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German Pages 336 [344] Year 2011
Wiede · Rasse im Buch
Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit
Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael Band 34
Oldenbourg Verlag München 2011
Wiebke Wiede
Rasse im Buch Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik
Oldenbourg Verlag 2011
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forschungsstand und Forschungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Verlagsbuchhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Rassismus und Antisemitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Absatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 10 11 12 13 16
II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik? 1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von kulturellen Codierungen zu fluktuierenden Codierungen – Antisemitismus und Rassismus auf dem Buchmarkt der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Der Georg Westermann Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensstruktur: Expansion und Professionalisierung . . . 2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Geographie: Weltbilder im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Pädagogik: Das Tor zur Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Belletristik: Welt in Dorf und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antisemitische Literaturgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Adolf Bartels, Geschichte der deutschen Literatur . . . . . . . . 3.2 Absatzsegment: Nationalbewusste Literaturgeschichte – obligater Antisemitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rassenkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Otto Hausers Rasse-Reihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Absatzsegment: Rassenkunde im Taschenbuchformat . . . . . 5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Rassismus der Anschauung: Abendland und Morgenland . . 5.2 Absatzsegment: Der Untergang des Abendlandes? . . . . . . . . 5.3 Enzyklopädischer Rassismus: Neue illustrierte Länderkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Absatzsegment: Naturalisierung von Nation – geographische Länderkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Antisemitische Belletristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Werner Jansen, Die Kinder Israel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Absatzsegment: Antisemitische Romane. . . . . . . . . . . . . . . . .
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33 56 56 63 66 70 77 84 84 91 100 100 103 106 112 114 118 119 124 124 128
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Inhalt
IV. Der Gustav Fischer Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensstruktur: Weltfirma in der Provinz . . . . . . . . . . . . . 2. Verlagsproduktion: Natur und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Wirtschaft und Gesellschaft: Soziale Utopien und soziale Planungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Medizin und Naturwissenschaften: Von sozialer Hygiene und Rassenhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herman Lundborg: Die Internationale der Rassisten . . . . . . . . . . 3.1 Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven . . . . . . . . . 3.2 Absatzsegment: Wissenschaftliche Einführungen in die Rassenkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Nation der nordischen Rasse: Rassenkunde des schwedischen Volkes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Absatzsegment: Internationale der Rassenkunden? . . . . . . . V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensstruktur: Zusammenwirken familialer und unternehmerischer Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlagsproduktion: Wissenschaft und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Backlist: Liberale Theologie – antisemitische Diskriminierung durch Historisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Theologische Unbedingtheit: Weimarer Theologie . . . . . . . . 2.3 Weimarer Absatzsegmente: Fragmente auf dem Weg in die Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Eine verlegerische Schwergeburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Absatzsegment: Das Wesen der deutschen Kirche . . . . . . . .
132 132 139 141 153 171 175 177 181 188 195 195 216 220 228 241 247 249 257
VI. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Peripherie und Zentrum? Anbieter rassistischer und antisemitischer Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fluktuationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zeitliche Fluktuationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Relationale Fluktuationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personen- und Firmenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Januar 2008 am Fachbereich III der Universität Trier eingereicht wurde. Am 21. Juni 2008 fand die mündliche Prüfung statt. Mit besonderer Freude komme ich der guten Tradition nach, den Menschen zu danken, die mich bei der Entstehung der Arbeit begleitet haben. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Lutz Raphael (Universität Trier) danke ich überaus herzlich für die Erstellung des Erstgutachtens, aber vielmehr für offenes Entgegenkommen, faire Kommunikation und konzeptionell wichtige Anregungen. Prof. Dr. Andreas Gestrich (Universität Trier/Deutsches Historisches Institut, London) übernahm dankenswerter Weise das Zweitgutachten und reiste zur mündlichen Prüfung an. Das Trierer Promotionsstudium in der Neueren und Neuesten Geschichte (PROMT) bot strukturierte Rahmenbedingungen zum Schreiben der Dissertation. Teile der Studie durfte ich in den PROMT-Berichtskolloquien sowie in den Kolloquien von Prof. Dr. Wolfgang Hardtwig sowie Prof. Dr. Ludolf Herbst (beide Humboldt-Universität zu Berlin) vorstellen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Veranstaltungen sei herzlich für Kritik, Ermunterung und Hilfestellungen gedankt. Prof. Herbst verdanke ich darüber hinaus den Anstoß, die Arbeit anzugehen. Prof. Dr. Wolfgang Benz (TU Berlin) und Prof. Dr. Georg Jäger (LMU München) standen bemerkenswert unbürokratisch mit Gutachten in Finanzierungsangelegenheiten hilfreich zur Seite. Prof. Dr. Siegfried Lokatis und Dr. Thomas Keiderling (beide Universität Leipzig) bügelten durch ihren historischen Sachverstand manche Unebenheit der Druckfassung aus. Den Herausgebern der Reihe Ordnungssysteme, neben Prof. Raphael Prof. Dr. Dietrich Beyrau und Prof. Dr. Anselm Doering-Manteuffel, danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe und ihre Gutachten. Finanzielle Unterstützung erfuhr die Arbeit durch ein Felix Posen Fellowship des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism der Hebrew University Jerusalem sowie ein Abschlussstipendium der Universität Trier. Die Drucklegung ermöglichte der Druckkostenzuschuss des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. Jede historische Arbeit lebt von ihren Quellen. In meinem Fall waren es oft Archivalien in Privatbesitz, zu denen der Zugang nicht selbstverständlich war. Dr. Dietrich Ruprecht und Dr. Arndt Ruprecht vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht öffneten mir das Verlagsarchiv von Vandenhoeck & Ruprecht und damit auch einen Teil ihrer eigenen Familiengeschichte. Ungewöhnlich vertrauensvoll gewährte mir insbesondere Dr. Arndt Ruprecht Zutritt zu den Verlagsarchivalien, sorgte fürsorglich für Arbeits- und Kopiermöglichkeiten im alten Verlagshaus, das als ‚Ort des Geschehens‘ für mich besondere atmosphärische Qualität besaß, und überließ mir unveröffentlichte Manuskripte
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Vorwort
seines Vaters Günther Ruprecht. Beide Teilhaber unterzogen sich der Mühe, das Kapitel über Vandenhoeck & Ruprecht zu lesen. Mit ihrer sprachlichen Kompetenz der routinierten Lektoren rückten sie einigen Unstimmigkeiten auf den Leib. Verena Kleinschmidt war im Westermann Verlagsarchiv eine außergewöhnlich engagierte und interessierte Ansprechpartnerin. Dr. Frank Boblenz ermöglichte den Zugang zu dem bis dato großenteils unerschlossenen Bestand des Gustav Fischer Verlags im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar. Dank Ursula Krause durfte ich in den Archivalien im Keller des Reclam Verlags Ditzingen wühlen. Katrin Zippel danke ich herzlich für die Organisation von Kopien aus der Universitätsbibliothek von Uppsala. Meinen Eltern Herbert und Dorothea Wiede sei diese Arbeit voller Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Trier, 30. September 2010
Wiebke Wiede
I. Einleitung 1. Forschungsstand und Forschungsinteresse Es heißt, Bücher eröffnen Welten: Welten der Bildung, der Phantasie und des Gedankenreichtums. Aber Bücher können auch Welten verschließen oder von Welten ausschließen, indem sie Einzelne oder einzelne Gruppen durch welche Mittel auch immer für deviant, unnormal oder nicht-dazugehörig erklären, zu ihrer Be- und Abwertung und ihrem Ausschluss auffordern. Das vorliegende Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbreitung antisemitischer und rassistischer Publikationen, die ethnische Be- und Abwertungsmaßstäbe verbreiten und zu ethnischer Segregation aufrufen, in der Weimarer Republik zu untersuchen. Dabei ist auch von Interesse, wie es in der demokratisch und plural verfassten Gesellschaft der Weimarer Republik möglich war, dass Bücher produziert wurden, die negative Utopien wie Rassismus und Antisemitismus unterstützten und auf diese Weise daran mitwirkten, Werte von Emanzipation und Gleichwertigkeit zurückzunehmen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die Verlagsbuchhandlungen, die Bücherproduzenten der Weimarer Republik, in ihrer Eigenschaft als intermediäre gesellschaftliche Vermittlungsinstanzen rassistischer und antisemitischer Publikationen. Mit der Untersuchung von Verlagen, die rassistische und antisemitische Publikationen verbreiteten, sollen die Lebenswelten und Erfahrungsräume sichtbar gemacht werden, in denen rassistische und antisemitische Publikationen akzeptierte und lohnende Unternehmen waren. Der überraschend spärlichen Forschungsliteratur zu diesem Themenkomplex zufolge wurden antisemitische und rassistische Publikationen über ein in völkischen Diskurs- und Milieuzusammenhängen fest verankertes Verlagsund Vertriebssystem verbreitet. Relativ einmütig wird die Problematik auf ein festes, klar bestimmbares Ensemble rechtsradikaler Verlage und ihrer Interaktionen beschränkt. Zwei Annäherungswege kennzeichnen die bisherige Forschung: Zum einen wurde die Propagandatätigkeit völkischer Organisationen und Verbände sowie Verbandsverlage untersucht. Zu nennen sind die Arbeiten von Iris Hamel, Uwe Lohalm und Andreas Meyer über den Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband bzw. den Deutschvölkischen Schutzund Trutzbund sowie von Rainer Hering über den Alldeutschen Verband.1) 1)
Vgl. Andreas Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller. Zur Buchmarkt- und Kulturpolitik des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) in der Endphase der Weimarer Republik, in: AGB 32 (1989), Sp. 1–271; Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes 1919–1923, Hamburg 1970; Iris Hamel: Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft. Der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband 1893–1933, Frankfurt/M. 1967; vgl. auch: Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ‚Dritten Reich‘. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfel-
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I. Einleitung
Zum anderen wurden einzelne ‚Überzeugungstäter‘ lokalisiert, die systematische Weltanschauungsproduktion betrieben hätten. Ausschlaggebend dafür war die methodisch anregende Studie Gary D. Starks von 1981, die fünf Verleger, die „entrepreneurs of ideology“, und ihre Verlagspolitik im Deutschen Reich in den Jahren 1890 bis 1933 in den Blick nimmt.2) Als herausragende Verbreitungsunternehmer einer neokonservativen Ideologie, die laut Starks Diktion Rassismus einschließt, behandelt er die Verleger Eugen Diederichs, Julius Friedrich Lehmann, Heinrich Beenken, Gerhard Stalling und die Hanseatische Verlagsanstalt respektive Wilhelm Stapel. In der Forschungsliteratur werden die Unternehmen J. F. Lehmanns Verlag/München und der Hammer Verlag/Leipzig häufig erwähnt.3) Julius Friedrich Lehmann, der Verleger der auflagenstarken Bände „Rassenkunde des deutschen Volkes“ von Hans F. K. Günther und „Menschliche Erblehre und Rassenhygiene“, dem rassistischeugenischen Standardwerk von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz, gilt noch in einem 2002 erschienenen Sammelband von Sigrid Stöckel als außerordentlicher Verleger der „rechten Nation“.4) Theodor Fritsch, Inhaber des Hammer Verlags und Verfasser des Antisemiten-Katechismus, war wie Lehmann umtriebiges Mitglied zahlreicher rechtsextremer Verbände und Vereinigungen. Eine Monographie über den „Altmeister des Antisemitismus“ ist hingegen Forschungsdesiderat. Im Ansatz originell wirkt Tavernaros mentalitätshistorisch ausgerichtete, vergleichende Betrachtung des NSDAP-Parder, Frankfurt/M. 1993, S. 21f.; Rainer Hering: Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939, Hamburg 2003. 2) Vgl. Gary D. Stark: Entrepreneurs of ideology. Neoconservative publishers in Germany 1890–1933, Chapel Hill 1981; auch erwähnt bei: Barbian: Literaturpolitik, S. 22. 3) Gary D. Stark: Der Verleger als Kulturunternehmer: Der J. F. Lehmanns Verlag und Rassenkunde in der Weimarer Republik, in: AGB 16 (1976), Sp. 291–318; Wojciech Kunicki: Der Verlag J.F. Lehmann (München) und seine Rolle im Vermittlungsprozeß der völkisch-rassenästhetischen Ideologien, in: Günter Hartung/Hubert Orlowski: Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, Halle/S. 1987, S. 101–117; Serge Tabary: De l’antijudaisme réligieux à l’antisemitisme politique, in: Revue d’Allemagne 32 (2000), S. 177–188; Michael Bönisch: Die Hammer-Bewegung, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch der völkischen Bewegung 1871–1918, München 1996, S. 341–365; Alexander Volland: Theodor Fritsch (1852–1933) und die Zeitschrift „Hammer“, Mainz 1993; Serge Tabary: Theodor Fritsch (1852–1933). Le ‚vieux Maître‘ de l’antisemitisme Allemand, in: Revue d’Allemagne 30 (1991), S. 596–620; Jean Favrat: Theodor Fritsch ou la conception ‚völkisch‘ de la propagande, in: Revue d’Allemagne 16 (1984), S. 521–532, wieder abgedruckt in: Louis Dupeux (Hrsg.): La ‚Révolution conservatrice‘ dans l’Allemagne de Weimar, Paris 1992; Reginald H. Phelps: Theodor Fritsch und der Antisemitismus, in: Deutsche Rundschau 87 (1961), S. 442–449; Andreas Herzog: Theodor Fritschs Zeitschrift Hammer und der Aufbau des ‚Reichs-Hammerbundes‘ als Instrumente der antisemitischen völkischen Reformbewegung (1902–1914), in: Mark Lehmstedt/Andreas Herzog (Hrsg.): Das bewegte Buch: Buchwesen und soziale, nationale und kulturelle Bewegungen um 1900, Leipzig 1999, S. 153–182; Massimo Ferrari Zumbini: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des Antisemitismus: Von der Bismarckzeit zu Hitler, Frankfurt/M. 2003, S. 321–422. 4) Stöckel: Nation.
1. Forschungsstand und Forschungsinteresse
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tei-Verlags Franz Eher Nachf. im Kontext Münchner konservativer Verlage. Das Potential der lokalen Mikrogeschichte wird jedoch nur unzureichend genutzt, die Quellengrundlage der Arbeit ist spärlich, die Ergebnisse der Arbeit verbleiben folglich im Fahrwasser gängiger Forschungsergebnisse.5) Aus der Überlagerung der skizzierten Annäherungswege ergibt sich das herrschende Forschungsbild eines geschlossenen und von einzelnen Verbandsund Verlagsfunktionären ausgehenden Produktions- und Vertriebszirkels antisemitischer und rassistischer Publikationen.6) Nur gelegentlich finden sich Andeutungen über eine allgemeine Radikalisierung des Buchmarkts, insbesondere im letzten Drittel der Weimarer Republik.7) Sie bieten die Basis für das Forschungsinteresse dieser Studie, die Streuung rassistischer und antisemitischer Publikationen im Deutschen Reich vor 1933 abseits rechtsradikaler Randgruppen sowie verbandspolitisch eng verzahnter, völkischer Vereinsverlage oder völkisch organisierter und überzeugter Verleger zu analysieren und damit stärker als bisher von der gesellschaftlichen Peripherie in das gesellschaftliche Zentrum zu rücken. Mit diesem Vorgehen versuche ich dem Paradox gerecht zu werden, mit der Verbreitung von Rassismus und Antisemitismus während der Weimarer Republik ein wichtiges Kapitel zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus in den Blick zu nehmen, gleichzeitig aber die Perspektive der Zeitgenossen nicht zu vernachlässigen und hinter die „Erfahrungsschicht“ der Gegenwart von Rassismus und Antisemitismus als Motor der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zurückzugehen.8) Die Ge5)
Thomas Tavernaro: Der Zentralverlag Franz Eher Nachf. Ges.mbH im Vergleich. Münchener Verlage und der Nationalsozialismus. Eine Mentalitätsgeschichte, Diss. Wien 1997; ders.: Der Verlag Hitlers und der NSDAP. Die Franz-Eher-Nachfolger-GmbH, Wien 2004. 6) Exemplarisch: Justus H. Ulbricht: Das völkische Verlagswesen im deutschen Kaiserreich, in: Justus H. Ulbricht/Uwe Puschner/Walter Schmitz (Hrsg.): Handbuch zur ‚Völkischen Bewegung‘ 1871–1918. München 1999, S. 277–301; Justus H. Ulbricht: „Die Quellen des Lebens rauschen in leicht zugänglicher Fassung…“. Zur Literaturpolitik völkischer Verlage in der Weimarer Republik, in: Monika Estermann/Michael Knoche (Hrsg.): Von Göschen bis Rowohlt. Beiträge zur Geschichte des deutschen Verlagswesens, Wiesbaden 1990, S. 177–197; zuletzt: Justus H. Ulbricht: Agenturen der „deutschen Wiedergeburt“. Prolegomena zu einer Geschichte völkischer Verlagsarbeit in der Weimarer Republik, in: Walter Schmitz/Clemens Vollnhals (Hrsg.): Völkische Bewegung – Konservative Revolution – Nationalsozialismus. Aspekte einer politisierten Kultur, Dresden 2005, S. 235–244; Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, 2. Aufl. München 1999, S. 339; Gangolf Hübinger/Helen Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage im Kaiserreich, in: Georg Jäger (Hrsg.): Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1. Das Kaiserreich 1870–1918. Teil 1, Frankfurt/M. 2001, S. 347–405. 7) Volker Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. Aufl. München 1993, S. 24; Wittmann: Geschichte, S. 339; unter der irreführenden Rubrifizierung „völkischer Verlage“: Brigitte Lohff: Das Buch als Tat in Deutschlands Namen. Die Medienpolitik des Julius Friedrich Lehmanns Verlages, in: Stöckel: Nation, S. 241–259, hier: S. 243f.; Paul Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism, 1870–1945, Cambridge 1989, S. 30. 8) Reinhart Koselleck: Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt/M. 2000, S. 265ff.
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I. Einleitung
schichte von Rassismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik ist nicht als Auftakt zur nationalsozialistischen rassistisch-antisemitischen Politik nach 1933 zu betrachten und demgemäß ex post auf rechtsextreme, nationalsozialistische Gruppierungen einzugrenzen. Rassismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik sind als Phänomene sui generis vorstellbar, die sich mit eigenen Deutungslogiken und Lösungsansprüchen ihrer Gegenwart stellten.9) Rassistische und antisemitische Publikationen waren für Verleger der Weimarer Republik demnach unter Umständen moralisch bewertete, aber nicht tabuisierte Bestandteile breiter Möglichkeitshorizonte zur Gestaltung ihrer Verlagsprogramme. Eigentliche Betrachtungsgegenstände sind daher drei Verlagsbuchhandlungen, die unter anderem rassistische und antisemitische Publikationen verlegten, diese in unterschiedliche Kommunikations- und Absatzfelder hinein produzierten und damit unterschiedliche unternehmerische und kognitive Anschlüsse an rassistische und antisemitische Codierungsmuster boten: der kartographische Großbetrieb Georg Westermann in Braunschweig, der naturwissenschaftliche und medizinische Fachverlag Gustav Fischer in Jena und das Familienunternehmen Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, das seinen Programmschwerpunkt in der wissenschaftlichen, protestantischen Theologie hatte. Mit dieser Auswahl der Forschungsgegenstände, die eine Enttabuisierung von Rassismus und Antisemitismus versucht, bewegt sich die Arbeit konform zur neueren Rassismusforschung, der zufolge Rassismus ein konstituierender Faktor europäischer und nordamerikanischer Kulturentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts war. Für die Zwischenkriegszeit werden seine Verschmelzung mit wissenschaftlichen Diskursen und Disziplinen sowie seine politisch integrierende Funktion in der Konstruktion homogenisierender Vergemeinschaftungskonzepte speziell gewichtet.10) Diese historisierende Herangehensweise 9)
Vgl. Frank-Lothar Kroll: Nationalsozialistische Rassenutopien in der Deutungskultur der Zwischenkriegszeit, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Utopie und politische Herrschaft im Europa der Zwischenkriegszeit, München 2003, S. 257–268; Christian Geulen: Blonde bevorzugt. Virchow und Boas: Eine Fallstudie zur Verschränkung von ‚Rasse‘ und ‚Kultur‘ im ideologischen Feld der Ethnizität im 1900, in: AfS 40 (2000), S. 147–170, hier: S. 162; Christian Geulen: Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert, Hamburg 2004. 10) Wulf D. Hund: Fremdkörper und Volkskörper. Zur Funktion des Rassismus, in: AfS 42 (2002), S. 345–359, hier: S. 348; Heidrun Kampen-Haas/Christian Saller (Hrsg.): Wissenschaftlicher Realismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Frankfurt am Main/New York 1999; Carsten Klingemann (Hrsg.): Rassenmythos und Sozialwissenschaften in Deutschland, Opladen 1987; Lutz Raphael: Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft. Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime, in: GG 27 (2001), S. 5–40; Stefan Kühl: Die Internationale der Rassisten, Frankfurt/M. 1998; Werner Bergmann/Mona Körte (Hrsg.): Antisemitismusforschung in den Wissenschaften, Berlin 2004; Stefan Breuer: Anatomie der konservativen Revolution, Darmstadt 1995; ders.: Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871–1945, Darmstadt 2001; Uwe Puschner: Die völki-
1. Forschungsstand und Forschungsinteresse
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wurde von Studien zur Wissenschaftsgeschichte des Nationalsozialismus bzw. Arbeiten zu wissenschaftlichen Institutionen, wissenschaftlichen Arbeitsfeldern oder wissenschaftlichen Karrieren im Nationalsozialismus begleitet.11) In dieses Forschungsgebiet fallen auch Untersuchungen zu Autoren des Verlags J. F. Lehmanns, die dessen Rassismus-Produktion in die weiten Zusammenhänge intellektueller Biographien stellen.12) Es ist mittlerweile davon auszugehen, dass rassistische Begriffsmuster nur unzureichend mit einer vermeintlich devianten Mentalitätsdisposition völkischer Schwarmgeister erklärt werden können. Verstanden als funktionale und nicht so sehr als ideologisch-intentionalistische Strategie, werden mit Hilfe von Rassismus soziale, politische und kulturelle Problemlagen der externen Abgrenzung und internen Differenzierung moderner, nationalstaatlich verfasster Gesellschaften verhandelt.13) Zentrale gesellschaftliche Entwicklungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die mit Imperialismus, Sozialreform und Verwissenschaftlichung benannt sein sollen, wurden im Rassismus gebündelt und in eine wegweisende Form gegossen, die wiederum ein vielfältig variables Anwendungsfeld besaß. Bezüglich der Forschungsliteratur über Antisemitismus in der Weimarer Republik herrschte lange Zeit ein befremdlicher Trend zur unreflektierten, zeitlichen und räumlichen Schadensbegrenzung vor.14) Dieser war auch dem sche Bewegung im Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001; Henry L. Gates: Race, culture and difference, Chicago 1986; Henry L. Gates/Dominick LaCapra (Hrsg.): The bounds of race, Ithaca 1989; Ulrich Bielefeld (Hrsg.): Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt? Hamburg 1991; Daniel Goldberg (Hrsg.): The anatomy of racism, New York 1991; Pierre-André Taguieff: Die Macht des Vorurteils. Der Rassismus und sein Double, Hamburg 2000; Georges M. Frederickson: The comparative imagination. Racism, nationalism, and social movements, Berkeley 1996; Woodruff D. Smith: The ideological origins of Nazi imperialism, New York 1996; Robert N. Proctor: Racial hygiene. Medicine under the Nazis, Cambridge 1986; Renate Bridenthal (Hrsg.): When biology became destiny. Women in Weimar and Nazi-Germany, New York 1984; Paul M. Kennedy/Anthony J. Nicholls (Hrsg.): Nationalist and racist movements in Britain and Germany before 1914, London 1981; Norbert Finzsch/Dietmar Schirmer (Hrsg.): Identity and intolerance. Nationalism, racism and xenophobia in Germany and the United States, Cambridge 1998; Carsten Klingemann: Ein Kapitel aus der ungeliebten Wirkungsgeschichte der Sozialwissenschaften. Sozialutopien als sozialhygienische Ordnungsmodelle, in: ders. (Hrsg.): Rassenmythos und Sozialwissenschaften in Deutschland. Ein verdrängtes Kapitel sozialwissenschaftlicher Wirkungsgeschichte, Opladen 1987, S. 10–48. 11) Den nahezu unüberblickbaren Forschungsstand zumindest für die außeruniversitäre Forschung zusammenfassend: Doris Kaufmann: Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. 2 Bde., Göttingen 2000. 12) Helga Satzinger: Rasse, Gene und Geschlecht. Zur Konstituierung zentraler biologischer Begriffe bei Richard Goldschmidt und Fritz Lenz. 1916–1936, Berlin 2004; Niels C. Lösch: Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers, Frankfurt/M. 1997; HansWalter Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927–1945, Göttingen 2005. 13) Pointiert hierzu: Geulen: Blonde; Geulen: Wahlverwandte; Kroll: Rassenutopien. 14) Dies konstatieren: Peter Longerich (Hrsg.): Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des Holocaust 1941–1945, München 1989, S. 24–25;
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I. Einleitung
Umstand geschuldet, dass viele Jahre antisemitische Ideologeme oder antisemitische Parteien und Agitatoren im Mittelpunkt des historiographischen Interesses standen und antisemitische Alltagspraktiken erst in neueren Studien Beachtung finden.15) Ihnen zufolge ist zum einen von einem qualitativen Wandel des Weimarer Antisemitismus im Vergleich zum Antisemitismus der Vorkriegszeit auszugehen. Zum anderen sind Periodisierungsmodelle, die aus dieser Reduktion antisemitischer Akteursgruppen folgen, zu überdenken. Vermutungen, die Aktivitäten von wie auch immer definierten „engagierten Antisemiten“ – und damit der Antisemitismus als solcher – seien in den stabilen Mitteljahren der Republik zurückgegangen, zeigen erwiesenermaßen in die falsche Richtung.16) Graduell analytisch überzeugender, wenngleich empirisch nicht befriedigend belegt, ist die Vorstellung, ein nach dem Ersten Weltkrieg radikalisierter Antisemitismus hätte als reaktivierbares Vorurteils-
Ulrich Herbert (Hrsg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt/M. 1998, S. 32–34; Dieter Gessner: Die Weimarer Republik, Darmstadt 2002, S. 70–73; Andreas Wirsching: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, München 2000, S. 51, 99; zur Schadensbegrenzung neigen: Notker Hammerstein: Antisemitismus und deutsche Universitäten 1871–1933, Frankfurt/M. 1995; Uwe Mazura: Zentrumspartei und Judenfrage1870/71–1933. Verfassungsstaat und Minderheitenschutz, Mainz 1994; Donald L. Niewyk: The Jews in Weimar Germany, Baton Rouge/ London 1980; Heinrich August Winkler: Die deutsche Gesellschaft der Weimarer Republik und der Antisemitismus, in: Bernd Martin/Ernst Schulin (Hrsg.): Die Juden als Minderheit in der Geschichte, München 1981, S. 271– 289; Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band. Deutsche Geschichte vom Ende des Altes Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000, S. 466. 15) Vgl. Till van Rahden: Ideologie und Gewalt, in: Neue politische Literatur 41 (1996), S. 11–29; Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn 1999; Till van Rahden: Juden und andere Breslauer. Juden, Protestanten und Katholiken in einer deutschen Großstadt von 1860–1925, Göttingen 2000; Beate Waigand: Antisemitismus auf Abruf. Das Deutsche Ärzteblatt und die jüdischen Mediziner 1918–1933, Frankfurt/M. 2001; Cornelia Hecht: Deutsche Juden und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Bonn 2003; Frank Bajohr: „Unser Hotel ist judenfrei“. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2003; Nicola Wenge: Integration und Ausgrenzung in der städtischen Gesellschaft. Eine jüdisch-nichtjüdische Beziehungsgeschichte Kölns 1918–1933, Mainz 2005, dort auch zur Forschungslage, S. 12ff. 16) Nachlassen bzw. Marginalisierung des Antisemitismus in den Mitteljahren behaupten: Winkler: Gesellschaft; Winkler: Weg, S. 466; Ian Kershaw: Antisemitismus und die NS-Bewegung vor 1933, in: Hermann Graml/Angelika Königseder/Juliane Wetzel (Hrsg.): Vorurteil und Rassenhaß. Antisemitismus in den faschistischen Bewegungen Europas, Berlin 2001, S. 29–47, hier: S. 32, 37; Niewyk: Jews, S. 52; in Frage stellend: Dirk Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn 1999, S. 18f.; dagegen: Cornelia Hecht: Deutsche Juden und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Bonn 2003, S. 205; letztere erhebt den Anspruch, einen qualitativen Wandel des Antisemitismus in der Weimarer Republik nachgewiesen zu haben. Gleichfalls von einem qualitativ neuen Antisemitismus geht aus: Werner Jochmann: Die Ausbreitung des Antisemitismus, in: Werner E. Mosse/Arnold Paucker (Hrsg.): Deutsches Judentum in Krieg und Revolution 1916–1923, Tübingen 1971, S. 409–510.
1. Forschungsstand und Forschungsinteresse
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polster die Mitteljahre der Republik überdauert.17) Allerdings findet sich auch in dieser Argumentation das Bemühen wieder, antisemitische Aktivposten in rechtsextreme Parteien und völkische Gruppen abzuschieben. Um hier zu methodologisch zufriedenstellenden Ergebnissen zu gelangen, macht sich diese Studie das Konzept des „kulturellen Codes“ von Shulamit Volkov zunutze, das immer noch den innovativsten theoretischen Ansatz zur historischen Analyse von Antisemitismus bietet.18) Mit dem Terminus des „kulturellen Codes“ charakterisiert Volkov konzise einen im wilhelminischen Bürgertum verbreiteten und selbstverständlichen Antisemitismus, der symbolisch für kulturelle, soziale und moralische Selbstverständigungsprozesse stand. Für die Weimarer Republik konstatiert sie, dass sich der konsensuale Zusammenhang zwischen symbolisch kommuniziertem Antisemitismus und einem politisch restaurativen Habitus unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auflöste. Wenngleich die traditionellen Vokabeln und Symbole des Antisemitismus gewohnheitsmäßig weiter gebraucht wurden, wurden sie nicht mehr verstanden. Antisemitismus wurde zu einer Codierung, deren Sinngehalt nicht mehr zu deuten war, deren Konnotationen verschwammen und deren Radikalität nicht mehr einzuschätzen war. Angesichts der in der Forschungsliteratur vor allem zur Sozial- und Kulturgeschichte der Weimarer Republik hinreichend nachgewiesenen vielfältigen synchronen und diachronen Verwerfungen und Segmentierungen der Weimarer Gesellschaft ist dieser Ansatz mehr als einleuchtend.19) Obgleich Volkovs 17)
Helmut Berding: Moderner Antisemitismus in Deutschland, Frankfurt/M. 1988, S. 164. Shulamit Volkov: Antisemitismus als kultureller Code, in: dies.: Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. 10 Essays, München 1990, S. 13–36. Unberücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang, inwiefern die Verwendung des kulturellen Codes einer strikt binären Teilung der Gesellschaft des deutschen Kaiserreichs in Emanzipationsbefürworter oder -gegner entspricht. Kritisch dazu: Benjamin Ziemann: ‚Linguistische Wende‘ und ‚kultureller Code‘ in der Geschichtsschreibung zum modernen Antisemitismus, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 14 (2005), S. 301–322, der aber Volkov gleichzeitig zum Ausgangspunkt seiner Forderung nach sprachtheoretischer Fundierung der Antisemitismusforschung heranzieht; Stefanie Braukmann: Die „jüdische Frage“ in der sozialistischen Frauenbewegung 1890–1914, Frankfurt/M. 2007; Wenge: Integration, S. 43, 424, die allerdings Volkovs „kulturellen Code“ missverständlich auf die Weimarer Republik bezieht. Volkov selbst räumt den in der Sozialdemokratie verbreiteten Antisemitismus ein, weist aber auf die offizielle anti-antisemitische Parteilinie hin. Vgl. Shulamit Volkov: Germans, Jews, and Antisemites. Trials in emancipation, Cambridge 2006, S. 121ff. 19) Detlev J. K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt/M. 1987; Karl Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen: Die Weimarer Republik. 1918–1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Düsseldorf 1987; Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, München 1984; Horst Möller: Die Weimarer Republik. Eine unvollendete Demokratie, München 1985; Hans Mommsen: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang. 1918 bis 1933, Berlin 1989; Dietmar Schirmer: Mythos – Heilshoffnung – Modernität. Politisch-kulturelle Deutungscodes in der Weimarer Republik, Opladen 1992, S. 66ff.; Detlef Lehnert/Klaus Megerle (Hrsg.): Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur der Weimarer Re18)
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I. Einleitung
Codierungsthese durchaus zum Existenznachweis des Weimarer Antisemitismus herangezogen wird, ist der Weimarer Antisemitismus lediglich von EvaMaria Ziege, methodisch als „Interdiskurs“ im Sinn Jürgen Links begriffen, hinsichtlich seiner „flexiblen Anbindung an wechselnde Diskurse und gesellschaftliche Bereiche“ untersucht worden, allerdings beschränkt auf einen so genannten völkischen Diskurs der Weimarer Republik und der Frühphase des NS-Staates.20) Die Forschungssituation zur Verlagsgeschichte ist in den deutschen Geschichtswissenschaften in erfreulicher Bewegung. Rief die Wiederentdeckung der Kulturgeschichte Anfang der neunziger Jahre vor allem das Interesse am Gegenstand und Forschungen zum diskursiven Kontext von Verlagsprogrammen wie dem Diederichs-Verlag hervor, so hat sich, auch unter dem Eindruck der neueren Unternehmensgeschichtsschreibung, der Ansatz durchgesetzt, alle gesellschaftlichen Dimensionen des Unternehmens ‚Verlagsbuchhandlung‘ zu berücksichtigen, einschließlich der ökonomischen.21) Damit schließen die deutschen Geschichtswissenschaften an den Stand der methodischen Debatte in Frankreich, aber auch im anglo-amerikanischen Sprachraum an, wo dieses Wissenschaftsspektrum längst in die Zusammenhänge allgemeiner Kultur- und Sozialgeschichte integriert ist.22) Über die Verlage Georg Wester-
publik, Opladen 1989; Detlef Lehnert/Klaus Megerle: Identitäts- und Konsensprobleme in einer fragmentierten Gesellschaft. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, in: Dirk Berg-Schlosser/Jakob Schissler (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Opladen 1987, S. 80–95; Detlef Lehnert (Hrsg.): Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung, Opladen 1990; Martin H. Geyer: „Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“. Zeitsemantik und die Suche nach Gegenwart in der Weimarer Republik, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933, München 2007, S. 165–187; Manfred Gangl/Gérard Raulet (Hrsg.): Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage, Darmstadt 1994. 20) Geyer nimmt eine feste Verankerung des „binär strukturieren Codes“ in der politischen Kultur der Weimarer Republik an, insofern klingt Kontinuität zum Kaiserreich an. Vgl. Martin H. Geyer: Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne: München 1914–1924, Göttingen 1998, S. 15; Eva-Maria Ziege: Mythische Kohärenz. Diskursanalyse des völkischen Antisemitismus, Konstanz 2002, S. 247. 21) Vgl. Cornelia Caroline Funke: „Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit“: Unternehmensführung und Programmgestaltung im Gustav Kiepenheuer Verlag 1909 bis 1944, Wiesbaden 1999; Germaine Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, Bern u. a. 1993; Georg Jäger (Hrsg.): Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1 Das Kaiserreich 1870–1918. 2 Teilbde., Frankfurt/M. 2001–03; Saul Friedländer/Norbert Frei/Trutz Rendtorff/Reinhard Wittmann: Bertelsmann im Dritten Reich, München 2002; Silke Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft. Der Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2001. 22) Vgl. dazu exemplarisch: Roger Chartier: L’ordre des livres: lecteurs, auteurs, bibliothèques en Europe entre XIVe et XVIIIe siècle, Paris 1992; Robert Darnton: The business of Enlightenment. A publishing history of the Encyclopédie. 1775–1800, Cambridge/London 1979; methodische Erläuterungen: Roger Chartier: Le monde comme répresentation,
1. Forschungsstand und Forschungsinteresse
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mann, Gustav Fischer und Vandenhoeck & Ruprecht existieren darüber hinaus bisher fast ausschließlich nicht-wissenschaftliche Festschriften.23) Somit kann die Arbeit gleichzeitig einen Beitrag zur allgemeinen Verlagsgeschichte der Weimarer Republik leisten. Zusammenfassend lassen sich folgende Forschungslücken und -interessen feststellen: Zu untersuchen ist zum einen die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Publikationen über den ‚freien‘ Buchmarkt, d. h. abseits der eng vernetzten völkisch-rechtsradikalen Verlagsszene. Die Geschichte von Rassismus und Antisemitismus der Weimarer Republik entbehrt zum anderen Studien, die die räumliche und zeitliche Verbreitung rassistischer und antisemitischer Codierungen konkret an historische Situationen und soziale Prozesse rückbinden können. Gleichfalls vernachlässigt wurde bislang, die Forschungsleistung einer umfassenden Weimarer Sozial- und Kulturgeschichte mit der Geschichte des Antisemitismus und Rassismus methodisch reflektiert zu verbinden. Der konzeptionelle Ansatz des kulturellen Codes kann hier zeitliche und räumliche Verschiebungen in den Verbreitungsmechanismen von Antisemitismus und Rassismus in der Weimarer Republik deutlicher als bisher kenntlich machen. Die Geschichte von Verlagsbuchhandlungen und ihrer verlegerischen Unternehmungen in allen ihren gesellschaftlichen Facetten, d. h. sowohl der kulturellen wie der wirtschaftlichen, bietet die Chance, Rassismus und Antisemitismus in eindeutigen Publikationssituationen und unternehmerischen Prozessen analytisch fassbar zu machen.
in: Annales E.S.C. 44 (1989), S. 1505–1520 (dt.: Die Welt als Repräsentation, in: Matthias Middell/Steffen Sammler [Hrsg.]: Alles Gewordene hat Geschichte. Die Schule der Annales in ihren Texten 1929–1992, Leipzig 1992, S. 320–347). 23) Auf beträchtlichem Niveau allerdings die Festschrift zum zweihundertjährigem Verlagsjubiläum von Vandenhoeck & Ruprecht: Wilhelm Ruprecht: Väter und Söhne. Zwei Jahrhunderte Buchhändler in einer deutschen Universitätsstadt, Göttingen 1935; des Weiteren: Vandenhoeck & Ruprecht: 225 Jahre Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, Göttingen o. J. [1960]; [Rudolf Ruprecht/Otto Ruprecht]: Chronik des Geschlechts Ruprecht, Göttingen 1932; Hübinger/Müller: Verlage, S. 380; Günther Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen… Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Unternehmens Westermann 1838–1988, Braunschweig 1988; Uwe Schmidt: 125 Jahre Westermanns Monatshefte. „Unser Thema. Die Kultur“. Eine Zeitschrift und ihre Zeit in sechs Stationen, Braunschweig 1981; Volker Hohenberg: Westermann. Profil eines Verlages. 1838–1963. Ein Jubiläumsbericht, Braunschweig 1963; Reden und Ansprachen zur Hundertjahrfeier des Verlages Georg Westermann in Braunschweig am 20. und 21. Mai 1938, Braunschweig 1938; Geständnisse. Ein Almanach des Verlages Georg Westermann, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1930; Sichel und Ähren. Hundert Jahre Georg Westermann Braunschweig. Ein Almanach, Braunschweig/Berlin/Leipzig/Hamburg 1938; Georg Jäger: Kartographischer Verlag, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, S. 575–601, hier: S. 596–99; Gerd Schulz: 100 Jahre Gustav-Fischer-Verlag, Stuttgart 1978; Friedrich Lütge: Das Verlagshaus Gustav Fischer in Jena. Seine Geschichte und Verlagsgeschichte aus Anlaß des 50jährigen Firmenjubiläums, Jena 1928; Friedrich Stier: Das Verlagshaus Gustav Fischer in Jena. Festschrift zum 75jährigen Jubiläum, Jena 1953.
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I. Einleitung
2. Quellen Die Quellengrundlage der Arbeit bilden zu allererst die Publikationen der untersuchten Verlage. Die Leitfrage der Studie ist diejenige nach dem Absatz rassistischer und antisemitischer Publikationen. Sie erfordert Quellen, die diesbezüglich präzise Aussagen zulassen. Differenzierte Aussagen über Absatzhöhe und Absatzverlauf ermöglichen nur verlagsinterne Buchhaltungsunterlagen, in denen Absatzzahlen festgehalten werden mussten, um den Verlagsleitungen Aufschlüsse über die Lagerbestände, die Gewinn- und Verlustlage ihrer Produkte und eine Berechnungsgrundlage für absatzgebundene Autorenhonorare zu geben.24) Die Überlieferung solcher verlagsinternen Quellen in verlagseigenen Archiven oder durch die Abgabe an staatliche Archive ist ähnlich schlecht und zufällig wie in der allgemeinen Unternehmensgeschichte. Die Verluste durch Bomben- und Löschschaden im Zweiten Weltkrieg sind beträchtlich, insbesondere in Leipzig, dem ehemaligen Zentrum des deutschen Buchhandels. Für diesen wie für alle anderen ostdeutschen Standorte gilt außerdem, dass Firmenübersiedlungen nach Westdeutschland in der Nachkriegszeit und Rückübertragung von Eigentum im Zuge der deutschen Wiedervereinigung dazu beitrugen, dass sich der Verbleib von Verlagsarchivalien auch im Unternehmen selbst kaum mehr rekonstruieren lässt. Die Auswahl der Untersuchungsgegenstände richtete sich mithin auch nach der Überlieferungslage, die für die drei ausgewählten Verlage relativ günstig ist. Für die Verlage Georg Westermann und Vandenhoeck & Ruprecht sind Geschäftsbücher, Autorenkorrespondenz und vereinzelt Schriftstücke bezüglich unternehmensinterner Vorgänge in den verlagseigenen Archiven in Braunschweig bzw. Göttingen überliefert.25) Das Verlagsarchiv des Gustav Fischer Verlags umfasst Autorenkorrespondenz und Geschäftspapiere und ist im Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar gelagert. Die Überlieferungsdichte ist für die drei Verlage unterschiedlich gut, aber auf der Grundlage einer gemeinsamen Datenbasis von Absatzunterlagen und Autorenkorrespondenz können in allen drei Unternehmen Aussagen zum allgemeinen Absatzverlauf und den Absatzbedingungen rassistischer und antisemitischer Publikationen getroffen werden. 24)
Max Paschke/Philipp Rath: Lehrbuch des deutschen Buchhandels. Bd. I, 3. Aufl. Leipzig 1912, S. 397; Gerhard Menz: Absatzkonten, in: Lexikon des gesamten Buchwesens. Bd. 1, 1. Aufl. Leipzig 1935, S. 11; Horst Kliemann: Die Werbung fürs Buch. Leitfaden der buchhändlerischen Reklame, 2. Aufl. Stuttgart 1925, S. 123; Siegfried von Campe: Die Auslieferung im Gesamtgefüge des Verlages, in: Erhardt Heinold (Hrsg.): Handbuch des Buchhandels. Bd. II. Verlagsbuchhandel, Hamburg 1975, S. 555–557, hier: S. 557; Harald Buscher: Die Absatzkontrolle, in: Erhardt Heinold (Hrsg.): Handbuch des Buchhandels. Bd. II. Verlagsbuchhandel, Hamburg 1975, S. 595–606. 25) Vgl. Günther Bouché: Die Westermann-Archive in Braunschweig, in: Archiv und Wirtschaft 21 (1988), S. 147–153.
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte
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Fallweise wurden Personalakten des Bundesarchivs, Abteilung Berlin Document Center (BDC), Firmenakten des Bestands des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler im Staatsarchiv Leipzig, Autorennachlässe oder vergleichende Archivalien anderer Verlage, wie des Eugen Diederichs Verlags oder des Verlags Walter de Gruyter, herangezogen.
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte Den grundlegenden theoretischen Ansatz dieser Arbeit bildet das Konzept der „l’histoire du livre“ Roger Chartiers, der das Buch als kulturelles Symbol sowie gesellschaftliches Informationsmedium betrachtet und dies unmittelbar mit seiner materiellen Gestalt und kommerziellen Verbreitung verbindet.26) Der verlegerische Prozess der Buchproduktion ist folglich ein Prozess, der sich am Schnittpunkt der Geschichte textlicher Repräsentationen mit den historisch differenzierten Praktiken ihrer Aneignung bewegt. Beeinflusst ist er unter Umständen von scheinbar banalen Aspekten der Buchherstellung, wie Typographie, Format, Illustrationen, Layout oder Umfang, und des Buchvertriebs, wie Preisgestaltung oder Werbemaßnahmen. Er ist gebunden an die Produktionsorte, die jeweiligen Verlagsunternehmen, die mit ihren unternehmerischen und programmatischen Strategien Aneignungsweisen von Realität beeinflussen. Ein demgemäß begründetes wissenschaftliches Verfahren bewegt sich jenseits von Entscheidungszwängen zwischen sozial-ökonomischen Strukturen und kulturellen Hervorbringungen oder Ideen. Beide Komplexe sind als historische Ergebnisse gesellschaftlicher Praktiken anzusehen. Anregungen erhielt diese Herangehensweise der französischen Kulturgeschichte durch vorangegangene Diskussionen und Forschungsarbeiten innerhalb der anglo-amerikanischen intellectual history.27) In den deutschen Geschichtswissenschaften ist eine derartige Methodologie unter der Bezeichnung 26)
Vgl. Roger Chartier/Daniel Roche: Le livre. Un changement de perspective, in: Jacques Le Goff/Pierre Nora (Hrsg.): Faire de l’histoire. Bd. 3. Nouveaux objets, Paris 1974, S. 115–136; dies.: L’histoire quantitative du livre, in: Revue française d’histoire du livre 46 (1977), S. 477–501; Chartier: Le monde; ders.: Texts, printings, readings, in: Lynn Hunt (Hrsg.): The new cultural history, Berkeley/Los Angeles/London 1989, S. 154–175; Chartier: Kulturgeschichte zwischen Repräsentationen und Praktiken, in: ders.: Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung, Berlin 1989, S. 7–20; zusammenfassend: Philipp Sarasin: Subjekte, Diskurse, Körper. Überlegungen zu einer diskursanalytischen Kulturgeschichte, in: Wolfgang Hardtwig/Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Kulturgeschichte Heute, Göttingen 1996, S. 131–164, hier: S. 145ff. 27) Exemplarisch: Roger Chartier: Intellectual history or sociocultural history? The French trajectories, in: Dominick LaCapra/Steven L. Kaplan (Hrsg.): Modern European intellectual history. Reappraisals and new perspectives, 3. Aufl. Ithaca/London 1987, S. 13–46 (dt.: Intellektuelle Geschichte und Geschichte der Mentalitäten, in: Ulrich Raulff [Hrsg.]: Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse, Berlin 1987, S. 69–96); Lloyd S. Kramer: Intellectual history and reality: the search for connections, in: Historical reflections 13 (1986), S. 517–545, hier: S. 541.
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I. Einleitung
Neue Kulturgeschichte seit Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in der Diskussion.28) Sie löste einen Trend kulturhistorischer Arbeiten aus, die, im besten Fall, Fragen nach Bedeutungen, Wahrnehmungsstrukturen, Sinnstiftungsprozessen oder Wertorientierungen verfolgen und sie in situative Beziehungen zu sozialen Formationen setzen. Der Rahmen der Untersuchung soll durch drei begriffliche Ausgangspunkte abgesteckt werden: Verlagsbuchhandel, rassistische und antisemitische Publikationen sowie Absatz. 3.1 Verlagsbuchhandel Zentraler begrifflicher Ausgangspunkt der Arbeit ist die Definition von Verlagsbuchhandlungen gemäß den methodologischen Vorgaben als intermediäre, gesellschaftlich zentrale Vermittlungsstelle von Wissen. Verlagsbuchhandlungen vermitteln alle Arten von Wissen, die auch das Medium Buch vermitteln kann. Je nach Buchgenre können das die unterschiedlichsten Ausprägungen von Wissen über im Grunde alle Wissensfelder sein, die kollektive Sinnkonstruktionen ausmachen können: Körperpflege, Ernährung, Hausbau, generatives Handeln, religiöse Wertvorstellungen, ästhetische Lebenswelten, Individualitäts- und Gesellschaftskonzepte, Vorstellungen von Raum und Zeit. Je nach Buchformat bestehen unterschiedliche Legitimationen von Wissen und unterschiedliche Reichweiten von Deutungsansprüchen. Enzyklopädien vertreten längerfristig geltende Ordnungssysteme kanonisierter Wissensbestände. Atlanten präfigurieren und systematisieren den optischen Umwelteindruck. Groschenromane dienen der kurzfristigen Unterhaltung, offenbaren aber Alltagswissen und Alltagsnormen. Immer transportieren Bücher Wissen und kulturelle Sinndeutungen, immer sind sie Austauschobjekte ihrer jeweiligen kulturellen Märkte und gleichzeitig Wertobjekte ihrer ökonomischen Märkte mit einem eindeutig definierten Preis. Auf den ersten Blick vermitteln sie geradlinig in ihrem jeweiligen Programmgebiet zwischen ökonomischen und kulturellen Sphären. Daneben sind sie aber beteiligt an weitergehenden Vermittlungsfunktionen, die sich, abgesehen von den theoretischen Voraussetzungen Chartiers, mit Metaphern Bruno Latours als „Übersetzungen“, „Relationen“ oder „Netze“ veranschaulichen lassen.29) Verlagsbuchhandlungen, und zwar sowohl in ihrem Verlags28)
Rudolf Vierhaus: Die Rekonstruktion historischer Lebenswelten. Probleme moderner Kulturgeschichtsschreibung, in: ders./Roger Chartier: Wege zu einer neuen Kulturgeschichte, Göttingen 1995, S. 7–28; Heinz Dieter Kittsteiner: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Kulturgeschichte? in: GG 23 (1997), S. 5–27; Ute Daniel: ‚Kultur‘ und ‚Gesellschaft‘. Überlegungen zum Gegenstandsbereich der Sozialgeschichte, in: GG 19 (1993), S. 69–99; Hardtwig/Wehler (Hrsg.): Kulturgeschichte. 29) Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Berlin 1995, S. 10, 152; das Verständnis von Verlagsgeschichte weicht demzufolge von dem Hübingers ab, der „Verlagsgeschichte als Kulturgeschichte“ mit der diskursiven
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte
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programm als auch in ihrer Unternehmensstruktur, sind Institutionen, die soziale, institutionelle und kulturelle Repräsentationselemente übersetzen und zueinander in Relation bringen können. Sie verhelfen dazu, alte Repräsentationsanteile zu sichern und neue Relationen und Anschlussstellen zwischen ihnen herzustellen. Die Geschichte von Verlagsbuchhandlungen gibt Einblicke, mit welchem Einsatz und mit welchem Risiko Aushandelungsprozesse um neue Relationen geführt werden und wie neue „Netze“ von Wissensbeständen und Handlungsroutinen geschaffen werden. 3.2 Rassismus und Antisemitismus Der zweite begriffliche Ausgangspunkt der Arbeit ist ein methodisch unerlässliches, idealtypisches Klassifikationsraster zur Identifikation rassistischer und antisemitischer Publikationen. Rassismus und Antisemitismus werden, der oben skizzierten historischen Forschungsliteratur zufolge, zwar nicht pathologisiert, aber dennoch soll die Radikalität ihrer Ausschluss- und Diskriminierungsmechanismen Beachtung finden. Rassismus wird mit Miles als die Konstruktion einer Gruppe mittels ethnisch gerechtfertigter Kriterien und Beschreibungen verstanden.30) In Abgrenzung zu anderen ethnischen Identitäts- und Gruppenkonzepten sind diese Gruppen im Fall von Rassismus in ihren physischen, psychischen oder mentalen Eigenschaften in diskriminierender Form bewertet. Entscheidend für die Konstruktion dieser ethnischen Gruppen ist die Form der Grenzziehung, mit Hilfe derer sie voneinander ab- und gegenseitig ausgegrenzt werden. An diesem Punkt möchte ich auf den Begriff der primordialen Codierung von Bernhard Giesen zurückgreifen.31) Primordial codierte Gruppen sind hermetisch voneinander abgegrenzt. Eine Veränderung der einmal festgelegten Gruppenzugehörigkeit durch Diskurs, Tausch, Wahl oder andere Verhandlungstechniken ist nicht möglich. Rassismus wird darüber hinaus nicht auf die primordiale Codierung mittels biologischer Vererbungs- und Fortpflanzungstheorien beschränkt, sondern mit Hall, Balibar und Breuer auch zur Bezeichnung von Codierungen gebraucht, die von der Unaufhebbarkeit kultureller Differenzen ausgehen.32) Kontextualisierung von Verlagsprogrammen gleichsetzt. Vgl. Gangolf Hübinger: Verlagsgeschichte als Kulturgeschichte, in: ders. (Hrsg.): Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag – Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme, München 1996. 30) Robert Miles: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, 2. Aufl. Hamburg/Berlin 1992 [Erstausgabe: London/New York 1989]. 31) Vgl. Bernhard Giesen: Kollektive Identität. Die Intellektuellen und die Nation. Bd. 2, Frankfurt/M. 1999, S. 32ff., 255ff.; ähnlich: Patrik von zur Mühlen: Rassenideologien. Geschichte und Hintergründe, Berlin/Bonn 1977, S. 12. 32) Etienne Balibar/Immanuel Wallerstein: Rasse – Klasse – Nation: ambivalente Identitäten, Hamburg/Berlin 1990, S. 28; vgl. auch: Stefan Breuer: Anatomie der konservativen Revolution, Darmstadt 1995, S. 86ff.; Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität, Hamburg 1994.
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I. Einleitung
Antisemitismus kann als eine Form von Rassismus verstanden werden, die auf der strikten Eingrenzung und Abwertung so genannter jüdischer Gruppen innerhalb anderer ethnischer Gruppen beharrt. Allerdings hat der antisemitische Code einen bekanntermaßen seit Ende des 19. Jahrhunderts mit Rassentheorien verquickten, aber dennoch eigenständigen Entstehungs- und Entwicklungsprozess aufzuweisen und einen daraus folgenden eigenständigen Traditionsfundus von Zuschreibungstechniken und -topoi, weshalb ich Antisemitismus gesondert kennzeichnen möchte.33) Rassistische und antisemitische Publikationen seien diejenigen Publikationen, in denen rassistische und antisemitische Codierungen – bei belletristischen Werken – handlungstragend oder – bei nichtfiktionalen Werken – analysetragend verwendet werden. Ergebnis eines solches Klassifikationsrasters ist eine quantitativ schmale und qualitativ vielfältige Auswahl rassistischer und antisemitischer Publikationen, deren Spektrum, gemäß den Programmschwerpunkten der ausgewählten Verlage, von rassistischen Weltvorstellungen im Fotobildband, antisemitischen Religionskonzepten im Roman und theologisch-politischen Sachbuch bis zu rassistischen und antisemitischen Konzepten von Körperpflege und generativem Handeln reicht. So notwendig diese klare Begrifflichkeit ist, um rassistische Publikationen als solche zu identifizieren, so birgt sie die Gefahr, in rigoroser Anwendung zum methodischen Bumerang zu werden und der historischen Komplexität von Entwicklung und Diffusion rassistischer und antisemitischer Stereotype und Figurationen nicht gerecht werden zu können. Rassistische Kriterien und Kategorien können selbstverständlich auch weitergetragen werden, ohne dass sich die gesamte Publikation als rassistisch klassifizieren ließe.34) Hier wird kein gesondertes Klassifizierungs- oder Typologisierungsschema angewandt, um die thematisch weit auseinander liegenden Verlagsprogramme und ihre Publikationen in ein gemeinsames Prokrustesbett zu zwingen. Codierungen, die Taktiken von Inklusion und Exklusion zur einen oder anderen Gruppe variabel gestalten oder symbolisch eher locker markieren, werden aber in ihrem Diskurszusammenhang und ihrer Affinität zu rassistischen und antisemitischen Codierungen beschrieben.35)
33) Für eine eigenständige historische Analyse des Antisemitismus exponiert: Alex Bein: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems. 2 Bde., Stuttgart 1980; auch bei: George L. Mosse: Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 1991 [Erstausgabe: New York 1964]. 34) Vgl. Geulen: Blonde, S. 162. 35) Beispielsweise bieten sich Codierungstypologien nach Giesen (universale oder traditionale Codierungen) oder Link (flexibel-normalistische Strategien) an, um rassismusoder antisemitismusaffine Codierungen zu beschreiben. Vgl. Giesen: Identität, S. 42ff., 54ff.; Jürgen Link: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, 2. Aufl. Opladen 1998, S. 75ff.
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte
15
Der Terminus der Codierung wird mit Bedacht verwendet. Mit Bernhard Giesen werden rassistische und antisemitische Codes als symbolische Codes zur Konstruktion sozialer Gruppen und Gemeinschaften verstanden.36) An flexiblen Anschlussstellen von Interaktionen, für die vorliegende Arbeit im Allgemeinen publizistischen Äußerungen, dienen sie als kontingente und zugleich historisch konventionierte Standards textlicher, medialer oder ästhetischer Kommunikationsstrategien dazu, soziale Gruppen zu klassifizieren und abzugrenzen. Ihre Gebrauchsmechanismen sind mit intentionalistischen Begriffen, wie Gesinnung oder Einstellung, nicht hinreichend erfasst. Ihre Bedeutung erfahren diese diskriminierenden Codierungen immer in der performativen Anwendung, wie es schon Horkheimer und Adorno für den Antisemitismus in die prägnante Formulierung gebracht haben: „Die Verwüstung der Friedhöfe ist keine Ausschreitung des Antisemitismus, sie ist er selbst.“37) Zumal die Argumentationsstrategie, antisemitische Handlungen von antisemitischen Einstellungen herzuleiten, letztlich im circulus vitiosus enden kann, Antisemitismus aus sich selbst heraus zu erklären.38) Im Anschluss an Shulamit Volkov wird angenommen, dass die sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen der Weimarer Republik, ihre diskursiven Segmentierungen und neuen Allianzen, zu beachtlichen Verschiebungen des „Normalfelds“ antisemitischer und rassistischer Codierungen geführt hat, d. h. der Interdependenz von Rollenmustern ethnisch Akzeptierter und ethnisch Stigmatisierter.39) Um diesen Verschiebungsprozess rassistischer und antisemitischer Codierungen in der Weimarer Republik zu bezeichnen, wird der Begriff der Fluktuation eingeführt. Er soll die Variabilität und Flüchtigkeit von Anwendungen rassistischer und antisemitischer Codierungen erfassen. Idealtypisch sind diese zum einen als rekursive Wiederholung vorstellbar. Bei diesen Wiederholungen muss es sich nicht unbedingt um eine identische Repetition handeln, sondern es handelt sich, gemäß theoretischer Konzepte von Iteration, vielmehr um Rekonstruktionen im jeweiligen, veränderten Kontext.40) Die Codierungsmechanismen und ihr Re36)
Vgl. Bernhard Giesen: Die Entdinglichung des Sozialen – eine evolutionstheoretische Perspektive auf die Postmoderne, Frankfurt/M. 1991, S. 156ff. 37) Vgl. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Elemente des Antisemitismus. Grenzen der Aufklärung, in: dies.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/M. 1990 [Erstausgabe: New York 1944], S. 177–217, hier: S. 192; aus wissenssoziologischer Perspektive: Klaus Holz: Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung, Hamburg 2001, S. 23. 38) Vgl. hierzu: Detlev Claussen: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, 2. Aufl. Frankfurt/M. 1994, S. 29. 39) Link: Versuch, S. 75ff. 40) In Anlehnung an: Jacques Derrida: Signatur, Ereignis, Kontext, in: ders.: Randgänge der Philosophie, Frankfurt/M. 1972, S. 124–155, hier: S. 136f.; Gilles Deleuze: Differenz und Wiederholung, München 1992, S. 99–168; unter dem Begriff des kollektiven Gedächtnisses wird ein ähnlicher Mechanismus beschrieben bei: Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: ders./Tonio Hölscher (Hrsg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt/M. 1988, S. 9–19, speziell S. 13.
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I. Einleitung
pertoire kommunikativer Äußerungen mögen unverrückbar sein, sie werden jedoch immer auf eine aktuell gegenwärtige Situation bezogen. Dass antisemitische und rassistische Codierungen als freie Radikale dabei zu Initiatoren sich gegenseitig verschärfender Kettenreaktionen werden, ist ein mögliches Szenario.41) Neben der Iteration von Codierungen ist zum anderen die Möglichkeit ihres Legitimitätsverlusts zu bedenken, der keineswegs eine Beendigung der codebezogenen Kommunikation bedeuten muss. So wie in der Kommunikationstheorie immer wieder betont wird, dass keine Kommunikation ohne ‚Rauschen‘, ohne Störung, möglich ist bzw. Kommunikation durch Störungen womöglich erst konstituiert wird, so perpetuieren Legitimationsverluste und -grenzen von Codierungen unter Umständen die Kommunikation über Codierungen, in diesem Fall Rassismus und Antisemitismus.42) Zwei Wege der Beobachtung bieten sich zur Erfassung der Code-Konstellationen an: zum einen die zeitliche Dimension, d. h. die Geschwindigkeit der Fluktuation, zum anderen die relationale Dimension, d. h. die inhaltliche Fluktuation und ihre inhaltlichen und methodischen Anschlüsse an die jeweiligen Verlagsprogramme und Wissensfelder. Unter solchen begriffs- und handlungstheoretischen Prämissen ist es folgerichtig, die Trennung zwischen antisemitischen oder rassistischen Einstellungen, Gesinnungen oder Ideologien und antisemitischen oder rassistischen Handlungen analytisch aufzugeben. Antisemitismus und Rassismus sind demnach konsequent zu kontextualisieren, um ein möglichst breites Erklärungsspektrum für das Auftreten rassistischer und antisemitischer Codierungen aufzuzeigen. Für den Aufbau der Arbeit zieht dies nach sich, dass Rassismus und Antisemitismus dort erklärt werden sollen, wo sie vorkommen. Kapitel, die Antisemitismus oder Rassismus aus den Kontexten ihres Auftretens isolieren und generelle Lösungen außerhalb dieser Kontexte anbieten, wird der Leser vergeblich suchen. 3.3 Absatz Fokus der Arbeit ist die Frage nach dem Absatz rassistischer und antisemitischer Publikationen. Das Begriffsverständnis von ‚Absatz‘ erfolgt auf drei Ebenen: Grundsätzliche serielle Datenbasis der Untersuchung sind die Absatzziffern der Verlagspublikationen. Absatzziffern können als Schlüssel41) So Ziege für den Antisemitismus der Weimarer Republik und der NS-Zeit vgl. Ziege: Kohärenz, S. 9, 253. 42) Assoziativ kommt hier der Zusammenhang von Delegitimierung und Zerstreuung moderner Wissenschaften in den Sinn, der aber regelhaft anders ablaufen dürfte als Legitimitätsverlust antisemitischer und rassistischer Codierungen, interessant ist aber dennoch der historisch annähernd parallel verlaufende Prozess vgl. Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien 1999, S. 118ff.; zum konstruktiven Charakter von ‚Störungen‘ auch: Manfred Faßler: Was ist Kommunikation? 2. Aufl. München 1997, S. 179.
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte
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zahlen einer jeden Verlagsunternehmung betrachtet werden. Sie geben den Verlagsleitungen Aufschluss über den Geschäftserfolg einer jeden Veröffentlichung und lassen Rückschlüsse zu auf Programmausstrahlung, Werbe- und Vertriebswirkung sowie den kulturellen und ökonomischen Marktanteil des Unternehmens.43) Absatzziffern sind im Verhältnis zu den Auflagenhöhen und im Vergleich zur verlagsinternen und allgemeinen Absatzsituation zu betrachten, um valide Feststellungen über Absatzerfolg oder -misserfolg einer Publikation zu ermöglichen. Die Verortung von Absatzerfolg oder -misserfolg einer Publikation in die verlagsinternen und allgemeinen Absatzbedingungen erlaubt es zudem, die konstatierten Anschlussstellen der rassistischen und antisemitischen Publikationen auf verlagsprogrammatische Strategien zurückzuführen. Jede Publikation wird des Weiteren in einem spezifischen Absatzsegment inhaltlich ähnlicher Konkurrenzpublikationen anderer Verlage platziert, die denjenigen Ausschnitt des Buchmarkts kennzeichnet, der für die marktbezogene Ausrichtung der Publikation relevant ist und in dem ähnliche Absatzbedingungen herrschen. Analog zum gesamten Absatzmarkt konstituiert sich ein Absatzsegment durch die Marktteilnehmer und die zwischen ihnen stattfindenden Transaktionen.44) Diese Absatzsegmente sollen unternehmensübergreifend den dynamischen, interaktiven Aspekt der Konkurrenzsituation einer jeden rassistischen oder antisemitischen Publikation verdeutlichen. In Unterscheidung zum gesamten Absatzmarkt und zum Branchenmarkt beruhen diese Transaktionen auf einem spezifischen Bedürfnis der Absatznehmer, das wiederum die homogene Produktstruktur eines Absatzsegments nach sich zieht. Die Anbieter innerhalb eines Absatzsegments sind zu Mitanbietern geworden, ihr Verhalten und Handeln ist durch die Konkurrenzsituation maßgeblich bestimmt. Problematisch ist die Abgrenzung von Absatzsegmenten gegenüber dem gesamten Absatzmarkt. Obgleich der Begriff des Marktsegments kein zeitgenössischer Begriff der zwanziger Jahre ist, in denen die Ausdifferenzierung absatzpolitischer Instrumentarien ein wichtiger, erstmals verschärft auftretender Diskussionspunkt buchhandelswirtschaftlicher Debatten war, und sich Marktsegmentierung erst in der betriebswirtschaftlichen Marketinglehre seit den fünfziger Jahren als Bezeichnung einer zielgerichteten, abgestuften Marketingstrategie zur Marktbearbeitung etabliert hat, werden im Folgenden Absatzsegmente in Anlehnung an Kriterien der Marktsegmentierung vor allem nach sachlichen, personellen, räumlichen und zeitlichen Merkmalen abge-
43)
Harald Buscher: Die Absatzkontrolle, in: Erhardt Heinold (Hrsg.): Handbuch des Buchhandels. Bd. II. Verlagsbuchhandel, Hamburg, 1975, S. 595–606; ähnlich: Siegfried von Campe: Die Auslieferung im Gesamtgefüge des Verlages, in: ebda., S. 555–557, hier: S. 557. 44) Zur Definition von Absatzmärkten: vgl. Heribert Meffert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik, 7. Aufl. Wiesbaden 1986, S. 36.
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I. Einleitung
grenzt.45) Die sachliche Marktabgrenzung erfolgt nach den Produkteigenschaften, d. h. nach Publikationsinhalt, -genre und -format, die personelle Abgrenzung nach tatsächlichen und potentiellen Absatznehmern und Konkurrenten, die räumliche nach geographisch zugänglichen und erreichten Absatzgebieten und die zeitliche nach der Gültigkeitsdauer und Stabilität der Abgrenzung. Diese Kriterien bedingen sich gegenseitig und gelangen somit häufig kombiniert zur Anwendung. Auch können Merkmale, die in betriebswirtschaftlicher Literatur zur Eingrenzung von Marktsegmenten nach allgemeinen Käufermerkmalen genannt werden – sozio-ökonomische oder den Lebensstil betreffende Kennzeichen – herangezogen werden, um spezifische Zusammenhänge zwischen Konsumentenstruktur, Marktbeschaffenheit und Absatzstrategien der Verleger der Weimarer Republik zu verdeutlichen.46) Aufgrund der hohen Spezifität der zur Untersuchung anstehenden rassistischen und antisemitischen Publikationen, ihres breiten Spektrums von Publikationsinhalten, -formaten und -genres sind deren Absatzsegmente jeweils gesondert abzugrenzen. Die Konkurrenztitel des jeweiligen Absatzsegmentes werden zum einen mit Hilfe zeitgenössischer Bibliographien und zum anderen unter Betrachtung von Verlagsprogrammen der jeweiligen Konkurrenzunternehmen gewonnen, die Anhaltspunkte über den zeitgenössisch möglichen Publikationshorizont liefern, der nicht mit der rassistischen oder antisemitischen Ausrichtung der jeweiligen Publikation zusammenhängen muss. Die zeitgenössische Zielrichtung und Rezeptionshaltung, die von Rassismus und Antisemitismus unberührt sein kann, ist hier zu beachten, und es wird zu überprüfen sein, wie verbreitet rassistische und antisemitische Publikationen in verschiedenen Absatzsegmenten waren. Vorgeschaltet werden Erläuterungen zu den Absatzbedingungen auf der Makroebene des Branchenmarkts. Um die Ergebnisse der Arbeit angemessen in die Forschungslage einordnen und insbesondere das Verhältnis der exem-
45)
Zum Marktsegment vgl. Meffert: Marketing, S. 181; Heymo Böhler: Methoden und Modelle der Marktsegmentierung, Stuttgart 1977, S. 10; Andreas Kaiser: Die Identifikation von Marktsegmenten, Berlin 1978, S. 1f., 14f.; Bernd Crone: Marktsegmentierung. Eine Analyse zur Zielgruppendefinition unter besonderer Berücksichtigung soziologischer und psychologischer Kriterien, Frankfurt am Main/Bern 1977, S. 10; Wilhelm Kuhn: Marktsegmentierung zum Zwecke segmentspezifischer Werbepolitik, Würzburg 1984, S. 25f.; Wolfgang Zinser: Der Absatz von Investitionsgütern. Ein Beitrag zur Bestimmung von Marktsegmenten mit Hilfe von Einstellungsdaten, Berlin 1978, S. 4; Erich Bauer: Markt-Segmentierung als Marketing-Strategie, Berlin 1976, S. 15f.; Walther Busse von Colbe/Peter Hammann/Gert Laßmann: Betriebswirtschaftstheorie. Bd. 2 Absatztheorie, 4. Aufl. Berlin/Heidelberg/New York u. a. 1992, S. 93; zum Stand der absatzpolitischen Diskussion der zwanziger Jahre vgl. Kurt Schmaltz: Absatz, in: Handwörterbuch der Betriebwirtschaft, Bd. 1, 1. Aufl. 1926, Sp. 33f. 46) Zur betriebswirtschaftlichen Begrifflichkeit vgl. Ronald E. Frank/William F. Massy/ Yoram Wind: Market Segmentation, Englewood Cliffs/New Jersey 1972, S. 87; Crone: Marktsegmentierung, S. 23f.; Böhler: Methoden, S. 64ff.; Kuhn: Marktsegmentierung, S. 79.
3. Methoden und begriffliche Ausgangspunkte
19
plarisch behandelten Publikationen und Verlage zu den Publikationen der einschlägig bekannten rassistischen, antisemitischen oder völkisch aktiven Verlage abschätzen zu können, werden Fragen nach der Verfasstheit des Weimarer Buchmarkts und den allgemeinen Absatzbedingungen rassistischer und antisemitischer Publikationen sowie ihrer Anbieterschaft verfolgt. Der Buchmarkt der Weimarer Republik ist gleichzeitig Absatzrahmenbedingung der gesamten Studie. Er wird begrenzt von politischen und wirtschaftlichen Zäsuren. Für den Buchhandel bedeutete das Ende des Ersten Weltkriegs die Beendigung von Zwangswirtschaftsmaßnahmen. Im Februar 1933 setzte mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes die Indizierung und Beschlagnahmung von Druckschriften durch die nationalsozialistische Zensur ein. Der weitgehend plural verfasste Buchmarkt der Weimarer Republik bestand damit de iure nicht mehr. Obwohl in dieser Arbeit drei Unternehmen zur Diskussion stehen, ist die Arbeit nicht als systematischer Vergleich dieser Unternehmen anzusehen. Zu spezifisch sind die Verlagsprogramme und die Unternehmensstrukturen der drei Verlage, um ein solches Vorgehen sinnvoll erscheinen zu lassen. Um der Eigenart der Verlage gerecht werden zu können, orientiert sich die Gliederung der Arbeit phänomenologisch an den Untersuchungsobjekten, die aber je für sich systematische Ergebnisse der Arbeit exemplifizieren.
II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik? 1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen Folgt man Frédéric Barbier, so war der deutsche Buchhandel des langen 19. Jahrhunderts bis 1914 ein „Empire du livre“.1) Das deutsche Buchwesen in seiner Gesamtheit, d. h. in seinen kulturellen wie ökonomischen Ausformungen, war im 19. Jahrhundert, so Barbier, ein vieldimensionales nationales Symbol, das nationalstaatliche Organisationsformen ersetzte und beförderte. In unserem Zusammenhang soll weniger die hier nahe liegende These einer verspäteten deutschen Staatsnation, die sich im 19. Jahrhundert wesentlich als Kulturnation definierte, wiederbelebt als vielmehr die Anregung aufgegriffen werden, den deutschen Buchhandel des 19. Jahrhunderts und vor allem des Deutschen Kaiserreichs als ein Symbol nationaler Eigenheit, Größe und Stabilität zu betrachten.2) Augenfällig ist die nationale Eigenart der wirtschaftlichen Organisation des Buchhandels auf deutschem Reichsgebiet, der mit dem festen Ladenpreis und einer zentral organisierten Vertriebsstruktur über leistungsfähige wirtschaftliche Instanzen verfügte, die einen reibungslosen, aber als solchen unflexiblen Geschäftsablauf ermöglichten. Der feste Ladenpreis für Bücher bestand seit den Krönerschen Reformen von 1887, mit denen eine einheitliche Verkehrsordnung für den Gesamtbuchhandel durchgesetzt werden konnte. Demnach hatte der Verleger das Recht, einen festen Ladenpreis für ein Buch festzusetzen, der nur unter Rücksprache mit dem Autor zu verändern war. Jedem Buch war somit ein reichsweit konstanter Verkaufspreis gesichert. Folge war ein konkurrenzfähiger Sortimentsbuchhandel auch abseits größerer Städte.3) Die Vertriebsorganisation des Buchmarkts war seit dem 18. Jahrhundert durch den Kommissionsbuchhandel und seit Mitte des 19. Jahrhunderts zuzüglich durch das Barsortiment geregelt.4) Kommissionsbuchhandlungen bündelten für das Sortiment, insbesondere das kleinere Sortiment der Provinz, die Auslieferung von Verlagswerken verschiedener Verlage und wickelten die einmal jährlich stattfindenden Abrechnungen zwischen Verlegern und
1)
Frédéric Barbier: L’empire du livre. Le livre imprimé et la construction de l’Allemagne contemporaine (1815–1914), Paris 1995. 2) Zum Buchhandel des Kaiserreichs vgl. Jäger (Hrsg.): Geschichte. Teil 1; Jäger (Hrsg.): Geschichte. Teil 2; Wittmann: Geschichte, S. 257–328. 3) Vgl. Hans Widmann: Geschichte des Buchhandels. Vom Altertum bis zur Gegenwart. Teil I, Wiesbaden 1975, S. 138ff. 4) Thomas Keiderling: Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888, Berlin 2000.
1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen
21
Sortimentern auf der Leipziger Ostermesse ab.5) Der Kommissionsbuchhandel konzentrierte sich in Stuttgart, Berlin und vor allem Leipzig, dem damaligen Zentrum des deutschen Buchhandels. In Prag, Wien, Budapest und Zürich wurden die Geschäfte für die in das Kommissionssystem eingebundene Schweiz sowie Österreich-Ungarn abgewickelt. In Leipzig war eine Bestellanstalt eingerichtet, die Bestellungen zwischen Sortimentern und Kommissionären vermittelte. Regelmäßig verkehrende Bücherzüge ermöglichten eine schnelle reichsweite Belieferung des Sortiments mit Buchprodukten und entlasteten deren Lagerhaltung. Mit dem zentralen Leipziger Kommissionsbuchhandel hing eine weitere Besonderheit der buchhändlerischen Vetriebsorganisation zusammen, der Konditionenverkehr, der den Sortimentern den Bucherwerb „à condition“ und damit die Rückgabe nicht verkaufter Titel, der Remittenden, erlaubte. Diese nationale Buchwirtschaft des Deutschen Kaiserreichs wurde von einer Verlegerschaft mit einem geradezu dynastischen Standesbewusstsein getragen.6) Mehrere der größten Verlagsunternehmen waren im Familienbesitz untereinander verwandter und verschwägerter Sippen, die das Verlagsunternehmen und ihre Berufsehre an die folgenden Generationen weiterreichten. Wichtiges Kommunikationsforum und Interessenvertretung der Buchhändler war der seit 1825 bestehende Börsenverein der Deutschen Buchhändler, nach der niederländischen Vereeniging ter bevordering van de belangen des Boekhandels von 1815 der älteste buchhändlerische Berufsverband in Europa.7) Zuerst nur für die pragmatische Organisation der Leipziger Abrechnungsmesse zuständig, entwickelte er sich spätestens mit der Reichsgründung und den 1888 abgeschlossenen Krönerschen Reformen einerseits zu einer anerkannten Dienstleistungs- und Organisationsinstanz der Branche, andererseits zu einem repräsentativen Organ des deutschen Buchhandels gegenüber staatlichen und öffentlichen Stellen.8) Sichtbares Symbol war das zur Kantatemesse 1888 eingeweihte Deutsche Buchhändlerhaus in Leipzig, das, getreu der historistischen Architektur des großzügigen Prachtbaus, die Tradition und den nationalkulturellen Geltungsanspruch des Börsenvereins spiegelte. Branchenintern engagierte sich der Börsenverein für die Professionalisierung der buchhändlerischen Aus- und Fortbildung sowie für die Verbesserung der
5)
Wilhelm Moufang: Die gegenwärtige Lage des deutschen Buchwesens. Eine Darstellung der Spannungen und Reformbewegungen am Büchermarkt, München/Berlin/Leipzig 1921, S. 7. 6) Georg Jäger: Vom Familienunternehmen zur Aktiengesellschaft – Besitzverhältnisse und Gesellschaftsform im Verlagswesen, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, S. 197–215, hier: S. 202. 7) Zum Börsenverein vgl. Stephan Füssel/Georg Jäger/Hermann Staub (Hrsg.): Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825–2000. Ein geschichtlicher Aufriss, Frankfurt/M. 2000. 8) Vgl. Volker Titel: Von der Gründung des Börsenvereins bis zur Krönerschen Reform (1825–1888), in: Füssel/Jäger/Staub (Hrsg.): Börsenverein, S. 30–59.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
buchhändlerischen Informationsmittel. Zu diesem Zweck wurde 1916 das Adressbuch des Deutschen Buchhandels erworben. Im selben Jahr begründete der Börsenverein mit dem Deutschen Bücherverzeichnis eine deutsche Nationalbibliographie. Institutionelles Pendant hierzu war die Deutsche Bücherei in Leipzig. Diese Sammelstelle aller im Deutschen Reich produzierten Bücher, ein „Archiv des deutschen Schrifttums und des deutschen Buchhandels“, wurde gleichfalls 1916 eingeweiht.9) Der Höhe- und Schlusspunkt der nationalen Präsenz des Börsenvereins war damit erreicht. Die ökonomische Bilanz des national verfassten, kaiserzeitlichen Buchmarkts konnte sich sehen lassen. Seit der Reichsgründung erlebte die Buchproduktion eine Blütezeit nahezu kontinuierlicher Expansion.10) Wurden 1870 10 108 Titel produziert, waren es 1890 18 875, und 1913 hatte sich die Produktion schließlich auf 35 078 Titel nahezu verdreifacht. Während des Ersten Weltkriegs sank die jährliche Produktion dann um mehr als die Hälfte von 29 308 im Jahr 1914 auf 14 743 Titel im Jahr 1918. Der saturierte Buchmarkt des Kaiserreichs war an sein Ende gekommen, obwohl der Verlagsbuchhandel sich national pflichtbewusst und ökonomisch vorausschauend auf die patriotische Kriegsbegeisterung 1914 eingestellt hatte. Zu Beginn des Jahres 1914 wurde noch das Freiwerden der Abdruckrechte Richard Wagners dreißig Jahre post mortem auctoris zum buchhändlerischen Großereignis hochgejubelt. Im August 1914 transformierte sich der Buchmarkt erstaunlich schnell zu einem militarisierten Markt, für den bis Oktober 1914 an die 500 kriegsbezogene Novitäten aller Fachgebiete zu verzeichnen waren.11) Die diesbezügliche Produktpalette entbehrte nicht originellen Geschäftssinns, da sie von Kriegspostkarten, Kriegspredigten, Kriegschroniken, Kriegsflugblättern, geographischen Karten der Kriegsschauplätze samt Ansteckfähnchen zur Markierung des Frontverlaufs zu Kriegskochbüchern und Kriegsromanen reichte. Dem Kriegsverlauf entsprechend, wurde das Kriegssortiment flexibel variiert. Mit Stagnation der Frontlinie verloren Frontkarten an Bedeutung gegenüber handlichen Feldausgaben belletristischer, unterhaltender oder politischer Lektüre, die nach Anordnung des Generalquartiermeisters des deutschen Heeres im Januar 1916 direkt an die Soldaten oder an Frontbuchhandlungen versandt werden konnten.12) Das Kriegsende brachte
9)
Dazu: Georg Jäger: Von der Krönerschen Reform bis zur Reorganisation des Börsenvereins 1928. Umstellung auf Fachverbände und Integration neuer Berufszweige, in: Füssel/Jäger/Staub (Hrsg.): Börsenverein, S. 60–90, hier: S. 63ff. 10) Vgl. Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens, in: Jäger (Hrsg.): Geschichte. Teil 2, S. 300–367, hier: S. 300ff. 11) Vgl. Kurt Loele: Am Strome der Zeit, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 81 (1914), S. 85–88; ders.: Zwei Monate Kriegsliteratur, in: ebda., S. 1533–35. 12) Vgl. W. Haupt: Feldausgaben, in: Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 2, 2. Aufl. 1989, S. 563; Carl Wagner: Feldbuchhandlungen, in: Archiv für Buchgewerbe 53 (1916), S. 188–192; für Großbritannien: Mary Hammond/Shafquat Towhead (Hrsg.): Publishing in the First World War. Essays in Book History, New York 2007.
1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen
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dem militarisierten Buchhandel die Aufhebung staatlicher Papierbewirtschaftungsmaßnahmen und preisregulativer Vorgaben ein, nicht jedoch eine Einstellung der Kriegsproduktion.13) Das Kriegsthema blieb auf dem Buchmarkt präsent. In Erinnerungswerken, Erfahrungsberichten, Analysen und Romanen breiteten Offiziere, einfache Soldaten, Schriftsteller oder Wissenschaftler ihre Version des Kriegsgeschehens aus. Von den 125 belletristischen Novitäten der Weimarer Republik mit einem Absatzerfolg von mehr als 100 000 Exemplaren waren annähernd ein Fünftel dezidierte Kriegsromane, darunter der Sensationserfolg „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque, 1929 bei Propyläen erschienen, mit einer bis dato unbekannten Absatzziffer von einer Million Exemplaren.14) Kriegsniederlage und politischer Umsturz sowie die wirtschaftliche Misere und die Inflation in den Nachkriegsjahren erschütterten den deutschen Buchhandel und seine nationalen Ordnungsprinzipien in den Grundfesten.15) Der feste Ladenpreis war während der Inflationsjahre faktisch außer Kraft gesetzt.16) In den Jahren 1918–22 konnten in Verhandlungen zwischen Verlag und Sortiment keine einheitlichen Regelungen über Preiserhöhungen erreicht werden, um den konstanten Ladenpreis der allgemeinen Teuerungsrate anzugleichen. Von den Vorsitzenden des Börsenvereins und des Deutschen Verlegervereins wurde 1922 eine ‚Schlüsselzahl‘ eingeführt, die sich tagesaktuell am Wert der Reichsmark orientierte und die mit dem jeweiligen Grundpreis des Buches zu multiplizieren war, um den gültigen Ladenpreis zu errechnen. Diese Schlüsselzahl brachte allerdings nur formale Besserung. Bei ihrer Einführung im September 1922 wurde sie auf den numerischen Wert sechzig festgesetzt, doch im November 1923 betrug sie 110 Milliarden. Schon die Spannbreite dieser Berechnungsgrundlage legt nahe, dass sie sich kaum verlagsintern und erst recht nicht in der Abstimmung zwischen Verlag und Sortiment organisatorisch durchsetzen ließ, da quasi jeden Tag neue Preisauszeichnungen und Preisberechnungen hätten vorgenommen werden müssen. Erst mit der Umstellung auf Goldmarkpreise im Dezember 1923 hatte dieses Chaos 13)
Vgl. Thorsten Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg, in: AGB 51 (1999), S. 1–187, hier: S. 23, 35. 14) Das erbrachte eine Auszählung der bei Richards nach Auflagenhöhe aufgeführten Bestseller. Vgl. Donald Ray Richards: The German bestseller in the 20th century. A complete bibliography and analysis 1915–1940, Bern 1968, S. 55–93; vgl. auch: Wittmann: Geschichte, S. 324. 15) Zum Buchhandel der Weimarer Republik: Ernst Fischer/Stephan Füssel (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1, München 2007; spez. Ernst Fischer: Markorganisation, in: ebda., S. 265ff.; Wittmann: Geschichte, S. 329–360. 16) Hierfür und folgend: Grieser: Buchhandel, S. 27ff., 77ff., 93ff.; Wolfgang Boehm: Die kulturelle Bedeutung des Buchhandels und seine wirtschaftliche Lage, Berlin 1929, S. 59; Dietrich Steinkopff: Organisationsfragen und Preisgestaltung auf dem deutschen Büchermarkt, Leipzig 1925, S. 80–95.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 1913 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 Novitäten
Neuauflagen
Abb. 1: Novitäten und Neuauflagen in der Weimarer Republik
ein Ende. Der feste Ladenpreis blieb aber Gegenstand der Diskussion. 1927 kritisierte Edmund Winterhoff das Preissystem aufgrund seiner mangelnden Flexibilität. Es hätte die Aufblähung der Produktion und zu hohe Buchpreise zur Folge, da Neuproduktion und damit neue Preisfestsetzung die einzige Möglichkeit für Verlage sei, Gewinn zu erwirtschaften.17) Die zentrale Vertriebsorganisation des Buchhandels blieb in der Weimarer Republik bestehen, verlor aber an Bedeutung und Akzeptanz.18) Der Konditionenverkehr ging zurück und war nur noch im Bereich wissenschaftlicher Publikationen üblich. Der Kommissionsbuchhandel war von Konzentrationsbewegungen erfasst, wie der 1918 vollzogenen Fusion der bis dato größten Kommissionsfirmen Koehler und Volckmar zum Buchhandelskonzern Koehler & Volckmar.19) Das Ende der wirtschaftlichen Gewohnheiten des saturierten Marktes belegt schließlich auch ein Blick auf die Produktionsstatistik aller erschienenen Novitäten in der Weimarer Republik im Vergleich zum Kaiserreich sowie der Neuauflagen der Weimarer Republik (Abb. 1).20) Die Vorkriegsmarke von 35 078 produzierten Titeln wurde 1918 mit 14 743 Titeln um die Hälfte unterschritten. Zwischen 1919 und 1922 stieg die Produktion inflationsbedingt an, von 22 308 auf 30 804 Titel. 1924 fiel die Produk17)
Edmund Winterhoff: Die Krisis im deutschen Buchhandel als Folge seiner Kartellierung, Karlsruhe 1927, S. 50–71. 18) Wittmann: Geschichte, S. 332f. 19) Vgl. Thomas Keiderling: Unternehmer im Nationalsozialismus. Machtkampf um den Konzern Koehler & Volckmar AG & Co., Beucha 2003, S. 18ff. 20) Vgl. Ernst Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels. Leipzig 1934, S. 62; Kastner: Statistik (2007), S. 341f.; dies.: Statistik (2003), S. 300–367, hier: S. 320f.
1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen
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tionsrate auf 23 082 Titel ab, um im Folgejahr wieder auf 31 026 Titel steil anzusteigen. Bis 1927 hielt sich eine Produktionsziffer von über 30 000 Titeln im Jahr, seit 1928 zeigt die Produktionskurve kontinuierlich nach unten, und die in den stabilen Jahren erreichten Vorkriegswerte werden wiederum unterschritten. Trennt man die Statistik nach Novitäten und Neuauflagen, so hatten in den unmittelbaren Nachkriegs- und Inflationsjahren Neuauflagen mit ca. 20 Prozent den höchsten Anteil an der gesamten Buchproduktion, der in den Folgejahren seit 1923 kontinuierlich auf ca. 13 Prozent im Jahr 1932 absank. Der in den ersten Nachkriegsjahren zu verzeichnende Höchststand der Neuauflagen lässt darauf schließen, dass die durch den Ersten Weltkrieg verursachten Produktionslücken aufgefüllt wurden. Zwei Interpretationsmöglichkeiten bietet der Befund der kontinuierlich sinkenden Neuauflagen seit 1923: zum einen könnte mangelnder Absatz der Einzelauflagen eine Verzögerung weiterer Neuauflagen bewirkt haben, zum anderen können grundsätzliche Änderungen in den Bedarfsstrukturen, Geschmackswandel oder wissenschaftliche Paradigmenwechsel eine stärkere Nachfrage von Novitäten zur Folge gehabt haben.21) Zieht man die Zahlen des Buchexports hinzu, so wird deutlich, dass sich nicht nur die saturierte zu einer prekären Produktionssituation gewandelt hatte. Der national verfasste Buchmarkt des Kaiserreichs war in der Weimarer Republik zu einem international eingeschränkt handlungsfähigen Buchmarkt geworden, dessen Buchexport sich in den Jahren 1919–31 anhaltend unter dem Vorkriegsniveau bewegte.22) Exportgünstig wirkten die Inflationsjahre. 1924 markiert den Exporttiefstand des Betrachtungszeitraums, dem ein kontinuierlicher Anstieg der Exportziffern folgte. Nach der Zollstatistik stellt sich die Kurve des Buchexports 1913–31 wie in Abb. 2 dargestellt dar. Der deutsche Buchmarkt war naturgemäß kulturnational verfasst. Dennoch war er gleich anderen Produktionsbranchen von Veränderungen und Verkleinerungen der Auslandsmärkte im und nach dem Ersten Weltkrieg betroffen, die seine internationale Handlungsfähigkeit einschränkten und ihn wenngleich nicht international desintegrierten, aber auf seine nationalen Absatzgebiete zurückwarfen.23) Gebietsverluste des Deutschen Reichs gemäß
21) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 98 sowie S. 103; Daten für Neuauflagen im Kaiserreich konnten nicht ermittelt werden. 22) Vgl. Gerhard Menz: Das deutsche Buch im Ausland, in: Der Auslanddeutsche IX (1926), S. 242–44, hier: S. 242; ders.: Der europäische Buchhandel seit dem Wiener Kongreß, Würzburg 1941, S. 137; Gerhard Menz: Kulturpropaganda, in: Gerhard Menz/Georg Karo: Wort und Schrift im Kampfe um Deutschlands Weltgeltung, Marburg 1926, S. 5–23. 23) Vgl. für die Industrie: Verena Schröter: Die deutsche Industrie auf dem Weltmarkt 1929 bis 1933. Außenwirtschaftliche Strategien unter dem Druck der Weltwirtschaftskrise, Frankfurt am Main/Bern/New York/Nancy 1984, spez. S. 30ff.; Ludolf Herbst: Der Krieg und die Unternehmensstrategie deutscher Industrie-Konzerne in der Zwischenkriegszeit, in: Martin Broszat/Klaus Schwabe (Hrsg.): Die deutschen Eliten und der Weg in den Zweiten Weltkrieg, München 1989, S. 72–134.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
170000
150000
130000
110000
90000
70000
50000 1913
1920
1922
1923
1924
1925
1931
Export (Angaben in Doppelzentnern)
Abb. 2: Buchexport aus dem Deutschen Reich 1913–31
des Versailler Vertrags schränkten seine Absatzräume zusätzlich ein. Die Nachfolgestaaten der vorher offiziell deutschsprachigen Habsburgermonarchie boten dem deutschen Buchhandel verschlechterte Absatzbedingungen. Schließlich verlor die deutsche Sprache dort auch in Schule, Hochschule und öffentlicher Verwaltung an Einfluss. Russland blieb lange Jahre nach der Oktoberrevolution für den deutschen Buchexport unbedeutend, da deutschsprachige und deutsch lesende Bücherkäufer das Land verlassen hatten.24) Der wissenschaftliche Buchhandel war darüber hinaus von der Nachkriegsisolation der deutschen Wissenschaft betroffen. Gleichzeitig bot das inflationäre Absatzhoch von Büchern, das in der Regel ein Scheinhoch war, da der Buchverkauf weit unter dem Sachwert der Publikationen erfolgte, Anlass, Schuldzuweisungen für die trübe Absatzlage einem kaufwütigen ausländischen Lesepublikum zuzuschieben.25) Die Handelsroutinen im Buchexport waren nachhaltig gestört, zumal deutsche Auslandsbuchhandlungen im Krieg geschlossen worden waren und Absatzkanäle nach dem Krieg neu geschaffen werden mussten.26) Auf der Kantateversammlung des Börsenvereins 1919 wurde die Gesellschaft für Auslandsbuchhandel gegründet, die das Periodikum „Das deutsche Buch“ herausgab, das, über Fragen der technischen Organisation des Exports hinausgehend, Verleger und Sortimentsbuchhändler für die Beschaffenheiten von 24)
Der Auslandsdeutsche. Halbmonatsschrift für Auslandsdeutschtum und Auslandskunde 9 (1926). Sonderheft: Das deutsche Buch im Ausland, S. 648. 25) Zur Inflation im Buchhandel umfassend: Grieser: Buchhandel. 26) Ruprecht: Väter, S. 249.
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Auslandsmärkten und ihre Erreichbarkeit sensibilisieren sollte. Die Frage „Was ist das deutsche Buch?“ wurde angesichts national veränderter Kontexte der Absatzräume neu thematisiert und definiert. Die sich entwickelnden Zirkel von Sachverständigen des Metiers neigten zu missionarisch-rassistischen Absatzmodellen, wenn sie den Auslandsbuchhandel hierarchisch segmentierten: „Die Aufnahmefähigkeit für diese [deutschen] Bücher wird aber überall verschieden sein“, so der Landesbibliothekar in Nordschleswig Christensen, und variiere, je nachdem ob „man rasse- und religionsfremden, auf tieferer Kulturstufe stehenden Gegnern gegenübersteht, die das Schädelspalten als Kampfform üben möchten“, oder ob „man mit stammverwandten, konfessionsgleichen Völkern kämpft, die in einem ein Jahrhundert langen Kulturkampf ihre geistigen Waffen geschmiedet haben.“27) Die Kulturwertigkeit deutschsprachiger Minderheiten bemaß sich dabei nach ihrem voraussichtlichen Absatzpotential. So war es dem genannten Verfasser für den Buchhandel der Bukowina „wichtig […] das jüdische Element bei der deutschen Kultur zu erhalten. In Beßarabien [sic] ist es bei der innig religiösen Einstellung der deutschen Kolonisten vor allem die populär-religiöse Literatur, die auf Absatz zu rechnen hat.“28) Bei allen Bemühungen des Verfassers, die Absatzchancen des Auslandsbuchhandels realistisch einzuschätzen, unterstreichen seine Aussagen, dass der deutsche Buchhandel, zumindest der nicht-wissenschaftliche, ein Problem mit dem Export deutschsprachiger Bücher hatte, das über rein technische Organisationsschwierigkeiten hinausging. Die Verluste im Export bzw. Auslandsbuchhandel erhöhten für den deutschen Buchhandel zwangsläufig noch einmal die Bedeutung des Binnenmarkts innerhalb eines Gesamtmarkts, auf dem, dies zeigt die Produktionsstatistik deutlich, selbst in den relativ stabilen Jahren 1925–28 keine wesentlichen Wachstumsimpulse zu verzeichnen waren. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Verkleinerung der Absatzmärkte im In- und Ausland neben dem quantitativen Verlust von Absatzräumen auf die Qualität der verbliebenen Absatzräume zurückwirkte, die daher mit veränderten Absatzstrategien bearbeitet werden mussten. Diese Entwicklung war in den kontinuierlich wachsenden Markt- und Abnehmerbezug unternehmerischer Verkaufsstrategien in der Warenproduktion seit der Jahrhundertwende eingebettet, dem von der Forschungsliteratur idealtypisch charakterisierten Umbruch vom „verkaufsorientierten“ zum „kunden- bzw. marktorientierten“ Handeln.29)
27)
Der Auslandsdeutsche, S. 641. Ebda., S. 647. 29) Vgl. hierzu und im Folgenden: Toni Pierenkemper: Unternehmensgeschichte. Eine Einführung in ihre Methoden und Ergebnisse, Stuttgart 2000, S. 166, 169; Aufteilung nach Heribert Meffert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik, 7. Aufl. Wiesbaden 1986, S. 29; Fritz Blaich: Absatzstrategien deutscher Unternehmer im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Hans Pohl (Hrsg.): Absatzstrategien deutscher Unternehmer. Gestern – Heute – Morgen, Wiesbaden 1962, S. 5–46, hier: S. 22ff. 28)
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
„Wie und wo erfasse ich Käuferschichten?“, so formulierte Horst Kliemann 1928 das zentrale Problem der Verleger, dem man mit Professionalisierungsmaßnahmen für die Buchwerbung zu begegnen gedachte.30) Im November 1923 hatte der Börsenverein eine zentrale Werbestelle eingerichtet. Sie publizierte eine eigene Broschürenserie, die „Schriften zur Buchwerbung“, die in Titeln wie „Das Schaufenster des Buchhändlers“, „Verkaufsgespräche im Sortiment“, „Das Besprechungswesen“ Probleme des Sortiments- und Verlagsbuchhandels gleichermaßen behandelte. Daneben veröffentlichte sie Periodika zur Verbreitung bibliographischer Notizen, veranstaltete thematisch wechselnde Buchwochen oder Vortragsveranstaltungen und nahm auf das Konkurrenzmedium Radio Einfluss. Verstärkte Kollektivwerbemaßnahmen regionaler, fachlicher und weltanschaulicher Verlagszusammenschlüsse zeigten neuartige Marktsegmentierungen an. Ähnlich den Anzeigenagenturen im Zeitschriftenwesen, wie Ala oder Mosse, oder Werbeagenturen in der Industrie etablierten sich im Buchhandel seit 1923 selbstständige Reklameunternehmer, die sich gleichfalls politisch verorten ließen.31) Das, laut Horst Kliemann, bekannteste Unternehmen dieser Art, die Zentralstelle für buchgewerbliche Reklame Emil Fink in Stuttgart, koordinierte verlagsbuchhändlerische Anzeigen im national-konservativen Lager. Die Probleme der Absatzpolitik beeinflussten darüber hinaus die Produktpolitik der Verleger, die mit veränderten Bedarfsstrukturen zu rechnen hatten. Diese veränderten Bedarfsstrukturen verdeutlichen Untersuchungsergebnisse des Enquête-Ausschusses zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft. In seinem Abschlussbericht von 1931 konstatierten die Verfasser weitreichend veränderte Konsumgewohnheiten.32) Genannt wird die Zunahme der Rundfunkteilnehmer, die Umschichtung des Einkommens, die sich in der vermehrten Nachfrage nach Erzeugnissen mittlerer Qualität spiegelte, ein veränderter Wohnungs- und Kleidungsstil sowie gesteigerte sportliche Interessen. Somit werden fast klischeehaft die Konsumgewohnheiten der Weimarer Angestelltenschicht skizziert, aber gleichzeitig werden auch Kriterien aufgeführt, die in betriebswirtschaftlicher Literatur zur Eingrenzung von Marktsegmenten nach allgemeinen Käufermerkmalen dienen: sozio-ökonomische und den Lebensstil betreffende Kennzeichen.33) Das Konzept des Marktsegments ist erst seit den fünfziger Jahren in der moder30) Horst Kliemann: Wie und wo erfasse ich Käuferschichten. Einteilung der Käufermassen in Interessenschichten als Grundlage des Verkaufs- und Produktionsplans, Wien/ Berlin/Leipzig 1928; ders.: Werbung fürs Buch. Leitfaden der buchhändlerischen Reklame, 2. Aufl. Stuttgart 1925, S. 11ff. 31) Kliemann: Werbung, S. 215. 32) Bernhard Dernburg/Wendelin Hecht/Kurt Neu: Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1931, S. 203ff. 33) Zur betriebswirtschaftlichen Begrifflichkeit vgl. Frank/Massy/Wind: Market Segmentation, S. 87; Crone: Marktsegmentierung, S. 23f.; Böhler: Methoden, S. 64ff.; Kuhn: Marktsegmentierung, S. 79.
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nen Marketinglehre entwickelt worden, verdeutlicht aber an dieser Stelle die spezifischen Zusammenhänge von Konsumentenstruktur, Marktbeschaffenheit und Absatzstrategien der Anbieter von Konsumgütern in der politisch, kulturell sowie sozial segmentierten und fragmentierten Weimarer Gesellschaft, wobei der Terminus der Segmentierung in der gesellschaftshistorischen Forschung selbstverständlich andere Konnotationen aufweist als in der rein ökonomischen Verwendung.34) Die betriebswirtschaftliche Theorie der Marktsegmentierung nennt neben den sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Kriterien demographische und geographische Merkmale, die bei einer Marktsegmentierung in Rechnung gestellt werden müssten. Auch hier waren, wie der demographische Wandel der Weimarer Gesellschaft und die erwähnten geographischen Verluste von Absatzräumen nahe legen, die Weimarer Konsumentenschaft und die Weimarer Absatzmärkte grundlegenden Veränderungen unterworfen.35) Alle Kriterien, die eine Marktsegmentierung nach Käufermerkmalen definieren können, befanden sich demnach in der Weimarer Zeit in dynamischen Veränderungsprozessen, die für zeitgenössische Anbieter von Konsumartikeln eine Variation und Anpassung ihrer Produktpolitik bedeuten mussten. Zieht man die medienhistorische Forschung über die Weimarer Republik in Betracht, waren es die Medien selbst, die aufgrund ihrer zunehmenden Streuung und Rezeption sowie ihrer Koppelung an den Sachzwang ökonomischer Rentabilität traditionelle gesellschaftliche Fragmentierungsgrenzen aufweichten und eine neue einheitliche Massenkultur einrichteten.36) Kinofilme, Radiosendungen, massenmediale Printmedien wie auch preiswerte Volksausgaben literarischer Klassiker oder populäre Sachbuchausgaben wirkten über ein weltanschauliches Stammpublikum hinaus in gewisser Weise sozial, politisch und kulturell integrierend. Der Weimarer Buchmarkt war demgemäß von Widersprüchen geprägt.37) Einerseits waren seine Marktsegmente, ob neu formiert oder aus dem Kaiserreich übernommen, gegeneinander abgeschottet und lassen sich in dieser Form teilweise mit dem Beharrungsvermögen traditioneller Lebenswelten und den Abgrenzungsbestrebungen neuer Lebenswelten der Weimarer Zeit gleichsetzen. Andererseits waren die Verlage auf einem eng umkämpften Konsumentenmarkt bemüht, nicht nur ihren Marktanteil zu halten, sondern auch neue Märkte zu erschließen. Das war nur zu erreichen, indem traditionelle Marktsegmentierungen aufgebrochen wurden. Eine demgemäß als 34)
Vgl. zur Segmentierung: Peukert: Weimarer Republik, spez. S. 218ff.; Lehnert/Megerle: Identitäts- und Konsensprobleme; Schirmer: Mythos, S. 66ff. 35) Zur Demographie: Peukert: Weimarer Republik, S. 91ff. 36) Vgl. Thomas Mergel: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag, Düsseldorf 2002, S. 335ff. 37) Diese Widersprüche müssen keine dichotomischen Alternativen sein vgl. Mergel: Kultur, S. 335f.; vgl. dazu auch die Rezension von Gangolf Hübinger: Weimarer Reichstag als Ordnung der Körper, in: NPL 49 (2004), S. 302f.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
flexibel zu bezeichnende Marktsegmentierung zeigte sich auf dem Buchmarkt der Weimarer Republik auf mehreren Ebenen, wobei die Umschwünge in der Produktpolitik an den Einzelunternehmen Gustav Fischer, Georg Westermann und Vandenhoeck & Ruprecht im Detail nachzuweisen sein werden. Hier sei die Buchproduktion insgesamt skizziert, die, unter den Bedingungen der oben erläuterten Gesamtproduktionskurve, in unterschiedlichen Produktgruppen unterschiedliche Konjunkturen verzeichnete, auf die ihre Anbieter mit produktpolitischen Modifizierungen reagieren mussten bzw. die von Anbietern auf Grundlage veränderter Einschätzungen der Marktsituation herbeigeführt worden waren.38) Infolge der Inflation 1923/24 brach die gesamte Buchproduktion zusammen. Das Produktionshoch von Büchern lag im Allgemeinen in den Jahren 1925–27, abgesehen von den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin sowie Rechts- und Staatswissenschaften. In der Abteilung Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin wurde die Produktionsblüte der Inflation, vermutlich wegen fehlender Exportmöglichkeiten, in den Jahren des allgemeinen Produktionshochs 1925–27 nicht wieder erreicht. Die Abteilung Rechts- und Staatswissenschaften verzeichnete in den Jahren 1928–32 vor dem Hintergrund allgemein sinkender Produktion einen Produktionsanstieg und Produktionshöhepunkte in den Jahren 1930 und 1932, die höher lagen als die Durchschnittsproduktion dieser Abteilungen vor dem Ersten Weltkrieg. Die Verwerfungen in Wirtschaft und Politik der späten Weimarer Republik schlugen also positiv zu Buche. Hier erwies sich „die Krisis als produktionsfördernder Faktor“.39) In den Gruppen Schöne Literatur, bildende Kunst und Musik, Geschichte und Volkskunde sowie Technik und Handwerk lag die Durchschnittsproduktion in den Jahren 1925–27 höher als die Durchschnittsproduktion vor dem Ersten Weltkrieg. Zum einen spiegelte sich darin eine gewandelte Buchbedarfsstruktur der Republik. Zum anderen ist Überproduktion zu vermuten, wenn man in Betracht zieht, dass in der Schönen Literatur die Produktionsziffer seit 1929 wieder weit unter der Vorkriegsproduktion lag.40) Von der Tendenz der sinkenden 38)
Das Folgende nach: Umlauff: Beiträge, S. 99ff. In Anlehnung an Schönrock und dessen zeitgenössische statistische Übersichten im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel unterscheidet Umlauff innerhalb der Buchproduktion 24 Gruppen, die er in sechs Abteilungen zusammenfasst: 1. Geisteswissenschaften, bestehend aus den Gruppen Religion und Theologie, Philosophie und Weltanschauung, Sprach- und Literaturwissenschaften sowie historische und volkskundliche Literatur, 2. Naturwissenschaften und Mathematik einschließlich Medizin, 3. Rechts-, Wirtschafts- und Staatswissenschaften, 4. Industrie und Technik, 5. Erziehungs- und Unterrichtsschriften inklusive aller Schulbücher, 6. Unterhaltungsliteratur, d. h. die so genannte Schöne Literatur und Jugendschriften. Unberücksichtigt blieben die Gruppen Buch- und Schriftwesen und Hochschulkunde, bildende Kunst und Musik, Kriegswissenschaften, Erdkunde und Atlanten sowie Turnen, Sport und Spiel. 39) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 98. 40) Vgl. Winterhoff: Krisis, S. 5.
1. Von nationaler Marktorganisation zu flexiblen Segmentierungen
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Neuauflagen wichen nur die Gruppen Religion und Theologie, Philosophie, Jugendliteratur, Kunst sowie Land- und Hauswirtschaft ab. In den Gruppen Theologie, Philosophie und Jugendliteratur ist dies im Zusammenhang generell günstig verlaufender Produktionskurven zu sehen, die auf Sonderkonjunkturen dieser thematischen Publikationseinheiten hindeuten. Vor allem für Religion und Theologie ist eine solche in den beginnenden dreißiger Jahren festzustellen. In der zeitgenössischen Diskussion war parallel zu solchen Umbrüchen der Marktsegmentierungen das Wort von der „Bücherkrise“ die gemeinsame, diffuse Losung aller am Buchhandel beteiligten Akteure zur Kennzeichnung der Situation des Buchmarkts.41) Diese Bücherkrise wurde als Baustein einer allgemeinen Kulturkrise diagnostiziert und mit kulturpessimistischem Vokabular gepflegt. Viel zitiert wird in diesem Zusammenhang der Verleger Samuel Fischer, der 1926 konstatierte: „Da ist es nun sehr bezeichnend, dass das Buch augenblicklich zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens gehört. Man treibt Sport, man tanzt, man verbringt die Abendstunden am Radioapparat, im Kino – ist neben der Berufsarbeit vollkommen in Anspruch genommen und findet keine Zeit, ein Buch zu lesen.“42) Der Verlag von Samuel Fischer sorgte allerdings selbst für den spektakulärsten Beweis der Klagen über die Kommerzialisierung des Weimarer Alltags und die Wichtigkeit werbetechnischer Aufwendungen.43) Trotz einer nur mäßig erfolgreichen regulären Ausgabe des Romans „Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann wurde der Roman im November 1929, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft, in einer günstigen Volksausgabe herausgebracht. Der Autor erhielt wenig später den Literaturnobelpreis, und der Roman erreichte bis 1932 eine Auflage von nahezu einer Million Exemplare. Fischers Klage über die schwindende Bedeutung des Buchs bleibt aber dennoch ein Anzeichen für die Orientierungsprobleme eines im Kaiserreich erfolgreichen Verlegers. Doch nicht nur der Buchmarkt als Produktmarkt war Neusegmentierungen unterworfen. Die Organisationsprinzipien des buchhändlerischen Verkehrs befanden sich gleichfalls in einem Segmentierungsprozess, bzw. sie neigten dem, wie Wittmann formuliert, „Rückzug auf Partikularinteressen“ zu.44) Die zahlreichen neuen Buchgemeinschaften, die in den zwanziger Jahren gegründet wurden, deuten auf eine Auflösung herkömmlicher Vertriebsstruk-
41) Berthold Brohm: Das Buch in der Krise. Studien zur Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik, in: AGB 51 (1999), S. 189–331; Wittmann: Geschichte, S. 336. 42) Zitiert nach: Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, Frankfurt/M. 1963, S. 1010. 43) Wittmann: Geschichte, S. 339f.; Ernst Fischer/Stephan Füssel: Kultur und Gesellschaft: Signaturen der Epoche, in: dies. (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1, München 2007, S. 5–28, hier: S. 20. 44) Wittmann: Geschichte, S. 331.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
turen hin.45) Die Vertriebsidee der von Verlag und Sortiment in der Regel misstrauisch beäugten Konkurrenz der Buchgemeinschaften bestand darin, ihren Mitgliedern bei Kaufverpflichtung für einen Titel pro Jahr günstige Bücher eines begrenzten Sortiments anzubieten. Das sich daraus ergebende, fest umrissene Segment gebundener Absatznehmer und kalkulierbarer Absatzstrukturen firmierte jeweils unter einem mehr oder minder offensichtlichen konfessionell, parteipolitisch oder anderweitig weltanschaulich definierten Kennzeichen. Für die Weimarer Republik kann von 42 neu gegründeten Buchgemeinschaften ausgegangen werden, ohne dass dieses Prinzip der Absatzbindung unter ideellen Vorzeichen aufgegeben wurde.46) Die beträchtliche Zunahme von Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik und ihr Erfolg weisen über die vertrieblichen Umstrukturierungen hinaus durchaus auch auf eine weitere Ausdifferenzierung von Käuferschichten hin.47) Unter dem Eindruck der strukturellen Umsortierungen des Buchmarkts geriet auch der Börsenverein der Deutschen Buchhändler in seinem Monopol als Standesvertretung in Bedrängnis.48) Eine Diversifizierung der buchhändlerischen Interessenvertretungen setzte schon im Kaiserreich mit der Gründung des Deutschen Verlegervereins 1886 ein. 1906 bildeten die katholischen und evangelischen Verlags- und Sortimentsbuchhandlungen eigene Organisationen. 1916 löste die Deutsche Buchhändlergilde den 1863 gegründeten Sortimenter-Verein ab, um den Sortimentsbuchhandlungen zu mehr Gewicht im buchhändlerischen Interessenausgleich zu verhelfen. Weitere Untergruppierungen des Deutschen Verlegervereins, wie die Vereinigung der medizinischen Verleger, die Vereinigung der rechts- und staatswissenschaftlichen Verleger oder die Vereinigung der schönwissenschaftlichen Verleger, kratzten verstärkt an der repräsentativen Führungsrolle des Börsenvereins innerhalb der Buchhandelsorganisationen. Die Kompetenzrangeleien in der Nachkriegszeit, die sich zwischen Sortiment und Verlag an Rabattierungs- und Konditionsproblemen oder an den Abstimmungsusancen bei Beschlussfassung im Börsenverein entzündeten, konnten erst 1925 mit einem zwischen dem Börsenverein, dem Deutschen Verlegerverein und der Deutschen Buchhändlergilde geschlossenen Vertrag und endgültig 1928 mit Inkrafttreten einer neuen Satzung des Börsenvereins beendet werden. Diese sicherte dem Börsenverein seine Position als Spitzenorganisation des deutschen Buchhandels zu, dem der Deutsche Verlegerverein und die Deutsche Buchhändlergilde sowie die ihnen jeweils angegliederten Fachvereine, wie Kunst-, Lehr45)
Vgl. Kurt Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften und Fachvereinsverlage im Zusammenhang mit den Plänen und Versuchen der Sozialisierung und Verstaatlichung des Buchwesens, Osterwieck 1927; Urban van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik. Mit einer Fallstudie über die Sozialdemokratische Arbeiterbuchgemeinschaft, Stuttgart 2002. 46) Die Anzahl der Neugründungen bei: van Melis: Buchgemeinschaften, S. 56. 47) Vgl. ebd., S. 245. 48) Hierfür und folgend: Jäger: Krönersche Reform, S. 85.
2. Von kulturellen Codierungen zu fluktuierenden Codierungen
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mittel-, Musikalien- oder Zeitschriftenverleger bzw. -buchhändler, untergeordnet waren. Die Zahl der anerkannten buchhändlerischen Interessenvereine, die als solche das Auseinanderdriften der Fachinteressen der Buchbranche signalisiert, belief sich 1932 bereits auf 17 Fachvereine, 15 Kreisvereine und sechs Auslandsvereine.
2. Von kulturellen Codierungen zu fluktuierenden Codierungen – Antisemitismus und Rassismus auf dem Buchmarkt der Weimarer Republik In diesen Weimarer Buchmarkt mit seinen flexiblen Segmentierungen der verlegerischen Produkt- und Absatzpolitik sowie der vertrieblichen und beruflichen Organisationsprinzipien, in dem sich die Segmentierungen, Fragmentierungen, flottierenden Versatzstücke und unerwarteten Allianzen der Weimarer Ideengeschichte widerspiegelten, ist die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Publikationen hinein zu denken. Es lassen sich zwei Verbreitungstendenzen rassistischer und antisemitischer Codierungen beobachten. Zum einen zeigte der traditionelle, kulturell codierte Antisemitismus des Kaiserreichs sowie ein selbstverständlicher, im Imperialismus eingeübter und normierter Rassismus Beharrungsvermögen in weiten Kreisen der Verlegerschaft und der buchhändlerischen Organisationen. Zum anderen verschärfte sich die Konkurrenz auch auf den rassistischen und antisemitischen Publikationsfeldern, zusammenhängend mit dem Absatzstagnationen und der flexiblen Segmentierung rassistisch und antisemitisch anschlussfähiger Themenfelder. In der berufsständischen Organisation des Buchhandels der Weimarer Republik wirkte vor allem der traditionelle kulturelle Code des Antisemitismus fort. Der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler war politisch traditionell deutschnational orientiert, was parteipolitisch interpretiert, im Sinne des Grundsatzprogramms der DNVP von 1920, einem Ausschluss jüdischer Mitglieder gleichkam. Folglich konnte sich der Börsenverein in seinem „Sofortprogramm des deutschen Buchhandels“, das der Vorstand des Börsenvereins im April 1933 zur wirtschaftlichen Konsolidierung beriet und verabschiedete, zu Gute halten, dass Vorstandsämter „von jeher“ mit „nationalgesinnten Männern“ besetzt worden seien und dass „Rassenfremde […] seit einem halben Jahrhundert dem Vorstand nicht an[gehören].“49) 49)
Die traditionelle deutschnationale Orientierung bei: Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ‚Dritten Reich‘. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt/M. 1993, S. 43; ders.: Der Börsenverein in den Jahren 1933 bis 1945, in: Füssel/Jäger/Staub (Hrsg.): Börsenverein, S. 91–117, hier: S. 92, dort auch (S. 95) Zitat des Sofortprogramms; die strukturelle und personelle Konstante des Börsenvereins unmittelbar nach 1933 auch bei: Otto Seifert: Die Große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945, Schkeuditz 2000, S. 65; zu den mangelnden wissenschaft-
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
Eine zeitgenössische, sarkastische Kommentierung der nationalen Parteilichkeit des Börsenvereins stammt von Kurt Tucholsky, der sich 1925 über den deutschen Durchschnittsbuchhändler und seine „völkische Art“, Bücher zu verkaufen, beklagte.50) Auf den Festen der Buchhändler würden „nationale Reden und schwarz-weiß-rote Fahnen […] geschwungen“ und im „Börsenblatt“ „üble nationale Hetze“ getrieben. Die Stimmen der „Herren Kurt Wolff, Ernst Rowohlt, S. Fischer“, synonym für das politisch sowie verlegerisch liberale und linke Spektrum, seien in den offiziellen Buchhandelsorganisationen hingegen nicht zu vernehmen. Der antisemitische Code, davon ist auszugehen, war im deutschnationalen, konservativen Verlagsbuchhandel akzeptiert. Dies legen beispielsweise die antisemitischen Stereotypien nahe, die Gustav Müller-Grote von der Grote’schen Verlagsbuchhandlung in Berlin während der zwanziger Jahre in der Korrespondenz mit seinem Autor Gustav Frenssen immer wieder anführt und die kein Einzelfall gewesen sein dürften: die „jüdisch-demokratische Presse“, die „Berliner Literaturjuden“ oder die „Macht des Judentums und die Ausländerei […] in der Literatur und im Buchhandel“.51) Oftmals in die umständlichen Wendungen eines „Antisemitismus ohne Antisemiten“ gekleidet, pflegte man gewohnheitsmäßige Bezeichnungs-, Ausschluss- und Abwehrmechanismen gegenüber jüdischen Kollegen und Autoren, ohne sich mit einem allgemein vorhandenen Antisemitismus gleichsetzen zu wollen.52) Ein Paradebeispiel derartiger Argumentationsstrategien stellen die Erinnerungen Karl Baurs dar, der als Schwiegersohn Georg D. Callweys seit 1926 Mitinhaber und seit 1930 Alleininhaber des Callwey Verlags in München war und im Mai 1933, aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft seit 1930, in den Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler berufen wurde.53) Baur verfasste seine Erinnerungen 1968, nachdem er einige Jahre interniert gewesen war sowie anschließend den Callwey Verlag in München neu aufgebaut hatte. lichen Standards bei Seifert: Jan-Pieter Barbian: Misslungener Versuch. Rezension zu: Otto Seifert: Die Große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945, S. 4, URL: http://www.iaslonline.lmu.de (07. 09. 2010); zum Antisemitismus in der DNVP vgl. Wilhelm Mommsen (Hrsg.): Deutsche Parteiprogramme, München 1960, S. 538; Winkler: Gesellschaft, S. 271ff.; Winkler: Weimar, S. 113f.; zum Antisemitismus in der DNVP ausführlich: Jan Striesow: Die Deutschnationale Volkspartei und die Völkisch-Radikalen 1918–1922. 2 Bde., Frankfurt/M. 1981, S. 102–162. 50) Kurt Tucholsky: Wo. Veröffentlicht in der Weltbühne, 23. 06. 1925, abgedruckt in: Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe. Bd. 7. Texte 1925, Reinbek b. Hamburg 2002, S. 99f. 51) Zitiert nach: Andreas Crystall: Gustav Frenssen. Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus, Gütersloh 2002, S. 400, dort auch weitere Beispiele. 52) Zum „Antisemitismus ohne Antisemiten“ vgl. Peter Pulzer: Jews and the German state. The political history of a minority, 1848–1933, Oxford/Cambridge 1992, S. 223; anschließend an: Bernd Marin: Antisemitism before and after the Holocaust. The Austrian case, in: Ivar Oxaal/Michael Pollack/Gerhard Botz (Hrsg.): Jews, antisemitism and culture in Vienna, London 1987, S. 216–33. 53) Zu Baur in der Buchhandelsorganisation des ‚Dritten Reiches‘ vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 43.
2. Von kulturellen Codierungen zu fluktuierenden Codierungen
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Somit ist der Text von Narrativen bundesrepublikanischer Erinnerungskultur einerseits und einer persönlichen Apologie andererseits gezeichnet. In den Widersprüchlichkeiten, die bei Abhandlung des antisemitischen Themas auftreten, sind die Aufzeichnungen aber immer noch eine glaubwürdige zeitgenössische Aussage. Baur erreichte 1929 die Anfrage, ein geschichtsphilosophisches Manuskript von Paul Ligeti zu verlegen, dessen Ideen ihn „sofort fesselten“. Dennoch: „Eines Tages sagte [Georg D.] Callwey, ob ich nicht glaube, daß Ligeti Jude sei. Der Gedanke war nie aufgetaucht. Wir waren beide keine Antisemiten, aber es war in diesen Jahren soviel Antisemitismus auf dem Wege, daß die Frage in ihrer Bedeutung nicht unverständlich war.“54) Die Bedeutung dieses Verdachts ging immerhin so weit, dass Baur seinen Autor per Brief dahingehend befragte, woraufhin dieser sogar per Telegramm antwortete: „Wußten Sie das nicht? Komme sofort.“ Baur und Callwey „debattierten schier eine Nacht mit ihm [Ligeti] über die tragische Situation des Judentums“. In aller Unschuld machte Baur den Autor mit dem NSDAP-Politiker Gregor Strasser bekannt, und zwischen beiden kam es zu „ein[em] gute[n] Gespräch“, bei dem es „sicherlich auch Strasser nicht in den Sinn gekommen“ war, „daß Ligeti Jude sein könnte.“ Das „persönliche Verhältnis“ von Baur und Ligeti „hatte durch diese Gespräche an Achtung und Zuneigung nur gewinnen können“, und Ligetis Buch erschien 1929 unter dem Titel „Der Weg aus dem Chaos, eine Deutung des Weltgeschehens aus den Rhythmen der Kunstentwicklung“. Baur hatte seinen Autor aufgrund seiner Konfession nicht fallen gelassen, an ihm aber dennoch gesonderte Zuschreibungskategorien abgeprüft. Das Judentums Ligetis war ein geschäftlich bemerkenswerter und zu berücksichtigender Umstand, ein Stigma. An anderer Stelle seiner Erinnerungen rechtfertigt Baur den Antisemitismus der Nationalsozialisten. Zuvor hat er sich allerdings selbst exkulpiert: „Der Antisemitismus? Ich war nie Antisemit.“55) Zum Beweis führt er eine Reihe von Juden an, die er geschätzt und bewundert hätte. Hitlers antisemitische Ausfälle hätte er als „unguten oft widerlichen Propagandaslogan“ hingenommen. Im Folgenden verfällt Baur dann selbst in den alten Propagandaslogan und bedient sich, indem er Juden des Antisemitismus bezichtigt bzw. ihnen die Schuld am Antisemitismus gibt, antisemitischer Argumente und Formulierungen: „Was wie frischer Wind in einem glimmenden Rasenbrand wirkte, war, daß vielfach Juden in die Wirtschaftskatastrophen und unsauberen Prozesse jener Jahre verwickelt waren. Niemand verurteilte das Hervortreten solcher Elemente mehr als das alte, konservative, meist deutsch-nationale Judentum selbst. Beklagte nicht auch Ligeti die Rolle, die oftmals seine Glaubensgenossen in diesen dunklen Machenschaften spielten? Hielt nicht auch er das Übergewicht der Juden in Presse und Wirtschaft, nicht nur in 54)
Hierfür und folgend: Karl Baur: Wenn ich so zurückdenke…. Ein Leben als Verleger in bewegter Zeit, München 1985, S. 74ff. 55) Ebd., S. 164f.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
Deutschland, sondern auch in seinem Vaterland Ungarn, für bedenklich? Er selbst, der überzeugte Jude, empfand Hitlers antisemitische Thesen als ein verständliches Sympton der Zeit, nicht aber als Ursache zur Besorgnis.“ Baurs paradoxe, letztlich antisemitische Dispositionen waren ein schnell aktivierbares Potential. Sie gehörten zu seinem Normalfeld, mit dem er, wie zu zeigen sein wird, nicht allein stand. Im Folgenden werden die Karrieren einiger Publikationen des völkischen Kanons, die Publikationen von Arthur Graf Gobineau, Paul de Lagarde und Houston Stewart Chamberlain, in der Weimarer Republik nachgezeichnet. Es wird sich zeigen, dass die traditionellen kulturellen Codierungen dieser völkischen Klassiker des Kaiserreichs weiter bestanden, sich aber unter den prekären Absatzbedingungen des Weimarer Buchmarkts, die im Allgemeinen in der Forschungsliteratur über die Verbreitung rechtsextremer Publikationen außer Acht gelassen werden, in ihren verlegerischen Kontexten modifizierten.56) Einerseits kam es bei diesen rassistischen und antisemitischen Publikationen zu Absatzstagnationen, andererseits ordnete sich das Feld der auf den rassistischen und antisemitischen Absatzsegmenten aktiven Verlage neu. Arthur Graf Gobineau (1816–82) veröffentlichte den „Essai sur inégalité des races humaines“, in dem er die prinzipielle Überlegenheit einer arischen Rasse verkündete, in französischer Sprache 1853–55 im altsprachlichen Pariser Verlag Firmin-Didot, in der zweiten Auflage erschien das Werk 1884.57) Die deutsche Übersetzung des „Essais“ besorgte Karl Ludwig Schemann, der Mitglied des Bayreuther Wagner-Kreises war, 1894 die Gobineau-Vereinigung gründete und seit 1897 Privatgelehrter in Freiburg (Breisgau) war. 1880–1901 erschien die Übersetzung unter dem Titel „Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen“ im Frommann Verlag. Das auf Philosophie und Pädagogik spezialisierte Traditionshaus war seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz in Jena ansässig gewesen und nach dem Tod von Friedrich Johannes Frommann 1886 an Emil Hauff in Stuttgart verkauft worden. Der „Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen“ wurde bei Frommann zum Standardwerk für rassentheoretisch basierte Geschichtsschreibung.58) Bis 1908 brachte 56)
Ausnahmen: Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925–1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, München 2002, S. 42, der allerdings mangelnden Absatz in den Nachkriegs-, also absatzstarken Inflationsjahren anmerkt. Da die Nachkriegsjahre aber im realen Gewinn schwach waren, ist ihm in der Sache zuzustimmen. 57) Zu Gobineau: Michael Biddiss: Father of racist ideology. The social and political thought of Count Gobineau, London 1970; Janine Buenzod: La formation de la pensée de Gobineau et l’Essai sur l’inégalité des races humaines, Paris 1967; Sylvie André: Gobineau. Parcours mythiques d’une œuvre, Paris 1990; Jean Boissel: Gobineau. Biographie, Mythes et réalité, Paris 1993. 58) Vgl. E. J. Young: Gobineau und der Rassismus. Eine Kritik der anthropologischen Geschichtstheorie, Meisenheim am Glan 1968, S. 223–346; Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München 1986, S. 376ff.
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es das Werk auf drei Auflagen, deren zeitgenössische Wertschätzung in der wilhelminischen Gesellschaft Weindling treffend zusammenfasst: „it was said that the Kaiser slept with Gobineau’s works at his bedside.“59) Die vierte Auflage erfolgte während des allgemeinen Absatzhochs der Inflation 1922, die fünfte, der Frommann Verlag war inzwischen an Hermann Kurtz verkauft worden, hingegen erst 1939.60) In der gesamten Weimarer Republik wurde also nur eine Auflage und diese in den Inflationsjahren produziert. Neben Frommann hatte der K. I. Trübner Verlag, der sprach- und literaturwissenschaftliche Universitätsverlag der Straßburger Kaiser-Wilhelm-Universität, Schriften aus dem Nachlass Gobineaus, deren Rechte bei der GobineauVereinigung lagen, veröffentlicht. An die Straßburger Universitätsbibliothek hatte Schemann 1911 die Bibliothek und den Nachlass Gobineaus verkauft, die so genannte Gobineau-Sammlung, sodass der Standort des Trübner Verlags entscheidend für den Verlag der Gobineau-Schriften gewesen sein mag. Weiterhin publizierte der Leipziger Reclam Verlag einige kleinere kulturpolitische und belletristische Schriften Gobineaus, bevor die teilweise Verfügbarkeit der Abdruckrechte Gobineaus 1912, dreißig Jahre post mortem auctoris, zu einer Konjunktur von Gobineau-Veröffentlichungen bei einer Reihe von Verlagen führte, die auf dem schöngeistigen oder Schulbuchmarkt tätig waren. Genannt seien nur der Insel Verlag, Moritz Diesterweg, Georg Westermann, Propyläen und Georg Müller. Auf besonderes verlegerisches Interesse stieß die „Renaissance“, die ein aristokratisches Gesellschaftsmodell in historisch-belletristischer Aufmachung formulierte, sowie historische Novellen. Das rassenkundliche Hauptwerk „Versuch über die Ungleichheit“ verblieb im Frommann Verlag. Die einzige weitere rassenkundliche Publikation von Gobineau war „Die Bedeutung der Rasse im Leben der Völker“, übersetzt und herausgegeben von Julius Schwabe, der das Werk aus dem Nachlass des Autors erworben hatte. 1926 bot Schwabe die Übersetzung Julius Friedrich Lehmann zum Verlag an, der „als jetziger führender Rassenverlag gerne ein einschlägiges Werk von Gobineau herausgeben würde“, obgleich „verlegerisch […] ja eine Ethnographie de la France keinen allzu großen Absatz“ finden wird, „da es fachwissenschaftlich weit überholt ist. Aber als Erzeugnis aus der Feder Gobineaus wird es immerhin einen bescheidenen Leserkreis finden, der mir hoffentlich auch ermöglicht, auf meine Kosten zu kommen.“61) 59) Paul Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism, 1870–1945, Cambridge 1989, S. 108. 60) Auflagenfolgen nach dem Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965, Bd. 44, München 1977, S. 425; zum Verkauf des Frommann Verlags vgl. Emil Hauff an Ludwig Schemann, 05. 12. 1919, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 87. 61) Julius Friedrich Lehmann an Erich Matthes, 09. 04. 1926, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88; die Korrespondenz von Lehmann mit Matthes resultierte aus der Aufforderung Schemanns an Lehmann, dem Erich Matthes Verlag, als dem Hauptverlag Gobineaus, Nachricht von seinem Publikationsvorhaben zu geben, vgl. Ludwig Schemann an Julius Friedrich Lehmann, 30. 03. 1926 und Julius Friedrich Lehmann an Ludwig Schemann, 09. 04. 1926, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
Die breitere verlegerische Diffusion von Gobineaus Werken fand überwiegend in den Inflationsjahren des Buchhandels statt. Anschließend stagnierten neben dem „Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen“ auch die Auflagen der bei Reclam verlegten Bändchen, von denen lediglich die „Renaissance“ eine postinflationäre Auflage erlebte.62) Versuche von Hermann Kurtz vom Frommann Verlag Anfang der dreißiger Jahre einen Verlag für Manuskripte über Gobineau von Ludwig Schemann zu finden, scheiterten. Kurtz kontaktierte die Verlage C. H. Beck, Georg Müller, den Universitätsverlag Winter in Heidelberg, Max Niemeyer in Halle, die Hanseatische Verlagsanstalt, Cotta in Stuttgart und die Deutsche Verlagsanstalt, die es allesamt ablehnten, Schemann zu verlegen.63) Auch in seinen eigenen Verlag wollte Kurtz keine weiteren Schemann-Schriften aufnehmen. Selbst als Schemann an das „nobile officium des Verlag“ appellierte, entgegnete Kurtz „ganz offen […], daß ich augenblicklich, wo die Wirtschaftslage verzweifelt ernst ist […] wirklich keine Opfer bringen kann.“ Zudem bestand in diesem, im Mai 1931 diskutierten, Fall inhaltliche Skepsis gegenüber dem Manuskript Schemanns, da Kurtz der Meinung war, dass „die Menschen, soweit sie nicht Sensation in irgendeiner Form suchen, praktische Belehrung [wollen], für den geistvollen Essai ist im Augenblick kein Platz und kein Boden.“64) In ähnliche wirtschaftliche Entwicklungen lassen sich Transaktionen um die Gobineauübersetzungen und -schriften Ludwig Schemanns im Verlag Karl I. Trübner einordnen. Karl I. Trübner wurde 1906 von Walter de Gruyter aufgekauft, 1918 von Straßburg nach Berlin überführt und 1919 neben vier weiteren wissenschaftlichen Verlagen in das Großunternehmen Vereinigung wissenschaftlicher Verleger (seit 1923 Verlag Walter de Gruyter) eingegliedert. Die Leitungsorgane der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger hatten sich mit dem Gobineauschen Werken in den Ausgaben Ludwig Schemanns in vieler Hinsicht arrangiert. Mit dem Absatz der „Renaissance“ war man, so der Verlagsdirektor des Trübner-Verlags Gerhard Lüdtke 1919 gegenüber Ludwig Schemann, „recht zufrieden“.65) Der Jubiläumsband zum 25-jährigen Bestehen der Gobineau-Vereinigung von Ludwig Schemann wies 1919 einen Absatz von 417 Exemplaren auf, und von den beiden Bände der Gobineau62)
Folgende Auflagenhöhen erreichten die Gobineau-Werke im Reclam Verlag: Asiatische Novellen, 1893–1922: 72 0000; Renaissance, 1896–1925: 119 000; Reisefrüchte, 1907–1918: 55 000; Siebengestirn, 1909–1926: 25 000; Frankreichs Schicksale im Jahr 1870: 25 000. Gemäß dem Auflagenbuch im Reclam Verlag Ditzingen, Reclams UniversalBibliothek Nr. 3103/4a, 3511/15, 4889/90, 5052, 5941/42. Im Verlagsarchiv überlieferte Unterlagen der Lagerverwaltung bestätigen die Stagnation des Absatzes in den postinflationären Jahren [unerschlossener Bestand, Laufzeit 1917–1942]. 63) Hermann Kurtz an Ludwig Schemann, 03. 12. 1930, 20. 05. 1932, 24. 06. 1932, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 87. 64) Beide Zitate: Hermann Kurtz an Ludwig Schemann, 12. 05. 1931, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 87. 65) Gerhard Lüdtke an Ludwig Schemann, 13. 06. 1919, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, Gr Schemann, Ludwig.
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Biographie verkauften sich im gleichen Jahr 40 Exemplare, womit beide Werke über der durchschnittlichen Absatzquote des Trübner-Verlagsbereichs in der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger lagen.66) 1921 beschloss die Verlagskonferenz eine Neuauflage der „Renaissance“ in großzügiger Höhe von 5000 Exemplaren zu RM 45,– in der broschierten Ausgabe, die schon bei einem Verkauf von 300 Exemplaren die Kostendeckung erreicht hätte.67) Zudem engagierte sich die Verlagsleitung in den einschlägigen Netzwerken zur indirekten Absatzförderung. Wie andere Verlage und Verleger von GobineauSchriften, Theodor Fritsch vom Hammer-Verlag, Emil Hauff vom Frommann Verlag, die Firmen Reclam, Alfred Roth und A. F. Devrient aus St. Petersburg sowie die Königlichen Bibliotheken in Berlin und München, waren auch Walter de Gruyter und die Vereinigung wissenschaftlicher Verleger vor dem Ersten Weltkrieg Mitglieder in der Gobineau-Vereinigung, die seit 1900 Kontakte zum rechtsextremen Alldeutschen Verband aufbaute.68) Walter de Gruyter, bis 1913 Schatzmeister im Vorstand des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, erneuerte 1919 seine Mitgliedschaft in der reorganisierten Neuen Gobineau-Vereinigung, lehnte aber eine Berufung in den Vorstand ab.69) Obwohl das, so de Gruyter im Herbst 1920 an Schemann, „was der Gobineau-Vereinigung politisch und rassenpolitisch die besondere Färbung gibt, […] heute für mich persönlich nichts mehr in sich [birgt], was einer Ablehnung bei mir begegnete“, und er in seiner „Stellung zur Rassenfrage […] einen Pendel, wenigstens des Gefühls, durchgemacht habe“ – seit dem letzten Herbst habe er sich „etliche Male“ mit Lagarde beschäftigt und „seine gedruckten Aufsätze liegen noch jetzt auf meinem Pulte“ –, müsse er bedenken, dass sich unter seinem „Namen heute 5 Firmen und eine Anzahl von Persönlichkeiten vereinigen, die ich politisch nicht in jeder Beziehung als congruent mit mir in Anspruch nehmen kann.“70) Die Unzufriedenheit von Ludwig Schemann mit seinem Verlag minderte dieses Bekenntnis de Gruyters allerdings nicht. Schon während der Kriegsjahre monierte Ludwig Schemann die schwachen Absatzzahlen seiner Werke, die er nicht im Vergleich mit den allgemeinen Absatzzahlen im Wissenschaftsbereich betrachtete. Der Verlagsleiter Gerhard Lüdtke versuchte, die Absatzsituation mit Verweisen auf Versäumnisse im Einzelfall zu erklären.
66)
Absatzzahlen nach: SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 605. Verlagskonferenz am 23. 11. 1921, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 406. 68) Mitgliedsverzeichnis Gobineau-Vereinigung 1912–1914, BArch R 8048/458, Bl. 7–12; zur Gobineau-Vereinigung: Weindling: Health, S. 107ff.; George L. Mosse: Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 1991, S. 102f. 69) Zu Walter de Gruyter und dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus: SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 459. 70) Walter de Gruyter an Ludwig Schemann, 13. 09. 1920; Walter de Gruyter an Ludwig Schemann, 23. 11. 1920, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, Gr, Schemann, Ludwig. 67)
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Der Absatz der „Renaissance“ sei zurückgegangen, da „der frühere Ladenpreis zu hoch war“ und günstigere Konkurrenz auf dem Markt vorhanden gewesen sei. Schemanns Gobineau-Biographie sei schlicht „kein Werk, das auf Massenabsatz rechnen kann.“71) 1922 wechselte Ludwig Schemann dennoch zum Verleger Erich Matthes. Aus der Wandervogelbewegung kommend, hatte Erich Matthes 1918–21 die ersten beiden Bände der antisemitischen Romantrilogie „Die Sünden der Zeit“ von Artur Dinter sowie 1919 eine Lagarde-Biographie Schemanns verlegt.72) Die Verlagsarbeit von Matthes hatte Schemann gegenüber Lüdtke als „sehr rührig“ gelobt.73) Dass Divergenzen in der Beurteilung der Absatzpolitik den Verlagswechsel begründet haben, ist anzunehmen, aber nicht belegt. Die Verlagskonferenz der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger konstatierte im Mai 1922, dass es die „Verhandlungen mit Prof. Schemann […] ratsam erscheinen [lassen] ihm über die Gobineau-Schriften einschließlich ‚Renaissance‘ freie Hand betr. Verlagswechsel zu geben.“74) Zwei Monate später überließ der Verlag Walter de Gruyter auf Anfrage Schemanns hin dem Erich Matthes Verlag die Verlagsrechte und Vorräte der Gobineau-Schriften für „ca. 25 000 bis 30 000 Mark“ und schenkte die Verkaufssumme Ludwig Schemann zum siebzigsten Geburtstag.75) Inwiefern ein solches Geldgeschenk in Inflationszeiten von Großzügigkeit zeugt, sei dahingestellt. Eher pro forma dürften auch im September 1923 die 300 Millionen Reichsmark an Ludwig Schemann für den Absatz seiner Werke im Jahr 1922 gezahlt worden sein.76) Das Geschäftsfeld der Gobineau-Schriften war für de Gruyter uninteressant geworden und blieb es auch, als der Erich Matthes Verlag im Sommer 1929 Konkurs anmelden musste und nach Abnehmern für Verlagswerke suchte. Im Oktober 1930 lehnte es die Verlagskonferenz des Walter de Gruyter Verlags ab, die Gobineau-Schriften von Erich Matthes zurückzunehmen.77) An den Geschäftsvorgängen rund um die Gobineau-Schriften im Verlag K. I. Trübner respektive de Gruyter zeigen sich zwei Sachverhalte. Zum einen wird deutlich, dass das Geschäftsfeld der Gobineau-Schriften seitens der Verlagsleitung von de Gruyter für unattraktiv gehalten wurde. Zum anderen sorgte die unternehmerische Neufirmierung des K. I. Trübner-Verlags unter dem Dach der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger für eine Entpolitisierung des nunmehrigen Teilverlags. Wie es das Zitat Walter de Gruyters vom Februar 1920 zeigt, waren in der politischen Positionierung des Verlegers die 71)
Beide Zitate: Gerhard Lüdtke an Ludwig Schemann, 01. 05. 1916, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, Tr, Schemann, Ludwig. 72) Zum Verlag Erich Matthes: Ulbricht: Quellen, S. 179ff. 73) Zitat nach der Formulierung Lüdtkes in: Gutachten Lüdtke, undatiert [nach September 1918], SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, Tr, Schemann, Ludwig. 74) Verlagskonferenz am 29. 05. 1922, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 550. 75) Verlagskonferenz am 07. 07. 1922, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 550. 76) Verlagskonferenz am 25. 09. 1923, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 550. 77) Verlagskonferenz 10. 10. 1930, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 461.
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Interessen von fünf Einzelunternehmen, ihrer Vorstände sowie ihrer Absatznehmer zu berücksichtigen. Erich Matthes ersuchte nicht nur beim Verlag Walter de Gruyter um Hilfe. Im Sommer 1929 hatte bereits Theodor Fritsch sen. vom antisemitischen Hammer-Verlag angekündigt, sich der Lagarde-Biographie von Ludwig Schemann annehmen zu wollen, um Schemann, dem Matthes „seit Jahr und Tag nicht mehr […] das ihm zustehende Honorar“ überwiesen hätte, aus der „schlimme[n] wirtschaftliche[n] Lage“ herauszuhelfen.78) Fritsch aktivierte die alten alldeutschen Propagandanetzwerke und forderte den Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes Heinrich Claß zur Unterstützung auf. Claß sollte an alle alldeutschen Ortsgruppen einen Werbebrief Fritschs verschicken, der die Anschaffung von Schemanns Lagardebiographie zum Preis von RM 5,– für alle Ortsgruppenbüchereien des Alldeutschen Verbands empfahl, bei Abgabe eines Solidarbeitrags von RM 1,– an Schemann. Sollten diese Bemühungen erfolgreich verlaufen, sei es möglich, „in ähnlicher Weise den anderen Schriften Schemann’s [sic] den gleichen Liebesdienst zu erweisen.“ Denn auch für den hauptberuflichen Antisemiten Theodor Fritsch machte sich 1929 die konjunkturelle Lage bemerkbar: „die Wirtschaftslage im Buchhandel erlaubt es einfach nicht, beträchtliche Kapitalien festzulegen, wenn keine Chance besteht, sie in absehbarer Zeit wieder herein zu wirtschaften.“ Obwohl Claß dem Ansinnen Fritschs zustimmte, die alldeutsche Propagandamaschinerie in Gang setzte und Werbepostkarten der Lagarde-Biographie versendet wurden, versagte das alte völkische Netzwerk.79) Die Lagarde-Biographie verblieb im Matthes-Verlag und der „Liebesdienst“ an weiteren Werken Schemanns konnte nicht zur Ausführung gelangen. Theodor Fritsch bediente eine völkische Solidaritätsrhetorik, die in dieser Form nicht mehr durchsetzbar war. Paul de Lagarde (1827–91) wird in der älteren Forschungsliteratur gern zu den geistigen Vätern der völkischen Bewegung gezählt.80) Dieser Befund über den seit 1869 in Göttingen tätigen Professor für Orientalistik ist nicht zu bestreiten, allerdings eher der Rezeption und Verarbeitung der LagardeSchriften geschuldet als einer inhärent vorhandenen völkisch-rassistischen Aufladung.81) Der politische Standort Lagardes ist innerhalb zeitgenössischer
78)
Hierfür und folgend: Theodor Fritsch an Heinrich Claß, 21. 06. 1929, BArch R 8048/458, Bl. 71/72. 79) Heinrich Claß an Theodor Fritsch, 24. 06. 1929, BArch R 8048/458, Bl. 73, 73a. 80) Vgl. Mosse: Revolution, S. 40. 81) So auch: Ina Ulrike Paul: Paul Anton de Lagarde, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur ‚Völkischen Bewegung‘ 1871–1918, München u. a. 1996, S. 45–93, hier: S. 47f., 74ff.; ausführlich: Ulrich Sieg: Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, München 2007, spez. S. 326ff.; ders.: Die Sakralisierung der Nation. Paul de Lagardes „Deutsche Schriften“, in: ders./Werner Bergmann (Hrsg.): Antisemitische Geschichtsbilder, Essen 2009, S. 103–120, spez. S. 104, 110ff.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
Debatten als konservativ nationalistisch einzustufen und sein Verhältnis zu biologistisch-rassistischen Argumentationen im extremsten Fall als „ambivalent“ 82) Dennoch entsprach sein Antisemitismus, den er in separat publizierten Broschüren, vereinzelt in thematisch anderweitig gelagerten Werken sowie hochschulpolitisch vertrat, einer radikalen Variante des wilhelminischen antisemitischen Codes.83) Lagardes berühmtes Zitat, wonach das „Deutschthum […] nicht im Geblüte, sondern im Gemüthe“ liege,84) das gern dem Nachweis dient, Lagarde stünde Rassismus und Antisemitismus generell fern, da er Juden oder anderen ethnisch definierten Gruppen die Assimilation an deutsche Kultur und Nation zubilligte, wird in späterer Verwendung dann, je nach Definition und Abgrenzungsschärfe, zum wohlfeilen rassistischen oder antisemitischen Allgemeinplatz. Gemeinhin unterschätzt wird in der Forschung, dass der Göttinger Hochschullehrer wenige, aber getreue Schüler hatte. Die Angehörigen der so genannten Religionsgeschichtlichen Schule, eines informellen Arbeitskreises Göttinger Habilitanden der Jahre 1888–93, studierten bei Lagarde. In ihren späteren Publikationen folgten sie womöglich dem Vorbild ihres Lehrers und entfernten mit etymologisch-sprachwissenschaftlicher Akribie jüdische Faktoren aus christlichen Inhalten.85) Im hier diskutierten Zusammenhang interessiert die primordiale antisemitische Aufladung der „Deutschen Schriften“ im Laufe ihrer Publikationsgeschichte. 1878 erschien das Werk erstmals in der Göttinger Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung. Lagarde wurde zwar bereits in der frühen völkischen Bewegung der 1880er Jahre aufgrund seiner antisemitischen und völkisch-nationalistischen Anschauungen rezipiert. Es ist indessen erst auf eine verlegerische Initiative des beginnenden 20. Jahrhunderts zurückzuführen, dass die „Deutschen Schriften“ als solche zu einem dezidiert primordial antisemitisch codierten Werk wurden, das völkisch-deutschen Religionskonzepten den Grundwortschatz zur Verfügung stellte. 1913 veröffentlichte der kulturverlegerisch ambitionierte Eugen Diederichs Verlag eine von Friedrich Daab herausgegebene Lagarde-Anthologie „Deutscher Glaube. Deutsches Vaterland. Deutsche Bildung“, in der die Zusammenstellung der Texte aus den „Deut-
82) Zur „ambivalenten“ Einschätzung: Mosse: Geschichte, S. 123; ähnlich: Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Hamburg 1993, S. 344–346; Peter Emil Becker: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und völkischer Gedanke. Wege ins Dritte Reich. Teil II, Stuttgart/New York 1990, S. 66–99. 83) Zum Antisemitismus Lagardes: Sieg: Prophet, S. 228ff.; ders.: Sakralisierung, S. 113–116. 84) Paul de Lagarde: Ueber die gegenwärtigen Aufgaben der deutschen Politik. Ein Vortrag gehalten im November 1853, in: ders.: Deutsche Schriften, 5. Aufl. Göttingen 1920, S. 18–39, hier: S. 26. 85) Vgl. Robert Hanhart: Paul Anton de Lagarde und seine Kritik an der Theologie, in: Bernd Moeller (Hrsg.): Theologie in Göttingen. Eine Vorlesungsreihe, Göttingen 1987, S. 271–305; den direkten theologiegeschichtlichen Einfluss schwächt ab: Sieg: Prophet, S. 317f. Zum theologischen Antisemitismus Lagardes: ebd., S. 228ff.
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schen Schriften“ ihre politisch-weltanschauliche Radikalisierung erreichte.86) Die Publikation ist wesentlich dem Engagement des Verlegers Eugen Diederichs zu danken, der sich, davon ist auszugehen, an der nunmehr eindeutigen antisemitischen Codierung nicht störte. Dies illustriert ein Schreiben von Eugen Diederichs an Walter de Gruyter aus dem Jahr 1922. Diederichs lud zu einer seiner Verlegerversammlungen auf Burg Lauenstein, die innerhalb einer kulturpolitisch konservativen Verlegerschaft durchaus Anerkennung genossen. An dieser Versammlung sollten, so äußert es Diederichs gegenüber de Gruyter „ganz unter uns […] möglichst wenig Juden“ teilnehmen, da „die Versammlung unter einem germanischen Ethos steht, der den Juden rassegemäß nicht liegt.“87) Antisemitismus wurde zwischen Diederichs und de Gruyter in klassischer kultureller Codierung kommuniziert. Diederichs ging davon aus, dass de Gruyter seine Andeutungen über einen „rassegemäßen“ Ethos verstand. Wenn Diederichs an anderer Stelle betonte, dass er Antisemitismus vorbeugen wolle und eine Verträglichkeit von Judentum und deutschem Nationalgefühl annehme, repräsentiert er einen idealtypischen Vertreter des „Antisemitismus ohne Antisemiten“, der antisemitische Stereotype akzeptiert, aber konkrete antisemitische Diskriminierung ablehnt.88) Es kann aber nicht nachgewiesen werden, dass bei Diederichs Antisemitismus zu einem Vermarktungsanlass für Lagardes Schriften wurde. Stattdessen wurde Lagarde bei Diederichs absatzstrategisch zu einem Verlagsheiligen erhoben, der für allgemeinen Kulturpessimismus zuständig war.89) Augenfälliges Symptom dieser Strategie war der ‚Lagardetempel‘ des Eugen Diederichs Verlags auf der Leipziger Buch- und Graphikausstellung (Bugra) 1914. Der Verlag war vom Direktorium der Bugra, dem Karl Lamprecht vorstand, zur Gestaltung eines Ausstellungsraums der kulturhistorischen Abteilung aufgefordert worden. Diederichs ließ dem Raum architektonisch die Form einer Kapelle geben und stattete ihn mit sakralisierenden Elementen seiner Verlagskultur aus, die durch den umlaufenden Fries eines Lagarde-Zitats verbunden wurden: „Wir wollen Geborenes, um mit ihm zu leben, du um du. Wenn 86) Vgl. Irmgard Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (1896–1930), Wiesbaden 1998, S. 378, 381f.; Paul: Lagarde, S. 84f.; Sieg: Prophet, S. 307 f; aus der Diederichs-Ausgabe von 1915 zitiert auch Wolfgang J. Mommsen, um Lagarde zu Lebzeiten einen „neuen irrationalen Nationalismus“ nachzuweisen, der in „einer großen Zahl von ungewöhnlich erfolgreichen Schriften und Pamphleten“ verbreitet worden sei, vgl. Wolfgang J. Mommsen: Bürgerliche Kultur und künstlerische Avantgarde 1870–1918. Kultur und Politik im deutschen Kaiserreich, Frankfurt am Main/Berlin 1994, S. 96; zur Lagarde-Ausgabe bei Diederichs auch: Stark: Entrepreneurs, S. 193f. 87) Eugen Diederichs an Walter de Gruyter, 13. 05. 1922, SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, 547. 88) Vgl. Pulzer: Jews, S. 223; auf diese Argumentation bezieht sich auch Irmgard Heidler, zieht aber verharmlosende Schlüsse, wenn sie Diederichs eher eine „zeitüblich unsensible Einstellung als […] Antisemitismus an sich“ zuschreibt, vgl. Heidler: Verleger, S. 103ff., hier: S. 107; ähnlich Paul: Lagarde, S. 85. 89) Vgl. Walther G. Oschilewski: Eugen Diederichs und sein Werk, Jena 1936, S. 14.
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die Winde nur wehen wollten.“ Selbiges Zitat schmückte in längerer Version seit 1913 den Briefkopf der offiziellen Verlagskorrespondenz von Eugen Diederichs.90) Das Vermarktungskalkül, das diese hieratischen Gebärden mittransportierte, kritisierte Max Weber süffisant in seiner Rede „Wissenschaft als Beruf“, in der er von dem Bedürfnis mancher Intellektueller sprach, sich in Ermangelung eigener Religion eine „spielerisch mit Heiligenbildchen aus aller Herren Länder möblierte Hauskapelle als Ersatz […] auf[zu]putzen oder ein Surrogat [zu] schaffen in allerhand Arten des Erlebens, denen sie die Würde mystischen Heiligkeitsbesitzes zuschreiben und mit dem sie – auf dem Büchermarkt hausieren gehen.“91) Der Absatz der Lagarde-Auswahl im Diederichs Verlag prosperierte im Rahmen der Inflation bis 1924. 1919 wurde die dritte Auflage veröffentlicht. Die Gesamtauflagenhöhe betrug bis dahin 25 000 Stück. Bis einschließlich 1924 wurden pro Jahr 1500 bis 2100 Exemplare des Bands „Deutscher Glaube“ abgesetzt.92) Eine fünfte Auflage in Höhe von 5000 Stück erfolgte 1925. In den Folgejahren sank der Absatz auf unter tausend, nach 1926 auf unter fünfhundert verkaufte Stück aller drei Bände pro Jahr. 1933 kam im Diederichs Verlag eine neue Volksausgabe von Lagarde-Texten unter dem Titel „Bekenntnis zu Deutschland“ heraus. In den zwanziger Jahren wurde die Konkurrenz der Lagarde-Ausgaben anderer Verlage auf dem deutschen Buchmarkt dichter. Es kam zu einem regelrechten Publikationsschub.93) Zur Erklärung dieser Produktionskonjunktur muss allerdings nicht auf die Wirkungsgeschichte der Diederichs-Anthologie 90)
„Gäbe es wenigstens Verschworene unter uns, einen heimlich offenen Bund, der für das große Morgen sänne und schaffte und an den sich alle anlehnen könnten, deren ausgesprochenem Sehnen er das Wort böte: Wir sind es müde, mit Geschaffenem abgefunden zu werden. Wir wollen Geborenes, um mit ihm zusammen zu leben, du um du. Wenn die Winde nur wehen wollten.“ vgl. Paul de Lagarde: Deutscher Glaube, Deutsches Vaterland, Deutsche Bildung. Das Wesentliche aus seinen Schriften ausgewählt und eingeleitet von Friedrich Dahm, Jena 1913, S. 126f.; in der Forschungsliteratur wird fast durchgehend der erste Teil des Zitats als Friesschmuck des Bugra-Ausstellungsraums angegeben und damit Diederichs’ eigener verfälschender Schilderung an Anna de Lagarde gefolgt, vgl. Eugen Diederichs an Anna de Lagarde, 28. 05. 1914, in: Lulu von Strauß und Torney-Diederichs (Hrsg.): Eugen Diederichs. Leben und Werk, Jena 1936, S. 234; vgl. dagegen: Erich Viehöfer: Der Verleger als Organisator. Eugen Diederichs und die bürgerliche Reformbewegung der Jahrhundertwende, Frankfurt/M. 1988, S. 17f.; Andreas Meyer: 1896–1930: Der Verlagsgründer und seine Rolle als „Kulturverleger“, in: Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort, S. 49f. 91) Max Weber: Wissenschaft als Beruf, in: ders.: Gesamtausgabe. Abt. I. Bd. 17, Tübingen 1992, S. 71–111, hier: S. 109. Dort auch der Hinweis, dass sich das Zitat auf Diederichs’ Bugra-Ausstellungsstand bezieht. 92) Absatzzahlen nach: DVA Jahresabsatz-Listen 1896–1923; Jahres-Absatz 1924/33. 93) So Reinhard Buchwald: Miterlebte Geschichte. Lebenserinnerungen 1884–1930. Hrsg. v. Ulrich Herrmann, Köln 1992, S. 195; Fritz Stern: The politics of cultural dispair: a study in the rise of Germanic ideology, Berkeley/Los Angeles/London 1974, S. 83; Irmgard Heidler konzediert dagegen eher eine bescheidene Folge von Lagarde-Veröffentlichungen. Vgl. Heidler: Verleger, S. 381, Anm. 168.
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zurückgegriffen werden. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, dass 1921 der dreißigste Todestag Lagardes zu begehen war, der die Schutzfrist post mortem auctoris aufhob, und sich 1927 der 100. Geburtstag Lagardes als Veröffentlichungs- und Vermarktungsanlass anschloss.94) Sechs weitere Lagarde-Ausgaben wurden in den Jahren 1919–32 veröffentlicht: 1922 die „Aussprüche“ beim Weimarer Alexander Duncker Verlag, ausgewählt von dem freischaffenden, völkischen Schriftsteller Otto Hauser, 1924 im J. F. Lehmanns Verlag eine zweibändige Ausgabe, betitelt „Schriften für das deutsche Volk“, 1925 bei Reclam die „Drei deutschen Schriften“, gleichfalls 1925 im Leopold Klotz Verlag die „Wiedergeburt durch Lagarde. Eine Auswahl und Würdigung von Mario Kramer“, 1927 im Insel-Verlag „Deutsche Politik und Religion“ und 1928 im philologischen Wissenschaftsverlag B. G. Teubner ein Werkauszug für den Geschichtsunterricht von Adolf Meyer.95) Der Absatz der betreffenden Ausgaben war, gemessen an den Auflagenzahlen, wenig erfolgreich. Im Lehmanns Verlag erfolgte eine Neuauflage dieses Titels erst 1934, bei Reclam 1935; dort war der überwiegende Anteil der auf 8000 festgelegten ersten Auflage im Erscheinungsjahr abgesetzt worden war.96) Für alle anderen Ausgaben wurden keine Neuauflagen vorgenommen. Ein dritter völkischer Klassiker, Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), promovierter Botaniker, freiberuflicher Schriftsteller und Schwiegersohn Richard Wagners, konnte von seinem Ansehen und der Konjunktur seiner Werke wenigstens zu Lebzeiten profitieren.97) In seinem Hauptwerk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, das 1899 bei F. Bruckmann in der ersten Auflage erschienen war, propagierte er, bezugnehmend auf Gobineau, die angeborene Überlegenheit der arischen Rasse, die er auf die germanische Nation übertrug.98) Auch hier repräsentiert die Lektürevorliebe Wilhelms II., mit dem Chamberlain in einem ausführlichen und 1928 edierten Briefwechsel stand,
94) Der emphatische Versuch einer Lagarde-Renaissance dank Diederichs bei: Buchwald: Geschichte, S. 195. 95) Ermittelt nach: Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965, Bd. 76, München 1978, S. 99–101. Die „Schriften für das deutsche Volk“ im Lehmanns Verlag waren außerdem separat in Sonderausgaben verfügbar: Die graue Internationale, Über die Klage, daß der deutschen Jugend der Idealismus fehle, Die Religion der Zukunft, Über das Verhältnis des deutschen Staates zu Theologie, Kirche und Religion, alle 1924 erschienen. 96) Gemäß dem Auflagenbuch im Reclam Verlag Ditzingen, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 6542/44. Verkauf der Auflage nach im Verlagsarchiv überlieferten Unterlagen der Lagerverwaltung [unerschlossener Bestand, Laufzeit 1917–1942, UB-Nr. 5701–7673]. 97) Zu Chamberlain: Geoffrey G. Field: Evangelist of Race. The Germanic vision of Houston Stewart Chamberlain, New York 1981. 98) Vgl. Breuer: Ordnungen, S. 72; Anja Lobenstein-Reichmann: Houston Stewart Chamberlains rassentheoretische Geschichts-„philosophie“, in: Bergmann/Sieg (Hrsg.): Geschichtsbilder, S. 139–166, hier: S. 145ff.; umfassend: Lobenstein-Reichmann: Houston Stewart Chamberlain – Zur textlichen Konstruktion einer Weltanschauung. Eine sprach-, diskurs- und ideologiegeschichtliche Analyse, Berlin/New York 2008, spez. S. 189–217.
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weit verbreitete Lesegewohnheiten der wilhelminischen Zeit.99) Chamberlain veröffentlichte fast ausschließlich bei Hugo Bruckmann in München, entweder im Hugo Bruckmann Verlag oder in der F. Bruckmann AG, einer auf drucktechnisch hochwertige Kunst- und Bildbände sowie Kulturgeschichte spezialisierten Verlagsbuchhandlung, die Friedrich Bruckmann 1858 gegründet und 1898 seinen Söhnen Alphons und Hugo Bruckmann vererbt hatte.100) Hugo Bruckmann, Inhaber bzw. Vorstandsvorsitzender der Verlage, gehörte seit 1928 zu den öffentlichen Förderern der Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur und war seit 1930 Mitglied im Vorstand des NSDAP-nahen Kampfbundes für deutsche Kultur. Seit 1932 bis zu seinem Tod 1941 war Bruckmann für die NSDAP Abgeordneter im Reichstag. Seine Frau Elsa, geborene Fürstin Cantacuzène, war eine der frühen Gönnerinnen Adolf Hitlers, den sie in ihrem Salon in der Bruckmannschen Villa am Münchner Karolinenplatz empfing und der dort Kontakte zur arrivierten Münchner Gesellschaft, Industriellen, Militärs, Aristokraten und Akademikern, knüpfen konnte.101) Zu Hugo und Elsa Bruckmann pflegte Chamberlain ein freundschaftliches Verhältnis, das gegenseitige Anteilnahme an familiären Ereignissen und Festen sowie gemeinsame Ausflüge einschloss, an die Chamberlain sich in launigem Tonfall erinnerte: „und ich meine unsere Garmischfahrt und unserer [sic] Besoffenerkonsulstag waren vom Himmel bestimmte Dinge, welche eine Aneinandergliederung bewirkten, die nicht mehr zu lösen ist.“102) Gleichfalls war in der buchhändlerischen Öffentlichkeit der Name Houston Stewart Chamberlain das Aushängeschild für den Bruckmann Verlag bzw. ein „Inventarstück“, wie Chamberlain 1915 im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ schrieb und dort bekannte, Bruckmann sei der „ideale“ Verleger für ihn.103) Andere Verlagsangebote, die Chamberlain überwiegend vor dem Ersten Weltkrieg erreichten, lehnte er in der Regel ab. Eugen Diederichs fragte im Juli 1901 bei Chamberlain wegen einer „Geschichte des Judentums in 99) Vgl. Houston Stewart Chamberlain: Briefe 1882–1924 und Briefwechsel mit Kaiser Wilhelm II. 2 Bde., München 1928; Weindling: Health, S. 109ff. 100) Zu Hugo und Elsa Bruckmann sowie dem Bruckmann Verlag vgl. Walter Flemmer: Verlage in Bayern. Geschichte und Geschichten, München 1974, S. 116ff.; Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925–1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, München 2002, S. 42; Hellmuth Auerbach: Hitlers politische Lehrjahre und die Münchener Gesellschaft 1919–1923, in: VfZ 25 (1977), S. 1–45, hier: S. 34; Ian Kershaw: Hitler 1889–1926, Darmstadt 1998, S. 139; Reinhard Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, München 1993, S. 117, 122–125, 135–139; Justus H. Ulbricht: Völkische Publizistik in München. Verleger, Verlage und Zeitschriften im Vorfeld des Nationalsozialismus, in: München – Hauptstadt der Bewegung. Ausstellungskatalog des Münchner Stadtmuseums, München 2003, S. 131–136; David Clay Large: Hitlers München. Aufstieg und Fall der Hauptstadt der Bewegung, München 1998, S. 197f. 101) Vgl. Ian Kershaw: Hitler 1889–1926, Darmstadt 1998, S. 139. 102) Houston Stewart Chamberlain an Elsa Bruckmann, 25. 04. 1909, BStB München, Bestand Bruckmannia I. 103) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 82 (1915), S. 1176.
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Deutschland“ an, die Chamberlain nicht abwies, da er „vielleicht […] die Fähigkeit [besäße], das richtige Wort und die richtige Weise zu treffen“, aber auch nicht zusagte, mit Hinweis auf sein knappes Zeitbudget und seinen Gesundheitszustand.104) Das Publikationsprojekt wurde schließlich verschoben und kam nicht zustande. Veröffentlicht wurde im Diederichs Verlag 1905 eine Ausgabe des Briefwechsels zwischen Goethe und Schiller, zu der Chamberlain die Einleitung verfasste.105) Julius Friedrich Lehmann trat im Februar 1904 mit Chamberlain in Kontakt und schlug ihm eine religionsgeschichtliche Veröffentlichung vor, die Chamberlain ausführlich begründet ablehnte.106) Die Einschätzung des Judentums, das er in „aller Deutlichkeit […] als den Krebsschaden des Christentums aufzeigen“ müsste, erschien ihm ein „kritische[r] Punkt“ zu sein, denn „aggressiver Antisemitismus oder Geringschätzung des Jüdischen liegt mir ferne – wie schlecht auch der Ruf sein mag, der mir in dieser Beziehung gemacht wird.“107) Offensichtlich bestand hier eine paradoxe Kommunikationsbarriere für Antisemitismus, den Chamberlain sich selbst nicht zugestehen wollte und den er nicht weiter vermitteln wollte, obwohl er ihn in der Sache vertrat. Damit wurde eine antisemitisch codierte Publikation verhindert; das Einverständnis zwischen Chamberlain und Lehmann über die kulturelle Codierung des Antisemitismus und seine Berechtigung bestand jedoch trotz der formellen Negation des „aggressiven Antisemitismus“ durch Chamberlain. Eine Ablehnung erhielt im September 1906 auch der Insel-Verlag, der Chamberlain die Kommentierung der Erzählungen aus 1001 Nacht angeboten hatte. Zwar gehörte „von früher Kindheit an die 1001 Nacht zu [seinem] […] liebsten Umgang“, aber Arbeitsüberlastung und fachliche Nichteignung bewegten Chamberlain zu einer Absage.108) Doch auch für Chamberlains „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ im Bruckmann Verlag florierte der Absatz lediglich bis zur Inflation 1922, als die vierzehnte Auflage des Titels erscheinen konnte, einberechnet drei Ausgaben, die seit 1906 als Volksausgaben, neben der zweibändigen Originalausgabe, hergestellt wurden.109) Verfügbar waren gleichfalls eine französische und eine englische Übersetzung. 1923 wurde eine neunbändige Gesamtausgabe der Hauptwerke Chamberlains vorgenommen, die gleichzeitig der Abschluss der Autorentätigkeit Chamberlains war, der 1927 verstarb. 1928 wurde eine An104)
Houston Stewart Chamberlain an Eugen Diederichs, 14. 08. 1901, DLA Marbach, A: Diederichs. 105) Houston Stewart Chamberlain an Eugen Diederichs, 27. 08. 1904, 06. 09. 1904, 23. 09. 1904, 30. 09. 1904, 05. 10. 1904, 07. 11. 1904, 09. 02. 1905, 10. 02. 1905, DLA Marbach, A: Diederichs. 106) Vgl. Chamberlain: Briefe. 1882–1924, S. 102–115, 127ff., 152ff. 107) Vgl. ebd., S. 111f. 108) Houston Stewart Chamberlain an den Insel-Verlag, 30. 09. 1906, DLA Marbach, A: Heymel 66.443/11. 109) Auflagen nach: Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910, Bd. 24, München u. a. 1980, S. 11f.; Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965, Bd. 22, München 1976, S. 373f.
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Abb. 3: Dekorationsvorschlag eines Chamberlain-Sonderfensters 1926 (aus: Friedrich Reinecke: Das gute Buchfenster, 2. Aufl. Leipzig 1926, Anhang, Abb. 14)
thologie der Briefe herausgegeben. Ein „Goethe-Band“ erschien 1927 zum vierten Mal, die Betrachtungen über Religion und Christentum 1929 zum zweiten Mal. Die „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ erlebten erst 1932 in der Volksausgabe eine fünfzehnte Ausgabe und damit ihre einzige Auflage in der Weimarer Zeit außerhalb der Inflation. Gleichwohl pflegte der Bruckmann Verlag sein Chamberlain-Monopol und ergänzte die Werke von Chamberlain durch zahlreiche Sekundärliteratur und Devotionalien wie Bildnis oder Fotografie Chamberlains. Alle Artikel waren in einem eigenen Sonderprospekt über Chamberlains sämtliche Werke und kleine Schriften zusammengefasst.110) Mit diesen Dingen ausgestattet, konnte der Sortimenter der Weimarer Republik Chamberlain beispielsweise anlässlich dessen in der literarischen Öffentlichkeit gefeierten siebzigsten Geburtstags 1925 zu einem Schaufensterheiligen stilisieren, wie es der Dekorationsvorschlag in Abb. 3 zeigt, und immerhin versuchen, den Absatz anzukurbeln.111) 110)
Vgl. Houston Stewart Chamberlain: Rasse und Persönlichkeit. Aufsätze, 2. Aufl. München 1935, 3./4. Umschlagseite. 111) Zur literarischen Würdigung Chamberlains zum siebzigsten Geburtstag vgl. Die Literatur 28 (1925/26), S. 95.
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Aufschlussreich an diesem Dekorationsvorschlag aus einer Schrift der Werbestelle des Börsenvereins ist, dass darin weniger die Autorendarstellung hervorgehoben wird als vielmehr die dezente und originelle Gestaltung der Preisschilder: „Und wenn die Schilderchen, anstatt mit Blau- oder Rotstift geschrieben, gefällig in Form und Schrift hergestellt sind, muß ich unbedingt bestreiten, daß sie den Eindruck des Fensters stören! Aber bitte auch hier wieder eine hellgrüne, blaue oder rote Randlinie ziehen (freihändig mit der Redisfeder) und nicht die Schilderchen so riesig groß, sondern recht manierlich gestalten. Die Abbildungen 1, 7, 8, 10, 14 [das abgebildete ChamberlainSonderfenster] zeigen, in wieviel Formen sie möglich sind.“112) Chamberlain war für den zeitgenössischen Buchhandel also kein Verkaufsschlager, sondern ein Verkaufsobjekt, das beworben werden musste und erst in diesem Produktdasein zum Fetisch erhoben wurde. Die miserable Absatzsituation weiterer Publikationen des antisemitischen und rassistischen Kanons lässt sich erahnen, aber nur ansatzweise sicher belegen. Beliebtes Beispiel eines rassistischen Verkaufserfolgs ist die „Rassenkunde des deutschen Volkes“, die Hans F. K. Günther auf Betreiben des Münchner Verlegers Julius Friedrich Lehmann verfasste.113) Die Serie von sechzehn Auflagen bis 1933 seit der Erstauflage von 1922 mutet in der Tat beeindruckend an. Zu bedenken ist allerdings, dass es sich bei allen Neuauflagen immer um Neubearbeitungen handelte, bei denen der Text oder der umfangreiche Abbildungsteil des Werkes erweitert oder geändert wurde. Für die vierzehnte Auflage 1930 wurde beispielsweise das Kapitel über die „Rassenkunde“ des so genannten „jüdischen Volkes“ in eine eigene Publikation ausgegliedert. Diese Produktvariation, wie auch die „Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes“ und die „Rassenkunde Europas“, beide 1929 produziert, müssen kein Indiz für regen Absatz sein, sondern könnten auch Versuche zur Neubelebung des stagnierenden Absatzes gewesen sein. Darauf deutet desgleichen die schwierige finanzielle Lage des Bestseller-Autoren Günther in den späten zwanziger Jahren hin, bevor er 1930 auf den Lehrstuhl für Sozialanthropologie an der Universität Jena berufen wurde.114) Sein Verleger Julius Friedrich Lehmann beklagte seit 1927 wiederholt gegenüber anderen Verlagsautoren den nachlassenden Absatz der rassenkundlichen Schriften Günthers. An den nachmaligen ,Reichsbauernführer‘ Richard Walther Darré schrieb er im November 1929: „Von der Feder allein zu leben, ist außerordentlich schwierig, das sehe ich bei Dr. Günther, dessen Werke jetzt auch viel langsamer Absatz finden und der, obgleich er acht Bücher geschrieben hat, kaum so viel verdient, daß er davon leben kann. So lange die ‚Rassenkunde‘ gut
112)
Friedrich Reinecke: Das gute Buchfenster, 2. Aufl. Leipzig 1926, S. 47. Vgl. beispielsweise: Weindling: Health, S. 312. 114) Vgl. auch: Lennart Olsson/Uwe Hoßfeld/George S. Levit: German-Swedish networks in race biology. Hans F. K. Günther and the Swedish race biology, in: History of Science. Uppsala Newsletter 38 (2006), S. 6f. 113)
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ging, hatte er auch ein ganz schönes Auskommen, jetzt, wo alles nachlässt, ist auch seine Rente wesentlich bescheidener geworden und ich rate auch ihm, wenn irgend möglich in den Staatsdienst zu gehen. Als Nebeneinnahme ist der Verdienst aus seinen Büchern ja recht schön, als Haupteinnahme genügt es nicht.“115) Auch bei anderen Publikationen lässt sich diese Entwicklung beobachten: Konnte Lehmann 1925 Ludwig Schemann noch mitteilen, dass er „auf einzelnen Gebieten“ der Rassenkunde, wo er sich „an die breite Menge“ wenden könnte, „sehr schönen Erfolg“ habe, musste er bereits zwei Jahre später, im März 1927, und damit zwei Jahre vor dem allgemeinen Produktionseinbruch im Verlagsbuchhandel, einräumen, „das Interesse für Rassen-Anthropologie scheint allerdings seinen Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Jedenfalls ist die Nachfrage im letzten Jahr zurückgegangen und scheint in diesem Jahr noch mehr zurückzugehen.“116) Im Juli 1929 vermeldete Lehmann gar, wenn ihm „nicht einige schöne, grosse Verlagswerke in den Schoß fallen“, werde er „wohl in einem Jahr Schluss machen“, um die Schuld an der Misere selbstverständlich „dem Auftreten des Judentums“ in der Presse zuzuweisen.117) Die unerquickliche Absatzsituation für antisemitische und rassistische Publikationen belegen weitere Hinweise. Im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ wurden 1925 per Chiffreanzeige erhöht rabattierte, verlagsneue Antisemitica feilgeboten. Fünfzig Prozent des Ladenpreises konnte der Sortimentsbuchhändler einbehalten, der sich beispielsweise für je hundert Exemplare vom „Handbuch der Judenfrage“ oder von dem Titel „Das Rätsel des jüdischen Erfolges“ von Theodor Fritsch bzw. für zweihundert Exemplare von Gregor von Glasenapps „Der Charakter der Israeliten“ erwärmen konnte.118) Der antisemitische Hammer-Verlag von Theodor Fritsch rabattierte generell großzügig mengengebunden und erhöhte den handelsüblichen Sortimenterrabatt von dreißig Prozent um zehn Punkte bei der Abnahme von zehn Exemplaren und um fünfzehn Punkte bei der Abnahme von zwanzig Exemplaren.119) Zum einen deutet dies auf den Einsatz der Titel in der völkischen Propaganda- und Bildungsarbeit hin. Eine derartige Rabattierungspolitik wäre aber zum anderen bei gut absetzbaren Titeln ökonomisch unklug. 115)
Der Brief befindet sich im Nachlass Darrés im Stadtarchiv Goslar. Zitiert nach: Steffen Kaudelka: Die Berufung Hans F. K. Günthers im Jahr 1930 – der Beginn der „Machtergreifung“ an der Universität Jena? in: Matthias Steinbach/Stefan Gerber (Hrsg.): ‚Klassische Universität‘ und ‚akademische Provinz‘. Studien zur Universität Jena von der Mitte des 19. bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, Jena/Quedlinburg 2005, S. 103–126, hier: S. 112f. 116) Julius Friedrich Lehmann an Ludwig Schemann, 04. 03. 1925, 31. 03. 1927, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88. 117) Julius Friedrich Lehmann an Ludwig Schemann, 17. 07. 1929, 09. 10. 1929, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88. 118) Vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 77 (1925), S. 5591. 119) Vgl. Anzeigen des Hammer Verlags im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 77 (1925).
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Die Publikationsgeschichte von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ zeigt dagegen auf den ersten Blick tatsächlich außergewöhnliche Absatzzahlen. 1925 im NSDAP-Parteiverlag erschienen, verkauften sich bis 1932 über 220 000 Exemplare des Titels, der in einer zweibändigen Leinenausgabe, einer im Mai 1930 publizierten Volksausgabe und einer Geschenkausgabe in rotem Ledereinband zu erhalten war.120) Obwohl alle Ausgaben vergleichsweise hochpreisig waren, wurden 1925–29 zwischen 3000 (1928) und 9400 (1925) Exemplare abgesetzt. Diese für ein ‚Sachbuch‘ mehr als zufriedenstellenden Absatzziffern waren nur das Vorspiel zum explosionsartigen Anstieg des Absatzes seit 1930. In den letzten Jahren der Weimarer Republik verkauften sich jeweils über 50 000 (1930 und 1931) bzw. 90 000 (1932) Exemplare. Verantwortlich für diesen Verkaufserfolg dürfte die im Mai 1930 produzierte Volksausgabe von „Mein Kampf“ sein, der Wahlerfolg der NSDAP im September 1930, aber auch die, angesichts allgemein sinkender Produktionsziffern im Buchhandel, günstige Konjunktur für politische Literatur in diesen Jahren.121) Im Bezug zur Fluktuation rassistischer und antisemitischer Codierungen wird an Hitlers Bestseller „Mein Kampf“ die Durchschlagskraft eines neuen, radikalen Antisemitismus deutlich, der in seiner Bedeutung für viele Zeitgenossen nicht zu entschlüsseln war.122) Dennoch ist festzuhalten, dass die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Publikationen im Allgemeinen kein rentables Geschäft war, das von starker Nachfrage profitieren konnte. Die Schwierigkeiten des Absatzes und die daraus resultierenden Probleme und Lösungsversuche der Verleger, wie das Erschließen neuer Absatzsegmente und -märkte, Produktvariationen oder veränderte Werbemaßnahmen, waren für den allgemeinen Buchhandel wie auch die Verbreitungsmechanismen rassistischer und antisemitischer Publikationen ungleich stärkere Einflussfaktoren. Im Zusammenhang mit den prekären Absatzbedingungen des Weimarer Buchmarkts stehen seine unternehmerischen Umstrukturierungen. Etliche Insolvenzen, Fusionen und Konzentrationsbewegungen veränderten, teilweise in Fortsetzung von Buchmarkttendenzen der Jahrhundertwende, die Verlagslandschaft der Weimarer Republik.123) Es ist leicht nachzuweisen, dass auch Verlage mit traditionellen völkischen Geschäftsfeldern in ökonomische Schwierigkeiten gerieten. Wie erwähnt, meldete der Erich Matthes Verlag in Leipzig Ende der zwanziger Jahre Bankrott an. Der Hakenkreuz Verlag, von Bruno Tanzmann 1919 gegründet zur Herausgabe der Zeitschrift „Die deutsche Bau120)
Vgl. ausführlich: Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“ 1922–1945, München 2006, S. 173–184. 121) Zur Konjunktur politischer Literatur: Umlauff: Beiträge, S. 75f.; Kastner: Statistik, S. 344. 122) Volkov: Antisemitismus, S. 36. 123) Lutz Frantz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel. Buchhändlerische Zusammenschlüsse in ihrer Projektion auf Assoziationstendenzen allgemeinen Charakters, Heidelberg 1927, S. 111f., 126ff., 150ff.
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ernhochschule“ und des Abreißkalenders „Hakenkreuzwegweiser“, stand, laut Erich Röth, dem Betreiber des Urquell-Verlags für thüringische Heimatliteratur und Schriften der Jugendbewegung, bereits 1926 vor dem Konkurs und musste 1929 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten seine Arbeit endgültig einstellen.124) Seine finanziell desaströse Entwicklung kann als repräsentativ für die Lage von Kleinverlagen in der Weimarer Republik betrachtet werden, unabhängig davon, ob sie sich in völkischen Kreisen bewegten. Selbst im Zentrum der völkischen Bewegung, dem Alldeutschen Verband, musste man im Jahresbericht 1926 eine negative finanzielle Bilanz einräumen.125) Die bekannteste Gegenstrategie der Kleinverlage, die sich im Dunstkreis völkischer Verbandsverlage bewegten, ist ein Unternehmensverbund, die so genannte Vereinigung völkischer Verleger. In der Forschungsliteratur wird sie als expandierendes „Netzwerk“ gedeutet, das „außerhalb des von Leipzig aus organisierten Buchvertriebs der Distribution völkischer Literatur und Publizistik diente“.126) Hingegen sind die Aktivitäten, die dieser Gruppe tatsächlich nachzuweisen sind, eher als Kollektivwerbemaßnahmen in ungünstigem Konjunkturklima zu interpretieren. Im Kontext eines zunehmend in fachliche, konfessionelle und politische Interessengruppen segmentierten Buchhandels der Weimarer Republik dienten sie der Stärkung des Marken- und Marktwerts des Völkischen. Angezeigt wurde die Gründung der VVV, wie das Kürzel der Gruppe, womöglich inspiriert durch die 1919 gegründete VWV (Vereinigung wissenschaftlicher Verleger), lautete, 1921 in einer Reihe von Anzeigen, die in den Zeitschriften der Gründungsmitglieder veröffentlicht wurden. Als solche werden genannt: die Deutschvölkische Verlagsanstalt A. Goetting (Hamburg), die Verlage Hammer (Leipzig), J. F. Lehmanns (München), Theodor Weicher (Leipzig), H. Haessel (Leipzig), Alexander Duncker (Weimar), Erich Matthes (Leipzig), Deutschordensland (Sontra), Hakenkreuz (Hellerau), Lorenz Spindler (Nürnberg), Gesundes Leben (Rudolstadt) sowie Oscar Laube (Dresden).127) Selbstformuliertes Anliegen der 124)
Gestapostelle Dresden an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, 30. 06. 1939; Erich Röth Verlag an die Reichsschrifttumskammer, 07. 03. 1939, BArch Abt. BDC, Personalakte Bruno Tanzmann, RKK 2100, Box 0452, File 05; die magere Finanzlage der Verlagsunternehmungen Tanzmanns schreibt Ulbricht dessen „ruinöser Verlagsführung“ zu: vgl. Ulbricht: Quellen, S. 184, 185f.; zu Tanzmann auch: Klaus Bergmann: Agrarromantik und Großstadtfeindschaft. Studien zu Großstadtfeindschaft und „Landflucht“-Bekämpfung in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, Meisenheim am Glan 1970, S. 219–246. 125) Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des Alldeutschen Verbands, 04./05. 12. 1926, BArch R 8048/148; zur schlechten finanziellen Lage des Alldeutschen Verbands während der Weimarer Republik auch: Hering: Nation, S. 151f. 126) Ulbricht: Quellen, S. 194; ders.: Bücher, S. 411f.; ders.: Bund, S. B5–B7; Lohalm: Radikalismus, S. 126; Ludolf Herbst: Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt/M. 1996, S. 51. 127) Vgl. beispielsweise Deutschlands Erneuerung 5 (1921), S. 523; Deutsches Schrifttum 6 (1921), 3. Umschlagseite; Neues Leben. Monatsschrift für deutsche Wiedergeburt 16 (1921), S. 55; Der Siedler 4 (1921), S. 235; Nationale Erziehung 4 (1921), S. 141.
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VVV waren die „Vertretung der Belange deutschvölkischer Verleger, Förderung deutschen Schrifttums, Zurückdrängung jüdischer Einflüsse im Buchhandel“.128) Vermutlicher Initiator war Theodor Fritsch, da die wiederholt genannte Adresse des Geschäftssitzes der Vereinigung mit der Verlagsadresse seines Hammer Verlags identisch ist.129) Der Erfolg dieser Gruppierung bleibt zweifelhaft und wird von den üblichen Rivalitäten und Konkurrenzkämpfen der völkischen Kreise geprägt gewesen sein. Erich Röth berichtete immerhin, er hätte 1921 „auf Drängen von Theodor Fritsch und J. F. Lehmann“ eine eigene „Kampforganisation“ völkischer Verleger „zugunsten der zu gründenden Vereinigung völkischer Verleger“ aufgegeben, sich jedoch „im Jahre 1926 […] auf einer Versammlung der VVV gegen ihre Arbeitsweise [gewehrt], weil sie die Grundsätze der 1921 von mir gegründeten und dann aufgegebenen Organisation verlassen hatte.“130) Auf eine lose Organisationsstruktur deutet auch hin, dass Julius Friedrich Lehmann den Verleger Erich Matthes förmlich, ohne Andeutungen über gemeinsame verlegerische Interessen oder andere Vertraulichkeiten, über sein Vorhaben informierte, im April 1926 eine Gobineauschrift veröffentlichen zu wollen.131) Wirkmächtigste, nachweisbare Aktion der VVV war eine Werbeschrift, betitelt „Das Deutsche Buch“, die 1920–24 jeweils zum Jahresende, vor dem Weihnachtsgeschäft von der VVV und 1925–26 von der Vereinigung völkischer Buchhändler herausgegeben wurde. In diesem Blättchen, das Auszüge völkischer Literatur und zu einem größeren Teil Anzeigen beinhaltete, inserierten die genannten Mitgliedsverlage sowie vereinzelt Georg Westermann, J. F. Steinkopf, Koehler & Amelang oder Vandenhoeck & Ruprecht. Auf einer 1927 im „Merkbuch der Deutschen“ veröffentlichten Liste „Völkisch-vaterländischer Verlag und Buchhandel“, die unterteilt ist in „ordentliche“ und „außerordentliche Mitglieder“ der Vereinigung völkischer Buchhändler sowie Buchhandelsunternehmen mit dem Prädikat „zum Erwerb deutschen Schrifttums empfohlen“, werden diese Verlage in der zuletzt genannten Rubrik aufgeführt.132) Daneben werden annähernd 160 Verlags- und Sortimentsbuchhandlungen in dieser Abteilung genannt, darunter der Verlag des „Kunstwarts“ Georg D. W. Callwey, der Schulbuchverlag Velhagen & Klasing, C. H. Beck oder R. Voigtländers. Längerfristigen Bestand hatte die Vereinigung völkischer Buchhändler höchstwahrscheinlich nicht, denn im Dezember 1932 druckte das im selben Jahr begründete Anzeigenblatt „Der völkische Buchhandel“, das auch nationalsozia128)
Deutschvölkisches Jahrbuch 2 (1921), S. 134. Auf dem zweiten Deckblatt des Deutschvölkischen Jahrbuchs findet sich gleichfalls das Signum der VVV. 129) Beispielsweise Das Deutsche Buch 3 (1922), erste Umschlagseite; Jahrbuch der Berufsverbände im Deutschen Reich. Hrsg. v. d. Reichsarbeitsverwaltung, Berlin 1925, S. 98. 130) Erich Röth Verlag an die Reichsschrifttumskammer, 07. 03. 1939, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Bruno Tanzmann; zum Verlag Erich Röth: Ulbricht: Quellen, S. 182ff. 131) Julius Friedrich Lehmann an Erich Matthes, 09. 04. 1926, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88. 132) Vgl. Bruno Tanzmann (Hrsg.): Merkbuch der Deutschen, Hellerau 1927, S. 289–295.
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II. Wie deutsch war der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik?
listische Buch- und Unterhaltungsprodukte bewarb, erneut einen Aufruf zur Gründung einer Vereinigung der völkischen Buchhändler und Verleger ab.133) Inserenten waren wiederum Julius Friedrich Lehmann und Theodor Fritsch. Anderweitige alte Anzeigenkunden der Vereinigung völkischer Verleger von 1920 waren kaum mehr vertreten. Dagegen machten beispielsweise C. Bertelsmann, Robert Langewiesche und K. Thienemanns für ihre thematisch passenden Bücher Reklame. Mit einer solchen Anzeigenplatzierung diffundierten völkische Inhalte, obschon nicht linear, durchaus in neue verlagspolitische Belange. Indes ist diese Diffusion nicht unbedingt auf die Agitation völkischer Verlage zurückzuführen, wenn man bedenkt, dass Verlage in einer desolaten Absatzsituation jede Chance einer werbetechnischen Positionierung nutzen mussten. Auf umkämpften, flexibel segmentierten buchhändlerischen Absatzmärkten konnten völkische Verlagskorporationen vorübergehend eine Markierungschance für Absatzsegmente bezeichnen. Um unternehmensstrukturell bedingte Verbreitungsmechanismen rassistischer und antisemitischer Publikationen zu beschreiben, sind des Weiteren die Fusionen des Weimarer Verlagsbuchhandels zu erwähnen, die immer auch Konsequenzen für die mehr oder minder offensichtlichen weltanschaulichen oder politischen Lagerungen der Verlage hatten. Wie für K. I. Trübner nach dem Zusammenschluss in der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. 1919 gezeigt, kam es dabei auch zu politischer Neutralisierung, in anderen Bereichen aber zu weltanschaulichen Konzentrationsbewegungen. 1920 fusionierten die katholischen Verlage Josef Kösel und Friedrich Pustet zur gemeinsamen Kommanditgesellschaft und vereinten mehr als zehn vorwiegend katholische Konfessionsverlage, Sortimentsbuchhandlungen, Druckereien und Buchbindereien im süddeutschen Raum sowie in Köln, Breslau, Wien und Rom unter sich. Im nunmehrigen Kösel-Pustet-Konzern versammelte sich der katholische Medieneinfluss. Die Unternehmenspolitik des Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verbands (DHV) kann, Andreas Meyer folgend, als Literatursteuerung des politisch rechten Lagers gedeutet werden. Der DHV baute seit 1927, neben seinem Stammverlag der Hanseatischen Verlagsanstalt, einen eigenen Verlagskonzern auf, für den die belletristischen, kultur- und literaturpolitisch neukonservativen Verlage Georg Müller (1927), Eduard Avenarius (1928), Ring (1930) und Albert Langen (1931) sowie Buchhandlungen in Augsburg und Trier aufgekauft wurden.134) Wenngleich ohne Rücksicht auf Rentabilität gebildet, erlangte der neu geschaffene
133)
Vgl. Der völkische Buchhandel. Nachrichten- und Anzeigenblatt für völkische und nationalsozialistische Buchhandlungen und Verkaufsstellen 1 (1932), Nr. 3, Stuttgart 01. 12. 1932, in: BArch NS 26/1173. 134) Andreas Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller. Zur Buchmarkt- und Kulturpolitik des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbands (DHV) in der Endphase der Weimarer Republik, in: AGB 32 (1989), S. 1–271.
2. Von kulturellen Codierungen zu fluktuierenden Codierungen
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Buchkonzern eine Sonderstellung im Bereich des neuen rechtspolitischen Nationalismus.135) Ehedem politisch neutrale Verlage erschlossen sich neue, rassistischen oder antisemitischen Codierungen zuneigende Absatzsegmente nicht nur produktpolitisch, sondern auch unternehmensstrukturell, indem sie sich Tochterunternehmen angliederten, die für die rassistische oder antisemitische Produktpalette anschlussfähig waren. Auch auf diese Weise kam es zur Fluktuation antisemitischer und rassistischer Codierungen. So wurde der Leipziger Medizinverlag Johann Ambrosius Barth, seit 1780 bestehend, 1916 vom Inhaber Arthur Meiner um die Würzburger Verlagsbuchhandlung Curt Kabitzsch mit dem Spezialgebiet der rassenkundlich vorgehenden Vor- und Frühgeschichte Gustaf Kossinas erweitert.136) Arthur Meiner war zeitweise Vorsitzender des Deutschen Verlegervereins (1917/18), mehrjähriger Vorsteher des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler (1918–24) sowie Mitinitiator der Deutschen Bücherei und somit einer der prägenden Köpfe des deutschen Buchhandels. Seit 1890 gehörte ihm der Verlag J. A. Barth, den er durch Ankäufe erfolgreicher Einzeltitel und Zeitschriften sowie Zusammenschlüsse mit sieben eigenen Verlagsunternehmen zu einem der führenden wissenschaftlichen Verlage vor allem im Bereich der Naturwissenschaften und Medizin ausbaute.137) Am Curt Kabitzsch Verlag reizte Meiner die medizinische Literatur, besonders das „Handbuch der speziellen Chirurgie des Ohres und der oberen Luftwege“ und die zahlreiche Tuberkuloseliteratur. Das vor- und frühgeschichtliche Verlagsprogramm wurde mit übernommen und 1924 um die Neugründung des „Nachrichtenblattes für Deutsche Vorgeschichte“ erweitert. Der auf bayerische Verhältnisse zugeschnittene Schulbuchverlag von Curt Kabitzsch wurde bei Umzug des Verlags in das Leipziger Stammhaus von J. A. Barth abgestoßen. Das Unternehmen wurde weitgehend selbstständig von dem Prokuristen August Melzer betrieben, der im Kabitzsch Verlag altgedient war. Bei gemeinsamen Vertrieb und gemeinsamer Werbung ist aber davon auszugehen, dass rassistische Publikationen des Kabitzsch Verlags, wie die „Rassenlehre“ (1927) oder „Der heutige Stand der Rassenforschung“ (1928) von Karl Felix Wolff, sowie rassistisch anschlussfähige Projekte wie die Zeitschrift „Mannus“ oder die Buchreihe „Mannus-Bibliothek“, beide von Gustaf Kossina herausgegeben, auf das medizinische Programm von J. A. Barth zurückwirkten und dort neue Relationen zwischen anthropologischer, sozial- und rassenhygienischer sowie vererbungstheoretischer Literatur und ihre rassistische Radikalisierung bewirkten.138)
135) Vgl. hierzu: Siegfried Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im ‚Dritten Reich‘, Frankfurt/M. 1992, S. 15ff. 136) Vgl. Johann Ambrosius Barth. Leipzig 1780–1930, Leipzig 1930, S. 185f. 137) Zu Meiner vgl. Rainer A. Bast: Arthur Meiner, in: NDB, Bd. 16, 1990, S. 662f.; 200 Jahre Johann Ambrosius Barth. 1780–1980, Leipzig 1980, S. 53–69. 138) 200 Jahre Johann Ambrosius Barth, S. 64.
III. Der Georg Westermann Verlag 1. Unternehmensstruktur: Expansion und Professionalisierung Der Georg Westermann Verlag lässt sich typologisch den Unternehmen in Familienbesitz zuordnen, die sich von den familienkontrollierten und familiengeführten Unternehmen abgrenzen.1) Das von George Westermann (1810–79) in Braunschweig 1838 gegründete Unternehmen wurde bis 1914 von Mitgliedern der Familie Westermann geleitet, die in die weitverzweigten Buchhändlerdynastien des 19. Jahrhunderts eingebunden waren, 1914 zog sich Georg Westermann (1869–1945), Enkel des Verlagsgründers, jedoch von der Verlagsleitung zurück und Hans Reichel (1873–1945) wurde zum tätigen und leitenden Mitinhaber des Verlags ernannt.2) Die Inhaberfamilie verlor damit ihren direkten Einfluss auf die allgemeine und programmatische Unternehmenspolitik zugunsten eines externen, nicht-familialen Managements, das zwar persönlich haftbar, aber keinen familialen Wert- oder Loyalitätsverpflichtungen unterlegen war. Schon 1908 war der Verlag in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt worden, einer Rechtsform, die noch bis in die dreißiger Jahre hinein als Unternehmensform im deutschen Buchhandel unbedeutend war. 1926 waren lediglich ca. drei Prozent der Verlagsbuchhandlungen derart organisiert. Vorherrschend war die Form des Einzelunternehmens.3) Die Verlagsgründung fiel in die Zeit der beginnenden Industrialisierung in Deutschland. Sie schuf auch im Buchhandel durch die Entwicklung und Einführung drucktechnischer Neuerungen Voraussetzungen für eine schnellere 1)
Vgl. Brun-Hagen Hennerkes: Familienunternehmen sichern und optimieren, Frankfurt am Main/New York 1998, S. 25; Jürgen Kocka: Family and bureaucracy in German industrial management 1850–1914. Siemens in comparative perspective, in: Business History Review 45 (1971), S. 133–156, hier: S. 134; Wieland Sachse: Familienunternehmen in Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein historischer Überblick, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 36 (1991), S. 9–25, hier: S. 10f.; Alfred D. Chandler: Manager, families and financiers, in: Kesaji Kobayashi (Hrsg.): Development of managerial enterprise, Tokio 1986, S. 35–63; Alfred D. Chandler: Managers, families, and financiers, in: Mary B. Rose (Hrsg.): Family business, Aldershot 1995, S. 32–48; Hartmut Kaelble: From family enterprise to the professional manager. The german case, in: 8th International Economic History Congress Budapest 1982. B9, Budapest 1982, S. 50–59; Sabine Klein: Familienunternehmen. Theoretische und empirische Grundlagen, Wiesbaden 2000, S. 17f., 20, 24. 2) Zu den Buchhandelsdynastien: Jäger: Familienunternehmen, S. 197–215, hier: S. 202. 3) Vgl. Erich Scherer: Das Unternehmertum des deutschen Verlagsbuchhandels, Göttingen 1926, S. 75; 1932 betrug die Anzahl der KGs im deutschen Verlagsbuchhandel zwei Prozent nach amtlicher Statistik und 1,2 Prozent entsprechend dem statistischen Anhang im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels, vgl. Ernst Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, Leipzig 1934, S. 37ff., 51f.
1. Unternehmensstruktur: Expansion und Professionalisierung
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und aufwändigere Produktion. Der Verlagsgründung unmittelbar vorangegangen war die Einführung einheitlicher Verkehrsformen zwischen Verlags- und Sortimentsbuchhändlern und die Gründung des gemeinsamen berufsständischen Interessenverbandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler 1825. Beide Maßnahmen trugen zu einer flächendeckenden wirtschaftlichen Kooperation aller Zweige des Buchhandels auf dem Gebiet des Deutschen Bundes bei. Aus der Perspektive von Verlegern oder potentiellen Verlagsgründern waren damit die technischen Voraussetzungen für eine Ausdehnung der Produktionsmöglichkeiten geschaffen, die mit der Ausdehnung von Absatzmöglichkeiten konform gingen. In der expandierenden Verlagslandschaft bot sich Raum für Spezialisierungen. Immer mehr Unternehmen konzentrierten ihr Programm auf Einzelsparten, die bei Westermann die Kartographie werden sollte.4) In diesem Kontext folgerichtig sind die ersten Bestandsjahre des Georg Westermann Verlags von frühzeitiger Ausnutzung der technischen Innovationen im Bereich der Buchproduktion geprägt. Die damit verbundenen Expansionstendenzen in der Unternehmensstruktur waren zu Beginn der Weimarer Republik entscheidend für die Unternehmensausrichtung. Der Georg Westermann Verlag war in der Weimarer Republik ein mittelgroßer, vergleichsweise moderner Verlag, wenn damit ein Unternehmen gemeint ist, dessen Organisationsstruktur auf Arbeitsteilung und Professionalisierung ausgerichtet ist. Der 1914 als Geschäftsführer und Mitinhaber in den Verlag eintretende Hans Reichel war fachlich und banktechnisch ausgebildet und hatte vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei Westermann führende kaufmännische Funktionen bei der Deutschen Bank und im graphischen Gewerbe ausgeübt.5) Während seiner Tätigkeit im Westermann Verlag war er in den Vorständen offizieller buchhändlerischer Berufsvertretungen präsent, dem Deutschen Verlegerverein und dem Buchhändlerverband Hannover-Braunschweig.6) Als eine „hervorragende kaufmännische und insbesondere banktechnische Begabung“ bezeichnete Georg Westermann seinen Nachfolger Hans Reichel, allerdings im pejorativen Sinn in einem Beschwerdebrief an seine Mitarbeiter bezüglich Reichels Verlagsführung, verfasst 1917, drei Jahre nachdem sich Westermann 4)
Vgl. Georg Jäger: Kartographischer Verlag, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, S. 575–601, hier: S. 596ff.; Wittmann: Geschichte, S. 265ff. 5) Vgl. Georg Wenzel (Hrsg.): Deutsche Wirtschaftsführer. Lebensgänge deutscher Wirtschaftsführer. Lebensgänge deutscher Wirtschaftspersönlichkeiten, Hamburg/Berlin/Leipzig 1929, Sp. 1783; weitere Rechercheversuche zur Rekonstruktion der Biographie Hans Reichels blieben leider erfolglos; im Westermann Verlagsarchiv sind keinerlei Personalunterlagen zu Hans Reichel überliefert; im BArch Abt. BDC fehlt gleichfalls eine Personalakte der Reichskulturkammer über den 1945 verstorbenen Hans Reichel oder seiner Frau Martha Reichel, geringfügiges Material ist zu Hans Reichels Sohn Hellmut Reichel dort überliefert; zur Tätigkeit Reichels 1940 vgl.: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 09. 10. 1943, in: SächsStArchL, Bestand Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, 10354, Westermann, Georg. 6) Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Berlin 1930, S. 1492.
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III. Der Georg Westermann Verlag
aus der Verlagsleitung zurückgezogen hatte.7) In seiner Kritik an Reichel reihte sich Westermann in die Reihe derer ein, die eine zweckrational-wirtschaftliche Verlagsleitung konträr zu einem verlegerischen Kulturauftrag betrachteten. Er räumte ein, dass der Verlag „vom rein geldtechnischen Standpunkt namentlich im letzten Jahre sogar sehr erfreuliche Ergebnisse erzielen konnte“. Die „ideellen Werte drohen aber bei einer so rechnerisch nüchternen Geschäftsführung, wie sie jetzt betrieben wird, vollkommen zu verkümmern. […] Für ihn [Reichel] und seinen kleinlichen Krämergeist ist und bleibt das Buch eben nichts anderes als eine Ware.“ 1928 wurde Reichel dennoch wegen seines verlegerischen Engagements für „die geographische Wissenschaft, für die Wissenschaft vom Norden und des Niederdeutschen“ die Ehrendoktorwürde der politisch deutschnational orientierten philosophischen Fakultät der Universität Greifswald verliehen, die u. a. auch Alfred von Tirpitz mit einem Dr. h.c. bedacht hatte.8) Das Gutachten des Ehrenpromotionsverfahrens, das von dem Germanisten Wolfgang Stammler, dem Germanisten und Skandinavisten Paul Merker, dem Geographen Gustav Braun und dem Physiker Friedrich Krüger als Dekan unterzeichnet wurde, bescheinigte Reichel, im Gegensatz zu Georg Westermanns Gravamen, das selbstlose Unternehmertum kulturschaffender Verleger: „Die Sache steht ihm [Reichel] vor dem Geschäft, die Wissenschaft und uns zu fördern ist ihm Ehrenpflicht.“ Reichel habe die „niederdeutsche Volkskunde gepflegt und das Studium der mittelalterlichen Sprache und Literatur Niederdeutschlands durch geeignete rein wissenschaftliche Publikationen gefördert, Publikationen, bei denen ihn eine ideelle Erwägung zur Übernahme führte, aber keine materielle; denn Gewinn ist aus solchen Veröffentlichungen für einen Verleger nicht zu hoffen.“9) Da anzunehmen ist, dass Reichel zu einigen seiner Autoren ein freundschaftliches Verhältnis pflegte – Ewald Banse widmete ihm das 1921 veröffentlichte „Wüsten, Palmen und Basare“ mit den Worten „Hans Reichel, dem Freund und Verleger“ –, ist das Urteil Westermanns sicherlich als Polemik zu lesen. Reichels Verlagsarbeit dürfte aber dennoch auch den Marktwert der von ihm geförderten Verlagsbereiche im Auge gehabt haben, bedenkt man die Konjunktur nordischer und niederdeutscher
7)
Vgl. hierfür und im Folgenden: WWA Schreiben Georg Westermanns an seine Mitarbeiter, undatiert [vermutlich 1920/1921]. 8) UAG Phil. Fak. I, 369, S. 1; zur politischen Einordnung der Greifswalder Philosophischen Fakultät: vgl. Helge Matthiesen: Greifswald in Vorpommern. Konservatives Milieu im Kaiserreich, in Demokratie und Diktatur 1900–1990, Düsseldorf 2000, S. 280ff.; Thomas Stamm-Kuhlmann: Die Philosophische Fakultät vom Anschluß an Preußen 1815 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990, in: Dirk Alvermann/Karl-Heinz Spieß (Hrsg.): Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald 1456–2006. Bd. 1. Die Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert, Rostock 2006, S. 371–480, hier: S. 403. 9) UAG Phil. Fak. I, 369, S. 3.
1. Unternehmensstruktur: Expansion und Professionalisierung
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Literatur sowie von Skandinavistik und Nordlandbegeisterung seit der Jahrhundertwende.10) Die Führungsriege des Westermann Verlags wurde von Reichel personell erweitert und damit eine arbeitsteilige Organisation der Verlagsleitung eingerichtet.11) Eigenständige Kompetenzbereiche wurden für einen technischen Betriebsdirektor, der der Druckerei vorangestellt war, und einen kaufmännischen Leiter, dem die Unternehmensfinanzierung oblag, geschaffen. Zweiter tätiger Mitinhaber war neben Hans Reichel 1922–27 der Verlagsbuchhändler Robert Hillig (1873–1927), der zuvor den Schulbuch- und wissenschaftlichen Verlag F. Tempsky und G. Freytag GmbH in Wien und Leipzig geleitet hatte.12) Wichtigste Neuerung in der Struktur der Verlagsleitung war 1921 die Einstellung eines Verlagsdirektors. Die Position hatte von 1921 bis 1949 Ernst Sandig (1885–1970) inne.13) Er betreute im Verlagsprogramm hauptsächlich den Schulbuchbereich.14) 1931 trat mit Everhard Westermann (1905–1973), einem Sohn Georg Westermanns, wieder ein Familienmitglied in die Verlagsleitung ein. Everhard Westermann hatte sich 1930 auf Studienreisen in England sowie den USA fortgebildet. Sein Aufgabenbereich lag im technischen Betrieb, in der Druckerei und der Betreuung der kartographischen Abteilung.15) Hans Reichel schied 1935 aus dem Verlag aus, den Aussagen Everhard Westermanns im Lizenzantrag des Westermann Verlags nach dem Zweiten Weltkrieg zufolge aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen der Familie Westermann und Hans Reichel über den von Reichel „eingeführten NS-Kurs“ im Verlagsprogramm.16) Zusammen mit Hans Reichel verließ sein Sohn Hellmut den Verlag, der vor 1933 Mitgesellschafter gewesen war.17) Hellmut Reichel betrieb in den dreißiger Jahren den Verlag Junge Generation in Berlin, der nationalsozialistische Jugendschriften verlegte und in dem sein Vater Teil10) Zum Nordismus: Klaus von See: Barbar, Germane, Arier. Die Suche nach der Identität der Deutschen, Heidelberg 1994; Bernd Henningsen: Der Norden. Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identität, in: ders. (Hrsg.): Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen Region, Berlin 2002, S. 17–36. 11) Hierfür und im Folgenden: Hohenberg: Westermann, S. 40f. 12) Vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 83 (1916), S. 212. 13) Auch für die Verlagsmitarbeiter waren biographische Daten nur spärlich zu ermitteln. Das Westermann Verlags Archiv bot grundsätzliche Informationen; RKK-Akten im BArch Abt. BDC und Unternehmensakten aus dem Bestand Börsenvereins der Deutschen Buchhändler im SächsStArchL waren nicht vorhanden bzw. nicht aussagekräftig. 14) Reden und Ansprachen zur Hundertjahrfeier des Verlages Georg Westermann in, Braunschweig am 20. und 21. Mai 1938, Braunschweig 1938, S. 56–58. 15) Personalfragebogen MGG Everhard Westermann, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Everhard Westermann; Reden und Ansprachen zur Hundertjahrfeier des Verlages, S. 54f.; Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen, S. 27. 16) Everhard Westermann an Mr. Sely, 06. 03. 1948, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Everhard Westermann. 17) Auskunftsbogen zur Aufnahme in die RSK von Hellmut Reichel. Wie das Folgende in: BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Reichel.
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III. Der Georg Westermann Verlag
haber war. 1940 wurde Hans Reichel persönlich haftender Gesellschafter in der Reise- und Versandbuchhandlung Gutberlet & Co. KG in Berlin-Lichterfelde.18) Die Einrichtung einer arbeitsteiligen Unternehmensleitung bei Westermann war aufgrund der seit der Verlagsgründung anhaltenden Expansion des Unternehmens unumgänglich geworden. Sieben Jahre nach der Verlagsgründung, im Jahr 1845, erfolgte die erste vertikale Erweiterung des Verlags durch Angliederung einer Druckerei und wenig später einer Buchbinderei.19) Die Druckerei ermöglichte die Verwirklichung verlegerischer Projekte auf dem Gebiet der Kartographie und erlaubte die Herstellung eines verlagseigenen Periodikums, „Westermanns Monatsheften“, seit 1856.20) Diese Produktionskerne und, insbesondere seit der Jahrhundertwende, verstärkte externe Druckaufträge sicherten der Druckerei eine stabile Auftragslage.21) Ihr Maschinenpark wurde rasant ausgebaut und ihr Mitarbeiterstab beständig vergrößert, sodass 1913 die Druckerei 262 Arbeiter und 40 Angestellte zählte.22) Interne Bilanzierungsunterlagen weisen die Druckerei als selbstständig arbeitendes Unternehmen aus, offiziell jedoch bilanzierten Verlag und Druckerei bis in die vierziger Jahre hinein gemeinsam.23) Die Leitung beider Unternehmen geschah in Personalunion durch den Verlagsleiter Hans Reichel. Die Abteilungen des Georg Westermann Verlags wurden 1915 mit Hauptkontor, Betriebskontor, Setzerei, Druckerei, Stereotypie, Packerei, Buchbinderei, Chemographie, Steindruckerei und Verlag angegeben und insofern als Betriebseinheit von Verlag, Druckerei und anderen Unternehmensabteilungen.24) Aufgrunddessen kann von einer engen organisatorischen Verzahnung zwischen Verlag und Druckerei ausgegangen werden, die ein Zurückwirken von technischen Kapazitäten der Druckerei auf die Verlagsproduktion vermuten lassen. Der Verlag musste hinsichtlich Produktionsvolumen und Produktionssparten sowie bezüglich der Organisation des Produktionsablaufs darauf ausgerichtet sein, das Produktionsvermögen der Druckmaschinen auszunutzen sowie hohe Investitions- und Unterhaltskosten zu erwirtschaften 18)
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 09. 10. 1943, in: SächsStArchL, Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Westermann, Georg. 19) Zum Begriff der „vertikalen“ Unternehmenserweiterung vgl.: Kurt Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften und Fachvereinsverlage im Zusammenhang mit den Plänen und Versuchen der Sozialisierung und Verstaatlichung des Buchwesens, Osterwieck 1927, S. 2f., 18ff. 20) Vgl. Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 27, 136ff.; Hohenberg: Westermann, S. 13, 39. 21) Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 39. 22) Ebd., S. 139. 23) Vgl. WWA Georg Westermann Verlag, Gewinn- und Verlustrechnung 1919/20; offizielle Bilanzen zum 31. 12. 1932, 31. 12. 1939 und 31. 12. 1944, in: BArch Abt. BDC, RKK 2707, B 0282, F 07, Personalakte Everhard Westermann. 24) Aus der Heimat und dem Felde. Berichte der Westermänner von drinnen und draußen 1 (1915), S. 2.
1. Unternehmensstruktur: Expansion und Professionalisierung
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und könnte demzufolge zu gesteigertem Veröffentlichungsvolumen und höheren Auflagen geneigt haben. Diese Vermutung ergibt sich analog zur zeitgenössischen buchhandelswirtschaftlichen Literatur, in der solche Rückwirkungsmechanismen für eine zunehmende Kommerzialisierung des Buchmarkts verantwortlich gemacht werden.25) In Berlin eröffnete der Verlag 1912 eine Filiale. Schon seit 1872 war die Redaktion der „Westermanns Monatshefte“ in der Reichshauptstadt ansässig, seit 1912 kam die Vertriebsorganisation für das östliche Reichsgebiet hinzu.26) Ein Jahr nach Eröffnung der Berliner Dependance erfolgte der Umzug des Braunschweiger Stammhauses in einen Neubau vor die Tore der Stadt in unmittelbare Nachbarschaft des Hauptbahnhofs. Der Neubau war insbesondere für die Erfordernisse der Druckerei konzipiert und trug dem Problem der Energieversorgung für deren beständig wachsende technische Ausstattung Rechnung.27) Horizontale Erweiterungen des Westermann Verlags wurden unter der Verlagsleitung Hans Reichels fortgesetzt. 1874 wurde die geographisch-kartographische Abteilung um das Leipziger Geographisch-Artistische Institut von Eduard Gaebler erweitert, 1932 der kartographische Verlag Carl Flemming & Wiscott in Glogau übernommen.28) Die größte Transaktion aber, mit nachhaltigen Auswirkungen auf das programmatische Profil von Westermann, war 1917 die Übernahme des Alfred Janssen Verlags in Hamburg. Der 1891 in Leipzig gegründete Verlag war seit 1899 in Hamburg ansässig und kann als klassischer Regionalverlag typologisiert werden, wie ihn Friederike Kästing für den modernen Buchmarkt definiert.29) Das Verlagsprogramm von Regionalverlagen ist vielfältig, die Themenstruktur breit und nur durch das integrierende Moment des regionalen Bezugspunkts verbunden. Alfred Janssen pflegte zwei Schwerpunkte: Belletristik und Reformpädagogik. Beide Bereiche waren an ein Hamburger bzw. niederdeutsches Lokalkolorit gebunden. Beschaffungs- und Absatzmärkte von Regionalverlagen kennzeichnet das Attribut ‚Nähe‘. Durch Teilnahme an der lokalen kulturellen Öffentlichkeit finden Autorenakquise wie auch Ab25)
Vgl. Fritz Pustet: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Verlagsbuchhandel und Buchdruckgewerbe in der Gegenwart. Regensburg 1923, S. 37ff.; Edmund Winterhoff: Die Krisis im deutschen Buchhandel als Folge seiner Kartellierung, Karlsruhe 1927, S. 4ff.; Herbert Beck: Der gemischte Betrieb im deutschen Verlagsbuchhandel, Stuttgart/Berlin 1912, S. 55–63. 26) Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 27; Schmidt: Monatshefte, S. 186ff. 27) Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 26f., 39, 136ff.; Hohenberg: Westermann, S. 13, 39. 28) Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 27. 29) Vgl. hierfür und im Folgenden: Peter-Hubertus Pieler: „Mit uns zieht die neue Zeit“. Der Verleger Alfred Janssen und die Reformbewegungen, Herzberg 1994; zum Typus Regionalverlag: Friederike Kästing: Malerische und romantische Provinz. Strategische Ansätze für Regionalverlage, in: dies./Franz-Joachim Klock (Hrsg.): Beiträge zur Ökonomie des Verlagsbuchhandels, Baden-Baden 1990, S. 247–252.
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III. Der Georg Westermann Verlag
satzanbahnung statt. Für den Absatz spielen neben klassischen Vertriebspartnern lokale Multiplikatoren, wie Literatur- und Kulturkreise, Volkshochschulen oder kommunale Einrichtungen, eine wichtige Rolle. Alfred Janssen war in der lokalen Hamburger bildungsbürgerlichen Vereinslandschaft beheimatet, z. B. in der Gesellschaft Hamburger Kunstfreunde, der Patriotischen Gesellschaft und der Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung.30) Die Übernahme des Janssen Verlags war bereits 1913 von Georg Westermann erwogen worden, dieser hatte jedoch den Plan im Hinblick auf die im Neubau des Verlagshauses gebundenen finanziellen Kräfte des Verlags wieder fallen gelassen. 1917 unter der Verlagsleitung Reichels glückte die Übernahme und der Alfred Janssen Verlag wurde für einen Preis von RM 460 000 Teil des Georg Westermann Verlags.31) Reichel investierte damit über das Vierfache des Geschäftsvermögens des Janssen Verlags im Jahr 1916. Das Verhältnis zum 1913 anvisierten Kaufpreis von RM 350 000 verdeutlicht, auch unter Berücksichtigung der inflationären Geldentwertung, das hohe Maß an Kaufwillen seitens des Westermann Verlags, zudem sich Alfred Janssen seinerseits nur sporadisch um anderweitige Verkaufsverhandlungen bemühte.32) Laut Verlagsvertrag verblieb die „geistige Leitung des Buchverlages“ bei Alfred Janssen, freilich unter der Vorgabe sich „nach Möglichkeit nach den Wünschen der Firma Westermann“ zu richten. Das produktionsund absatzpolitische Interesse, das der Westermann Verlag mit der Verlagsübernahme verband, lag in Janssens engen Kontakten zu regionalen Produktions- und Absatzmärkten. Dies verdeutlichen Vertragsklauseln, die Janssen verpflichten, „seine Verbindungen in Hamburg und anderswo der Verlagsfirma nutzbar zu machen“, „neue Verbindungen allerwärts anzuknüpfen“ und „mit der Vertriebsabteilung beständig Fühlung“ zu halten.33) Der Janssen Verlag wurde zum Knotenpunkt, um für den Westermann Verlag die seit 1913 existierende Hamburger Zweigstelle des Verlags zu verstärken und den Vertrieb im lokalen Hamburger Umfeld und im gesamten regionalen, nordwestdeutschen Raum zu koordinieren. Neben der Berliner Außenstelle, die den Vertrieb für die ostdeutschen Reichsgebiete abwickelte, war der Janssen Verlag damit die zweite ausgelagerte vertriebstechnische Anlaufstelle des Westermann Verlags. Mit dem Tod Alfred Janssens 1935 erlosch die Verlagsbuchhandlung Alfred Janssen als Firmierung endgültig. Das von ihr übernommene Programm sowie die Hamburger Außenstelle des Unternehmens Westermann bestanden weiter.
30) 31)
Pieler: Zeit, S. 127ff. Vertrag Alfred Janssen Verlag – Georg Westermann Verlag, 29. 10. 1917, WWA 21/61,
20. 32) Pieler: Zeit, S. 26ff. 33) Vertrag Alfred Janssen Verlag – Georg Westermann Verlag, 29. 10. 1917, WWA 21/61, 20.
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt
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Die Entwicklung der Mitarbeiteranzahl verdeutlicht die anhaltende rasche Expansion des Unternehmens in den zwanziger und dreißiger Jahren: 1913 waren in Verlag, kartographischer Anstalt und Druckerei 300 Mitarbeiter beschäftigt, 1938 waren es rund 500.34)
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt Mit einer durchschnittlichen Produktion von über 30 Titeln pro Jahr hatte sich der Westermann Verlag unter der Leitung Hans Reichels in die obere Liga der Verlagsunternehmen gespielt und gehörte während der Weimarer Republik zu den sieben Prozent der größten Verlagsunternehmen im Deutschen Reich.35) 1922 belegte der Verlag den 34. Rang in einer nach den Angaben des „Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel“ erstellten Produktionsstatistik von ca. 300 Verlagsbuchhandlungen im Deutschen Reich, während sich die Konkurrenzverlage Velhagen & Klasing auf dem 19. bzw. Moritz Diesterweg auf dem 82. Rang einfanden.36) Die Absatzkurve der Novitäten in Stück in den Jahren 1919–32 verhielt sich im Georg Westermann Verlag im Sinn der allgemeinen Wirtschaftstendenzen sowie denen des Buchhandels (vgl. Abb. 4).37) Dem inflationären Scheinhoch in den Jahren der Hyperinflation folgten der Absatzeinbruch mit Einführung der Rentenmark und die Stabilisierung des Absatzes während der relativ stabilen Mitteljahre der Weimarer Zeit.38) Seit 1929 kollabierte der Absatz im Gefolge der allgemeinen Konjunkturkrise. Für das Geschäftsjahr 1919/20 liegt eine Abrechnung von Umsatz und Gewinn vor, wobei die Umsatzzahlen, den Geschäftsgewohnheiten vom Westermann Verlag folgend, den Absatz in Reichsmark bezeichnen. Die Aufstellung verdeutlicht die ökonomische Gewichtung der einzelnen Verlagsbereiche nach der Übernahme des Janssen Verlags. Demnach verteilten sich diese, ohne Angaben über die Wirtschaftslage der Druckerei, wie in Tabelle 1 zu sehen.
34) Hohenberg: Westermann, S. 39; Schmidt: Monatshefte, S. 189; Reden und Ansprachen, S. 55. 35) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 109. 36) Scherer: Unternehmertum, S. 223ff. 37) Erstellt nach den Absatzzahlen in den Skontro-Büchern: WWA Verlags-Skontro 2/281/1, Verlags-Skontro 2/281/2, Verlags-Skontro 2/281/3, Verlags-Skontro 2/281/5; zu den Tendenzen im Buchhandel vgl. Wittmann: Geschichte, S. 329f.; Kastner: Statistik (2007), S. 341ff.; für die Produktion: vgl. Umlauff: Beiträge, S. 70. 38) Zur Inflation vgl. Ruprecht: Väter, S. 257; ähnlich bei Mohr-Siebeck vgl. Silke Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft. Der Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2001, S. 362f.; allgemein zu den Auswirkungen der Inflation auf den Buchhandel: Grieser: Buchhandel.
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III. Der Georg Westermann Verlag
600000
500000
400000
300000
200000
100000
0 17/18 18/19 19/20 20/21 21/22
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33
Abb. 4: Absatz des Buchverlags im Westermann Verlag in Stück
Umsatz in RM Atlanten Wandkarten Schulbücher Erziehung Erzählendes Sammlungen Zeitschriften
2 191 678 166 381 275 356 144 355 1 611 134 303 662 45 145
Gewinn in RM 1 034 899 46 726 98 497 56 560 606 478 69 469
Tabelle 1: Umsatz und Gewinn der Verlagsbereiche im Westermann Verlag 1919/2039)
Der mit Abstand umsatzstärkste Bereich im Westermann Verlag war die Kartographie bzw. der Teilbereich der Atlantenproduktion, gefolgt von der Rubrik „Erzählendes“, die vor allem die Belletristik bezeichnete, und den Schulbüchern. Alle diese Produktionsbereiche des Westermann Verlags lassen sich durch das Begriffspaar ‚Heimat und Welt‘ beschreiben und miteinander in Beziehung setzen. Der Leser der Veröffentlichungen des Westermann Verlags konnte die ‚Welt‘ stets nur mittels der ‚Heimat‘ kennen lernen. Das Konzept der Heimat samt seiner erfundenen Traditionen überbrückte den Transfer zwischen den erreichbaren Realitäten einer vorgeblichen Heimat und einer
39)
WWA Georg Westermann Verlag, Gewinn- und Verlustabrechnung 1919/20.
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt
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vorwiegend lediglich in Imaginationen denkbaren Welt.40) In den Westermann-Atlanten standen den Weltkarten die Karten der Heimat voran. Ausdifferenziert in verschiedene Regionalausgaben, wurden in den Atlanten spezielle Regionen mit einem eigenen Lokalitätsbild bedient. Gleichfalls in diversen Regionalausgaben erschienen die reformpädagogisch aufgebauten Fibeln für den Schulgebrauch, die „kindertümlich“ von der Anschauung der näheren Umwelt, der eigenen Heimat, ausgehend die entferntere Umwelt, die fremde Welt, vermittelten. Ergänzend verfuhren die pädagogischen Fachbücher, deren Autoren, der Reformpädagogik nahe stehend, emphatisch eine unmittelbare, natürliche Lebensumwelt des Kindes propagierten. In der Belletristik wurde das zeitlich und räumlich Fremde durch regionale und nationale, gegenwärtige oder in die Vergangenheit projizierte Identitätsangebote abgemildert. Je nachdem, wie sich in den Veröffentlichungen die Heimat zur Welt verhielt, ob in wechselseitiger Durchdringung oder in Opposition der Konzepte, lag eine rassistische Codierung nahe. Wichtiges Etappenziel auf dem Weg von der Heimat in die Welt war erwartungsgemäß die Nation. Seit den 1890er Jahren verstärkte sich der Trend, Heimatkonzepte zu Bindegliedern zwischen Regionen und deutscher Nation zu verarbeiten.41) Nach dem Ersten Weltkrieg rückte das „heimatkundliche Prinzip“ in das Zentrum bildungstheoretischer und schulpädagogischer Überlegungen, insbesondere in der Gestaltung der Lehrplanvorgaben für Volksschulen.42) Auf der Reichsschulkonferenz im Juni 1920 wurde ein Ausschuss 40)
Vgl. zum Konzept der Heimat: Celia Applegate: A nation of provincials. The German idea of Heimat, Berkeley 1990; auch: Thomas Kühne: Die Region als Konstrukt. Regionalgeschichte als Kulturgeschichte, in: James Retallack (Hrsg.): Sachsen in Deutschland. Politik, Kultur und Gesellschaft 1830–1918, Dresden 2000, S. 253–263; Alan Confino: Die Nation als lokale Metapher. Heimat, nationale Zugehörigkeit und das Deutsche Reich 1871–1918, in: ZfG 44 (1996), S. 421–435; Alan Confino: The nation as a local metaphor. Württemberg, Imperial Germany and national memory 1871–1918, Chapel Hill 1997; Rüdiger Gans/Detlef Briesen: Das Siegerland zwischen ländlicher Beschränkung und nationaler Entgrenzung. Enge und Weite regionaler Identität, in: Rolf Lindner (Hrsg.): Die Wiederkehr des Regionalen. Über die Formen kultureller Identität, Frankfurt am Main/ New York 1994, S. 64–90; Wolfgang Hardtwig: Nation – Region – Stadt. Strukturmerkmale des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert, in: ders.: Hochkultur des bürgerlichen Zeitalters, Göttingen 2005, S. 240–268; der Konnex von regionaler Heimatbindung und Nationsbildung ist kein deutsches Phänomen vgl. Xose M. Nunez: Region-building in Spain during the 19th and 20th centuries, in: Gerhard Brunn (Hrsg.): Region und Regionsbildung in Europa. Konzeptionen der Forschung und empirische Befunde, Baden-Baden 1996, S. 175–210; Heinz-Gerhard Haupt: Die Konstruktion der Regionen und die Vielfalt der Loyalitäten im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Günther Lottes (Hrsg.): Region, Nation, Europa. Historische Determinanten der Neugliederung eines Kontinents, Heidelberg 1992, S. 121–126. 41) Hardtwig: Nation – Region – Stadt, S. 245; bezugnehmend auf: Applegate: Nation, S. 86. 42) Vgl. Margarete Götz: Die Heimatkunde im Spiegel der Lehrpläne der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/New York/Paris 1989; Hartmut Mitzlaff: Heimatkunde und Sachunterricht. Historische und systematische Studien zur Entwicklung des Sachunterrichts – zugleich eine kritische Entwicklungsgeschichte des Heimatideals im deutschen Sprachraum, Diss. Univ. Dortmund 1985.
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III. Der Georg Westermann Verlag
‚Schule und Heimat‘ gebildet, der empfahl, das Fach Heimatkunde in das Curriculum der Volksschulen einzuführen. Bruno Clemenz, Schulrektor aus Schlesien und Berichterstatter des Ausschusses, bezeichnete in seinem Abschlussvortrag das Arbeitsergebnis des Gremiums mit der Formel „Treue gegen die Heimat bringt Freude am Reich“ und führte damit die politische Tragweite eines Heimatverständnisses vor Augen, das sich der Nation unterordnete.43) Das Heimatkonzept in der Weimarer Republik gewann, unterstützt durch staatliche Schul- und Kulturpolitik, weltanschaulich-politische Untertöne.44) Der Westermann Verlag bewegte sich mit seiner Verlagsprogrammatik ‚Heimat und Welt‘ auf einer stabilen, staatlich geförderten, diskursiven Grundlage. Innerhalb des Verlags war die Heimattradition relativ jung und erst mit der Übernahme des Alfred Janssen Verlags 1917 und der damit verbundenen neuen Schwerpunktsetzung in der reformpädagogischen sowie niederdeutschen Literatur ausgereift. Die regionale Nähe, die Heimat, war nach der Unternehmenserweiterung zu einem integralen Moment des Westermannschen Verlagsprogramms geworden. Dieses integrale Moment war hingegen kein Selbstzweck. Unternehmerisch bedeuteten die Heimatofferten, die der Verlag seinen Lesern machte, eine Absatzstrategie, die Heimat erfand, um regionale Absatzsegmente für die Verlagsprojekte zu gewinnen. 2.1 Geographie: Weltbilder im Wandel Das Verfahren des Kartographierens ist per se kein rein mathematisches, sondern immer auch ein politisch und moralisch klassifizierendes, das räumliche Vorstellungen konstruiert, illustriert und begrenzt.45) Karten und Kartensammlungen vermitteln, im Wortsinn, Weltbilder, denen hohe und schwer zu überprüfende Deutungskompetenz beigemessen werden kann.
43)
Götz: Heimatkunde, S. 38. Zur Heimatbewegung in der Weimarer Republik: Hermann Bausinger: Zwischen Grün und Braun. Volkstumsideologie und Heimatpflege nach dem Ersten Weltkrieg, in: Hubert Cancik (Hrsg.): Religions- und Geistesgeschichte der Weimarer Republik, Düsseldorf 1982, S. 215–229; zur regionalen und nationalen Kulturpolitik: Karl Ditt: Raum und Volkstum. Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923–1945, Münster 1988; Willi Oberkrome: „Deutsche Heimat“. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900–1960), Paderborn 2004. 45) Vgl. Denis Cosgrove: Introduction: Mapping meaning, in: ders. (Hrsg.): Mappings, London 1999, S. 1–23; J. B. Harley: Maps, knowledge, and power, in: Denis Cosgrove/ Stephen Daniels (Hrsg.): The iconography of landscape. Essays on the symbolic representation, design and use of past environments, Cambridge 1988, S. 277–312; Ute Schneider: Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2004; Christof Dipper/Ute Schneider (Hrsg.): Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit, Darmstadt 2006. 44)
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt
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Die kartographischen Repräsentationsmuster des Westermann Verlags waren vorwiegend in den Kartenarrangements transportabler Atlanten zusammengefasst.46) Nicht lange nach der Verlagsgründung, 1854, erschien der erste Atlas im Westermann Verlag, der von Theodor von Liechtenstern und Henry Lange bearbeitete „Schul-Atlas zum Unterricht in der Erdkunde: für den Gebrauch der oberen Klassen der Lehranstalten“.47) Seit 1862 und damit zehn Jahre bevor das Fach Erdkunde erstmals als selbstständiges Fach in den Allgemeinen Bestimmungen für die Lehrpläne der Volksschulen Preußens auftauchte, wurde ein von Henry Lange erarbeiteter Volksschulatlas produziert. Seit 1893 gab Carl Diercke, der Seminardirektor in Stade sowie später in Osnabrück und zuletzt Regierungs- und Schulrat in Schleswig war, diesen „Lange-Diercke Volksschulatlas“ heraus. 1899 folgte ihm sein Sohn Paul. Paul Diercke, der Geographie und Botanik in Straßburg, München und Berlin studiert hatte, übernahm 1911 die Leitung der Kartographischen Abteilung im Westermann Verlag und betreute 1913–21 die dazumal bestehende Hamburger Verlagsniederlassung. Parallel zur weiteren Institutionalisierung des geographischen Wissensfelds – die Geographie schaffte in den 1870er Jahren den Weg an die Hochschulen und wurde seit 1882 an den preußischen Gymnasien unterrichtet – expandierte Westermann. 1883 wurde „Dierckes Schulatlas für höhere Lehranstalten“ das erste Mal veröffentlicht. Er avancierte bis in die Gegenwart zum Standardwerk aller deutschsprachigen Schulatlanten. Neben vorbildlicher kartographischer Technik, die, auf den schulpraktischen Nutzen abzielend, eine Kombination politischer, physischer und thematischer Karten bot, waren die knapp kalkulierte Preispolitik sowie das Prinzip der Regionalausgaben Garanten für den erfolgreichen Absatz vor dem Ersten Weltkrieg. Schon beim Schul-Atlas von Liechtenstern-Lange in Form beigefügter Kartenblätter von regionaler Bedeutung eingeführt, existierten vom Lange Volksschulatlas immerhin schon acht regional spezifische Ausgaben. Für den Diercke-Atlas wurden, neben der regionalen Differenzierung, Produktvariationen für verschiedene Schultypen geschaffen: 1886 kam der „Diercke Schulatlas für Mittelschulen“ heraus, 1903 eine Ausgabe für die unteren Klassen höherer Lehranstalten. In der Weimarer Republik waren die Atlanten diejenigen Buchprodukte, die veränderte Grenzen und territoriale Gebietsverluste des Deutschen Reiches zu visualisieren und zu vermitteln hatten. Angesichts der revisionistischen Aggressionen in der Rezeption des „Schanddiktats“ von Versailles
46)
Zum kartographischen Ordnungscharakter von Atlanten vgl. Iris Schröder/Sabine Höhler: Welt-Räume: Annäherungen an eine Geschichte der Globalität im 20. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.): Welt-Räume. Geschichte, Geographie und Globalisierung seit 1900, Frankfurt am Main/New York 2005, S. 9–47, hier: S. 32; Schneider: Macht, S. 54ff. 47) Hierfür und folgend: Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 84ff.; Jäger: Kartographischer Verlag, S. 596ff.
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III. Der Georg Westermann Verlag
bedeutete dies eine politisch brisante Aufgabe. Wurden seitens der geographischen Wissenschaft suggestive Karten zur Unterstützung deutscher Interessen im Kampf um die Grenzen zur Verfügung gestellt, so mussten gleichfalls Kartenproduzenten im verlegerischen Alltag politisch Stellung beziehen.48) Deutlich wird die Reichweite der Problematik, wenn man sich eine Kampagne vor Augen führt, die von der sudetendeutschen Presse seit August 1924 gegen einen 1923 im Ullstein Verlag produzierten Atlas geführt wurde. Eine Karte der Tschechoslowakei in diesem Atlas führte deutsche Ortsnamen an zweiter Stelle auf.49) Einen Prozess im Mai 1925, den Ullstein aufgrund der beleidigenden Publizistik anstrengte, gewann zwar der Verlag, aber der 21. Deutsche Geographentag in Breslau verabschiedete eine Woche nach Prozessende eine Entschließung, der zufolge es eine nationale Pflicht sei, auf deutschen Karten deutsche Ortsnamen vorzuziehen und sie zuerst zu nennen. Dieser Beschluss fand Unterstützung der DNVP, deren Abgeordneter Walther Lambach wenig später einen Antrag im Reichstag stellte, die Reichsregierung solle dieser Empfehlung folgen. „Westermanns Weltatlas“ (1921) war eines der frühesten Kartenwerke des deutschsprachigen Buchmarkts, das sich den kartographischen Herausforderungen der Nachkriegszeit stellte und Grenzveränderungen in der Darstellung und Zusammenstellung seiner Karten berücksichtigte. Im handlichen Quartquerformat gestaltet, ist der Atlas in die drei Hauptkapitel „Weltgeschichte“, „Weltgeographie“ und „Weltwirtschaft“ eingeteilt, um der, wie es im Vorwort heißt, neuen Aufgabe der Nachkriegskartographie gerecht zu werden, die nach einem globalen Krieg wichtiger gewordenen globalen Zusammenhänge auf unterschiedlichen Ebenen zu verdeutlichen. Diesem Zweck dienen gleichfalls Erklärungstexte, die den Karten jeweils gegenüberliegend zugeordnet sind und, für einen Atlas außergewöhnlich, die Hälfte des Seitenumfangs ausmachen. Der Verweis auf die Gebietsverluste des Deutschen Reiches in Folge des Versailler Vertrags zieht sich wie ein roter Faden durch die Publikation. In der kartographischen Darstellung der Grenzveränderungen zeigt sich der Atlas kompromissbereit, aber auf der Linie, der 1925 auch der Geographen48)
Vgl. Albrecht Penck: Karte der Verbreitung von Deutschen und Polen längs der Warthe-Netze-Linie und der unteren Weichsel sowie an der Westgrenze Polens, Berlin 1919. 49) Vgl. Guntram H. Herb: Von der Grenzrevision zur Expansion: Territorialkonzepte in der Weimarer Republik, in: Schröder/Höhler (Hrsg.): Welt-Räume, S. 175–203, hier: S. 193f.; bezugnehmend auf: Rudolf Jaworski: Kartographische Ortsbezeichnungen und nationale Emotionen. Ein deutsch-tschechischer Streitfall aus den Jahren 1924/25, in: Franz Quarthal/Wilfried Setzler (Hrsg.): Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1980, S. 250–261; Michael Fahlbusch: Volks- und Kulturbodenforschung in der Weimarer Republik. Der „Grenzfall“ Böhmen und Mähren, in: Ute Wardenga/Ingrid Hönsch (Hrsg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie in Umbruchphasen. Studien zur Geschichte der Geographie, Münster 1995, S. 99–112, hier: S. 106ff.; Guntram Henrik Herb: Under the map of Germany. Nationalism and propaganda 1918–1945, London/New York 1997, S. 101ff.
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt
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tag folgte. Grenzveränderungen des Deutschen Reiches sind korrekt verzeichnet, wobei die deutschen Vorkriegsgrenzen Deutschlands abgeschwächt markiert sind. Orte tragen sowohl in ehemals deutschen wie auch ehemals österreichisch-ungarischen Gebieten konsequent ihre deutsche Benennung. Sofern es sich um globale Kartenbilder handelt, bleiben die so genannten „Völkerkarten“, die schon in den Vorkriegs-Atlanten des Westermann Verlags enthalten waren, unverändert, samt ihrer ethnischen Kategorisierungen so genannter Mongolen, Indianer, Neger sowie Mittelländer; diese umfassen mit den Indo-Europäern die auf europäischen Völkerkarten getrennt aufgeführten Germanen und Slawen. Eine so genannte Rassenkarte im LangeDiercke-Volksschulatlas von 1906 fand keine Aufnahme in den Westermann Weltatlas. Rasseneinteilungen werden lediglich in Form einer deskriptiven Legendenerläuterung im Begleittext zur Völkerkarte der Erde sowie einer Bevölkerungskarte Nordamerikas, die zwischen weißer und schwarzer Bevölkerung unterscheidet, gebraucht. Feiner werden die ethnischen Distinktionen dagegen auf einer Völkerkarte der neu eingeführten Karteneinheit „Mitteleuropa“. Ethnische Kategorisierungsgruppen sind nun die Germanen, Romanen, Slawen und die Juden. Letztere waren auf einer vergleichbaren Völker- und Sprachenkarte des Deutschen Reiches aus dem Lange-DierckeVolksschulatlas von 1906 noch nicht registriert, sind nun aber, laut Legende, „über das ganze Gebiet verbreitet“.50) Eine weitere Abweichung von Vorkriegsatlanten zeigt sich in der kartographischen Zeichnung Westpreußens, des südlichen Ostpreußens und Oberschlesiens, die nicht mehr eine der polnischen Volkszugehörigkeit entsprechende kartographische Einfärbung mit einzelnen deutsch markierten Flecken zeigen, sondern eine gestreifte, in dieser Form solitär auftretende, deutschpolnische Farbgebung, die suggeriert, der Bevölkerungsanteil zwischen Deutschen und Polen sei ausgeglichen. Liegen Gebiete, die 1914 als überwiegend polnisch ausgewiesen waren, wie das westliche Oberschlesien rund um Oppeln, weiterhin auf deutschem Staatsgebiet, wird auch die deutsche Farbgebung des ohnehin ethnisch einheitlich gefärbten deutschen Reichsgebiets angewandt. Diese subtile Kartographiepolitik hatte schließlich das paradoxe Ergebnis, dass Gebiete, die noch 1914 polnisch gekennzeichnet waren, als deutsche Volksgebiete erscheinen und der deutsche Einfluss sich an der Ostgrenze des Deutschen Reiches mit dem Versailler Vertrag nicht verkleinert, sondern vergrößert hat. Diese Darstellung war in allen Westermann-Atlanten der zwanziger Jahre ähnlich und geschah unter beträchtlicher Einflussnahme ostdeutscher, deutschnationaler Interessen- und Lehrerverbände.51) Im Westen des Deutschen Reiches änderte sich nur der Grenzverlauf. Das Elsass, Luxemburg und Eupen-Malmedy bleiben weiterhin deutsch gezeichnet.
50) 51)
Westermanns Weltatlas, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1928, S. 30. Herb: Map, S. 97ff.
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III. Der Georg Westermann Verlag
Die Segmentierung heimatlicher Regionen und regionaler Märkte wurde in der Weimarer Republik mit speziellen Heimatatlanten ausgebaut, zeitweilig gab es über achtzig Regionalausgaben für das In- und Ausland. Im Gegensatz zum Diercke-Schulatlas, der deduktiv von einer allgemeinen Darstellung des Sonnensystems ausgehend, über Kontinental- und Länderkarten schließlich den Platz des Deutschen Reiches in der Welt bestimmte, führten die Heimatatlanten ihre Leser induktiv vom Kartenbild der Heimatstadt oder Heimatprovinz in deren weitere Umgebung. Die Heimatatlanten waren in enger Zusammenarbeit oder sogar auf Anregung regionaler Lehrerverbände und unter direkter Mitarbeit von Lehrkräften erarbeitet worden, somit war ihr schulpraktischer Nutzen inhaltlich sichergestellt, aber vor allem waren absatzstrategisch wichtige Mediatoren gewonnen. Obgleich nach den Nachkriegsrichtlinien für die Lehrplanaufstellungen von Carl Heinrich Becker und Hans Richert aus den Jahren 1922 bzw. 1924 Erdkunde in Preußen als zweistündiges Fach in den Klassen fünf bis acht der Volksschulen und an den Gymnasien unterrichtet wurde und der Prozess der wissenschaftlichen Etablierung des Faches an den Universitäten abgeschlossen war, wurde das Geschäft mit den Atlanten in der Weimarer Republik komplizierter.52) Anhand der Absatzzahlen lässt sich die Absatzlage der Westermann-Atlanten nur lückenhaft für die Inflationsjahre 1920/21 bis 1924 rekonstruieren, in denen sie ein typisches inflationäres Absatzhoch zeigen. Die vom Verlag angegebenen Auflagenabfolgen lassen ein stabiles Absatzverhalten vermuten, doch die Produktpolitik spricht eine andere Sprache. Neue Produktkonzepte und -variationen wie Welt- oder Provinzatlanten deuten darauf hin, dass die Absatzbarrieren im Segment der Atlanten höher geworden waren oder sich zumindest die Absatzbedingungen verändert hatten. Produktauskoppelungen, wie die Einzelwerke „Westermanns Atlas zur Weltgeschichte“ sowie „Westermanns Atlas zur Weltwirtschaft“ aus dem „Westermanns Weltatlas“ von 1926 oder dessen verkleinerte Variante „Westermanns Taschen Weltatlas“ (1932), legen den Schluss nahe, dass aufwändige und hochpreisige Produktkonzepte in den Nachinflationsjahren nicht mehr durchsetzbar waren. 2.2 Pädagogik: Das Tor zur Welt Pädagogische Publikationen für den Schulgebrauch waren in Form von Wörterbüchern, Atlanten und historischen sowie geographischen Handreichungen für Lehrer seit den Anfängen des Westermann Verlags im Programm vertre-
52) Vgl. Hans-Dietrich Schultz: Die deutschsprachige Geographie von 1800 bis 1970. Ein Beitrag zur Geschichte ihrer Methodologie, Berlin 1980, S. 127; Heinz Peter Brogiato: „Wissen ist Macht – Geographisches Wissen ist Weltmacht“. Die schulgeographischen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum (1880–1945) unter besonderer Berücksichtigung des Geographischen Anzeigers, Trier 1998, S. 446ff.
2. Verlagsproduktion: Heimat und Welt
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ten. Nachdem seit 1890 die Pädagogik in Schule und Wissenschaft expandierte, stieg der Publikationsbedarf.53) Neben der Einführung einer staatlichen Approbation für Schulbücher – in den Ländern Bayern und Preußen erfolgte 1893 die rechtliche Kodifizierung der Schulbuchzulassung – war es vor allem die Entwicklung einer professionellen Lehrerschaft und damit einer neuen, kaufkräftigen Gruppe von Absatznehmern, die pädagogische Absatzsegmente für Verleger lukrativ werden ließ.54) Vor dem Ersten Weltkrieg und verstärkt mit der Übernahme des Hamburger Alfred Janssen Verlags 1917 fand die Diskussion um eine Reform schulischer Erziehung und Bildung ihren Weg in das Verlagsprogramm von Westermann. Die unter dem Begriff der Reformpädagogik bekannten Initiativen, die sich mit kulturkritischem Impuls von autoritären und utilitaristischen Erziehungs- und Bildungsstilen der Jahrhundertwende abgrenzten, sahen sich in der Weimarer Republik mit der diffizilen Situation konfrontiert, wesentliche Teile ihrer Konzeptionen unter den realen Bedingungen des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs erproben zu müssen.55) Der Erfolg dieser Bemühungen um eine Pluralisierung pädagogischer Praktiken soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Festzuhalten bleibt, dass der kulturkritische Ansatzpunkt der Reformpädagogik gerade in der Auseinandersetzung mit der demokratischen Gesellschaftsordnung präsent blieb. Konzepte und Techniken der Reformer behielten ihre romantisch-pathetische Diktion und ihren hypertrophen Anspruch. Pädagogische Arbeit, die unter der Maxime „vom Kinde aus“ stand, intensivierte die Anforderungen an die Gestaltbarkeit von Persönlichkeiten und stand nicht selten im Dienst holistischer Gemeinschaftspostulate. Projektionen neuer, gesunder und geschlossener Gemeinschaften waren der Sensibilisierung für Komplexitäts- und Kontingenzerfahrungen pluraler Gesellschaften nicht unbedingt förderlich, boten aber nach verschiedenen Seiten Anschlussmöglichkeiten für politische Radikalisierung. Das Programm des Regionalverlags Alfred Janssen bescherte Westermann einen Programmschwerpunkt in der so genannten Reformpädagogik vornehmlich norddeutscher Ausprägung. Zahlreiche Autoren entstammten den lokalen Reformmilieus der Hamburger Gesellschaft der Freunde des vater-
53) Heinz-Elmar Tenorth: Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung, 3. Aufl. Weinheim/München 2000, S. 204f. 54) Zur Entwicklung des Schulbuchmarkts im Kaiserreich vgl. Georg Jäger: Schulbuchverlag, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 2, S. 62–102. 55) Vgl. zum Folgenden: Jürgen Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte, 4. Aufl. Weinheim/München 2005; Tenorth: Geschichte, S. 205ff.; ders: „Reformpädagogik“. Erneuter Versuch ein erstaunliches Phänomen zu verstehen, in: Zeitschrift für Pädagogik 4 (1994), S. 585–606; ders.: Erziehungsutopien zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Utopie und politische Herrschaft im Europa der Zwischenkriegszeit, München 2003, S. 175–198; Meike Sophia Baader: Erziehung als Erlösung. Transformationen des Religiösen in der Reformpädagogik, Weinheim/ München 2005.
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III. Der Georg Westermann Verlag
ländischen Schul- und Erziehungswesens der Freien und Hansestadt Hamburg, die seit 1894 unter maßgeblicher Beeinflussung von Reformpädagogen stand, und der Bremer Vereinigung für Schulreform von 1905.56) Damit hatte Westermann ein weitgehend eigenes reformpädagogisches Absatzsegment hinzugewonnen, das sich von reformpädagogischen Konkurrenzverlagen abhob. Der Eugen Diederichs Verlag veröffentlichte, neben Periodika der Freien Schulgemeinde Wickersdorf und der Comenius Gesellschaft, assoziativ verschiedene ästhetische Reformprojekte der Jahrhundertwende, wie Isadora Duncans Tanzbewegung, Paul Schultze-Naumburgs Schriften zur Kleiderreform oder Ebenezer Howards Veröffentlichung „Gartenstädte in Sicht“.57) In den zwanziger Jahren war Ernst Krieck, seit 1932 Mitglied der NSDAP und später „NS-Hofpädagoge“, Hauptautor im pädagogischen Verlagssegment von Diederichs.58) Der Schulbuchverlag Moritz Diesterweg war mit seinen Autoren, Julius Ziehen, Friedrich Panzer, Max Preitz oder Friedrich Feld überwiegend an das lokale Milieu seines Verlagsstandorts Frankfurt und die Erziehungswissenschaften der jungen Frankfurter Universität gebunden.59) Mit Autoren wie dem Oberstudienrat Wilhelm Erbt, Verfasser rassistischer Geschichtsbücher, oder dem Wirtschaftspädagogen Friedrich Feld, der seit 1930 Mitglied des NS-Dozentenbundes war, unterlag das reformpädagogische Verlagsprogramm von Diesterweg in den zwanziger Jahren einem deutlichen politischen Rechtsruck. Die Eigenart der norddeutschen Reformpädagogik, wie sie im Westermann Verlag publiziert wurde, lag in ihrer besonderen Form „pädagogischer Schriftstellerei“.60) In einer stilistischen Gestaltung, die auf leichte Lesbarkeit Wert legte, schrieben die Autoren, allesamt aktive oder ehemalige Volksschullehrer, in pädagogisierendem, gleichsam kindgerechten Duktus über Pädagogik. Die wichtigsten Autoren des Westermann Verlags in diesem Segment, Heinrich Scharrelmann und Fritz Gansberg, waren Studien- und zeitweilige Arbeitskollegen am Bremer Lehrerseminar und in der Bremer Volksschule an der Birkenstraße.61) Während Gansberg im Schuldienst verblieb, wurde Scharrelmann im Zuge des „Bremer Schulstreits“ um den Religionsunterricht
56)
Zur Relevanz lokaler Bedingungen für reformpädagogische Initiativen vgl. Tenorth: Geschichte, S. 212; zur Reformpädagogik im Alfred Janssen Verlag: Pieler: Zeit, S. 138ff. 57) Vgl. Viehöfer: Verleger. 58) Zum NS-Hofpädagogen Ernst Krieck vgl. Hermann Giesecke: Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung, 2. Aufl. Weinheim/München 1999. 59) Diesterweg als Verlag der Reformpädagogik bei: Jäger: Schulbuchverlag, S. 85. 60) Oelkers: Reformpädagogik, S. 192. 61) Vgl. Wilhelm Müllers: Die Pädagogik Heinrich Scharrelmanns – ein Beitrag zur Historiographie der reformpädagogischen Bewegung. Diss. Duisburg 1974; Mitzlaff: Heimatkunde, S. 901ff.; Renate Bienzeisler: Der Bremer Reformpädagoge Fritz Gansberg. Ein Beitrag zur Historiographie der Reformpädagogik, Bochum 1986.
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1909 entlassen und war anschließend kurze Zeit in privater Anstellung tätig. Eine Fünfjahres-Vereinbarung mit dem Janssen Verlag, die ihm bei Ablieferung eines Buchmanuskripts pro Jahr ein Jahreseinkommen von RM 6500 zusicherte, ermöglichte ihm seit 1912 eine vorübergehende Existenz als freier Schriftsteller.62) 1920 übernahm er in der sozialdemokratischen Schulreform die Leitung der ersten Gemeinschaftsschule in Bremen, erwirkte allerdings schon 1927 seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand und gehörte fortan zu den frühesten Aktiven im NS-Lehrerbund. 1930 trat er in die NSDAP ein. Gansbergs pädagogisch-schriftstellerisches Œuvre im Alfred Janssen und Westermann Verlag war demnach bedeutend kleiner als das Scharrelmanns, der bereits bei Alfred Janssen Erfolgsautor war. Scharrelmann veröffentlichte seit 1902 bei Janssen und nach der Verlagsübernahme bei Westermann kontinuierlich insgesamt an die 25 Titel, vornehmlich Präparationsbücher für den Unterricht an Volksschulen. Besonders beliebt waren seine Berni-Bücher, Jugendbücher, die seit 1911 in fünf Bänden erschienen und von den Erlebnissen eines Großstadtjungen berichteten. Gansbergs wenige pädagogisch-didaktischen Werke behandelten die Reform des Deutschunterrichts. Zusammen mit Hermann Leopold Koester, einem Hamburger Volksschullehrer, der die Kunsterziehungsbewegung in Hamburg mitbegründet hatte und als Frucht seiner Arbeit in den Vereinigten Deutschen Jugendschriften-Ausschüssen 1906 bei Alfred Janssen eine in den zwanziger Jahren immer noch erfolgreiche „Geschichte der deutschen Jugendliteratur“ veröffentlicht hatte, gab er die „Deutschen Sprachhefte für die Hand des Schülers“ heraus. Daneben besorgte er die Herausgeberschaft für die 1910 im Janssen Verlag begründete Reihe „Wissenschaftliche Volksbücher für Schule und Haus“. Andere reformpädagogische Autoren des Janssen und später des Westermann Verlags verdeutlichen die politische Heterogenität und variable Anschlussfähigkeit der Reformpädagogik, wie sie in der Vita Scharrelmanns bereits anklang. Wilhelm Lamszus etwa war im revolutionären Hamburger Lehrerrat von 1918 aktiv und gehörte 1919–27 der KPD an, weshalb er 1933 in den Ruhestand versetzt wurde. Zusammen mit Alfred Jensen, der Sozialdemokrat war und nach mehrjähriger Leitung einer Versuchsschule in BerlinNeukölln seit 1929 bis zu seiner Entlassung 1932 durch die nationalsozialistische Regierung Braunschweigs als außerordentlicher Professor für Methodik und Didaktik an der neugegründeten erziehungswissenschaftlichen Abteilung der Technischen Hochschule Braunschweig wirkte, veröffentlichte er 1910 die Streitschrift „Unser Schulaufsatz ein verkappter Schundliterat“, der die Initialzündung zur Reformierung des Deutschunterrichts gab. Ähnlich wie die Laufbahn Jensens verlief diejenige des Sozialdemokraten August Riekel, Verfasser von „Vom Wesen der Erziehung“ (1927). Als Privatdozent für Erziehungswissenschaften an der Technischen Hochschule Braunschweig über-
62)
Pieler: Zeit, S. 164; Müllers: Pädagogik, S. 43.
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III. Der Georg Westermann Verlag
nahm er 1930 die Leitung des dortigen Forschungsinstituts für Erziehungswissenschaften. Im April 1931 entband ihn der damalige nationalsozialistische braunschweigische Volksbildungs- und Innenminister Dietrich Klagges von seinen Amtspflichten. In Gansbergs und Scharrelmanns pädagogischer Unterweisungsliteratur waren drei Anliegen zentral: zum ersten den Vorgang des Unterrichtens zu einem dialektischen Wechselspiel zwischen der Persönlichkeit des Kindes und der Künstlerpersönlichkeit des Lehrers zu stilisieren, zum zweiten Prinzipien der Anschaulichkeit antithetisch zur theoretischen Reflexion zu setzen und zum dritten der Religion die Rolle eines Integrationsmittels für alle daraus folgenden offenen Fragen und Probleme zuzuweisen. Der Grundton ihrer Bücher war keineswegs antimodern, im Sinne einer Verneinung technischer Progression. Vielmehr wurden die Dynamik industrieller Gesellschaften oder die Gegebenheiten der Großstadt im Leben der Schüler sehr bewusst problematisiert, allerdings integriert in vermeintlich traditionell-authentische, reduktionistische Projektionen romantischer Idyllen von reinen Kinderseelen, unfehlbaren, kameradschaftlichen Lehrern und familiärer Geborgenheit. Dieser im Grunde hochnormative, moralische Anspruch an Erzieher und Erziehende wurde in einen frischfröhlichen Optimismus gekleidet, dessen Emphase den Anforderungen sozialer und politischer Realitäten nicht immer gerecht wurde. Politische Codierungs- und Radikalisierungsmöglichkeiten eines zentralen und überhöhten Begriffs wie Gemeinschaft hin zu einem Legitimationsbegriff staatlicher Herrschaftstechnik wurden in reformpädagogischen Theoriebezügen nicht wahrgenommen.63) Ein wichtiges Motiv in zahlreichen Publikationen, da kindgemäß ausgehend von lokalen Gegebenheiten der Hafenstadt und Heimatstadt der Autoren, Bremen, war das Verhältnis zur ‚Fremde‘. ‚Auswanderung‘ oder „Amerika“ waren Gegenstandsbereiche für die Themenvorschläge für Schulaufsätze, die in den von Scharrelmann und Gansberg verfassten Publikationen zur Neugestaltung des Deutschunterrichts enthalten waren. Beide zeigten sich darin verhältnismäßig weltoffen, und insbesondere Gansberg betonte die Interdependenz der beiden Vorstellungspole von Heimat und Welt. Da Anschaulichkeit der Themen ein primäres didaktisches Ziel war, blieben Aufgabenstellungen wie „Bei den Negern“ oder „Im Urwald“ stereotyp, entbehrten aber auch jeglicher rassistischer oder antisemitischer Codierungen.64) Zu antisemitischen Ressentiments bekannte sich Scharrelmann erst in seiner 1936 geschriebenen Autobiographie. Langsam seien ihm die Augen dafür aufgegangen, „daß es der Jude war, der hinter den Kulissen systematisch die
63)
Vgl. Jürgen Oelkers: Erziehung und Gemeinschaft: Eine historische Analyse reformpädagogischer Optionen, in: Christa Berg/Sieglind Ellger Rüttgardt (Hrsg.): „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“, Weinheim 1991, S. 22–41. 64) Vgl. z. B. Heinrich Scharrelmann: Im Rahmen des Alltags. 800 Aufsätze und Aufsatzthemen für das erste bis fünfte Schuljahr, Braunschweig/Hamburg 1922, S. 75f.
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Verelendung und Verlotterung des deutschen Kulturlebens betrieb“.65) Bei Gansberg war es die Religion, das Rückgrat der reformpädagogischen Publikationen, die ein Einfallstor für einen liberaltheologisch inspirierten Antisemitismus bot. Im Zusammenhang mit den Bremer Lehrerinitiativen gegen den Religionsunterricht beteiligte sich Gansberg an einem Gutachten zur Gestaltung des Religionsunterrichts. Neben Hermann Lietz’ explizit völkischen Argumenten ist Gansberg mit seinen Forderungen einer „Ausmerzung alles Perversen und sinnlich Ungeheuerlichen dieses orientalischen Buches [der Bibel]“, damit der Religionsunterricht seinem Postulat der „Kindgemäßheit“ entsprechen könne, in seinen Forderungen am radikalsten.66) An den Absatzerfolg der Scharrelmann-Publikationen im Janssen Verlag konnte Westermann in den Inflationsjahren anknüpfen.67) Der Absatz der pädagogischen Ratgeberliteratur ging jedoch nach der Inflation nahezu stetig zurück, mit Ausnahme der Beiträge Scharrelmanns zur 1913 begonnenen, 1921 neu aufgelegten und im Absatz relativ stabilen Reihe „Handbücher für modernen Unterricht“. Bis zum allgemeinen Absatzeinbruch 1929 verzeichneten Produktvariationen der Berni-Bücher, die 1923 und 1926 in einer Volksausgabe, 1928 in einer Schul- und einer illustrierten Ausgabe herausgegeben wurden, wachsenden Absatzerfolg. Für den Verlag zahlte es sich aus, dass an vielen Grundschulen die Berni-Bücher Pflichtlektüre im Unterricht waren. In den Jahren 1929 und 1930 verkauften sich gleichfalls die von Hermann L. Koester und Fritz Gansberg verantworteten „Deutschen Sprachhefte für die Hand des Schülers“ außergewöhnlich gut. Vermutlich wurde auch hier das Potential der gebundenen, schulischen Absatzmärkte genutzt. Es zeigt sich jedoch deutlich, dass im gleichen Maße, wie reformpädagogische Schulprojekte in der Weimarer Republik mit praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, die Absatzchancen für reformpädagogische Klassiker und Grundsatzprogramme der Vorkriegszeit in den Mitteljahren der Republik nachließen. Es waren die praktischen Anwendungshandbücher oder belletristische Darstellungsformen, die dazu beitrugen, dass die Reformpädagogik im Westermann Verlag ein stabiles Absatzsegment blieb. Praktischer Umsetzung und Anwendung reformpädagogischer Leitideen waren seit 1912 gleichfalls die Fibeln des Westermann Verlags verpflichtet. Um die Jahrhundertwende setzten politische Bemühungen zur Vereinheitlichung der Volksschulbücher und insbesondere der Volksschullesebücher ein, die für Schulbuchverlage eine Vergrößerung des Absatzpotentials bedeutete.68) Mit der „Hansafibel“ des Hamburger Seminarschullehrers Otto
65)
Zitiert nach: Müllers: Pädagogik, S. 54. Baader: Erziehung, S. 125f. 67) Zum Absatzerfolg der Scharrelmann-Publikationen im Janssen-Verlag: Pieler: Zeit, S. 156ff. 68) Vgl. Ferdinand Bünger: Entwickelungsgeschichte des Volksschullesebuches, Leipzig 1898, S. 532f. 66)
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Zimmermann gelang es dem Westermann Verlag seit 1912 das Absatzsegment der ersten Lesebücher auszunutzen. Das von Eugen Oßwald gestaltete Fibelwerk fand in reformpädagogischen Kreisen Anklang, erfüllte es doch die „ästhetischen Signaturen“ der Reformpädagogik mit einem formal einfachen, mehrfarbigen Illustrationsstil, der harmonische Lebenswelten inszenierte.69) Zur Vermittlung der höheren Moral einer als kindgemäß definierten Idylle wurde die ästhetische Moderne zugunsten einer naiven Ästhetik ignoriert. Bilder von schönen Kindern, heiterer Natur und gesundem Leben ließen keinerlei Ambivalenzen zu und wirkten nahezu ungestört von Widersprüchen der sozialen Realität. Beschreibt ein Text hungernde Kinder, so sind sie auf der entsprechenden Illustration proper gekleidet und werden sogleich von einem daher springenden „dicken, fetten Pfannekuchen“ versorgt. Selbst eine tote Großmutter im Sarg, bildhaft nicht dargestellt, bleibt in der inhaltlichen Gestaltung ein gütiger und tröstender Anblick.70) Die Großstadt Hamburg, die an keiner Stelle bedrohlich oder unübersichtlich wirkt, stellt den Grundstock an erzählerischen Motiven zur Verfügung, die zu einem heimatlichen Mikrokosmos, bestehend aus Familie, Spiel und dem Wechsel der Jahreszeiten, arrangiert werden. Verlassen wird die Stadt nur in Form durchweg heiterer Erzählungen und Gedichte, die in der Dorfidylle Ilenbek des Heimatdichters Johann Hinrichs Fehrs situiert sind. Es entsteht kein Dualismus zwischen ‚Heimat‘ und ‚Fremde‘, da letzteres eine Leerstelle bleibt, aber ohne die Auseinandersetzung und Akzeptanz einer heimatlichen Homogenität kann die ‚Fremde‘ nicht gedacht werden. Heimat ist nun das ‚Tor zur Welt‘.71) Das Vorkriegswerk von Zimmermann prägte auch in den zwanziger Jahren maßgeblich die Fibelproduktion im Westermann Verlag. Unter dem 1921 eingestellten Verlagsdirektor Ernst Sandig wurde der gesamte Schulbuchverlag, in dem die Fibeln den größten Absatzanteil einbrachten, erweitert.72) Otto Zimmermann entwarf im selben Jahr einen Ergänzungsband zur Fibel, „Elemelemu. Ein lustiges Bilder- und Geschichtenbuch für Kinder, die lesen lernen wollen“. Auch im Fibelsegment expandierte der Verlag, indem er zahlreiche Regional- und Heimatausgaben herausbrachte. Die „Hansa-Fibel“ erschien bis 1932 in über 29 regionalen Ausgaben, so etwa als „Harzfibel“, als „Greifenfibel“ für den Schulgebrauch in Pommern, als „Glück auf“ betitelte Fibel für das Ruhrgebiet oder als „Bärenfibel“ für Berliner Schulkinder. Mittels einiger abgeänderter Motive und Namen sowie sparsamer Verwendung 69)
Vgl. Oelkers: Reformpädagogik, S. 333ff.; Paul Gabele: Pädagogische Epochen im Abbild der Fibel, in: Arnold Grömminger (Hrsg.): Geschichte der Fibel, Frankfurt am Main/ Berlin/Bern u. a. 2002, S. 9–54. 70) Vgl. Otto Zimmermann: Hansa-Fibel. Erstes Lesebuch für Hamburger Kinder. Ausgabe A I, Hamburg/Braunschweig/Berlin 1918, S. 71, 95. 71) Vgl. zu Heimat in Lesebüchern: Jörg Ehni: Das Bild der Heimat im Schullesebuch, Tübingen 1967. 72) Vgl. Bouché: …und beehre mich Ihnen anzuzeigen…, S. 64ff.
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mundartlicher Redewendungen wurde das Ausgangswerk an die jeweilige heimatliche Region des lesenden Kindes angepasst.73) Die didaktische Funktion der Fibel, die als erstes Lesebuch grundlegende Kompetenzen und Gewohnheiten zur Aneignung der näheren und weiteren Umwelt vermittelt, erhob das Prinzip Heimat damit zu einem zentralen methodischen Moment.74) Damit verschränkt, ist das verlegerische Vertriebskonzept Heimat, d. h. die Aufteilung in verschiedene regionale ‚Heimat‘-Absatzsegmente. Die heimatlichen Regionen, für die ein eigenes Fibelwerk hergestellt wurde, konnten nahezu beliebig neu erfunden werden, und die Ausdifferenzierung regionaler Absatzsegmente war prinzipiell unendlich erweiterbar. Die „Hessenfibel“ wurde in einer Stadt- und Landausgabe angeboten. Die Großregion Nordwestdeutschland, das heutige Niedersachsen, wurde weiter unterteilt in die Gebiete „Südniedersachsen“ oder „Oldenburg“, wenn nicht sogar lokal speziell zugeschnittene Produkte, wie die „Göttinger Fibel“ oder die „Stader Fibel“, angeboten wurden. Den Erfolg dieser Absatzstrategie zeigen auch die Absatzziffern der Fibeln, die, wenngleich fehlende Absatzdaten für die Inflationsjahre die Quellenlage trüben, bis 1930 im sechsstelligen Bereich liegen. 2.3 Belletristik: Welt in Dorf und Nation Die Belletristikabteilung des Westermann Verlags gewann erst mit der Übernahme des Janssen-Verlags 1917 an Profil. Dessen Autoren, darunter Timm Kroeger, Gustav Falke und Johann Hinrich Fehrs, verhalfen dem Westermann Verlag und seiner belletristischen Backlist, die aus den Gesamtausgaben von Theodor Storm und Wilhelm Raabe bestand, zu einem Programmschwerpunkt in der nord- und niederdeutschen Heimatliteratur. Die literaturhistorische Entwicklung regionaler Belletristik seit 1890 abbildend, die sich vom Heimatkunstroman im Kaiserreich über inhaltliche und stilistische Pluralität in der Weimarer Republik zur Blut-und-Boden-Mystik im Nationalsozialismus entwickelte, brach das Spektrum des schöngeistigen Programmsegments von Westermann in den Jahren der Weimarer Republik auf. Neben Romanthemen, die soziale Veränderungen signalisierten, wie Sport oder Technik, traten zunehmend völkisch-nationale Tendenzen.75) 73)
Vgl. Tra-Ri-Ro! Erstes Lesebuch für die Kinder Niederschlesiens und der angrenzenden deutschen Sprachgebiete. Ausgabe A. Erster Teil, 4. Aufl. Braunschweig/Berlin/Hamburg 1929. 74) Vgl. Swantje Ehlers: Vorwort, in: dies. (Hrsg.): Das Lesebuch. Zur Theorie und Praxis des Lesebuchs im Deutschunterricht, Baltmannsweiler 2003, S. 1–5; Ehni: Bild. 75) Zur allgemeinen Entwicklung vgl. Kay Dohnke: Völkische Literatur und Heimatliteratur 1870–1918, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918, München 1996, S. 651–684; Norbert Mecklenburg: Erzählte Provinz. Regionalismus und Moderne im Roman, 2. Aufl. Königstein/Taunus 1986, S. 97ff.; Karlheinz Rossbacher: Heimatkunstbewegung und Heimatroman. Zu einer
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Diese Entwicklung zog eine Transformation des vom Westermann- respektive Janssen-Verlagsprogramm repräsentierten Heimatbegriffs nach sich. Vor dem Ersten Weltkrieg war der Heimatbegriff in beiden Programmen in seiner Reichweite regional auf Konstruktionen norddeutscher, ländlicher Provinz beschränkt. Die in realistischer Manier geschilderten Mikrokosmen stellten in sich geschlossene Idealbilder sozialer und kultureller Gemeinschaften dar. Die Welt war das Dorf. Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Heimatbegriff des belletristischen Westermann Verlagsprogramms entregionalisiert. Bezugsgrößen waren nunmehr Nations- und Volkskonzepte, die Erfahrungen zeitlicher und räumlicher Fremde in historischen oder Abenteuerromanen abmilderten. Mit einiger Verspätung, aber mit dem Rückhalt eines mittelgroßen und drucktechnisch versierten Verlagsunternehmens, stieg der Westermann Verlag in das diskursive und verlegerische Feld ein, Region und Nation zur Heimat zu synthetisieren, aber auch die Nation zu überhöhen.76) Im Zeitraffer lässt sich die vorgestellte Entwicklung am Autor Werner Jansen (1890–1943) zeigen. Der studierte Philologe lebte mehrere Jahre als freier Schriftsteller und leitender Redakteur einer rheinischen Tageszeitung, bevor er Mitte der zwanziger Jahre beschloss, Medizin zu studieren. Er wurde Landarzt, später ordentlicher Universitätsprofessor in Berlin.77) Zuvor hatte er in den Jahren 1916–31 zehn Romane und zwei Anthologien niederdeutscher Märchen und Sagen im Westermann Verlag veröffentlicht. Von Alfred Janssen akquiriert, avancierte Werner Jansen im Westermann Verlag zum Erfolgsautor, zu dem die Verlagsleitung enge und freundschaftliche Verbindung hielt.78) Jansen begann seine schriftstellerische Laufbahn mit den Weltkriegsromanen „Das Buch Treue“ (1916) und „Das Buch Liebe“ (1918), die beide im mittelhochdeutschen Sagenkreis angesiedelt sind.79) „Das Buch Treue“ adaptiert die Nibelungensage in völkisch konnotierter Analogie zur Kriegssituation des Ersten Weltkriegs. Blonde hochgewachsene Helden müssen sich gegen eine Übermacht schwarzhaariger Feinde erwehren. Ist „Das Buch Treue“ den „jüngsten deutschen Toten“ gewidmet, so appelliert „Das Buch Liebe. Literatursoziologie der Jahrhundertwende, Stuttgart 1975; Uwe-Karsten Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890–1945, Stuttgart 1976. 76) Hardtwig: Nation – Region – Stadt, S. 245; bezugnehmend auf: Applegate: Nation, S. 86. 77) Zu Werner Jansen: Sichel und Ähren. Hundert Jahre Georg Westermann Braunschweig. Ein Almanach, Braunschweig/Berlin/Leipzig/Hamburg 1938, S. 35; Wolfgang Weismantel: Jansen, Werner, in: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon, Bd. 6, 1990, S. 84f.; Hellmuth Langenbucher: Volkhafte Dichtung der Zeit, Berlin 1941, S. 617. 78) Vgl. Sichel und Ähren, S. 35; Korrespondenz Werner Jansen, WWA 21/6. 79) Vgl. Frank Westenfelder: Genese, Problematik und Wirkung nationalsozialistischer Literatur am Beispiel des historischen Romans zwischen 1890 und 1945, Frankfurt am Main/ Bern/New York 1989, S. 69ff.
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Gudrun-Roman“ an das Pflichtgefühl der Heldinnen an der Heimatfront. 1920 erweiterte Jansen die beiden Bände mit dem „Buch Leidenschaft. Amelungen-Roman“ zu einer Trilogie der „deutschen Heldenzeit“, die ihre Fortsetzung in der Mittelaltertrilogie „Herrenzeit“ sowie den Romanen „Heinrich der Löwe“ (1923), „Die irdische Unsterblichkeit“ (1924) und „Geier um Marienburg“ (1925) fand. Gleichfalls im Sujet einer deutschen Vergangenheitstradition angesiedelt ist „Robert der Teufel. Kreuzzugs-Roman“ (1924). Jansens Romane sind eindeutig dem Bereich der „völkisch-national-konservativen Trivialliteratur“ zuzurechnen, wie sie von Ketelsen definiert wird: als Literatur, der eine regressive Tendenz zu eigen ist, die Rückzugsversuche in fiktive, unversehrte Ganzheiten unternimmt.80) Die Protagonisten seiner Romane entstammen zum Teil, wie der Braunschweiger Heinrich der Löwe oder die friesische Gudrun, den niedersächsischen, regionalen Umfeldern und Absatzkreisen des Westermann Verlags. Von ihnen ausgehend, erweitert sich der Heimatbegriff auf nationale oder völkische, deutsche oder germanische Gemeinschaftskonzepte. Die Abgrenzung und Konstruktion nationaler oder völkisch-ethnischer Gruppen in Jansens Romanen geschieht vorwiegend auf traditional codierten Wegen im Rückgriff auf das Kontinuum einer glorreichen, deutschen Vergangenheit.81) Die Romane weisen allerdings starke Tendenzen hin zu einem radikalen primordial codierten Rassismus auf, teilweise mit Affinitäten zur späteren NS-Rassepolitik. „Geier um Marienburg“ und „Heinrich der Löwe“ dienen beide dem Gedanken einer ostdeutschen Blut- und Bodenpolitik.82) Hierarchien zwischen germanischen und slawischen Rassen sind sowohl in den Handlungssträngen des „Deutschritter-Romans“ als auch im „WelfenRoman“ unabdingbar arterhaltend: Sexualität dient der Zucht einer reinen germanischen Rasse, der Umgang mit dunklen, sinnlichen Polinnen wird deutschen Rittern zum Verhängnis, das deutsche Volk ist gegen mordgierige Slawen zu verteidigen. Höhepunkt der Blut-und-Boden-Dichtung Jansens war der in alttestamentarischer Zeit verortete antisemitische Roman „Die Kinder Israel“, der 1927 erschien. Führende Nationalsozialisten sparten nicht mit Anerkennung für Jansens Bücher. Dietrich Klagges pries „Heinrich der Löwe“ 1938 als „jenes Werk, in dem zum ersten Male eine gerechte Würdigung dieses Bahnbrechers einer deutschen Volks- und Ostpolitik versucht wurde.“83) Heinrich Himmler urteilte über „Das Buch Treue“: „Eines der herrlichsten Bücher, das ich gelesen habe.“ „Das Buch Liebe“ war für Himmler „das Hohelied der nordischen
80)
Ketelsen: Literatur, S. 72f. Der Terminus „traditionale Codierung“ nach: Giesen: Identität, S. 42f., 187. 82) Vgl. Westenfelder: Literatur, S. 70ff., 123ff., 184ff.; Stefanie Barbara Berg: Heldenbilder und Gegensätze. Friedrich Barbarossa und Heinrich der Löwe im Urteil des 19. und 20. Jahrhunderts, Münster/Hamburg 1994, S. 184ff. 83) Reden und Ansprachen zur Hundertjahrfeier des Verlages, S. 49. 81)
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Frau“, angeblich nannte er seine Tochter nach der Heldin des Romans Gudrun.84) 1940 erhielt Jansen die Goethe-Medaille für seine „Arbeiten im Dienste rassischer Erneuerung“.85) Jansen erreichte mit seinen Romanen teilweise sechsstellige Auflagenhöhen. Spitzenreiter war der 1924 herausgegebene Roman „Robert der Teufel“ mit einer Auflage in Höhe von 205 000 Exemplare. Schlusslicht waren die „Kinder Israel“ mit einer Auflage von 20 000 Stück, der Jansen in einem Generalvertrag von 1925 zugesicherten Mindestauflage.86) Dieser Generalvertrag resultierte aus dem einzigartigen Erfolg Jansens und verpflichtete einerseits den Verlag zur Veröffentlichung aller von Jansen angebotenen Manuskripte, andererseits den Autor, ausschließlich im Westermann Verlag zu publizieren. Der Erfolg von Jansens Romanen war wesentlich der effektiven Vertriebsarbeit des Westermann Verlags sowie den guten Beziehungen zwischen Autor und Verlag zu verdanken. Die Romane „Heinrich der Löwe“ und „Das Buch Liebe“ wurden in Schulausgaben hergestellt, Jansen verzichtete in nicht unerheblicher Weise auf Honorarzahlungen und setzte sich für die Reklame seiner Romane ein.87) Der Verlag forcierte seinerseits die Vertriebsbemühungen im Reisebuchhandel und bemühte sich um die Vergabe von Lizenzrechten an die Hanseatische Verlagsanstalt. Der spätere Präsident der Reichsschrifttumskammer Hans Friedrich Blunck weist bezüglich der Entwicklung seines Heimatbegriffs, der sich schon in den ersten Jahren der Weimarer Republik mit nationaler und rassistischer Symbolik auflädt, Ähnlichkeiten mit Werner Jansen auf. Die bei Alfred Janssen und Westermann veröffentlichten frühen Erzählungen und Romane Bluncks „Feuer im Nebel“ (1913), „Jan Günt“ (1918) und „Totentanz“ (1922) verbleiben allerdings im Handlungsradius norddeutscher Heimatliteratur.88) In der Weimarer Republik verbreiterte sich das Spektrum der WestermannBelletristik. Die getätigten Neuakquisitionen verdeutlichen, wie sehr der Verlag darum bemüht war, sich effizient auf neue Absatzsituationen einzustellen und an den pluralisierten Segmenten der Weimarer „Romanindustrie“ teilzuhaben.89) 84)
Zitiert nach: Westenfelder: Literatur, S. 343, Anm. 237. Wolfgang Weismantel: Jansen, Werner, in: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon, Bd. 6, 1990, S. 84f. 86) Generalvertrag zwischen dem Westermann Verlag und Werner Jansen, 28. 04. 1925, WWA 21/26, 12. 87) Hierfür und folgend: vgl. Korrespondenz Werner Jansen, WWA 21/26, 12. 88) W. Scott Hoerle: Hans Friedrich Blunck. Poet and nazi collaborator. 1888–1961, Bern 2003, S. 64; zu Blunck allgemein: Jens-Peter Wagner: Die Kontinuität des Trivialen. Hans Friedrich Blunck (1888–1961), in: Christine Caemmerer/Walter Delabar (Hrsg.): Dichtung im Dritten Reich? Zur Literatur in Deutschland 1933–1945, Opladen 1996, S. 245–264; Bettina Heyl: Hans Friedrich Blunck, Mitläufer und Romancier, in: Holger Dainat/Lutz Danneberg (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Nationalsozialismus, Tübingen 2003, S. 167–183. 89) Der Begriff „Romanindustrie“ bei: Mecklenburg: Provinz, S. 97. 85)
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Zum einen wurde das Angebot nord- und niederdeutscher Heimatromane ausgebaut und um Entwicklungsromane ergänzt. Zu nennen sind beispielsweise die Romane und Erzählungen von Hermann Anders Krueger oder Ernst von Wolzogen. Zum anderen erweiterte sich der nordische Heimatkreis bei Westermann um Heimatromane skandinavischer Autoren, konform zur Konjunktur skandinavischer Literatur und der Entwicklung gemeinsamer nordischer Identitätsmuster seit der Jahrhundertwende.90) Von Ernst Didring erschienen die Schärenromane „Inseln des Sturms“ (1926) und „Mann auf Posten“ (1927) sowie „Hölle im Schnee“ (1931). In „Die Weltspinne“ (1925) wird das Motiv der „Protokolle der Weisen von Zion“ aufgenommen. Die angebliche Weltverschwörung, deren Aufdeckung den Handlungsrahmen des Romans abgibt, wird allerdings explizit nicht auf Juden beschränkt und schlussendlich ad absurdum geführt. Karl Friedrich Kurz veröffentlichte in Norwegen angesiedelte Heimat- und Schicksalserzählungen. Daneben fanden sich der Sammelband „Kajakmänner. Erzählungen grönländischer Seehundfänger“ (1931), von der dänischen Ethnologin Signe Rink herausgegeben, und der Entdeckungsroman von Lauge Koch „Um Grönlands Norden“ (1928). Die Codierung ethnischer Gruppen geschah hier, bei Ausweitung der positiv besetzten nordischen Bezugsgruppen, traditional. Schließlich expandierte die Westermann-Belletristik in neue Themenfelder der Weimarer Zeit hinein. Parallel zum geographischen Programm wurden abenteuerliche Ausflüge in fremde Welten angeboten. Zwischen Fakten und Fiktion sind die Abenteuerromane von David Neckschies „Safarizauber. Jagdabenteuer in afrikanischer Wildnis“ (1923) und „Abenteuerliche Jagdfahrten im afrikanischen Busch. Wie Afrika meine zweite Heimat wurde“ (1927) oder Wilhelm Rothhaupts, dem späteren Referatsleiter für koloniale Sozialpolitik im Arbeitswissenschaftlichen Institut der Deutschen Arbeitsfront (DAF), „Unter Palmen und Dornen. Wunderliche Fahrten in Ostafrika“ und „Das Lied der Steppe“ (beide 1925) angesiedelt. Von Friedrich Armand Strubberg wurden erstmals Reiseberichte aus den USA – „Von Texas in die Felsengebirge“ (1921) und „In Texas“ (1921) – herausgegeben. Neue Absatzsegmente der Weimarer Zeit wurden mit den Themen Sport und Technik bedient. Der Maler und Schriftsteller Otto Protzen veröffentlichte „Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer. Eine Kajakfahrt donauabwärts“ (1922) und „Vierzig Jahre auf dem Wasser“ (1924). Aus der „Flut von Sportromanen, die uns“, so der Verlagsdirektor Ernst Sandig an Werner Jansen, „der Horler […] auf den Hals gebracht“ hat – gemeint war der britische Kriminalautor Sidney Horler –, wurde „Der Mittelstürmer von Hollywood. Ein Fußball-Roman“ (1925) produziert.91)
90)
Vgl. Hans-Jürgen Lutzhöft: Der nordische Gedanke in Deutschland 1920–1940, Stuttgart 1971; von See: Barbar. 91) Ernst Sandig an Werner Jansen, 09. 06. 1925, WWA 21/26,12.
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Ethnische Zuschreibungsmuster werden bei Protzen und Horler eher marginal gebraucht. Der Gattung „völkischer Zukunftsroman“ zugehörig ist hingegen „Der Golfstrom. Phantastischer Roman“ (1923) von Otto Erich Kiesel, dazumal leitender Redakteur des „Hamburger Fremdenblatts“.92) 1923 erschienen, nimmt er mit seinem Handlungsgerüst – ein deutscher Ingenieur entwickelt den Plan, den Golfstrom umzuleiten, um Englands Übermacht zu beenden – den Boom technisch-futuristischer Romanutopien der dreißiger Jahre vorweg. Die Tendenzen des schöngeistigen Programmbereichs wurden in mehreren, auf Volksbildung angelegten, Reihenprojekten gebündelt. Der Eigenbezeichnung der Verlagskalkulation folgend, die den belletristischen Buchverlag unter der Rubrik „Erzählendes“ zusammenfasste, bestanden sie sowohl aus fiktionalen Romanen als auch aus faktenvermittelnden Sachbüchern. Der Herausgeber von „Westermanns Monatsheften“, Friedrich Düsel, verantwortete die seit 1910 im Westermann Verlag bestehenden Bände der „Lebensbücher der Jugend“, die Abenteuergeschichten, Märchen und vaterländische Geschichtsdarstellungen umfassten. Der Verbreitung des unterhaltsamen Sachbuchs dienten die „Wissenschaftlichen Volksbücher für Schule und Haus“, die der Reformpädagoge Fritz Gansberg verantwortete und mit Zusammenstellungen kurzweiliger Reise- und Expeditionsschilderungen von Sven Hedin und Alexander von Humboldt 1910 im Janssen Verlag eröffnete. Über den geographischen Gegenstand hinaus wurden im Laufe der zwanziger Jahre historische und naturwissenschaftliche Reihenbände hinzugefügt. An dem neuen, aber durch Konkurrenzangebote schnell sehr engen Absatzsegment der Sportreihen beteiligte sich Westermann seit 1922 mit der dreizehnbändigen „Westermanns Sportbücherei“. Die Autoren, darunter Sportfunktionäre wie der Geschäftsführer des Deutschen Fußballbundes Georg Blaschke oder der Spielwart der Deutschen Turnerschaft Wilhelm Braungardt, vermittelten vor allem die technischen Grundlagen des Breitensports. Die Reihe wurde mit den Bänden „Schlagball und Schleuderball“ sowie „Handball und Faustball“ eröffnet, womit die Ausrichtung der Reihe auf breite Absatznehmerkreise unterstützt wurde. Kurze Sonderausgaben eigener belletristischer Produkte sowie sporadische Einkäufe und Übersetzungen anderer Verlage bildeten in den Jahren 1929–32 die Reihe „Wie und Was. Aus dem Schrifttum der Zeitgenossen“, einschließlich einer Sonderausgabe von „Der Auszug Israels“ aus Werner Jansens antisemitischen Roman „Die Kinder Israel“. Die schöngeistige Abteilung bei Westermann expandierte bis 1930. Die Verlagsleitung versuchte, durch Ausbau bestehender Programmschwerpunk92) Zum „völkischen Zukunftsroman“ vgl. Frank-Lothar Kroll: Nationalsozialistische Rassenutopien in der Deutungskultur der Zwischenkriegszeit, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Utopie und politische Herrschaft im Europa der Zwischenkriegszeit, München 2003, S. 258–268, hier: S. 267.
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te die Absatzchancen des belletristischen Massenmarkts, der sich im Bereich der Schönen Literatur seit dem Ersten Weltkrieg rasant vergrößerte, wahrzunehmen, und produzierte „Großverbrauchsliteratur“ in hohen Auflagen.93) Ähnlichkeiten weist das Westermann Verlagsprogramm in dieser Hinsicht zu denen der Verlage C. Bertelsmann und Eugen Diederichs auf. C. Bertelsmann begann allerdings erst 1928 mit der Belletristikproduktion, im Anschluss an die Übernahme der Verlagsleitung durch Heinrich Mohn.94) Im Diederichs Verlag startete der Ausbau der Belletristik Mitte der zwanziger Jahre, da die kulturverlegerischen Ambitionen von Eugen Diederichs in der Weimarer Republik nicht mehr wirtschaftlich waren.95) Verstärkt wurde der Programmumschwung 1930 mit dem Generationswechsel in der Unternehmensspitze von Eugen Diederichs zu Peter und Niels Diederichs. Verpflichtet wurden beispielsweise populär-unterhaltsame Autoren, wie Svend Fleuron, der seit 1923 jedes Jahr eine Episode seiner heiteren Tierromane ablieferte. Sehr schnell neigte jedoch auch die Belletristik im Diederichs Verlag zu völkischnationalistischen Tendenzen mit Autoren wie Leonore Kühn, Edwin Erich Dwinger und Hans Friedrich Blunck, der im Diederichs Verlag seine ethnischen Abgrenzungen und Bewertungen verschärfte. Blunck war vor dem Ersten Weltkrieg Autor bei Diederichs geworden und tätigte seit 1926 bis in die dreißiger Jahre jedes Jahr eine Veröffentlichung, darunter 1929 den rassistischen Kolonialroman „Land der Vulkane“. Während bei C. Bertelsmann die Gewinne der Belletristik nach 1930 stabil blieben und bei Eugen Diederichs zumindest der belletristisch bereicherte Gesamtabsatz in diesen Jahren bemerkenswerte Kontinuitäten zeigt, häuften sich bei Westermann dagegen in der Autorenkorrespondenz die Klagen über den Absatzrückgang und in den Absatzaufstellungen des Jahres 1930 die Hinweise auf Makulierungen und Preisnachlässe in großer Höhe.96) Schon seit 1928 ging der Absatz im belletristischen Bereich, der zuvor schubweise Absatzhöhen aufwies, die charakteristisch für belletristische, kurzlebige Best93)
Der Begriff „Großverbrauchsliteratur“ bei: Dohnke: Literatur, S. 671; zur Statistik der Schönen Literatur in der Weimarer Republik: Kastner: Statistik (2007), S. 343; Umlauff: Beiträge, S. 78f. 94) Vgl. Reinhard Wittmann/Christoph Haas/Olaf Simons: „Bekenntnis zum deutschen Menschen“. Bertelsmann entdeckt die „Schöne Literatur“, in: Friedländer/Frei/Rendtorff/ Wittmann: Bertelsmann, S. 119–171, hier: S. 119ff. 95) Vgl. Florian Achthaler: 1930–1996: Die Verlagsentwicklung nach dem Tod von Eugen Diederichs’, in: Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort, S. 90–126; Florian Achthaler: Der deutsche Mensch. Der Eugen Diederichs Verlag während des Nationalsozialismus, in: Justus H. Ulbricht/Meike G. Werner (Hrsg.): Romantik, Revolution und Reform. Der Eugen Diederichs Verlag im Epochenkontext 1900–1949, Göttingen 2000, S. 224–247; Ulf Diederichs: Hinter den Nullpunkt geblickt. Die erste Verlegerzeit von Niels und Peter Diederichs, in: ebd., S. 292–346; Viehöfer: Verleger, S. 22ff. 96) Zu Bertelsmann: vgl. Wittmann/Haas/Simons: Bekenntnis, S. 130; zu Diederichs: Florian Triebel: Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül, München 2004, S. 444f; zum Westermann Verlag vgl. beispielsweise Korrespondenz Werner Jansen WWA 21/26, 12.
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III. Der Georg Westermann Verlag
seller sind, kontinuierlich zurück.97) Vermutlich schlug sich darin, neben den allgemeinen konjunkturellen Schwierigkeiten, die schwächelnde Absatzkraft des wichtigsten Bestsellerautoren Werner Jansen nieder. Seine Romane „Die Kinder Israel“ von 1927 und „Verratene Heimat. Widukind-Roman“ von 1931 erreichten mit 20 000 und 31 000 Stück nur einen Bruchteil der Auflagen der in vielfachen Sonder- und Sammelausgaben erschienenen „Heldenzeit“- und „Herrenzeit“-Romane.
3. Antisemitische Literaturgeschichte 3.1 Adolf Bartels, Geschichte der deutschen Literatur Adolf Bartels (1862–1945) gilt als der eifrigste Verfechter von Antisemitismus in Literaturgeschichtsschreibung und -kritik.98) In Wesselburen im schleswigholsteinischen Dithmarschen geboren, besuchte er dort gemeinsam mit seinem späteren Kontrahenten, dem theologischen Volksschriftsteller Gustav Frenssen, die Volksschule und in Meldorf das Gymnasium, das er ohne Abschluss verließ. Er studierte in Leipzig und Berlin offiziell Kameralistik, inoffiziell vorwiegend Geschichte und Literatur mit dem erklärten Ziel, Schriftsteller zu werden. Gemäß eigenen Angaben besuchte er Vorlesungen zur Philosophie bei Wilhelm Wundt, Nationalökonomie bei Wilhelm Roscher, Germanistik bei Rudolf Hildebrand, Theologie bei Friedrich Loofs, Geschichte bei Karl Biedermann und Statistik bei Ernst Hasse. Mit dem Erscheinen seines ersten Gedichtbands und des Dramas „Johann Christian Günther“ im Herbst 1888 brach er sein Studium ab und betätigte sich fortan als freischaffender Publizist in Leipzig, später in Frankfurt/Main und Lahr/Baden. Nachdem sein Frankfurter Wirkungsorgan, das „Frankfurter Journal“, 1896 eingestellt wurde, siedelte Bartels nach Weimar über, wo er sich, 1905 von Großherzog Wilhelm Ernst zum Professor ernannt, zum Nukleus des völkischen Weimar stilisierte.99) Seine regen Veröffentlichungsaktivitäten, seine zahlrei97)
Zu „typischen“ Absatzkurven wissenschaftlicher bzw. belletristischer Titel: vgl. Eduard Schönstedt: Der Buchverlag. Geschichte, Aufbau, Wirtschaftsprinzipien, Kalkulation und Marketing, Stuttgart 1991, S. 221f.; zu ähnlichen Ergebnissen kommen Zeitgenossen, so: Otto Bader: Die Buchverlagsunternehmung. Eine privatwirtschaftswissenschaftliche Studie, Stuttgart 1936, S. 99f. 98) Thomas Rösner: Adolf Bartels, in: Puschner/Schmitz/Ulbricht (Hrsg.): Handbuch, S. 874–894; Thomas Neumann: Völkisch-nationale Hebbelrezeption. Adolf Bartels und die Weimarer Nationalfestspiele, Bielefeld 1997; Steve Nyole Fuller: The Nazi’s literary grandfather: Adolf Bartels and cultural extremism, New York/Frankfurt am Main u. a. 1996; Thomas Neumann: Bartels, Adolf, in: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. Hrsg. v. Christoph König. Bd. 1, Berlin/New York 2003, S. 85–88. 99) Vgl. Jürgen John: ‚Weimar‘ als regionales, intellektuelles Reform- und Experimentierfeld, in: Wolfgang Bialas/Burkhard Stenzel (Hrsg.): Die Weimarer Republik zwischen Metropole und Provinz, Weimar/Köln/Wien 1996, S. 11–21, hier: S. 16.
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chen Mitgliedschaften in rechtsextremen Parteien, Verbänden und Vereinen wie dem Alldeutschen Verband, dem Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbund, dem Deutschbund etc. und seine damit zusammenhängenden personellen Kontakte machten ihn zu einem wichtigen Kommunikator im rechtsextremen Lager des Kaiserreichs und der Weimarer Republik sowie, bezogen auf den Absatz seiner Publikationen, zu einem zuverlässigen Mediator seiner selbst. Mit der Übersiedlung nach Weimar wechselte Bartels seine publizistische Arbeitsstrategie und wurde vom Schriftsteller zum Literaturhistoriker. 1896 veröffentlichte er den Urtext seiner späteren Literaturgeschichten in Fortsetzungen im Periodikum „Die Grenzboten“.100) Der Text erschien erweitert 1897 erstmals in Buchform im Leipziger Eduard Avenarius Verlag. Der nach seinem Gründer benannte Eduard Avenarius Verlag war auf Philologie spezialisiert. Die Verlagsverbindung zu Bartels dürfte aber auch von dessen Mitarbeit in der Literaturredaktion der kulturpolitischen Zeitschrift „Kunstwart“ bis 1905/06 herrühren.101) Den „Kunstwart“ initiierte und leitete Ferdinand Avenarius, ein Sohn von Eduard Avenarius und als solcher stiller Teilhaber des Buchverlags. 1901 publizierte Bartels eine zweibändige „Geschichte der deutschen Literatur“ im Eduard Avenarius Verlag, der seit 1901 zum Leipziger philologischen Verlag H. Haessel gehörte, und in diversen Varianten bei anderen Verlagen. Laut Bartels’ eigener Aussage nehmen die unterschiedlichen Literaturgeschichten „in Bezug auf die Judenfrage einen sehr verschiedenen Standpunkt ein.“102) In der Tat finden sich in seinen Literaturwegweisern im Verlag Koehler & Volckmar („Die besten deutschen Romane“, 1917), im Reclam Verlag („Weltliteratur. Eine Übersicht“, 1918) und im Bremer Verlag Friedrich & Co. („Gesundes deutsches Schrifttum“, 1921), antisemitische Argumentationsmuster nur marginal. Dafür ist weniger eine Veränderung in der antisemitischen Prädisposition von Adolf Bartels verantwortlich zu machen als der Umstand, dass die Bücher als Verlagsalmanache der Verlage gestaltet und in der Auswahl der behandelten Literatur an das jeweilige Verlagsprogramm gebunden waren.103 Sein literaturhistorisches Verkaufstalent brachte Bartels seitens des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, für den Bartels eines ihrer vorrangigen Beobachtungsobjekte war, den Spottnamen „Reclam- und Reklamemann“ 100)
Vgl. Rösner: Adolf Bartels. Zu Bartels’ Tätigkeit für den „Kunstwart“ vgl. Gerhard Kratzsch: Kunstwart und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus, Göttingen 1969, S. 121f. 102) Zitiert nach: Rösner: Adolf Bartels, S. 878. 103) Laut Festschrift des Reclam Verlags hat der Verlag selbst Bartels in der Gestaltung der ‚Weltliteratur‘ „stark gezügelt“ vgl. Georg Ruppelt: Die Universal-Bibliothek im ‚Dritten Reich‘. Zwischen Anpassung und Abstand, in: Dietrich Bode (Hrsg.): Reclam. 125 Jahre Universal-Bibliothek 1867–1992. Verlags- und kulturgeschichtliche Aufsätze, Stuttgart 1992, S. 331–357, hier: S. 334. 101)
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III. Der Georg Westermann Verlag
ein.104) Der Abwehrverein erkannte klar und trotz der moderaten Töne, die Bartels bei Reclam anschlug, die Konsequenzen der antisemitischen Methode. Bartels betreibe in der Literaturgeschichte des Reclam Verlags „seine besondere Spezialität, die Judenriecherei“, die sachlich-diskrete Stigmatisierung so genannter jüdischer Autoren durch Auflösung ihrer Pseudonyme und Nennung ihrer eigentlichen, „typisch jüdischen“ Namen. Zwar unterlasse er die „rasseligen Jargons“ sonstiger Veröffentlichungen. Indem Bartels aber innerhalb einzelner Epochen und Abschnitte sämtliche „jüdische“ Autoren zusammenzufassen pflege, „sie also gewissermaßen in eine Art Ghetto sperrt“, erreiche er sein Ziel: die Absonderung einer jüdischen von einer deutschen Kultur. Auch jenseits seiner literaturhistorischen Werke war Bartels an keinen speziellen Verlag gebunden. Je nach Gattung und thematischer Ausrichtung, aber auch je nach antisemitischer Radikalität wurde Bartels in unterschiedliche Verlagskontexte eingepasst. Antisemitische Pamphlete veröffentlichte er in der Hanseatischen Verlagsanstalt, bei Theodor Weicher, im Alexander Duncker Verlag oder bei Franz Eher Nachf. Gedichtbände publizierte Georg D. Callwey in München, gestalterisch aufwändige Bildbände Eugen Diederichs und Schriften zum Weimarer Nationaltheater der ortsansässige Böhlau Verlag. Erkennbar wird mit diesem Verlagsspektrum die Publikationsstrategie von Bartels und seinen Verlegern, mit verschiedenen Produktvarianten verschiedene Teilöffentlichkeiten zu erreichen. Wichtiges Distinktionsmerkmal zwischen den Verlagen war der Umgang mit antisemitischern Ressentiments. Zur Bewertung unliebsamer Rezensionen seiner Literaturgeschichte bemühte etwa der Avenarius Verlag gegenüber Bartels den Topos der jüdischen Presse, in diesem Fall der Deutschen Literaturzeitung, die „stark verjudet“ sei und unter ihren Rezensenten stets „eine Anzahl Träger der lieblich läutenden Namen“ aufweise.105) Bei Callwey oder Böhlau hingegen waren antisemitische Äußerungen in den Publikationen verpönt, wenngleich Bartels’ anderweitig wirksamer Antisemitismus die Geschäftsbeziehungen nicht störte. Gemeinsam war einigen Verlegern ihr Engagement in der kulturpolitischen Szene des Dürerbunds, der seit 1902 den „Kunstwart“ organisatorisch unterstützte. Eugen Diederichs war Mitglied im Vorstand.106) Georg Callwey, seit 1894 Miteigentümer des „Kunstwarts“, war bis 1927 Schatzmeister und Geschäftsführer.107) Im Dürerbund, dieser Gruppe von „Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus“, dem neben den Genannten unter anderem die Theolo104)
Vgl. hierfür und folgend: Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 29 (1919), S. 30–31. 105) Eduard Avenarius [G. W. Sorgenfrey] an Adolf Bartels, 01. 06. 1907, SHLB Kiel, Nachlass Adolf Bartels, Cb 3.56: 13, 02. 106) Hierfür und folgend: Kratzsch: Kunstwart, S. 439, 463. 107) Zu Callwey und dem „Kunstwart“ vgl. Georg Jäger: Verlag für Kunst, Architektur und Kunstgewerbe, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, S. 602–643, hier: S. 633.
3. Antisemitische Literaturgeschichte
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gen Paul Althaus d.Ä., Arthur Bonus und Friedrich Niebergall, der Historiker Friedrich Meinecke, der Komponist Max Reger und der Maler Max Liebermann angehörten, wurde der Antisemitismus einiger Mitglieder zwar bemängelt – so hatte sich Ferdinand Avenarius antisemitische Ausfälle von Bartels verbeten –, die Qualitäten des von Bartels repräsentierten Vorkriegsantisemitismus als kulturellen Codes, der die Zugehörigkeit zu einem eigenen kulturellen Lager bezeichnete, wurden dadurch aber nicht geschmälert.108) Das kulturelle Lager von Dürerbund und „Kunstwart“ erhellt gleichfalls die Verlagsbeziehung zwischen dem Westermann Verlag und Adolf Bartels. Die dreibändige „Geschichte der deutschen Literatur“ von Adolf Bartels aus dem H. Haessel Verlag wurde vom Westermann Verlag 1919 in einer stark gekürzten einbändigen Form übernommen.109) Bis zur Publikation einer dreibändigen „Geschichte der deutschen Literatur“, für die der Verfasser 1924 zum H. Haessel Verlag zurückkehrte, ist sie seine einzige unabhängig von Verlagsvorgaben erstellte deutsche Literaturgeschichte auf dem Buchmarkt und mit einem Umfang von knapp 720 Seiten immerhin ein kompaktes Handbuch seiner Art. Bei Westermann fand sich Bartels, der schon in „Westermanns Monatsheften“ veröffentlicht hatte, im Kreis alter Bekannter vom „Kunstwart“ wieder: Die Pädagogen Heinrich Scharrelmann und Fritz Gansberg waren Mitarbeiter der Zeitschrift,110) und der Herausgeber Friedrich Düsel war Ferdinand Avenarius freundschaftlich verbunden. Bei Westermann hatte die Gattung der handlichen Literaturgeschichten Tradition. Bereits 1857 war das „Handbuch der deutschen National-Literatur“ von Heinrich Viehoff erschienen, 1914 die „Kurzgefasste Geschichte der deutschen Literatur“ von Heinrich Werner und 1920 sollte die „Geschichte der deutschen Jugendliteratur“ von Hermann Leo Koester publiziert werden. Das Stammpublikum des Verlags, dies legt der reformpädagogische Programmschwerpunkt nahe, waren Volksschullehrer, die, literaturhistorisches Interesse vorausgesetzt, eine beträchtliche Anzahl potentieller Absatznehmer bereit stellten. Darüber hinaus fügte sich der „Dithmarscher“ Bartels gut in die niederdeutsche Heimat- und Volkstumsliteratur von Autoren wie Werner Jansen oder Hans Friedrich Blunck ein, zudem Bartels die im Westermann Verlag vertretenen norddeutschen Heimatschriftsteller Timm Kroeger oder Johann Hinrich Fehrs als Vorkämpfer in eigener Sache in Anspruch nahm. Die Westermann-Literaturgeschichte bedient sich analysetragend rassistischer Codierungen.111) Ausgangspunkt der Bartelsschen deutschen Literatur und seiner chronologisch angeordneten Darstellung ist die germanische Rasse, die, seit sie ihren Ursprung in der arischen Rasse des europäischen 108)
Zu den Mitgliedern des Dürerbundes: Kratzsch: Kunstwart, S. 463ff. Verlagsvertrag zwischen Georg Westermann Verlag und Adolf Bartels, WWA 21/16, 1. 110) Hierfür und folgend: Kratzsch: Kunstwart, S. 329, 147. 111) Kay Dohnke spricht von „Bartels’ zahlreiche[n] variierende[n] und sich in ihrem Rassismus steigernde[n] Literaturgeschichten“, vgl. Dohnke: Literatur, S. 662; zur Westermann-Literaturgeschichte vgl. auch: Rösner: Adolf Bartels, S. 877f. 109)
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III. Der Georg Westermann Verlag
Nordens genommen habe, als solche existent sei.112) Bartels schreibt der arischen Rasse den in der völkischen Literatur üblichen Kanon positiver Eigenschaften zu: männlich, frei, sittlich, kampfdurchtobt.113) Rassismus tritt zum einen in der Konstruktion einer stringenten Ethnogenese zuerst germanischer, dann deutscher Kultur im unveränderlichen Gegensatz zu nichtdeutschen Kulturen zu Tage. In Folge dessen werden kulturelle Unterschiede zu primordialen Antagonismen erklärt.114) Zum anderen durchziehen die Veröffentlichung antisemitische Deutungsmuster, die zum Ziel haben, so genannte jüdische Literaturschaffende aus einer deutschen Sprach- und Literaturkultur auszusondern.115) In die deskriptive Struktur der Publikation eingestreut, changieren sie zwischen einer vermeintlich sachlichen Einstufung von Dichtern und Schriftstellern als ‚jüdisch‘, die jedoch stigmatisierende Wirkung zeigt, und wüsten, unflätigen Beschimpfungen. Hinlänglich bekanntes Beispiel ist der „verbummelte freche kleine deutsche [sic] Jude“ Heinrich Heine, der an anderer Stelle „ein deutscher Dichter […] freilich nicht“ ist, „sondern ein jüdischer Dichter, der sich der deutschen Sprache bedient.“116) Mit einer derartigen Mischkalkulation sachlicher und emotiver Zuschreibungen erreicht Bartels beim Leser mobilisierende Effekte: in einem ansonsten moderaten Kontext, der den Feind durch Benennung schlicht dingfest macht, erscheinen rabiate Beschimpfungen gegenüber Juden umso überzeugender. Darüber hinaus wird Antisemitismus zum strukturbeschreibenden Mittel literarischer Epochen wie des Jungen Deutschlands, „ein wesentlich berlinisch-jüdisches Produkt“, oder des Expressionismus.117) Die stereotypen Wendungen „jüdischer Geist im Dienst spezifisch-jüdische Interessen“, „Schmarotzer“ oder „negatives, zersetzendes Element“ dienen als Folie antidemokratischer und antiliberaler Argumentationen. Primordial codiert wird diese interne Gruppenzuschreibung und Gruppenausgrenzung durch latente Biologismen, beispielsweise die Behauptung einer jüdischen Rassennatur, vor allem aber einer konsequenten Rückführung kultureller Werte auf eine ethnische Differenz von Juden und Deutschen.118) Adolf Bartels erreichte sein Ziel, seine Leser waren von dem den kulturerhaltenden Wert, den die Stigmatisierung und Aussonderung so genannter Juden aus einer deutschen Literaturgeschichte hätte, überzeugt. Der nationalsozialistische braunschweigische Ministerpräsident Dietrich Klagges lobte Bartels auf dem hundertjährigen Verlagsjubiläum 112)
Vgl. Adolf Bartels: Geschichte der deutschen Literatur, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1919, S. 9–16, 17ff., 73f. 113) Bartels: Geschichte, S. 9. 114) Ebd., S. 126. 115) Vgl. zum Folgenden und darüber hinaus: Rainer Brändle: Antisemitische Literaturhistorik: Adolf Bartels, in: Renate Heuer/Ralph-Rainer Wuthenow (Hrsg.): Antisemitismus – Zionismus – Antizionismus 1850–1940, Frankfurt am Main/New York 1997, S. 35–53. 116) Bartels: Geschichte, S. 327f. 117) Beide Zitate: ebd., S. 322 und 658ff. 118) Beide Zitate: ebd., S. 322f.
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des Westermann Verlags 1938 überschwänglich für seine „kühne Pioniertat auf dem Wege, den wir heute erfolgreich fortsetzen, in der Abscheidung des jüdischen Wesens vom deutschen, auf dem Wege der Herstellung eines reinen Deutschtums durch völkische Propaganda.“119) Der Verlagsvertrag mit Adolf Bartels über den Verlag der Literaturgeschichte vom November 1918 weist keinerlei Besonderheiten auf.120) Dem Verfasser wurde ein Honorar von RM 2,– pro verkauftem Exemplar, bei einem Ladenpreis von RM 12,–, zugesichert. Alle Bestimmungen, die des Weiteren die Übertragung der Verwertungsrechte an den Verlag sowie die Festsetzung der Auflagenhöhe einschlossen, entsprachen einem regulären Verlagsvertrag, obwohl der Titel 1919 bei Westermann offiziell in der siebten und achten Auflage erschien, an die fünfte und sechste Auflage des Jahres 1909 im Avenarius Verlag anknüpfend. Die Auflagenhöhe der Literaturgeschichte belief sich laut Angaben des Umschlagtitels auf das 16. bis 20. Tausend.121) Verlagsinterne Unterlagen können diese Zahlen annähernd verifizieren, obwohl Absatzziffern für diese Auflage nicht überliefert sind. Bis September 1919 wurden im Verlags-Skontro, der im Westermann Verlag üblichen Buchhaltungsunterlage zum Verzeichnis der Herstellungskosten eines jeden Titels und seines Absatzes, 7696 gedruckte und geheftete Exemplare der Literaturgeschichte verzeichnet. Zugleich ist eine Honorarabgabe an Bartels von RM 10 000 registriert.122) Vertragsgemäß bedeutete dies einen Absatz von 5000 Exemplaren, der sich durch das Vorwort Bartels’ zur zweiten Auflage bestätigt: „Das Erscheinen der einbändigen Ausgabe zog sich bis zum Herbst 1919 hinaus. Sie hatte sofort starken Erfolg, die ganze große Auflage war schon bis Weihnachten beinahe abgesetzt.“123) Für den Verlag erbrachte diese Absatzlage einen Titelgesamtgewinn von RM 14 907.124) 1920 kam eine zweite Auflage bei Westermann heraus, als neunte und zehnte Auflage beziffert, in einer Höhe von 5000 Exemplaren, also dem 21. bis 25. Tausend.125) Laut Verlags-Skontro wurden im Oktober 1920 5031 Exemplare hergestellt.126) Der Betrag der verzeichneten Herstellungskosten von RM 99 256,76 bis November 1924 ist ein Mindestbetrag, da die Herstellungskosten im Hyperinflationsjahr 1923 offensichtlich nicht im Verlags-Skontro aufgezeichnet sind.127) Der reelle Absatz betrug 1350 Exempla-
119)
Reden und Ansprachen zur Hundertjahrfeier des Verlages, S. 48. Verlagsvertrag Westermann – Adolf Bartels, WWA 21/16, 1. 121) Bartels: Geschichte, Umschlagtitel. 122) Verlags-Skontro WWA 2/281/1, S. 980. 123) Verlagsvertrag Westermann – Adolf Bartels, WWA 21/16, 1; Bartels: Geschichte, S. 6. 124) WWA Georg Westermann Verlag. Gewinn- und Verlust Abrechnung 1919–20, S. 11/12. 125) Bartels: Geschichte, erste Umschlagseite. 126) Verlags-Skontro WWA 2/281/1, S. 980. 127) Für den Zeitraum November 1922 bis November 1924 sind Herstellungskosten in Höhe von RM 7 784,20 verzeichnet, demgegenüber stehen Herstellungskosten im Zeitraum Juli 1922 bis September 1922 in Höhe von RM 48 155,–. Diese Zahlen sind nur sinn120)
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III. Der Georg Westermann Verlag
re in den Jahren 1920/21 und 1354 Stück bis Dezember 1922. Für 1923 sind keine Absatzzahlen überliefert. 1924 brach der Absatz ein, nur noch 470 Exemplare wurden vom Verlag ausgeliefert.128) Die Herstellungskosten des Verlags waren zu diesem Zeitpunkt schon gedeckt. Der Ladenpreis der Literaturgeschichte war rechtzeitig im Verhältnis zu den im Zeichen der Inflation steigenden Herstellungskosten erhöht und für die zweite Auflage auf RM 90 festgelegt worden.129) Zur Einführung dieser zweiten Westermann-Auflage 1920 sind verstärkte Werbebemühungen des Verlags festzustellen. Die Ausgaben in dieser Rubrik betragen von Oktober 1920 bis April 1921 RM 1650, was ca. 9,5 Prozent der Gesamtherstellungskosten des Titels in diesem Zeitraum in Höhe von RM 15 755 entspricht. Hauptsächliche Werbemaßnahmen, die mit diesem Posten finanziert wurden, waren Anzeigen und Prospekte. Anzeigen wurden in völkischen Presseorganen platziert, teilweise durch Bartels initiiert, der Rezensions- und Anzeigemöglichkeiten in der „Deutschen Zeitung“, den „Alldeutschen Blättern“, den „Deutschvölkischen Blättern“, dem „Völkischen Beobachter“, der „Deutschen Tageszeitung“, der „Kreuzzeitung“ und der „Post“ anregte, unter Verweis auf seine personellen Kontakte, z. B. zu Ludwig Lorenz, seinem Mitarbeiter im Deutschen Schrifttum.130) Über 100 000 Prospekte ließ der Westermann Verlag zur Vertriebsförderung der Literaturgeschichte drucken, rund die Hälfte davon waren als „niederdeutsche Prospekte“ ausgewiesen und zielten damit sowohl auf das Stammpublikum von Adolf Bartels als auch auf den Kundenstamm, den Westermann vom Janssen Verlag übernommen hatte.131) Die Werbekosten korrespondierten mit den Absatzzahlen. Mit dem Absatzeinbruch 1924 fallen sie numerisch mit RM 36 beziehungsweise 0,5 Prozent Anteil an den gesamten Herstellungskosten im betreffenden Zeitraum auf einen Tiefstand. Allerdings wäre die Begründung des schleppenden Absatzes mit der zurückgefahrenen Werbetätigkeit zu kurz gegriffen. Die allgemeine Kostenexplosion infolge der Hyperinflation wirkte sich sowohl auf den Absatz von Büchern als auch auf die Organisation von Werbemaßnahmen negativ aus. 1924 gibt der Verlag offiziell die elfte und zwölfte Auflage der Literaturgeschichte heraus, das 25. bis 29. Tausend. Da für die Jahre 1924–27 keine verlagsinternen Buchhaltungsunterlagen überliefert sind, lässt sich diese Auflage samt der Höhe der Druckauflage als solche nicht nachprüfen, zudem lassen sich Herstellungskosten und Absatzzahlen nur zwischen 1927 und 1930 ermitteln. In diesen Jahren stagnierte der Absatz weiter: 1927 wurden 161, 1928 132, voll, wenn in erstgenannter Position die Kosten des Jahres 1923 nicht einberechnet wurden, vgl. Verlags-Skontro WWA 2/281/2, S. 1636; Herstellungskosten vor 1922: VerlagsSkontro WWA 2/281/1, S. 980. 128) Absatzzahlen vor 1922: Verlags-Skontro WWA 2/281/1, S. 980; Absatzzahlen im Zeitraum 1922–24: Verlags-Skontro WWA 1/281/2, S. 1636. 129) Westermann Verlag an Adolf Bartels, 9. November 1920, WWA 21/16, 1. 130) Adolf Bartels an Westermann Verlag, 15. 11. 1920, WWA 21/16, 1. 131) Verlags-Skontro WWA 2/181/1, S. 980.
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1929 175 und 1930 nur noch 97 Stück der Literaturgeschichte verkauft.132) Die verzeichneten Herstellungskosten beliefen sich in diesen Jahren auf RM 1720, sie setzten sich im Wesentlichen aus Honorar- und Propagandakosten zusammen. Der Titel wurde nurmehr vertrieben, nicht mehr hergestellt. Die Werbekosten bewegten sich numerisch in etwa auf dem Niveau, das sie 1924 erreicht hatten, zwischen RM 42 und RM 85, ausgenommen das Jahr 1929, für das keine Werbekosten erfasst sind. Bartels selbst führte den Absatzeinbruch seiner Westermann-Literaturgeschichte auf das zwischenzeitliche Erscheinen seiner dreibändigen Literaturgeschichte im Haessel-Verlag zurück.133) Davon unbesehen profitierte Bartels bei Westermann vor allem von inflationärer Kaufwut, die dem Verlag keinerlei Gewinn erbrachte. Über die Inflation hinaus erwies sich die Literaturgeschichte von Bartels als Ladenhüter.134) Ein ähnliches Absatzverhalten zeigte die „Weltliteratur“ von Adolf Bartels im Reclam Verlag, deren erster Teil 1918 zwei inflationäre Auflagen in Gesamthöhe von 35 000 Exemplaren erlebte.135) Teil zwei und drei wurden 1918 bzw. 1919 in einmaliger Höhe von 25 000 bzw. 15 000 Stück aufgelegt. Alle drei Teile waren in diesen Auflagen bis 1933 nicht ausverkauft. Zu Beginn der dreißiger Jahre war ebenfalls im Weimarer Alexander Duncker Verlag der Absatz der Bartelschen Werke vergleichbar schwach. Der Geschäftsführer des Verlags, Hermann Kellermann, kündigte Bartels im Oktober 1931 aufgrund anhaltender Absatzschwierigkeiten seiner im Duncker Verlag erschienenen Bücher sowie dem gescheiterten Versuch, diese „verbilligt an nationalsozialistische Buchhandlungen“ abzugeben, die Makulatur seiner Publikationen an.136) 3.2 Absatzsegment: Nationalbewusste Literaturgeschichte – obligater Antisemitismus Die Literaturgeschichte, die Adolf Bartels im Westermann Verlag publizierte, war für die Zeitgenossen ein Standardwerk, das, leicht verständlich ge132)
Alle Angaben: Verlags-Skontro WWA 2/281/5, S. 3164. Bartels: Geschichte, S. 687. 134) Rezensionen zu Bartels wurden während der Weimarer Republik nicht mehr verfasst, da das Werk im Grunde eine Vorkriegs-Neuausgabe war. Einzig Georg von Below fühlte sich bemüßigt, die Lücken, die Bartels’ Literaturgeschichte seiner Meinung nach in der Behandlung historiographischer Literatur aufzuweisen hätte, mit einem Hinweis auf seine eigenen Schriften zu diesem Thema zu schließen. Vgl. Georg von Below: Rezension zu Adolf Bartels: Geschichte der deutschen Literatur, in: VSWG 15 (1919), S. 590f. 135) Gemäß dem Auflagenbuch im Reclam Verlag Ditzingen, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 5997/99, 6008/10, 6011/12. Im Verlagsarchiv überlieferte Unterlagen der Lagerverwaltung bestätigen den nachlassenden Absatz in den postinflationären Jahren [unerschlossener Bestand, Laufzeit 1917–42, UB-Nr. 5701–7673]. 136) Hermann Kellermann an Adolf Bartels, 01. 10. 1931, handschriftliche Abschrift von Adolf Bartels vom 24. 07. 1937, in: BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Bruno Tanzmann. 133)
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schrieben, einem breiteren Publikum die Grundwerte der deutschen Literatur nahe brachte.137) Das zeitgenössische Absatzsegment konkurrierender populärer deutscher Literaturgeschichten umfasst annähernd sechzig Titel.138) Überwiegend handelt es sich um Vorkriegsproduktionen, die in vielfachen Neuauflagen herausgebracht wurden. Die ältesten Titel im Angebot bildeten mehrbändige Prachtbände aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kamen handliche Einführungsbände beispielsweise der Sammlung Göschen hinzu. In den Jahren der Weimarer Republik ging die Anzahl der Neuerscheinungen stetig zurück, konform zur anhaltenden konjunkturellen Schwäche der Sprach- und Literaturwissenschaften in den zwanziger Jahren.139) Gleichzeitig vergrößerte und veränderte sich die Anbieterschaft. Traditionelle philologische Verlage bekamen Konkurrenz von fachfremden Häusern. Der gewerkschaftsnahe Dresdner Verlag Kaden & Comp. produzierte nun ebenso Literaturgeschichten wie der katholische Verlag Parcus & Co. in München oder die auf Kunst- und Musikwissenschaften spezialisierte Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion in Potsdam. Methodisch bedienen sich die untersuchten Veröffentlichungen, sofern sie einen Überblick über die Gesamtheit der deutschsprachigen Literatur geben wollen, zum einen des historisch-genetischen Prinzips und betreiben Literaturgeschichtsschreibung ausgehend vom Ursprung einer germanischen Vorund Frühgeschichte. Zum anderen werden Biographien von Schriftstellern aneinander gereiht. In einem mehr oder weniger assoziativen Verfahren kommentieren die Verfasser Leben und Werk ausgewählter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Ein derartiger Aufbau zieht fast zwingend eine Neigung zur traditionalen Codierung des Untersuchungsgegenstandes nach sich.140) Deutsche Literatur wird aus ihrem eigenen Vergangenheitskontinuum heraus definiert. Die Verfahrensweise legt es nahe, eine vermeintliche ethnische oder nationale Herkunft von Autoren, die sie in die gemeinsame Geschichte einoder ausschloss, zum Kriterium ihrer Aufnahme in den Kanon der deutschen Literaturgeschichte zu machen. Mit dem einflussreichen Rückhalt einer großenteils nationalbewussten und konservativen Germanistik bewegt sich Adolf Bartels’ Literaturgeschichte hinsichtlich der antisemitischen Radikalität in
137)
Robert F. Arnold: Allgemeine Bücherkunde zur neueren deutschen Literaturgeschichte, Berlin/Straßburg 1919, S. 110. 138) Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 938–941 („Literatur“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 102–106 („Literatur“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1933, S. 120–127 („Literatur“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 954–957 („Literatur“). 139) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 77f. 140) Giesen: Identität, S. 187, 42f.
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der Klassifizierung von Autoren nur geringfügig über dem Durchschnitt konkurrierender populärer Literaturgeschichten.141) In der Dominanz antisemitischer Tendenzen stehen ihm die Werke Friedrich von der Leyens und Josef Nadlers in nichts nach. Josef Nadler, dazumal Professor für neudeutsche Philologie in Freiburg (Schweiz), veröffentlichte seit 1912 im Regensburger Habbel Verlag, wo er 1909–11 literarischer Verlagsredakteur gewesen war, seine „Literaturgeschichte des Deutschen Volkes. Dichtung und Schrifttum der deutschen Stämme und Landschaften“, dessen vierter und letzter Band 1928 erschien, bevor 1929–32 eine dritte Auflage des Gesamtwerks herausgebracht wurde.142) Bezugnehmend auf Karl Lamprecht und eingebettet in die kulturpolitischen Diskussionen um die Einheit der Germanistischen Literaturwissenschaft als universitäre Disziplin, entwirft er ein integratives Konzept deutscher Literaturgeschichte unter Einbeziehung kultur- und sozialhistorischer Methoden. Er verfeinert das ethnische Kriterium der Autorenbeurteilung, indem er Subregionen deutscher Literaturgeschichte einführt, wie Bayern, Thüringen, Böhmen und Mähren oder Berlin. Innerhalb regionaler Subgruppen verortet und isoliert er jüdische Schriftsteller, die, einsetzend mit dem im zweiten Band behandelten 16. Jahrhundert, in omnipräsenter Streulage in verschiedenen Kapiteln auftauchen und den Topos einer jüdischen Weltverschwörung auf literarischem Gebiet nachahmen. Ausgerechnet am Handlungsort der „Protokolle der Weisen von Zion“, in 141)
Zur Germanistik vgl. Karl Otto Conrady: Völkisch-nationale Germanistik in Köln. Eine unfestliche Erinnerung, Schernfeld 1990; Andreas Schumann: Völkische Tendenzen in Germanistik und Philosophie, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur ‚Völkischen Bewegung‘ 1871–1918, München 1996, S. 859–873; Andreas Schumann ist allerdings in seinen Befunden „Die Literaturgeschichtsschreibung des Kaiserreichs zeigt nur äußerst vereinzelte Befunde staatskritischer, oppositioneller oder antisemitischer Äußerungen.“ bzw. „In dieser extremen Zuspitzung antisemitischer Literaturhistorie stellt Bartels allerdings eine Ausnahme kaiserzeitlicher Literaturgeschichtsschreibung dar.“ (ebd., S. 861f.) zu widersprechen; gleichfalls zur antisemitischen Ausnahme wird Bartels stilisiert bei: Gerhard Kaiser: Grenzverwirrungen. Literaturwissenschaft im Nationalsozialismus, Berlin 2008, S. 323–325. 142) Elias H. Füllenbach: Nadler, Josef, in: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2, S. 1298–1301; Irene Ranzmaier: Germanistik an der Universität Wien zur Zeit des Nationalsozialismus. Karrieren, Konflikte und die Wissenschaft, Wien u. a. 2005; zu Nadlers Literaturgeschichte: Andreas B. Kilcher: Was ist „deutsch-jüdische Literatur“? Eine historische Diskursanalyse, in: Weimarer Beiträge 4 (1999), S. 485–517, hier: S. 489f.; Kaiser: Grenzverwirrungen, S. 391–410; Wolfgang Neuber: Nationalismus als Raumkonzept. Zu den ideologischen und formalästhetischen Grundlagen von Josef Nadlers Literaturgeschichte, in: Klaus Garber (Hrsg.): Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Ihr Werk im Blick auf das Europa der Frühen Neuzeit, München 2002, S. 175–191; Petra Boden: Stamm – Geist – Gesellschaft. Deutsche Literaturwissenschaft auf der Suche nach einer integrativen Theorie, in: Holger Dainat/Lutz Danneberg (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Nationalsozialismus, Tübingen 2003, S. 215–261, hier: S. 220–226; Michael Rohrwasser: Josef Nadler als Pionier moderner Regionalismuskonzepte? in: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Instytut Filologii Germańskiej der Uniwersytet Opolski, Frankfurt am Main/Bern/Berlin u. a. 2002, S. 257–280.
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III. Der Georg Westermann Verlag
Prag, wo Nadler studiert und promoviert hatte, treten „die Juden mit geschlossener Macht“ auf und beginnen sich „gedeckt von schwer durchdringlichen Schutzfarben […] eigengemäß und völkisch aufzubauen“.143) Währenddessen bemächtigen sich in Leipzig „zwei Prager Juden“ der Presse, was gleichfalls „im Pariser Versteck und auf ganz Deutschland zielend die rheinischen Juden“ betreiben. Friedrich von der Leyen, ordentlicher Professor für Deutsche Philologie in Köln und Mitglied der DNVP, vertrat eine außerordentlich völkische Germanistik.144) Den Antisemitismus seines literaturhistorischen Überblickswerks „Deutsche Dichtung in neuer Zeit“, ein Produkt des Eugen Diederichs Verlag von 1922, kleidet er in kulturkritisches Lamento.145) Eingebettet in Klagen über zunehmende Entsittlichung und Degeneration, steigern sich antisemitische Stereotype jüdischer Zersetzungs- und Dekompositionsaktivitäten in ihrer Häufigkeit und Radikalität, je weiter die Schilderung in die Gegenwart voranschreitet. Das literarische Wien des fin de siècle sei vor allem jüdisch geprägt gewesen, so zog beispielsweise Hugo von Hofmannsthal „die Weichheit und der lässige und verführerische Zauber der Wiener Luft“ an, „und auch die Skepsis des überreifen alten Judentums, die so gern und so lüstern zersetzt und auflöst; die aufdringliche Betriebsamkeit der gleichen Rasse wirkte wohl auch mit.“146) Bei Jakob Wassermann sei „das Überladene, das wir in der Kunst dieser Rasse [der Juden] oft beobachten“, anzutreffen. Vollends ausfallend wird von der Leyen, wenn es um die Vertriebs- und Verlagsbelange von Literatur geht. Die „in ihrer Art feine und zerfasernde Darstellung von Paul Kornfeld“ oder auch die Werke Arnold Zweigs werden „von ihrem Verleger und seinen Trabanten wieder marktschreierisch angekündigt und in die gelbe Jacke“, gemeint sind die Buchumschläge des Ullstein Verlags, „gekleidet, die auch Heinrich Mann und Gustav Meyrink tragen durften.“ Es sei kein „Zufall, daß die Erzähler, die am tiefsten in die psychologischen Wirrsale sich verlieren, deren Phantasie die unkräftigste bleibt, jüdischen Blutes sind oder dem Judentum sehr nahe stehen.“ Allerdings sei „die Gewaltsamkeit der Reklame für diese Neuesten […] eine Gewähr, daß sie auf deutschem Boden doch nicht festen Fuß fassen.“ Die Literaturgeschichten von Bartels, Nadler und von der Leyen machen ihre dominanten antisemitischen Motive zu primordial rassistischen Publikationen. Ihre Strategie jedoch, jüdische Autoren als solche zu stigmatisieren, war vergleichsweise unspektakulär. Die jüdische Herkunft von Autoren wurde 143)
Hierfür und folgend: Josef Nadler: Literaturgeschichte des Deutschen Volkes. Dichtung und Schrifttum der deutschen Stämme und Landschaften. IV. Band. Der deutsche Staat (1814–1914), Regensburg 1928, S. 135, 189. 144) Vgl. dazu: Conrady: Germanistik, S. 56ff. 145) Zur Biographie von der Leyens: vgl. Kathrin Stegbauer: Leyen, Friedrich Gustav von der, in: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2, S. 1082–1086. 146) Hierfür und folgend: Friedrich von der Leyen: Deutsche Dichtung in neuer Zeit, Jena 1922, S. 228, 290, 294f.
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in der zeitgenössischen Literaturgeschichtsschreibung üblicherweise erwähnt und ist, mit gänzlich anderen Intentionen, in der literatur- und kulturwissenschaftlichen Beschreibungskategorie der deutsch-jüdischen Literatur bis heute ein Interpretament.147) Die Beweggründe der wilhelminischen oder Weimarer Literaturhistoriker, die Herkunft jüdischer Autoren zu benennen, differierten. Zum einen wurde, im Bemühen um Akkulturation, der Verdienst so genannter jüdischer Autoren für die deutsche Kultur hervorgehoben. Zum anderen fixierten und exkludierten zionistische Kreise jüdische Autoren aus der deutschen Kultur zwecks Konstituierung einer jüdischen Nationalliteratur. Die Mehrzahl der untersuchten Literaturgeschichten nahm die Markierung jüdischer Autoren vor, um sowohl biographische als auch literarische Charakterisierungen zu begründen. Überwiegend wird der Rahmen vergleichbarer regionaler oder konfessioneller biographischer Angaben und ihrer Wertungen nicht verlassen. Liegt allerdings die Latte für Diskriminierungen, die diese vergleichbaren Angaben transportieren, niedrig, so vermindert sich gleichzeitig die Barriere für antisemitische Auswüchse. In Wilhelm Lindemanns Literaturgeschichte, vom katholischen Standpunkt aus geschrieben und 1866 veröffentlicht, vermengen sich anti-moderne, anti-protestantische und antisemitische Themen. Zum Jungen Deutschland heißt es: „das sakramentale Band der Ehe wurde zerrissen und mit frivollstem [sic] Spotte Christus und das Christentum in den Staub gezerrt. […] Als die Vorläufer und teilweisen Mitbegründer des ‚jungen Deutschland‘ nennen wir Börne und Heine, zwei Juden. Überhaupt war der ergiebigste Boden für die neue Schule JungIsrael, das keine Religion und kein Vaterland mehr kannte; daneben bildeten die vornehmen namenchristlichen Kreise in Spree-Athen, das spott- und skandalsüchtige Jung-Berlin die Schutzgeister der modernen Stürmer und Dränger. Die Führer redeten gerne von einer ‚protestantischen Bewegung‘, wie sie auch, soweit jüdischer Herkunft, äußerlich zum Protestantismus übertraten.“148) Das angeführte Zitat aus der katholischen Literaturgeschichte Lindemanns verdeutlicht einen weiteren Mechanismus antisemitischer Diskriminierung: Die Anschlusspunkte antisemitischer Werturteile, die als jüdisch gebrandmarkten Literaturepochen und Autoren, bildeten einen eigenen Kanon, den auch Bartels verwendete. Jüdisch waren die Großstädte Wien oder Berlin, der Naturalismus und der Expressionismus, Fanny Lewald oder Berthold Auerbach, Richard Beer-Hofmann oder Jakob Wassermann, vor allem das 147)
Vgl. zur Problematik deutsch-jüdischer Literaturgeschichtsschreibung: Andreas B. Kilcher: Literatur: Was ist „deutsch-jüdische Literatur“? Eine historische Diskursanalyse, in: Weimarer Beiträge 4 (1999), S. 485–517; Andreas Herzog: Zwischen „Assimilation“ und „Judentum“. Jüdische Autoren in der Geschichte deutschsprachiger/österreichischer Literatur. Perspektiven neuerer Forschungen, in: Donald G. Daviau/Herbert Arlt (Hrsg.): Geschichte der österreichischen Literatur. Teil I, St. Ingbert 1996, S. 76–95. 148) Wilhelm Lindemann: Geschichte der deutschen Literatur. Hrsg. und teilweise neu bearbeitet v. Max Ettlinger, 8. Aufl. Freiburg im Breisgau 1906, S. 905f.
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III. Der Georg Westermann Verlag
Junge Deutschland mit seinem „Dichterjuden“ Heinrich Heine.149) Den zeitgenössischen Lesern von Literaturgeschichten, die in den zwanziger Jahren auf dem Markt waren, war eine andere als abqualifizierende Meinung über Heinrich Heine kaum möglich. Insbesondere Tiraden über diesen Dichter finden sich in den neu aufgelegten Werken des späten 19. Jahrhunderts. Sie signalisieren in ihrer ungehemmten Unflätigkeit die Sicherheit, sich einer eindeutigen kulturellen Codierung zu bedienen. Wer Heines „Blasiertheit, freche Sinnlichkeit und sich selbstverachtende Selbstsucht“, seine „Effekthascherei“ und „Frivolität“, seine „Liederlichkeit“, seinen „vernichtenden Spott“, seine „gefallsüchtige Selbstbespiegelung“ oder „die ganze zersetzende Schärfe, die der Geistesart seines Stammes ebenso zu eigen ist wie der Hang zur Übertreibung, zur Selbstbespiegelung und zur Selbstverspottung“ monierte, ihn als „Element der Zersetzung“ geißelte, wer ihn in einer diffusen Reihe von „Stammesgenossen“ oder „Gesinnungsgenossen, soweit man überhaupt bei ihm von einer Gesinnung sprechen kann“, verortete, wusste, welches gesellschaftliche Lager er ansprach und dass er Codierungsmuster eines gemeinsamen traditionellen Wertekontextes anriss.150) Seine Persistenz stellte diese Codierung in literaturhistorischen Veröffentlichungen unter Beweis, deren jüdische Verfasser sich um Akkulturation bemühten. Im Eifer, einen jüdischen Anteil an der deutschen Literaturgeschichte heraus zu filtern, bedienten sie sich nicht nur notwendig des Mittels der Benennung und nahezu gleichzeitigen Stigmatisierung jüdischer Autoren. Darüber hinaus gerieten gut gemeinte Versuche, antisemitische Werturteile zu objektivieren, häufig selbst in missliche Erklärungs- und Verteidigungsnöte. Der freie Schriftsteller und Titularprofessor am Orientalischen Seminar in Berlin Eduard Engel, der im Nationalsozialismus aufgrund seiner jüdischen Konfessionszugehörigkeit zum jüdischen Gegenbild des völkischen Literaturhistorikers Adolf Bartels stilisiert wurde und der für Bartels’ literaturhistorische Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher Juden die selten klaren Worte findet: „Ist dies noch Literaturgeschichte, oder welche ganz andere Bezeichnung verdient ein solcher Ton?“, erklärt in diversen literaturhistorischen Werken Heines literarische Leistung mit biographischen Restriktionen: „Hei149)
Zum antisemitischen Topos ‚Heinrich Heine‘: Paul Peters: Heinrich Heine. „Dichterjude“. Die Geschichte einer Schmähung, Frankfurt/M. 1990. 150) Zitate aus (in der Reihenfolge der Zitation): Friedrich Vogt/Max Koch: Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Zweiter Band, 3. Aufl. Leipzig/Wien 1910, S. 426; Elisabeth Margarete Hamann: Abriß der Geschichte der deutschen Literatur. Zum Gebrauche an höheren Unterrichtsanstalten und zur Selbstbelehrung bearbeitet, 5. Aufl. Freiburg 1907, S. 236; Otto von Leixner: Geschichte der deutschen Literatur, 3. Aufl. Leipzig 1894, S. 929; Johann Çerny: Die deutsche Dichtung. Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte mit einem Anhang: Hauptformen der Dichtung, Leipzig/Wien 1929 (Erstausgabe 1915), S. 313; Carl Weitbrecht: Deutsche Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Bd. 1, Leipzig 1902, S. 62; Friedrich Lienhard: Deutsche Dichtung in ihren geschichtlichen Grundzügen, Leipzig 1917, S. 127; Georg Witkowski: Die Entwicklung der deutschen Literatur seit 1830, Leipzig 1912, S. 9.
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nes menschliches und dichterisches Wesen ist ganz nur zu begreifen aus seiner Geburt als Jude, aus Widersprüchen in Widersprüche hinein“ und strapaziert mit einem derart objektiviert erscheinenden Ausgangspunkt der Heineschen Sozialisation nur wieder altbekannte Topoi von zersetzendem Außenseitertum.151) Literaturgeschichten, die vom Gebrauch antisemitischer Stereotype absehen, bildeten im Absatzsegment der Bartelsschen Literaturgeschichte eine Minderheit. Veröffentlichungen, die ohne diskriminierende Momente auskamen, waren zum einen ein halbes Dutzend Novitäten aus den Anfangsjahren der Weimarer Republik, zum anderen ältere, dezidiert für den Schulgebrauch produzierte literaturhistorische Unterrichtswerke sowie, als einziges Standardwerk des Kaiserreichs, die „Geschichte der deutschen Literatur“ (Erstausgabe 1883) von Wilhelm Scherer.152) Die Untersuchung eines der einflussreichsten deutschen Germanisten des 19. Jahrhunderts, die 1927 in der sechzehnten Auflage von seinem ehemaligen Assistenten, dem damaligen Göttinger Ordinarius Edward Schröder, herausgegeben wurde, hatte die künstlerische Charakterisierung in Form historisch-empirischer Poetik zum Gestaltungsprinzip erhoben, das hinfort zahlreiche Nachahmer fand. Diese positivistische Methode war zwar keine Barriere gegen zunehmenden Antisemitismus, wie methodisch ähnlich strukturierte Literaturgeschichten zeigen, dennoch urteilt Scherer über Heinrich Heine überraschend euphorisch: „Und doch wird man die Namen Goethe und Heine immer nebeneinander aussprechen müssen, wenn es sich um deutsche Lyrik handelt.“153) Die Literaturgeschichtsschreibung der Weimarer Republik im Absatzsegment populär angelegter Literaturgeschichte zeigt ein eigentümliches Bild, das, betrachtet man die Novitäten, in zwei Extreme zerfällt: einerseits wurden antisemitische Ressentiments in den Publikationen Friedrich von der Leyens und Josef Nadlers, und hier insbesondere im 1928 veröffentlichten Abschlussband seiner Literaturgeschichte, radikaler gebraucht, andererseits tendierte die Mehrheit der wenigen literaturhistorischen Novitäten der Weimarer Republik bei der Klassifikation deutscher Literatur zur objektivierenden Vor151) Eduard Engel: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis in die Gegenwart. Bd. 2, Leipzig/Wien 1922, S. 485; vgl. auch ders.: Geschichte der deutschen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts und der Gegenwart, Wien/Leipzig 1908, S. 167. 152) Zu Scherer und seiner Literaturgeschichte: Hans-Harald Müller: Wilhelm Scherer (1841–1886), in: Christoph König/Hans-Harald Müller/Werner Röcke (Hrsg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts, Berlin/New York 2000, S. 80–94; Wolfgang Höppner: Literaturgeschichte erzählen. Zur Methodologie der Literaturhistoriographie bei Wilhelm Scherer, in: Daviau/Arlt (Hrsg.): Geschichte, S. 24–39. 153) Vgl. Wilhelm Scherer: Geschichte der deutschen Literatur, 16. Aufl. Berlin 1927, S. 664; Werner Michler vertritt den Standpunkt, der Positivismus Wilhelm Scherers sei ein Hemmschuh gegen den zunehmenden Antisemitismus vgl. Werner Michler: Lessings „Evangelium der Toleranz“. Zu Judentum und Antisemitismus bei Wilhelm Scherer und Erich Schmidt, in: Anne Betten (Hrsg.): Judentum und Antisemitismus. Studien zur Literatur und Germanistik in Österreich, Berlin 2003, S. 151–166.
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urteilsfreiheit. Die Einschätzung des Zeitgenossen Josef Wiegand, „im allgemeinen hat die antisemitische Bewegung der [18]90er Jahre wenig Spuren in der Dichtung hinterlassen“, ist hingegen dennoch, zumindest für die populär angelegte germanistische Literaturgeschichte, ein Fehlurteil.154) Das Gros der verfügbaren Publikationen in diesem Absatzsegment bildeten Neuauflagen des Kaiserreichs, in denen unverändert der kulturelle Code des Antisemitismus weiter tradiert wurde. Die Frage nach den Anbietern verliert vor diesem Hintergrund an Gewicht. Wichtiger als der Erscheinungsort, die verantwortliche Verlagsbuchhandlung, war bei der Ausprägung und Verwendung antisemitischer Stereotype der Erscheinungszeitpunkt. Beispielhaft können die Publikationen des Stuttgarter Traditionshauses J. B. Metzler aufgeführt werden. Der Schriftsteller Karl Storck, der ebenfalls bei „Westermanns Monatsheften“ Autor war, wetterte in der neunten Auflage der „Deutschen Literaturgeschichte 1885–1924“ (Erstausgabe 1898) von 1920 noch routiniert, dass Heines „Einfluß […] ein wahres Unheil gewesen“ sei.155) In dem groß angelegten, seit 1922 vom Nietzsche-Experten Julius Zeitler, Leiter der Bibliothek an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Kunstgewerbe in Leipzig, herausgegebenen Fortsetzungswerk „Epochen der deutschen Literatur“ desselben Verlags wurden gemäßigtere Töne angeschlagen. Der Literaturkritiker Hugo Bieber, selbst jüdischer Konfession, verfasste „Der Kampf um die Tradition. Die deutsche Dichtung im europäischen Geistesleben 1830–1880“, kam aber freilich nicht ohne den Hinweis auf die konfessionelle Herkunft Heinrich Heines, dessen Briefe und Tagebücher er teilweise ediert hatte, aus. Bieber verharrte in den Argumentationsschleifen einer von Akkulturation jüdischer Autoren und Abwehr antisemitischer Angriffe beanspruchten Strömung der zeitgenössischen Literaturgeschichte, die Heine zum Juden erklärte, um dies gleichzeitig zu entschuldigen. Tragisch umgedeutet, ist bei Bieber die jüdische Herkunft Heines einmal mehr das Fatum seines literarischen Werkes: „Als Jude hat Heine innerhalb der deutschen Kulturgemeinschaft Verletzungen seines Selbstgefühls und Zurücksetzungen seiner Ansprüche erfahren müssen, die ihn wiederholt zu Exzessen des Fühlens und des Denkens hinrissen und seine inneren Widersprüche verschärften, aber auch sein Bewußtsein der dichterischen Ausnahmestellung steigerten.“156) Im Nachfolgeband „Die deutsche Dichtung der Gegenwart. 1885–1924“, von Hans Naumann 1924 publiziert, wurden jüdische Schriftsteller weder als solche bezeichnet noch in irgendeiner Form schmählich bewertet. Dass der Autor 1933 in die NSDAP eintrat und Redner bei der Bücherverbrennung an
154)
Julius Wiegand: Geschichte der deutschen Dichtung nach Gedanken, Stoffen und Formen, in Längs- und Querschnitten, 2. Aufl. Köln 1922, S. 585. 155) Zitat: Karl Storck: Deutsche Literaturgeschichte, 9. Aufl. Stuttgart 1920, S. 398. 156) Hugo Bieber: Der Kampf um die Tradition. Die deutsche Dichtung im europäischen Geistesleben 1830–1880, Stuttgart 1928, S. 111.
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der Bonner Universität im Mai 1933 war, ändert am nicht vorhandenen Antisemitismus der Studie nichts, verdeutlicht aber das dichte politische Positionsgedränge der Weimarer Republik.157) Die verlegerische Indifferenz löst sich tendenziell allerdings bei Betrachtung der primordial antisemitisch codierten Literaturgeschichten auf. Es fällt auf, dass gleiche Autoren in unterschiedlichen Verlagen zu unterschiedlichen Radikalitätsextremen neigen, sodass sich dann die antisemitische Ausrichtung einer Publikation in Relation zu ihrem Publikationsort setzen lässt. Bestes Beispiel sind die erwähnten Literaturgeschichten von Adolf Bartels selbst, deren Grad an antisemitischer Provokation mit dem Programm der verantwortlichen Verlagsbuchhandlungen korrespondiert. Ähnlich verhält es sich mit den literaturhistorischen Werken Friedrich von der Leyens. 1922 veröffentlichte er die oben erläuterte, primordial rassistische „Deutsche Dichtung in neuer Zeit“ im Eugen Diederichs Verlag. Ein weiteres Werk, „Geschichte der deutschen Dichtung“, wurde 1925 in der Münchner F. Bruckmann AG publiziert, deren Aufsichtsrat von der Leyen angehörte.158) Obgleich es sich beim Bruckmann Verlag um den Verlag von Chamberlains „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ handelte, finden sich bei von der Leyen, abgesehen von den obligatorischen abfälligen Bemerkungen zu Heinrich Heine, keine rassistischen oder antisemitischen Werturteile. In der zweiten Auflage von 1931 verfällt von der Leyen dagegen in die antisemitische Methodik von Adolf Bartels und vermerkt in einer der Publikation angehangenen Zeittafel die regionale Herkunft der Schriftsteller.159) Neben „Heinrich von Kleist (märkisch)“ oder „Josef von Eichendorff (schlesisch)“ kann man „Ludwig Börne (jüdisch, Frankfurt)“ und selbstredend „Heinrich Heine (jüdisch, Düsseldorf)“ lesen. Für die Literaturgeschichte von Adolf Bartels im Westermann Verlag bedeutet diese Situation im Absatzsegment zum einen, dass die antisemitische Radikalität von Bartels in allgemein weit verbreiteten antisemitischen Ressentiments Rückhalt fand. Zum anderen wird deutlich, wie ein Großteil der neu aufgelegten Literaturgeschichten des Kaiserreichs, darunter die „Geschichte der deutschen Literatur“ von Adolf Bartels, die obligatorische, kulturelle Codierung des wilhelminischen Antisemitismus in den populären literaturhistorischen Diskurs der Weimarer Republik verschleppte.
157)
Als eine „ideologische Vorbereitung der völkischen Literaturgeschichte“ liest Gerhard Sauder „Die deutsche Dichtung der Gegenwart“, vgl. Gerhard Sauder: Germanisten als Redner bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, in: Thomas Cramer (Hrsg.): Literatur und Sprache im historischen Prozeß. Vorträge des Deutschen Germanistentages Aachen 1982. Bd. 1. Literatur, Tübingen 1982, S. 132–151. Zu Hans Naumann vgl. Otfrid Ehrismann: Naumann, Hans, in: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2, S. 1307–1310. 158) Vgl. Kathrin Stegbauer: von der Leyen, Friedrich Gustav, in: ebd., S. 1082–1086. 159) Vgl. dazu: Conrady: Germanistik, S. 65.
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4. Rassenkunde 4.1 Otto Hausers Rasse-Reihe Der Autor Otto Hauser, geboren 1876 im heutigen Kroatien, lebte als Schriftsteller, Journalist und Übersetzer seit der Jahrhundertwende in Wien. In einer Vielzahl seiner Romane, Lyrikbändchen, Erzählungen und Abhandlungen finden sich seit 1909 antisemitische Tendenzen, die nach dem Ersten Weltkrieg überhand nehmen. Rassistische und antisemitische Publikationen Hausers erschienen Anfang der zwanziger Jahre im Weimarer Alexander Duncker Verlag, dessen Geschäftsführer Hermann Kellermann in Aktivitäten des völkischen Verbandslagers eingebunden war. Hauser veröffentlichte im Westermann Verlag in den Jahren 1924/25 innerhalb einer eigenen Reihe insgesamt sechs ‚Rassebücher‘: „Rassezucht“, „Rasse und Kultur“, „Rasselehre“, „Rasse und Gesundheit“, „Rassebilder“ und „Reine Lebensführung“. Inhaltlich gemeinsam ist ihnen die Codierung eines biologistisch primordialen Rassismus. Variiert werden Formen der Abgrenzung und Abwertung. Der Band „Rasse und Kultur“ liefert eine Art Grundlage der ‚RasseReihe‘. Hauser behauptet die Existenz dreier Hauptrassen: der schwarzen, gelben und weißen oder nordischen Rasse. Dieser Unterteilung fügt er eine qualitativ abgestufte Rassentypologisierung der Geschichts- und Kulturwirksamkeit einzelner Rassen bei. Die Hierarchiestufenfolge führt das nordischste aller Völker, das deutsche Volk an. Am entgegen gesetzten Ende findet Hauser „ostische“ Rassentypen sowie Ostjuden und Zigeuner. „Rasselehre“ beinhaltet eine kompakte Zusammenfassung der Rasseneinteilung und Rassentypologisierung von „Rasse und Kultur“. Der Band „Rasse und Gesundheit“ behandelt die Gesundheit des Einzelnen und die Gesundheit des deutschen Volkskörpers. Gesunde Rasse sei die nordische Rasse. Kranke Rassen entstünden vor allem durch Rassenmischung. Die Rassen hätten sich endogam fortzupflanzen. Innerhalb der nordischen Rasse seien fremde Rassenelemente wiederum Juden und Zigeuner. „Rassezucht“ propagiert die Rassenhygiene in externer und interner Spielart, die im Band „Reine Lebensführung“ verschärft wird zur sexuellen Bewertung, Abgrenzung und Disziplinierung von Rassengruppen abgekoppelt vom Fortpflanzungsverhalten. Hauser ordnet die seinem Ideal nach gute Sexualität, die monogame Ehe, der „nordischen Rasse“ zu, alle Abweichungen seien Praktiken der minderwertigen und „Bastardrassen“. Grenzziehung zwischen den Rassen wird zum Eingriff in die Intimität, sexuelles Verhalten rassistischer Rationalisierung unterworfen.160) „Rassebilder“ liefert schließlich das Anschauungsmaterial für
160)
Peter Weingart/Jürgen Kroll/Kurt Beyertz: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, 2. Aufl. Frankfurt/M. 1996, S. 16.
4. Rassenkunde
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Hausers theoretische Ausführungen mittels 160 Porträtfotografien der „Dinarischen“, „Ostischen“, „Alpinen“, „Juden“ und „Nordlinge“. Hauser benennt in „Reine Lebensführung“ sein Zielpublikum: „Dieses Buch ist wieder hauptsächlich für die Jugend bestimmt, für Jungen wie Mädchen“,161) und bezeichnet damit die Anschlussstelle der Reihe im Verlagsprogramm von Westermann: die pädagogische Ausrichtung des Schulbuchverlags, der diese Reihe als handliche Bücher zur Selbsterziehung der Jugend konzipiert hatte. Die Beteiligung eines pädagogischen Verlags wie Westermann an rassentheoretischen Debatten leuchtet angesichts ausgesprochener Austauscheffekte zwischen biologischen, pädagogischen und politischen Wissenschaften in den anwendungsorientierten Subdisziplinen Sozialoder Heilpädagogik ein.162) Zudem diese Fachrichtungen für Eugeniker und Rassenhygieniker zwecks Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Besserungsutopien von Nutzen sein konnten. Das vertragliche Verhältnis zwischen Hauser und dem Westermann Verlag regelten die Vorgaben zweier Schriftstücke: ein vorläufiger Verlagsvertrag, der am 1. April 1924 rechtsgültig wurde, und ein Hauptvertrag, der am 2. Februar 1925 in Kraft trat. Der vorläufige Vertrag ordnete den Umfang der Titel „Rassezucht“, „Rasselehre“, „Die Menschwerdung“ und „Rasse und Kultur“. Diesbezüglich wurden Hauser enge Vorgaben gemacht. „Rasse und Kultur“ sollte 20–25 Druckbogen umfassen, die übrigen Titel zehn Druckbogen, was für die gebundene Form ca. 130–40 Seiten Umfang bedeutete. Das Format wurde auf kleinoktav festgelegt.163) Allen Bänden gemeinsam war neben ihrer rassistischen Ausrichtung ihre einheitliche Aufmachung. Ihr Seitenumfang bewegte sich zwischen 130 und 170 Seiten, lediglich der Fotoband „Rassebilder“ überstieg 200 und der Einführungsband „Rasse und Kultur“ 300 Seiten. Das handliche Format, der dunkelgrüne Leineneinband, worauf der Autorenname und Titel jeweils in gelber Frakturschrift aufgedruckt waren, ergab optisch und haptisch eine handliche, durchaus ansehnliche und geschenkfähige rassenkundliche Reihe. Der Hauptvertrag zwischen dem Westermann Verlag und Otto Hauser befestigte den Reihencharakter der Hauserschen Titel inhaltlich. Er „betrifft alle von Herrn Otto Hauser in dem Verlage Georg Westermann künftig bis zum 31. Dezember 1930 zu veröffentlichenden Bücher rassekundlichen Inhalts.“ Da der Vertrag gleichfalls die übliche Klausel enthielt, dass „Herr Otto Hauser [sich] verpflichtet […] keine gleichen oder ähnlichen Werke, die diesen Büchern Konkurrenz machen könnten, allein oder in Verbindung mit an161)
Otto Hauser: Reine Lebensführung, Braunschweig/Hamburg 1925, S. 8. Zur Sozialpädagogik der Weimarer Republik einschlägig: Detlev J. K. Peukert: Grenzen der Sozialdisziplinierung. Aufstieg und Krise der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932, Köln 1986; zum Zusammenhang von Eugenik und Pädagogik: Jürgen Reyer: Eugenik und Pädagogik. Erziehungswissenschaft in einer eugenischen Gesellschaft, Weinheim/München 2003, spez. S. 134–162. 163) Vorläufiger Verlagsvertrag Westermann-Otto Hauser, 01. 04. 1924, WWA 21/24, 1. 162)
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III. Der Georg Westermann Verlag
deren Verfassern in einem anderen Verlage erscheinen zu lassen“, hatte sich der Westermann Verlag das Monopol auf dem Gebiet der Hauserschen Rassebücher gesichert164) – ein Monopol, das auf das unbestimmte Kriterium „rassekundlicher Inhalt“ abzielte und dieses damit zu einem Kriterium machte, das Regalplätze auf dem Buchmarkt hätte sichern können. Alle Hauserschen Titel zeigten ein desolates Absatzverhalten. Der Versuch des Westermann Verlags, das Absatzsegment ‚Rassenkunde‘ für den Verlag geschäftlich nutzbar zu machen, kann als Fehlspekulation bezeichnet werden. Diese Aussage lässt sich treffen, obwohl die Überlieferungen der SkontroBücher lückenhaft ist. Für Hausers „Rasselehre“, 1925 erschienen, sind Absatzzahlen und Herstellungskosten seit 1928 überliefert. Im Zeitraum von 1928 bis 1932 verkaufte Westermann 174 Exemplare der „Rasselehre“, der Absatz stockt. 1933 stieg der Absatz auf 127 Exemplare an, davon werden allerdings 60 remittiert, d. h. vom Kommissions- oder Sortimentsbuchhandel an den Verlag zurückgegeben. Die Herstellungskosten entsprechen den Honorarkosten und belaufen sich im gleichen Zeitraum auf insgesamt RM 20.165) Die Absatzzahlen und Herstellungskosten von „Rasse und Gesundheit“ sind vollständig für die Jahre 1925–33 überliefert und können damit analoge Rückschlüsse auf fehlende Daten von „Rasselehre“ oder „Gesunde Lebensführung“ ermöglichen. Die Herstellungskosten des Titels betrugen für das Herstellungsjahr 1925 RM 2249, davon waren RM 52 Werbekosten, die in 500 Waschzettel und 500 Prospekte investiert wurden. Die Herstellungskosten der Folgejahre belaufen sich auf minimale Honorarzahlungen an Hauser. Der Gesamtabsatz in den Jahren bis 1933 betrug 552 Exemplare. Die Absatzlage von „Gesunde Lebensführung“ stellte sich minimal besser dar. Herstellungskosten von insgesamt RM 2300 stand ein Gesamtabsatz in den Jahren 1925–29 von 429 Exemplaren gegenüber.166) Der Absatz betrug pro Jahr jeweils ca. 50 Exemplare, nur die Jahre 1926 und 1928 erbrachten mit 175 bzw. 104 ausgelieferten Exemplaren jeweils ein Absatzhoch. Die Werbekosten korrespondierten nicht mit der Absatzkurve. Im Erscheinungsjahr 1925 wurden einmalig RM 42 in die Werbung in Form von 300 Waschzetteln und 3000 Buchkarten investiert.167) Die schlechte Absatzlage zwang die Verlagsleitung zu Konsequenzen. Im November 1930 wurde Hauser die Aufhebung des Ladenpreises für seine bei Westermann erschienenen Bücher angekündigt, da es der Verlagsleitung „leider […] trotz aller Bemühungen nicht möglich gewesen [ist], in den letzten Jahren von Ihren in meinem Verlage erschienenen Büchern Absatzziffern zu erzielen, wie beide Teile sie in ihrem Interesse erhoffen müssten.“168) Die
164)
Verlagsvertrag Westermann-Otto Hauser, 02. 02. 1925, WWA 21/24, 1. Verlags-Skontro WWA 2/281/5, S. 3224. 166) Verlags-Skontro WWA 2/281/3, S. 2250. 167) Verlags-Skontro WWA 2/281/3, S. 2250. 168) Westermann Verlag an Otto Hauser, 24. 11. 1930, WWA 21/24, 1. 165)
4. Rassenkunde
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Verlagsrechte für „Rasse und Kultur“ gingen 1933, trotz der zu erwartenden besseren Absatzlage für rassenkundliche Publikationen, zurück an den Autor.169) Die Bewerbung der Hauser-Titel fiel eher sparsam aus. Anzeigen wurden für die Gesamtreihe bei den Verlagen C. H. Beck, Theodor Fritsch, dem Süddeutschen Verlag und R. Voigtländers geschaltet und in einem nicht näher bezeichnetem völkischen Blatt, vermutlich dem Weihnachtskatalog der Vereinigung völkischer Buchhändler von 1926.170) Es erfolgte mithin eine eindeutige Platzierung des Titels im konservativen bis rechtsextremen Verlagslager. Im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ wurde die Rasse-Reihe Ende März 1925 angekündigt. Die Form der Anzeige entsprach dem typischen Design einer Westermann-Anzeige im „Börsenblatt“, zwar ganzseitig und durchaus von werbetechnischer Kompetenz geprägt, aber ohne zusätzliche Verkaufsanreize. Weitere Anzeigen der ‚Rassebücher‘ erschienen im „Börsenblatt“ Ende November 1925, rechtzeitig, um dem Sortimentsbuchhandel die Vorratshaltung zum Weihnachtsgeschäft zu ermöglichen, und Anfang Februar 1926. Werbekosten der Einzeltitel in durchschnittlicher Höhe wurden für Waschzettel, Prospekte, Buchkarten und im Fall von „Rasse und Gesundheit“ für fünf Reisemuster verwendet. Die Versendung von Freiexemplaren entsprach dem großzügigen, im Westermann Verlag üblichen Durchschnitt von knapp 100–150 Exemplaren und war, gemessen an den nachweisbar abgedruckten Rezensionen, erfolglos. Pro Titel lassen sich ein bis drei Rezensionen nachweisen, deren Organe sich weder thematisch noch politisch auf ein anvisiertes und erreichtes Zielpublikum eingrenzen lassen. Das Spektrum reichte von Braunschweiger Heimatschriften über prähistorische Fachzeitschriften zum Gesundheitsblättchen „Biologische Heilkunst“, das einen hämischen Verriss von „Rasse und Gesundheit“ abdruckte und damit dem Tenor der Rezensionsurteile gleichkam. 4.2 Absatzsegment: Rassenkunde im Taschenbuchformat Hausers Rasse-Bücher stehen in Konkurrenz zu populären rassenkundlichen Einführungsbänden. Im Rahmen dieser Arbeit gibt es Überschneidungen mit den Absatzsegmenten der Publikationen Herman Lundborgs im Gustav Fischer Verlag, der jedoch sein Stammpublikum in wissenschaftlichen Institutionen und im naturwissenschaftlichen Fachkreisen hatte, anders als der auf breitere Schichten von Absatznehmern ausgerichtete Geographie-, Belletristik- und Schulbuchverlag Georg Westermann. Für den Zeitraum von 1919–32 lassen sich im Deutschen Reich annähernd 25 Novitäten im Bereich populärer rassenkundlicher Einführungen feststel169)
Westermann Verlag an Otto Hauser, 22. 04. 1933, WWA 21/24, 1. Dort abgedruckt: Das deutsche Buch. Eine Auswahl für den Weihnachtstisch. Hrsg. v.d. Vereinigung völkischer Buchhändler 6 (1926), S. 27. 170)
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III. Der Georg Westermann Verlag
len.171) Der J. F. Lehmanns Verlag in München war eindeutiger rassenkundlicher Marktführer mit der „Rassenkunde des deutschen Volkes“ von Hans F. K. Günther, dessen erste Auflage 1922 und dessen 14. neu bearbeitete Auflage 1930 herauskam, und dem „Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz, der 1921 in erster und 1932 in vierter Auflage erschien. Beide Bände sind mit Einschränkung als Konkurrenzpublikationen Hausers zu betrachten, da insbesondere der „Baur-Fischer-Lenz“ auch an ein medizinisches Fachpublikum gerichtet war. Bis 1924 blieb die Rassenkunde ein Geschäftsfeld, das Lehmann und einige andere ‚einschlägig‘ bekannte völkische Verleger, wie Alexander Duncker oder Erich Matthes, weitgehend unter sich ausmachten. Seit 1925, den stabilen Jahren der Republik und des Buchhandels, expandierte Lehmann unter Zuhilfenahme von Produktvarianten des Rasse-Günther, und es erweiterte sich das Ensemble der im Absatzsegment tätigen Verlage. Die Franckh’sche Verlagshandlung, auf populäre, naturwissenschaftliche Jugendschriften spezialisiert, fand sich 1925 mit Adolf Baslers „Einführung in die Rassen- und Gesellschaftsphysiologie“ im rassenkundlichen Absatzsegment ein. 1927 beteiligten sich Curt Kabitzsch mit Karl Wolffs „Rassenlehre“, der Schul- und Volksbildungsverlag Quelle & Meyer mit Ernst Vatters „Die Rassen und Völker der Erde“ und Ullstein mit „Rasse und Rassenentstehung beim Menschen“ von Eugen Fischer an der Konkurrenz. 1930 kam ein rassenkundlicher Reclam-Band heraus: die „Rassenkunde“ von Walter Scheidt, Anthropologe am Hamburger Völkerkundemuseum. Alle Publikationen, außer dem bekanntermaßen einfach ausgestatteten Reclam-Band, waren als kostengünstiges und handhabbares Taschenkompendium aufgemacht, das trotzdem anschauliches Foto-, Abbildungs- und Kartenmaterial lieferte. Zum Großteil waren sie Bestandteil populär angelegter allgemein- oder naturwissenschaftlicher Buchreihen, so in „Franckhs wissenschaftlicher Bibliothek“, in der Reihe „Wissenschaft und Bildung“ bei Quelle & Meyer und in der Unterreihe „Menschenkunde“ der allgemeinbildenden Sammlung „Wege zum Wissen“ bei Ullstein. Der rassenkundliche Band des Reclam Verlags fand zwar keine Aufnahme in die Verlagsreihe „Bücher der Naturwissenschaften“, wurde aber im Zusammenhang mit medizinischen Reclam-Bänden zu den Themen Er-
171)
Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 1249–1250 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 583–584 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1923, S. 653 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1220–1221 („Rasse“); ergänzt durch: Achim Gercke/Rudolf Kummer (Hrsg.): Die Rasse im Schrifttum. Ein Wegweiser durch das rassekundliche Schrifttum, 2. Aufl. Berlin 1934; aussortiert wurden alle Publikationen medizinischer Fachverlage (abgesehen von J. F. Lehmanns), Publikationen mit einem Umfang von unter 100 und über 500 Seiten sowie Publikationen mit einer Preisauszeichnung unter RM 1,– (ausgenommen der rassenkundliche Reclamband).
4. Rassenkunde
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nährung, Zahnhygiene oder Makrobiotik beworben und damit gleich den Konkurrenztiteln in einem kanonisierten Wissenskontext verortet. Insbesondere die Veröffentlichungen der Verlage Reclam und Ullstein signalisieren, dass die Rassenkunde seit der zweiten Hälfte der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre in einer breiteren Öffentlichkeit auf Absatzchancen hoffen konnte. Das Ausgreifen der Rassenthematik bedeutete aber nicht gleichzeitig das Ausgreifen von Rassismus. Abgesehen von der „Rassenlehre“ Karl Wolffs, ein den Alldeutschen nahe stehender freischaffender Volkskundler und Journalist, im Curt Kabitzsch Verlag, Tochterunternehmen des medizinisches Großverlags J. A. Barth mit dem Spezialgebiet der Vor- und Frühgeschichte Gustaf Kossinas, und Adolf Baslers „Einführung in die Rassen- und Gesellschaftsphysiologie“ bei Franckh blieben die erwähnten Publikationen bei einer deskriptiven Konstruktion ethnischer Gruppen mittels des Rassebegriffs, bewerteten diese aber nicht. Wie schmal der Grat zwischen Rassismus und Nicht-Rassismus allerdings war, zeigt die Rassenlehre von Eugen Fischer, Lehmann-Autor und Direktor des Kaiser Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, im Ullstein Verlag. Ausgerechnet in eine Publikation des Verlags, der von rechtsextremer Seite zum jüdischen Erzfeind par excellence stilisiert wurde, verirrten sich antisemitische Stereotypien wie die Abbildung einer „Nasentypologie der Menschen“, die sich aus den drei Typen „Adlernase eines Europäers“, „Judennase“ und der „Primitivform, der Nase eines afrikanischen Pygmäen“ zusammensetzte.172) Eigenen Angaben zufolge übernahm Fischer die Nasenmuster einer anthropologischen Arbeit Hans Friedenthals. Ähnliche graphische Gestaltung zeigten daneben auch die Nasenklassifikationen der jüdischen anthropologischen Selbstanalyse von Maurice Fishberg „The Jews. A study of race and environment“. 1911 verfasst, verwendete Hans F. K. Günther Fishbergs Typologien in seinen Rassenkunden, obgleich Fishberg im Begleittext der Grafik ausführlich dargelegt hatte, dass eine typisch jüdische Nasenform quantitativ nicht nachweisbar sei.173) Die jüdische Nase erwies sich als ein penetrantes Faktotum des antisemitischen Codes. Unbewiesen mäanderte die griffige Nasen-Grafik, die ein überzeugenderes 172)
Eugen Fischer: Rasse und Rassenentstehung beim Menschen, Berlin 1927, S. 96; bei der Arbeit Friedenthals handelt es sich um: Hans Friedenthal: Sonderformen der menschlichen Leibesbildung. Ein Vergleich der vergleichenden Formenlehre der menschlichen Gestalt, Jena [Gustav Fischer] 1910. 173) Maurice Fishberg: The Jews. A study of race and environment, London/New York 1911, repr. New York 1975, S. 85, eine deutsche Übersetzung erschien 1913 unter dem Titel „Die Rassenmerkmale der Juden. Eine Einführung in ihre Anthropologie“ im Münchner Verlag Reinhardt; Hans F. K. Günther: Rassenkunde des jüdischen Volkes, 2. Aufl. München 1930, S. 218; zur Penetranz und Zentralität des Vorurteils der „jüdischen Nase“ vgl. Sander L. Gilman: The Jew’s body, New York/London 1991, S. 169–193; ders.: Der „jüdische Körper“. Gedanken zum physischen Anderssein der Juden, in: Julius H. Schoeps/ Joachim Schlör (Hrsg.): Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, München 1995, S. 167–179.
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Argument war als der Beweis der Nicht-Legitimität des Vorurteils, sowohl durch antisemitische Rassenkunden als auch durch Publikationen des Gegendiskurses. Selbst ohne explizite Ausführung des antisemitischen Codes waren seine Bestandteile präsent.
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler Ewald Banse (1883–1953), gebürtiger Braunschweiger, studierte Geologie, Geographie und Zoologie bei Ferdinand von Richthofen in Berlin sowie bei Alfred Kirchhoff und Willi Ule in Halle.174) Nach einer abgebrochenen Dissertation verließ er 1906 Halle und verbrachte die nächsten Jahre auf Reisen durch den Nahen Osten, Kleinasien und Nordafrika. Anschließend war er freier Schriftsteller und Vortragsreisender, lebte in seiner Heimatstadt Braunschweig und in Weimar, unterbrochen von einer einjährigen Redakteurstätigkeit im Brockhaus-Verlag in Leipzig 1911/12. Später wurde er wieder in Braunschweig ansässig, wo er 1932 eine Honorarprofessur für gestaltende Geographie an der Technischen Hochschule wahrnahm. Aufgrund der nationalsozialistischen Propaganda für sein Buch „Raum und Volk im Weltkriege“ wurde er von dort relegiert, konnte aber 1933 an die Technische Hochschule in Hannover wechseln. 1945 wurde er seines Amtes enthoben. Vom Westermann Verlag als „Einstein und Spengler der Geographie“ beworben, von Wilhelm Stapel als „Geograph von Geblüt“ gefeiert und von Alfred Hettner als „enfant terrible der Geographie“ verspottet, gefiel sich Banse selbst im Part des Mythologen, der sich abseits von Sachzwängen der offiziellen Universitätsgeographie verortete.175) Zum einen fand er wissenschaftliche Gemeinsamkeiten bei der politischen Geographie der Geopolitiker um Karl Haushofer. Zum anderen erwuchs Banses ästhetische Landschaftsgeographie, die er den vorgeblich geist- und leblosen Zahlen, Tabellen oder Bodenprofilen der Universitätsgeographie entgegenstellte, den schulgeographischen, eng an heimatkundliche Prinzipien von Anschauung und unmittelbarer Erfahrung angelehnten, länderkundlichen Konzepten der Jahrhundertwende.176) Der zentrale Ausgangspunkt von Banses Landschaftsgeographie war sein Landschaftsbegriff, dessen Ausprägung vom Siegeszug einer auf einem holis174)
David Thomas Murphy: The heroic earth. Geopolitical thought in Weimar Germany. 1918–1933, Kent/London 1997, S. 75ff.; Dietmar Henze: Ewald Banse und seine Stellung in der Geographie auf Grund seiner Schriften, Tagebücher und Briefe, Marburg 1968; Bergit Korschan-Kuhle: Banse, Ewald, in: Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert, Hannover 1996, S. 38f. 175) Zum Typus des Mythologen: Giesen: Identität, S. 242ff.; durchaus eng verwandt mit dem „proletaroiden Intellektuellen“ wie Stefan Breuer ihn an Max Weber anschließend entwirft, vgl. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik, Darmstadt 2008, S. 130f. 176) Vgl. Schultz: Geographie, S. 128ff.
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler
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tischen Landschaftsbegriff fußenden geographischen Forschungsrichtung begleitet wurde. Bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts sollte „Landschaft ein wirkungsmächtiges Paradigma geographischer Wissenschaft“ bleiben.177) Bei Banse stellt eine so genannte „Landschaft“ eine geographische Betrachtungseinheit dar, die sich mittels eines lebensphilosophisch anmutenden, optisch-emotionalen Eindrucks und seelisch-intuitiver Einfühlung erfassen lässt.178) Alexander von Humboldt zum Zeugen aufrufend, ist für Banse zur Bewertung einer Landschaft ihre ausschließlich nach ästhetischen Gesichtspunkten erfolgende Gesamtschau ausschlaggebend. Die methodologischen Maßstäbe, die einen Betrachter dazu befähigen sollen, einen Eindruck von einer Landschaft zu gewinnen, bleiben bei Banse vollkommen unklar. Trotz seines ästhetischen Anspruchs verstand Banse seinen Landschaftsbegriff nicht konstruktivistisch, wie es beispielsweise der Zeitgenosse Georg Simmel in anderem Zusammenhang tat.179) Die Wahrnehmung des Betrachters bildet bei Banse objektive Realität ab. Darüber hinaus setzt er diesen ästhetischen und gleichzeitig objektiven Wirklichkeitseindruck einer Landschaft in deterministische Relation zu den kulturellen Hervorbringungen ihrer Bewohner. Den sozialen und kulturellen Orientierungs- und Identitätsfunktionen, die dem Landschaftsbegriff im 19. Jahrhundert verstärkt zukamen, repräsentiert in Landschaftsmalerei, touristischer Vermarktung von Landschaften oder ihrer architektonischen Ausgestaltung, fügte Banse normierende Ausschlusskriterien ihrer Bewohner an.180) Banses geographischer Ästhetizismus wird zu einem Code der Grenzziehung zwischen sozialen Gruppen und die autonome Sphäre des ästhetischen Eindrucks zum sozio-kulturellen Konstitutions- und Normierungskriterium kollektiver Identitäten. Entscheidend für die primordiale Geschlossenheit dieser kollektiven Gruppen ist zum einen die mystische Methodologie Banses, aber auch das Fehlen jeglicher historischer Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten von Landschaften und Bewohnern. Banse bewegte sich hier im Kontext zeitgenössischer, antihistorischer geographischer Wissenschaft, die aber nicht zwingend den geographischen Erkenntnishorizont des 19. und 20. Jahrhunderts spiegeln.181) Noch der 177) Vgl. Winfried Schenk: „Landschaft“ und „Kulturlandschaft“ – „getönte“ Leitbegriffe für aktuelle Konzepte geographischer Forschung und räumlicher Planung, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 146 (2002), Heft 6, S. 6–13; wissenschaftshistorisch dokumentierend: Karlheinz Paffen (Hrsg.): Das Wesen der Landschaft, Darmstadt 1973. 178) Vgl. Ewald Banse: Landschaft, in: ders. (Hrsg.): Lexikon der Geographie. Bd. 2, Braunschweig 1923, S. 10ff. 179) Vgl. Schultz: Geographie, S. 136f. 180) Zur sozialen und kulturellen Funktionalisierung von Landschaften: Joan M. Schwartz/ James R. Ryan: Introduction. Photography and the geographical imagination, in: dies. (Hrsg.): Picturing place. Photography and the geographical imagination, London/New York 2003, S. 1–18, hier: S. 3. 181) Vgl. Hans H. Blotevogel: Geschichte der Geographie, in: Lexikon der Geographie. Bd. 2, Heidelberg 2002, S. 38–40; Jürgen Osterhammel: Geschichte, Geographie, Geohistorie, in: Wolfgang Küttler/Jörn Rüsen/Ernst Schulin (Hrsg.): Geschichtsdiskurs. Bd. 3. Die
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III. Der Georg Westermann Verlag
geographische Gründervater Carl Ritter plädierte für eine Historisierung der Geographie. Daneben zeigt das possibilistische Gegenmodell der Géographie humaine Paul Vidal de la Blaches, dass auch zeitgenössisch andere Vorstellungen in der Betrachtungsweise lebensräumlicher Einheiten möglich waren, die ein Zusammenwirken geographisch-naturgegebener und historisch-kultureller, vom Menschen beeinflussbarer Faktoren vorsieht.182) Publizistisch war Banse vor allem dem konservativen neuen Nationalismus verbunden.183) Die Verlage seiner Bücher deckten daneben eine breite Front verlagspolitischer Muster ab, deren Bandbreite den Publikationseifer des Autoren, aber auch die Entwicklungsdynamik von Verlagsprogrammen im Zeitraum von 1910 bis in die 1940er Jahre hinein zeigt. Banse begann seine Autorenlaufbahn bei Gebauer-Schwetschke (Halle) sowie Teubner (Leipzig) und begründete 1912 auf Anregung des Verlegers Hermann Kellermann im Weimarer Alexander Duncker Verlag die Zeitschrift „Die Erde. Illustrierte Monatsschrift für Länder- und Völkerkunde“.184) 1914–31 publizierte Banse vorwiegend im Westermann Verlag. 1932 wechselte er zum Beltz Verlag (Langensalza), der in den Folgejahren einen Großteil seiner Bücher produzierte. Die Verlage Scherl (Berlin), J. F. Lehmanns (München), Stalling (Oldenburg), Irminsverlag (Weißenfels) und der Armanen-Verlag (Leipzig), bei denen Banse vereinzelt seit 1929 veröffentlichte, lassen einerseits die Anschlussfähigkeit von Banses Publikationen im rechten politischen Lager vermuten. Andererseits waren jedoch auch die Verlage Reclam (Leipzig), Parey (Berlin) und Perthes (Gotha) seit 1929 Publikationsorte des Vielschreibers Ewald Banse. Die politisch-geographische Ideenwelt Banses war also auch für ein breiteres Publikum anschlussfähig, und man kann von einer programmatischen Annäherung an politisch rechtsnationale und politisch neutrale Verlage in diesem Zeitraum ausgehen.185) Dabei stehen die Publikationen im Reclam Verlag den zeitgleich hervorgebrachten im Westermann Verlag an rassistischer Radikalität in nichts nach, seien es die im heiteren Plauderton gehaltenen und zwischen pittoresken Sujetcharakteristika und rassistischen Stereotypien schwankenden Erzählungen aus dem „Morgenland“ im Reclam-Band „Der Atem des Morgenlandes“ (1929) oder die auf knappem Raum dargestellten primordial codierten rassistischen Landschafts- und Bewohnertypolo-
Epoche der Historisierung, Frankfurt/M. 1997, S. 257–272; Hans-Dietrich Schultz: Raumkonstrukte der klassischen deutschsprachigen Geographie des 19./20. Jahrhunderts im Kontext ihrer Zeit, in: GG 28 (2002), S. 343–377. 182) Vgl. Lutz Raphael: Die Erben von Bloch und Febvre. Annales-Geschichtsschreibung und nouvelle histoire in Frankreich 1945–1980, Stuttgart 1994, S. 70f. 183) Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. Bd. I, 3. Aufl. Darmstadt 1989, S. 177, 313; vgl. Schultz: Geographie, S. 138. 184) Henze: Ewald Banse, S. 35. 185) So auch allgemein für den deutschen Verlagsbuchhandel zu Beginn der dreißiger Jahre: Wittmann: Geschichte, S. 339.
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler
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gien einer Weltreise des Erzählers im Band „Rund um die Erde. Eine kleine Länder- und Völker-, Landschafts- und Seelenkunde“ (1931).186) Die Veröffentlichungen von Ewald Banse im Westermann Verlag gruppieren sich um drei Themenblöcke: zum ersten das geographische Wissenschaftskonzept, das Banse zum zweiten anhand eines von ihm angewandten Orientoder Morgenlandbegriffs exemplifiziert und das er, zum dritten, in einer Reihe geographischer Lexika und Nachschlagewerke in eine normierende Ordnung gießt. 1911 nahm Banse durch Vermittlung seines Freundes Paul Diercke, der in der Nachfolge seines Vaters Carl Diercke wissenschaftlicher Leiter der Kartographieabteilung des Westermann Verlags war, Kontakt zum Westermann Verlag auf, um ein mehrbändiges Lexikon der Geographie herzustellen.187) 1912 kam es diesbezüglich zu einer Einigung zwischen Banse und dem Verlag. Man wolle, wie es in einem vertraulichen Schreiben Georg Westermanns, zu diesem Zeitpunkt noch Verlagsleiter, vom November 1912 heißt, „ein Buch auf den Markt bringen, welches dem Mangel einer kurzen und modernen Geographie der Erdhülle abhilft […] wir gedenken die Erdhülle in ihrer natürlichen Gliederung von einer Anzahl hervorragender Fachleute bearbeiten zu lassen […]. Die Einteilung des Stoffes findet nach ausschließlich geographischen Gesichtspunkten statt. […] Es muß darauf ankommen, das dem ganzen Erdteil Typische, welches den anderen Erdteilen fehlt, herauszuheben. Die Landschaft muss eine plastische Darstellung erfahren, wobei in erster Linie jene Elemente geschildert werden, welche das Bild der Landschaft beeinflussen.“188) Die weiteren Arbeiten an dem skizzierten „Lexikon der Geographie“ nahm Banse erst 1919 wieder auf. 1915 wurde unter dem Titel „Die Türkei. Eine moderne Geographie“ eine landschaftsgeographische Schilderung des Osmanischen Reichs bei Westermann verlegt, in der Banse den Orientbegriff aufgriff. Schon 1908 hatte Banse diesen für die Geographie reklamiert und 1910 dann in seinem ersten länderkundlichem Werk „Die Atlasländer. Der arabische Orient. Der arische Orient“ elaboriert.189) Der Orient ist nach Banse eine geographische Einheit der Gebiete, in denen die Mehrzahl der Bevölkerung dem Islam angehört. Aufgrund der von Banse vertretenen Korrelation zwischen der Kultur der Bewohner und den geographischen Gegebenheiten einer Region ergibt sich ein Zusammenhang zwischen einer pejorativen Bewertung der islamischen Religion und dem, laut Banse, vorherrschenden Landschaftstypus: öde Step-
186) Vgl. Ewald Banse: Der Atem des Morgenlandes. Erzählungen, Leipzig 1929; ders.: Rund um die Erde. Eine kleine Länder- und Völker-, Landschafts- und Seelenkunde, Leipzig 1931. 187) Henze: Ewald Banse, S. 33ff. 188) Zitiert nach: ebd., S. 39. 189) Ewald Banse: Der Orient – ein geographischer Begriff? in: Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik 31 (1908/09), S. 1–7.
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III. Der Georg Westermann Verlag
penflächen.190) De facto situiert Banse den Orient in den Vorkriegsgrenzen des Osmanischen Reiches. In der Charakterisierung der kulturellen Wertigkeit des Orients folgt Banse nahezu idealtypisch den primordialen Differenzkategorisierungen des Orientdiskurses und weist seinem geographischen Konstrukt den „Begriff einer kulturverschiedenen (und -fremden) Nebenwelt“ zu, die auf tendenziell niedrigerem Kulturniveau stünde als Europa.191) In seinen halbfiktionalen Reiseberichten „Wüsten, Palmen und Basare. Ein Buch von der Natur und der Seele des Morgenlandes“ (1921), das dem „Freund und Verleger“ Hans Reichel gewidmet ist, und „Wage [sic] der Herzen. Menschen und Dinge aus dem Morgenlande“ (1922) überwiegen die traditionellen, romantisierenden Topoi des normativen Orientdiskurses in Form einer Faszination für das fremde Morgenland, für die „Stimmungsschönheit des alten Orients“.192) Bewohner des Orients bevölkern als verniedlichte Statisten Banses Orientabenteuer. Das Auseinanderbrechen des Osmanischen Reiches bezeichnet das Radikalisierungsmoment im Orientbild Banses. Für den neokonservativen Banse war der laizistische, republikanische Nationalstaat Türkei gar nicht mehr tauglich zur Kulisse orientalischer Phantasien. Betrauert Banse in „Wage der Herzen“ den Verlust seiner Imaginationsquelle mit dekadent-melancholischem Gestus, „vielleicht ist der Untergang des Orients nichts anderes als ein Sterben an Schönheit“, markiert die schmale Broschüre „Abendland, Morgenland und Mittagsland. Darlegungen in seelischer Biographie“ von 1923 das Umschlagen in das Extrem einer primordialen, rassistischen Codierung.193) Banse hatte schon 1920 Adolf Bartels für seine Literaturgeschichte, „die in dem mir nahe stehenden Verlage G. Westermann erschienen ist“, Hinweise auf die jüdische bzw. nicht-jüdische Herkunft geographischer Autoren gegeben, beispielsweise der „Jude A. Philippson“ oder „Sigfrid [sic] Passarge (nicht Jude)“.194) Nun sind vordem latente Abwertungsmechanismen zu dominierenden Faktoren in der Gestaltung von Banses Publikationen geworden. Bereits in seinem „Orientbuch“ von 1914 und damit vor Spenglers 1919 erschienenem „Untergang des Abendlandes“ hatte er das Gegensatzpaar „Abendland“ und „Morgenland“ verwendet und zum Erklärungsmuster politischer Krisen des Osmanischen Reiches stilisiert. Gemeinsam mit der Vermittlungseinheit Mittagsland ergibt sich in „Abendland, Morgenland und Mittagsland“ eine Landschaftstriade, die einer absteigenden Skala von Land190)
Ebd., S. 2. Ebd.; zum Orientdiskurs ist Said immer noch einschlägig; zu Banses Orientbegriff vgl. Ute Wardenga: Die Erde im Buch: Geographische Länderkunde um 1900, in: Iris Schröder/Sabine Höhler (Hrsg.): Welt-Räume. Geschichte, Geographie und Globalisierung seit 1900, Frankfurt am Main/New York 2005, S. 120–144, hier: S. 139f. 192) Widmung: Ewald Banse: Wüsten, Palmen und Basare. Ein Buch von der Natur und der Seele des Morgenlandes, Braunschweig 1921, Umschlag; Zitat: ebd., S. 150. 193) Banse: Wüsten, S. 334. 194) Zitate: Ewald Banse an Adolf Bartels, 28. 12. 1920, GSA, Bestand Bartels, 147/103. 191)
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler
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schafts-, Kultur- und Rassencharakteren gleichkommt. Die Landschaft des Morgenlands besitzt nunmehr insgesamt nicht mehr als „ausdruckslose Flächenhaftigkeit“, die mit einem „ebenmäßigen Kulturniveau“ korreliert.195) Graduell nur um weniges besser stellt sich das insgesamt mediokre Mittagsland dar: „Das Mittagsland ist der Gürtel der Mittelmäßigkeit“.196) Die rezeptionsstärkste Publikation Banses war das bereits erwähnte „Lexikon der Geographie“. Es erschien 1923 in zwei Bänden, erlebte 1933 eine zweite Auflage und blieb 45 Jahre lang das geographische Standardlexikon des Westermann Verlags, das den Geographielehrern der Weimarer Republik als „bestes geographisches Lexikon“ an die Hand gegeben wurde.197) Noch 1953 suchte der Herder-Verlag in Freiburg die Witwe Banses um die Verlagsrechte an dem Lexikon nach, diese waren aber einige Jahre zuvor an den Westermann Verlag abgegeben worden.198) Banse gelang es in der Tat, siebzehn teilweise renommierte Autoren zur Mitarbeit an dem Lexikon gewinnen. Sie entstammten zumeist dem Lager der Länderkundler, die im Rahmen ihrer Vorstellungen, einzelne Erdräume idiographisch beschreiben zu können, für eine höhere didaktische Anschaulichkeit der Geographie eintraten (Kurt Hassert, Fritz Machatschek oder Hugo Hassinger). Nach dem Vorbild von Willi Ules „Grundriß der Allgemeinen Erdkunde“ (Erstauflage 1900) und der von Wilhelm Sievers herausgegebenen dazumal fünfbändigen „Allgemeinen Länderkunde“ (1891–1933) sind die Lemmata von Banses Werk nach den geographischen Einheiten von „Ländern“ und „Landschaften“ geordnet, ergänzt durch biographische Artikel, deren Auswahl Ewald Banse assoziativ vornahm. Auf persönliche Präferenzen Banses gehen Stichworte wie „Abendland“ oder „Landschaft“ zurück. Das Werk trägt mitunter chauvinistische Untertöne, vermittelt aber an keiner Stelle rassistische Anschauungen. Geographische Konzepte, die ethnische Gruppen „auf Grund geographischer Anordnung (Gerlach, Ratzel)“ definieren und damit raumdeterminierenden Gruppenkonstruktionen zu Munde reden, werden sogar ausdrücklich, gemeinsam mit „Menschenrassen-Einteilungen auf Grund eines einzigen Merkmals“, als „unhaltbar“ bezeichnet, obgleich Banse zum Zeitpunkt der Lexikonpublikation (1923) in eigenen Veröffentlichungen anderweitige Standpunkte ver195)
Ewald Banse: Abendland, Morgenland und Mittagsland. Darlegungen in seelischer Geographie, Braunschweig 1923, S. 19. 196) Ebd., S. 30. 197) Friedrich Huttenlocher: Die deutsche geographische Literatur nach dem Kriege (1919–1924). Für die Schule bearbeitete bibliographische Zusammenstellung, Stuttgart 1925, S. 15; vgl. auch das Vorwort des 1968 herausgekommenen Nachfolgewerkes: Westermann Lexikon der Geographie. Hrsg. im Auftrag des Georg Westermann Verlages von Dr. Wolf Tietze. Bd. 1, Braunschweig 1968, S. 7: „Vor 45 Jahren brachte der Georg Westermann Verlag das Geographie-Lexikon von Ewald Banse heraus. Seitdem hat es im deutschen Sprachgebiet kein Werk gegeben, das Wissen und Methode der Geographie in ähnlicher Weise vereinte.“ bzw. s.v. „Banse, Ewald“ ebd., S. 342: „Ungeteilten Beifall fand sein [Banses] ‚Lexikon der Geographie‘“. 198) Vgl. hierfür und folgend: Henze: Ewald Banse, S. 45ff.
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III. Der Georg Westermann Verlag
trat.199) „Allergrößten Dank“ schuldet Banse im Vorwort zum „Lexikon der Geographie“ „den Besitzern des Verlags, den Herren [Robert] Hillig, [Georg] Westermann und namentlich meinem Freunde Hans Reichel. Ihr Wagemut, ein so großes Werk herauszubringen, kann nicht genug anerkannt und gerühmt werden. Wie sie meinem geographischen Schaffen überhaupt ein Verständnis entgegentragen, das ich anderswo nicht finden dürfte, so nahmen sie im Frühling 1919 meinen Plan eines Lexikons der Geographie freudig auf und hießen alle meine Maßnahmen zur Durchführung gut.“200) Seit Mitte der zwanziger Jahre kühlte sich das Verhältnis zwischen dem Westermann Verlag und Banse merklich ab. Banses Publikationen waren schwer verkäuflich. Seine seit 1922 bei Westermann produzierte Zeitschrift „Die Neue Geographie. Vierteljahrsblatt für künstlerische Geographie und für Freunde freier Forschung im Leben der Länder und Völker“ wurde mit dem Jahrgang 1925/26 eingestellt.201) Vorangegangen waren Aufforderungen des Verlagsleiters Hans Reichel, der Banse „herzlich [bittet], die reichlich scharfen Angriffe gegen die Wissenschaft und einige deren Vertreter […] doch wesentlich zu mildern.“202) Dennoch wurden weiterhin Publikationen von Banse im Westermann Verlag produziert. 1925 erschien eine „Rassenkarte von Europa“, die in einer „Wachstuch“ und einer „schulfertigen“ Ausgabe erhältlich war.203) 1926 kam der rassistische Fotobildband „Abendland und Morgenland“ und 1931 die rassistische „Illustrierte Länderkunde“ zur Veröffentlichung. 5.1 Rassismus der Anschauung: Abendland und Morgenland Im Band „Abendland und Morgenland. Landschaft, Rasse, Kultur zweier Welten“, bei Westermann 1926 erschienen, führt Banses methodologisches Programm anschauender Klassifizierung zu rassistischen Bewertungen. Das 284 Seiten starke Werk ist, abgesehen von einer kurzen Einleitung, als aufwändiger Fotobildband im Quer-Quartformat gestaltet und besteht im Wesentlichen aus über 250 Schwarz-Weiß-Fotos. Diese sind den zwei thematischen Hauptantagonismen Abendland und Morgenland zugeteilt, die sich wiederum jeweils in die Unterkapitel Landschaft, Rasse und Kultur aufgliedern. Die ästhetische Methode des Landschaftskonzepts konsequent ausführend, setzt Banse auf den visuellen Eindruck fotografischer Landschaftsaufnahmen
199)
Banse: Lexikon, S. 101. Ebd., Vorwort [ohne Seitennumerierung]. 201) Henze: Ewald Banse, S. 52f. 202) Brief von Hans Reichel an Ewald Banse, 16. 10. 1925, zitiert nach: Henze: Ewald Banse, S. 52, Anm. 113. 203) Die Rassenkarte ist verzeichnet in: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 584. Ein Exemplar oder eine Abbildung der Rassenkarte konnten nicht ermittelt werden. 200)
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler
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und verknüpft sie mit passenden Gebäude- und Bewohnerabbildungen.204) Ohne viel Text kommen in dieser Veröffentlichung rassistische Codierungen zum Tragen. Knappe Bild-Untertitelungen lenken die optische Wahrnehmung des Betrachters durch karge, trostlose Landschaften des Morgenlands und kraftvolle, harmonische Landschaften des Abendlands. Die Bewohner beider Landschaften werden parallel zu den Landschaftspolen zwei Hauptrassen, der schwarzen und weißen Rasse, zugeordnet, zwischen denen Banse eine primordial wertende Differenz aufmacht: „es gibt gute Rassen und es gibt schlechte Rassen.“205) Im Verlagsprogramm von Westermann passte sich der Titel in die Tradition bisheriger Veröffentlichungen Banses ein, die, wie „Abendland und Morgenland“, an der Schnittstelle zwischen Reiseberichten und geographischem Sachbuch standen. Beide Genres waren seit den Anfangsjahren des Verlags Bestandteil des Programms. Der Verlagsvertrag zwischen Ewald Banse und dem Westermann Verlag zu „Abendland und Morgenland“ wurde im Dezember 1925 rechtsgültig. Er stellte Banse eine Auflage von 5000 Exemplaren in Aussicht und ein Honorar, das mit fünf Prozent vom Ladenpreis eines jeden verkauften Exemplars der ersten Auflage prozentual unter dem Durchschnitt der Honorierung vorhergehender Veröffentlichungen Banses im Westermann Verlag lag.206) Der Absatz von „Abendland und Morgenland“ verlief schlecht. Insgesamt wurden 1927–30 1928 Stück gedruckt, wovon sich bis einschließlich 1933 495 Stück verkauften. Bei Erscheinen des Titels, im Jahr 1926, wurden zwar sogleich 439 Stück abgesetzt, 1927 brachte allerdings einen rapiden Einbruch mit 58 ausgelieferten Exemplaren. 1929 wurden nur noch zehn Ausgaben des Titels verkauft, in den Folgejahren sank die Absatzzahl unter zehn Exemplare pro Jahr und erst 1933 wurden immerhin wieder 27 Stück abgesetzt. Die immensen Herstellungskosten des kostenträchtigen Bandes, die sich 1925–27 auf RM 30 151 summierten, wurden nicht einmal zur Hälfte gedeckt.207) Folgerichtig teilte der Westermann Verlag im November 1930 Banse mit, die Vorräte unter Aufhebung des Ladenpreises verbilligt verkaufen zu wollen. Diese Maßnahme betraf desgleichen die Titel „Wüsten, Palmen, Basare“ und „Die Wage der Herzen“.208) 204)
Vgl. zu Landschaft als Konzept des „way of seeing“: Schwartz/Ryan: Introduction, S. 3; zur Funktionalisierung von Landschaft in fotografischen Abbildungen vgl. Jens Jäger: Picturing nations. Landscape photography and national identity in Britain and Germany in the mid-nineteenth century, in: ebd., S. 117–140. 205) Ewald Banse: Abendland und Morgenland. Landschaft, Rasse, Kultur zweier Welten, Braunschweig/Hamburg 1926, S. 7. 206) Vgl. WWA 21/47, 7; frühere Honorare Banses: für „Die Türkei“, verlegt 1922 12,5% des Ladenpreises, vgl. WWA 21/47, 6; für „Die Wage der Herzen“, verlegt 1922, 12,5% des Ladenpreises, vgl. WWA, 21/47, 5; für „Expressionismus in der Geographie“, verlegt 1920, für die erste Auflage 50% des Reingewinns, für weitere Auflagen 10% des Ladenpreises, vgl. WWA 21/47, 4. 207) Verlags-Skontro, WWA 2/281/2, S. 2230. 208) Vgl. Westermann Verlag an Ewald Banse, 22. 11. 1930, WWA 21/47, 3.
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III. Der Georg Westermann Verlag
Für „Abendland und Morgenland“ sind sechzehn Rezensionen vorwiegend in geographischen Fachblättern sowie in konservativen Lehrerzeitschriften nachweisbar. Einhellig wird die hervorragende Ausstattung des Bandes gelobt, seine rassistische Codierung stößt dagegen auf Kritik. Die Stellungnahme des Geopolitikers Erich Obst fasst die allgemeine Rezeptionshaltung zusammen, wenn er schreibt, die Wertungen des Verfassers fänden „wahrscheinlich keineswegs überall ungeteilten Beifall“.209) Auch Marie-Pauline Thorbecke, Rezensentin der „Geographischen Zeitschrift“, erklärt Banses Rassismus für „paradox“.210) Ihre Begeisterung für die Abbildungen des Bandes, die „solche Fülle des Schönen“ enthielten und die es dem Betrachter schwer machten, „den Orient als Land von ‚Ödenei und Verfall‘ aufzufassen“, verharrt selbst jedoch in einer widersprüchlichen, die optische Wirkung des Bandes entlarvenden Rezeption, denn sie schließt mit den Worten: „Auf jeden Fall aber ruft das Buch ein starkes Gefühl für den Gegensatz zwischen den zwei so verschiedenen Welten hervor, und sein Zweck ist damit voll erreicht.“ 5.2 Absatzsegment: Der Untergang des Abendlandes? Der Bildband „Abendland und Morgenland“ von Ewald Banse steht auf den ersten Blick als Monolith auf dem Buchmarkt. Sein Alleinstellungsmerkmal ist die publizistische Verbindung einer fotografisch komfortabel ausgestatteten Länderkunde mit dem binären Deutungsschema von Abendland und Morgenland. Nur für jeweils eines dieser beiden Merkmale der Publikation lassen sich Absatzsegmente rekonstruieren. Die fotografische Ausstattung zeitgenössischer Länderkunden war vergleichsweise schlichter, vor allem wenn sie, wie Banse, einen länderübergreifenden Deutungsansatz verfolgten. Es ist zu vermuten, dass die Kosten für den herstellungstechnischen Aufwand fotografisch ausgestatteter Bildbände das Budget geographischer Verlage überstiegen. Daneben war es gängig, Darstellungen geographischer Räume in separaten Bilderatlanten zu Länderkunden oder auf Wandbildern zu liefern. Diese bildeten Landschaften und Städte ab sowie gelegentlich Bewohner, sofern sie, wie beispielsweise Schwarzafrikaner, einen gewissen exotischen Sonderstatus vertreten konnten. Es bestand aber keine explizite kausale Verbindung zwischen den Abbildungen oder eine kommentierende Wertung. Die einzige direkt mit Banses Bildband vergleichbare Publikation war der zweibändige „Geographische Bilderatlas von Europa“ des Brockhaus-Redakteurs Walter Gerbing, 1913 bzw. 1919 im Lexikon-Verlag Bibliographisches 209)
Erich Obst: Literaturbericht aus Europa und Afrika, in: Zeitschrift für Geopolitik 3 (1926), S. 714–722, hier : S. 717. 210) Hierfür und folgend: Marie-Pauline Thorbecke: Rezension zu Ewald Banse: Abendland und Morgenland, in: Geographische Zeitschrift 33 (1927), S. 44f.
5. Ewald Banse: Der Geograph als Künstler
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Institut Leipzig erschienen und dort 1920 bzw. 1923 neu aufgelegt.211) Der Atlas war dem nationalen Prinzip gemäß in die Teile „Deutschland“ und „Europa außerhalb Deutschlands“ gegliedert. Fotografische Abbildungen landschaftlicher Einheiten Europas waren kompositorisch ausgewählt, aber nicht bewertet oder in Relation zur Kulturleistung der Bewohner gesetzt. Rassistisch verfuhren hingegen Atlanten des kartographischen Gea-Verlags aus den Jahren 1917 und 1918 die monographisch das Gebiet des so genannten Kongresspolens in Wort und Bild behandelten. Der „Ethnographische Bilderatlas von Polen“ von Arved Schultz, später Direktor des Geographischen Instituts der Universität Königsberg, 1918 veröffentlicht, situiert die polnische Bevölkerung an die Grenze zwischen Mittel- und Osteuropa. Ihr wird, dank germanischem Kultureinfluss, zugestanden, als Westslawen der mitteleuropäischen „Hochkultur“ anzugehören, während Ruthenen und Weißrussen, die ebenfalls abgebildet sind, der osteuropäischen „Halbkultur“ zuzurechnen seien.212) Der „Geographische Bilderatlas von Polen“, 1917 von Erich Wunderlich herausgegeben, der nach 1918 als Assistent und außerordentlicher Professor an den Universitäten bzw. Technischen Hochschulen in Berlin, Stuttgart und Hannover tätig war, transportiert analysetragend rassistische Codierungen in Wort und Bild. Zielgruppe der Diskriminierung sind weniger die Polen selbst als vor allem die jüdische Bevölkerung. Fotografien der angeblich vorrangig jüdischen Bewohner polnischer Kleinstädte werden von Begleittexten über die „dunklen, schmutzigen jüdischen Läden“, in denen „den Handel […] hier wie überall die Juden“ vermitteln, kommentiert.213) Kulturelle Güter seien allenfalls im Westen Polens anzutreffen, der deutsch beeinflusst sei. Beide Atlanten nehmen keine Wertungen in direkter Relation von Landschaft und Bewohnern vor, obgleich die gestreute Anordnung von Landschafts- und Bewohnerbildern in Erich Wunderlichs Länderkunde optisch einen anderen Schluss zuließe. Andere geographisch zu verortende und fotografisch darstellbare rassistische Abwertungsmuster des Absatzsegments wären bei Ab211)
Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 15. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. A–K, Leipzig 1932, S. 971–972 („Geographie“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 527–531 („Geographie“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 10. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. A–K, Leipzig 1927, S. 835–843 („Geographie“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 1. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. A–K, Leipzig 1924, S. 500–503 („Geographie“); Die Welt um Deutschland. Eine Zusammenstellung der wichtigsten politischgeographischen Literatur über die außerdeutsche Staatenwelt. Mit Charakteristiken der einzelnen Bücher und mit verbindenden und erläuternden Bemerkungen. Hrsg. v. d. Deutschen Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen, Leipzig 1927; Friedrich Huttenlocher: Die deutsche geographische Literatur nach dem Kriege (1919–1924). Für die Schule bearbeitete bibliographische Zusammenstellung, Stuttgart 1925. 212) Arved Schultz: Ethnographischer Bilderatlas von Polen (Kongreß-Polen), Berlin 1918, S. 3. 213) E. Wunderlich (Hrsg.): Geographischer Bilderatlas von Polen, Berlin 1917, S. 14, 58.
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III. Der Georg Westermann Verlag
bildung aller geographischer Gebiete außerhalb Europas und Nordamerikas, einschließlich des von Banse deklarierten „Morgenlands“, zu erwarten. Dahingehende Veröffentlichungen unterblieben aber. Die Konkurrenzsituation wird lebhafter, betrachtet man das Absatzsegment thematisch im Kontext des zeitgenössischen Begriffsverständnisses von „Abendland“ und „Morgenland“ bzw. „Orient“. Knapp zweihundert Publikationen behandelten ihren demgemäß bezeichneten Gegenstand in Romanen, Reiseberichten, historisch-politischen oder theologischen Sachbüchern oder wissenschaftlicher Orientalistik und mit entsprechend unterschiedlicher inhaltlicher Ausformung.214) Die Beliebtheit der Topoi, solo oder als Antipoden, mag der populärste Titel bezeugen: Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ – der erste Band wurde seit 1918 in erster und zweiter Auflage im Wiener Braumüller Verlag, der zweite Band 1922 sowie das bearbeitete Gesamtwerk seit 1923 im Verlag C. H. Beck in München produziert – wurde zur Inspirationsquelle von Nachfolgepublikationen, aber vornehmlich des belletristischen Genres.215) Als Publikationen, die das Absatzsegment von Banses „Abendland und Morgenland“ flankierten, sollen zum einen historisch-politische Sachbücher und zum anderen Reiseberichte betrachtet werden. In den Reiseberichten dient der Begriff des „Morgenlands“ überwiegend einer illustrativen, aber deskriptiven Umschreibung des Reiseziels. Abenteuer und das Faszinosum des Fremden stehen im Mittelpunkt von Schilderungen wie den im katholischen Herder Verlag erschienenen Reisebekenntnissen Petrus Karl Klotz’, Erzabt des Benediktinerstiftes St. Peter in Salzburg, „Was ich unter Palmen fand. Aus dem Skizzenbuch eines Morgenlandfahrers“ (1922), oder Gustav StratilSauers „Fahrt und Fessel. Mit dem Motorrad von Leipzig nach Afghanistan“ (1931). Im zeitgenössischen historisch-politischen Sachbuch hingegen wurde der Begriffspol des Abendlands zu einem Kampfbegriff.216) Da die Kampfgemeinschaft jedoch, auch bei Spengler, zumeist als transnationale europäische Staatengemeinschaft gedacht werden musste, blieb der Begriffshorizont zu 214)
Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 1. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. A–K, Leipzig 1924, S. 2 („Abendland“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1112f. („Orient“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 10. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. A–K, Leipzig 1927, S. 2 („Abendland“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 411 („Orient“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 15. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. A–K, Leipzig 1932, S. 3 („Abendland“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 15. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1933, S. 460f. („Orient“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 2 (‚Abendland‘), 1138f. („Orient“). 215) Zum „Untergang des Abendlandes“ vgl. Detlef Felken: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur, München 1988, spez. S. 238ff. 216) Vgl. allgemein: Richard Faber: Abendland. Ein „politischer Kampfbegriff“, Hildesheim 1979.
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vage, um für rassistische Codierungen anschlussfähig zu sein.217) „Das Abendland als weltgeschichtliche Einheit“ von Friedrich Leonhard Crome beispielsweise, 1922 bei C. H. Beck unter expliziter Bezugnahme auf Spengler publiziert, befand sich nahe an Debatten um Paneuropa, Mitteleuropa oder katholische Reichsideen, wenn der „Selbsterhalt“ des deutschen Volkes darin gesehen wird, dass es die „aus seiner Geschichte sich ergebende Aufgabe ergreift, der Kristallisationspunkt für den Zusammenschluß der abendländischen Völker zu werden“.218) Wurden beide Begriffspole verwendet, galt es, eine historische Binarität von „Abendland und Morgenland“ sowie mögliche Bedrohungsfaktoren, die vom „Morgenland“ oder „Orient“ ausgehen könnten, in irgendeiner Form zu konstruieren und zu problematisieren. Auch in diesem Fall bemühten sich die Autoren eher um Verständigung zwischen den Gegensätzen. Für die damalig aktuellen politischen Entwicklungen im „Morgenland“, der Türkei, dem Nahen Osten oder Indien, bestand Erklärungsbedarf, wie ihn der 1925 nach Palästina ausgewanderte Philosoph und Historiker Hans Kohn in „Geschichte der nationalen Bewegung im Orient“, 1928 im Berliner Kurt Vowinckel Verlag erschienen, anbot. Der Autor vermochte es, so Karl Haushofer im Geleitwort, „beide Kraftfelder – Abendland und Morgenland – aus einer Zwischenstellung heraus verstehend und vermittelnd zu überschauen“ und die Vision „einer gemeinsamen Überwindung des gegenwärtigen Zustands in der Richtung eines neuen Humanismus, wie ihn die freien Geister aller Völker im Orient wie im Okzident heute vorausahnen“, zu formulieren.219) Primordialer Rassismus findet sich nur, sofern der transnationale „Abendland“-Begriff negativ bewertet und durch germanisch-deutsche Kulturhoheit ersetzt wird. Im Segment der Abendlandliteratur definierte sich eine Publikation demgemäß im Grunde aus dem Segment heraus. Einzige dahingehend bibliographisch erfassbare Veröffentlichung der Weimarer Republik war „Untergang des Abendlandes oder germanische Kulturerneuerung“ von Heliodor Harald Löschnigg, 1927 im völkischen Verlag Theodor Weicher veröffentlicht. Auffallend an der historisch-politischen Sachbuchvariante des Absatzsegments für Banses „Abendland und Morgenland“ ist, dass Westermann als geographischer Fachverlag ein Außenseiter war und sich von der geographischen Verlagskonkurrenz nur Kurt Vowinckel gleichfalls dieses Themas annahm. Diese thematische Fachfremdheit von Westermann in einem thematisch definierten Absatzsegment einer seiner Publikationen unterstreicht die Hybridität von Banses Geographiekonzept. Darüber hinaus erklärt es, warum für Banses „Abendland und Morgenland“ weder die relativ günstige Produktions-
217) Vgl. zu diesem Aspekt in Spenglers Abendlandkonzept: Breuer: Anatomie, S. 112f.; Breuer: Ordnungen, S. 39. 218) Friedrich Leonhard Crome: Das Abendland als weltgeschichtliche Einheit, München 1922, S. 398. 219) Hans Kohn: Geschichte der nationalen Bewegung im Orient, Berlin 1928, S. IX, 340.
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entwicklung geographischer Literatur und Atlanten in den Mitteljahren der Republik noch das Produktionshoch politischer Literatur in den letzten Jahren der Republik, das sich auch in der Erscheinungsquote der historisch-politischen abendländischen Sachbücher widerspiegelt, genutzt werden konnte.220) 5.3 Enzyklopädischer Rassismus: Neue illustrierte Länderkunde Am augenfälligsten tritt die rassistische Radikalisierung im Werk Banses in der handbuchartigen „Illustrierten Länderkunde“ zu Tage, die Banse 1914 als Sammelband herausgab. 1931 erschien sie in der völlig veränderten Fassung „Neue illustrierte Länderkunde. Landschaftliche und seelische Umrisse von Ländern und Völkern der Erde“ unter der alleinigen Autorschaft Banses. Die Ausgabe von 1914, deren Gliederungseinheiten die „natürlichen Erdteile“ sind, die in ihrer Ausdehnung minimal von den herkömmlichen Kontinenten abweichen, weist geringfügige rassistische Wertungen auf, die sich im gängigen Rahmen imperialer Überlegenheitsallüren bewegen. Das von Kurd Schwabe (1866–1920), Offizier der Schutztruppen in Namibia und China sowie Autor kolonialer Erfahrungsberichte, abgefasste Kapitel „Nigritien“ – hierunter wird Schwarzafrika verstanden – spart denn auch nicht mit rassistischen Diskriminierungen aus der Sparte imperial-ökonomischen Effizienzdenkens. Wesentlich anders strukturiert ist die rassische Codierung der „Neuen illustrierten Länderkunde“ von 1931, die in systematischer Gliederung die landschaftsgeographische Erörterung aller Erdregionen vornimmt. Banses Korrelationsprinzip von Landschafts- und Bewohnercharakteren gewinnt in den bekannten Kategorien von „Abendland“, „Morgenland“ und nun auch „Negerland“ rassistische Qualität. Kontrastiv zur inhaltlichen Ordnung, die planmäßig jeweils eine Betrachtungseinheit umfasst und dem Buch zu standardisiertem Wissensanspruch verhilft, steht die darstellerische Methodik Banses, die sich „Sparsamkeit in Namen und Zahlen auferlegt [hat], zumal sie der Meinung ist, daß der Ausdruck eines Antlitzes wichtiger sei als die Maße seines Schädels“, womit willkürliche Bewertungen anschauend gewonnener Eindrücke keinerlei methodischen Kontrollen mehr unterliegen.221) Die Erstausgabe der „Illustrierten Länderkunde“ verkaufte sich mit knapp der Hälfte der hergestellten 4500 Exemplare nachweislich bis 1927 durchschnittlich schlecht. Absatzzahlen der neubearbeiteten Ausgabe sind nicht überliefert. Deren rezensorisches Echo war quantitativ gering und qualitativ ablehnend. Mit Karl Haushofer und Willi Ule rezensierten immerhin geographische Größen ihrer jeweiligen Fachgebiete. Beide störten sich an den „vor allem in Rassenfragen […] stark persönlich gefärbte[n] Werturteile[n]“ bzw. 220) Zu den Produktionsmengen geographischer und politischer Literatur vgl. Umlauff: Beiträge, S. 75f., 89f.; Kastner: Statistik (2007), S. 344, 348ff. 221) Ewald Banse: Neue illustrierte Länderkunde. Landschaftliche und seelische Umrisse von Ländern und Völkern der Erde, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1931, S. 7.
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der „persönlich[en] Ansicht des Verfassers […] besonders bei der Behandlung der Rassen“.222) Auf Banse war ebenfalls der Verein zur Abwehr des Antisemitismus aufmerksam geworden, der ihm den „üblichen antisemitischen ‚methodischen Unsinn‘ in Reinkultur“ vorwarf.223) 5.4 Absatzsegment: Naturalisierung von Nation – geographische Länderkunden Die „Illustrierte Länderkunde“ und die „Neue illustrierte Länderkunde“ sind in das Absatzsegment geographischer Länderkunden einzuordnen, das ihr Titel nahe legt. Länderkundliche Absatzsegmente waren relativ jung und entwickelten sich, parallel zur Wissenschaftsgeschichte der Geographie, seit 1890.224) Die grundlegende Argumentationsstrategie der länderkundlichen Subdisziplin, die gegenüber einer forschungsbasierten, verwissenschaftlichten Geographie die Berechtigung einer anschaulichen, der praktischen Lehrerausbildung nützlichen Schulgeographie betonte, war es, zwischen geographisch-physischen Betrachtungseinheiten und nationalen Gesellschaften eine vermeintlich naturgegebene länderkundlich einwandfreie Relation herzustellen. Die ebenso einfache wie folgenschwere Mission der Länderkundler bestand in der Naturalisierung nationaler Grenzen und nationaler Räume. Nach dem Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren fasste die Länderkunde auch an den Hochschulen Fuß und wurde zum wichtigsten geographischen Forschungsprogramm.225) Das engere Segment von Länderkunden der Weimarer Republik, die gleich Banse Überblicksdarstellungen über den gesamten Globus lieferten, war relativ schmal und bestand aus etwa zehn, vor allem mehrbändig angelegten Publikationsunternehmen konkurrierender geographischer Verlage. Dem geographischen Handlungsbedarf, die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte politische Lage in umfassenden, in der Herstellung aufwändigen Länderkunden abzubilden, konnten die Verlage nur zögernd und in Rückgriff auf Vorkriegsproduktionen nachkommen. Die seit 1886 von Alfred Kirchhoff herausgegebene „Länderkunde des Erdteils Europas“ erlebte keine Neuauflage nach dem Ersten Weltkrieg, was auch im Zusammenhang mit unternehmerischen Umstrukturierungen des verantwortlichen Prager Tempsky Verlags zu sehen ist, der sich 1921 in Wien mit den Verlagen Hölder und Pichler zusam222)
Karl Haushofer: Rezension zu Ewald Banse: Neue Illustrierte Länderkunde. Landschaftliche und seelische Umrisse von Ländern und Völkern der Erde, Braunschweig 1931, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 77 (1931), S. 205; Willi Ule: Rezension zu Ewald Banse: Neue Illustrierte Länderkunde. Landschaftliche und seelische Umrisse von Ländern und Völkern der Erde. Braunschweig 1931, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 66 (1931), S. 308. 223) Heilgemayr: Rezension zu Ewald Banse: Neue Illustrierte Länderkunde, in: Abwehrblätter 41 (1931), S. 129–132, hier: S. 132. 224) Vgl. Wardenga: Erde im Buch. 225) Schultz: Geographie, S. 123.
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menschloss. Früheste Novität war die seit 1923 von Oskar Kende herausgegebene „Enzyklopädie der Erdkunde“, die als Weiterführung der von Maximilian Klar begründeten Sammlung „Die Erdkunde, eine Darstellung ihrer Wissensgebiete, ihrer Hilfswissenschaften und der Methode ihres Unterrichtes“ deklariert wurde. Die von Wilhelm Sievers seit 1891 im Bibliographischen Institut betreute „Allgemeine Länderkunde“ wurde, gleich der von Wilhelm Meinardus herausgegebenen „Allgemeinen Länderkunde der Erdteile“, erst seit 1928 erneut produziert. Von Alfred Hettners auf neun Bände konzipierten „Vergleichenden Länderkunde“ wurden im Verlag B. G. Teubner, trotz Publikationsbemühungen seit den späten zwanziger Jahren, seit 1933 nur fünf Bände veröffentlicht, die zudem bei ihrer Publikation schon wissenschaftlich überholt waren.226) Ein Erfolgsprodukt desselben Verlags war jedoch das zweibändige Kompaktwerk „Grundzüge der Länderkunde“ von Alfred Hettner, das, 1907 erstmals erschienen, 1923 neu bearbeitet wurde und bis 1932 fünf Auflagen erreichte. Ein Absatzgarant war eine solche kompakte Ausgabe jedoch nicht. Sowohl das zweibändige Kompendium „Die Erde“ von Franz Heiderich, 1896 das erste Mal bei A. Hartleben erschienen, wie auch Willi Ules „Die Erde und ihre Völker“ (Union Verlag), eine erheblich gekürzte Neubearbeitung des gleichnamigen Werkes von Friedrich von Hellwald aus dem Jahr 1892, wurden in den zwanziger Jahren nur jeweils einmal, 1919–23 bzw. 1928/29, neu herausgegeben. Die defizitäre ökonomische Situation eines Segments wird deutlich, dessen Veröffentlichungen hohen Kapitaleinsatz der Produzenten erforderte und die deshalb die kompaktere Formate den längerfristig angelegten Großunternehmen vorzogen.227) Zugleich veränderte sich mit dem Aufkommen günstigerer Kompaktausgaben die Anbieterschaft. Die geographischen Fachverlage, Tempsky, Deuticke, Teubner, das Bibliographische Institut und Hartleben, bekamen Konkurrenz von fachfremden Verlagen: die auf populäre Unterhaltungsliteratur spezialisierte Unions Verlagsgesellschaft aus Stuttgart oder die Hahnsche Buchhandlung, deren bisheriger Schwerpunkt auf Schulbüchern und Pädagogik lag. Dichter und verlegerisch noch offener war die Konkurrenz im weiteren Segment länderkundlicher Darstellungen einzelner Länder. Dieses schon im ausgehenden 19. Jahrhundert populäre und lukrative Segment, das für geographische Fachautoren aufgrund der Möglichkeiten, Berichte von Forschungsreisen mehrfach gewinnbringend zu verwerten, attraktiv war, stand in enger Verbindung zu Segmenten von Abenteuer- oder Reiseliteratur.228) Po226)
Vgl. Wardenga: Erde im Buch, S. 134. Eine Übersicht über die Produktion des Absatzsegments bzw. auch nur geographischer Publikationen ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die entsprechenden Daten bei Umlauff: Beiträge beziehen sich auf sehr uneinheitliche Publikationen, u. a. geographischwissenschaftliche Literatur, aber auch Atlanten oder Reiseführer, vgl. Umlauff: Beiträge, S. 89f. 228) Vgl. Wardenga: Erde im Buch, S. 129. 227)
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puläre Reihen, die Länderkunde umfassten, waren „Perthes kleine Völkerund Länderkunde“ des geographischen Gothaer Traditionshaus Perthes, die „Sammlung Göschen“ der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger (seit 1923 Verlag Walter de Gruyter) oder die „Jedermanns Bücherei“ im Verlag Ferdinand Hirt. Durchweg waren die Länderkunden dem Prinzip verpflichtet, einen Zusammenhang zwischen den physischen Gegebenheiten geographischer Betrachtungseinheiten und einem vorgeblich gemeinsamen Charakter ihrer Bewohner zu konstruieren. In der „länderkundlichen Ordnung der Dinge“ korrelierten „(analog zu Flora und Fauna) die Kontinente mit den Rassen, die Länder mit den Völkern und die Stämme mit den Landschaften.“229) In der stilistischen und inhaltlichen Durchführung und Gestaltung lassen sich allerdings Typologisierungen von Länderkunden unterscheiden, die das Verhältnis von geographischen Einzelräumen und der geographischen Ganzheit, die es zu beschreiben galt, abstufend wiedergeben.230) Ausschlaggebendes Zuordnungskriterium ist der Aufbau der Länderkunden, der induktiv oder deduktiv sein konnte. Bei induktiver Vorgehensweise überwogen die Einzeltatsachen, bei deduktiver Vorgehensweise das Gesamtbild, dem Widersprüche und Details unter Umständen nachgeordnet wurden. Die Publikationen des untersuchten Absatzsegments sind, vor allem aufgrund ihres grundsätzlichen länderübergreifenden Ansatzes, dem deduktiven Typus zuzuordnen. Ihre geographische Botschaft beschränkt sich zumeist auf gängige geographische Großkonzepte und ihre inhärenten ethnischen Diskriminierungsgewohnheiten, wie einem Mitteleuropa-Zentrismus, der den „kolonialen Blick“ auf Afrika oder rassistische Rassenklassifizierungen nach sich zog.231) Die Existenz von Rassen musste für Länderkundler eine selbstverständliche Annahme sein, war doch die Rassenkunde in Preußen seit 1925 dem erdkundlichen Unterricht an höheren Schulen zugewiesen.232) Referenzwerke für Rassenklassifizierungen waren in den Länderkunden der Weimarer Republik in erster Linie William Ripleys „The races of Europe“ (1900) und Joseph Denikers „Les races et les peuples de la terre“ (1900). Verschiedentlich wurde auf Hans F. K. Günthers Rassenkunde verwiesen. Willi Ule verwendete Fotomaterial Günthers und seine rassische Einteilung der deutschen Bevölkerung.233) Die Bewertung von Rassen war in den Länderkunden 229)
Schultz: Raumkonstrukte, S. 345. Vgl. Wardenga: Erde im Buch, S. 137ff.; dies.: „Der erzählte Raum.“ Formen und Funktionen länderkundlicher Darstellungen am Beispiel von Joseph Partschs ‚Schlesien‘, in: Heinz Peter Brogiato/Alois Mayr (Hrsg.): Joseph Partsch – Wissenschaftliche Leistungen und Nachwirkungen in der deutschen und polnischen Geographie, Leipzig 2002, S. 68–84. 231) Zum „kolonialen Blick“ auf Afrika vgl. Fritz Jaeger: Afrika, Leipzig 1928. 232) Zur Rassenkunde im erdkundlichen Unterricht vgl. Brogiato: Wissen, S. 460, 466. 233) Willi Ule: Die Erde und ihre Völker. Ein geographisches Hausbuch. Erster Band: Europa, Afrika, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1928, S. 38ff. 230)
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durchgehend gängig und reicht von stereotypen Zuschreibungen bis hin zum offenen Rassismus. Man war sich einig darin, von der Überlegenheit der weißen Rasse und einer europäischen Kulturhoheit auszugehen, wobei „die größten Kulturleistungen der drei letzten Jahrhunderte in zeitlicher Reihenfolge den Engländern, Franzosen und Deutschen [zukommen], neben ihnen auch den Skandinaviern und Holländern […], während die Russen und überhaupt die osteuropäischen Völker noch im Rückstande sind.“234) Besondere Aufmerksamkeit widmete man Juden, die ein irritierendes Moment in länderkundlichen Ordnungsvorstellungen ausmachen mussten, sofern sie, wie es üblich war, als eigenständige ethnische Betrachtungseinheit definiert wurden. Eingespielte, bildungsbürgerliche Codierungsmuster des versprengten Volkskörpers, der seine zersetzende Wirkung auf die Gastvölker ausübt, sind der Tenor entsprechender Textpassagen, auch in der vermeintlich objektivierenden, letztlich die Diskriminierung verstärkenden, Variante des jüdischen Selbstbildes von Alfred Philippson.235) Zu einem analysetragenden rassistischen oder antisemitischen Gesamtbild addierten sich solche Versatzstücke nur bei einem Bruchteil der untersuchten Publikationen. Banse lässt sich typologisch als geographischer „Prophet“ beschreiben, dessen Vision von der Gestalt der Erde wissenschaftlichen Detailfragen übergeordnet wird.236) Diesem Typus entspricht auch Siegfried Passarge, seit 1905 Geographieprofessor an der Hamburger Universität. Passarge betrieb, laut eigener Aussage, Landschaftskunde und nicht Länderkunde. Davon unabhängig verfasste er eine eigene Untersuchung über „Das Judentum als landschaftskundlich-ethnologisches Problem“. In der Logik von Passarges wissenschaftlichem Denken musste ein Widerspruch zwischen einem vorgeblich eigenständigen ethnischen jüdischen Charakter und seiner anscheinenden Unabhängigkeit von räumlichen, länderkundlichen oder landschaftskundlichen, Gegebenheiten auftreten. Diesen Widerspruch erklärte Passarge in der 1929 bei J. F. Lehmanns veröffentlichten Publikation mit dem Rückgriff auf angeblich naturwüchsig-unvermeidliche, geographisch-physische Sachlagen des vorchristlichen jüdischen Siedlungsgebietes, die für die Entstehung eines „jüdischen Geheimordens“ verantwortlich seien. Passarges landschaftskundliches Programm bestand darin, die Erde in drei „Landschaftsgürtel“ einzuteilen: Polarkappen, Mittelgürtel und heißer Gürtel. Die geographischen Bedingungen in den einzelnen Gürteln sei grundlegend unterschiedlich und politische, kulturelle und religiöse Volkscharaktere 234)
Alfred Hettner: Grundzüge der Länderkunde. Bd. 1. Europa, Leipzig/Berlin 1923, S. 57. 235) Vgl. Hettner: Grundzüge, S. 38; Fritz Machatschek: Länderkunde von Mitteleuropa, Leipzig/Wien 1925, S. 79, 85, 318f.; Alfred Philippson: Europa außer Deutschland, Leipzig 1928, S. 53f.; zur Verbreitung von Antisemitismus in der deutschsprachigen Geographie vgl. Klaus Kost: Anti-Semitism in German Geography 1900–1945, in: GeoJournal 46 (1998), S. 285–291; Alfred Philippson: Europa außer Deutschland, Leipzig 1928, S. 53f. 236) Der Typus des „Propheten“ nach: Wardenga: Erde im Buch, S. 137.
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aufgrunddessen fundamental verschieden.237) Rassistische Wertungen nahm Passarge überwiegend in Form antisemitischer Ressentiments vor. Das geographische Gesamtkonzept, das Passarge vertrat, sein Bild der Erde, war hermetisch geschlossen und vernachlässigte Einzelbefunde, die Ambivalenzen im Gesamtbild hervorrufen könnten. Banse und Passarge bewegten sich innerhalb eines Wissensfeldes, in dem zum einen das Argument der geographischen Lage nicht ohne politische Implikationen eingesetzt wurde und in Form geopolitischer Forschung und Volkstumsforschung zur Unterstützung einer hegemonialen Irredentapolitik in den ostdeutschen Grenzgebieten herangezogen wurde.238) Zum anderen waren metaphysisch eingefärbte geographische und länderkundliche Wissenschaftskonzepte, wie Hans Spethmanns „dynamische“ Länderkunde von 1928, die in der synthetischen Darstellung willkürlich assoziierter technischer, wirtschaftlicher oder religiöser Faktoren von Landschaftsgenese eine innovative geographische Methode erblickte, auf dem Vormarsch.239) An solche Zusammenhänge waren rassistische und antisemitische Deutungsmuster leicht anschlussfähig und stellten unter Umständen nur Registerfarben zur Kenntlichmachung politischer und wissenschaftlicher Positionen dar. Die Anbieter der Länderkunden spielten in den Jahren der Weimarer Republik, bei Betrachtung des länderkundlichen Absatzsegments, eine nachgeordnete Rolle. Die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Codierungen geschah im Allgemeinen unabhängig vom Verlagsunternehmen. Anbieter waren die einschlägigen geographischen Fachverlage, entsprechend den wissenschaftlichen Normen der Länderkunde, und zwar gleichermaßen sowohl für die Neuauflagen des Kaiserreichs als auch für Neubearbeitungen und Neuausgaben der Weimarer Republik. Radikalisierung erfuhr das Segment in den Jahren der Weimarer Republik durch länderkundliche Propheten wie Banse und Passarge. Sie veröffentlichten in geographischen Traditionsverlagen, aber 237) Vgl. Siegfried Passarge: Die Landschaftsgürtel der Erde. Natur und Kultur, Breslau 1929; ders: Landschaftskunde. 5 Bde., Berlin 1930; zu Passarges Antisemitismus vgl. Gerhard Sandner: The German triumphans syndrome and Passarge’s Weltanschauung. The roots and effects of German political geography beyond Geopolitik, in: Political Geography Quarterly 8 (1989), S. 341–351; ders.: Zusammenhänge zwischen wissenschaftlichem Dissens, politischem Kontext und antisemitischen Tendenzen in der deutschen Geographie 1918–1945. Siegfried Passarge und Alfred Philippson, in: Colloquium Geographicum 20 (1990), S. 35–39. 238) Die inzwischen zahlreiche Forschung zu diesem Thema zusammenfassend: Eduard Mühle: Ostforschung und Nationalsozialismus. Kritische Bemerkungen zur aktuellen Forschungsdiskussion, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), S. 256–275; Michael Fahlbusch: Grundlegung, Kontext und Erfolg der Geopolitik vor 1933. Thesenpapier vorgelegt zur 39. Jahrestagung der Gesellschaft für Geistesgeschichte am 30. Oktober bis 1. November 1997 in Potsdam. URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ BEITRAG/diskusio/nszeit/nszeit11.htm (07. 09. 2010). 239) Vgl. Hans Spethmann: Dynamische Länderkunde, Breslau 1928; zum Vordringen metaphysischer Vorstellungen: Schultz: Geographie, S. 128; zum Typus des Propheten: Wardenga: Erde im Buch, S. 120–144, hier: S. 137.
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auch bei relativen Neueinsteigern in geographische und/oder länderkundliche Absatzsegmente. Banse publizierte 1910 eine Orient-Trilogie, die seine wesentlichen länderkundlichen Argumentationslinien enthielt, im Leipziger Wissenschaftsverlag Teubner. Der Georg Westermann Verlag hingegen war zwar geographisch beschlagen, aber eher kartographisch und schulgeographisch als fachwissenschaftlich ausgerichtet. Ein großangelegtes, wissenschaftlich institutionalisiertes, länderkundliches Publikationsvorhaben bestand bei Westermann nicht. Banses handliche „Illustrierte Länderkunde“ war die erste und einzige Veröffentlichung, die der Verlag dem länderkundlichen Angebot beisteuerte. Siegfried Passarges länderkundliche Publikationsorte variierten, je nachdem, welches Zielpublikum die jeweilige Publikation anvisierte: Im LandkartenVerlag Friederichsen & Co. und in Ferdinand Hirts Jedermann Bücherei veröffentlichte Passarge methodische Studien, im geographischen Dietrich Reimer Verlag die länderkundliche Umsetzung „Vergleichende Landschaftskunde“, bei Quelle & Meyer kompakte Länderkunden für ein breites Publikum und im J. F. Lehmanns Verlag 1929 das erwähnte antisemitische Kondensat „Das Judentum als landschaftskundlich-ethnographisches Problem“. Zusammenfassend bedeutet diese Situation im Absatzsegment der „Illustrierten Länderkunde“ und der „Neuen illustrierten Länderkunde“ von Ewald Banse, dass ihre rassistische Radikalität abgefedert war in wissenschaftlichen Gewohnheiten der geographischen Länderkunde. Rassistische Codierungen, Antislawismus, Antisemitismus und kolonialer Rassismus wurden seit Entstehung des Genres um die Jahrhundertwende angewandt und in die Weimarer Republik übertragen. Neuartig und von der fachwissenschaftlichen und verlegerischen Peripherie her kommend war der primordial codierte Rassismus von Banse oder Passarge, der sich bei beiden in Publikationen der ausgehenden zwanziger Jahre niederschlug, indes sie über anschlussfähige Publikationen methodischer und thematischer Art verfügten.
6. Antisemitische Belletristik 6.1 Werner Jansen, Die Kinder Israel „Die Kinder Israel“ von Werner Jansen erschien 1927, nachdem der Autor mit historischen völkisch-regressiven Tendenzromanen der, gemessen an den Absatzzahlen, populärste Autor des Westermann Verlags geworden war. In den „Kindern Israel“ wurden die in den Vorgängerromanen entwickelten literarischen Topoi radikalisiert. Der als „Rasse-Roman“ beworbene Titel „handelt einzig von der Kraft des Blutes“.240) Handlungstragend sind anti240) Werner Jansen: Die Kinder Israel. Moses-Roman, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1927, S. 5; der Roman wird auch behandelt bei: Stefan Glenz: Judenbilder in der deutschen Literatur. Eine Inhaltsanalyse völkisch-national-konservativer und nationalsozialistischer Romane 1890–1945, Konstanz 1999.
6. Antisemitische Belletristik
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semitische Stereotypien, die auf die alttestamentarischen Mythen der jüdischen Diaspora in Ägypten angewandt werden. Zentrales Motiv und auslösendes Handlungsmoment des Romans ist die von einem Juden verübte „Rassenschändung“ an der Tochter des Pharaos, die einen unehelichen Sohn, Moses, zur Welt bringt. Trotz ‚ägyptischer Sozialisation‘ und die Aussicht auf den ägyptischen Thron kann Moses seine jüdische Herkunft nicht leugnen, schließt sich den Israeliten an, die als sozial und kulturell eigenständige ethnische Gruppe innerhalb anderer Bevölkerungsgruppen agieren, und veranlasst ihren „Auszug aus Ägypten“. Die primordiale antisemitische Qualität des dergestalt aufgebauten Handlungsverlaufs wird unterfüttert mit dämonisierendem Determinismus: „wirf einen aus Israel in den Nil, so wird der Strom hebräisch bis ans Meer.“241) Seit 1925 war das Verlagsverhältnis zwischen Jansen und dem Westermann Verlag durch einen Generalvertrag geregelt. Demnach war der Autor verpflichtet, jedes Manuskript zuerst dem Westermann Verlag zur Veröffentlichung anzubieten und der Verlag im Gegenzug daran gebunden, das Werk in einer Mindestauflagenhöhe von 20 000 Stück zu veröffentlichen. Die Höhe der Druckauflage der „Kinder Israel“ ist im Skontro-Buch nicht registriert, offiziell betrug sie 19 000, was in Anbetracht der Jansen vertraglich zugesagten Mindestauflagenhöhe von 20 000 Stück die untere Grenze des rechtlich Möglichen darstellte. Die Absatzkurve weist den Titel als klassischen belletristischen Flop aus.242) Einem Absatzmaximum im Erscheinungsjahr 1927 von 10 300 Exemplaren folgte ein Einbruch im Folgejahr: 1928 wurden noch 2607 Stück abgesetzt, 1929 nur noch 897, 1930 181, 1931 118 und 1932 172 Stück. Ob der Titel trotz dieses schlechten Absatzes Gewinn erwirtschaftete, ist aufgrund fehlender Ablieferungszahlen nicht zu beantworten, aber unwahrscheinlich im Kontext sinkender Absatzzahlen für Belletristik im Westermann Verlag. Selbst die Absatzkurven der vormaligen Bestseller Jansens zeigten seit 1925 kontinuierlich nach unten, und mit Beginn der dreißiger Jahre verhandelte der Verlag mit Jansen wiederholt über die Aufhebung der Ladenpreise für seine Romane.243) Die Herstellungskosten der „Kinder Israel“ sind in den Jahren 1927 in Höhe von RM 38 959 und 1928 in Höhe von RM 5874 verzeichnet. In diesen beiden Jahren lagen die Kosten für den Werbeaufwand ungewöhnlich hoch: 1927 betrugen sie RM 4859 und 1928, in Anbetracht der sich abzeichnenden Absatzflaute, machten sie mit RM 4042 über 70 Prozent der gesamten Herstellungskosten aus. 1928 startete der Verlag eine Anzeigenkampagne. Die
241)
Jansen: Die Kinder Israel, S. 266. Zur Typologie von Absatzkurven vgl. Schönstedt: Buchverlag, S. 221f.; Absatzzahlen bis einschließlich 1928 vgl. Verlags-Skontro, WWA 2/281/5, S. 3196; nach 1928 vgl. VerlagsSkontro, WWA 2/281/5, S. 3197. 243) Vgl. Werner Jansen an den Westermann Verlag, 01. 12. 1928, Westermann Verlag an Werner Jansen, 22. 05. 1929, beide Briefe: WWA 21/26, 12. 242)
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Anzeigenschaltung wurde teilweise im rechten Publikations- und Verlagslager getätigt, wie dem „Völkischen Beobachter“, der Deutschvölkischen Verlagsanstalt in Hamburg oder dem Münchner Bruckmann Verlag, insgesamt sind jedoch keinerlei politische Präferenzen erkennbar. Anzeigenaufträge wurden gleichermaßen an die Verlage Herder & Co. (Freiburg), Kösel (München), Wildt (Stuttgart), Fridericus (Berlin) oder Reclam (Leipzig) und die Zeitungen „Danziger Zeitung“, „Berliner Börsenzeitung“ und das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ vergeben.244) Auffallend an der Buchhaltung dieses Titels ist die hohe Remittendenquote, die 1927 216, 1928 1217 und 1929 231 Stück betrug. Hier schlug sich die Diskussion um die antisemitische Codierung des Romans nieder, die, wenn man die Rezensionen betrachtet, bemerkenswert uneinheitlich verlief. Die Rezeption verdeutlicht, mit welcher Routine einerseits Antisemitismus zur Kenntnis genommen wurde und mit welcher Verunsicherung und Unschärfe andererseits auf Antisemitismus reagiert wurde. Im katholischen Literaturblatt „Der Gral“ äußert man sich anerkennend zum Roman. „Ohne Weitschweifigkeit“ sei der „Blick stets auf das Kernerlebnis gerichtet“, das Hervorbrechen des „väterlichen Blutes“.245) In der Gegenposition ist sich die liberale Literaturkritik einig. Für den Rezensenten in „Die Literatur“ scheint das Buch aufgrund seiner literarischen Minderqualität „in der Gegenwart eines nationalsozialistisch bornierten Gehirns zu spielen“.246) Hellsichtig benennt Kurt Arnold Findeisen in „Die schöne Literatur“ den rassistischen Determinismus des Romans als „irrtümlich und verhängnisvoll“.247) Gespalten war das Lager der jüdischen Kritiker. Für den Centralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens war das Werk eindeutig ein „verhetzendes Tendenzwerk“, das „bis ins kleinste den Verzerrungen entspricht, die in den modernen antisemitischen Schriften enthalten sind.“248) Geradezu euphorisch fällt hingegen das Lob des Rezensenten in den „Mitteilungen des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“ aus. Das Buch wird „aufs wärmste“ empfohlen, „weil es eine literarische Meisterleistung darstellt“.249) Jansen setze sich mit dem Problem des Antisemitismus auseinander, aber „nicht in Überredung, sondern in Gestaltung“. Der Rezensent stößt in das Horn klassischen jüdischen Selbsthasses, wenn er befriedigt feststellt, Jansen „schmeichelt ihm
244)
Verlags-Skontro, WWA 2/281/5, S. 3196. Karl Arns: Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Der Gral 22 (1927/28), S. 531. 246) Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Die Literatur 30 (1927/28), S. 703. 247) Kurt Arnold Findeisen: Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Die schöne Literatur 29 (1928), S. 437. 248) Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Central-Verein-Zeitung 6 (1927), S. 682. 249) Vgl. Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Abwehrblätter 37 (1927), S. 139f. 245)
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[dem Volk Israel] gewiß nicht einseitig; den Handels- und Schachergeist […], die Spitzfindigkeit […] zeichnet er ebenso deutlich wie die Not und Armut und die daraus entspringende Lebensform der israelitischen Sklaven in Gosen, vergleichbar mit den heutigen Zuständen im Ostjudengebiet.“250) Die antisemitische Botschaft des Buches und der deterministische Handlungsverlauf werden schließlich zu „einer wunderbare[n] Fügung der göttlichen Kraft“. Völlig akzeptiert werden die Rollenzuweisungen im Standardstoff der antisemitischen Codierungen. Die Stigmatisierten waren um eine sachliche Klärung unsachlicher Verdikte bemüht. Der antisemitische „Hammer“ dagegen spricht sich, trotz grundsätzlicher Zustimmung zu der „völkischen Tat“, gegen die übergroße Wertschätzung, die Jansen dem Alten Testament allein durch die Stoffauswahl zukommen ließ, sowie die Heroisierung des Juden Moses aus.251) Auf Seiten der Stigmatisierenden waren kulturelle Ausschlussmöglichkeiten noch lange nicht erschöpft und Normalitätsgrenzen problemlos weiter zu verschärfen. Diese Verwerfungen in der Diskussion resultierten, laut Einschätzung Werner Jansens, aus einer lückenhaften Rezeption des Werkes. Sowohl auf „völkischer wie auf jüdischer Seite“ hätte man „in einseitiger Verbohrtheit […] aus dem Zusammenhang“ Sätze gerissen und daraus „je nach […] Einstellung Jansen, den Judenfreund und Judengenossen, oder Jansen, den verhaßten Antisemiten“ konstruiert.252) Tatsächlich spiegelt sich aber darin ein neuer Umgang mit einer altbekannten kulturellen Codierung, deren Konnotierungen neu verhandelt wurden und deren Radikalität nicht mehr einzuschätzen war. Wohl angesichts der sehr kritischen Rezeption bot der Verlag 1931 dem Sortimentsbuchhandel an, bereits ausgelieferte Exemplare der „Kinder Israel“ gegen Bände aus den Jansen-Trilogien „Herrenzeit“ oder „Heldenzeit“ umzutauschen, überall da, wo der Titel „Stein des Anstoßes“ sei.253) Es ist allerdings schwer, diese Maßnahme, die erst vier Jahre nach Erscheinen des Buchs angekündigt wurde, zu bewerten. Immerhin war noch 1929 das Romankapitel „Der Auszug Israels“ in Form eines Sonderdrucks der Reihe „Wie und was. Aus dem Schrifttum der Zeitgenossen“ verwertet worden und bereits vorher die Rechte der englischen Übersetzung an den New Yorker Verlag Brentano’s verkauft worden, wo der Roman 1928 unter dem Titel „The light of Egypt“ erschien. 250)
Zitat: ebda., zum jüdischen Selbsthass: Sander L. Gilman: Jüdischer Selbsthaß. Antisemitismus und die verborgene Sprache der Juden, Frankfurt/M. 1993, S. 11–46; Jacob Golomb: Der jüdische Selbsthass of Theodor Lessing. Between Particularity and Universality, in: Andrea Hoffmann/Utz Jeggle/Reinhard Johler/Martin Ulmer (Hrsg.): Die kulturelle Seite des Antisemitismus zwischen Aufklärung und Shoah, Tübingen 2006, S. 105–123. 251) Rezension zu Werner Jansen: Die Kinder Israel, in: Hammer 27 (1928), S. 77f. 252) Werner Jansen: Was ist völkisch? in: Geständnisse. Ein Almanach des Verlages Georg Westermann, Braunschweig/Berlin/Hamburg 1930, S. 18–20, hier: S. 18. 253) Westermann Verlag an Werner Jansen, 20. 10. 1931, WWA 21/26, 12.
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6.2 Absatzsegment: Antisemitische Romane Die bibliographische Kategorisierung des Romans im „Deutschen Bücherverzeichnis“ erfolgte unter dem Stichwort „Moses“. In der Rekonstruktion thematisch ähnlich gelagerter Belletristik ergibt sich ein Konkurrenzfeld von acht Romanen vorwiegend schöngeistiger Verlage, in denen die alttestamentarische Erzählung über Mose und das ägyptische Exil der Israeliten fiktional ausgeschmückt, aber nicht antisemitisch abgewertet wird.254) Das Absatzsegment der „Kinder Israel“ von Werner Jansen kann hingegen sinnvoll nur als ein Absatzsegment antisemitisch codierter Belletristik bestimmt werden, um die zeitgenössische, widersprüchliche Rezeption der „Kinder Israel“ und die vom Verlag vorgenommenen Vorsichtsmaßnahmen in ihrem Kontext betrachten zu können. Die Schwierigkeiten, auf die eine bibliographische Erfassung antisemitischer Romane in der Weimarer Republik stößt, deutet auf das Arbeitsergebnis hin.255) Sind die zeitgenössischen, allgemeinen Bücherverzeichnisse nur bedingt geeignet, den inhaltlichen und vor allem antisemitischen Gehalt von Belletristik zu erfassen, so überrascht es, 254)
Bibliographisch ermittelt nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1932, S. 311 („Moses“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 1054 („Moses“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 10. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. A–K, Leipzig 1927, S. 1194–1206 („Juden“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 278–280 („Moses“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 1. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. A–K, Leipzig 1924, S. 710–717 („Juden“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1043 („Moses“). 255) Die bibliographische Erfassung antisemitischer Romane erfolgte, abgesehen von den genannten Mose-Romanen, nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 15. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. A–K, Leipzig 1932, S. 1360–1371 („Juden“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1932, S. 652–654 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 738–745 („Juden“), S. 1245–1250 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 10. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. A–K, Leipzig 1927, S. 1194–1206 („Juden“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 583–584 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 1. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. A–K, Leipzig 1924, S. 710–717 („Juden“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1220– 1221 („Rasse“); Rudolf Rüsten: Was tut not? Ein Führer durch die gesamte Literatur der Deutschbewegung, Berlin 1914 [Nachdruck: Toppenstedt 1983]. Das Deutsche Buch 2 (1921)–4 (1924). Hrsg. v. d. Vereinigung völkischer Verleger, Leipzig 1921–24; Das Deutsche Buch 5 (1925)–5 (1926). Hrsg. v. d. Vereinigung völkischer Buchhändler. Leipzig 1925–26; Datenbank Projekt Historischer Roman. URL: http://www.uibk.ac.at/germanistik/ histrom/ (07. 08. 2010); Die Literatur. Monatschrift für Literaturfreunde 26 (1923/24)–34 (1932); Das literarische Echo. Halbmonatschrift für Literaturfreunde 22 (1919/20)–25 (1922/23); Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 29 (1919)–35 (1925); Abwehrblätter 3 (1926)–42 (1932); Hellmuth Langenbucher: Volkhafte Dichtung der Zeit, Berlin 1941; Stefan Glenz: Judenbilder: Judenbilder in der deutschen Literatur. Eine Inhaltsanalyse völkisch-national-konservativer und nationalsozialistischer Romane 1890–1945, Konstanz 1999.
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dass in zeitgenössischen, einschlägigen rassenkundlichen und völkischen Bibliographien kaum antisemitische Belletristik verzeichnet ist. Waren antisemitische Topoi und Rollenbilder in der Belletristik weit verbreitet – der Hinweis auf die Romane Theodor Fontanes oder auf das Frühwerk Heinrich und Thomas Manns soll hier genügen –, so waren primordial antisemitische Publikationen vor allem ein Phänomen des Sachbuchmarkts.256) Stefan Glenz kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Er konstatiert eine Expansion des literarischen Antisemitismus erst seit Mitte der Weimarer Republik und vor allem mit der staatlichen Institutionalisierung des Nationalsozialismus seit 1933.257) Vorbild für die Entstehung eines derartigen Absatzsegments auf dem Buchmarkt sei die Romantrilogie „Die Sünden der Zeit“ von Artur Dinter gewesen, die in den ersten beiden Teilen 1918–21 bei Matthes & Thost, im dritten Teil bei Ludolf Beust in Leipzig verlegt wurde.258) Der Roman bestätigt indessen, dass Antisemitismus eine Angelegenheit der nicht-fiktionalen Darstellung und nicht der belletristischen Fiktion war.259) Dinter, promovierter Chemiker und Gelegenheitsschriftsteller, gab seinem im ersten Band 200 Seiten starken literarischen Werk, dessen einziger Handlungsstrang der antisemitische Rassenschandetopos war, einen 70 Seiten umfassenden wissenschaftlichen Apparat mit, bestehend aus antisemitischen Literaturhinweisen und Anmerkungen. Die Minderwertigkeit der Juden sollte nicht der Unterhaltung, sondern der Belehrung dienen. Sie war eine reale Tatsache, die bewiesen werden konnte, und kein literarisches Motiv. Zudem war der erste Teil der Trilogie „Die Sünde wider das Blut“ (1918) vermutlich lediglich ein inflationärer Verkaufserfolg. Die in der Forschungsliteratur angegebenen Auflagenziffern, bis 1921 hätten sich 170 000 und bis 1934 260 000 Exemplare verkauft, woraufhin Werner Jochmann die Zahl der Leser im deutschsprachigen Raum auf eineinhalb Millionen schätzt, relativieren sich bei einem Blick auf die Verlagswechsel der Publikation und die lückenhaften Angaben der Auflagenhöhen.260) Nach Angaben des Gesamtverzeichnisses des deutschsprachigen 256) Dazu: Rolf Thiede: Stereotypen vom Juden. Die frühen Schriften von Heinrich und Thomas Mann. Zum antisemitischen Diskurs der Moderne und dem Versuch seiner Überwindung, Berlin 1998; Michael Fleischer: „Kommen Sie, Cohn.“ Fontane und die „Judenfrage“, Berlin 1998, S. 247ff. 257) Glenz: Judenbilder, S. 134ff. 258) Zu Dinter: Stefan Rohrbacher/Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile, Reinbek b. Hamburg 1991, S. 371ff.; Michael Schmidt: Im Westen eine „Wissenschaft“…. Antisemitismus im völkisch-faschistischen Roman der Weimarer Republik, in: Hans Otto Horch/Horst Denkler (Hrsg.): Conditio Judaica. Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom Ersten Weltkrieg bis 1933/38. Dritter Teil, Tübingen 1993, S. 92–115; Günter Hartung: Artur Dinter, der Erfolgsautor des frühen Faschismus, in: ders./Hubert Orlowski (Hrsg.): Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, Poznan/Halle an der Saale 1988, S. 55–88. 259) Schmidt: Westen, S. 94f. 260) Donald R. Richardson: The German bestseller in the 20th century. A complete bibliography and analysis 1915–1940, Bern 1968, S. 117; vgl. auch: Schmidt: Westen, S. 96; Joch-
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III. Der Georg Westermann Verlag
Schrifttums lassen sich von dem ersten Band „Die Sünde wider das Blut“ das zweite bis fünfte Tausend (1918), das 146. bis 170. Tausend (1921), das 230. bis 235. Tausend (1927) und das 251. bis 260. Tausend (1934), vom zweiten Band „Die Sünde wider den Geist“ das erste bis 50. Tausend (1921) sowie vom dritten Band „Die Sünde wider die Liebe“ das erste bis 25. Tausend (1922) und das 26. bis 30. Tausend (1928) nachweisen.261) Nur der erste und zweite Band wurden in ihren jeweiligen Erstausgaben nachweislich bei Matthes & Thost veröffentlicht. Die folgenden Ausgaben des ersten Bandes und der dritte Band, „Die Sünde wider die Liebe“, kamen 1921, 1922, 1927 und 1928 im Ludolf Beust Verlag zur Publikation. 1934 wurde das angeblich 260 000. Exemplar des ersten Bandes nunmehr im antisemitischen Hammer Verlag herausgegeben. Ob die Verlagswechsel von nachlassenden Absatzziffern veranlasst wurden, ist zwar nicht sicher zu sagen, aber für die zweite Hälfte der zwanziger Jahre wahrscheinlich, insbesondere da einer der Teilhaber des Verlags Matthes & Thost, Erich Matthes, 1929 für seinen Erich Matthes Verlag Konkurs anmelden musste.262) Anderweitig konnten annähernd zwanzig antisemitische Romanprojekte in den Jahren 1919–32 ermittelt werden, die verlegerisch ausschließlich dem völkischen Lager entstammten. Alexander Duncker, Theodor Weicher und der Hammer Verlag bedienten die antisemitische Klaviatur von Rassenschändung, jüdischer Weltverschwörung und germanisch-deutschen Reinheitsgeboten ebenfalls vorwiegend in den Inflationsjahren und, gemessen an den Auflagen, wenig erfolgreich. Die Aufmerksamkeitsökonomie verhielt sich hingegen umgekehrt proportional zum vermutlichen ökonomischen Misserfolg antisemitischer Romane, zumindest gemessen am aufwändigen belletristischen Gegendiskurs. So wurde Artur Dinter mit einer eigenen Persiflage bedacht. Artur Sünder alias Hans Reimann veröffentlichte 1921 „Die Dinte wider das Blut. Ein Zeitroman“ im Hannoveraner Verlag Paul Steegemann, in dem Dadaismus, Satiren, Parodien und erotische Literatur das Programm der zwanziger Jahre prägten.263) Laut Impressum wurde der Roman in der „39. wildgewordenen und vermasselten Auflage. 640.–693. Tsd.“ produziert, realiter war 1929 eine Auflage von 40 000 erreicht. Verlegerisch abwechslungsreicher wird das Feld des literarischen Antisemitismus in der Zusammenschau verwandter, rassistischer oder rassistisch anschlussfähiger Romane aus den Bereichen des „regressiven Eskapismus“: Komann: Ausbreitung, S. 460. Nachlassenden Absatz konstatiert: Dohnke: Literatur, S. 672; zum Konkursverfahren des Erich Matthes Verlag vgl. Theodor Fritsch an Heinrich Claß, 21. 06. 1929, BArch R 8048/458, Bl. 71/72. 261) Vgl. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965. Bd. 27, München 1977, S. 396. 262) Nachlassenden Absatz konstatiert: Dohnke: Literatur, S. 672. 263) Zum Stegemann Verlag: Jochen Meyer: Paul Stegemann Verlag 1919–1935, 1949–1955, Hannover 1994.
6. Antisemitische Belletristik
131
lonialromane, historische Romane und zu Blut-und-Boden-Literatur radikalisierte Heimatliteratur.264) Die in der Romangattung beliebte thematische Subsparte Liebesroman wurde, wie in den „Kindern Israel“, in die Problematik der Rassenmischung und Rassentrennung integriert und diese damit zu einem handlungsauslösenden Moment eines rassistischen Romans. In unterschiedlichen literarischen Kontexten und von unterschiedlichen außerliterarischen Kontexten begleitet, waren Kontaktstellen und Wechselwirkungen rassistischer und sexistischer Codierungen das Resultat. Die französische Besetzung des Rheinlands wurde zum Anlass von Romanen wie Guido Kreutzers „Die schwarze Schmach. Der Roman des geschändeten Deutschland“ (Leipziger Graphische Werke, 1921). Koloniale Erzählungen wirkten nach in Hans Friedrich Bluncks „Land der Vulkane“ (Eugen Diederichs Verlag, 1929). Heimatliteratur wurde zur radikalen Bodenmythologie in Gustav Schröers „Heimat wider Heimat“ (C. Bertelsmann, 1929). Dieses rund dreißig Titel umfassende Segment rassistischer Belletristik hatte seinen zeitlichen Publikationsschwerpunkt Ende der zwanziger Jahre und griff verlegerisch weiter aus. Vertreten waren nun auch Namen größerer Verlagshäuser, wie C. Bertelsmann, Eugen Diederichs oder die Deutsche Verlagsanstalt, die den „Büttnerbauer“ von Wilhelm Polenz seit 1922 verlegte. Im Vergleich mit der Gesamtproduktion belletristischer Novitäten, die sich in der Inflation gemäß der allgemeinen Produktionskurve verhält und nach 1925 fast kontinuierlich sinkt, auf den niedrigsten Produktionswert mit 3156 Neuerscheinungen 1932, erscheint das Segment antisemitischer oder rassistischer Belletristik quantitativ bedeutungslos.265) Die geringfügige Tendenz zum Produktionsanstieg rassistischer Romane gegen Ende der Republik ist dagegen untypisch und zeigt eine thematische Konjunktur an. Fluktuierend war in diesem Absatzsegment nicht der Antisemitismus als solcher, aber das Motiv der Rassenmischung und folglichen Rassendegeneration, das in kolonialen, heimatliterarischen und historischen Sujets gegen Ende der Weimarer Republik in den Verlagsprodukten renommierter Publikumsverlage angekommen war. Die „Kinder Israel“ können einerseits innerhalb dieses allgemeinen, schwachen Trends zur rassistischen Aufladung von Belletristik betrachtet werden. Andererseits hatte der Roman mit seiner dezidiert antisemitischen Ausrichtung eine Rezeptionsbarriere überschritten, wie die vorsichtige Auflagenpolitik des Verlags und seine Bereitschaft zum Umtausch von Remittendenexemplaren zeigt. Das Verlagsumfeld des Absatzsegments antisemitischer Romane verdeutlicht, dass Westermann in diesem völkisch dominierten Segment immer noch ein Außenseiter war, der sich diese Form von Antisemitismus nicht leisten konnte. 264)
Ketelsen: Literatur, S. 58ff.; zur Radikalisierung der Heimatliteratur: Dohnke: Literatur, S. 654, 677f. 265) Zur Konjunktur der Belletristik vgl. Umlauff: Beiträge, S. 78f.; Kastner: Statistik (2007), S. 343f.
IV. Der Gustav Fischer Verlag 1. Unternehmensstruktur: Weltfirma in der Provinz Der Gustav Fischer Verlag war im Betrachtungszeitraum ein familiengeführtes Unternehmen, dessen Inhaber maßgeblichen Einfluss auf alle unternehmerischen Entscheidungen hatten.1) Eine generationenübergreifende Perspektive in der Verlagsleitung bestand allerdings nurmehr sehr kurzfristig. Gustav Fischer sen. (1845–1910), der den Gustav Fischer Verlag 1878 in Jena durch Übernahme des Hermann Dufft Verlags gegründet hatte, vererbte das Unternehmen nach seinem Tod seinem Neffen und Adoptivsohn Gustav Adolf Fischer (1878–1946). Familiale Wertmuster bestanden zwar, die Unternehmensorganisation verlief aber vor und nach dem ersten Generationswechsel gemäß dem Unternehmenstypus des Entrepreneurs mit familial gesicherter Nachfolge. Komplexe Entscheidungsmechanismen einer familialen Organisation spielten in diesem Unternehmen keine Rolle. Rechtlich hatte der Verlag Gustav Fischer den Status eines Einzelunternehmens inne, der vornehmlichen Organisationsform im damaligen deutschen Verlagsbuchhandel.2) Die allgemeine Produktionsexpansion des Buchhandels im ausgehenden 19. Jahrhundert nutzte Gustav Fischer sen. zur Spezialisierung auf die Programmbereiche Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Medizin und Naturwissenschaften. Das Geschäftsfeld hatte über die wissenschaftlichen Institutionen hinaus eine wachsende Zahl studierender und professioneller Absatznehmer zu bieten. Von ihnen besonders nachgefragt waren standardisierte und forschungsaktuelle Lehr- und Handbücher, die der Verlag in hohen Auflagen produzieren sowie überregional und – hier liegt die Spezifität des rein wissenschaftlichen Gustav Fischer Verlags im Verlagssample dieser Arbeit – international verbreiten konnte. Der Gustav Fischer Verlag hatte sich bis zur Jahrhundertwende zu einer „Weltfirma“ entwickelt, die international aktiv war und internationales Ansehen genoss.3)
1)
Vgl. Hennerkes: Familienunternehmen, S. 25; Kocka: Family, S. 134; Sachse: Familienunternehmen, S. 10f.; Chandler: Managers, families and financiers, in: Kobayashi: Development; Chandler: Managers, families, and financiers, in: Rose: Family; Kaelble: Family enterprise; Klein: Familienunternehmen, S. 17f., 20, 24. 2) Vgl. Stier: Verlagshaus, S. 111; zu den Organisationsformen im deutschen Buchhandel: Scherer: Unternehmertum, S. 75; 1932 betrug die Anzahl der KGs im deutschen Verlagsbuchhandel zwei Prozent nach amtlicher Statistik und 1,2 Prozent entsprechend dem statistischen Anhang im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels, vgl. Umlauff: Beiträge, S. 37ff., 51f; Gustav Adolf Fischer wird im Folgenden der besseren Lesbarkeit halber Gustav Fischer genannt, sein Adoptivvater als Gustav Fischer sen. bezeichnet. 3) Zitat: Hundert Jahre Gustav Fischer Verlag, S. 5.
1. Unternehmensstruktur: Weltfirma in der Provinz
133
Gustav Adolf Fischer begann seine buchhändlerische Ausbildung 1896 mit einer Lehre im Unternehmen seines Onkels und besuchte währenddessen Vorlesungen an der Jenaer Universität bei Rudolf Eucken, Ernst Haeckel und dem Physiker Adolf Winkelmann.4) Es folgte eine zweijährige Lehrzeit in der Sortimentsbuchhandlung Speyer und Peters in Berlin, eine einjährige Militärzeit und ein anschließendes Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in München bei Lujo Brentano, in Berlin bei Gustav von Schmoller, Adolf Wagner und Otto Gierke sowie in Halle, wo er 1903 mit der Arbeit „Grundzüge der Organisation des deutschen Buchhandels“ promoviert wurde. Volontariate durchlief Fischer 1903 bei der Buchimportfirma G. E. Stechert & Co. (Alfred Hafner) in New York, 1904/05 beim Pariser Verlag Masson & Co. sowie in der Buchdruckerei von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 1905 kehrte er in den Gustav Fischer Verlag zurück, erhielt bald darauf Prokura und wurde 1909 Teilhaber. Nach dem Tod seines Adoptivvaters 1910 übernahm Gustav Adolf Fischer die Firmenleitung des Gustav Fischer Verlags und die alleinige Verantwortung für dessen Programmgestaltung. Während seiner Kriegsteilnahme 1914–18 wurde Gustav Fischer von seinem ersten Prokuristen Max Boettcher (1865–1926) vertreten. Wichtiger Mitarbeiter in den zwanziger und dreißiger Jahren war Friedrich Lütge, der Nationalökonomie studiert hatte, in Jena zum Dr. rer. pol. (1924) sowie Dr. phil. (1928) promoviert wurde und, bevor er 1937 Privatdozent für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte in Jena wurde, als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Gustav Fischer Verlag Assistenz- und Lektoratsaufgaben, besonders im Bereich Wohnungswirtschaft und Sozialpolitik, ausführte.5) Der Verlag war unterteilt in die Herstellungsabteilung, zu der die Verwaltung zahlreicher Abbildungsklischees gehörte, in Propaganda-, Anzeigen- und Katalogabteilung, Auslieferung, Kasse und Buchhaltung sowie Pack- und Lagerabteilungen.6) Im Betrachtungszeitraum waren mindestens 57 Mitarbeiter im Verlag beschäftigt, die in Herstellung, Buchhaltung und Expedition gerne von den medizinischen Konkurrenzverlagen J. A. Barth, Curt Kabitzsch oder J. F. Lehmanns übernommen wurden.7) Gustav Fischer pflegte einen paternalistischen Führungsstil und initiierte erste Rituale von Betriebsgemeinschaft. 1928 wurde das 50-jährige Jubiläum des Unternehmens unter Beteiligung der Mitarbeiter gefeiert.8) Im Anschluss führte Gustav Fischer eine alljährlich zu Silvester angesetzte Informationsveranstaltung ein, auf der alle Mitarbeiter über das abgelaufene Geschäftsjahr 4)
Vgl. im Folgenden: Lütge: Verlagshaus; Stier: Verlagshaus; Recherchen im Bestand der Reichskulturkammer in der Abt. BDC des Bundesarchivs blieben für Gustav Adolf Fischer erfolglos. 5) Vgl. Wolfgang Zorn: Lütge, Friedrich, in: NDB, Bd. 15, 1987, S. 476f. 6) Stier: Verlagshaus, S. 111–126. 7) Zur Mitarbeiteranzahl: Lütge: Verlagshaus, S. 159; zu Lebensläufen langjähriger Mitarbeiter: Stier: Verlagshaus, S. 111–126. 8) Hierfür und folgend: Stier: Verlagshaus, S. 14f., 22.
134
IV. Der Gustav Fischer Verlag
und die Pläne für das kommende Jahr informiert wurden. Im geschäftlichen Umgang mit Autoren bewies Gustav Fischer den Habitus des „guten Kaufmanns“, der Wert legte auf zwischenmenschliches Vertrauen, Zuverlässigkeit und rasche Expedition. Mündliche Abmachungen hatten, laut Aussage Friedrich Lütges, Vertragscharakter. Es galt das „Wort unter Männern“. Die sozialen Gewohnheiten Gustav Fischers dürften wesentlich durch den Unternehmensstandort, die Universitätsstadt Jena, geprägt gewesen sein. Nach seinem Verlagseintritt nahm Gustav Fischer regelmäßig am Mittagstisch der ledigen Professoren und Dozenten im Gasthof „Zum Schwarzen Bären“ am Jenaer Fürstengraben teil, dem damals der Physiologe Wilhelm Biedermann sowie der Botaniker Ernst Stahl vorstanden und an dem gegenwärtige und künftige Verlagsautoren teilnahmen.9) 1910 heiratete er Marie SchultzeJena, Tochter des Jenaer Gynäkologen und Ehrenbürgers Bernhard Sigmund Schultze-Jena und Schwester des Verlagsautoren Leonhard Schultze-Jena. Gustav Fischer übernahm von seinem Adoptivvater das Amt des Schatzmeisters im Verein für thüringische Geschichte und Altertumskunde sowie die Mitgliedschaft in der 1920 gegründeten Gesellschaft der Freunde der Universität, war Mitbegründer der Geographischen Gesellschaft für Thüringen und der Anatomischen Gesellschaft sowie Mitglied in zahlreichen Jenaer Vereinen, namentlich Sportvereinen.10) In der Buchbranche versah der mehrfache Ehrendoktor Ämter im Ehrenausschuss des Verlegervereins und im Rechtsausschuss des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, war beteiligt an der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger und Mitglied im Unterstützungsverein deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen. Trotz seines ehrenamtlichen Engagements wurde Gustav Fischer nachgesagt, ein „Stubengelehrter“ zu sein, der selbst den „viertelstündigen Weg“ zum ebenfalls im Jenaer Stadtkern angesiedelten Eugen Diederichs Verlag gescheut habe.11) In der Tat kann Gustav Fischer in vielem als der Gegenpart des aktivistischen Kulturverlegers Eugen Diederichs betrachtet werden, der sich 1903 in Jena niedergelassen hatte, um dort Raum zu „programmatischer Verlags- und Selbstprofilierung“ abseits der Buchhandelszentren Leipzig, Berlin oder München zu finden oder, wie er 1905 schrieb: „ich konnte meinen Mann geschäftlich und öffentlich stehen.“12) Die Bemühungen Diederichs’, in der Jenaer
9)
Ebd., S. 9. Ebd., S. 22ff.; Meike G. Werner: Moderne in der Provinz. Kulturelle Experimente im Fin de Siècle Jena, Göttingen 2003, S. 116f.; zur Gesellschaft der Freunde der Thüringischen Landesuniversität vgl. Willy Schilling: Die Gesellschaft der Freunde der Thüringischen Landesuniversität Jena, in: Uwe Hoßfeld/Jürgen John/Oliver Lemuth/Rüdiger Stutz (Hrsg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 311–320. 11) Hundert Jahre Gustav Fischer Verlag, S. 24; Stier: Verlagshaus, S. 21f. 12) Meike G. Werner: Bürger im Mittelpunkt der Welt, in: Versammlungsort moderner Geister. Der Kulturverleger Eugen Diederichs und seine Anfänge in Jena 1904–1914. Katalogbuch zur Ausstellung im Romantikerhaus Jena 15. September bis 8. Dezember 1996, 10)
1. Unternehmensstruktur: Weltfirma in der Provinz
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Öffentlichkeit wirksam zu werden, erstreckten sich auf geschäftiges Treiben im bürgerlichen Vereinswesen der Stadt, im Jenaer Kunstverein, im Bund für Heimatschutz oder in studentischen Subkulturen wie dem Serakreis, mit dessen Teilnehmern er jugendbewegte Landpartien unternahm.13) Eine Schillerausstellung, die Eugen Diederichs zum hundertsten Todestag Schillers 1905 organisierte, stieß bei Gustav Fischer sen. auf scharfe Kritik. Fischer sen. warf Diederichs vor, er „verdürbe den Charakter Jenas, die Kunst gehöre nach Weimar.“14) Eine prinzipielle Skepsis von Gustav Fischer sen. und Gustav Adolf Fischer gegenüber dem ambitionierten Kollegen, der seinen Verlag selbst „Versammlungsort moderner Geister“ benannte und unter diesem Banner allerlei Reformbewegungen der Jahrhundertwende subsumierte, ist jedoch nicht nachzuweisen.15) Einer der wenigen Berührungspunkte beider Verlagshäuser dürfte das gemeinsame Fußballspiel der Mitarbeiter gewesen sein. Die offiziellen Autorenzirkel der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem medizinisch und naturwissenschaftlich profilierten Jenaer Universität blieben das Revier Gustav Fischers, der in seinen Verlagswerken „das Muster einer glücklichen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Technik und dem Verlag, wie sie für Jena oft nachzuweisen ist“, abbildete.16) Im Programm des Gustav Fischer Verlags wurden die Tendenzen gebündelt, die den Unternehmensstandort, den „Mikrokosmos“ Jena, in seinen industriell-sozialreformerischen sowie universitär-wissenschaftlichen Facetten und, wenn man so will, in diesen Aneignungsformen ‚moderner Zeiten‘ prägten: der technische Fortschritt der Carl Zeiss Werke, die Sozialreformen Ernst Abbes und der naturwissenschaftsgläubige Monismus Ernst Haeckels sowie, mit allen Faktoren verbunden, die Jenaer Universität.17) Die spezifische industriell- und wissenschaftsbasierte Prosperität und Solidität Jenas fielen noch dem Jena-Besucher der dreißiger Jahre auf. Der amerikanische Korrespondent Hubert Renfro Knickerbocker schrieb 1932: „verglichen mit dem nur wenige München 1996, S. 25–50, hier: S. 28; Eugen Diederichs: Aus persönlichen Aufzeichnungen (1905), in: Lulu von Strauß und Torney-Diederichs (Hrsg.): Eugen Diederichs. Leben und Werk, Jena 1936, S. 123; zu Jena als Wirkungs- und Inspirationsort von Diederichs: Ulf Diederichs: Jena und Weimar als verlegerisches Programm. Über die Anfänge des Eugen Diederichs Verlages in Jena, in: Jürgen John/Volker Wahl (Hrsg.): Zwischen Konvention und Avantgarde. Doppelstadt Jena-Weimar, Weimar/Köln/Wien 1995, S. 51–80; zu Fischers Rolle als Gegenpart: Werner: Moderne, S. 102, 116f. 13) Vgl. Meike G. Werner: Die Erneuerung des Lebens durch ästhetische Praxis. Lebensreform, Jugend und Festkultur im Eugen Diederichs Verlag, in: Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort, insbesondere: S. 224f. 14) Zitat und folgendes: Werner: Moderne, S. 102. 15) Aus den zahlreichen Publikationen über den Diederichs Verlags erläutern das Verlagsprogramm am instruktivsten: Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort; Ulbricht/Werner (Hrsg.): Romantik. 16) Stier: Verlagshaus, S. 38; vgl. auch Werner: Moderne, S. 110. 17) Vgl. allgemein: Klaus-M. Kodalle (Hrsg.): Angst vor der Moderne. Philosophische Antworten auf Krisenerfahrungen. Der Mikrokosmos Jena 1900–1940, Würzburg 2000; John: Weimar; Werner: Moderne; John/Wahl (Hrsg.): Konvention.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
Stunden entfernten trostlosen Gebiet stillgelegter Fabriken und jammervollen Elends war es buchstäblich eine andere Welt. Eine Welt, die das wirkliche Deutschland zu sein schien – das Deutschland der Ordnung und des Fleißes, der Sauberkeit und des Behagens, der Produktivität und Tüchtigkeit.“18) Der ungewöhnlich rasante industrielle und wirtschaftliche Aufschwung Jenas am Ende des 19. Jahrhunderts war den 1846 gegründeten Optischen Werkstätten Carl Zeiss und dem 1884 gegründeten Glastechnischen Laboratorium Schott & Genossen zu danken, die sich zum industriellen Großbetrieb Carl Zeiss Werke entwickelten und optische Instrumente seriell in hoher Qualität produzierten.19) Der von Ernst Abbe als Carl Zeiss-Stiftung organisierte Wirtschaftsbetrieb bot den Arbeitnehmern industrielle, aber anspruchsvolle Arbeitsplätze sowie außergewöhnliche soziale Sicherungen wie Werkswohnungen und Betriebsrente. Mit hohen Geldsummen förderte die Carl Zeiss-Stiftung die örtliche Universität, besonders den naturwissenschaftlichen Bereich.20) Die dichte Betriebsgemeinschaft der „Zeissianer“ und ihr Standesstolz hatten spürbare Folgen für das soziale Klima der Stadt. Die erfolgreiche Liaison des Wirtschaftsbetriebs Carl Zeiss Werke und der universitären Wissenschaft wirkte sich als Gesellschafts- und Sozialmodell auf die Struktur der lokalen Jenaer Eliten aus. Neben dem traditionellen Bildungsbürgertum der Universitätsangehörigen etablierte sich die einflussreiche Gruppe eines technisch-naturwissenschaftlichen Wirtschaftsbürgertums, in der ein naturund wirtschaftswissenschaftlicher Verleger entsprechendes Ansehen genoss und Anregungen für ein sozialpolitisch ambitioniertes wie fortschrittsoptimistisches Verlagsprogramm gewann.21) Ein weiterer Faktor, der den Unternehmensstandort des Gustav Fischer Verlags nachhaltig prägte, war die Person und Tradition Ernst Haeckels, des Begründers des Zoologischen Instituts, der auf Grundlage einer popularisierten Vererbungslehre Darwins eine eigene naturwissenschaftlich-positivisti18)
Hubert Renfro Knickerbocker: Deutschland. So oder so? Berlin 1932, S. 46. Ernst Wuttig: Die Carl Zeiß-Stiftung in Jena und ihre Bedeutung für die Forschung, in: Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele, Hamburg 1930; Felix Auerbach: Das Zeißwerk und die Carl-Zeiß-Stiftung. Ihre wissenschaftliche, technische und soziale Entwicklung und Bedeutung, 4. Aufl. Jena 1914; Friedrich Schomerus: Geschichte des Jenaer Zeißwerkes 1846–1946, Stuttgart 1952; ders.: Werden und Wesen der Carl-ZeißStiftung an der Hand von Briefen und Dokumenten aus der Gründungszeit 1886–1896, 2. Aufl. Stuttgart 1955; Rüdiger Stolz/Joachim Wittig (Hrsg.): Carl Zeiß und Ernst Abbe. Leben, Wirken, Bedeutung. Wissenschaftshistorische Abhandlung, Jena 1993. 20) Rolf Walter: Die Ressource ‚Wissen‘ und ihre Nutzung. Ernst Abbe und der Jenaer Aufschwung um 1900, in: Klaus-M. Kodalle (Hrsg.): Angst, S. 11–23; Stefan Gerber/Matthias Steinbach: „Angst vor der Moderne?“ Die Universität Jena von der Mitte des 19. bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, in: dies. (Hrsg.): „Klassische Universität“ und „akademische Provinz“. Studien zur Universität Jena von der Mitte des 19. bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, Jena/Quedlinburg 2005, S. 7–30. 21) Vgl. Werner: Moderne, S. 35; Wolfgang Mühlfriedel: Zur Struktur der Jenaer Elite in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, in: John/Wahl (Hrsg.): Konvention, S. 237f. 19)
1. Unternehmensstruktur: Weltfirma in der Provinz
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sche, monistische Weltanschauung entwarf.22) Das Verlagshaus des Gustav Fischer Verlags am Jenaer Villengang lag in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Wohnhauses Haeckels, der Villa Medusa, und des von Haeckel 1907 begründeten Phyletischen Museums. Beide Gebäude schmückten auf Fassade und Raumdecken die von Haeckel entdeckten marinen Tierformen als artifizielle Jugendstilornamente.23) Tagtäglich wurden auf diese Weise Gustav Fischer und die Mitarbeiter des Verlags mit Haeckels biologistischen Theorien konfrontiert, sodass es nicht verwundert, dass Haeckel mit seinen Schülern zum Angelpunkt des naturwissenschaftlichen Verlagsprogramms wurde. Die Jenaer Universität, das integrierende Moment des Verlagsprogramms von Gustav Fischer, war eine Traditionsuniversität des 16. Jahrhunderts. Sie konnte eine erinnerungspolitisch verwertbare klassisch-idealistische Blütezeit als Wirkungsstätte Friedrich Schillers aufweisen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde sie zu einer Forschungsuniversität im Bereich der Mathematik und Naturwissenschaften, erheblich mitfinanziert von der Carl Zeiss-Stiftung, die die chronische Unterfinanzierung der Universität durch die ernestinischen Trägerstaaten auffing.24) Der naturwissenschaftliche Forschungsschwerpunkt blieb bis in die zwanziger und dreißiger Jahre bestehen und stellte den Rahmen, in dem ein biowissenschaftlicher Fächerkanon institutionalisiert und rassenpolitische Netzwerke wirksam werden konnten.25) Die Berufung Hans F. K. Günthers 1930 auf den Lehrstuhl für Sozialanthropologie nahm sicher nicht die Entwicklung Thüringens zu einem „Mustergau“ des nationalsozialistischen Deutschlands vorweg.26) Sie verhalf dem Standort Jena auch nicht sogleich zu
22)
Zu Haeckel und dem Monistenbund vgl. Daniel Gasman: The scientific origins of National Socialism. Social Darwinism in Ernst Haeckel and the German Monist League, London/New York 1971; Paul Weindling: Health, S. 40ff.; ders.: Ernst Haeckel, in: James R. Moore (Hrsg.): History, humanity and evolution. Essays for John C. Greene, Cambridge 1989, S. 311–327, hier: S. 311ff.; Uwe Hoßfeld: Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Nachkriegszeit, Stuttgart 2005, S. 139ff.; zum Monistenbund: ebd., S. 246f.; Gangolf Hübinger: Die monistische Bewegung. Sozialingenieure und Kulturprediger, in: ders./Rüdiger vom Bruch/Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Bd. II. Idealismus und Positivismus, Stuttgart 1997, S. 246–259; Jürgen Sandmann: Ernst Haeckels Entwicklungslehre als Teil seiner biologistischen Weltanschauung, in: Eve-Marie Engels (Hrsg.): Die Rezeption von Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1995, S. 326–346; Bernhard Kleeberg: Theophysis. Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen, Köln 2005. 23) Erika Krauße: Haeckel: Promorphologie und „evolutionistische“ ästhetische Theorie. Konzept und Wirkung, in: Engels (Hrsg.): Rezeption, S. 367. 24) Vgl. Gerber/Steinbach: Angst, S. 12f. 25) Hoßfeld/John/Stutz: „Kämpferische Wissenschaft“, S. 24; Hoßfeld: Geschichte, S. 206–263. 26) So Steffen Kaudelka: Die Berufung Hans F. K. Günthers im Jahr 1930 – der Beginn der „Machtergreifung“ an der Universität Jena? in: Steinbach/Gerber (Hrsg.): „Klassische Universität“, S. 103–126; für die „Vorreiterrolle“: Uwe Hoßfeld: Von der Rassenkunde, Rassenhygiene und biologischen Erbstatistik zur Synthetischen Theorie der Evolution:
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
einem Vorsprung in der universitären Etablierung von Rassenkunde. Hingegen handelte es sich vor allem um eine hochschulpolitische Causa der rücksichtslosen und kompromisslosen Durchsetzung von Zielsetzungen des thüringischen NSDAP-Bildungsministers Wilhelm Frick, der Günther gegen den Widerstand von Rektor, Senat sowie Professorenmehrheit, nur von Teilen der Studentenschaft unterstützt, einsetzte. Eine Positionierung des Gustav Fischer Verlags zu diesem Vorgang ist nicht überliefert. Bekannt ist lediglich, dass der Verlag einem Bittgesuch Günthers an eine „Anzahl deutscher Verleger“ um Stiftung von Verlagswerken zum Aufbau einer Seminarbibliothek mit einer Spende von elf Werken, darunter dem „Lehrbuch für Anthropologie“ von Rudolf Martin, nachkam.27) Eugen Diederichs stiftete immerhin 22 Bücher und Günthers Verleger Julius Friedrich Lehmann gar 131 Bücher sowie eine Augenfarbentafel und sechs anthropologische Bilderserien. Im Allgemeinen ist an der Jenaer Universität, wie an anderen Universitäten, politisch eine stark deutschnationale Färbung der Professoren- und Studentenschaft anzunehmen.28) Eine Reihe neo-konservativer intellektueller Zirkel hatten ihren Wurzeln in Jena und bildeten reichsweit operierende antirepublikanische Gemeinden. Zu erwähnen sind der Eucken-Bund des in Jena lehrenden Philosophen Rudolf Eucken, Max Wundts dem Alldeutschen Verband nahe stehende Gesellschaft Deutscher Staat oder der außeruniversitäre frühe Tat-Kreis um die gleichnamige Zeitschrift im Eugen Diederichs-Verlag. Auf die räumliche Nähe der völkischen Zirkel Weimars um den Literaturhistoriker Adolf Bartels muss nicht rekurriert werden, um die Akzeptanz nationalistischer und antisemitischer Ressentiments an der Jenaer Universität wahrscheinlich erscheinen zu lassen.29) Ende 1922 hatte der Beschluss der Jenaer Klinikleitungen, die ersten vier Bänke ihres Auditoriums bei Vorlesungen ‚Ariern‘ vorzubehalten, eine Landtagsdebatte zur Folge.30) 1923 wurde gegen den Zoologen und Haeckel-Nachfolger Ludwig Plate ein DisziEine Skizze der Biowissenschaften, in: Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz (Hrsg.): „Kämpferische Wissenschaft“, S. 519–574; Paul Weindling: „Mustergau“ Thüringen. Rassenhygiene zwischen Ideologie und Machtpolitik, in: ebda., S. 1013–1026; Hoßfeld/John/Stutz: „Kämpferische Wissenschaft“, S. 46ff.; kritisch dazu: Gerber/Steinbach: Angst, S. 25f. 27) Hoßfeld: Rassenkunde, S. 560. 28) Vgl. hierzu: Hoßfeld/John/Stutz (Hrsg.): „Kämpferische Wissenschaft“, S. 39ff.; allgemein vgl. Michael H. Kater: Studentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland 1918–1933, Hamburg 1975; Christian Jansen: Professoren und Politik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914–1935, Göttingen 1992, S. 176ff., 289ff.; Konrad H. Jarausch: Deutsche Studenten 1800–1970, Frankfurt/M. 1984, S. 82–128; ders.: Students, society and politics in Imperial Germany: the rise of academic illiberalism, Princeton 1982; Norbert Kampe: Studenten und „Judenfrage“ im deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus, Göttingen 1988; Heike Ströle-Bühler: Studentischer Antisemitismus in der Weimarer Republik. Eine Analyse der Burschenschaftlichen Blätter 1918 bis 1933, Frankfurt/M. 1991. 29) Bezug auf Weimar bei: John: Weimar, S. 20. 30) Hierfür und folgend, aber ohne Beleg: Siegfried Schmidt (Hrsg.): Alma mater Jenensis. Geschichte der Universität Jena, Weimar 1983, S. 264.
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat
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plinarverfahren eingeleitet, da er in seinen Kollegs soziale Ungleichheit und Antisemitismus rechtfertigte und seine Studenten aufforderte, in militärisch organisierte Verbände einzutreten.
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat Gemessen an der durchschnittlichen Produktionsquote, die der Gustav Fischer Verlag dem „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ meldete, lag das Unternehmen 1926 an zehnter Position einer Statistik von 300 Verlagsbuchhandlungen im Deutschen Reich.31) Mit einer Produktion von über 150 Titeln pro Jahr zählte der Verlag zu dem einen Prozent der produktionsstärksten Verlagsbuchhandlungen der Weimarer Republik.32) Der Absatz der Novitäten in Stück im Gustav Fischer Verlag zeigt deutlich die Eigenheiten im Absatzverhalten einer rein wissenschaftlichen Verlagsproduktion in den Jahren der Weimarer Republik (vgl. Abb. 5). Auf generell ungleich höherem Absatzniveau als Verlage mit einem stärker publikumswirksamen Programm, wie beispielsweise Vandenhoeck & Ruprecht oder Westermann, spielte sich das Absatzhoch der Hyperinflation ab, begründet in der, insbesondere im valutastarken Ausland, speziell Japan, erhöhten Nachfrage nach wissenschaftlicher Literatur.33) Der untypische Absatzeinbruch 1921 resultierte aus dem vorzeitigen Ausverkauf von Lehr- und Handbüchern, die erst im Folgejahr neu aufgelegt werden konnten. Nach dem auf die Währungsstabilisierung folgenden Absatzeinbruch konsolidierte sich der Absatz auf dem erreichten niedrigen Niveau. 1928 erfolgte ein verspäteter und kurzfristiger Wiederaufschwung des Absatzes, dem sich ein kontinuierliches Absinken anschloss. Die knappen Finanzmittel wissenschaftlicher Institutionen und Bibliotheken in der Weimarer Republik, die Hauptabsatznehmer eines rein wissenschaftlichen Verlags wie Gustav Fischer waren, machten sich hier deutlich bemerkbar, ebenso wie die verlangsamte Produktion allgemein absetzbarer Lehr- und Handbücher.34) Das generell höhere Absatzniveau des Gustav Fischer Verlags, im Vergleich beispielsweise zum theologischen Wissenschaftsverlag Vandenhoeck & Ruprecht, ist dem Verlagsprogramm geschuldet. Nationalökonomie und Sozialwissenschaften sowie Medizin und Naturwissenschaften waren die Schwerpunkte, die sich bald nach der Verlagsübernahme durch Gustav Fi-
31)
Scherer: Unternehmertum, S. 223ff. Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 109. 33) Zur Inflation vgl. Ruprecht: Väter, S. 257; ähnlich bei Mohr-Siebeck vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik, S. 362f.; allgemein zu den Auswirkungen der Inflation auf den Buchhandel: Grieser: Buchhandel; zur erhöhten Nachfrage in Japan: Lütge: Verlagshaus, S. 165. 34) Wittmann: Geschichte, S. 330f. 32)
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Abb. 5: Absatz des Buchverlags im Gustav Fischer Verlag in Stück35)
scher sen. 1878 herauskristallisiert hatten. Es waren Fachgebiete, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Lehr- und Forschungseinrichtungen expandierten, sich weiter ausdifferenzierten und eine hohe Anzahl von Studierenden und Professionellen aufwiesen, die vor allem ein kaufkräftiges Publikum für zweckdienliche sowie forschungsnahe Lehr- und Handbücher waren. Das Konzept des gesamten Programms Gustav Fischers, wie es seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bestand, lässt sich unter die allgemeine Idee fassen, soziale Interaktionen zu regeln. Die wichtigste Relation des Verlagsprogramms lag in der Interdisziplinarität von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Medizin und Naturwissenschaften, die für eine Wechselwirkung zwischen „Staaten und Organismen“, zwischen biologischen sowie sozialen Wissenschaftskonzepten und -methoden sorgte. Die „Versozialwissenschaftlichung“ biologischer Objekte und die „Biologisierung“ sozialwissenschaftlicher Objekte wurden in der Zusammenschau des Gustav Fischer Programms wesentlich erleichtert.36) Die Programmbereiche entfalteten daneben in sich diachrone Relationen. In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wirkten sozialpolitische Vorstellungen des Kaiserreichs und holistische Gesellschaftsideen der Weimarer Republik zusammen und vermittelten die Planbarkeit 35)
Erstellt nach den Absatzzahlen im Bestand „Erledigte Kontenblätter“ im ThHStAW; zu den Tendenzen im Buchhandel vgl. Wittmann: Geschichte, S. 329f.; Kastner: Statistik (2007), S. 341ff.; Umlauff: Beiträge, S. 70. 36) Vgl. für die Biologie: Heinz-Georg Marten: Sozialbiologismus. Biologische Grundpositionen der politischen Ideengeschichte, Frankfurt/M. 1983; zur „Versozialwissenschaftlichung“ der Biologie vgl. Jörg Gutberger: Volk, Raum und Sozialstruktur. Sozialstrukturund Sozialraumforschung im ‚Dritten Reich‘, Münster 1994, S. 3.
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat
141
sozialer Utopien. In der Medizin und den Naturwissenschaften war dem Netz verlagsprogrammatischer Relationen der Jahrhundertwende von sozialer Medizin, sozialer Hygiene, Haeckelschem Monismus, Sozialdarwinismus und Rassenhygiene rassistisches Radikalisierungspotential zu eigen. 2.1 Wirtschaft und Gesellschaft: Soziale Utopien und soziale Planungen In der deutschen Nationalökonomie konnten die Jahre der Weimarer Republik nicht anders als katastrophal wahrgenommen werden. Ohne hinreichende Erklärung standen Wirtschaftswissenschaftler grundlegenden Erschütterungen der nationalen und internationalen Wirtschaft, wie Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise, gegenüber. Der Publikationsmasse nationalökonomischer Literatur tat dies vermutlich nur bedingt Abbruch. Statistisches Material über diesen Publikationszweig ist allerdings nur für die Titelgruppe der „Rechts- und Staatswissenschaften“ verfügbar, einschließlich Gesetzestexte und -kommentare. Insbesondere diese Titelgruppe war in den ersten beiden Jahren der Republik dafür verantwortlich, dass in dieser Produktionsgruppe an das hohe Vorkriegsniveau der Produktion, das sich seit Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896 entwickelt hatte, angeschlossen werden konnte.37) Nach der Inflationshausse stabilisierte sich die Produktion. In den Endjahren der Republik zeichnete sich seit 1929 im rechtswissenschaftlichen Bereich und seit 1931 im staats- und sozialwissenschaftlichen Bereich ein Aufschwung der Produktion ab. Die produktionstechnische Stabilisierung des Fachgebiets sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wirtschaftswissenschaften methodologisch zerfielen. Die Auseinandersetzungen der Vorkriegszeit um die Historische Schule hielten an und verstärkten sich, insbesondere, als mit Gustav von Schmoller 1917 der wichtigste Vertreter dieser Richtung verstarb.38) An die Stelle wissenschaftspolitisch eindeutig definierter Lager traten nationalökonomische Methoden- und Ordnungspluralismen. Es eröffnete sich ein Spektrum wissenschaftlicher Orientierungsmuster, das sich von holistischen Standpunkten, die deduktiv von meist außerwirtschaftlich begründeten Allgemeinheiten auf besondere Tatsachen schlossen, bis zu individualistisch-theoretischen Anschauungen, die größere Zusammenhänge aus empirischen Einzeltatsachen 37)
Vgl. Kastner: Statistik (2007), S. 344; Umlauff: Beiträge, S. 75f.; für das Kaiserreich: Kastner: Statistik (2003), S. 305f. 38) Vgl. Marc Lüdders: Die Suche nach einem Dritten Weg. Beiträge der deutschen Nationalökonomie in der Zeit der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/Berlin/Bern u. a. 2004; Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren, Marburg 1998; Karl Häuser: Das Ende der Historischen Schule und die Ambiguität der deutschen Nationalökonomie in der zwanziger Jahren, in: Knut Wolfgang Nörr/Bertram Schefold/Friedrich Tenbruck (Hrsg.): Geisteswissenschaften zwischen Kaiserreich und Republik. Zur Entwicklung von Nationalökonomie, Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S. 47–74.
142
IV. Der Gustav Fischer Verlag
ableiteten, erstreckte.39) Zum einen veränderte dieser Pluralismus wissenschaftspolitische Strategien. Zum anderen ist in unserem Zusammenhang daran zu erinnern, dass vor diesem Hintergrund verlegerische Flexibilität in ökonomisch unsicheren Zeiten gefordert war. Im Gustav Fischer Verlag musste man sich von einem breit gestreuten Programmformat mit einem Schwerpunkt in der ethisch-historischen, etatistischen Nationalökonomie, einbegriffen sozialpolitische Reformpublikationen, verabschieden.40) Ausgehend von anerkannten Autoren der Jenaer oder Hallenser Universität, wie vor allem Johannes Conrad, aber auch Heinrich Waentig, Hugo Eisenhart und Julius Pierstorff, hatte das wirtschaftswissenschaftliche Programmsegment seit den 1890er Jahren prosperiert. Die Gegenbewegung zur historischen Schule in der Vorkriegszeit, die ‚Österreichische Schule‘, war kaum bei Gustav Fischer vertreten. Diese Veröffentlichungen verlegte die Konkurrenz J. C. B. Mohr (Siebeck) oder der Innsbrucker Universitätsverlag Wagner. In der Weimarer Republik profilierte sich der Gustav Fischer Verlag in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit Hilfe von Publikationen holistischer Prägung neu. Dies gelang vor allem durch die Neuverpflichtung von Autoren wie Othmar Spann und seinen Schülern sowie Arthur Spiethoff und Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld. In der Relation zu sozialpolitischen Verlagstraditionen des Kaiserreichs in Form von Unterweisungsliteratur für zielgerichtete Eingriffe in problematisch perzipierte gesellschaftliche Gegebenheiten wurden holistische Utopien so zu Sozialplanungen, d. h. Planungen umfassender sozialpolitischer Maßnahmen, die Zielvorstellungen gesellschaftlicher Ganzheiten verwirklichen sollten.41) Tendenziell lässt sich diese Akzentverschiebung des Verlagsprogramms von Gustav Fischer in die seit 1900 anhaltende Entwicklung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften von sozialethischen zu sozialtechnologischen Wissenschaften einordnen.42)
39)
Die Typologie der Weimarer Nationalökonomie nach: Lüdders: Suche, S. 26; dieser bezieht sich auf: Heinz Rieter/Matthias Schmolz: The ideas of German ordoliberalism 1938–45. Pointing the way to a new economic order, in: The European Journal of the History of Economic Thought 1 (1993), S. 87–114, hier: S. 90. 40) Vgl. Lütge: Verlagshaus, S. 169ff.; Helen Müller: Wissenschaft und Markt um 1900. Das Verlagsunternehmen Walter de Gruyters im literarischen Feld der Jahrhundertwende, Tübingen 2004, S. 126ff. 41) Die Definition von „Sozialpolitik“ folgt Peukert, vgl. Detlev J. K. Peukert: Zur Erforschung der Sozialpolitik im Dritten Reich, in: Hans-Uwe Otto/Heinz Sünker (Hrsg.): Soziale Arbeit und Faschismus. Volkspflege und Pädagogik im Nationalsozialismus, Bielefeld 1986, S. 123–132, hier: S. 127; zur Definition von Sozialplanung: Herbert J. Gans: Sozialwissenschaft für Sozialpolitik, in: Bernhard Badura (Hrsg.): Seminar. Angewandte Sozialforschung. Studien über Voraussetzungen und Bedingungen der Produktion, Diffusion und Verwertung sozialwissenschaftlichen Wissens, Frankfurt/M. 1976, S. 232–252, hier: S. 233; der Zusammenhang von sozialer Planung und sozialer Utopie als Kennzeichen Weimarer Sozialpolitik bei: Peukert: Weimarer Republik, S. 138. 42) Zur sozialtechnologischen Sozialwissenschaft: Rüdiger vom Bruch: Von der Sozialethik
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat
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Der langjährige Mitarbeiter Schmollers, Arthur Spiethoff, wurde allerdings erst 1930 gemeinsam mit Herbert von Beckerath und Josef Schumpeter Herausgeber der bei Gustav Fischer produzierten Reihe „Bonner staatswissenschaftliche Untersuchungen“, in der er selbst 1934 seine wohnungswirtschaftliche Studie „Boden und Wohnung in der Marktwirtschaft“ veröffentlichte. Sein Hauptwerk der Vorkriegszeit „Die allgemeine Volkswirtschaftslehre als geschichtliche Theorie“, in dem er die auf ganzheitliche Betrachtung einer wirtschaftlichen Epoche abzielende Einheit des „arteigenen Wirtschaftsstiles“ einführt, veröffentlichte er bei Duncker & Humblot.43) Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, nach Stationen in Brünn, München und Hamburg 1926 auf den Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie an die Berliner Universität berufen, veröffentlichte seit der Promotion sein Œuvre, mit den Werken „Die Herrschaft des Wertes“ (1901), „Die wirtschaftliche Dimension“ (1923), „Fordismus“ (1924), „Wirtschaft als Leben. Eine Sammlung erkenntnistheoretischer Arbeiten“ (1925), „Volksvermögen und Volkseinkommen“ (1928), „Vom Sinn der Rationalisierung“ (1929), „Der Mythus der Planwirtschaft. Vom Wahn im Wirtschaftsleben“ (1932) und „Theorie blickt in die Zeit. Vier Aufsätze über deutsche Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft“ (1939), hauptsächlich bei Gustav Fischer. Gottls wissenschaftliche Position resultierte aus den methodologischen Auseinandersetzungen und Positionierungen der Jahrhundertwende. Gemeinsam mit Max Weber und Werner Sombart sprach er sich für eine wissenschaftliche Grundlegung ökonomischer Forschung durch die Synthese kultur- und wirtschaftstheoretischer Ansätze aus.44) In diesem Sinne entwickelte er eine von phänomenologischer Philosophie inspirierte „ontologische Gebildetheorie“ einer regulierten Wirtschaftsordnung, in der sich Einzelne unter das „Wirtschaftsgebilde“ höherer gesellschaftlicher Ganzheiten – Haushalt, Betrieb oder Staat – unterzuordnen hätten. Das holistische Ideal von Gebilden verwirklicht sich, laut Gottl, im „gestalteten Zusammenleben, im Sinne von Gemeinung und Gesellung“, das wiederum nichts weniger als dem „Allzusammenhang des Geschehens“ dienen soll.45) Auf diese Weise würde das Wirtschaftsleben wieder zu einer wirklichkeitserfassenden „Wirtschaft als Leben“, statt einer „Wirtschaft als Leistung“, die lediglich den „eitel Tausch vor Augen“ hätte.46)
zur Sozialtechnologie? Neuorientierungen in der deutschen Sozialwissenschaft um 1900, in: Hübinger/vom Bruch/Graf (Hrsg.): Kultur. 43) Zu Spiethoff vgl. Heinz Rieker: Historische Schulen, in: Otmar Issing (Hrsg.): Geschichte der Nationalökonomie, München 2002, S. 158f.; Janssen: Nationalökonomie, S. 66ff. 44) Zu Gottl-Ottlilienfeld vgl. Ursula Bender: Technik, technischer Fortschritt und sozioökonomische Zusammenhänge bei Friedrich Gottl-Ottlilienfeld, Frankfurt am Main/New York 1985; Lüdders: Suche, S. 28; Janssen: Nationalökonomie, S. 39, 68ff. 45) Zitate: Friedrich Gottl-Ottlilienfeld: Bedarf und Deckung. Ein Vorgriff in Theorie der Wirtschaft als Leben, Jena 1928, S. 19. 46) Zitate: ebd., S. 1f.
144
IV. Der Gustav Fischer Verlag
Der Österreicher Othmar Spann, 1907 bei Gottl-Ottlilienfeld habilitiert, war seit 1918, unmittelbar bevor er in Wien 1919 Ordinarius an der Staatswissenschaftlichen Fakultät wurde, Verlagsautor und publizierte in den Folgejahren seine Hauptwerke bei Gustav Fischer. Neben dem „Fundament der Volkswirtschaftslehre“ (1918) waren dies die Schriften „Vom Geist der Volkswirtschaftslehre“ (1919), „Tote und lebendige Wissenschaft“ (1921) und die „Kategorienlehre“ (1924). Daneben war er seit 1922 Herausgeber der Reihe „Die Herdflamme. Sammlung der gesellschaftswissenschaftlichen Grundwerke aller Zeiten und Völker“, die aus Texten bekannter Philosophen sowie Gesellschafts- und Wirtschaftstheoretiker bestand. Wie die gesamten Arbeiten Othmar Spanns standen sie unter dem Motto, das Spann und seine Schüler für ihre Arbeiten selbst gewählt hatten: dem „Universalismus“. Diese universalistische Wirtschafts- und Gesellschaftslehre beinhaltete die Vorstellung einer ganzheitlichen Wirtschaft und Gesellschaft, die in einem klerikal-völkisch organisierten Ständestaat als arteigene Ganzheit über den Individuen stehen sollte.47) Mittels dieses geschlossenen und straff gegliederten Ganzheitssystems versuchte er sowohl dem methodologischen als auch dem politischen Universalismus zum Durchbruch zu verhelfen. Methodologisch entfaltete Spann eine Wirtschaftswissenschaft, die zum einen im deduktiven Verfahren vom a priori vorhandenen Ganzen zum Einzelnen vorzugehen hatte und zum anderen damit den Anspruch erheben konnte, Gesellschaftswissenschaft zu sein. Diese hohe Ambition kleidete Spann wiederum in metaphysisch anspruchsvolle Formulierungen, wenn „der Begriff der Ganzheit das echte Samenkorn lebendiger Wissenschaft“ zu sein habe und die Volkswirtschaftslehre „Anteil an dem Geheimnis aller sittlichen Wissenschaften“ haben könne.48) Othmar Spanns politisches Ziel lag im Entwurf einer starken staatlichen Einheit, die das soziale und wirtschaftliche Verhalten und Handeln zu regeln und insbesondere das bindungsunfähige Individuum in der ständischen Ordnung zur sozialen Verantwortung zu erziehen habe. Die in Spanns Arbeiten liegende Verbindung von sozialer Utopie und ihrer sozialpolitischen Praxis, die damit die repräsentative Relation des sozioöko47)
Zu Spann vgl. Klaus-Jörg Siegfried: Universalismus und Faschismus. Das Gesellschaftsbild Othmar Spanns. Zur politischen Funktion seiner Gesellschaftslehre und Ständestaatskonzeption, Wien 1974; Janssen: Nationalökonomie, S. 73ff.; Lüdders: Suche, S. 28; Reinhold Knoll: Die Sozialwissenschaften in den 20er Jahren – Österreichs Größe im Untergang, in: Knut Wolfgang Nörr/Bertram Schefold/Friedrich Tenbruck (Hrsg.): Geisteswissenschaften zwischen Kaiserreich und Republik. Zur Entwicklung von Nationalökonomie, Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S. 243–265; Breuer: Ordnungen, S. 213f.; Martin Schneller: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservatismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970; Arnulf Rieber: Vom Positivismus zum Universalismus. Untersuchungen zur Entwicklung und Kritik des Ganzheitsbegriffs von Othmar Spann, Berlin 1971. 48) Zitate: Othmar Spann: Tote und lebendige Wissenschaft. Abhandlungen zur Auseinandersetzung mit Individualismus und Marxismus, Jena 1925, S. IX; ders.: Fundament der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl. Jena 1921, S. XVI.
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat
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nomischen Verlagsschwerpunkts von Gustav Fischer in sich bündelte, wurde von seinen Schülern Walter Heinrich, Wilhelm Andreae und Jakob Baxa in ihren Veröffentlichungen, die sie vorwiegend in den späten zwanziger und dreißiger Jahren im Gustav Fischer Verlag tätigten, und unter den wissenschaftspolitischen Bedingungen des Nationalsozialismus weiter ausgebaut. Adolf Günther, Schüler des ebenfalls bei Fischer publizierenden Lujo Brentano, verfasste als Professor an der Universität Innsbruck die regionalsoziologische Studie „Die alpenländische Gesellschaft als sozialer und politischer, wirtschaftlicher und kultureller Lebenskreis“, die 1930 bei Gustav Fischer erschien und in der er ein anthropogeographisch inspiriertes, umfassendes Panorama eines alpenländischen Sozialraums entwarf.49) In dieses Werk flossen frühere sozialpolitische Grundsätze des Autors ein, die er in seiner „Theorie der Sozialpolitik“, 1922 bei der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger (seit 1923 Verlag Walter de Gruyter) erschienen, ausgeführt hat. Dort definiert er Sozialpolitik als „gesellschaftliche Ausgleichspolitik“, in der wirtschaftliche, kulturelle oder ethische Gegensätze gesellschaftlicher Interessengruppen aufgehoben sein könnten.50) Eine derart gesellschaftspolitisch aufgefasste Sozialpolitik schließt die Gleichsetzung von Sozialpolitik mit sozialer Hygiene und Rassenhygiene selbstverständlich mit ein, sodass auch im konkreten Untersuchungsfall der Alpenländer den „Alpenländischen Rassenfragen“ ein eigenes Kapitel zukommt, allerdings mit dem ernüchternden Ergebnis, der analytische Ansatz „Rasse“ besäße geringen „Erklärungswert […] für die gegenwärtig im Vordergrund stehenden soziologischen Alpenprobleme.“51) Die skizzierten holistischen Entwürfe im wirtschaftswissenschaftlichen Feld, wie auch im wirtschaftswissenschaftlichen Verlagsprogramm von Gustav Fischer waren in Theorien oder Lehrgebäuden begründet, die als solche nicht auf Lösungsmodelle mit gesamtgesellschaftlichem Anspruch setzten, aber ihren Gegenstand explizit jenseits der Ökonomie kultur- und sozialwissenschaftlich bestimmten.52) Verlagsautoren mit solchen wissenschaftlichen Ambitionen waren Karl Diehl, Bernhard Harms, Werner Sombart und Franz Oppenheimer. Der Freiburger Ökonomieprofessor Karl Diehl extemporiert seine sozialrechtliche Volkswirtschaftslehre, das Postulat einer ganzheitlichen Betrach-
49)
Zu Günther, insbesondere zu seiner Funktion als führender Kopf des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der Deutschen Arbeitsfront während des Nationalsozialismus vgl. Jörg Gutberger: Volk, Raum und Sozialstruktur. Sozialstruktur- und Sozialraumforschung im ‚Dritten Reich‘, Münster 1994. S. 492. 50) Adolf Günther: Sozialpolitik. Erster Teil: Theorie der Sozialpolitik, Berlin/Leipzig 1922, S. 460. 51) Ders.: Die alpenländische Gesellschaft als sozialer und politischer, wirtschaftlicher und kultureller Lebenskreis, Jena 1930, S. 191. 52) Vgl. dazu: Karl Häuser: Das Ende der Historischen Schule und die Ambiguität der deutschen Nationalökonomie in der zwanziger Jahren, in: Nörr/Schefold/Tenbruck (Hrsg.): Geisteswissenschaften, S. 47–74, hier: S. 63.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
tung von Wirtschaft, die der Wechselwirkung von gegebenen Rechtsordnungen und Wirtschaftsgestaltung besonderes Gewicht beimisst, in dem vierbändigen, als Lehrbuch konzipierten Werk „Theoretische Nationalökonomie“ (1916–33).53) Seine wissenschaftliche Intention zielt jedoch nur eingeschränkt auf allgemeine Gültigkeit, sondern gilt jeweils nur für eine Wirtschaftsepoche. Der Kieler Wirtschaftswissenschaftler Bernhard Harms, der 1906/07 Inhaber der Ernst-Abbe-Professur der Universität Jena gewesen war, veröffentlichte nahezu seine gesamten wissenschaftlichen Publikationen seit seiner 1909 erschienenen Schrift „Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung für die deutsche Sozialdemokratie“ im Gustav Fischer Verlag. Sein theoretisches Interesse betraf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und die Entwicklung einer Weltwirtschaftslehre, die er erstmals 1912 in „Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Versuch der Begründung einer Weltwirtschaftslehre“ zusammenfasste. Ein weiteres Werk war u. a. „Die Zukunft der deutschen Handelspolitik“ (1925). Als Herausgeber verantwortete Harms mehrere Reihen, darunter das „Weltwirtschaftliche Archiv“, die „Kieler Vorträge“ sowie die „Schriften des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr an der Universität Kiel“ (seit 1910), die dem Verlag kontinuierlich gebundene Absatzsegmente sicherten. Werner Sombart, der in seinem späteren, bei Duncker & Humblot erschienenen Hauptwerk „Der moderne Kapitalismus“ mit Hilfe seines zentralen Begriffs des „Wirtschaftssystems“ ökonomische Gegebenheiten einer bestimmten Zeit in eine einheitliche Ordnung, eine „Gestaltidee“ bringen wollte, veröffentlichte bei Gustav Fischer 1896 die sozialismustheoretische Schrift „Sozialismus und Soziale Bewegung im neunzehnten Jahrhundert“.54) Der Band besteht aus einer Sammlung öffentlicher Vorträge, die Sombart im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für ethische Kultur in Zürich ursprünglich mit dem Ziel gehalten hatte, einem bürgerlichen Publikum sozialistische Ideen nahe zu bringen.55) Bereits nach fünf Wochen war die erste Auflage vergriffen. 1920 lag sie in der neunten Auflage und in 21 Sprachen übersetzt vor und wurde als der „größte buchhändlerische Erfolg in der deutschen nationalökonomischen Literatur“ gefeiert.56) Die Studie wurde im Laufe der
53)
Vgl. Klaus O. W. Müller: Zum Vermächtnis der sozialrechtlichen Schule der Nationalökonomie: Überlegungen zum Werk Karl Diehls, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1994/2, S. 121–130; Rieker: Schulen, S. 153; Janssen: Nationalökonomie, S. 72. 54) Vgl. Janssen: Nationalökonomie, S. 62ff.; Lüdders: Suche, S. 26. 55) Dazu: Friedrich Lenger: Werner Sombart 1863–1941. Eine Biographie, München 1994, S. 85ff.; Bernhard vom Brocke: Werner Sombart 1863–1941. Ein Einführung in Leben, Werk und Wirkung, in: ders. (Hrsg.): Sombarts „Moderner Kapitalismus“. Materialien zur Kritik und Rezeption, München 1987, S. 11–65, hier: S. 13; vgl. Christoph H. Werth: Sozialismus und Nation. Die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945, Opladen 1996, S. 192f. 56) Heinrich Braun, zitiert nach: Lenger: Werner Sombart, S. 86, 78.
2. Verlagsproduktion: Natur und Staat
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Jahre beständig erweitert. Mit der zehnten Auflage 1924 erschien sie in einer nunmehr tausendseitigen, zweibändigen Neuausgabe unter dem Titel „Der proletarische Sozialismus (Marxismus)“. Inhaltlich hatten die Erweiterungen weitgehende Konsequenzen. In dem Maße, wie sich die Publikation zu einer Hetzschrift gegen den Sozialismus entwickelt, nehmen antisemitische Codierungen zu. Eklatant zeigt sich dies an den Textpassagen, die Karl Marx behandeln. Wird 1908 „Karl Marx […] im Jahre 1818 als Sohn eines später getauften jüdischen Rechtsanwalts in Trier geboren“, so ist 1924 die „Marxsche Familie […] krank an Leib und Seele: ein hochgezüchtetes Ghettogeschlecht.“57) Ist 1908 „im Hause der Eltern […] Geist und weltmännische Bildung heimisch“ und waren Shakespeare und Voltaire die „Lieblingsschriftsteller der Familie“, ist 1924 „der Vater […] disäquilibrierter Assoziationsjude […] ohne sicheren Standpunkt im Leben: er ist auf der einen Seite gesinnungstüchtiger, preußischer Beamter, auf der anderen Seite aber begeisterter Voltaireschüler“. 1908 ist der „internationale Zug, der das häusliche Leben der Marxschen Familie durchweht, […] auffallend“, Marx’ „Mutter ist mehr Holländerin als Deutsche“. 1924 dagegen ist „die Mutter: Ausländerin (Holländerin), die ihr ganzes Leben nicht richtig deutsch sprechen lernt.“ Im Zusammenhang mit Sombarts vielzitierter Schrift „Die Juden und das Wirtschaftsleben“, 1911 in seinem Hausverlag Duncker & Humblot erschienen, betrachtet, wird Antisemitismus zum werkhistorischen Kontinuum, das Sombarts diametrale Forschungsinteressen zusammenhält. „Die Juden und das Wirtschaftsleben“ entstand in Auseinandersetzung mit Max Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ und erklärt demgegenüber das Judentum zur treibenden Kraft kapitalistischer Wirtschaftsentwicklung.58) Dem Judentum die üblichen Dekompositionsfunktionen zuschreibend, liefert Sombart nicht nur dem antikapitalistischen Antisemitismus einen
57) Hierfür und folgend: Werner Sombart: Sozialismus und Soziale Bewegungen, 6. Aufl. Jena 1908, S. 57f.; ders.: Der proletarische Sozialismus („Marxismus“). Erster Band: Die Lehre, 10. Aufl. Jena 1924, S. 60. 58) Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, Berlin 1911; dazu: Karl-Siegbert Rehberg: Das Bild des Judentums in der frühen deutschen Soziologie. „Fremdheit“ und „Rationalität“ als Typusmerkmale bei Werner Sombart, Max Weber und Georg Simmel, in: Carsten Klingemann (Hrsg.): Rassenmythos und Sozialwissenschaften in Deutschland. Ein verdrängtes Kapitel sozialwissenschaftlicher Wirkungsgeschichte, Opladen 1987, S. 80–127; Lenger: Werner Sombart, S. 187–206; Jeffrey Herf: Reactionary modernism. Technology, culture and politics in Weimar and the Third Reich, Cambridge 1984, S. 130– 151; Friedemann Schmoll: Die Verteidigung organischer Ordnungen. Naturschutz und Antisemitismus zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, in: Joachim Radkau/Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 2003, S. 176; Toni Oelsner: The place of the Jews in economic history as viewed by German scholars. A critical-comparative analysis, in: LBIYB 7 (1962), S. 183–212; Paul Mendes-Flohr: Werner Sombart’s The Jews and modern capitalism. An analysis of its ideological premises, in: LBIYB 21 (1976), S. 87–107.
148
IV. Der Gustav Fischer Verlag
goldenen Zitatenschatz. Er trägt auch antisemitische Stereotypen zusammen, um ein geschlossen anmutendes volkswirtschaftliches Theoriesystem zu befördern.59) Die Erklärung, die Sombart für die Ubiquität seines Antisemitismus findet, ist so einfach wie unbefriedigend: „Die Stellung der Juden zum Sozialismus ist ganz ähnlich wie ihre Stellung zum Kapitalismus: sie haben weder diese noch jene Kulturerscheinung erzeugt, aber sie haben sie in wesentlichen Zügen geformt und vor allem ihre rasche und starke Entwicklung befördert.“60) Bei Sombart äußerte sich offensichtlich bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine extreme Ausformung des antisemitischen kulturellen Codes. Innerhalb seiner eigenen Werke treten immanente Rückwirkungsmechanismen auf, die sich zudem im Rahmen der allgemeinen Radikalisierung von Sombarts Diskriminierungsgewohnheiten, beispielsweise gegenüber Sozialisten, ereigneten. Die Schriften von Franz Oppenheimer, seit 1919 Professor für Nationalökonomie und Soziologie an der Frankfurter Universität und damit einer der ersten Hochschullehrer, der eine soziologische Fachbezeichnung führte, erschienen zum größten Teil im Gustav Fischer Verlag.61) Soziologie, wie Oppenheimer sie in seinem „System der Soziologie“ (drei Bände, 1922–26) darlegt, ist für ihn eine universale Wissenschaft, deren Aufgabe in der Erfassung gesellschaftlicher Ganzheit an Stelle einer ausschnitthaften Betrachtung sozialer Phänomene besteht. In früheren empirischen Arbeiten wie „Großgrundeigentum und soziale Frage. Versuch einer neuen Grundlegung der Gesellschaftswissenschaft“ (1898) oder „Die Siedlungsgenossenschaft“ (1913) plädierte der liberale Sozialist Oppenheimer für eine Beseitigung des Großgrundbesitzes und die Gründung von Siedlungsgenossenschaften zur Lösung sozialer Probleme. Daneben gab er die aus dem Französischen übersetzte „Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen“ (1923) von Charles Gide heraus und konzipierte das zweibändige Lehrwerk „Grundriß der theoretischen Ökonomik“ (1926). Sozialpolitische Studien waren ein weiterer Schwerpunkt des sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Verlagsprogramms von Gustav Fischer. Sie gingen auf sozialreformerische Traditionen des Kaiserreichs zurück.62) Waren diese ursprünglich etatistisch begründet, so wurden sie in der Zusammenschau
59) Vgl. Nicolas Berg: Ökonomie und Kollektivität. Fragen zur Metaphorisierung von Judentum in nationalökonomischen Schriften um 1900, in: Raphael Gross/Yvaat Weiss (Hrsg.): Jüdische Geschichte als Allgemeine Geschichte. Festschrift für Dan Diner zum 60. Geburtstag, Göttingen 2006, S. 49–75, hier: S. 64ff. 60) Sombart: Sozialismus, Zweiter Band: Die Bewegung, S. 158f. 61) Zu Oppenheimer vgl. Dieter Haselbach: Franz Oppenheimer. Soziologie, Geschichtsphilosophie und Politik des „liberalen Sozialismus“, Opladen 1985. 62) Zum Begriff der Sozialreform im Kaiserreich: Rüdiger vom Bruch: Bürgerliche Sozialreform im deutschen Kaiserreich, in: ders. (Hrsg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform in Deutschland vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985, S. 61–179.
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mit den gesellschaftspolitischen Visionen der Weimarer Republik zu Sozialplanungen diffuser Ganzheitsutopien. Wie es sich in der Soziologie Adolf Günthers oder den Werken Franz Oppenheimers ankündigt, wurde das Zusammenwirken von holistischen Gesellschaftsutopien und ihren sozialpolitischen Gestaltungs- und Durchsetzungsinstrumenten damit auch zur maßgeblichen Relation des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Verlagsprogramms von Gustav Fischer. Ausschlaggebend für die sozialpolitische Schwerpunktsetzung im Verlagsprogramm dürften die Gegebenheiten der Jenaer Lokalpolitik der 1890er Jahre und insbesondere die Gründung der kultur- und sozialfördernden Carl Zeiss-Stiftung durch Ernst Abbe gewesen sein. Seine „Gesammelten Abhandlungen“ wurden seit 1904 bei Gustav Fischer veröffentlicht, einschließlich der Statuten der Carl Zeiss-Stiftung. Die Studie „Die konstitutionelle Fabrik“, auf betriebliche Sozialpolitik abgestellt, wurde von Heinrich Freese, einem auf diesem Gebiet profilierten Berliner Unternehmer, 1909 bei Fischer publiziert. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde gleichfalls der Sozialpolitiker und Mitbegründer des „Nationalsozialen Vereins“ Adolf Damaschke mit der „Geschichte der Nationalökonomie“ (1905) und „Die Bodenreform. Grundsätzliches und Geschichtliches zur Erkenntnis und Überwindung der sozialen Not“ (1913) Verlagsautor. Daneben war der Verlag Publikationsort von Periodika neu entstandener sozialreformerischer Vereine und Institute, wie etwa den „Schriften der Gesellschaft für soziale Reform“ (1901–26), den „Schriften der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeitsschutz“ (1901–22), den „Schriften des ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinnen-Interessen“ (1909–18), den „Rektoratsberichten der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt a. M.“ (1903–11) sowie den ersten Jahrgängen der vom Frankfurter Sozialpolitiker Karl Flesch für den Verband deutscher Gewerbegerichte herausgegebenen Zeitschrift „Das Gewerbegericht“ (1896–99, danach bei Georg Reimer).63) Der führende Vertreter des sozialen Liberalismus, Lujo Brentano, bereicherte mit seinem Alterswerk „Eine Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands“ (drei Bände, 1927–29) den wirtschaftshistorischen Programmteil. Nur drei Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes brach der Absatz dieses Werkes auf unter fünfzig Exemplare ein, nachdem bis dahin durchschnittlich zweihundert Exemplare pro Jahr verkauft worden waren. Im Absatz ähnlich verhielt sich der Großteil der selbstständigen, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Monographien des Gustav Fischer Verlags. Einzige herausragende Ausnahmen dieser Entwicklung waren sämtliche Publikationen Othmar Spanns, „Proletarischer Sozialismus“ von Werner Sombart sowie „Kapitalismus – Kommunismus“ von Franz Oppenheimer. Sie konnten vom Boom politischer Literatur in den Endjahren der Weimarer Republik profitieren und erlebten einen Absatzaufschwung. 63)
Vgl. hierzu auch: Müller: Wissenschaft, S. 132.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
Stabile Absatzgaranten bis 1930 waren die für einen rein wissenschaftlichen Verlag in der Größe von Gustav Fischer typischen Handbücher oder Handwörterbücher. Inhaltlich präsentieren sie eine handliche Ordnung des jeweiligen Wissensbereichs an seinem historischen Standpunkt. Absatzpolitisch konnte der Verlag Absatznehmer zum laufenden Bezug des jeweiligen, in der Regel mehrbändigen, Großunternehmens verpflichten. Das kompakte „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ gab die Richtung für den Auf- und Ausbau eines wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Verlagssegments vor. Einer der ersten Herausgeber, Ludwig Elster, war preußischer Universitätsreferent und signalisierte als solcher die Nähe des Gustav Fischer Verlags zur preußischen Wissenschaftsverwaltung. Er schildert die Entstehung des „Handbuchs“ für die Jahre 1888–90 als eine rechte verlegerische Überzeugungstat Gustav Fischers sen., der Ludwig Elster auf einer kleinen Abendgesellschaft in dessen Jenaer Elternhaus die entsprechende Publikationsidee vorschlug.64) Nach Unterredungen mit den anvisierten Herausgebern Johannes Conrad und Wilhelm Lexis – zu ihnen kam später der Staatsrechtler Edgar Loening – in Halle und Ilmenau, einschließlich gemeinsamer Wanderung zum llmenauer Hausberg Kickelhahn, wurde das Unternehmen, vornehmlich dank der Hartnäckigkeit und Entschlusskraft Gustav Fischers, in Angriff genommen. Der Unterstützung des Vereins für Sozialpolitik sicher, avancierte das „Handwörterbuch“ zum Standardwerk der deutschen Volkswirtschaftslehre, das vor dem Ersten Weltkrieg drei Auflagen erlebte;65) die Planung der vierten Auflage wurde vom Kriegsausbruch unterbrochen. Nachdem Johannes Conrad und Wilhelm Lexis verstorben waren, konnte die neue Ausgabe mit den Herausgebern Ludwig Elster, Friedrich von Wieser und Adolf Weber aufgrund der politischen Veränderungen, die sich direkt auf den Definitionsgehalt der Wörterbuchartikel auswirkten, erst 1923 erscheinen. Waren die ersten drei Auflagen im Geist des ethisch ausgerichteten Kathedersozialismus verfasst, konnte die Weimarer Auflage nur unter erheblichen Schwierigkeiten Mitarbeiter verpflichten, die sich zu einer den neuen wissenschaftspolitischen Bedingungen entsprechenden Kritik der historischen Methode bereit fanden. Das Werk zeigte ein seiner Auflagenhöhe von 10 000 Exemplaren angemessenes sehr stabiles Absatzverhalten, das aber 1930 ebenfalls zusammenbrach. Das „Handwörterbuch“ gab den Impuls für andere enzyklopädische Verlagsprojekte. Gleichfalls von Ludwig Elster wurde 1898 das handlichere und preisgünstigere „Wörterbuch der Volkswirtschaft“ herausgegeben, das vor dem Ersten Weltkrieg zweimal neu aufgelegt wurde.66) Obwohl die dritte
64)
Vgl. Lütge: Verlagshaus, S. 173ff. Vgl. dazu: Rüdiger vom Bruch: Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890–1914), Husum 1980, S. 318ff.; Müller: Wissenschaft, S. 129ff. 66) Vgl. Lütge: Verlagshaus, S. 176. 65)
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Auflage von 1911 vergriffen war, wurde in der Weimarer Republik keine neue Ausgabe produziert. Das Erscheinen des im Kaiserreich konzipierten „Handwörterbuchs der Kommunalwissenschaften“ verzögerte der Kriegsausbruch.67) Erst 1918–24 wurde die einzige Auflage des Nachschlagewerks, das den sozialpolitischen Verlagsschwerpunkt auf kommunaler Ebene bündelte, produziert. Die Herausgeber, neben den Liberalen Hugo Preuß, Josef Brix und Otto Most die Sozialdemokraten Albert Südekum und Hugo Lindemann, spiegeln den parteiübergreifenden Charakter sozialer Politik im Gustav Fischer Verlag. Wichtiges ökonomisches Standbein des Verlags waren daneben Lehrbücher für Studenten, die in der Weimarer Republik neu bearbeitet und aufgelegt wurden. Neben den schon erwähnten Lehrbüchern „Theoretische Nationalökonomie“ (1922ff.) von Karl Diehl und „Grundriß der theoretischen Ökonomik“ (1926) von Franz Oppenheimer wurde der von Johannes Conrad begründete „Grundriß zum Studium der Nationalökonomie“ von Albert Hesse und Hans Köppe wiederholt neu herausgegeben. Statistischer Lehre und Expertise, die offenbar in der Weimarer Republik auf gute Absatzchancen hoffen konnten, dienten der vierbändige „Grundriß der deutschen Statistik“ (1925–28) vom Jenaer Privatdozenten und Direktor des Thüringischen Statistischen Landesamts Johannes Müller, die Neuauflage der „Grundzüge der Theorie der Statistik“ (1928, erste Auflage von 1919) von Harald Westergaard sowie die zwei Bände „Statistik“ (1923) Carl von Tyszkas. Der kulturelle Code des Antisemitismus und ein kolonialwirtschaftlich instrumentalisierbarer Rassismus waren Teil der wissenschaftspolitischen Kultur der wilhelminischen Nationalökonomie. Bei der nationalökonomischen Größe Gustav von Schmoller kamen beide Codierungen im Kontext rassentheoretischer und völkerpsychologischer Theorien, u. a. Gobineau, Vanderkindere, Babington sowie Eduard Baumstarks „Volkswirtschaft nach Menschenrassen, Volksstämmen und Völkern“ (1865), zum Einsatz und führten, trotz abwägender Berücksichtigung von Milieulehren, zu ressentimentgeladenen Urteilen. Den „Negern und verwandten Stämmen […] fehlt […] der Sinn für das Ideale wie für die Wahrheit, sie sind arm an eigener Erfindung; aber es sind Stämme mit starken Muskeln, naiv sinnlicher, kräftiger Empfindung.“ In bester historischer Tradition waren die Juden dann ein „überall mehr oder weniger […] Leben und Reibung erzeugendes, teils Fortschritt, teils Auflösung bringendes Element.“68) Max Weber, wiewohl ihn in den 1880er Jahren unter seinen Altersgenossen „zahlreiche blasierte Gesellen“ anödeten, „die des Anstandes wegen Antisemiten sind“, und der sich 1908 vom „rabiaten Alldeutsch-Antisemiten“ dis67)
Dazu: Müller: Wissenschaft, S. 132. Zitate: Gustav Schmoller: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Erster Teil, Leipzig 1900, S. 149, 151; zum Zusammenhang von „Historischer Schule“ und Völkerpsychologie: Berg: Ökonomie, S. 57. 68)
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
tanzierte, übernahm in „Das antike Judentum“ (postum 1921) weitgehend antisemitisch wertende Begrifflichkeiten liberaler historischer Theologen und leitete mit ihnen die Entwicklung eines jüdischen „Pariavolkes“ seit dem Babylonischen Exil aus religiösen Dispositionen ab.69) Im Gustav Fischer Verlagsprogramm der Weimarer Republik wirkten diese Tendenzen der kulturell codierten Diskriminierung bei Sombart nach. Andere wirtschaftshistorische Werke, wie Bernhard Harms’ „Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung für die deutsche Sozialdemokratie“ (1909) oder Adolf Damaschkes „Geschichte der Nationalökonomie“ (1905,) erwähnten die jüdische Herkunft von Protagonisten wie Lassalle oder Bernstein und machten sie durchaus zur Erklärungsgrundlage ihres Verhaltens, waren in ihrer Bewertung aber gemäßigt.70) Trotz des Einsickerns von Antisemitismus sowie Rassentheorien und rassistischer Wertungen bei Sombart oder auch in Adolf Günthers Soziologie des Alpenraums, zeichneten sich, auch durch die seit 1910 andauernde Zusammenarbeit mit dem Kieler Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft des liberalen Politikers Bernhard Harms, im ehemaligen Verlag der „Veröffentlichungen des Reichskolonialamtes“ Gegentendenzen zum kolonialwirtschaftlichen Rassismus ab. Charlotte Leubuscher etwa, seit 1929 außerordentliche Professorin für Staatswissenschaften an der Berliner Universität, sprach sich in „Der südafrikanische Eingeborene als Industriearbeiter und Stadtbewohner“ (1931) für Emanzipation und Chancengleichheit der schwarzen Bevölkerung aus. Die holistischen Großkonzepte von Spiethoff, Spann oder Gottl-Ottlilienfeld boten schlicht wenig offensichtliche Anschlussstellen für eine kulturelle Codierung, die insoweit deskriptiv angelegt war, als dass ethnische Gruppierungen zumindest als solche thematisiert werden mussten. Denkbar ist es, dass ihre antirationalistischen, tendenziell regressiv-agrarromantischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle assoziativ mit dem antikapitalistischen Antisemitismus der ‚Historischen Schule‘ verkoppelt werden konnten.71) Wesentlich für die Anschlussfähigkeit rassistischer und antisemitischer Codierungen an das Verlagsprogramm von Gustav Fischer war aber zum einen die inhaltliche Beliebigkeit der Ganzheitsutopien und ihrer Ausschlussmöglichkeiten sowie ihre universale Codierung, die leicht mit verbindlich-absoluten
69)
Zitate Max Weber nach: Wolfgang J. Mommsen: Max Weber und die deutsche Politik 1890–1920, 2. Aufl. Tübingen 1974, S. 16, 59; Max Weber: Das antike Judentum, Tübingen 1921; dazu: Rehberg: Bild; Gary A. Abraham: Max Weber and the Jewish question. A study of the social outlook of his sociology, Urbana/Chicago 1992; Wolfgang Schluchter (Hrsg.): Max Webers Studie über das antike Judentum. Interpretation und Kritik, Frankfurt/M. 1981. 70) Vgl. Bernhard Harms: Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung für die deutsche Sozialdemokratie, 2. Aufl. Jena 1919, S. 13f.; Adolf Damaschke: Geschichte der Nationalökonomie. Bd. 2, 14. Aufl. Jena 1929, S. 139, 346ff. 71) So deutet es an: Berg: Ökonomie, S. 51f., 55f.
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Kriterien gefüllt werden konnte.72) Zum anderen ist die beschriebene Relation innerhalb der Hauptprogrammteile des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Verlagssegments zu beachten. Die Verbindung gesellschaftlicher Ganzheitskonzepte und sozialpolitischer Gestaltungsvorschläge schuf Vorstellungsräume für die soziale Disziplinierung und Isolierung ethnisch definierter, sozialer Gruppen unter den Vorzeichen politischer Utopieprojekte. 2.2 Medizin und Naturwissenschaften: Von sozialer Hygiene und Rassenhygiene In seinem medizinischen und naturwissenschaftlichen Programm partizipierte der Gustav Fischer Verlag schon bald nach seiner Gründung von der allgemeinen Konjunktur in diesem Segment seit 1890, hervorgerufen vor allem durch eine expandierende und sich ausdifferenzierende universitäre und außeruniversitäre Forschungslandschaft.73) Nach dem Ersten Weltkrieg profitierten die Bereiche zunächst vom Buchbedarf kriegsheimkehrender Studenten und den inflationären Absatzchancen wissenschaftlicher Fachliteratur im Ausland. Das Vorkriegsniveau der Produktion wurde jedoch nicht wieder erreicht, und nach der Inflation wollte sich wiederum kein echter Aufschwung einstellen. Der Produktionsabschwung im Jahr 1930 und in den Folgejahren fiel dagegen umso stärker ins Gewicht. Seit den Anfängen des Gustav Fischer Verlags lag ein Programmschwerpunkt in der sozialen Medizin bzw. sozialen Hygiene. Diagnostischer Ansatz dieser medizinischen Subdisziplin, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte, war das Zusammenspiel von Gesundheit und Krankheit Einzelner und ihrer Umwelt. Stärker als die bis dato gängigen medizinischen Fächer, die sich vorwiegend dem Individuum kurativ widmeten, bedienten sich die soziale Medizin und die soziale Hygiene stärker präventiver Strategien, die auf allgemeine Umweltbedingungen oder soziale Gruppen bzw. Populationen ausgerichtet waren. Ihre therapeutischen Methoden waren vielfältig und interdisziplinär offen gegenüber Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Ihre Aufgabenfelder fanden sich an allen Orten sozialen Lebens: an den Arbeitsplätzen, in den Wohnungen, in der Kaserne oder in den Krankenhäusern. Im Gustav Fischer Verlagsprogramm präsentierte sich die soziale Medizin bzw. Hygiene in ihrer ganzen Breite. Erste dahingehende Veröffentlichungen waren Fachzeitschriften, die der hygienischen Forschung nahestanden, wie das „Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten“ (seit 1887) und die „Zeitschrift für Immunitätsforschung und experimen72)
In Anlehnung an: Giesen: Identität, S. 54ff.; zu Radikalisierungsmöglichkeiten von Othmar Spanns Gesellschaftsmodellen vgl. auch Peter Gay: Die Republik der Außenseiter. Geist und Kultur in der Weimarer Zeit 1918–1933, Frankfurt/M. 1987, S. 130f. 73) Vgl. Kastner: Statistik (2007), S. 345, 348ff.; die Auswertung für den medizinischen Verlag ist leider nicht abgedruckt; Umlauff: Beiträge, S. 90ff.; für das Kaiserreich: Kastner: Statistik (2003), S. 306f.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
telle Therapie“ (seit 1909). Mit der weiteren Entwicklung des Hygienediskurses von der bakteriologischen Forschung hin zur sozialmedizinischen Praxis wurden Zeitschriften wie die des Berliner Professors für Sozialhygiene und Sozialdemokraten Alfred Grotjahn herausgegebenen „Jahresberichte über soziale Hygiene, Demographie und Medizinalstatistik sowie alle Zweige des sozialen Versicherungswesens“ (1905–13) und die von den praktischen Sozialmedizinern Moritz Fürst und Karl Jaffé aus Hamburg verantwortete, freilich schon im zweiten Jahrgang an den Verlag Leopold Voss abgegebene „Monatsschrift für soziale Medizin. Zentralblatt für die gesamte wissenschaftliche und praktische Sozialmedizin“ (1903–04) in das Programm aufgenommen.74) Schnell wurde das hygienische Wissen in die für den medizinischen Praktiker handhabbare und für den Verleger lukrativste Form des Handbuchs oder Kompendiums gebracht. 1895 wurde die erste Auflage des „Handbuchs der Schulhygiene“ der Wiener Hygieniker Leo Burgerstein und August Netolitzky produziert. Theodor Weyl, Hochschullehrer für Hygienische Chemie an der Technischen Hochschule Charlottenburg, gab das „Handbuch der Hygiene“ (1896–1905) heraus sowie das „Handbuch der Arbeiterkrankheiten“ (1908). Das achtbändige „Handbuch der sozialen Medizin“, 1903–06 unter der Ägide von Moritz Fürst und dem Leipziger Neurologen Franz Windscheid entstanden, befasst sich in seinen Abteilungen mit der Rolle des Arztes in den verschiedenen Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens. Den differierenden Anforderungen, die öffentliche Fürsorgeeinrichtungen, unterschiedliche Krankenpflegeeinrichtungen, Gesundheitsämter, Unternehmen oder Krankenversicherungsträger an ärztliches Personal stellten, beantwortet es mit dem Habitus eines einheitlichen Arztberufs. Autoren waren Mediziner, die ihren jeweiligen Untersuchungsgegenstand aus der Praxis kannten. Sie standen einerseits für fachliche Kompetenz, andererseits für breit gestreute Absatzmöglichkeiten. Eduard Dietrich, neben Julius Grober, der in den zwanziger Jahren regelmäßig Lehrveranstaltungen über Rassenhygiene an der Universität Jena abhielt, Autor von „Das deutsche Krankenhaus“ (1911), einem Leitfaden für Bau, Einrichtung und Betrieb von Krankenhäusern, war preußischer Medizinalbeamter sowie Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge und damit mit wichtigen Mediatoren und Absatznehmern vernetzt. Auf anderem Gebiet, dem der Tropenhygiene, das der Militärarzt Friedrich Plehn 1902 in Buchform brachte, konnte den ausgedehnten Kreisen kolonialer Verwaltung, wie Kolonialbeamten, Offizieren, Missionaren, Expeditionsführern, Pflanzern und Faktoristen, ärztlicher Ratschlag erteilt werden. 74) Zu Grotjahn: vgl. Michael Schwartz: Sozialistische Eugenik. Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890–1933, Bonn 1995, S. 70ff.; zum Hygienediskurs: Alfons Labisch: Homo hygienicus. Gesundheit und Medizin in der Neuzeit, Frankfurt am Main/New York 1992, S. 164ff.
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Weitere Handbücher des sozialmedizinischen Verlagszweigs waren das „Handbuch der Erforschung und Fürsorge des jugendlichen Schwachsinns unter Berücksichtigung der psychischen Sonderzustände im Jugendalter“, 1911–12 von Heinrich Vogt, Ordinarius für Neurologie an der Universität Hamburg, und Wilhelm Weygandt, Direktor der psychiatrischen Anstalt Friedrichsberg bei Hamburg, herausgegeben, sowie das zweibändige „Handbuch der praktischen Hygiene“ (1913), das wiederum von einem administrativen Funktionsträger, Rudolf Abel, Obermedizinalrat im Innenministerium, bearbeitet wurde. In die Absatzsegmente der Kriegsliteratur hinein wurde das „Handbuch der Gesundheitspflege an Bord von Kriegsschiffen“ (zwei Bände, 1914) des Oberarztes für Chirurgie am Kieler Marinelazarett Max zur Verth platziert. Die erste Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden von 1911 gab ihren Katalog bei Gustav Fischer in Kommission, während der Ausstellungsführer der Gruppe Rassenhygiene bei J. F. Lehmanns publiziert wurde. Weygandts Lehrer, Emil Kraepelin, dazumal Professor für Psychiatrie in Heidelberg und später Leiter der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München, deckte das Feld der experimentalpsychologischen Leistungsforschung ab.75) In den Publikationen „Über geistige Arbeit“ (1894), „Zur Hygiene der Arbeit“ (1896) und „Zur Überbürdungsfrage“ (1897) stellte er seine Forschungsergebnisse über Zusammenhänge zwischen Zeit und Arbeitsleistung bzw. das Eintreten von Ermüdungserscheinungen und die daraus abzuleitenden arbeitshygienischen Maßnahmen vor. Der Wiener Sozialmediziner und spätere Düsseldorfer Landesgewerbearzt Ludwig Teleky, dessen Betätigungsfeld die so genannte Gewerbehygiene, die spätere Arbeitsmedizin, war, veröffentlichte „Vorlesungen über soziale Medizin“ (1914).76) Die Weimarer Republik brachte es mit sich, dass die Sozialhygiene auf politischer Ebene akzeptiert wurde.77) Nicht zuletzt angesichts der Notwendigkeit öffentlicher Fürsorge für Verwundete, Kriegswitwen und Waisen in der Nachkriegszeit wurde der Sozialstaat auf der Ebene der Verfassung geregelt. Die politischen Direktiven liefen auf eine planmäßige, möglichst präventiv kostengünstig angelegte Gesundung des Volkskörpers und eine Steigerung
75)
Vgl. Sabine Frommer: Naturalismus und Naturalismuskritik. Emil Kraepelins Arbeitspsychologie und ihre Rezeption durch Max Weber, in: Hübinger/vom Bruch/Graf (Hrsg.): Kultur, S. 190–206. 76) Zu Teleky: Andreas Wulf: Macht die Hygiene vor den Fabriken und Kontoren halt? – Gesundheitliche Gefährdungen der Arbeitswelt als konfliktreiches Stiefkind der Sozialmedizin/Sozialhygiene in der Weimarer Republik, in: Udo Schagen/Sabine Schleiermacher (Hrsg.): Sozialmedizin, Sozialhygiene, Public Health. Konzepte und Visionen zum Verhältnis von Medizin und Gesellschaft in historischer Perspektive, Berlin 2002, S. 21–30; Weindling: Health, S. 215ff. 77) Vgl. Weindling: Health, S. 365; Peukert: Weimarer Republik, S. 132ff.; Gabriele Moser: „Die Zukunft gehört der praktischen Medizin“ – Sozialhygiene, medizinisches Präventionsverständnis und Gesundheitsbegriff Ende der 1920er Jahre, in: Schagen/Schleiermacher (Hrsg.): Sozialmedizin, S. 15–20.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
seiner Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie seiner generativen Reproduktionsfähigkeit hinaus. An diesem Aufschwung sozialer Medizin und sozialer Hygiene beteiligte sich der Gustav Fischer Verlag, konnte aber nur bedingt Gewinn daraus ziehen. Vor dem Hintergrund der prekären Absatzbedingungen des Weimarer Buchmarkts und der Absatzeinbußen gebundener, akademischer Absatzmärkte bildeten sich die Transformationen der hygienischen Subdisziplinen ab. Wie in allen anderen medizinischen Fachgebieten stagnierten nach dem Hyperinflationsjahr 1923 bei Gustav Fischer vor allem die Neuauflagen der lukrativen Handbücher sowie die Neuproduktionen. Einzige Novität im Bereich medizinischer Handbücher war das dreibändige „Handbuch der hygienischen Untersuchungsmethoden“ (1926–29) des Heidelberger Hygienikers Emil Gotschlich, das überblicksartig alle Bereiche der sozialhygienischen Methodik, der Lebensmittelhygiene sowie der Gewerbe-, Wohnungs- und Schulhygiene abhandelte, darunter in einem Unterkapitel auch die „Menschliche Erblichkeitsforschung“. Von Duncker & Humblot wurde die Zeitschrift „Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt“ übernommen, durch deren Herausgeber Ludwig Heyde, Kieler Honorarprofessor und Mitglied des Reichswirtschaftsrats, der Gustav Fischer Verlag seine Kontakte zu administrativen Stellen erneuern konnte. Die Beziehung zu internationalen sozialpolitischen Interessenverbänden wahrten die Verhandlungen und Berichte des Internationalen Kongresses für Sozialpolitik in Prag von 1924, die Gustav Fischer im darauf folgenden Jahr in Kommissionsverlag nahm. Ein verlegerisches Feld, das sich seit der Jahrhundertwende entwickelt hatte und das mit dem Ersten Weltkrieg neue Entwicklungsmöglichkeiten erlangt hatte, war die Konstitutionspathologie, die im Gegensatz zur Bakteriologie in der Krankheitsanlage das zentrale Moment der Pathogenese sah.78) Der Blick der pathologischen Untersuchung wurde von der anatomisch definierten, kleinsten erkennbaren Einheit zu größeren funktionellen Ganzheiten und über die Einheit des Individuums hinaus auf die Konstitutionen größerer Einheiten wie Populationen, Völker oder Rassen gelenkt. Ludwig Aschoff, Direktor des Freiburger Pathologischen Instituts, 1913 Gründungsmitglied der Freiburger Ortsgruppe der Gesellschaft für Rassenhygiene und schon seit 1909 mit dem Standardwerk „Pathologische Anatomie“ Autor des Gustav Fischer Verlags, war Initiator der so genannten Kriegspathologie des Ersten Weltkriegs, deren Programm es war, das reichlich vorhandene anatomische
78) Vgl. Eva-Maria Klasen: Die Diskussion über eine „Krise“ der Medizin in Deutschland zwischen 1925 und 1935, Diss. med. Mainz 1984, S. 72ff.; Carsten Timmermann: Constitutional medicine, neoromanticism, and the politics of antimechanism in interwar Germany, in: Bulletin of the history of medicine 75 (2001), S. 717–739.
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‚Material‘ gefallener Soldaten für die Forschung nutzbar zu machen.79) Ergebnis waren die von Aschoff konzipierten „Veröffentlichungen aus der Kriegs- und Konstitutionspathologie“. Sie bestanden von 1919 bis 1927 und beteiligten sich daran, die Kriegspathologie mit ihrem dezidierten Anspruch, an der Gesundheit des deutschen Volkskörpers mitzuarbeiten, in die Republik hinein zu tragen. Insbesondere zu Beginn der dreißiger Jahre vergrößerte sich der Autorenkreis im Bereich der Konstitutionslehre bei Gustav Fischer. Paul Schenk, Professor an der Technischen Hochschule Danzig, verfasste „Die Ermüdung gesunder und kranker Menschen“ (1930), Theodor Brugsch, Mediziner an der Universitätsklinik Halle, das Handbuch „Konstitutionslehre“ (1931), und von Charles R. Stockard, Anatom an der Cornell University, erschien, mit einer Einleitung von Ludwig Aschoff, „Die körperliche Grundlage der Persönlichkeit“ (1932), das einen Einblick in die US-amerikanische eugenische Debatte brachte. Das von Stockard repräsentierte Konzept von Konstitution lehnte zwar jede rassentheoretische Begründung ab, war aber nicht weit von hermetischen, ethnisch argumentierenden Aussagen entfernt, wenn er konstitutionstypische Verhaltensweisen definierte und diese überdies unterschiedlichen europäischen Nationen zuschrieb. Im gleichen Zusammenhang stellte er seine ‚positiven‘ eugenischen Praxisempfehlungen vor, die auf eine Reproduktionsförderung des amerikanischen Mittelstandes hinausliefen.80) Ähnliche methodologische Grundannahmen teilten die Publikationen aus der jungen sportärztlichen Disziplin, die seit Mitte der zwanziger Jahre bei Gustav Fischer produziert wurden. Der Freiburger Oberarzt Hermann Rautmann gab 1925 und 1927 die Vorträge der südwestdeutschen sportärztlichen Ausbildungskurse heraus. Die „Verhandlungsberichte über die Sportärztetagung“ des Deutschen Ärztebundes zur Förderung der Leibesübungen wurden 1926 vom J. F. Lehmanns Verlag übernommen und bis 1932 verlegt. Erwiesen sich die zuletzt genannten Periodika stabil im Absatz, so kamen die konstitutionspathologischen Publikationen zu spät, d. h. zu nah am Absatzeinbruch im Jahr 1930 heraus, der auch sie betraf. Einzig das „Lehrbuch der pathologischen Anatomie“ von Ludwig Aschoff war hiervon ausgenommen. Die Psychologie und vor allem die Entwicklungs- und Experimentalpsychologie wurde zu einem weiteren neuen Geschäftsfeld, das aber an Vorkriegskonstellationen des Verlagsprogramms anknüpfte. Bereits Ernst Haeckels 79)
Zu Aschoff: Cay-Rüdiger Prüll: Ludwig Aschoff (1866–1942): Wissenschaft und Politik in Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus, in: Bernd Grün/HansGeorg Hofer/Karl-Heinz Leven (Hrsg.): Medizin und Nationalsozialismus. Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im ‚Dritten Reich’, Frankfurt/M. 2002, S. 92–118. 80) Vgl. Berhard Wilhelm Matz: Die Konstitutionstypologie von Ernst Kretzschmer. Ein Beitrag zur Geschichte von Psychiatrie und Psychologie des Zwanzigsten Jahrhunderts, Diss. med. FU Berlin 2000, S. 365.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
Monismustheorie beinhaltete eine Theorie der Zellpsychologie in der Annahme, die bis dahin kleinste beobachtbare, lebende Einheit sei beseelt. Max Verworn ergänzte in der seinem Lehrer Haeckel gewidmeten Arbeit „Psychophysiologische Protistenstudien. Experimentelle Untersuchungen“, 1889 bei Gustav Fischer verlegt, die Theorie um die experimentelle Methodik und definierte das von ihm entwickelte Verfahren, um die Sinneseindrücke einzelliger Organismen zu untersuchen, als Psychophysiologie.81) In den Nachkriegsjahren generierte sich das psychologische Programmsegment einerseits durch anwendungsorientierte Grundlagenliteratur, wie dem experimentell-psychologischen Lehrbuch „Psychologisches Praktikum“ (1919) von Richard Pauli, dem zeitweiligen Mitarbeiter Emil Kraepelins, der „Einführung in die Psychoanalyse“ (1927) von Harald Schultz-Hencke oder der deutschen Übersetzung der „Grundlagen einer Sozialpsychologie“ (1928) von William MacDougall. Andererseits waren die entwicklungspsychologischen Arbeiten der Wiener Psychologen Karl und Charlotte Bühler vertreten. Von Karl Bühler wurde „Die geistige Entwicklung des Kindes“ aus dem Jahr 1918, das bis 1930 ungewöhnliche sechs Auflagen erlebte und selbst vom allgemeinen Absatzeinbruch 1930 nicht tangiert wurde, sowie die „Ausdruckstheorie“ (1930) verlegt. Charlotte Bühler veröffentlichte „Das Seelenleben der Jugendlichen“ (1922), gleichfalls ein mit vier Auflagen bis 1927 ausnehmend erfolgreicher Titel, der seit 1930 jedoch nicht mehr verkauft wurde. Daneben gab sie die „Quellen und Studien zur Jugendkunde“ (1925–27) heraus. Titel dieser Reihe, wie „Psychologie des Jugendführers“ von Viktor Winkler-Hermaden, das sozialpsychologische Einführungswerk MacDougalls oder die entwicklungspsychologischen Arbeiten der Bühlers markieren die Ausweitung der sozialwissenschaftlichen sowie sozialhygienischen Diskurse auf das in der Weimarer Republik wachsende Professionsfeld der Jugendforschung und Jugendfürsorge, dessen Etablierung und Ausdifferenzierung mit dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1924 legislativ abgesichert wurde.82) Spiritus rector des naturwissenschaftlichen Verlagsprogramms von Gustav Fischer war Ernst Haeckel.83) Er war der Begründer des Zoologischen Instituts in Jena und bekannt als Popularisator der Darwinschen Evolutionstheorie sowie seiner eigenen von den Naturwissenschaften geprägten Welt- und
81) Vgl. hierzu: Henning Schmidgen/Judy Johns Schloegel: Allgemeine Physiologie, experimentelle Psychologie und Evolutionstheorie. Einzellige Organismen in der psychophysiologischen Forschung, 1877–1918, in: Michael Hagner/Manfred D. Laubichler (Hrsg.): Der Hochsitz des Wissens. Das Allgemeine als wissenschaftlicher Wert, Zürich/ Berlin 2006, S. 239–274. 82) Zur Jugendfürsorge in der Weimarer Republik: Peukert: Grenzen, spez. S. 195ff. 83) Zu Haeckel und dem Monistenbund vgl. Gasman: Origins; Weindling: Health, S. 40ff.; Paul Weindling: Ernst Haeckel, in: James R. Moore (Hrsg.): History, humanity and evolution. Essays for John C. Greene, Cambridge 1989, S. 311ff.; Hoßfeld: Geschichte, S. 139ff.; Hübinger: Bewegung; Sandmann: Entwicklungslehre; zu Haeckel im Gustav Fischer Verlag vgl. Lütge: Verlagshaus, S. 158, 216f.
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Lebensanschauung, dem so genannten Monismus, der aus entwicklungsgeschichtlichen Vorstellungen kulturelle Entwicklungen ableiten wollte. Für Haeckel existierte kein Unterschied zwischen organischer und anorganischer Materie. Alle Daseinsformen unterlagen einer kontinuierlichen Entwicklung hin zum menschlichen Bewusstsein. Gesteuert werde diese Entwicklung, laut Haeckel, durch darwinistische Prinzipien, wie dem Kampf um das Dasein sowie eine arbeitsteilige Organisation innerhalb von Organismen. Übertragen auf gesellschaftliche Verhältnisse behauptete Haeckel nicht nur eine metaphorische Analogie von biologischen und gesellschaftlichen Einheiten, wie sie unter Zeitgenossen verbreitet war, sondern ihre ontologische Identität, beispielsweise von Zellen und Staaten. Diese Ideen manifestierten sich in Haeckels anthropologischen Arbeiten, die sich zu einem Großteil humanphylogenetischen Fragestellungen widmeten und die erheblich zu einem engen wissenschaftshistorischen Zusammenhang von Evolutionsbiologie und Anthropologie beitrugen. Der Großteil von Haeckels wissenschaftlichem Werk liegt zeitlich vor der Gründung des Gustav Fischer Verlags, der denn auch eher als eine Art Nachlassverwalter der Jenaer Berühmtheit auftrat. Zum 70. Geburtstag von Ernst Haeckel im Jahr 1904 gab der Verlag die Festschrift heraus, zum 80. Geburtstag im Jahr 1914 die Festrede „Ernst Haeckel und die Biologie“ des Jenaer Anatoms Friedrich Maurer, der 1919 ebenfalls die Rede bei der Totenfeier der Universität Jena für Ernst Haeckel im großen Jenaer Volkshaussaal hielt. Von Maurer stammt schließlich auch der bei Fischer veröffentlichte letzte pathologische Befund über Haeckel: „Das Gehirn Ernst Haeckels“ (1924), einschließlich eines Berichts von Waldemar Weimann, Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik in Jena, „Über den histologischen Befund des Gehirns Haeckels“. Haeckel selbst verfasste lediglich die Fischer-Publikationen „Das System der Medusen“ (1879) und die „Monographie der Medusen“ (1880) aus der Reihe der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, deren Mitglieder Gustav Fischer sen. und Haeckel waren. In der Folgezeit wurde der Gustav Fischer Verlag zu einer ersten Adresse für Publikationen von Angehörigen des Haeckelschen Monistenbundes, vorrangig auf den Gebieten darwinistische Biologie sowie allgemeine Zoologie und Botanik. Parallel expandierte die Jenaer Universität, für die der Darwinismus ein wichtiger inhaltlicher und Ernst Haeckel ein wichtiger personeller Bezugspunkt blieb.84) Die Schülerschaft Haeckels bildete für den Gustav Fischer Verlag den grundlegenden Autorenpool in der Biologie der Vorkriegszeit, und ihre internen Auseinandersetzungen steckten den Stand der darwinistischen Forschungen bis in die zwanziger Jahre ab. Zu den Autoren zählte August Weismann, seit 1873 Ordinarius für Zoologie in Freiburg, der in seinen Publikationen, u. a. seinem Hauptwerk „Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung“ 84)
Weindling: Health, S. 26ff., 30.
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(1892), für eine Nichtvererbbarkeit erworbener Eigenschaften eintrat und den Neodarwinismus begründete. Richard Semon, später Professor an der Universität München, sprach sich in seinen entwicklungstheoretischen Spezialschriften, u. a. war er Herausgeber des fünfbändigen Forschungsberichts „Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel“ (1893–1913), für die gegenteilige Ansicht aus. Ludwig Plate, der bei Haeckel studierte hatte und als dessen Wunschkandidat seit 1909 Ordinarius für Zoologie in Jena und somit Direktor des gerade von Haeckel begründeten „Phyletischen Museums“ war, stand symptomatisch für die Politisierung des Haeckelzirkels. Er veröffentlichte bei Gustav Fischer eine Einführungsschrift in die Evolutionstheorie „Leitfaden der Deszendenztheorie“ (1913), von der 1925 unter dem Titel „Die Abstammungslehre. Tatsachen, Theorien und Einwände und Folgerungen in kurzer Darstellung“ eine Neubearbeitung erschien, den dreibändigen Bericht über seine 1913/14 durchgeführte Forschungsreise „Fauna et Anatomia Ceylanica“ (1922–25) sowie „Allgemeine Zoologie und Abstammungslehre“ (1922–24). Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit war er Vorsitzender der Jenaer Ortsgruppe des Alldeutschen Verbandes und Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene, deren Organ „Archiv für Rassen- und Gesellschaftshygiene“ aufgrund der finanziellen Zuwendungen Plates erscheinen konnte.85) 1919 unterstützte er lokale konterrevolutionäre Bewegungen und 1920 den Kapp-Putsch. Seit 1930 gehörte er dem Stahlhelm an. Der politische Gegenpol zu Ludwig Plate war der letzte Haeckel-Eleve Julius Schaxel, der 1916 zum außerordentlichen Professor für Zoologie in Jena ernannt wurde und 1918–33 Leiter der Anstalt für experimentelle Biologie war.86) 1918 der SPD beigetreten, wurde Schaxel während der sozialdemokratisch-kommunistischen Koalition in Thüringen Regierungs- bzw. Oberregierungsrat im Ministerium für Volksbildung. Nach seiner Amtsenthebung weiter in der Arbeiterbewegung aktiv, wurde ihm im März 1933 die Lehrerlaubnis entzogen. Schaxel emigrierte 1934 nach Moskau. Bei Gustav Fischer veröffentlichte er „Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen“ (1915), „Über den Mechanismus der Vererbung“ (1916) sowie „Die allgemeine und experimentelle Biologie bei der Neuordnung des medizinischen Studiums“ (1921) und die wissenschaftspolitische Stellungnahme „Grundzüge der Theoriebildung in der Biologie“ (1919), in der er aufgrund der Zersplitterung der biologischen Wissenschaft ihre Krisenhaftigkeit konstatierte und ihre einheitliche Fundierung einforderte.87) Er erneuerte Haeckels Vision 85)
Vgl. ebd., S. 327. Vgl. ebd., S. 327f.; Nick Hopwood: Biology between university and proletariat. The making of a red professor, in: History of science 35 (1997), S. 367–424. 87) Jonathan Harwood: Weimar culture and biological theory. A study of Richard Woltereck (1877–1944), in: History of Science 34 (1996), S. 347–377, hier: S. 366; ders.: Styles of scientific thought: The German genetics community 1900–1933, Chicago 1993, S. 27–29; Hopwood: Biology, S. 375ff. 86)
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einer unteilbaren Wissenschaft des Lebens, allerdings unter Einbeziehung quantifizierbarer, experimenteller Methodiken. Sein Buch zeigte große öffentliche Wirkung, im ersten Publikationsjahr verkauften sich nahezu 500 Exemplare, und inhaltlich stand er mit seinen rechtskonservativen Kollegen auf einer Linie. Dennoch führte Schaxels politisches Engagement dazu, dass er 1923 als Herausgeber der von ihm selbst initiierten „Zoologischen Berichte“ (seit 1922) im Gustav Fischer Verlag von Ludwig Plate abgelöst wurde. Ebenfalls Haeckel-Schüler war der Direktor des Bonner Physiologischen Instituts Max Verworn, der eine „Allgemeine Physiologie“ (1895) herausgab und Verfasser eines „Physiologischen Praktikums für Mediziner“ (1907) war. Spätere Veröffentlichungen wie „Die biologischen Grundlagen der Kulturpolitik“ (1916) oder „Biologische Richtlinien der staatlichen Organisation“ (1917) zeigen seine kultur- und sozialpolitischen Ambitionen. Die Brüder Richard und Oscar Hertwig waren Schüler Haeckels und anschließend Dozenten an der Jenaer Universität. Oscar Hertwig, der 1886 ein „Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere“ veröffentlichte und seit 1901 zu den Herausgebern des „Handbuchs der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere“ zählte, wurde Anatom in Berlin und 1921 mit „Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus“ zum profilierten Kritiker sozialdarwinistischer Vorstellungen. In „Der Staat als Organismus“ (1922) wusste er diese Kritik mit einer organologischen Staatsauffassung in Einklang zu bringen, die wiederum mit Funktionen der modernen, industrialisierten Gesellschaft harmonieren konnte: Unternehmen wurden bei Hertwig zu Organen, Straßen und Autobahnen zu Blutgefäßen und Telefonleitungen zum Nervensystem des staatlichen Organismus.88) Oscar Hertwigs Bruder Richard, Zoologe in München und Lehrer Ludwig Plates, ließ bei Gustav Fischer ein „Lehrbuch der Zoologie“ (1891) erscheinen. 1927 fasste er seine Forschungen in „Abstammungslehre und neuere Biologie“ zusammen. Der Haeckelkreis wirkte bis in die naturwissenschaftlichen Lehr- und Handbücher hinein, die nach dem Vorbild ähnlicher Verlagsunternehmen in der Medizin oder den Staatswissenschaften gestaltet waren und dank wachsender und sich spezialisierender naturwissenschaftlicher Fakultäten auf stabilen Absatz hoffen durften. Eduard Strasburg lehrte Botanik in Jena und arbeitete eng mit Ernst Haeckel zusammen, bevor er Ordinarius in Bonn wurde.89) Er war bereits im ersten Geschäftsjahr der Gustav Fischer Verlags Autor geworden, mit einem Sonderdruck des Aufsatzes „Über die Bedeutung
88)
Vgl. Weindling: Health, S. 93, 326, 481; ders.: Darwinism and social darwinism in Imperial Germany. The contribution of the cell biologist, Oscar Hertwig (1849–1922), Stuttgart 1991; Anne Harrington: Reenchanted science. Holism in German culture from Wilhelm II to Hitler, Princeton 1996, S. 61. 89) Vgl. Georg Jäger: Der wissenschaftliche Verlag, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, S. 423–472, hier: S. 438.
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phylogenetischer Methoden für die Erforschung lebender Wesen“. 1884 brachte er den Leitfaden „Das botanische Praktikum“ heraus und im selben Jahr das „Kleine botanische Praktikum für Anfänger“. 1894 folgte „der Strasburger“, das „Lehrbuch der Botanik für Hochschulen“ im Umfang von 558 Seiten, das vor dem Ersten Weltkrieg Lizenzausgaben in Englisch, Italienisch und Japanisch erlebte. Das „Handbuch der Morphologie der wirbellosen Tiere“, vormals im „Lehrbuch der vergleichenden Anatomie“ enthalten, wurde 1886 von dem Haeckel-Schüler Arnold Lang neu bearbeitet. Der Haeckel-Tradition folgend, zeichnete sich innerhalb der Zoologie ein Verlagsschwerpunkt in der Vererbung ab, der komplettiert wurde durch zahlreiche Veröffentlichungen Valentin Haeckers, Assistent August Weismanns in Freiburg und später Professor für Zoologie in Halle. Mit seiner Schrift „Entwicklungsgeschichtliche Eigenschaftsanalyse (Phänogenetik). Gemeinsame Aufgaben der Entwicklungsgeschichte, Vererbungs- und Rassenlehre“ (1918) prägte er den Terminus „Phänogenetik“, einer Hybride vererbungswissenschaftlicher und entwicklungsgeschichtlicher Ansätze.90) Nahezu alle selbstständigen zoologischen Publikationen teilten in der Weimarer Republik eine, verstärkt seit 1927, desaströse Absatzlage. Nur Lehrbücher, wie Oscar Hertwigs „Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte“, blieben davon verschont. Eben jene entwicklungsgeschichtlichen Ansätze verfolgten zwei in der Weimarer Republik neue naturwissenschaftliche Verlagsgebiete: die Paläobiologie und die Paläozoologie, die insbesondere Othenio Abel, Direktor des Paläobiologischen Instituts an der Universität Wien, vertrat. Er veröffentlichte eine Reihe paläozoologischer Werke, darunter 1920 ein „Lehrbuch der Paläozoologie“ und 1927 „Lebensbilder aus der Tierwelt der Vorzeit“. Rudolf Kräusel publizierte 1930 „Die paläobotanischen Untersuchungsmethoden“ und Walter Zimmermann im gleichen Jahr die „Phylogenie der Pflanzen“. In eine ähnliche, wenngleich dezidiert naturphilosophisch apostrophierte Richtung gingen die Publikationen von Viktor Franz, der bei den HaeckelSchülern Willy Kükenthal und Arnold Lang studiert hatte, bei Haeckels Schwiegersohn Hans Meyer im Leipziger Bibliographischen Institut einige Jahre als Redakteur gearbeitet hatte und seit 1919 die Professur für Phylogenie in Jena bekleidete. „Die Vervollkommnung in der Natur“ (1920) sowie „Geschichte der Organismen“ (1924) wählten Goethe und Haeckel zu Vorbildern einer teleologisch nach Erhöhung des Nutzeffekts strebenden Evolutionstheorie.91) Die naturwissenschaftlichen Neuauflagen und Neuproduktionen stagnierten im Gustav Fischer Verlag in den Post-Inflationsjahren der Weimarer Republik insgesamt merklich. Die Neuauflage des einstigen Standardwerks
90) 91)
Vgl. Harwood: Styles, S. 54. Dazu: Hoßfeld: Geschichte, S. 239f.
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„Handwörterbuch der Naturwissenschaften“ 1931–35, das 1912–15 in zehn Bänden erschienen war, blieb eine Ausnahme.92) Die aufgeführten medizinischen und biologischen Verlagsschwerpunkte – soziale Medizin und soziale Hygiene, Anthropologie, Sozialdarwinismus, Abstammungs-, Vererbungs- und Entwicklungslehre – korrelierten in einem Geflecht sozial, ethnisch und national argumentierender Utopien bevölkerungspolitisch steuerbarer Gesellschaftsorganisationen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts eugenische bzw. rassenhygienische Konzeptionen implizierten.93) In der Forschungsliteratur ist das rassistische Radikalisierungspotential dieser Konstellation hinlänglich bekannt.94) Die Entwicklung, Verflechtung und verlegerische Institutionalisierung dieser Konzeptionen seit der Jahrhundertwende bildeten sich im Programm des Gustav Fischer Verlags klar ab. Die parallel ähnliche inhaltliche und institutionelle Entwicklung der Jenaer Universität, die einen Großteil der Fischer-Autoren stellte, ist hierbei in Rechnung zu stellen, der Verlag setzte aber durchaus eigene Akzente.95) Besonderes Augenmerk sollte hierbei den Relationen von medizinisch-biologischem und sozial- und wirtschaftswissenschaftlichem Verlagszweig gelten, ohne das Mischungsverhältnis biologischer und sozialwissenschaftlicher Faktoren in der Herausbildung sozialdarwinistischer oder sozialbiologischer Gesellschaftskonzepte an dieser Stelle en detail diskutieren zu können. Beide wissenschaftliche Perspektiven waren Teil eines komplexen Vernetzungsprozesses wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Interessen, der die Politisierung biologischer und sozialwissenschaftlicher Wissenschaften in sich trug.96) Zu konstatieren bleibt an dieser Stelle vorerst, dass die interdisziplinäre Verknüpfung von Biologie und Soziologie einen Großteil der rassenhygienischen und eugenischen Publikationen des Gustav Fischer Verlags von 92)
Vgl. Jäger: Der wissenschaftliche Verlag, S. 438. Vgl. Weindling: Health; Weingart/Kroll/Beyertz: Rasse; Peter Emil Becker: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und völkischer Gedanke. Wege ins Dritte Reich. Teil II, Stuttgart/New York 1990; Pascal Grosse: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland 1850–1918, Frankfurt/M. 2000, S. 12f.; Jürgen Reyer: Alte Eugenik und Wohlfahrtspflege. Entwertung und Funktionalisierung der Fürsorge vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Freiburg/Breigau 1991; die Tradition des Fischerschen Verlagsprogramms unter der Überschrift „Vom (Sozial-)Darwinismus zum Rassismus“ zusammenfassend: Marten: Sozialbiologismus, S. 160–187. 94) Gasman: Origins; Hans-Günter Zmarzlik: Der Sozialdarwinismus in Deutschland, in: VfZ 11 (1963), S. 246–273; Hannsjoachim W. Koch: Der Sozialdarwinismus, München 1973; Hans-Ulrich Wehler: Sozialdarwinismus im expandierenden Industriestaat, in: Immanuel Geiss/Bernd-Jürgen Wendt (Hrsg.): Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Düsseldorf 1975, S. 133–142. 95) Zur rassenkundlichen Ausrichtung der Jenaer Universität vgl. Uwe Hoßfeld: Rassenkunde und Rassenhygiene im „Mustergau“, 1930–1945, Erfurt 2004. 96) Vgl. allgemein: Lutz Raphael: Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: GG 22 (1996), S. 165–193; für die Biologie: Marten: Sozialbiologismus; zur „Versozialwissenschaftlichung“ der Biologie vgl. Gutberger: Volk, S. 3. 93)
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Anbeginn an kennzeichnete. Die inhaltliche und personelle Ein- und Ausrichtung dieses Programmsegments wird durch zwei Schlüsselpublikationen markiert. Als erstes ist „Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen. Entwurf einer Sozial-Anthropologie zum Gebrauche für alle Gebildeten, die sich mit sozialen Fragen befassen“ von Otto Ammon aus dem Jahr 1895 (neu aufgelegt 1896 und 1900) zu nennen. Ammon war gelernter Ingenieur, zeitweiliger Journalist sowie prähistorisch und anthropologisch forschender Privatgelehrter aus Karlsruhe.97) Er stand dem Freiburger rassenhygienischen Zirkel nahe und war 1898 Gründungsmitglied des Alldeutschen Verbandes in Karlsruhe. Bereits 1893 hatte er mit seiner Schrift „Die natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderer Materialien dargestellt“ die so genannte Sozialanthropologie begründet, die er später zu einer Gesellschaftstheorie erweiterte. Inklusive des Rückgriffs auf Gobineau, der Überlegenheitsbehauptung einer arischen Rasse und der Forderung nach differentiellem generativen Handeln im Dienst gesellschaftlicher Höherentwicklung, vertrat er radikal rassistische Vorgaben. In „Zur Anthropologie der Badener“ (1899), einer Anthropometrie badischer Wehrpflichtiger, im Auftrag einer anthropologischen Kommission des Karlsruher Altertumsvereins erstellt, untermauert er die rassistische Codierung weiter. Die Arbeit sollte dem Nachweis des früher von Ammon entwickelten, in der Anthropologie zeitweilig anerkannten ‚Ammonschen Gesetzes‘ dienen, der These eines höheren Schädelindexes von Stadt- gegenüber Landbewohnern. Ammon schlussfolgert daraus, „nordische Langköpfe“ als Träger eines höheren Schädelindexes würden vor allem in die Städte abwandern. Nicht nur an dieser Stelle kippt die Argumentation Ammons in rassistische Codierungen um. Seine Ergebnisdarstellung, gegliedert in „Allgemeine Ergebnisse“ und „Besondere Ergebnisse“, separiert im letzten Teil die statistischen Daten jüdischer Rekruten. Diese gesonderte Erhebungseinheit entsprach den zeitgenössischen wissenschaftlichen Gepflogenheiten und verortete sich in die auch innerjüdisch heftig geführte Diskussion um die Frage, ob eine jüdische Rasse wissenschaftlich nachweisbar sei. Vor allem in Österreich-Ungarn und Russland waren Datensammlungen von Rekrutenmusterungen bei anthropologischen Forschern beliebt und führten um die Jahrhundertwende zu einer ganzen Reihe einschlägiger Veröffentlichungen.98) Die Musterungen wurden von den zuständigen militärischen Stellen durchgeführt und erfassten jüdische Rekruten regulär gesondert. Zur gleichen Zeit kennzeichnete Rudolf Virchow in seinen anthropologischen Bemessungen von Haut- und Haarfarbe der Schulkinder im 97)
Vgl. Weindling: Health, S. 97, 99ff.; affirmativ: Hilkea Lichtsinn: Otto Ammon und die Sozialanthropologie, Frankfurt am Main/Bern/New York 1987. 98) Vgl. die Zusammenstellung entsprechender Literatur in: Joseph Jacobs/Maurice Fishberg: Stature, in: Jewish Encyclopedia, Bd. 11, 1901, S. 536–539.
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Deutschen Reich die Daten jüdischer Schulkinder getrennt von denen anderer Schulkinder, da er davon ausging, dass sie eine spezifische, dunkelhaarige Kontrollgruppe bilden könnten.99) Die Klassifizierungs- und Bewertungsmuster, die der Isolierung so genannter jüdischer Gruppen zu Grunde lagen, mussten bei einem derartig verbreiteten Verfahren nicht explizit gemacht werden. Sie waren Teil des Diskurses. Als zweite Schlüsselpublikation ist die Preisschrift des ‚Krupp-Preisausschreibens‘ anzusehen.100) Der Industrielle und nebenberufliche Meeresbiologe Friedrich Alfred Krupp lobte zum 1. Januar 1900 einen Wettbewerb wissenschaftlicher Arbeiten aus, der dem „Fortschritt der Wissenschaft und den Interessen des Vaterlandes“ dienen sollte. Er stand unter der Fragestellung „Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?“. Der Preiskommission gehörten mit Ernst Haeckel, Johannes Conrad, Eberhard Fraas, Dietrich Schäfer und Heinrich Ernst Ziegler ausschließlich Fischer-Autoren an. Mit dem ersten Preis wurde Wilhelm Schallmayer, Mitglied des Monistenbundes und ehemals praktisch tätiger Arzt, der als Privatgelehrter in München lebte, für seine Schrift „Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker“ ausgezeichnet.101) 1903 wurde sie bei Fischer in der eigens für die Preisschriften eingerichteten Reihe „Natur und Staat. Beiträge zur naturwissenschaftlichen Gesellschaftslehre“ verlegt und sicherte Schallmayer einen der ersten Plätze in der deutschsprachigen Rassenhygiene- und Eugeniktradition.102) Die Selektionstheorie Darwins stark betonend, fordert Schallmayer darin, parallel zur Nationalökonomie eine Nationalbiologie zu errichten, deren Aufgabe in der Steigerung der biologischen Effizienz des Staates liegen soll. Zentral sozialistisch organisiert, sollten staatliche Instanzen mittels positiver und negativer Eugenik bzw., in Schallmayers Terminologie, Rassehygiene sowie sozialen Hygienemaßnahmen eine genetisch geschichtete Leistungsaristokratie aufbauen. Auf diese Weise bedient sich Schallmayer der Argumentationslogik eines internen Rassismus, der die Stratifikation der eigenen Gesellschaft statisch festlegt. Eine primordial rassistische Codierung ist in der Preisschrift nicht zu erkennen, da ethnische Gruppen nicht gegeneinander abgegrenzt 99)
Zu Virchow: Andrew Zimmerman: Anti-Semitism as skill: Rudolf Virchow’s Schulstatistik and the racial composition of Germany, in: Central European History 32 (1999), S. 409–429; Geulen: Blonde. 100) Weindling: Health, S. 112ff.; Sheila Faith Weiss: Race hygiene and national efficiency. The eugenics of Wilhelm Schallmayer. Berkeley/Los Angeles/Oxford 1987, S. 64ff.; Weingart/Kroll/Bayertz: Rasse, S. 148ff., 197f.; Hoßfeld: Geschichte, S. 200ff. 101) Zu Schallmayer und seiner Mitgliedschaft im Monistenbund: Hübinger: Bewegung, S. 250ff.; Hoßfeld: Geschichte, S. 247; Schallmayers Bedeutung für die Rassenhygiene ausführlich bei: Becker: Geschichte, S. 1–55. 102) Zu den Inhalten der Reihe: vgl. Rolf Winau: Natur und Staat oder: Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwicklung der Gesetzgebung der Staaten? in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), S. 123–132.
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und abgewertet werden. Schallmayer bündelte hingegen wichtige eugenische Sozialtechnologien, wie die Sterilisierung Krimineller oder sozial Schwacher, Heiratsbeschränkungen für militärisch Untaugliche oder die Einführung genealogischer Nachweise, und machte sie dem rein akademischen Publikum und dem medizinischen Praktiker bekannt. Sowohl Preisausschreiben wie Preisschrift waren wesentlich für die Formierung eugenischer Gruppen und Vereinigungen.103) Verlegerisch flankiert wurde der Formierungsprozess von den Publikationen anderer Preisträger, wie dem Zionisten Arthur Ruppin („Darwinismus und Sozialwissenschaft“, 1903), dem späteren Direktor der Landwirtschaftsschule in Weilburg Heinrich Matzat („Philosophie der Anpassung“, 1903) oder dem Münchner Schriftsteller Curt Michaelis („Prinzipien der natürlichen und sozialen Entwicklungsgeschichte des Menschen“, 1904). Ihre Arbeiten erschienen gleichfalls bei Gustav Fischer in der Reihe „Natur und Staat“. Es zeichneten sich aber durchaus unterschiedliche Publikationsmilieus ab, wenn Ludwig Woltmanns prämierte „Politische Anthropologie“, 1903 bei der Thüringischen Verlagsanstalt in Eisenach veröffentlicht, kurz darauf vom Jenaer Eugen Diederichs Verlag übernommen wurde. Die rassistische Radikalität Woltmanns dürfte für den Publikationsort aber weniger den Ausschlag gegeben haben als interne Querelen der Preiskommission, die sich über die Platzierung Woltmanns – Haeckel wollte ihm den ersten Preis verleihen – nicht einigen konnte.104) In den nächsten Jahren waren nahezu alle Protagonisten des rassenhygienischen und eugenischen Diskurses der zwanziger Jahre mit ihren frühen, vererbungstheoretischen Schriften, großenteils Qualifikationsschriften, im Fischer Verlag vertreten. Die konjunkturelle Hochphase dieses Segments lag dabei eindeutig vor dem Ersten Weltkrieg. 1912 erschien die bei Ludwig Aschoff angefertigte Dissertation „Über die krankhaften Erbanlagen des Mannes und die Bestimmung des Geschlechtes beim Menschen“ von Fritz Lenz, der 1923 erster Lehrstuhlinhaber für Rassenhygiene in München und später Autor des „Baur-Fischer-Lenz“ wurde. Im selben Jahr veröffentlichten Ernst Rüdin, später Direktor der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München, „Zur Vererbung und Neuentstehung geistiger Störungen“ und Heinrich Bayer „Über Vererbung und Rassenhygiene“.105) 1913 wurde schließlich auch Eugen Fischer, ebenfalls späterer Verfasser des „Baur-Fischer-Lenz“, mit „Die Rehobother Bastards und das Bastardisierungsproblem beim Menschen“ Verlagsautor von Gustav Fischer.106) Diese Anthropogeographie der so genannten Rehobother Bastarde, Abkömmlinge 103)
Vgl. Weindling: Health, S. 122. Von den kommissionsinternen Differenzen berichtet Hoßfeld: Geschichte, S. 203f. 105) Zur Dissertation von Fritz Lenz: Heiner Fangerau: Etablierung eines rassenhygienischen Standardwerkes 1921–1941. Der Baur-Fischer-Lenz im Spiegel der zeitgenössischen Rezensionsliteratur, Frankfurt am Main/Berlin/Bern u. a. 2001, S. 42. 106) Vgl. Lösch: Rasse, S. 55ff.; Weingart/Kroll/Bayertz: Rasse, S. 100ff.; Grosse: Kolonialismus, S. 185ff.; Weiss: Humangenetik, S. 15. 104)
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niederländischer Siedler und Nama-Frauen, die zum Hilfstrupp deutscher Kolonialeinheiten bei der Niederschlagung des Nama-Aufstandes in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwest verpflichtet worden waren, diente Eugen Fischer dem Nachweis Mendelscher Vererbungsregeln und der rassenhygienischen Verlautbarung, Rassenmischung sei grundsätzlich schädlich. Auf einer Forschungsreise nach Deutsch-Südwest 1908 erfasste er die Objekte seines Interesses anthropometrisch. Unverzichtbare methodologische Ausrüstung hierfür waren das „Lehrbuch der Anthropologie“ seines Züricher Lehrers Rudolf Martin und die „Index-Tabellen zum anthropologischen Gebrauche“ von Carl Fürst, beide Werke 1914 bzw. 1902 im Gustav Fischer Verlag erschienen. Völlig selbstverständlich war es für Eugen Fischer, von der Existenz und der Ungleichheit von Rassen auszugehen, sodass seine Ergebnisse, die intellektuelle Minderbegabung der Rehobother im Vergleich zu einer „weißen Rasse“, wie auch die Schlussfolgerung, Rassenmischung sei ein negativer Einflussfaktor der Evolution, vorhersehbar erscheinen. Fischer lieferte, so Klaus Scholder, eine frühe Begründung für Apartheidspolitik.107) Das Thema Eugen Fischers hätte eigentlich auf breitere Resonanz in der Öffentlichkeit hoffen können. Schließlich hatten aufgrund des Nama-Aufstands 1907 Neuwahlen im Reich stattgefunden. Ferner waren ‚Mischehen‘ in Deutsch-Südwest im selben Jahr von der deutschen Kolonialverwaltung in Windhuk verboten worden. 1910 war das Problem der ‚Mischehen‘ auf dem Berliner Kolonialkongress diskutiert worden, 1912 wurde in Deutsch-Samoa ein Mischehenverbot erlassen. Dennoch gestaltete sich die Verlagssuche für Eugen Fischer, der immerhin 1907 die „Jahresberichte der Literatur über physische Anthropologie“ bei Gustav Fischer herausgebracht hatte, schwierig – zu lasch waren seine methodischen Standards der Datenauswertung. Auf Vermittlung von Robert Wiedersheim, Doktorvater Eugen Fischers, Schwager August Weismanns und seit 1879 Fischer-Autor, war schließlich Gustav Fischer bereit, den Verlag der Arbeit zu übernehmen. Obgleich die Studie wenigstens qualitative Ergebnisse behauptete und die Anthropologie damit über eine rein quantitativ-deskriptive Ebene hinaushob, war der Absatz des Bändchens spärlich und belief sich im Erscheinungsjahr, bei einer Auflage von 1000 Exemplaren, auf 170 Stück. In den Folgejahren fiel er auf zehn bis zwanzig verkaufte Exemplare pro Jahr zurück. Bei Fischer erschien dagegen nicht das „Archiv für Rassen- und Gesellschaftshygiene“ des rassenhygienischen Privatgelehrten Alfred Ploetz.108) Ploetz wurde in seinen Forschungen zu Vererbung, Degeneration und Mutation in den Jahren 1900–01 zwar von Gustav Fischer sen. mit einem Betrag zwischen RM 15 000 und 20 000 unterstützt, die Pläne für ein von Ploetz konzipiertes rassenhygienisches Periodikum wurden jedoch nicht verwirk107) Klaus Scholder: Die Mittwochsgesellschaft. Protokolle aus dem geistigen Deutschland 1933–1944, Berlin 1982, S. 21. 108) Vgl. Müller: Wissenschaft, S. 125f.; Weindling: Health, S. 127f.
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licht. Ob dafür das abschätzige Urteil von Alfred Ploetz, für den Gustav Fischer sen. „genauso viel wert war wie ein Jude“, ausschlaggebend war, muss dahin gestellt bleiben.109) Das „Archiv für Rassen- und Gesellschaftshygiene“ wurde in den ersten Erscheinungsjahren (1904–08) im Selbstverlag der Archiv-Gesellschaft in Berlin bzw. München produziert und fand dann im renommierten Leipziger Wissenschaftsverlag B. G. Teubner Unterschlupf, von dem es 1922 zu J. F. Lehmanns in München abgegeben wurde.110) Viel wichtiger für die weitere Profilierung des Verlags auf dem Gebiet der Rassenhygiene, das in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre nahezu brach lag, war der anhaltende Kontakt zu wissenschaftlich anerkannten Autoren der Fachrichtung. So blieb Eugen Fischer dem Verlag erhalten und wirkte an den „Anatomischen Berichten“ (1923/24–27) mit. Die Einrichtung des Kaiser Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927 in Berlin institutionalisierte die Rassenhygiene. Die Beförderung Eugen Fischers zum Direktor der Einrichtung sorgte indirekt und direkt für eine Reanimation des vererbungs- und rassentheoretischen Programmsegments im Gustav Fischer Verlag. 1928 veröffentlichte Leonhard Schultze-Jena, Schwager des Verlegers Gustav Fischer, Haeckel-Schüler und seit 1913 Ordinarius für Geographie in Marburg, das anthropometrische Werk „Zur Kenntnis des Körpers der Hottentotten und Buschmänner“ (1928) als letzten Band der Reihe „Zoologische und anthropologische Ergebnisse einer Forschungsreise im westlichen und zentralen Südafrika ausgeführt in den Jahren 1903–1905“ (seit 1908). Zur Untermauerung darin präsentierter anthropometrischer Daten nutzte Schultze die Gelegenheit, das nach dem Herero-Krieg ausreichend vorhandene anthropologische ‚Material‘ auszuwerten.111) Ferner wurden die Referenzwerke, die Eugen Fischer in den „Rehobother Bastards“ verwendet hatte, Rudolf Martins „Lehrbuch der Anthropologie“ und die „Fürstschen Index-Tabellen“, 1928 neu aufgelegt. Ihr Absatz brach jedoch 1930 bereits wieder ein. Der Verlag profitierte dennoch bald unmittelbar vom Karrieresprung Eugen Fischers, dem es in kurzer Frist gelang, sich als Koordinator eines durch Mittel der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft finanzierten Projekts, das die deutsche Bevölkerung umfassend anthropometrisch erfassen sollte, zu positionieren. Die Ergebnisse dieser Unternehmung wurden in der Reihe „Deutsche Rassenkunde. Forschungen über Rassen und Stämme, Volkstum und Familien im Deutschen Reich“, die in siebzehn Bänden von 1929–38 im Gustav Fischer Verlag herauskam, dargestellt.112) Das Forschungs109)
Zitiert nach: ebda., S. 128. Die Verlagsangaben erfolgen nach dem Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910. Bd. 5, München u. a. 1979, S. 374f. bzw. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965. Bd. 5, München 1965, S. 76. 111) Dazu: Andrew Zimmerman: Anthropology and antihumanism in Imperial Germany, Chicago 2001, S. 245. 112) Vgl. Weiss: Humangenetik, S. 16f.; Lösch: Rasse, S. 199–201; Weindling: Health, S. 466–469; Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 114ff. 110)
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programm koordinierte die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Anthropologen, Ethnologen und Medizinern. Zu ihnen zählten die Anatomen Karl Saller aus Göttingen, Georg Thilenius und Walter Scheidt vom Hamburger Museum für Völkerkunde, der Kieler Anthropologe und Vorsitzende der dortigen Ortsgruppe der Gesellschaft für Rassenhygiene Otto Aichel sowie der Ethnologe Otto Reche aus Leipzig. Nachdem es dem Präsidenten der Notgemeinschaft Friedrich Schmidt-Ott gelungen war, für den Zeitraum von 1930–34 jährlich 25 000 US-$ von der Rockefeller Foundation zur Unterstützung der anthropologischen Forschung in Deutschland einzuwerben, erweiterte sich der Kreis der unter dem Dach der „Deutschen Rassenkunde“ versammelten Institutionen um das Kaiser Wilhelm-Institut für Hirnforschung unter Oskar Vogt, die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München unter Ernst Rüdin sowie die Universitätshautklinik in Leiden (Niederlande) unter Hermann Werner Siemens. „Wirtschaftlich möglich gemacht“ hat das Unternehmen, laut Danksagung des ersten Reihenbandes von 1929, neben der Notgemeinschaft aber auch das eigentliche Konkurrenzunternehmen von Gustav Fischer, der J. F. Lehmanns Verlag, der mit dieser Stellungnahme den Rang eines Partnerunternehmens des Gustav Fischer Verlags erhielt. Das Forschungsdesign der „Deutschen Rassenkunde“ war thematisch an Herman Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ angelehnt, die 1926 bei Gustav Fischer erschienen war, und methodisch an Walter Scheidts anthropologischer Arbeit über die Bevölkerung der Elbinsel Finkenwärder, 1926 bei J. F. Lehmanns verlegt. Demnach sollten punktuell ausgewählte Populationsgruppen in regionalen Mikrostudien nahezu vollständig genealogisch-kulturbiologisch, d. h. mittels interdisziplinärer Methodiken aus der Anthropologie, der Ethnologie, der Sozialpsychologie oder der Wirtschafts- und Kulturgeschichte, beschrieben werden. Im Geleitwort des ersten Reihenbandes wurde daraus die publizistische Intention, eine „rein wissenschaftliche, aber allgemein verständliche Darstellung […] [der] rassenmäßige[n] Beschaffenheit der Bevölkerung, die deutsche Sprache spricht und deutsche Kultur schafft“, bieten zu wollen. Überwiegende Untersuchungsobjekte sollten, angesichts wachsender Verstädterung, vor allem „ländliche Bevölkerungsgruppen […], Bauernschaften, der eigentliche Kern und Rückhalt eines jeden Volkes“ sein. Andere Gruppen, die genannt werden, überraschen durchaus. Neben „Bürgerschaften, sogenannte[n] Geschlechter[n] in gewissen Städten, Arbeiterschaften bestimmter Gebiete“ und dem „Adel mancher Landesteile“ wird auch „der Kreis altansässiger Judenfamilien einzelner Orte“ genannt.113) Zur Ausführung gelangte das zuletzt genannte Vorhaben jedoch nicht. Ein der „Deutschen Rassenkunde“ assoziiertes Forschungsprojekt Franz Weidenreichs, Lehrstuhlinhaber für Anthropologie an der Frankfurter Universität,
113)
Alle Zitate: Wilhelm Kluck/Walter Scheidt: Niedersächsische Bauern. I. Geestbauern im Elb-Weser-Mündungsgebiet (Börde Lamstedt), Jena 1929, S. V.
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über die jüdische Bevölkerung Frankfurts kam über das Planungsstadium nicht hinaus.114) Tatsächlich behandeln die Bände ausschließlich Populationen agrarisch geprägter Kleinräume Niedersachsens, Frankens, Holsteins, Thüringens, Hessens, Bayerns und Württembergs. Die wissenschaftspolitische Wirkung des Forschungsprojekts „Deutsche Rassenkunde“ ist gering anzuschlagen: zu offensichtlich war sein funktionaler Einsatz als Deckmantel zur Drittmittelverwaltung und -einwerbung und die daraus folgende mangelnde Kohärenz der Einzelprojekte. Absatzpolitisch war die Reihe für den Verlag ein durchwachsenes Geschäft. Im Erscheinungsjahr verkauften sich durchschnittlich knapp hundert Exemplare der jeweils auf 2000 Stück angelegten Auflage der Einzelpublikationen. Relativ schnell wurde die Reihe vom Absatzeinbruch 1930 erfasst. Das Urteil über eine rassistische Codierung der „Deutschen Rassenkunde“ fällt schwer. Ohne Zweifel unterbleiben in den Reihenpublikationen explizite rassistische Be- und Abwertungen ethnischer Gruppen. Bei allen methodischen Differenzen, die aus den verschiedenen Disziplinen und Institutionen der Beteiligten herrühren, verharren sie in einer deskriptiv-quantitativen Konstruktion ihrer Untersuchungsobjekte. Deren anthropometrische Daten füllen die Publikationen überwiegend aus, unverbunden ergänzt um sozialhistorische und ethnologische Erläuterungen des jeweiligen Untersuchungsraums. Dennoch funktionierte die regional ausdifferenzierte Konstruktion anthropologischer Betrachtungseinheiten, wie beispielsweise „Keuperfranken“, „Questenberger“ oder „Süderdithmarscher“, nicht zuletzt, da man sich in einem Diskurs- bzw. Methodenzusammenhang mit rassistischen Vermessungsprojekten befand.115) Ziel der Reihe war es, die räumliche Verteilung von Rassentypen zu analysieren und eine Landkarte der nicht einheitlichen, aber zusammenhängenden Rassen deutscher Nation zu imaginieren. Damit wurden die Einzelergebnisse in der Zusammenschau der gesamten Reihe in die Skala einer „Deutschen Rassenkunde“ eingeordnet und letztlich implizit bewertet. Im Gustav Fischer Verlagsprogramm fanden derart gemäßigte biopolitische Codierungen Anschlusspublikationen. So veröffentlichte Walter Scheidt, Anthropologe am Hamburger Völkerkundemuseum und seit den frühen zwanziger Jahren u. a. als einer der Hauptautoren der „Deutschen Rassenkunde“ sowie Herausgeber der Zeitschrift „Volk und Rasse“ bei J. F. Lehmanns, auf dem Gebiet der Rassenbiologie profiliert, 1930 „Kulturbiologie. Vorlesungen für Studierende aller Wissensgebiete“. In der Studie fasst er seine Skepsis gegenüber weltanschaulicher Rassenmystik zusammen und spricht sich für quantifizierbare, nachprüfbare Methodiken aus.116)
114)
Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 117. Vgl. zu diesem Zusammenhang: Geulen: Blonde. 116) Zu Scheidt: Bernd Gausemeier: Walter Scheidt und die Bevölkerungsbiologie. Ein Beitrag zur Geschichte der Rassenbiologie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Magisterarbeit FU Berlin 1998. 115)
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Desgleichen publizierte Franz Boas, US-amerikanischer Anthropologe deutscher Herkunft, 1932 mit „Rasse und Kultur“ die Ansprache zu seinem 50. Promotionsjubiläum am 30. Juli 1931 in der Aula der Christian Albrechts Universität in Kiel bei Gustav Fischer, in der er sich kritisch mit einem primordial codierten Rassenbegriff und rassistischen Rassenbewertungen und Rassenabwertungen auseinandersetzt.117) Im Rahmen des Fischerschen Verlagsprogramms wurde mit diesen Publikationen jedoch weniger eine antirassistische Trendwende vollzogen als vielmehr der umfassende zeitgenössische biopolitische Diskurs in seiner argumentativen Spannbreite berücksichtigt, wie es für einen international konkurrenzfähigen wissenschaftlichen Verlag empfehlenswert schien. Zudem zog gerade die Auseinandersetzung mit und Kritik an rassistischen und antisemitischen Codierungen die allgemeine Konjunktur biopolitischer Themen nach sich, und der allmähliche Legitimitätsverlust rassistischer Codierungen bewirkte an dieser Stelle die Fluktuation ihrer argumentativen Grundlage.
3. Herman Lundborg: Die Internationale der Rassisten Der schwedische Rassenbiologe Herman Lundborg (1868–1943) veröffentlichte im Gustav Fischer Verlag seine Dissertation (1913) sowie die rassistischen Publikationen „Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven“ (1921) und „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ (1928). Lundborg leitete das weltweit erste staatlich finanzierte Institut für Rassenbiologie: das schwedische Staatsinstitut für Rassenbiologie (Statens institut för rasbiologi) in Uppsala, das zum Jahresanfang 1922 seine Arbeit aufnahm.118) Seine Publikationen im Gustav Fischer Verlag machen die Internationalität sowohl
117)
Vgl. Doris Kaufmann: „Rasse und Kultur“. Die amerikanische Kulturanthropologie um Franz Boas (1858–1942) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – ein Gegenentwurf zur Rassenforschung in Deutschland, in: Hans-Walther Schmuhl (Hrsg.): Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933, Göttingen 2003, S. 309–345; Marshall Hyatt: Franz Boas. Social Activist. The dynamics of ethnicity, New York/Westport/London 1990, S. 83ff.; George W. Stocking: Race, culture, and evolution. Essays in the history of anthropology, Chicago 1982, spez. S. 195ff. 118) Zu Lundborg und dem Staatsinstitut für Rassenbiologie vgl. Katrin Zippel: Schweden im Bild. Fotografische Darstellung in den Arbeiten von Herman Lundborg und dem rassenbiologischen Institut Uppsala, Magisterarbeit Universität Trier 2007; Gunnar Broberg: Lundborg, Herman, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 24, 1982, S. 234–239; ders.: Statlig rasforskning. En historik över rasbiologiska institutet, Lund 1995; ders./Matthias Tydén: Eugenics in Sweden: Efficient care, in: Gunnar Broberg/Nils Roll-Hansen: Eugenics and the welfare state. Sterilization policy in Denmark, Sweden, Norway, and Finland, East Lansing 1996, S. 77–150, hier: S. 88–91; Paul Weindling: International eugenics. Swedish sterilization in context, in: Scandinavian Journal of History 24 (1999), S. 179–197, hier: S. 185, 192–194; Hjalmar Andersson: The Swedish state institute for race-biological investigation, in: Eugenics Review 13 (1921), S. 480ff.; Hoßfeld: Geschichte, S. 176f.
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des rassistischen Diskurses als auch der Verlagspolitik des Wissenschaftsverlags Gustav Fischer deutlich. Lundborg hatte seit 1887 in Uppsala, Stockholm und Lund zuerst Zootomie und Morphologie, später Psychiatrie und Neurologie studiert und wurde 1901 in Stockholm mit der Arbeit „Über Degeneration und degenerierte Geschlechter in Schweden. Klinische Studien und Erfahrungen hinsichtlich der familiären Myklonie und damit verwandter Krankheiten“ promoviert. Auslandsaufenthalte führten ihn 1895 nach Berlin, 1897 nach Bergen zum Studium der Meeresbiologie und Embryologie sowie 1900 nach Finnland und Estland, wo er sich der Pathologie und Anatomie widmete. 1904 studierte er in den Niederlanden Psychiatrie und in München Kriminalpsychologie, u. a. bei Emil Kraepelin. 1914 besuchte er Freiburg, wo zur gleichen Zeit die Vererbungstheoretiker Eugen Fischer und Fritz Lenz tätig waren, und Karlsruhe, dort lebte der Sozialdarwinist Otto Ammon. 1903–15 war er Dozent für Psychiatrie und Neurologie und anschließend Dozent für Rassenbiologie an der Universität Uppsala, bis er 1921 mit der Leitung des Instituts für Rassenbiologie betraut und zum Professor ernannt wurde. Lundborg war ein national anerkannter Wissenschaftler, aber vor allem ein in der internationalen Scientific Community von Rassenhygiene und Eugenik exzellent vernetzter Kommunikator.119) 1904 wurden ihm die Hälfte des jährlichen Preisfonds sowie die Halbjahrhundertsmedaille in Silber der schwedischen Ärztegesellschaft verliehen. Seine Studienaufenthalte in München und Köln 1905 finanzierte er mittels eines sechsmonatigen Reisestipendiums des Karolinska Instituts. 1914 erhielt er für seine genealogischen Forschungen das Anders-Retzius-Stipendium der schwedischen Ärztegesellschaft sowie den Letterstedschen Autorenpreis der Schwedischen Akademie der Wissenschaften. 1916 wurde er mit dem Jubiläumspreis der schwedischen Ärztegesellschaft für medizinisch-biologische Forschung ausgezeichnet. Das Staatsinstitut für Rassenbiologie wurde auf Antrag des sozialdemokratischen Abgeordneten, Psychiaters und Oberinspektors in der staatlichen Pflege geistig Behinderter Alfred Petrén eingerichtet. Im Mai 1921 beschloss der schwedische Reichstag mit großer Mehrheit und den Stimmen aller Parteien die Einrichtung des Instituts.120) Im Antrag Petréns wurden die steigenden Staatsausgaben für „Defekte, Abnorme, Verbrecher und asoziale Menschen“ herangezogen, um zu begründen, dass die Einrichtung eines rassenbiologischen Forschungsinstituts von „absoluter Notwendigkeit“ sei. Innenpolitisch wird die Eingabe begleitet von der Debatte um den Ausbau
119) Hierzu auch: Alain Drouard: Herman Lundborg et les eugénistes français, in: Gesnerus 56 (1999), S. 241–259; Hoßfeld: Geschichte, S. 176. 120) Vgl. hierzu: Ann-Judith Rabenschlag: Für eine bessere ‚Bevölkerungsqualität‘. Ein Vergleich bevölkerungspolitischer Konzepte in Schweden 1920–1940, in: Nordeuropaforum 18 (2008), S. 47–67, hier: S. 51; zu Petrén: Franz Luttenberger: Petrén, Daniel Alfred, in: Svenskt Biografiskt Lexikon, Bd. 29, Stockholm 1995–97, S. 173–181.
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des schwedischen Wohlfahrtsstaats und die beginnende Konzeptualisierung des schwedischen ‚Volksheims‘ in den frühen 1920er Jahren.121) Die Steigerung der nationalen Arbeitskraft und knappen Ressourcen des spät industrialisierten Landes waren die wichtigsten Argumente für eine Institutsgründung. Die breite Zustimmung zu genetischen Züchtungskonzepten war bisherigen Erfahrungen aus der Landwirtschaft zu verdanken. 1886 war in Svalöv der genossenschaftlich organisierte, aber staatlich bezuschusste Südschwedische Verein für Pflanzenzüchtung und Saatenanbau, 1894 in Schwedischer Saatzuchtverein (Sveriges Utsädesförening) umbenannt, gegründet worden, dessen agrarische Forschungen landwirtschaftliche Zuchtmethoden gemäß den Mendelschen Vererbungsregeln optimieren sollten.122) Der anscheinend unmittelbare Erfolg der Institutsarbeit – der Ertrag schwedischer Agrarnutzung konnte innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches gesteigert werden – stimmte optimistisch für die Anwendung von Züchtungskonzepten auf den Menschen.123) Das Institut für Rassenbiologie bekam Räumlichkeiten innerhalb der medizinischen Fakultät zugewiesen und konnte Anfang des Jahres 1922 in vier Räumen und mit sieben Mitarbeitern, neben Lundborg einem Rassenbiologen, einem Anthropologen, einem Statistiker, einem Genealogen und zwei Reiseassistenten, seine Arbeit aufnehmen.124) Es war direkt dem Kanzler der Universität unterstellt und einem siebenköpfigen Aufsichtsrat gegenüber zur jährlichen Rechenschaft verpflichtet. Die wissenschaftliche Arbeit des Instituts, untergliedert in die experimentalbiologische, medizinisch-genealogische, anthropologische und demographisch-soziologische Abteilung, bestand vorrangig darin, die Forschungsarbeiten Lundborgs im Norden Schwedens über Probleme der Rassenkreuzung zwischen so genannten Lappen und nordisch definierten Bevölkerungsgruppen fortzusetzen. Daran anschließend war eine anthropologische Gesamtaufnahme der schwedischen Bevölkerung vorzunehmen, ähnlich der „Anthropologica Suecica“ von Gustaf Retzius und Carl M. Fürst, die 1902 bei Gustav Fischer publiziert worden war. Die praktische Institutsarbeit bestand demzufolge vor allem in der Sammlung und Konservierung von Daten: anthropologische Ausmessungen, demographische Erhebungen und umfangreiche fotografische Aufnahmen. 1925, 121)
Vgl. Norbert Götz: Ungleiche Geschwister. Die Konstruktion von nationalsozialistischer Volksgemeinschaft und schwedischem Volksheim, Baden-Baden 2001, S. 494f., 218f., spez. S. 482f.; allgemein: Bernd Henningsen: Der Wohlfahrtsstaat Schweden, Baden-Baden 1986, S. 92f., 152ff. 122) Hierzu: Herman Nilssohn-Ehle: Der schwedische Saatzuchtverein in Svalöf (Sveriges Utsädesförening). Ein Überblick über seine Entwicklung, Organisation und Arbeitsmethoden, in: Der Züchter 8 (1936), S. 169–174. 123) Vgl. Harwood: Styles, S. 157. 124) Zur weiteren Geschichte des Instituts vgl. Herman Lundborg: Rassenkunde des schwedischen Volkes. Jena 1928, S. 18–25.
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nur drei Jahre nach der Institutsgründung, war das Forschungsprogramm bewältigt und die Ergebnisse konnten in dem umfangreichen Band „The racial characters of the Swedish nation“, 1926 von der Buchdruckerei Almquist & Wiksell in Uppsala produziert, präsentiert werden. Dass die institutseigene Vorzeigepublikation in englischer Sprache erschien, weist auf das internationale Fachpublikum hin, das man suchte. Lundborg selbst repräsentierte Schweden in der 1921 zur Vorbereitung und Durchführung internationaler eugenischer Kongresse gegründeten Permanent International Eugenics Commission sowie in der 1925 konstituierten Nachfolgeorganisation International Federation of Eugenic Organizations, an deren Sitzungen eugenische und rassenhygienische Größen wie Charles B. Davenport oder Irving Fisher aus den USA, der Brite Ruggles Gates, der Italiener Corrado Gini, Otto Schlaginhaufen aus der Schweiz, der Norweger Alfred Mjöen sowie die Deutschen Eugen Fischer, Ernst Rüdin und Alfred Ploetz teilnahmen.125) Lundborgs erste Publikation im Verlag Gustav Fischer war seine erweiterte Dissertation, die 1913 unter dem Titel „Medizinisch-biologische Familienforschungen innerhalb eines 2232-köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden“ publiziert wurde. Untersuchungsgegenstand der eugenisch motivierten Schrift ist die Vererbung von Krankheiten in einer genealogisch definierten regionalen Populationsgruppe, deren vorgebliche soziale Degeneriertheit erbbiologisch erklärt wird.126) Alfred Grotjahn hatte Lundborg auf den Gustav Fischer Verlag aufmerksam gemacht, der bis 1934, abgesehen von einem bei J. F. Lehmanns in München 1922 erschienenen zwölfseitigen Sonderdruck „Das schwedische Staatsinstitut für Rassenbiologie. Kurzgefasste Orientierung“ Lundborgs einziger deutscher Verlag blieb: „als Verlagsbuchhandlung empfiehlt sich immer noch Gustav Fischer in Jena, der uns ja schon so zahlreiche grosse Arbeiten aus Schweden vermittelt hat.“127) Gemeint ist damit die genealogisch-statistische Studie „Der Adel Schwedens und Finnlands“ (1903) von Pontus Fahlbeck, die das Aussterben der schwedischen und finnischen Aristokratie aufgrund niedriger Geburtenziffern perhorresziert, aber vor allem Lundborgs späteres Referenzwerk „Anthropologica Suecica. Beiträge zur Anthropologie der Schweden“ der Stockholmer Anatomen Gustaf Retzius und Carl M. Fürst, das die Vermessungsdaten von 45 000 schwedischen Rekruten als Maßstab einer schwedischen Nationalanthropologie zum Inhalt hat. 125) Stefan Kühl: Die Internationale der Rassisten. Aufstieg und Niedergang der internationalen Bewegung für Eugenik und Rassenhygiene im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main/New York 1997, S. 59f., 71ff. 126) Vgl. Thomas Etzemüller: Ein ewigwährender Untergang. Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2007, S. 27–37. 127) Alfred Grotjahn an Herman Lundborg, 07. 01. 1911, UUB, Herman Lundborgs Brevsamling. Für die Überlassung von Kopien aus dem Archiv der Universitätsbibliothek Uppsala (Uppsala universitetsbibliotek), die den Nachlass von Herman Lundborg verwahrt, sowie des Archivs der Universität Uppsala (Uppsala universitets arkiv), wo das Archiv des Instituts für Rassenbiologie überliefert ist, danke ich Katrin Zippel sehr herzlich.
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Gustav Fischer nahm das Werk 1902 in Kommission, nachdem er von Retzius schon die zweibändigen „Biologischen Untersuchungen“ (1881–82) und das paläoanthropologische Querschnittwerk „Crania suecica antiqua. Eine Darstellung der schwedischen Menschen-Schädel aus dem Steinzeitalter, dem Bronzezeitalter und dem Eisenzeitalter, sowie ein Blick auf die Forschungen über die Rassencharaktere der europäischen Völker“ (1900) verlegt hatte. Retzius und der Statistiker Harald Westergaard, bei Gustav Fischer Autor von „Grundzüge der Theorie der Statistik“ (1919, zweite Auflage 1928), empfahlen Lundborg beim Gustav Fischer Verlag.128) Der Verlag brachte Lundborgs Dissertation „grosses Interesse entgegen“ und war „gerne bereit den Verlag der Schrift zu übernehmen“, unter der Bedingung, dass Lundborg einen Druckkostenzuschuss von RM 4 000 erbringen würde, einem Drittel der von Fischer berechneten Herstellungskosten in Höhe von RM 12 000.129) Fischers erhoffte Absatzquote von 200 Exemplaren erfüllte sich bis 1933 nicht. Im Erscheinungsjahr konnte der Titel einen Absatz von 49 Exemplaren verzeichnen, bei 97 Freiexemplaren, sodann ging der Jahresabsatz, mit Ausnahme eines Inflationshochs, kontinuierlich auf zwei bis drei Stück zurück.130) Der wissenschaftlichen Reputation des Werkes tat dies keinen Abbruch. Wie erwähnt, erhielt Lundborg 1914 den Letterstedschen Autorenpreis der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, und sein Gönner Alfred Grotjahn schrieb ihm 1918: „Ich lasse kein Semester vorübergehen, ohne meinen Studenten Ihr grosses Stammbaumwerk zu demonstrieren.“131) 3.1 Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven Im Januar 1921 nahm Lundborg erneut Kontakt zum Gustav Fischer Verlag auf. Sein Anliegen war es, englische Ausgaben des Bildbandes „Svenska Folktyper“ (Schwedische Volkstypen, 1919) und „En svensk bondesläkte historia sedd i rasbiolgisk belyning“ (Die Geschichte eines schwedischen Bauerngeschlechtes in rassenbiologischer Beleuchtung, 1920), letzteres eine gekürzte Fassung der „Medizinisch-biologischen Familienforschungen“, herauszugeben, um auf dem zweiten Internationalen eugenischen Kongress 1921 in New York Werbung für seine Arbeit zu betreiben.132) In diesem Zusammenhang bot er Fischer eine „neue populäre Flugschrift“ unter dem Titel „Rasbiologiska översikter och perspektiv“ (Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven) an. 128)
Gustav Fischer an Harald Westergaard, 13. 01. 1911; Gustav Fischer an Herman Lundborg, 21. 01. 1911, UUB, Herman Lundborgs Brevsamling. 129) Gustav Fischer an Herman Lundborg, 21. 01. 1911, UUB, Herman Lundborgs Brevsamling. 130) Vgl. ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Erledigte Kontenblätter Le–Lu. 131) Alfred Grotjahn an Herman Lundborg, 19. 04. 1918, UUB, Herman Lundborgs Brevsamling. 132) Hierfür und folgend: Herman Lundborg an Gustav Fischer, 06. 01. 1921, ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Korrespondenz 1921, 428–430.
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Lundborg stellte in Aussicht, für die letztgenannte Publikation auf Honorar verzichten zu wollen, und ließ einfließen, dass ihm die Leitung eines vom schwedischen Staat einzurichtenden rassenbiologischen Forschungsinstituts in Aussicht gestellt worden sei. In seiner Antwort lehnte der Gustav Fischer Verlag – gezeichnet ist die entsprechende Korrespondenz von Friedrich Lütge – die Herstellung der englischen Publikationen ab, da ihm die Vertriebsmöglichkeiten in den USA fehlten, und wies Lundborg zu diesem Zweck auf die in den USA ansässigen Verlage Appleton & Co. und Putnam hin.133) Für die „kleine Schrift über rassenbiologische Uebersichten und Perspektiven“ war man aber „gerne bereit, den Verlag“ zu übernehmen. Routiniert wurde das Datum der Manuskriptablieferung erfragt und zwanzig Freiexemplare zur Entschädigung angeboten. Im März 1921 sandte Lundborg das Manuskript ein, und im gleichen Monat begann der Verlag mit dem Satz der Publikation, die nach unwesentlichen Korrekturen im Mai 1921 gedruckt vorlag.134) Die knapp fünfzig Seiten starke Aufklärungsbroschüre schürt demographische Degenerationsängste und gebraucht in diesem Zusammenhang rassistische Codierungen der externen und internen Spielart.135) Es gibt „rassenuntaugliche“ ethnisch definierte Gruppen, wie Zigeuner oder Neger, und „Bodenschichten innerhalb [von] Kulturgesellschaften“: Wohnungslose, Straffällige, schwach Begabte.136) Der inhaltliche Schwerpunkt der Schrift liegt auf der Darstellung der internationalen eugenischen Bewegung, in der besonders die Rolle der USA und die rassensegregierende Gesetzgebung einiger USBundesstaaten lobend erwähnt wird. Der Verlag nutzte das Heft, um Werbung für die vererbungstheoretischen Publikationen u. a. von Lundborg selbst, Wilhelm Schallmayer, Heinrich Bayer, Eugen Fischer, Pontus Fahlbeck, Fritz Lenz und Otto Ammon anzuhängen bzw. auf die Umschlaginnenseiten zu drucken. Lohnend erschien auch der Hinweis auf ein „Verzeichnis der Veröffentlichungen über Rassenbiologie, Anthropologie, Ethnologie, Prähistorie aus dem Verlag von Gustav Fischer in Jena“, das auf die Wahrnehmung eines derartigen gesonderten Absatzsegments seitens der Akteure im Verlag hinweist. Auf dem Höhepunkt der Inflation erschienen, konnte das Bändchen erfreuliche Verkaufsergebnisse erzielen. Bis 1933 war die Auflage von 1000 Stück nahezu ausverkauft. Im Erscheinungsjahr wurden annähernd 550 Stück abgesetzt, davon 50 Freiexemplare. In den Folgejahren sank die Kurve zwar auf unter zwanzig Stück pro Jahr, erholte sich aber in den Jahren 1928 und 1929, in denen jeweils vierzig Exemplare verkauft wurden, noch einmal. Seiner Zielsetzung einer breiteren Streuung rassenbiologischer Theorien war die Publikation gerecht geworden.
133)
Hierfür und folgendes Zitat: Gustav Fischer [Friedrich Lütge] an Herman Lundborg, 11. 01. 1921, ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Korrespondenz 1921, 431–432. 134) ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Korrespondenz 1921, 433–437. 135) Vgl. Etzemüller: Untergang, S. 46f. 136) Herman Lundborg: Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven, Jena 1921, S. 4.
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Die „Rassenbiologischen Übersichten“ wurden in medizinischen, anthropologischen und genealogischen Fachzeitschriften besprochen. Die Rezensionen fassten überwiegend den Inhalt der „Rassenbiologischen Übersichten“ zusammen. Hilfestellung leistete dabei vermutlich – gleichlautende Formulierungen legen dies nahe – der Waschzettel des Verlags.137) Die Verfasser, Mediziner, Sozialhygieniker oder Genealogen, referierten unkritisch die rassistische Codierung des Buches. Überdies integrierten sie diese in die hervorstechende Zwecksetzung ihrer Rezensionen, in denen sie versuchten, den jeweiligen wissenschaftlichen Wert ihrer eigenen Herkunftsdisziplinen hervorzuheben. Die rassistische Rassenbiologie und Rassenhygiene wurde zu einer Hilfswissenschaft anderer Wissenschaften und in dieser Funktion innerhalb des wissenschaftlichen Fächerkanons akzeptiert. 3.2 Absatzsegment: Wissenschaftliche Einführungen in die Rassenkunde Das Absatzsegment für Lundborgs „Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven“ bilden populärwissenschaftliche Einführungsbände in die allgemeine Rassenkunde und, aufgrund der rassenhygienischen Zielrichtung Lundborgs, Rassenhygiene oder Eugenik. Überschneidungen zu untersuchten Absatzsegmenten dieser Arbeit ergeben sich für die Absatzsegmente von Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ sowie Otto Hausers „Rasse-Reihe“ im Westermann-Verlag. Lundborgs Bändchen ist jedoch nicht auf die rassenkundliche Erfassung und Repräsentation einer Nation beschränkt und macht deshalb seiner eigenen Publikation „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ keine Konkurrenz. In Unterscheidung zur „Rasse-Reihe“ Hausers sind die „Rassenbiologischen Übersichten und Perspektiven“ als Veröffentlichung eines genuin wissenschaftlichen Verlags zu lesen, dessen Zielgruppen wissenschaftliche Institutionen, das medizinische Fachpublikum und das naturwissenschaftlich gebildete Laienpublikum waren. Eine nach diesen Kriterien erhobene Bibliographie ergibt ein Absatzsegment von zehn Titeln.138) Bei der geringen Anzahl der Titel ist es müßig, zeitliche Veröffentlichungsschwerpunkte abzumessen. Das Absatzsegment von
137)
Vgl. Franz Schütz: Rezension: Herman Lundborg: Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven, in: Sozialhygienische Mitteilungen 7 (1923), S. 14f.; Gottfried Roesler: Rezension: Herman Lundborg: Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven, in: Familiengeschichtliche Blätter 22 (1924), S. 40. 138) Da eine Bibliographie nach dem Deutschen Bücherverzeichnis unter dem Stichwort ‚Rasse‘, unter dem Lundborgs „Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven“ verschlagwortet ist, zu sehr allgemeinen Ergebnissen geführt hat, wurde eine Konkurrenzanalyse der Verlagsprogramme anderer medizinischer Fachverlage vorgenommen, die nach Albert Schramm: Deutschlands Verlagsbuchhandel, Leipzig 1925 ermittelt wurden. Dabei handelte es sich um die Unternehmen J. F. Lehmanns, Julius Springer, J. A. Barth resp. Curt Kabitzsch, Walter de Gruyter, Urban & Schwarzenberg, Georg Thieme, Ferdinand Enke und S. Hirzel.
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Lundborgs „Rassenbiologischen Übersichten und Perspektiven“ wird jedoch kontextuell begleitet von mindestens 170 Novitäten zum Thema „Rasse“ in den Jahren 1919–32, darunter zwanzig populären rassenkundlichen Einführungsbänden nicht-wissenschaftlicher Verlage.139) Der Veröffentlichungsschwerpunkt dieser Titelauswahl liegt in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre und vor allem den frühen dreißiger Jahren. Die branchenspezifische Produktionskurve medizinischer Fachpublikationen, die erst seit 1931 absank und nicht wie im allgemeinen Buchhandel schon seit 1929, unterstützt diese Verlaufskurve.140) Im selben Zeitraum, der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, fanden zwei für die Rassenkunde, Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland entscheidende Prozesse statt: zum ersten die Institutionalisierung rassenhygienischer Forschung am Kaiser Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927 in Berlin, zum zweiten die Erneuerung und Modernisierung der öffentlichen Gesundheits- und Wohlfahrtspflege in der Weimarer Republik unter finanziell schwierigen Bedingungen.141) An dem engeren Absatzsegment wissenschaftlicher Einführungsbände in die Rassenkunde, Rassenhygiene oder Eugenik partizipierten, wenngleich nicht zwingend in rassistischer Variante und unter Umständen in kritischer Distanz zu diesen, nahezu alle medizinischen Fachverlage des deutschen Sprachraums, d. h. Julius Springer, J. A. Barth respektive Curt Kabitzsch, S. Hirzel, Franz Deuticke, Georg Thieme, Urban & Schwarzenberg und J. F. Lehmanns. Die Thematiken menschlicher Rassen und Rassenhygiene waren in ihren Verlagsprogrammen daneben in knapp zwei Dutzend anderweitigen wissenschaftlichen Publikationen präsent, etwa wissenschaftliche 139)
Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 1249–1250 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 583–584 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1923, S. 654 („Rasse nach dem Alphabet der Länder“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1220–1221 („Rasse“); zur Konjunktur der Rassenkunde vgl. auch Robert Procter: From anthropology to Rassenkunde in the German anthropological tradition, in: George W. Stocking (Hrsg.): Bones, bodies, behavior. Essays in biological anthropology, Madison 1988, S. 138–175, S. 138–175, die bei Procter genannte Zahl von 500 Publikationen (S. 148) zur „Rassenkunde“ ist allerdings viel zu hoch gegriffen und folgt unkritisch der Überschrift der Bibliographie „Die Rasse im Schrifttum. Ein Wegweiser durch das rassekundliche Schrifttum“ von Achim Gercke und Rudolf Kummer, die einen umfassenden, auf rassistische Politik abzielenden Begriff von „Rassenkunde“ ihrer Auswahl zugrunde gelegt haben, der Eugenik, Bevölkerungspolitik, Familienforschung u. a. beinhaltet, und nur zum Teil mit den zeitgenössischen, wissenschaftlichen Diskursen um „Rassenkunde“ zusammenhängt, vgl. Gercke/ Kummer: Rasse. 140) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 90f.; Kastner: Statistik (2007), S. 345, 350f. 141) Zur Konjunktur der Rassenkunde vgl. Procter: Anthropology; zur Institutionalisierung: Schmuhl: Grenzüberschreitungen; zur Wohlfahrts- und Gesundheitspolitik vgl. Weingart/Kroll/Bayertz: Rasse, S. 244ff.; Peukert: Weimarer Republik, S. 147ff.
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Qualifikationsarbeiten wie die Freiburger Dissertation „Über die Beziehungen zwischen Haar- und Augenfarbe und Konstitution: Versuch einer Analyse der rassenmäßigen Zusammensetzung der deutschen Studentenschaft“ von Klaus Deckner 1927 im Verlag Julius Springer. Wie allgemein üblich, war diese Arbeit der Sonderdruck einer Zeitschrift, in diesem Fall der „Zeitschrift für Konstitutionslehre“. Daneben waren selbstständige rassenthematisierende Veröffentlichungen Teil der Verlagsprogramme. Beispielsweise wurde 1929 bei Georg Thieme das umfassende Werk des Leipziger Ordinarius für Hygiene Walther Kruse „Die Deutschen und ihre Nachbarvölker. Neue Grundlegung der Anthropologie, Rassen-, Völker-, Stammeskunde und Konstitutionslehre nebst Ausführungen zur deutschen Rassenhygiene“ publiziert. Kruse kritisiert darin rassistische Rassentheorien insofern, als er eine neue Rasseneinteilung vornimmt und die gesamte deutsche Bevölkerung, von der er die Juden ausnimmt, der nordischen Rasse zurechnet. Bei J. A. Barth war bereits 1907 „Familienforschung, Vererbungs- und Rassenlehre“ von Robert Sommer, einem rassenhygienisch engagierten Psychiater an der Universität Gießen, produziert worden, das 1922 in zweiter Auflage herauskam und in der dritten Auflage von 1927 um Kapitel zur Rassen- und Stammeslehre erweitert wurde. Im engeren Absatzsegment von Lundborgs „Rassenbiologischen Übersichten und Perspektiven“ waren die Verlage J. A. Barth bzw. Curt Kabitzsch und J. F. Lehmanns die Hauptanbieter: ersterer aufgrund der Anzahl von rassenkundlichen Einführungsbänden, letzterer wegen der nachweisbaren nationalen und internationalen Standards, die Publikationen wie die „Rassenkunde des deutschen Volkes“ (1922) von Hans F. K. Günther und „Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ (1921) von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz auf dem Gebiet der Rassenkunde und Rassenhygiene setzten.142) Beide Bände waren nur bedingt Konkurrenztitel zu Lundborgs Werk. Mit Sicherheit weisen sie die Qualitäten von Einführungsbänden in die Rassenbiologie auf. Der „Rasse-Günther“ ist aber gleichzeitig eine monographische Abhandlung über die vorgeblichen Rasseneigenschaften der deutschen Bevölkerung, und der „Baur-Fischer-Lenz“ ist, im Vergleich zu Lundborg, beträchtlich umfangreicher. Im Curt Kabitzsch Verlag wurde Ernst Tomors Streitschrift „Die Grundirrtümer der heutigen Rassenhygiene“ innerhalb der Reihe „Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der praktischen Medizin“ verlegt sowie die Publikationen „Rassenlehre“ (1927) und „Der heutige Stand der Rassenforschung“ (1932) des Hausautors Karl Felix Wolff, ein den Alldeutschen nahe stehender freischaffender Volkskundler und Journalist. Im Mutterunternehmen J. A. Barth veröffentlichte der Direktor des Frankfurter Instituts für Physische Anthropologie Franz Weidenreich un142)
Vgl. Heiner Fangerau: Etablierung eines rassenhygienischen Standardwerkes 1921–1941. Der Baur-Fischer-Lenz im Spiegel der zeitgenössischen Rezensionsliteratur, Frankfurt am Main/Berlin/Bern u. a. 2001; Lösch: Rasse.
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ter dem Titel „Rasse und Geist“ (1932) vier Vorträge, die er vor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt am Main gehalten hatte. Die frühen Publikationen des weiten Absatzsegments legten einen Schwerpunkt in der Rassenhygiene. 1922 erschien im Verlag S. Hirzel „Volkshygiene oder selektive Rassenhygiene“, in dem der Münchner Sozialhygiene-Professor Ignaz Kaup sein Konzept der positiven „Volkshygiene“ gegen selektionistische, auf dem Rassenbegriff beruhende Hygienemodelle entwarf. Gleichfalls 1922 wurde in der Reihe des österreichischen Volksgesundheitsamtes im Bundesministerium für soziale Verwaltung im Wiener Verlag Franz Deuticke „Die Hauptaufgaben der Rassenhygiene in der Gegenwart“ von Heinrich Reichel hergestellt.143) In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre veröffentlichten die Verlage Urban & Schwarzenberg, Julius Springer und Georg Thieme einschlägige Publikationen. 1926 publizierte Alfred Grotjahn bei Urban & Schwarzenberg „Die Hygiene der menschlichen Fortpflanzung. Versuch einer praktischen Eugenik“, in dem er für eine Trennung von eugenischer Empirie und darwinistischer Deduktion eintrat.144) 1927 brachte Julius Springer eine weitere Publikation von Franz Weidenreich auf den Markt. „Rasse und Körperbau“ dient dem Nachweis, dass kein Zusammenhang zwischen körperlicher Konstitution und Rasse bestünde. Im gleichen Jahr wurde im Georg Thieme Verlag von Walter Scheidt, der Autor rassenkundlicher Werke bei Gustav Fischer und Reclam war, eine „Einführung in rassenkundliche Methoden“ erstmals aufgelegt. Von Karl Saller, Privatdozent am Anatomischen Institut in Göttingen, erschien 1932 bei Julius Springer die Vorlesungssammlung „Einführung in die menschliche Erblichkeitslehre und Eugenik“, in der versucht wird, die Eugenik hinreichend empirisch zu fundieren, um sie an die medizinische Praxis anbinden zu können. Als dezidiert rassistisch codierte Publikationen können, neben Lundborg und den Verlagsunternehmungen J. F. Lehmanns, lediglich die bei Curt Kabitzsch (J. A. Barth) produzierten rassenkundlichen Werke von Karl Felix Wolff eingestuft werden. Im gesamten Absatzsegment von Einführungswerken in die Rassenkunde mit wissenschaftlichem Anspruch nahmen diese rassistischen Publikationen aufgrund der geringen Größe des Segments quantitativ jedoch eine dominierende Rolle ein. Die Fluktuation rassistischer Codierungen verlief in diesem Segment vor allem über die wissenschaftliche Kritik, das mit diesem Streuungsverlauf dem internationalen Feld der Eugenik ähnelte, in dem die zunehmende wissenschaftliche Ausdifferenzierung der Eugenik, u. a. in Genetik, Vererbungstheorie und demographische Statistik, einen allmählichen Legitimationsverlust des wissenschaftlichen Rassismus in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre 143) 144)
Zu Kaup vgl. Weingart/Kroll/Bayertz: Rasse, S. 313. Vgl. ebd., S. 78.
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nach sich zog.145) Nicht-rassistische Rassentheoretiker, wie Walther Kruse, Karl Saller oder Franz Weidenreich, distanzierten sich von rassistischen Rassentheoretikern und ihren Argumentationsstrategien. Sie änderten damit aber nichts daran, dass sie am rassenkundlichen Diskurs, einschließlich seiner rassistischen Ausprägungen, teilnahmen und diesen nicht nur perpetuierten, sondern auch, vor allem da sie wiederum Gegenreaktionen der angegriffenen Rassenhygieniker hervorriefen, beförderten, wie die steigende Produktionskurve zum Thema „Rasse“ gegen Ende der zwanziger Jahre und zu Beginn der dreißiger Jahre zeigt.146) Diskursintern funktionierte dies auch deshalb, da alle Parteien, von einer gemeinsamen szientistischen Basis ausgehend, selbstverständlich Weltanschauung betrieben. Nach institutioneller Festigung sowie Normierung rassenhygienischer Standards und ihrer zunehmenden Akzeptanz in der Politik konnte dann vorwiegend nur noch fachwissenschaftlich im Detail kritisiert werden. Dies geschah Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre in wachsendem Maß und mit Unterstützung medizinischer und wissenschaftlicher Verlage, da das seit 1927 institutionell abgesicherte Absatzsegment von Rassenbiologie und Rassenhygiene für die Unternehmen, die wissenschaftliche Aktualität und Reputation unter Beweis zu stellen hatten, ein attraktives Geschäftsfeld war. 3.3 Nation der nordischen Rasse: Rassenkunde des schwedischen Volkes Die „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ aus dem Jahr 1928 war eine gekürzte und überarbeitete Fassung der von Herman Lundborg gemeinsam mit seinem Stellvertreter Franz Josua Linders erstellten schwedischen Nationalanthropologie und Paradepublikation des rassenbiologischen Instituts von 1926 „The racial characters of the Swedish nation“. Bereits im Mai 1924 hatte Herman Lundborg vom Gustav Fischer Verlag einen Kostenvoranschlag zur Herstellung von „The racial characters“ eingeholt.147) Die Veröffentlichung wurde für das folgende Jahr anvisiert, die Finanzierung musste jedoch ein Jahr im Voraus beim schwedischen Reichstag beantragt werden. Eine Produktion des Werkes in Schweden wäre, laut Voranschlag der Uppsaler Buch145)
Dazu: Elazar Barkan: The retreat of scientific racism. Changing concepts of race in Britain and the United States between the world wars, Cambridge/New York/Port Chester u. a. 1992; Stefan Kühl: Internationale, S. 75f.; ders.: Konstruktion von Wissenschaftlichkeit und Unwissenschaftlichkeit in der internationalen eugenischen Bewegung, in: Heidrun Kaupen-Haas/Christian Saller (Hrsg.): Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Frankfurt am Main/New York 1999, S. 111–121; Kenneth M. Ludmerer: Genetics and American society. A historical appraisal, Baltimore/London 1972; Daniel J. Kevles: In the name of eugenics. Genetics and the uses of human heredity, Berkeley/Los Angeles 1986. 146) Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz: Rasse, S. 307ff. 147) Herman Lundborg an Gustav Fischer, 21. 05. 1924; Almquist & Wiksell Buchdruckerei an Statens Institut för Rasbiologi, 16. 05. 1924, UUA, Statens institut för rasbiologi, E2:2, 139/24.
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druckerei Almquist & Wiksell, mit 22 000 Schwedischen Kronen relativ teuer gekommen, und der schwedische Reichstag hätte die Kosten komplett übernehmen müssen. Deshalb zog Lundborg in Erwägung, einen ausländischen Verlag, der aufgrund der Valutaverhältnisse und der Möglichkeit, teilweise Staatszuschüsse in Anspruch nehmen zu können, zu kostengünstigeren Konditionen hätte produzieren können, mit dem Auftrag zu betrauen. Der Gustav Fischer Verlag gab sein Auftragsangebot bei 19 200 Kronen abzüglich eines zu gewährleistenden Zuschusses von 11 000 Kronen ab und sagte die Lieferung der von Lundborg gewünschten hundert Freiexemplare zu.148) Daneben erfolgte ein Akquiseversuch Julius Friedrich Lehmanns für das Institutsprojekt Lundborgs. Lehmann, mit dem Lundborg wegen Anforderungen von Klischees, fotografischer Aufnahmen oder des Austauschs einschlägiger Publikationen sporadisch in Kontakt stand, hatte im März 1925 über seinen „Freund und Verfasser“ Hans F. K. Günther erfahren, dass Lundborg „im Begriffe [sei] […] ein neues grosses Werk über die schwedischen Volkstypen herauszugeben. Sollten Sie noch keinen Verleger haben, so wäre ich mit Vergnügen bereit, den Verlag des Werkes zu übernehmen.“ Lehmann erwartete kein „grosses Geschäft“, da er aber „die Rassenkunde als Spezialität betreib[t], würde es mich doch freuen, den Verlag zu erhalten.“149) Die Antwort Lundborgs, der Lehmann vorschlug, einen Kostenvoranschlag einzureichen und ihm das schwedische Kostenangebot von 22 000 Kronen mitteilte, drängte auf telegrafische Beantwortung und hoffte, dass Lehmann den „aufrichtigen Wunsch [hege], die wissenschaftliche Forschung als solche ohne ökonomischen Gewinn zu befördern.“150) Lehmanns hastig erstellte Kalkulation belief sich auf 22 000 Kronen, einschließlich der von Lundborg gewünschten sechzig Freiexemplare, Sonderkonditionen für weitere vom Institut bezogene Exemplare und einem Honorarangebot von fünfzig Prozent des Nettopreises jedes abgesetzten Exemplars.151) Lundborg lehnte das Lehmannsche Angebot jedoch in barschem Tonfall ab: „Ihr Vorschlag [ist] für uns unannehmbar, weil er uns zu teuer zu stehen käme. Wenn wir 22 000 schwedische Kronen auslegen wollen, dann können wir das Werk für Staatskosten in Schweden drucken und die ganze Auflage würde dann unserem Institute gehören.“ Schließlich hätte Lundborg sich „vor einem Jahre in derselben Angelegenheit an meinen alten Verleger Fischer in Jena gewendet und dieser verlangte von unserem Institute nur 11 000 Kronen Beitrag, wofür er das gesamte Werk herstellen, in seinen Verlag nehmen und uns hundert Freiexemplare ge148)
Gustav Fischer Verlag an Herman Lundborg, 27. 05. 1924, UUA, Statens institut för rasbiologi, E2:2, 79/24. 149) Alle Zitate: Julius Friedrich Lehmann an Herman Lundborg, 27. 03. 1925, UUA, Statens institut för rasbiologi, E2:3, 93/25. 150) Herman Lundborg an Julius Friedrich Lehmann, 21. 04. 1925, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:1, 133/25. 151) Julius Friedrich Lehmann an Herman Lundborg, 25. 04. 1925 und 28. 04. 1925, UUA, Statens institut för rasbiologi, E2:3, 108/25 und 111/25.
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ben wollte.“ Fischers Angebot sei „übrigens nicht genug zufriedenstellend“ gewesen.152) Hier zeichnet sich deutlich ab, wie unwichtig verlegerische Initiative für einen arrivierten Wissenschaftler wie Lundborg war, der die Finanzierung seiner Projekte gewöhnlich selbst besorgte. Weltanschauliches Engagement, wie es Lehmann nachgesagt werden kann, zog gegenüber der Routine des schwergewichtigen Wissenschaftsverlags Gustav Fischer und des rechnerisch wie habituell kalkulierenden Wissenschaftlers Lundborg den Kürzeren. Der Gustav Fischer Verlag erhielt im August 1926 die Kommissionsrechte für „The racial characters“, d. h. er war berechtigt, den Vertrieb des Werkes für das Deutsche Reich zu übernehmen.153) In diesem Zusammenhang schlug Fischer für den außerdeutschen Auslandsvertrieb die anerkannten Unternehmen Macmillan & Co. in London und Masson & Cie. in Paris vor. De facto belief sich das ‚Kommissionsrecht‘ darauf, dass Gustav Fischer im Januar 1927 sechs kostenlose Exemplare von „The racial characters“ zugeschickt bekam, von denen er fünf verkaufen und eines, mit einer persönlichen Widmung Lundborgs „als Zeichen meiner Aufmerksamkeit“ versehen, behalten durfte.154) Damit verbunden war die Anregung Lundborgs, eine gekürzte deutsche Volksausgabe von „The racial characters“ zu veröffentlichen, in der „die wichtigsten Artikel des allgemeinen Teiles, also Artikel, die ein breites Publikum interessieren können, ziemlich unverkürzt enthalten“ sein sollten.155) Im Juli 1927 kam es zur Vertragsunterzeichnung für ein entsprechendes Werk, das im Verlagsvertrag als „deutsche gekürzte Ausgabe seines [Lundborgs] in englischer Sprache bereits erschienenen Werkes über die ‚Rassenmerkmale des schwedischen Volkes‘“ bezeichnet wurde.156) Der Vertrag präzisierte die zwischen Lundborg und Fischer abgestimmten Verfahrensdetails. Dem Verlag wurden Text und Klischees für Abbildungen kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Verfasser erhielt im Gegenzug ein Honorar von RM 1000 pro publizierter Auflage von 1000 Exemplaren, das zur Deckung des Herstellungsdefizits von „The racial characters“ dienen sollte.157) Aufgrund von Forschungsreisen Lundborgs und der gleichzeitigen Produktion von „Svensk Raskunskap“, der schwedischen Volksausgabe von „The racial characters“, zog sich die letzt-
152)
Alle Zitate: Herman Lundborg an Julius Friedrich Lehmann, 04. 05. 1925, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:1, 163/25. 153) Gustav Fischer an Hermann Lundborg, 30. 08. 1926, UUA, Statens institut för rasbiologi, E2:4, 246/26. 154) Hierfür und folgend: Herman Lundborg an Gustav Fischer, 08. 01. 1927, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:3, 10/27. 155) Zitat: Herman Lundborg an Gustav Fischer, 29. 05. 1927, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:3, 247/27. 156) ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Vertrag: Herman Lundborg. 157) Vertragliche Details: ThHStAW, Gustav Fischer Verlag, Vertrag: Herman Lundborg; das Defizit von „The racial characters“ erwähnt in: Herman Lundborg an Gustav Fischer, 01. 02. 1927, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:3, 56/27.
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endliche Drucklegung der nunmehr „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ betitelten Publikation bis zum Sommer 1928 hin.158) Die „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ wurde ein trotz Quartformat handliches Buch mit einem Umfang von 200 Seiten, davon 51 Seiten Abbildungen. Daneben illustrieren 15 Karten und acht Diagramme den Text, der übersichtlich in drei Abschnitte gegliedert ist: Einführung, Allgemeiner Teil, Besonderer Teil. Der einführende Passus stellt Grundbegriffe der Rassenkunde vor, erläutert die Rassen Europas, die geographischen und demographischen Verhältnisse in Schweden sowie die Entwicklung der Rassenforschung in Schweden und die Einrichtung des schwedischen Staatsinstituts für Rassenbiologie. Im Allgemeinen Teil bearbeiteten die Prähistoriker Gunnar Ekholm, Hjalmar Larsen und Rolf Nordenstreng Kapitel zur Vor- und Frühgeschichte Schwedens sowie zur Entstehung und Rassengeschichte des schwedischen Volkes. Der Besondere Teil beinhaltet die anthropometrischen Messdaten von knapp 50 000 schwedischen Rekruten, die von Mitarbeitern des rassenbiologischen Instituts in den Jahren 1922–24 erhoben worden waren. Für die Messmethoden und ihre Auswertung waren die anthropologischen und vererbungstheoretischen Grundlagenwerke des Gustav Fischer Verlags unentbehrliche Hilfsmittel. Neben der Inspirationsquelle „Anthropologica Suecica“ von Gustaf Retzius und Carl M. Fürst waren Rudolf Martins „Lehrbuch der Anthropologie“ und die Fürstschen „Index-Tabellen zum anthropometrischen Gebrauche“ die methodologische Referenz. Eugen Fischers „Die Rehobother Bastards“ und Otto Ammons „Die Badener“ waren maßgebend für die inhaltliche Auswertung der gewonnenen Messdaten. Diese verlief dahingehend, dass die jeweilige „Wechselbeziehung zwischen Augenfarben, Kopfhaarfarben, Längenbreiten-Index des Kopfes und Körperhöhe“ differente Rassentypen ergab.159) Die Forschungsergebnisse gehen visuell eindrücklich mit einer Vielzahl Tabellen, Diagrammen und numerischen Formeln einher und beanspruchen mit einer solchen Aufmachung gleichermaßen wissenschaftliche Expertise wie anschauliche Vermittlung. In Abweichung von Arbeiten Hans F. K. Günthers, der im Übrigen 1924/25 am Rasseninstitut tätig war und, wie Walter Scheidt, beratend an der deutschen Ausgabe der schwedischen Rassenkunde mitgewirkt hatte, werden im Einleitungsteil fünf Rassen definiert: die nordische, die ostbaltische, die mediterrane, die alpine und die dinarische Rasse.160) Die anthropometrischen Messdaten der Rekruten, die im Anschluss an die Einleitung aufgeführt werden, operieren mit zwei Rassentypen, die innerhalb Schwedens unterschiedlich verteilt seien. Während der nordi158)
Zum verzögerten Herstellungsprozess vgl. Korrespondenz zwischen Herman Lundborg und dem Gustav Fischer Verlag 01. 02. 1927–17. 07. 1928, UUA, Statens institut för rasbiologi, B2:3, 56/27, 94/27, 246/27, 247/27; B2:4, 68/28, 133/28, 135/28, 282/28. 159) Lundborg: Rassenkunde, S. 115. 160) Zur Rassendefinition vgl. Lundborg: Rassenkunde, S. 5ff.; zu Hans F. K. Günthers und Walter Scheidts Mitwirken an der „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ vgl. ebd., S. IV; zu Hans F. K. Günthers Aufenthalt in Schweden: Olsson/Hoßfeld/Levit: Networks.
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sche Typus häufiger in Südschweden anzutreffen sei, dominiere der ostbaltische Typus den Norden des Landes. Das letzte Drittel der „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ füllen fotografische Abbildungen von Rassentypen. Ohne dass dieses problematisiert wird, sind die Fotos keine Illustrationen zu den anthropometrischen Daten der Rekruten. Hingegen sind beide Geschlechter und alle Altersgruppen der als schwedisch definierten Bevölkerung auf den Abbildungen repräsentiert, in die drei Rassentypen nordisch, ostbaltisch und lappisch unterteilt. Die Definition des Letzteren war knapp, einige Buchseiten zurückliegend, im Kapitel zu „Entstehung und Rassengeschichte des schwedischen Volkes“ erfolgt und wurde unter Bezugnahme auf die Körpermaße der Abgebildeten gerechtfertigt. Im Grunde zeigt sich jedoch ein struktureller Webfehler der Publikation, die zwei Varianten des schwedischen Volkes enthält: einen quantitativ erfassten, rechnerisch analysierten männlichen Teil und ein qualitativ dargestelltes, optisch aufbereitetes Panorama der männlichen und weiblichen schwedischen Bevölkerung.161) Einziger Verbindungsstrang beider Teile sind die tabellarisch normierten und visualisierten Durchschnittswerte der Rassentypologien. Lundborg setzte damit in der Publikation einen eindeutigen Akzent zugunsten eines visuellen Narrativs der schwedischen Nation. Die „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ war eine „Schule des Sehens“, die es lehrte, physiognomische Unterschiede zu erkennen und sie ethnisch zuzuordnen.162) Mit einem solchen „Primat der Sichtbarkeit“ folgte Lundborg der physischen Anthropologie der Jahrhundertwende und konstituierte seinen Untersuchungsgegenstand mittels bildgebender Verfahren – mathematisch errechneter, aber auch optisch eindrücklicher Kurven, tabellarischer Datenakkumulationen sowie und in der Hauptsache fotografischer Abbildungen.163) Die fotografischen Abbildungen sind es auch, die Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ zu einer primordial rassistisch codierten Publikation machen. Die Codierung funktioniert diskret und in sich gegenseitig verstärkender Semantik von erläuternden Texten, Fotos und Bildunterschriften. Die ästhetische Semantik der Fotos setzt gestalterische Standardisierungen ein, die zum einen auf „Ikonographien des Wilden“ – fotografische Techniken der Anthropologie und Ethnologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts – verweisen, zum anderen den zeitgleich von polizeilichen Erkennungsdiensten eingesetzten visuellen Codierungen von Abbildungen Krimineller entspre161)
Diese Diskrepanz findet sich auch schon in „The racial characters of the Swedish Nation“, dessen Abbildungsteil weitgehend identisch ist mit dem von „Rassenkunde des schwedischen Volkes“. Zu „The racial characters“ und seinen fotografischen Abbildungen ausführlich: Zippel: Schweden. 162) Hierzu konkret und allgemein zur „Rassenkunde des schwedischen Volkes“: Etzemüller: Untergang, S. 102–107. 163) Für das „Primat der Sichtbarkeit“ in anthropologischen Arbeiten vgl. Christine Hanke: Zwischen Auflösung und Fixierung. Zur Konstitution von „Rasse“ und „Geschlecht“ in der physischen Anthropologie um 1900, Bielefeld 2007, S. 167–258.
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chen.164) Jede abgebildete Person ist in standardisierter Frontal- und Seitenansicht zu sehen, die dargestellten Personen sind anonymisiert und zu Repräsentanten eines Typus funktionalisiert worden, dessen nähere Bestimmung den Überschriften und den Kontexten zukommt. Die Anordnung der Abbildungen folgt der Einteilung der Rassentypologie in nordisch, ostbaltisch, lappisch; eingereiht sind Fotos von „Rassenmischlingen“. Die Fotos der nordischen Rassenvertreter nehmen mit Abstand den größten Raum ein. 27 Tafeln zeigen nordische Männer und nordische Frauen. Als einziger Rassentypus verfügen sie über eine Genealogie in Form vorgeschalteter Darstellungen verstorbener Vertreter ihrer Rasse, die sich um die schwedische Nation verdient gemacht hätten. Vier Bildseiten sind jeweils dem ostbaltischen und dem lappischen Typus gewidmet. Den Abschluss bilden jeweils drei Männer- und drei Frauenakte der nordischen, ostbaltischen und lappischen Rasse, deren Gesichter, getreu erkennungsdienstlicher Aktaufnahmen Krimineller, geweißt, unkenntlich gemacht worden sind.165) Die knappen Untertitelungen stabilisieren die in den Fotos angelegten Semantiken, sodass aus den Fotos ein rassistisch wertender, sozialer Querschnitt der schwedischen Gesellschaft wird. Die Vertreter der nordischen Rasse, so wird der Leser informiert, sind Lehrer, höhere Geistliche, Beamte, Studenten, Angehörige des Militärs, Studenten oder Bauern, somit vorwiegend in der Stadt anzutreffen und der schwedischen Mittelschicht zuzuordnen. Dieser zwingende Eindruck steht eigentlich im Widerspruch zum anthropometrischen Ergebnis: „Die Landwirtschaft betreibende Bevölkerung zeigt im Allgemeinen in etwas höherem Grade die Merkmale der nordischen Rasse als die Angehörigen der Industriegemeinden und als die Städtebewohner.“166) Die Angehörigen des ostbaltischen Typus werden in den Bildunterschriften als Bauer, Dorfschullehrerin oder Schüler der Mittelschule bezeichnet. Da nicht, wie beim nordischen Rassentypus, weitere Abbildungen mit „Studenten“ oder wertneutral „Schüler“ unterschrieben sind, geht die derartige Be164)
Vgl. Michael Wiener: Ikonographie des Wilden. Menschenbilder in Ethnographie und Photographie zwischen 1850 und 1918, München 1990; Hanke: Auflösung, S. 211–236; Andrew D. Evans: Capturing race. Anthropology and photography in German and Austria prisoner-of-war-camps during World War I, in: Eleanor M. Hight/Gary D. Sampson (Hrsg.): Colonialist photography. Imag(in)ing race and place, London/New York 2004, S. 226–256; Henrick Stahr: Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter 1919–1939, Hamburg 2004, S. 34f.; Thomas Theye: „Wir wollen nicht glauben, sondern schauen.“ Zur Geschichte der ethnographischen Fotografie im deutschsprachigen Raum im 19. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.): Der geraubte Schatten. Eine Weltreise im Spiegel der ethnographischen Photographie, München/Luzern 1989, S. 60–119; zum Zusammenhang rassenbiologischer und polizeilicher fotografische gestalteter Erfassungsarbeit: Susanne Regener: Fotografische Erfassung. Zur Geschichte medialer Konstruktionen des Kriminellen, München 1999, S. 253–263. 165) Vgl. Lundborg: Rassenkunde, Tafel XLV–L; Regener: Erfassung, S. 235, Abb. 118. 166) Lundborg: Rassenkunde, S. 120.
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zeichnung mit einer mediokren Bildungsbewertung einher. Lappische Typen, durchweg als Nomaden klassifiziert, stehen am unteren Ende der sozialen Bedeutungsskala Schwedens. Wirkt die „Rassenkunde“ an dieser Stelle hierarchisierend und unveränderbar in ihrer unterschiedlichen kulturellen und sozialen Wertigkeit für die schwedische Nation, so wird die, letztlich primordial rassistische, hermetische Disposition der „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ an denen deutlich, die nicht abgebildet werden. Juden und Zigeuner, „dunkle Typen“, sind in Schweden „sehr selten“ und „machen nur 0,94%“ des in der Rekrutenvermessung gewonnenen Datenmaterials aus.167) Sie sind „fremde Elemente“ und werden aus der schwedischen Nation ausgeschlossen. Das Ziel der Publikation, dem diese ethnischen Minoritäten im Weg standen, ist es, zu zeigen, dass es „auf der ganzen Erde kein Volk“ gibt, „das so überwiegend der nordischen Rasse angehört wie das schwedische.“168) Mit dieser Wendung schaffte es Lundborg, seinem Amt als Direktor einer nationalen Forschungsanstalt und seinem internationalen Ansehen in der Internationale der Rassisten gerecht zu werden. Die „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ sollte die schwedische Nation in sich einigen, aber auch zur vorbildlichen Nation der nordischen Rasse idealisieren und eine supranationale nordischweiße Rasse befördern.169) Der Absatz der „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ in Deutschland war desaströs. Von den jeweils 1000 aufgelegten Exemplaren der gebundenen bzw. broschierten Ausgabe verkauften sich bis 1933 knapp 60 bzw. 90 Stück. Hauptursache dieser negativen Bilanz war der Absatzeinbruch im Jahr 1930, in dessen Folge die Absatzziffern von vormalig zwanzig bis vierzig jährlich abgesetzten Exemplaren auf unter fünf und schließlich auf ein bis zwei verkaufte Bücher pro Jahr abfiel. Die Rezensionen zur „Rassenkunde des schwedischen Volkes“, nachweisbar acht bis 1933, wurden überwiegend in anthropologischen Zeitschriften der fachlich-medizinischen wie populären Richtung veröffentlicht. Dort zeigte man sich angetan von der Ausstattung des „prächtigen Werks“, die der „Leistungsfähigkeit des jungen Instituts das ehrenvollste Zeugnis“ ausstellen würde.170) Karl Heinrich Roth-Lutra, der selbst anthropometrische Messungen an Oberschülern und jungen Männern der Rheinpfalz durchgeführt hatte, lobte die „phantasiegezügelte fachmännische Sachlichkeit“ als ein „Novum auf dem rassenkundlichen deutschen Büchermarkt“ und erklärte die „volkstümliche Musterrassenkunde“ zum Vorbild „künftiger National-, Regional-
167)
Ebd., S. 130. Ebd., S. 52. 169) Vgl. zum eugenisch-internationalen Zusammenhang: Kühl: Internationale, S. 13. 170) Vgl. Wilhelm Haberling: Rezension zu Herman Lundborg: Rassenkunde des schwedischen Volkes, in: Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaft 27 (1928), S. 414; Hermann Haack: Rezension: Herman Lundborg: Rassenkunde des schwedischen Volkes, in: Geographischer Anzeiger 30 (1929), S. 26f. 168)
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und Lokalanthropologien“.171) Die These Herman Lundborgs, Schweden sei die Nation mit dem höchsten Bevölkerungsanteil nordischer Rassenangehörige, war für alle Rezensenten eine Tatsache. 3.4 Absatzsegment: Internationale der Rassenkunden? Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ wird in einem Absatzsegment von Konkurrenzpublikationen verortet, die ebenfalls als rassenkundliche Einführung und rassenkundliche Erfassung und Repräsentation einer Nation konzipiert waren. Insofern gibt es Überschneidungen zu den Absatzsegmenten von Lundborgs vorhergehender Veröffentlichung im Gustav Fischer Verlag „Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven“ und Otto Hausers „Rasse-Reihe“ im Westermann-Verlag. Der Gustav Fischer Verlag kann jedoch auch in diesem Punkt als wissenschaftlicher Multiplikator eingestuft werden, dessen Zielpublikum, in Abweichung vom geographischen, belletristischen und Schulbuchverlag Westermann, wissenschaftliche Institutionen, medizinische Fachleute und naturwissenschaftlich interessierte Laien waren. Die Bibliographie des Absatzsegments internationaler Monographien über die Rassenkunde einzelner Länder umfasst knapp fünfzig Titel für die Jahre 1919–32.172) Die Hälfte dieser Titel war importiert, überwiegend aus angloamerikanischen Ländern. Ihr Veröffentlichungsschwerpunkt lag eindeutig in der zweiten Hälfte der zwanziger und den beginnenden dreißiger Jahren. Parallel hierzu sank die branchenspezifische Produktionskurve medizinischer Fachbücher erst seit 1931 ab und nicht bereits 1929, wie die allgemeine Buchproduktion.173) Die Zusammensetzung der Titel ist, obgleich sie unter den Stichworten „Rasse“ oder „Rassenkunde einzelner Länder“ rubrifiziert sind, methodisch sehr heterogen. Die Betrachtung sozial, regional, national oder kontinental definierter ethnischer Gruppen erfolgte aus anthropologischer, ethnologischer oder rassenkundlicher Perspektive. Deshalb ist die naheliegende Begründung des Produktionshochs, eine zunehmende internationale wissenschaftliche Institutionalisierung der Eugenik sowie ihre wachsende internationale politische Akzeptanz anzunehmen, nur von eingeschränktem
171)
Karl Heinrich Roth-Lutra: Rezension zu Herman Lundborg: Rassenkunde des schwedischen Volkes, in: Anthropos 24 (1929), S. 350. 172) Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 19. Stich- und Schlagwortregister 1931–35. A–Z, Leipzig 1937, S. 1249–1250 („Rassenkunde einzelner Gebiete und Völker“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 11. Stich- und Schlagwortregister 1921–25. L–Z, Leipzig 1927, S. 583–584 („Rasse“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 16. Stich- und Schlagwortregister 1926–30. L–Z, Leipzig 1923, S. 654 („Rasse nach dem Alphabet der Länder“); Deutsches Bücherverzeichnis. Bd. 6, 2. Stich- und Schlagwortregister 1915–20. L–Z, Leipzig 1924, S. 1220–1221 („Rasse“); ergänzt durch: Gercke/Kummer: Rasse. 173) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 90f.; Kastner: Statistik (2007), S. 345, 350f.
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Erklärungswert.174) Sichtbar wird aber zweifellos die sich ausweitende Relevanz der rassenkundlichen Thematik und der Methode, soziale Gruppen, die als ethnische Gruppen oder Subgruppen definiert werden, monographisch zu erfassen. Stellt man die Ausstattung von Lundborgs „Schwedischer Rassenkunde“ in den Vordergrund der Analyse des Absatzsegments, so gibt es nur eine ähnliche Publikation auf dem deutschsprachigen Buchmarkt, die bei einem Verlag publiziert wurde, der als medizinischer Fachverlag gelten kann: „Die Rassenkunde des deutschen Volkes“ (1922) von Hans F. K. Günther.175) Kontakte zwischen Lundborg und Günther, wie auch der nahezu gleichlautende Titel, lassen vermuten, dass dieses Buch Vorbildcharakter für den methodischästhetischen Aufbau der „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ hatte. Übernommen wurde die Kombination quantitativer und qualitativer Darstellungsweisen, d. h. die Verwendung statistischen Datenmaterials sowie fotografischer Abbildungen von Rassentypen. Der Bezug zu quantitativer wissenschaftlicher Systematik ist bei Lundborg innerhalb der anthropometrischen Ausführungen jedoch deutlich ausgeprägter, wie auch seine fotografischen Abbildungen eine höhere technische Qualität und eine fokussiertere Anordnung im Hinblick auf die darstellerische Intention aufweisen. Deutlich zeigen sich die Auswirkungen professioneller Ressourcen, auf die Lundborg, der Direktor eines staatlich geförderten Instituts, anders als der Privatgelehrte Günther zurückgreifen konnte. In der rassistischen Codierung wirkt dieser wissenschaftliche Habitus der Lundborgschen Publikation deutlich dezenter als das Günthersche Elaborat, nicht zuletzt, da Juden, die bei Günther bis 1930 in einem eigenen, stark wertenden Kapitel behandelt und dann aus der Publikation entfernt wurden, in das schwedische Volk von Lundborg erst gar nicht aufgenommen wurden. Andere rassenkundliche Publikationen, die serielle Rassenfotografien zum Nachweis existierender Rassentypologien nutzten, wurden ausschließlich von nicht-wissenschaftlichen Verlagen produziert und waren länderübergreifend angelegt, so Otto Hausers „Rassebilder“ (1925, Westermann) und Ernst Vatters „Die Rassen und Völker der Erde“ (1927, Quelle & Meyer). Bei rassenkundlichen Monographien, die von wissenschaftlichen Verlagen produziert wurden, hatte sich auf dem internationalen Buchmarkt das Foto als wissenschaftliches Erkenntnismittel nicht durchgesetzt – im Gegensatz zur Präsenz fotografischer Methoden in der physischen Anthropologie der Jahrhundertwende.176) Die fotografische Abbildung blieb ein Mittel der Popularisierung und wurde von Rassenkundlern gezielt als solches betrachtet, wie ein von Ludwig Schemann überliefertes Urteil Hans F. K. Günthers über seine 174)
Vgl. für den internationalen Zusammenhang Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre: Kühl: Internationale, spez. S. 59ff., 64ff. 175) Zur Diskursanalyse des Rasse-Günther: Ziege: Kohärenz, S. 91ff. 176) Zur Fotografie in der Anthropologie vgl. Hanke: Auflösung, S. 211ff.
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eigenen Bücher, „es sind eben Bilderbücher“, verdeutlicht. Der GobineauÜbersetzer Schemann selbst betrachtete die Rolle fotografischer Abbildungen in rassenkundlichen Werken kritisch und lamentierte gegenüber Julius Friedrich Lehmann im Oktober 1929 über die rassenkundliche „Bilderbücherei […] diese zu weit getriebene Mode“, die in ihrer Häufung „Schädigung der Wissenschaft“ sei.177) Wissenschaftliche rassenkundliche Publikationen, zwanzig an der Zahl, waren folgerichtig überwiegend als Sammlungen statistischer Daten angelegt. Lediglich in einer Arbeit, die der Kritik rassistischer Thesen diente, nehmen die Abbildungen einen dem Text vergleichbaren Raum ein. Caroline Bond Day verwendet in ihrer Studie über „Mischfamilien“ schwarzer und weißer Amerikaner, „A study of some Negro-White families in the United States“, 1932 im Verlag des Peabody Museums in Harvard erschienen und teilweise von der Harvard Universität und dem Radcliffe College finanziert, zu Stammbäumen angeordnete Fotografien unterschiedlicher Provenienz zum Nachweis des Kulturwerts von „Mischlingen“. Die internationale Scientific Community der Eugeniker war thematisch in den zwanziger Jahren schon sehr heterogen und ausdifferenziert in Themen und Methodiken; rassistische Bewertungen gesamter Ethnien waren deshalb thematisch nicht anschlussfähig. Karl Pearson beispielsweise, Mathematikprofessor am University College in London, der bis 1934 dem 1904 eingerichteten Galton Laboratory in London vorstand sowie die Eugenics Education Society begründete, stellte die von ihm und Francis Galton entwickelte Biometrie durchaus in den Dienst nationaler britischer Interessen, wenn es um Fragen von Immigrationsbeschränkungen oder um eugenische Sozialprogramme ging.178) Statistische Detailfragen, Datensammlungen und Handreichungen dominierten das Feld seiner Veröffentlichungen, in denen dennoch die biometrische Erfassung einer britischen Nation oder Rasse kein Thema waren. Am Moskauer Institut für medizinische Genetik, später Maxim Gorki Institut für biomedizinische Forschung, das, seit 1928 bestehend und staatlich finanziert, auf dem Gebiet der Eugenik in der UdSSR führend war, beschäftigte sich dessen Direktor Solomon Levit mit genetischer Grundlagenforschung abseits rassenkundlicher Großprojekte.179) 177)
Alle drei Zitate: Ludwig Schemann an Lehmann, 17. 10. 1929, UB Freiburg, NL 12, Kaps. 88. 178) Vgl. M. Eileen Magnello: The non-correlation of biometrics and eugenics. Rival forms of laboratory work in Karl Pearson’s career at University College London, in: History of Science 37 (1999), S. 79–106, 123–150. 179) Mark B. Adams/Garland E. Allen/Sheila Faith Weiss: Human heredity and politics. A comparative institutional study of the Eugenics Record Office at Cold Spring Harbor (United States), the Kaiser Wilhelm Institute for Anthropology, Human Heredity, and Eugenics (Germany), and the Maxim Gorky Medical Genetics Institute (USSR), in: Osiris 20 (2005), S. 232–262, hier: S. 248ff.
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Publikationen, die, gleich Lundborg, rassistisch codiert ethnische Gruppen untersuchten und über einen staatlich oder privat finanzierten institutionellen Rückhalt verfügten, kamen vor allem aus den USA. Zu nennen sind die Arbeiten Charles B. Davenports und seiner Mitarbeiter am 1910 von Davenport eingerichteten Eugenics Record Office in Cold Spring Harbor, das aus Mitteln der privaten Carnegie Institution of Washington und Spenden Mary Averell Harrimans, Witwe des Eisenbahnmoguls E. H. Harriman, finanziert wurde.180) Das Institut sammelte vor allem statistische Daten über die Vererbung physischer und sozialer Kennzeichen innerhalb familiärer Stammbäume. 1912 mit Vererbungstheorie und Familienforschung beginnend, veröffentlichte Davenport 1913 „Heredity of the skin color in Negro-White crosses“, nach dem Ersten Weltkrieg anthropologische Analysen der US-Army sowie zusammen mit Morris Steggerda 1929 seine letzte große Studie „Race crossing in Jamaica“. Sämtliche Arbeiten waren vom rassistischen Ideal einer homogenen amerikanischen Nation weißer Hautfarbe getragen. Rassenkreuzung war demnach schädlich, und ein zu hoher Prozentsatz jüdischer oder südosteuropäischer Immigration sowie die Fortpflanzung krimineller oder kranker Bevölkerungsgruppen musste verhindert werden. „Race crossing in Jamaica“ wurde wegen mangelnder wissenschaftlicher Standards und einem prädisponierten, rassistischen Forschungsergebnis, das in keinem Zusammenhang mit der empirischen Datengrundlage stand, heftig kritisiert.181) Der allmähliche Legitimitätsverlust rassistischer Rassenforschung machte sich bemerkbar.182) Sämtliche Publikationen Davenports wurden im Verlag der Carnegie Institution gedruckt, abgesehen von den Rekrutenstudien der US Army, die im Government Print Office herausgegeben wurden. Sie waren weder deutschsprachig noch Produkte des deutschsprachigen Buchmarkts wie die Publikationen Lundborgs und wurden vermutlich von wissenschaftlichen Abnehmern im Deutschen Reich, aufgrund mangelnder Finanzmittel und der Isolation deutscher Wissenschaftler unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, nur eingeschränkt angeschafft. 180)
Dazu: Garland E. Allen: The Eugenics Record Office at Cold Spring Harbor. 1910 to 1940. An Essay in institutional history, in: Osiris 2 (1986), S. 225–264; sofern man den investigativen Unterton ignoriert: Edwin Black: War against the weak. Eugenics and America’s campaign to create a master race, New York 2003, S. 43ff.; Weindling: Health, S. 232; Adams/Allen/Weiss: Heredity, S. 236ff.; Norbert Finzsch: Wissenschaftlicher Rassismus in den Vereinigten Staaten – 1850 bis 1930, in: Kaupen-Haas/Saller (Hrsg.): Rassismus, S. 84–110. 181) Vgl. Black: War, S. 73f.; Elazar Barkan: The retreat of scientific racism. Changing concepts of race in Britain and the United States between the world wars, Cambridge/ New York/Port Chester u. a. 1992, S. 162ff. 182) Dazu: Barkan: Retreat; Kühl: Internationale, S. 75f.; Stefan Kühl: Die soziale Konstruktion von Wissenschaftlichkeit und Unwissenschaftlichkeit in der internationalen eugenischen Bewegung, in: Kaupen-Haas/Saller (Hrsg.): Rassismus, S. 111–121; Kenneth M. Ludmerer: Genetics and American society. A historical appraisal, Baltimore/London 1972; Kevles: Name.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
Auf dem deutschen Buchmarkt war nur eine rassenkundliche Publikation des US-amerikanischen Rassendiskurses in deutscher Sprache verfügbar: Lothrop Stoddards rassistisches Pamphlet „The revolt against civilization. The menace of the underman“, 1922 bei Charles Scribner’s Sons, einem der führenden belletristischen Verlagshäuser in New York erschienen, wurde 1925 unter dem Titel „Der Kulturumsturz. Die Drohung des Untermenschen“ bei J. F. Lehmanns übersetzt. Im Deutschen Reich war das maßgebliche rassenkundliche Projekt die „Deutsche Rassenkunde. Forschungen über Rassen und Stämme, Volkstum und Familien im Deutschen Reich“.183) Herausgegeben vom Direktor des Berliner Kaiser Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik Eugen Fischer, waren dessen Ergebnisse in siebzehn Bänden von 1929–38 im Gustav Fischer Verlag erschienen, anschubfinanziert durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und von beträchtlichen Mitteln der Rockefeller Foundation unterstützt. Eugen Fischer, der 1924 Gastvorträge im schwedischen rassenbiologischen Institut Lundborgs gehalten und sich von der Arbeit des Instituts so beeindruckt gezeigt hatte, dass er es zum Vorbild des Kaiser Wilhelm-Instituts erklärte, konnte in der Gestaltung der „Deutschen Rassenkunde“ nur bedingt Lundborg folgen.184) War der nationale Referenz- und Legitimationsrahmen Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ und Fischers „Deutscher Rassenkunde“ gemeinsam, so differierten der methodische Ansatz und die Organisation des Gesamtprojekts. Die „Deutsche Rassenkunde“ sollte regional definierte Populationsgruppen methodisch interdisziplinär, anthropologisch, ethnologisch und kulturhistorisch beschreiben. Da der Forschungsverbund der „Deutschen Rassenkunde“ mit unterschiedlichen Institutionen und Disziplinen lose gestaltet war, bestanden die Ergebnisse aus heterogenen, wenig kohärenten anthropometrischen Datensammlungen. Primordial rassistisch codiert konnte die „Deutsche Rassenkunde“ wegen des fehlenden Gesamtkonzepts gar nicht sein, wenngleich ihre Klassifizierungskategorien breite Anschlussmöglichkeiten für hierarchische, rassistische Wertungen bot. Die Zusammenschau des Absatzsegments und wissenschaftlichen Publikationsumfelds von Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ ergibt für die Publikation, neben Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“, eine Sonderrolle hinsichtlich ihrer rassistischen, primordialen Codierung. Diese Sonderrolle begründet sich auch darin, dass die monographische Rassenkunde einer einzelnen Nation, abgesehen von der „Deutschen Rassenkunde“ Eugen Fischers, die aber im gleichen Verlag wie Lundborg erschien, in der internationalen Vererbungswissenschaft oder Eugenik nicht gängig war. Der Ethnologe und Soziologe Wilhelm Erich Mühlmann schrieb noch 1933 in 183)
Vgl. Weiss: Humangenetik, S. 16f.; Lösch: Rasse, S. 199–201; Weindling: Health, S. 466–469; Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 114ff. 184) Zu Eugen Fischers Aufenthalt in Schweden: Lösch: Rasse, S. 122, 173f.
3. Herman Lundborg: Die Internationale der Rassisten
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den „Jahresberichten für deutsche Geschichte“ über das Absatzsegment von Rassenkunden: „Die Zeit für umfassende Werke auf dem Gebiet der Rassenkunde scheint noch nicht gekommen zu sein.“185) Die Wahrnehmung des Zeitgenossen täuschte aber an dieser Stelle. Die Zeit für rassistische Großkonzepte war im internationalen Kontext schon wieder vorbei. Vor allem die fortgesetzte Ausdifferenzierung von Eugenik, Vererbung und Genetik in heterogene, mikrobiologische und genetische Einzelprobleme führte in den zwanziger Jahren in Nordamerika und Europa zu einem allmählichen Legitimitätsverlust des wissenschaftlichen Rassismus, der insbesondere im Vergleich mit rassistischen Anthropometrieprojekten der Vorkriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit auf dem Rückzug war.186) Das Absatzsegment von Lundborgs „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ war von dieser Entwicklung abgekoppelt, zeigt aber deutlich Vernetzungen eines eigenen wissenschaftlichen Subsystems. Die Autoren Herman Lundborg, Hans F. K. Günther und Eugen Fischer waren miteinander durch die Institutsarbeit Lundborgs sowie universitäre Lehre – Günther war Schüler Fischers in Freiburg gewesen – verbunden. J. F. Lehmanns, Verlag von Günther und Eugen Fischer, war gleichfalls an einer Autorschaft Lundborgs interessiert gewesen. Dieser veröffentlichte jedoch, wie auch Eugen Fischer, im Gustav Fischer Verlag. Alle Beteiligten waren neben anderen, wie Charles B. Davenport, Nachzügler im internationalen, biopolitischen Diskurs. Die Beteiligung Davenports und Lundborgs an der rassistischen Variante ethnischer Klassifizierung mag genügen, keinen langfristigen, spezifisch deutschen Sonderweg rassenkundlicher Wissenschaftstradition zur Erklärung dieses Phänomens anzunehmen.187) Die mittelfristigen rassenkundlichen Konjunkturbedingungen in der Weimarer Republik, die Einrichtung des Kaiser Wilhelm-Instituts für Anthropologie unter Eugen Fischer oder die politische Relevanz eugenischer Wohlfahrts‚lösungen‘ in Zeiten knapper öffentlicher Finanzmittel waren situativ stärker für Veröffentlichungen im Sinne einer international nur bedingt konkurrenzfähigen Rassenkunde ausschlaggebend. Die Fluktuation der rassistischen Codierung vollzog sich in diesem Absatzsegment im Rahmen eines langsamen Auflösungsprozesses seiner Entste-
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Wilhelm Erich Mühlmann: § 29 Rassenkunde, in: Jahresberichte für deutsche Geschichte 9/10 (1933/34), S. 317. 186) Dieser Prozess ist nicht als Auseinandersetzung von Wissenschaft und Pseudowissenschaft zu verstehen, sondern als Auseinandersetzung innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses. Vgl. Kühl: Internationale, S. 13f., 75f.; Kühl: Konstruktion; er kritisiert: Ludmerer: Genetics; Kevles: Name; ferner dazu: Barkan: Retreat. 187) Eine spezifisch deutsche Tradition annehmend, sachlich aber aufschlussreich: Procter: Anthropology, S. 138–175; Benoît Massin: From Virchow to Fischer. Physical anthropology and „modern race theories“ in Wilhelmine Germany, in: George W. Stocking (Hrsg.): Volksgeist as method and ethic. Essays on Boasian ethnography and the German anthropological tradition, Madison 1996, S. 79–154.
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IV. Der Gustav Fischer Verlag
hungsbedingungen in den wissenschaftlichen Institutionen. Auch auf internationalen wissenschaftlichen Feldern sorgten die Kritik und der Legitimitätsverlust des wissenschaftlichen Rassismus für eine Themenkonjunktur, wie die steigende Produktionskurve internationaler, rassenthematisierender Publikationen gegen Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre zeigt.
V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 1. Unternehmensstruktur: Zusammenwirken familialer und unternehmerischer Strategien Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen lässt sich aufgrund seiner Unternehmensstruktur als familiengeführtes Unternehmen typologisieren. Von familienkontrollierten Unternehmen oder Unternehmen in Familienbesitz unterscheidet es sich wegen der zentralen Rolle der Inhaberfamilie, der als familialer Solidargemeinschaft maßgeblicher Einfluss auf alle Planungen sowie organisatorischen und strategischen Entscheidungen im Unternehmen zukommt. Der Inhaberfamilie von Vandenhoeck & Ruprecht war die generationenübergreifende Perspektive handlungsleitendes Moment. Darauf basierend hatte sich eine Wertegemeinschaft der unternehmerischen Akteure gebildet, die über die Wirtschaftseinheit hinausging.1) Die Unternehmensform des familiengeführten Unternehmens war an sich nicht ungewöhnlich im deutschen Verlagsbuchhandel, der bis in das 20. Jahrhundert hinein von familial-dynastischen Eigentumsverhältnissen dominiert wurde und ein entsprechendes Standesbewusstsein ausgeprägt hatte.2) Bemerkenswert war aber die lange Tradition der familiären Trägerschaft von Vandenhoeck & Ruprecht, das 1735 als Universitätsbuchhandlung und -druckerei der in Entstehung begriffenen Göttinger Universität gegründet worden war und seit 1787 im Besitz der Familie Ruprecht war. Seit 1887 bis in die 1930er Jahre hinein wurde der Verlag von den Brüdern Dr. Wilhelm Ruprecht (1858–1943) und Gustav Ruprecht (1860–1950) geleitet. Mit deren Söhnen Karl Ruprecht (1890–1968) und Günther Ruprecht (1898–2001) sowie Hellmut Ruprecht (1903–91) trat 1922, 1923 und 1928 die fünfte Familiengeneration in den Verlag ein.3) Inhaber und Entscheidungsträger waren dann nahezu 150 Jahre in Personalunion verbunden und der anstehende Generationswechsel als solcher Tradition. Bereits der Wechsel von der dritten zur vierten und der Eintritt der fünften Generation wurde auf unternehmenshistorisch bedeutende Symboljahre oder -daten festgelegt. Wilhelm und Gustav Ruprecht erhielten am 1. Januar 1887 Prokura, hundert Jahre nachdem das Unternehmen in Familienbesitz gelangt war, indem die Witwe des Verlagsgründers Abraham Vandenhoeck, Anna Vandenhoeck, den Verlag ihrem
1) Vgl. Hennerkes: Familienunternehmen, S. 25; Kocka: Family, S. 134; Sachse: Familienunternehmen, S. 10f.; Chandler: Managers, families and financiers, in: Kobayashi: Development; Chandler: Managers, families, and financiers, in: Rose: Family; Kaelble: Family enterprise; Klein: Familienunternehmen, S. 17f., 20, 24. 2) Jäger: Familienunternehmen, S. 202. 3) Ruprecht: Väter, S. 262ff.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
langjährigen Gesellen Carl Friedrich Günther Ruprecht (1730–1816), dem Ur-Urgroßvater Wilhelm und Gustav Ruprechts, vererbte. Günther und Karl Ruprecht wurden am 13. Februar 1925 zeichnungsberechtigt – auf den Tag genau 190 Jahre vorher war Abraham Vandenhoeck das Privileg zur Verlagsgründung verliehen worden. Die lange Phase der generationenübergreifenden Leitung bedeutete unternehmerische Stabilität. Erst etwa zehn Jahre nach ihrem Eintritt in den Verlag, 1935 und 1937, wurden Günther und Hellmut Ruprecht allein verantwortliche Gesellschafter. Dem Unsicherheitsfaktor von Familienunternehmen, die ausreichende und über die familiale Zugehörigkeit hinausgehende Qualifikation der Unternehmensleitungen, begegnete Vandenhoeck & Ruprecht durch eine professionelle und solide, dem Unternehmen angepasste Ausbildung des Nachwuchses.4) Der Ausbildungsgang aller Ruprechts, mit Ausnahme Wilhelms, war traditionell und nicht-akademisch mit Lehrzeiten und Volontariaten in Sortiments- und Verlagsbuchhandlungen außerhalb des Familienunternehmens.5) Wilhelm Ruprecht studierte bei Wilhelm Roscher in Leipzig und den Kathedersozialisten Friedrich Julius von Neumann sowie Gustav von Schönberg in Tübingen Nationalökonomie und wurde bei Letzterem mit der Arbeit „Erbpacht. Ein Beitrag zur Geschichte und Reform derselben“ 1881 promoviert.6) Anschließend begann er seine buchhändlerische Ausbildung im Familienbetrieb, setzte sie bei Max Niemeyer in Halle sowie Nikolaus Trübner in London fort und kehrte 1884 als Gehilfe in den väterlichen Verlag zurück. Nach Ableistung seines militärischen Dienstjahrs 1878/79 blieb Wilhelm Ruprecht, dessen eigentliche berufliche Neigung die militärische Laufbahn gewesen wäre, bis 1897 Reserveoffizier und nahm, trotz des für ihn schmerzhaften Kriegstods seines ältesten Sohnes und designierten Nachfolgers Heinrich Ruprecht, pflichtbewusst und passioniert 1914–16 am Ersten Weltkrieg teil.7) Gustav Ruprecht wurde im Herbst 1878 Lehrling in der Rostocker G. B. Leopolds Universitätsbuchhandlung. 1880–81 volontierte er in der J. C. Hinrich’schen Buchhandlung und im Verlag Duncker & Humblot in Leipzig, wo er gleichzeitig an der Universität Vorlesungen über Volkswirtschaft und Geschichte hörte. Nach einem militärischen Dienstjahr 1882 schloss er seine buchhändlerische Ausbildung mit einem fünfmonatigen Aufenthalt in den 4)
Zur Problematik von familialer und professioneller Qualifikation des Nachwuchses von Familienunternehmen vgl. Frank Grafmüller: Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, Frankfurt/M. u. a. 1994, S. 37ff. 5) Vgl. Georg Jäger: Die Verlegerpersönlichkeit – ideelle Interessen, wirtschaftliche Erfolge, soziale Stellung, in: ders. (Hrsg.): Geschichte. Teil 1, Frankfurt/M. 2001, S. 239–241; Scherer: Unternehmertum. 6) Vgl. hierfür und im Folgenden: Ruprecht: Väter, S. 201–205; ders.: Wilhelm Ruprecht. 7) Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 152f.; Wilhelm Ruprecht/Bertha Ruprecht: Heinrich Ruprecht zum Gedächtnis, Göttingen 1915.
1. Unternehmensstruktur: familiale und unternehmerische Strategien
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USA und Tätigkeiten im Stechertschen Sortiment sowie im Putnam Verlag in New York ab. 1885 trat er bei Vandenhoeck & Ruprecht ein. Um die Beziehungs- und Verhaltensmuster der älteren Ruprecht-Generation in der Weimarer Republik erfassen zu können, ist das Konzept der Wilhelminischen Generation hilfreich.8) Wilhelm und Gustav Ruprecht erlebten ihre Adoleszenz in den Reichsgründungsjahren, wurden während der Kanzlerschaft Bismarcks und des Kulturkampfes politisch sozialisiert und übernahmen ihre unternehmerische Verantwortung fast zeitgleich mit dem Regierungsantritt ihres Altersgenossen Wilhelm II. Theologisch liberal und der modernen Wissenschaft gegenüber aufgeschlossen, politisch dem Nationalliberalismus zugeneigt, kapitalistisches Gewinnstreben mit persönlichem Arbeitsethos verbindend, weltfromm und sozial engagiert, repräsentieren sie geradezu idealtypisch das Bild, das die sozial- und theologiehistorische Forschungsliteratur von den Kulturprotestanten des wilhelminischen Kaiserreichs zeichnet.9) Folgt man der These Detlev Peukerts über die erfahrungsräumlichen Differenzen der Weimarer Generationskohorten und betrachtet diese Generationskohorte als Akteurseinheit in der Weimarer Republik, wird klar, welcher Graben sich zwischen ihrem gesellschaftlichen, politischen sowie beruflichwirtschaftlichen Erfahrungsraum der Kaiserzeit und den ernüchternden Realitäten der Weimarer Republik auftun musste.10) Wilhelm und Gustav Ruprecht waren an die Stabilität ihrer gesellschaftlichen Position gewöhnt. Dies zeigte sich insbesondere auf der lokalen, alltäglichen Ebene. Die Verlegerfamilie war eng in das soziale Gefüge der Kleinstadt Göttingen, in der die Universitätsangehörigen die wirtschaftlich und sozial einflussreichste Gruppe bildeten, eingebunden. Seit der Verlagsübernahme durch Carl Ruprecht gehörte die Familie, von konjunkturellen Schwankungen abgesehen, zur städtischen Ober- und Honoratiorenschicht.11) Äußeres Kennzeichen waren Verlagshaus und Wohnhäuser der Familien. Rechtzeitig zur Verlagsübernahme von Wilhelm und Gustav Ruprecht hatte der Verlag 1887 am spätmittelalterlichen Stadtwall einen Neubau bezogen, in direkter 8)
Zum Begriff ‚Wilhelminische Generation‘ vgl. Martin Doerry: Übergangsmenschen. Die Mentalität der Wilhelminer und die Krise des Kaiserreichs, Weinheim/München 1986; Peukert: Weimarer Republik, S. 25. 9) Zum Begriff ‚Kulturprotestantismus‘ vgl. Gangolf Hübinger: Drei Generationen deutscher Kulturprotestanten 1860–1918, in: Johannes Dantine/Michael Weinzierl (Hrsg.): Protestantische Mentalitäten, Wien 1999, S. 181–193, hier: S. 182; ders.: Kulturprotestantismus und Politik. Zum Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland, Tübingen 1994; Friedrich Wilhelm Graf: Kulturprotestantismus. Zur Begriffsgeschichte einer theologiepolitischen Chiffre, in: Hans Martin Müller (Hrsg.): Kulturprotestantismus. Beiträge zu einer Gestalt des modernen Christentums, Gütersloh 1992, S. 21–77, hier: S. 22f. 10) Peukert: Weimarer Republik, S. 25ff., 91ff. 11) Vgl. Wieland Sachse: Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert. Zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur einer deutschen Universitätsstadt, Göttingen 1987, S. 182–184.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Nachbarschaft des 1889 errichteten Stadttheaters und des Staatlichen Gymnasiums.12) Carl Johann Friedrich Wilhelm Ruprecht (1821–98), Vater von Wilhelm und Gustav, erbaute das Haus seiner Familie, das hernach Wohnhaus der Familie Gustavs wurde, im repräsentativen Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wenige Gehminuten vom Verlagshaus entfernt und in gediegener Nachbarschaft des Göttinger Professoriums.13) Die Wohnhäuser der Verleger standen den Autoren offen und wurden zu lokalen, akademischen Treffpunkten. Günther Ruprecht berichtet in seinen Erinnerungen von einer Bibelstunde, die der Theologe Wilhelm Bousset im Jahr 1907 oder 1908 im Haus seiner Eltern gehalten habe und die ein exklusiv eingeladenes Publikum der akademischen Theologenschaft gefunden habe.14) Lebhaft schildert er familiäre Festivitäten, an denen die Göttinger Bildungsaristokratie teilnahm. Die Autoren des Verlags, gleichzeitig Dozenten und Professoren der Universität, hätten dafür gesorgt, dass es „an geistvoller Unterhaltung nicht gemangelt“ habe.15) Sozialpolitisch waren beide Brüder in die verbandsprotestantischen Gremien des Kaiserreichs eingebunden. Seit seiner Gründung 1890 nahmen sie am Evangelisch-sozialen Kongress (ESK) teil, der eines der zentralen Foren des protestantischen Bildungsbürgertums im deutschen Kaiserreich war.16) Der Kongress trat in jährlichen, mehrtägigen Tagungen zusammen, um sozialethische und sozialpolitische Probleme abseits politischer, theologischer oder konfessioneller Fraktionszwänge zu erörtern.17) Das Themenspektrum, das 12)
Vgl. Ruprecht: Väter, S. 207; Jürgen Gidion: Kulturelles Leben in Göttingen, in: Rudolf von Thadden/Günter J. Trittel u. a. (Hrsg.): Göttingen. Geschichte einer Universitätsstadt. Bd. 3. Von der preußischen Mittelstadt zur südniedersächsischen Großstadt 1866–1989, Göttingen 1999, S. 535–589, hier: S. 540; Günther Ruprecht: Erinnerungen an die verlegerische Arbeit meines Vaters, o. O. [Göttingen] 1983 [ungedrucktes Manuskript], S. 25. 13) Zur akademisch-sozialen Topographie Göttingens um 1900 vgl. Rudolf Smend: Bibel, Theologie, Universität. Sechzehn Beiträge, Göttingen 1997, S. 179; Wieland Sachse: Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert. Zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur einer deutschen Universitätsstadt, Göttingen 1987, S. 243. 14) Ruprecht: Erinnerungen, S. 8; Alf Özen: Die Göttinger Wurzeln der ‚Religionsgeschichtlichen Schule‘, in: Gerd Lüdemann (Hrsg.): Die ‚Religionsgeschichtliche Schule‘. Facetten eines theologischen Umbruchs, Frankfurt am Main/Berlin/Bern u. a. 1996, S. 23–64, hier: S. 63; Gerd Lüdemann/Martin Schröder: Die Religionsgeschichtliche Schule in Göttingen. Eine Dokumentation, Göttingen 1987, S. 19. 15) Günther Ruprecht: Das alte Haus. Erinnerungen an mein Elternhaus, o. O. [Göttingen] o. J. [unveröffentlichtes Manuskript], S. 19. 16) Vgl. E. I. Kouri: Der deutsche Protestantismus und die soziale Frage 1870–1919. Zur Sozialpolitik im Bildungsbürgertum, Berlin/New York 1984, S. 132–133, 215–219; Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 142f.; ders.: Väter und Söhne, S. 217. 17) Vgl. Paul Göhre: Die evangelisch-soziale Bewegung, ihre Geschichte und ihre Ziele, Leipzig 1896; Johannes Herz: Evangelisches Ringen um soziale Gemeinschaft. 50 Jahre Evangelisch-sozialer Kongreß, Leipzig 1940; Manfred Schick: Kulturprotestantismus und soziale Frage, Tübingen 1970; Gottfried Kretschmar: Der Evangelisch-soziale Kongreß, Stuttgart 1972; Harry Liebersohn: Religion and Industrial Society. The Protestant Social
1. Unternehmensstruktur: familiale und unternehmerische Strategien
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inhaltlich von Wirtschafts- und Sozialpolitik über Familien-, Bildungs- und Erziehungsfragen bis hin zu Diskussionen zum Verhältnis von modernen Naturwissenschaften und Theologie reichte, war von einer engen Kooperation zwischen Nationalökonomie und Theologie getragen. Seine „Stiftertrias Harnack, Wagner und Stoecker“ verdeutlicht die Bedeutung und Spannweite von theologisch und politisch liberalen bis zu theologisch orthodox und politisch konservativen Positionen, die der Kongress insbesondere in seinen Anfangsjahren bis zum Ausscheiden Stoeckers aus der Kongressleitung 1896 zu repräsentieren vermochte.18) Zu den jüngeren Evangelisch-Sozialen um Friedrich Naumann, die zur Sezession der Stoeckerschen Partei beitrugen, zählten sich auch die Ruprechts. Ihre sozialpolitischen, nationalsozialen Interessen vertraten die Ruprechts gleichfalls auf lokaler Ebene und setzten sich in Göttingen für soziale und bildungspolitische Wohlfahrtsprojekte ein, so für den Verein Volksbibliothek, für den Ortsgesundheitsrat oder den Verein für Sonntagsruhe.19) Wilhelm Ruprecht regte die Gründung einer Baugenossenschaft an und gehörte mit seinem Bruder Gustav, dem Theologen Wilhelm Bousset und 80–90 Teilnehmern, darunter vor allem Angehörige der Universität, Pastoren, Ärzte und Lehrern, 1896 zu den Mitbegründern einer Göttinger Ortsgruppe des mit dem ESK personell eng verflochtenen Nationalsozialen Vereins Friedrich Naumanns. Wilhelm Ruprecht profilierte sich dort als Vertreter des konservativen Flügels und kandidierte 1898 bei den Reichstagswahlen erfolglos für den Nationalsozialen Verein.20) Seine Unterstützung der „Nationalen Sozialpolitik“ Congress in Wilhelmine Germany, Philadelphia 1986; Klaus Erich Pollmann: Evangelischsozialer Kongreß (ESK), in: TRE, Bd. 10, 1982, S. 645–650; ders: Friedrich Naumann und der Evangelisch-soziale Kongreß, in: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.): Friedrich Naumann in seiner Zeit. Berlin/New York 2000, S. 49–62; Christian Nottmeier: Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890–1930. Eine biographische Studie zum Verhältnis von Protestantismus, Wissenschaft und Politik, Tübingen 2004, S. 189–232, 331–354; für den ESK als Plattform des Kulturprotestantismus dezidiert: Volker Drehsen: „Evangelischer Glaube, brüderliche Wohlfahrt und wahre Bildung“. Der Evangelisch-soziale Kongreß als sozialethisches und praktisch-theologisches Forum des Kulturprotestantismus im Wilhelminischen Kaiserreich (1890–1914), in: Müller (Hrsg.): Kulturprotestantismus, S. 190–229, hier: S. 193. 18) Vom Bruch: Wissenschaft, S. 160. 19) Vgl. Adelheid von Saldern: Göttingen im Kaiserreich, in: von Thadden/Trittel u. a. (Hrsg.): Göttingen, S. 5–62, hier: S. 54; Jürgen Gidion: Kulturelles Leben in Göttingen, in: ebda., S. 535–89, hier: S. 551. 20) Vgl. Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 136, 143f.; Ruprecht: Väter, S. 216; Hartmut John: Das Reserveoffizierkorps im Deutschen Kaiserreich 1890–1914. Ein sozialgeschichtlicher Beitrag zur Untersuchung der gesellschaftlichen Militarisierung im Wilhelminischen Deutschland, Frankfurt am Main/New York 1981, S. 538; Dieter Düding: Der Nationalsoziale Verein 1896–1903. Der gescheiterte Versuch einer parteipolitischen Synthese von Nationalismus, Sozialismus und Liberalismus, München/Wien 1972, S. 91f., 95f., 127, 141; Peter Theiner: Sozialer Liberalismus und deutsche Weltpolitik. Friedrich Naumann im Wilhelminischen Deutschland (1860–1919), Baden-Baden 1983, S. 86ff.; von Saldern: Göttingen, S. 35.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Naumanns führte sogar zum Konflikt mit seiner privaten Leidenschaft, seinem Status als Reserveoffizier: Ruprecht initiierte nach einem Aufruf liberaler Wissenschaftler und Politiker – neben Naumann u. a. Otto Baumgarten und Ferdinand Tönnies – eine Spendensammlung, die den Streik der Hamburger Hafenarbeiter 1896/97 finanziell unterstützen sollte, wurde deshalb beschuldigt, die Sozialdemokratie protegiert zu haben, und musste seinen Abschied vom Militär nehmen.21) Den Idealtypus sozialpolitischer Philanthropie füllte die ältere RuprechtGeneration freilich mit moralprotestantischen Untertönen aus und verband ihn mit restriktiven Moralvorstellungen sowie einem strikten nationalistischen und kulturhegemonialen Habitus.22) Abgrenzungen und Absicherungen ihrer eigenen gesellschaftlichen Stellung zogen sie entlang nationaler, politischer und kultureller Antagonismen. Rigoros fuhr der Reserveoffizier Wilhelm Ruprecht seine zivilen Attacken im Kampf gegen „Schmutz und Schund“ in der Literatur und brandmarkte einzelne Veröffentlichungen und ihre Verleger publizistisch, wenn die Inhalte ihm anstößig erschienen.23) Sein kompromissloses Engagement war in der Buchbranche bekannt und führte in den Jahren der Weimarer Republik zu Persiflagen der angegriffenen Seite. Der Hannoveraner Paul Steegemann Verlag, der in den zwanziger Jahren dadaistische und erotische Literatur verlegte, druckte in der von ihm verlegten Parodie auf den antisemitischen Roman Artur Dinters „Die Sünde wider das Blut“, Artur Sünders alias Hans Reimanns „Die Dinte wider das Blut“ von 1921, im Impressum den Vermerk: „Der allerdings nicht zur Ausführung gelangte Einbandentwurf stammt von Herrn Dr. Wilhelm Rupanzke, Hauptmann der Landwehr im 18. Königlich Göttingenschen Kürassier-Regiment zur Verhinderung von Geschlechts-Krankheiten. Druck und Papier vom deutsch-nazionalen Schutz- und Trutzbund (Geschäftsstelle: Kyffhäuser).“24) Dieser parodistische Handstreich verspottete nicht nur Wilhelm Ruprechts konservativmoralische Literaturauffassung, sondern verband seine Person auch mit einem offensichtlich antisemitischen Tendenzroman. Wie zu zeigen sein wird, bildete Antisemitismus für die ältere Ruprecht-Generation eine allgemeinen Konventionen, dem kulturellen Code des Kaiserreichs entsprechende Handlungsroutine, und dies wurde von ihrer Umwelt wahrgenommen.
21) Ruprecht: Väter, S. 216; Hans-Joachim Bieber: Der Streik der Hamburger Hafenarbeiter 1896/97 und die Haltung des Senats, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 64 (1978), S. 91–148, hier: S. 140f.; Theiner: Liberalismus, S. 79; John: Reserveoffizierkorps, S. 537ff.; Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 144f. 22) Zum ‚Moralprotestantismus‘ vgl. Thomas Nipperdey: Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München 1988, S. 67, 91; ders.: Geschichte 1866–1918. Erster Band. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990, S. 475. 23) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 151f. 24) Zitiert nach: Jochen Meyer: Paul Stegemann Verlag 1919–1935, 1949–1955. Sammlung Marzona, Hannover 1994, S. 66.
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Gustav Ruprechts kulturpolitische Aktivitäten konzentrierten sich auf den Erhalt und die Pflege der deutschen Frakturschrift.25) Weit über die bloße Geschmacksfrage hinaus, war die zeitgenössische Diskussion über die Frage der drucktechnischen Abbildung der deutschen Sprache eine weltanschaulichpolitische Diskussion um kulturelle Deutungshoheiten. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, obwohl als wissenschaftlicher Verlag auf den Export seiner Bücher angewiesen, druckte seine Titel großenteils in Frakturschrift und vertrat optisch eine deutsche Nationalkultur. Im Nationalsozialen Verein gehörte Wilhelm Ruprecht zu jener nicht unbedeutenden Minorität, die sich zu einer weitgehenden gesellschaftlichen Segregation jüdischer und deutscher Gruppen bekannte, und forderte persönlich von Juden, die dem Verein beitreten wollten, ein „Schuldbekenntnis“ darüber, dass „Stammesgenossen im Gewerbsleben, in der Presse und in der Politik thatsächlich vielfach eine verhängnißvolle Rolle spielen“ und dass „Stammesgenossen in erschreckendem Maße […] Wucher und unlauteren Wettbewerb“ betrieben.26) Gegenüber diesem Offenbarungsritual, das die primordiale und normative Lauterkeit der eigenen politischen Gruppe sicherstellen sollte, bestand der politische Konsens der Nationalsozialen, wie er in den programmatischen Grundlinien formuliert war, lediglich in einer kulturellen und religiösen Assimilationsforderung an Juden. Friedrich Naumann selbst verharrte in indifferenter Mittlerstellung zwischen den Lagern. Den politischen Antisemitismus lehnte er ab, und er erkannte, im Gegensatz zu vielen liberalen Theologen, die Zusammengehörigkeit von Christentum und Judentum vorbehaltlos an. Naumann war aber zu sehr Realpolitiker, um nicht die Interessen der zahlreichen Antisemiten seiner Gruppierungen zu berücksichtigen und in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus Zurückhaltung zu üben. Zudem unterstreichen mentale Irritationen die Hartnäckigkeit des kulturell codierten Antisemitismus, wenn Naumann in seiner Grabrede auf Adolf Stoecker 1909, im Duktus der „Sehnsucht nach der verlorenen Erzählung“, hier der Erzählung des Antisemitismus, schwelgt: „Wie einfach schien es dem altkonservativen Christentum, zugleich christlich und antisemitisch zu sein, und wie schwer ist dieses durch die nähere Aufdeckung der Zusammenhänge von Judentum und Christentum geworden. Jetzt ist der Rassenantisemitismus im Grunde auch antichristlich, und der Christ weiß, daß er keinen Rassenkampf auf Grund des Evangeliums führen kann.“27) Mit seiner Abkehr von 25)
Vgl. Ruprecht: Väter, S. 239ff.; Gustav Ruprecht: Das Kleid der deutschen Sprache. Unsere Buchschrift in Gegenwart und Zukunft, o. O. 1912; ders.: Die deutsche Schrift und das Ausland. Augenärzte und Schriftfrage, o. O. o. J. 26) Zitiert nach: Wolfgang E. Heinrichs: Das Judenbild im Protestantismus des Deutschen Kaiserreichs. Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des deutschen Bürgertums in der Krise der Moderne, Köln 2000, S. 460–72, hier: S. 464; vgl. auch: John: Reserveoffizierskorps, S. 537. 27) Aufgeführt bei: Hans-Joachim Schoeps: Friedrich Naumann als politischer Erzieher, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 20 (1968), S. 3–13, hier: S. 9; Originalzi-
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national-imperialer Machtpolitik entfernte sich Naumann politisch zunehmend von den Ruprechts. Der endgültige Bruch erfolgte 1917, als Naumann die Friedensresolution Erzbergers unterstützte. Persönlich und verlegerisch blieben die Brüder Naumann aber bis zu seinem Tod verbunden. Kriegsniederlage und Revolution waren für die Wilhelminer Wilhelm und Gustav Ruprecht, wie für die Mehrheit des deutschen Bürgertums, Erfahrungen von katastrophalem Ausmaß. Daneben ist es sicher angebracht, von einer spezifischen Republikskepsis des protestantischen Bürgertums auszugehen. Die enge verwaltungstechnische und soziale Verzahnung landeskirchlicher und landesherrlicher Strukturen im Kaiserreich fiel mit der Revolution und der folgenden Trennung von Kirche und Staat fort, stellte die protestantischen Kirchen vor weitreichende Organisations- und Identitätsprobleme und beförderte ihre ablehnende Haltung gegenüber dem neuen Staat.28) Versatzstücke der diesbezüglichen Debatten mögen auch im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht zirkuliert haben. Der Evangelisch-soziale Kongress mutierte in der Weimarer Zeit für Gustav Ruprecht zu einer „demokratisch-sozialistischen“ Veranstaltung. Gemeinsam mit anderen alten Evangelisch-Sozialen fühlte er sich dort aufgrund der zunehmenden Öffnung des Kongresses gegenüber der internationalen, ökumenischen Bewegung unter seinem Vorsitzenden Walter Simons, den Auseinandersetzungen mit den religiösen Sozialisten und der nachlassenden
tat: Friedrich Naumann: Nachruf auf Adolf Stoecker, in: ders.: Werke. Bd. 1, Köln/Opladen 1964, S. 753–762, hier: S. 759; vgl. auch: Heinrichs: Judenbild, S. 460–472; Moshe Zimmermann: A road not taken. Friedrich Naumann’s attempt to a Modern German Nationalism, in: Journal of contemporary History 17 (1982), S. 698–708; die „Sehnsucht nach der verlorenenen Erzählung“ nach: Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien 1999, S. 122. 28) Karl-Wilhelm Dahm: Pfarrer und Politik. Soziale Position und politische Mentalität des deutschen evangelischen Pfarrerstandes zwischen 1918 und 1933, Köln/Opladen 1965; Jochen Jacke: Kirche zwischen Monarchie und Republik. Der preußische Protestantismus nach dem Zusammenbruch von 1918, Hamburg 1976; Jonathan R. C. Wright: „Über den Parteien“. Die politische Haltung der evangelischen Kirchenführer 1918–1933, Göttingen 1977; Claus Motschmann: Evangelische Kirche und preußischer Staat in den Anfängen der Weimarer Republik. Möglichkeiten und Grenzen ihrer Zusammenarbeit, Lübeck/ Hamburg 1969; Eckhard Lessing: Zwischen Bekenntnis und Volkskirche. Der theologische Weg der evangelischen Kirche der altpreußischen Union (1922–1953) unter besonderer Berücksichtigung ihrer Synoden, ihrer Gruppen und der theologischen Begründungen, Bielefeld 1992; Kurt Nowak: Evangelische Kirche und Weimarer Republik. Zum politischen Weg des deutschen Protestantismus zwischen 1918 und 1932, Göttingen 1981, S. 17–71; Frank-Michael Kuhlemann: Protestantische „Traumatisierungen“. Zur Situationsanalyse nationaler Mentalitäten in Deutschland 1918/19 und 1945/46, in: Manfred Gailus/Hartmut Lehmann (Hrsg.): Nationalprotestantische Mentalitäten. Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen 2005, S. 45–78; Michael J. Inacker: Zwischen Transzendenz, Totalitarismus und Demokratie. Die Entwicklung des kirchlichen Demokratieverständnisses von der Weimarer Republik bis zu den Anfängen der Bundesrepublik (1918–1959), Neukirchen-Vluyn 1994.
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Abgrenzung des Kongresses gegenüber Sozialdemokraten und Gewerkschaften insbesondere in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre isoliert.29) Beide Ruprechts fanden, gemeinsam mit weiten Teilen der christlich-sozialen Bewegung, ihre politische Heimat nach 1918 in der DNVP, die in der deutschnational-konservativen Bildungsbürgerhochburg Göttingen bei der Reichstagswahl 1924 mit 30 Prozent der Wählerstimmen stärkste Partei geworden war.30) Wilhelm Ruprecht entschied sich im Januar 1923, von der DVP in die DNVP zu wechseln, um nicht länger zu unterstützen, „daß ein dem Amt letztlich in so schwieriger Zeit absolut nicht gewachsener Reichspräsident auf Jahre hinaus in seinem Amte gehalten werden wird.“31) Er hoffte, „daß Deutsche Volkspartei und Deutschnationale Volkspartei im hiesigen Wahlkreis immer mehr Hand in Hand gehen werden, wie es von allen mir bekannten Angehörigen beider Parteien gewünscht wird.“ Zeigte Wilhelm Ruprecht damit durchaus kompromissbereiten politischen Gestaltungswillen, bleibt sein sozialdemokratisches Feindbild letztlich handlungsleitend. Gleichfalls ist zu vergegenwärtigen, dass DNVP-Mitglieder über latente bis ausgeprägte antisemitische Einstellungen verfügten und sich eine parteiintern lang diskutierte Passage zur „immer verhängnisvoller hervortretende[n] Vorherrschaft des Judentums in Regierung und Öffentlichkeit“ im Grundsatzprogramm von 1920 befand.32) Zusätzlich zu den politischen Verhältnissen musste die wirtschaftliche Unund Neuordnung der Nachkriegszeit die ältere Verleger-Generation irritieren. Den prosperierenden Buchmarkt des Kaiserreichs erlebten sie eingebunden in die dynastischen Beziehungsgefüge eines traditionsreichen und standesbe-
29)
Vgl. Nowak: Evangelische Kirche, S. 139; Traugott Jähnichen: Aufbrüche, Konflikte und Krisen – Weichenstellungen des sozialen Protestantismus in der Weimarer Republik, in: ders./Norbert Friedrich (Hrsg.): Protestantismus und Soziale Frage. Profile in der Zeit der Weimarer Republik, Münster/Hamburg/London 2000, S. 9–28, hier: S. 17–25; Pollmann: Evangelisch-sozialer Kongreß, S. 646f., 648f.; Horst Gründer: Walter Simons, die Ökumene und der Evangelisch-soziale Kongreß. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Soest 1974. 30) MGG-Fragebogen Gustav Ruprecht, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Ruprecht. Zur Zugehörigkeit von Protestanten zur DNVP: Gottfried Mehnert: Evangelische Kirche und Politik 1917–1919. Die politischen Strömungen im deutschen Protestantismus von der Julikrise 1918 bis zum Herbst 1919, Düsseldorf 1959, S. 139ff.; Dahm: Pfarrer; Wright: Parteien, S. 82f.; Nowak: Evangelische Kirche, S. 101f.; Norbert Friedrich: „National, Sozial, Christlich“. Der Evangelische Reichsausschuß der Deutschnationalen Volkspartei in der Weimarer Republik, in: Kirchliche Zeitgeschichte 6 (1993), S. 290–311; zum Wahlergebnis Cordula Tollmien: Nationalsozialismus in Göttingen (1933–1945). Diss. Univ. Göttingen 1998, S. 221. URL: http://webdoc.sub.gwdg.de/diss/1999/tollmien/inhalt. htm (07. 09. 2010). 31) Wilhelm Ruprecht an die Deutsche Volkspartei, 17. 01. 1923, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138. 32) Vgl. Mommsen (Hrsg.): Parteiprogramme, S. 538; Winkler: Gesellschaft, S. 271ff.; Winkler: Weimar, S. 113f.; zum Antisemitismus in der DNVP ausführlich: Striesow: Deutschnationale Volkspartei, S. 102–162.
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wussten Berufszweigs. Der promovierte Nationalökonom Wilhelm Ruprecht betätigte sich, nachdem er 1887 Prokura erhalten hatte, in den Vorständen der beiden größten buchhändlerischen und verlagsbuchhändlerischen Interessenverbände, dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler in den Jahren 1899–1904 und dem Deutschen Verlegerverein in den Jahren 1910–15.33) Nach seiner Vorstandstätigkeit sowie 1914–19 war er Mitglied im Wahlausschuss des Börsenvereins, wirkte an der ersten Verkaufsordnung für den deutschen Buchhandel mit und wurde 1922 in die Historische Kommission des Börsenvereins und kurz darauf zu ihrem Vorsitzenden gewählt. 1932 wurde ihm das goldene Ehrenzeichen des Börsenvereins verliehen. Seinen zeitgenössischen Berufskollegen galt Wilhelm Ruprecht als „Nestor des deutschen Buchhandels“.34) Angeregt durch einen Englandaufenthalt während seiner Ausbildung, verfasste er 1884 die Schrift „Die Wohnung der arbeitenden Klasse in London. Mit besonderer Berücksichtigung der neueren englischen Gesetzgebung und ihrer Erfolge“.35) Die berufliche Tätigkeit im Ausland wurde in seinen Erinnerungen zu einer Negativfolie gegenüber den Vorzügen des national spezifisch organisierten deutschen Buchhandels. Wilhelm Ruprecht schrieb ähnlich über die Lehrjahre seines Bruders in den USA.36) Gustav Ruprecht habe seinen beruflichen Nationalstolz während dieser Zeit angesichts der vorgeblich ungebremsten kapitalistischen Auswüchse des amerikanischen Buchmarkts festigen können. In späteren Publikationen über Fragen seines Berufsstandes und die volkswirtschaftliche Stellung des Buchhandels führt Wilhelm Ruprecht selbstbewusst national-ökonomisch und ganz im Sinne wirtschaftsnationalistischer Tendenzen der wilhelminischen Ära sowie des national saturierten Gefüges des deutschen Buchmarkts Vorzüge des deutschen Buchhandels gegen das englische oder französische Beispiel ins Feld, so das deutsche Modell des festen Ladenpreises für jede Publikation, die reichsweite Präsenz des Sortimentsbuchhandels oder den über Leipziger Kommissionsbuchhandlungen organisierten Vertrieb.37) 33)
Vgl. Ruprecht: Väter, S. 238f.; Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Abt. III, Leipzig 1919, S. 2; Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Abt. III, Leipzig 1923, S. 2. 34) Vgl. Todesanzeige des Börsenvereins für Wilhelm Ruprecht, in: SächsStArchL, Bestand Börsenverein der deutschen Buchhändler, Vandenhoeck & Ruprecht; Ruprecht: Väter, S. 146ff.; bei Wenzel findet sich die Angabe Ruprecht sei seit Ostern 1899 sechs Jahre im Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler und seit 1910 sechs Jahre im Vorstand des Deutschen Verlegervereins tätig gewesen, vgl. Wenzel: Wirtschaftsführer, Sp. 1892. 35) Wilhelm Ruprecht: Die Wohnungen der arbeitenden Klassen in London. Mit besonderer Berücksichtigung der neueren englischen Gesetzgebung und ihrer Erfolge, Göttingen 1884. 36) Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 137; Ruprecht: Väter, S. 205ff. 37) Wilhelm Ruprecht: Die Erhaltung des Provinzialsortiments, o. O. 1839; Wilhelm Ruprecht: Der Ladenpreis im deutschen Buchhandel, seine volkswirtschaftliche Bedeutung und Berechtigung, Göttingen 1889; Wilhelm Ruprecht: Noch einmal vom deutschen Buchhandel, in: ders./Friedrich Paulsen: Vom deutschen Buchhandel. Sonderabdrucke aus der
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Wilhelm und Gustav Ruprecht hatten den Verlag fest in die familialen und unternehmerischen Beziehungsnetze des Kaiserreichs integriert. Die Paten Hellmut Ruprechts waren die Kollegen seines Vaters Wilhelm Ruprecht im Vorstand des Börsenvereins Albert Brockhaus, Ernst Vollert und Alexander Francke.38) Professionelle Beziehungspflege betrieb man mit den Geschäftsführern anderer theologisch-wissenschaftlicher Verlage, wie Paul und Oskar Siebeck, Walter de Gruyter, Arthur Meiner, Max und Hermann Niemeyer oder Alfred Töpelmann, denen man trotz unmittelbarer Konkurrenz freundschaftlich zugetan war. Den Unwägbarkeiten der Nachkriegswirtschaft und insbesondere der Inflation, die dem wissenschaftlichen Buchhandel einen Ausverkauf seiner Lagerbestände in das Ausland bescherte, der unter jedem Sachwert lag, versuchte die ältere Ruprecht-Generation durchaus mit den Mitteln ihrer verlegerischen Kompetenzen zu begegnen.39) Im Zeichen wachsender Konzentrationstendenzen im Buchhandel kam es 1920 unter Beteiligung von Vandenhoeck & Ruprecht zu einem losen Zusammenschluss wissenschaftlicher Verlagsbuchhandlungen in der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger. Desgleichen wurde der Generationswechsel in der Unternehmensleitung im Hinblick auf familiale und unternehmerische Stabilität erfolgreich in die Wege geleitet und mit dem Verlagseintritt Günther Ruprechts umgesetzt. Beharrungsvermögen zeigte der kulturelle Code des Antisemitismus, den die ältere Ruprecht-Generation in die Zeit der Republik mitnahm und dort mit unterschiedlichem Erfolg vertrat. Wilhelm Ruprecht bezog das Stereotyp der jüdischen Übermacht auf den Buchhandel oder den Börsenverein der Deutschen Buchhändler. Seine Kontakte zu Verlegern des rechtsextremen Lagers, wie Julius Friedrich Lehmann oder Ernst Boepple, blieben im Vergleich mit der Beziehungspflege zu Kollegen des wissenschaftlichen Verlagsbuchhandels marginal, aber nachweisbar. Wilhelm Ruprecht unterstützte im August 1920 Julius Friedrich Lehmann, der Ruprecht bei späterer Gelegenheit als „Bundesgenossen in der Bekämpfung undeutschen Verhaltens“40) bezeichnete, nicht nur in der Suche nach „gutvaterländischem“ Personal. Ruprecht beantwortete Lehmanns Anfragen Nationalzeitung Berlin, o. O. 1903, S. 13–21; Wilhelm Ruprecht: Noch einmal Buchhandel und Bücherpreise, in: ders./Friedrich Paulsen: Vom deutschen Buchhandel. Sonderabdrucke aus der Nationalzeitung Berlin, o. O. 1903, S. 29–39. Zum Wirtschaftsnationalismus allgemein: Andreas Etges: Wirtschaftsnationalismus. USA und Deutschland im Vergleich (1815–1914), Frankfurt am Main/New York 1999, S. 251–306; zu nationalistischen Konzepten der Nationalökonomie: Breuer: Ordnungen, S. 198ff. 38) Vgl. Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 149. 39) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 257f. 40) Julius Friedrich Lehmann titulierte Ruprecht als „Bundesgenossen“ im April 1922, Ruprecht bedankte sich daraufhin bei Lehmann, dass er ihn „freundlich als Kampfgenosse […] bezeichne[t]. Das bin ich ja in vieler Beziehung.“ vgl. Julius Friedrich Lehmann an Vandenhoeck & Ruprecht, 24. 04. 1922; Wilhelm Ruprecht an Julius Friedrich Lehmann, undatiert, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 133.
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zu einem Bewerber für die Kontenführung und gab ihm darüber hinaus einen Veröffentlichungshinweis für die Schrift „Von deutscher Philosophie, Art und Kunst“ von Jacob F. Fries, denn, so Wilhelm Ruprecht, „es wäre den Semiten doch ein arger Schlag in die Bude, wenn ihr Abgott [gemeint ist Fries], dem Sie mit Recht zu neuer Wirkung verholfen haben, als gut Deutschnationaler enthüllt wird“.41) Zwischen den alten „Kampfgenossen“, wie Wilhelm Ruprecht wiederum Julius Friedrich Lehmann titulierte, herrschte Einigkeit, die einen reibungslosen Ablauf des antisemitischen Codes einschließlich kulturpolitischen Pläneschmiedens garantierte. Wenig später fand Ruprecht im „Börsenblatt“ dann allerdings weniger Verständnis. Stein des Anstoßes war eine Auseinandersetzung zwischen Ernst Boepple, 1919–33 Inhaber des Deutschen Volksverlags Dr. Ernst Boepple in München und seit 1919 Mitglied der NSDAP,42) sowie Albert Brinitzer vom Hamburger Verlag Hoffmann und Campe, der sich im Oktober 1920 im „Börsenblatt“ über antisemitische Hetzanzeigen des Boepple Verlags beschwert hatte. Wilhelm Ruprecht hatte daraufhin im „Börsenblatt“ moniert, Brinitzer sei „wie viele seiner Art gegen einen widrigen politischen Wind […] überempfindlich“.43) Ruprecht erhielt anschließend eine für das „Börsenblatt“ vorgesehene Erwiderung von Hugo Ganz zusammen mit einem versöhnlichen Begleitschreiben. Sie kam im „Börsenblatt“, nachdem Albert Brinitzer eine letzte Meinungsäußerung gegen Boepple veröffentlicht hatte, nicht mehr zum Abdruck, um eine unangemessene politische Instrumentalisierung des Fachblattes zu verhindern.44) Ganz, der Wilhelm Ruprechts „vornehme Gesinnung […] Menschenfreundlichkeit und Güte […] aus zahlreichen gemeinschaftlichen Veranstaltungen kenne,“ benannte in seiner Erwiderung klar die Konsequenzen der Ruprechtschen Stellungnahme. Sofern Ruprecht es als „Ueberempfindlichkeit“ bezeichne „wenn Herr Brinitzer, wie viele seiner Art, (d. h. wie viele Juden) sich durch unzweideutig judenfeindliche Inserate namhaft gemachter Verleger […] verletzt fühlt“ und „die Befugnis des Herrn Brinitzer und seiner Leute (offenbar wiederum der Juden) über Fragen der Sittlichkeit zu urteilen, in ein hässliches Licht“ stelle, sei er, als einer der „Besten unseres Standes von der Krankheit des Judenhasses geblendet“.45) Auf Bitten Ernst Boepples, dessen Antwort an Albert Brinitzer nicht im „Börsenblatt“ abge41)
Julius Friedrich Lehmann an Wilhelm Ruprecht, 04. 08. 1920; Wilhelm Ruprecht an Julius Friedrich Lehmann, 06. 08. 1920, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 127. 42) Laut Wolfgang Benz war der Deutsche Volksverlag Dr. Ernst Boepple ein Tochterunternehmen des J. F. Lehmanns Verlag. Dafür findet sich aber weder in den biographischen Nachweisen über Ernst Boepple, noch im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels der Jahrgänge 1923–35 ein weiterer Hinweis, Wolfgang Benz: J. F. Lehmanns Verlag, in: ders./Hermann Graml/Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart 1997, S. 566, 824; vgl. auch: Stöckel (Hrsg.): Nation, S. 6, Anm. 9. 43) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 87 (1920), S. 1012. 44) Ganz an Wilhelm Ruprecht, 24. 10. 1920, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 127. 45) Ganz an Wilhelm Ruprecht, 24. 10. 1920, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 127; Kursivsetzungen als Unterstreichungen im Original.
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druckt worden war, machte Ruprecht nochmals eine Eingabe bei der Redaktion, die allerdings gleichfalls nicht mehr veröffentlicht wurde. Schließlich beendete Wilhelm Ruprecht den Briefwechsel mit Boepple. Er könne sich „beim besten Willen um diese Sache nicht mehr kümmern, da ich in Arbeit ersticke und als 62jähriger nicht mehr die alte Leistungsfähigkeit besitze.“46) Die kulturelle Codierung war an Grenzen gestoßen, die sich vor allem in der Regelhaftigkeit der Meinungsäußerungen des „Börsenblatts“ zeigten, in dem Brinitzer das letzte öffentliche Wort zukam. Die zeitweilige Kooperation zwischen Boepple und Ruprecht stand dahinter zurück und wurde von Ruprecht letztlich auch beendet. Im Juli/August 1924 wurde Wilhelm Ruprecht aber erneut aktiv in Sachen Antisemitismus. Theodor Fritsch jun. vom rechtsradikalen Hammer-Verlag in Leipzig beklagte in der Juliausgabe 1924 seines Periodikums „Hammer“, dass der Abdruck von Werbeanzeigen für die Bücher „Die zionistischen Protokolle“ sowie „Der internationale Jude“ in der Börsenblatt-Beilage „Nimm und lies“ abgelehnt worden war. Wilhelm Ruprecht veranlasste die Lektüre der entsprechenden Meldung im „Hammer“ zu einem Beschwerdebrief an die Schriftleitung des „Börsenblatts“, der seine Wertschätzung für die antisemitische Agitation des Hammer-Verlags zum Ausdruck brachte: „Man braucht nicht Anhänger dieser extremen Richtung des Antisemitismus zu sein und wird doch dem Hammer-Verlag erhebliche Verdienste zusprechen müssen, da die Stellung, welche das Judentum in unserm Schrifttum und sonst einnimmt, ganz unangemessen und höchst verderblich ist.“47) Die Redaktion teilte ihm daraufhin mit, die Ablehnung sei gegenüber Fritsch damit begründet worden, dass gegen die „Zionistischen Protokolle“ ein Gerichtsverfahren schwebe und „Der internationale Jude“ in der 22. Auflage erscheine, das „Börsenblatt“ aber nur Anzeigen für Neuerscheinungen abdrucke. Ruprecht gab sich damit nicht zufrieden und entgegnete, es sei „doch bekannt, daß die Vereinigung der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens jede ihr unbequeme Schrift mit allen Mitteln – und sie verfügt über große Mittel und fast die gesamte ‚große‘ Presse – zu beseitigen versucht. […] Die übergroße Mehrheit der Mitglieder [des Börsenvereins] will jedenfalls nicht, daß der Börsenverein auch nur in den Verdacht gerät, zur Schutztruppe des Judentums zu gehören. Es ist aber nötig, daß der Vorstand des Börsenvereins von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf erfährt und jeder Anhalt dafür, daß in diesem Falle Liebedienerei gegen das Judentum getrieben sei, beseitigt wird.“48)
Eine letzte Stellungnahme des Hauptredakteurs im „Börsenblatt“ Gerhard Menz, der nochmals die Begründung der Ablehnung erwähnte und die Vor46)
Wilhelm Ruprecht an Ernst Boepple, 30. 10. 1920, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 127. 47) Gesamter Schriftwechsel in: VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138. Zitat: Wilhelm Ruprecht an Gerhard Menz, 21. 07. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138. 48) Wilhelm Ruprecht an Albert Heß (Geschäftsstelle des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler), 29. 07. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138.
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würfe Ruprechts als unhaltbar zurückwies, wurde von Ruprecht nicht beantwortet, bzw. eine eventuelle Antwort ist nicht überliefert. Ohne Ansehensverluste zu riskieren, konnte Ruprecht offensichtlich gegenüber der Redaktion des „Börsenblatts“ seinen antisemitischen Ressentiments freien Lauf lassen. Der diskrete Hinweis Ruprechts auf den Börsenverein der Deutschen Buchhändler, der seine Meinung teile, mag im konkreten Fall rhetorisch sein, ist aber real abgesichert durch die nachweislich deutschnationale Grundhaltung des Gremiums.49) Als die Firma Kleinmayr & Bamberg im Juli 1924 im „Börsenblatt“ anzeigte, der Firmensitz und damit ihre Postadresse trage nun den slowenischen Namen „Ljubljana“ und nicht mehr den deutschen „Laibach“, tat sich eine Protestkoalition von Verlegern, Wilhelm Ruprecht eingeschlossen, zusammen, um gegen ein derartig als unnational gebrandmarktes Gebaren vorzugehen. Initiator der Maßnahme war Theodor Steinkopff vom gleichnamigen Dresdner medizinischen und naturwissenschaftlichen Verlag, der Wilhelm Ruprecht und Julius Friedrich Lehmann um Unterzeichnung einer kurzen Gegendarstellung in der Angelegenheit bat. Ruprecht schlug zur Unterschrift seinerseits Erich Ehlermann, Robert Voigtlänger und Theodor Weicher vor.50) Ehlermann war Inhaber des philologischen Verlags L. Ehlermann in Dresden, stand dem „Kunstwart“ nahe und war 1905–11 Angehöriger des Börsenvereins-Vorstands sowie ein maßgeblicher Förderer der Deutschen Bücherei in Leipzig.51) Robert Voigtländer war Inhaber des Leipziger R. Voigtländer Verlag. Theodor Weicher pflegte in seinem Leipziger Verlag einschlägige deutschvölkische Publikationen. Gezeichnet von Theodor Steinkopff, Julius Friedrich Lehmann, Wilhelm Ruprecht und Theodor Weicher erschien schließlich in der „Sprechsaal“-Rubrik des „Börsenblatts“ vom 04. August 1924 eine Stellungnahme, die „doch eine starke Zumutung darin“ sieht, „von deutschen Firmen zu verlangen, sich bei ihren Sendungen der ihnen völlig wesensfremden slawischen bzw. serbischen Schreibweise zu bedienen.“52) Seit August 1924 führte die sudetendeutsche Presse eine ähnliche Kampagne gegen den Ullstein Verlag, der in einem seiner Atlanten tschechische Namen von Ortschaften ehemals österreichischer Gebiete vor deren deutschen Namen aufführte.53) Im Zusammenhang mit einer Reihe gerichtlicher Auseinander-
49) Die traditionelle deutschnationale Orientierung bei: Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ‚Dritten Reich‘. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt/M. 1993, S. 43; ders.: Der Börsenverein in den Jahren 1933 bis 1945, in: Füssel/Jäger/Staub (Hrsg.): Börsenverein, S. 91–117, hier: S. 92. 50) Anzeige von Kleinmayr & Bamberg vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 91 (1924), S. 9664; Theodor Steinkopff an Wilhelm Ruprecht, 22. 07. 1924; Wilhelm Ruprecht an Theodor Steinkopff, 23. 07. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138. 51) Zu Ehlermann vgl. Kratzsch: Kunstwart, S. 70. 52) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 91 (1924), S. 10194. 53) Vgl. Herb: Grenzrevision, S. 193f.; bezugnehmend auf: Jaworski: Ortsbezeichnungen; Fahlbusch: Volks- und Kulturbodenforschung.
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setzungen stellte der DNVP-Abgeordnete Walther Lambach im Juni 1925 einen Antrag im Reichstag, die Regierung solle eine Verordnung erlassen, derzufolge deutsche Ortsnamen bei zweisprachigen Benennungen immer den Vorrang hätten. Wilhelm Ruprecht bewegte sich an diesem Punkt im erkennbaren Konsens mit seiner ehemaligen parteipolitischen Heimat DNVP. Es werden berufliche Beziehungen im Verlagsbuchhandel erkennbar, die zu gemeinsamen antisemitischen oder rassistisch motivierten Aktionen genutzt wurden. Das Spektrum der Verlage, die diesbezüglich Kontakt zu Vandenhoeck & Ruprecht suchten bzw. von diesem kontaktiert oder als mögliche Kontaktstelle angesehen wurde, umfasste die Verleger der als völkisch einzuordnenden Verlage J. F. Lehmanns, Hammer-Verlag oder Deutscher Volksverlag, aber ebenso diejenigen der anerkannten Wissenschafts- und Fachverlage Erich Ehlermann, Theodor Steinkopff und Robert Voigtländer. Vandenhoeck & Ruprecht war mit seinen Kontakten zu völkischen Zirkeln kein Sonderfall. Der Kern eines dezidiert völkischen, verlegerischen Netzwerks ist zu erkennen, doch war dieses nicht abgeschlossen, sondern zumindest temporär kooperationswillig und -fähig, zumal die Initiatoren dieser rassistisch motivierten Maßnahme keine Angehörigen der zentralen völkischen Clique waren. Dass sich aktenkundige antisemitische oder rassistische Aktionen Wilhelm Ruprechts in der Weimarer Zeit auf die Jahre 1920–24 konzentrieren, ist der Überlieferungslage geschuldet. Großenteils sind diese Vorfälle in der Privatkorrespondenz Wilhelm Ruprechts enthalten, die nur bis 1925 im Verlagsarchiv abgelegt wurde. Seit 1925 wurde ausschließlich Autorenkorrespondenz aufbewahrt, in der sich zwar nur wenige offene antisemitische Stellungnahmen finden, die aber dennoch anhaltende antisemitische Ressentiments der älteren Ruprecht-Generation auch nach 1925 belegen. Der Antisemitismus der Kulturprotestanten Wilhelm und Gustav Ruprecht war, dies ist seit Jahrzehnten Forschungskonsens, in protestantisch geprägten Milieus und Diskurszusammenhängen, gleich welcher theologischer oder kirchenpolitischer Couleur, eine gängige verständnisstiftende Codierung.54) Das 54)
Vgl. Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1983, S. 116; Kurt Nowak: Protestantische Judengegner. Antisemitische Mentalitäten im evangelischen Deutschland während der Weimarer Republik, in: Johannes Dantine/Klaus Thien/Michael Weinzierl (Hrsg.): Protestantische Mentalitäten, Wien 1999, S. 231–248; Kurt Nowak/Gérard Raulet (Hrsg.): Protestantismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/New York/Paris 1994; Werner Jochmann: Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft in Deutschland 1870–1945, Frankfurt/M. 1988, S. 265–281; Wolfgang Altgeld: Katholizismus, Protestantismus, Judentum. Über religiös begründete Gegensätze und nationalreligiöse Ideen in der Geschichte des deutschen Nationalismus, Mainz 1992; Uriel Tal: Liberal protestantism and the Jews in the Second Reich 1870–1914, in: Jewish Social Studies 26 (1964), S. 23–41; Olaf Blaschke: Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich, Göttingen 1997, S. 172–180; Heinrichs: Judenbild; zu Antisemitismus in der evangelischen Presse: Ino Arndt: Die Judenfrage im Licht der evangelischen Sonntagsblätter von 1918–1933, Diss. phil. Tübingen 1960; Wolfgang
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Göttinger lokale Umfeld der Ruprechts, protestantisch und deutschnational, war davon nicht ausgenommen. Bekanntermaßen stark verbreitet war Antisemitismus bei Studenten und Universitätsangehörigen.55) Das akademische Göttingen war demnach ein lokales Bedingungsumfeld, von dem anzunehmen ist, dass Antisemitismus zum guten Ton gehörte und gleichzeitig aktionistische Züge zeigte, wenn Studenten 1927 den Versuch initiierten, die Besetzung einer Göttinger Pfarrstelle mit einem Kandidaten jüdischer Herkunft zu verhindern.56) Die Familienmitglieder, die in den zwanziger Jahren neu in die Firma eintraten, erhielten eigene, klar abgegrenzte Aufgabenbereiche in den Geschäftsfeldern, die sich durch Neuerwerbungen von Tochterunternehmen im Produktions- und Vertriebssektor ergeben hatten. Die Leitung der Druckerei Hubert & Co. GmbH, die seit 1914 dem Verlag angeschlossen war, übernahm 1922 Karl Ruprecht, ältester Sohn von Gustav Ruprecht, als geschäftsführender Gesellschafter. Er war 1908 in die Kaiserliche Marine eingetreten, hatte 1914–18 am Ersten Weltkrieg teilgenommen, war 1920 aus der verkleinerten Reichsmarine ausgeschieden und hatte als Ersatz für die abgebrochene Offizierslaufbahn bis 1922 eine Ausbildung zum Schriftsetzermeister in Leipzig und Stuttgart durchlaufen.57) 1925 wurde er Teilhaber des Verlags. Die Druckerei Hubert & Co. war eine Gründung von Hermann Ruprecht (geb. 1852), Bruder von Gustav und Wilhelm Ruprecht und studierter Theologe, sowie Paul Hubert zwecks Veröffentlichung des von Hermann Ruprecht herausgegebenen „Göttinger deutschen Boten“.58) Die vermehrte Nutzung der Druckerei in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg für die expandierende Produktion von Vandenhoeck & Ruprecht überstieg die Kapitalkapazitäten von Paul Hubert, der Konkurs anmelden musste. Das Unternehmen wurde 1913 in eine GmbH umgewandelt, deren alleinige Gesellschafter die Inhaber des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht waren. Der Erwerb der Druckerei war für den Verlag nicht unproblematisch. Kurzfristig bedeutete er einen Kapitalaufwand, der insbesondere in den Altmann: Die Judenfrage in evangelischen und katholischen Zeitschriften zwischen 1918 und 1933, Diss. theol. München 1971. 55) Vgl. Kater: Studentenschaft; Jansen: Professoren, S. 176ff., 289ff.; Jarausch: Studenten, S. 82–128; Jarausch: Students; Kampe: Studenten; Ströle-Bühler: Antisemitismus. 56) Vgl. Adelheid von Saldern: Zur Entwicklung der Parteien in Göttingen während der Weimarer Zeit, in: Göttinger Jahrbuch 19 (1971), S. 171–181; Helga-Maria Kühn: Die nationalsozialistische ‚Bewegung‘ in Göttingen von ihren Anfängen bis zur Machtergreifung (1922–1933), in: Jens-Uwe Brinkmann/Hans-Georg Schmeling (Hrsg.): Göttingen unterm Hakenkreuz. Nationalsozialistischer Alltag in einer deutschen Stadt. Texte und Materialien, Göttingen 1983, S. 13–45; Gerhard Lindemann: „Typisch jüdisch“. Die Stellung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu Antijudaismus, Judenfeindschaft und Antisemitismus 1919–1949, Berlin 1998, S. 106ff. 57) Ruprecht: Väter, S. 262f.; Wenzel: Wirtschaftsführer, Sp. 1891. 58) Ruprecht/Ruprecht: Chronik, S. 260, 281ff., Ruprecht: Väter, S. 263f.; Ruprecht: Erinnerungen, S. 23.
1. Unternehmensstruktur: familiale und unternehmerische Strategien
211
Kriegsjahren eine erhebliche finanzielle Belastung für die Teilhaber war. Langfristig erfordert das Produktionsvermögen einer Druckerei, um rentabel zu sein, gleichmäßige und gleichförmige Maschinenauslastung. Dies kann auf den Verlag zurückwirken und zu einem erhöhten, womöglich unwirtschaftlichen Veröffentlichungsumfang führen,59) wenn die Produktion nicht durch regelmäßige Veröffentlichungen wie Zeitschriften oder einen hohen Anteil von Spezialdrucken gesichert ist. Beide Kriterien erfüllte Vandenhoeck & Ruprecht, insbesondere durch die Herstellung von Textausgaben des Alten und Neuen Testaments und sprachwissenschaftlicher Werke. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht war als wissenschaftlicher Verlag in einer Hochschulstadt, abseits der Großstädte mit ihrer entwickelten Infrastruktur konkurrierender und spezialisierter Druckereien, in dieser Unternehmensform nichts Ungewöhnliches. In den zwanziger Jahren waren Wissenschaftsverlage in kleineren Universitätsstädten zu einem Großteil kombinierte Betriebe.60) Die Druckerei wurde durch verlagsfremde Aufträge abgesichert, die in den dreißiger Jahren 50 Prozent des Auftragsvolumens ausmachten.61) Karl Ruprecht sorgte für die Modernisierung des Unternehmens und den Ausbau der Setzmaschinenabteilung, erweiterte 1923 die Buchbindereiabteilung und betrieb seit 1924 das Göttinger Plakatanschlagwesen. Die Druckerei wuchs in der personellen Besetzung bis in die dreißiger Jahre auf 58 Arbeiter und Angestellte. Das Zusammenwirken familialer und unternehmerischer Strategien bei Vandenhoeck & Ruprecht zeigt sich am gesamten Vorgang von Erwerb und Weiterbetrieb der Druckerei exemplarisch: die Fürsorge für Familienmitglieder, Hermann und Karl Ruprecht, mündete in Expansion und Stabilisierung des Familienunternehmens im Rahmen der zeitgenössischen unternehmerischen Tendenzen. Hellmut Ruprecht, der jüngere Sohn Wilhelm Ruprechts, übernahm 1929 zusammen mit dem späteren Geschäftsführer die Leitung der Deuerlichschen Sortimentsbuchhandlung in Göttingen, die im selben Jahr vom Verlag angekauft worden war. 1923–28 hatte er seine Lehrjahre im väterlichen Betrieb, in den Sortimenten des theologischen Verlags Christian Kaiser in München sowie des Max Niemeyer Verlags in Halle, in der Hamburger Buchhandlung C. Boysen, im Alfred Kröner Verlag in Leipzig und im medizinischen Verlag Urban & Schwarzenberg in Berlin verbracht. Einige Semester besuchte er die Universitäten Göttingen und München sowie die Akademie für graphische Künste in Leipzig. Nach dem Ausscheiden Wilhelm Ruprechts trat er 1935 in den Verlag ein.62) Der Erwerb der Deuerlichschen Buchhandlung, eines seit
59)
Pustet: Beziehungen, S. 37ff.; Winterhoff: Krisis, S. 4ff.; Beck: Betrieb, S. 55–63. Ehrhardt Mieth: Standortsanalyse des deutschen wissenschaftlichen Buchverlags, Leipzig 1935, S. 78f. 61) Ruprecht: Väter, S. 287; Ruprecht/Ruprecht: Chronik, S. 282. 62) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 265; Personalfragebogen MGG Hellmut Ruprecht, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Ruprecht; 225 Jahre Vandenhoeck & Ruprecht, S. 6. 60)
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
1807 an zentralem Ort in der Göttinger Altstadt bestehenden Traditionsunternehmens, sicherte einen schnellen und durch selbstbestimmte Werbemaßnahmen sowie direkten Kundenkontakt reibungslosen Absatz der verlagseigenen Veröffentlichungen an ortsansässige Konsumentenkreise.63) Auf der Produktionsseite sollte die Deuerlichsche Buchhandlung als Etikett dienen, dem wissenschaftlichen Verlag eine Auswahl schönwissenschaftlicher Titel anzufügen.64) Für Günther Ruprecht, den jüngeren Sohn Gustav Ruprechts, der als einziger der fünften Ruprecht-Generation im Betrachtungszeitraum aktiv im Verlagshaus Vandenhoeck & Ruprecht entscheidungsbefugt tätig war, war eine akademische Ausbildung vorgesehen, die aber wegen fehlender finanzieller Mittel nicht verwirklicht wurde. Er nahm 1916–18 am Ersten Weltkrieg teil, wurde 1919 als Leutnant entlassen und begann anschließend seine buchhändlerischen Lehrjahre.65) Sie führten ihn in die Sortimentsbuchhandlung Max & Co. nach Breslau, einige Zeit zurück in das Göttinger Familienunternehmen, in die Weiß’sche Universitätsbuchhandlung in Heidelberg, vom Herbst 1921 bis Frühjahr 1923 in eine Stockholmer Sortimentsbuchhandlung und abschließend in den Leipziger R. Voigtländer Verlag. Im Oktober 1923, auf dem Höhepunkt der Hyperinflation, begann Günther Ruprecht seine verlegerische Tätigkeit bei Vandenhoeck & Ruprecht. 1925 erhielt er Prokura, wurde 1929 Verlagsteilhaber und blieb in der Geschäftsleitung des Mutterhauses, in dem sein spezieller Zuständigkeitsbereich, gleich dem seines Vaters, die Theologie war.66) Mit dem Verlagseintritt Günther Ruprechts wurden die Buchhaltung rationalisiert und statistische Methoden zur Absatzkontrolle eingeführt.67) Die berufliche Sozialisation Günther Ruprechts deutet in vielen Punkten auf geringe, aber doch entscheidende Distanz zur älteren Ruprecht-Generation. Die Kriegserfahrung reflektierte er gänzlich anders als sein Onkel Wilhelm und sein acht Jahre älterer Vetter Karl, der nach seinem Abschied aus der verkleinerten Reichsmarine seinen maritimen Neigungen treu blieb und eine Ortsgruppe der Marine-Jugend in Göttingen gründete.68) Noch die al63)
Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Abt. I, Leipzig 1925, S. 128, nennt als Adresse der Deuerlichschen Buchhandlung Weenderstr. 31; ebenso: Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Abt. I, Leipzig 1933, S. 121. 64) Hellmut Ruprecht an Information Control Unit, Hannover, 16. 08. 1946, Personalfragebogen MGG Hellmut Ruprecht, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Ruprecht. 65) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 264f.; Günther Ruprecht: Der 1. Weltkrieg und die Revolution 1916–1919, o. O. [Göttingen] 1967 [unveröffentlichtes Manuskript]; ders.: Wanderjahre 1919/23. 66) Ruprecht: Väter, S. 267; Gustav Ruprecht. Nachruf, o. O. [Göttingen] o. J. [1953]. 67) Ruprecht: Wanderjahre 1919/23; vgl. VRVA, gesamter Bestand Statistiken 1925–42. 68) Ruprecht: Väter, S. 262f.; Wenzel: Wirtschaftsführer, Sp. 1891; Lebenslauf des Kapitänleutnant a. D. Karl Ruprecht zu Göttingen. BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Karl Ruprecht; Ruprecht/Ruprecht: Chronik, S. 287f.
1. Unternehmensstruktur: familiale und unternehmerische Strategien
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liierte Militärregierung bescheinigte Karl Ruprecht 1945 außergewöhnlichen Nationalismus sowie eine antidemokratische, kompromisslos monarchistische Gesinnung, die ihn während der Weimarer Republik zu einem überzeugten Rechtsaußenanhänger der DNVP machte.69) Günther Ruprechts Erinnerungen, wenngleich sie nur die Rückschau nach über fünfzig Jahren wiedergeben, sprechen eine andere, kritischere Sprache, wenn er schreibt, der Krieg habe ihn „als 19-jährigen durch allen Dreck hindurchgeschleift und […] vollständig aus […] [seiner] inneren Bahn geworfen“.70) Günther Ruprecht sah sich selbst vom Elternhaus her „leicht antisemitisch“ geprägt. In seinen Erinnerungen verortet er die Reflexion hierüber auf seine Lehrzeit in Breslau 1919/20 und die Gespräche mit seinem dortigen Lehrherrn, durch den er „erst Verständnis für die Welt des Judentums bekommen habe.“71) In beruflicher und sozialer Hinsicht prägend war für Günther Ruprecht seine Ausbildungszeit in Stockholm 1921–23. Dort gelang es ihm, eine wichtige Außenperspektive auf das Familienunternehmen und auf den deutschen Buchhandel zu gewinnen. Im Gegensatz zu seinem Onkel Wilhelm Ruprecht, der in seinem Erfahrungsbericht über seine Auslandsjahre vor allem die Stabilität des deutschen Buchhandels gegenüber anderen nationalen Buchmärkten lobt, ist das Bild, das sich Günther Ruprecht vom deutschen Buchhandel in den Nachkriegs- und Inflationsjahren bietet, ein chaotisches und wenig Vertrauen erweckendes. Erst in Schweden war es ihm möglich, „einen festen Währungsbegriff zu gewinnen“ und sich als Leiter der Auslandsabteilung einer Stockholmer Sortimentsbuchhandlung erste eigenständige kaufmännische Praxis zu erarbeiten.72) In Günther Ruprechts Erinnerungen wurde die Inflation zum unmittelbaren Anlass seines Verlagseintritts. Noch 1963 schreibt er in einem Glückwunschschreiben an seinen Kollegen Herbert Cram, dazumal 40 Jahre Geschäftsführer des Verlags Walter de Gruyter in Berlin, er hätte „aus dem Ausland heimkehrend unmittelbar eingreifen […] [müssen], als die Inflation auf dem Höhepunkt war und die alten Herren nicht mehr weiterwußten“, und in seinen Erinnerungen heißt es: „Offenbar konnten die alten Herren sich nicht zu jeweils rechtzeitiger Erhöhung der Zuschläge entschließen.“73) Gegenüber seinem Vater vertritt er, noch während seines Schwedenaufenthalts, klare Vorstellungen über seinen künftigen Einsatz im Verlag sowie bezüglich Modernisierungsmaßnahmen in der Organisation der Buchhaltung.74) Die Außenperspektive betraf gleichfalls das soziale Leben in Schweden, das seine Lehrjahre dort zum „absolute[n] Höhepunkt“ werden ließ. Die Unbefangen69)
Information control unit Hannover [undatiert], BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Ruprecht. 70) Ruprecht: Wanderjahre 1919/23, S. 44. 71) Ebd., S. 4. 72) Ruprecht: Väter, S. 264. 73) Günther Ruprecht an Herbert Cram, Gardasee, 28. 09. 1963, Berlin SBB PK, Walter de Gruyter Archiv, Dep. 42, Nr. 463; Ruprecht: Wanderjahre 1919/23, S. 44. 74) Hierfür und folgend Ruprecht: Wanderjahre 1919/23, S. 44f.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
heit seiner schwedischen Kollegen, ihre „naiv-natürliche harmlose Fröhlichkeit“, schätzte er hoch. Die deutsche Vergangenheit erschien ihm dagegen „immer mehr als eine Zeit körperlicher wie besonders seelischer Krankheit.“ Parteipolitisch orientierte sich Günther Ruprecht an dem im Dezember 1929 gegründeten Christlich-sozialen Volksdienst. Dieser war ein Zusammenschluss der Christlich-sozialen Reichsvereinigung, die sich 1928 von der DNVP abgespalten hatte, und dem biblizistischen, vom württembergischen Pietismus geprägten Christlichen Volksdienst.75) Kriegserlebnis und die Utopie eines tatbereiten Christentums bildeten die gemeinsame Erfahrungs- und Handlungsbasis seiner Mitglieder. Wirtschafts- und finanzpolitisch war die Partei weniger an Interessengruppen gebunden und demzufolge weniger profiliert. Kulturpolitisch vertrat die Vereinigung konservative Positionen, sozialpolitisch näherte man sich im sozialreformerischen Sinn linken Standpunkten. Die republikanische Verfassung ähnlich ablehnend wie die DNVP, begrüßte der Christlich-soziale Volksdienst aufgrund seiner pietistischen und freikirchlichen Klientel dagegen durchaus die darin enthaltene Trennung von Kirche und Staat und den Fortfall des Summepiskopats, entsprachen sie doch einer Forderung pietistischer Kreise des 19. Jahrhunderts. Die Göttinger Ortsgruppe des Christlich-sozialen Volksdienstes war, in der Erinnerung Günther Ruprechts, eine „kleine Gruppe, hauptsächlich aus der Intelligenz, auch mehr aus kirchlichen Kreisen“, wenige Universitätsangehörige, dafür Mitglieder der Freien Gemeinde.76) Die Angestelltenzahl von Vandenhoeck & Ruprecht hatte sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert – damals wurden ein Gehilfe und ein Packer im Verlag beschäftigt – vervielfacht und schwankte in den Jahren 1924–33 zwischen zehn und fünfzehn Mitarbeitern.77) 1935 zählten einschließlich der Geschäftsleitung 34 Personen zur Belegschaft.78) Von ausdifferenzierten 75)
MGG Personalfragebogen Günther Ruprecht, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Günther Ruprecht; Augenzeugenbefragung Günther Ruprecht. 14. 04. 1976 [unveröffentlichtes Manuskript], S. 1; zum Christlich-sozialen Volksdienst: Günter Opitz: Der Christlich-soziale Volksdienst. Versuch einer protestantischen Partei in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1969; Cornelia Weber: Altes Testament und völkische Frage. Der biblische Volksbegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft der nationalsozialistischen Zeit, dargestellt am Beispiel von Johannes Hempel, Tübingen 2000, S. 125–129; Wolfram Pyta: Dorfgemeinschaft und Parteipolitik 1918–1933. Die Verschränkung von Milieu und Parteien in den protestantischen Landgebieten Deutschlands in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1996, S. 316–321; Nowak: Evangelische Kirche, S. 262–271; Marikje Smid unterstellt dem Christlich-sozialen Volksdienst antisemitische Positionen in der Tradition Stoeckers, bleibt aber widersprüchlich, vgl. Marikje Smid: Deutscher Protestantismus und Judentum 1932/1933, München 1990, S. 150f. 76) Augenzeugenbefragung Günther Ruprecht. o. O. [Göttingen] 14. 04. 1976 [unveröffentlichtes Manuskript], S. 1. 77) Ruprecht: Väter, S. 11; ders.: Wilhelm Ruprecht, S. 133; Vandenhoeck & Ruprecht an die Geschäftsstelle des Börsenvereins, 10. 04. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138; Statistische Jahresberichte 1926–33, VRVA, Statistiken 1925–42. 78) Vgl. Abbildung der Belegschaft, in: Ruprecht: Väter, S. 240f.
1. Unternehmensstruktur: familiale und unternehmerische Strategien
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Unternehmensabteilungen und Aufgabenteilung ist aber nicht auszugehen.79) In allen Verlagsbereichen waren die Gesellschafter der Familie Ruprecht entscheidungsbefugt und initiativ tätig. 1924 waren Verlag und Druckerei als Offene Handelsgesellschaft organisiert, eine personale Unternehmensform, die besonders für Familienunternehmen eingeführt war und die Vandenhoeck & Ruprecht 1926 mit ca. neun Prozent der Verlagsbuchhandlungen im Deutschen Reich gemeinsam hatte.80) Die Gewinne und Verluste von Verlag und Druckerei wurden, in der Reihenfolge der Beteiligungshöhe, unter den Teilhabern Wilhelm, Gustav, Günther, Karl und Hellmut Ruprecht aufgeteilt.81) Druckerei, Sortimentsbuchhandlung und Verlag waren als wirtschaftliche Einheit bei selbstständiger Buchführung zusammengefasst. So hatte jedes Einzelunternehmen den Rückhalt des Gesamtunternehmens, ohne dass Eigenständigkeit und Flexibilität verlorengingen. Für Verlag und Sortimentsbuchhandlung waren alle zeichnungsberechtigten Familienmitglieder als gemeinsame Inhaber eingetragen. Es blieb damit, neben den einzelnen Entscheidungsbereichen, ein gemeinsamer Verantwortungskomplex bestehen. Gustav Ruprecht fasste 1932 den integrativen Anspruch dieses Organisationsaufbaus zusammen: „Möchte diese Wirtschaftsgemeinschaft in Gesinnungsgemeinschaft und Verantwortung sich nun auch weiter bewähren von Geschlecht zu Geschlecht“.82) Die wirtschaftliche Wichtigkeit und den sinngebenden, verpflichtenden Charakter der generativen Perspektive drückte Wilhelm Ruprecht 1930 prägnant mit der Formulierung „wir rechnen mit Generationen“ aus.83) Mit dem familialen Wert als solchem korrespondierte im unternehmerischen Selbstbild von Vandenhoeck & Ruprecht ein hohes Maß affektiver, außerwirtschaftlicher Werte. Der in der zeitgenössischen Unternehmerethik übliche Kanon von Fleiß, Pflichtbewusstsein, Standesbewusstsein, Sparsamkeit und Erfolgsstreben grundierte, gespiegelt im Vokabular eines protestantischen Arbeitsethos, die Unternehmenskultur: „Vererbt und anerzogen ist von Anfang die Liebe und Hochschätzung der Arbeit als sittliche Pflicht. […] Hinzu kam die Erziehung zu strengem Pflichtbewußtsein aus der Quelle des evangelischen Glaubens Martin Luthers. Aus der mit der Muttermilch eingesogenen Pflicht gegen das Vaterland erwuchs das Verständnis für Wert und Wesen des Standes, seine Arbeit und seine Gesetze, nicht weniger das Verantwortlichkeitsgefühl gegen die 79)
Günther Ruprecht an Max Zink in Fa. Neuwerk-Verlag/Schlüchtern, 14. 11. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 139. 80) Vgl. Vandenhoeck & Ruprecht an die Geschäftsstelle des Börsenvereins, 10. 04. 1924, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 138; Scherer: Unternehmertum, S. 75. 81) Vereinbarung über die Gewinnverteilung bei Vandenhoeck und Ruprecht und Hubert & Co. 1932, Einzelblatt, Bilanzen und Gewinnverteilung 1932–1955, VRVA, Statistiken 1925–42. 82) Ruprecht/Ruprecht: Chronik, S. 283. 83) Vandenhoeck & Ruprecht an Rudolf Bultmann, 30. 06. 1930, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 163.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Familie und das kommende Geschlecht. […] Vergeudung und Mammonismus wurden in gleicher Weise verachtet. Wohl aber wurde – sagen wir es unumwunden – die Pflicht zum Erfolg, zur Gewinnerzielung als unweigerliche Grundlage der Erhaltung des von den Vätern überkommenen Verlags hochgehalten.“84)
Das unternehmerische Credo von Vandenhoeck & Ruprecht stand, der Familienchronik folgend, in weitgehendem Einklang mit familialen Wertmustern: „Als charakteristische Familieneigenschaft von alten Zeiten bis zur Jetztzeit tritt uns dagegen in allen Generationen Fleiß und Gewissenhaftigkeit in Haus und Beruf, liebevolles und hilfsbereites Zusammenhalten in schweren Zeiten und festes Vertrauen auf Gott und Wandel nach seinem Wort entgegen. Er bleibe auch den kommenden Geschlechtern Führer und Helfer!“85)
2. Verlagsproduktion: Wissenschaft und Glaube Aufgrund seines Produktionsvolumens von knapp 30 Novitäten im Jahr kann der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht zum Viertel der größten Buch- und Zeitschriftenverlage der Weimarer Republik gezählt werden.86) Im Bereich der theologischen Buchproduktion gehörte Vandenhoeck & Ruprecht um 1900 zu den fünf produktionsstärksten Verlagen.87) 1922 lag der Verlag an 63. Stelle einer nach den Angaben des „Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel“ erstellten Produktionsstatistik von ca. 300 Verlagsbuchhandlungen im Deutschen Reich, hinter den Konkurrenzverlagen J. C. B. Mohr (Siebeck) und C. Bertelsmann.88) Als Veröffentlichungsinstanz von Schriften universitärer Provenienz erfüllte der Verlag seit seiner Gründung das ausschlaggebende Kriterium für einen wissenschaftlichen Verlag.89) Die Absatzkurve der Novitäten in Stück, ohne Einbezug der Periodika, verhielt sich bei Vandenhoeck & Ruprecht in den Jahren 1919–32 weitgehend im Sinn der allgemeinen Wirtschaftstendenzen sowie denen des Buchhandels (s. Abb. 6). Deutlich zeichnet sich das inflationäre Absatzscheinhoch ab;90) mit der Währungsstabilisierung brach der Absatz ein. Dem Absatzeinbruch folgte eine Absatzstabilisierung in den relativ ruhigen mittleren Jahren der Republik. Allerdings lag das Absatzniveau immer noch unter dem der Vorkriegs-
84)
Ruprecht: Väter, S. 291. Ruprecht/Ruprecht: Chronik, S. 372. 86) Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 109. 87) Vgl. Hübinger/Müller: Verlage, S. 396. 88) Scherer: Unternehmertum, S. 223ff. 89) Nach zeitgenössischer Definition, vgl. Gustav Fischer: Grundzüge der Organisation des deutschen Buchhandels, Jena 1903, S. 41. 90) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 257; ähnlich bei Mohr-Siebeck vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik, S. 362f.; allgemein zu den Auswirkungen der Inflation auf den Buchhandel: Grieser: Buchhandel. 85)
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2. Verlagsproduktion: Wissenschaft und Glaube 70000 65000 60000 55000 50000 45000 40000 35000 30000 25000 19
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Abb. 6: Absatz des Buchverlags bei Vandenhoeck & Ruprecht in Stück91)
jahre. Wissenschaftliche Verlage und Sortimente litten längerfristig unter den Kürzungen der Bibliotheksetats, die zum Rückgang in den Bestellungen von Periodika und Reihenwerken führten.92) Der Absatzeinbruch 1927 verliert bei einem Blick auf die Absatzkurve in Reichsmark unter Einschluss der Periodika, die für die Jahre 1925–32 erstellt werden konnte, an Bedeutung (s. Abb. 7). Sie legt nahe, bis 1929 von stabilen Absatzverhältnissen auszugehen. Seit 1929 macht sich die allgemeine Konjunkturkrise in der sinkenden Absatzkurve auch bei Vandenhoeck & Ruprecht bemerkbar. Parallelen bestehen teilweise zur Umsatzkurve des Buchverlags im C. Bertelsmann Verlag der Jahre 1924–33, die 1926/27 sowie 1931/32 ebenfalls abfallende, dagegen 1930/31 sowie 1932/33 steigende Tendenzen aufweist.93) Bei
91) Erstellt nach den Absatzzahlen der Kalkulationsbücher 08/1910–03/1921, 04/1921–8/1931, 9/1931–11/1943, VRVA; zu den Tendenzen im Buchhandel vgl. Wittmann: Geschichte, S. 329f.; Kastner: Statistik (2007), S. 341ff.; vgl. Umlauff: Beiträge, S. 70. 92) Wittmann: Geschichte, S. 330f. 93) Vgl. Wittmann/Haas/Simons: Bekenntnis, S. 129; Hans-Eugen Bühler/Olaf Simons/ Reinhard Wittmann: Betriebswirtschaftliche Unternehmensdaten, in: ebd., S. 565–584, hier: S. 567ff.; der Umsatz schließt dort die „Summe aller Leistungen in einem bestimmten Zeitraum“ ein und entspricht damit dem Absatz in RM bei Vandenhoeck & Ruprecht, wo, den Vorgaben der Statistischen Berichterstattung an den Börsenverein folgend, sich der Umsatz aus dem Absatz abzüglich aller Unkosten berechnet. Dieses entspricht auch dem zeitgenössischen Verständnis von Absatz vgl. Kurt Schmaltz: Absatz, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 1, 1926, Sp. 33f.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
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Abb. 7: Absatz in RM bei Vandenhoeck &
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Ruprecht94)
Bertelsmann konnte offensichtlich stärker als bei Vandenhoeck & Ruprecht die Sonderkonjunktur für religiöse und theologische Literatur, die seit 1930 auf dem deutschen Buchmarkt festzustellen war, genutzt werden.95) Vandenhoeck & Ruprecht war als klassischer Universitätsverlag mit einem gemischten, alle universitären Disziplinen umfassenden Verlagsprogramm gegründet worden, hatte sich aber nachdrücklich in den Jahren seit 1887, mit der Übernahme der Verlagsleitung durch die Brüder Wilhelm und Gustav Ruprecht und auf einem expandierenden Buchmarkt, der Raum für Spezialisierung bot und erforderte, auf Theologie und Philologie konzentriert.96) Die wissenschaftliche protestantische Theologie und die ihr angeschlossenen Gebiete protestantischer Gebrauchsliteratur zur Vermittlung christlich-evangelischer Glaubensinhalte waren gleichermaßen solide und dynamische Absatzsegmente, in denen sich Vandenhoeck & Ruprecht stabil etablierte. Innerhalb der Konkurrenz theologisch-wissenschaftlicher Verlage der Jahrhundertwende war die Kombination wissenschaftlicher Werke mit populärer, praktischer Anwendungsliteratur gängig. Ähnliche Tendenzen zeigten die Verlagspro-
94)
Erstellt nach: Statistische Jahresberichte 1925–1933, VRVA, Statistiken 1925–42. Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 73. 96) Zum wissenschaftshistorischen Kontext der Entstehungszeit von Vandenhoeck & Ruprecht: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. Aus Anlaß des 250jährigen Bestehens des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985. Zum Begriff des Universitätsverlages: Günter Schweizer: Die Bedeutung von Leistungsanreizen für das Innovationsmanagement wissenschaftlicher Fachverlage, Göttingen 1990, S. 33. 95)
2. Verlagsproduktion: Wissenschaft und Glaube
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gramme der Firmen C. Bertelsmann und J. C. B. Mohr (Siebeck).97) Die Binarität von Wissenschaft und Glauben war die Relation, die weite Teile des Verlagsprogramms von Vandenhoeck & Ruprecht bestimmte und die der Verlag aus den doppelten Anforderungen des theologischen Studiums, sowohl wissenschaftliche Methoden als auch die in der Gemeindepraxis erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln, übernahm. Beide Bereiche standen in einem Wechselverhältnis zueinander, das in der Weimarer Republik nachhaltig in Bewegung geriet. Der wissenschaftlich-theologische Verlag hatte während dieser Jahre vor allem unter der nachlassenden Kaufkraft seiner Kernkundenschaft, den protestantischen Pfarrern, und den veränderten theologischen Präferenzen zu leiden.98) Absatzchancen bestanden nurmehr für unerlässliche Gebrauchsliteratur.99) Die von allgemein schwierigen Marktbedingungen zeugende Absatzkurve verdeutlicht allerdings nur unzureichend die theologischen Verwerfungen der Nachkriegszeit und der zwanziger Jahre, die auch unter der Oberfläche des relativ stabilen Absatzes der mittleren Republikjahre für verlegerische Unruhe sorgten. Das Aufkommen der dialektischen und lutherischen Theologie und das trotz Inflation abflauende Interesse für liberal-theologische Titel zeichneten sich deutlich in den Absatzziffern von Vandenhoeck & Ruprecht ab. Seit Mitte der zwanziger Jahre veränderte sich das programmatische Profil von Vandenhoeck & Ruprecht spürbar. Quantitativ machten die liberalen Autoren des Kaiserreichs allerdings immer noch einen hohen Anteil des Verlagsprogramms aus. Aufgrund der langen Laufzeit wissenschaftlicher Literatur kommt der Backlist von Vandenhoeck & Ruprecht spezielle Bedeutung zu. Zwar veränderten und beschleunigten die theologischen Umbrüche der Weimarer Republik die Halbwertzeit wissenschaftlich-theologischer Literatur; die Programmtradition von Vandenhoeck & Ruprecht, die im Folgenden skizziert werden soll, bot aber immer noch Anschlussstellen für neue verlegerische und theologische Relationen des Verlagsprogramms. Unter den Bedingungen beschleunigten Wandels in den Absatzbedingungen des Weimarer Buchmarkts wurden diese Anschlussstellen nicht unwichtiger, sondern bildeten den Möglichkeitsrahmen, der Vandenhoeck & Ruprecht zur Verfügung stand, seine Absatzprobleme zu lösen.
97) Für J. C. B. Mohr (Siebeck) vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik, S. 173ff.; eine strikte Abgrenzung von „elitären Wissenschafts- und Universitätsverlagen“ zu dem theologisch-praktischen Bertelsmann-Verlag behaupten dagegen: Helen Müller/Trutz Rendtorff: Theologie für die Praxis. Traditionelle Schwerpunkte für die Praxis, in: Friedländer/ Frei/Rendtorff/Wittmann: Bertelsmann, S. 73–101, hier: S. 73. 98) Vgl. auch: ebd., S. 77. 99) Günther Ruprecht an Prof. Dr. Edw. Lehmann, 14. 03. 1929, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 161.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
2.1 Backlist: Liberale Theologie – antisemitische Diskriminierung durch Historisierung Der Produktkern von Vandenhoeck & Ruprecht war bis Mitte der zwanziger Jahre die wissenschaftliche, liberale Theologie. Wenngleich diese theologische Richtung in der zeitgenössischen Diskussion sowie in der diesbezüglichen theologischen und historischen Forschungsliteratur inhaltlich und methodisch eher eine Chimäre bleibt denn ein klar zu umreißendes Forschungsprogrammm bezeichnet, soll der Begriff hier als Positionsbestimmung einer theologischen Richtung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gebraucht werden, die Theologie als eine historisch-kritische Kulturwissenschaft definierte und aus der Positivität wissenschaftlicher Methodik heraus die weltanschauliche Sonderstellung protestantischer Theologie bewahren wollte.100) Das Verlagsprogramm von Vandenhoeck & Ruprecht reflektierte zwei wichtige Facetten der liberalen Theologie: zum einen die an der zeitgenössisch modernen, historisch-kritischen Methode ausgerichtete liberale Wissenschaft, die zum anderen auf die Vermittlung und sozial breite Streuung ihrer Erkenntnisse Wert legte. Friedrich Naumann war nicht nur politischer und persönlicher Freund der Verleger, sondern auch, wie Hübinger treffend formuliert, „sozialpolitischer Leitautor“ des Verlags im Kaiserreich.101) 1894–1900 gab er die 16-bändige Reihe „Göttinger Arbeiterbibliothek“ bei Vandenhoeck & Ruprecht heraus. Das Projekt entstand vermutlich auf Anregung Wilhelm Ruprechts und stellte einen Gegenentwurf zur „Berliner Arbeiterbibliothek“ dar, die vom sozialdemokratischen Vorwärts-Verlag konzipiert worden war. Naumann eröffnete die Reihe mit dem Heft „Jesus als Volksmann“, das neben dem Band „Nationale Sozialpolitik“ (1898) von Friedrich Naumann einen programmatischen Pol der Reihe bildete, die nahezu alle Register protestantisch-nationaler Sozial- und Wirtschaftspolitik zog.102) Friedrich Naumann hatte schon in seiner ersten schriftlichen Zusage an Wilhelm Ruprecht vorgeschlagen, Pfarrer aus dem Umkreis der evangelischen Arbeitervereine und des Evangelisch-sozialen Kongresses mit der Abfassung kurzer Einführungsbände zu den gegen100)
Vgl. Friedrich Wilhelm Graf: Vorwort, in: ders. (Hrsg.): Liberale Theologie. Eine Ortsbestimmung, Gütersloh 1993, S. 7–9; Hartmut Ruddies: Liberale Theologie. Zur Dialektik eines komplexen Begriffs, in: ebd., S. 176–203; für die Zeit nach 1918: Matthias Wolfes: Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918, Berlin/New York 1999. 101) Wenngleich Naumanns Zeitschrift „Die Hilfe“ nie bei Vandenhoeck & Ruprecht erschien, wie Hübinger fälschlich behauptet. Vgl. Gangolf Hübinger: Kulturprotestantismus und Politik. Zum Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland, Tübingen 1994, S. 193f.; Hübinger/Müller: Verlage, S. 380. Zur Freundschaft Wilhelm und Gustav Ruprechts mit Naumann vgl. Ruprecht: Wilhelm Ruprecht, S. 143. 102) Vgl. Knut Borchardt/Cornelia Meyer-Stoll: Editorischer Bericht zu: Max Weber: Die Börse. I. Zweck und äußere Organisation der Börsen, in: Max Weber: Gesamtausgabe. Abt. I. Bd. 5/1, Tübingen 1999, S. 127–134, hier: S. 128.
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wärtig drängenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu betrauen.103) Tatsächlich waren die Autoren der Arbeiterbibliothek zum Teil Pfarrer, zum Teil Professoren und entstammten großenteils dem näheren Umfeld des Nationalsozialen Vereins sowie des Evangelisch-sozialen Kongresses. Max Weber wurde mit einer Erläuterung des Börsenwesens beauftragt, veranlasst durch die Eingabe zur Börsenreform im Reichstag von 1891.104) Die Broschüre „Gesunde Wohnungen“ (1896) verfasste Wilhelm Ruprecht. Der Umfang der Heftchen überstieg nie 80 Seiten, ihr Format war klein-oktav und die kartonierte Ausstattung zwar nicht komfortabel, aber mit einem Stückpreis von zehn Pfennig, der schon von Friedrich Naumann im ersten Entwurf der Reihe vorgeschlagen wurde, preiswert in der Anschaffung.105) Weitere Preisnachlässe ergaben sich aus mengengebundenen Rabattierungsangeboten des Verlags, die bei einer Abnahme von mehr als 50 bzw. 100 Exemplaren durch Einzelpersonen oder Vereine in Kraft traten und die Reihe für die national-soziale Vereinspropaganda tauglich machte.106) Friedrich Naumanns Hauptwerk bei Vandenhoeck & Ruprecht waren seine Andachten, die in sieben Einzelbänden und 1902 in einer Gesamtausgabe, der „Gotteshilfe“, erschienen. Neben Naumanns „Gotteshilfe“ sind die dreibändigen „Dorfpredigten“ Gustav Frenssens zu stellen. Der Autor, dem Nationalsozialen Verein nahe stehend und mit Wilhelm Ruprecht auf dem Evangelisch-sozialen Kongress 1899 bekannt geworden, war zum Zeitpunkt der Niederschrift der „Dorfpredigten“ Landpfarrer im holsteinischen Hemme.107) Ähnlich der „Gotteshilfe“ Naumanns bemühen sich die „Dorfpredigten“ um eine allgemeinverständliche Vermittlung protestantischer Glaubensinhalte und sind ebenfalls im praktisch-theologischen Kontext der Reformhomiletik zu verorten.108) Ist allerdings in den Andachten Naumanns ein ambitionierter Bildungsimpetus nicht zu verhehlen, geht Frenssen den volksmissionarischen Weg. In einfacher und bildhafter Sprache möchte er „zu jenen zahlreichen Leuten sprechen, die in die Kirche kommen wie in eines fremden Mannes vornehmes Haus.“109) Gegenüber dem urbanen Leserkreis, den Naumann anspricht, ist das Buch Frenssens für den Leser im ländlichen Raum gedacht, womit der homiletische
103)
Ebd. Vgl. ebd., S. 127–134; Knut Borchardt/Cornelia Meyer-Stoll: Editorischer Bericht zu Max Weber: Die Börse. II. Der Börsenverkehr, in: Max Weber: Gesamtausgabe. Abt. I. Bd. 5/2, Tübingen 2000, S. 614–618; Knut Borchardt: Max Webers: Börsenschriften. Rätsel um ein übersehenes Werk, München 2000. 105) Vgl. Borchardt/Meyer-Stoll: Bericht, S. 128. 106) Diese Angebote waren auf der Titelseite der Hefte abgedruckt, vgl. z. B. Friedrich Naumann: Nationale Sozialpolitik, Göttingen 1898, Umschlag. 107) Vgl. Andreas Crystall: Gustav Frenssen. Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus, Gütersloh 2002, spez. S. 116–155. 108) Vgl. ebd., S. 136ff. 109) Gustav Frenssen: Aus dem Vorwort zur ersten Auflage, in: Gustav Frenssen: Dorfpredigten, Erster Band, 4. Aufl. Göttingen 1902, S. 3. 104)
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Trend, Stadt und Land als Milieueinheiten zu trennen, nachvollzogen wurde.110) Die Anthologien Frenssens und Naumanns, die 1903 als „erfolgreichste Erbauungsschriftsteller der Gegenwart“ die theologische Ehrendoktorwürde der Heidelberger Universität erhielten, ergänzten die wissenschaftlichen Bibelkommentare und Predigthilfen von Vandenhoeck & Ruprecht so bedarfsgerecht, dass sie zu den herausragenden Longsellern des Verlags wurden.111) Naumanns „Gotteshilfe“ erreichte 1926 die sechste Auflage bei einer Gesamtauflagenhöhe von 19 000 Exemplaren. Der Absatz beider Werke brach Mitte der zwanziger Jahre ein. Von der 1926 herausgegebenen sechsten Auflage der „Gotteshilfe“ mit der Auflagenhöhe von 3300 Stück wurde bis 1933 lediglich die Hälfte abgesetzt. Die zweite Auflage der „Dorfpredigten“ in der Gesamtausgabe, die 1927 in einer Höhe von 2500 Stück angesetzt worden war, wurde bis 1933 nur in 932 Exemplaren verkauft. Der Evangelisch-soziale Kongress publizierte seit 1898 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht seine Tagungsberichte, die „Verhandlungen des EvangelischSozialen Kongresses“. Wiesen die Teilnehmerzahlen immerhin auf ein Absatzpotential von 650 bis 1950 Absatznehmern hin, beziffert nach den Teilnehmerzahlen 1899 bzw. 1913, so waren die indirekten Positionierungs- und Kontaktmöglichkeiten, die eine Präsenz auf einer zentralen Veranstaltung des kaiserzeitlichen Protestantismus dem Verlag bot, ungleich höher.112) Die Teilnehmer des Evangelisch-sozialen Kongresses setzten sich nur in seinen Anfangsjahren vorwiegend aus evangelischen Pfarrern zusammen. Später stieg, aufgrund der nachlassenden Beteiligung der Theologen, der prozentuale Anteil anderer Berufsgruppen, wie Nationalökonomen, Juristen, Verwaltungsbeamten, Angestellten und Angehörigen freier Berufe und damit von gesellschaftlichen Gruppen, die für einen Verlag attraktive potentielle Kunden darstellten.113) 110)
Vgl. Crystall: Gustav Frenssen, S. 138. Ernst Rolffs: Naumann und Frenssen, in: Theologische Rundschau 7 (1904), S. 229– 241, hier: S. 229; Crystall: Gustav Frenssen, S. 140; Rita R. Thalmann: Die Schwäche des Kulturprotestantismus bei der Bekämpfung des Antisemitismus, in: Kurt Nowak/Gérard Raulet (Hrsg.): Protestantismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/New York 1994, S. 147–165, hier: S. 148. 112) Vgl. Pollmann: Evangelisch-sozialer Kongreß; ders.: Friedrich Naumann und der Evangelisch-soziale Kongreß, in: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.): Friedrich Naumann in seiner Zeit, Berlin/New York 2000, S. 49–62; Harry Liebersohn: Religion and industrial society. The protestant social congress in Wilhelmine Germany, Philadelphia 1986; vom Bruch: Bürgerliche Sozialreform, S. 117–122; Kouri: Protestantismus, S. 117ff.; Volker Drehsen: „Evangelischer Glaube, brüderliche Wohlfahrt und wahre Bildung“. Der Evangelisch-soziale Kongreß als sozialethisches und praktisch-theologisches Forum des Kulturprotestantismus im Wilhelminischen Kaiserreich (1890–1914), in: Hans Martin Müller (Hrsg.): Kulturprotestantismus. Beiträge zu einer Gestalt des modernen Christentums, Gütersloh 1992, S. 190–229. 113) Hübinger: Kulturprotestantismus, S. 60f.; Gangolf Hübinger: Kulturprotestantismus, Bürgerkirche und liberaler Revisionismus in Deutschland, in: Wolfgang Schieder (Hrsg.): Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1993, S. 272–299, hier: S. 289. 111)
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Ein Programmpunkt des 25. Evangelisch-sozialen Kongresses im April 1914 waren „Rassefragen“. Paul Rohrbach, als evangelischer Theologe ehemals Generalsekretär des ESK sowie 1903–06 Wirtschaftssachverständiger und Kommissar für das Ansiedlungswesen in der deutschen Kolonie Südwestafrika, hielt ein Referat zum Thema „Die Behandlung der Eingeborenen in unseren Kolonien als sittliches und soziales Problem“.114) Rohrbach vertrat hierin einen radikal primordialen Rassismus. Die Schwarzen seien zwar „unsere Brüder“, sie seien jedoch „Menschen im ganzen geringerer Ordnung, Schutzbefohlene, die uns anvertraut sind, damit wir sie auf diejenige Stufe der Entwicklung bringen, die ihnen zu erreichen möglich ist.“115) Insofern glaube er auch nicht, „daß man die Neger christlich so weit bringen wird, wie die weiße Rasse im Religionsverständnis gekommen ist. Das Prinzip der christlichen Religion in Afrika muß nicht heißen Freiheit, sondern Autorität.“116) Der Vortrag wurde mehrfach von Heiterkeit und Zwischenrufen unterbrochen und erfuhr heftige, meist ablehnende Reaktionen, deren tumultöse Auswucherungen vom Kongressvorsitzenden Otto Baumgarten mit dem Hinweis unterbunden wurden, er sei zwar nicht der Meinung des Referenten, aber die Frage der Gleichwertigkeit von Rassen sei eine rein wissenschaftliche, gegen die man nicht „sofort das ethische Pathos“ aufbieten solle.117) Der Diskussionsstand über die Rassenfrage am Vorabend des Ersten Weltkriegs war also bereits von spürbaren Widersprüchen geprägt: Koloniale Diskriminierungsroutinen stießen auf Ablehnung, allerdings konnte wissenschaftliche Objektivität gegenüber Rassentheorien argumentativ noch eingefordert werden. Vandenhoeck & Ruprecht wurde, neben dem Tübinger theologisch-wissenschaftlichen Verlag J. C. B. Mohr (Siebeck), der „Hausverlag“ der so genannten Religionsgeschichtlichen Schule (RGS), einer informellen Arbeitsgemeinschaft befreundeter Göttinger Habilitanden der Jahre 1888–93.118) Zur RGS
114) Zu Rohrbach: Walter Mogk: Paul Rohrbach und das „Größere Deutschland“. Ethischer Imperialismus im Wilhelminischen Zeitalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturprotestantismus, München 1972. 115) Paul Rohrbach: Die Behandlung der Eingeborenen in unseren Kolonien als sittliches und soziales Problem, in: Die Verhandlungen des fünfundzwanzigsten Evangelisch-sozialen Kongresses abgehalten in Nürnberg vom 15.–17. April 1914, Göttingen 1914, S. 51–67, hier: S. 59. 116) Ebd., S. 64. 117) Die Verhandlungen des fünfundzwanzigsten Evangelisch-sozialen Kongresses abgehalten in Nürnberg vom 15.–17. April 1914, Göttingen 1914, S. 83. 118) Gerd Lüdemann/Alf Özen: Religionsgeschichtliche Schule, in: TRE, Bd. 28, S. 618–624; Gerd Lüdemann: Die „Religionsgeschichtliche Schule“, in: Bernd Moeller (Hrsg.): Theologie in Göttingen, Göttingen 1987, S. 325–361; Lüdemann (Hrsg.): „Religionsgeschichtliche Schule“; Lüdemann/ Schröder (Hrsg.): Schule; Michael Murrmann-Kahl: Die entzauberte Heilsgeschichte. Der Historismus erobert die Theologie 1880–1920, Gütersloh 1992; zur Problematik der Zurechnung einzelner Mitglieder zur Religionsgeschichtlichen Schule: Friedrich Wilhelm Graf: Der „Systematiker“ der „Kleinen Göttinger Fakultät“. Ernst Troeltschs Promotionsthesen und ihr Göttinger Kontext, in: Horst Renz/Friedrich
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und ihrem weiteren Umkreis gehörten Wilhelm Bousset, Albert Eichhorn, Hermann Gunkel, Ernst Troeltsch, Johannes Weiß, William Wrede, Heinrich Hackmann, Alfred Rahlfs, Wilhelm Heitmüller, Heinrich Weinel und Hugo Greßmann sowie als Vertreter der jüngeren Generation Rudolf Bultmann. Sie entwickelten ein gemeinsames methodisch-theoretisches Konzept der konsequenten Historisierung des Christentums im Rahmen einer vergleichenden Religionsgeschichte. Thematisch konzentrierten sie sich auf die Entstehungs- und Frühzeit des Christentums, das in seinen sozialen und politischen Zeitkontext eingebettet wurde. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht war maßgeblicher Partner und Förderer der wissenschaftlichen Qualifikation der RGS-Angehörigen sowie ihrer wissenschaftspolitischen Mission, Erkenntnisse historisch-kritischer Theologie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.119) Schon früh hielten die Mitglieder der RGS Vorträge in Norddeutschland und begannen, ihre Forschungsergebnisse auf regionaler und kirchlicher Ebene zu verbreiten.120) Bei Vandenhoeck & Ruprecht publizierten die Religionsgeschichtler vor allem im Rahmen von Reihenwerken, die den Forschungsergebnissen der RGS eine allgemein zugängliche und kanonisierte Form verliehen. Die Vertriebsmechanismen für periodische, wissenschaftliche Verlagsunternehmen garantierten einen kontinuierlichen Mindestabsatz institutioneller Absatznehmer. Darüber hinaus gelang es, ein theologisch interessiertes Laienpublikum zu erreichen. Besonders das „Göttinger Bibelwerk“, eine von Johannes Weiß seit 1905 herausgegebene Neuübersetzung und Kommentierung des Neuen Testaments, hatte durchschlagenden Erfolg. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht wurde im Zuge dieser Veröffentlichungen für die Angehörigen der RGS zu einem wichtigen lokalen Kommunikationsort. Innerhalb der überschaubaren Kleinstadt und neben den gemeinsamen Seminaren bei den akademischen Lehrern Albrecht Ritschl, Paul de Lagarde, Bernhard Duhm sowie den überwiegend studentischen Geselligkeitsformen der Religionsgeschichtler, wie Burschenschaft oder Kneipenabend, bot der Verlag weitere Kommunikationsräume und -möglichkeiten. Vandenhoeck & Ruprecht war Teil des, wie es der Zeitgenosse Julius Wellhausen süffisant formulierte, „Göttinger Klüngels“, der die akademische
Wilhelm Graf (Hrsg.): Untersuchungen zur Biographie und Werkgeschichte, Gütersloh 1982, S. 235– 290; zur RGS im Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht auch: Hübinger/ Müller: Verlage, S. 380; Matthias Wolfes: Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918, Berlin/New York 1999, S. 50. 119) Özen: Wurzeln, S. 25, 29, 60ff.; zu Popularisierungsbestrebungen der Religionsgeschichtlichen Schule vgl. Nittert Janssen: Theologie fürs Volk. Eine Untersuchung über den Einfluß der Religionsgeschichtlichen Schule auf die Popularisierung der theologischen Forschung vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Liberalismus der lutherischen Landeskirche Hannovers, Göttingen 1993; Lüdemann/Schröder (Hrsg.): Schule, S. 109–132; Ruprecht: Erinnerungen, S. 5f.; Ruprecht: Väter, S. 223. 120) Özen: Wurzeln, S. 25.
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Schulbildung der RGS ermöglichte.121) Wilhelm Ruprecht berichtete, die Autoren „gingen während dieser Zeit in den Häusern der Ruprechts ein und aus, in denen ernster Anteil an ihrem Ringen um wissenschaftliche Wahrhaftigkeit genommen wurde.“122) Wilhelm Bousset hielt im Haus der Familie Gustav Ruprechts Bibelstunden. Der Verlagsautor Wilhelm Heitmüller wohnte dort während seiner Göttinger Zeit als Privatdozent jahrelang zur Untermiete.123) Unmittelbare Nachbarschaft bestand zwischen dem Elternhaus Wilhelm und Gustav Ruprechts und dem Wohnhaus Albrecht Ritschls, dessen Tochter in ihrer Jugend Spielgefährtin der Verleger war.124) Durch ihre Heirat mit dem Theologen Johannes Weiß, der wiederum Mitglied der RGS war, entstand eine freundschaftliche Verbindung auch zu diesem späteren Verlagsautor. Wilhelm Bousset und Johannes Weiß waren wie Wilhelm Ruprecht Mitglieder im Nationalsozialen Verein.125) Laut Rudolf Smend hielten die Theologen der Religionsgeschichtlichen Schule „zeitlebens, schon weil die meisten ihrer Schriften bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen, die Verbindung mit Göttingen.“126) Ergebnis dieser theologischen und buchhändlerischen Liaison war ein expandierendes Absatzsegment moderner Theologie, das die Resultate der wissenschaftlichen Innovation in leicht zugänglicher Form in breite Käuferkreise streute. Dieser Trend lässt sich auch in anderen publizistisch erfolgreichen theologischen Richtungen um 1900 feststellen, die sich den Herausforderungen der modernen Kommunikationsgesellschaft stellten.127) Die Spezifität des „Göttinger Christentums“ lag, so konstatierte es der Zeitgenosse Carl Albrecht Bernoulli mit Beunruhigung, im „Kausalnexus zwischen Theologie und Patriotismus“.128) Die Nachwirkungen der pro-preußischen Gesinnung des 1889 verstorbenen Albrecht Ritschl, die mit der Entlassung Bismarcks erneut auflebte, fielen in die Jahre der religionsgeschichtlichen Schulbildung und beflügelten das lokale politische Stimmungsbild. 121)
Julius Wellhausen an Enno Littmann, 21. 01. 1915, zitiert nach: Lüdemann/Schröder (Hrsg.): Schule, S. 33, 40. 122) Özen: Wurzeln, S. 63; Ruprecht: Erinnerungen, S. 1–12; Ruprecht: Väter, S. 222. 123) Vgl. Ruprecht: Väter, S. 222; Ruprecht: Das alte Haus, S. 11, 17ff.; Ruprecht: Erinnerungen, S. 3. 124) Gustav Ruprecht. Nachruf. o. O. [Göttingen] o. J. [1953], S. 1; Ruprecht: Erinnerungen, S. 5. 125) Vgl. Klaus Berger: Nationalsoziale Religionsgeschichte. Wilhelm Bousset 1865–1920, in: Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Profile des neuzeitlichen Protestantismus. Bd. 2. Kaiserreich. Teil 2, Gütersloh 1993, S. 279–294, hier: S. 281; Berthold Lannert: Die Wiederentdeckung der neutestamentlichen Eschatologie durch Johannes Weiß, Tübingen 1989, S. 39ff.; Friedrich Wilhelm Graf: Rettung der Persönlichkeit. Protestantische Theologie als Kulturwissenschaft des Christentums, in: Rüdiger vom Bruch/Friedrich Wilhelm Graf/ Gangolf Hübinger (Hrsg.): Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Wiesbaden/Stuttgart 1989, S. 103–131, hier: S. 115. 126) Smend: Bibel, S. 68. 127) Graf: Rettung der Persönlichkeit, S. 108. 128) Carl Albrecht Bernoulli: Christus in Hilligenlei. Ein Wort zur Klarstellung, Jena 1906, S. 9; vgl. auch: Thalmann: Schwäche, S. 148.
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Radikale publizistische Resultate waren Johannes Weiß’ „Nachfolge Christi“ (1895, G. Nauck), der die zeitgemäße Rolle Christi im heroischen Staatsmann oder Feldherrn sah, oder Gustav Frenssens germanisierter Leben-Jesu-Bestseller „Hilligenlei“ (1901, Grote’sche Verlagsbuchhandlung). War letzterer für Friedrich Niebergall eine gelungene Popularisierung modern-liberaler Theologie, prangerte Carl Albrecht Bernoulli die „radikal entjudete“ Darstellung an.129) Explizit verwies er auf die Verflechtung von Absatzsegmenten populärer, modern-theologischer, patriotischer Erbauungsliteratur, wie Frenssens „Hilligenlei“, und den Publikationen der liberalen Theologie aus dem Umfeld der Religionsgeschichtlichen Schule: „Das bedeutet aber, was kein Kenner leugnen wird, daß jene differenzierten, modern benervten, feinhörigen jungen Begabungen, auf deren Talenten das gegenwärtige Ansehen der modernen Theologie vorwiegend beruht, Bousset, Wernle, Weinel und ihre Freunde […] alle Ursache [haben], sich über Frenssens Erfolg zu freuen; denn er ist es doch, der ihrer persönlichen Gesinnung wieder neue, weite Absatzgebiete öffnet, wenn sie nun auch vor einer womöglich wachsenden Zuschauerschaft im Vertreten ihrer individuellen Meinungen einen immer verzwickteren Eiertanz aufzuführen haben werden.“130)
Mit ihrem historisierenden Forschungsprogramm postulierten die Religionsgeschichtler methodische Modernität und Strenge, waren jedoch verhaftet in antisemitischen Implikationen liberaler Theologie, die bei einem Großteil der liberalen Theologenschaft zum symbolischen Code ihrer Zunft gehörte.131) Das bevorzugte inhaltliche Terrain ihrer Forschung, die Auseinandersetzung mit den Entstehungskontexten des Christentums, brachte notwendig die Auseinandersetzung mit seiner jüdischen Umwelt und seinen jüdischen Traditionen mit sich, die allerdings negiert oder allenfalls widerstrebend zur Kenntnis genommen wurden. Diskriminierende Momente der religionsgeschichtlichen Arbeit zeigten sich schon auf der basalen, begrifflichen Ebene. Zur Kennzeichnung der jüdischen Umwelt des frühen Christentums war seit Beginn des 19. Jahrhunderts in der neutestamentlichen Forschung der Begriff „Spätjudentum“ gebräuchlich.132) Durch Wilhelm Boussets „Die Reli129)
Ebd., S. 148; Friedrich Niebergall: Hilligenlei und die moderne Theologie, Tübingen 1906; Carl Albrecht Bernoulli: Christus in Hilligenlei. Ein Wort zur Klarstellung, Jena 1906, S. 8f., 16. 130) Bernoulli: Christus, S. 30f. 131) Wolfgang Wiefel: Von Strack zu Jeremias. Der Anteil der neutestamentlichen Wissenschaft an der Vorgeschichte der evangelischen Judaistik, in: Kurt Nowak/Gérard Raulet (Hrsg.): Protestantismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/ New York 1994, S. 95–125; für den schon klischeehaften Forschungskonsens über den theologischen Antisemitismus des Kaiserreichs: Friedrich Wilhelm Graf: Nicht alle frommen Lutheraner waren Judenfeinde. Wolfgang E. Heinrichs ersetzt das Klischee vom protestantischen Antisemitismus im Kaiserreich durch ein Bild der Vielfalt, in: FAZ, 19. 11. 2001, S. 48. 132) Wiefel: Strack, S. 118ff.; Fritz Werner: Das Judentumsbild der Spätjudentumsforschung im Dritten Reich, in: Kairos 13 (1971), S. 161–194; Charlotte Klein: Theologie und Anti-Judaismus. Eine Studie zur deutschen theologischen Literatur der Gegenwart, München 1975, S. 39ff.; Uriel Tal: Christians and Jews in Germany. Religion, politics, and ideology in the Second Reich. 1870–1914, Ithaca/London 1975, S. 192f.; ähnliche Argumenta-
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gion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter“ (1903, Reuther und Reichard) fand er im Umkreis der Religionsgeschichtlichen Schule Verbreitung und diente dazu, Traditionslinien zwischen der alttestamentarischen Glaubensüberlieferung sowie dem neutestamentlichen, als heidnisch degeneriert charakterisierten Judentum zu unterbinden und so der Fortschrittsleistung des Christentums, das auf hellenistisches Denken zurückgeführt wurde, Nachdruck zu verleihen. Abgewertet wurden aber nicht nur jüdische Ursprünge des Christentums, sondern auch die nachbiblische Existenz und die weitere Entwicklung des Judentums, das mit der Bezeichnung „Spätjudentum“ zu einem Ende gekommen schien. In „Kyrios Christos“ (1913, Vandenhoeck & Ruprecht) sprach Bousset sich strikt gegen eine Fundierung des Christentums im Alten Testament aus. Die neutestamentliche Christologie sei im Wesentlichen durch Paulus geprägt, der dem hellenistischen Milieu entstamme. Bousset konnte mit seinen antisemitischen Begriffsdifferenzierungen an seinen Göttinger Lehrer und Kollegen, den Alttestamentler, Orientalisten und Nachfolger Paul de Lagardes, Julius Wellhausen anknüpfen, der in seiner „Israelitischen und jüdischen Geschichte“ (1894, Georg Reimer), den theologisch-liberalen Begriffsgewohnheiten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgend, ein vorexilisches Israel strikt von einem nachexilischen Judentum abgrenzte.133) Diese bipolare Asymmetrie ermöglichte es, die religiösen Werte des „alten Israel“ beizubehalten und sich gleichzeitig vom defizitären, nachexilischen Judentum, das ganz von der starren Herrschaft des Gesetzes geprägt gewesen sei, zu distanzieren. Die Widersprüchlichkeit dieser antisemitisch grundierten Vorgehensweise gegenüber der eigenen historisch-objektivierenden Methodologie wurde zutionen findet Leonore Siegele-Wenschkewitz im Frühwerk des Neutestamentlers Gerhard Kittel, vgl. Leonore Siegele-Wenschkewitz: Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte, München 1980, S. 51f.; Karlheinz Müller: Das Judentum in der religionsgeschichtlichen Arbeit am Neuen Testament. Eine kritische Rückschau auf die Entwicklung einer Methodik bis zu den Qumranfunden, Frankfurt am Main/Bern 1983, S. 103–117; Lüdemann: Religionsgeschichtliche Schule, S. 342ff.; Kurt Nowak: Protestantismus und Judentum in der Weimarer Republik. Überlegungen zu einer Forschungsaufgabe, in: Theologische Literaturzeitung 113 (1988), Sp. 561–578, hier: Sp. 572f.; Christian Wiese: Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere? Tübingen 1999, S. 140–178, hier: S. 142; die dritte veränderte Auflage von „Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter“ gab Hugo Greßmann 1926 bei J.C.B. Mohr (Siebeck) in Tübingen unter dem Titel „Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter“ heraus. 133) Vgl. Werner: Judentumsbild; Ulrich Kusche: Die unterlegene Religion. Das Judentum im Urteil deutscher Alttestamentler, Berlin 1991, S. 30–74; Rolf Rendtorff: The image of postexilic Israel in German bible scholarship from Wellhausen to von Rad, in: Michael Fishbane/Emanuel Tov (Hrsg.): Sha’arei Talmon. Studies in the Bible, Qumran and the Ancient Near East, Winona Lake 1992, S. 165–173; Rudolf Smend: Wellhausen und das Judentum, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 79 (1982), S. 249–282; Wiese: Wissenschaft, S. 134; Weber: Altes Testament, S. 86f.; Heinrichs: Judenbild, S. 382f.
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gunsten des wissenschafts- und kulturpolitischen Zieles, das Christentum in seinem kultur- und religionsgeschichtlichen Eigenwert hervorzuheben, in Kauf genommen. Anlass dieser mentalen Abwehrhaltung mag gewesen sein, dass eine übergroße Nähe christlicher und jüdischer Religionsinhalte eigene religiöse und damit durchaus existentielle Identitätskonzepte gefährdet hätte.134) Dieser Deutung folgend, bewegten sich die Religionsgeschichtler auf dem ambivalenten Weg historisierender Wissenschaftler des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die einerseits die methodische Versachlichung von Vergangenheit betrieben, andererseits von kulturellen Gesamtdeutungsversuchen ihrer Gegenwart oder Entwicklungskonzepten persönlicher Identität nicht abließen. Zur Stabilisierung ihrer Identität bedienten sie sich, in Anlehnung an Bernhard Giesen, traditionaler Codierungen, d. h. Strategien, eigene Identitätskonzepte in das Kontinuum einer entsprechend konstruierten Vergangenheit zu stellen.135) Einmal mehr offenbart sich der Antisemitismus des Kaiserreichs als kultureller Code der Identitätssicherung, den die Religionsgeschichtler nicht so sehr gegenüber jüdischen Mitbürgern oder im politischen Antisemitismus praktizierten, aber auf ihre wissenschaftliche Arbeit projizierten.136) Innerhalb des zeitgenössischen Horizonts möglicher Einstellungen gegenüber jüdischen Traditionen des Christentums entsprach das Distinktionsbedürfnis der Religionsgeschichtler einer mittleren Position zwischen der Bejahung jüdischer Ursprünge des Christentums sowie Anerkennung einer neuzeitlichen jüdischen Theologie und primordial codierten Apartheidsargumentationen und Germanisierungsbestrebungen christlicher Religion. 2.2 Theologische Unbedingtheit: Weimarer Theologie Unter dem Eindruck nachlassenden Absatzes des liberaltheologischen Produktkerns von Vandenhoeck & Ruprecht wurde seit Mitte der zwanziger Jahre das Verlagsprogramm insbesondere für die lutherische Theologie geöffnet. Maßgebliche Autoren waren die nationalen Neulutheraner Paul Althaus, Emanuel Hirsch und Erich Seeberg. Innerhalb der hochgradig politisierten Weimarer Theologie waren dies Autoren, die eine dezidiert politische Theologie vertraten, verstanden als eine Theologie, die politische Ethik zum Leitbegriff ihres theologischen Lehrgebäudes macht.137) Der Verlag verfolgte gleichwohl keine starre, einseitige Produktpolitik. Vielmehr blieb er offen für anderweitige theologische Standpunkte, zu denen der religiöse Sozialist Paul Tillich, der norwegische Lutheraner Eivind Berggrav oder weiterhin liberale Theologen gehörten, was weniger ein Indiz für theologische Toleranz als das Gebot eines unberechenbaren Absatzmarkts war. Unbenommen ihrer 134)
Ebd., S. 468ff. Giesen: Identität, S. 187, 42f. 136) Graf: Rettung der Persönlichkeit, S. 115. 137) Vgl. Scholder: Kirchen, S. 130. 135)
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theologischen oder politischen Differenzen war die hervorstechende Gemeinsamkeit dieser bei Vandenhoeck & Ruprecht vertretenen jüngeren Autorengeneration, wie der gesamten jüngeren Weimarer Theologengeneration, ihr wissenschaftspolitischer, antihistorischer Impetus, den anämischen Relativismus historisch-kritischer Forschung durch eine neue unbedingte und verbindlich-absolute Theologie zu ersetzen. Er trug dazu bei, dass im traditionell liberalen, religionsgeschichtlichen Verlag Vandenhoeck & Ruprecht die „antihistoristische Revolution“ der Weimarer Theologie Einzug hielt.138) Damit die zeitgenössisch aktuellen theologischen Debatten nicht ohne Publikationen aus dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht geführt wurden, hat, laut Günther Ruprecht, sein Vater 1926 mit der Verpflichtung des Erlanger Systematikers Paul Althaus „entschlossen die theologische Wende für den Verlag eingeleitet.“139) Tatsächlich hatte Althaus schon 1916 als Göttinger Privatdozent das „Lodzer Kriegsbüchlein“ und 1917 „Um Glauben und Vaterland“ von Vandenhoeck & Ruprecht verlegen lassen, war allerdings in den ersten Nachkriegsjahren theologischer Hauptautor im C. Bertelsmann-Verlag geworden, wo er bis 1945 an die sechzig Einzeltitel publizierte, darunter die populären politisch-theologischen Schriften „Kirche und Volkstum“ (1928) und „Theologie der Ordnungen“ (1934). Ferner war er seit 1923 Mitherausgeber der „Zeitschrift für systematische Theologie“.140) Ausschlaggebend für die Bindung an den Bertelsmann-Verlag sei, so Günther Ruprecht, ein „damals geradezu unerhörtes Angebot“ von Bertelsmann-Chef Heinrich Mohn gewesen, Althaus ein Voraushonorar von zehn Prozent des Ladenpreises einer gesamten Auflage bei deren Erscheinen anzubieten. Im Übrigen bleibt zu bedenken, dass Althaus bereits 1915 die Anthologie „Der Friedhof unserer Väter. Ein Gang durch die Sterbe- und Ewigkeitslieder der evangelischen Kirche“ für Bertelsmann zusammengestellt hatte und schon sein Vater Paul Althaus d.Ä. Bertelsmann-Autor gewesen war.141) Bei Vandenhoeck & Ruprecht gab Althaus zusammen mit Johannes Behm, ein mit Althaus befreundeter konservativer lutherischer Theologe und seit 138)
Vgl. Friedrich Wilhelm Graf: Geschichte durch Übergeschichte überwinden. Antihistoristisches Geschichtsdenken in der protestantischen Theologie der 1920er Jahre, in: Wolfgang Küttler/Jörn Rüsen/Ernst Schulin u. a. (Hrsg.): Geschichtsdiskurs. Bd. 4. Krisenbewußtsein, Katastrophenerfahrungen und Innovationen 1880–1945, Frankfurt/M. 1997, S. 217–244; ders.: Die „antihistoristische Revolution“ in der protestantischen Theologie der zwanziger Jahre, in: Jan Rohls/Gunther Wenz (Hrsg.): Vernunft des Glaubens. Wissenschaftliche Theologie und kirchliche Lehre. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wolfhart Pannenberg, Göttingen 1988, S. 377–405; Wolfgang Hardtwig: Hochkultur des bürgerlichen Zeitalters, Göttingen 2005, S. 77–102, hier: S. 82. 139) Ruprecht: Erinnerungen, S. 19. 140) Vgl. Stefan Pautler/Trutz Rendtorff: „Volksgemeinschaft“ als Schöpfungsordnung. Die politische Ethik von Paul Althaus, in: Friedländer/Frei/Rendtorff/Wittmann: Bertelsmann, S. 197–208. 141) Ruprecht: Erinnerungen, S. 19; Pautler/Rendtorff: Volksgemeinschaft, S. 198.
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1923 ordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen, eine neu übersetzte und kommentierte Ausgabe des Neuen Testaments heraus, das „Neue Testament. Deutsch“ mit dem Untertitel „Neues Göttinger Bibelwerk“, die er 1932 mit einer Auslegung des Römerbriefs eröffnete. Die verlegerischen Planungen hierfür gingen allerdings bis vor den Ersten Weltkrieg zurück und betrafen eine modifizierte Neuausgabe der schwer verkäuflichen, da religionsgeschichtlich ausgerichteten „Schriften des Neuen Testaments“.142) Nach Empfehlung des Berliner Kirchenhistorikers Hans Lietzmann kam es im Dezember 1928 zur Unterzeichnung des Herausgebervertrags mit Paul Althaus über einen exegetischen Kommentar „nicht nur für Theologen, sondern für weiteste Kreise“.143) Die Reihe sollte „über die Grenzen der liberalen Bearbeitung des Neuen Testaments […] wesentlich hinausführen“ und demgegenüber „wirklich in die Sache“ einführen.144) Ihre Entstehung verlief nicht ohne Komplikationen, und kaum ein Beitrag erschien von dem Autor, der ursprünglich vorgesehen war. Diskutiert wurde beispielsweise immer wieder eine Mitautorschaft Emanuel Hirschs, der zeitweise Berater war, oder Rudolf Bultmanns, dem man den Römerbrief anvertrauen wollte, da er dort „keine zügellose Kritik treiben“ könne.145) Trotz der verschiedenen Lager, denen die letztendlich verantwortlichen Autoren später im Kirchenkampf zum Teil angehörten, wurde die Reihe in der ersten Auflage 1937 beendet und eine zweite Auflage unmittelbar angeschlossen. 1933 übertrug Althaus Vandenhoeck & Ruprecht seine Schrift „Die deutsche Stunde der Kirche“, da er, wie wiederum Günther Ruprecht sich erinnert, die „nationale Gesinnung“ Gustav Ruprechts „kannte und teilte“.146) „Die deutsche Stunde“ war Bestandteil einer breiten Flut theologischer Kommentare zum politischen Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg und zur aktuellen kirchenpolitischen Situation des Protestantismus in Deutschland. In seinem nationalen Weckruf an die deutschen Protestanten verwendet Althaus zwar einen primordial codierten Volksbegriff, der sich aus der „natürlichen“ und „geschichtlichen“ Verbundenheit einer „Lebenseinheit von Menschen“, ihrer „Gemeinsamkeit des Bodens, des Blutes, des Schicksals“, generiert und weist der Volksbindung des Einzelnen hieratische Dignität zu; trotzdem ist Althaus kein Rassismus nachzuweisen.147) Im Vergleich zu den primordial rassistischen Theologien Wilhelm Stapels oder Max Maurenbrechers widerspricht er der Verabsolutierung eines einzelnen Volkes und unterstellt alle 142)
Vgl. Martin Meiser: Paul Althaus als Neutestamentler. Eine Untersuchung der Werke, Briefe, unveröffentlichten Manuskripte und Randbemerkungen, Stuttgart 1993, S. 153ff.; Ruprecht: Väter, S. 273f. 143) Paul Althaus/Johannes Behm: Nachwort zum Gesamtwerke, in: Gotthold Holzhey: Namen- und Sachweiser zum Gesamtwerk, Göttingen 1938, S. 119–122, hier: S. 119. 144) Ebd., S. 120. 145) Vgl. Meiser: Paul Althaus, S. 156, Anm. 35. 146) Ruprecht: Erinnerungen, S. 21. 147) Zitate: Paul Althaus: Die deutsche Stunde der Kirche, 2. Aufl. Göttingen 1934, S. 36.
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nationalen Ordnungen der göttlichen Ordnung: „Das Volk ist Geschöpf […] sterblich und vergänglich, begrenzt und sündlich.“148) Der Autor seinerseits war dem Juniorchef nicht nur geschäftlich zugeneigt. So schrieb er an Gustav Ruprecht im November 1931, Günther Ruprecht solle ein strittiges Manuskript der Reihe „Neues Testament. Deutsch“ beurteilen, er habe „doch ein gutes Gefühl dafür […], wie man heute in der Theologie reden darf und wie nicht.“149) Noch im September 1933 versuchte der Verlag Althaus zur Mitarbeit an der Zeitschrift „Junge Kirche“ zu überreden.150) Zehn Tage später veröffentlichte Paul Althaus zusammen mit seinem Erlanger Amtskollegen in der Systematischen Theologie Werner Elert das „Erlanger Gutachten“, das der Anwendung des „Arierparagraphen“ auf Beamte der evangelischen Kirche zustimmte. Die „Junge Kirche“, die unter der Verantwortung von Günther Ruprecht im Tochterunternehmen von Vandenhoeck & Ruprecht, dem Verlag Junge Kirche. Günther Ruprecht, produziert wurde, war dagegen schon seit Juni 1933 das publizistische Flaggschiff der Bekennenden Kirche geworden.151) Einmal mehr verdeutlichen die Geschäftsbeziehungen zwischen Vandenhoeck & Ruprecht und Althaus, wie dicht die kirchenpolitisch getrennten Lager des Jahres 1933 theologiehistorisch beieinander lagen. Emanuel Hirsch war ein zweiter Vertreter der nationalen Lutherrenaissance bei Vandenhoeck & Ruprecht. Seit seiner 1914 bei Arthur Titius in Göttingen angefertigten Dissertation „Fichtes Religionsphilosophie im Rahmen der philosophischen Gesamtentwicklung Fichtes“ war er Verlagsautor, hatte das „Lutherbrevier. Von Gottesfurcht und Gottvertrauen. Betrachtungen Martin Luthers“ (1917) herausgegeben, „Luthers Gottesanschauung“ (1918) und „Die Theologie des Andreas Osiander und ihre geschichtlichen Voraussetzungen“ (1919).152) Nach seiner Habilitation 1915 in Bonn bei Otto Ritschl war Hirsch seit dem Wintersemester 1920/21 Ordinarius für Kirchengeschichte an der Göttinger Universität. Er war einer der eifrigsten Autoren von Vandenhoeck & Ruprecht und ließ die Bücher „Deutschlands 148) Althaus: Stunde, S. 47; Althaus’ vergleichsweise gemäßigte Position bestätigt: Robert P. Ericksen: Theologen unter Hitler. Das Bündnis zwischen evangelischer Dogmatik und Nationalsozialismus. München/Wien, S. 121. 149) Paul Althaus an Gustav Ruprecht, 28. 11. 1931, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Althaus. 150) Vandenhoeck & Ruprecht an Paul Althaus, 15. 09. 1933, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Althaus. 151) Zur „Jungen Kirche“ vgl. Beate Albrecht: Evangelische Publizistik und NS-Diktatur 1933 bis 1941. Am Beispiel des Hannoverschen Sonntagsblattes, des Stuttgarter Evangelischen Sonntagsblattes und der Jungen Kirche, Diss. Phil. Univ. Hannover 2002, S. 9f. URL: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=966247493&dok_var=d1&dok_ext=pdf& filename=966247493.pdf (07. 09. 2010). 152) Zur Biographie Hirschs vgl. Wolfgang Trillhaas: Emanuel Hirsch in Göttingen, in: Hans Martin Müller (Hrsg.): Christliche Wahrheit und neuzeitliches Denken. Zu Emanuel Hirschs Leben und Werk, Tübingen/Goslar 1984, S. 37–59, hier: S. 38–40.
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Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht“ (1920), „Die Reich-Gottes-Begriffe des neueren europäischen Denkens“ (1921) und „Der Sinn des Gebets. Fragen und Antworten“ (1921), „Jesus Christus, der Herr“ (1926), „Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert“ (1929) sowie „Fichtes, Hegels und Schleiermachers Verhältnis zur Reformation“ (1930) folgen. Konstitutiv für Hirschs Theologie ist seine in Luthers Rechtfertigungslehre begründete, maßgeblich von Kierkegaard und der Subjektphilosophie Fichtes beeinflusste Gewissensethik. Demnach habe der Einzelne „die sittliche Entscheidung über seine Aufgaben und Handlungen stets intuitiv, aus der Tiefe seines Lebensgefühls heraus“ zu treffen.153) Über das theologische Prinzip hinaus wird die Gewissensethik zum Prinzip seines wissenschaftlichen Arbeitens und zur Grundlage seiner thematischen und theologischen Geschichts- und Politikauffassung, wie sie sich in den zwanziger Jahren in den Vorlesungssammlungen „Deutschlands Schicksal“, „Die Reich-Gottes-Begriffe des neueren europäischen Denkens“ sowie „Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert“ manifestiert. Sie wird auch zum Schlüsselbegriff seiner politischen Theologie.154) Hirsch diagnostiziert die gegenwärtige Lage Deutschlands vor dem Hintergrund der Kriegsniederlage als realhistorische Ausformung des Theodizee-Problems, auf das die „Gemeinschaft der Gewissen“ die Antwort böte, damit der deutsche Staat „wieder ein geschlossener Wille, eine geschlossene Persönlichkeit werde“.155) Volks-, Staats- und nationale Fragen sind mithin zentrale Elemente der politischen Theologie Hirschs.156) Sie gehen einher mit einem antiindividualistischen, primordial codierten Verständnis von Volksgemeinschaft als einer „aus Blut und Schicksal geschmiedeten natürlichen Gemeinschaft“, die Hirsch aber nicht näher konkretisiert oder vergleichend bewertet.157) Ist in seinen Arbeiten bis 1933 seine rechtskonservative politische Position und die Ablehnung der Weimarer Republik unverkennbar, so begrüß-
153)
Emanuel Hirsch: Deutschlands Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht, Göttingen 1921, S. 32; Heinrich Assel: Der andere Aufbruch: Die Lutherrenaissance – Ursprünge, Aporien und Wege. Karl Holl, Emanuel Hirsch, Rudolf Hermann (1910–1935), Göttingen 1993, S. 164ff. 154) Jens Holger Schjørring: Theologische Gewissensethik und politische Wirklichkeit. Das Beispiel Eduard Geismars und Emanuel Hirschs, Göttingen 1979, S. 60, 71ff. 143f.; Wolfgang Tilgner: Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube. Ein Beitrag zur Geschichte des Kirchenkampfes, Göttingen 1966, S. 136–157; Gunda Schneider-Flume: Die politische Theologie Emanuel Hirschs 1918–1933, Bern/Frankfurt am Main 1971; Wolfgang Hardtwig: Political religion in modern Germany: reflections on nationalism, socialism, and nationalsocialism, in: Bulletin of the German Historical Institute 28 (2001), S. 3–27, hier: S. 9; Scholder: Kirchen, S. 128ff. 155) Trillhaas: Emanuel Hirsch, S. 42; Hirsch: Deutschlands Schicksal, S. 150. 156) Martin Ohst: Der 1. Weltkrieg in der Perspektive Emanuel Hirschs, in: Thomas Kaufmann/Harry Oelke (Hrsg.): Evangelische Kirchenhistoriker im ‚Dritten Reich‘, Gütersloh 2002, S. 64–121, hier: S. 84–88. 157) Hirsch: Staat und Kirche, S. 59; Schjørring: Gewissensethik, S. 139.
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te Hirsch in seiner 1934 bei Vandenhoeck & Ruprecht veröffentlichten Schrift „Die gegenwärtige geistige Lage im Spiegel philosophischer und theologischer Besinnung. Akademische Vorlesungen zum Verständnis des deutschen Jahres 1933“ emphatisch die nationalsozialistische Machtergreifung als nationale und religiöse Erweckung.158) Diese Veröffentlichung verlegte Günther Ruprecht, seinen Erinnerungen zufolge, noch auf Wunsch seines Vaters, danach habe er seinem Vater und seinem Onkel die „Kabinettsfrage“ gestellt, dass entweder der Autor Hirsch oder er mit der „Jungen Kirche“ aus dem Verlag ausscheiden müsse.159) Seit 1934 war Hirsch daher nicht mehr Verlagsautor. Hirsch war ein eindeutiger Erfolgsautor des Verlags und bis 1932 Stabilitätsfaktor in der Absatzkonfusion der Weimarer Jahre; dann erlahmte das Interesse an seinen Publikationen. Die Verleger hingegen hatten schon 1921 ganz andere Erklärungen für das damals noch mehr als erfreuliche Absatzverhalten von „Deutschlands Schicksal“. An der Verbreitung des Buches sei, wie Sortimentsbuchhändler an den Verlag berichtet hätten, „der Name ‚Hirsch‘ hinderlich, man wittere dahinter einen Juden.“ Dieses verbreitete Gerücht habe nur durch eine Anzeige im „Börsenblatt“ widerlegt werden können, die besagte, „dieser Hirsch sei gut germanischer Abkunft.“160) In der Tat war das Gerücht, Hirsch sei jüdischer Abstammung, weit verbreitet, verfolgte ihn bis in seine akademische Karriere und soll seine Berufung auf den Berliner Lehrstuhl Karl Holls zugunsten Erich Seebergs verhindert haben.161) Insoweit war das Urteil der Ruprechts über das Vorurteil ihrer potentiellen Kundschaft durchaus zutreffend und in alltäglichen Konventionen abgefedert, wie auch die Anzeige von Vandenhoeck & Ruprecht im „Börsenblatt“ von einer Akzeptanz antisemitischer Codierungen im buchhändlerischen Normalfeld auszugehen scheint. Bitterkeit entbehrt es nicht, dass eben jener als ‚jüdisch‘ stigmatisierte Emanuel Hirsch in den dreißiger Jahren an Versuchen der Deutschen Christen in Bremen beteiligt war, ‚jüdische‘ Namen aus dem evangelischen Gesangbuch zu tilgen.162) Althaus und Hirsch tendieren zu einem primordial codierten Rassismus. Ihre Begriffe nationaler oder ethnischer Gemeinschaften sind hermetisch geschlossene Konstrukte und zudem innerhalb ihrer Wissenschaftsgebäude 158)
Vgl. Schjørring: Gewissensethik, S. 186ff. Augenzeugenbefragung Günther Ruprecht, S. 3. 160) Beide Zitate: Vandenhoeck & Ruprecht an Ludwig Aschoff, 13. 06. 1921, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 128; die Anzeige findet sich in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 28 (1921), Nr. 7, 10. 01. 1921, S. 253. 161) Ericksen: Theologen, S. 255; Thomas Kaufmann: „Anpassung“ als historiographisches Konzept. Der Kirchenhistoriker Erich Seeberg in der Zeit der Weimarer Republik und des ‚Dritten Reiches‘, in: ders./Oelke: Kirchenhistoriker, S. 122–272, hier: S. 142, Anm. 74; zum Vorurteil „jüdischer“ Namen vgl. Dietz Bering: Der Name als Stigma. Antisemitismus im deutschen Alltag 1812–1933, Stuttgart 1987; ders.: Der „jüdische“ Name, in: Julius H. Schoeps/Joachim Schlör (Hrsg.): Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, München 1995, S. 153–166. 162) Schjørring: Gewissensethik, S. 195. 159)
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zentral positioniert. Verstärkend wirkt, dass sie mit ihrer Theologie politische Ordnungsmacht beanspruchen. Ihre nationale Emphase erreicht aber nie den äußersten Grad rassistischer Radikalität, die in zeitgenössisch denkbaren theologischen Entwürfen deutsch-christlicher Autoren zu finden ist. Der Gestus der Unbedingtheit, mit dem sie ihre theologische Mission betreiben, ist ihnen im Übrigen mit ihren theologischen Gegnern Karl Barth oder Friedrich Gogarten gemeinsam.163) Die Weimarer wissenschaftliche Theologie, die den Relativismus historisch-kritischer Forschung durch eine neue verbindlichabsolute Theologie zu ersetzen suchte, trug insgesamt Züge einer universalistischen Identitätscodierung, die ihre Umwelt mit Nachsicht betrachtete, aber unnachgiebig penetrierte.164) Der liberale Berliner Ordinarius für Systematische Theologie Arthur Titius, der 1906–21 in Göttingen gelehrt hatte, begründete 1928 die „Studien zur Systematischen Theologie“ zusammen mit seinem Göttinger Nachfolger Georg Wobbermin, der die Reihe mit seinen Grundsatzschriften „Richtlinien evangelischer Theologie zur Überwindung der gegenwärtigen Krisis“ (1929) sowie „Wort Gottes und evangelischer Glaube“ (1929) eröffnete, worin er in Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie einen theologischen Weg zwischen religionsgeschichtlicher und religionspsychologischer Forschung skizzierte.165) Innerhalb der nächsten vier Jahre wuchs die Reihe auf zwölf Bände, überwiegend Dissertationen, an. Der Absatz der Reihe verlief im Allgemeinen schleppend, wenngleich kontinuierlich, worin sich das verminderte, aber immer noch stabile Absatzpotential für wissenschaftliche Veröffentlichungen spiegelte. Lediglich die Publikationen Wobbermins wurden in einer Auflage über 1000 Stück veröffentlicht und in einer Höhe von 200–300 Exemplaren pro Jahr abgesetzt. Die Reihe bestand bis 1935 und wurde dann, begründet mit nachlassendem Absatz, eingestellt. Vorangegangen waren allerdings Auseinandersetzungen zwischen Günther Ruprecht und Georg Wobbermin, der 1933 Mitglied der NSDAP wurde und zu einem Kreis deutsch-christlicher Dozenten um Emanuel Hirsch gehörte. Wobbermins Schrift „Deutscher Staat und evangelische Kirche“ (1934) wurde wegen ihrer nationalsozialistischen Ausrichtung nur unter Vorbehalt in die „Studien zur Systematischen Theologie“ aufgenommen.166) Gleichfalls seit 1928 war Titius Schriftleiter der von Vandenhoeck & Ruprecht verlegten sozial-kirchlichen Zeitschrift „Stockholm“. Das dreisprachige, auf den internationalen Absatzmarkt ausgerichtete Organ dokumentierte 163) Vgl. Graf: Übergeschichte; ders.: „Antihistoristische Revolution“; Hardtwig: Hochkultur, S. 82. 164) In Anlehnung an: Giesen: Identität, S. 54ff. 165) Zu Wobbermin vgl. Matthias Wolfes: Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918, Berlin/New York 1999, S. 251– 403; Wolf-Ulrich Klünker: Psychologische Analyse und theologische Wahrheit. Die religionspsychologische Methode Georg Wobbermins, Göttingen 1985. 166) Vgl. dazu: Wolfes: Theologie, S. 347ff.
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Ergebnisse der Stockholmer Weltkirchenkonferenz „Life and Work/Praktisches Christentum“ von 1925, der ersten internationalen Zusammenkunft anglikanischer, orthodoxer und protestantischer Kirchenvertreter. Signalisieren die Konferenz und die Ausstattung des Publikationsorgans die Internationalisierung sozialchristlicher Arbeit, zeigen sie gleichzeitig ihre Schwierigkeiten: nach nur drei Erscheinungsjahren, 1931, brach der Absatz der Zeitschrift in den USA ein, die dortigen Vertriebspartner kündigten die Zusammenarbeit, und die Zeitschrift wurde eingestellt.167) Gleichwohl illustriert die Weltkirchenkonferenz, welche Vorstellungen zum Thema „Rassefragen“ in der nunmehr ökumenischen und international ausgerichteten sozialkirchlichen Arbeit möglich waren und welche Veränderungen gegenüber den evangelisch-sozialen Vorkriegsjahren eingetreten waren. In der Sektion „Die Kirche und die Beziehungen der Völker zueinander“ verurteilten vier Redner aus Deutschland, den USA, Japan und China in verständigungsbereitem Tenor imperialistische Gewaltakte und plädierten für eine Gleichwertigkeit aller Rassen.168) Der Weg hin zur Ächtung von Rassendiskriminierungen, die Joseph H. Oldham in seinem Standardwerk „Christianity and the race problem“, 1924 im Auftrag der britischen christlichen Studentenbewegung entstanden, vorgegeben hatte, war erkennbar. Der einzige schwarze Redner auf der Stockholmer Konferenz, der methodistische Prediger William Y. Bell aus den USA, war sich mit seinen Mitreferenten jedoch einig darin, auf die ungleichen Begabungen und Fähigkeiten der Rassen hinzuweisen: „Die fünf Rassen sind wie fünf Finger an der Hand Gottes.“ Auch gegen „Rassenmischung“ sprach er sich aus.169) Unwidersprochen blieb gleichermaßen, dass die europäische Expansion aufgrund der „kulturellen Rückständigkeit“ der kolonisierten Erdteile notwendig gewesen sei.170) Die Unterschiede im Verhandlungsstil im Vergleich zum Referat Paul Rohrbachs auf dem ESK elf Jahre zuvor verdeutlichen jedoch, dass sich die ältere evangelisch-soziale Bewegung – und damit ihr Hausverlag Vandenhoeck & Ruprecht –, ob in der ‚Rassenfrage‘ oder anderen politischen Gegenständen, veränderten Rahmenbedingungen und Lösungskonzepten stellen musste. 167)
Horst Gründer: Walter Simons, die Ökumene und der Evangelisch-soziale Kongreß. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Soest 1974, S. 35, 44; Theodor Strohm: Innere Mission, Volksmission, Apologetik. Zum soziokulturellen Selbstverständnis der Diakonie. Entwicklungslinien bis 1937, in: Jochen-Christoph Kaiser/Martin Greschat (Hrsg.): Sozialer Protestantismus und Sozialstaat. Diakonie und Wohlfahrtspflege 1890 bis 1938, Stuttgart 1996, S. 17–40, hier: S. 33f.; zur Weltkirchenkonferenz weiterhin: Adolf Deißmann (Hrsg.): Die Stockholmer Weltkirchenkonferenz. Vorgeschichte, Dienst und Arbeit der Weltkirchenkonferenz für Praktisches Christentum 19.–30. August. Amtlicher Deutscher Bericht, Berlin 1926; Adolf Deißmann: Die Stockholmer Bewegung. Die Weltkirchenkonferenz zu Stockholm 1925 und Bern 1926 von innen betrachtet, Berlin 1927; Ruprecht: Väter, S. 268. 168) Deißmann (Hrsg.): Weltkirchenkonferenz, S. 464–471. 169) Ebd., S. 470. 170) Ebd., S. 469.
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Noch vor Aufnahme seiner Redaktionstätigkeit für die kirchlich-soziale Zeitschrift „Stockholm“ und der Herausgabe der „Studien zur Systematischen Theologie“ publizierte Titius das monumentale Werk „Natur und Gott. Ein Versuch zur Verständigung zwischen Naturwissenschaft und Theologie“ (1926) bei Vandenhoeck & Ruprecht. Auf über 900 Seiten ist es sein Anliegen, der Theologie ihre weltanschauliche Berechtigung in Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften zuzuweisen. Ganz in der positivistischen Wissenschaftstradition liberaler Theologie versucht er eine weitgehende Synthetisierung theologischer und naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse. In seinen detailversessenen Ausführungen findet sich, neben den Erläuterungen zur allgemeinen Relativitätstheorie, Quantentheorie, organischen Chemie und Vererbungslehre oder Sinnes- und Nervenphysiologie, ein Kapitel zu den „Naturgrundlagen der Charakterbildung und Kulturgestaltung“, das u. a. die neuesten Erträge der Rassentheorien referiert.171) Diesbezüglich liegt Titius als Redakteur der Zeitschrift „Stockholm“ argumentativ auf der Linie der ökumenischen Weltkirchenkonferenz. In Rückgriff auf Siegfried Passarge bleibt die Existenz von Rassen und die Rassenzugehörigkeit als „wichtige Naturgrundlage der Völker“, die „tiefgreifende Unterschiede körperlicher, seelischer und intellektueller Art“ nach sich ziehe, unbestritten. Rassistische Rassentheorien, die „reine[n] Rassentheoretiker“, die den „Rassebegriff mit gewissen nationalen oder kulturellen Ideen“ verknüpfen, lehnt Titius aber ab. Namentlich benennt er Gobineau, Chamberlain und Rosenberg, wenngleich er Letzterem eine „temperamentvolle Zeichnung der nordischen Rassenseele“ zubilligt. Gültige Referenzwerke sind für ihn jedoch der „Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre“ von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz sowie Hans F. K. Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“. Mit seiner Zustimmung zu eugenischen Konzepten Hermann Muckermanns und Alfred Grotjahns bewegt Titius sich in den Regionen konfessioneller Eugenik, innerhalb derer seine Position dem Konsens positiver Eugenik entspricht.172) Das Werk stieß auf reges Publikumsinteresse und trug mit dem Ausverkauf einer Auflage von 1580 Stück in den ersten drei Jahren nach Erscheinen zu der insgesamt stabilen Absatzkurve von Vandenhoeck & Ruprecht in diesen Jahren bei. Der Absatz der zweiten Auflage aus dem Jahr 1929, mit 2100 Exemplaren angesetzt, kam allerdings, nachdem die Hälfte 1930 verkauft war, nahezu zum Stillstand. Schon 1923 hatte sich Paul Tillich mit „Das System der Wissenschaften nach Gegenständen und Methoden“ einer ähnlichen Problematik genähert. Der religiöse Sozialist und theologische Grenzgänger war dazumal Privat-
171)
Arthur Titius: Natur und Gott. Ein Versuch zur Verständigung zwischen Naturwissenschaft und Theologie, 2. durchgearbeitete und vermehrte Auflage Göttingen 1931, S. 893f. 172) Vgl. Michael Schwartz: Konfessionelle Milieus und Weimarer Eugenik, in: HZ 261 (1995), S. 403–448; ders.: Sozialistische Eugenik. Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890–1933, Bonn 1995.
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dozent an der Theologischen Fakultät in Berlin. In dem Buch, für Emanuel Hirsch „eine der reifsten Leistungen neuerer deutscher systematischer Philosophie,“173) entwickelte Tillich eine eigene Wissenschaftslehre, die letztlich dazu diente, der Theologie einen zentralen Platz innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen zu sichern. Ohne einen metaphysischen, an die Dimension eines Unbedingten verweisenden Sinn sind Wissenschaften für Tillich nicht denkbar. Er weist der Theologie diese sinnstiftende Funktion und damit eine qualitative Sonderstellung innerhalb des Wissenschaftskanons zu. Tillich lag mit diesem Ansinnen zwar im Trend der zeitgenössischen Theologie, dies zahlte sich absatztechnisch jedoch nicht aus. Im Vergleich zur verlagsinternen und allgemeinen Absatzlage verhielt sich der Titel untypisch. Die erste und einzige Auflage von 1000 Stück verkaufte sich 1924, als der allgemeine Absatz einbrach, noch in 340 Exemplaren. In den folgenden, relativ stabilen Jahren schwächelte der Titel mit Absatzzahlen unter 100 Stück. Der norwegische lutherische Theologe Eivind Berggrav war ein von Günther Ruprecht protegierter Autor.174) Mit seinem Buch „Der Durchbruch der Religion im menschlichen Seelenleben“ (1928) hatte er 1925 den Doktorgrad an der Universität Oslo erworben. „Die Seele des Gefangenen. Erfahrungen und Beobachtungen aus der Strafanstalt“ (1929), von Günther Ruprecht aus dem Norwegischen übersetzt, reflektiert seine vierjährige seelsorgerliche Tätigkeit im Stadtgefängnis von Oslo. 1929 wurde Berggrav Bischof von Tromsø, 1937 von Oslo und in dieser Funktion Hauptakteur im norwegischen Kirchenkampf während der deutschen Besatzung. Mit der Verpflichtung Berggravs gelang dem Verlag die Präsentation einer theologischen Meinung jenseits der Parteibildungen der deutschen protestantischen Theologie. Berggrav, der zwei Semester in Marburg studiert hatte und dort in Kontakt mit Martin Rade und Friedrich Naumann gestanden hatte, bot zwar dem liberal oder lutherisch sozialisierten Leser Anknüpfungspunkte, entwickelte aber eine eigenwillige, religionspsychologisch fundierte Ansicht Praktischer Theologie. Der Absatz beider Bände blieb bescheiden. Vom „Durchbruch der Religion“ verkaufte sich knapp ein Drittel der Auflage von 1200 Stück. Die optimistische Auflage von „Die Seele des Gefangenen“ in Höhe von über 3000 Stück erfüllte nur im ersten Verkaufsjahr 1930 die Erwartungen und erbrachte einen Absatz von 614 Exemplaren; dieser sank dann aber in den Folgejahren unter 100 Exemplare pro Jahr. Neben den theologischen Neuerungen bewahrte Vandenhoeck & Ruprecht sein traditionelles Absatzstandbein im Bereich der liberalen Theologie, wenngleich der Absatzerfolg häufig ausblieb. Ein Beispiel hierfür ist das 1929 pos-
173)
Emanuel Hirsch: Rezension zu: Paul Tillich: Religionsphilosophie, in: Theologische Literaturzeitung 51 (1926), Sp. 97. 174) Zu Berggrav vgl. Arnd Helling: Die Theologie Eivind Berggravs im norwegischen Kirchenkampf. Ein Beitrag zur politischen Theologie im Luthertum, Neukirchen-Vluyn 1992.
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tum veröffentlichte Werk „Der Messias“ von Hugo Greßmann, seit 1927 Direktor des Berliner Institutum Judaicum. Hugo Greßmann tradierte, obwohl er in den Arbeiten der zwanziger Jahre sonst anderweitig argumentierte, im „Messias“ antisemitische Invektiven liberaler Theologie.175) Im „Messias“ bedient sich Greßmann der von Julius Wellhausen und Hermann Gunkel verwendeten Differenz zwischen einem schöpferischen, vorexilischen Volk Israel und einem degenerierten nachexilischen Judentum. Wesentliche religionsgeschichtliche Leistungen des Christentums seien den ägyptischen, babylonischassyrischen sowie phönizischen, nicht den jüdischen Religionskontexten zuzuschreiben. Ähnlich ist der Fall bei Hans Jonas gelagert, der seine bei Heidegger in Marburg entstandenen Seminararbeit „Augustin und das paulinische Freiheitsproblem“ 1930 bei Vandenhoeck & Ruprecht veröffentlichte. Die jüdische Herkunft von Jonas wurde von den Verlegern in der Autorenkorrespondenz mit keinem Wort thematisiert. Eindringlich bemängelt wurden hingegen in der Entstehungszeit von „Gnosis und spätantiker Geist“, dessen erster Teil 1934 erscheinen sollte, die „Fremdwörtersucht“ des Verfassers und sein komplizierter Stil. Rudolf Bultmann, der sich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments“ eingesetzt hatte, rechtfertigte seinen Schüler: „Die älteren Forscher werden sich daran gewöhnen, daß eine jüngere Generation mit neuen Fragestellungen arbeitet, u[nd] daß sie z. T. eine Sprache redet, die sie nicht mehr verstehen“.176) Der Generationenkonflikt der Weimarer Theologie, der sich hier andeutet, wurde von Verlegerseite nur mit einem lapidaren Randkommentar versehen, der die ökonomische Unsicherheit des theologischen Umbruchs verdeutlicht: „Und wer soll kaufen?“ Des ungeachtet, blieb Jonas den religionshistorischen Wahrnehmungsbeschränkungen bezüglich jüdischer Theologieanteile treu und vernachlässigte, wie er selbst später einräumte, die jüdische Komponente in den Ursprüngen der Gnosis, trotz anderslautender Postulate seines Lehrers Bultmann, der es 1932 als „historische Aufgabe“ bezeichnete, „die paulinische Theologie […] aus den jüdischen und hellenistischen Voraussetzungen“ zu interpretieren.177) Die einzige Publikation liberal-historischer Prägung, die dem negativen Absatztrend dieser Richtung in den zwanziger Jahren entgegensteht, ist die Abhandlung „Altes Testament und völkische Frage“ von Johannes Hempel, die schon ein Jahr nach Erscheinen der Erstauflage 1931 erneut aufgelegt wurde. 175)
Reinhard Wonneberger: Greßmann, Hugo, in: TRE. Bd. 14. 1985, S. 212f.; Kusche: Religion, S. 144f. 176) Rudolf Bultmann an Vandenhoeck & Ruprecht, Marburg 27. 09. 1930, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 163. 177) Hans Jonas: Vorwort zur zweiten Auflage, in: ders.: Gnosis und spätantiker Geist. Erster Teil. Die mythologische Gnosis. Mit einer Einleitung zur Geschichte und Methodologie der Forschung, Göttingen 1954, S. VIII–X, hier: S. X; vgl. auch: Wiefel: Strack, S. 121; Rudolf Bultmann: Urchristentum und Religionsgeschichte, in: Theologische Rundschau N.F. 4 (1932), S. 1–21, hier: S. 21.
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Seit 1928 Lehrstuhlinhaber für Altes Testament und vergleichende Religionsgeschichte in Göttingen, vertritt Hempel in der zeitgenössischen Debatte um den Verbleib des Alten Testaments im Kanon christlicher Offenbarungsschriften einen gemäßigten Standpunkt. Das Alte Testament soll beibehalten werden, wird aber gleichwohl abgewertet und das religionshistorische Forschungsstereotyp des degenerierten nachexilischen Judentums weiter überliefert.178) Mit einer Reihe religionspädagogischer Standardwerke und Schulbücher für den Religionsunterricht, die allesamt dem Anspruch verpflichtet waren, die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung dem Religionsunterricht nutzbar zu machen, wurde Richard Kabisch, der Seminardirektor in Uetersen (Holstein) und Prenzlau sowie Regierungsrat in Düsseldorf und Bromberg war, zu einem Wegbereiter einer solchen liberalen Religionspädagogik.179) Seine erste Veröffentlichung bei Vandenhoeck & Ruprecht war seine Dissertation, die er 1889 über „Das vierte Buch Esra, auf seine Quellen untersucht“ an der Universität Bonn geschrieben hatte. 1910 folgte das Erfolgswerk „Wie lehren wir Religion? Versuch einer Methodik des evangelischen Religionsunterrichts für alle Schulen auf psychologischer Grundlage“, das bis 1931 sieben Auflagen erlebte und aufgrund des Kriegstods von Kabisch 1914 seit der vierten Auflage 1917 von Hermann Tögel bearbeitet wurde.180) Die siebte Auflage von 1931 wurde von Tögel beträchtlich erweitert, unter anderen um ein Kapitel zum „Deutschen Religionsunterricht“.181) Tögel spricht sich dafür aus, im evangelischen Religionsunterricht ein genuin deutsches Christentum zu unterrichten, das er jedoch nicht explizit durch Abgrenzung vom Judentum entwickelt, sondern durch Einbeziehung germanischer Religionsinhalte. Über den engeren religionspädagogischen Rahmen hinaus gingen sein Erziehungsratgeber „Das neue Geschlecht“ (1913), der 1916 in einer gekürzten Ausgabe unter dem Titel „Unser Kind“ erschien, und seine populäre „Deutsche Geschichte“ (1914). Obwohl diese 1929 die sechste Auflage erleben sollte, vermuteten die Verleger gegenüber dem Autor Friedrich Ehringhaus 1921, das Buch sei in „Bauernkreisen“ nicht zureichend verbreitet.182) Sie verwiesen 178)
Smid: Protestantismus, S. 225ff.; Weber: Altes Testament, S. 199. Rainer Lachmann: Kabisch, Richard, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 4, 2001, Sp. 728f.; Gerd Bockwoldt: Richard Kabisch. Religionspädagogik zwischen Revolution und Restauration, Berlin 1982, S. 10–12; Reiner Preul: Richard Kabischs Lehrbücher für die Ausbildung von Volksschullehrern, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 1 (1994), S. 123–138. 180) Vgl. Christian Grethlein: Religionspädagogik, Berlin/New York 1998, S. 73ff.; Peter C. Bloth: Religion in den Schulen Preußens. Der Gegenstand des evangelischen Religionsunterrichts von der Reaktionszeit bis zum Nationalsozialismus, Heidelberg 1968, S. 177; ders.: Religionsdidaktische Grundströmungen und ihre schulpolitische Auswirkungen in der Weimarer Republik, in: Reinhard Dithmar/Angela Schwalb (Hrsg.): Schule und Unterricht in der Weimarer Republik, Ludwigsfelde 2001, S. 258–276. 181) Vgl. Richard Kabisch/Hermann Tögel: Wie lehren wir Religion? 7. Aufl. Göttingen 1931, S. 284–302. 182) Hierfür und folgend: Vandenhoeck & Ruprecht an Friedrich Ehringhaus, 14. 11. 1921, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 128. 179)
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auf den „hiesige[n] Vertreter des Bauernbundes für Südhannover“, der die Abbildungen des Buches „nicht für konkret und kraftvoll genug erklärt“ hatte und dem die Verleger „ja leider Recht geben“ müssten. Kabisch habe kein Empfinden dafür, „daß er bei Darstellung von Germanen den germanischen Typus wahren sollte.“ Er selbst habe „nämlich nichts weniger als germanisch aus[gesehen], war mittelgroß und dunkelfarbig, polnisch Blut, wie schon der Name sagt.“ Unmittelbar, ohne Zusammenhang leitete der Verfasser der Zeilen in allgemeine antisemitische Larmoyanzen über. Er sehe sich keineswegs als „Rassenfanatiker“ und bedauere „die Auswüchse der antisemitischen Agitation“, da er „als Christ grundsätzlich daran festhalten muß, daß ungünstige Einflüsse der Rasse überwindbar sind“. Er folgte aber paradox dem im Protestantismus wie Katholizismus verbreiteten „doppelten Antisemitismus“183): „Hielten wir uns von den üblen Eigenschaften der Juden freier und lernten wir, sie zu bessern, und wären wir nur konsequent darin, uns möglichst mit keinem Juden zu befassen, so würden sie niemals die Macht in unserem Volke erlangt haben wie heute. Jedes Volk hat die Juden, die es verdient.“184) Die Verleger wiegten sich Friedrich Ehringhaus gegenüber offenbar in Sicherheit, dass die antisemitische Codierung akzeptiert und verstanden würde, und ließen im geschützten Raum der Autorenkorrespondenz ihren antisemitischen Bedrohungsängsten freien Lauf. Gleichfalls in der internen Kommunikation mit einem Autoren verblieb im Februar 1930 der Hinweis an Rudolf Günther, Praktischer Theologe in Marburg und Mitarbeiter der „Monatschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst“, auf den „rassisch niederziehenden Eindruck“, den einer der Verleger auf einer Berliner Ausstellung von Zeichnungen Ernst Barlachs gewinnen konnte.185) Zwar sei „aller Rassenfanatismus“ bei der Beurteilung bildender Kunst abzulehnen, doch berichte auch Gottfried Traub in den „Eisernen Blättern“ er wundere sich, nicht „früher gesehen“ zu haben, „wie ungeheuer jüdisch seine [Barlachs] Kunst ist“. Rudolf Günther solle sich mit Hans F. K. Günther befassen, der „lehrreiche Zusammenhänge zwischen Rasse und Kunst […] in einem besonderen Buche mit Bildern auf’s überraschendste belegt.“ Man wolle „gern versuchen, ein Rezensionsexemplar zu beschaffen.“186) Eine Reaktion Rudolf Günthers ist nicht überliefert. Die antisemitische Codierung eines ästhetischen Konservatismus kann aber im 183) Blaschke: Katholizismus, S. 70–106; ders.: Die Anatomie des katholischen Antisemitismus. Eine Einladung zum internationalen Vergleich, in: ders./Aram Mattioli (Hrsg.): Katholischer Antisemitismus im 19. Jahrhundert. Ursachen und Traditionen im internationalen Vergleich, Zürich 2000, S. 3–54; Heinrichs: Judenbild, S. 683. 184) Vandenhoeck & Ruprecht an Friedrich Ehringhaus, 14. 11. 1921, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 128. 185) Vandenhoeck & Ruprecht an Dr. Rudolf Günther, 15. 02. 1930, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 163. 186) Bei der erwähnten Veröffentlichung handelt es sich wahrscheinlich um: Hans F. K. Günther: Rasse und Stil, München [J. F. Lehmanns] 1926.
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Zusammenhang mit dem Wechsel in der Herausgeberschaft der „Monatschrift“ gesehen werden, der 1930 anstand. Nach dem liberalen Reformliturgiker Julius Smend, unter dessen Ägide die Zeitschrift für ihre gemeindenahen und auf das religiöse Erleben angelegten, aber konservativ-restriktiven Vorgaben zur liturgischen und ästhetischen Gottesdienstgestaltung bekannt war, übernahm Richard Gölz, Kirchenmusiker und Theologe, die Schriftleitung und versuchte, wenngleich erfolglos, das Blatt für die dialektische Theologie zu öffnen.187) Um hier das Terrain der theologischen und ästhetischen Überzeugungen zu wahren, wurden die Beziehungen zu dem Verleger von „Rasse und Kunst“, Julius Friedrich Lehmann, dem „Bundesgenossen“ in der Einhaltung deutschnationaler Prinzipien, angedeutet, schließlich war man kein Einzelkämpfer, und Hans F. K. Günther lieferte dem alten, kulturellen Code des Antisemitismus eine neue argumentative Grundlage. In beiden Fällen, der Illustration von Kabischs Büchern und der Aufmachung der „Monatschrift“, standen antisemitische und rassistische Codierungen symbolisch für konservative ästhetische Konzepte. Der kulturelle Code des Kaiserreichs wurde weiter gebraucht, stand allerdings unter wachsendem Abschottungsdruck gegenüber Neuerungen in der Theologie und der Bildenden Kunst. Im Zusammenhang der in der Weimarer Republik notwendig kontingenten, changierenden Programmpolitik von Vandenhoeck & Ruprecht wurde rassistischen und antisemitischen Codierungen im theologischen Verlagsprogramm auf zweifache Weise der Zugang eröffnet. Zum einen wurden religionshistorische Forschungsstereotype liberaler Theologie routiniert und ohne Aufsehen weiter getragen. Zum anderen konstruierten nationale Neulutheraner, wie Paul Althaus oder Emanuel Hirsch, hermetisch geschlossene Volksund Nationsgemeinschaften, die, in das kämpferische Unbedingtheitsvokabular Weimarer Theologie gekleidet, eine breite Anschlussfront rassistischer Radikalisierungsmöglichkeiten aufmachten. Der doppelte Zugang setzte wissenschaftsmethodischen Antisemitismus und radikalisierungsfähige Begriffsinhalte zweier vorher getrennter und streng verfeindeter theologischer Richtungen in eine neue verlagsprogrammatische Relation. 2.3 Weimarer Absatzsegmente: Fragmente auf dem Weg in die Republik Allgemein zeichnete sich im Buchverlag von Vandenhoeck & Ruprecht mit Beginn der zwanziger Jahre eine Verbreiterung der Tätigkeiten ab, die sich seit Mitte der zwanziger Jahre noch verstärkte. Verlagsunternehmungen, die in keinem oder nur losem Zusammenhang zu den traditionellen Verlags-
187)
Vgl. Konrad Klek: Erlebnis Gottesdienst. Die liturgischen Reformbestrebungen um die Jahrhundertwende unter Führung von Friedrich Spitta und Julius Smend, Göttingen 1996, S. 1262–1268; Ruprecht: Erinnerungen, S. 16.
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schwerpunkten standen, fanden häufiger Eingang in das nicht-theologische Verlagsprogramm.188) Friedrich Ehringhaus verfasste eine Reihe verfassungskundlicher Lehrbücher, die immer wieder inhaltlich modifiziert und auf verschiedene Gruppen von Absatznehmern zugeschnitten wurden. Den Anfang machte 1919 eine „Einführung in die Bürgerkunde. Für Schulen aller Art, besonders für Frauenschulen und Töchterheime“, die bis 1931 in acht Auflagen erschien, seit der vierten Auflage von 1925 unter dem Titel „Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen“ und seit der siebten Auflage von 1929 nur noch als „Bürgerkunde für Frauen“. Bei Auflagenhöhen zwischen 1500 und 5000 Exemplaren zeigten sie ein durchgängig beständiges Absatzverhalten. Ehringhaus’ „Die Verfassung des Deutschen Reiches. Kurze übersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten Bestimmungen für Beamte, Lehrer und Schüler“ (1919) wurde bis 1925 sechsmal aufgelegt. Bei diesem Band lag der Absatzschwerpunkt in den ersten Jahren der Weimarer Republik. Seit 1925 begann der Absatz zu stagnieren. Das Absatzsegment reiner Verfassungstextausgaben war gesättigt. Daneben existierte eine Reihe weiterer politischer Bildungsprojekte für die Bürger der neuen Republik, u. a. eine „Kleine Staatsbürgerkunde“ (1921, achte Auflage 1930), die der quantitativ erfolgreichste Titel von Ehringhaus war. Sämtliche Bände waren als Schullehrbücher konzipiert oder als solche nutzbar. Über die allgemeinbildenden Schulen hinaus wurden vor allem Fachschulen für Staatsbeamte, Seminare angehender Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulen zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen mit Erfolg angesprochen. Das mit den politischen Veränderungen entstandene Absatzsegment politischer Bildung konnte der Verlag erreichen. Der Absatz wurde über die gebundenen Absatznehmer von Schulen und Fachschulen vermittelt und war damit weitgehend konjunkturell unabhängig. 1919 begann die Reihe „Gesundheit und Kraft. Flugschriften für Deutschlands Jugend“, die aus dreizehn Folgen niedrigpreisiger Ratgeberbroschüren, 1919–28 erschienen, bestand, die Sportthemen, Ernährung oder Hygiene behandelten. Gegenüber den zahlreichen Sportreihen der Konkurrenz gewannen die Bändchen bei Vandenhoeck & Ruprecht in Zusammenschau mit dem theologischen Verlagsprogramm und befördert durch ihre spartanische Aufmachung den Charakter von Traktaten, die freilich einer profanen Mission dienten – laut Aussage der Verleger der „nationale[n] Ertüchtigung.“189) Dementsprechend wählerisch verfuhren sie bei der Auswahl der Autoren. Das siebte Heft der Reihe, betitelt „Frauenart und Leibesübung“ (1921), verfasste die Journalistin und nebenberufliche Sportlehrerin Martha Werthei-
188)
Ruprecht: Väter, S. 287. Vandenhoeck & Ruprecht an Karl Broßmer, 07. 06. 1921, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 128. 189)
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mer.190) Traf der Inhalt des Buches auch den Geschmack der Verleger, der Name der Autorin erregte ihre Unzufriedenheit. Gegenüber den Herausgebern – Ludwig Aschoff, Direktor des Freiburger Pathologischen Instituts und als Konstitutionspathologe u. a. in der Freiburger rassenhygienischen Gesellschaft für die Gesunderhaltung der eigenen Rasse eintretend, sowie der Sportlehrer und badische Regierungsrat Karl Broßmer – monierten sie wieder einmal das Stigma eines angeblich jüdisch klingenden Namens.191) Mit Hilfe der Argumentation, dass mangelnde Akzeptanz des Titels im Sortiment zu befürchten sei, da „weite Kreise in unserem Volke und in unserer Jugend es als unerträglich [empfinden], daß das jüdische Element heute in der Öffentlichkeit eine seiner Zahl und Bedeutung nicht entsprechende Rolle spielt“, bestanden sie darauf, dass die Autorin ein Pseudonym verwenden solle, anderenfalls könne der Band nicht gedruckt werden.192) Sicher nicht zufällig trat der antisemitische Affekt bei einer Buchreihe auf, die sportliche Inhalte, noch dazu in betont nationaler Ausrichtung, verhandelte. Offensichtlich kam die weit verbreitete Verknüpfung somatischer Reinheitsgebote mit antisemitischen Vorurteilen in ihrer Ausformung des ‚unsportlichen Juden‘ zum Tragen.193) Gerechtfertigt wurde das Vorurteil jedoch mit den wirtschaftlichen Interessen der Verleger. Bei Aschoff und Broßmer stieß der antisemitische Code der Verleger auf Unverständnis, trotz Aschoffs rassenhygienischen Engagements. Aschoff verlangte, die Verfasserin zu kontaktieren. Broßmer drohte, seine Mitarbeit an der Reihe zu beenden, falls das Buch nicht unter dem richtigen Namen der Verfasserin erscheinen sollte.194) Die Verlagsleitung zog daraufhin ihr Anliegen zurück, allerdings trafen sich ihre Befürchtungen mit den Gewohnheiten der Verfasserin, die für gewöhnlich und auch in diesem Fall als Martha Werth zeichnete.195) Der antisemitische Code, der im Grunde am Protest Dritter gescheitert war, wurde von der Betroffenen ak190) Zu Martha Wertheimer: vgl. Hannah Thiede: Auf den Spuren von Martha Wertheimer, in: dies./Gisela Breitling/Gisela Gassen (Hrsg.): Vergessene Frauen, Berlin 2005, S. 123–136. 191) Zu Aschoff: Cay-Rüdiger Prüll: Ludwig Aschoff (1866–1942): Wissenschaft und Politik in Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus, in: Bernd Grün/HansGeorg Hofer/Karl-Heinz Leven (Hrsg.): Medizin und Nationalsozialismus. Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im ‚Dritten Reich‘, Frankfurt/M. 2002, S. 92–118; zum Name als Stigma: vgl. Bering: Name, S. 329ff. 192) Vandenhoeck & Ruprecht an Karl Broßmer, 07. 06. 1921, VRVA, Autorenkorrespondenz, Nr. 128. 193) Vgl. für die USA: Alan Klein: Anti-Semitism and Anti-Somatism. Seeking the elusive sporting Jew, in: Sociology of Sport Journal 17 (2000), S. 213–228; Michael Brenner/ Gideon Reuveni (Hrsg.): Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa, Göttingen 2006. 194) Ludwig Aschoff an Vandenhoeck & Ruprecht, 09. 06. 1921; Karl Broßmer an Vandenhoeck & Ruprecht, 10. 06. 1921, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 128. 195) Vandenhoeck & Ruprecht an Ludwig Aschoff, 12. 08. 1921, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 128; auch Korrespondenz zwischen Vandenhoeck & Ruprecht und Martha Wertheimer 06/1921–08/1921, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 131.
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zeptiert. Er gehörte zu ihrem Normalfeld des alltäglichen Umgangs. Dem Absatz des Bandes nutzte diese Maßnahme freilich wenig: Von der angesetzten Auflage von 3200 Exemplaren wurde bis 1933 lediglich ein knappes Drittel, nämlich 954 Stück abgesetzt, was dem bescheidenen Absatzdurchschnitt aller Reihenbände entsprach. Von Friedrich Ernst August Krause wurde 1925 eine schwergewichtige, dreibändige „Geschichte Ostasiens“ veröffentlicht. Im gleichen Jahr begann die Reihe „Aus Naturwissenschaft und Technik“, in der die drei Bände „Das Rotorschiff und seine physikalischen Grundlagen“ des Physikers Jakob Ackeret, „Wind-Energie und ihre Ausnutzung durch Windmühlen“ des stellvertretenden Direktors am Göttinger Kaiser Wilhelm-Institut für Strömungsforschung Albert Betz sowie „Großflugzeuge – die Zukunft des Luftverkehrs“ des bei den Junkers-Werken in Dessau tätigen Ingenieurs Günther Bock erschien. Im Verlag der Deuerlichschen Buchhandlung wurde 1931 der Fotobildband „Deutsche Menschen“ von Erich Retzlaff produziert. Die verlegerischen Experimente verliefen nicht ohne Erfolg. Die „Geschichte Ostasiens“ erreichte immerhin den Absatz ihrer halben Auflage von 1600 Stück, und die „Großflugzeuge“ von Gustav Bock wurden in den ersten beiden Jahren nach dem Erscheinen jeweils in annähernd 700 Exemplaren verkauft, was sich angesichts der utopischen Auflage von 6000 Stück allerdings mager ausnahm. Zu einem arrivierten und profilierten Verlagsautor kam Vandenhoeck & Ruprecht durch ein Manuskriptangebot von Max Hildebert Boehm, der, beteiligt an der Gründung des Juni-Clubs und des Politischen Kollegs, einer der maßgeblichen Köpfe des Neuen Nationalismus der zwanziger Jahre war.196) Boehm leitete das Institut für Grenz- und Auslandstudien, war Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin und eingebunden in zahlreiche Aktivitäten deutschbaltischer und auslandsdeutscher Interessensvertretungen. Er offerierte dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht im Februar 1932 eine 196) Mohler: Revolution, S. 406f.; Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 4. Aufl. München 1994, S. 233f.; Deutschbaltisches biographisches Lexikon 1710– 1960. Hrsg. von Wilhelm Lenz, Köln/Wien 1970, S. 83f.; Breuer: Anatomie, S. 86; Heide Gerstenberger: Der revolutionäre Konservatismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 65ff.; Fred Zimmermann: Jungkonservative Volkstheorie und Grenzlandliteratur. Max Hildebert Boehm und das eigenständige Volk, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Geisteswissenschaftliche Reihe 41 (1992), S. 31–44, hier: S. 38ff.; Bastiaan Schot: Nation oder Staat? Deutschland und der Minderheitenschutz, Marburg/L. 1988, S. 90ff.; Ulrich Prehn: „Volk“ und „Raum“ in zwei Nachkriegszeiten. Kontinuität und Wandlungen in der Arbeit des Volkstumsforschers Max Hildebert Boehm, in: Habbo Knoch (Hrsg.): Das Erbe der Provinz, Göttingen 2001, S. 50–72; Max Hildebert Boehm an Vandenhoeck & Ruprecht, 22. 11. 1932, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Boehm; ein unveränderter Nachdruck erschien bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft: Max Hildebert Boehm: Das eigenständige Volk. Grundlegung der Elemente der europäischen Völkersoziologie, Darmstadt 1965.
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Studie unter dem Titel „Das eigenständige Volk“, die schon vier Monate später, mit dem Untertitel „Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften“ versehen, auf den Buchmarkt kam. Boehm bemühte sich darin um die Klärung einiger Problemlagen der staatlichen Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg. Anhand von Fragen des nationalen Selbstbestimmungsrechts ethnischer Gruppen oder des Umgangs mit ethnischen Minderheiten extemporiert Boehm eine kulturphilosophische und soziologische Volkstheorie, deren zentrale Terminologien Volk, Volksboden, Volkszugehörigkeit, Volkstum und Grenze sind. Der deutschen Geopolitik um Karl Haushofer nahe stehend, jedoch deutlich geringer revisionistisch ausgelegt, ist der Grenzbegriff für Boehm fundamental. Er geht über geographische, staatsrechtliche und historische Kriterien hinaus und bezeichnet demgegenüber Indikationsräume, die Aufschluss über den Volkscharakter und die Volkszugehörigkeit ihrer Bevölkerung geben sollen, aber keineswegs primordial festgelegt sind. Wenngleich Boehms Blickwinkel deutscher Kulturhegemonie nicht zu leugnen ist, bleibt der Grenzkampf der Volkscharaktere für ihn ein offener Kampf. Es fehlen jegliche primordiale Einschlussbedingungen des Einzelnen zu einer Volksgemeinschaft, ebenso jegliche Diskriminierungen der Ausgeschlossenen. Den verbreiteten Forschungsmeinungen, die Boehm im „Eigenständigen Volk“ aggressiven Imperialismus oder inhaltliche Nähe zu einer wie auch immer gearteten „nationalsozialistischen Volkswissenschaft“ vorwerfen, ist entgegenzuhalten, dass Boehm, bei aller Ethnopathetik, ein Volks stets als willensgebundene Einheit sah.197) An vielen Stellen zeigt er begriffliche Offenheit für rassistische Codierungen, selbst aber gebraucht er weder primordiale Abgrenzungs- noch diskriminierende Abwertungsattribute.198) Der Absatz des Bandes verlief relativ stabil. Die Auflage von 2000 Exemplaren verringerte sich in den zwei Folgejahren um 800 Stück und war 1935 schließlich ausverkauft. Etwas enttäuschender sah diese Absatzkurve allerdings aus der Perspektive des Autors aus, der sehr routiniert und emsig Werbe- und Vertriebsmaßnahmen anregte. Boehm nutzte seine umfangreichen personellen Kontakte zu Ring- und Tatkreisen sowie zu Organisationen des Grenz- und Auslandsdeutschtums und erstellte umfangreiche Adresslisten für
197)
Als „enzyklopädischen Entwurf nationalsozialistischer Volkswissenschaft“ liest Paul Nolte das „Eigenständige Volk“ vgl. Paul Nolte: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000, S. 157; Forschungsliteratur, die Boehm als „aggressiv imperialistisch“ wertet: Ingeborg Weber-Kellermann: Deutsche Volkskunde zwischen Germanistik und Sozialwissenschaften, Stuttgart 1969; Wolfgang Emmerich: Zur Kritik der Volkstumsideologie, Frankfurt/M. 1971; dagegen: Breuer: Ordnungen, S. 36, 93. 198) Zur Offenheit für „rassistische Sozialtechniken“ vgl. Ingo Haar: Deutsche „Ostforschung“ und Antisemitismus, in: ZfG 48 (2000), S. 485–508, hier: S. 490; verkürzend jedoch Haars Gleichsetzung von „Eigenständigkeit“ und „ethnischer Homogenität“ bei Boehm.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
den Versand von Rezensions- und Werbematerial.199) Er entwarf Werbetexte, schlug Rezensenten vor, kaufte schließlich selbst hundert Exemplare seines Buches, wenngleich zum Nettosubskriptionspreis, und verteilte sie an die ihm bekannten Mediatoren. Anlässlich einer in Aussicht gestellten, kontroversen Rezension des 1932 veröffentlichten „Eigenständigen Volks“ von Max Hildebert Boehm durch den damaligen Ministerialrat und Referenten für Deutschtums- und Minderheitenfragen im Preußischen Innenministerium Fritz Rathenau, Vetter Walther Rathenaus, sah sich Boehm veranlasst, dem Verlag in vertraulicher Anwendung antisemitischer Codierungen mitzuteilen, dass die politische Funktion Rathenaus, „selbst [seinem] […] nur schwach entwickelten Antisemitismus wider den Strich“ ginge. Die vorangegangene Mutmaßung Boehms, Rathenau wolle sich „für eine Rechtsregierung in Preussen in Empfehlung bringen“, wurden von den Verlegern mit der Randnotiz quittiert: „Was kann man auch sonst von einem Juden Dr. Rathenau erwarten?“200) Die Notiz verblieb in der unternehmensinternen Kommunikation. Unauffällig und dem Verfasser doch den Akt der Niederschrift wert, gehörten antisemitische Erklärungsmodelle zum Alltag der Verleger. Nach Absagen der Hanseatischen Verlagsanstalt und des Oldenburger Gerhard Stalling-Verlags gelangte im Februar 1933 auch Boehms publizistische Streitschrift gegen Ernst Jüngers „Arbeiter“, „Der Bürger im Kreuzfeuer“, in den Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht.201) Das gesellschaftspolitische Konzept dieser Publikation bleibt vage. Nationalimperialistisch auf dem Großdeutschen Reich insistierend und ein neue Führerkaste des handlungsfrohen und nationalbewussten Bürgertums beschwörend, sind Boehm durchaus Affinitäten zum Nationalsozialismus nachzuweisen.202) Noch völlig unbedarft stand dem der Verlag gegenüber, zudem sich der Absatz erfreulich anließ und bis Mai 1933 schon 400 Stück betrug. Das Buch „müßte ja jetzt nach dem großen Erfolg der Nazi-Bewegung […] als ganz besonders aktuell erkannt und besprochen werden“, schrieben sie dem Autor. Andererseits räumen sie ein, das „Buch als die Philosophie des National-Sozialismus zu bezeichnen, würde ja doch eine krasse Irreführung sein.“ Für den Absatz und, erstaunlicherweise, insbesondere den internationalen Absatz des Buches, „wird es doch gut sein, es irgend wie [sic] mit dieser Erscheinung, die nun auch in Amerika spukt, in Verbindung zu bringen.“203) 199)
Vgl. gesamte Korrespondenz Boehm, VRVA Autorenkorrespondenz. Beide Zitate: Max Hildebert Boehm an Vandenhoeck & Ruprecht, 04. 07. 1932, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Boehm. 201) Max Hildebert Boehm an Vandenhoeck & Ruprecht, 18. 12. 1932; Vandenhoeck & Ruprecht an Max Hildebert Boehm, 15. 02. 1933, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Boehm. 202) Vgl. Breuer: Ordnungen, S. 170. 203) Alle Zitate: Vandenhoeck & Ruprecht an Max Hildebert Boehm, 13. 03. 1933, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Boehm. 200)
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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Ähnlich wie das theologische zeigt das übrige Verlagsprogramm von Vandenhoeck & Ruprecht einen Trend zur Beliebigkeit, der den politischen Rechtsruck inkludiert. Die Absatzziffern weisen auf, dass der programmatische Eklektizismus relativ erfolgreich war. Die inhaltliche Nähe zu nationalen Themen oder zu rassistischen Inhalten wie bei Max Hildebert Boehm war dabei kein Erfolgsgarant, aber auch kein Hindernis.
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen Die Vita des Theologen Max Maurenbrecher (1874–1930), Autor der 1930 bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienenen Publikation „Der Heiland der Deutschen. Der Weg der Volkstum schaffenden Kirche“, mutet auf den ersten Blick gebrochen an.204) Der Sohn des Historikers Wilhelm Maurenbrecher studierte evangelische Theologie in Tübingen, Berlin und Leipzig und legte 1896 sowie 1898 seine theologischen Examina ab. Seit 1896 betrieb er in Leipzig Ergänzungsstudien in Volkswirtschaft, Philosophie und Geschichte vor allem bei Karl Bücher, Wilhelm Wundt sowie Karl Lamprecht. 1898 wurde er bei Lamprecht mit der Arbeit „Thomas von Aquinos Stellung zum Wirtschaftsleben seiner Zeit“ promoviert. Schon während seiner Studienzeit hatte Maurenbrecher Friedrich Naumann kennengelernt, war 1894 dem Nationalsozialen Verein beigetreten und war, nach kurzer Tätigkeit im Pfarramt sowie als Hilfslehrer in Zwickau, 1899–1903 Mitarbeiter der von Naumann herausgegebenen Zeitschrift „Hilfe“. 1901–03 war er Generalsekretär des Nationalsozialen Vereins, den er verließ, um „parteiloser sozialistischer Kulturdenker“ zu werden.205) Wenig später trat er in die SPD ein, von der evangelischen Kirche wandte er sich 1906 als erklärter Atheist ab, wurde Mitarbeiter des Deutschen Monistenbundes und betätigte sich 1909–16 als freireligiöser Prediger in Erlangen und Mannheim.206) 1913 trat er wiederum aus der SPD aus. 204)
Zur Biographie Maurenbrechers vgl. Hartmut Ruddies: Flottierende Versatzstücke und ideologische Austauscheffekte. Theologische Antworten auf die Ambivalenz der Moderne, in: Manfred Gangl/Gérard Raulet (Hrsg.): Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage, Darmstadt 1994, S. 19–35, hier: S. 25; Marlies Jansen: Max Maurenbrecher. Der weltanschaulich-politische Weg eines deutschen Nationalisten 1900–1930, München 1964, S. 1–3; Mohler: Revolution, S. 373; Karl Kupisch: Maurenbrecher, Max, in: RGG, 3. Aufl., Bd. 4, 1960, Sp. 811; Lothar Bily: Maurenbrecher, Max, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 5, 1993, Sp. 1051–1055; Max Maurenbrecher: Der Heiland der Deutschen. Der Weg der Volkstum schaffenden Kirche, Göttingen 1930, S. 208; Gangolf Hübinger: Max Maurenbrecher, in: NDB, Bd. 16, 1990, S. 434f.; ders.: Maurenbrecher, Max, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 5, 2002, Sp. 924. 205) Vgl. Friedrich Naumann: Partei und Problem, in: ders.: Werke. Bd. 4, Köln/Opladen 1964, S. 208–214, hier: S. 208. 206) Ebd., S. 209.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
1916 legte er sein Amt als Prediger in Mannheim nieder, unterzog sich erneut der kirchlichen Prüfung und war schließlich seit 1919 Pfarrer in Dresden, seit 1925 in Mengersgereuth sowie seit 1929 in Osthausen (Thüringen). 1917 war er maßgeblicher Organisator der von Eugen Diederichs initiierten „Lauensteiner Tagungen zur geistigen Erneuerung Deutschlands“, begründete im gleichen Jahr die Vaterlandspartei mit, war 1918 Mitglied des Alldeutschen Verbandes und 1920 der DNVP, die er 1920–21 im sächsischen Landtag vertrat. 1920–24 war er Schriftleiter der den Alldeutschen nahe stehenden „Deutschen Zeitung“ in Berlin. 1921–26 gehörte Maurenbrecher, gemeinsam mit Adolf Bartels, Friedrich Andersen, Curd Niedlich, Houston Stewart Chamberlain, Hans von Wolzogen sowie Max Robert Gerstenhauer u. a. zum Bund für deutsche Kirche, seit 1922 Deutschkirche genannt.207) Mohler ordnet Maurenbrecher den völkischen Autoren zu.208) Nachfolgende Forschungsliteratur spricht Maurenbrecher vom Vorwurf antisemitischer oder rassistischer Ressentiments frei.209) Karl Kupisch rechnet ihn jedoch trotzdem zu den Vorläufern der Deutschen Christen.210) Lothar Bily und Karl-Wilhelm Dahm betrachten Maurenbrecher überzeugend als Repräsentanten einer Generationseinheit protestantischer Geistlicher, für die äußerlich gebrochene Lebenswege kennzeichnend sind.211) Eine daraus folgende konfuse Mentalitätsdisposition, die zudem rassistische und antisemitische Überzeugungen erklären soll, berücksichtigt dagegen zu wenig die Kontinuitäten in den Inhalten und Zielsetzungen der nüchternen Sachstandpunkte. Maurenbrecher hielt Zeit seines Lebens an seinem Anliegen fest, das Individuum gemeinschaftsfähig zu erhalten.212) In den Dienst dieser Vergemeinschaftungs-Mission stellte er sowohl Religion wie Politik, die er immer in Bezug zum Volksgedanken stellte. Der unübersichtliche Lebenslauf Maurenbrechers ließ allerdings keinen Raum für eine kontinuierliche Verlagsbeziehung. Maurenbrechers Publikationsunternehmen wechselten deshalb, je nach Lebensphase, vom nationalsozialen Buchverlag der „Hilfe“ zum sozialdemokratischen Vorwärts-Verlag, über den Eugen Diederichs Verlag, für den er 1914 bei der „Tat“ mitarbeitete, zum rechtsextremen Deutschen Volksverlag Dr. Ernst Boepple.213) 207)
Vgl. Nowak: Evangelische Kirche, S. 247f.; Hans-Joachim Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen. Einheit und Vielfalt deutsch-christlichen Denkens, dargestellt anhand des Bundes für deutsche Kirche, der Thüringer Kirchenbewegung „Deutsche Christen“ und der Christlich-deutschen Bewegung, Göttingen 1982, S. 129. 208) Mohler: Revolution, S. 373. 209) Marlies Jansen: Max Maurenbrecher. Der weltanschaulich-politische Weg eines deutschen Nationalisten 1900–1930, München 1964, S. 206. 210) Kupisch: Max Maurenbrecher, Sp. 811. 211) Vgl. Dahm: Pfarrer, S. 91; Bily: Maurenbrecher, Sp. 1055. 212) Vgl. Ruddies: Versatzstücke, S. 26. 213) Vgl. Dieter Krüger: Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland, Göttingen 1983, S. 234ff.; Gangolf Hübinger: Eugen Diederichs’ Bemühungen um die Grundlegung einer neuen Geisteskultur (Anhang: Protokoll der Lauensteiner Kulturtagung Pfingsten 1917), in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen,
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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„Der Heiland der Deutschen. Der Weg der Volkstum schaffenden Kirche“ war Maurenbrechers letztes Buch und sein einziges, das bei Vandenhoeck & Ruprecht verlegt wurde. 1930, während der Drucklegung des Titels, verstarb Maurenbrecher. Erklärtes Ziel des „Programmbuch[s] über die zukünftige Entwicklung der Kirche“ ist es, kraft der in der Kirche vermittelten Religion die Vereinheitlichung des deutschen Volkstums zu erreichen.214) An Lagarde anknüpfend, propagiert Maurenbrecher eine jedem Volk zugehörige „arteigene Religion“.215) Mittler der „deutschen Religion“ ist der „deutsche Heiland“, der in Nietzscheanischer Manier ein „nicht mehr wehleidiger, sondern kämpfender Heiland“ sein soll.216) Nur in rigoroser Abgrenzung gegen jüdische Traditionen kann der „deutsche Heiland“ seine Identität ausbilden. Das „deutsche Volk“ wird dem „jüdischen entarteten Volk“ gegenübergestellt. Biologistische Deutungsmuster finden sich im Rekurs Maurenbrechers auf Chamberlain, aber auch in eigener Diktion.217) Sie führen schlussendlich zu einer Definition des Volksbegriffs im Sinne einer primordialen rassistischen Codierung: „Gemeinschaft des Bluts, des Bodens und der Geschichte, im Glauben und im Gehorsam gegen ihre Bestimmung, ihren Staat, ihre Wirtschaft und ihr ganzes, tägliches Leben planmäßig durchgestaltet, nur das ist ein Volk im wahren Sinn des Wortes.“218) 3.1 Eine verlegerische Schwergeburt Die Korrespondenz zwischen Maurenbrecher und den Verlegern zeigt ein erhebliches Engagement der Verleger, die versuchten, die gegebenen Spielräume zur formalen und inhaltlichen Beeinflussung der Publikation weitgehend auszunutzen. Maurenbrecher bot Vandenhoeck & Ruprecht im März 1929 „auf Grund unsrer alten Beziehungen, die uns von unsrer nationalsozialen Jugend her verbinden“ und unter Erwähnung der im Verlag neu aufgelegten „Gotteshilfe“ Naumanns ein 800-seitiges Manuskript mit dem Titel „Der Heiland der Deutschen. Predigten und Betrachtungen über neutestamentliche Texte aus dem ersten Jahrzehnt der tiefsten Erniedrigung des deutschen Volkes“ an.219) Die Predigtsammlung, die Maurenbrecher 1928 schon unter demselben Titel in seinem eigenen Periodikum „Glaube und Deutschtum“ publiziert hatte, lehnte Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996, S. 259–174; ähnlich: Gangolf Hübinger: Kultur und Wissenschaft im Eugen Diederichs Verlag, in: Ulbricht/Werner (Hrsg.): Romantik, S. 162–167. 214) Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 01. 02. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 215) Maurenbrecher: Heiland; S. 165. 216) Ebd., S. 98, 166. 217) Weber: Altes Testament, S. 39, 90, 113, 118, 124f., 134ff., 146f. 218) Ebd., S. 189. 219) Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 15. 03. 1929.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
der Verlag zunächst wegen des zu hohen Umfangs, der daraus folgenden „schwer wiegenden Kostenfrage“ und fehlender Abnehmerkreise ab. Auch wurde die Absatzkrise liberal-theologischer Titel angesprochen. Die Arbeit sei zu sehr historisch ausgerichtet. Gangbar seien Predigten nur, sofern sie zeitlos oder „ganz auf die Gegenwartsnöte aus der neuesten Zeit eingestellt sind.“220) Nach einer Kürzung von 500 Seiten und einer inhaltlichen Überarbeitung hin zu einem ganz „für den heutigen Tag geschriebenem“ Werk bot Maurenbrecher dem Verlag das Buch im Juni 1929 erneut an und hatte Erfolg.221) Die inhaltliche Diskussion zwischen Verlag und Autor zog sich jedoch noch weitere neun Monate bis zur Drucklegung im März 1930 hin. „Der Heiland der Deutschen“ war eine verlegerische „Schwergeburt“.222) Der Text erfuhr zwei grundlegende Überarbeitungen und Kürzungen, um zu einem Umfang zu gelangen, der den vom Verlag angepeilten Ladenpreis von sechs Reichsmark ermöglichen konnte.223) Formale Korrekturen zogen sich bis in die Monate der Drucklegung, d. h. März und April 1930 hin. Inhaltliche Änderungsvorschläge und -forderungen des Verlags an den Autor, in ausführlichen Beurteilungen der Verleger Wilhelm, Gustav und Günther Ruprecht sowie eines externen Gutachters formuliert, resultierten in erster Linie aus wirtschaftlichen Erwägungen und betrafen Textmodifikationen, die dem Erfahrungs- und Deutungshorizont der anvisierten Rezipientenkreise entgegenkommen sollten. Der mögliche Leser- und Käuferkreis sollte verbreitert und damit die Absatzmöglichkeiten des Buches verbessert werden. Diesbezügliche Änderungswünsche der Verleger betrafen zum einen polemische Äußerungen Maurenbrechers innerhalb zeitgenössischer theologischer Debatten – so sollten „die Ausfälle gegen die Freundschaftsbewegung der Kirchen“ gemildert werden. In anderem Zusammenhang sei es wohl auch nicht nötig, Karl Barths „sehr zahlreiche Anhänger so direkt vor den Kopf zu stoßen.“224) Zum anderen wurden politisch rechtsextreme Überspitzungen wie das absolute und autoritäre Staatsverständnis Maurenbrechers beanstandet. Günther Ruprecht bemängelte, das Buch enthalte „an zahlreichen Stellen überspitzte Formulierungen, die zur Erläuterung des Sachverhalts nicht unbedingt notwendig sind, aber jeder Kritik unnötige Ansatzpunkte geben. […] Diktatur prophezeien ist immer von Übel. Wozu an dieser Stelle diese unnötige politische Pointierung. […] ‚Der erste und oberste Zweck des Staates ist der Krieg‘ wirkt so, wie er dasteht, als Blasphemie. Wozu auch hier die unnötige Überspitzung. […] Auch hier scheint 220)
Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 23. 03. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 221) Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 28. 06. 1929; Vandenhoeck & Ruprecht an Maurenbrecher, 10. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 222) Wilhelm Ruprecht an Max Maurenbrecher, 28. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; vgl. auch: Ruprecht: Väter, S. 268f. 223) Vandenhoeck & Ruprecht & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 10. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 224) Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 10. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher.
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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mir die politische Pointierung übertrieben zumal am Anfang eines Abschnittes. Dem Absatz des Buches wird sie jedenfalls nicht förderlich sein.“225)
Diese Änderungsvorschläge des Verlags hatten dagegen im Gegensatz zu den Kürzungsvorschlägen und -forderungen nur bedingt Erfolg. Die von Wilhelm Ruprecht in seiner Beurteilung monierte „unnötige Provokation“ der Aussage „Der erste und oberste Zweck des Staates ist der Krieg“ wurde für die letztendlich gedruckte Fassung nur graduell abgeschwächt: „Das letzte und tiefste Muß des Staates bleibt auch in Zukunft der Krieg.“226) Ein weiterer Konfliktpunkt war die Frage nach den Absatznehmern. Maurenbrecher sah sein Zielpublikum in „bewußt nationalen Organisationen, Jugendverbänden und Parteien“, exemplarisch nannte er den Stahlhelm. Vor allem wollte er sein Buch in Kreisen von Nichttheologen verbreitet wissen, wenn er überhaupt „ängstlich nach Käuferkreisen“ fragen ließ.227) Auf Verlegerseite hatte man dagegen die eigene Kernkundenschaft, „weiteste Kreise der Pfarrer“, im Auge.228) Dort jedoch, so Günther Ruprecht, „wird das Buch zumindest auf scharfe grundsätzliche Ablehnung stoßen“. Seiner Ansicht nach sollte der Titel „wirklich auch andere als die ultrakonservativen Kreise erfassen“ und deshalb „auf die Psyche dieser Kreise […] Rücksicht genommen werden, um nicht ein abfälliges Urteil der in Frage kommenden Presse zu provozieren.“ Anhänger der Deutschnationalen Partei und „ein Teil der Leute der deutsch-völkischen Freiheitsbewegung“ kämen als Käufer zwar in Frage, „da aber diese Kreise z. B. Stahlhelm notorisch schlechte Bücherkäufer sind, muß man versuchen, bei nationalgerichteten Kreisen der Mitte Eingang zu finden, wie z. B. ‚Jungdeutscher Orden‘.“ Des Weiteren nennt er die Leserkreise der „Süddeutschen Monatshefte“ und der „Eisernen Blätter“, von „Deutschlands Erneuerung“, „Volk und Rasse“ und „Deutsches Volkstum“. In kirchlichen Kreisen sei „vielleicht“ in Teilen des Evangelischen Bundes, der Deutschkirche und der Dorfkirchenbewegung positive Resonanz zu erwarten.229)
225)
[Günther Ruprecht]: Bemerkungen zu Maurenbrecher „Volk und Kirche“, S. 1; vgl. auch: Wilhelm Ruprecht: Bemerkungen zu Maurenbrecher, Volk und Kirche; Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 28. 08. 1929; Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 10. 08. 1929 u. a., VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 226) Bemerkungen zu Maurenbrecher, Volk und Kirche, von Dr. W. Ruprecht, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; Maurenbrecher: Heiland, S. 51. 227) Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 17. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 04. 03. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 228) Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 10. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 229) Hierfür und folgend: Bemerkungen zu Maurenbrecher „Volk und Kirche“, ohne Verfasser [Günther Ruprecht], S. 2f., VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
An der Beurteilung Günther Ruprechts, dem Vertreter der jüngeren Generation in der Verlagsleitung, entzündete sich ein inhaltsbezogener Konflikt zwischen den Verlegern und Maurenbrecher, der klar von wirtschaftlichen Erwägungen absah. Günther Ruprecht erhob gegen zentrale politisch-theologische Aussagen Maurenbrechers Einspruch. Wesentlicher Kritikpunkt war „die Auffassung des Buches von der christlichen Ethik“. Maurenbrechers Verabsolutierung völkischer Interessen und staatlicher Machtpolitik widersprachen Ruprechts „Rechtsempfinden“ und waren für ihn „unchristlich“.230) Maurenbrecher halte nicht die Balance zwischen „Lebensdrang“ und „Volksegoismus“. Das Gutachten Günther Ruprechts ging Maurenbrecher zu, der daraufhin sein Manuskript vom Verlag zurückziehen wollte, insbesondere da „der Vertreter der jungen Generation, also der, der in absehbarer Zeit die Richtung des Verlags bestimmt, offenbar in ganz anderer Richtung sich bewegt, als wie ich es in diesem Buch tue“.231) Der Eklat konnte durch Wilhelm Ruprecht mit der vorgeschobenen Erklärung abgewendet werden, das Gutachten Günther Ruprechts seien persönliche, nicht für die Weitergabe bestimmte Notizen gewesen. Außerdem wies er auf das bisherige Engagement des Verlags hin, u. a. ein persönliches Darlehen an Maurenbrecher in Höhe von RM 800. Gleichzeitig wurde die Auflagenhöhe des Buches auf 3000 Exemplare festgesetzt und damit an das obere Ende des in vorhergehender Korrespondenz in Aussicht gestellten Limits.232) Andererseits wurde Maurenbrecher von Wilhelm Ruprecht kurz vor der Drucklegung erneut auf die abweichende Meinung seines Neffen hingewiesen: „Mein Neffe läßt ihnen noch ans Herz legen, an dieser Stelle zu ändern, weil Sie sonst den Staat jenseits von Gut und Böse stellten. Mir selbst ist die Sache nicht in Erinnerung.“233) Die zentralen Kritikpunkte Günther Ruprechts wurden in der Druckfassung aber nicht berücksichtigt. Diejenigen Argumentationsmuster, die zur Einstufung des „Heilands der Deutschen“ als rassistische Publikation geführt haben, wurden von der elementaren Kritik Günther Ruprechts an Maurenbrechers Staatsverständnis mitberührt. In keinem Gutachten wird die antisemitische Ausrichtung des Buches thematisiert. Die einzige marginale Anmerkung hierzu ist die Bemerkung Wilhelm Ruprechts, „die Rachgier als eine allgemeine Eigenschaft der Juden so zu betonen, ist mir fraglich.“234) Biologistische Argumentationsmuster Maurenbrechers werden weitgehend akzeptiert. Wilhelm Ruprecht hinter230)
Ebd., S. 5f. Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 04. 03. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 232) Wilhelm Ruprecht an Max Maurenbrecher, 06. 03. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 233) Wilhelm Ruprecht an Max Maurenbrecher, 08. 03. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; vgl. Maurenbrecher: Heiland, S. 150ff. 234) Wilhelm Ruprecht an Max Maurenbrecher, 10. 08. 1929, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 231)
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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fragt mit „Sind die Galater als Nordländer wirklich erwiesen?“ nur vorsichtig Maurenbrechers Ausführungen zum Galaterbrief, der für ihn die erste Missionierung von Angehörigen der nordischen Rasse bezeugen soll.235) In der Beurteilung des Manuskripts zeigen sich deutlich die Differenzen im theologischen und gesellschaftlichen Wahrnehmungsvermögen der älteren und jüngeren Ruprecht-Generation. Wilhelm und Gustav Ruprecht betrachteten den „Heiland der Deutschen“ in der nationalsozialen Retrospektive, gewöhnt an den wirtschaftlich prosperierenden und politisch selbstbewussten Staat. Günther Ruprecht hingegen war deutlich sensibilisiert gegenüber machtstaatlichen Drohgebärden. Gepaart mit einem realistischen Blick für die ökonomisch prekäre Lage des theologischen Buchmarkts, drängte er auf einen vorsichtigen Umgang mit dem theologischen oder politischen Gegner. Diese politische und theologische Sensibilität dürfte im Sommer 1933 mit dazu beigetragen haben, dem Verlag das bekenntnischristliche Organ „Junge Kirche“ anzugliedern. Paradoxerweise lieferte sie aber auch eine passgenaue Zielgruppenanalyse für den „Heiland der Deutschen“ und erhöhte die Effizienz der verlegerischen Vertriebstätigkeit. Maurenbrechers „Heiland der Deutschen“ konnte schließlich, laut Datierung der Kalkulation, am 15. Mai 1930 erscheinen. Die Herstellungskosten beliefen sich insgesamt auf RM 6724, einschließlich eines Honoraranteils an Maurenbrecher bzw. nach seinem Tod an die Witwe in Höhe von RM 1174. Weitere maßgebliche Posten der Herstellung waren Buchbinder-, Satz-, Druck- und Papierkosten. Die Ausstattung des Buches beschränkte sich auf die Einbandzeichnung und einen Schutzumschlag und fiel preislich nicht ins Gewicht. Werbe- oder Vertriebskosten sind in der Kalkulation nicht aufgeführt. Im Kalkulationsbuch ist eine Auflagenhöhe von 3200 Exemplaren verzeichnet, unter Einschluss der Autoren- und Freiexemplare. Der sorgfältigen Manuskriptbearbeitung der Verleger folgte eine ebenso sorgfältige Vertriebs- und Werbearbeit. Im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ wurde „Der Heiland der Deutschen“ mit einer Anzeige unter Bezugnahme auf den plötzlichen Tod des Verfassers am 5. Mai 1930 angekündigt. Die Hauptanzeige des Titels erschien am 8. Mai 1930 in einer – im Vergleich mit der üblichen konservativen Anzeigengestaltung von Vandenhoeck & Ruprecht – geradezu reißerischen Aufmachung über zwei Seiten hinweg und unter Ankündigung der üblichen Sonderrabattierungen zur Einführung des Titels. Maurenbrecher schlug vor, an die Bezieher seiner im Eigenverlag erscheinenden Zeitschrift „Glaube und Deutschtum“ Werbepostkarten zu versenden sowie ihnen den Erwerb des Buches zum Nettopreis zu offerieren.236)
235)
Vgl. Bemerkungen zu Maurenbrecher, Volk und Kirche, von Dr. W. Ruprecht, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 236) Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 12. 04. 1930; Vandenhoeck & Ruprecht an Max Maurenbrecher, 14. 04. 1930; Max Maurenbrecher an Vandenhoeck & Ruprecht, 16. 04. 1930; VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Wichtigstes Werbemittel waren die zu Rezensionszwecken an Zeitungen und Zeitschriften versandten Freiexemplare, die anhand eines im Verlag überlieferten Kontobuchs ermittelt werden konnten. Vom „Heiland der Deutschen“ wurden im Zeitraum vom 14. Mai 1930 bis zum 5. April 1932 außergewöhnliche 270 Freiexemplare verschickt, die annähernd 120 Rezensionen erbrachten, wobei nachweislich nicht alle tatsächlichen Rezensionsorgane verzeichnet sind.237) Versandt wurde das Buch an politisch rechtsextreme Zeitschriften wie der „Berliner Stahlhelmzeitung“, „Deutschlands Erneuerung“, „Hammer“, „Blut und Boden“, „Eiserne Blätter“ oder „Deutschlands Volkstum“. Die dort veröffentlichten Rezensionen bemängelten zwar, dass Maurenbrecher das Alte Testament beibehalten möchte, signalisierten aber sonst wohlwollende Zustimmung. Karl Klingemann, pensionierter Generalsuperintendent der Rheinprovinz und vom Verlag um die Rezension gebeten, lobte in den „Alldeutschen Blättern“ sowie im „Türmer“ den „Heiland der Deutschen“ als „prophetisches Buch“ und wurde damit selbst zum Propheten des Status’, den „Der Heiland der Deutschen“ als deutsch-christliches Grundlagenwerk nach 1933 haben sollte.238) Theologisch-wissenschaftliche Periodika wie das „Theologische Literaturblatt“, die „Zeitschrift für Theologie und Kirche“, die „Theologische Literaturzeitung“ oder „Theologie der Gegenwart“ reagierten deutlich zurückhaltender, blieben jedoch, wie der liberale Theologe Martin Schian, selbst dann „ergriffen, auch wo das Denken widerspricht“.239) Auffallend ist der hohe Rezensionsanteil regionaler Tageszeitungen und regionaler Kirchenund Gemeindeblätter, vorwiegend aus Nord- und Mitteldeutschland, der darauf hindeutet, dass ein kirchliches Zielpublikum im ländlichen Raum anvisiert und erreicht wurde. Dieser Befund überrascht nicht. Seit der Studie Karl-Wilhelm Dahms über die politische Ausrichtung der evangelischen Pfarrerschaft ist die Affinität ländlich-protestantisch geprägter Milieus zu antisemitischem und nationalem Gedankengut Forschungskonsens.240) Auf rigo237)
VRVA, Freistück-Konten 1921–1932, S. 214–216. Vandenhoeck & Ruprecht an Magdalene Maurenbrecher, 19. 07. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; Karl Klingemann: Rezension zu Max Maurenbrecher: Der Heiland der Deutschen, in: Alldeutsche Blätter 40 (1930), S. 117; zur Rezeption des „Heilands der Deutschen“ in völkischen und deutsch-christlichen Kreisen vgl. Thalmann: Schwäche, S. 157; Kurt Meier: Der „Bund für deutsche Kirche“ und seine völkisch-antijudaistische Tradition, in: Nowak/Raulet (Hrsg.): Protestantismus, S. 177–198, hier: S. 191. 239) Martin Schian: Rezension zu Max Maurenbrecher: Der Heiland der Deutschen, in: Theologische Literaturzeitung 55 (1930), Sp. 522f. 240) Dahm: Pfarrer; Jürgen W. Falter: Hitlers Wähler, München 1991, S. 163–167 und S. 255; vgl. auch: Wolfram Pyta: Ländlich-evangelisches Milieu und Nationalsozialismus bis 1933, in: Horst Möller/Andreas Wirsching/Walter Ziegler (Hrsg.): Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich, München 1996, S. 199–212; Pyta: Dorfgemeinschaft; Nowak: Evangelische Kirche; David J. Diephouse: Pastors and pluralism in Württemberg 1918–1933, Princeton 1987. 238)
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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rose Ablehnung stieß „Der Heiland der Deutschen“ im Lager der religiösen Sozialisten, die in ihm ihr „nationalsozialistisches Gegenstück“ erkannten – ein Vorwurf, gegen den sich der Verlag im Übrigen strikt verwahrte –, sowie politisch Liberale, die den „Heiland der Deutschen“ als „diabolus Germaniae“ gern auf einem protestantischen „Index der librorum prohibitorum“ gewusst hätten.241) Gerade diese letztgenannte, kritische Rezension wurde von Vandenhoeck & Ruprecht aber zur Anzeigenwerbung in der „Theologischen Literaturzeitung“ verwendet.242) Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus druckte im Mai 1930 in seinen Mitteilungsblättern lediglich einen verharmlosenden Nachruf auf Maurenbrecher ab, der zu seiner Zeit als Redakteur der „Deutschen Zeitung“ wiederholt Objekt der antisemitischen Abwehrbemühungen gewesen war, indessen aber in der „Stille des protestantischen Dorfpfarrhauses“ vergessen worden sei.243) Einmal mehr offenbarte sich die Wahrnehmungsschwäche der Diffamierten, denen die Wertigkeiten antisemitischer Codierungen zu selbstverständlich waren. In den Jahren 1930–32 verkauften sich 2936 Exemplare vom „Heiland der Deutschen“, davon 823 im Jahr 1930 und 1915 im Jahr 1931. 1932 war der Rest der Auflage von 198 Exemplaren ausverkauft. Im August 1933 wurde auf der Grundlage dieser günstigen Absatzlage eine zweite Auflage herausgegeben. Der Nettopreis belief sich pro gebundenem Exemplar auf durchschnittlich RM 4,50 und pro kartoniertem Exemplar auf durchschnittlich RM 3,48. Da diese Preise deutlich unter den regulären Nettopreisen von RM 4,87 für gebundene und RM 3,77 für kartonierte Ausgaben lagen und noch deutlicher unter den Ladenpreisen von RM 7,50 bzw. RM 5,80, sind hohe Sonderrabattierungen anzunehmen, die aus größeren Partielieferungen an Sortimentsbuchhandlungen resultieren könnten. Insgesamt wurden 1860 gebundene Exemplare und 1076 kartonierte Exemplare verkauft, die dem Verlag einen Verkaufsgewinn von RM 12 114 erbrachten.244) Der Verkaufsge241)
Vandenhoeck & Ruprecht an Magdalene Maurenbrecher, 18. 11. 1930, anliegend: Rezension zu Max Maurenbrecher: Der Heiland der Deutschen, in: Süddeutsche Blätter für Kirche und freies Christentum 71 (1930), VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher; Georg Sinn: Diabolus Germaniae, in: Die Zeit. Organ für grundsätzliche Orientierung 1 (1930), S. 369–371. 242) Vgl. Anzeige Vandenhoeck & Ruprecht, in: Theologische Literaturzeitung 55 (1930), S. 599: „‚Diabolus Germaniae‘ nennt F. W. Foersters ‚Zeit‘ in einem höchst aufgeregten Artikel Dr. Maurenbrecher wegen seines neuen Buches: Der Heiland der Deutschen. Maurenbrecher weiß, daß Deutschland nur dann wieder aufgebaut werden kann, wenn religiöse Kräfte den unerschütterlichen und in die Zukunft weisenden Unterbau schaffen. Sie in ihrer wachsenden Bedeutung für das politische, soziale und kulturelle Leben aufzuzeigen, ist die schöne Aufgabe des in prophetischem Tone und mitreißender, begeisternder Sprache geschriebenen Buches.“ 243) Abwehrblätter 40 (1930), S. 59f. 244) Als solcher Betrag im Kalkulationsbuch verzeichnet. Grundlage der Berechnung waren die Nettopreise der kartonierten und gebundenen Exemplare, deren Absatzzahlen jeweils differenziert verzeichnet sind, vgl. Kalkulationsbuch April 1921–September 1931, S. 457, VRVA.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
winn war damit annähernd doppelt so hoch wie die Herstellungskosten. Einer der Teilhaber, der Handschrift nach zu urteilen Günther Ruprecht, vermerkte widerstrebend, aber zu Recht am Rand der Kalkulation: „Jedenfalls gutes Geschäft.“245) „Der Heiland der Deutschen“ war ein Geschäftserfolg. Seinen Erfolg verdankte er der sorgfältigen verlegerischen Arbeit der Verleger Ruprecht, denn das Manuskript wurde erst durch ihr Engagement zu einem verkäuflichen Buch. Wichtig war ihnen vor allem, den Titel aus dem völkischen Lager herauszuhalten, da dort, so Günther Ruprecht, kein Gewinn zu machen sei. „Der Heiland der Deutschen“ sollte Bücherkäufer erreichen und hatte Erfolg, da er, unterstützt von der Werbetätigkeit des Verlags, dessen Kernkundenschaft, den durchschnittlichen, eher in der Praxis als an der Universität tätigen Theologen oder den theologischen Laien, interessieren und dessen Wissensbedürfnisse befriedigen konnte. „Der Heiland der Deutschen“ war aber keine verlegerische Überzeugungstat im Sinn einer rassistischen oder antisemitischen Gesinnungs- und Kampfgemeinschaft von Verlegern und Autor. Der Titel war in seiner rassistischen Radikalität im Verlagsprogramm von Vandenhoeck & Ruprecht einzigartig und entstammte keinem gesonderten rassistischen Verlagsbereich, sondern den Radikalisierungsmöglichkeiten vorhandener Programmbereiche. Wichtigste Traditionslinie des Verlagsprogramms war die nationale Sozialpolitik Friedrich Naumanns, verquickt mit der modernen, liberalen Theologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Diese im wilhelminischen Kulturprotestantismus zentral verankerten Strömungen mündeten direkt in den verlegerischen Kontakt zwischen Maurenbrecher und Vandenhoeck & Ruprecht. Antisemitische Codierungen waren normale Bestandteile der Publikationen liberaler Theologie wie auch der sozialen Umgangsformen der Nationalprotestanten. Die Wiederbelebung dieser Traditionen in den veränderten Kontexten der Weimarer Republik, wie sie beispielsweise in den machtpolitischen Manifestationen oder dem offen vertretenen Antisemitismus im „Heiland der Deutschen“ zu sehen sind, führte, zumindest bei der älteren Ruprecht-Generation, zu keinerlei Irritationen. Bei Günther Ruprecht rief das Buch glaubhafte Skepsis hervor, wenn diese sich auch nicht an der dezidiert antisemitischen Ausrichtung des Buches entzündete, sondern am Staatsverständnis Maurenbrechers. Der Publikationserfolg des „Heilands der Deutschen“ verdeutlicht, inwiefern das verlegerische Tagesgeschäft von sorgfältiger Kalkulation und Absatzpolitik, von Werbe- und Vertriebsmaßnahmen, trotz inhaltlicher Differenzen, zur Verbreitung rassistischer und antisemitischer Codierungen beitragen konnte. Die Intention der Verleger, den Titel „Der Heiland der Deutschen“ erfolgreich an ihre Kernkundenschaft zu verkaufen, mithin ökonomische Anschlussstellen zu schaffen, hatte den Effekt, inhaltliche Anschlussmöglich245)
Kalkulationsbuch April 1921–September 1931, S. 457 [Bleistiftnotiz], VRVA.
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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keiten rassistischer und antisemitischer Codierungen weiterzutragen. Der kulturelle Code des Antisemitismus im „Heiland der Deutschen“ fand, unbenommen der inhaltlichen Distanz Günther Ruprechts, in den theologischen Routinen und Plänkeleien der beginnenden dreißiger Jahre wirksam Widerhall. 3.2 Absatzsegment: Das Wesen der deutschen Kirche Das Absatzsegment des „Heilands der Deutschen“ ist vor dem Hintergrund der viel beschworenen „vagierenden Religiosität“ im Deutschen Reich der Jahrhundertwende zu sehen.246) Nach dem Ersten Weltkrieg war dieses Phänomen angesichts neuartiger gesellschaftlicher Problemlagen erneut, doch in veränderter Form mit einer Vielzahl knapper, populärer, religionskundlicher Einführungsbände oder spektakulärer religiös-theologischer Bestseller und ihren Orientierungs- und Lösungsmöglichkeiten auf theologisch-religiösen Buchmärkten greifbar. Verlegerisch korrespondierten vagierende Religionsfragmente mit einer pluralisierten verlegerischen Konkurrenzsituation auf theologisch-religiösen Teilmärkten. Von den im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelten theologischen Verlagstraditionen hatte einzig die traditionelle Zweiteilung und strikte verlegerische Separierung der beiden Großkonfessionen Bestand. Zwar war das Produktionsvolumen religiöser und theologischer Literatur die gesamte Weimarer Republik hindurch überdurchschnittlich hoch, verstärkt durch die Sonderkonjunktur religiöser bzw. theologischer Literatur seit 1930. Neu gegründete Verlage oder veränderte Produktionsprofile bestehender Verlage sorgten dennoch für eine verschärfte Konkurrenzlage.247) Religiöse oder theologische Bestseller sowie populäre, religionskundliche Einführungsbände wurden vorrangig von Verlagen produziert, die relative „Newcomer“ auf dem vor dem Ersten Weltkrieg klar zwischen den protestantischen Lagern und ihren angestammten Verlagshäusern aufgeteilten religiös-theologischen Buchmarkt waren. Der traditionsreiche Schulbuchverlag Trewendt & Granier in Breslau publizierte 1917 Rudolf Ottos religionswissenschaftlichen Leitfaden „Das Heilige“, der mit der 11. Auflage 1923 zu F. A. Perthes, mit der 13. Auflage 1925 zum Leopold Klotz Verlag (beide Gotha) und mit der 21. Auflage 1932 zu C. H. Beck in München kam. Der Chr. Kaiser Verlag in München war zwar ursprünglich Verlag der Münchner protestantischen Gemeinde, nach der Übernahme durch Albert
246)
Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918, S. 521; vgl. auch Stefanie von Schnurbein/Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe „arteigener“ Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende, Würzburg 2001. 247) Zur Sonderkonjunktur theologischer bzw. religiöser Literatur vgl. Umlauff: Beiträge, S. 73; zur Konkurrenz: Hübinger/Müller: Verlage; Müller/Rendtorff: Theologie, S. 75f.; Kastner: Statistik (2007), S. 344f.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Lempp 1911 aber weltanschaulich oder theologisch kaum noch zu klassifizieren. Allenfalls Münchner Regionalia bildeten den gemeinsamen Nenner des Verlagsprogramms, in dem Lempp die Anthroposophie Rudolf Steiners sowie seines theologischen Anhängers Friedrich Rittelmeyer und die volkstümliche Münchner Laien-, Kasperl- und Marionettenspielszene zu vereinen wusste. Mit der Herausgabe des „Römerbriefs“ von Karl Barth 1919 wurde der Verlag zum Sammelpunkt der dialektischen Theologie, unbeeinflusst von einem verlegerischen Spielbein bei den Neulutheranern Paul Althaus und Emanuel Hirsch.248) Ersterer gab bei Chr. Kaiser zumindest 1927–35 gemeinsam mit seinem theologischen Antipoden Karl Barth die Reihe „Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus“ heraus. Letzterer war neben dem Dialektiker Emil Brunner Autor der „Veröffentlichungen der Luther-Gesellschaft“ (1925–28). Der 1910 gegründete Berliner Furche Verlag, ursprünglich Verlag der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung sowie ihrer Zeitschrift „Furche“, weitete 1914 zur Literaturversorgung kriegsteilnehmender Studenten seine Aktivitäten auf den Buchverlag und seit 1916 auf religiöse Weltanschauung und Belletristik für ein breites Publikum aus. 1926 landete das Unternehmen mit „Das Jahrhundert der Kirche“ des Berliner Generalsuperintendenten Otto Dibelius einen Bestseller. Paul Tillich, der mit seinem Kairos-Kreis verlegerisch beim seit 1918 bestehenden Darmstädter Weltanschauungsverlag Otto Reichl beheimatet war, bot zeitgleich „Die religiöse Lage der Gegenwart“ in der populärwissenschaftlichen Reihe „Wege zum Wissen“ des Ullstein Verlags an. Der 1919 in dieser Form gegründete wissenschaftliche Universalverlag Walter de Gruyter brachte 1931 in seiner populärwissenschaftlichen Reihe „Sammlung Göschen“ Karl Jaspers’ philosophischen Leitfaden „Die geistige Situation der Zeit“ heraus, der sich zum bestverkäuflichen Band der Reihe entwickelte. Der einzige Verlag, der bereits auf dem liberalen theologischen Buchmarkt des ausgehenden 19. Jahrhunderts etabliert gewesen war und im Wettbewerb um die populär-religiösen Regalplätze mithalten konnte, war der J. C. Hinrichs Verlag, bei dem 1900 Harnacks „Das Wesen des Christentums“ erschien, dessen Auflage bis 1929 auf 72 000 Stück anwuchs. Das engere Absatzsegment des „Heilands der Deutschen“ bilden die genannten Veröffentlichungen nicht. Sie geben aber einen Eindruck von dem Bedingungsrahmen seiner Veröffentlichung, für den zum einen die Konjunktur religiösen Schrifttums bei schärfer werdender Konkurrenzlage zu memo-
248)
Vgl. Hübinger/Müller: Verlage, S. 383; Pautler/Rendtorff: Volksgemeinschaft, S. 199; Friedrich Wilhelm Graf/Andreas Waschbüsch: Christian Kaiser Verlag, in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44853 (07. 09. 2010).
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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rieren ist, zum anderen das marktgängige, allgemeinverständliche Format, das für theologische Publikationen alltäglich geworden war. „Der Heiland der Deutschen“ wird im engeren Kontext spezifisch protestantischer Debatten um Struktur und Gestaltung der protestantischen Kirchen im deutschen Nationalstaat verortet, die angesichts grundlegend veränderter Verfassungen der evangelischen Landeskirchen seit 1919 erhöhte Virulenz erfuhren. Praktische Probleme, wie Fragen der Pfarrerbesoldung, der Kirchensteuern oder des Verwaltungsaufbaus, boten Anlass für prinzipielle Erörterungen in Fragen der Ekklesiologie sowie zur Rolle der Kirche im und ihrem Verhältnis zum neuen Staat.249) Einen Anhaltspunkt für diese Klassifizierung liefern die Verleger Ruprecht, die Maurenbrechers Buch in Konkurrenz zu Otto Dibelius’ kirchenpolitischem Klassiker „Das Jahrhundert der Kirche“ sahen.250) In diesem immer noch weiten Absatzsegment kirchentheoretischer protestantischer Publikationen finden sich annähernd 100 Titel in ähnlicher Preislage und Ausstattung wie „Der Heiland der Deutschen“, die sich relativ gleichmäßig auf die Jahre 1919 bis 1932, das leichte Produktionshoch der religiös-theologischen Literatur in den Endjahren der Republik nachvollziehend, verteilen.251) Gemeinsam ist ihnen das Bemühen, die Funktion der protestantischen Kirche in der veränderten sozialen Wirklichkeit des Deutschen Reichs zu bestimmen. Flankiert wurden sie dabei von einer politisierten Theologie, deren einhelliges Bestreben es war, der protestantischen Kirche und Theologie zu neuer Homogenität und Authentizität zu verhelfen.252) Die neu formierten theologischen Nachkriegsfraktionen, seien es die dialektischen Theologen, die Religiösen Sozialisten oder die nationalen Neulutheraner, wetterten geschlossen gegen die Relativität vorhergehender theologisch-historistischer Forschungen. Ihre gegenwartsbezogenen theologischen Alternativen neigten demgegenüber inhaltlich und sprachlich zu Absolutheitsvorstellungen, die signalisierten, dass man nicht bereit war, den 249)
Vgl. Jacke: Kirche; Motschmann: Kirche; Wright: Parteien; Nowak: Evangelische Kirche; Dahm: Pfarrer; Lessing: Bekenntnis; Kuhlemann: Traumatisierungen; Inacker: Transzendenz. 250) Vgl. Wilhelm Ruprecht an Max Maurenbrecher, 06. 03. 1930, VRVA Autorenkorrespondenz, Korrespondenz Maurenbrecher. 251) Bibliographiert nach: Deutsches Bücherverzeichnis. Stich- und Schlagwortregister 1915–1920. Bd. 6, 1. A–K, Leipzig 1924, S. 228–230, 785–795 („Kirche“, „Christentum“); Deutsches Bücherverzeichnis. Stich- und Schlagwortregister 1921–1925. Bd. 10. A–K, Leipzig 1927, S. 404–408, 1322–1334, („Kirche(n)“, „Christentum“); Deutsches Bücherverzeichnis. Stich- und Schlagwortregister 1926–1930. Bd. 15. A–K, Leipzig 1932, S. 481–487, 1485–1493 („Kirche“, „Christentum“); Deutsches Bücherverzeichnis, Stich- und Schlagwortregister 1931–35. Bd. 19. A–Z, Leipzig 1937, S. 246–251, 802–811 („Kirche“, „Christentum“). Nicht aufgenommen wurden Publikationen katholischer Verlage sowie diejenigen, deren Umfang unter 100 Seiten lag und die weniger als 1 RM kosteten. 252) Vgl. Graf: Übergeschichte; ders.: „Antihistoristische Revolution“; Hardtwig: Hochkultur, S. 82; Alexander Schwan: Zeitgenössische Philosophie und Theologie in ihrem Verhältnis zur Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Erdmann/Hagen Schulze (Hrsg.): Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Eine Bilanz heute, Düsseldorf 1980, S. 259–285.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
letztgültigen Wahrheitsanspruch theologischer Wissenschaft aufzugeben. Folge war die theologische und vor allem politische Kompromisslosigkeit republikskeptischer Intellektueller. In einer zeitgenössischen Bibliographie aus dem Jahr 1931, die sich mit dem „Neuen Nationalismus“ befasst, wird unter der Rubrik „Christentum und neuer Nationalismus“ denn auch Maurenbrechers „Der Heiland der Deutschen“ neben die Schriften der theologischen Antipoden Alfred de Quervain, Friedrich Gogarten, Karl Barth und Paul Althaus gestellt, denn „die neue konservative Bewegung spürt stark Gemeinsames mit der neuen Richtung im Protestantismus“.253) Innerhalb einer derart politisierten Theologie ist das konkrete Absatzsegment des „Heilands der Deutschen“ nur in diffuser Form zu umreißen. Nimmt man die Konkurrenzunternehmen von Vandenhoeck & Ruprecht und hier vor allem Mohr (Siebeck), Furche und Bertelsmann sowie die Publikationen, die in den engeren zeitlichen Rahmen der Veröffentlichung fallen, in den Blick, so überrascht, dass die Kommentare der Konkurrenz zur ideologischen Neugestaltung der protestantischen Kirche vergleichsweise moderat bleiben. Hinsichtlich seiner familiär geprägten Unternehmensstruktur und seiner theologisch liberalen Programmtradition war Mohr (Siebeck) so etwas wie das württembergische Schwesterunternehmen von Vandenhoeck & Ruprecht.254) Der Absatzkrise liberaler Theologie begegnete man dort mit einer Mixtur aus lutherischer und dialektischer Theologie. Der führende Lutherforscher Karl Holl war schon zum Reformationsjubiläum 1917 mit „Was verstand Luther unter Religion?“ Verlagsautor geworden, 1921 folgte sein Initialwerk der Lutherrenaissance „Luther“ in der ersten Auflage. Der Nachfolger Holls auf dem Berliner Lehrstuhl für Kirchen- und Dogmengeschichte Erich Seeberg steuerte zur populärwissenschaftlichen Reihe der „Sammlungen gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte“ 1932 das Bändchen „Staat und Religion“ bei. Zentral im thematischen Absatzsegment des „Heilands der Deutschen“ platziert, spricht er sich politisch neutral für eine organisatorische und weltanschauliche Trennung kirchlicher und staatlicher Interessenssphären aus. Seinen theologischen Standpunkt referiert Seeberg im Kontrast zu dialektischen Positionen, dennoch publizierte der Schweizer Dialektiker Emil Brunner seit 1914 parallel seine Hauptwerke bei Mohr (Siebeck). Der Programmbereich „Staat und Kirche“, der Ende der zwanziger Jahre vom Verlag durch entsprechende Anzeigen angekündigt wurde, war dort vor allem juristisches und kirchenrechtliches Segment. Entscheidend für diese Programmausrichtung dürfte gewesen sein, dass der Verlag seinen eigentlichen Programmschwerpunkt nicht in der Theologie hatte. In den rechts- und staatswissenschaftlichen Disziplinen 253)
Der neue Nationalismus. Ein Bücherverzeichnis. Hrsg. v. d. Städtischen Bücherhallen zu Leipzig. Leipzig 1931, S. 4f., 26. 254) Vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik, zum theologischen Programm speziell S. 200–224.
3. Arteigene Religion: Max Maurenbrecher, Der Heiland der Deutschen
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sowie der Nationalökonomie wurden erheblich mehr Titel mit einer durchschnittlich höheren Absatzquote produziert. Als Spitzentitel des kirchenpolitischen Absatzsegments ist „Das Jahrhundert der Kirche“ von Otto Dibelius zu betrachten. 1926 ließ Dibelius im Furche Verlag den emphatischen Aufruf „Ecclesiam habemus!“ ertönen.255) Sein Anliegen einer staatsfreien, selbstständigen protestantischen Kirche vertritt Dibelius, der aus seinen antisemitischen Überzeugungen sonst keinen Hehl machte, darin ohne jedes ethnisch oder konfessionell diskriminierendes Moment. In Anlehnung an protestantische Kirchen in England, Schottland oder Skandinavien skizziert er eine Kirche, die im Staat ethische und kulturelle Verantwortung übernehmen soll. Das „Jahrhundert der Kirche“ war ein Erfolgstitel, dem enorme öffentliche Beachtung zukam. Den Furche Verlag hielt dies nicht davon ab, sich nach theologischen Ergänzungen und Alternativen umzusehen. Die Neulutheraner Paul Althaus und Heinrich Rendtorff waren mit „Die Krisis der Ethik und das Evangelium“ (1926) und dem volksmissionarischen Traktat „Ich weiß, an wen ich glaube“ (1930) im Verlagsprogramm vertreten. Paul Tillich hatte schon 1929 mit dem Titel „Religiöse Verwirklichung“ religiös-soziale Akzente gesetzt. Paul Althaus war gleichfalls und in der Hauptsache immer noch Autor im C. Bertelsmann-Verlag.256) 1928 steuerte er dort zur Debatte um das Wesen der deutschen Kirche den Band „Kirche und Volkstum. Der völkische Wille im Lichte des Evangeliums“ bei, der aus einem Vortrag beim Königsberger Kirchentag 1927 hervorgegangen war. Althaus verwendet bereits in diesem Band, wie in seinem fünf Jahre später bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienenen „Die deutsche Stunde der Kirche“, die Ordnungskategorie des primordial codierten Volkstums. Obschon Althaus unklar operiert und die Institution Kirche den Volksinteressen unterordnet – die Kirche sei zum „Werkzeug“ des Volkstums bestimmt und habe „die Idee des Volkstums zu verkündigen“ –, erfährt das Volkstum bei ihm seine Bestimmung doch nur durch das Evangelium.257) Altbekannt und im Rahmen der konfessionellen Routinen sind seine antisemitischen Attacken, wenn er räsonniert: „Es geht […] nicht um Judenhaß – man kann an diesem Punkte gerade mit ernsten Juden übereinkommen –, es geht nicht um das Blut, auch nicht um den religiösen Glauben des Judentums, sondern um die Bedrohung durch eine ganz bestimmte zersetzte und zersetzende großstädtische Geistigkeit, deren Träger nun einmal in erster Linie jüdisches Volkstum ist.“258) Auch C. Bertelsmann setzte im theologischen Verlagsprogramm der zwanziger Jahre auf die Luther255) Vgl. Robert Stupperich: Otto Dibelius. Ein evangelischer Bischof im Umbruch der Zeiten, Göttingen 1989, S. 143ff.; Hartmut Fritz: Otto Dibelius. Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen 1998. 256) Pautler/Rendtorff: Volksgemeinschaft. 257) Paul Althaus: Kirche und Volkstum. Der völkische Wille im Lichte des Evangeliums, Gütersloh 1928, S. 31, 33; vgl. Pautler/Rendtorff: Volksgemeinschaft, S. 203f. 258) Althaus: Kirche und Volkstum, S. 34.
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V. Der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
renaissance.259) Neben Althaus war der konservative lutherische Theologe Carl Stange, Nachfolger Paul Althaus’ d.Ä. in Göttingen, Hauptautor. Aber auch Bertelsmann riskierte verlegerisch keine theologische Eindeutigkeit mehr. 1931 fanden sich im theologischen Verlagsprogramm die „Kierkegaardstudien“ von Emanuel Hirsch einträchtig neben der Habilitationsschrift von Dietrich Bonhoeffer: „Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie“. Davon unbesehen verlor die Theologie im Verlagsprogramm insgesamt an Bedeutung, zugunsten eines seit 1927 neu eingeführten Belletristikbereichs. Im evangelischen Konfessionsverlag Säemann, der stark antikatholische Färbung zeigte, nahm der liberale Theologe Martin Schian 1930 in „Evangelische Kirche und Politik“ Stellung zum Aufkommen der evangelischen Partei Christlich-sozialer Volksdienst, demgegenüber er die staatliche und parteiliche Unabhängigkeit der evangelischen Kirche betonte. Im Stuttgarter Verlag J. F. Steinkopf, der schwäbisch-regionale Erbauungsund Heimatliteratur pflegte, informierte Kurt Hutten 1932 in der Reihe „Wege zur Wahrheit. Evangelische Antworten auf Gegenwartsfragen“ über „Um Blut und Glauben. Evangelium oder völkische Religion?“. Hutten, der 1933–34 den Deutschen Christen angehörte, wie auch 1941–43 dem Kreisauer Kreis nahe stand, lehnt hier noch deutsch-christliche Religionsentwürfe ab und verweist auf Luther, um einem deutschen Nationalcharakter religiös gerecht werden zu können. Die Konkurrenzsituation der protestantischen, theologischen Verlage verschärfte sich nicht nur durch neue Anbieter. Verlagsübergreifend lässt sich Mitte der zwanziger Jahre auf theologischem Gebiet innerhalb der traditionellen protestantischen Verlage eine neue, offene Konkurrenzsituation feststellen, die zum einen Teil einer allgemeinen Absatzkrise des Buchmarkts war, zum anderen eine neue, offene Konkurrenzsituation theologischer Lehrkonzepte anzeigte.260) Die zu diesem Zeitpunkt erfolgte Umorientierung und Neuausrichtung der theologisch-protestantischen Verlagsprogramme unterlag, aufgrund eines überschaubaren Autorenmarkts, einem hohen Maß an Kontingenz, wie die relative Auswechselbarkeit und breite Anschlussfähigkeit der Programme zeigt. Die theologischen Verlage, speziell in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, repräsentierten allenfalls im Rückgriff auf Teile ihrer Traditionen eindeutig einzuordnende Sinnkonzepte. In der Gegenwart der Jahre 1925–33 bewegten sie sich, immer mit dem Blick auf Absatzchancen und -risiken, auf einem eng umkämpften Terrain.
259)
Vgl. Müller/Rendtorff: Theologie; Wittmann/Haas/Simons: Bekenntnis; Stefan Pautler/Trutz Rendtorff: „Dort wird in allen Sätteln geritten“. Theologie zwischen Anpassung und Distanz, in: Friedländer/Frei/Rendtorff/Wittmann: Bertelsmann, S. 173–191; Pautler/ Rendtorff: Volksgemeinschaft, S. 208ff. 260) Für Mohr (Siebeck) vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik, S. 222f.; vgl. auch: Hardtwig: Political religion, S. 18.
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Eine Radikalisierung des Absatzsegments des „Heilands der Deutschen“, d. h. eine Radikalisierung der Debatten um Struktur und Gestaltung der protestantischen, deutschen Kirchen hin zu ethnisch grundierten oder gerechtfertigten Kirchenkonzepten, ist im letzten Drittel der Republik im Ansatz zu erkennen. Die theologisch-religiösen Verlage, die ihre Autoren aus dem Zentrum der protestantischen Theologen rekrutierten, blieben allerdings diesbezüglich gemäßigt. Einzig „Kirche und Volkstum“ (1928) von Paul Althaus, bei C. Bertelsmann publiziert, ist in seiner ethnischen Codierung dem „Heiland der Deutschen“ vergleichbar, indessen sind nationale Ordnungskategorien dort stets dem Primat einer göttlichen Offenbarung im Neuen Testament untergeordnet. Daneben wurden radikale, durchgehend primordial rassistische Konzepte deutscher Kirche und Religion von den Verlagen völkischer Prägung verbreitet, die nicht als spezifisch protestantisch-theologische Verlage gelten können. Vor allem traten der Deutsche Volksverlag Dr. Ernst Boepple in München mit dem „Deutschen Heiland“ (1921) des Flensburger Pastoren Friedrich Andersen, der seit 1932 im Verlag der Deutschkirche BerlinSchlachtensee erschien, hervor oder die Hanseatische Verlagsanstalt mit ihrem Verleger und Autoren Wilhelm Stapel und seinem „Christlichem Staatsmann“ aus dem Jahr 1932 sowie Hans Blühers antisemitischen Pamphleten „Die Erhebung Israels gegen die christlichen Güter“ (1931) und „Der Standort des Christentums in der lebendigen Welt“ (1932). Beide Publikationen nähern sich nicht aus der theologischen Perspektive ihrem Gegenstand, sondern aus der politischen. Sie verdeutlichen, dass der Konnex zwischen Politik und Theologie in den frühen dreißiger Jahren auch in allgemeineren als den speziell theologischen Umfeldern befördert wurde.
VI. Schlussbetrachtungen 1. Peripherie und Zentrum? Anbieter rassistischer und antisemitischer Publikationen Rassistische und antisemitische Publikationen waren in den Jahren der Weimarer Republik im Allgemeinen kein lukratives Geschäft. Über die untersuchten Fallbeispiele hinaus lässt sich diese Aussage angesichts der schwachen Wirtschaftslage der Weimarer Republik, von der die Buchmarktwirtschaft mitbetroffen war, verallgemeinern. Von der flauen Absatzkonjunktur waren rassistische und antisemitische Publikationen nicht ausgenommen. Dieser Befund bietet allerdings keinen Anlass, die These der völkischen Überzeugungstäter zu revitalisieren, die ihre kulturbildende Verlagsarbeit ohne Rücksicht auf ökonomische Rentabilität auf sich genommen hätten. In der Tat lassen sich aber in einigen Absatzsegmenten begrenzte Zirkel antisemitisch und rassistisch besonders aktiver Verlage erkennen. Die rassistische wissenschaftliche Rassenkunde verfügte mit den Verlagen Gustav Fischer und J. F. Lehmanns über einen überschaubaren Kreis von Anbietern, die den Kontakt zu den einschlägigen Autoren, beispielsweise Eugen Fischer oder Herman Lundborg, pflegten. An der antisemitischen Belletristik im Georg Westermann Verlag zeigt sich, dass dieses Genre für Verlage, die kein dezidiert völkischantisemitisches Image pflegten, nahezu tabu war. Der Verlag hatte mit Jansens „Kinder Israel“ eindeutig die Barriere eines Segments übertreten, das bis 1933 von ‚völkischen‘ Verlagen dominiert wurde. Das ‚völkische‘ Verlagssegment konstituierte sich durchaus in Form von Selbstbeschreibungen und Abgrenzungen eigener Geschäfts- und Gesinnungszirkel. Die Auswahl eigens ausgewählter Gesinnungsgenossen war freilich nicht allzu exklusiv. Eine diesbezügliche Aufzählung, die aus dem rechtsextremen Verlagslager des Jahres 1927 stammt, verzeichnet 23 „ordentliche Mitglieder“ der so genannten Vereinigung völkischer Verleger, darunter Alexander Duncker, der Hammer Verlag, J. F. Lehmanns oder Theodor Weicher, sowie 27 „außerordentliche Mitglieder“, vorwiegend nationale, völkische und esoterische Kleinverlage.1) Unter den in der Liste genannten „empfehlenswerten“ Verlagen und Buchhandlungen, immerhin 173 an der Zahl, finden sich die C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, der Verlag Breitkopf & Härtel, Georg D. W. Callwey, Fr. Eher Nachfolger, Eugen Diederichs, die Hanseatische Verlagsanstalt, der K. F. Koehler Konzern, der Stalling Verlag, Vandenhoeck & Ruprecht, R. Voigtländer oder Velhagen & Klasing, aber beispielsweise nicht Georg Westermann und Gustav Fischer. Auch für vaterländische Aktionen im Buchhandel zog der deutschnationale Verleger Wilhelm 1)
Hierfür und folgend: Tanzmann: Merkbuch, S. 289–295.
1. Peripherie und Zentrum?
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Ruprecht nicht jeden Kollegen zu Rate, wie die Anzeigenkampagne zur Reinhaltung deutschsprachiger Ortsangaben 1924 zeigte, sondern schlug gezielt Erich Ehlermann vom Verlag Ehlermann, Robert Voigtländer und Theodor Weicher zur Unterstützung vor. Den Ehrentitel „Bundesgenosse“ nahm Wilhelm Ruprecht von Julius Friedrich Lehmann gern an, entwickelte ihn zu einem „Kampfgenossen“ weiter und akzeptierte damit eine mit Lehmann gemeinsame Frontstellung im deutschnationalen Verlagslager.2) Auch die Ergebnisse der Absatzsegmentanalysen dieser Arbeit würden es immer noch ermöglichen, wenngleich methodisch schlicht, eine Fahndungsliste so genannter völkischer Verlage zu erstellen, die intentional zielbewusst antisemitische und rassistische Publikationen verbreitet hätte. Nicht nur Vandenhoeck & Ruprecht, Georg Westermann und Gustav Fischer, sondern auch Habbel, Eugen Diederichs, Curt Kabitzsch respektive J. A. Barth, Franckh und der Gea Verlag, die laut den Absatzsegmentanalysen rassistische oder antisemitische Publikationen verlegten, gehörten demnach zum völkischen Täterkreis. Der Weimarer Verlagsbuchhandel war weltanschaulich segmentiert, und rassistische sowie antisemitische Publikationen waren nicht überall anschlussfähig. Die These der rassistischen und antisemitischen „entrepreneurs of ideology“ ist demnach nicht zu negieren, aber sie bleibt ergänzungsbedürftig. Rassistische und antisemitische Publikationen waren nicht nur intentionale Überzeugungstaten und auf ein gesellschaftlich isolierbares Ensemble völkischer Verlage zu reduzieren, sondern sie waren desgleichen Bestandteile von Absatzsegmenten, deren Thematiken und Anbieterschaft breiter gestreut waren als bisher angenommen. Hierfür spricht zum einen schlicht die Auswahl meiner Untersuchungsgegenstände. Gustav Fischer, Georg Westermann und Vandenhoeck & Ruprecht waren anerkannte Verlagsbuchhandlungen ihrer Zeit. Gleichwie die Unternehmensleitungen organisiert waren, ob familial oder mit Hilfe externer Fachleute, die verlegerischen Akteure waren angesehene Kapazitäten. Sie waren eingebunden in die branchenüblichen Interessensvertretungen (Deutscher Verlegerverein, Börsenverein der Deutschen Buchhändler) sowie die lokalen Honoratiorenschichten ihrer Verlagsstandorte in Jena, Braunschweig und Göttingen, die im Fall von Göttingen und Jena gleichbedeutend mit universitären Funktionsträgern waren. In ihren Programmen spiegelten sich zeitgenössisch zentrale wissenschaftliche und weltanschauliche Debatten sowie allgemeine politische und kulturelle Problemlagen der Sozial-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften (Gustav Fischer), der Geographie, Heimatkunde und Pädagogik (Georg Westermann)
2)
Julius Friedrich Lehmann titulierte Ruprecht als „Bundesgenossen“ im April 1922, Ruprecht bedankte sich daraufhin bei Lehmann, dass er ihn „freundlich als Kampfgenosse […] bezeichne[t]. Das bin ich ja in vieler Beziehung.“ Vgl. Julius Friedrich Lehmann an Vandenhoeck & Ruprecht, 24. 04. 1922; Wilhelm Ruprecht an Julius Friedrich Lehmann, undatiert, VRVA Autorenkorrespondenz, Nr. 133.
266
VI. Schlussbetrachtungen
und der protestantischen Theologie (Vandenhoeck & Ruprecht). Innerhalb dieser Programme waren rassistische und antisemitische Publikationen keine eigenständigen Verlagszweige, sondern extreme Pole anschlussfähiger Programmbereiche. Die rassistischen und antisemitischen Tendenzen waren diesen Programmbereichen mithin inhärent. Die Autoren der rassistischen und antisemitischen Publikationen gehörten fast durchgehend dem Typus des „gescheiterten“ Mythologen oder „proletaroiden Intellektuellen“ an.3) In den wissenschaftlichen Disziplinen, die sie vertraten, standen sie an der Peripherie außeruniversitären Privatgelehrtentums. Durch die Publikation in diesen weltanschaulich neutralen Verlagen hingegen stießen Rassismus und Antisemitismus in die Mitte ihrer Disziplinen vor und fanden inhaltlichen und ökonomischen Rückhalt in anderweitigen Verlagsprogrammen. Die Rolle der Verlage im Absatzprozess rassistischer und antisemitischer Publikationen war dennoch weniger die von Gatekeepern rassistischer und antisemitischer Ideologien oder Ideologeme. Vielmehr repräsentierten sie „Netze“ rassistisch und antisemitisch anschlussfähiger Themenfelder.4) Die Verlage, und zwar in ihrer Programmpolitik wie auch in ihrer unternehmerischen Organisationspolitik, nahmen die Funktion von „Übersetzern“ ein. In diesen programmatischen und unternehmerischen Zusammenhängen der Verlagsbuchhandlungen wird deutlich, wie rassistische und antisemitische Publikationen verlegt wurden. Die Betrachtung dieses ‚Wie‘ kann wiederum ausschlaggebend sein, um zu verstehen, welche gesellschaftlichen Prozesse die Streuung rassistischer und antisemitischer Codierungen ermöglicht, befördert oder gebremst haben.5)
2. Fluktuationen Gesellschaft und Kultur der Weimarer Republik waren von Widersprüchlichkeiten zwischen extrem fragmentierten Teilöffentlichkeiten sowie von parallel verlaufenden Austauscheffekten politischer und weltanschaulicher Diskurse geprägt.6) Die widersprüchlichen gesellschaftlichen und kulturellen Formationen spiegelten sich, wie im zweiten Kapitel gezeigt, in den flexiblen Segmentierungen des Weimarer Buchmarkts. Die Verlagsbuchhandlungen der Weimarer Republik sahen sich beständig vor die Aufgabe gestellt, vorhande3)
Zum „Mythologen“ vgl. Giesen: Identität, S. 242; zum „proletaroiden Intellektuellen“ vgl. Breuer: Völkischen, S. 130f. 4) „Netze“ und „Übersetzer“ nach: Latour: Versuch, S. 10, 152 5) Für die Forderung nach dem ‚Wie‘ in der Analyse von Antisemitismus: Volkov: Antisemitismus, S. 23ff. 6) Peukert: Weimarer Republik; Bracher/Funke/Jacobsen: Weimarer Republik; Kolb: Weimarer Republik; Möller: Weimarer Republik; Mommsen: Freiheit; Schirmer: Mythos, S. 66ff.; Lehnert/Megerle (Hrsg.): Identität; Lehnert (Hrsg.): Teilkulturen; Geyer: Gleichzeitigkeit; Gangl/Raulet (Hrsg.): Intellektuellendiskurse.
2. Fluktuationen
267
ne Marktanteile zu sichern sowie neue Absatzsegmente zu erschließen. So wie die gesellschaftlichen und kulturellen Allianzen und Konflikte der Republik nahezu unberechenbar waren, so unwägbar war das Alltagsgeschäft der Verleger, die zwischen den sich wandelnden gesellschaftlichen und kulturellen Feldern zu vermitteln hatten. Vergleichbar zu Vermutungen der politischen Kulturgeschichte, wonach gerade die Demokratisierungsprozesse die Weimarer Zivilgesellschaft geschwächt hätten, ist die Annahme schlüssig, dass die Pluralisierung des Buchmarkts unter ökonomisch prekären Bedingungen die Anforderungen an die Verlage erhöhte und zu radikalisierenden Unsicherheiten in der Programm- und Unternehmenspolitik führte.7) In Anbetracht der gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der Weimarer Zeit gerieten die eingeübten Codierungen des kolonialen Rassismus, der rassistischen Rassenhygiene und des wilhelminischen Antisemitismus in Bewegung. Aber rassistische und antisemitische Publikationen wurden weder ausnahmslos erfolgreich verkauft noch zielgerichtet propagiert oder widerspruchslos hingenommen. Vielmehr verbreiteten sich rassistische und antisemitische Codierungen, indem alte kulturelle Codierungen des Kaiserreichs teilweise revitalisiert wurden, diese Revitalisierungen aber auf Widerstände oder Legitimitätsgrenzen ihres Absatzsegments stießen. Die Durchsetzung der rassistischen und antisemitischen Codierungen geschah keinesfalls reibungslos, aber gerade diese Reibungsflächen führten unter Umständen zu ihrer Fluktuation, ihrer schleichenden Streuung in neue Relationen. Dieser Prozess der Fluktuation soll im Folgenden, in zeitliche und inhaltliche Relationen unterteilt, zusammenfassend dargestellt werden. 2.1 Zeitliche Fluktuationen An den verschiedenen Programmgebieten dreier Verlagsbuchhandlungen, die in unterschiedlichen Wissensfeldern einzelne rassistische und antisemitische Publikationen veröffentlichten, konnte gezeigt werden, dass antisemitische und rassistische Codierungen in verschiedenen Absatzsegmenten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fluktuierten. Die groben Verwerfungen der Weimarer Gesellschaft, die sozial und kulturell auseinanderklaffenden Erfahrungsräume und Möglichkeitshorizonte der Akteure, die Segmentierungen und Fragmentierungen politischer und kultureller Diskurse, zeigen sich in der Parallelität von Tradierungen antisemitischer und rassistischer Codierungen des Kaiserreichs, ihrer Transformation unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Republik und dem Legitimitätsverlust sowie den Grenzen rassistischer
7)
Vgl. Thomas Mergel: Identitätspolitik – Misstrauen gegenüber dem Staat. Aspekte des Verhältnisses zwischen Zivilgesellschaft und Politik in Deutschland und Großbritannien in der Zwischenkriegszeit, in: Ralph Jessen/Sven Reichardt/Ansgar Klein (Hrsg.): Zivilgesellschaft als Geschichte. Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2004, S. 197–218, hier: S. 197.
268
VI. Schlussbetrachtungen
und antisemitischer Codierungen. Shulamit Volkov spricht von der „merkwürdigen Zähigkeit“ des kulturellen Codes des Antisemitismus, der in veränderten Kontexten weiter zirkulierte, in diesen veränderten Konnotationen jedoch nicht mehr verstanden wurde.8) Das Nebeneinander alter und neuer antisemitischer und rassistischer Codierungen sowie die Schwierigkeiten ihrer Decodierung werden in den Ergebnissen der Arbeit deutlich und lassen die ‚Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Codierungen‘ in der Verwendung von Rassismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik aufscheinen. Die Erscheinungsdaten der Publikationen sind nicht unbedingt hinreichend, um die zeitlichen Fluktuationen und Tradierungsverhältnisse ihrer antisemitischen oder rassistischen Codierungen abzuschätzen. Der „Heiland der Deutschen“ von Max Maurenbrecher, im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 1930 erschienen und außerhalb der Inflation das einzige außergewöhnlich gut verkäufliche der in dieser Arbeit diskutierten Werke, scheint auf den ersten Blick in das kulturelle und politische Klima von Obstruktion der letzten Republikjahre zu passen. Die Publikationsgeschichte des „Heilands der Deutschen“ ist aber von längerer Dauer. Der erste Manuskriptentwurf wurde bei Vandenhoeck & Ruprecht schon im März 1929 eingereicht, nachdem der Grundstock der Texte 1928 in „Glaube und Deutschtum“ veröffentlicht worden war. Bis in die nationalsozialen Zirkel des Kaiserreichs reicht die Bekanntschaft zwischen Maurenbrecher und der älteren Verlegergeneration von Vandenhoeck & Ruprecht. Die alten nationalsozialen Solidaritäten motivierten entscheidend die Bereitschaft der älteren Verlegergeneration, das Manuskript Maurenbrechers anzunehmen und in ihrem Sinn publikationsreif zu gestalten. In den verlagsinternen Diskussionen rund um die Publikation des „Heilands der Deutschen“ schlug sich daneben der Weimarer Generationenkonflikt nieder. Ältere und jüngere Generation der Verlagsleitung waren sich über die Radikalität des „Heilands der Deutschen“ uneinig und verfügten über differierende Decodierungsmöglichkeiten rassistischer und antisemitischer Codes. War die ältere Generation ihrem nationalsozialen Gefährten Maurenbrecher gegenüber loyal und an den ubiquitären kulturellen Code des Antisemitismus gewöhnt, den sie selbst in der buchhändlerischen Öffentlichkeit praktizierte, so störte sich die jüngere Generation, Günther Ruprecht, am staatlichen Machtgerassel des Wilhelminismus und erkannte Ansatzpunkte rassistischer Radikalität. Begründet war die Skepsis Günther Ruprechts großenteils in einer von der älteren Generation abweichenden Beurteilung des zeitgenössischen Buchmarkts. Maurenbrechers „Heiland der Deutschen“ wurde von Günther Ruprecht politisch im Umkreis des „Stahlhelms“ eingeordnet, deren Angehörige „notorisch schlechte Bücherkäufer“ seien. Diese kritische Einschätzung hatte wiederum zur Folge, dass mit Hilfe des verlegeri-
8)
Volkov: Antisemitismus, S. 35f.
2. Fluktuationen
269
schen Fachwissens Günther Ruprechts die werbetechnische Platzierung des „Heilands der Deutschen“ so differenziert und erfolgreich verlief. Im Bereich der Lehr- und Handbücher populärer oder wissenschaftlicher Art blieben Konzepte des Kaiserreichs bestehen, da nach der Inflation die finanziellen Mittel für Neuauflagen oder Neuproduktionen fehlten. An der Literaturgeschichte von Adolf Bartels im Westermann Verlag und ihrem Absatzsegment werden die Konsequenzen fehlender Gelder für Bücher ersichtlich, die ihren Gegenstand den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen könnten. Nur ein kleinerer Teil der in der Weimarer Zeit gebräuchlichen Literaturgeschichten waren Produkte der Republik. Überwiegend entstammten sie dem Kaiserreich und transportierten den kulturellen Code des Antisemitismus in griffigen nationalliterarischen Topoi, wie dem der angeblich zersetzenden Dichtung Heinrich Heines, in die Weimarer Republik. Die Konsequenzen, die dieses ‚Weiterschleppen‘ der traditionellen antisemitischen und rassistischen Codierungen in neue Kontexte nach sich ziehen konnte, demonstriert auch das Absatzsegment von Banses „Länderkunde“, in dem rassistische und antisemitische Codes des 19. Jahrhunderts, vor allem Antislawismus gegen Polen, die koloniale Verwertungsperspektive auf Afrika oder Antisemitismus gegen geographisch omnipräsente Juden, in Anbetracht der darzustellenden Gebiets- oder Kolonienverluste des Deutschen Reiches neue Bedrohungskraft gewannen. Beiden Publikationen, Banse und Bartels, war gemeinsam, dass der durch sie transportierte Rassismus und Antisemitismus in weit verbreiteten, traditionalen Codierungen ihres jeweiligen Absatzsegments abgefedert wurde. Anlass für eine zumindest versuchte Renaissance kaiserzeitlicher rassistischer und antisemitischer Codierungen waren daneben Zeitabläufe, die aufgrund von Urheberrechtsbestimmungen die Fluktuation antisemitischer Autoren bewirkten. Dreißig Jahre post mortem auctoris wurden 1921 die Abdruckrechte an den Werken Paul de Lagardes frei und seine Schriften zu einem kostengünstigen Publikationsobjekt. Legitimationsgrenzen ‚alter‘ antisemitischer Codierungen in Form starker Publikationsbarrieren zeigt der Roman „Die Kinder Israel“ im Verlag Georg Westermann. Seine Radikalität bewog den Verlag, die Auflagenhöhe auf das Minimum des Möglichen festzusetzen und die Remissionsrechte der Sortimenter auszuweiten. Auf der Seite der Betroffenen, des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, gehörten die antisemitischen Topoi des Romans dagegen zum gewöhnlichen Normalfeld ihrer alltäglichen Diskriminierung. Zwischen den Verlegern, die für das geschäftlich tragbare Verlagsimage zuständig waren, und den Betroffenen der antisemitischen Diskriminierungen variierten offensichtlich die Decodierungskompetenzen von Antisemitismus. Die aus anthropometrischen und vererbungstheoretischen Projekten der Vorkriegszeit herrührende wissenschaftliche Rassenkunde stieß im sehr beschränkten Feld der fachwissenschaftlichen Anbieter in den Absatzsegmenten der Lundborg-Publikationen an verlegerische Grenzen, während sie im
270
VI. Schlussbetrachtungen
populären Genre der Einführungsbändchen im Absatzsegment von Otto Hausers Rasse-Reihe florierte. Rassistische Codierungen fluktuierten sowohl in der populären wie in der wissenschaftlichen Gattung in Folge ihres allmählichen Legitimitätsverlusts. Kritik und Auseinandersetzung mit rassistischer Rassenkunde trugen auf nationalen und internationalen Absatzmärkten zur Konjunktur allgemeiner biopolitischer Thematiken seit Mitte der zwanziger Jahre bei. Delegitimierungen stoppten im Segment wissenschaftlicher Rassenkunden die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Codierungen nicht, sondern leiteten sie in die Segmente populärer rassistischer und nicht-rassistischer Rassenkunden sowie allgemeiner biopolitischer Diskurse um. Quasi nebenher diffundierten antisemitische und rassistische Topoi, wie die Grafik der jüdischen Hakennase, die sich im rassenkundlichen Einführungsband von Eugen Fischer im Ullstein Verlag einfand. Die Betrachtung der zeitlichen Fluktuationen rassistischer und antisemitischer Codierungen trägt darüber hinaus dazu bei, bisherige Periodisierungen von Rassismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik erneut zu überdenken und von simplifizierenden Modellen demokratisch-pluraler, „stabiler“ Mitteljahre, in denen Rassismus und Antisemitismus geringere Wirkung hätten entfalten können, endgültig abzurücken. Der Zeitraum rassenkundlicher Konjunktur auf dem deutschen Buchmarkt, wie sie sich in den Absatzsegmenten der Publikationen von Otto Hauser im Westermann Verlag und Herman Lundborg im Gustav Fischer Verlag zeigt, waren gerade diese „stabilen Mitteljahre“ der Republik. Zum einen zeigt sich ein weiteres Mal, dass geradlinige Rückschlüsse von ökonomischer und politischer Instabilität auf ein günstiges Klima für Rassismus und Antisemitismus und die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Publikationen zu kurz greifen würden.9) Zum anderen wird auch für den Buchhandel die These Lehnerts gestützt, das die Mitteljahre der Weimarer Republik nur oberflächlich als stabil gelten können.10) Im Fall von rassenkundlichen Publikationen der Weimarer Republik waren die stabilen Jahre des Buchhandels die Jahre, die für verschiedene Publikumsverlage, von Ullstein bis Reclam, im Anschluss an den inflationären Absatzboom die Chance, aber auch die Notwendigkeit eröffneten, neue Absatzsegmente zu erschließen. Begleitet von der wissenschaftlichen Institutionalisierung der Rassenkunde im 1927 eröffneten Kaiser Wilhelm-Institut Eugen Fischers, war die Rassenkunde ein Geschäftsfeld, das mittelfristig viel versprach, obgleich es dies langfristig nicht einhalten konnte. Insofern waren die vorgeblich stabilen Jahre in diesem Absatzsegment im Grunde Inkubationsjahre späterer ideologischer Radikalisierungsmöglichkeiten.11)
9)
Vgl. Walter: Kriminalität, S. 18f.; Hecht: Juden, S. 205. Detlef Lehnert: Die Weimarer Republik, 2. Aufl. Stuttgart 2009, S. 156. 11) Die stabilen Jahre der Republik als eigentlich krisenverursachende Jahre deutet auch an: Peukert: Weimarer Republik, S. 14, 281. 10)
2. Fluktuationen
271
2.2 Relationale Fluktuationen Die relationalen Fluktuationen rassistischer und antisemitischer Publikationen zeigen sich in den Programmen und Programmumstrukturierungen der drei untersuchten Verlagsbuchhandlungen. In Folge veränderter Absatzstrategien traten Programmsegmente in neue Relationen zueinander. Folglich wandelten sich die Anschlussmöglichkeiten für rassistische und antisemitische Codierungen. Der Gustav Fischer Verlag war ein weltweit operierender Wissenschaftsverlag, der seine Spezialgebiete in der Nationalökonomie, den Naturwissenschaften und der Medizin pflegte. Der Verlag kam aus der Tradition der historisch-theoretischen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts und schwenkte in den Weimarer Jahren aufgrund mangelnden Interesses der Absatznehmer an diesen Gebieten in die holistisch-romantische Schule Othmar Spanns um. Im medizinischen Programmgebiet Gustav Fischers wurde der therapeutische Gesundheitsoptimismus des 19. Jahrhunderts um sozialhygienische und konstitutionspathologische Maßnahmenkataloge sowie Lehrmaterial ergänzt. Die Subdisziplinen Sozialhygiene und Konstitutionspathologie hatten sich seit der Jahrhundertwende ausdifferenziert und nahmen im Ersten Weltkrieg und während der sozialen Notlage der Nachkriegsjahre an Bedeutung zu. In ökonomisch angespannter Lage öffentlicher und verlegerischer Budgets waren anderweitige Lehrbücher älterer Disziplinen kaum finanzierbar. Ebenfalls seit der Jahrhundertwende – die Erstauflage von Otto Ammons sozialanthropologischem Grundlagenwerk „Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen“ kann als Schlüsseldatum gelten – entwickelte der Jenaer Verlag an der Wirkungsstätte des monistischen Zoologen Ernst Haeckel einen sozialtechnologischen Schwerpunkt von Vererbungswissenschaften, Rassenbiologie und Anthropologie. Aufwändigstes Projekt war die wissenschaftliche Reihe „Deutsche Rassenkunde“, seit 1929 bestehend, die einen Überblick über die „rassische Beschaffenheit“ der deutschen Bevölkerung geben wollte. Wiewohl sie sich rassistisch ausbaufähiger, metrisch-klassifizierender Kategorien bediente und diese aus dem Kaiserreich in die Weimarer Republik überlieferte, machte sie gleichzeitig die Grenzen rassistischer Invektiven gegenüber methodisch exakten Objektivierungen deutlich: umfangreiche Indices von Schädeln und anderen Körperteilen ergaben keine hinreichende Grundlage für die Bewertung der rassischen Beschaffenheit verschiedener deutscher Bevölkerungsgruppen. Rassismus war in der Weltfirma des Gustav Fischer Verlags in den zwanziger Jahren wissenschaftlicher Schwedenimport. Die „Rassenbiologischen Übersichten und Perspektiven“ (1921) und die „Rassenkunde des schwedischen Volkes“ (1928) des Direktors des Staatsinstituts für Rassenbiologie in Uppsala Herman Lundborg zeigen die „Internationale der Rassisten“ in ihrer Ausbreitung, aber auch im beginnenden Legitimationsverlust des wissenschaftlichen Rassismus.
272
VI. Schlussbetrachtungen
Georg Westermanns Produktionsbereiche Geographie, Kartographie, Schulbücher und Belletristik lassen sich durch das Thema ‚Heimat und Welt‘ in Relation zueinander setzen. Keinesfalls als weltabgewandte, randständige Heimatschau zu denken, wurden bei Westermann in großem Maßstab Atlanten, Karten und Fibeln in Heimat- und Regionalausgaben produziert. Musste die Abbildung der Welt in Atlanten und Wandkarten in der Weimarer Republik neu geordnet werden, so konnte der Verlag in der Konstruktion einer näheren Umwelt, der Heimat, auf Konstanz setzen. In der durch den Ankauf des Janssen Verlags neu profilierten, vorwiegend im nieder- und norddeutschen Sujet angesiedelten Belletristik, die teilweise absatzpolitisch die schwächelnden reformpädagogischen Erziehungsratgeber stützen konnte, wurde die Erfahrung des zeitlich und räumlich Fremden durch das regionale und in eine mythologische Vorzeit verlagerte Identitätsangebot ‚Norddeutschland‘ abgemildert. Rassistische und antisemitische Publikationen finden sich in der Belletristik (Die Kinder Israel, 1930), in der populären Geographie (Ewald Banse) sowie im pädagogischen Begleitprogramm des Schulbuchverlags (Bartels, Hauser). Sie indizieren die rassistischen Radikalisierungsmöglichkeiten regionaler Gruppenkonstruktionen sowie deren Kommerzialisierung unter Ausnutzung der drucktechnischen und vertrieblichen Kompetenz des Westermann Verlags. Antisemitismus im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht fand im theologischen Umbruch statt. Der Verlag hatte mit dem nachlassenden Absatz seiner Programmtradition, der liberalen, protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts, sowie der Neuorientierung der Weimarer Theologie zu kämpfen und bewegte sich mit seiner verlegerischen Sinn- und Autorensuche, in deren Gefolge das Verlagsprogramm politisch einen deutlichen Rechtsruck und theologisch eine neue, unbedingte Gläubigkeit theologischer Wissenschaft zeigte, in nahezu völliger Übereinstimmung mit seiner zeitgenössischen Konkurrenz. Rassistische und antisemitische Codierungen fanden demnach vielfältige und vielschichtige Anschlussmöglichkeiten an die Programmgebiete der drei Verlage. Diese banale Erkenntnis gilt es angesichts unterkomplexer Reduzierungen von Antisemitismus und Rassismus auf politische Aktionsradien festzuhalten. Für den so genannten völkischen Diskurs der zwanziger und dreißiger Jahre hat demgegenüber bereits Eva-Maria Ziege auf den ubiquitären Bedeutungsgehalt und die variable Anschlussfähigkeit des Antisemitismus hingewiesen, wenngleich dies nicht zwingend, wie bei Ziege, mit einer kumulativen Verstärkung antisemitischer Codierungen einhergehen muss.12) Inhaltlich gemeinsam ist den Verlagen eine programmatische Neuorientierung in geisteswissenschaftlichen und sozialtechnologischen Disziplinen, ausgelöst durch Absatzverluste eines durchgehend schwachen Weimarer Buchmarkts, der, flexibel segmentiert, absatzpolitisch für die Verlage schwer einzuschätzen war. Sein rassistisches und antisemitisches Radikalisierungspotenzial 12)
Ziege: Kohärenz, S. 247.
2. Fluktuationen
273
wie auch seine kulturelle Innovationskraft waren für die Verlage durchaus zwei Seiten einer Medaille: vielschichtige Absatzverluste zu meistern und neue Absatzgebiete zu erschließen. In allen untersuchten Sachgebieten waren „die großen Lösungen des 19. Jahrhunderts“ nicht mehr absetzbar.13) Liberale Theologie, historische Nationalökonomie, sozialreformerische Hygiene oder historische Geographie brachen im Absatz ein bzw. waren schon unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr absatzfähig. In der wissenschafts- und ideengeschichtlichen Forschungsliteratur läuft dieser Prozess unter den Stichworten „Krise des Historismus“ oder der Präferenz lebensphilosophisch angehauchter Ganzheitskonzepte gegenüber quantitativer Detailarbeit.14) Die neuen Lösungen verknüpften ihre utopische Unbedingtheit mit der sachlich-nüchternen Anspruchshaltung moderner Wissenskonzepte. Auf diese Weise beanspruchten die politisierte Theologie, die ganzheitliche Volkswirtschaftslehre, die auf den intakten Menschen abgerichtete Konstitutionsmedizin oder politische Geographiekonzepte Gültigkeit innerhalb ihrer Wissensfelder. In der Weimarer Theologie geriet so der ehemals nationalsoziale, theologisch liberale Maurenbrecher in das Fahrwasser deutscher Christlichkeit. Ewald Banse übertrug das heimatkundliche Prinzip der Anschauung auf eine ästhetische Geographie und meinte, allein vom optischen Eindruck einer so genannten Landschaft auf den Charakter ihrer Bewohner schließen zu können. Otto Hausers und Herman Lundborgs rassistische Rassenkunden versuchten, ihrer ethnischen Reinheitsideologie mit statistisch-seriellem Zahlenmaterial Beweiskraft zu verleihen. Alle Sachpublikationen verorteten sich im Kontext von Popularisierungstendenzen ihres jeweiligen Gegenstands. In Anbetracht der wissenschaftlichen Paradigmenwechsel bot sich den Verlagen die Chance, die Absatzlücken nachlassender Verlagsgebiete durch eine quantitative Ausweitung anvisierter Absatznehmer populärer Buchprojekte auszugleichen. Rassistische und antisemitische Codierungen verschoben sich teilweise subtil in die populären Genres hinein, wie in der Rassenkunde geschehen. Popularisierung und neue wissenschaftliche Absolutheitsansprüche veränderten die Anschlussmöglichkeiten für rassistische und antisemitische Codierungen. Begünstigt wurde der Anschluss rassistischer und antisemitischer Codierungen durch die fundamentale Verschiebung des Politischen, die sich von Beginn an in nahezu allen öffentlichen Diskursen der Weimarer Republik vollzog, mit wachsender Intensität in den Endjahren der Republik, und die
13)
Peukert: Weimarer Republik, S. 238. Für den Historismus: Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Krise des Historismus – Krise der Wirklichkeit. Wissenschaft, Kunst und Literatur 1880–1932, Göttingen 2007; Wolfgang Küttler/Jörn Rüsen/Ernst Schulin u. a. (Hrsg.): Geschichtsdiskurs. Bd. 4. Krisenbewußtsein, Katastrophenerfahrungen und Innovationen 1880–1945, Frankfurt/M. 1997; Häuser: Ende; Hardtwig: Hochkultur, S. 77–102. 14)
274
VI. Schlussbetrachtungen
eine verschärfte Nationalisierung von Begrifflichkeiten und Inhalten implizierte. Nicht zufällig waren es theologische und politische Publikationen, die im allgemeinen Absatzkollaps nach 1930 einen Aufschwung verzeichnen konnten und deren Konjunktur sich auch im Absatzerfolg des „Heilands der Deutschen“ niederschlug. In längerfristige Nationalisierungsprozesse des ‚nation building‘ im Kaiserreich eingebunden, zeichnete sich die kurzfristige, für die Weimarer Republik spezifische Nationalisierung im Rahmen der hier betrachteten Verlagsprogramme durch einen, teilweise aus dem Kaiserreich übernommenen, inhärenten Hang zu Ganzheitsvorstellungen und einen stets mitlaufenden Reflex der nationalen Bedrohungsabwehr aus.15) Im Georg Westermann Verlag war die Reformpädagogik um den neuen Menschen bemüht; die Kartographen bildeten währenddessen das verkleinerte deutsche Reichsgebiet ab, das dennoch immer Mittelpunkt des Weltkonstrukts blieb und das in der Belletristik zur Heimat verklärt wurde. Im Gustav Fischer Verlag wurden holistische Staatskonzepte zur Gesundung der Wirtschaft und holistische Gesundheitskonzepte zur Gesundung des Volkskörpers vertrieben. Die politische Theologie im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht hatte sich schließlich in Unbedingtheitsmanier die Erlösung der deutschen Nation zum Ziel gesetzt. Die Ergebnisse bestätigen die für rassistische und antisemitische Codierungen nachgewiesene Nähe zum Nationalismus.16) Für die Wirksamkeit rassistischer und antisemitischer Codierungen der Weimarer Republik ist die weite Verbreitung dieser anschlussfähigen, unbedingten Ganzheits- und Bedrohungsszenarien zu beachten, die gemeinsam mit den traditionellen antisemitischen und rassistischen Codierungen des Kaiserreichs und ihrem Vorrat von Zuschreibungsmustern die Fluktuationen der Weimarer antisemitischen und rassistischen Codierungen beförderten. Die neue Unbedingtheit und das alte Vokabular von Rassismus und Antisemitismus gingen eine Allianz der Diskriminierung und des gesellschaftlichen Ausschlusses ein.
3. Epilog Eine historische Qualifikationsarbeit hat im Allgemeinen nicht zum Gegenstand, wie es mit ihren Protagonisten jenseits des Betrachtungszeitraums weiterging. Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit endet 1933. Sie sagt nichts über die Verlags- und Absatzpolitik der drei näher untersuchten Verlage im
15)
Gay nennt es „Hunger nach Ganzheit“, bleibt beim Merkmal der Bedrohungsabwehr allerdings widersprüchlich zwischen unterstellter „Angst vor der Modernität“ und paranoiden Angstvorstellungen; vgl. Gay: Republik, S. 99–138, spez. S. 131f.; zu Ganzheitssehnsüchten im Kaiserreich und der Weimarer Republik: Breuer: Völkischen, S. 14f. 16) Vgl. für den Antisemitismus: Holz: Antisemitismus; für den Rassismus: Geulen: Wahlverwandte.
3. Epilog
275
nationalsozialistischen Deutschland aus. Doch steht die Arbeit unter dem methodischen Verdikt, dass die Untersuchung von Rassismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik ohne die mörderische Dimension der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik von geringerem Interesse wäre. Deshalb sei, methodisch inkonsequent, im Folgenden grob die Lage der drei Verlage im Nationalsozialismus angerissen. Die operative Leitung des Georg Westermann Verlags oblag seit 1935 wieder ausschließlich Mitgliedern der Familie. Neben Everhard Westermann, seit 1931 tätig, trat im Mai 1933 Georg Mackensen, Schwiegersohn Georg Westermanns, in die Verlagsleitung ein. Hans Reichel und sein Sohn Hellmut waren 1935 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Hellmut Reichel betrieb in den dreißiger Jahren den Verlag Junge Generation in Berlin, der nationalsozialistische Jugendschriften verlegte und in dem sein Vater Teilhaber war.17) 1940 wurde Hans Reichel persönlich haftender Gesellschafter in der Reise- und Versandbuchhandlung Gutberlet & Co. KG in Berlin-Lichterfelde.18) Das pädagogische Programmsegment zeigte sich nach 1933 anschlussfähig für konjunkturell vielversprechende nationalsozialistische Jugendschriften, wie „Flamme empor! Schuljugend im Kriege“ (1934) von Karl Rauch oder Hermann Bohns „Hitler-Jugend in einem Jahrzehnt. Ein Glaubensweg der niedersächsischen Jugend“ (1938). In den ersten Kriegsjahren profitierte der Verlag vom Belletristikboom und legte die Werke Werner Jansens neu auf. Im Lizenzantrag vom März 1948 rechtfertigt Everhard Westermann diese Verlagspolitik sowie explizit die Publikation der Literaturgeschichte von Adolf Bartels gegenüber der alliierten Kontrollkommission apologetisch: „Erst 1935 gelang es, den Austritt des Dr. Reichel aus der Firma zu erreichen und in der Folge den von ihm eingeführten NS-Kurs zu mildern.“19) Der Verlag Gustav Fischer stand bis 1946 unter der Leitung von Gustav Adolf Fischer. Die Quellenlage bleibt leider auch für die Zeit nach 1933 dürftig, und Aussagen über das parteipolitische Engagement der Verlagsleitung oder ihre Distanz zum Nationalsozialismus sind nicht möglich. Der Verlag veröffentlichte weiterhin in rein wissenschaftlichen Absatzsegmenten, in denen spezifisch nationalsozialistische Verlagsprojekte, so sie denn überhaupt existierten, im Rahmen nationalkonservativer Wissenschaftsparadigmen kaum zu identifizieren waren. Die „Rassenkunde des deutschen Volkes“ wurde bis 1938 weitergeführt. Im wirtschaftswissenschaftlichen Verlagszweig waren vereinzelt nationalsozialistische Ordnungskonzepte vertreten, so Lutz Schwerin von Krosigks „Nationalsozialistische Finanzpolitik“ (1936) oder
17)
Auskunftsbogen zur Aufnahme in die RSK von Hellmut Reichel. Wie das Folgende in: BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Hellmut Reichel. 18) Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 09. 10. 1943, in: SächsStArchL, Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Westermann, Georg. 19) Everhard Westermann an Mr. Sely, Braunschweig 06. 03. 1948, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Everhard Westermann.
276
VI. Schlussbetrachtungen
Rudolf Brinkmanns „Wirtschaftspolitik aus nationalsozialistischem Kraftquell“ (1939). Im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht übernahm die jüngere Verlegergeneration in den dreißiger Jahren vollständig die Geschäfte. Wilhelm und Gustav Ruprecht schieden 1935 und 1937 aus der Verlagsleitung aus, seitdem waren Günther und Hellmut Ruprecht allein verantwortliche Geschäftsführer. Dem Verlag wurde im Sommer 1933 das Bekenntnisorgan „Junge Kirche“ im gleichnamigen Tochterunternehmen Günther Ruprechts angegliedert. Damit gehörte der Verlag in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der folgenden Jahre dem Lager der Bekennenden Kirche an, wenngleich dies nicht, wie gezeigt, eine theologiehistorische Differenz zu deutschchristlichen Positionen bedeuten musste. Alle Familienmitglieder standen den Nationalsozialisten reserviert gegenüber. Die Familie sei „in Göttingen immer wieder dadurch unliebsam aufgefallen, daß entweder einer der Brüder oder daß der Vater, durch unsoziales Verhalten und herausforderndes Benehmen, Gliederungen der Bewegung gegenüber Anlaß zu Auseinandersetzungen gaben“, berichtete bereits 1937 beispielsweise die NSDAP-Kreisleitung an die Gauleitung in Hannover.20) Günther Ruprecht wurde im Juli 1944 bei der Gestapo denunziert, da er das Hitler-Attentat vom 22. Juli 1944 mit den Worten kommentiert hatte: „Von einem ausgewachsenen Oberst hätte man eigentlich erwarten müssen, daß er wisse, wieviel Sprengstoff man dazu braucht.“21) Die konkrete Beschuldigung in diesem Zusammenhang konnte Günther Ruprecht abschwächen, indem er einräumte, er „hätte gerade die Minderwertigkeit der militärischen Qualitäten Stauffenbergs neben seine persönlichen an Hand seiner in seinen Augen dilettantischen Handlungsweise beleuchten wollen.“22) Dennoch blieb seitens der regionalen Parteibehörden die „innere Haltung des Volksgenossen Ruprecht […] jedenfalls mit starkem Vorbehalt zu beurteilen.“23) Das Verlagsprogramm bewegte sich im Spannungsfeld von bekenntnischristlichen Schriften und offiziell quietistischer Anpassung. Friedrich Ehringhaus aktualisierte die bereits in der Weimarer Republik herausgegebene verfassungskundliche Literatur um den Band „Hitler-Gesetze“ (1934). Mit Hans Asmussen, der 1934 die „Christenlehre“ publizierte, war einer der zentralen Vertreter der Bekennenden Kirche Verlagsautor. Im Konsens mit weiten Teilen der Bekennenden Kirche hielt Gerhard Jasper in „Die evangelische Kirche und die Judenfrage“ (1934) an der Judenmission fest. Gleichfalls 1934 verlegte Vandenhoeck & Ruprecht die 1928 eingereichte Dissertation 20)
NSDAP-Kreisleitung Göttingen an die Gauleitung Hannover, 18. 02. 1937, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Günther Ruprecht. 21) Aktennotiz NSDAP Ortsgruppe Göttingen an die Gestapo, September 1944, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Günther Ruprecht. 22) Aktennotiz NSDAP Ortsgruppe Göttingen an den Sicherheitsdienst, Leitaußenstelle Göttingen, Januar 1945, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Günther Ruprecht. 23) NSDAP-Kreisleitung Göttingen an die Gauleitung Hannover, 18. 02. 1937, BArch Abt. BDC, RKK Personalakte Günther Ruprecht.
3. Epilog
277
des 1933 emigrierten Hans Jonas, den ersten Teil von „Gnosis und spätantiker Geist“. Jonas’ jüdische Konfession blieb in der Korrespondenz mit dem Autor unerwähnt. Die Korrekturfahnen des Fortsetzungsbands wurden während der nationalsozialistischen Diktatur im Verlag aufbewahrt und dem Autor nach Kriegsende zur Weiterarbeit angeboten.24) Die Lebensspur der Autorin Martha Wertheimer, der man 1921 wegen ihres ‚jüdisch‘ klingenden Namen ein Pseudonym anriet, verliert sich im Jahr 1941.25) Wahrscheinlich wurde sie 1942 oder 1943 in ein Vernichtungslager deportiert. Geschichte unterliegt keinen Zwangsläufigkeiten. Selbstverständlich lassen sich, dies zeigen die knappen Skizzierungen der weiteren Verlagsgeschichten, keine Rückschlüsse von antisemitischen und rassistischen Verlagsprodukten der Weimarer Zeit auf den Verlagsstandpunkt während des Nationalsozialismus ziehen. Auch sind die fluktuierenden rassistischen und antisemitischen Codierungen der Weimarer Republik nur eingeschränkt auf den Verlauf rassistischer Politiken und Praktiken während des Nationalsozialismus zu beziehen. Eine den Codierungen inhärente Logik, die rassistische und antisemitische Vernichtungspolitik zwingend nach sich gezogen hätte, gab es nicht.26) Vielmehr zeigt die Arbeit, dass antisemitische und rassistische Codierungen in der Weimarer Republik unter Umständen mit Legitimationsbarrieren zu kämpfen hatten, die eine stringente, gesteuerte Verbreitung rassistischer und antisemitischer Publikationen verhinderten. Die Fluktuation rassistischer und antisemitischer Codierungen verlief subtil, aber in dieser Subtilität war sie unter Umständen für alle Akteure schwerer einzuschätzen. Ein erkenntnisleitendes Interesse dieser Arbeit bestand in der Frage, wie negative Utopien ethnischer Ungleichheit in der plural und demokratisch verfassten Weimarer Gesellschaft ermöglicht wurden. Bei Betrachtung der Absatzbedingungen rassistischer und antisemitischer Publikationen wird deutlich, in wie vielen Bereichen sich die Weimarer Gesellschaft in den Transformationsprozessen einer „überforderten Republik“ befand.27) Wenngleich dies selbstverständlich keinesfalls unabwendbar die Demontage pluralistischer Gesellschaftsformationen nach sich zog und der offene Möglichkeitshorizont der Weimarer Gesellschaft, einschließlich der Legitimationsbarrieren und -verluste antisemitischer und rassistischer Codierungen, im Rahmen der Arbeit klar hervortreten, konnten sich neue Konzepte ethnischer Gleichheit nicht erfolgreich etablieren.28) Emanzipation und Gleichberechtigung erlangten buchstäblich 24)
Jonas: Vorwort. Thiede: Spuren, S. 134f. 26) Von einer „kumulativen Verstärkung des Vorurteils […], die die Judenvernichtung regelrecht ‚erzwingt‘“ spricht: Ziege: Kohärenz, S. 253. 27) Zur „überforderten Republik“ vgl. Ursula Büttner: Weimar. Die überforderte Republik 1918–1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008; Lehnert: Republik, S. 280. 28) Den offenen Möglichkeitshorizont in Betrachtung der Weimarer Strukturumbrüche machen stark: Moritz Föllmer/Rüdiger Graf/Per Leo: Einleitung: Die Kultur der Krise in 25)
278
VI. Schlussbetrachtungen
keinen hinlänglichen ‚Wert‘ auf einem ‚überforderten Buchmarkt‘, der von alltäglich herausfordernden Umstrukturierungen in Verlagsprogrammen und Unternehmensorganisationen betroffen war. Die Verleger der Weimarer Republik sind innerhalb dieser Rahmenbedingungen weniger als willfährige Vollstrecker ideologischer Missionen zu betrachten denn als Sachwalter kontingenter Absatzmärkte.
der Weimarer Republik, in: Moritz Föllmer/Rüdiger Graf: Die „Krise“ der Weimarer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters, Frankfurt/M. 2005, S. 9–41; Rüdiger Graf: Die Zukunft der Weimarer Republik. Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918–1933, München 2008.
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Werksarchiv Georg Westermann Verlag, Braunschweig (WWA)1 Verlags-Skontro 2/281/1 Verlags-Skontro 2/281/2 Verlags-Skontro 2/281/3 Verlags-Skontro 2/281/5 Korrespondenz Ewald Banse 21/47 Korrespondenz Adolf Bartels 21/16 Korrespondenz Otto Hauser 21/24 Korrespondenz Werner Jansen 21/26 Georg Westermann Verlag, Gewinn- und Verlustrechnung 1919/20 Schreiben Georg Westermanns an seine Mitarbeiter, undatiert [vermutlich 1920/1921] Vertrag Alfred Janßen Verlag-Georg Westermann Verlag, 29. 10. 1917, 21/61, 20
1)
Unter der Verwaltung der Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH.
280
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Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel (SHLB) Adolf Bartels, Cb 3.56
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Abkürzungen AfS AGB BArch BDC BStB Dep. DHV DLA DNVP DVA DVP ESK FAZ GG GSA HZ LBIYB N.F. NDB NS NSDAP RGG RGS RKK SächsStArchL SBB PK SHLB SPD ThHStAW TRE UAG UB USSR UUA UUB VfZ VRVA VVV VwV WBB WWA ZfG
Archiv für Sozialgeschichte Archiv für Geschichte des Buchwesens Bundesarchiv Berlin Document Center Bayerische Staatsbibliothek Depositum Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband Deutsches Literaturarchiv Deutschnationale Volkspartei Diederichs Verlagsarchiv, München Demokratische Volkspartei Evangelisch-sozialer Kongress Frankfurter Allgemeine Zeitung Geschichte und Gesellschaft Goethe-Schiller-Archiv Historische Zeitschrift Leo Baeck Institute Year Book Neue Folge Neue deutsche Biographie Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Religion in Geschichte und Gegenwart Religionsgeschichtliche Schule Reichskulturkammer Sächsisches Staatsarchiv Leipzig Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Sozialdemokratische Partei Deutschlands Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Theologische Realenzyklopädie Universitätsarchiv Greifswald Universitätsbibliothek Union of Soviet Socialist Republics Uppsala universitets arkiv Uppsala universitetsbibliotek Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Verlagsarchiv Vandehoeck & Ruprecht Vereinigung völkischer Verleger Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Wolfenbütteler Bibliographie zur Geschichte des Buchwesens Westermann Werksarchiv Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
Personen- und Firmenregister A. F. Devrient 39 A. Hartleben 120 Abbe, Ernst 135 f., 149 Abel, Othenio 162 Abel, Rudolf 155 Ackeret, Jakob 244 Adorno, Theodor W. 18 Aichel, Otto 169 Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion 92 Albert Langen Verlag 54 Alexander Duncker Verlag 45, 52, 86, 91, 100, 104, 108, 130, 264 Alfred Janssen Verlag 61 f., 66, 71, 73, 77 f., 82, 90, 272 Alfred Kröner 211 Alfred Roth 39 Almquist & Wiksell 174, 182 Althaus, Paul d. Ä. 87, 229, 262 Althaus, Paul d. J. 228–231, 233, 241, 258, 260–263 Ammon, Otto 164, 172, 176, 184, 271 Andersen, Friedrich 248, 263 Andreae, Wilhelm 145 Appleton & Co. 176 Armanen-Verlag 108 Aschoff, Ludwig 156 f., 166, 243 Asmussen, Hans 276 Auerbach, Berthold 95 Avenarius Verlag 54, 85 f., 89 Avenarius, Eduard 85 Avenarius, Ferdinand 85, 87 B. G. Teubner 45, 108, 120, 124, 168 Babington, William Dalton 151 Balibar, Etienne 16 Banse, Ewald 58, 106–124, 269, 272 f. Barbier, Frédéric 20 Barlach, Ernst 240 Bartels, Adolf 84–99, 110, 138, 248, 269, 272, 275 Barth, Karl 234, 250, 258, 260 Basler, Adolf 104 f. Baumgarten, Otto 200, 223 Baumstark, Eduard 151 Baur, Erwin 2, 104, 166, 179, 236 Baur, Karl 34–36 Baxa, Jakob 145 Bayer, Heinrich 166, 176 Becker, Carl Heinrich 70
von Beckerath, Herbert 143 Beenken, Heinrich 5 Beer-Hofmann, Richard 95 Behm, Johannes 229 Bell, William Y. 235 Berggrav, Eivind 228, 237 Bernoulli, Carl Albrecht 225 f. Bernstein, Eduard 152 Betz, Albert 244 Bibliographisches Institut 114 f., 120, 162 Bieber, Hugo 98 Biedermann, Karl 84 Biedermann, Wilhelm 134 Bily, Lothar 248 von Bismarck, Otto 197, 225 Blaschke, Georg 82 Blüher, Wilhelm 263 Blunck, Hans Friedrich 80, 83, 87, 131 Boas, Franz 171 Bock, Günther 244 Boehm, Max Hildebert 244–247 Boepple, Ernst 205–207 Boettcher, Max 133 Böhlau Verlag 86 Bohn, Hermann 275 Bond, Caroline 190 Bonhoeffer, Dietrich 262 Bonus, Arthur 87 Börne, Ludwig 95 Bousset, Wilhelm 198 f., 224–227 Braun, Gustav 58 Braungardt, Wilhelm 82 Breitkopf & Härtel 183, 264 Brentano, Lujo 133, 145, 149 Brentano’s 127 Breuer, Stefan 16 Brinitzer, Alfred 206 f. Brinkmann, Rudolf 276 Brix, Josef 151 Brockhaus, Albert 205 Broßmer, Karl 243 Bruckmann, Alphons 46 Bruckmann, Elsa 46 Bruckmann, Friedrich 46 Bruckmann, Hugo 46 Brugsch, Theodor 157 Brunner, Emil 258, 260 Bücher, Karl 247 Bühler, Charlotte 158 Bühler, Karl 158
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Personen- und Firmenregister
Bultmann, Rudolf 224, 230, 238 Burgerstein, Leo 154 C. Bertelsmann 54, 83, 131, 216–219, 229, 260–263 C. Boysen 211 C. H. Beck 38, 53, 103, 116 f., 257, 264 Callwey Verlag 34, 53, 86, 264 Callwey, Georg D. W. 34 f., 86 Carnegie Inst. 191 Chamberlain, Houston Stewart 36, 45–49, 99, 236, 248 f. Charles Scribner’s Sons 192 Chartier, Roger 14 f. Chr. Kaiser 211, 257 f. Claß, Heinrich 41 Clemenz, Bruno 66 Conrad, Johannes 142, 150 f., 165 Cotta Verlag 38 Cram, Herbert 213 Crome, Friedrich Leonhard 117 Curt Kabitzsch 55, 104 f., 133, 178–180 Daab, Friedrich 42 Dahm, Karl-Wilhelm 248, 254 Damaschke, Adolf 149, 152 Darré, Richard Walther 49 Darwin, Charles 136, 165 Davenport, Charles B. 174, 191, 193 Deckner, Klaus 179 Deniker, Joseph 121 Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung 211 f., 244 Deuticke 120, 178, 180 Deutsche Verlagsanstalt 38, 131 Deutscher Volksverlag Dr. Ernst Boepple 206, 248, 263 Deutschvölkische Verlagsanstalt 52, 126 Dibelius, Otto 258 f., 261 Didring, Ernst 81 Diederichs, Eugen 2, 43 f., 46, 83, 86, 134 f., 138, 248 Diederichs, Niels 83 Diederichs, Peter 83 Diehl, Karl 145, 151 Diercke, Carl 67, 109 Diercke, Paul 67, 109 Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung 42 Dietrich Reimer 124 Dietrich, Eduard 154 Dinter, Artur 40, 129 f., 200 Duhm, Bernhard 224 Duncan, Isadora 72
Duncker & Humblot 143, 146 f., 156, 196 Düsel, Friedrich 82, 87 Dwinger, Edwin Erich 83 Ehlermann, Erich 208 f., 265 Ehringhaus, Friedrich 239 f., 242, 276 von Eichendorff, Josef 99 Eichhorn, Albert 224 Eisenhart, Hugo 142 Ekholm, Gunnar 184 Elster, Ludwig 150 Engel, Eduard 96 Erbt, Wilhelm 72 Erich Matthes Verlag 40 f., 51 f., 104, 130 Erzberger, Matthias 202 Eucken, Rudolf 133, 138 Eugen Diederichs Verlag 2, 11, 42–44, 72, 83, 86, 94, 99, 131, 134 f., 138, 166, 248, 263, 265 F. A. Brockhaus 106, 114 F. Bruckmann 46–48, 99, 126 Fahlbeck, Pontus 174, 176 Falke, Gustav 77 Fehrs, Johann Hinrich 76 f., 87 Feld, Friedrich 72 Ferdinand Hirt 121, 124 Fichte, Johann Gottlieb 232 Findeisen, Kurt Arnold 126 Firmin-Didot 36 Fischer, Eugen 1, 104 f., 166–168, 172, 174, 176, 179, 184, 192 f., 236, 264, 270 Fischer, Gustav (Adolf) 132–135, 137, 275 Fischer, Gustav sen. 132, 134 f., 150, 159, 167 f. Fischer, Samuel 31, 34 Fishberg, Maurice 105 Fisher, Irving 174 Flemming & Wiscott 61 Flesch, Karl 149 Fleuron, Svend 83 Fontane, Theodor 129 Franz Eher Nachfolger GmbH 3, 86, 264 Fraas, Eberhard 165 Francke, Alexander 205 Franckh’sche Verlagshandlung 104 f., 265 Franz, Viktor 162 Freese, Heinrich 149 Frenssen, Gustav 34, 84, 221 f., 236 Frick, Wilhelm 138 Fridericus Verlag 126 Friedenthal, Hans 105 Friederichsen & Co. 124
Personen- und Firmenregister Friedrich & Co. 85 Friedrich Pustet 54 Fries, Jacob F. 206 Fritsch, Theodor 2, 39, 41, 50, 53 f. Fritsch, Theodor jun. 207 Frommann Verlag 36–39 Frommann, Friedrich Johannes 36 Furche-Verlag 258, 260 f. Fürst, Carl M. 167 f., 173 f., 184 Fürst, Moritz 154 G. B. Leopolds Universitätsbuchhandlung 196 G. E. Stechert & Co. (Alfred Hafner) 133, 197 G. Nauck 226 Gaebler, Eduard 61 Galton, Francis 190 Gansberg, Fritz 72–75, 82, 87 Ganz, Hugo 206 Gates, Reginald Ruggles 174 Gea Verlag 115, 265 Gebauer-Schwetschke 108 Geographisch-Artistisches Institut Eduard Gaebler 61 Georg Müller Verlag 37 f., 54 Georg Reimer 149, 227 Georg Thieme Verlag 178–180 Georg Westermann Verlag 4, 10, 30, 37, 53, 56–131, 139, 177, 188 f., 264 f., 269 f., 272, 274 f. Gerbing, Walter 114 Gerstenhauer, Max Robert 248 Gide, Charles 148 Gierke, Otto 133 Giesen, Bernhard 13, 228 Gini, Corrado 174 von Glasenapp, Gregor 50 Glenz, Stefan 129 de Gobineau, Arthur 36–40, 45, 53, 151, 164, 190, 236 von Goethe, Johann Wolfgang 47, 97, 162 Gogarten, Friedrich 260, 264 Gölz, Richard 241 von Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich 142–144, 152 Gotschlich, Emil 156 Graphische Werke 131 Greßmann, Hugo 224, 238 Grober, Julius 154 Grote’sche Verlagsbuchhandlung 34, 226 Grotjahn, Alfred 154, 174 f., 180, 236 de Gruyter, Walter 38 f., 43, 205
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Gunkel, Hermann 224, 238 Günther, Adolf 145, 149, 152 Günther, Hans F. K. 2, 49, 104 f., 121, 137 f., 179, 182, 184, 189, 192 f., 236, 241 Günther, Rudolf 240 Gustav Fischer Verlag 4, 9 f., 30, 103, 132–194, 254 f., 270 f., 274 f. Gutberlet & Co. KG 60, 275 H. Haessel 52, 85, 87, 91 Habbel 93, 265 Hackmann, Heinrich 224 Haeckel, Ernst 133, 135–137, 139, 141, 157–162, 165 f., 168, 271 Haecker, Valentin 162 Hahnsche Buchhandlung 120 Hakenkreuz-Verlag 51 f. Hall, Stuart 16 Hamel, Iris 4 Hammer Verlag 2, 39, 41, 50, 52 f., 130, 207, 209, 264 Hanseatische Verlagsanstalt 2, 38, 54, 80, 86, 246, 263 f. Harms, Bernhard 145 f., 152 von Harnack, Adolf 199, 258 Harriman, E. H. 191 Harriman, Mary Averell 191 Hasse, Ernst 84 Hassert, Kurt 111 Hassinger, Hugo 111 Hauff, Emil 36, 39 Hauser, Otto 45, 100–106, 177, 188, 270, 272 f. Haushofer, Karl 106, 117 f., 245 Hedin, Sven 82 Heidegger, Martin 238 Heiderich, Franz 120 Heine, Heinrich 88, 95–99, 269 Heinrich, Walter 145 Heitmüller, Wilhelm 224 f. von Hellwald, Friedrich 120 Hempel, Johannes 238 f. Herder Verlag 111, 116, 126 Hering, Reiner 1 Hermann Dufft Verlag 132 Hertwig, Oscar 161 f. Hertwig, Richard 161 Hesse, Albert 151 Hettner, Alfred 106, 120 Heyde, Ludwig 156 Hildebrand, Rudolf 84 Hillig, Robert 59, 112 Himmler, Heinrich 79
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Personen- und Firmenregister
Hirsch, Emanuel 228, 230–233, 237, 241, 258, 262 Hitler, Adolf 35 f., 46, 51, 276 Hoffmann & Campe 206 von Hofmannsthal, Hugo 94 Hölder-Pichler-Tempsky 119 f. Holl, Karl 233, 260 Horkheimer, Max 18 Horler, Sidney 81 Howard, Ebenezer 72 Hubert & Co. 210 f. Hubert, Paul 210 Hübinger, Gangolf 220 Hugo Bruckmann Verlag 46 von Humboldt, Alexander 82, 107 Hutten, Kurt 262 Insel Verlag 37, 45, 47 Irminsverlag 108 J. A. Barth 55, 105, 133, 178–180, 265 J. Beltz 108 J. B. Metzler 98 J. C. B. Mohr (Siebeck) 142, 216, 219, 223, 260 J. C. Hinrichs Verlag 196, 258 J. F. Lehmanns Verlag 2, 5, 45, 50, 52, 104 f., 108, 122, 124, 133, 155, 157, 168–170, 174, 178–180, 182, 192 f., 209, 264 J. F. Steinkopf 53, 262 Jaffé, Karl 154 Jansen, Werner 78–82, 84, 87, 124–131, 264, 275 Janssen, Alfred 61 f., 78 Jasper, Gerhard 276 Jaspers, Karl 258 Jensen, Alfred 73 Jochmann, Werner 129 Jonas, Hans 238, 277 Josef Kösel 54, 126 Julius Springer 178–180 Jünger, Ernst 246 K. F. Koehler 264 K. Thienemanns 54 Kabisch, Richard 239 f. Kaden & Co. 92 Karl I. Trübner 37–40, 54 Karl Robert Langewiesche 54 Kästing, Friederike 61 Kaup, Ignaz 180 Kellermann, Hermann 91, 100, 108
Kende, Oskar 120 Ketelsen, Uwe-Karsten 79 Kierkegaard, Søren 232 Kiesel, Otto Erich 82 Kirchhoff, Alfred 106, 119 Klagges, Dietrich 74, 79, 88 Klar, Maximilian 120 Kleinmayr & Bamberg 208 f. von Kleist, Heinrich 99 Kliemann, Horst 28 Klingemann, Karl 254 Klotz, Petrus Karl 116 Knickerbocker, Hubert Renfro 135 f. Koch, Lauge 81 Koehler & Amelang 53 Koehler & Volckmar 85, 24 Koester, Hermann Leopold 73, 75, 87 Kohn, Hans 117 Köppe, Hans 151 Kornfeld, Paul 94 Kösel & Pustet 54 Kossina, Gustaf 55, 105 Kraepelin, Emil 155, 158, 172 Krause, Friedrich Ernst August 244 Kräusel, Rudolf 162 Kreutzer, Guido 131 Krieck, Ernst 72 Kroeger, Timm 77, 87 Krueger, Hermann Anders 81 Krüger, Friedrich 58 Krupp, Friedrich Alfred 165 Kruse, Walther 179, 181 Kühn, Leonore 83 Kükenthal, Willy 162 Kupisch, Karl 248 Kurt Vowinckel Verlag 117 Kurtz, Hermann 37 f. Kurz, Karl Friedrich 81 L. Ehlermann 208, 265 de Lagarde, Paul 36, 39–45, 224, 227, 249, 269 Lambach, Walther 68, 209 Lamprecht, Karl 43, 93, 247 Lamszus, Wilhelm 73 Lang, Arnold 162 Lange, Henry 67 Larsen, Hjalmar 184 Lassalle, Ferdinand 152 Latour, Bruno 15 Lehmann, Julius Friedrich 2, 37, 47, 49 f., 53 f., 104, 138, 182 f., 190, 205 f., 208, 241, 265
Personen- und Firmenregister Lehnert, Detlef 270 Lenz, Fritz 2, 104, 166, 172, 176, 179, 236 Leopold Klotz Verlag 45, 257 Leopold Voss Verlag 154 Leubuscher, Charlotte 152 Levit, Solomon 190 Lewald, Fanny 95 Lexis, Wilhelm 150 von der Leyen, Friedrich 93 f., 97, 99 Liebermann, Max 87 von Liechtenstern, Theodor 67 Lietz, Hermann 75 Lietzmann, Hans 230 Ligeti, Paul 35 Lindemann, Hugo 151 Lindemann, Wilhelm 93 Linders, Franz Josua 181 Link, Jürgen 8 Loening, Edgar 143 Lohalm, Uwe 150 Loofs, Friedrich 84 Lorenz Spindler 52 Lorenz, Ludwig 90 Löschnigg, Heliodor Harald 117 Ludolf Beust 129 f. Lüdtke, Gerhard 38–40 Lundborg, Herman 103, 169, 171–194, 264, 269–272, 273 Lütge, Friedrich 133 f., 176 Luther, Martin 215, 232, 262 MacDougall, William 158 Machatschek, Fritz 111 Mackensen, Georg 275 Macmillan & Co. 183 Mann, Heinrich 94, 129 Mann, Thomas 31, 129 Martin, Rudolf 138, 167 f., 184 Marx, Karl 147 Masson & Cie. 133, 183 Matthes & Thost 129 f. Matthes, Erich 40 f., 53, 104, 130 Matzat, Heinrich 166 Maurenbrecher, Max 230, 247–263, 268, 273 Maurenbrecher, Wilhelm 247 Maurer, Friedrich 159 Max & Co. 212 Max Niemeyer 38, 196, 211 Meinardus, Wilhelm 120 Meinecke, Friedrich 87 Meiner, Arthur 55, 205 Melzer, August 55
325
Menz, Gerhard 207 f. Merker, Paul 58 Meyer, Adolf 45 Meyer, Andreas 1, 54 Meyer, Hans 162 Meyrink, Gustav 94 Michaelis, Curt 166 Mjöen, Alfred 174 Mohler, Armin 248 Mohn, Heinrich 83, 229 Moritz Diesterweg 37, 62, 72 Most, Otto 151 Muckermann, Hermann 236 Mühlmann, Wilhelm Erich 192 f. Müller, Johannes 151 Müller-Grote, Gustav 34 Nadler, Josef 93 f., 97 Naumann, Friedrich 199–202, 220–222, 237, 247, 249, 256 Naumann, Hans 98 Neckschies, David 81 Netolitzky, August 154 von Neumann, Friedrich Julius 196 Niebergall, Friedrich 87, 226 Niedlich, Curd 248 Niemeyer, Hermann 205 Niemeyer, Max 205 Nietzsche, Friedrich 98, 249 Nikolaus Trübner 196 Nordenstreng, Rolf 184 Obst, Erich 114 Oldham, Joseph H. 235 Oppenheimer, Franz 145, 148 f., 151 Oscar Laube Verlag 52 Oßwald, Eugen 76 Otto Reichl Verlag 258 Otto, Rudolf 257 Panzer, Friedrich 72 Parcus & Co. 92 Parey 108 Passarge, Siegfried 110, 122–124, 236 Paul Steegemann Verlag 130, 200 Pauli, Richard 158 Peabody Museum of American Archaeology and Ethnology 190 Pearson, Karl 190 Perthes 108, 121, 257 Petrén, Alfred 172 Peukert, Detlev 197 Philippson, Alfred 110, 122
326
Personen- und Firmenregister
Pierstorff, Julius 142 Plate, Ludwig 138, 160 f. Plehn, Friedrich 154 Ploetz, Alfred 167 f., 174 Polenz, Wilhelm 131 Preitz, Max 72 Preuß, Hugo 151 Propyläen Verlag 23, 37 Protzen, Otto 81 f. Putnam 176, 197 Quelle & Meyer 104, 124, 189 de Quervain, Alfred 260 R. Voigtländer 53, 103, 208, 212, 264 Raabe, Wilhelm 77 Rade, Martin 237 Rahlfs, Alfred 224 Rathenau, Fritz 246 Rathenau, Walther 246 Ratzel, Friedrich 111 Rauch, Karl 275 Rautmann, Hermann 157 Reche, Otto 169 Reclam Verlag 37–39, 45, 85 f., 91, 104 f., 108, 126, 180, 270 Reger, Max 87 Reichel, Hans 56–63, 110, 112, 180, 275 Reichel, Hellmut 59, 275 Reimann, Hans 130, 200 Remarque, Erich Maria 23 Rendtorff, Heinrich 261 Retzius, Gustaf 173–175, 184 Retzlaff, Erich 244 Reuther & Reichard 227 Richert, Hans 67 von Richthofen, Ferdinand 106 Riekel, August 70 Ring-Verlag 54 Rink, Signe 81 Ripley, William 121 Ritschl, Albrecht 224 f. Ritschl, Auguste 225 Ritschl, Otto 231 Rittelmeyer, Friedrich 258 Ritter, Carl 108 Rohrbach, Paul 223, 235 Roscher, Wilhelm 84, 196 Rosenberg, Alfred 236 Röth, Erich 52 f. Rothhaupt, Wilhelm 81 Roth-Lutra, Karl Heinrich 187 Rowohlt, Ernst 34
Rüdin, Ernst 166, 169, 175 Ruppin, Arthur 166 Ruprecht, Carl Friedrich Günther 196 f. Ruprecht, Carl Johann Friedrich Wilhelm 198 Ruprecht, Günther 195 f., 198, 212–215, 218, 229–231, 233 f., 237, 250–253, 256 f., 268 f., 276 Ruprecht, Gustav 195–197, 199–205, 208, 215, 225, 229–231, 233, 250, 253, 256, 276 Ruprecht, Heinrich 196 Ruprecht, Hellmut 195 f., 211 f., 215, 276 Ruprecht, Hermann 210 Ruprecht, Karl 195, 210–213, 215 Ruprecht, Wilhelm 195–197, 199–208, 211, 215, 218, 220 f., 225, 233, 250–253, 256, 264 f., 276 S. Fischer Verlag 31 S. Hirzel 178, 180 Säemann-Verlag 262 Saller, Karl 169, 180 f. Sandig, Ernst 59, 76, 81 Schäfer, Dietrich 165 Schallmayer, Wilhelm 165 f., 176 Scharrelmann, Heinrich 72–75, 87 Schaxel, Julius 160 f. Scheidt, Walter 194, 169 f., 180, 184 Schemann, Karl Ludwig 36–41, 50, 189 f. Schenk, Paul 157 Scherer, Wilhelm 97 Schian, Martin 254, 262 von Schiller, Johann Christoph Friedrich 47, 135, 137 Schlaginhaufen, Otto 174 Schmidt-Ott, Friedrich 169 von Schmoller, Gustav 133, 141, 143, 151 Scholder, Klaus 167 von Schönberg, Gustav 196 Schröder, Edward 97 Schröer, Gustav 131 Schultz, Arved 115 Schultze-Jena, Bernhard Sigmund 134 Schultze-Jena, Leonhard 134, 168 Schultze-Jena, Marie 134 Schultze-Naumburg, Paul 72 Schultz-Hencke, Harald 158 Schumpeter, Josef 143 Schwabe, Julius 37 Schwabe, Kurd 118 Schwerin von Krosigk, Lutz 275 Seeberg, Erich 228, 233, 260 Semon, Richard 160
Personen- und Firmenregister Siebeck, Oskar 205 Siebeck, Paul 295 Siemens, Hermann Werner 169 Sievers, Wilhelm 111, 120 Simmel, Georg 107 Simons, Walter 202 Smend, Julius 241 Smend, Rudolf 225 Sombart, Werner 143, 145–149, 152 Sommer, Robert 179 Spann, Othmar 142, 144, 149, 152, 271 Spengler, Oswald 110, 116 f. Spethmann, Hans 123 Speyer & Peters 133 Spiethoff, Arthur 142 f., 152 Stahl, Ernst 134 Stalling Verlag 2, 108, 246, 264 Stammler, Wolfgang 58 Stange, Carl 262 Stapel, Wilhelm 2, 106, 230, 263 Stark, Gary D. 2 von Stauffenberg, Claus Schenk Graf 276 Steggerda, Morris 191 Steiner, Rudolf 258 Steinkopff, Theodor 208 Stockard, Charles R. 157 Stöckel, Sigrid 2 Stoddard, Lothrop 192 Stoecker, Adolf 199, 201 Storck, Karl 98 Storm, Theodor 77 Strasburg, Eduard 161 f. Strasser, Gregor 35 Stratil-Sauer, Gustav 116 Strubberg, Friedrich Armand 81 Südekum, Albert 151 Sünder, Artur 130, 200 Tanzmann, Bruno 51 Tavernaro, Thomas 2 Teleky, Ludwig 155 Tempsky-Freytag 59 Theodor Fritsch Verlag 103 Theodor Steinkopff 208 f. Theodor Weicher 52, 86, 117, 140, 208, 264 f. Thilenius, Georg 169 Thorbecke, Marie-Pauline 114 Thüringische Verlagsanstalt 166 Tillich, Paul 228, 236 f., 258, 261 von Tirpitz, Alfred 58 Titius, Arthur 231, 234 f. Tögel, Hermann 239
327
Tomor, Ernst 179 Tönnies, Ferdinand 200 Töpelmann, Alfred 205 Traub, Gottfried 240 Trewendt & Granier 257 Troeltsch, Ernst 224 Tucholsky, Kurt 34 von Tyszka, Carl 151 Ule, Willi 106, 111, 118, 120 f. Ullstein Verlag 68, 94, 104 f., 208, 258, 270 Union Deutsche Verlagsgesellschaft 120 Universitätsverlag Wagner 142 Universitätsverlag Winter 38 Urban & Schwarzenberg 178 f., 212 Urquell-Verlag 52 U.S. Government Print 191 Vandenhoeck & Ruprecht 4, 9 f., 30, 53, 139, 195–266, 268, 272, 274, 276 f. Vandenhoeck, Abraham 195 f. Vandenhoeck, Anna 195 f. Vanderkindere, Léon 151 Vatter, Ernst 104, 189 Velhagen & Klasing 53, 63, 264 Vereinigung wissenschaftlicher Verleger (seit 1923 Walter de Gruyter Verlag) 38–40, 52, 54, 121, 145 Verlag Deutschordensland 52 Verlag der Deutschkirche 263 Verlag Gesundes Leben 52 Verlag der „Hilfe“ 248 Verlag Junge Generation 59, 275 Verlag Junge Kirche 231, 276 zur Verth, Max 155 Verworn, Max 158, 161 Vidal de la Blache, Paul 108 Viehoff, Heinrich 87 Virchow, Rudolf 164 Vogt, Heinrich 155 Vogt, Oskar 169 Voigtländer, Robert 208 f., 265 Volkov, Shulamit 7 f., 15, 268 Vollert, Ernst 205 Waentig, Heinrich 142 Wagner, Adolf 133, 199 Wagner, Richard 22, 36, 45 Walter de Gruyter Verlag 11, 38–41, 54, 121, 145, 213, 258 Wassermann, Jakob 94 f. Weber, Adolf 150 Weber, Max 44, 143, 147, 151, 221
328
Personen- und Firmenregister
Weicher, Theodor 208, 265 Weidenreich, Franz 169, 179–181 Weimann, Waldemar 159 Weindling, Paul 37 Weinel, Heinrich 224, 226 Weismann, August 159, 162, 167 Weiß, Johannes 224–226 Weiß’sche Universitätsbuchhandlung Wellhausen, Julius 224, 227, 238 Werner, Heinrich 87 Wernle, Paul 226 Wertheimer, Martha 242 f., 277 Westergaard, Harald 151, 177 Westermann, Everhard 59, 275 Westermann, Georg 56–59, 275 Westermann, George 56 Weygandt, Wilhelm 155 Weyl, Theodor 154 Wiedersheim, Robert 167 Wiegand, Josef 98 von Wieser, Friedrich 150 Wildt Verlag 126 Wilhelm Ernst von Sachsen-WeimarEisenach 84
212
Wilhelm II. 37, 45, 197 Windscheid, Franz 154 Winkelmann, Adolf 133 Winkler-Hermaden, Viktor 158 Winterhoff, Edmund 24 Wittmann, Reinhard 31 Wobbermin, Georg 234 Wolff, Karl Felix 55, 104 f., 179 f. Wolff, Kurt 34 Woltmann, Ludwig 166 von Wolzogen, Ernst 81 von Wolzogen, Hans 248 Wrede, William 224 Wunderlich, Erich 115 Wundt, Max 138 Wundt, Wilhelm 84, 247 Zeitler, Julius 98 Ziege, Eva-Maria 8, 272 Ziegler, Heinrich Ernst 165 Ziehen, Julius 72 Zimmermann, Otto 75 f. Zimmermann, Walter 162 Zweig, Arnold 94
Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Dietrich Beyrau, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael
Die Reihe Ordnungssysteme nimmt Impulse auf, die sich seit zwei Jahrzehnten aus der Revision politik- und sozialgeschichtlicher Forschungsansätze entwickelt haben. Als Forum einer methodisch erneuerten Ideengeschichte trägt sie der Wirksamkeit politisch-kultureller Traditionen Europas seit dem Zeitalter der Aufklärung Rechnung. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dem konkreten Wechselspiel ideeller, politischer und sozialer Prozesse.
Die Reihe Ordnungssysteme hat insbesondere das Ziel: – vergleichende Studien zu den nationalen Eigenarten und unterschiedlichen Traditionen in der europäischen Ideengeschichte zu fördern, – gemeineuropäische Dimensionen seit der Aufklärung zu untersuchen, – den Weg von neuen Ideen zu ihrer breitenwirksamen Durchsetzung zu erforschen.
Die Reihe Ordnungssysteme verfolgt einige Themen mit besonderem Interesse: – den Ideenverkehr zwischen Europa und Nordamerika, – die Beziehungen zwischen politischen und religiösen Weltbildern, – die Umformung der politischen Leitideen von Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus im 20. Jahrhundert, – die Herausbildung traditionsstiftender, regionenbezogener Gegensatzpaare in der europäischen Ideenwelt, wie zum Beispiel den Ost-West-Gegensatz.
Die Reihe Ordnungssysteme bemüht sich um eine methodische Erneuerung der Ideengeschichte: – Sie verknüpft die Analyse von Werken und Ideen mit ihren sozialen, kulturellen und politischen Kontexten. – Sie untersucht die Bedeutung von Wissenssystemen in der Entwicklung der europäischen Gesellschaften. – Sie ersetzt die traditionelle Ideengeschichte der großen Werke und großen Autoren durch eine Ideengeschichte, die Soziabilität und Kommunikation als tragende Gestaltungskräfte kultureller Produktion besonders beachtet. – Sie bezieht Institutionen und Medien der Kulturproduktion systematisch in die Untersuchung ein.
Band 1: Michael Hochgeschwender Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen 1998. 677 S. ISBN 978-3-486-56341-2 Band 2: Thomas Sauer Westorientierung im deutschen Protestantismus? Vorstellungen und Tätigkeit des Kronberger Kreises 1999. VII, 326 S. ISBN 978-3-486-56342-9 Band 3: Gudrun Kruip Das „Welt“-„Bild“ des Axel Springer Verlags Journalismus zwischen westlichen Werten und deutschen Denktraditionen 1999. 311 S. ISBN 978-3-486-56343-6 Band 4: Axel Schildt Zwischen Abendland und Amerika Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre 1999. VIII, 242 S. ISBN 978-3-486-56344-3 Band 5: Rainer Lindner Historiker und Herrschaft Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrußland im 19. und 20. Jahrhundert 1999. 536 S. ISBN 978-3-486-56455-6 Band 6: Jin-Sung Chun Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit Die westdeutsche „Strukturgeschichte“ im Spannungsfeld von Modernitätskritik und wissenschaftlicher Innovation 1948–1962 2000. 277 S. ISBN 978-3-486-56484-6 Band 7: Frank Becker Bilder von Krieg und Nation Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864–1913 2001. 601 S. und 32 S. Bildteil ISBN 978-3-486-56545-4
Band 8: Martin Sabrow Das Diktat des Konsenses Geschichtswissenschaft in der DDR 1949–1969 2001. 488 S. ISBN 978-3-486-56559-1 Band 9: Thomas Etzemüller Sozialgeschichte als politische Geschichte Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 2001. VIII, 445 S. ISBN 978-3-486-56581-2 Band 10: Martina Winkler Karel Kramář (1860–1937) Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers 2002. 414 S. ISBN 978-3-486-56620-8 Band 11: Susanne Schattenberg Stalins Ingenieure Lebenswelten zwischen Technik und Terror in den 1930er Jahren 2002. 457 S. ISBN 978-3-486-56678-9 Band 12: Torsten Rüting Pavlov und der Neue Mensch Diskurse über Disziplinierung in Sowjetrussland 2002. 337 S. ISBN 978-3-486-56679-6 Band 13: Julia Angster Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie Die Westernisierung von SPD und DGB 2003. 538 S. ISBN 978-3-486-56676-5 Band 14: Christoph Weischer Das Unternehmen ‚Empirische Sozialforschung‘ Strukturen, Praktiken und Leitbilder der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland 2004. X, 508 S. ISBN 978-3-486-56814-1
Band 15: Frieder Günther Denken vom Staat her Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970 2004. 364 S. ISBN 978-3-486-56818-9 Band 16: Ewald Grothe Zwischen Geschichte und Recht Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970 2005. 486 S. ISBN 978-3-486-57784-6 Band 17: Anuschka Albertz Exemplarisches Heldentum Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart 2006. 424 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-57985-7 Band 18: Volker Depkat Lebenswenden und Zeitenwenden Deutsche Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts 2007. 573 S. ISBN 978-3-486-57970-3 Band 19: Lorenz Erren „Selbstkritik“ und Schuldbekenntnis Kommunikation und Herrschaft unter Stalin (1917–1953) 2008. 405 S. ISBN 978-3-486-57971-1 Band 20: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.) Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte 2006. 536 S. ISBN 978-3-486-57786-0 Band 21: Thomas Großbölting „Im Reich der Arbeit“ Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1914 2007. 518 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-58128-7
Band 22: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.) Ordnungen in der Krise Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933 2007. 566 S. ISBN 978-3-486-58177-5 Band 23: Marcus M. Payk Der Geist der Demokratie Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn 2008. 415 S. ISBN 978-3-486-58580-3 Band 24: Rüdiger Graf Die Zukunft der Weimarer Republik Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918–1933 2008. 460 S. ISBN 978-3-486-58583-4 Band 25: Jörn Leonhard Bellizismus und Nation Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750–1914 2008. XIX, 1019 S. ISBN 978-3-486-58516-2 Band 26: Ruth Rosenberger Experten für Humankapital Die Entdeckung des Personalmanagements in der Bundesrepublik Deutschland 2008. 482 S. ISBN 978-3-486-58620-6 Band 27: Désirée Schauz Strafen als moralische Besserung Eine Geschichte der Straffälligenfürsorge 1777–1933 2008. 432 S. ISBN 978-3-486-58704-3 Band 28: Morten Reitmayer Elite Sozialgeschichte einer politisch-gesellschaftlichen Idee in der frühen Bundesrepublik 2009. 628 S. ISBN 978-3-486-58828-6
Band 29: Sandra Dahlke Individiuum und Herrschaft im Stalinismus Emel’jan Jaroslavskij (1878–1943) 2010. 484 S., 9 Abbildungen. ISBN 978-3-486-58955-9 Band 30: Klaus Gestwa Die Stalinschen Großbauten des Kommunismus Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte, 1948–1967 2010. 660 S., 18 Abbildungen. ISBN 978-3-486-58963-4 Band 31: Susanne Stein Von der Konsumenten- zur Produktionsstadt Aufbauvisionen und Städtebau im Neuen China, 1949–1957 2010. VIII, 425 Seiten, 107 Abbildungen. ISBN 978-3-486-59809-4 Band 32: Fernando Esposito Mythische Moderne Aviatik, Faschismus und die Sehnsucht nach Ordnung in Deutschland und Italien 2011. Ca. 496 Seiten, 15 Abbildungen. ISBN 978-3-486-59810-0 Band 33: Silke Mende „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“ Eine Geschichte der Gründungsgrünen 2011. XII, 541 Seiten, 6 Abbildungen. ISBN 978-3-486-59811-7 Band 34: Wiebke Wiede Rasse im Buch Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik 2011. VIII, 328 S., 7 Abb. ISBN 978-3-486-59828-5 Band 35: Rüdiger Bergien Die bellizistische Republik Wehrkonsens und „Wehrhaftmachung“ in Deutschland 1918–1933 2011. Ca. 390 S. ISBN 978-3-486-59181-1
Band 36: Claudia Kemper Das „Gewissen“ 1919–1925 Kommunikation und Vernetzung der Jungkonservativen 2011. Ca. 528 S. ISBN 978-3-486-70496-9 Band 37: Daniela Saxer Die Schärfung des Quellenblicks Geschichtswissenschaftliche Forschungspraxis in Zürich und Wien, 1840–1914 2011. Ca. 480 S., 1 Abb. ISBN 978-3-486-70485-3 Band 38: Johannes Grützmacher Die Baikal-Amur-Magistrale Vom BAMlag zum Mobilisierungsprojekt unter Brežnev 2011. Ca. 432 S., 9 Abb. ISBN 978-3-486-70494-5 Band 39: Stephanie Kleiner Staatsaktion und Wunderland Oper und Festspiel als Medien politischer Repräsentation (1890–1930) 2011. Ca. 496 S., 20 Abb. ISBN 978-3-486-70648-2