergleich zu anderen Argumentationsmustern blieb der Verweis auf die Eigentumsfreiheit abstrakt („es ist bekannten Rechtens“), ohne Rückbindung an konkrete Rechtsnormen – die possessio libertatis oder libertas naturalis wurde gewissermaßen als positives Recht eingebracht. Mit der Eigentumsfreiheit als abstrakter, oft naturrechtlich fundierter Normenvorstellungen an einem Pol konkurrierte die gesellschafts- und ord969 970 971

972

973

ThHStAW, Hofgericht Jena, Abteilung Weimar, Nr. 801, Bl. 98v . Johannes W. P, Necessitas. Ein Element des mittelalterlichen und neuzeitlichen Rechts, Berlin 1983. Zur Necessitas-Topik siehe auch S, „Gute Policey“. Das Prinzip der Hausnotdurft bestimmte in der normativen Verwendung den gerechtfertigten materiellen Bedarf einer Hausgemeinschaft. Vgl. Renate B, Hausnotdurft. Ein Fundamentalrecht in der altständischen Ordnung Bayerns, in: B (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte, S. 42–64; B, Nahrung. Ähnliche Befunde haben bereits Wolfgang Schmale für Kursachsen sowie Rita Sailer für Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht formuliert: S, Archäologie, S. 377; S, Untertanenprozesse, S. 471: „Das Notdurftprinzip lebte nur noch als tradierte Begrenzung eines Nutzungsrechts fort, als Rechtsanspruch fand es vor dem RKG keine Anerkennung mehr.“ Ähnlich Johannes W. Pichler, der im Übrigen die Marginalisierung des Notdurftprinzips auf die Kompensation durch Termini wie die Billigkeit zurückgeführt hat. Vgl. P, Necessitas.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

281

nungspolitisch verankerte Normenvorstellung des Gemeinnutzes am anderen Pol.974 Diese Normenkonkurrenzen wurde von den Prozessparteien in den Konflikten um Eigentumskonkurrenzen zielgerichtet genutzt. So standen gerade in den bau- und nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen wie in keinem anderen Konfliktprofil das Verhältnis partikularer Interessen aufgrund individualer Eigentumsrechte (interesse privatum) und den mit diesen konkurrierenden Rechten bzw. Normen auf der Basis des gemeindlichen Ordnungs- bzw. Policeywesens (interesse publicum als bonum commune) zur Debatte.975 Das Recht auf ungehinderten Individualbesitz war prinzipiell mit der leitenden Vorstellung der „Teilhabe aller an den Lasten und Pflichten“ zu harmonisieren.976 Dieses Grundproblem kam vor Gericht in dem prozessstrategischen Rekurs auf den Gemeinnutz zum Ausdruck. Mit dem Gemeinnutz (hier vor allem in den lateinischen Äquivalenten bonum commune oder bonum publicum) wurde ein zentraler politisch-sozialer Leitbegriff in die gerichtliche Interessenaushandlung eingebracht, dessen appellativer Charakter sich in seiner Funktion als kommunaler Wert oder als konkrete policeyliche Ordnungsvorstellung funktionalisieren ließ.977 Individuelle Rechtsansprüche auf Eigentumsschutz sollten so auf eine besondere Legitimationsgrundlage gestellt werden, um taktisch von den Partikularinteressen zu abstrahieren.978 Angesichts der Gemeinwohlorientierung des Eigentums wurden Eigentumsinteressen dabei als mit dem Gemeinwohl konvergent oder dem öffentlichen Interesse förderlich postuliert. Umgekehrt konnten Prozessgegnern über den Abgrenzungsbegriff ,Eigennutz’ Abweichungen von 974

975

976

977 978

Vgl. Herfried M/Harald B (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn, Bd. 1: Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, Berlin 2001; darin bes.: Peter B, Der Gemeine Nutzen. Ein kommunaler Wert und seine politische Karriere, S. 85– 107; Thomas S, Gemeinwohltopik in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Politiktheorie, S. 129–146; Wolf-Hagen K, Gemeinwohl als Interesse. Die Konstruktion einer territorialen Ökonomie am Beginn der Neuzeit, S. 191–211; Peter H, Utilitas Publica – Gemeiner Nutz – Gemeinwohl. Untersuchungen zur Idee eines politischen Leitbegriffs von der Antike bis zum späten Mittelalter, Frankfurt a.M. u. a. 1991. Vgl. Winfried E, Der Legitimationsbegriff des „Gemeinen Nutzens“ im Streit zwischen Herrschaft und Genossenschaft im Spätmittelalter, in: Joerg O. F/Karl Heinz G/Bernhard S (Hrsg.), Zusammenhänge, Einflüsse, Wirkungen. Kongreßakten zum ersten Symposium des Mediävistenverbandes in Tübingen 1984, Berlin/New York 1986, S. 241–254; Michael S (Hrsg.), Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, Köln 1991. Aus der Perspektive der Kriminalitätsforschung vgl. G, Rechtsfindung, S. 59 f. Heinz S, Gab es im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in Deutschland einen städtischen „Republikanismus“? Zur politischen Kultur des alteuropäischen Stadtbürgertums, in: Helmut G. K (Hrsg.), Republiken und Republikanismus im Europa der Frühen Neuzeit, München 1988, S. 101–143, hier S. 107. Vgl. die Beiträge in M/B (Hrsg.), Gemeinwohl. K, Gemeinwohl als Interesse; Peter B, Der Gemeine Nutzen; Otto Gerhard O, Konflikt und Konsens. Über gemeinschaftsrelevantes Handeln in der vormodernen Gesellschaft, in: M/B (Hrsg.), Gemeinwohl, S. 65–83.

282

3. Eigentumsrechte in der Rechtspraxis

dieser Norm zugeschrieben und damit Rechtsansprüche auf Eigentumspositionen delegitimiert werden. Generell wurde die Kategorie Gemeinnutz topisch genutzt, doch wurde sie auch als Tatbestandsmerkmal an konkrete Rechtsprinzipien und -grundlagen rückgebunden.979 Dies geschah mehr oder weniger fundiert, so dass gemeinwohlorientierte Argumente von der Rechtsprechung unterschiedlich aufgenommen wurden. Stießen Gemeinnutzargumente nachweislich auf öffentlich-rechtliche Interessen, konnten sie gegenüber dem interesse privatum höher gewichtet werden und Eigentumsbeschränkungen legitimieren. Neben der öffentlich-rechtlichen und stadtpolitischen Dimension, die Eigentum in Bezug auf die Leitwerte der städtischen politischen Kultur gewichtete, sind die Konflikte vor allem auch in den nachbarlichen Zusammenhängen zu verorten. Mit den Rechtsverfahren vor dem Hofgericht wurden konfliktive soziale, nachbarschaftliche Beziehungen auf eine rechtliche Ebene gehoben. Der Begriff der Nachbarschaft zog sich dabei als Topos durch die Gerichtskommunikation. Denn über die räumliche Nähe hinaus wurde mit diesem Terminus auf soziale und ethische Normen rekurriert, die semantisch mit Wertvorstellungen von Liebe, Frieden und Freundschaft aufgeladen waren.980 Dementsprechend wurden Eingriffe in nachbarschaftliches Eigentum als Abweichung dieser Normenvorstellung thematisiert und im Rahmen anwaltlicher Kontrastierungsrhetoriken auf die Ebene eines Verstoßes gegen das gemeindliche Ordnungsgefüge transferiert. Vor Gericht standen somit immer auch das symbolische Kapital der Akteure sowie ihre Position innerhalb der Gemeinde zur Verhandlung. Über Eigentum wurden vor Gericht nachbarliche (Macht-)Beziehungen ausgehandelt.981 Die zuweilen eskalierten, hoch emotionalen Nachbarschaftskonflikte ließen sich als justiziable Eigentumskonflikte codieren. Dabei wurden über diffamierende, tendenziell ehrverletzende Rhetoriken die durch Eingriffe in Eigentumspositionen verschobenen Hierarchisierungen gleichsam nivelliert. Zu bedenken ist jedoch, dass Diskreditierungen des Prozessgegners (Boshaftigkeit, Prozess-, Streitsucht etc.) zwar topische Elemente des rhetorischen stilus robustus waren, dennoch immer auch innerhalb rechtsimmanenter Diskurse bestimmten Rechtsfiguren (dolus, metus, temerarius litigator) zugeordnet waren. In der Regel gehörten sie allerdings zur suggestiven Fallgestaltung. Konkrete, aus den Zuschreibungen resultierende Rechtsmaßnahmen wurden nicht beantragt – freilich abgesehen von der 979

980

981

Einen Katalog von Tatbestandstypen des öffentliches Interesses bzw. Gemeinwohls hat Peter Häberle formuliert. Siehe Peter H, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, Bad Homburg 1970. S, Pazifizierung, S. 105; Craig M, The Culture of Reconciliation. Community and the Settlement of Economic Disputes in Earl Modern England, in: The Historical Journal 39, 1996, S. 915–942; S, Nachbarn, S. 204 ff.; SV/W, Nachbarn und Nachbarschaft; P, Nachbarschaft. Siehe dazu auch C, Transformierte Eigentumskonflikte, S. 446–450.

3.2 Eigentums- und Besitzrechtskonflikte

283

Generalklausel, den Kläger mit der Klage „ab- und zur Ruhe“ zu verweisen. Geschlechtsspezifische Aufladungen blieben als ein besonderes Stilmittel in emotionalisierten Auseinandersetzungen eine Ausnahme. Auch insgesamt wurden die Auseinandersetzungen um konkurrierende Eigentums- und Besitzrechte nur peripher von der Kategorie Geschlecht strukturiert, zumal die rechtlichen Normen in diesem Bereich (Grundstücks-, Bau-, Nachbarrecht etc.) keine geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierungen trafen. Dies galt allerdings nicht uneingeschränkt für die individuelle Ausgestaltung nachbarlicher Eigentumsverhältnisse durch Vertragsabschlüsse. Hier bot der Rechtsstatus von Frauen im Rahmen der Normenkonkurrenz von Personen-, Ehegüter- und Vertragsrecht anwaltliche Argumentationsspielräume – allerdings ohne nachweisliche Wirksamkeit in der Rechtsprechungspraxis.

4. Resümee Die Rechtskategorie und Leitvorstellung Eigentum stand im Zentrum der vorliegenden Studie zu Eigentums- und Besitzrechtskonflikten, die vor dem Jenaer Hofgericht als paradigmatischer Untersuchungsort für den sächsischen Rechtsraum und für die Zivilrechtspraxis der territorialen Obergerichte im Alten Reich verhandelt wurden. Fokus war die Frage nach der Bedeutung von Eigentum für die Rechtsposition von Rechtsuchenden vor Gericht, dessen Prävalenz es gegenüber anderen, die ständische Gesellschaft strukturierenden, Kategorien zu zeigen galt. Diesem Zusammenhang wurde dabei exemplarisch anhand der um Eigentum, Erbe bzw. Vermögen prozessierenden Frauen als Gruppe minderen Rechts nachgegangen. Nun führt die aufgrund des Kriteriums ,Frau‘ selektierte Quellenbasis freilich zu einer Perspektive, die bestimmte Prozessbereiche wie Erb- oder Schuldkonflikte bevorzugt.1 In diesen Konflikten wie im Bereich der (nachbarrechtlichen) Konflikte um Eigentum lagen jedoch bestimmte, typische Streitpunkte, -muster und -verhalten vor, die geschlechterübergreifend waren.2 So ergeben sich aus den nicht zuletzt in Beziehung zu aktuellen Forschungen gesetzten Beobachtungen Einsichten, die für Eigentumsverfahren insgesamt repräsentativ erscheinen und resümierend zusammengefasst werden können. Im Ganzen gesehen lassen sich die gerichtlichen Konflikte um Besitz- und Eigentumsrechte als in juristische Auseinandersetzungen transformierte gesellschaftliche Aushandlungsprozesse auffassen. Eigentum und Eigentumsrechte fungierten dabei als Medium, über das konfliktspezifisch Diskurse um Gerechtigkeit, Ordnung, Ehre, Nahrung, Freiheit, Gemeiner Nutzen, Rechtsfriede etc. geführt wurden. Dieser Normen- und Wertehorizont war – als Teil der politischen Kultur und Kommunikation – der gesellschaftliche Bezugsrahmen, in dem sich die Streitigkeiten um das ,EigenthumsRecht‘, die ,possess‘, den ,Besitz‘, das ,Meinige‘, die ,gerechte Forderung‘ oder das ,gerechte Erbe‘ einfügten. Mit den situativ konnotierten rechtlichen, sozialen, ordnungspolitischen und ökonomischen Leitbildern wurde vor Gericht gleichsam als Metanarrativ das Gefüge der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit mitverhandelt. Sowohl Eigentumssicherheit als auch Eigentumsfreiheit gehörten dabei zu dem gesellschaftlichen Wertekanon, der die um Eigentum und Besitzrechte prozessierenden Frauen vor Gericht inkludierte. Freiheit, Gleichheit und ein absolut gedachtes, gesichertes Eigentum 1

2

W, Inanspruchnahme, S. 36. Vgl. allerdings die Ergebnisse für das Jenaer Hofgericht, wo sich insbesondere aufgrund der Nutzung als städtisches Gericht ein Schwerpunkt im Konfliktbereich Grund- und Bodenwirtschaft ergab – nach Schuld- und vor Erbstreitigkeiten. Vgl. dazu Kapitel 3.1.3. Siehe z. B. H, Streitkultur, S. 265–267; H, Family Business, S. 123–127.

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4. Resümee

bildeten in den naturrechtlich-aufklärerischen Debatten die wesentlichen Leitmotive. Insgesamt waren den Eigentumssemantiken im Kontext zivilrechtlicher Konflikte jedoch eine longue durée eingeschrieben: In dem Untersuchungszeitraum von 1648 bis 1806 lassen sich ein Paradigmenwechsel oder semantische Umdeutungen von Eigentumsvorstellungen, mithin eine Sattelzeit ab 1750, nicht anhand der Zivilrechtspraxis belegen. Naturrechtliche Eigentumskonzeptionen, die sehr wohl zum Tragen kamen, standen in der Traditionslinie des Usus modernus. Als Indikator für gesellschaftliche Transformationsprozesse dient lediglich die Nutzung des Jenaer Hofgerichts, das auf den Kapitalmarkt als zentrales Konfliktfeld weist. Vor allem seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren genuin besitz- und eigentumsrechtliche Konflikte zugunsten von Auseinandersetzungen um Kapitaltransfers rückläufig. Damit einher ging eine ,Verbürgerlichung‘ in der Inanspruchnahme des Gerichts, das von den lokalen Eliten zur Konfliktregulierung eingeschaltet wurde. Dass sich die aufklärerischen Postulate in ihrer grund- und menschenrechtlichen Dimension nicht dezidiert im Eigentumsdiskurs vor Gericht widerspiegelte, liegt an den institutionellen Bedingungen der Jurisdiktion selbst – einem insgesamt eher statischen, durch die conservatio status geprägten Rechtssystems, in dem sich unmittelbare Reflexe von Veränderungen im gesellschaftspolitischen Wertehorizont kaum niederschlugen.3 Umfängliche Allegationen mit gesellschaftlichen Bezügen, überhaupt Auseinandersetzungen mit Rechtssätzen blieben in der Regel aus. Auch die Verweise auf die auctoritas von Rechtslehrern waren eher abstrakt und nicht an aktuelle Debatten angeschlossen. Gleichzeitig ist die systematisierende Ordnung des zeitgenössischen Privatrechts nicht hoch genug zu veranschlagen, da es die Strukturen und Definitionen des materiellen Rechts vorgab. Die Diskurse vor Gericht waren der Ordnungswelt des Rechts verbunden.4 Zudem orientierten sich die Fallkonstruktionen der Anwälte an den Begrifflichkeiten und Rechtsfiguren, die die Rechtsgrundlagen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zur Verfügung stellten. Normativ nicht verankerte gesellschaftliche Kontexte waren irrelevant. Die Problematik, in diesem Rahmen Paradigmenwechsel zu lokalisieren, ist aber auch auf die erheblichen rechtlichen Interpretationsspielräume der vor Gericht agierenden Akteure zurückzuführen. Juristische Argumentationen 3

4

Aus einer anderen Perspektive: Peter O, Menschenrechte und ihre gerichtliche Durchsetzung im Alten Reich, in: Albrecht C/Georg S- R (Hrsg.), Altes Reich und neues Recht. Von den Anfängen der bürgerlichen Freiheit, Wetzlar 2006, S. 57–77. Vgl. Jan S, Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen im Privatrecht der frühen Neuzeit, in: Ius commune 24, 1997, S. 25–39. Selbst Vaterlandsargumente entsprachen Rechtsvorstellungen, die in der obligatio der Untertanen gegenüber Fürsten, Vaterland und Mitbürger gegründet waren. Vgl. zu den rechtlichen Pflichten von Untertanen gegenüber dem Vaterland S, Einleitung, Bd. 1, 1. Theil, Exerc. VII, § 3, S. 100; § 11, S. 106.

4. Resümee

287

und Beweisführungen standen unter „strukturellen Unsicherheitsbedingungen“, die durch die Rechtsquellenvielfalt sowie die Freiräume bei der gerichtlichen Rechtsanwendung forciert wurden.5 Die Folge war ein „kumulativer Umgang mit sämtlichen bekannten Rechtsquellen“6 , gleichwohl Bezugnahmen auf das sächsische Recht vor dem Jenaer Hofgericht dominierten. Dennoch bot der Rechtspluralismus den Prozessparteien einen umfangreichen, situativ nutzbaren Argumentationsfundus, der zu einer juristischen Begründungsvielfalt führte. So flexibel Rechtsansprüche und -vorstellungen von den Parteien kommuniziert wurden; die Elastizität des Rechts endete da, wo der richterliche Entscheidungshorizont durch das Interesse des Rechtsverkehrs mit fiskalischen, kameralistischen, mithin sozioökonomischen Zielvorgaben (Gemeinnutz, Policey, ,Handel und Wandel‘) flankiert wurde. Dessen ungeachtet sind jedoch die richterlichen Ermessensspielräume, die im Übrigen auch zu den Divergenzen zwischen Norm und Praxis beitrugen, nicht zu unterschätzen. Diese resultierten etwa aus der Applikation starker Rechtsprinzipien auf die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten wie die Billigkeit (aequitas) oder Notdurft (necessitas).7 Referenz blieb schließlich auch in der Zivilrechtspraxis die communitas christiana als Fundament eines auf Konsens basierenden Gemeinwesens, die jedoch nicht wie das Strafrecht durchgängig über einen moralisch-didaktischen Impetus verfügte. Die Konflikte um Eigentums- und Besitzrechte waren in erheblichem Maße von der Dichotomie zwischen normativem Recht, subjektivem Rechtsanspruch und juristischen Diskursen bestimmt. Dabei kann erst der – Rechtsnormen und Zuschreibungen zeitgenössischer Diskurse berücksichtigende – Blick auf die Rechtspraxis die rhetorischen Strategien der juristischen Debatten dekonstruieren, wie es hier am Beispiel der ,weiblichen Freiheiten‘ gezeigt wurde. Die Dekonstruktion der Strategien zeitgenössischer Zuschreibungen von Rechtszuständen verdeutlicht die Problematik, ausgehend von Normen und Diskursen auf die Rechtspraxis zu extrapolieren. Diese methodischen Klippen betreffen freilich auch die Konflikte selbst, denn vor Gericht wurden gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen und politische Grundannahmen im Sinne der o.g. Bedingungen grundsätzlich interessegeleitet funktionalisiert. Die gerichtliche Kommunikation verlief entlang des Erwartungshorizontes, den die jeweilige Konfliktkonstellation mit der entsprechenden Rechtslage vorgab. Die individuellen Interessen 5 6

7

O, Rechtsvielfalt, S. 681. Vgl. ähnliche Ergebnisse bei Joachim S, Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis. Sentenzen des Oberappellationssenats des preußischen Kammergerichts von 1794 bis 1803, Teil 1, Frankfurt a.M. u. a. 2004, S. 71. Zumindest in den juristischen Argumentationen blieben Billigkeit und Notdurft im Unterschied zur Rechtsanwendung auch im 18. Jahrhundert zentrale Begrifflichkeiten. Zur Divergenz von Urteilsfindung und Urteilsbegründung C (Hrsg.), Juristische Argumentation.

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4. Resümee

der Parteien wurden dabei als juristisch akzeptable, plausible Argumente präsentiert. Diese erwartungskonforme Rhetorik wurde durch ein Set an topischen Motiven konstituiert. Die juristische Topik stellte dazu ein „System von Suchkategorien“ zur Verfügung, das personen- und konfliktspezifische Fundorte für Argumente und Beweise lieferte.8 Eine generelle Distinktion zwischen Topik und gesellschaftlicher Realität ist dabei kaum möglich. Topisch überformtes Nutzenkalkül und individuelle Situation konnten konform laufen, sich aber auch lediglich auf die rhetorische Situation beschränken. Die Fallnarrative bildeten ein Konstrukt rechtlich definierter Sachverhalte, die ihrerseits eine prozesszielorientierte Entscheidungsgrundlage formierten. Dies ist gleichsam die Ausgangsbasis, um nach den Bedeutungsinhalten von Argumentationsfiguren und an Eigentum gebundenen Rechten zu fragen. Grundsätzlich fungierte Eigentum dabei als juristische Kategorie, doch sie nahm situativ unterschiedliche Semantiken auf. Die jeweilige Eigentumstopik eines Rechtsstreits war an mehrere Faktoren geknüpft, die sich durch die Prozesslogik, Rechtsgrundlagen und die inventio der Fallkonstruktion bestimmte. Wie das Reservoir an Argumenten dann im Einzelnen genutzt wurde, war am Ende auch abhängig von den individuellen Dispositionen der Akteure. Eine Dynamik von Eigentumssemantiken ergab sich dabei weniger im zeitlichen Wandel, als in Korrespondenz zum Streitgegenstand und den jeweiligen Grundkonflikten. Dies gilt auch für die Rekurse auf Topiken sowie die an Topoi gebundenen Konnotationen. Während die Kategorien Billigkeit, Notdurft, Gerechtigkeit, Rechtsfriede und Nahrung (Subsistenz) in unterschiedlichen Akzentsetzungen und Aufladungen in den meisten Konflikten als Grundthemen mitliefen, änderte sich dies bei Gleichheit und Angemessenheit (Erbe), Ehre (Schuldkonflikte), Eigentumsschutz, Freiheit und Gemeinwohl (Eigentumskonkurrenzen). Die familienbezogenen Konflikte um Eigentumstransfers durch Erbe konstituierten sich vor allem im Rahmen von (materialen) Gerechtigkeits- und Angemessenheitsvorstellungen (suum cuique). Sie wurden durch den Rekurs auf das positive, natürliche und göttliche Recht fundiert. Teilhabeforderungen am ,gerechten Erbe‘ antizipierten in der Regel die Einbindung in generationenübergreifende Eigentumslinien. Sie waren zugleich mit Gleichheits-, Billigkeits- und Reziprozitätserwägungen assoziiert. Der geschlechterübergreifende Gleichheitsgedanke im Sinne einer egalitären Erbverteilung manifestierte sich dabei vor allem bei Geschwisterkonkurrenzen. Konflikte um Erbe wurden insbesondere dann terminologisch eng an das Wortfeld Eigentum orientiert, wenn über die Transformation von Erbe zum Eigentum durch intendierte oder bereits vollzogene Aneignung und Neuzuordnung ein Verhandeln nicht mehr nur von allgemeinen Erbansprüchen, sondern stärkere Rechtsqualitäten suggerierende Eigentumspositionen zur Debatte 8

Gerd U, Moderne Rhetorik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, München 2000, S. 9.

4. Resümee

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standen. Eigentumsinteressen auf dem Rechtsweg regulieren zu lassen, wurde dabei vor der Folie normativer Vorstellungen der Familie als einer von Liebe und Friede getragenen Gemeinschaft topisch legitimiert. Überhaupt manifestierten sich Elemente der christlichen Eigentumsethik – bezogen auf den Dekalog und den ersten Johannesbrief – vor allem in Erbprozessen. Die anderen Konfliktbereiche präsentierten sich – abgesehen etwa vom religiös legitimierten Eid als Beweismittel – insgesamt säkularisierter, wenngleich im Bereich der Schuldkonflikte der Appell an das ,christliche Gewissen‘ zur Verhandlung über Schuldposten topisches Argumentationsmuster blieb. Ein religiöser Referenzrahmen wurde als Legitimations- oder Abwehrstrategie gegenüber gegnerischen Attacken allerdings zumeist erst dann in Fallgestaltungen eingezogen, wenn die Erfolgsaussichten innerhalb eines Verfahrens problematischer wurden. Dessen ungeachtet ist gerade für den schuldrechtlichen Bereich ein sachorientierter Konfliktaustrag zu konstatieren. Formalisierte Kreditbeziehungen sorgten für Verfahren, die der Logik juristischer Argumentation folgten. Die ,gerechte Forderung‘ wurde dabei rhetorisch eng an Eigentumssemantiken gebunden und somit als starke Rechtsposition markiert. Insofern die Teilhabe am System gegenseitiger Verpflichtungen fundamental durch die Kategorie der Ehre strukturiert wurde, spielten Ehrsemantiken in Schuldkonflikten eine herausragende Rolle. Sie fungierten zum einen topisch als Code für subjektive Rechtsansprüche. Zum anderen wurden über Ehre existenziell Reputation und Vertrauen als Kreditgrundlage verhandelt. Eigentum erhielt übrigens in diesem Bereich als Besitz von Ehre auch eine besondere Konnotation. Frauen waren unabhängig davon in einen Ehrbegriff inkludiert, der sich auf die Ehrbarkeit der Familie bezog. In die Kreditnetzwerke waren sie selbstverständlich eingebunden, zumal Kreditwürdigkeit als Grundlage für das Eingehen von Kreditbeziehungen lediglich von der sozialen Stellung abhing. Die Rechtsprechungspraxis war entsprechend geschlechtsneutral strukturiert. Zentrales Kriterium war die Sicherung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs, die das Prinzip der Schutzbedürftigkeit von Frauen im Rechtsverkehr in den Hintergrund treten ließ. Die ,weiblichen Freiheiten‘ erwiesen sich in diesem Sinne auch nicht als signifikanter Bestandteil der Rechtspraxis. In den Konflikten um die Durchsetzung konkurrierender Eigentumsrechte rückten gegenüber den Erb- und Schuldstreitigkeiten Eigentumsschutz, Eigentumsfreiheit und Gemeinnutz als zentrale, fallspezifisch konkretisierte Topoi in den Vordergrund. Die Kategorie Eigentum avancierte hier zum Bestandteil von gemeindlichen Integrationswerten, die je nach Interessenlage der Prozessparteien in Beziehung zu anderen stadtbürgerlichen oder ordnungspolitischen Zieltopoi gesetzt wurde. Diese wurden vor Gericht mit einer dezidierten Anspruchssemantik (gerechte Justiz, Eigentumsschutz) verbunden, die die prozessierenden Frauen als Mitglied in die Eigentümergesellschaft integrierte. Kollidierten Eigentumsrechte, wurden die subjektiven Rechtsansprüche über unterschiedliche Strategien als das bessere Recht prä-

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4. Resümee

sentiert. Dies geschah durch den Rekurs auf die als gemeinwohlorientiert postulierten Eigentumsinteressen. Vice versa wurden Prozessgegnern Abweichungen von dieser Norm zugeschrieben und damit Rechtsansprüche auf Eigentumspositionen delegitimiert. Dieser Mechanismus wurde auch in Bezug auf die Leitwerte der Nachbarschaft genutzt, innerhalb der die städtischen Eigentums- und Besitzrechtskonflikte ausgetragen wurden. Eingriffe in nachbarschaftliches Eigentum ließen sich so als Verstoß gegen das gemeindliche Ordnungsgefüge suggerieren. In diesem Kontext standen mit dem Eigentumskonflikt das Sozialkapital der Akteure sowie ihre Position innerhalb der Gemeinde zur Verhandlung. Zur Delegitimierung gegnerischer Eigentumspositionen setzten juristische Argumentationen ferner beim sprachlichen Gebrauch der Kategorie Eigentum selbst an. Dabei wurde taktisch deren Ambiguität genutzt; beispielsweise wurden auf Besitz- und Eigentumsrechte bezogene Begrifflichkeiten gegebenenfalls synonym verwandt. Konnten lediglich Nutzungsrechte (Befugnisse) beansprucht werden, wurde in diesen Fällen durch die rhetorische Orientierung an Eigentumstermini der Signalcharakter von Eigentum instrumentalisiert. Dies galt auch für den als possessio libertatis deklarierten Rechtsbesitz, der praktisch alle Streitigkeiten auf die Ebene von Eigentumskonkurrenzen hob. Vor allem bei den Konflikten um Gerechtigkeiten wurde auch im 17. Jahrhundert der appellative Charakter der naturrechtlich fundierten Freiheit genutzt, die als ,possessio libertatis naturalis‘ oder ,natürliche Freiheit‘ neben der Gemeinwohlidee zur bestimmenden Topik im Bereich der Eigentumskonkurrenzen zählte.9 Im Übrigen konnte selbst der argumentative Verweis auf Rechtstitel, wenn nicht affektiv aufgeladen, so doch topisch sein.10 Deutlich wird dies in den Auseinandersetzungen, die den Diskurs um Eigentumsrechte strikt versachlicht, formalisiert und mit zahlreichen Latinisierungen versahen. Der Gebrauch von lateinischen Fachtermini und Rechtszitaten entsprach nicht dem stilus curiae und wurde in den Gerichtsordnungen untersagt. Sie waren daher alles andere als rechtlich relevante Bestandteile einer narratio, doch markierten sie die interessegeleitete Argumentation als scheinbar objektiven Rechtsdiskurs.11 So bot auch die strategische Nutzung der Rechtssprache eine Option, nicht nur juristische Kompetenz zu demonstrieren, sondern behauptete Eigentumsrechte zu affirmieren und gegenüber den gegnerischen Ansprüchen hervorzuheben. In den gerichtlichen Auseinandersetzungen, die sich insgesamt auch als Sensorium wirtschaftlicher und lokalpolitischer Problemfelder begreifen 9

10 11

Die persönliche Freiheit, das Eigentum an der Person stand in den Konflikten jedoch nicht zur Debatte – zumal Dienste bzw. Herrschaftskonflikte im grundherrlichen Bereich nicht zu den Konfliktfeldern zählte, in denen Frauen vor dem Hofgericht prozessierten. Anders S, Nachbarn, S. 177. A, Sprachformeln, S. 57–72; G, Rhetorik, S. 15: „Sachlichkeit“ ist einer der stärksten Hebel in der juristischen Rhetorik.“

4. Resümee

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lassen, fungierte das Jenaer Hofgericht als pazifizierendes bzw. konsensorientiertes Justizorgan. Vor allem im Bereich der sich innerhalb sozialer Näheverhältnisse (Familie, Nachbarschaft) entwickelten Streitigkeiten galt mit Blick auf Rechtsfriede und Auskommen in der face-to-face-Gesellschaft der „Primat des Vergleichs“.12 Der Interessenausgleich avancierte hier gewissermaßen zum topisch aktualisierten Rechtsprinzip, dessen sich die Akteure vor Gericht durch Rekurse auf Eintracht oder ,Liebe zum Frieden‘ immer wieder neu vergewisserten. Dies korrespondierte mit den Justiznutzungsstrategien der Prozessparteien. In Übereinstimmung mit bisherigen Befunden zur Justiznutzung wurde das Gericht strategisch in der Funktion eines Druckmittels und Katalysators von Konflikten genutzt. Mittels obrigkeitlicher Autorität wurden Vertragspartner, Nachbarn oder Verwandte zum Verhandeln bewegt. Die Parteien nutzten dabei die Justiz, um Vergleichsangeboten aufgrund der eingeschalteten amtlichen Autorität einen größeren Nachdruck zu verleihen. Nach der Klageerhebung wurden nicht selten alternative, informelle Regulierungsformen wieder aufgegriffen. Das Gericht bot jedoch auch eine Plattform dafür, mit den Eigentumspositionen insgesamt das Sozialkapital der Akteure auszuhandeln – etwa, wenn es galt, die Kreditwürdigkeit der Beteiligten formal und sozial wieder herzustellen. Frauen nutzten die mit dem Rechtsweg verbundenen Handlungsoptionen aufgrund ihrer Eigentumsrechte oder der Einbindung in Kreditnetzwerke. Dabei fanden sie in Sachsen-Weimar(-Eisenach) mit einem verdichteten Justizsystem insgesamt günstige Rahmenbedingungen vor. Je nach Sachlage konnten sie sich an den Aushandlungsprozessen des professionell und effizient arbeitenden Hofgerichts persönlich beteiligen. Dies galt für das Engagement eines entsprechenden Kurators, der Teilnahme an den gütlichen Handlungen, Ortsbegehungen sowie der Kommunikation mit dem Gericht in eigener Sache, in Vormundschaft für ihre Kinder oder bei Abwesenheit ihres Ehemannes. Überhaupt agierten Frauen weitgehend eigenständig in der Zivilrechtspraxis. Dabei zeigen die Gerichtsverfahren, dass die den Witwen gemeinhin zugeschriebenen rechtlichen Freiräume auch für die unabhängig vom Ehemann handelnden Ehefrauen galten. Als Testatorinnen organisierten sie den Eigentumstransfer und entschieden über Eigentumspositionen, als Kreditgeberinnen klagten sie Forderungen ein, als Haus- und Grundeigentümerinnen prozessierten sie in ihrer Funktion als Verwalterin. Der Umgang mit dem Rechtssystem, sofern er sich anhand der Parteiakten erkennen lässt, war auffallend souverän. Die gerichtliche Aushandlung von Erbe, Forderungen oder Eigentumsschutz wurde dabei weder auf der Ebene der Prozessparteien noch auf der Ebene der Rechtsprechung vorrangig von geschlechtsspezifischen Distinktionen bestimmt – zumal vor Gericht im Sinne eines handlungsfähigen Rechtssubjekts ohnehin vom Geschlecht abstrahiert

12

S, Einigkeit, S. 146.

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4. Resümee

wurde.13 Auch die Eigentumstopik wurde durch die Kategorie Geschlecht nicht wesentlich strukturiert. Eine Präsenz der Kategorie Geschlecht vor Gericht lässt sich lediglich erstens in vertragsrechtlichen Konflikten im Bereich der Schuldforderungen und der Eigentumskonkurrenzen konstatieren. Hier bot der Rechtsstatus von Frauen im Rahmen der Normenkonkurrenz von Personen-, Ehegüter- und Vertragsrecht anwaltliche Argumentationsspielräume. Ein strategischer Rekurs auf die ,weibliche Schwäche‘ als Option, sich vor Gericht zu exkulpieren oder Konzilianz zu erreichen, fand – wenn überhaupt – nur im Rahmen von Schuldkonflikten mit Blick auf die ,weiblichen Rechtswohltaten‘ statt. Insgesamt waren die prozesstaktischen Argumente mit dem Rechtsinstitut der Geschlechtsvormundschaft oder der ,weiblichen Freiheiten‘ jedoch marginal und hatten nicht die Sprengkraft innerhalb der Rechts- und Eigentumskultur, wie sie der zeitgenössische Diskurs strategisch unterstellte. Zweitens bot das Sonderrecht des privilegium miserabilium verwitweten Frauen und Waisen die Möglichkeit, Schutzrechte geltend zu machen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieses Sonderrecht vom Prinzip her nicht geschlechtsspezifisch strukturiert war, sondern – auf einer sozial und wirtschaftlich definierten Schutzbedürftigkeit basierend – auch Waise, Kranke, Bedürftige, Blinde, Fremde, Gefangene etc. umfasste.14 Mit dem Topos der armen, betrübten oder bedrängten Witwe wurde vor Gericht auf ein gesellschaftlich virulentes, potenziell justiziables Deutungsmuster für Witwen rekurriert. Dieser konnte selbst innerhalb eines Verfahrens dynamisch in unterschiedlichen Funktionen genutzt werden, um die Verfahrensgestaltung zu legitimieren (Gerichtsstandsprivileg), den Gegner zu diskreditieren (z. B. Nahrungsentzug als Normbruch im Verhalten gegenüber einer Witwe) oder andere Prozessziele (bessere Verhandlungsbasis, richterliche Konzilianz, Klageabwehr, Prozesskostenminimierung etc.) zu erreichen. Die mit dem Verweis auf die Armut implizierte materielle Bedürftigkeit entsprach einem der Stereotype für Witwen, das vor Gericht Bestandteil prozessualen Kalküls sein konnte, aber nicht musste (Klage im Armenrecht). Der semantisch mit den Wortfeldern der Bedürftigkeit, Schwäche und Verlassenheit aufgeladene Rechtsstatus wurde vor allem im Verteilungs- und Ressourcenkampf um Erbe oder Schulden genutzt. Im Bereich der Konflikte um baurechtliche 13

14

Vgl. G, Eigentum, S. 261. Nicole Grochowina kommt allerdings abschließend zu dem Fazit, dass Juristen die Eigentumskultur durch Bestätigung oder Ablehnung von Eigentumsrechten auch die Geschlechterordnung entscheidend prägten und dabei die frühneuzeitliche Eigentumsordnung geschlechtlich konnotierten. G, Eigentum, S. 374. Zur Gruppe, die zeitgenössisch diesem Sonderrecht zugeschrieben wurde, siehe Art. miserable Personen, in: Z, Universal-Lexicon, Bd. 21, Sp. 461. Vgl. Thomas D, Sonderrecht in der Frühen Neuzeit. Studien zum ius singulare und den privilegia miserabilium personarum, senum und indorum in Alter und Neuer Welt, Frankfurt a.M. 2008.

4. Resümee

293

Eigentumskonkurrenzen, in dem der Eigentümerstatus verhandelt wurde und Frauen sich selbstbewusst als Eigentümerinnen präsentierten, wurde der Topos konsequenterweise vermieden. Ausgehend von der gegenüber anderen Differenzierungskriterien stärkeren Kategorie Eigentum fokussierten sich die Argumentationsmuster auf den Schutz des Eigentums und nicht auf den Schutz der Person. Ein dritter Bereich, in dem geschlechtsspezifische Differenzierungen als weibliche Negativstereotype sichtbar wurden, waren die narrativen Kontrastierungsstrategien der Prozessparteien. Sie waren ein Bestandteil der argumenta ad personam, die zur Delegitimierung von gegnerischen Rechtsansprüchen auf die persönliche Diskreditierung des Kontrahenten zielten. Diese Techniken werden aktuell als Form des nicht-sachbezogenen Konfliktaustrags unter dem Label des ,impression management‘ zusammengefasst.15 Der Transfer dieses aus der Sozialpsychologie entnommenen Konzepts auf gerichtliche Kontexte ist freilich problematisch. Verdeckt wird damit, dass frühneuzeitliche Gerichtsrhetorik vor allem durch die Orientierung an der klassischen Rhetorik- und Affektenlehre sowie der juristischen Praktikerliteratur konturiert wurde. Außerdem verbargen sich hinter den Diffamierungen der Kontrahenten (Boshaftigkeit, Prozess-, Streitsucht etc.) nicht nur Taktiken der Eindruckssteuerung, um Handlungsdruck zu suggerieren. Denn die Stoßrichtung blieb zielgerichtet rechtsimmanent, so dass diffamierende Zuschreibungen unter konkrete Rechtsfiguren (dolus, metus, temerarius litigator) mit entsprechenden Rechtsfolgen (z. B. Prozesskostenübernahme) subsumiert werden konnten. Diese prinzipiell geschlechtsneutralen Topoi wurden tendenziell erst dann geschlechtlich konnotiert, wenn dem Rechtsverfahren eskalierte, emotionale Konflikte zugrunde lagen. Einen feststehenden kausalen Zusammenhang gab es allerdings nicht. In der „agonalen Kommunikation“16 vor Gericht spielte eher die Ehre eine herausragende Rolle, die wie Eigentum, Besitz und Vermögen in der frühneuzeitlichen Knappheitsgesellschaft ein limitiertes Gut war. Ehrsemantiken fungierten in den Auseinandersetzungen nicht nur als konfliktverschärfende Antriebsfaktoren, sondern transformierten die Auseinandersetzung um Eigentum auf eine Ebene, auf der zusätzlich über das symbolische Kapital verhandelt wurde. Alles in allem war der Zusammenhang von Eigentumsrechten und Geschlecht im Zivilrecht nicht so stringent aufeinander abgestimmt, wie es viele geschlechtergeschichtliche Studien vielleicht implizieren.17 Die interessegeleitete Nutzung von Normen und Justiz ließ Frauen vor Gericht daher auch nicht durchgängig nach dem Klischee argumentieren. In der Rechtsprechungspraxis wurden sie weder geschlechtsspezifisch begünstigt oder benachteiligt, so dass Argumentationsmuster mit weiblichen Privilegien an ihre Grenzen 15 16 17

S, Nachbarn, S. 169–186. W, Agonale Kommunikation. Vgl. S, Kommentar, S. 97–108.

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4. Resümee

stießen. Waren Frauen als Personen minderen Rechts auf normativer Ebene in ihrer Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit reglementiert, wurde dies in der Zivilrechtspraxis relativiert. Dies ist insbesondere auf die starke Rechtsposition zurückzuführen, die den prozessierenden Frauen durch ihre einklagbaren Eigentums- und Besitzrechte gegeben waren. Rechtliche Handlungsspielräume ergaben sich dabei aus der Differenz von widersprüchlichen Rechtsnormen, stilus curiae, Rechtspraxis und zeitgenössischen Diskursen. Dieser Befund lässt sich jedoch präzisieren. Zentral waren die prinzipielle Eigentumsfähigkeit von Frauen sowie ihr Einschluss in die Rechtsweggarantie mit der Gewähr von Rechtsschutz für Eigentum und Besitz. Dieser Zusammenhang konnte auf der Basis des zeitgenössischen Eigentumsbegriffs entscheidend dynamisiert werden. Voraussetzung dafür war das „extensive, nahezu hypertrophe Eigentumsverständnis“ der Zeit.18 Vor dieser Folie ließen sich gewissermaßen alle möglichen Rechtstitel unter Eigentumsvorbehalt stellen. Galt die Eigentumssicherung als fundamentaler Wert in der Rechts- und Eigentumskultur des Alten Reiches, konnten unter dieser Prämisse eben nicht nur Erbe, Forderungen, Eigentum und Besitz, sondern auch postulierter Rechtsbesitz eingeklagt werden. Jede Vorenthaltung eines Rechts ließ sich vor Gericht gleichsam als Unterminierung von Eigentumspositionen inszenieren. ,Recht durch Eigentum‘ galt daher nicht nur im engen Sinn für Eigentümerinnen oder Besitzerinnen. Diese Formel schloss auch die Frauen ein, die aufgrund des weiten Eigentumsverständnisses entweder an den abgestuften Berechtigungen bzw. Privilegien partizipierten oder lediglich für behaupteten Rechtsbesitz Besitzschutz einforderten. Die These, dass sich qua Eigentum die Grenzen des Geschlechts überwinden ließen, erhält damit eine Stoßrichtung, die auch für die Rechtsstellung anderer Gruppen minderen Rechts (Bauern, Juden) entscheidend war.19 Für die Gruppe der Frauen bestätigt sich eben diese Qualität von Eigentum. So konnten sich Frauen auf der Basis ihrer Eigentums- und Rechtsposition vor Gericht als selbstverständliches Mitglied der ständischen Gesellschaft präsentieren. Insofern trugen die Rechtskonflikte politisches Potential, wie auch Julie Hardwick für Frankreich festgestellt hat.20 Frauen, „credible, critical members of litigation communities“21 , gestalteten dabei als „active participants“22 ökonomische und politische Entwicklungen mit.

18 19

20 21 22

F, Rittergüter, S. 195. Darauf deuten auch die Ergebnisse für Bauern z. B. bei S, Untertanenprozesse, für die Gruppe der Juden: Sabine U, Der Streit um die Weide. Ein Ressourcenkonflikt zwischen Christen und Juden in den Dorfgemeinden der Markgrafschaft Burgau, in: H (Hrsg.), Devianz, S. 99–136. H, Family Business, S. 223. Ebd., S. 124. Ebd., S. 126.

4. Resümee

295

Bezeichnenderweise korrespondierten mit der Etablierung einer bürgerlichen Eigentumsordnung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Prozesse, die im Zuge der Kodifikation mit der Delegitimierung der iura quaesita auch die rechtlichen Freiräume von Frauen einschränkten.23 Damit korrelierte eine zunehmende Marginalisierung von Frauen in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, wie sie etwa für Preußen nachgewiesen wurde.24 Auch vor diesem Hintergrund bestätigt sich die These, dass Frauen aufgrund ihrer Teilhabe an Eigentumsrechten und rechtlich garantiertem Eigentumsschutz in der societas inequalis des Alten Reiches letztlich über bessere Handlungsoptionen verfügten, als in der auf dem Prinzip der Rechtsgleichheit basierenden bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.25 Abschließend lässt sich resümieren, dass Eigentumsrechte in der Frühen Neuzeit den Rechtsstatus einer Person weit mehr als andere Differenzkategorien wie Geschlecht, Personenstatus oder Stand definierten. Auch in dieser Hinsicht lässt sich Eigentum als wichtiges Strukturelement der ständischen Gesellschaft des Alten Reiches bestimmen. Für die Zivilrechtspraxis wird damit die breit rezipierte These widerlegt, dass das frühneuzeitliche Gericht als herausragender gesellschaftlicher Ort für die Konstruktion von Geschlecht und der Aushandlung von Geschlechterrollen fungierte. Die Formel einer generellen „geschlechtsspezifischen Diskriminierung durch Recht“ geht im zivilrechtlichen Kontext nicht auf.26 Eine Ausweitung dieser These zu einem Signum der frühneuzeitlichen Rechtskultur ist problematisch, weil sie parallele Rechtspraktiken ausblendet. Die gesellschaftliche Wirksamkeit dieser Konstruktion von Geschlechterrollen wurde konterkariert durch das starke Recht des Eigentums, das die kulturelle Normsetzung, die gesellschaftliche Ordnung elementar prägte. Eigentum privilegierte und hebelte Geschlecht als personenrechtliches Strukturelement aus. Dieses war eben nur ein Parameter in der frühneuzeitlichen Rechtskultur, in der die individuelle Rechtsstellung aus einer Vielzahl von Differenzierungskategorien bestimmt wurde.27 Hier erweist sich schließlich auch das Potential der Topik als historiographischer Methode. Damit kann der Kategorie Geschlecht im Kontext der Zivilgerichts-

23

24

25 26 27

Susanne L, Die privatrechtliche Stellung der Frau im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: L’Homme 14,1, 2003, S. 110–123. Zum frühneuzeitlichen Sonderrecht D, Sonderrecht. Vgl. die These Monika Wienforts, nach der die Präsenz von Frauen vor Gericht im Vormärz gegenüber dem späten 18. Jahrhundert rückläufig war. W, Patrimonialgerichte, S. 187, 240. W, Herrschaft; W, Freiheit. G, Diskriminierung, S. 67. Ähnlich für das Alter als Rechtskategorie D, Generationengerechtigkeit, S. 50.

296

4. Resümee

barkeit der ihr angemessene Raum zugewiesen werden – als ein Topos unter vielen.28

28

Gerade in Bezug auf Funktionen und Topiken frühneuzeitlicher Ordnungsleitbilder und Wertvorstellungen in der Rechtspraxis liegen weitere Perspektiven einer historischen Zivilrechtsforschung. Zumal die Untersuchung des Zusammenhangs von Topik, Recht und Gesellschaft bislang lediglich postuliert wurde. Lothar B, Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft, Frankfurt a.M. 1976. Zu Ansätzen eines topikgeschichtlichen Paradigmenwechsels in Literatur-, Kunstgeschichte, Philosophie, Rhetorik und Historiographie siehe aktuell Thomas F/Ursula K/Ulrike T (Hrsg.), Topik und Tradition: Prozesse der Neuordnung von Wissensüberlieferungen des 13. bis 17. Jahrhunderts, Göttingen 2007. Abzugrenzen ist dieser Ansatz von der Topik als juristischer Argumentationslehre. Vgl. S, Recht; F, Topoi.

Abkürzungen Abt. ALR Art. Aufl. Bd., Bde. Bl. BldtLG C. Cap. D. Ders. DRWB Dies. Diss. Ebd. fl. FS GG gl. H. HA HGO Hist. Jb. Hrsg. HRG HZ JbGFeud Kap. Lib. m.w.N. NASG ND NF Nr. o.O. r Reg. Rtl. S. Sp.

Abteilung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Artikel Auflage Band, Bände Blatt Blätter für deutsche Landesgeschichte Codex Justinianus Caput, Capitel Digesten Derselbe Deutsches Rechtswörterbuch Dieselbe(n) Dissertation Ebenda Gulden (Florin) Festschrift Geschichte und Gesellschaft Groschen Heft(e) Historische Anthropologie Hofgerichtsordnung Historisches Jahrbuch Herausgeber Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus Kapitel Liber mit weiteren Nachweisen Neues Archiv für Sächsische Geschichte Nachdruck Neue Folge Nummer ohne Ort recto Registrande Reichstaler Seite Spalte(n)

298

Abkürzungen

Sect. Spec. StAJ T T. ThHStAW Tit. Tom. v Verf. Vgl. Vol. VSWG ZfG Zit./zit. ZNR ZHF ZRG, GA

Sectio Specimen Stadtarchiv Jena Taler Teil(e) Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Titulus Tomus verso Verfasser Vergleiche Volumen Vierteljahresheft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zitat/zitiert Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung ZRG, RA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung ZVThG(A) Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte (und Altertumskunde), Zeitschrift für Thüringische Geschichte

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Ungedruckte Quellen Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Bestand Hofgericht Jena, Generalia Nr. 18b, d, 20, 21, 28, 29, 35, 43a, 43c, 60a, 60b, 63, 66, 120,160. Bestand Hofgericht Jena, Abteilung Weimar Nr. 11, 13, 35a–f, 42, 50a, 50b, 100, 120, 174, 214, 218, 245, 285, 306, 327, 381, 450, 488a–b, 502, 511, 519, 523, 527, 559, 572, 577, 578, 580a–b, 667, 683, 688, 705, 711, 745, 801, 803, 834, 849, 872a–c, 872e, 889, 890, 893, 900, 907, 919, 923, 925a–c, 925a, 937, 964, 975, 1010a–b, 1012, 1014, 1042 a, 1052, 1058,1130b, 1143, 1149, 1157, 1162, 1163, 1184a, 1196, 1206, 1222, 1237, 1298, 1333, 1342, 1403a–k,1406,1485a–g,1531, 1691. Bestand A: Kunst und Wissenschaft 5509, 5512, 5513, 5515, 5521, 5522, 5524, 5552, 7950, 7950, 7950, 7959, 7963, 7965, 8024, 8031, 8032. Bestand B: Landschaft und Landtag, Rechtspflege, Polizeisachen, Gesetze, Steuerwesen 35, 69, 73, 75, 114, 2009, 2029, 2045, 2191c, 2198, 2200–2205, 2209, 2223, 2226, 2228, 2234a, 2235, 2236, 2239, 2250, 2251, 2256, 2256, 2256, 2260, 2286, 2288, 2291, 2192a, 2256, 2273, 2309, 4941, 4913, 4989, 5193, 17026, 17639, 17645. Bestand Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O 1063, 1064. Stadtarchiv Jena B XVh – 1, B XVh – 10a, B XVh – 10b, B XVh – 11, B XVh – 12, B XVh – 14, C III Nr. 34.

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Register Personenregister Amend-Traut, A. Aristoteles 51

193

Bartolus, de Sassoferrato 59 Beck, C. A. 119, 163 Beck, S. D. 163f. Becker, C. A. 266–271 Berger, A. M. von 196, 201 Beuthold, J. C. 167, 184, 207, 254 Beyer, E. 154 Beyer, W. 154 Böhmer, J. H. 62, 67 Bourdieu, P. 53 Brakensiek, S. 22 Brandt, J. F. von 118 Brandt, S. E. von 276f. Brückner, D. R. 243–246 Brunquell, J. S. 119 Burghartz, S. 26 Burgsdorff, F. G. von 201 Burgsdorff, G. H. von 201–203 Carlowitz, J. R. von 212f. Carpzov, B. 62, 94, 162, 223 Chemnitz, A. 182–186 Chemnitz, A. E. 182–187 Chemnitz, J. F. 182–187 Cicero, M. T. 132 Diethmuth, A. 161 Dietmar, J. C. 225 Dietrichs, D. E. 241 Dinges, M. 193 Döderlein, J. C. 268 Dürfeld, C. 119 Eckardt, F. S. von 270 Eckardt, J. L. von 119 Eibach, J. 25 Eichmann, J. C. 225–228 Einsiedel, F. H. von 119 Elze, C. 229f. Emminghaus, J. E. 231

Faber, M. C. 157–160, 170 Falk, U. 152 Fick, J. J. 166, 168 Finx, S. M. 239 Fischer, J. A. 272–274 Fischer, J. S. 203 Franckenhäuser, M. E. 225–228 Fuchs, G. A. 272–274 Gail, A. von 223 Gleixner, U. 26, 31 Göchhausen, H. F. von 239 Göchhausen, J. C. von 239 Griesebner, A. 23, 53 Griesheim, A. C. von 118 Grochowina, N. 20f. Grotius, H. 63f., 86 Gundling, N. H. 60, 64, 132 Häberle, J. M. 212 Häberle, M. 212 Häberle, M. S. 212 Hahnemann, E. 264 Hahnemann, M. S. 157f. Hardwick, J. 294 Hartung, F. 43 Hartung, J. C. 182 Hartung, R. M. 272 Hegner, A. M. 170 Hegner, J. R. 166 Hegner, M. M. 165, 169 Heimburg, J. C. 119 Heineccius, J. G. 62, 66f. Heintz, A. R. 161 Hellbach, J. A. 247 Hellfeld, B. G. H. von 42, 121 Hellfeld, J. A. C. von 205 Hellfeld, J. A. von 69, 95, 119, 246 Hellfeld, L. C. von 11, 114 Hendrich, F. L. A. von 196 Hendrich, J. F. von 98, 236 Hennicke, C. 11 Hepp, M. C. von 203 Hermann, S. M. 155

350

Register

Herrmann, M. 204 Hertel, J. F. 119, 218 Heydenreich, C. 209 Heydenreich, G. F. 208f. Hochhaus, J. W. 197 Hochhaus, R. J. 196 Hochhausen 262 Hoffmann, A. M. 262 Hoffmann, C. M. C. 204–206 Hoffmann, E. 253 Hoffmann, J. C. 229f. Hoffmann, J. D. 241 Hoffmann, J. G. 204 Hoffmann, J. G. B. 229f. Hohkamp, M. 26, 30 Hüttich, F. 157f. Hufeland, G. 64, 268 Hufschmidt , A. 32 Janson, B. 164, 246, 248 Justinian 71 Kalb, C. A. von 119 Keul, C. 221–225 Keul, J. S. 221 Klein, E. F. 73 Klemm, C. 16 Kling, M. 119 Knüpfer, J. D. 168 Koppisch, M. F. 197 Kospoth, J. S. von 238 Krause, R. W. 114 Kroeschell, K. 16 Kromeyer, J. F. 166, 255, 262 Kromeyer, M. E. 241 Laun, J. A. 184 Letsch, J. A. A. 172–175 Letsch, J. S. 172–175 Letsch, P. 174 Leyser, A. 67 Loeber, A. C. F. 114 Luhmann, N. 37 Lutter, C. 23 Mackenrodt, E. R. W. 176f. Mähler, A. M. 213–218 Mähler, H. L. 213 Matthes, A. M. 262f., 271 Mayer-Maly, T. 16 Medick, H. 18 Meinhardt, J. D. 154

Meix, S. S. 252–256 Mentz, G. 43 Mereau, E. C. F. 119, 157 Meußbach, S. E. von 203 Meyer, R. M. 211 Milckau, C. F. von 155f. Müller, D. M. 197 Muldrew, C. 193 Nauendorff, G. F. von 118 Nicander, J. C. 246, 248 Niethammer, R. J. E. 266–271 Niethammers, F. I. 270 Nothnagel 218 Öfftiger, H. C. 274–276 Osterhausen, J. S. von 118 Otto, F. G. 250, 253, 255 Otto, J. W. 213f. Paulsen, J. J. J. H. 246–251 Petersen, A. D. 206–208 Pfeiffer, D. M. 213 Pflug, B. von 118 Pfündel, J. 213–218 Pufendorf, S. 63f. Quintilian, M. F.

51, 132

Ranieri, F. 53 Rappe, S. 30 Rau, J. F. 243–246 Rehm, G. C. 253 Reichardt, J. A. 268 Reinecke, A. M. 165–167, 197 Reinecke, W. 165–167 Reinhard, J. T. 70f. Reißmann, C. G. 196 Riemann, J. V. 179f. Rost, W. C. 226 Rudolph, A. S. 166 Rudolph, M. A. von 206–208 Rugeröhn, U. 263–267 Rummel, M. 33 Rumpel, G. F. 221–225 Sabean, D. W. 18f., 30, 220 Sachse, J. A. H. 200 Sachse, M. D. 200 Sachsen, J. F. II. von 117 Sachsen-Eisenach, J. W. von 214 Sachsen-Gotha, E. I. von 114

351

Personenregister Sachsen-Weimar, E. A. von 90 Sachsen-Weimar, J. W. I. von 117 Sachsen-Weimar, W. E. von 76, 223 Sachsen-Weimar-Eisenach, A. A. von 75 Sachsen-Weimar-Eisenach, C. A. von 113 Salzmann, G. J. W. 247, 268 Salzmann, J. F. G. 158 Sander 178–181 Sander, C. 178–181 Sander, M. 178 Savignys, F. C. von 71 Schaumburg, J. G. 67f., 119, 130 Scheffenberg, D. S. C. 176 Scheffenberg, R. H. 176 Schellwitz, J. C. L. von 119 Schilling, E. 275f. Schilling, H. G. 274–276 Schincke, C. C. 161 Schlettwein, J. A. 86 Schmidt, E. M. M. 257–261 Schmidt, G. J. 278 Schmidt, J. 115 Schmidt, J. L. 119 Schneidewein, H. 119 Schötz, S. 32 Scholber, J. C. 204–206 Schröter, C. F. 264 Schröter, J. C. 119 Schumann, J. M. 253 Schuster, P. 21 Schwabe, B. F. 155 Schwarzenfels, A. L. von 118 Schwarzenfels, F. von 119 Schwerhoff, G. 48 Scott, J. 26 Seckendorff, V. L. von 118 Sell, J. C. 207, 226 Semler, A. 232 Semler, A. S. P. 138 Senff , M. 197 Senff, P. A. 197 Seyfart , L. 241 Sieber, J. W. 157–160, 171 Siegrist, H. 19–22 Simon-Muscheid, K. 47 Slevogt, J. S. 218f. Slevogt, S. A. 197 Stolleis, M. 22

Struve, G. A. 60–64, 94, 114, 275, 277 Stryk, S. 62, 67, 94, 273, 277 Stubenroll, F. S. Freiherr von 212 Sturm, B. 193 Sugarman, D. 19–22 Tannenberg, J. C. 166–168 Tannenberg, J. G. 166 Taubadel 164 Tevenar, J. W. von 138 Theus, E. R. 208f. Theus, J. Z. 209 Thibaut, A. F. J. 70 Thomasius, C. 63, 173 Thümler, M. S. 278 Trautmann, F. A. 166f. Trübner, A. C. 252–256 Tubald, J. M. 154 Vater, A. 161 Vater, C. M. 162 Ventzke, M. 43 Walch, C. W. 268 Walch, K. F. 101, 119 Wedel, A. M. 246–251 Wedel, J. E. W. 257–261 Weidner, F. 210f. Werkstetter, C. 32 Werther, J. F. 159, 205 Wesel, U. 26 Wesenbeck, M. 119 Westphal, S. 43 Wettin, Haus 116 Wiesner, J. B. 138 Wildvogel, A. R. M. 197 Wildvogel, C. 264f. Windheim, von 263, 265 Wolff, C. 63–65 Wolfframsdorff, J. A. von 276f. Wolzogen, F. Freiherr von 118 Worm, H. W. 203 Wunder, H. 22f., 28 Zesch 218 Ziegenmeyer, M. C. 263–267 Ziegesar, A. F. C. Reichsherr von

119

352

Register

Ortsregister Allstedt 108 Altenburg 145 Altmark 26 Ammerbach 239 Anhalt-Bernburg 137 Apolda 107f., 209 Arnstadt 44, 145 Augsburg 32, 74 Bayern 132 Berka 107 Beulbar 276 Bremen 132 Bürgel 108, 145, 272 Burgau 107, 145, 238 Buttelstedt 145, 239 Buttstedt 108 Creuzburg

Leipzig 32, 84, 95, 112, 116–118, 157, 170, 172, 178, 201, 221f., 225, 274 Leuchtenburg 212 Leutra 172 Lobeda 145, 196, 212 Magdeburg 138 Marburg 118 Maua 239 Mecklenburg 76 Münster 99

108

Daasdorf 145 Dannenberg 30 Dornburg 108, 145, 155, 176 Eisenach 109, 112, 145, 240 Eisleben 145 England 193 Erfurt 157 Frankfurt 221, 228, 231 Freiburg 30 Gleina 276 Golmsdorf 158 Gotha 118 Großbrembach 274 Großschwabhausen 239 Halle 67, 112, 119, 132, 138, 157, 170, 176–178 Hamburg 132 Hannover 132, 228 Hardisleben 108 Heichelheim 203 Helmstedt 67 Heusdorf 108, 155 Ilmenau

Kahla 145, 172, 212 Kapellendorf 107f. Kreipitzsch 203 Kursachsen 42, 45, 74f., 78, 82–84, 86, 88, 92, 94, 96f., 113, 116f., 126, 146, 151, 222, 224

107f.

Nauendorf 213 Neubraunshayn 204 Neustadt an der Orla 161 Oberkranichfeld 108 Oberweimar 107 Olbersleben 274 Oldisleben 107 Paris 194 Pößneck 162 Preußen 295 Remda 108 Remderoda 145 Reuß-Schleiz 168 Riednordhausen 225 Ringleben 107 Roda 183 Roßla 107f. Rostock 30 Russland 200 Sachsen-Altenburg 118, 151 Sachsen-Coburg-Saalfeld 44 Sachsen-Eisenach 96, 98, 107, 114, 140 Sachsen-Gotha(-Altenburg) 44, 91, 95, 114, 118, 148, 163 Sachsen-Hildburghausen 44 Sachsen-Jena 107

Ortsregister Sachsen-Meiningen Schleiz 166, 168 Stadtroda 182 Stralsund 30

44

Thalborn 145, 203f. Triberg 30 Tübingen 30, 118 Umpferstedt

178

Weimar 43, 54, 77, 84, 90, 97f., 107–110, 112, 144f., 148, 163, 178f., 196, 200f.,

353

203, 209, 211, 221–223, 225, 229, 239f., 242, 256f., 275 Weserraum 32 Westfalen 75 Wetzlar 70 Winzerla 239 Wittenberg 67, 84, 112, 116, 118, 123, 175 Wormstedt 155 Württemberg 30, 220 Ziegenhain

145

bibliothek altes Reich baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich – baR“ folgende Ziele: – Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs – Bündelung der Forschungsdiskussion – Popularisierung von Fachwissen – Institutionelle Unabhängigkeit Inhaltliche und methodische Neuausrichtung An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt. Bündelung der Forschung Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Subund Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Popularisierung von Fachwissen Die „bibliothek altes Reich – baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissensbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden. Institutionelle Unabhängigkeit Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich – baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich – baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird.

Band 1 Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal 2006. VIII, 283 S. 19 Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN 978-3-486-57909-3 Band 2 Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 2. Aufl. 2008. VIII, 390 S. ISBN 978-3-486-58747-0 Band 3 Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2007. 303 S. ISBN 978-3-486-57910-9 Band 4 Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 2010. X. 427 S. ISBN 978-3-486-58789-0 Band 5 Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst 2012. ISBN 978-3-486-57911-6 Band 6 Siegrid Westphal, Inken Schmidt-Voges, Anette Baumann Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit 2011. 276 S. ISBN 978-3-486-57912-3 Band 7 Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst 2012. ISBN 978-3-486-70251-4 Band 8 Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke 2010. 392 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-59820-9 Band 9 Alexander Jendorff Der Tod des Tyrannen Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintzingerode 2012. VIII. 287 S. ISBN 978-3-486-70709-0 Band 10 Thomas Lau Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648–1806) 2012. 156 S. ISBN 978-3-486-70757-1 Band 11 Die höchsten Reichsgerichte als mediales Ereignis Herausgegeben von Anja Amend-Traut, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2012. 231 S. ISBN 978-3-486-71025-0

Band 12 Hendrikje Carius Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648–1806) 2012. 353 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-71618-4