"Und das Königtum war fest in der Hand Salomos": Untersuchungen zu 1 Kön 3 9783170299078, 9783170299085, 3170299077

1 Kön 3 erzählt von König Salomos Aufenthalt in Gibeon und vom "salomonischen Urteil". Bei einem "close r

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German Pages 254 [255] Year 2015

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Titelseite
Impressum
Inhalt
Vorwort
A Einleitung
A 1 Der Ausgangspunkt
A 2 Die Ziele
A 3 Der Weg zum Ziel
B Untersuchungen zu 1 Kön 3
B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung
B 1.1 Stellung im Kontext
B 1.2 Abgrenzung21
B 1.3 Gliederung
1.3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3
1.3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–1540
1.3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,149
B 2 Der Text
B 2.1 Übersetzung
B 2.2 Historische Rückfrage97
B 2.3 Parallelüberlieferungen
B 3 Textanalyse
B 3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3
3.1.1 Einzelanalyse
3.1.2 Zum gesamten Abschnitt
B 3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–15
3.2.1 Einzelanalyse
3.2.2 Zum gesamten Abschnitt
B 3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,1
3.3.1 Einzelanalyse
3.3.2 Zum gesamten Abschnitt
B 4 Zum gesamten Text 1 Kön 3
B 4.1 Zur Struktur von 1 Kön 3
B 4.2 Zentrale Themen, Motive und Begriffe
4.2.1 Die Gottesbeziehung
4.2.2 Der König
4.2.3 Die Weisheit
B 5 Historische Rückfrage
C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen
C 1 Der König
C 1.1 Gott und der König
C 1.2 Der König und der Kult
C 1.3 Der König und sein Vater
C 1.4 Der König und das Volk
C 1.5 Ein König und viele andere
C 2 Die Weisheit
C 2.1 Weise sein: Gut und Böse unterscheiden
C 2.2 Weise sein: Gott fürchten
C 2.3 Weise sein: von Gott geliebt
C 2.4 Weise sein: zum Regieren befähigt
C 2.5 Weise sein: als junger Mensch
C 3 Historische Rückfrage
D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt
D 1 Die Vorgeschichte: 1 Kön 1–2
D 2 Der Organisator: 1 Kön 4
D 3 Der Märchenkönig: 1 Kön 5,1–14
D 4 Der alte König: 1 Kön 11
E Ägyptenmotive in 1 Kön 3
E 1 Wie und warum nach Ägypten fragen?
E 2 Unterwegs auf Josefs Spuren
E 3 Salomo, der Pharao und dessen Tochter
E 4 Salomo, der Pharao Israels?
E 5 Salomo und der Exodus
E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv
E 7 Wenn Thronfolger träumen …
E 8 Warum Ägypten? Zur Funktion der Ägyptenmotive
E 9 Historische Rückfrage
F Ironie in 1 Kön 3?
F 1 Ironie in der (alttestamentlichen) Literatur
F 2 Ironie in 1 Kön 3?
G Zum Schluss
Abstract
Quellen, Hilfsmittel und Literatur
Quellen und Hilfsmittel
Literatur
Bibelstellenregister (in Auswahl)
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"Und das Königtum war fest in der Hand Salomos": Untersuchungen zu 1 Kön 3
 9783170299078, 9783170299085, 3170299077

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21.09.15 12:45

Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Elfte Folge Herausgegeben von Walter Dietrich Ruth Scoralick Reinhard von Bendemann Marlis Gielen Heft 5 · Der ganzen Sammlung Heft 205

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Martin Nitsche

„Und das Königtum war fest in der Hand Salomos“ Untersuchungen zu 1 Kön 3

Verlag W. Kohlhammer

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21.09.15 12:45

Zugleich: Dissertationsschrift an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, 2014

1. Auflage 2015 Alle Rechte vorbehalten © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Print: ISBN 978-3-17-029907-8 E-Book-Format: pdf: ISBN 978-3-17-029908-5 Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

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21.09.15 12:45

Inhalt Vorwort ......................................................................................................

9

A. Einleitung ............................................................................................ 11 A 1 Der Ausgangspunkt ...............................................................................

13

A 2 Die Ziele .................................................................................................

23

A 3 Der Weg zum Ziel ................................................................................

25

B Untersuchungen zu 1 Kön 3 ........................................................ 31 B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung ............................. 31 B 1.1 Stellung im Kontext ......................................................................... 31 B 1.2 Abgrenzung ...................................................................................... 34 B 1.3 Gliederung ....................................................................................... 36 1.3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3 ....................................................... 36 1.3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–15 ....................................................... 38 1.3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,1 .................... 39 B 2 Der Text .................................................................................................. 40 B 2.1 Übersetzung ..................................................................................... 40 B 2.2 Historische Rückfrage ...................................................................... 44 B 2.3 Parallelüberlieferungen .................................................................... 48 B 3 Textanalyse ........................................................................................... B 3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3 ....................................................... 3.1.1 Einzelanalyse ................................................................................... 3.1.2 Zum gesamten Abschnitt .................................................................. B 3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–15 ....................................................... 3.2.1 Einzelanalyse ................................................................................... 3.2.2 Zum gesamten Abschnitt .................................................................. B 3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,1 ..................... 3.3.1 Einzelanalyse ................................................................................... 3.3.2 Zum gesamten Abschnitt ..................................................................

51 51 51 73 77 77 105 108 108 128

B 4 Zum gesamten Text 1 Kön 3 ................................................................. B 4.1 Zur Struktur von 1 Kön 3 ................................................................. B 4.2 Zentrale Themen, Motive und Begriffe ........................................... 4.2.1 Die Gottesbeziehung ........................................................................ 4.2.2 Der König ........................................................................................

136 136 139 139 140

6 4.2.3

Inhalt Die Weisheit ..................................................................................... 144

B 5 Historische Rückfrage ........................................................................... 146

C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen ..................... 153 C 1 Der König ............................................................................................... C 1.1 Gott und der König .......................................................................... C 1.2 Der König und der Kult ................................................................... C 1.3 Der König und sein Vater ................................................................ C 1.4 Der König und das Volk .................................................................. C 1.5 Ein König und viele andere .............................................................

153 153 156 158 161 165

C 2 Die Weisheit ........................................................................................... C 2.1 Weise sein: Gut und Böse unterscheiden ......................................... C 2.2 Weise sein: Gott fürchten ................................................................ C 2.3 Weise sein: von Gott geliebt ............................................................ C 2.4 Weise sein: zum Regieren befähigt .................................................. C 2.5 Weise sein: als junger Mensch .........................................................

166 166 172 179 182 186

C 3 Historische Rückfrage ........................................................................... 188

D Salomobilder, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt .......................... 197 D 1 Die Vorgeschichte: 1 Kön 1–2 .............................................................. 198 D 2 Der Organisator: 1 Kön 4 ...................................................................... 200 D 3 Der Märchenkönig: 1 Kön 5,1–14 ........................................................ 202 D 4 Der alte König: 1 Kön 11 ...................................................................... 204

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3 ........................................................... 206 E 1 Wie und warum nach Ägypten fragen? ................................................ 206 E 2 Unterwegs auf Josefs Spuren ................................................................ 206 E 3 Salomo, der Pharao und dessen Tochter .............................................. 208 E 4 Salomo, der Pharao Israels? .................................................................. 209 E 5 Salomo und der Exodus ......................................................................... 210 E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv ............................................. 212 E 7 Wenn Thronfolger träumen ….............................................................. 216 E 8 Warum Ägypten? Zur Funktion der Ägyptenmotive .......................... 218 E 9 Historische Rückfrage ........................................................................... 220

Inhalt

7

F Ironie in 1 Kön 3? ........................................................................... 223 F 1 Ironie in der (alttestamentlichen) Literatur .......................................... 223 F 2 Ironie in 1 Kön 3? .................................................................................. 226

G Zum Schluss ...................................................................................... 232 Abstract ......................................................................................................... 234

Quellen, Hilfsmittel und Literatur .................................................... 237 Quellen und Hilfsmittel................................................................................. 237 Literatur.......................................................................................................... 238

Bibelstellenregister (in Auswahl) ...................................................... 253

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist eine für den Druck leicht überarbeitete und um neueste Literatur ergänzte Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Wintersemester 2014 / 2015 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt angenommen wurde. Prof. Dr. Norbert Clemens Baumgart (Erfurt) und Prof. em Dr. Georg Hentschel (Erfurt) haben die Gutachten erstellt. Nicht nur für die ausführliche Begutachtung, sondern besonders mit Blick auf die kritischen Anmerkungen für die Veröffentlichung sei beiden herzlich gedankt. Bei beiden durfte ich in Erfurt studieren und mich von ihrer Leidenschaft für das „Buch der Bücher“ anstecken lassen. Bei Norbert Clemens Baumgart durfte ich zudem fünf Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter Erfahrungen sammeln – in der Forschung, in der Lehre, auf Tagungen oder in der Lehrstuhlverwaltung. In allen Bereichen hat er mir ein außerordentliches Vertrauen entgegengebracht und stand mir zugleich, wenn nötig, beständig helfend zur Seite. Er hat in Erfurt ein stetig wachsendes Oberseminar aufgebaut, in dem auch „Baustellen“ präsentiert werden durften, bei dem stets konstruktiv diskutiert wurde und in dem andere Doktorandinnen und Doktoranden interessierte Begleiter, nie aber Konkurrenten waren. Mein Dank gilt weiter all jenen, die in verschiedenen Stadien der Fertigstellung bereit waren, bei der Korrektur zu helfen: Marlen Bunzel, Sarah Fischer, die die Hauptlast bei der Korrektur getragen hat, Maja Geisel, Laura Rönsch, Klarissa Schütz, Manuela Siegburg und Christopher Tschorn. Für seine Hinweise zum Abstract danke ich Prof. Dr. Christoph Bultmann (Erfurt). Prof. Dr. Ruth Scoralick (Tübingen) und Prof. em Dr. Walter Dietrich (Bern) danke ich für die Aufnahme in die BWANT sowie für ihre inhaltlichen wie formalen Hinweise und Vorschläge, dem Lektorat des Kohlhammer Verlags für die Begleitung der Drucksetzung. Klarissa, Josef und Veronika mussten häufig einen müden, manchmal einen abwesenden Mann und Vater ertragen und haben mir – ganz nebenbei – ein warmes zu Hause bereitet, ohne das vieles nicht zu schultern gewesen wäre. Erfurt, den 28. August 2015

Martin Nitsche

A Einleitung

Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht.

In seiner viel beachteten Rede zum Deutschen Bundestag vom 22. September 2011 hat Papst Benedikt XVI. mit diesem Schriftwort aus 1 Kön 3,9 seine Gedanken zu den Grundlagen des Rechtsstaats eingeleitet.1 Nicht erst dieser Umstand hat dem Verfasser der vorliegenden Arbeit deutlich gemacht, dass er sich mit einem der prominentesten Texte im Alten Testament beschäftigt. Diese Bitte Salomos, aber viel mehr noch die ganze Figur des Königs Salomo und ihre (inner- und außerbiblische) Wirkungsgeschichte sind besonders in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema der wissenschaftlichen Bibelexegese avanciert.2 Dieses außerordentlich große Interesse ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen, die im Folgenden kurz nachgezeichnet werden sollen.3 Viele der neueren Impulse verdanken sich der wachsenden methodischen Vielfalt in der alttestamentlichen Exegese. Die Fragestellungen der narrativen Analyse haben zu einem neuen Interesse an den biblischen Figuren insgesamt geführt. Zeugnis dafür geben beispielsweise ganze Publikationsreihen, die sich biblischen Figuren widmen.4 Nachdem einige Arbeiten zum Gebrauch der Ironie als Stilmittel im Alten Testament erschienen waren,5 gab und gibt es Versuche, dieses Stilmittel auch in den Erzählungen über König Salomo aufzuspüren und zu belegen.6 Die kanonisch-intertextuellen Zugänge zur Heiligen Schrift bedingen das Interesse daran, die Figur Salomo stärker als bisher im Kanon als Ganzem zu verstehen.7 Was bedeutet es aus diesem Blickwinkel etwa, wenn Salomo im Buch

1 2 3 4

5 6 7

Nachzulesen unter: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2011/ september/documents/hf_ben-xvi_spe_20110922_reichstag-berlin_ge.html Ein Überblick zum Stand der Forschung und zur Einordnung dieser Arbeit in die Forschungslandschaft folgt unter Punkt 1 dieser Einleitung („A 1 Der Ausgangspunkt“ ab S. 13). Es geht in den folgenden Abschnitten nicht um einen Forschungsüberblick, sondern lediglich um einen Problemaufriss. So die Reihe „Biblische Gestalten“, die die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig seit 2001 herausgibt oder die von Heinrich Krauss und Max Küchler verantwortete Reihe „Erzählungen der Bibel“, in der in jüngster Zeit Bände zu Saul (2010), David (2011) und Salomo (2012) erschienen sind. Beide Reihen werden sowohl von einem Fachpublikum als auch von einer breiteren Öffentlichkeit rezipiert. Etwa Anderson, Ironic correlations oder Good, Irony. Etwa Brueggemann, Solomon; Duncker, Salomo; Newing, Solomon und Walsh, Kings. Zum Begriff Kanon und der verschiedenen „Endgestalten des Kanons“ sei verwiesen auf die Arbeit von Peter Brandt (Brandt, Kanon, vgl. bes. 19–42.383–408).

12

A Einleitung

der Sprüchwörter oder dem Hohelied als Autor / Adressat genannt wird?8 Wie verändert sich der Blick auf die einzelnen Texte in den Salomo-Erzählungen, wenn sie nebeneinander und aufeinander hin gelesen werden?9 Oder wenn aus dem Blickwinkel (kanonisch) nachgeordneter Texte (z. B. Buch der Sprichwörter) oder kanonisch vorgeordneter Texte (z. B. Exodus) in die Königebücher geschaut wird?10 Das anhaltende Interesse an den weisheitlichen Schriften des Alten Testaments hat, in Verbindung mit den Impulsen jener intertextuellen Zugänge, zu einem neuen Blickwinkel geführt. Dieser neue Blickwinkel richtet sich von einigen Weisheitstexten ausgehend auf den Regenten Salomo in 1 Kön 1–11. Salomo wird im ersten Königebuch als das Paradebeispiel eines weisen Herrschers und eines produktiven Dichters beschrieben (vgl. 1 Kön 3,12.28; 5,9–14; 10,4–8). Eine weitere, bis heute nicht befriedigend beantwortete Frage in der alttestamentlichen Wissenschaft resultiert aus neuen Unsicherheiten, die die historischen Umstände der Herrschaft Salomos betreffen. Nicht zuletzt durch die von Israel Finkelstein und Neil A. Silbermann angestoßene Debatte zur Datierung der Eisen IIa Zeit11 hat ein Umdenken eingesetzt. Gemeint ist jene Epoche, in der in den Gebieten von Israel und Juda die Entwicklung organisierter Flächenstaaten sowie monumentale Architektur mit den Methoden der Archäologie belegbar sind. In fast allen älteren Kommentaren (und in einigen aktuellen Publikationen)12 ist für die Auslegung die Frage relevant, welche Umstände für die Herrschaft des „historischen“ Salomo angenommen werden können. Mit der entsprechenden Antwort im Hintergrund sollen dann mögliche alte, historische (also der Zeit Salomos entstammende) Traditionen aufgespürt werden. Natürlich ist schon seit Langem vermutet worden, dass die wesentlichen Schilderungen der Kapitel 3–11, die den Hof, die Regierungstätigkeit und den Tempel betreffen, eher vor dem Hintergrund des real existierenden Königreiches des 8. / 7. Jh. v. Chr. (z. B. unter König Hiskija, 725–697 v. Chr.)13 erklärbar sind. Dennoch ergibt sich aus der grundsätzlichen Infragestellung eines zentral organisierten Königreiches unter Salomo 8 9 10

11 12 13

Auf diese Frage wird im Verlauf der Arbeit noch mehrfach Bezug genommen werden; vgl. v.a. Anm. 17 auf S. 13 in dieser Einleitung. Vgl. etwa Brueggemann, Solomon; Duncker, Salomo; Kang, Solomon. Schon Pekka Särkiö (Särkiö, Criticism) weist auf die motivischen Ähnlichkeiten und die Wechselseitigkeiten der Exoduserzählungen mit 1 Kön 1–2 hin. Einen großangelegten Versuch eines kanonischen Blickes auf Salomo bieten Brueggemann, Solomon, weniger tiefgreifend auch Krauss / Küchler, Salomo. Daneben gibt es beachtliche einzelne Verknüpfungen, etwa zwischen Spr 10,1–15,32 und einigen Texten der SalomoErzählungen (vgl. Scoralick, Einzelspruch, 237). Eine vom Sprüchebuch ausgehende Perspektive auf den Salomo des 1. Königebuches nimmt auch Claudia V. Camp ein (vgl. Camp, Wise). Greifbar z. B. in Finkelstein / Silbermann, Posaunen. Vgl. etwa Schipper, Israel, 84–107; ders., Tochter. So die Datierung der Herrschaft Hiskijas bei Frevel, Grundriss, 782. Ein Mixtum aus Tätigkeiten verschiedenster Herrscher findet Ernst Axel Knauf in der Figur Salomo: „The Solomon of 1 Kings 1–11 is a composite figure, combining features derived from the activities of various Israelite and Judean kings: Ahab ruled from Dan to Beerscheba with every Israelite or Judean sitting contently under his vine and under his fig tree (1 Kgs 5.5). Athalia built the palace of Jerusalem (1 Kgs 3.1; 9.15). Jehoschapat ventured into Phoenician-Arabian trade (1 Kgs 9.26–28; 22.49–50). Jeroboam II fortified Hazor,

A 1 Der Ausgangspunkt

13

eine neue Qualität der Herausforderung für die Auslegung.14 Natürlich bedeutet eine fehlende archäologische Darstellbarkeit noch keinen Beweis der Nichtexistenz eines salomonischen Königreiches.15 Aber die historische Rekonstruktion dieser Zeit hat sich – stärker als bisher – an den archäologischen Erkenntnissen zu orientieren, nicht an den Ergebnissen der literar- und traditionskritischen Untersuchungen der biblischen Texte. Deren Aussagekraft für die historische Rekonstruktion ist deutlich in Zweifel zu ziehen. Zugleich kann in der Bibelexegese wesentlich unbefangener nach der literarischen Darstellung Salomos und seines Königreiches gefragt werden.16 Die aufgeführten Impulse aus der neueren Bibelwissenschaft können das Interesse an der Figur Salomo im ersten Buch der Könige und ihrer kanonischen und außerkanonischen Vernetzung erklären. Der folgende Punkt führt zu den konkreten Zielen dieser Arbeit hin, der Auslegung von 1 Kön 3 und der Figur des Königs Salomo in diesem Text.

A 1 Der Ausgangspunkt Salomo gilt als der weise König schlechthin im Alten Testament. Seine Urteile sind allseits bewundert (vgl. 1 Kön 3,28), eine Verehrerin kommt aus fernen Landen (vgl. 1 Kön 10), er tritt als Verfasser zahlreicher Sprüche und Lieder in Erscheinung (vgl. 1 Kön 5,12).17 Dieser starke, die Weisheit Salomos betreffende

14 15 16 17

Gezer and Megiddo (1 Kgs 9.15). Manasshe sent wood-cutters into Lebanon (1 Kgs 5.13– 14), and built the wall around the Ophel (1 Kgs 3.1; 9.15).“ (Knauf, Manasseh, 177). Vgl. Lux, Vorwort, 5–6. Vgl. die Diskussion bei Soggin, King, 170–172. Dieser Aussage würde auch Israel Finkelstein zustimmen (vgl. Finkelstein, Forschung, 33). Vgl. Lemche, Salomo, 162–165.180. Einige Texte der hebräischen Bibel werden explizit mit Salomo in Verbindung gebracht (die Bücher Spr, Hld und Koh sowie die Ps 72 und 127). In der Überschrift des Sprüchebuches (Spr 1,1) ist die Zuweisung (des Buches oder einiger Abschnitte) an Salomo als Autor bzw. Autorität unstrittig (vgl. etwa Saur, Weisheitsliteratur, 43), die folgenden Sprüche wollen als „Sprüche Salomos“ (!/ œ „ Yf’ '+— f’ /Ž – ) gelesen werden. Die Sammlungen Spr 10,1–22,16 und 25–29 werden eigens als „Sprüche Salomos“ gekennzeichnet (10,1; 25,1; vgl. Scoralick, Salomo, 45). In Hld 1,1 ist der Bezug zu Salomo durch die Verwendung der Präposition + hergestellt und damit uneindeutig. In dieser Weise werden auch Ps 72 und Ps 127 mit Salomo in Verbindung gebracht (vgl. Lemche, Solomon, 175 Anm. 63; Zakovitch, Hohelied, 109; vgl. dazu auch Anm. 9 auf S. 154). Die Wendung !/+f+ kann als Autorenangabe (so etwa Särkiö, Weisheit, 13; Zakovitch, Hohelied, 109) oder als Widmung (Erich Zenger mit Blick auf Ps 72, in Hossfeld / Zenger, Psalmen, 316–317) verstanden werden. Die Präposition + zeigt dabei lediglich die Richtung an. Neben den erwähnten hebräischen Texten wird auch das griechische (deuterokanonische) Buch der Weisheit (Salomos) mit Salomo in Verbindung gebracht (vgl. Zakovitch, Hohelied, 109). Noch vielfältiger ist die außerkanonische Wirkungsgeschichte Salomos im Frühjudentum und in antiken christlichen Schriften. Diese Entwicklung lässt sich bis ins Spätmittelalter verfolgen (vgl. Niclas, Salomo). Ein eigenes Forschungsfeld ist die Salomo-Rezeption im Koran, der neben den biblischen Texten auch außerbiblische Salomo-Überlieferungen als Quelle verwendet und kreativ

14

A Einleitung

Befund ist in den biblischen Texten nicht zu übersehen. Doch woher kommt dieses Motiv? Was macht Salomo zu dem weisen König? Fragt man nach dem Anfang oder dem Ursprung seiner Weisheit, kommt man nicht an der Erzählung in 1 Kön 3,4–15 vorbei, in der Salomo bei Gott um ein „hörendes Herz“ (µ{ ™ /œ—{ f …+— ) bittet. Darauf folgt die wohl populärste Erzählung über Salomo, der Rechtsstreit zweier Frauen, der in sein „salomonisches Urteil“ mündet (1 Kön 3,16–28). Dieser Text ist vielfach, oft in hoher Qualität ausgelegt worden. Meist geschah dies im Rahmen von Studien, die einen größeren Teil des Salomo-Zyklus oder das gesamte 1. Königebuch in den Blick genommen haben.18 Die vorliegende Arbeit sieht in dem Fehlen einer monographischen Studie ausschließlich zu 1 Kön 3 einen Mangel, den es zu beheben gilt.19 Eine solche Arbeit bietet die Gelegenheit, sich möglichst konzentriert mit diesem einen Kapitel und den in seinem Text enthaltenen theologischen Konzepten zu beschäftigen. Zu dem hier verwendeten Begriff „Salomo-Zyklus“, der in dieser Form nicht gebräuchlich ist, sind noch einige Anmerkungen vorwegzustellen. In der Diskussion der Fachliteratur wird mitunter der Begriff der „Salomo-Komposition“ verwendet werden. Damit sind dann stets auch Urteile über den Umfang und vor allem über die Struktur dieser „Komposition“ verbunden. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt jedoch auf lediglich einem Kapitel (1 Kön 3); die Ausführungen zu anderen Texten dieser möglichen „Komposition“ dienen demnach dem besseren Verständnis von 1 Kön 3. Damit ist klar, dass in dieser Studie nicht mit dem Begriff „Salomo-Komposition“ operiert werden kann, weil er Festlegungen impliziert, die im Rahmen dieser Arbeit nicht getroffen werden können. Alternativ ist vom „Salomo-Zyklus“ oder den „Salomo-Erzählungen“ die Rede. Diese Begriffe sind hinsichtlich der Abgrenzung und der Struktur der bezeichneten Texte weniger besetzt. Dieser konzeptionellen Grundlegung, der Beschränkung auf einen zu untersuchenden Text, ist es zuzuschreiben, dass dieser Arbeit kein ausführlicher Forschungsüberblick zu König Salomo oder zu den Salomo-Erzählungen (1 Kön 1[ / 3]–11) vorangestellt wird. Die hier getroffene Auswahl der vorgestellten Literatur berücksichtigt profilierte Kommentare und Einzelbeiträge, die für die Erforschung von 1 Kön 3 besonderes Gewicht haben. Die zu den einzelnen Kapiteln dieser Arbeit rezipierte Literatur ist den jeweiligen Anmerkungen zu entnehmen und wird an den entsprechenden Stellen diskutiert. Breiter angelegte

fortschreibt, was Salomos wichtige Stellung in der islamischen Mystik erklärt (vgl. Lory, Salomo). 18 Vgl die folgende Darstellung ab S. 15. 19 Die Studie von Helen A. Kenik (Kenik, Design) kann (und will) diese Aufgabe nicht erfüllen. Sie beschäftigt sich nur mit einem Teil von 1 Kön 3, nämlich den Versen 4–15, und hat die zahlreichen Zusammenhänge innerhalb des Kapitels sowie seine Funktion im größeren Erzählzusammenhang nicht im Blick. Der ausführliche Aufsatz von Anne Fortin und Anne Peniaud (Fortin / Peniaud, L’ènonciation) untersucht ausschließlich die Verse 16–28, und dies unter einem methodisch sehr spezifischen Blickwinkel.

A 1 Der Ausgangspunkt

15

Forschungsüberblicke zur Figur Salomo sind in jüngerer Zeit publiziert worden und müssen hier nicht wiederholt werden.20 Aus der weitläufigen Kommentarlandschaft hervorzuheben sind die Kommentierungen von Albert Šanda, Martin Noth, Ernst Würthwein, Georg Hentschel, Martin J. Mulder, Walter Brueggemann, Jerome T. Walsh,21 Mordechai Cogan und Marvin A. Sweeney. Der Kommentar zum 1. Buch der Könige von Albert Šanda22 ist zwar bereits vor mehr als 100 Jahren erschienen (1911), hat aber eine bleibende Bedeutung. In der neueren Literatur wird er mitunter nicht beachtet.23 Durch das Aufnehmen einiger seiner Beobachtungen sind echte Wiederentdeckungen möglich. Albert Šanda bietet durchweg intensive Ausführungen zur Etymologie der verwendeten Lexeme und hat einen guten Blick für die Struktur und die grammatischen Besonderheiten des hebräischen Textes. Besonders die Abgrenzung der Perikope zur vorangehenden Thronfolgeerzählung und sein Votum für die innere Einheit, zumindest von 3,3–15 und 3,16–28, sind beispielgebend.24 Beides arbeitet Šanda zwar mit den methodischen Werkzeugen der Literarkritik heraus. Seine Beobachtungen lassen sich jedoch auch in einer synchronen Analyse aufgreifen. Martin Noths Kommentar zu 1 Kön 1–1625 ist ein im deutschsprachigen Raum wie auch international viel beachtetes Standardwerk.26 Dabei ist es nicht nur die Vielzahl seiner wichtigen Beobachtungen, die seinem Kommentar einen bleibenden Wert verschaffen. Noth hat auch, lange bevor die narrative Analyse ein selbstverständlicher Teil des exegetischen Methodenkanons wurde, ein Gespür für die Eigenheit erzählender Texte, wie seine Analyse der auftretenden und handelnden Personen in 1 Kön 3 zeigt.27

20 Eine sehr grundlegende Einleitung in die Erforschung des großen Erzählzusammenhangs von Gen–2 Kön allgemein („primary history“) und der Salomo-Komposition im Speziellen bietet Brueggemann, Solomon, 1–45. Aufgearbeitet ist die Forschungsgeschichte zur „Salomo-Komposition“ zuletzt bei Duncker, Salomo, 21–76. Christina Duncker legt, dem Duktus ihrer Arbeit gemäß, einen deutlichen Schwerpunkt auf Beiträge, die sich mit der Frage nach der literarischen Einheit der Komposition und mit ihrer Struktur befassen. Ihr Forschungsüberblick trägt folgende Teilüberschriften: „Der ,deuteronomistische‘ Salomo – Beiträge zur Frage nach der Einheit der Salomo-Komposition aus historisch-kritischer Perspektive“ (22–38); „Der ,kanonische‘ Salomo – Beiträge zur Frage nach der Einheit der Salomo-Komposition aus synchroner Perspektive“ (38–54); „Zur Struktur der SalomoKomposition“ (55–76). 21 Der Kommentar von Jerome T. Walsh (Walsh, Kings) wird gemeinsam mit seinem Aufsatz zur Charakterisierung Salomos (Walsh, Charaterization) besprochen, vgl. Anm. 84 auf S. 21. 22 Šanda, Könige. 23 So kommen die Arbeiten von Jerome T. Walsh (Walsh, Characterization), Stefan Wälchli (Wälchli, Salomo), Marvin A. Sweeney (Sweeney, Kings) und Christina Duncker (Duncker, Salomo) ohne jeden Verweis auf Albert Šanda aus. 24 Vgl. Šanda, Könige, 63–64. 25 Noth, Könige. 26 Vgl. Brueggemann, Solomon, 5.10.35. 27 Vgl. Noth, Könige, 46–47.

16

A Einleitung

In der Reihe „Altes Testament Deutsch“ (ATD) hat Ernst Würthwein die Königebücher kommentiert.28 Er sieht große Spannungen in der Beurteilung Salomos zwischen den Kap. 1–2 und 3–11, die er unterschiedlichen Erzählzusammenhängen zuweist und getrennt voneinander auslegen möchte.29 Auch „stilistisch“ und „kompositorisch“ sei ein deutlicher Unterschied festzustellen.30 Im Anschluss an seine Lektüre hält er fest, dass von einem Salomobild nicht die Rede sein kann: „So sind es mehrere Salomobilder, die uns die literarische Überlieferung bietet. Schon diese Beobachtung macht mißtrauisch gegen jenes eine, das in besonderer Weise geschichtlich wirksam geworden ist, jenes von ,Salomo in all seiner Herrlichkeit‘ (Mt 6,29).“31

In der Reihe „Neue Echter Bibel“ hat Georg Hentschel die Königebücher kommentiert.32 Besondere Aufmerksamkeit schenkt er den möglichen Quellen der Erzählungen sowie ihrer Redaktion. Mit dem Verweis auf verschiedene Quellen und Redaktionen erklärt er auch die unterschiedlichen Tendenzen in der Beurteilung Salomos.33 Grundsätzlich erkennt er aber ein positives Salomobild: „An diesem positiven Bild konnte auch die dtr Schule, die offen von seinen Schwächen sprach (11,1–8.9–13), nicht viel ändern.“34

Martin Jan Mulder hat in seinen Untersuchungen zu 1 Kön 1–1135 die Struktur der Salomo-Erzählungen begründet dargelegt: Sie setzt (nach einem eigenständigen Auftaktakt in 1 Kön 1–2) in 1 Kön 3 ein und weist nach Kapitel 8 einen Umbruch auf. Diese Überlegungen bilden einen wichtigen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Funktion von 1 Kön 3 innerhalb des Salomo-Zyklus‘. Die von Mulder vorgelegte, Vers für Vers voranschreitende Textanalyse gehört zu den gründlichsten und ausführlichsten, die unter den neueren Beiträgen zu finden ist. Für die semantischen Untersuchungen werden bei Mulder konsequent die alten Übersetzungen (v.a. die Septuaginta, im Folgenden LXX genannt, die Peschitta und altlateinische Zeugen) und weitere alte Textzeugen herangezogen. Ein besonderes Augenmerk gilt auch den statistischen Erhebungen zur Verbreitung der jeweiligen hebräischen Lexeme im Kanon. Walter Brueggemann zeigt in seinem Kommentar zu beiden Königebüchern36 ein großes Interesse am Verstehen des vorliegenden Endtextes sowie an der Vernetzung der Texte im Kanon. Im Rahmen seiner Auslegungen verknüpft er die jeweiligen Abschnitte mit kanonischen Parallelen und historischen Bezügen aus der Umwelt des Alten Testaments. Diese Verknüpfungen sind dabei regelmäßig innovativ, ohne dabei den Boden einer exegetisch abgesicherten 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Vgl. Würthwein, Könige. Vgl. ebd., 1. So ebd. Ebd., 147. Auf diese Analyse Würthweins verweist auch Duncker, Salomo, 23. Hentschel, Könige. Vgl. ebd., 9–10. Ebd., 10. Mulder, Kings. Brueggemann, Kings.

A 1 Der Ausgangspunkt

17

Argumentation zu verlassen. Häufig lohnt es sich, seine nur knapp vorgetragenen Thesen eingehend zu untersuchen und weiterzuführen.37 Irritierend wirken bei der Lektüre des Kommentars lediglich historische oder literarkritische Anmerkungen, die mitunter nicht stringent mit der Textauslegung verknüpft sind. Dieses teilweise unverbundene Nebeneinander von synchroner und diachroner Textauslegung erschwert bei der Verwendung des Kommentars den Einblick in Brueggemanns eigene Standpunkte.38 Mordechai Cogan hat das 1. Königebuch in der Reihe „Anchor Bible“ kommentiert.39 Kritik an Salomo sieht Cogan erst von 1 Kön 11,1 an. Die mitunter vorgebrachte Deutung von 3,1–3 als kritischer Vorspruch lehnt er ab. Zwar könnten schon Anklänge an die „final Dtr evaluation of Solomon“ in 1 Kön 11 zu hören sein, in 3,1–3 dominiere aber die in V 3 genannte Liebe Salomos zu JHWH, die anschließend (VV 4–15) zu einer „source of blessings“ werde.40 Den inneren Zusammenhang von 1 Kön 3 hat Cogan nur insofern im Blick, als dass er die Verse 16–28 für eine dtr Einfügung hält, um die Erfüllung des Versprechens JHWHs für Salomo aus dem vorhergehenden Abschnitt (VV 4–15) zu dokumentieren.41 Den jüngsten Kommentar zu den Königebüchern hat m.W. Marvin A. Sweeney in der Reihe „Old Testament Library“ vorgelegt.42 Sweeney erkennt den Einsatz von 1 Kön 3 in 2,46b und meint, in 1 Kön 2,46b werde 1 Kön 3 eingeleitet. Dieser Vers bringe Folgendes zum Ausdruck: „Solomon’s hold on the kingdom is not yet complete“.43 Sweeney entdeckt bereits in 1 Kön 3 Salomokritik, die allerdings erst vor dem Hintergrund des Deuteronomiums und der „DtrH“ deutlich werde.44 Nach diesen Kommentaren sind einige wichtige Einzelstudien zu würdigen. Begonnen wird dabei mit den Arbeiten von Helen A. Kenik, Pekka Särkiö, Christa Schäfer-Lichtenberger, Stefan Wälchli und Jung Ju Kang, die sich der diachronen, historisch-kritischen Textauslegung verpflichtet wissen.

37 Als Beispiel nennenswert ist die Randnotiz mit dem Titel „The Egyptian Connection“ (ebd., 43), wo Walter Brueggemann, angestoßen durch die Notiz von der Verschwägerung Salomos mit dem Pharao, Signale für weitere Verbindungslinien zwischen Salomo und textimmanenten ägyptischen Motiven sucht, ohne diese aufgezeigten Linien weiter zu verfolgen. 38 Walter Brueggemann stellt beispielsweise (völlig zu Recht) die Funktion der Begriffe „Ägypten“ und „Pharao“ als Chiffre für eine ganze Flut von Assoziationen heraus, die die Leserin, der Leser des Alten Testaments zu diesen Begriffen entwickeln kann. Er stellt fest, dass dieser Pharao bewusst namenlos gestaltet ist (vgl. ebd., 45). Zugleich spekuliert er, welcher historische Pharao als Schwiegervater Salomos infrage kommt, ohne dass für die Leserin, den Leser des Kommentars ersichtlich wird, ob Brueggemann die Verschwägerungsnotiz für eine historische Erinnerung hält oder nicht. 39 Vgl. Cogan, Kings. 40 So ebd., 189. 41 Vgl. ebd., Kings. 196. 42 Sweeney, Kings. 43 So ebd., 78. 44 Vgl. ebd., 81–82.

18

A Einleitung

Helen A. Kenik hat in ihrer Dissertationsschrift „Design for Kingship. The Deuteromomistic Narrative Technique in 1 Kings 3:4–15“ eine Studie zu 1 Kön 3,4–15 vorgelegt.45 Kenik versucht, das Stück als einheitliche, dtr Komposition zu erklären. Exemplarisch stellt sie an 1 Kön 3,4–15 dar, wie eine solche dtr Komposition methodisch vorgehe.46 Für Helen A. Kenik stellt 1 Kön 3,4–15 den dtr Entwurf eines idealen Königtums unter der Torah dar.47 Pekka Särkiö hat sich umfassend mit den Salomo-Erzählungen und, von ihnen ausgehend, mit einer möglichen (indirekten) Bezugnahme auf die Regentschaft König Salomos in einzelnen Texten des Buches Exodus (Ex 1–2; 5; 14 und 32) beschäftigt.48 Wichtig für die Untersuchung von 1 Kön 3 ist vor allem Särkiös Monographie „Die Weisheit und die Macht Salomos in der israelitischen Historiographie. Eine traditions- und redaktionskritische Untersuchung über 1 Kön 3–5 und 9–11“.49 Särkiö bietet eine sorgfältige Formbeschreibung der Stücke 1 Kön 3,2–15 und 3,16–28. Er hat damit einen Maßstab gesetzt, der für die weitere exegetische Beschäftigung mit 1 Kön 3 unhintergehbar ist. Auch die daran anknüpfende Darstellung der traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge, die in der altestamentlichen Forschung besonders für 3,4–15 angenommen werden, ist beispielgebend. Wenngleich seine literarkritischen Eingriffe nicht mehr in allen Punkten nachvollziehbar sind,50 bleibt festzuhalten, dass Särkiös Arbeit noch immer eine solide Grundlage für die weitere Erforschung von 1 Kön 3 bildet.51 Christa Schäfer-Lichtenberger macht die Salomo-Erzählungen in 1 Kön 1–11 unter dem Gesichtspunkt der „Nachfolge“ zu ihrem Forschungsgegenstand. In ihrer Arbeit zu „Autorität und Legitimität des Nachfolgers im Alten Testament“52 untersucht sie die biblischen Figuren Josua und Salomo in ihrer Funktion als Nachfolger des Mose bzw. König Davids. Ihre Untersuchungen führen – v.a. im Vergleich mit Josua – dazu, dass Salomo „am Schluss als Negativbild eines

45 46 47 48 49 50

Kenik, Design. Vgl. ebd., 26. Vgl. etwa ebd., 206–207. U. a. Särkiö, Weisheit; ders., Criticism. Vgl. Särkiö, Weisheit. So erschweren seine mitunter unnötigen Eingriffe in die Gottesrede von 1 Kön 3,10–12 eher das Textverständnis, als dass sie diese Verse besser erklären würden (vgl. ebd., 21– 22). 51 Dies gilt nicht zuletzt für die historische Rückfrage zu den Ergebnissen aus der synchronen Textanalyse, einer Methode, die im Methodenteil dieser Einleitung („A 3 Der Weg zum Ziel“ ab S. 25) näher beschrieben wird. Für das Verständnis des methodischen Vorgehens bei Pekka Särkiö ist wichtig, dass er in seiner schon 1994 erschienenen Studie die Notwendigkeit sieht, sein historisch-kritisches Vorgehen zu verteidigen. Er sieht die Legitimität einer synchronen Endtextexegese dann gegeben, wenn sich diese als Verbündete der diachronen Exegese versteht: „Die Untersuchung der literarischen Endgestalt ist als eine exegetische Methode nützlich, aber erst, wenn sie in Verbindung mit anderen Methoden verwendet wird. Eine gründliche text- und literarkritische Untersuchung des Textes ist die unentbehrliche Basis für die Verwendung anderer Methoden.“ (ebd., 2; mit Verweis in Anm. 9 auf Veijola, Eksegetiikkaa, 117–131). 52 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo.

A 1 Der Ausgangspunkt

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Nachfolgers herausschaut“53. Christa Schäfer-Lichtenberger arbeitet nicht auf der Endtextebene:54 „Methodisch liegt das Schwergewicht bei der Analyse der Texte auf der Entwicklung der Textgestalt.“55.

Stefan Wälchli setzt in seiner Studie „Der weise König Salomo“56 jene Texte, die s. E. Salomos Weisheit thematisieren, mit anderen alttestamentlichen und altorientalischen Weisheitstexten in Beziehung. So bietet er wichtige Kontextualisierungen, die in dieser Studie aufgegriffen werden können. Sein methodischer Ansatz ist konsequent historisch verantwortet und wesentlich von der Literarkritik geprägt.57 Dennoch findet er unter dem Stichwort „Weisheit“ ein die Kapitel 1 Kön 1–11 verbindendes Element, welches ihm eine gewisse Zusammenschau der Salomo-Erzählungen unter diesem Gesichtspunkt ermöglicht.58 Jung Ju Kang wirbt in seiner Untersuchung „The Persuasive Portrayal of Solomon in 1 Kings 1–11“59 für einen methodischen Neuansatz in der Analyse der Salomo-Erzählungen, den er „rhetorical criticism“60 nennt. Er zeigt die Bedeutung von thematischen Wiederholungen in diesem Textbereich auf, die er als Stilmittel charakterisiert.61 Kang arbeitet eine konzentrische Struktur der SalomoKomposition mit ihrem Zentrum in 6,1–9,9 heraus.62 In diesem Zentrum werde der Konflikt zwischen Salomo und JHWH betont, der nicht zuletzt in den beiden JHWH-Reden 6,12–13 und 9,3–9 zu hören sei.63 Er liest in 1 Kön 1–11 ein Salomoportrait, das die Leserin, den Leser überzeugen wolle („persuasive portrayal“) und die Schuld Salomos am Auseinanderbrechen des Reiches darstelle.64 Entsprechend ist seine Auslegung von 1 Kön 3 geprägt vom bereits heraufziehenden Konflikt.65 Die für Jung Ju Kang zentrale Frage nach der Struktur des Salomo-Zyklus ist schon seit längerer Zeit ein Gegenstand atl. Forschung. Die erste ausführliche 53 54 55 56 57

58 59 60 61

62 63 64 65

Ebd., 227. Vgl. die Einschätzung bei Duncker, Salomo, 25. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 13. Wälchli, Salomo. Damit, und gerade mit der Verknüpfung aus historischem Interesse und Bezugstexten aus der Umwelt des Alten Testaments, bietet er einen wichtigen Gesprächspartner für die diachrone Reflexion der synchronen Analyse in dieser Arbeit. Zur Erklärung dieses methodischen Vorgehens sei wieder auf den Methodenteil dieser Einleitung („A 3 Der Weg zum Ziel“ ab S. 25) verwiesen. Dennoch ist er sich der Eigenart der Kapitel 1–2 gegenüber 3–11 bewusst und beschreibt treffend die Funktion von 1 Kön 2,46 als Scharnier zwischen der Thronfolgegeschichte und den Berichten über Salomos Regierungszeit (vgl. Wälchli, Salomo, 24). Kang, Solomon. Ebd., 67. Vgl. ebd., 188–196. Beispiele sind die Wiederholung des Handels zwischen Salomo und Hiram von Tyrus (1 Kön 5,15–26 und 9,10–14), die Erwähnung der Fronarbeit (1 Kön 5,27–32 und 9,15–23) oder die Nennung der Pharaonentochter (1 Kön 3,1; 7,8; 9,16; 9,24 und 11,1). Vgl. ebd., 187. Vgl. ebd., 196–197. Vgl. ebd., 208; zu dieser Einschätzung vgl. ferner Duncker, Salomo, 52. Vgl. Kang, Solomon, 228.

20

A Einleitung

Untersuchung dazu hat Bezalel Porten 1967 vorgelegt.66 In den Jahren um 1990 entzündete sich eine exegetische Diskussion über die Struktur des SalomoZyklus, die in diesem Kontext meist als „Komposition“ bezeichnet wird. Das Einsetzen dieses Diskurses lässt sich am deutlichsten mit einer Reihe von Artikeln in der Zeitschrift „Journal for the Study of the Old Testament“ (JSOT) dokumentieren. Kim Ian Parker, Amos Frisch und Marc Zvi Brettler diskutieren dort über Beginn und Ende der Komposition sowie über die Lage der von ihnen ausgemachten parallelen Strukturen.67 Später äußerten sich auch Jerome T. Walsh, David Williams und John W. Olley dazu.68 Die Frage nach der Struktur der „Salomo-Komposition“ ist seither bedeutend geblieben in der Erforschung dieses Textabschnittes.69 Dabei treten in der Erforschung zahlreiche Differenzen hinsichtlich der Gliederung (symmetrischer Aufbau,70 dreigliedrige Anlage71 oder zweigliedrige Anlage72) oder hinsichtlich Beginn und Abschluss auf. Das aber grundsätzlich eine literarische Komposition vorliegt, wird in fast allen genannten Beiträgen postuliert.73 Das Anliegen dieser Arbeit, 1 Kön 3 zunächst für sich als kleine zusammenhängende Texteinheit auszulegen, lässt diese Diskussion in den Hintergrund treten. Es bleibt ohnehin fraglich, ob derlei Strukturanalysen solch absolute und ausschließliche Ergebnisse liefern, dass anderslautende Beobachtungen zu Strukturen und Parallelen ausgeschlossen werden müssten.74 Aufgegriffen wird die Diskussion um die Struktur des Salomo-Zyklus bei der Bestimmung des literarischen Kontexts von 1 Kön 3.75 Schließlich folgt die Vorstellung von Beiträgen (Stuart Lasine, Jerome T. Walsh, Walter Brueggemann, J. Daniel Hays und Christina Duncker), die den Text von 1 Kön 3 mit den Methoden synchroner Bibelexegese, also auf einer Endtextebene zu verstehen versuchen. Stuart Lasine legt in seinen Aufsätzen76 zu den Salomo-Erzählungen Wert darauf, Unbestimmtheiten und Leerstellen in diesen als solche zu erkennen. Für die äußere Abgrenzung von 1 Kön 3 ist wichtig, dass er nach Kap. 3 eine Zäsur sieht und Kap. 4–10 (bzw. Kap. 11) in einem Zusammenhang versteht.77 Mit Recht kritisiert er, dass in der Lesart vieler Auslegerinnen und Ausleger jeder 66 Porten, Structure; vgl. den Hinweis bei Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 232. 67 Vgl. etwa Brettler, Structure (erschienen 1991); Frisch, Structure (1991); Parker, Repetition (1988); Ders., Limits (1991);. 68 Vgl. die Diskussion bei Olley, Structure. 69 Vgl. den Forschungsüberblick zur Struktur der „Salomo-Komposition“ bei Duncker, Salomo, 55. 70 So etwa Walsh, Kings, 150–151 und Parker, Wisdom, 43. 71 So etwa Brettler, Structure, 97. 72 So etwa Porten, Structure, 97; nicht, wie bei Marc Zvi Brettler dargestellt, zweigliedrig (vgl. Brettler, Structure, 87). 73 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 232 Anm. 32. 74 In diese Richtung tendiert auch Wälchli, Salomo, 24–26. 75 Vgl. Punkt „B 1.1 Stellung im Kontext“ ab S. 31. 76 Nicht alle in der Arbeit rezipierten Beiträge von Stuart Lasine werden hier in der Einleitung besprochen, darum sei an dieser Stelle auf das Literaturverzeichnis verwiesen. 77 Vgl. Lasine, King, 86.87.88.

A 1 Der Ausgangspunkt

21

Aspekt der Salomoerzählung eine klare Bedeutung habe.78 Lasine weist auf, wie maßgebend der gewählte Intertext und der bestimmte Kontext für das Verständnis der Erzählungen über König Salomo sind.79 Es macht einen großen Unterschied aus, ob die Salomo-Erzählungen im Horizont des dtr Geschichtswerkes,80 des größeren Erzählzusammenhanges Gen–2 Kön81 oder im Horizont altorientalischer Parallelen verschiedener Couleur gelesen werden.82 Er erkennt dabei die Bedeutung der Wahl der Intertexte für das Verständnis eines Textes.83 Jerome T. Walsh84 analysiert neben der Gliederung und der Semantik vor allem die narrative Struktur der Texte. Er beschäftigt sich sehr intensiv mit der Charakterisierung der einzelnen Figuren. Diese Charakterisierungen findet er zum einen auf der Textoberfläche, daneben aber auch zwischen den Zeilen („implicit“). Dabei entsteht ein recht kritisches Salomobild: „For the author of this text, the bottom line was disapproval of Solomon: because of his sin, Yahweh rejected him, and the Davidic kingdom was divided. While the artistic impulse is served by a dramatic development from hopeful promise to tragic failure, the author’s antecedent realization of the outcome has subtly shaped and colored the entire presentation.“85

Zur Frage der Charakterisierung Salomos verweist er bei der Suche nach dem Grund für die Uneinigkeiten in der Forschung auf die Strategie der Erzählung: „There is an unequivocal and easily perceived positive charaterization of Solomon throughout these chapters [1 Kön 1–5]; there is also a definite pattern of gaps, ambiguities, and verbal subtleties that consistently point to a more negative view.“86

Walter Brueggemann legt in seiner Monographie „Solomon. Israels Ironic Icon of Human Achievement“87 einen großen Entwurf vor, der ein umfassendes Bild von Salomo zeichnet. Er beginnt mit historischen Untersuchungen zur Gestalt Salomos und dem Werden der Texte, die von dieser erzählen. Sodann zeichnet er 78 79 80 81 82 83

84

85 86 87

Vgl. ebd., 85. Vgl. ebd., 86. Vgl. Cogan, Kings, 96–100. Vgl. Brueggemann, Solomon, 24–45. Vgl. Lasine, King, 86. Er diskutiert dies beispielhaft an der Verschwägerungsnotiz in 1 Kön 3,1, wo Salomo eine ägyptische Prinzessin heiratet, um sich so mit dem Pharao zu verschwägern: „While some texts in Exodus and Deuteronomy seem to guarantee that this marriage would be condemnable, others suggest that the alliance may not be an egregious sin, and analogous ANE [Ancient Near East, MN] texts describe such diplomatic alliances as laudable. Even if one assumes that ambivalence toward Pharao’s daughter in 1 Kings 3–11 is the result of a series of redactional stages through wich the marriage ,evolved‘ from the praiseworthy to condemnable […], the fact remains that the resulting portrayal is ambivalent and therefore indeterminate.“ (Lasine, Riddle, 89). Walsh, Kings. Neben seinem Kommentar, der für die Struktur und die narrative Analyse von 1 Kön 3 wichtige Beobachtungen geliefert hat, ist ein 1995 veröffentlichter Aufsatz zur Charakterisierung Salomos zu erwähnen, in dem eine – gegenüber dem (gleichwohl später erschienenen) Kommentar vertiefte – Beschäftigung mit der Charakterisierung Salomos in 1 Kön 1–5 zu finden ist (Walsh, Characterization). Walsh, Characterization, 493. Ebd., 472. Brueggemann, Solomon.

22

A Einleitung

den großen Erzählzusammenhang nach, in den die Salomo-Erzählungen (bei ihm 1 Kön 3–11) eingebettet sind und weist sie als „primary narrative“, als Zentrum der narrativen Identitätssuche Israels aus, die in den Büchern Gen–2 Kön stattfinde. In einer Strukturanalyse von 1 Kön 3–11 beschreibt er, wie aus der historischen Gestalt der große Salomo der Geschichte wurde. Dabei legt er Wert darauf, den, wie er sagt, dtr Vorbehalt in den Texten aufzuweisen: „the voice of ironic criticism“.88 Der weitaus größte Teil von Brueggemanns Arbeit befasst sich damit, wie dieser erzählte Salomo zunächst in seinen Eigenschaften als Tempelbauer, Weiser und „ökonomischer Superstar“ dargestellt und als solcher im Kanon (bis ins Neue Testament hinein) aufgenommen und verarbeitet werde.89 Die Analyse der einzelnen Texte aus der Komposition nimmt sich bei Brueggemann relativ kurz aus. Jeder Text wird sofort in seinem literarischen Zusammenhang wahrgenommen. Methodisch orientiert Brueggemann sich sehr stark am Kanon und seiner Struktur, bezieht dabei jedoch synchrone wie diachrone Erkenntnisse konsequent mit ein. J. Daniel Hays stellt sich in seinem 2003 erschienenen Artikel90 die Frage nach der Intention des Erzählers in 1 Kön 1–11 („Has the Narrator Come to Praise Solomon or to Bury him?“)91. Er schlägt vor, das Buch Deuteronomium konsequent als Lesebrille („through the lenses of the book of Deuteronomy“)92 zu verwenden. Wie auch Jerome Walsh (u.a.) stellt er ein Loben Salomos auf der Oberfläche („on the surface“) fest. Dem steht ein extensiver Gebrauch von Ironie vor dem Hintergrund deuteronomischer Bestimmungen (bes. Dtn 17,14–20) gegenüber. Verschiedene Möglichkeiten zur Auflösung dieser von ihm beobachteten Spannung, etwa einfache literarkritische Lösungen,93 biographische Erklärungsversuche94 oder solche über die Struktur des Salomo-Zyklus würdigt er, stellt aber fest, dass sie zu einer endgültigen Begründung der Spannungen nicht genügen könnten („they do not really offer an overall approach to interpreting these tensions“)95. Er greift den Ansatz von Lasine auf und weist Ironie und ähnliche Phänomene im Text auf, geht aber weiter als Lasine: Die Erzählungen über König Salomo bleiben, aus dtr geschulter Sicht, nicht bei Mehrdeutigkeiten

88 89 90 91 92 93

Vgl. ebd., 139. Vgl. ebd., 87–253. Hays, Solomon. Ebd., 149. Ebd. J. Daniel Hays skizziert die These, dass der exilische (End-)Redaktor v.a. salomofreundliches Material in den Kap. 1–10 verwendet habe, um in Kap. 11 seine eigene, kritische Sicht einzubringen. Hays bezieht sich dabei nicht auf konkrete Autorinnen oder Autoren (vgl. ebd.). 94 J. Daniel Hays skizziert die These, dass in den elf Kapiteln Salomos Leben in unterschiedlichen Phasen reflektiert werde. Salomo wäre demnach JHWH-gläubig gewesen bis ins hohe Alter, der Umschwung nach Kapitel 10 reflektiere eine drastische Wende im Leben des historischen Salomo (vgl. ebd., 150). Wieder bezieht sich Hays dabei nicht auf konkrete Autorinnen oder Autoren. 95 Ebd., 152.

A 2 Die Ziele

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stehen, sondern lassen ein grundsätzliches Votum des Erzählers erkennen:96 „The subtle narrator of 1–2 Kings has not come to praise Solomon but to bury him.“97 Christina Duncker ist es, die in ihrer 2010 erschienenen Dissertationsschrift „Der andere Salomo“98 „den bisher kaum unternommenen Versuch macht, die Einheit des kanonischen Textes zu interpretieren und das bewusst gestaltete, harte Nebeneinander positiver und negativer Aussagen als Mittel der Ironie deutet.“99

Duncker möchte die Ambivalenz in der Charakterisierung Salomos mit dem „integrierenden Leseschlüssel“ der Ironie besser erklären, „um gerade die von J.T. Walsh herausgearbeitet positive und negative Charakterisierung der Salomo-Figur zu verbinden, die er lediglich nebeneinander stellt.“100

Christina Duncker verschärft ihre Beobachtungen an der Endtextebene dadurch, dass sie ihrer Arbeit einen Forschungsüberblick zum „deuteronomistischen Salomo“101 voranstellt. An dessen Ende kommt sie zu dem Schluss, dass „die Widersprüchlichkeit der Salomofigur in der kanonisch vorliegenden Fassung offenbar nicht das Resultat einer gedankenlosen Zusammenstellung verschiedenster Überlieferungstraditionen ist, sondern auf das vordtr. Material zurückzugehen scheint.“102

Damit schränkt sie die Möglichkeit, Ambivalenzen im Salomobild von 1 Kön 1– 11 mit der Genese des Textes zu erklären, drastisch ein.

A 2 Die Ziele Neben diesen zahlreichen, methodisch vielfältigen und in ihren Ergebnissen mitunter disparaten Publikationen soll hiermit eine weitere Studie vorgelegt werden. Dabei soll es um mehr gehen als um eine Diskussion bekannter Thesen. Darum ist an dieser Stelle eine nähere Verortung dieser Studie in der umrissenen Forschungslandschaft vorzunehmen. Der Versuch, die Figur „Salomo“ innerhalb einer unterschiedlich konzipierten„Salomo-Komposition“ zu verstehen, unter der Prämisse der Einheit des vorliegenden Textes, ist legitim und wichtig. Diese Lesart deckt sich mit der Erfahrung von Leserinnen und Lesern, denen analytisches Instrumentarium zur Verfügung steht. Sie, er wird bei der Lektüre der Texte in 1 Kön 1–11 dem einen

96 97 98 99 100 101 102

Vgl. ebd., 152. Ebd., 174. Duncker, Salomo. Crüsemann, Salomo, 150 Anm. 27. Duncker, Salomo, 54. Vgl. ebd., 22–38. Ebd., 77. Vgl. dazu auch die Darstellung bei Sweeney, Solomon, 622.

24

A Einleitung

(König) Salomo begegnen, und ihn als in sich stehende Größe mit all ihren Widersprüchlichkeiten wahrnehmen.103 Diese Wahrnehmung entspricht der vorliegenden Endgestalt des biblischen Textes, die als solche ausgelegt werden kann. Am konsequentesten hat die Umsetzung dieses Ansatzes bisher Christina Duncker (im Anschluss an die Arbeiten von Edward G. Newing104, Walter Brueggemann, Jerome T. Walsh, Stuart Lasine u.a.) unternommen. Dieser Ansatz hat auch der vorliegenden Arbeit wichtige Beobachtungen geliefert. Er birgt aber auch eine nicht unerhebliche Gefahr. Dieser methodische Ansatz neigt tendenziell dazu, einzelne Texte in ihrer Eigenständigkeit und ihrer eigenen Aussageabsicht nicht mehr wahrnehmen zu können. Die Ursachen für diese Gefährdung lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. – Das sofortige Lesen der Texte in 1 Kön 1(3)–11 im gesamten Erzählzusammenhang. Einzelne Aussagen werden in der Auslegung unmittelbar mit anderen verknüpft. Die Notiz über die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao wird beispielsweise sofort von 1 Kön 11 her gelesen. Dieses Lesen erfolgt dann mit dem Wissen um das Scheitern der ausufernden exogamen Heiratspolitik Salomos. Die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao muss dann schon als Vorbote des Fremdgötterkultes gelesen werden, zu dem Salomo von seinen 1000 Frauen verführt wird. Einzelne Perikopen und Aussagen können so nicht mehr für sich gelesen und interpretiert werden. – Die häufig vorgenommene – m. E. nicht zwingende – Bestimmung des Beginns der „Salomo-Komposition“ in 1 Kön 1 führt zu einer Verschärfung der oben genannten Probleme. Die Figur Salomo wird nicht in ihrer dynamischen Entwicklung105 während ihrer Regierungszeit (3–11), sondern schon vorgezeichnet durch die Wirren um die Nachfolge Davids auf dem Thron (1– 2) verstanden. In dieser Lesart ist die Brille für die Lektüre der Kapitel 3–11 bereits gefertigt, bevor der erste Vers übersetzt und ausgelegt ist. – Die Zuversicht, dass im Text feststellbare Ambivalenzen mit dem Verweis auf die Verwendung literarischer Stilmittel und rhetorischer Figuren – besonders der Ironie – erklärt werden können. Unterlag die klassische, historischkritische Exegese der Versuchung, Widersprüche und Ambi-valenzen mit dem Eingriff verschiedener Hände, seien sie Autoren oder Redaktoren, aufzulösen, besteht bei diesem synchron orientierten Ansatz nun ein Hang, Widersprüche und Ambivalenzen nicht als solche stehenzulassen und zu interpretieren. Auch der Verweis auf die rhetorische Figur „Ironie“, die in 103 Insofern ist Yong Ho Jeon zuzustimmen, die Textauslegung kann sich am natürlichen Leseprozess orientieren (vgl. Jeon, Re-evaluation, 26). Widersprochen werden muss der Auffassung, dass für eine angemessene Auslegung ein entsprechend großer Textbereich zugrundegelegt werden müsse („macroscopic literary strategy“, ebd.) und eine kleinteiligere, detailliertere Analyse ungeeignet sei („a microscopic analysis of a limited passage cannot ensure objectivity in interpreting the reticent Hebrew narrative“, ebd. 23). Vielmehr haben aus den nachstehend aufgeführten Gründen beide Ansätze ihr Recht, die jeweiligen Ergebnisse können einander ergänzen, gegebenenfalls auch korrigieren. 104 Newing, Solomon. 105 Zur Kategorie der dynamischen Entwicklung einer Figur („dynamism“) vgl. Jannidis, Character, 26.

A 3 Der Weg zum Ziel

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dem Salomo-Zyklus vermutlich Verwendung findet, löst weder alle Ambivalenzen auf, noch kann sie in allen Texten des Salomo-Zyklus in der gleichen Breite vorausgesetzt werden. Alle drei Punkte sind in den genannten Publikationen von Lasine, Brueggemann, Walsh, Hays und Duncker unterschiedlich stark aufzufinden. Dabei muss angemerkt werden, dass diese Punkte mitunter auf bewusste methodische Vorentscheidungen der Autorin und der Autoren zurückzuführen sind. Wie einführend erläutert, sind diese Arbeiten ein berechtigter Neuansatz in der Textinterpretation. Unter Beachtung der genannten Gefahren soll in dieser Studie aber der Versuch unternommen werden, den wichtigen und prominenten Text 1 Kön 3 zunächst für sich zu verstehen, also geschützt vor vorschnellen Vereinnahmungen durch (ohne Zweifel vorhandene) Kontextbezüge und redaktionelle Zusammenhänge. Dabei soll gezeigt werden, wie sich bei diesem Vorgehen das Verständnis des Textes vertiefen und verändern kann. Diese Analyse von 1 Kön 3 bildet die Grundlage für die Herausarbeitung des Salomobildes von 1 Kön 3. Einzelne Aspekte aus den unterschiedlichen Teilen dieser Analyse werden herausgegriffen und zusammengeführt. So werden Begriffe entfaltet, durch welche sich das Salomobild von 1 Kön 3 konstituieren und beschreiben lässt. Dieses aus 1 Kön 3 herausgearbeitete Salomobild kann dann, in einem weiteren Schritt, mit Salomobildern anderer Texte des SalomoZyklus‘ verglichen und von diesen abgehoben werden. In diesem Ansatz kommt nicht zuletzt eine gewisse Skepsis darüber zum Ausdruck, ob ein theoretisches Konstrukt wie „der kanonische Salomo“, letztlich sinnvoll ist. In dieser Studie wird dafür votiert, die Differenzen, Ambivalenzen und Widersprüche in den Erzählungen als solche ernst zu nehmen und eher kanonische Salomobilder106 als das eine kanonische Salomobild zu suchen.

A 3 Der Weg zum Ziel Nach dieser Übersicht zu Ausgangspunkten und Zielen der Arbeit ist zu entfalten, welche entsprechenden methodischen und hermeneutischen Konzeptionen dieser Arbeit zu Grunde gelegt werden müssen. In vielen heute erscheinenden exegetischen Publikationen, denen der (relativ) fest umrissene historisch-kritische Methodenkanon zu eng geworden ist und die verschiedenste Wege der so genannten synchronen, an einer Endgestalt des biblischen Textes orientierten Exegese beschreiten, nimmt die Darstellung, Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung des jeweiligen methodischen Ansatzes einen breiten Raum ein.107 Dies ist durch

106 Wobei der Begriff „kanonisch“ ausdrücklich keine methodischen Implikationen hat, sondern sich lediglich darauf bezieht, dass das genannte Salomobild in einem bestimmten biblischen Kanon entwickelt wird. 107 Als Beispiele seien die bereits oft erwähnte Studie von Christina Duncker (Duncker, Salomo), die Hohelied-Studie von Yvonne Sophie Thöne aus dem Jahr 2012 (Thöne,

26

A Einleitung

das Anliegen der jeweiligen Forschungsvorhaben legitimiert. Hier soll dieser Weg nicht beschritten werden. Das hängt vor allem mit den oben beschriebenen Zielen dieser Arbeit zusammen. Übergeordnete Ziele sind ein erweitertes Textverständnis von 1 Kön 3 und die Profilierung des Salomobildes dieses Textes. Der (methodische) Weg zu diesem Ziel nimmt sich, je nach Abschnitt der Arbeit, unterschiedlich aus. Es geht dabei nicht um einen innovativen Gebrauch exegetischer Methoden, sondern um die Verwendung verschiedener, bereits erprobter Methodenschritte. Die Methodenbeschreibung muss also, dem Aufbau der Arbeit folgend, für jeden Abschnitt je eigens geführt werden. Das Vorgehen ist dabei streng deskriptiv, es geht lediglich um ein Beschreiben des Vorgehens, nicht aber um eine Methodendiskussion im eigentlichen Sinne. In dieser Einleitung wird nur eine generelle Methodendeskription vorgenommen, einzelne methodische und hermeneutische Überlegungen folgen in den jeweiligen Kapiteln zusätzlich. Der erste Hauptteil der Arbeit B („Untersuchungen zu 1 Kön 3“) fragt zunächst nach der Stellung des Textes 1 Kön 3 in seinem Kontext und nach der äußeren Abgrenzung. Zudem wird eine Gliederung erstellt (B 1). Es folgt die Vorstellung des Textes mit Übersetzung, Diskussion verschiedener textkritischer Optionen108 und Besprechung der innerbiblischen Parallelüberlieferungen (B 2). Die ausführliche Textanalyse (B 3) erfolgt gemäß der erarbeiteten Textgliederung (B 1.3) in drei Schritten. Dabei wird jeweils zwischen der Analyse der Einzelverse sowie der einzelnen Versteile und den Beobachtungen zum gesamten Abschnitt unterschieden. Schließlich folgen Beobachtungen zur Struktur des gesamten Kapitels und es werden Begriffe erarbeitet, die, im Anschluss an die Textanalyse, für das Salomobild von 1 Kön 3 prägend sind (B 4). Methodisch erfolgt diese Analyse dabei (zuerst) synchron. Es handelt sich um eine Analyse der Plots109 (v.a. für die Gliederung unter B 2), eine Analyse der Erzählung (mit den Mitteln der narrativen Analyse)110 sowie eine syntaktische und semantische Analyse.111 Die Charakterisitika des Textes in 1 Kön 3 sollen

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109 110

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Liebe) und die 2011 erschienene Habilitationsschrift von Egbert Ballhorn (Ballhorn, Israel) aufgeführt. Im Rahmen der synchronen Textanalyse hat die Diskussion textkritischer Optionen nicht das Ziel, den vom Ausleger bestimmten Endtext zu revidieren. Es geht darum, diesen Endtext vor dem Hintergrund der in der Sekundärliteratur vorgschlagenen textkritischen Optionen, die sich häufig aus genauen Beobachtungen am Text speisen, besser zu verstehen. Die Textkritik kann dabei als eine Art „historischer Rückfrage“ zu der zuvor gegebenen Übersetzung verstanden werden. „Plot“ wird hier mit Helmut Utzschneider und Stefan Ark Nitsche „als die jeweils gewählte sinnhafte Anordnung der Elemente der Story in einer bestimmten Erzählung“ (Utzschneider / Nitsche, Arbeitsbuch, 153.173) verstanden. Grundlage für diesen Arbeitsschritt bildet das Standardwerk zur Erzähltheorie von Gérard Genette (Genette, Erzählung). Für die verwendeten Begrifflichkeiten wird an den entsprechenden Stellen mitunter auf die Beiträge aus dem „Handbook of Narratology“ (Hühn / Pier / Schmid / Schönert, Handbook) verwiesen. Das Zueinander dieser Analyseschritte und die in Abschnitten gegliederte („szenische“) Auslegung folgt hier der Beschreibung bei Müllner, Gewalt, 193–194; zur semantischen Analyse beachte auch Barr, Semantics, 99.

A 3 Der Weg zum Ziel

27

dabei sowohl textintern („grammatikorientiert“) als auch textextern („kommunikationsorientiert“) erfasst werden.112 Diese synchron orientierte Textauslegung stellt den ersten Zugang in dieser Arbeit dar und hat Priorität. Man kann diese Textanalyse als „close reading“113 bezeichnen, wenn man die Erklärung von Wilhelm Egger und Peter Wick zu Grunde legt: „Der meist schon gut bekannte biblische Text soll so genau gelesen werden, dass er wieder fremd werden kann.“114

Wann immer in diesem Abschnitt Bezugstexte aus dem Alten Testament aufgeführt werden, dienen sie lediglich der Klärung der Wortbedeutung,115 der grammatischen und syntaktischen Struktur sowie des Kommunikationsgeschehens.116 Werden in den Analysen „Zum gesamten Abschnitt“ weitere Texte hinzugezogen, so dienen diese der Klärung von Inhalt und Funktion des gesamten Abschnitts, bieten aber keine intertextuellen Lektüren, da dies den Rahmen eines „close readings“ verlassen würde. Den Anforderungen eines close readings entsprechend wird in der Analyse von 1 Kön 3 gründlich geklärt, inwiefern dieser Text als sinnvoll abgegrenzte Einheit verstanden werden kann.117 Teil C („Der Salomo von 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen“)118 beschreibt das Salomobild, das in 1 Kön 3 gezeichnet wird.119 Die Beschreibung des Salomobildes erfolgt anhand ausgewählter Begriffe, die einzeln entfaltet werden. Dabei sind es besonders die Begriffe „König“120 und „Weisheit“121, die weiter entfaltet und für die Beschreibung des Salomobildes von 1 Kön 3 fruchtbar gemacht werden. Methodisch gelingt diese begriffliche Entfaltung auch durch das Heranziehen 112 Zu dieser Unterscheidung vgl. Egger / Wick, Methodenlehre, 107. Die Dimension, die hier als „textextern“ beschrieben ist, wird häufig auch unter dem Begriff „Textpragmatik“ diskutiert. 113 In der Methodenlehre von Wilhelm Egger und Peter Wick heißt es: „Textimmanente Lektüre kennt an und für sich kein Patentrezept, sondern hat sich vielmehr der präzisen Lektüre verschrieben, dem so genannten ,close reading‘. Darunter wird die sorgfältige, respektvolle Lektüre eines Textes oder Textabschnittes verstanden. In diesem Leseprozess wird dem Entdecken des Ungewöhnlichen mehr Raum überlassen als dem Gewöhnlichen. Einzelne Worte, die Satzstellung oder die Reihenfolge der Gedanken erhalten ungleich größeres Gewicht als bei einer gewöhnlichen, alltäglichen, eher oberflächlichen Lektüre.“ (ebd., 111). 114 Ebd., 108. 115 So wird beispielsweise in Kapitel B unter 3.1.1 2 Sam 7,13 herangezogen, um eine typische Verwendung der Wurzel 0#) zu erklären. 116 Als Beispiel seien die Verse 2,12 und 4,1 genannt, die dazu dienen, die äußere Abgrenzung der zu bearbeitenden Perikope zu finden. Die damit verbundenen inhaltlichen Konsequenzen werden im Teil „C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen“ ab S. 153 behandelt. 117 Vgl. dazu Zeelander, Closure, 42–44. 118 Ab S. 153. 119 Zu dieser Vorgehensweise der Konstruktion verschiedener Salomobilder vgl. Davies, Solomon, 41–55; John A. Davies arbeitet die einzelnen Salomobilder aber aus 1 Kön 1– 11 insgesamt heraus; Christa Schäfer-Lichtenberger spricht von einem Übergang von einem zu einem anderen Salomo-Bild in 1 Kön 2 bzw. 1 Kön 3 (vgl. SchäferLichtenberger, Salomo, 262). 120 Vgl. Abschnitt „C 1 Der König“ ab S. 153. 121 Vgl. Abschnitt „C 2 Die Weisheit“ ab S. 166.

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A Einleitung

anderer biblischer Texte.122 Diese Texte weisen ähnliche Elemente auf. Ihre Lektüre entfaltet und profiliert die Begriffe, anhand derer das Salomobild von 1 Kön 3 beschrieben wird. Ausgangspunkt für die Suche nach geeigneten Texten ist dabei eben nicht der Salomo aus 1 Kön 1–11, sondern sind die Ergebnisse der Analyse von 1 Kön 3. Der Abschnitt „D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt“123 stellt neben das für 1 Kön 3 herausgearbeitete Salomobild die Salomobilder sowie prägende Begriffe anderer ausgewählter Texte aus dem Salomo-Zyklus. Durch diesen Arbeitsschritt wird das Profil des Salomobildes von 1 Kön 3 weiter geschärft. Dabei wird deutlich, dass für die Beschreibung dieser Kapitel andere Begriffe gebraucht werden, als dies für 1 Kön 3 der Fall war. Durch dieses Vorgehen lässt sich auch andeuten, dass die Figur Salomo in den einzelnen besprochenen Texten eine Entwicklung aufweist.124 Dem Duktus der vorliegenden Studie folgend, können die Aussagen über andere Texte im SalomoZyklus nicht dieselbe Qualität haben wie diejenigen über 1 Kön 3 und das Salomobild dieses Textes, weil die anderen Texte nicht ebenso ausführlich analysiert wurden und nicht im Fokus dieser Arbeit stehen. Die Aussagen zu begrifflichen Schwerpunkten der Salomobilder der ausgewählten anderen Texte werden darum v.a. im Gespräch mit der Sekundärliteratur entwickelt. Eine Besonderheit im methodischen Vorgehen erfordert die Bearbeitung der „E Ägyptenmotive in 1 Kön 3“.125 Die dabei aufgezeigten Bezüge verlassen mitunter den Bereich des alttestamentlichen Kanons. Auch ägyptische Quellen – wie etwa die Lehre des Ptahhotep – und ausgewählte Sekundärliteratur aus dem Fachbereich der Ägyptologie werden herangezogen. In Abschnitt F „Ironie in 1 Kön 3?“ wird auf die in der aktuellen Forschungsdiskussion wichtige Frage gesondert eingegangen, inwiefern sich die Verwendung der rhetorischen Figur „Ironie“ mit objektiv beschreibbaren Kriterien aufweisen lässt. Das Vorgehen orientiert sich dabei an der oben aufgeführten

122 Kanonisch-intertextuelle Lektüren werden dabei nicht betrieben. Seit dem Aufkommen dieses methodischen Ansatzes in den 1980er Jahren als „canonical approach“ (greifbar wird dieser Ansatz in den Arbeiten von Brevard S. Childs; vgl. etwa Childs, Theology; vgl. auch Ders., New Testament. Vgl. ferner den entsprechenden Hinweis bei Steins, Opfer, 182 Anm. 38) sind darunter verschiedene Konzepte verstanden worden. Einen der jüngsten Forschungsüberblicke zu diesem Ansatz hat Gregor Reichenbach vorgelegt. Er behandelt und vergleicht besonders die Ansätze von James A. Sanders, Brevard S. Childs, Rolf Rendtorff und Georg Steins (vgl. Reichenbach, Verbindungen, 40–59). Der in der deutschsprachigen Exegese geläufige Begriff „kanonisch-intertextuelle Lektüre“ ist stark von den Arbeiten von Georg Steins geprägt. 123 Ab S. 206. 124 Dass die Figur Salomo in den Texten des Salomo-Zyklus eine Entwicklung durchmacht, wird (mit Abstrichen bei Christina Duncker) in der synchronen, an narrativer Analyse orientierten Exegese kaum bestritten. Gerade Walsh legt Wert darauf, ein sich wandelndes Salomobild zu zeichnen. Wie in seinem Königekommentar (Walsh, Kings) zu studieren ist, versteht aber auch er die Texte und ihre verschiedenen Salomobilder immer schon im Kontext des gesamten Salomo-Zyklus, was die oben aufgezeigten Konsequenzen für seine Auslegungen hat. 125 Ab S. 206.

A 3 Der Weg zum Ziel

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Literatur.126 Dort als ironisch qualifizierte Aussagen werden exemplarisch erneut geprüft. Im Anschluss daran wird entschieden, ob die Rede von Ironie an den entsprechenden Stellen wissenschaftlich verantwortbar ist bzw. wie zwingend diese Einsichten sind. Im Fazit („G Zum Schluss“) werden die grundlegenden Ergebnisse der Arbeit gebündelt. In den einzelnen Teilen der Arbeit wird die historische Dimension der Texte und Bezüge nicht ausgeklammert, sondern integriert. Am Beginn steht die Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Endtext. Die synchrone Analyse hat, wie bereits erwähnt, Priorität.127 Die Reflexion der historischen bzw. der textgenetischen Dimension verfolgt drei Hauptziele. Zum einen ermöglicht sie die Auseinandersetzung mit einem Großteil der Fachliteratur, der sich mitunter ausschließlich im literar- und textkritischen Fragenfeld bewegt.128 Eine Arbeit, die sich mit einem so kleinen Textbereich befasst, sollte die literargeschichtliche Dimension nicht ausklammern. Zweitens ermöglicht dieser Schritt eine weitergehende Einordnung und Zuordnung der Ergebnisse der Endtextlektüre. Hat die synchron erarbeitete Textgliederung Anknüpfungspunkte an diachron erarbeitete Gliederungen? Entsprechen die synchron identifizierten Schwierigkeiten in der Auslegung des Textes auch den Stellen, an denen mit diachronen Methoden Kohärenzstörungen und Brüche ausgemacht werden? Drittens werden für die begrifflichen Entfaltungen häufig andere biblische Texte herangezogen und somit (zumindest indirekt) in ein Verhältnis zu 1 Kön 3 gesetzt. An diesen Stellen kann es für die Auslegung gewinnbringend sein, einen solchen herangezogenen Text oder Textabschnitt auch historisch in ein Verhältnis zu 1 Kön 3 zu setzen. Ein solches, die synchronen Ergebnisse reflektierendes Vorgehen unterscheidet sich fundamental von Arbeiten, in denen es eigenständige und von synchronen Untersuchungen unabhängige diachrone Exegesen gibt. Die diachronen Beschreibungen müssen hier wesentlich bescheidener formuliert werden, weil komplizierte Wachstumsbeschreibungen und Theorien über größere Kompositionszusammenhänge auf der Grundlage einer synchronen Textanalyse eines eingeschränkten Textbereiches nicht möglich sind. Zusammenhänge, die auf der Endtextebene zufriedenstellend erklärt wurden, können in der Folge nicht Ausgang der Postulierung eines komplexen Textwachstums sein. Wie lässt sich dieses Vorgehen beschreiben? Erich Zenger hat den Begriff „diachron reflektierte Synchronlektüre“129 eingeführt. Wenngleich dieser Begriff 126 Aufgegriffen werden folgende Arbeiten: Brueggemann, Solomon; Duncker, Salomo; Eslinger, Hands; Hays, Solomon; Lasine, Knowledge; Lasine, Riddle; Sweeney, Kings und Walsh, Characterization. 127 Diese Reihenfolge favorisiert und begründet auch Marvin A. Sweeney in Sweeney, King, 177–178. 128 Zu nennen sind die oben eingeführten, wichtigen Studien von Helen A. Kenik (Kenik, Design); Pekka Särkiö (Särkiö, Weisheit) und Stefan Wälchli (Wälchli, Salomo). 129 Erich Zenger verwendet diesen Begriff in seinem Aufsatz über die Essentials eines Bibelkommentars (Zenger, Essentials, 231) und hat ihn schon zuvor in einer Publikation ausführlicher erklärt (vgl. Zenger, Exegese im Spannungsfeld). Aufgegriffen und weiter

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A Einleitung

auch zum hier angezielten Vorgehen passen könnte, ist er bei Zenger anders besetzt130 und daher nicht für die vorliegende Arbeit zu verwenden. Aus diesem Grund werden die entsprechenden Kapitel in der vorliegenden Arbeit mit dem weniger stark besetzten Begriff „historische Rückfrage“131 gekennzeichnet. Solche historischen Rückfragen greifen dabei auf verschiedene methodische Einzelschritte zurück. Die Übersetzung von 1 Kön 3 wird anhand der Textkritik der historischen Rückfrage unterzogen.132 Im Rahmen der Textanalyse ergänzen literar- und redaktionskritische Fragestellungen die synchrone Analyse. In Abschnitt C, in welchem die Entfaltung der Begriffe zum Salomobild vor allem durch das Heranziehen verschiedener biblischer Texte bewältigt wird, sind es Fragen nach der möglichen Datierung einzelner Texte, die den synchronen Blick ergänzen und so ermöglichen sollen, das Verhältnis der verglichenen Texte umfassender zu verstehen. In Abschnitt E werden unter dem Stichwort historische Rückfrage historische Spuren eruiert, die die „Ägyptenmotive in 1 Kön 3“ erklärbar machen könnten. Vom in der alttestamentlichen Exegese bereits gut erprobten und weiterhin vielversprechenden methodischen Weg der exegetischen Raumanalyse,133 also der Auseinandersetzung mit dem so genannten „spatial turn“ in den Kulturwissenschaften,134 ist der Verfasser der vorliegenden Arbeit beeinflusst. Dies wird an einigen Formulierungen und exegetischen Ansätzen deutlich.135 Einen für die vorliegende Arbeit explizit gewählten, eigens zu beschreibenden Ansatz stellt dieser methodische Weg allerdings nicht dar.

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gedacht wurde diese Terminologie von Ulrich Berges (vgl. Berges, Synchronie und Diachronie). Bei Erich Zenger ist mit diesem Stichwort eine voll entwickelte diachrone Exegese angezeigt, die vom vorliegenden Endtext ausgeht (vgl. Zenger, Essentials, 230). Er formuliert: „Zugleich ergibt sich aus diesem Ansatz, daß der Kommentar beim vorliegenden Text einsetzt und von diesem ausgehend dessen entstehungsgeschichtliches Tiefenprofil nachzuzeichnen versucht.“ (ebd., 231). Auch im genannten Aufsatz von Erich Zenger wird dieser Begriff in einem allgemeineren Sinne verwendet, bevor Zenger das angezielte Vorgehen mit dem Begriff „diachron reflektierte Synchronlektüre“ näher beschreibt (vgl. ebd., 230–231). Vgl. dazu Anm. 108 auf S. 26. Exemplarisch sei auf die 2011 erschienene Arbeit von Egbert Ballhorn zum Josuabuch (Ballhorn, Israel), die 2010 erschienene Deuteronomiumsstudie von Michaela Geiger (Geiger, Gottesräume) oder die 2012 veröffentlichte Dissertationsschrift von Yvonne Sophie Thöne (Thöne, Hohelied) verwiesen. Greifbar beispielsweise in dem in der Theologie viel rezipierten und 2009 publizierten Werk „Raumsoziologie“ der Soziologin Martina Löw (vgl. Löw, Raumsoziologie). Etwa bei der Textanalyse im Punkt „3.1.2 Zum gesamten Abschnitt“ ab S. 73.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3 B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung B 1.1 Stellung im Kontext 1 Kön 3 ist im Kontext des Salomo-Zyklus zu verorten.1 Bei diesem Zyklus handelt es sich um jenen Textbereich aus dem 1. Königebuch, der von der Regierungszeit des Königs Salomo handelt. Je nach Autorin, Autor wird dieser Textbereich z. B. durch die Kapitel 1 Kön 1–11 oder 3–11 repräsentiert.2 Entsprechend strittig ist das Ende des vorhergehenden Textabschnittes, der in der Fachliteratur klassischerweise als „Thronfolgeerzählung“ bezeichnet wird.3 Auch Zwischenlösungen werden vertreten, wonach der Einsatz der Erzählungen zu König Salomo beispielsweise in 1 Kön 2,12 zu verorten sei.4 Der strittige Einsatz des Textbereiches der Salomo-Erzählungen hat erheblichen Einfluss auf das jeweilige Verständnis von 1 Kön 3, weil dieses Kapitel dann je nach dem entsprechenden Ansatz den Auftakt zur Schilderung der Regierungszeit Salomos darstellt oder nicht. Bildet 1 Kön 3 den Auftakt der Erzählungen über König Salomo, so würde hier ein neuer Erzählabschnitt einsetzen. Im Umkehrschluss wären die literarischen Beziehungen zu 1 Kön 1–2 und dem Salomobild dieser Texte weniger bedeutsam. 1 2

3

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Vgl. zu diesem Begriff die Darstellung auf S. 19. Vgl. Für die Kapitel 1–11 votiert z. B. Christina Duncker (vgl. Duncker, Salomo). Auch Jung Ju Kang (vgl. Kang, Solomon, 123–140) und Terence Fretheim (vgl. Fretheim, Kings, 19) betonen eher die erzähltechnischen Verbindungen zwischen 1 Kön 1–2 mit Kapitel 3. Martin Rehm (vgl. Rehm, Könige, 21), Walter Dietrich (vgl. Dietrich, Propheten, 269), Bernd Ulrich Schipper (vgl. Schipper, Israel, 90) oder Stefan Wälchli (vgl. Wälchli, Salomo, 24–25) vertreten die Position, den Einsatz der Erzählungen über die Regierungszeit Salomos in 1 Kön 3 zu suchen; vgl. dazu auch den Überblick im Abschnitt „A 1 Der Ausgangspunkt“ ab S. 14. 1926 hat Leonhard Rost seine wegweisende Studie „Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids“ vorgelegt, in der er 1 Kön 1–2 als den Abschluss dieser Überlieferung qualifiziert (vgl. Rost, Thronnachfolge, 84–85). Wenngleich sie nicht mehr unumstritten ist, bildet diese These noch immer die Grundlage für die Diskussion über 1 Kön 1–2 in der alttestamentlichen Wissenschaft (vgl. die Diskussion bei SchäferLichtenberger, Salomo, 232–261). Argumente für ein Ende der Thronfolgeerzählung schon mit 1 Kön 2,12 sammelt Heinrich Schnabl (vgl. Schnabl, Thronfolgeerzählung, 98– 109), wobei die folgenden Verse nicht zwangsläufig mit 1 Kön 3 verbunden werden müssten. Gegen die Konstruktion einer Thronfolgeerzählung wendet sich Walter Dietrich, nach welchem es einen solchen Komplex als eigenen Text nie gegeben habe. Er spricht globaler von einem Erzählwerk über die frühe Königszeit (vgl. Dietrich, Thronfolgegeschichte, 50–51.67–69; vgl. auch ders., Geschichtsüberlieferungen, 42–44). Percy van Keulen lässt die eigentliche Salomoerzählung in 2,12 beginnen und in 11,43 enden, wovon er die größere Sammlung salomonischen Materials abhebt, die in 1,1 beginnt. Kap 11 hält er für zum Rahmen gehörig; die eigentliche Regierungszeit sei in 3– 10 beschrieben (vgl. van Keulen, Versions, 277.283–284).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Schaut man auf die wissenschaftlichen Darstellungen zu König Salomo, endet die Betrachtung meist in 1 Kön 11. Diesen Text als Abschluss des Salomo-Zyklus zu betrachten ist beinahe ein Konsens in der alttestamentlichen Wissenschaft.5 Aus diesem Grund werden 1 Kön 12 und das ganz eigene Salomobild dieses Abschnitts selten untersucht.6 In 1 Kön 12 erfährt die Leserin, der Leser, wie Salomos Herrschaft nach seinem Tod dazu führt, dass der Zwölf-StämmeVerbund sich auflöst und Salomos Thronfolger Rehabeam sich nicht als König Gesamt-Israels etablieren kann. Amos Frisch plädiert dafür, den Salomo-Zyklus bis 1 Kön 12,24 laufen zu lassen. Sein stärkstes Argument dafür ist, dass sich Ahijas Prophetie aus 11,34 erst in Kap. 12 erfüllt; Prophezeiung und Verheißung wären so auseinandergerissen.7 Dieser Auffassung von Amos Frisch ist allerdings energisch widersprochen worden.8 Die Frage nach dem Ende des Salomo-Zyklus ist für 1 Kön 3, gemessen an der Bedeutung des Einsatzes dieses Zyklus, weit weniger bedeutsam. Die in der Einleitung erwähnte Diskussion um die Struktur dieses Salomo-Zyklus ist für die Auslegung von 1 Kön 3 insofern relevant, als dass sie auch Stellung und Funktion dieses Textes im Zyklus betrifft. Zunächst gibt es eine Reihe von Motiven, die in 1 Kön 3 erstmalig oder in hervorgehobener Weise auftreten: die Hochzeit mit der Pharaonentochter, die Begegnungen mit JHWH, das Weisheitsmotiv (zuvor schon in 2,6.9), die Beziehung zu David,9 Salomos Verhältnis zum Volk, seine Opfertätigkeit und Salomos Bauprojekte. Für die Verse 1–3 hat dabei Bezalel Porten in seiner Analyse der literarischen Struktur von 1 Kön 3–11 gezeigt, dass 3,1–3 und 9,24–25 miteinander korrespondieren.10 Es werden jeweils die Pharaonentochter und der Tempelbau genannt.11 Zudem wird eine Opfertätigkeit Salomos beschrieben. Strittig ist, ob 3,1–15 stärker mit 9,1–9 (Kim Ian Parker) oder mit 11,1–13 (Amos Frisch und Jerome T. Walsh) korrespondiert.12 Im ersten Fall würde die Schlüsselfunktion der

5 6

Vgl. Brueggemann, Solomon, 66; Duncker, Salomo, 11; Kang, Solomon, 113 Anm. 54. Andreas Kunz-Lübcke behandelt in seinem Aufsatz zur „Komposition der Salomogeschichten“ zwar die Kapitel 1–12, liefert dafür aber keine nähere Begründung (vgl. Kunz-Lübcke, Komposition, 108). 7 Vgl. Frisch, Structure, 7–9; vgl. ferner die Diskussion bei Parker, Limits, 17. 8 Kim Ian Parker begründet diesen Widerspruch u. a. damit, dass Salomo ab 1 Kön 12,1 nicht mehr im Fokus der Erzählung stehe, sondern lediglich auf seine Politik verwiesen werde (vgl. Parker, Limits, 16). Christina Duncker folgt Parker in der Bestimmung des Abschlusses der „Salomo-Komposition“ vor allem deswegen, weil sie die von Parker erarbeitete Rahmung der „Komposition“ in 1 Kön 1–2 und 11,14–43 überzeugend findet. Den Einwand Frischs hinsichtlich der unerfüllten Prophetie hält Duncker entgegen, dass diese in 11,12 genau so, nämlich nicht mehr zu Salomos Lebzeiten, angekündigt worden war (vgl. Duncker, Salomo, 57–59). 9 Bis hierher vgl. Walsh, Kings, 153–156. 10 Vgl. Porten, Structure, 98. 11 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 262. 12 Vgl. die Gegenüberstellung bei Williams, Structure, 62.

B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung

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(warnenden) JHWH-Worte in beiden Traumoffenbarungen stärker betont,13 im zweiten Fall ginge es stärker um die Heiratspolitik Salomos. Dieser Konflikt ließe sich dadurch entschärfen, dass man 1 Kön 3,1–3 mit 11,1–13, 3,4–15 aber mit 9,1–9 korrespondieren ließe. Der Preis wäre freilich, dass der von den genannten Autoren gesetzte Abschnitt 1 Kön 3,1–15 auseinandergerissen würde. An diesem Punkt werden die Begrenzungen detaillierter Strukturmodelle deutlich, die eine gründliche Untersuchung der einzelnen Texte nicht ersetzen können (und dies auch nicht wollen).14 Aufällig ist, dass für 1 Kön 3,1–15 wesentlich mehr Verbindungen zu anderen Texten des Salomo-Zyklus festgestellt werden als für die VV 16–28. Für Christa Schäfer-Lichtenberger ist der Traum zu Gibeon gar das einschneidende Ereignis in Salomos Biographie, welches zu einer „Verwandlung“ Salomos führe.15 Damit allerdings kann der wichtige Zusammenhang von 1 Kön 2,46b–3,3 mit der folgenden „Erzählung von Opfer und Traum“ der Verse 4–15, etwa hinsichtlich der JHWH-Liebe Salomos, nicht mehr erkannt werden. Christina Duncker möchte demgegenüber die JHWH-Worte für Salomo stärker betonen: „Durch die expliziten Verweise in 1 Kön 9,1–9 auf 1 Kön 3,4–15 und in 1 Kön 11,11– 13 auf 1 Kön 3 und 1 Kön 9 wird deutlich, dass die JHWH-Worte als Leseschlüssel in der Salomo-Komposition dienen.“16

Walter Brueggemann legt dar, welche eindeutigen Signale von 1 Kön 9,6 ausgehen, wo zum dritten Mal nach 3,14 und 6,12–13 Mahnungen und Bedingungen für Salomo ausgesprochen werden. In Kap. 9 ist der Tempel gebaut. Das allein garantiert aber überhaupt nichts. Weiterhin gilt es, Gottes Gebote und Satzungen zu halten und sich von fremden Göttern fernzuhalten (9,6).17 Dabei kann für Salomo keine gute Prognose gestellt werden: „The series of „if“ statements […] comes to fruition in the capstone of Deuteronomic commentary upon Solomon in 11:1–13.“18

Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: 1 Kön 3 ist im ersten Buch der Könige an einer wichtigen Schnittstelle platziert. Wenngleich die Kap. 1–2 noch von der Regentschaft Davids geprägt sind (von Davids Tod wird erst in 1 Kön 2,10 berichtet), ist Salomos Thronbesteigung schon ein Thema (vgl. 1,46).19 Ein 13 Für Kim Ian Parker, der die beiden Träume ebenfalls für wesentlich hält, wird mit 3,1–15 der Abschnitt „Solomon as the ideal King“ und mit 9,1–10 der Abschnitt „Solomon as the apostate King“ eingeleitet (vgl. Parker, Wisdom, 69–70.85–87). 14 Vgl. Cogan, Kings, 189. 15 So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 261–262. 16 Duncker, Salomo, 186. Zur Bedeutung der JHWH-Reden vgl. jedoch schon Kang, Solomon, 196–197. 17 Vgl. Brueggemann, Solomon, 145. 18 Ebd., 147. 19 „Der wa=yiqtol-Satz (V.12b) bezeichnet hier einen Sachverhalt als Progreß, […] V.12b deutet auf einen Vorgang hin, der noch nicht abgeschlossen ist“ (Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 250). Zwar heißt es schon in 1,45, Salomo habe sich auf den Thron gesetzt. Auch käme das nicht überraschend, weil David genau das angeordnet hatte (1,35). Allerdings ist

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

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völlig neuer Erzählabschnitt setzt hier darum nicht ein. Die Wirren um Davids Thronnachfolge sind nach Kap. 2 aber beendet. 1 Kön 3 bildet den Auftakt der Texte, die die Schilderung der Regierungstätigkeit Salomos darstellen und eröffnet so den größeren Textzusammenhang 1 Kön 3–11.20 In 1 Kön 3 werden für die folgenden Salomo-Erzählungen wichtige Motive entwickelt und Lesesignale gesendet, die aber weniger die Auslegung von 1 Kön 3 als vielmehr die der folgenden Texte beeinflussen können.

B 1.2 Abgrenzung21 Strittig ist der genaue Einsatz von des Textabschnitts, der entweder in 1 Kön 2,46b oder in 3,122 gegeben ist. Inhaltlich ist beides möglich. Syntaktisch angemessener ist es, den Einsatz im invertierten Verbalsatz 2,46b zu sehen, der vom Narrativ in 3,1 aufgegriffen wird.23 Auch im masoretischen Text ist diese Gliederung vorgeschlagen.24 Die Septuaginta hat an dieser Stelle zwar eine eigenständige Tradition, legt einen Anschluss aber wenigstens nahe.25 Diese Variante mit dem Beginn von 1 Kön 3 schon in 2,46b als Eröffnung wird in der vorliegenden Arbeit vertreten. Der vorangehende Abschnitt findet seinen Abschluss so mit dem Tod

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1,45 nur der Bericht des Jonatan an Adonija. In den Versen, die von der Umsetzung der Anordnung Davids berichten (VV 38–40), wird nicht erwähnt, dass Salomo sich tatsächlich auf den Thron Davids gesetzt habe. Weitere Ausführungen zum Verhältnis von 2,12; 2,46b und 4,1 folgen in der Textanalyse ab S. 51. Vgl. Würthwein, Könige, 28. Für 1 Kön 3,1 als Auftakt der „Salomogeschichte“ votieren u. a. auch Na’aman, Solomon, 64 und Särkiö, Weisheit, 18. Auch die Analyse der Figur Salomo kann auf eine erzähltechnische Zäsur vor 3,1 hinweisen: „1 Kön 2 führt einen entschieden handelnden König vor, der von einem sicheren Machtinstinkt bei der Ausschaltung seiner Gegner geleitet wird. Der in den folgenden Kapiteln auftretende Salomo scheint von anderer Natur zu sein, wie schon mancher Ausleger bemerkte. Salomo wird im Wesentlichen als kompetenter und weise planender Herrscher vorgestellt, der auf das Wohlergehen des Volkes bedacht ist.“ (Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 261). Nach der Präsentation des literarischen Kontextes von 1 Kön 3 gilt es, den auszulegenden Text konkret zu bestimmen, ihn folglich von diesem Kontext abzugrenzen; vgl. zu diesem Vorgehen Egger / Wick, Methodenlehre, 81–83. Für den häufig gewählten Einsatz in 3,1 vgl. etwa Benzinger, Könige, 14; dort mit Verweis auf August Klostermann; Würthwein, Könige, 28–29; vgl. ferner Walsh, Kings, 69; 1 Kön 2,46b wäre demnach der Abschluss der Erzählungen zur Thronnachfolge Davids (vgl. etwa Kalimi, Solomon, 29). So etwa Keil, Könige, 31; Šanda, Könige, 51; Kittel, Könige, 24; Greßmann, Geschichtsschreibung, 194; Montgomery / Gehmann, Kings, 101; von den neueren Kommentaren mit Erklärung Sweeney, Kings, 72. Neue Zeile und entsprechender Abstand (vgl. Tov, Text, 40), wenngleich zwischen 2,24– 3,2 weder 6 noch 2 stehen. So zumindest die Gliederung in der Ausgabe von Rahlfs / Hanhart, in der der mit MT 2,46b korrespondierende Text LXX 2,46l von LXX 2,46k abgetrennt und vor LXX 3,2 abgedruckt ist.

B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung

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Schimis (2,46a),26 während 1 Kön 3 mit der summarischen Notiz „Und das Königtum war fest in der Hand Salomos“ (2,46b) eingeleitet wird.27 In V 28 kommen die beiden Erzählbögen aus Kapitel 3 zum Abschluss. Salomos Bitte aus V 9 ist erfüllt, er ist als richtender König mit Gottesweisheit in seinem Inneren anerkannt. Sein Urteil aus V 27 führt zur Achtung Salomos in ganz Israel.28 V 28 belegt, dass er bereit ist, als König zu wirken.29 Kapitel 3 bietet zur Liste der salomonischen Beamten (4,2–6) keinerlei Überleitung. So kann von einem gesicherten Abschluss der kleinen Perikope vor 4,2 gesprochen werden. 4,1 ist eine Art Brückenvers, den man ähnlich wie 2,46b behandeln kann.30 Von der Aussage her ähneln sich 4,1 und 2,46b sehr, zudem schließt sich 4,1 mit voran{ – ’'Û#  ™) an 3,28 an. Wenn 2,46b die Einleitung zu 1 Kön gestelltem Tempusmarker ('! 3 war, so ist 4,1 der Schlusssatz, in dem diese Einleitung wieder aufgegriffen wird.31

26 Damit endet in 2,46a ein Handlungsbogen: „Mit dem Tod Šimis (V 46a) ist die Episode beendet“ (Rudnig, Thron, 145). Zwar liest Thilo Alexander Rudnig 2,46b nicht als Eröffnung von Kap. 3, dennoch sieht er, dass 2,46b gegenüber den voranstehenden Versen „deutlich auf einer anderen Ebene“ steht (ebd., 145). 27 Eine differenzierte Sicht vertritt Martin J. Mulder: „The last 4 words of our verse seem to be the conclusion of the preceding text. But Klostermann, Stade-Schwally et al. [bei Mulder ohne nähere Angabe!, MN] are of the opinion that the pf !1#)1 indicates that this short statement forms the introduction to the story which follows. In that case the purpose would be to describe the situation which made it possible for Solomon to become the sonin-law of Pharao. LXXLu. and Symm., among others, seem to support this viewpoint. But here the one possibility need not to exclude the other“ (Mulder, Kings, 129). Vielleicht trifft diesbezüglich zu, was Christina Duncker zum möglichen Abschluss der Thronfolgegeschichte festhält: „Vielmehr scheint es doch so zu sein, dass innerhalb der Hebräischen Bibel verschiedene Erzählfäden vorhanden sind, so dass die Todesnotiz [bezüglich Schimi, MN] lediglich das Ende eines Erzählfadens oder Erzählbogens darstellt.“ (Duncker, Salomo, 58). Für ein close reading (zum hier zu Grunde liegenden Begriff von close reading vgl. die Darstellung in der Einleitung auf S. 27) von 1 Kön 3, welches die größeren Erzählfäden zunächst außer Acht lässt, ist ein Einsatz mit 2,46b vor dem Hintergrund der geschilderten Diskussion jedenfalls legitim. 28 Vgl. Šanda, Könige, 64. 29 Vgl. Sweeney, Kings, 82. 30 Vgl. Würthwein, Könige, 38; dort wird 4,1 in Klammern zu 4,2–6 hinzugefügt. Das Setzen der Klammer bei Ernst Würthwein rührt daher, dass er 4,1 für den ursprünglichen Abschluss von 3,4–15 hält (vgl. ebd., 34.38 Anm. 1). 31 Vgl. auch Garsiel, Revealing, 231. Martin Noth weist ferner auf die ähnlich gestaltete Listenüberschrift in 2 Sam 8,15a hin (vgl. Noth, Könige, 63); für den Zusammenhang von 3,28–4,1 verweist auch Helen A. Kenik auf 2 Sam 8,15 (vgl. Kenik, Design, 140). Jerome T. Walsh beschreibt in hebräischer Literatur das Phänomen der „inclusion“, bei der literarische Einheiten durch Wiederholung von „a word, a phrase, or concept“ am Beginn und am Ende der Einheit begrenzt würden (so Walsh, Kings, 46). Ein Beispiel einer solchen „inclusion“ sieht er in 1 Kön 2,12a und 2,46b (vgl. ebd., 46). Diesem Konzept folgend könnte die aus 1 Kön 2,46b und 4,1 gebildete „inclusion“ den Rahmen von 1 Kön 3 bilden.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

B 1.3 Gliederung Für die Gliederung von 1 Kön 3 ist im Wesentlichen eine Dreiteilung auszumachen. Der erste Teil (2,46b–3,3) stellt einen Erzähleinstieg dar. Der zweite Abschnitt (3,4–15) hat im Zentrum die nächtliche Traumoffenbarung in Gibeon. Den dritten Block (3,16–4,1) stellen die Erzählung über den Gerichtsprozess zweier Frauen um ein Kind vor König Salomo (3,16–27) sowie die abschließenden Bemerkungen (3,28–4,1) dar. Die weitere, feinere Untergliederung des Textes erweist sich als durchaus schwierig. Die Geschichten sind kunstvoll komponiert, die einzelnen Verse greifen einander geschickt auf, sodass es mitunter schwerfällt, gliedernde Schnittstellen auszumachen und hinreichend zu begründen.32 Die nachstehend erarbeitete Gliederung bildet zugleich die Grundstruktur für die folgende Textanalyse („B 3 Textanalyse“).

1.3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3 In 1 Kön 2,46b–3,3 liegt der Erzähleinstieg für das Folgende vor. Dieser wird von der Notiz zur Herrschaft Salomos (2,46b) eröffnet,33 auf die die Verschwägerungsnotiz (3,1) folgt.34 Inhaltlich passen beide Aussagen gut zusammen. Die Macht Salomos, die 2,46b postuliert, belegt 3,1 mit einem eindrucksvollen Beispiel: Salomo sei es gelungen, sich mit dem mächtigen König Ägyptens zu verschwägern.35 Dieser Erzähleinstieg hat für das folgende Kapitel eine einleitende Funktion. Mit Salomo (2,46b; 3,1.3), dem Volk (3,2) und JHWH (3,3) sind wichtige Akteure 32 Einige Kommentare machen es sich an dieser Stelle etwas zu leicht und scheinen sich mit der Petucha nach V 3 zu begnügen, anstatt nach Gründen für eine solche Gliederung zu suchen. Jürgen Werlitz erhält nach seinen literarkritischen Eingriffen zwar einen symmetrischen, spiegelartigen Aufbau, kann aber nicht genau erklären, warum er die VV 4b–5a dafür unberücksichtigt lassen muss (vgl. Werlitz, Könige, 58). Jerome T. Walsh erkennt zwar die Exposition in den VV 1–3, begründet sie aber lediglich mit den drei angesprochenen Themen Heirat, Bauprojekte und Höhenopfer. Diese sind aber bereits nach V 2 eingeführt. Konsequenterweise müsste er daher für eine schlankere Exposition, bestehend aus den VV 1–2, plädieren (vgl. Walsh, Kings, 69–70). Carl Friedrich Keil scheint die inhaltliche Polyphonie der ersten drei Verse schlicht zu ignorieren, wenn er schreibt, hier beginne nun „die Geschichte seiner Regierung mit der Nachricht von seiner Vermählung mit einer ägyptischen Prinzessin, und mit einer Bemerkung über den Zustand des Reiches am Anfang derselben (v.1–3)“ (Keil, Könige, 31). Simon J. DeVries gliedert in seiner Übersetzung (Zeilenumbruch nach V 2) anders als in seiner Auslegung (gemeinsame Besprechung der VV 1–3), ohne diese Diskrepanz näher zu erläutern (vgl. DeVries, Kings, 45.47.50). Rudolf Kittel trennt nach V 4 ab (vgl. Kittel, Könige, 23). Für Kittels Gliederung spricht, dass V 4 mit einem Narrativ angeschlossen ist, während V 5 ohne Konsekutivtempus einsetzt. Kittel ignoriert dabei aber MT und die Tatsache, dass bereits in V 4 die konkrete Opferhandlung Salomos geschildert wird, infolge derer dieser die Traumoffenbarung erhält. 33 Vgl. dazu die Darstellung unter Punkt „B 1.2 Abgrenzung“ ab S. 34. 34 Vgl. Noth, Könige, 48–49. 35 Dass es bei der Verschwägerungsnotiz um eine Illustration der Macht Salomos geht, kann kaum bezweifelt werden, so auch Brueggemann, Kings, 43.

B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung

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bereits eingeführt.36 Die Erwähnung der Verschwägerung Salomos mit dem Pharao (3,1a) mittels Heirat einer ägyptischen Königstochter (3,1b) erscheint ohne unmittelbaren Anschluss an das zuvor und das nachfolgend Erzählte. Mit der Erwähnung der Opfer auf den Höhen in den VV 2–3 hängt die Verschwägerungsnotiz nur mittelbar zusammen, indem die Unterbringung der Pharaonentochter in der Davidsstadt (V 1) sowie die Höhenopfertätigkeit des Volkes (V 2) mit ausstehenden Bauarbeien begründet werden.37 Möglich wäre es zwar ebenso, in den VV 1–2 einen Erzähleinstieg zu sehen, da hier (V 2a) die Thematik der Höhenopfer bereits eingeführt und am Beispiel Salomos in V 3 nur noch aufgegriffen werden muss. Dafür spräche auch die Petucha nach V 2 im MT. Dann wäre aber die für die Erzählung wesentliche Beziehung Salomos zu JHWH (gekennzeichnet durch Liebe, V 3a) nicht mehr Teil eines solchen Erzähleinstiegs. Unabhängig davon, ob hier eine Exposition im engeren Sinne oder ein anders zu qualifizierender Erzähleinstieg vorliegt,38 lässt sich die gewählte Zuschneidung des ersten Textabschnittes auf 1 Kön 2,46b–3,3 gut vertreten. In den VV 2–3 werden allgemeine Gewohnheiten des Volkes und Salomos beschrieben, sie pflegen stets auf den Höhen zu opfern. Bei Salomo wird zuvor erwähnt, dass er JHWH (prinzipiell) liebt und auf den Wegen seines Vaters David zu gehen pflegte. Vielmaliges oder prinzipiell Feststehendes wird hier einmal erzählt, das belegen die Zustandssätze in den VV 2a.3b.39

36 Weil Pharao und Pharaonentochter aus 3,1 in 1 Kön 3 nicht wieder aufgenommen werden, sind beide hier nicht berücksichtigt. 37 Allerdings merkt V 1 an, dass das Haus JHWHs noch nicht fertig gestellt ist, was den Zusammenhang mit den Opfern auf den Höhen in den VV 2–3 herstellen dürfte. 38 Der Begriff Exposition ließe sich mit Shimon Bar Efrat wie folgt definieren: „The situation existing at the beginning of the action is presented in what is usually called the exposition. This serves as an introduction to the action described in the narrative, supplying the background information, introducing the characters, informing us of their names, traits, physical appearance, state in life and the relations obtaining among them, and providing the other details needed for understanding the story.“ (Bar-Efrat, Narrative, 111). Nach dieser Definition dürfte erwartet werden, dass in einer klassischen Exposition zu 1 Kön 3 auch die zentralen Charaktere aus der Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand, nämlich die beiden Frauen (und das lebendige Kind) eingeführt werden könnten. In der vorliegenden Arbeit wird daher für 1 Kön 2,46b–3,3 der Begriff „Erzähleinstieg“ gebraucht. 39 Die Opfertätigkeit des Volkes (V 2a) und des Königs (V 3b) werden in Partizipialkonstruktionen ausgedrückt. Damit haben sie keinen Bezug zur Topikzeit (d. h. „die beschriebene, charakterisierte, betrachtete Zeit“; Matheus, Zeit, 12) des Textes. Frank Matheus schreibt zu nominalen und partizipialen Konstruktionen in Erzählungen: „Sie verweisen auf eine Handlung, einen Prozess oder ein Begebnis und binden deren Verlauf (mit den dazugehörigen Situationszeiten) als eine Eigenschaft an die Person oder Gegebenheit, ohne sie in einen Zeitraum zu integrieren. Vielmehr ergibt sich umgekehrt aus der charakterisierten Situation das Zeitgefüge, in dem die abgebildeten Sachverhalte ihren Sinn entfalten.“ (ebd., 258).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

1.3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–1540 In Versss 4 beginnt dagegen die konkrete Schilderung des (einmaligen) Opfergangs nach Gibeon, in dessen Folge sich alles Weitere ereignet.41 Dieser Abschnitt wird so von vielen Kommentatoren angenommen.42 Eine angemessene Begründung dafür wird aber nur selten gegeben.43 Sie könnte in der Zeitstruktur des Stückes liegen. Einmaliges wird einmal erzählt,44 zunächst gerafft,45 die Traumoffenbarung dann in Echtzeit (Wiedergabe der wörtlichen Reden). Die Verse 5–14 bilden den eigentlichen Traumkorpus.46 V 5 leitet den Traum nur kurz ein und beinhaltet dann schon (V 5b) die Frage JHWHs an Salomo als Auftakt der Traumoffenbarung. Mit der Mahnung JHWHs an Salomo (V 14) endet die Rede JHWHs und damit der Traumkorpus. Innerhalb des Traumkorpus bieten sich als Gliederungsmerkmal die Redeanteile JHWHs und Salomos an. Zunächst ergeht eine Frage JHWHs an Salomo (V 5b), dann antwortet Salomo (VV 6–9), wobei die VV 6–8 eine Art Vorrede darstellen, an die sich die eigentliche Bitte (V 9) anschließt. In V 10 folgt dann ein Erzählstimmenkommentar, der festhält, dass Salomos Bitte JHWH gefallen hat. Daraufhin hebt JHWH die (gute) Bitte Salomos von anderen möglichen Bitten ab (V 11), verheißt ihm das Erbetene (V 12) und noch mehr darüber hinaus (V 13). Die Gottesrede schließt mit einer Mahnung bzw. einer konditionierten Verheißung (V 14). V 15 gehört nicht mehr zum Traumkorpus selbst, sondern stellt das Ende des Traumes lediglich fest. Salomo erwacht zunächst und erkennt dann, dass er einen Traum hatte (V 15a). Daran schließen sich der Gang nach Jerusalem und das

40 Vgl. die Überschrift bei Keil, Könige, 33. 41 Gekennzeichnet durch die den Vers eröffnende Narrativform T+˜ {—Q ™# („Und er ging“) im Gegensatz zu den Partizipien aus den VV 2a.3b (vgl. Anm. 39 auf S. 37). 42 Vgl. etwa Greßmann, Geschichtsschreibung, 195; Mulder, Kings, 136; Šanda, Könige, 53– 61; Walsh, Kings, 73. Völlig anders gliedert Claude Lichtert, der in den VV 1–4 einen symmetrischen Aufbau erkennt, in welchem die VV 1a und 4b aufgrund ihrer wichtigen Aussagen zur Person Salomos (Stellung zum Pharao und liturgische Rolle) miteinander korrespondierten (vgl. Lichtert, songe, 263). Lichterts Kriterium für die Gliederung ist dabei nicht, wie in der vorliegenden Studie, die Zeitstruktur, sondern die Charakterisierung Salomos sowie die Abtrennung des Traums als einen eigenen Abschnitt (ab V 5); da Lichterts Aufsatz sich primär mit der Korrespondenz zwischen 1 Kön 3,1–15 und 9,1–9 befasst (vgl. ebd., 277–281). 43 M. E. bedarf es durchaus einer gewissen Erklärung, da bei der Gliederung hier einige Optionen offen stehen und man für den Schnitt nach V 3 MT gegen sich hat; vgl. dazu die Anmerkungen zum vorherigen Abschnitt „Erzähleinstieg: 2,46b–3,3“; S. 36. 44 Vgl. dazu die Analyse der Verbformen in den VV 2a.3b.4. 45 Raffendes Erzählen liegt im gesamten V 4 vor. Der Opfergang in V 4a wird nicht näher beschrieben, es heißt schlicht: „Der König ging … um zu opfern…“. Die für die Opfertätigkeit in V 4b gebrauchte Verbform !„+˜ 4” ™' wird in dieser Arbeit dahingehend ausgelegt, dass sie einen länger andauernden, einmaligen Vorgang beschreibt; vgl. dazu die Auslegung von V 4 ab S. 77 sowie in der Übersetzung Anm. 59 auf S. 40. 46 Bei der Gliederung dieses Traumkorpus sind in der Kommentarlandschaft einige Ungenauigkeiten zu beobachten. Jerome T. Walsh muss, um seine spiegelförmige Komposition zu erhalten, V 5b schon zu Salomos „Gebet“ rechnen (vgl. Walsh, Kings, 73); andere gliedern in 3,4–15 nicht genauer (vgl. DeVries, Kings, 51; Mulder, Kings, 136–157).

B 1 Stellung im Kontext, Abgrenzung und Gliederung

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dortige Opfer an (V 15b).47 Durch die Erwähnung des Opfers in Jerusalem wird der Opfergang nach Gibeon aus V 4 wieder aufgegriffen. Dieser inhaltliche Bogen der beiden Opfer rahmt die Traumoffenbarung.48

1.3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,149 Vers 16 ist ein Erzähleinstieg, der in die folgende Handlung einführt und sie um die Zeit der Traumoffenbarung und der Rückkehr Salomos nach Jerusalem herum (mit Hilfe der Partikel $) einordnet.50 In den VV 17–22 wird das Streitgespräch der beiden Frauen vor dem König aufgeführt.51 Dabei spricht zunächst, nach einer Redeeinleitung (V 17), die erste Sprecherin (VV 17–21). Ebenfalls nach einer Redeeinleitung widerspricht die zweite Sprecherin (V 22a), während in V 22b ein Erzählstimmenkommentar das Sprechen der Frauen vor dem König feststellt. Die VV 23–25 lassen den König zum Akteur werden, der zunächst die Aussagen der Frauen Revue passieren lässt (V 23), dann ein Schwert anfordert (V 24) und schließlich ein (vorläufiges) Urteil spricht (V 25).52 Darauf folgen wieder ein Einwand bzw. ein zustimmender Kommentar seitens der Frauen (V 26). In V 27 spricht der König das Kind einer Frau zu. In V 28 setzt, nach dem Urteil des Königs, die Erzählstimme ein. Die konkrete Szene des „Gerichtssaales“ wird verlassen. 1 Kön 4,1 bildet gemeinsam mit 3,28 den Abschluss sowohl der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ als auch von Kap. 3.

47 V 15 als dessen Abschluss zum Traumkorpus zu zählen, wie es einige Kommentatoren tun (vgl. Brueggemann, Kings, 49; Rehm, Könige, 45), kann mit dem Inhalt des Verses nicht begründet werden. Auch der MT legt durch die Setuma nach V 14 und die Petucha nach V 15 die separate Behandlung von V 15 nahe, der wohl zum Komplex 3,1–15 gehört, aber von der eigentlichen Traumoffenbarung abzugrenzen ist. 48 Dieser Rahmen entsteht durch die den VV 4.15 gemeinsame Opfertätigkeit Salomos, einmal in Gibeon, einmal in Jerusalem. Einen Zusammenhang zwischen der Opfertätigkeit Salomos in V 4 zu der in V 15 sehen auch Christina Duncker und Jerome T. Walsh, wobei Letzterer für die VV 4–5a.15 den Begriff „Narrative Frame“ verwendet (vgl. Duncker, Salomo, 194; Walsh, Kings, 73–74). 49 Vgl. die Überschrift bei Keil, Könige, 33. 50 Vgl. dazu Anm. 466 auf S. 108. 51 Vgl. Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 5. Jerome T. Walsh möchte V 23 mit zu diesem Abschnitt hinzuziehen, weil er ihn sprachlich und inhaltlich eng mit V 22 verknüpft sieht (vgl. Walsh, Kings, 81–82). Er ist aber eher ein Summarium des Königs als Teil seines Rechtsspruchs bzw. eine Einmischung des Königs in das Streitgespräch der beiden Frauen. V 23 ist daher auch nicht gesondert zu analysieren (vgl. Brueggemann, Kings, 49; Würthwein, Könige, 36, gegen Noth, Könige, 53 und Rehm, Könige, 46). 52 Dieser vorläufige Urteilsspruch, der für die Leserin, den Leser auch ein abruptes Ende der Erzählung in den Bereich des Vorstellbaren rückt, rechtfertigt den Schnitt nach V 25, in V 26 wird der Prozess durch die Einsprüche neu aufgerollt (gegen Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 5).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

B 2 Der Text B 2.1 Übersetzung 1 Kön 246bUnd das Königtum war fest in der Hand Salomos. 31Und Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König Ägyptens. Und er nahm die Tochter des Pharao. Und er brachte sie in die Stadt Davids, bis er sein Haus und das Haus JHWHs53 und die Mauer rings um Jerusalem fertig gebaut hatte54. 2 Jedoch55 war das Volk opfernd56 auf den Höhen, denn das Haus57 für den Namen JHWH war noch nicht gebaut worden bis zu jenen Tagen. 3Und Salomo liebte JHWH, so wandelte er in den Satzungen Davids, seines Vaters. Jedoch war er auf den Höhen ein Opfernder58 und ein Rauchopfernder. 4 Und der König ging nach Gibeon, um dort zu opfern, denn sie ist die große Höhe. Tausend Brandopfer lässt Salomo aufsteigen59 auf jenem Altar. 5 In Gibeon erschien JHWH dem Salomo in dem Traum [in, MN] der Nacht. Und Gott sagte: Erbitte! Was soll ich dir geben?60 6 Und Salomo sagte: Du hast deinem Knecht David, meinem Vater, große Treue61 erwiesen, wie er ging vor dir in Zuverlässigkeit und Gerechtigkeit und 53 Dass an dieser Stelle nicht, wie durchaus möglich, mit Tempel (vgl. Gesenius18, 143a), sondern mit Haus JHWHs übersetzt wird, entspricht zunächst gängiger Praxis (vgl. „Jahwe-Haus“ bei Noth, Könige, 42; „house of YHWH“ bei Sweeney, Kings, 74; „Haus Jahwes“ bei Würthwein, Könige, 28). Zudem ist es die wörtliche Wiedergabe von !#! vš ’' ='„C— und lässt die Parallelisierung der beiden genannten „Häuser“ besser erkennen. 54 Wörtlich „bis zu seinem Vollenden des Bauens“, wenn der Infinitiv constructus als Verbalnomen („verbal noun“) verstanden wird (so Joüon / Muraoka § 65a-b; vgl. ferner Gesenius / Kautzsch § 116). 55 Die Partikel 9: leitet einschränkende Sätze ein (vgl. Gesenius / Kautzsch, § 153). Statt der üblicherweise für 1 Kön 3,2 vorgeschlagenen Übersetzung „nur“ (so Dietrich / Arnet, KAHAL, 556a; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,2–3; vgl. ferner Gesenius18, 1267a) wird hier im Anschluss an Martin Noth (vgl. Noth, Könige, 42) und Ernst Würthwein mit „Jedoch“ übersetzt (vgl. Würthwein, Könige, 28), weil so im Deutschen der trennende, einschränkende Aspekt von 9: deutlicher hervortritt. 56 Vgl. zu dieser Wiedergabe des Partizips Anm. 58 auf dieser Seite. 57 Zum Begriff „Haus“ vgl. Anm. 53 auf dieser Seite. 58 Für das Lexem %$ wird hier und in V 4 die allgemeine Übersetzung „opfern“ bevorzugt (vgl. Gesenius18, 293a), zur Begründung vgl. die Textanalyse zu V 3 ab S. 67. 59 Zu diesem „unerwarteten Imperfekt“ (so Schenker, Salomo, 27) vgl. die Auslegung von V 4 ab S. 77. 60 Gebräuchlichere Übersetzungen lauten: „Erbitte, was ich dir geben soll“ (Noth, Könige, 42) oder „Bitte, was ich dir geben soll“ (Würthwein, Könige, 30). Die hier gewählte Übersetzung hebt den vorangestellten Imperativ +x ™ f’ stärker von der mit dem Interrogativpronomen !/† š eingeleiteten Frage ab. 61 Die Übersetzung „Treue“ für 2% ist belegt, wenngleich damit nicht die Grundbedeutung gewählt ist (vgl. Gesenius18, 375b; vgl. ferner Dietrich / Arnet, KAHAL, 176b). Zudem könnte für „Treue“ auch das Wort =/ erwartet werden (vgl. Stoebe, 2%, 601). Die Übersetzung „Treue“ betont die auf Dauer erwiesene, gütige Zuwendung JHWHs für David. Mit „Treue“ übersetzen auch Martin Noth (vgl. Noth, Könige, 42) und Ernst

B 2 Der Text

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Herzensaufrichtigkeit62 mit dir. Und du hast diese große Treue für ihn bewahrt. Und du hast ihm einen Sohn gegeben, sitzend auf seinem Thron wie an diesem Tag. 7 Und jetzt JHWH, mein Gott, du hast selbst63 deinen Knecht zum König gemacht anstelle Davids, meines Vaters. Und ich, ich bin ein kleiner junger Mann,64 ich weiß nicht auszugehen noch einzugehen. 8 Und dein Knecht ist inmitten deines Volkes, welches du erwählt hast, ein zahlreiches Volk, [man, MN] kann es nicht zählen noch aufzählen vor Menge. 9 So wollest du geben65 deinem Knecht ein hörendes Herz, um zu regieren66 dein Volk, um zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, denn wer ist fähig zu regieren dieses dein gewichtiges Volk? 10 Und das Wort war gut in den Augen des Herrn, dass Salomo diese Sache erbeten hatte.67 11 Und Gott sagte zu ihm: Weil du dir diese Sache erbeten hast, und dir nicht für dich viele Tage erbeten hast und du nicht für dich Reichtum erbeten hast und du nicht das Leben deiner Feinde erbeten hast, sondern dir erbeten hast unterscheidend das Recht zu hören. 12 Siehe: ich handle nach deinen Worten. Siehe: ich gebe68 dir ein Herz, weise und einsichtig, so dass69 keiner wie du vor dir war und keiner nach dir, niemand wird auftreten wie du.

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Würthwein (vgl. Würthwein, Könige, 30). Mordechai Cogan übersetzt ins Englische mit „loyalty“ (so Cogan, Kings, 7.186). Die Übersetzung „und in Herzensaufrichtigkeit“, die den hebräischen Ausdruck =:† ™ f’ –'K ’ x š +— wiedergibt, ist von Martin Noth übernommen (Noth, Könige, 42). Die Formulierung „du selbst“ soll das Personalpronomen !{ kš ™ neben der finiten Verbform wiedergeben, vgl. auch die Übersetzung bei Würthwein, Könige, 30. Die Übersetzung „kleiner junger Mann“ findet sich auch bei Martin Noth (Noth, Könige, 42). Neben dem Lebensalter kann der Ausdruck aber auch ein Abhängigkeitsverhältnis kennzeichnen (etwa im Sinne von Diener, Gefolgsmann; so Gesenius18, 828a). Dieser Vers gehört zu den seltenen Stellen, „in denen eine alleinstehende waw-AK Modalität ausdrückt“ (Matheus, Zeit, 314). Die betrachtete Zeit ist das „hic et nunc des Sprechers, in V. 7 durch !{ kš 4™ ’# geschaffen. Salomo reflektiert seine Situation und kommt hier in V. 9 zu einem Ergebnis; die waw-AK drückt die Konsequenzen seiner Überlegungen aus: Sie formuliert eine Bitte und hat damit deutlichen direktiven Charakter.“ (ebd., 314). Zur Übersetzung der Wurzel &6f, welches hier mit „regieren“ oder mit „richten“ wiedergegeben werden kann, vgl. die Auslegung von V 9 ab S. 89. Wenngleich im Hebräischen zweimal das Wort :x š Gš !™ Verwendung findet, wird es zunächst auf die Rede Salomos bezogen („das Wort“), die gutgeheißen wird, weil Salomo sich diese konkrete Sache (das „hörende Herz“) erbeten hatte. Diese Unterscheidung findet sich auch bei Martin Noth: „Das Wort war in den Augen des Herrn wohlgefällig, daß er nämlich diese Sache erbeten hatte.“ (Noth, Könige, 42). Marvin A. Sweeney gibt den hebräischen Begriff zweifach im Sinne des deutschen „Sache“ wieder, was ebenfalls eine vertretbare Möglichkeit darstellt: „And the matter was good in the eyes of the L-rd because Solomon asked this thing.“ (Sweeney, Kings, 74). Dabei liegt nicht unbedingt eine Bedeutungsvarianz vor, vielmehr steht der Begriff : nicht nur für „den sprachlichen Träger eines Bedeutungsinhalts, sondern auch für den Inhalt selber“ (Gerlemann, :, 437). Zu dieser präsentischen Wiedergabe des Perfekt hier und in V 13 vgl. in der Textanalyse die Auslegung zu V 13 ab S. 99. Die Relativpartikel :f… ˜ ” leitet mitunter, so auch hier, einen Satz ein, in dem die Folge des Vorangegangenen aufgezeigt wird (vgl. Gesenius / Kautzsch, § 166b S. 529 mit explizitem

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

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Und auch das, was du dir nicht erbeten hast, gebe ich dir,70 auch Reichtum, auch Ehre, so dass71 unter den Königen keiner72 sein wird wie du, alle deine Tage. 14 Und wenn du auf meinen Wegen gehst, um meine Satzungen und meine Gebote zu halten, so wie dein Vater David gegangen ist, werde ich deine Tage lang machen. 15 Und Salomo erwachte. Und siehe: ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und stellte sich vor die Lade des Bundes des Herrn. Und er ließ Brandopfer aufsteigen.73 Und er machte ein Dankopfer.74 Und er machte ein Fest75 für alle seine Knechte. 16 Damals76 kamen77 zwei Frauen, Prostituierte,78 zum König und sie stellten sich vor ihn hin. 17 Und die eine Frau sagte: Bitte, mein Herr, ich und diese Frau wohnen79 in einem Haus und ich habe bei ihr in dem Haus geboren. 18 Und es war am dritten Tag, nachdem ich geboren hatte, auch diese Frau hatte geboren, und wir [waren] zusammen, es gab keinen Fremden bei uns im Haus. Nur wir beide waren im Haus. 19 Und der Sohn dieser Frau starb nachts, weil80 sie auf ihm lag81.

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Verweis auf 1 Kön 3,12; vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 51b), was hier durch die Übersetzung „so dass“ angezeigt wird. „So daß“ übersetzt auch Martin Noth (Noth, Könige, 42). Zu dieser präsentischen Wiedergabe des Perfekt hier und in V 13 vgl. in der Textanalyse die Auslegung zu V 13 ab S. 99. Vgl. Anm. 69 auf S. 41. Wörtlich „kein Mann wird sein wie du“ (f'} – UL/† )š ! !¡ {š' š œ +). Der Gebrauch von f' als Pronomen im Sinne von „ein / einer“ oder, wie hier in der Negation, „kein / keiner“ ist häufig (so Kühlewein, f', 134; vgl. ferner Joüon / Muraoka, Grammar, § 147b). „Brandopfer aufsteigen lassen“ gibt hier das hebräische =L+œ { 3 +4…™ Q™ ™# wieder. Gemeint sein dürfte eine Art „Ganzopfer, das verbrannt wird“ (Dietrich / Arnet, KAHAL, 408a; vgl. auch Mulder, Kings, 151). Die Übersetzung von hebr. -'/–v +š f’ ist umstritten (vgl. Gesenius18, 1369a), gemeint sein dürfte ein Opfer in Verbindung einer kultischen Mahlzeit (so ebd., 1369a). In der Grundbedeutung ist !kx ˜ f’ /– mit „das Trinken“ wiederzugeben, an dieser Stelle zeigt es ein Fest an (so Dietrich / Arnet, KAHAL, 332b und Gesenius18, 762b). Möglicherweise ist dieses „Fest“ in Zusammenhang mit dem zuvor erwähnten „Dankopfer“ zu verstehen, so etwa Würthwein, Könige, 34; zwingend ist dieser Zusammenhang aber nicht. Zur Bedeutung der hier mit „damals“ übersetzten Partikel $„ š vgl. die Auslegung von V 16 ab S. 108 Das Imperfekt (PK) ist an dieser Stelle nach der Partikel $ in einer Vergangenheitsform wiederzugeben (vgl. Gesenius / Kautzsch § 107b). Die hebräische Wendung =L x1œ$ -'f† – š1 kann auch insgesamt mit „Dirnen“, „Prostituierte“ oder „Huren“ wiedergegeben werden (wobei =L x1œ$ mal als Plural eines Nomens ! š1œ$ [so Dietrich / Arnet, KAHAL, 144a] und mal als Partizip feminin Plural des Verbs !1$ [Gesenius18, 306a] aufgelöst wird). An dieser Stelle sollte aber die hier gewählte Übersetzung gebraucht werden, bei der „Prostituierte“ eine Näherbestimmung der „Frauen“ ist. Die Bezeichnung als „Frauen“ ist für den weiteren Erzählverlauf bedeutend. Gemeint ist ein andauernder Zustand, vgl. zum durativen Aspekt des Partizips Joüon / Muraoka, Grammar, § 121c. Die Partikel :f† ˜ ” kann einen Kausalzusammenhang einleiten (so ebd., § 170e; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,19). Martin J. Mulder schreibt: „This particle here conveys especially the ,objective causality‘: because this happened, the following logically happened as well.“ (Mulder, Kings, 156; vgl. ferner Cogan, Kings, 194). Die Perfektform drückt hier eine einmalige, abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit aus (vgl. Joüon / Muraoka, Grammar, § 112c).

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Und sie stand mitten in der Nacht auf. Und sie nahm meinen Sohn von meiner Seite, und deine Magd [war] schlafend, und sie legte ihn in ihren Schoß, aber ihren toten Sohn legte sie82 in meinen Schoß. 21 Und ich stand am Morgen auf, um meinen Sohn zu stillen, und siehe: er war tot. Als ich ihn aber genau ansah83 am Morgen, siehe: es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte. 22 Und die andere Frau sagte: Nein!, denn mein Sohn ist lebendig84 und dein Sohn ist tot, und diese sagte: Nein!, denn dein Sohn ist tot und mein Sohn ist lebendig85. Und sie sprachen vor dem König. 23 Und der König sagte: Diese sagt, dieser ist mein lebendiger Sohn und dein Sohn ist tot, und diese sagt: Nein!, denn dein Sohn ist tot und mein Sohn ist lebendig. 24 Und der König sagte: Bringt mir ein Schwert! Und sie brachten das Schwert vor den König. 25 Und der König sagte: Schneidet86 das lebendige Kind in zwei Teile und gebt die Hälfte der einen und die Hälfte der einen. 26 Und die Frau, deren Sohn lebendig [war, MN], sagte zum König, denn es erregte sich87 ihr Mitleid88 über ihren Sohn, und sie sagte: Bitte, mein Herr, gebt ihr das lebendige Geborene, und tötet, tötet es nicht,89 und diese sagte: Weder meines noch deines wird es sein. Schneidet! 27 Und der König antwortete, indem er sagte90: Gebt ihr das lebendige Geborene und tötet, tötet es nicht,91 sie ist seine Mutter. 82 Entgegen der Beschreibung des Umlegens des lebenden Kindes, wo eine Perfektform verwendet worden war, steht hier das Partizip, ohne dass in der Bedeutung ein Unterschied erkennbar wäre. Sollte der durative Aspekt des Partizips betont werden (vgl. ebd., § 121c), könnte dies darauf hindeuten, dass dieses Liegen des toten Kindes andauerte bis zum im nächsten Vers beschriebenen „Morgen“, also bis zur Auffindung des toten Kindes. 83 Diese Hitpolel-Form von 0' in Verbindung mit der folgenden Präposition + kann mit „genau ansehen“ übersetzt werden (so Dietrich / Arnet, KAHAL, 64a; Gesenius18, 141b). 84 Vgl. Anmerkung 82 auf S. 43. 85 An dieser Stelle weicht die Punktation des Adjektivs '%r š !˜ („lebendig“) im MT von der vorherigen Verwendung in diesem Vers ('% { ™ !) ™ ab, weil eine Pausalform vorliegt (vgl. Gesenius18, 341b). 86 Hier liegt die gegenüber =:) seltener gebrauchte Verbalwurzel '% { ™ !™ zu Grunde (vgl. Sweeney, Kings, 77). Neben der Grundbedeutung „schneiden“ hält Manfred Görg auch „abschneiden, vernichten“ für Interpretationsmöglichkeiten (so Görg, :$, 1002). 87 Die zugrundliegende Verbalwurzel wird nur vier Mal in der Hebräischen Bibel gebraucht (Gen 43,30; 1 Kön 3,26; Hos 11,8; Klgl 5,10), und zwar nur im Nifal. Die Bedeutung schwankt zwischen „heiß werden“ und „erregt werden“ (vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 248b; vgl. Mulder, Kings, 159). 88 Zur Diskussion um den gesamten Ausdruck „denn es erregte sich ihr Mitleid“ ( !'  š /˜ %” :™ K:„ /’ )’ –1¡'V)   – vgl. in der Textanalyse die Auslegung von V 25 ab S. 117. 89 In dieser Paronomasie (zum Begriff vgl. Seidl, Paronomasie, 265–267) tritt ein Infinitiv absolutus (=/x — !š ’#) vor eine negierte, finite Verbform (K!=' r ž /– k¡+ ’ ™ ) und verstärkt so deren Aussage (vgl. Mulder, Kings, 159; vgl. ferner Joüon / Muraoka, Grammar, § 123o. Walter Groß spricht bei dieser Konstruktion von einer „Fokussierung des Verbs“; so Groß, Satzteilfolge, 228). Die Sprecherin spricht folglich sehr eindringlich zum König. 90 Zur Übersetzung dieser geprägten Wendung vgl. Stendebach, !13, 235. 91 Hier nimmt der König die Rede einer Frau aus V 26 auf. Vgl. dazu Anm. 89 auf S. 43.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

44 28

Und ganz Israel hörte92 den Rechtsspruch93, den der König gerichtet hatte, und sie fürchteten sich vor dem König. Wahrlich,94 sie sahen, dass die Gottesweisheit95 in seinem Inneren war, um Recht96 zu wirken. 41Und der König Salomo war König über ganz Israel.

B 2.2 Historische Rückfrage97 Die Grundlage für die vorliegende Studie bildet ein konkreter Endtext, der Masoretische Text wie er (in Form des Kodex L) der BHS zu Grunde liegt.98 Diese und die Priorität synchroner Zugänge in der vorliegenden Arbeit führen allerdings nicht dazu, dass die Diskussion textkritischer Optionen obsolet wäre. Vielmehr kann durch das Aufzeigen und Diskutieren der verschiedenen Lesarten die Auslegung des gewählten Endtextes befruchtet und bereichert werden. In der Sekundärliteratur zu 1 Kön 3 und im textkritischen Apparat der BHS werden einige textkritische Eingriffe vorgschlagen, von denen die markantesten im Folgenden einzeln diskutiert werden. Stefan Wälchli verweist darauf, dass die LXX für „Und er nahm die Tochter des Pharao“ in 3,1 den Zusatz „als Frau“ habe.99 Zum einen kann dies mit Wälchli als verdeutlichende Übersetzung qualifiziert werden,100 zum anderen hat die LXX in 3 Königtümer an dieser Stelle ohnehin kein Äquivalent für MT 1 Kön 3,1, vielmehr müsste LXX 3 Königtümer mit MT 5,14 verglichen werden. In 1 Kön 3,4 hat die LXX zur Verseröffnung „und er stand auf“ (Á¸Ė ÒÅñÊ̾), danach erfolgt eine Übersetzung des „und er ging“ (T+˜ {—Q ™#) aus dem MT (Á¸Ė ëÈÇɼį¿¾). Stefan Wälchli meint, hier könne „eine Anpassung an den üblichen Sprachgebrauch“ vorliegen.101 Darüber kann nur schwerlich entschieden werden. Der MT ist als lectio brevior vorzuziehen.

92 Wörtlich: „sie hörten“ (K4„ /’ f’ –Q ™#), im Deutschen an den Numerus des Nomens angeglichen. 93 An dieser Stelle ist das Nomen determiniert (&{ aš f’ ]– !), ™ es bezieht sich also auf einen konkreten Rechtsspruch. 94 An dieser Stelle, unmittelbar vor dem Prädikat, entfaltet das 'V– einen emphatischen Charakter und fungiert als Demonstrativ-Partikel, der die folgende Aussage betont (vgl. van Wolde, Embeddednes, 635; mit Verweis auf Muraoka, Words, 164 [besser: 163–164, MN]; vgl. ferner, Dietrich / Arnet, KAHAL, 243a). 95 Hebr. -'!Y } – “ =/ˆ ™ )’ %. š 96 An dieser Stelle ist das Nomen undeterminiert (&a  š f’ /) – und muss sich nicht auf einen konkreten Rechtsspruch beziehen. Das lässt auch Bedeutugsunterschiede zwischen den beiden Formen dieses Nomens in diesem Vers zu (vgl. Mulder, Kings, 160). Die Diskussion solcher möglichen Bedeutungsunterschiede ist aber Teil der Auslegung, nicht Teil der Übersetzungsarbeit; vgl. die Auslegung von V 28 ab S. 125. 97 Die „historische Rückfrage“ arbeitet im Nachgang an die Übersetzung mit den Mitteln der Textkritik. 98 Vgl. Tov, Text, 309. „Kodex L“ steht für den Leningradensis (oder Petropolitanus), „BHS“ für „Biblia Hebraica Stuttgartensia“. 99 So ebd., 219. 100 Vgl. Wälchli, Salomo, 219 Anm. 1. 101 Vgl. ebd., 219 Anm. 2.

B 2 Der Text

45

In V 8 fehlt der LXX ein Äquivalent für œ :  /— :6x — _š –' œ +† ’#. Stefan Wälchli liest hier eine vereinfachende Auslassung.102 Dementgegen ließe sich auch sagen, dass LXX als lectio brevior vorzuziehen sei. Die Sache ist schwer zu entscheiden.103 Anstelle der Wendung „hörendes Herz“ (µ{ ™ /œ—{ f …+— ) hat die LXX in V 9 „ein Herz, um zu hören“ (Á¸É»ĕ¸Å ÒÁÇį¼ÀÅ), was dem Infinitiv constructus mit Präposition entspräche, den die hebräische Textausgabe von Kennicott hat (3/f+).104 Der Einschätzung von Stefan Wälchli, dass dabei eine Vereinfachung vorliege,105 kann man sich anschließen. Demnach hätte der MT die lectio difficilior. Einige Handschriften haben in den Versen 10.15 das Tetragramm statt 'r1š œ ” / '1œš y ” ,106 eine Korrektur ist deswegen allerdings nicht angezeigt. In V 11 fehlt der LXX das zweite (+.107 Stefan Wälchli hält die Lesart der LXX für eine Glättung, die die doppelte Aufführung im MT korrigiert.108 Dieser Einschätzung ist wohl zuzustimmen. In V 13 schlägt der textkritische Apparat der BHS vor, den Versabschluss   ˜ Vš ) mit Verweis auf die LXX zu streichen. Martin Rehm „alle deine Tage“ (U'/š'¡+ vermutet, dieser Ausdruck könnte durch Dittographie aus dem voranstehenden „unter den Königen“ (-')x – +š ]’ C™ ) entstanden sein.109 Dieser Vorschlag überzeugt aus zwei Gründen nicht. Zum einen verändert er den Sinn von V 13, der auch ohne diesen Eingriff gut verständlich ist.110 Die Wendung „alle deine Tage“ beschränkt die Einzigartigkeit Salomos hinsichtlich der göttlichen Gaben „Reichtum“ und „Ehre“ auf Salomos Lebenszeit, er ist also nicht der reichste und ehrwürdigste König aller Zeiten, sondern „nur“ seiner Tage. Zum anderen bedarf es doch einer ganzen Reihe von Korrekturen, um von der Maqqef-Verbindung U'/š'¡+   ˜ Vš zu dem Ausdruck -')x – +š ]’ C™ zu kommen, was die Deutung dieses Vorgangs als Dittographie eher unwahrscheinlich macht. Für das zusätzliche „und er stand auf“ (Á¸Ė ÒÅñÊ̾) in V 15 kann auf die Ausführungen zu V 4 verwiesen werden.111 Die übrigen Zusätze der LXX in V 15 legen ebenfalls keine Korrekturen am MT nahe. Vielmehr scheint die LXX den MT zu erklären. MT ist als lectio difficilior et brevior vorzuziehen.112 In V 16 differiert zwischen dem MT und der LXX das Wort, mit dem die Begegnung der Frauen mit dem König eingeleitet wird.113 Im Hebräischen 102 So Wälchli, Salomo, 219 Anm. 9. 103 Zur Schwierigkeit mit der Einordnung einiger LXX-Lesarten, so auch hier in V 8, vgl. auch die Ausführungen zu V 27 in diesem Kapitel der vorliegenden Arbeit. 104 So BHS App., vgl. auch Wälchli, Salomo, 219 Anm. 10. 105 Vgl. ebd., 219 Anm. 10. 106 Vgl. BHS App. Für JHWH entscheidet sich Ernst Würthwein, allerdings ohne weitere Begründung (vgl. Würthwein, Könige, 31). 107 Vgl. BHS App. 108 Vgl. Wälchli, Salomo, 220 Anm. 13. 109 So Rehm, Könige, 42. 110 Stefan Wälchli meint, der Text der LXX sei durch diese Auslassung geglättet (so Wälchli, Salomo, 220). 111 Vgl. ferner ebd., 220 Anm. 17. 112 Vgl. ebd., 220 Anm. 19. 113 Vgl. Staszak, Urteil, 83.

46

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

„kamen“ sie zum König (! š1œ y kš ), im Griechischen „erscheinen“ sie ihm (ĵο¾Ê¸Å). Martin Staszak hält es für wenig wahrscheinlich, dass hier eine (in der LXX singuläre) Übertragung einer Form von # mit einer Form von ĝÉÚÑ vorliegen könnte. Er möchte lieber annehmen, dass LXX hier „im Sinn eines höfischen Stils“ eingreife oder aber eine hebräische Vorlage übersetze, in der noch das Lexem !: stand:114 „MT hätte dann vermutlich korrigiert und das Lexem # gewählt, um eben den Anklang an das Erscheinen Gottes in 3,5 zu vermeiden.“115

Zwar wäre es für die Struktur von 1 Kön 3 interessant, würden Gott in V 5 und die Frauen in V 16 dem Salomo in gleicher Weise gegenübertreten. Die Überlegungen sind allerdings zu hypothetisch, als dass eine Korrektur des MT angezeigt wäre. In V 18 haben viele masoretische Handschriften,116 die LXX, die Vulgata und die syrische Übersetzung 0'# statt 0'.117 Eine Korrektur am MT ist dadurch nicht angezeigt.118 Ernst Würthwein streicht in V 21a das „am Morgen“ (:9˜ œC} C™ ), weil er es für eine Dittographie hält.119 Im textkritischen Apparat der BHS wird vorgeschlagen das „am Morgen“ in V 21b (:9˜ œCv C™ ) zu streichen. Zwar ist die zweifache Nennung auffällig. Überzeugend ist dieser Eingriff allerdings nicht. Erstens lässt sich der Text problemlos in der vorliegenden Fassung verstehen. Zweitens wird durch die zweifache Ausführung betont, dass sich beide Ereignisse – die Realisierung, dass das Kind tot ist und die Realisierung, dass es nicht das eigene Kind ist – in unmittelbarer Folge eben am Morgen ereignet haben. Die Sprecherin unterstreicht, dass sie während des vermuteten Kindstausches geschlafen hat, wie sie zuvor (V 20) versicherte. Sie will beides, den Tod eines Kindes und die Vertauschung der Kinder, erst am Morgen mitbekommen haben. Drittens kongruiert das zweifache „am Morgen“ mit der zweifachen Betonung, dass sich die vorangegangenen Ereignisse „in der Nacht“ abgespielt hätten (VV 19.20). Martin Noth schlägt vor, das erste „am Morgen“ im Sinne von „morgens aufstehen“, das zweite „am Morgen“ aber, mit Blick auf das genaue Ansehen des Kindes, im Sinne von „im Morgenlicht“ zu verstehen.120 Damit ist ebenso eine einleuchtende Lesart vorgeschlagen, die einen textkritischen Eingriff überflüssig macht. In den VV 26.27 haben einige Handschriften statt „das Geborene“ (K+„ šQ!™ ) jeweils „das Kind“ (+˜ ˜Q!™ ),121 als die Form, die der König in V 25 verwendet hatte.

114 115 116 117 118 119 120 121

So ebd. Ebd. So BHS App. mit Verweis auf die Ausgabe von Kennicott. Vgl. auch Wälchli, Salomo, 222 Anm. 24. So auch ebd. 222 Anm. 24. So Würthwein, Könige, 36 Anm. 1. So Noth, Könige, 43. So BHS App., vgl. auch Sweeney, Kings, 77.

B 2 Der Text

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Damit würde allerdings eine feine Unterscheidung im vorliegenden Text geglättet, der für die beiden Kinder verschiedene Bezeichnungen einsetzt, die sich auch hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Erzählung analysieren lassen.122 Mitunter werden dort textkritische Operationen vorgeschlagen, wo bei einem (gut bezeugten) Text Auslegungsschwierigkeiten auftreten. Die Offenheit des abschließenden königlichen Urteils in V 27, aus dem nicht eindeutig hervorgeht, welcher Frau das Kind zugesprochen wird, ist mitunter als textkritisches Problem interpretiert worden.123 Die LXX, die in den VV 25–27 mitunter erklärend eingreift,124 weist das Kind deutlicher jener Frau zu, die der Leserin, dem Leser in V 26 als leibliche Mutter vorgestellt wurde: Und der König antwortete und sagte: Gebt das Kind der, die gesagt hat (»Ġ̼ Ìġ ȸÀ»ĕÇÅ Ìĉ ¼ĊÈÇįÊþ): „Gebt ihr das Kind und tötet, tötet es nicht“ (»Ġ̼ ¸ĤÌĉ ¸ĤÌġ Á¸Ė ¿¸ÅÚÌĿ Äü ¿¸Å¸Ìļʾ̼ ¸ĤÌĠÅ), sie ist seine Mutter (¸ĤÌü ÷ ÄûÌ¾É ¸ĤÌÇı).

Textkritische Bedeutung dürfte dieser Lesart kaum zuzubilligen sein. Die deutliche und eindeutige Zuweisung des lebendigen Kindes an die Mutter, die sich gegen dessen Zerschneidung ausgesprochen hat, ist als erklärender Zusatz zu verstehen.125 Offenbar haben bereits die Verfasser der LXX die fehlende Eindeutigkeit des „salomonischen Urteils“ erkannt und zu beheben versucht. Dem MT ist an dieser Stelle als lectio difficilior et brevior der Vorrang einzuräumen. Der beschriebene Fall von V 27 führt zu einer grundsätzlichen Problemstellung für die Textüberlieferung von 1 Kön 3. Die LXX weist zahlreiche Abweichungen vom MT auf.126 An einigen Stellen scheint der griechische Text vollkommen eigenständig zu sein. Dies gilt besonders für die Eröffnung von 1 Kön 3, die LXX liest 2,46b–3,1 an dieser Stelle nicht.127 Stattdessen erfolgen in der LXX in 2,46a– l ausgedehnte Vorabinformationen zur Herrschaft Salomos, etwa zu seiner Weisheit, seinen administrativen Tätigkeiten, seinen Bautätigkeiten und seinem Herrschaftsgebiet.128 Kapitel 3 setzt dann mit dem Äquivalent von MT 3,2 ein. So ist MT 3,1 ein Vers, der häufig als fehlplatziert gekennzeichnet wird.129 Für die Verschwägerungsnotiz mit dem Pharao hat schon Rudolf Kittel die These vertreten, dass sie in MT 3,1 keinesfalls ursprünglich gewesen sein könne und die LXX an dieser Stelle den besseren Text habe.130 Dagegen ist einzuwenden, dass 122 Vgl. dazu die Auslegung von V 26 ab S. 120. 123 Vgl. Ruprecht, Konjektur, 417. 124 Diese Einschätzung gilt nicht für den gesamten Abschnitt der VV 16–28, hat doch auch der MT in den VV 16–25 an einigen Stellen einen ausführlicheren Text (vgl. Staszak, Urteil, 85–86). 125 Gegen Eberhard Ruprecht, der an einen Vorschlag von August Klostermann erinnert, im Hebräischen das (möglicherweise durch Haplographie entfallene) Partizip k:/! einzufügen, woraus sich folgende Übersetzung ergäbe: „Die gesagt hat: ,Gebt ihr das lebende Kind; aber tötet es nur nicht!‘, die ist seine Mutter.“ (So Ruprecht, Konjektur, 416). 126 Diese sind vielfach aufgearbeitet, vgl. etwa van Keulen, Versions; Schenker, Septante oder Turkanik, Kings. 127 Vgl. auch die Erklärung bei Sweeney, Kings, 76. 128 Vgl. ebd. 129 Vgl. die Diskussion bei Mulder, Kings, 130–131. 130 So Kittel, Könige, 24.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

die LXX die Verschwägerungsnotiz und den Hinweis auf Salomos Bautätigkeiten schon in 2,35 bringt, also nach vorn zieht, um den Einstieg von 1 Kön 3 inhaltlich vorzubereiten. Der Textüberschuss der LXX lässt sich besser erklären, wenn man annimmt, dass ihre Zusätze in 2,35 und 2,46 „auf redaktionelle Tätigkeit innerhalb der LXX zurück[gehen].“131 Wird stets vereinfachend von der LXX gesprochen, so sind damit die unterschiedlichen Textzeugen nicht außer Acht gelassen. Sie können an dieser Stelle allerdings nicht in aller Ausführlichkeit referiert werden. Die Differenzen zwischen dem MT sowie den verschiedenen griechischen Fassungen des Kodex Vaticanus und des antiochenischen Textes hat jüngst Martin Staszak aufgearbeitet.132 In jüngerer Zeit hat besonders Adrian Schenker die These vertreten, dass die LXX für 1 Kön 3 insgesamt ein früheres Stadium der Textüberlieferung repräsentiere.133 Die Vorlage der LXX sei an diesen Stellen schlicht eine andere als die von MT.134 Für seine Argumentation wertet Schenker auch die Parallelüberlieferungen in 2 Chr 1 / 2 Par 1,1–13 aus.135 Folgt man der Argumentationskette Schenkers, ließe sich damit jedoch allenfalls die Eigenständigkeit der LXX-Tradition belegen.136 Textkritische Fragen im klassischen Sinn lägen damit nicht vor. Nach der Diskussion der in der Literatur vorgeschlagenen Optionen lässt sich festhalten, dass der MT keiner zwingenden textkritischen Eingriffe bedarf. Für eine Bevorzugung der vorgeschlagenen, alternativen Lesarten lassen sich keine ausreichend starken Argumente anführen, so dass eine Korrektur des MT angezeigt wäre. Die LXX ist ein an vielen Stellen eigenständiger Text,137 Korrekturen mit der LXX müssten sehr gut begründet werden. Der MT kann in der vorliegenden Form verstanden und ausgelegt werden.

B 2.3 Parallelüberlieferungen Für die vorliegende Arbeit ist der (masoretische) Endtext von 1 Kön 3 maßgebend. Er soll ausgelegt werden, von dieser Auslegung ausgehend sollen begriffliche Verdichtungen vollzogen werden. Dabei wird auch auf den Zusammenhang der einzelnen Teile dieses Textes geachtet. Folglich können innerkanonische Parallelüberlieferungen nicht Teil der eigentlichen Textanalyse sein. 131 Rudnig, Thron, 145; so auch Sweeney, Kings, 76. 132 Vgl. Staszak, Urteil, 83–90. 133 Vgl. Schenker, Salomo; Schenker, Septante, v.a. 17–35.38–44 und Schenker, Textgeschichte; vgl. ferner den Hinweis bei Sweeney, Kings, 76. 134 Vgl. Schenker, Salomo, 22–23.42–43. Für seine Theorie benötigt Schenker das Hinzuziehen der entsprechenden Chronik- / Paralipomena-Parallelen. 135 „Par“ steht für „Paralipomena“, die LXX-Fassung der Chronikbücher. 136 Vgl. dazu auch Sweeney, Kings, 76. 137 Martin Staszak spricht von verschiedenen „Versionen derselben Erzählung“ (Staszak, Urteil, 86).

49

B 2 Der Text

Im Rahmen dieser „Konstituierung des Textes“ sollen aber die Parallelen zu 1 Kön 3, wie sie im ersten Chronikbuch zu finden sind, thematisiert werden. Damit wird zugleich auf ein Stück frühester Rezeptionsgeschichte von 1 Kön 3 geschaut.138 Die Bearbeitungen, die in der Chronikfassung vorgenommen worden sind, werfen ein Licht auf Schwierigkeiten, die man in der frühen Rezeptionsphase von 1 Kön 3 hatte. Der Teil „Das hörende Herz auf dem Prüfstand“ 1 Kön 3,16–28 hat in den Chronikbüchern keine Parallele, lediglich die Quintessenz aus 1 Kön 4,1 wird in 2 Chr 1,13 aufgegriffen. Dabei handelt es sich nicht um ein wörtliches Zitat, sondern lediglich um die inhaltlich ähnliche Feststellung, dass Salomo als König über Israel regiert. 1 Kön 2,12 hat eine Parallele in 1 Chr 29,23a,139 1 Kön 2,46b wird in 2 Chr 1,1a aufgenommen.140 Wenngleich die Notizen in den Chronikbüchern nicht durchweg in den zu den Königebüchern parallelen Erzählungen zu finden sind, so weisen sie doch inhaltlich und der Reihenfolge nach erkennbare Gemeinsamkeiten auf. Dieser wichtige Befund deutet darauf hin, dass auch in der Chronikversion die bedeutende Funktion der Notizen 1 Kön 2,12.46b; 4,1 erkannt und berücksichtigt worden ist. Dies ist ein weiteres Indiz für die Bedeutung dieser Notizen für das Verständnis von 1 Kön 3.141 1 Kön 2,46b ist allerdings der einzige Teil des „Erzähleinstiegs“ von 1 Kön 3, der in 2 Chr 1 eine Korrespondenz findet, besonders auffällig ist die fehlende Erwähnung der Verschwägerung mit dem Pharao aus 1 Kön 3,1.142 Die genannten Bezüge werden in der folgenden Tabelle anschaulich gemacht:143 1 Kön 2,12  œ   /’

L=x )ž +’ /™ 0œV† k– ™# #'r – š „#–Gš _x — V¡+ – 4™ f™w š' !/ œ w YfK ’ 

1 Chr 29,23a

%r+™ 8’ ™Q ™# #'x – š '#† –G¡= š %™ k  ™ T+˜ /} ˜ +’ £!ˆ#! š ’' _—{ V¡+ – 4™ !œ/Yf‚’ f„˜ Q— ™#

138 Sarah Japhet schreibt zum Verhältnis von 1 Kön und 2 Chr: „In 2 Chr 1–9 geht es um Salomos Königtum parallel zu 1 Kön 2,12–11,43. Der Chronist stützt seinen Bericht weitgehend auf seine Quellen in Kön. Bei der Bearbeitung des Materials folgt er ähnlichen Leitlinien wie bei David mit dem Unterschied, daß er Salomos Geschichte weniger ausschmückt und überhaupt weniger redaktionelle Eingriffe vornimmt als bei Davids Geschichte.“ (Japhet, 2 Chronik, 25). Vgl. zum Verhältnis von 1 Kön und 2 Chr auch Miller, Solomon, 2–3; eine diferenzierteres Bild wird entworfen bei Talshir, Reign, 249. 139 Jeweils wird der Sache nach festgestellt, dass Salomo seinem Vater David auf den Thron folgt, wenngleich dieser Thron in 1 Chr nicht David, sondern JHWH gehört: #'x – š '#† –G¡= š %™ k  ™ T+˜ /} ˜ +’ £!ˆ#! š ’' _—{ V¡+ – 4™ !œ/Yf‚’ f„˜ Q— ™#. Sarah Japhet spricht von einer „abgewandelte[n, MN] Wiederholung“ von 1 Kön 2,12 (Japhet, 1 Chronik, 460). š ˜ !/ œ † Yf’ 9}O— %™ =’ –Q ™#, vgl. auch Japhet, 2 Chronik, 27. 140 L=K) r +’ /¡+ ™ 4™ '#x –G¡0 141 Vgl. dazu die Darstellung im Punkt „B 1.2 Abgrenzung“ ab S. 34 und zu 1 Kön 2,46b ab S. 51. 142 Zipora Talshir formuliert: „It seems quite clear that the Chronicler left out the reference to the marriage simply because he entirely rewrote the beginning of the account on Solomon’s reign.“ (Talshir, Reign, 237). 143 Das Textbild im Hebräischen entspricht dabei nicht durchgängig der BHS, die Zeilenumbrüche ergeben sich mitunter aus Gründen der technischen Darstellbarkeit.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

50 1 Kön 2,46b

!/ œ   Yf¡ ’ ™'C’ ! š1L)x š1 !)† š +š /’ ]™ !™ ’# 2 Chr 1,1a

L=K) r +’ /¡+ ™ 4™ '#x –G¡0 š ˜ !/ œ † Yf’ 9}O— %™ =’ –Q ™# 1 Kön 4,1

+  — :š g’ –'¡+V¡+ š 4™ T+˜ /x ˜ !/ œ v Yf’ T+˜ ]„ ˜ !™ '! { – ’'Û#  ™ 2 Chr 1,13b

+  — :š g’ –'¡+4™ T xY/–Q ’ ™# Im Gegensatz zu dem Teil „Das hörende Herz auf dem Prüfstand“ wird die Erzählung von „Opfer und Traum“ (1 Kön 3,4–15) in 2 Chr 1 berücksichtigt. 1 Kön 3,4 bildet die Grundlage für 2 Chr 1,2–6.144 In der Chronik liegt dieser Vers also ausgebaut und überarbeitet vor.145 Die 1000 Brandopfer sind in 2 Chr 1,6 zwar ausdrücklich erwähnt und werden ohne jeden Zweifel vor der Traumoffenbarung dargebracht.146 Die Rechtfertigung dieser Höhenopfertätigkeit erfolgt aber nicht, wie in 1 Kön 3, mit dem Verweis auf die ausstehende Fertigstellung des Tempels (1 Kön 3,2) und auf die Größe der Opferstätte in Gibeon (1 Kön 3,4). In 2 Chr werden das „Zelt der Gottesbegegnung“ –v “ !  š { 4L/ — +!˜  œ … , 2 Chr 1,3) und der „bronzene Altar“ (=f˜ œ%y ’^!™ %C„ ™ ’$/K – , 2 Chr (-'!Y 1,5) in Gibeon lokalisiert und die dortige Opfertätigkeit so legitimiert. Salomo – 4™ -fš~ !œ /{ Yf’ +Š 4™ ™Q ™# opfert auf dem Bronzealtar vor JHWH ( '„1— 6’ +– ={ f˜ œ %{ ’^!™ %C… ™ ’$/¡+ !#! v š ’', 2 Chr 1,6).147 2 Chr 1,7 korrespondiert mit 1 Kön 3,5.148 Während der erste Versteil nur sinngemäß übereinstimmt,149 ist die göttliche Einladung „Erbitte! Was soll ich dir geben?“ (T+¡0   š k˜ ˜ !/† š +x ™ f’ ) in beiden Fassungen wortgleich. Den Begriff „Traum“ meidet die Chronikparallele.150 Die Rede Salomos während der Traumoffenbarung (1 Kön 3,6–9) hat eine Parallele in 2 Chr 1,8–10. Auch in der Chronik wird dabei auf Salomos Vater David rekurriert (2 Chr 1,8–9), auch dort findet sich der Hinweis auf Israels Größe (2 Chr 1,9–10). Das Herz (1 Kön 3,9) spielt bei der Bitte des Chronik-Salomo um – v k˜ 3{ Gš /K ™ !/… š )’ %š !kšy 4™ , 2 Chr 1,10) keine Rolle. Der „Weisheit und Erkenntnis“ ('+¡0 144 Vgl. Japhet, 2 Chronik, 27. 145 So ebd. Sara Japhet macht diese Beobachtung v.a. am größeren Textumfang und an der Hinzufügung des Volkes als Akteur fest. Ist Salomos mögliche Begleitung in 1 Kön 3,4 nicht thematisiert, wird der Opfergang in 1 Chr 1,2–6 zu einer öffentlichen Angelegenheit (vgl. Ackroyd, Chronicles, 100). 146 Der Hebräische Text ist hier klarer als in 1 Kön 3,4. Salomos Opfertätigkeit wird nicht einfach im Imperfekt, sondern mit einer Narrativform ausgedrückt. 147 Vgl. Japhet, 2 Chronik, 28. Diese Überarbeitung zur Rechtfertigung des salomonischen Opfers zeigt nicht zuletzt, dass auch der Verfasserkreis der Chronik vom Vollzug eines Opfers vor der Traumoffenbarung ausgegangen ist, anderenfalls wäre die aufwendige Überarbeitung kaum nachzuvollziehen. 148 Vgl. ebd., 31. 149 In 1 Kön 3,5 wird der Ort (Gibeon) angegeben, der zeitliche Zusammenhang mit dem vorangegangenen V 4 muss erschlossen werden. In 2 Chr 1,7 ist die Zeitangabe konkret (in jener Nacht, K!v !™ !+š ’'„X™ C™ ), der Ort wird nicht genannt. 150 Vgl. Mulder, Kings, 139; vgl. ferner Coggins, Chronicles, 148.

B 3 Textanalyse

51

Gerichtsprozess für die beiden Frauen („Das hörende Herz auf dem Prüfstand“, 1 Kön 3,16–28) wird nicht überliefert und kann die Deutung der Traumoffenbarung so nicht beeinflussen. Nicht zuletzt dadurch, dass auf die Traumoffenbarung eben keine Parallele zu 1 Kön 3 mehr folgt, sondern eine Aufzählung von Salomos Besitztümern und Anschaffungen (2 Chr 1,14–17), wird die Betonung weiter von den Motiven „richten / regieren“ und „Weisheit“ (zentral für 1 Kön 3) hin zu dem Motiv „Reichtum“ verschoben.151 Die göttliche Antwort auf Salomos Bitte (1 Kön 3,11–14 / 2 Chr 1,11–12) verzichtet in der Chronik auf den Vorbehalt aus 1 Kön 3,14, der die Gabe eines langen Lebens an die Gebotsobservanz Salomos bindet.152 Die Korrespondenz mit 1 Kön 3 schließt in 2 Chr 1,13 mit der Bemerkung, dass Salomo aus Gibeon zurückkehrt und König über Israel ist (vgl. 1 Kön 3,15; 4,1). Die Darstellung der Parallelüberlieferung in den Chronikbüchern hat zunächst erkennen lassen, dass auch in der Chronik die Bedeutung der Notizen in 1 Kön 2,12; 2,46b und 4,1 erkannt und beibehalten wird. Die Brisanz eines Höhenopfers durch Salomo ist auch in 1 Chr 1,3–6 wahrnehmbar, wird aber nicht wie in 1 Kön 3,2–4 durch den Verweis auf das Fehlen des Tempels und die Größe der Höhe von Gibeon, sondern durch die besondere Ausgestaltung des Kultortes Gibeon gelöst. Die Leitmotive beider Erzählungen sind nicht identisch.

B 3 Textanalyse B 3.1 Erzähleinstieg 1 Kön 2,46b–3,3 3.1.1 Einzelanalyse 1 Kön 2,46b: Und das Königtum war fest in der Hand Salomos. Der Abschnitt beginnt mit einem invertierten Verbalsatz: „Und das Königtum war fest in der Hand Salomos“. Der Satz setzt mit einem Nomen mit #-copulativum und Artikel (!)† š +š /’ ]™ !™ ’#, „und die Königsherrschaft“) ein. Auf das Nomen folgt die

151 Vgl. Brueggemann, Solomon, 175–176. 152 Damit ist aber noch nicht, wie Sara Japhet vermutet, ein Indiz dafür gegeben, dass 1 Kön 3,14 auch in der Vorlage von Chronik gefehlt hätte und somit sekundär sein müsste (vgl. Japhet, 2 Chronik, 32; der gleiche Gedanke ist auch bei Mulder, Kings, 150 formuliert). Genauso gut ließe sich daraus entnehmen, dass in der Chronik kritische Tendenzen von „Salomo, dem unschuldigen Erbauer des perfekten Heiligtums“ (nach Brueggemann, Solomon, 179) ferngehalten werden.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Verbform ! š1L)x š1. Der Form nach liegt ein Perfekt (AK) im Nifal vor. Dadurch wird ein Zustand ausgedrückt, das Resultat eines abgelaufenen Prozesses.153 Die Eröffnung dieses Verses mit dem vorangestellten Begriff !)+// („Königtum“)154 stellt eine starke Betonung dieses Nomens dar.155 Abgeleitet ist der Begriff vom Grundwort (+/, welches als Verbalform (Grundbedeutung: „König sein, herrschen“) und als Nomen (Grundbedeutung: „König“) belegt ist.156 Derivate dieses Grundwortes prägen das gesamte Kapitel.157 Bereits in V 3,1 wird erneut auf das Thema Königtum angespielt, wenn der Pharao „ ˜ ) bezeichnet wird. ausdrücklich als „König Ägyptens“ (-–':r š 8’ /– T+˜ / œ   Yf¡ ’ ™'C’ , also entweder (wörtlich) „in der Die Königsherrschaft steht fest !/ Hand Salomos“ oder (im übertragenen Sinne) „bei / durch Salomo“.158 Dieser Ausdruck ist nicht ungewöhnlich. Die sprachlich engste Parallele liegt in 1 Sam 24,21b vor, wo Saul David anerkennend wissen lässt, dass David als künftigem König die Zukunft gehört: Und die Königsherrschaft Israels (+  — :š g’ –' =)x˜ +˜ /’ /™ ) wird in deiner Hand (Uv ے „'š C) ’ errichtet werden (!{ /š 9{ š ’#)

In 1 Kön 2,46b wird aber eben keine Form des Verbs -#9 verwendet, sondern die beschriebene Form von 0#). Im Nifal lässt sich die Grundbedeutung am besten mit „steif, fest sein“ wiedergeben.159 Die Wurzel wird in den Samuel- und Königebüchern häufig verwendet. Es ist jedoch auffällig, dass dabei eher die Kausativstämme Verwendung finden. Im Kontext der Samuel- und Königebücher 153 Thilo Alexander Rudnig liest 2,46b als Nominalsatz, weil er ! š1L)x š1 gegenüber dem MT umpunktiert und als Partizip versteht (vgl. Rudnig, Thron, 145). Diese Lesart muss aber der These von einem neuen Erzähleinsatz nicht widersprechen. Das Partizip kann den „imperfektiven Nachzustand eines abgeschlossenen Ereignisses“ anzeigen, was eigentlich „eine Domäne der AK“ ist (so Matheus, Zeit, 264; mit Verweis auf 1 Sam 5,3). Das Partizip könnte an dieser Stelle also die gleiche Funktion einnehmen, die auch für die im MT vorliegende AK-Form beschrieben wurde. 154 Es ist nicht möglich, hier einen spezifischen Gebrauch auszumachen, zumal der Begriff mit den Wörtern =#)+/, !)#+/ und =#)+// ein Wortfeld bildet, in welchem diese vier Wörter „in ihren Bedeutungsnuancen nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden“ sind (so Soggin, (+/, 909). In diesem Sinne bezeichnet Mordechai Cogan den Satz 1 Kön 2,46b als „Wiederaufnahme“ von 2,12 und übersetzt jeweils mit „kingdom“, wenngleich in 2,12 L=x )ž +’ /, ™ in 2,46 aber !)† š +š /’ ]™ !™ ’# steht (so Cogan, Kings, 180). Walter Dietrich und Samuel Arnet machen für !)+// vier Bedeutungen aus (vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 303a). Davon sind die theologische Verwendung sowie die Übersetzung mit „König“ für 1 Kön 3 auszuschließen, weil sie inhaltlich keinen Anschluss an den Rest des Satzes böten. Die weiteren Übersetzungsvarianten „Herrschaftsbereich, Königtum / Königswürde, Königsherrschaft“ sind möglich. 155 Zur Hervorhebung des Subjektes durch Positionierung am Satzanfang vgl. Groß, Satzteilfolge, 15. 156 Vgl. Soggin, (+/, 909; vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 300b–301a. ™ V 7 (kš )„’ +™ /’ !); – V 13 (-')x – +š ]’ C); ™ V 16 (T+˜ ]r ˜ !); ™ V 22 157 Sie treten auf in V 1 (T+˜ /); „ ˜ V 4 (T+˜ ]… ˜ !); (T+˜ ]r ˜ !); ™ V 23 (T+˜ ]˜v !); ™ V 24 (T+˜ ]x ˜ !™ / T+˜ ]  ˜ !); ™ V 25 (T+˜ ]˜v !™ ); V 26 (T+˜ ]˜y !); ™ V 27 (T+˜ ]˜~ !); ™ V 28 (T+˜ ]˜v !™ / T+˜ ]r ˜ !); ™ 1 Kön 4,1 (T+˜ ]„ ˜ !™ / T+˜ /) x˜ 158 Die vielen Bedeutungsnuancen, die ' annehmen kann (vgl. Gesenius18, 436b–439a), legen es nahe, bei der Grundbedeutung „in der Hand“ zu bleiben. 159 Vgl. Gesenius18, 532a; vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 240b; dort mit Verweis auf 1 Kön 2,46b: „die Herrschaft gesichert“.

B 3 Textanalyse

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wird die Wurzel (allerdings eben im Hifil und im Polel)160 häufig gebraucht, um auszudrücken, dass JHWH eine Königsherrschaft beeinflusst: „Bei Höhepunkten der David-Salomo-Geschichte verweisen die geschichtlichen Bücher darauf, daß Gott mit diesem oder jenem Ereignis das davidische Königtum eingerichtet, zugerüstet, ihm Bestand gegeben hat – wie immer man kûn hiph/pol übersetzen will.“161

In 2 Sam 7,13 wird David bezüglich seines Nachfolgers verheißen: Er wird bauen ein Haus für meinen Namen. Und ich werde befestigen ('k} – ’1 ™1œ) ’#) den Thron seiner Königsherrschaft für immer.

Wie bereits erwähnt, ist es häufig JHWH, der als Subjekt dieser Wurzel fungiert. So etwa, als David in 2 Sam 5,12a feststellt, dass er als König Festigkeit besitzt: Und David erkannte, dass JHWH ihn als König über Israel befestigt hatte (L ˆ1')– !¡' “ V  – +r — :š g’ –'¡+4™ T+˜ /x ˜ +’ !}#! š ’').

Es gibt zwischen diesem Erkennen Davids und der Formulierung von 1 Kön 2,46b einen weiteren, inhaltlichen Bezug. „Die Erkenntnis gewinnt David bezeichnenderweise nicht anläßlich der Salbung […], sondern erst durch die Eroberung Jerusalems als Residenz und durch den Bau seines Palastes […].“162

Auch bei Salomo ist die Salbung im Vorfeld von 2,46 (1 Kön 1,39) kaum als Beginn seiner Herrschaft zu verstehen. Zunächst geht sie bei ihm nicht, wie etwa noch bei Saul (1 Sam 9,15–16; 10,1) und David (1 Sam 16,1.13), von Gott selbst aus, sie geschieht im Auftrag seines Vaters David (1 Kön 1,34). Zudem ist die Salbung eher ein einzelner Schritt auf dem Weg zur Thronbesteigung neben anderen, wie dem Einfluss seiner Mutter und des Hofpropheten Natan auf König David sowie seiner politischen Durchsetzungskraft, die das Töten möglicher Gegner (vgl. 1 Kön 2,24–25.31.34.46) einschließt. Gerade die letztgenannten Tötungen, die sich mit Ausnahme der Tötung Adonijas (1 Kön 2,24–25), auch als Gehorsam gegenüber Davids letzten Anweisungen (2,1–9) verstehen lassen, vermitteln ein schwieriges Bild von Salomo. Will man die Betonung der Festheit seiner Königsherrschaft in 2,46b von 2,46a her verstehen, wäre damit ein deutliches Vorzeichen für die Interpretation von 1 Kön 3 gegeben.163 Das schwierige Zusammenspiel von 1 Kön 1–2 und 1 Kön 3 muss an dieser Stelle Erwähnung finden, schließlich lautet der erste Halbvers von 2,46 folgendermaßen: Und der König [Salomo, MN] befahl Benaja, den Sohn Jojadas. Und er ging hinaus. Und er [Benaja, MN] stieß ihn nieder. Und er [Schimi, MN] starb.

Eine scheinbar wertneutrale Notiz (2,46b) könnte hier aufgrund der Vorgeschichte einen doppeldeutigen oder gar negativen Klang erhalten.164 Gegen 160 161 162 163

Vgl. Koch, 0#), 95. Ebd., 106. Ebd. Vgl. etwa Gray, Kings, 113–114. Vgl. zum Königwerden Salomos auch die Abschnitte „4.2.2 Der König“ ab. S. 140 und D 1 Die Vorgeschichte: 1 Kön 1–2“ ab S. 198. 164 So etwa Walsh, Kings, 65.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

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diese Lesart spricht die Funktion von 2,46b als Eröffnungssatz für 1 Kön 3 und eben nicht als Fazit des vorangehenden Textes.165 Wie bereits erwähnt, werden in 1 Kön 2,46b keine Kausativstämme verwendet (anders als etwa in 2 Sam 5,12; 7,13). Warum wird in 1 Kön 2,46b eine Nifal-Form verwendet? Auch die an dieser Stelle vorliegende Kombination einer Form von 0#) im Nifal und einer vom Nomen (+/ abgeleiteten Form ist nicht einmalig. Die engsten Parallelen sind 1 Sam 20,31; 2 Sam 7,16; 7,26; 1 Kön 2,12.45.166 Zur besseren Übersicht werden sie tabellarisch aufgeführt: 1 Sam 20,31

U=K) r ˜ +’ /K ™ !k„ š ™ 0LVx =– œ +† !/šv š ” !¡+ š 4™ '%„ ™ 'f { ™ –'¡0C˜ :f… ˜ ” -'/šQ –y !¡+ ™ )š 'V„ – K!  = ˜#/¡0 x š ˜ 'V† – '+™ v — L=œ {  %9܅ ™ ’# %+{ ™ f’ !kšy 4™ ’#

2 Sam 7,16

-+L3¡  š 4™ 0L)x š1 !†'˜ !’ –' Uv ” 2’ V  – U'r1˜ 6š +’ -x+L3¡ š 4™ }Uk’ )’ +™ /’ /K   ™ ˆU=' ’ C— 0/™{ ’ ˜1 ’#

2 Sam 7,26

„UG’ ’ 4™ ='{ K — +r — :š g’ –'¡+4™ -'!Y x – “ =Lv š 8’ !„#! š ’' :/ œ v +— -{ +L3¡ š 4™ …U/’ f– +G{ ™ ’ –' ’# U' 1˜ 6š +’ 0L)x š1 !†'˜ !’ –' #v – š 1 Kön 2,12

 œ   /’ L=x )ž +’ /™ 0œV† k– ™# #'r – š „#–Gš _x — V¡+ – 4™ f™w š' !/ œ w YfK ’ 1 Kön 2,45

-+L3¡  š 4™ !x#! š ’' '†1— 6’ +– 0L)} š1 !†'˜ !’ –' #y – š _„ — )– ’# TK:r Cš !/ œ x Yf’ T+˜ ]† ˜ !™ ’# 1 Kön 2,46b

!/ œ   Yf¡ ’ ™'C’ ! š1L)x š1 !)† š +š /’ ]™ !™ ’# 1 Kön 4,1

+  — :š g’ –'¡+V¡+ š 4™ T+˜ /x ˜ !/ œ v Yf’ T+˜ ]„ ˜ !™ '! { – ’'Û#  ™ In 1 Sam 20,31 klingt die angekündigte Herrschaft der Davidsdynastie im Mund Sauls wie ein Schreckgespenst für seine eigene Sippe.167 In 2 Sam 7,16 ist es eine durch den Hofpropheten Natan verheißene Herrschaft. Diese Verheißung nimmt David in 2 Sam 7,26 betend auf und unterstreicht damit, wie wichtig sie für ihn ist.168 In 1 Kön 2,12 wird festgestellt, dass Salomo auf Davids Thron sitzt und sein Königtum sehr gefestigt ist. In 1 Kön 2,45 liegt eine Selbstvergewisserung Salomos vor, die er aber noch im Rahmen seines Kampfes um die Thronfolge vornimmt und die sich in der Realität erst noch bewähren muss. Dies zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass Salomo meint, jenen Schimi, zu dem er diese selbstvergewissernden Worte spricht, im Anschluss noch töten zu müssen. Nach 2,46b taucht die Wendung in dieser Kombination nicht mehr in den Königebüchern auf! Damit ergibt sich ein klarer Befund. 0#) im Nifal wird nur solange verwendet, wie 165 Vgl. die Darlegung im Abschnitt „B 1.2 Abgrenzung“ ab S. 34. 166 Auf „1 Sam. 20:31; 2 Sam. 78 [sic!]:16“ verweist bei der Erklärung von 1 Kön 2,12 auch Martin J. Mulder (vgl. Mulder, Kings, 105). 167 Vgl. Vermeylen, Loi, 498; Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel, 281. 168 Zu diesem „Gebet“ Davids in 2 Sam 7,18–29 und der Funktion von V 26 in diesem Textabschnitt vgl. Vermeylen, Loi, 254; vgl. ferner Stolz, Samuel, 224.

B 3 Textanalyse

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das Haus Davids noch nicht fest auf dem Thron installiert ist. In 4,1, der nächsten Notiz zur Stellung des davidischen Königs Salomo, wird nicht auf das Haus Davids abgehoben und sprachlich anders formuliert. Die Verwendung von 0#) im Nifal ist also reserviert für jenen Bereich der Samuel- und Königebücher, in dem die Etablierung der davidischen Könige noch aussteht bzw. sich vollzieht. Damit ist ein deutliches Signal für die Auslegung von 1 Kön 3 gesetzt, als dessen Eröffnungssatz 2,46b fungiert. Sicher ist Vers 2,46b mitsamt der Funktion des Verses für 1 Kön 3 nicht zu verstehen, wenn nicht bedacht wird, dass er in der Mitte zweier ähnlich lautender Notizen (2,12; 4,1) steht.169 Bezieht man 4,1 nicht in die Betrachtungen ein, entsteht ein falscher Eindruck hinsichtlich der Funktion von 2,46b. Man könnte annehmen, die Verse 2,12 und 2,46b bildeten einen Rahmen um die Erzähleinheit nach dem Tod Davids bis zum Beginn der Schilderung der Regierungstätigkeit Salomos (1 Kön 2,12–2,46b).170 Zur genaueren Erklärung muss ein Blick auf beide Verse geworfen werden, zunächst auf 2,12: Und Salomo saß auf dem Thron Davids, seines Vaters, und seine Königsherrschaft wurde sehr fest ( œ   /’ L=x )ž +’ /™ 0œV† k– ™#).

Das Festwerden der Königsherrschaft wird hier, ebenso wie in 2,46b, mit einer Form der Wurzel 0#) wiedergegeben, allerdings nicht im Perfekt (AK), sondern als Narrativ (waw-PK). Salomo saß zwar schon auf dem Thron seines Vaters David, die Festigung seiner Königsherrschaft war aber noch im Werden begriffen.171 2,12 leitet den folgenden Abschnitt bis 2,46a ein.172 Er schließt sich nicht zwingend, wie MT es vermuten lässt,173 an die Notiz über die Regierungszeiten Davids in Hebron und in Jerusalem an (2,11). Vielmehr liegt ein inhaltlicher Bruch vor. 2,12 setzt auch nicht mit einem Konsekutivtempus ein, 169 Wenngleich in 1 Kön 5,1 mit der Aussage zum Herrschaftsgebiet Salomos wieder eine Aussage zum Königtum Salomos gemacht wird, so ist diese in dieser Studie zu vernachlässigen, weil sie keinen unmittelbaren Bezug zu 1 Kön 3 hat. 1 Kön 2,45 wird im Folgenden nicht mehr behandelt, weil dieser Vers, anders als die Trias der 2,12 – 2,46b – 4,1 nicht in Form eines Erzählstimmenkommentars, sondern in Form einer wörtlichen Rede Salomos als Selbstvergewisserung gestaltet ist. 170 So etwa Walsh, Kings, 65 oder Kalimi, Solomon, 29–30. Zur Funktion der 2,12.46b vgl. ferner auch die Diskussion bei Rost, Thronnachfolge, 84 und bei Klein, Samuelbücher, 167. 171 Zu den Unterschieden zwischen 1 Kön 2,12 und 2,46b hat auch Christa SchäferLichtenberger gearbeitet und weist in der Folge die Bezeichnung „Vorwegnahme“ für 2,12 entschieden zurück (vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 250). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Thilo Alexander Rudnig. Seine Argumente (unterschiedliche Satzarten, anderes Nomen, Suffix am Nomen in 2,12) sind für ihn Indizien für literarkritische Thesen. Die „inhaltliche Ähnlichkeit“ stellt auch Rudnig fest (vgl. Rudnig, Thron, 145). Die Ablehnung des Begriffes „Vorwegnahme“ erfolgt bei Christa Schäfer-Lichtenberger mit dem Hinweis darauf, dass dieser zu einer undifferenzierten Betrachtung des Verhältnisses der 2,12b und 2,46b führe (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 250). Im Zusammenhang mit der Darstellung der Unterschiede können beide Verse jedoch auch in ihrem Zusammenhang betont werden. 172 Vgl. ebd., 251. 173 Im MT ist V 12 unmittelbar an V 11 angeschlossen, während vor V 13 ein längerer Abstand eingefügt ist.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

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sondern ganz ähnlich wie 2,46b mit einem Perfekt im invertierten Verbalsatz. Wesentlich organischer liest sich 2,12 als Eröffnung der nachfolgenden Erzählung. Adonijas Initiative bei Batseba (2,13) lässt sich gut als Folge der fortschreitenden Festigung der salomonischen Königsherrschaft erklären. Nun, da Salomo auf dem Thron sitzt, ist es für Adonija schließlich ein Gebot der Stunde, sich mit dem neuen Herrscher gut zu stellen. Er versucht dies auf dem Weg über Salomos Mutter.174 Eine weitere Notiz zu Salomos Königsein folgt in 1 Kön 4,1: Und der König Salomo war König über ganz Israel.

Der erste augenscheinliche Unterschied zu den beiden anderen Versen ist schon im Einstieg gegeben, es liegt kein invertierter Verbalsatz vor, sondern ein { – ’'Û#  ™). Des Weiteren differieren die Begriffe für Salomos Tempusmarker ('! Königsherrschaft / Königsein; 2,12 hat L=x )ž +’ /™ („seine Königsherrschaft“), 2,46b !)† š +š /’ ]™ !™ ’# („die Königsherrschaft“) und 4,1 spricht lediglich vom „König“: +  — :š g’ –'¡+V¡+ š 4™ T+˜ /x ˜ !/ œ v Yf’ T+˜ ]„ ˜ !™ '! { – ’'Û#  ™. Ein besonderes Augenmerk muss auf das einleitende '! { – ’'Û#  ™ („Und es war“) gelegt werden. Schon rein sprachlich bietet diese Form eine gewisse Anknüpfung an das vorher Erzählte, also an 3,28.175 Zudem wäre inhaltlich gesehen für die vorliegende „Klassifikation“176 kein '! { – ’'Û#  ™ notwendig. Mit einem Nominalsatz könnte die gleiche Aussage getroffen werden.177 Tritt aber eine Form von !'! hinzu, wird der Progress in der Erzählung unterstrichen und das genannte Faktum (hier Salomos Königsein) in den Vordergrund der Erzählung gerückt.178 Es ist also keine (schon gar keine beiläufige) Hintergrundinformation, vielmehr wird die { – ’'Û#  ™ verzeitigt und in den Fortschritt der Erzählung Aussage durch das '! 179 integriert. Die drei Notizen stehen nicht zwecklos zwischen verschiedenen Erzählungen. An ihrem je eigenen Ort stehen sie jeweils für ein eigenes Stadium des Königwerdens Salomos. Zuerst ist Salomos Herrschaft gefestigt aufgrund politischer Aktivitäten anderer (2,12), dann aufgrund eigener Aktionen (2,46b)180 und schließlich nach dem – in dieser Studie analysierten – Erzählverlauf von

174 Insofern ist es nicht ganz nachvollziehbar, wenn Jerome T. Walsh meint, mit der Nennung der Namen von Adonija und Batseba in 2,13 setze ein neuer Erzählabschnitt ein (so Walsh, Kings, 47). 175 Vgl. Gesenius / Kautzsch, § 111f–h. 176 Zu diesem Begriff vgl. Bartelmus, Hyh, 120–121. Hier wird eine Person als König klassifiziert (vgl. ebd., 123–124). 177 Dafür gibt es Beispiele, Rüdiger Bartelmus nennt Ps 47,3; 95,3; 2 Chr 31,12 (so ebd., 124). 178 Vgl. ebd., 122.124; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 4,1. 179 Vgl. ebd., 122. 180 Auch Manfred Görg hat das erkannt, wenn er schreibt: „So kann 2,46b nicht als absolute Erklärung begriffen werden, eher schon als relative Abschlussbemerkung, die lediglich den Thronwirren ein Ende gesetzt wissen will.“ (Görg, Gott-König-Reden, 21–22). Einen inhaltlichen Zusammenhang mit der folgenden Erzählung sieht Görg aber nicht (wohl aber einen syntaktischen, vgl. ebd., 21).

B 3 Textanalyse

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1 Kön 3 (4,1). Mit Jerome T. Walsh lässt sich das auch aus der Sicht des literarischen Salomo beschreiben. Sobald er auf dem Thron Davids sitzt, ist seine Herrschaft sehr gefestigt (2,12),181 aber: „Solomon himself does not feel that he has the things under control (‚in hand‘) until he has disposed of those he thinks of as dangers to him.“182

Wenigstens hingewiesen sei an dieser Stelle auf 1 Kön 5,1a, wo in einer ähnlichen Notiz Salomos Herrschaftsbereich von ungeheurer Größe zu sein scheint: Und Salomo war Herrscher ( {+fL/) — über all die Königreiche (=L)v +š /’ ]™ !¡+ ™ )š C) ’ vom Strom über das Philisterland bis an die Grenze Ägyptens.

Besonders auffällig ist hierbei die Beschreibung des Herrschaftsbereiches. Salomo steht nicht, wie noch in den 2,12; 2,46b und 4,1 Israel als König vor, sondern einer ganzen Reihe von Königreichen.183 Festzuhalten ist, dass es neben den drei ausführlich untersuchten Notizen eine weitere gibt, die für die strukturelle Ordnung in 1 Kön 1–11 bedeutend ist. Sie weicht inhaltlich aber von den oben untersuchten Notizen ab und lässt ein viel größeres, ja kaum mehr fassbares Salomoreich in der Vorstellungswelt der Leserin, des Lesers entstehen.184 Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: 1 Kön 2,46b ist der Eröffnungssatz von 1 Kön 3. Dieser Eröffnungssatz weist strukturelle und semantische Ähnlichkeiten mit weiteren Versen im Salomo-Zyklus auf und stellt so Verbindungen her. In 4,1 erfährt 2,46b eine Wiederaufnahme, die syntaktisch und semantisch allerdings variiert ist. Beide Verse rahmen Kapitel 3 und betonen so den Begriff „König / Königtum“ als zentrale Kategorie für die Auslegung von 1 Kön 3.

181 Vgl. Walsh, Kings, 46. Den Zusammenhang mit 1 Kön 4,1 erkennt auch Jerome T. Walsh nicht, wenngleich er Parallelen zwischen 2,12 und 2,46b zieht. Sie bilden für ihn einen Rahmen, in dem die Machtentfaltung Salomos geschildert wird. Durch die Nichtbeachtung von 4,1 tritt aber ein Ungleichgewicht auf, da Kap. 3 nicht als Teil dieser Geschichte gelesen werden kann. Zudem ist es für Walsh der Name „Salomo“, der den Zusammenhang zwischen den beiden Notizen herstellt, nicht die Königsherrschaft. Darum kann er die thematische Zentrierung auf ebendiese nicht erkennen (vgl. ebd.). 182 Ebd. Erkennt man diesen Zusammenhang nicht, darf man sich berechtigterweise die Frage stellen, warum dieses Blutbad an seinen Gegnern notwendig ist, obwohl seine Herrschaft doch schon in 2,12 sehr gefestigt ist (vgl. ebd.). 183 Die hier angegebenen Umrisse des salomonischen Reiches sind schwierig zu deuten. „Philisterland“ (-'k–v f’ +– a’ 7:˜ ) „ ˜ steht im MT merkwürdig unverbunden nach dem nicht näher bezeichneten Fluss, mit dem hier, so der weitreichende wissenschaftliche Konsens, nur der Eufrat gemeint sein kann (vgl. Snijders, :!1, 284.), die Nennung des Philisterlandes scheint dem zu widersprechen (vgl. Noth, Könige, 75). Der Abgleich mit 5,4, wo Tifsach erwähnt wird, legt jedoch nahe, tatsächlich ein Großreich vom Mittelmeer bis zum Eufrat als angezielte Aussage anzunehmen (vgl. Keel / Küchler / Uehlinger, Orte, 234). Es liegt offenbar eine theologische Aussage vor, deren Auflösung an dieser Stelle aber offen bleiben muss. 184 Wenngleich auch 1 Kön 2,45 Ähnlichkeiten mit 2,46b aufweist und ebenfalls eine NifalForm der Verbalwurzel :!š š1 (0L)} š1) beinhaltet, wird dieser Vers hier nicht untersucht. Während die eingehend untersuchten 2,12.46b; 4,1 Erzählstimmenkommentare mit strukturierender Funktion darstellen, liegt in 2,45 eine Selbsteinschätzung Salomos vor.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

1 Kön 3,1: Und Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König Ägyptens. Und er nahm die Tochter des Pharao. Und er brachte sie in die Stadt Davids, bis er sein Haus und das Haus JHWHs und die Mauer rings um Jerusalem fertig gebaut hatte. 3,1 ist ungewöhnlich lang und verbindet eine Reihe von Informationen. Zunächst verschwägert sich Salomo mit dem Pharao, dann nimmt er dessen Tochter und bringt sie in die Davidsstadt, weil Palast, Tempel und Stadtmauer Jerusalems noch nicht fertiggestellt sind.185 ’ ™#) Von der syntaktischen Struktur her ist V 1 mit einer Narrativform (0k„ — %™ =–Q an den zuvor analysierten Eröffnungssatz 2,46b angeschlossen. Dieses „sich verschwägern“ mit dem Pharao steht im Vordergrund. Es geht dabei nicht vorrangig um das Verhältnis zu seiner neuen Frau, sondern um seine Beziehung zu ihrer Familie, besonders zu seinem neuen Schwiegervater.186 Für das Begreifen der Rolle Salomos in den Texten der Königebücher hat diese an so prominenter Stelle berichtete Verschwägerung einiges Gewicht.187 Aktiv Handelnder in diesem Vers ist Salomo, er scheint durch die Verschwägerung mit dem Pharao einen Machtbeweis abliefern zu wollen. Er kann sich (anscheinend) einfach eine ägyptische Pharaonentochter nehmen!188 Die erste Möglichkeit, die hier aufgezeigt wird, hängt mit dem Verb 0=% zusammen. Klingt bei dessen Verwendung nicht zwangsläufig die deuteronomische Warnung vor der Verschwägerung mit fremden Völkern mit, deren Töchter die eigenen Söhne von JHWH wegführen (Dtn 7,3–4a)? Und verschwägere dich nicht mit ihnen (-Cr š 0kx — %™ =’ =– œ +† ’#), deine Tochter gib nicht seinem Sohn, und seine Tochter nimm nicht für deinen Sohn; 4denn er wendet deinen Sohn ab von mir und sie werden anderen Göttern dienen.

Christa Schäfer-Lichtenberger sieht diesen Zusammenhang. Sie versteht Dtn 7,3; 23,7–8 und 1 Kön 11,1, wo die Pharaonentochter unter den fremden Frauen genannt werde, zusammen.189 Im literarischen Kontext, zu dem ohne Frage auch

185 Brueggemann liest in 3,1–2 die allerersten königlichen Handlungen Salomos (vgl. Brueggeman, Kings, 43). Das ist allerdings nicht ganz richtig, bedenkt man, dass er ja schon in 2,12 König ist und danach durchaus tätig wird. Das Königwerden Salomos wird als Prozess beschrieben, und mittendrin stehen diese beiden Verse. 186 Vgl. Kutsch, 0=%, 292–294. 187 Zu dieser besonderen Hervorhebung der Verschwägerung mit dem Pharao am Beginn von 3,1 vgl. Fritz, Könige, 39. 188 Deutung und Bewertung dieses Verschwägerungsvorganges mit dem ägyptischen Königshaus hängen auch davon ab, wie man sich Ägypten in der Sicht von 1 Kön 3 vorzustellen hat. Ägypten war nicht zu jeder Zeit in der Lage, angsteinflößenden Druck auf die kanaanäischen Staaten auszuüben. Also ist die Frage nach einer abschließenden Deutung dieser Motive auch eine Frage ihrer Verortung in einem historischen Kontext und damit nicht Teil dieser Textauslegung. Festzuhalten ist zunächst nur dies: Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, die Anspielungen auf Ägypten an dieser Stelle zu verstehen und zu deuten. 189 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 263; dort bes. Anm. 221.; vgl. ferner Kunz-Lübcke, Salomo, 171. Auch für Pekka Särkiö stellt das Wort hier „wahrscheinlich bewusst einen

B 3 Textanalyse

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1 Kön 11 gehört, ist auch 11,2 mitzulesen, wo expressis verbis daran erinnert wird, dass Salomo Frauen aus Moab, Ammon usw. nicht hätte lieben dürfen.190 Aus diesem Grund liest sie die Verschwägerungsnotiz in 1 Kön 3,1 als echten Widerspruch zur JHWH-Liebe Salomos, wie sie in 3,3 erzählt wird.191 Will man es zugespitzt formulieren, wäre schon durch die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao eine Abwendung des jungen Königs von JHWH und dessen Geboten gegeben.192 Zwingend ist diese Verknüpfung freilich nicht. Zunächst ist Ägypten in Dtn 7,1 nicht unter den Nationen aufgeführt, auf die sich das Verschwägerungsverbot der VV 3–4 bezieht.193 Bemerkt werden muss dazu auch, dass Salomo in 1 Kön 3 gerade nicht zum Verehrer fremder Götter wird, sondern allein JHWH opfert und diesem in der Traumoffenbarung begegnet. Das stärkste Argument gegen das Heranziehen von Dtn 7 zur Auslegung von 1 Kön 3,1 ist eine andere, sehr ähnlich gelagerte Erzählung über seinen Vater David. Geschickte Heiratsplanung liegt offenbar in der Familie. Auch David ist in 1 Sam 18 weniger an Sauls Tochter interessiert denn an der Tatsache, dass er Schwiegersohn des Königs werden könnte.194 Das entspricht auch Sauls Kalkül, der ihm die Verschwägerung mit folgenden Worten anbietet (1 Sam 18,21b): Und Saul sagte zu David zum Zweiten (-–'k} ™ f’ C) – 195: du sollst dich heute mit mir verschwägern (-L  Q!™ 'Cx – 0k† — %™ =’ k). –

In der Folge (1 Sam 18,22) weist Saul auch seinen Knecht an, David die Verschwägerung (0k† — %™ =’ !– ) schmackhaft zu machen. Der Plan hat Erfolg. David sieht die Chance und benutzt in 1 Sam 18,23b einen Hitpael der Wurzel 0=%, um

190

191 192

193 194 195

Hinweis auf die Fremdheiratsverbote in Dtn 7,3 und Jos 23,12“ dar und biete so auch eine Kritik dieser Heirat (so Särkiö, Weisheit, 19). So Cohn, Characterization, 101. Im Zusammenhang mit 1 Kön 11 könnten hier auch die Bestimmungen aus Dtn 17,14–20 analysiert werden, die in einigen Punkten geradezu auf Salomo zugeschnitten zu sein scheinen. Diese Bestimmungen beziehen sich aber hinsichtlich der Ehefrauen auf deren Zahl (Dtn 17,17a: Er [der König, MN] soll die Frauen nicht zahlreich machen, und er soll sein Herz nicht abwenden) und nicht auf deren Herkunft, sodass sie mit der unmittelbaren Auslegung von 1 Kön 3 nicht zusammenhängen. So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 262–263. Vgl. Jeon, Re-evaluation, 22; Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 265; Sweeney, Solomon, 614. J. Daniel Hays sieht die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao als „perhaps one of Solomon's most serious mistakes“ (Hays, Solomon, 161), allerdings begründet er diese Ansicht nicht mit Verweis auf Dtn 7, sondern mit Verweis auf das Verbot für den König, das Volk nach Ägypten zu führen in Dtn 17,16 (vgl. Hays, Solomon, 156–161; mit Verweis auf Brueggemann, Kings, 43–45). Inwiefern eine Verschwägerung mit dem Pharao, die ein Holen der Tochter des Pharao nach Jerusalem zur Folge hat, dazu geeignet ist, das Volk im Sinne von Dtn 17,16 nach Ägypten zu führen, wird bei Hays nicht klar. Vgl. Buis, Rois, 52. Vgl. Schroer, Samuelbücher, 94. Worauf sich diese Zweizahl bezieht, ist nicht eindeutig. Shimon Bar-Efrat führt als Möglichkeiten „auf zwei Wegen“ und „durch zwei Töchter“ an (so Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel, 259). Fritz Stolz meint, eine frühere Fassung hätte zwei Bedingungen für die Verschwägerung genannt (Stolz, Samuel, 126).

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seine (mögliche) Beziehung zu seinem (möglichen) Schwiegervater, dem König, auszudrücken: Und David sagte: Ist es ein Geringes in euren Augen, sich zu verschwägern mit dem „ — %™ =’ !– )? Und ich bin ein armer und geringer Mann! König (T+˜ ]˜v C™ 0k

In einem Erzählstimmenkommentar (1 Sam 18,26) aus der Perspektive Davids (interne Fokalisierung) und bei der Übergabe des Brautpreises an Saul (18,27) werden erneut Hitpael-Formen der Verbalwurzel 0=% gebraucht (0kx — %™ =’ !– +’ / 0kx — %™ =’ !– +’ ). Danach tritt eine solche erst wieder in 1 Kön 3,1 auf. Dieses väterliche Verhalten wird von Salomo imitiert, wenn er in 1 Kön 3,1 sein erstes Heiratsprojekt angeht.196 Ernst Kutsch liest in 1 Sam 18,21–23.25–26 und 1 Kön 3,1 einen „Sonderfall solcher Verschwägerung […, wo, MN] ein Mann durch die Heirat zum Schwiegersohn des Vaters der Braut wird“.197

Dieser Befund stärkt die These, dass die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao eher vor dem Hintergrund von 1 Sam 18 denn von Dtn 7 zu lesen ist.198 Das Nehmen (%d„ ™ –Q ™#) der Pharaonentochter erscheint bei ihm nicht als eigentlicher Akt, sondern eher wie eine nötige Folge aus der erwünschten Verschwägerung mit deren Vater. Das Nehmen einer Frau, ausgedrückt mit einer Form dieser Verbalwurzel, ist im AT verschieden konnotiert.199 Jedenfalls kann es als weiteres Indiz für die aktive Rolle Salomos gewertet werden, er nimmt sich die Pharaonentochter.200 196 Martin Rehm verweist allerdings auf 1 Kön 14,21 und sagt, Salomo habe schon vor Regierungsanrtitt geheiratet und einen Sohn gezeugt (vgl. Rehm, Könige, 43). Diese Information gewinnt Martin Rehm über Rückschlüsse aus den Angaben zu Alter und Regierungszeit Rehabeams und zu dessen ammonitischer Mutter. Beide Texte lassen sich schwer in ein Verhältnis setzen. 197 Kutsch, 0=%, 293. 198 An Kritik gegenüber einer „Mischehe“ muss auf dieser Ebene nicht gedacht werden. Wenn hier dafür votiert wird, dass eine Wendung einerseits wertneutral oder gar positiv konnotiert ist, in einem anderen Kontext dann allerdings auch negative Anklänge tragen kann, ist das weder widersprüchlich noch deutet es auf eine (textimmanente) Ambivalenz hin. Die Frage nach der Legitimität dieser Hochzeit stellt sich erneut im Zusammenhang mit der Traumoffenbarung. Salomo wird dort von JHWH selbst reich beschenkt, nachdem er die ägyptische Prinzessin geheiratet hat. Die Hochzeit mit der Pharaonentochter entzieht sich auch vor diesem Hintergrund einer definitiven Deutung und bleibt vielmehr ein offenes Motiv (vgl. Lasine, King, 89). 199 Zunächst ist dieser Ausdruck sicher ein „terminus technicus für die Heirat“ (Särkiö, Weisheit, 18). Dabei lassen sich in verschiedenen Texten unterschiedliche ethische Konnotationen ausmachen. Etwa in der Urgeschichte lässt sich zeigen, dass das „Nehmen“ (%9+) von Frauen durchaus als Gewalthandlung verstanden werden kann. Der erste Mann, der sich eine Frau „nimmt“, ist Lamech in Gen 4,19. Für Rüdiger Bartelmus ist dies dort, in Verbindung mit Lamechs Prahlen und dem Nehmen mehrerer Frauen, kein Ausdruck geordneter Ehen (vgl. Bartelmus, Heroentum, 16–17). Ähnliches gilt nach Benno Jacob analog dazu für das Nehmen von Frauen durch die Göttersöhne in Gen 6,2 (vgl. Jacob, Genesis, 172). Genauso kann es aber in einigen Texten als fester Begriff für das Heiraten verwendet sein (so Schmid, %9+, 877; dort mit Verweis auf Ex 2,1; 21,10; 34,16). 200 Vgl. Seebass, %9+, 589–593. Hier ist die Wendung ziemlich knapp, häufig wird „als Frau“ (!ix š – %d† ™ –Q ™#) hinzugefügt, wie etwa in Gen 25,1 (vgl. Mulder, Kings, 132). Ein

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Nachdem Salomo die Pharaonentochter „genommen hat“, „bringt er sie“ (!š{ ' ˜{ ’'– ™#) in die Davidsstadt. Dieses „Bringen“ taucht gelegentlich in „ ˜ ’'– ™#) bringt Isaak seine Verbindungen mit Eheschließungen auf, wortgleich (!š  Frau Rebekka in das Zelt seiner Mutter (Gen 24,67). Auffällig ist, dass die drei Narrativformen, die Salomos Tätigkeiten in V 1 beschreiben, (er verschwägerte sich, er nahm, er brachte) letztlich alle die Hochzeit Salomos mit der Pharaonentochter bzw. seine Verschwägerung mit deren Vater beschreiben, sie jedoch von unterschiedlichen Seiten aus beleuchten. Nach der Einordnung des Verschwägerungsmotivs ist der Blick nun auf den Pharao (!œ4x :’ a™ ) selbst zu richten.201 Um die Figur des Pharao in 1 Kön 3 zu entschlüsseln, sind viele Fragen gestellt worden. Besonders häufig jene, um welchen Pharao es sich gehandelt haben könnte.202 Schon Martin Noth, der den wissenschaftlichen Diskurs darüber noch kurz skizziert, meint, wenngleich er das Faktum dieser Heirat an sich für historisch gesichert hält, dass darüber keine Gewissheit mehr zu erlangen sei.203 Heutige Auslegerinnen und Ausleger des Textes müssen, was die mögliche Kenntnis der historischen Umstände der salomonischen Regierungszeit betrifft, deutlich bescheidener sein als viele der Autoren, die sich in der Vergangenheit dazu geäußert haben. Ihre entscheidende Frage kann nur lauten: Welche Funktion hat die literarische Figur „Pharao“ hier in diesem Text? Für diese Frage ist nicht gänzlich unerheblich, dass der Pharao „ ˜ ) genannt wird. Für den hier mitsamt dem Titel „König Ägyptens“ (-–':r š 8’ /– T+˜ / Pharao ist dieser zwar durchaus gebräuchlich, aber nicht der Regelfall.204 Damit ist seine Rolle in der Erzählung noch schärfer bestimmt: Er ist König, und zwar König eines bedeutenden Landes. Das unterstreicht nochmals die Bedeutung der Verschwägerung mit diesem König für den jungen König Salomo, dessen Königsein noch in der Entwicklung befindlich ist. Die Tochter dieses Pharao, die für die Verschwägerung mit ebendiesem zu ehelichen ist, leitet in der Erzählung zum nächsten Thema von V 1 über, den Bauprojekten Salomos. Die frisch vermählte Königsgattin braucht in ihrer neuen Residenzstadt eine angemessene Unterkunft. Salomo bringt sie in die Davidsstadt. Unmittelbar an diese Unterbringung angeschlossen erfolgt in einem Nebensatz die Auflistung der ehrgeizigen Bauprojekte, als seien sie der Leserin, dem Leser längst bekannt.

201 202 203 204

Bedeutungsunterschied ist wohl nicht auszumachen – wenngleich die Kürze der Formel die These von der Beiläufigkeit des Heiratens gegenüber dem primären Ziel der Verschwägerung mit dem Pharao zu unterstützen scheint. Überhaupt dient das Verb häufig zur Vorbereitung (hier: zur Durchführung) einer wichtigeren Handlung (so Schmid, %9+, 877–878). „Pharao“ wird im AT wie ein Eigenname gebraucht (vgl. Gesenius18, 1081a). Vgl. die Diskussion bei Kitchen, Egypt, 116–120. Vgl. Noth, Könige, 48–49. Wie hier auch in Gen 41,46; 2 Kön 17,7; 18,21; Jer 25,19 und öfter (vgl. Gesenius18, 1081a). Das Wort „Pharao“ findet in der Hebräischen Bibel 274 Mal Verwendung, die Wendung „König Ägyptens“ nur 48 Mal. Die hier vorliegende Kombination tritt insgesamt 22 Mal auf.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Die den Nebensatz konstituierende Wendung =L …1’ +– L=Z y V™ „4™ („bis er fertig gebaut hatte“) fungiert als Zeitangabe. Sie verknüpft die Unterbringung der Pharaonentochter mit der Dauer der aufgezählten Bauprojekte. Die Präposition 3 ist vor einem Infinitiv constructus mit „bis“ wiederzugeben.205 Von den beiden y V™ ) durch das Personalsuffix aufeinanderfolgenden Infinitiven zeigt der erste (L=Z das Subjekt der Handlung an.206 Der zweite Infinitiv (=L …1’ +– ) ist durch die vorangestellte Präposition als Richtung der mit dem ersten, suffigierten Infinitiv beschriebenen Handlung gekennzeichnet.207 Das Vollenden Salomos, ausy V™ , bezieht sich auf das Bauen (=L …1’ +– ). Bis zu seinem Vollenden gedrückt mit L=Z dieses Bauens bringt er die Pharaonentochter in die Davidsstadt. Auf die Einleitung des Nebensatzes mit der besprochenen Wendung folgt die Aufzählung der mit dem Infinitiv constructus =L …1’ +– eingeleiteten Bauprojekte. Durch diese unvorbereitete Einführung der Bauprojekte entsteht ein Überraschungsmoment, weil man in dieser unvermittelten Art davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der junge König schon zu einem so frühen Zeitpunkt seiner Regentschaft so ressourcen- und planungsintensive Großprojekte in Angriff genommen hat. Die Königstochter aus Ägypten wird in die Davidsstadt gebracht, die von einem Jerusalem unterschieden wird, welches noch ummauert werden muss (das zeigt die unter den drei Bauprojekten letztgenannte „Mauer ringsum Jerusalem“ š ’' =/L% † ™ ] an).208 In diesem Vers werden längst nicht alle Bauprojekte ['  – 2š [x+™ fK: Salomos vorgestellt, die in den späteren Kapiteln behandelt werden,209 dennoch scheint hier eine nicht zufällige Auswahl getroffen worden zu sein: Die Mauer hängt mit der militärischen Befestigung und somit der Sicherheit Jerusalems zusammen, der Palast mit der Königstochter (als deren möglicher Wohnsitz) und der Tempel stellen den Bezug zur Opferthematik des Abschnitts (vgl. VV 2–3) her. Im vorliegenden Text fungiert die Erwähnung der Bauprojekte zudem als eine Art Zeitangabe, datiert sie doch die Heirat mit der Pharaonentochter in die frühe Regierungszeit Salomos, als seine Bauprojekte noch nicht abgeschlossen waren.210

205 So Gesenius18, 922b; dort mit Verweis auf Dtn 7,20.23. 206 Wörtlich „bis zu seinem Vollenden“, wenn der Infinitiv constructus als Verbalnomen („verbal noun“) verstanden wird (so Joüon / Muraoka, § 65a–b); vgl. ferner Gesenius / Kautzsch, § 116. 207 Vgl. Gesenius / Kautzsch, § 114f. 208 Dabei ist nicht an verschiedene Städte zu denken, vielmehr ist der bereits unter David bewohnte Teil der Stadt gemeint, von der schon in 1 Kön 2,10 als Ort der Grablege Davids die Rede war. Aus archäologischer Perspektive wird darauf verwiesen, dass es sich bei der Stadt Davids um den bebauten Teil des Hanges zum Kidrontal handelt, der im Zuge der genannten Bautätigkeiten in die neue, größere Stadt integriert werden soll (vgl. Cogan, Kings, 175; Mulder, Kings, 132). 209 So setzt etwa 1 Kön 9,24 voraus, dass Salomo der Pharaonentochter ein eigenes Haus gebaut hat. Weitere Bautätigkeiten sind beispielsweise aufgezählt in 1 Kön 9,15. 210 Vgl. Mulder, Kings, 132. Für Jerome T. Walsh werden die drei in 1 Kön 3 genannten Bauprojekte dadurch verbunden, dass sie alle dem Volk dienten, das Haus Salomos als administratives Zentrum, das Haus JHWHs als religiöses Zentrum und die Mauer zum Schutz (vgl. Walsh, Kings, 71).

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Bei den erwähnten Bauprojekten überrascht die unvermittelte und beiläufig erscheinende Einführung besonders für den Tempel, der als „Haus JHWHs“ ( ='„C— !#! v š ’') bezeichnet wird. Das ist an dieser Stelle erstaunlich, weil der Tempel mit Bezug auf die Opfertätigkeit des Volkes (V 2) erneut genannt wird und weil Bau und Inbetriebnahme des Tempels im Erzählgang des Salomo-Zyklus einen großen Raum einnehmen (1 Kön 5,15–9,10)211. Der Ausdruck „Haus JHWHs“, der hier für den Tempel gebraucht wird, ist durchaus gebräuchlich.212 Durch die gemeinsame Bezeichnung von Tempel und Palast als „Haus“ wird wenigstens klanglich eine Nähe zwischen beiden Bauvorhaben erzeugt.213 Dass die Nichtfertigstellung des Palastes (L='C— , „sein [=Salomos, MN] Haus“) im Zusammenhang mit der notwendigen Unterbringung der Pharaonentochter erwähnt wird, legt nahe, dass Salomos Haus auch als Unterbringung für seine ägyptische Frau gedacht ist. Für die Kohärenz von 1 Kön 3 entsteht dadurch kein Problem. Eine Spannung wird erst in 1 Kön 7,8 sichtbar. Dort wird berichtet, Salomo habe für die Pharaonentochter ein eigenes Haus gebaut. In 1 Kön 3 wird aber die ausstehende Fertigstellung von Salomos Haus betont. Die Pharaonentochter erscheint vor diesem Hintergrund erneut als reichlich blasse Figur. So, wie ihre Hochzeit vor allem einen Bund zwischen ihrem Vater und ihrem Bräutigam besiegelt, dient die Erwähnung ihrer Unterbringung vor allem dem Aufzählen wichtiger (Bau-)Projekte.214 In der Literatur zu 1 Kön 3 wird mitunter festgehalten, dass die Reihenfolge der erwähnten Baustellen bemerkenswert sei.215 Zuerst wird „sein“ (Salomos) Haus erwähnt, dann das Haus JHWHs. Hat das eigene Haus für Salomo Priorität gegenüber der Wohnung seines Gottes? Ist hier ein Punkt gefunden, an dem es Salomo zu kritisieren gilt? Es sollte dagegen eingewendet werden, dass der Vers inhaltlich einen anderen Schwerpunkt setzt. Im Duktus des Textes liegt der Akzent auf der Unterbringung der Pharaonentochter. Erst in einem Nebensatz wird erklärt, dass der Palast noch nicht fertiggestellt war. Eine Aussage wie „Die Pharaonentochter muss in die Davidsstadt gebracht werden, weil der Tempel noch nicht fertig war“ ergäbe so keinen Sinn. Tempel und Mauer eignen sich schlicht nicht als Wohnort für die Prinzessin. Der erstgenannte Palast ist ja überhaupt die Verbindung, über die die Bauprojekte einen Anschluss an die erzählte Heirat der Pharaonentochter und ihre Unterbringung in der Davidsstadt finden.216 211 Die Einteilung ist übernommen von Jerome T. Walsh, der 5,1–18 „Before Building the Temple“ und 6,1–9,10 „The Construction and Dedication of the Temple“ überschreibt (so ebd., 93.102.). 212 Allein in 1 Kön 3–11 taucht er 18 Mal auf, in 1 Kön 3,1; 6,1.37; 7,12.40.45.48.51 (zweimal); 8,10.11.63.64; 9,1.10.15; 10,5.12. 213 Vgl. auch Walsh, Kings, 152. 214 Auch Christa Schäfer-Lichtenberger sieht die Hauptfunktion der Erwähnung der Unterbringung der Pharaonentochter in der Davidsstadt in der Einführung der Aussage über den Tempelbau (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 262–263 Anm. 219). 215 Vgl. etwa Seibert, Scribes, 160; Walsh, Kings, 71–72. 216 Es gibt noch weitere Ansätze zur Erklärung der Stellung des Tempels inmitten der Dreierliste von V 1, zwischen Palast und Stadtmauer. Zunächst kann man die genannten Baustellen als Symbolisierungen anderer Bauprojekte verstehen. Diese Bauten stünden dann für Monarchie und Dynastie in der „Bauphase“. Sie sind noch nicht fertig. Die

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1 Kön 3,2: Jedoch war das Volk opfernd auf den Höhen, denn das Haus für den Namen JHWH war noch nicht gebaut worden bis zu jenen Tagen. Ziemlich unvermittelt und scheinbar ohne Zusammenhang mit den vorhergehenden Aussagen beginnt V 2. Der Blick wird nun weg von den Aktivitäten des Königs hin zum Volk und dessen Opfertätigkeit auf den Höhen gelenkt.217 Die Eröffnung des Verses mit 9:„ ™ („Jedoch“) überrascht. Eigentlich leitet die Partikel einschränkende Sätze ein.218 Nun wird aber keine zuvor getätigte Aussage in irgendeiner Weise zurückgewiesen oder beschnitten, vielmehr nimmt der mit 9:„ ™ eingeleitete Versteil 2a keinerlei Bezug auf das vorher Gesagte.219 Eine Verbindungslinie zu V 1 wird erst im zweiten Versteil (2b) hergestellt, wo das Opfern des Volkes auf den Höhen mit dem Fehlen des † – !™ 4x ™ !#! v š ’' -f „ — +’ =–'{ ™{ !†1š ’ –1¡œ+ 'V– ‚ , „denn nicht gebaut Tempels220 (-!  — !š -'/šQ

217 218 219 220

Priorität liegt hier nicht auf dem Tempel, weil es in 1 Kön 3 vorrangig um König, Monarchie und Dynastie geht. Da hat der Tempel zwar eine wichtige, stabilisierende Funktion – nimmt aber nicht die Hauptrolle ein. JHWH ist ohnehin der Gott Israels – mit und ohne Tempel. Für die Monarchie aber bedarf es dieser Bauten, und zwar zunächst des Palastes, dann auch des Tempels und der Stadtmauer. Die Bauten interessieren nur insofern, wie sie für den König und die Stabilität seiner Regierung und seiner Dynastie Bedeutung haben. Der Tempel ist dabei der Ort für den Staatskult, der auch zur Legitimierung des Königs beiträgt. Außerdem ist der König für die Infrastruktur verantwortlich. Bernd Janowski schreibt dazu: „Daß die judäische Königsideologie Teil eines religiösen Symbolsystems ist, belegen neben kultischen Aktivitäten Davids und Salomos […] v.a. der salomonische Tempel und seine Theologie und Ikonographie. Der Tempel war königliches Eigentum und stand mit dem Königspalast in baulicher Verbindung (1 Kön 7,12 […]). Seine Ikonographie war dominiert von königlicher Herrschafts- und Ordnungssymbolik.“ (Janowski, Königtum, 518). Damit liegt in V 2 gegenüber den VV 1.3 ein Subjektwechsel vor (vgl. Mulder, Kings, 133). Vgl. Gesenius / Kautzsch, § 153. Die Schwierigkeit dieses Verseinstiegs erkennt auch Christian H. J. van der Merwe, wenn er mit Ri 11,34 und 1 Kön 3,2 lediglich zwei Stellen findet, an denen sich der Gebrauch der Partikel nicht klassifizieren lasse (vgl. van der Merwe, particles, 304). Die Bezeichnung des Tempels als „Haus des Namens JHWH“ ist deswegen auffällig, weil der Tempel noch einen Vers zuvor schlichter als „Haus JHWHs“ bezeichnet worden war. Auf literarkritischer Ebene bietet der Gebrauch dieser Bezeichnung Hinweise für die dtr Prägung des Verses (vgl. Mulder, Kings, 134). Im Rahmen dieser synchronen Textanalyse lassen sich solche Differenzierungen nicht treffen. Vielmehr kann festgestellt werden, dass der „Name JHWH“ für JHWH selbst steht (vgl. van der Woude, -f, 953–958; vgl. ferner Mulder, Kings, 134). Die Bezeichnung „Haus des Namens JHWH“ ist im Salomo-Zyklus nicht so häufig anzutreffen wie „Haus JHWHs“. Sie kehrt erst in 1 Kön 8,17 wieder. Walter Brueggemann schreibt: „The phrase ,a house for the name of Yahweh‘ is an important attempt in ancient Israel to make theological sense out of the presence of Yahweh in a place of worship. The phrase is properly placed within the tradition of Deuteronomy: Then you shall bring everything that command you to the place that the LORD your God will choose as a dwelling for his name… If the place where the LORD your God will choose to put his name is too far from you… (Deut 12:11, 21). The phrase is an attempt to make an affirmation that lives between two theological dangers. One danger is to make Yahweh so remote that the worship place is no place of real presence. Such a conclusion may be drawn if it is affirmed that Yahweh is far away, in heaven and not at all in the designated place of worship (see Deut 26:15). The other danger is the opposite, to affirm that Yahweh

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worden war das Haus des Namens JHWHs bis zu diesen Tagen“) begründet wird. Dieser ungewöhnliche Verseinstieg weckt also in besonderer Weise die Aufmerksamkeit der Leserin, des Lesers. Durch die vorangestellte Erwähnung der Höhenopfertätigkeit des Volkes und die nachstehende Begründung ebendieser mit dem Fehlen des Tempels werden die in V 1 genannten Bautätigkeiten in V 2 nur sehr eingeschränkt aufgenommen. In V 1 wird der Tempel als zweites Glied in einer gleichberechtigten Reihe genannt. In V 2 wäre der Tempel dann zweifach hervorgehoben: zunächst dadurch, dass Palast und Mauer nicht erwähnt werden, des Weiteren dadurch, dass durch die Hervorhebung der Höhenopfertätigkeit des Volkes mit 9:„ ™ das Fehlen des Tempels als Mangel qualifiziert wird. Dieser Mangel wird im Text dadurch ersichtlich, dass das Volk (eben mangels Alternative) auf den Höhen opfern muss. Die Aussagen zum Tempelbau in den beiden Versen lassen einen weiteren Unterschied deutlich hervortreten. Während in V 1 noch der Eindruck erweckt wird, als wäre mit dem Bau bereits begonnen worden (schließlich zielt die Aussage dort auf das „noch nicht vollendet sein“ von Palast, Tempel und Stadtmauer ab), ist V 2 in der Aussage offener, der Tempel war demnach „bis zu jenen Tagen“ schlichtweg noch nicht gebaut worden (!†1š ’ –1¡œ+ 'V– ‚ ). Ein möglicher Schlüssel zum Verständnis dieser scheinbaren Unterschiede ist die Präposition 4x ™ , die in beiden Versen Verwendung findet. In V 1 wird damit die Dauer der Unterbringung der Pharaonentochter in der Stadt Davids bezeichnet, die sich aus der Zeit bis zur Vollendung der Bauprojekte ergibt: „bis er vollendet hatte zu bauen y V™ „4™ ) … und das Haus des Namens JHWH (!#! v š ’'='„C¡= — ˜ ’#)“. Liest man (=L …1’ +– L=Z die mit 4x ™ eingeleitete Zeitangabe aus V 2 als Wiederaufnahme des „4™ aus V 1, ergibt sich, dass die Opfertätigkeit des Volkes auf den Höhen bis zu dem Tag andauern wird, an dem der Tempel fertiggestellt werden wird. Die auf das 4x ™ folgende Zeitangabe aus V 2 würde sich dann auf die ebenso mit „4™ eingeleitete Angabe aus V 1 beziehen, das Demonstrativum „bis zu jenen Tagen“ ( -'/šQ † – !™ 4x ™ -!  — !š ) würde sich folglich nicht auf die Situation eines impliziten Lesers beziehen,221 sondern auf den in V 1 thematisierten Zeitraum bis zur Vollendung der Bautätigkeiten.222 Die Opfertätigkeit (-'%x – C’ ™$/’ ) des Volkes (-4š v !š ) auf den Höhen (=L/r Cš C™ ) wird sehr allgemein festgehalten. Obwohl das Verb %$ mitunter ein konkret beschriebenes Ritual meinen kann und der Gebrauch in einem allgemeineren Sinne strittig ist,223 liegt hier keine Einschränkung auf eine bestimmte Art von Opfer vor, viel eher ist an jegliche Formen von Opfern zu denken, die auf Höhen

;

is fully and without reservation present in the worship place, and therefore completely available and on call. The formula of the name seeks to avoid both excessive remoteness and presumptuous availability.“ (Brueggemann, Kings, 76). Vgl. ferner Weinfeld, Deuteronomy, 325. 221 Wenngleich diese Lesart die LXX auf ihrer Seite hätte, die mit ïÑË ÅıÅ übersetzt. 222 Dafür votiert, wenngleich aus anderen Gründen, auch Martin J. Mulder (vgl. Mulder, Kings, 134). 223 Vgl. Bergmann, %$, 514. Er sieht nur in 2 Chr 7,12 eine Verwendung der Wurzel als allgemeinen Oberbegriff für „Opfer“.

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dargebracht wurden.224 Für die präzise Identifizierung einer Form von Opfern ist der narrative Zusamenhang zu wenig konkret. Es wird davon erzählt, dass das Volk generell auf den Kulthöhen aktiv ist – und zwar mit Opfervarianten, die auf solchen (wohlgemerkt nicht näher beschriebenen und damit unterschiedlichen)225 Höhen eben üblich sind. Mit „Volk“ ist hier zweifelsfrei ganz Israel gemeint, wie es später in der Traumoffenbarung wieder genannt wird (jeweils zweifach in den VV 8.9), analog zu der Formulierung „ganz Israel“ (+y— :š g’ –'¡+)š ), von dem in 3,28 erzählt wird, dass es den König fürchtet. Beide Aussagen, die Höhenopfertätigkeit des Volkes und deren Entschuldigung durch die fehlende Möglichkeit zum Tempelkult in Jerusalem, stellen eine vorab gegebene Apologie Salomos dar.226 Nach V 2 ist klar, dass seine in V 3 genannte Höhenopfertätigkeit nicht nur allgemeinem Usus entspricht (das Volk tut es auch), sondern auch, wegen des ausstehenden Tempelbaus (oder der ausstehenden Tempelfertigstellung), im Grunde alternativlos ist. Erst nach der Lektüre von V 4, in dem Salomos konkreter Opfergang nach Gibeon berichtet wird, kann V 3 als Hinführung zu ebendiesem verstanden werden. Oft ist auf diese nach vorn verlagerte Entschuldigungskette verwiesen worden, wenngleich vor allem im Rahmen textgenetischer Schlüsse, die aus diesen Beobachtungen gezogen wurden.227 Darüber, dass die genannten Höhenopfer in der Erzählstrategie von 1 Kön 3 einer Erklärung bzw. einer Entschuldigung bedürfen, besteht kein Zweifel. Schon durch den schlichten Gebrauch des Wortes „(Kult-)Höhen“ (=#/) in den VV 2– 3 wird ein ganzer Katalog von Assoziationen zu den Verfehlungen Israels und seiner Könige wachgerufen.228 =#/ sind über das Land verteilte Kultplätze, anders als der deutsche Begriff „Höhe“ nahelegt, liegen sie keinesfalls nur auf Anhöhen. Sie finden sich auch in Tälern oder in befestigten Städten.229 Der Gebrauch des Wortes weist im Alten Testament häufig auf einen illegitimen Kult in der Zeit nach dem Tempelbau hin.230 In den Königebüchern ist dies der beinahe ausschließliche Gebrauch.231 224 Vgl. Noth, Könige, 49; vgl. ferner Mulder, Kings, 133; Sweeney, Kings, 78. 225 Zu den verschiedenen Ausprägungen der Kultstätten, die unter dem Begriff =#/ zusammengefasst sein können, vgl. Brueggemann, Kings, 46; Mulder, Kings, 133–134; Walsh, Kings, 72; Würthwein, Könige, 29–30; vgl. auch Anm. 229 auf S. 66. 226 So schon Noth, Könige, 49. 227 Vgl. etwa ebd., 49; vgl. auch die Darstellung der historischen Rückfrage ab S. 146 der vorliegenden Arbeit. 228 Vgl. Walsh, Kings, 72. 229 Vgl. Cogan, Kings, 184; mit Verweis auf Jer 32,35. Martin Rehm nennt als Beispiele für solche „Höhen“ in Tälern zudem Jer 7,31 und Ez 6; Kulthöhen am Stadttor kennt 2 Kön 23,8: µ{ ™ fL! {ž ’' :4™ f… ™ %=™ a¡: ˜ ~ f˜ ” -':y – 4š i’ !™ =L/„ Cš (vgl. Rehm, Könige, 44). Es geht demnach bei dem Begriff =#/ eher um die Bezeichnung entsprechend ausgestatteter Kultplätze denn um eine geographische Lagebeschreibung. 230 So Cogan, Kings, 184; vgl. ferner Schunck, !/, 666–667. 231 So in 1 Kön 12,31–32; 13,2.32–33; 14,23; 15,14; 22,44; 2 Kön 12,4; 14,4; 15,4.35 16,4; 17,9.11; 18,4; 21,3; 23,5.8–9.13.19–20. Differenzierter in 2 Kön 18,22, wo aus den Worten des Rabschake keine negative Wertung des Höhenkultes entnommen werden kann. In 2 Kön 17,29.32–33 geht es um einen Kult, der in Samaria durch Nichtisraeliten betrieben wird. Besonders auffällig sind die ähnlich lautenden Ausführungen in 1 Kön 15,14; 22,44;

B 3 Textanalyse

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Durch die Erwähnung von Höhenopfern in den Versen 2–3 sowie der Erwähnung des Tempelbaus in den Versen 1–2 ist die Diskussion um den legitimen Ort für die kultische JHWH-Verehrung in 1 Kön 3 präsent. Der Tempel wird, wie gesehen, als ein sich bereits in der Bauphase befindliches Projekt beschrieben. Die Höhenopfer des Volkes und Salomos werden nicht ohne Kommentar stehen gelassen, sondern in V 2 mit dem Fehlen des Tempels begründet und in V 3 der JHWH-Liebe Salomos gegenübergestellt. Zudem bleibt der merkwürdige Befund, dass Salomo nach seiner Traumoffenbarung vor der Lade des Bundes opfert (V 15).232 Die in 1 Kön 3,2.3.4.15 erwähnten Opfer spielen für den gesamten alttestamentlichen Kanon eine wichtige Rolle, weil es die letzten erzählten Opfer vor der Einweihung des Tempels sind. Dadurch fällt eine theologische Bewertung dieser Praxis schwer.233 Sie sind Opfer und Höhenopfer an der Schwelle zur Illegitimität, weil das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung von legitimem und illegitimem Kult, der Tempel, noch nicht fertiggestellt ist. Dieses Kriterium wird in V 2 selbst angeführt. Zwar weiß die deuteronomisch geschulte Leserin, der Leser, dass die Wahl des Kultplatzes nicht willkürlich erfolgen darf (vgl. Dtn 12,13–14), an dieser Scharnierstelle aber ist eine Offenheit in der Auslegung einer endgültigen Bewertung vorzuziehen. Die Leserin, der Leser weiß noch nicht, wie Volk und König sich nach der Tempeleinweihung verhalten werden, ist aber durch die breite Thematisierung der Opfertätigkeit in 1 Kön 3 deutlich auf die Problemstellung hingewiesen, die in den folgenden Kapiteln der Königebücher (für Salomo besonders 1 Kön 11) offener zu Tage tritt. Im folgenden V 3 wird auch von Salomos Höhenopfern berichtet. Dort fehlt zwar der Verweis auf den ausstehenden Tempelbau, der musste aber nach der Erklärung von V 2 auch nicht wiederholt werden.234

1 Kön 3,3: Und Salomo liebte JHWH, so wandelte er in den Satzungen Davids, seines Vaters. Jedoch war er auf den Höhen ein Opfernder und ein Rauchopfernder. V 3 ist, das fällt auf den ersten Blick auf, spiegelbildlich zu V 2 konstruiert. Während in V 2 die mit 9:„ ™ eingeleitete Erwähnung der Opfertätigkeit ziemlich abrupt voransteht und nachträglich entschuldigt wird, steht in V 3 zunächst die 2 Kön 12,4; 14,4; 15,4.35, wo jeweils festgestellt wird, dass die Höhen nicht beseitigt wurden. Außer in 1 Kön 15,14 wird an diesen Stellen zudem durchgängig berichtet, dass das Volk weiterhin auf den Höhen opfert (=L/  Cš C™ -':x – P’ 9™ /’  K -'%† – C’ ™$/’ -4} š !š L4; † in 15,35 anders akzentuiert, weil die Wendung nicht am Versende steht. 232 Zur Auslegung von V 15 vgl. in der Textanalyse S. 102. 233 Gegen z. B. Jerome T. Walsh, der in V 3 implizite Kritik an Salomo liest (vgl. Walsh, Kings, 72). Pauline A. Viviano weist den Gedanken einer salomokritischen Lesart explizit zurück (vgl. Viviano, Glory, 343). 234 Helen A. Kenik formuliert: „There is clearly a before and after for the use of the ,high place‘ as places for worship in Dtr thought. According to Dtr evaluation, the ,high place‘ was the legitimate place for sacrifice prior to the building of the temple. Once the place has been dedicated, however, worship at ,high places‘ is interpreted as an act of apostasy.“ (Kenik, Design, 185).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Schilderung der JHWH-Liebe Salomos, bevor dann (syntaktisch logischer)235 die Einschränkung erfolgt, dass er auf den Höhen opfert.236 v š ’'¡=˜ !œ{ /Yf’ !… ™ “ ˜Q ™#). Mit Salomo, so wird vorweggestellt, liebt JHWH (!#! der Narrativform am Versanfang werden die Narrativformen aus V 1 formal wieder aufgegriffen. Salomo ist wieder Subjekt. Die Bestimmung eines Tempus ist dabei schwierig, weil nicht, wie etwa beim Verschwägern Salomos mit dem Pharao in V 1 (ausgedrückt mit dem Narrativ 0k„ — %™ =’ –Q ™#), ein konkreter Sachverhalt geschildert wird. Es geht um eine für Salomo grundsätzliche Eigenschaft, also um den „Aspekt Durativität“, um eine „habituale Situation“, was mit der PK (und davon abgeleitet mit der waw-PK / dem Narrativ) ebenfalls ausgedrückt werden kann.237 Salomo liebt JHWH, und das ist keine zeitlich eingrenzbare Tätigkeit, sondern mit der Figur Salomo verbunden. Dieses Lieben, bezeichnet durch die Wurzel !, ist im Alten Testament durch einen „auffällig pragmatischen Zug“238 gekennzeichnet: „Liebe setzt nicht nur eine konkrete innere Disposition voraus, die durch Erfahrungen oder Erlebnisse aufgebaut wird, sondern sie schließt von sich aus ein bewußtes Handeln um des geliebten Menschen oder der bevorzugten Sache239 willen ein.“240

Die Liebe Salomos zu JHWH wird im Folgenden mit dem Satz „so wandelte er in den Satzungen Davids, seines Vaters“ (#'r – š „#–Gš =Ldx %ž C’ =)˜ +˜ w +š ) näher erläutert. Angeschlossen an den Verbalsatz mit voranstehendem Narrativ ist diese Wendung durch einen Infinitiv constructus der Verbalwurzel (+! im Grundstamm Qal, in Verbindung mit der Präposition + (=)˜ +˜ w +š ). Dieser Ausdruck dient der Näherbestimmung der zuvor gemachten Aussage bezüglich des JHWH-Liebens Salomos.241 Salomo liebt JHWH, diese Liebe findet ihren praktischen Ausdruck darin, dass er sich an Davids Satzungen hält. An dieser Stelle ist ein Blick auf den hier verwendeten Begriff für „Satzung“ (!9%) zu werfen. Er ist vermutlich in einem globaleren Sinn zu verstehen und verweist nicht nur auf einzelne, festgeschriebene Satzungen. Schon im Dtn ist inhaltlich nicht mehr zwischen !9%, -'&6f/ und =#8/ zu unterscheiden:242 „Die verschiedenen Termini haben hier ihre besondere Bedeutung eingebüßt, und die Kombinationen bezeichnen alle das Gesetz als Ganzes, das außerdem im

235 Vgl. zum Gebrauch der Partikel 9:„ ™ die Auslegung von V 2 ab S. 64. 236 Auch für Christian H. J. van der Merwe qualifiziert der mit 9:„ ™ eingeleitete Satz die zuvor gemachte Aussage (vgl. van der Merwe, particles, 303). 237 So Matheus, Zeit, 229. Frank Matheus bietet für diesen Gebrauch des Narrativs das Beispiel 2 Kön 14,3: „Und er tat [g4…™ Q™ ™#], was dem HERRN wohlgefiel, doch nicht wie sein Vater David, sondern wie sein Vater Joasch tat auch er.“ (Übersetzung: ebd., 235). 238 Wallis, !, 112. 239 Diese Liebe kann sich natürlich auch auf Gott beziehen, vgl. ebd., 111–112; vgl. Jenni, !, 70–73; letzterer mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,3. 240 Wallis, !, 112. Simon J. DeVries verweist auf die Verwendung des Ausdrucks der Liebe zu Gott im Deuteronomium und hält mit Verweis auf Dtn 6,5; 10,12; 13,16.20 fest: „it implies moral concern and commitment, rather than mere affection“ (DeVries, Kings, 51). 241 Zu dieser Auflösung der Infinitivform mit + vgl. Gesenius / Kautzsch, § 114o. 242 Vgl. Ringgren, 99%, 154.

B 3 Textanalyse

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Deut[eronomium, MN] tôrƗh heißt […]. Im dtn Geschichtswerk liegt derselbe Sprachgebrauch vor.“243

Ausdrücke oder Wendungen, die für das „Gesetz“ stehen oder stehen können, treten in 1 Kön 3 in gehäufter Form auf (VV 6.11–12.14.15.28) und werden an den entsprechenden Stellen besprochen. Hier, in V 3, wird dieses Thema bereits eingeleitet. Salomo, der in den 2,46b–3,1 hinsichtlich seines Königtums beschrieben wurde, wird hier in Beziehung zum Gesetz gestellt. Zugleich wird Salomo dabei in Verbindung zu seinem Vater David gesetzt. Durch das Wandeln in Davids Satzungen wird David in V 3 durch die Erzählstimme als Vorbild für Salomo beschrieben. Diese Formulierung erhält im Kontext von 1 Kön 3 deutliche Wiederaufnahmen. Salomo macht in V 6 deutlich, dass auch er selbst sich an Davids Vorbild orientiert und worin das Vorbildhafte Davids besteht. Diese Rede Salomos wird in V 10 befürwortet. In V 14 wird David als Vorbild für Salomo von Gott ausdrücklich bestätigt. Nach der Lektüre von 1 Kön 3 weiß die Leserin, der Leser, dass Salomos JHWH-Liebe in V 3 durch das Wandeln in Davids Satzungen einen geeigneten Ausdruck findet. Für viele ältere Kommentatoren besteht kein Grund darüber nachzudenken, ob diese Relation positiv oder negativ konnotiert wäre.244 Nach deutlichen Einwänden u. a. von Jerome T. Walsh245 sind hierzu einige ausführlichere Bemerkungen notwendig geworden. Walsh liest das Gehen Salomos in den Satzungen Davids als implizite Kritik an Salomo, schließlich sei die Wendung in der Hebräischen Bibel immer dann, wenn sie rechtschaffenes Verhalten beschreiben möchte, auf JHWH bezogen.246 Zwar schränkt er ein, es gäbe einige (nicht von ihm benannte) Gelegenheiten, bei denen von jemandem gesagt wird, er gehe in den Satzungen eines Menschen. Ausnahmslos bezögen sich diese Stellen aber auf unrechtes Verhalten.247 Nicht nur die Orientierung an einem Menschen, auch der Ausdruck „Satzungen Davids“ wurden als Indiz für eine vorliegende, implizite Salomokritik verstanden. Jerome T. Walsh248 und nach ihm Christina Duncker249 vertreten die These, die Nennung der Satzungen Davids sei ein konkreter Verweis auf Davids Testament in 1 Kön 2,1–9. Christa Schäfer-Lichtenberger meint, das Beschreiben eines Gehens in den Satzungen JHWHs hätte nach Salomos Fremdheirat (V 1) gar nicht mehr erfolgen können.250

243 Ebd.; vgl ferner Braulik, Ausdrücke, 11–12.25. 244 Vgl. etwa Noth, Könige, 49; Rehm, Könige, 43. Albert Šanda stößt sich zwar an der Wendung „Satzungen Davids“, denkt dabei aber auch an die Satzungen JHWHs, die eben von David erfüllt wurden (vgl. Šanda, Könige, 57). Ernst Würthwein erklärt: „Mit den ,Satzungen Davids‘, die nur hier begegnen, ist nicht gemeint, daß David selbst Gesetze gegeben hätte, sondern, daß er die Gesetze Jahwes vorbildlich befolgte“ (Würthwein, Könige, 29). 245 Vgl. Walsh, Kings, 73. Ihm folgt u. a. Christina Duncker (vgl. Duncker, Salomo, 187– 188). 246 Vgl. Walsh, Kings, 73; dort ohne weitere Belege; vgl. ferner Seibert, Scribes, 163–164. 247 Vgl. Walsh, Kings, 73, Anm. 1. 248 Vgl. ebd., 73. 249 Vgl. Duncker, Salomo, 188 (dort ohne nähere Versangabe). 250 So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 263; vgl. auch ebd., 74 Anm. 271.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Richtig ist: Diese Formulierung in 1 Kön 3,3 ist etwas Singuläres, es ist gut, dass die jüngere Forschung stärker darauf aufmerksam macht. An dieser Stelle soll nochmals auf die Einwände von Jerome T. Walsh, Christina Duncker und Christa Schäfer-Lichtenberger eingegangen werden. Es ist durchaus richtig, dass ein Gehen in den Satzungen anderer Menschen eine Negativbewertung implizieren kann. Nachfolgend werden dafür zwei Stellen als Beleg angeführt: 2 Kön 17,8.19. Zunächst sei auf V 19 hingewiesen: Auch Juda hielt nicht die Gebote JHWHs seines Gottes, und sie wandelten in den Satzungen Israels (+x — :š g’ –' =Ld† %ž C’ K)v +„’ Q— ™#), die sie gemacht hatten (Kg  4š :f† ˜ ). ”

Völlig unstrittig ist, dass die Satzungen Israels hier Ausdruck der Abkehr von JHWH und seinen Geboten sind und Juda somit ein schlechtes Zeugnis ausgestellt bekommt.251 Mindestens ebenso deutlich ist aber auch, dass hier nirgends der Anschein erweckt wird, dieses so konstituierte Juda liebe seinen Gott, wie es für Salomo in 1 Kön 3,3 geschieht. Ähnlich verhält es sich in 2 Kön 17,8, wo die Kinder Israels nach den Satzungen der Völker und Könige wandeln, die der Herr vor ihnen vertrieben hatte: Und sie wandelten in den Satzungen der Völker (-'LE –v !™ =Ld„ %ž C’ K) { + ’ Q— ™#), die JHWH vor den Kindern Israels vertrieben hatte und [in denen, MN] der Könige Israels, die sie gemacht hatten (-'LE –v !™ =Ld„ %ž C’ K) { + ’ Q— ™#).

Dieses Wandeln wird als Ausdruck des Sündigens gegen JHWH verstanden, wie es im voranstehenden Vers 17,7252 beschrieben ist. Auch hier wird nirgends der Eindruck erweckt, es gehe um einen Ausdruck der Liebe zu JHWH, der dann durch das Wandeln in den falschen Satzungen ins Gegenteil verkehrt würde.253 Auch die Vorstellung, dass sich rechtschaffenes Verhalten immer auf die Satzungen JHWHs bezöge, ist zu relativieren. In Ez 33,15 wird zwar nicht auf ein menschliches Vorbild referiert, der Ausdruck „in den Satzungen des Lebens { –Q%™ !  ™ =Ld… %ž C’ ) für den reumütigen Gottlosen ist aber nicht wandelt er“ (T+™ v !š -' einfach mit dem Wandeln in den Satzungen JHWHs gleichzusetzen.254 Wenn ein Wandeln in Satzungen des Lebens, die sich im Letzten zwar auf JHWH beziehen, aber eben doch einen eigenen Begriff bilden, positiv konnotiert sein kann, gleichzeitig der Terminus „Satzung“ in 1 Kön 3,3 aber nicht zu eng

251 Vgl. Hentschel, Könige, 217; Sweeney, Kings, 395. 252 Und es geschah, weil die Kinder Israels sündigten ( {+— :š g’ –'¡' 1— ’ K… &’ %¡' š V  – '!y– ’' ™#) gegen JHWH, ihren Gott, ihren Heraufführer (-{ =œš  !…+˜ 4” ]™ !) ™ aus dem Land Ägypten, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. Und sie fürchteten andere Götter (-':  – %— ” -'!Y † – “ Kx :'’ Q  – ™#). 253 Vielmehr tritt die Verfehlung Israels deutlich zu Tage (vgl. Hentschel, Könige, 215; Sweeney, Kings, 395; vgl. ferner Brueggemann, Kings, 477–478). 254 Walther Zimmerli sieht deutliche Anklänge an Ez 18,7 gegeben. Die dort in einer Reihe zusammengestellten, konkreten Satzungen könnten dann als Hintergrund der Wendung in Ez 33,15 gesehen werden (vgl. Zimmerli, Ezechiel, 806). Dann stünden ganz konkrete Satzungen im Hintergrund. Moshe Greenberg plädiert für ein offeneres Verständnis, wenn er eher allgemein auf Satzungen hinweist, durch die der Mensch leben kann, und auf „meine Satzungen“ in einigen JHWH-Reden (Ez 18,9.19; 20,11.13) verweist (vgl. Greenberg, Ezechiel, 373). Für Franz Sedlmeier geht es in Ez 33,15 darum, „einen Weg aus der gegenwärtigen Todverfallenheit herauszufinden“ (Sedlmeier, Ezechiel, 147).

B 3 Textanalyse

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verstanden werden darf, kommen dann nicht auch weitere Stellen als Verstehenshorizont für V 3 in Frage? Ein Beispiel dafür könnte 1 Sam 8,3 sein. Samuel war alt geworden und hatte seine Söhne als Richter eingesetzt (8,1), deren Namen auch genannt werden (8,2). Dann heißt es: Und seine Söhne gingen nicht auf seinen Wegen (#)š :š ’ C– #'{ š1š K)… +’ !¡ š œ +  ’# / #')šv :š ’ C), – sondern sie strebten nach dem Vorteil. Und sie nahmen Bestechung und beugten das Recht (&a  š f’ /– KPx ™Q ™#).

Samuel mag in den biblischen Erzählungen, in denen er auftritt, eine schillernde, mitunter mit ambivalenten Zügen ausgestattete Figur sein.255 Daran, dass er hier als lobenswertes Vorbild von seinen Söhnen abgehoben wird, die in ihren Fehlern eben nicht den Wegen ihres Vaters Samuel folgen, kann aber kein Zweifel bestehen.256 Die Wege eines Menschen können also durchaus nachahmenswert sein. Die Frage ist viel eher, ob die hier genannten „Wege“ bedeutungsverwandt mit den Satzungen aus 1 Kön 3 sind. Das Hebräische schließt bei dem Nomen (: in der Bedeutung sowohl den biographisch beschreibbaren Lebensweg,257 als auch den „Lebenswandel“ im Sinne der moralischen Verantwortung einer Person auf diesem Lebensweg ein.258 Bemerkenswert ist auch, dass das Verb (+! in seiner Grundbedeutung „gehen“ für eine Verbindung mit „Satzungen“ eigentlich nicht geeignet ist, daher ohnehin ein metaphorischer Sprachgebrauch vorliegt. Das „Gehen in den Wegen“ scheint dabei eher so etwas wie der Lieferant jener Metapher zu sein, die in 1 Kön 3,3 zu finden ist.259 Wenn Joschija auf dem Weg Davids geht, dann findet dies JHWHs Zustimmung (2 Kön 22,2): Und er [Joschija] tat, was recht war in den Augen JHWHs. Und er ging auf dem ganzen Weg seines Vaters David (#'v– š „#–Gš T{ :˜ G¡+ { ˜ )š C’ T+˜ Q—y ™#), und er wendete sich weder nach rechts noch nach links.

Hier ist nun sogar explizit König David als Vorbild genannt, sogar als eines, dem jemand (Joschija) erfolgreich nacheifert.260 Abschließend soll noch einmal auf den zweiten kritischen Punkt geschaut werden, auf die „Satzungen Davids“. Was genau ist damit gemeint? Wie bereits 255 256 257 258 259 260

Vgl. Dietrich, Samuel I, 824. Vgl. Budde, Samuel, 53; Dietrich, Samuel II, 356; Hertzberg, Samuelbücher, 55. Vgl. Jenni, (:, 458; u. a. mit Verweis auf Gen 6,12; Jos 23,14; 1 Kön 2,2. Vgl. Bergmann, (:, 289–290. Zum Begriff (: im Sinne von Gesetz vgl. Braulik, Ausdrücke, 21–23. Vergleiche mit David scheinen in den Königebüchern eine besondere Stellung zu besitzen. Funktion und Bedeutung dieser Vergleiche hat jüngst Amos Frisch aufgearbeitet. Er führt die expliziten Vergleiche mit David in den Einleitungsformularen zu einigen Königen als Beleg an: „One of the most prominent methods of evalution in the book of Kings takes David as the standard: worthy kings are linked to him, unworthy kings are contrasted to him.“ (Frisch, Comparison, 5). Als Belege führt Frisch die Texte zu Abija (1 Kön 15,3), Asa (15,11), Amazja (2 Kön 14,3), Hiskija (2 Kön 18,3) und Joschija (2 Kön 22,2) an (vgl. ebd., 5–6). Für Salomo in 1 Kön 3,3 konstatiert Frisch einen davon abweichenden, aber doch formelhaften Gebrauch des David-Vergleiches, was auch damit zusammenhängt, dass er die Salomo-David-Vergleiche in 3,3 und 11,4–6 als Substitut für die bei anderen Königen üblichen Formulare versteht (vgl. Frisch, Comparison, 7). Zur Diskussion um die Einleitungstexte in den Königebüchern siehe die Darstellung zur Form der Verse 2–3 ab S. 75.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

gesehen, wird dieser Ausdruck mitunter mit den Anweisungen Davids gleichgesetzt, die dieser sterbend seinem Sohn Salomo mitgibt (1 Kön 2,1–9).261 Jerome T. Walsh vertritt die Auffassung, dass dabei vor allem an die Beauftragungen zur Tötung Joabs und Schimis zu denken sei, weil diese die letzten Aktivitäten Davids gewesen seien.262 Diese Einschätzung wird der Abschiedrede Davids, besonders hinsichtlich ihrer auffälligen Struktur, nicht gerecht. Die Abschiedsrede Davids ist von einem merkwürdigen Bruch nach V 4 gekennzeichnet. Zunächst wird Salomo auf die Treue zu JHWHs Geboten eingeschworen. In V 3 ist es dann ausrücklich JHWHs Weg, den David seinem Sohn anempfiehlt ( =)…˜ +˜ +š #'{ )š :š ’ C– ), und es sind JHWHs Satzungen (#'=œ… š d%ž ), die Salomo halten soll. Die Verse 1–4 stellen ganz allgemeine Hinweise zur prinzipiellen Befolgung der Gebote Gottes dar, während die Verse 5–9 mit sehr viel konkreteren Anweisungen aufwarten.263 Die Söhne Barsillais sollen verschont, Joab und Schimi aber von Salomo getötet werden.264 Es bedarf keiner größeren Diskussion, um festzustellen, dass diese Verse ein merkwürdiges Licht auf David werfen. Die Schilderung der Durchführung dieser Anweisungen durch Salomo wird gewissermaßen vorweggenommen und so David mit in das blutige Geschehen involviert.265 Dennoch weist 1 Kön 3,3 mehr Bezüge zur formelhaften Sprache der Hinweise Davids (2,1–4) auf als zu den konkreten Tötungsanweisungen der folgenden Verse. Eine Diskreditierung des in 1 Kön 3,3 beschriebenen Verhaltens Salomos mit Verweis auf Davids Testament in 1 Kön 2,1–9 ist nicht überzeugend. Den Abschluss von V 3 und damit auch den Abschluss des Erzähleinstieges 2,46b–3,3 bildet die wiederum mit 9:| ™ („jedoch“) eingeleitete Notiz, dass auch Salomo auf den Höhen zu opfern pflegt.266 Kam diese Mitteilung bezüglich des Volkes in V 2 relativ unvermittelt daher, wirkt sie im Binnenzusammenhang von V 3 wie ein konstruierter Gegensatz, in dem das „aber“ greift. Einerseits liebt Salomo JHWH, aber er opfert eben doch auf den Höhen (was mit Blick auf V 3a nochmals zeigt, dass das Gehen in Davids Satzungen positiv konnotiert sein dürfte, wenn die Höhenopfertätigkeit davon abgehoben wird). Zusammen mit der Bemerkung von V 2, dass auch das Volk das tat, wird für Salomos Opfertätigkeit eine Erklärung geliefert, bevor die Leserin, der Leser überhaupt davon erfährt. Beim konkreten Opfergang Salomos nach Gibeon (V 4) kann folglich niemand mehr überrascht sein. Am Ende von V 3 werden, anders als bei der Erwähnung der Höhenopfertätigkeit des Volkes (V 2), zwei Begriffe verwendet: Er war ein Schlachtopfernder und ein Rauchopfernder (:'&  – 9’ /K ™ ´™ Cx — ™$/’ K!). †

261 Vgl. Walsh, Kings, 73; vgl. ferner Duncker, Salomo, 188. 262 Vgl. Walsh, Kings, 73. 263 Vgl. Rehm Könige, 31. 264 Vgl. Brueggemann, Kings, 27–30. 265 Vgl. Noth, Könige, 29–31. 266 Roger L. Omanson und John E. Ellington weisen darauf hin, dass das Personalpronomen #! hier nicht emphatisch gebraucht wird (etwa um den Hinweis auf Salomos Opfertätigkeit zu verstärken), sondern die nachstehenden Partizipien vereindeutigt (vgl. Omanson / Ellington, Kings, 107).

B 3 Textanalyse

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Für das erste der beiden Partizipien lässt sich die gleiche Bedeutung vermuten wie in V 2 bei der Opfertätigkeit des Volkes, nämlich als Ausdruck aller denkbaren Opfer, die Salomo eben auf den Höhen darzubringen pflegt. Mitunter wird erwogen, dass hier ein eigenständiges Weihrauchopfer angezeigt sein könne, das auf das eigentliche Opfer folge.267 Mit Gewissheit lässt sich das aber nicht erschließen. Eine irgendwie geartete, besondere Qualität der Höhenopfer Salomos lässt sich daraus nicht herleiten. Martin Noth hält es für wahrscheinlich, dass hier „eine herkömmliche Wortzusammenstellung, die in der Bedeutung ,schlachten und verbrennen‘ allgemein das kultische Opfer ohne Bezug auf bestimmte Opferarten meint“,268

vorliegt. Tatsächlich lassen sich weitere Stellen ausfindig machen, an denen Formen der Verbalwurzeln %$ und :&9 in ähnlicher Weise kombiniert sind.269 Bei allen Opfergewohnheiten, von denen in den Versen 2–3 die Rede ist, wird im Text kein Adressat der jeweiligen Opfer genannt. Somit ist die Frage zu stellen, wem diese Opfer gelten. Wenngleich die Beobachtung der fehlenden Adressaten im Text richtig ist, kann letztlich kein Zweifel daran bestehen, dass die genannten Praktiken an JHWH, den Gott Israels, gerichtet sind.270 Dafür sprechen drei Argumente. Zunächst ist es der JHWH-Tempel in Jerusalem, mit dessen Fehlen die Opfergewohnheiten des Volkes im Text begründet werden (vgl. V 2). Des Weiteren wird Salomo, unmittelbar vor der Erwähnung seiner Opfergewohnheiten, ein Lieben JHWHs attestiert. Schließlich dürfte die Leserin, der Leser erwarten, dass auf einen Gottesdienst für andere (=fremde) Götter, wie er in 1 Kön 11,4–8 problematisiert wird, eigens und ausdrücklich hingewiesen werden müsste.

3.1.2 Zum gesamten Abschnitt Nach der Analyse der Einzelverse folgen nun Beobachtungen und Analysen, die den Abschnitt 1 Kön 2,46b–3,3 als Ganzen betrachten. Dabei werden die Analyse der Figurenkonstellation, die Beobachtungen zur Charakterisierung Salomos, zu Orten und Räumen, zur Zeitstruktur des Abschnitts sowie Überlegungen zu einer möglichen Formbeschreibung des Abschnitts dargestellt. Vers 1 berichtet von der Verschwägerung und der Heirat auffällig wortkarg. Der Fokus liegt ganz auf der Figurenkonstellation, letztlich also dem Beziehungsraum zwischen den handelnden Figuren. Salomo und der Pharao sollen 267 So Rehm, Könige 42; vgl. ferner Montgomery / Gehmann, Kings, 104. 268 Noth, Könige, 49. 269 Neben 1 Kön 3,3 gibt es sieben weitere Belege einer Kombination dieser beiden Verben in dieser Reihenfolge. In 2 Kön 16,4 und in der entsprechenden Chronikparallele 2 Chr 28,4 wird so die (illegitime, vgl. Cogan, Kings, 185) kultische Praxis von König Ahas dargestellt (allerdings nicht, wie bei Salomo, in partizipialer Form, sondern mit Narrativformen: =#/ :&9'# %$'#). In 1 Kön 22,44; 2 Kön 12,4; 14,4; 15,4.35 wird jeweils wortgleich die Höhenopferpraxis des Volkes beschrieben (=#/ -':&9/# -'%$/ -3!). 270 So auch McKenzie, Trouble, 120.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

verbunden, die Prinzessin nach Jerusalem gebracht werden. Salomo, dessen Name in 2,46b mit dem Nomen „Königsherrschaft“ verknüpft wird, verbündet sich so mit einem der ganz großen Könige, dem Pharao. Dieser wird ausdrücklich als „König Ägyptens“ bezeichnet. Der Pharao und die Pharaonentochter spielen in den VV 2–3 keine Rolle mehr. In V 2 tritt das Volk als entscheidende Größe in Erscheinung. Es wird davon berichtet, dass das Volk auf den Höhen opfert. Die Begründung dieses Opferns verknüpft die Tätigkeit des Volkes mit Salomo, das Volk scheint in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zum König zu stehen. Weil der Tempel, für den der König verantwortlich ist, noch nicht gebaut worden ist, opfert das Volk auf den Höhen. In V 3 ist wieder Salomo im Fokus. Er wird zu JHWH und David in Beziehung gesetzt, JHWH als Adressat von Salomos Liebe, David als Geber der Satzungen, in denen Salomo wandelt (V 3a). V 3b stellt Salomo als einen Menschen vor, der auf den Höhen opfert. Da dies bereits zuvor vom Volk berichtet wird, wird Salomo gewissermaßen in das Kollektiv des opfernden Volkes eingeordnet, zugleich aber, durch die eigene Erwähnung, aus diesem hervorgehoben. Daraus ergibt sich, dass die Charakterisierung Salomos in diesem Abschnitt von einer großen Offenheit gekennzeichnet ist. Es ist der Leserin, dem Leser an dieser Stelle noch nicht möglich, ein Urteil über die Figur Salomo zu fällen. Zu einfache Kategorisierungen einzelner Aussagen für eine Charakterisierung Salomos sind an dieser Stelle noch nicht möglich.271 Salomo wird als aktiv handelnder König vorgestellt, der wesentliche, auch für seine Regierungstätigkeit bedeutsame Bauprojekte in Angriff nimmt und der seine Heiratspolitik bewusst zur Stärkung außenpolitischer Kontakte nutzt. Religiös ist Salomo dadurch herausgehoben, dass er JHWH ausdrücklich liebt. Seine Kultpraxis auf den Höhen wird durch die Parallelisierung mit der des Volkes als gewöhnlich qualifiziert. In dieser Hinsicht ist Salomo nicht herausgehoben, vielmehr folgt er dem israelitischen Mainstream. Welche Orte und welche Räume werden in dem Abschnitt vorgestellt? In 2,46b und in den beiden ersten Sätzen von 3,1272 scheint sich das Geschehen beinahe ortlos, ohne topographische Anhaltspunkte abzuspielen. Zwar wird der Pharao als König Ägyptens bezeichnet. Die Schilderung eines Kontaktes aber oder irgendeiner Reise bleiben aus. Im Kontrast dazu zeigt sich die zweite Vershälfte sehr an konkreten Lokalisierungen interessiert. Die Königstochter wird in die Davidsstadt gebracht, die zu Jerusalem gehört. Durch ihre Nennung und die 271 Christa Schäfer-Lichtenberger versucht eine solche Zuweisungspraktik, muss aber beispielsweise V 2, der dem Höhenkult Salomos eine „zeitliche Begrenzung“ (SchäferLichtenberger, Salomo, 263) setzt, als späteren Zusatz bezeichnen, um darzulegen, warum Höhenopfer sich prinzipiell gegen JHWH richten (so ebd.): „Analysiert man die den Aussagen 3,1.3 zu Grunde liegende Beziehungsstruktur Salomo-JHWH, dann zeigt sich folgender Verlauf der Beziehung: 1) Salomo nimmt eine ägyptische Ehefrau – gegen JHWH. 2) Salomo wird den Tempel bauen – für JHWH. 3) Salomo liebt JHWH – Salomo ist auf der Seite JHWHs. 4) Salomo opfert auf den Höhen – gegen JHWH.“ (ebd., 265). 272 Sie beginnen mit den Narrativen 0k„ — %™ =’ –Q ™# und %d„ ™ –Q ™#.

B 3 Textanalyse

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Erwähnung der Bautätigkeiten an Palast, Haus JHWHs und der Mauer, die alles umrundet, entsteht bei der Leserin, dem Leser eine räumliche Vorstellung von Jerusalem als einer (wenngleich noch im Bau befindlichen) befestigten Königsstadt. Diese vorgestellte Stadt ist dabei nicht von den Wohnhäusern ihrer Einwohner, sondern von repräsentativen Bauwerken geprägt. Das entspricht durchaus einer gewissen Logik: Salomo, in dessen Hand, wie der Eröffnungssatz 2,46b sagt, das Königtum gefestigt war, braucht auch eine befestigte Residenzstadt. In den Versen 2–3 treten dann die Höhen als Orte des Opferns in den Blick. Besonders V 2 konstruiert durch die Gegenüberstellung von Höhen und Jerusalemer Tempel ein räumliches Kontrastbild, zwei Gegenräume. V 3 geht in der Schilderung einen eigenen Weg. Hier bildet die ortsgebundene Opfertätigkeit auf den Höhen einen Gegenpol zur Weg-Metapher, die ihn als in den Satzungen Davids Gehenden beschreibt. Die Zeitstruktur des Abschnitts wird zum einen durch die in den 3,1b.2b genannten Bauprojekte als relative Chronometer geprägt, die durch den Gebrauch des Wortes 3 in beiden Versen miteinander verbunden werden. Zum anderen kann der Zeitfluss in den einzelnen Sätzen analysiert werden. 2,46b war als Zustandssatz qualifiziert worden, in dem das Resultat eines abgelaufenen Prozesses ausgedrückt wird. Die bereits besprochene Rolle des Verses legt nahe, dass damit kein Fazit unter bereits Erzähltes gezogen wird, sondern, im Sinne einer Überschrift, vorab auf das Resultat der folgenden Erzählung verwiesen werden kann. V 1 erzählt, stark gerafft, von der Verschwägerung Salomos mit dem Pharao, von der Heirat der Pharaonentochter und von deren Unterbringung. Die VV 2–3 nennen für das Volk und für Salomo typische Handlungsweisen und erzählen daher iterativ. Zur Form des Abschnitts ist erwogen worden, ob in den 3,2–3 die Modifikation eines Beurteilungstextes über einen König oder wenigstens ein Anklang an einen solchen vorliegen könnte.273 Für die späteren Könige sind solche Texte üblich. Felipe Blanco Wißmann hat in seiner Dissertationsschrift „,Er tat das Rechte …‘

273 Vgl. Benzinger, Könige, 14. Immanuel Benzinger sieht in den Königebüchern „eine Einleitungs- und Schlussformel bei jedem König, welche die Erzählung der Einzelheiten umschliesst, und seine Geschichte mit der des Vorgängers und Nachfolgers verbindet.“ (ebd., XIII–XIV). Diese Einleitungen bestünden aus einer chronologischen Angabe und einem Zeugnis über die Regierung des jeweiligen Königs (vgl. ebd., 14). Benzinger meint, zwar sei der chronologische Teil in 1 Kön 3 ausgefallen, aber der Teil mit dem Zeugnis über die Regierung „findet sich nach Form und Inhalt ganz in der zu erwartenden Weise in [V, MN] 3“ (ebd.; vgl. ferner Buis, Rois, 52). Martin Noth bezeichnet 1 Kön 3,2–3 im Rahmen der Formbeschreibung als „deuteronomistische[n, MN] Vorspruch zu der anschließenden Erzählung“ (Noth, Könige, 45).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Beurteilungskriterien und Deuteronomismus in 1 Kön 12–2 Kön 25“ „Beurteilungstexte“ über einzelne Könige im genannten Textabschnitt untersucht.274 Er entwickelt eine Definition zur Abgrenzung solcher „Beurteilungstexte“: „Es empfiehlt sich, von solchen Texten auszugehen, die die Handlung nicht vorantreiben, sondern eine gegenüber dem Erzählverlauf distanzierte Perspektive einbringen. Besonders deutlich ist die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe von Texten dabei für die Rahmennotizen: Sie unterbrechen den Erzählstoff immer wieder gliedernd, sie bringen also ein Moment der Inkohärenz ein […] und stellen die narrative Kohärenz der Königebücher her. Sie bringen dabei direkte Beurteilungen ein, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglassen (,er tat das Rechte / das Böse in den Augen Jhwhs‘)“.275

Die Salomo-Erzählungen gehören nicht zu dem von ihm untersuchten Textbereich. Lassen sich Modifikationen solcher Beurteilungstexte dennoch in in den Salomo-Erzählungen finden? Für Salomo träfe die Definition Wißmanns noch am ehesten auf 1 Kön 11,6–8 zu, wo es in V 6 ausdrücklich heißt, er habe š ’' '„1'— 4— C’ 3:x ™ !š !/ œ } Yf’ g4ˆ™ Q™ ™#). In 1 Kön 3 das in den Augen JHWHs Böse getan (!r#! findet sich keine der beiden Formulierungen aus Wißmanns Definition. Auf den ersten Blick taugt auch der Bericht darüber, dass Salomo auf den Höhen opfert, nicht als Äquivalent zu den Beurteilungstexten anderer Könige. Wie Felipe Blanco Wißmann herausgearbeitet hat, werden die Könige gerade nicht anhand des Höhenkultes beurteilt. Vielmehr können positive Beurteilungen gegeben werden, die im Gegensatz zum fortbestehenden Höhenkult zustande kommen. Als Beispiel führt Felipe Blanco Wißmann die Beurteilung für König Asa in 1 Kön 15,14 an:276 Und die Höhen wichen nicht (K:2¡ r š œ + =L/x Cš !™ ’#).Jedoch war das Herz Asas vollständig mit JHWH (!x#! š ’'¡-4– -}+— fš !†'š !š 2yš ¡ š ™ ’+ 9:), „ ™ alle seine Tage.

Ebenso wird auch für Salomo in 1 Kön 3,3 festgestellt, dass es zwar Höhenkult gibt, die persönliche Beziehung des Königs zu JHWH aber lobenswert ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es in den von Wißmann untersuchten Beurteilungstexten anderer Könige nie die Könige sind, die beschuldigt werden. Vielmehr ist das Bedauern über den Fortbestand der Höhen „verbunden mit dem Blick auf das falsche Handeln des Volkes“277.

Nun könnte man argumentieren, dass das Verhalten des Volkes in 1 Kön 3,2 und das des Königs in 1 Kön 3,3 besprochen werde. Was in 1 Kön 3 allerdings auffällt, ist, dass die Höhenopfertätigkeit des Volkes nur mit einem Partizip ausgedrückt wird (-'%x – C’ ™$/’ ). Die Verbindung von Partizipien der Verbalwurzeln %$ und :&9, ™ ´™ Cx — ™$/’ ), ist nun exakt jene wie sie für Salomo in V 3,3 gebraucht wird (:'&  – 9’ /K

274 Vgl. Wißmann, Beurteilungskriterien; vgl. auch in der vorliegenden Arbeit Anm. 269 auf S. 73. 275 Wißmann, Beurteilungskriterien, 24. 276 Vgl. ebd., 74. 277 Ebd.

B 3 Textanalyse

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Kombination, die für die Höhenopfertätigkeit des Volkes in vielen Beurteilungstexten gebraucht wird (-':&9/# -'%$/).278 1 Kön 3,2 nimmt zwar „ein typisches Deuteprinzip der Königebücher“279 auf, modifiziert es aber. Das Volk und der König opfern auf den Höhen. Die Opfertätigkeit des Königs wird in V 3 von den gebrauchten Worten her sogar so beschrieben, wie es in folgenden Texten für den illegitimen Höhenkult des Volkes geschieht. Das entscheidende Argument für die Schlechtigkeit des Höhenkultes verfängt aber nicht, solange der Tempel nicht gebaut ist.280 Von einem Beurteilungstext kann in 1 Kön 3,2–3 weder für Salomo noch für das Volk gesprochen werden. Dennoch gibt es Ähnlichkeiten mit diesen Beurteilungstexten.

B 3.2 Opfer und Traum 1 Kön 3,4–15 3.2.1 Einzelanalyse 1 Kön 3,4: Und der König ging nach Gibeon, um dort zu opfern, denn sie ist die große Höhe. Tausend Brandopfer lässt Salomo aufsteigen auf jenem Altar. V 4 setzt unmittelbar mit dem Gang Salomos nach Gibeon ein. Für dieses Gehen wird zwar ein Narrativ (T+˜ {—Q ™#) verwendet, dennoch ist es auffällig, dass damit die Verbwurzel des Wandelns in den Satzungen Davids aus V 3 wieder aufgenommen wird ((+!), nun aber nicht im metaphorischen Sinne, sondern zur Beschreibung eines konkreten Ganges. Der Beweggrund für dieses Gehen wird unmittelbar, in Form einer Infinitivkonstruktion, nachgeliefert: um dort zu opfern (-fšv ´™ œC„ ’$+– ). In 278 In 1 Kön 22,44; 2 Kön 12,4; 14,4; 15,4.35 wird jeweils wortgleich die Höhenopferpraxis des Volkes beschrieben; vgl. auch Anm. 269 auf S. 73. 279 Wißmann, Beurteilungskriterien, 73 Anm. 377. 280 Vgl. Wißmann, Beurteilungskriterien, 73; vgl. ferner Benzinger, Könige, 14. Mit diesem Argument, mit dem Verweis auf die ausstehende Fertigstellung des Tempels, kann auch Reinhard Müller begegnet werden. Er formuliert: „Daß David in den Frömmigkeitsnotizen der Südreichskönige mehrfach als Referenzgröße benannt wird (I Reg 15,11; II Reg 14,3; 16,2; 18,3; 22,2), zeigt erneut, daß sich das Frömmigkeitsurteil nicht allein an der Frage der Kultzentralisation bemessen kann. Die Errichtung des zentralen Reichsheiligtums durch Davids Sohn und Nachfolger Salomo manifestiert vielmehr den von David gegründeten Idealzustand von einem Reich, das Israel und Juda umfaßt. Doch schon der Erbauer des Tempels tut ,das Böse in den Augen Jahwes‘ (I Reg 11,6), was mit seiner Vielweiberei begründet wird, die ihn offenbar von der idealen, auf den Einheitsstaat ausgerichteten Position abbringt (vgl. v.a. die Heirat mit einer ägyptischen Prinzessin 3,1; 11,1).“ (so Müller, Königtum, 80). Wenn David als Referenzgröße zur Beurteilung der Frömmigkeit nachsalomonischer Könige herangezogen wird, dann ist er eben ein König vor dem Tempelbau, und kann von einem König, der auf den Höhen opfert, obwohl der Tempel schon gebaut ist, durchaus positiv abgehoben werden. Vgl. zum Zusammenhang des Tempelbaus mit der Bewertung der Höhenopfer auch Lowery, Kings, 27. Zur Vielfältigkeit der Bedeutungen von Höhenopfern im Alten Testament vgl. auch Brueggemann, Kings, 46.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

V 3 waren für die Opfergewohnheiten Salomos zwei Termini gebraucht worden. Hier wird seine Intention auf dem Gang nach Gibeon lediglich mit dem genannten Infinitiv constructus der Wurzel %$ angegeben. Nach der Nennung des Tempels und der Höhen (Plural!) in den vorangegangenen Versen muss nun eine Begründung folgen, warum Salomo zum Opfern ausgerechnet nach Gibeon geht: š ’E!™ !/„ š Cš !™ '!x – 'V† – ).281 Sie ist die große Höhe (!r+L Weil das nicht aus sich heraus einsichtig ist, wird unmittelbar danach erklärt, wofür Salomo diese große Höhe braucht; er lässt 1000 Brandopfer auf ihrem Altar œ v Yf’ !„+˜ 4” ™' =L+œ { 3 5+˜ … ˜ ). Mit dem „aufsteigen aufsteigen (K!  !™ ´™ C† — ’$]– !™ +4x ™ !/ lassen“ ist ein weiterer Terminus aus dem Wortfeld „Opfer“ eingeführt, welcher Salomos zunächst knapp erwähnte Intention aus V 4a näher umschreibt. Wer eine Entschuldigung des salomonischen Opferverhaltens in V 3 vermisst hat, wird kaum leugnen können, dass eine solche hier nachgereicht wird. So ein gewaltiges Opfer konnte Salomo nur dort darbringen, auf der großen Höhe. Anderswo wäre nicht der geeignete Ort gewesen und wohl auch nicht ausreichende logistische Voraussetzungen. Aus diesen logistischen Bedingungen heraus ließe sich für die Leserin, den Leser auch erschließen, dass Jerusalem aus einem praktischen Grund ausscheiden könnte. Hier hätte zu diesem Zeitpunkt (während der Bauarbeiten) die Infrastruktur für ein solches Opfer möglicherweise gar nicht ausgereicht.282 Auffällig bleibt die Zahl der 1000 Opfer dennoch. Ein solch gewaltiges Opfer, bei dem 1000 Tiere herangebracht, geschlachtet, verarbeitet und entsprechend verbrannt werden, ist nur schwer vorstellbar. Mehr als man sich vorzustellen vermag, so scheint es hier im Hintergrund zu klingen, opfert Salomo in Gibeon. Auf der Ebene des gesamten Salomo-Zyklus gelesen kommen natürlich die 1000 Frauen (700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen) in den Sinn, die Salomo in 1 Kön 281 Von der grammatischen Konstruktion her dürfte hier ein Superlativ vorliegen, der Gibeon als die größte unter den Höhen qualifiziert (vgl. Gesenius / Kautzsch, §133f; ferner Brockelmann, Syntax, §60c). Allein die determinierte Ausweisung als die große Höhe würde jedoch schon genügen, um die Besonderheit Gibeons unter den Höhen herauszustellen. Welche der möglichen Konnotationen von „groß“ (+#) hier zu veranschlagen ist, also eher eine räumliche oder eine auf ihre Würde und Stellung unter den Opferstätten abzielende, hängt auch an der Bestimmung des Zusammenhangs der Aussage mit dem darauffolgenden Opferbericht. 282 An einer anderen Stelle ist es wieder Salomo, der mit seinem großen Opfer auf den Innenhof des Jerusalemer Tempels ausweichen muss, weil der Altar zu klein ist (1 Kön 8,64): An jenem Tag (K!y !™ -L „QC) ™ heiligte der König die Mitte des Vorhofs, der vor dem Haus JHWHs ist, denn er machte dort das Brandopfer und das Speiseopfer und das Fett der Friedensopfer (-'/r – +š i’ !™ '„— +’ %˜ =x — ’# !%vš ’1]– !¡=   š ˜ -fšy !gš 4¡' „ š V– ), denn der ™ ˜ ’# !{ +œš 3!¡= Bronzealtar, der vor JHWH ist, war zu klein um zu fassen (€ {+')– !š /  — 0œ&y 9) š das Brandopfer und das Speiseopfer und das Fett der Friedensopfer. Von den gebrauchten Opfertermini her verbindet der Begriff „Brandopfer“ (1 Kön 3,4 im Plural: =L+œ { 3) 8,64 mit 3,4 (vgl. Mulder, Kings, 453). Bereits in 8,63 wird die Zahl der Opfertiere auf 22 000 Rinder und 120 000 Schafe beziffert. Wieder wird, wie in 3,4, von einem Opfer Salomos für JHWH von übermäßiger Größe erzählt und so Salomos Frömmigkeit unterstrichen (vgl. Würthwein, Könige, 101). Dass die Zahl der Opfertiere in 8,64 die von 3,4 weit übersteigt, könnte die Bedeutung des Tempels gegenüber der Höhe von Gibeon unterstreichen (so Rehm, Könige, 99). Die einleitende Formulierung „an jenem Tag“ muss das nachstehend Geschilderte nicht zwingend auf einen Tag beschränken, sondern kann darüber hinaus eine begrenzte Periode meinen (so Mulder, Kings, 452).

B 3 Textanalyse

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11,3 zugeschrieben werden. Es sind diese beiden Stellen, zu Beginn und am Schluss des Salomo-Zyklus, in denen die Zahl 1000 eine Rolle spielt. Aus dieser Gegenüberstellung eine Wertung in 1 Kön 3,4 hineinzulesen, wäre jedoch kaum zu begründen.283 Wem diese genannten 1000 Opfer gelten, wird aus V 4 selbst heraus nicht ersichtlich. Ähnliches konnte auch für die in den VV 2–3 genannten Opfergewohnheiten festgestellt werden. Theoretisch könnte Salomo ja auch irgendeinem anderen Gott als JHWH die Ehre erweisen. Allzu wahrscheinlich ist eine solche Lesart aber nicht. Logisch sinnvoller ist eher, dass die Opfer JHWH gelten, weil er dem Salomo im Anschluss erscheint. An dieser Stelle sollte erwartet werden, dass ein Opfer für eine andere Gottheit explizit Erwähnung fände. Diese für V 4 vorgestellte Auslegung geht davon aus, dass im gesamten V 4 eine fortschreitende Handlung geschildert wird. Salomos Gehen nach Gibeon { 3 5+˜ … ˜ ) stellen also eine (! š1œ 3{ ’ –E T+˜ ]… ˜ !™ T+˜ {—Q ™#) und sein dortiges Opfern (!„+˜ 4” ™' =L+œ Ereigniskette dar.284 Eine veränderte Lesart erhält, wer die finiten Verbformen in V 4 anders auflöst. V 4b ist nicht, wie noch 4a, im Narrativ formuliert, vielmehr steht die das Opfern betreffende Verbform (!„+˜ 4” ™') im Imperfekt (PK). Sie setzt auf der zeitlichen Ebene also nicht einfach den konkreten, einmaligen Opfergang fort. Für die Auflösung bieten sich dabei zwei Aspekte an, die hier ausgedrückt sein können.285 Die Opfertätigkeit kann frequentativ verstanden werden, also in dem Sinne, dass Salomo für gewöhnlich in Gibeon 1000 Opfer darbrachte.286 Im Falle dieser Auflösung wäre aus dem Text heraus nicht einmal zu klären, ob Salomo bei dem in V 4a geschilderten konkreten Gang überhaupt ein Opfer darbringt, oder ob V 4b nicht vielmehr ausschließlich eine Gewohnheit, nicht aber einen konkreten Vollzug beschreibt.287 Die andere Möglichkeit ist eine durative Auflösung, also in dem Sinne, dass ein solch großes Opfer einen längeren 283 Nach Christina Duncker „kann die Zahl der 1000 Opfer für Jhwh als Gegensatz zu den 1000 Frauen in 1 Kön 11 gelesen werden, die metaphorisch gesprochen tausendfach von Jhwh trennen“ (Duncker, Salomo, 195). Dem kann entgegnet werden, dass hier genauso gut die übermäßige, sich im Opfer ausdrückende Frömmigkeit Salomos positiv von der späteren Vielweiberei, die zu fremden Göttern verführt, abgehoben werden soll. Die einzige verantwortbare Aussage ist, dass in beiden Fällen eine übergroße Dimension angezeigt werden soll, hier die des Opferns, dort die der Heiratspolitik Salomos. 284 Wenngleich der Gebrauch des Imperfekts häufig registriert wird, erfolgt die deutsche Wiedergabe in den meisten Übersetzungen und Kommentaren so, als stünde ein „tempus historicum“ an dieser Stelle, also als würde eine flüssige Handlungskette „er ging … er ließ aufsteigen“ ausgedrückt (vgl. die Darstellung bei Schenker, Salomo, 27. Adrian Schenker nennt dort als Ausnahme mit richtiger Auflösung lediglich Cogan, Kings, 185). 285 Gemeint sind die nachfolgend vorgestellten Möglichkeiten „frequentativ“ und „durativ“, vgl. Joüon / Muraoka, § 113; vgl. ferner Gesenius / Kautzsch, § 107 b–e; vgl. auch die Diskussion bei Schenker, Salomo, 27; vgl. ferner Ehrlich, Randglossen, 222–223. 286 Freilich könnte die 1000-Zahl in diesem Fall auch als Summe mehrerer Opfergänge verstanden werden. 287 So die von Adrian Schenker bevorzugte Lesart, der im MT daher eine Entschuldigung Salomos gegenüber der für ihn älteren LXX-Vorlage liest. Die LXX hat einen Aorist, der den Opfervollzug klarer beschreibt (vgl. Schenker, Salomo, 27–28).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Zeitrahmen benötigt und nicht einfach in einem Akt zu erledigen ist, wie es hingegen für den Gang nach Gibeon möglich ist. Salomo wäre demnach nach Gibeon gegangen, hätte angefangen zu opfern und wäre damit eine ganze Weile beschäftigt gewesen. Auf diese Weise entstünde im Erzähltext eine nicht schließbare Lücke (permanent gap).288 Die Leserin, der Leser erführe nicht, ob es tatsächlich zu einem Opfervollzug in Gibeon kommt. Die Lesart, dass Salomo hier gar nicht geopfert hätte, hat allerdings einige Argumente gegen sich. Zunächst wäre es, allein auf der inhaltlichen Ebene, unverständlich, warum Salomo, der für gewöhnlich immer auf den Höhen opfert, nach Gibeon geht, um zu opfern, nach seiner Ankunft aber nicht opfert, sondern einschläft (vgl. V 5). Außerdem spricht gegen die frequentative Auflösung, dass dafür eine andere grammatische Form eindeutiger wäre. In den VV 2b (=L/r Cš C™ -'%x – C’ ™$/’ ) und 3a ™ ´™ Cx — ™$/’ K!† =L/v Cš C™ ) werden die allgemeinen Opfergewohnheiten des (:'&  – 9’ /K Volkes und Salomos geschildert. Verwendet werden dafür Partizipialkonstruktionen. Wenn nun in V 4 wieder eine allgemeine Gewohnheit ausgedrückt werden sollte, dürfte man eher ein Partizip als ein Imperfekt erwarten. Die in dieser Arbeit verwendete Wiedergabe „Salomo lässt aufsteigen“ versucht daher, die zweitgenannte Auflösungsvariante (durativ) zu verdeutschen.

1 Kön 3,5: In Gibeon erschien JHWH dem Salomo in dem Traum [in, MN] der Nacht. Und Gott sagte: Erbitte! Was soll ich dir geben? V 5 kennzeichnet den Beginn der Traumoffenbarung, der ziemlich abrupt eintritt. JHWH erscheint dem Salomo im Traum in der Nacht. Ein Zusammenhang mit dem zuvor erfolgten Opfer, etwa durch einen Erzählstimmenkommentar, wird von der Erzählung nicht hergestellt.289 Durch das direkte Aufeinanderfolgen beider Ereignisse, besonders aber durch die Nennung Gibeons als gemeinsamem Ort jeweils am Anfang der VV 4.5, entsteht dann doch der Eindruck eines Zusammenhangs. So ist wohl auch zu verstehen, warum dieser Zusammenhang in der Fachliteratur so regelmäßig hervorgehoben wird.290 Ernst Ludwig Ehrlich sieht in 1 Kön 3,4–15 „die vollständigste Inkubation im A.T.“291, vor allem deswegen, 288 Demnach konstituiert sich „narrative openness“, also offene / ungeklärte Stellen in der Erzählung, durch gaps, die, wenn sie bis zum Ende des Textes nicht geschlossen werden, permanent gaps heißen (so Segal, Tel Aviv School, 306). 289 Vgl. Duncker, Salomo 195. Auch der Abstand zwischen beiden Versen im MT scheint dafür zu sprechen. Die Eingriffe von LXX und Peschitta, die den Ortsnamen in V 5 mit in den voranstehenden Vers ziehen, scheinen den Eindruck verschärfen zu wollen, dass es sich hier um zwei eigenständige Ereignisse handelt. 290 Vgl. die Diskussion bei Duncker, Salomo, 195. 291 Ehrlich, Traum, 19. Hinzu treten die nach Ernst Ludwig Ehrlich für eine „Inkubation“ charakteristischen Merkmale Opfer, Schlaf im Heiligtum, Erscheinung der Gottheit und erneutes Opfer nach dem Erwachen (vgl. ebd., 14–15; vgl. ferner die Darstellung bei Duncker, Salomo, 195). „Inkubation“ ist bei Ehrlich ein Begriff zur Kategorisierung von Träumen im Alten Testament.

B 3 Textanalyse

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weil er davon ausgeht, dass der Opfergang mit dem Ziel einer Traumoffenbarung angetreten wird.292 Dafür gibt es im Text aber keinen Anhaltspunkt.293 Christina Duncker hat diesen Gedanken daher mit Recht zurückgewiesen.294 Eine Gotteserscheinung im Traum ist kein außergewöhnlicher Vorgang.295 Die in 1 Kön 3,5 vorliegende Formulierung aus einer Nifal-Form der Verbalwurzel !: (!ˆ š :’ –1) und dem Begriff für Traum (hier in der plene-Schreibweise und mit Präposition: -L „+%” C™ ) ist im Alten Testament einmalig. Für sich genommen sind beide Ausdrücke aber durchaus gebräuchlich. !: im Nifal mit Gott oder JHWH als Subjekt ist ein „terminus technicus für das Erscheinen Gottes“.296 Der Begriff -#+% / -+% findet im Alten Testament 61 Mal Verwendung und bezeichnet Träume unterschiedlicher Art.297 Salomo tritt damit in den Kreis jener biblischer Figuren, die im Traum Gottesbegegnungen haben.298 Eröffnet wird das Gespräch in der Traumoffenbarung mit der Anrede Salomos –v “ :/ ˜ œ Q„ ™#). Es folgt in wörtlicher Rede eine Aufforderung und durch Gott (-'!Y   š k˜ ˜ !/† š +x ™ f’ ). Mit dem eine Frage: „Erbitte! Was soll ich Dir geben?“ (T+¡0 Imperativ der Wurzel +f ist ein Leitwort der Erzählung von der Traumoffenbarung erstmals gebraucht. Die Grundbedeutung ist mit „fragen“ oder „bitten“ wiederzugeben, wobei diese beiden Dimensionen nicht strikt getrennt sein müssen: Es geht zunächst darum, sich an jemanden zu wenden oder jemanden um etwas zu ersuchen.299 Formen dieser Verbalwurzel kehren in den VV 10.13 sowie fünffach in V 11 wieder. Es wird damit ausschließlich von Gott und nie von Salomo gebraucht. Gott ist es, der Salomo in V 5 zur Formulierung einer Bitte auffordert und später Salomos Bitte bewertet (V 10)300, sie von anderen möglichen Bitten abhebt (V 11) und auch nicht Erbetenes zuteilt (V 13). Wenngleich Salomo das Wort „bitten“ nie gebraucht, ist er der Bittsteller, während Gott der Gebende ist.301 292 293 294 295

Vgl. Ehrlich, Traum, 20. Vgl. Cogan, Kings, 190. Vgl. Duncker, Salomo, 195–196. Vgl. Cogan, Kings, 190; mit Verweis auf Gen 26,24; 28,11; 31,12 und 46,2. Mordechai Cogan verweist in diesem Zusammenhang auch auf 1 Sam 28,6, wo berichtet wird, dass JHWH nicht auf Sauls Anfragen reagiert, weder in Träumen (=L/Y } %” C), ™ noch mit Urim, noch durch Propheten. Wenngleich Träume in Erzählungen ein durch viele Kulturen und Zeiten nachweisbares Phänomen sind, scheint ein Charakteristikum vieler biblischer Träume ihr diskursiver Charakter und ihre Ausrichtung auf Zukünftiges zu sein (vgl. Walsh, Dreaming, 10). Auch in 1 Kön 3 kommt es im Traum zum Gespräch zwischen Gott und Salomo, auch hier wird nicht zuletzt Zukünftiges verhandelt (vgl. V 14). 296 So Vetter, !:, 700. 297 Vgl. Gesenius18, 353b. 298 Helen A. Kenik listet als Belege auf (vgl. Kenik, Design, 178): Gen 20,3 Und Gott kam zu Abimelech im Traum [in, MN] der Nacht !+š ’'rXš !™ -L „+%” C™ T+˜ /' x ˜ – ¡+ ” ˜ -'!Y } – “ œ šQˆ ™# ); Gen 31,24 Gott kam zu Laban dem Aramäer im Traum [in, MN] der Nacht ( ']x – :™ ” !š 0† š +¡+ š ˜ -'!Y } – “ œ šQˆ ™# ™ bei der Einleitung der Gottesbegegnung für Bileam in Num 22,20 fehlt der !+š ’'rXš !™ - „Y%” C); Begriff „Traum“ (Á! t +š ’'+™ - 4š +’ C¡+ – ˜ £-'!Y † – “ œ šQ{ ™#). 299 So Gerlemann, +f, 842. 300 An dieser Stelle steht allerdings keine Gottesrede, sondern ein aus der Perspektive Gottes formulierter Erzählstimmenkommentar, vgl. dazu die Auslegung von V 10 ab S. 94. 301 Vgl. Kenik, Design, 44.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

In der Gottesrede von V 5 wird damit ein zweites Leitwort der „Erzählung von Opfer und Traum“ erstmals gebraucht, „geben“ (0k˜ ˜ / Verbalwurzel 0=1). Es wird in den VV 9.12.13 wieder gebraucht. In V 9 leitet Salomo so seine Bitte ein, in den VV 12.13 drückt Gott so aus, was er dem König gibt. Die beiden Leitworte „bitten“ und „geben“ korrespondieren insofern miteinander, als dass mit ihrer Hilfe die erbetenen bzw. nicht erbetenen Inhalte ausgedrückt werden.302 In der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ spielt die Wurzel 0=1 bei der Lösung des Falles eine wichtige Rolle.303 Durch die Formulierung mit den beiden Leitworten „Erbitte! Was soll ich dir geben?“ ist bereits ein Ausblick auf das Verhältnis zwischen Gott und Salomo gegeben, wie es sich in der Traumoffenbarung weiter ausgestaltet. Der König ist Bittsteller, Gott der Gebende. Der König ist in seinem Tun von Gott abhängig.304 Zunächst mutet diese Gottesrede recht merkwürdig an. Will Gott mit dieser Rede bezwecken, dass Salomo ihm eine beliebige Bitte nennt, um sie dann einfach zu erfüllen? Die Funktionsbestimmung dieser Frage Gottes lässt sich nur mit Verweis auf den Erzählstimmenkommentar von V 10 klären. Dort wird Salomos konkrete Bitte, seine Antwort auf die göttliche Frage, gutgeheißen. Damit ist auch intendiert, dass Salomo andere Antworten hätte geben können, die nicht gottgefällig gewesen wären.305 Diese Bitte ist nur scheinbar freigestellt. Im Kontext der gesamten Traumoffenbarung entpuppt sich die Frage, die auf den ersten Blick aussieht wie ein „Sechser im Lotto“, als Rätselfrage, ja als Prüfung, die es zu bestehen gilt. Die Gottesbegegnung wird für Salomo zur Bewährungsprobe, weil er sich durch die Formulierung einer Bitte bewähren muss. V 10 stellt klar, dass nicht jede Bitte zum Erfolg geführt hätte. In den VV 11–12 wird wieder auf die Gottesrede Bezug genommen. Weil sich Salomo diese Sache erbeten hat und nicht manches Weitere (V 11), erhält er ein weises und einsichtiges Herz (V 12). Zum Rätsel wird die Frage in V 5 für Salomo, weil er die Situation einer Prüfung erst erkennen muss. Es ist nach dem Wortlaut von V 5 nicht klar, dass hier nicht einfach eine Bitte freigestellt wird. Salomo muss erkennen, worauf die rätselhaft verschlüsselte Frage seines göttlichen Gegenübers abzielen könnte. Anders als in V 5a, wo es heißt, JHWH erscheine Salomo im Traum, ist bei der –v “ Redeeineleitung in V 5b nicht der Gottesname, sondern der Abstraktbegriff -'!Y gebraucht. Darum ist in der folgenden Salomorede nicht zu unterscheiden, ob Salomo zu Gott oder zu JHWH spricht. Zudem wird, im Erzählstimmenkommentar V 10, der Begriff „Herr“ ('r1œš ” ) als Gottesbezeichnung gebraucht, also eine dritte Variante eingeführt. Eine Differenzierung zwischen diesen Begriffen ist im vorliegenden Text demnach nicht angezeigt. 302 Helen A. Kenik formuliert: „The remarkable fact is that the burden of the content is borne upon the interplay between the two verbs ,ask‘ and ,give‘.“ (ebd., 44). 303 Zunächst, in V 25, gebraucht sie der König, um beiden Frauen eine Hälfte des Kindes zuzuteilen (K …1=K). ’ In V 26 richtet die leibliche Mutter einen Appell an den König, er möge es der anderen Frau geben (K1k). ’ Schließlich weist der König in V 27 an, es „seiner Mutter“ zu geben (K1k). ’ 304 Vgl. Kenik, Design, 124. 305 Walter Brueggemann liest hier, mit Verweis auf Mt 7,7, einen generösen Akt JHWHs für Salomo, der tatsächlich haben kann, was er will (vgl. Brueggemann, Kings, 47). Eine solche Lesart lässt sich aber nicht mit V 10 in Einklang bringen.

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1 Kön 3,6: Und Salomo sagte: Du hast deinem Knecht David, meinem Vater, große Treue erwiesen, wie er ging vor dir in Zuverlässigkeit und Gerechtigkeit und Herzensaufrichtigkeit mit dir. Und du hast diese große Treue für ihn bewahrt. Und du hast ihm einen Sohn gegeben, sitzend auf seinem Thron wie an diesem Tag. Mit seiner in V 6 beginnenden Rede während der Traumoffenbarung (VV 6–9) antwortet Salomo auf die göttliche Aufforderung, etwas zu erbitten. So tritt er in den Dialog mit Gott. V 6 gleicht dabei einem Bekenntnis Salomos zu der Treue, die Gott seinem Vater David erwiesen hat. Diese Treue aber, das macht Salomo deutlich, beruhte auf Gegenseitigkeit, schließlich sei David vor JHWHs Angesicht gegangen in Wahrheit, Gerechtigkeit und Herzensaufrichtigkeit. Auch seinen eigenen Thron verdankt Salomo JHWH, schließlich ist er der auf dem Thron sitzende Sohn, den Gott dem David gegeben habe. Der hier mit „Treue“ wiedergegebene Begriff 2˜ %„ ˜ beschreibt eine gütige Zuwendung Gottes zu David und seiner Familie.306 Die von Salomo betonte Gegenseitigkeit dieser Treue, die sich bei David im wahrhaftigen und gerechten Lebenswandel geäußert habe, ist bei einer mit 2% gekennzeichneten Beziehung der Regelfall.307 Von daher ist das die beiden Aussagen verknüpfende Wort :f˜ ” V™ im Sinne von „so wie“ zu übersetzen und stellt keinen Begründungszusammenhang her. Gott erweist seine Treue nicht, weil David in einer bestimmten Weise gehandelt hat, sondern ebenso wie David gehandelt hat.308 Die š g–~ 4š ) unterstreicht Verbindung von 2% mit einer Form der Verbalwurzel !g3 (=' den „Tatcharakter“ der Treue Gottes.309 Auch in 1 Kön 3,6 wird ein konkreter Erweis der gütigen Treue Gottes genannt: David hat tatsächlich einen eigenen Sohn als Thronfolger erhalten. Für David verwendet Salomo zwei zusätzliche Bezeichnungen, die diesen in Relationen setzen. Zum einen nennt er ihn „mein Vater“ ('– š ) und kennzeichnet so die eigene enge (familiäre) Verbundenheit mit David. Zum anderen nennt er ihn Gott gegenüber „dein Knecht“ (U{ G’ ’ 4™ ). Die Bezeichnung „dein Knecht“ gebraucht Salomo zunächst für seinen Vater David (V 6), dann zweimal für sich selbst (VV 7–8). Auch in V 9, wo er seine Bitte formuliert, verwendet Salomo sie als Selbstbezeichnung. Auch 3 ist eine „Relationsbezeichnung“310, die die Untergebenheit eines Teils dieser Relation anzeigt.311 Wer sich (im religiösen 306 Vgl. dazu Anm. 61 auf S. 40. 307 Vgl. Cogan, Kings, 186; vgl. ferner Zobel, 2%, 51. 308 Bei Martin Rehm wird von einem göttlichen „Lohn“ für David gesprochen (vgl. Rehm, Könige, 44). Martin J. Mulder bezeichnet Davids beschriebenes Verhalten zwar als „counterpart“ zur Treue Gottes, übersetzt das :f˜ ” V™ trotzdem mit „because“ (vgl. Mulder, Kings, 141). Zum komparativen Gebrauch von :f vgl. Gesenius / Kautzsch, § 161b. Zu den möglichen Bedeutungen von :f vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 51ab; Gesenius18, 110b–112a. 309 So Zobel, 2%, 60; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,6. 310 Jungbluth, Königsherrschaft, 151; vgl. ferner Kenik, Design, 99. 311 Vgl. Jungbluth, Königsherrschaft, 151; vgl. ferner Ringgren, 3 I–III.4, 994.

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Kontext) so bezeichnet, wie es Salomo hier für seinen Vater und sich tut, zeigt an, dass er auf Gottes (JHWHs) Zuwendung angewiesen ist.312 So wie Salomo seinen Vater und sich selbst vor Gott positioniert, positioniert sich ein Mensch angemessen vor Gott!313 Zugleich klingt, durch die Verwendung dieser Bezeichnung zunächst für den Vater, dann für den Sohn, das Thema „Nachfolge“ an.314 Die Treue Gottes zu seinem Knecht David hat ihren jüngsten Erweis in der Thronbesteigung des Davidssohnes gefunden (vgl. V 7). Aufgrund der häufigen Verwendung und der Bedeutung für die Beschreibung der Gottesbeziehung Salomos ist das Lexem 3 als ein Leit- und Schlüsselwort der Erzählung zu bezeichnen. Dieser Umstand wird in der bisherigen exegetischen Diskussion m. E. zu wenig gewürdigt. Das Handeln des Gottesknechtes David beschreibt Salomo mit einer Aufzählung von drei Begriffen. Dieser Umstand veranlasst Manfred Görg dazu, hier eine inhaltliche Überziehung „in unnötig breiter Weise“ festzustellen.315 Aus synchroner Perspektive wird dem zu beschreibenden Verhalten Davids damit ein großer Raum gegeben, es wird so gesondert betont. Davids Handeln wird mit der Verbform T+{ ™ !š eingeleitet. David ist vor Gott gegangen (U'1˜ ~ 6š +’ T+{ ™ !š ). Die damit verbundene Wegmetapher für Davids Handeln in seinem Leben nimmt die Formulierung aus V 3a wieder auf, wo Salomos Gehen („Wandeln“) in Davids Satzungen Ausdruck der Liebe Salomos zu JHWH ist.316 Der erste Ausdruck, der das Gehen Davids charakterisiert (=/ˆ ˜ “ C˜ ), ist hier mit „in Zuverlässigkeit“ wiedergegeben. Dass nicht die Übersetzung „Treue“ gewählt wurde,317 ist damit zu begründen, dass diese Übersetzung bereits für FUZ gewählt wurde. Martin J. Mulder verweist darauf, dass sich =/ häufiger im semantischen Feld („semantic field“) von 2% finde und dann Standfestigkeit („steadfastness“) bzw. „Treue“ („faithfulness“) bedeute.318 Diese Beobachtung des gemeinsamen Wortfeldes ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Aussagen über Gottes Treue und die über Davids Verhalten einen Zusammenhang herstellen, eine Beziehung der beiden beschreiben. Das, was David gegenüber Gott tut (=/ˆ ˜ “ C˜ U'1˜ ~ 6š +’ T+{ ™ !š ), ist dem, was š g–~ 4š !kš{ ™ ), nicht unähnlich. Gott gegenüber David tut (t +L šE 2˜ %„ ˜ […] =' In der Trias der Begriffe, die Davids Verhalten aus Salomos Sicht – ). Dieser kennzeichnen, folgt der Ausdruck „und in Gerechtigkeit“ (!9Ü} š š 8’ K Ausdruck findet sich in den Königebüchern nur hier, in 1 Kön 8,32 und 10,9.319 Es kann dabei zwar auch um ein Einhalten konkreter Normen gehen.320 In 1 Kön 312 313 314 315 316

So ders., 3 III.6–9, 1000. Vgl. Rice, Kings, 36. Vgl. Kenik, Design, 49. Vgl. Görg, Gott-König-Reden, 27; vgl. ferner Mulder, Kings, 141. Zum Gebrauch der Wurzel (+! als Ausdruck des Lebensweges vgl. Textauslegung von V 3 ab S. 67. 317 Auch diese Übersetzung wäre möglich, vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 37b. 318 Vgl. Mulder, Kings, 141–142; dort mit Verweis auf Zobel, 2%, 56. Zwar geht Mulder nicht darauf ein, dass an den bei Zobel besprochenen Stellen 2% und =/ nicht, wie in 1 Kön 3,6, von verschiedenen Subjekten geübt werden. Dennoch bleibt die Rede davon, dass =/ mitunter ein gemeinsames Wortfeld mit 2% bildet, berechtigt. 319 Vgl. dazu auch Mulder, Kings, 142. 320 Vgl. Johnson, 98, 903.

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3,6 muss der Begriff aber im Zusammenhang mit den anderen beiden Begriffen, dem der „Treue“ und dem der „Herzensaufrichtigkeit“, verstanden werden. So wird hier ein „geordnetes Verhältnis“ zwischen David und Gott angezeigt.321 Schließlich folgt die Wendung „und in Herzensaufrichtigkeit“ (x š +— =:† ™ f’ –'K ’ ). Das erste Nomen dieser Constructusverbindung322 meint in der Grundbedeutung „Geradheit“323 und ist ebenfalls (wie „Treue“ und „Gerechtigkeit“) ein „Verhältnisbegriff“324, der hier die Intaktheit der Gottesbeziehung Davids beschreiben soll. Dass an dieser Stelle die längere Form + anstelle von + (wie in den VV 9.12) gebraucht wird, kann bemerkt werden, hat aber keinerlei inhaltliche Auswirkungen. In die Beziehung zwischen Gott und seinem Vater David, die Salomo beschreibt, sieht er sich letztlich selbst integriert. Er selbst ist der von Gott gegebene, auf dem Thron sitzende Sohn Davids. Ohne sich also explizit zu erwähnen, bezieht sich Salomo in das von Treue geprägte Verhältnis zwischen Gott und David mit ein. Die Leserin, der Leser hat von der Erzählstimme über Salomo erfahren, dass dieser JHWH liebt und dem Ausdruck gibt, indem er in den Satzungen Davids geht. Nun füllt Salomo selbst diesen Begriff „Satzungen Davids“ mit Inhalt, indem er mit einigen Worten Davids Verhalten beschreibt, welches der Treue Gottes zu David entspricht. Im Nacheifern Davids zielt Salomo auch auf die eigene Gottesbeziehung ab.

1 Kön 3,7: Und jetzt JHWH, mein Gott, du hast selbst deinen Knecht zum König gemacht anstelle Davids, meines Vaters. Und ich, ich bin ein kleiner junger Mann, ich weiß nicht auszugehen noch einzugehen. V 7 erhält seine Wirkung von der profilierten Personenkonstellation Gott-König, die von Salomo konstruiert wird. Er verwendet zur starken Betonung die beiden { – 1  š ’#). Das „ich“ macht selbständigen Personalpronomen „du“ (!{ kš ™ ) und „ich“ (')œ sich dabei klein, unterwirft sich, nennt sich „dein Knecht“ und „kleiner junger Mann, ich weiß nicht auszugehen noch einzugehen.“ Das „du“, aus Salomos Sicht šv “ !„#! š ’'), wird der mächtige und dominante Part. Dieser hat „mein Gott“ ('!Y ™   ˜ ) „zum König gemacht“ (Hkš )„’ +™ /’ !– ). „deinen Knecht [Salomo]“ (Uv G’ ’ 4¡= Salomo legt Wert darauf, sich im Dialog während der Traumoffenbarung als demütiger Part zu verstehen,325 der sich seiner Stellung hinsichtlich seines

321 So ebd., 905; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,6; demnach wird hier ausgedrückt, „daß man den positiven Erwartungen der Umgebung entspricht. Der Gerechte zeigt durch sein Handeln, daß man sich auf ihn verlassen kann.“ (ebd., 906); vgl. auch SchäferLichtenberger, Salomo, 270. 322 Zur Diskussion darüber, von welcher Grundform diese Constructusform hergeleitet werden sollte, vgl. Mulder, Kings, 141. Inhaltliche Differenzen im Sinne von für die Auslegung relevanten Bedeutungsvarianzen sind nicht festzustellen. 323 Vgl. Stolz, :f', 787. 324 Ebd., 789; mit Verweis auf die „Parallelität“ des Begriffes mit „‫܈‬addƯq“ und „tƗm“. 325 Vgl. Maller, Solomon, 92.

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Gegenübers durchaus bewusst ist.326 Ihm ist bewusst, dass die von ihm gewünschte Fähigkeit nicht aus ihm selbst erwächst, sondern nur im demütigen Hören verfügbar wird.327 Das wird daran ersichtlich, dass Salomo nicht einfach eine Bitte äußert, sondern Grundlegendes über seine Gottesbeziehung vorwegstellt. JHWH ist es, der ihn zum König gemacht hat, so wie Salomos Vater David ein Knecht Gottes war und Gott mit ihm in Treue verbunden war (V 6). Dieser Gott möge nun auch Salomos Bitte erfüllen, der sich ebenfalls als Knecht Gottes sieht, als ein (vor Gott) kleiner, unwissender Mann. Salomo äußert nicht erst in V 9 explizit eine Bitte, er macht schon in den VV 6–7 klar, dass er auch an Davids Gottesbeziehung anknüpfen möchte. Der Gegensatz, den Salomo hier aufzeigt, sticht ins Auge: Einerseits ist er König anstelle Davids, andererseits stellt er sich selbst als jungen, unerfahrenen Mann dar. Ob hier ein Beispiel demütiger Bescheidenheit328 oder eine auf den eigenen Vorteil bedachte bewusste Selbstunterschätzung329 vorliegt, wird unterschiedlich bewertet.330 Christa Schäfer-Lichtenberger sieht in den VV 6–8 einen König, der sich seiner Unfähigkeit bewusst ist. Sie liest hier ein „Eingeständnis Salomos, daß ihm die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seines Amtes fehlen. […] Dtr läßt Salomo hier in weiser Selbsteinsicht JHWH um die Eigenschaften bitten, an denen es Salomo sichtlich mangelt.“331

Dagegen sprechen die geprägten Formulierungen, die in diesen Versen auszumachen sind. Salomo ist ein König, der weiß, dass im Grunde aus sich selbst heraus niemand ein geeigneter König für das Volk JHWHs ist. Der Ausdruck „kleiner junger Mann“ (0œ&v 9š :4„™ 1™ ) ist hier vielleicht am ehesten als feststehende Wendung eines demütigen Menschen vor Gott zu interpretieren.332 Eine unmittelbare Aussage über Salomos Alter lässt sich damit nicht begründen.333 Was immer der ursprüngliche Ort der Wendung „ich wüsste nicht auszugehen und einzugehen“ (œ   š# =8† — 3x ™ — œ +† ) sein mag,334 in 1 Kön 3 scheint die Betonung auf der Regierungstätigkeit des Königs zu liegen, für die er göttlichen Beistand 326 Vgl. Cachia, Receiving, 71. 327 Vgl. Riesener, 3, 197. 328 Vgl. etwa Särkiö, Weisheit, 28–29. 329 Vgl. etwa Noth, Könige, 51. 330 Christina Duncker will hier einen Anklang an Batsebas „kleine Bitte“ aus 1 Kön 2,20 lesen, was, zumindest dem Wortlaut nach, zunächst berechtigt ist. Daraus aber einen grundsätzlichen Zweifel an der Aufrichtigkeit Salomos in 1 Kön 3 abzuleiten, ist wohl zu weit gegriffen (anders Duncker, Salomo, 197; vgl. auch die Ausführungen zur Frage nach dem Gebrauch von Ironie in 1 Kön 3 ab S. 226). 331 Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 267. 332 Vgl. Whitelam, King, 157. Gleichwohl gibt es innerbiblisch keinen weiteren Beleg für einen solchen Gebrauch. Die vier weiteren Belege des Ausdrucks 0&9 :31 (1 Sam 20,35; 2 Kön 2,23 [im Plural: -'{ –^&™ 9’ -':… – 4š ’1K]; 5,14; Jes 11,6) haben, dem Wortsinn entsprechend, junge Knaben im Blick. Vgl. dazu auch Anm. 64 auf S. 41. 333 Vgl. etwa Mulder, Kings, 143. 334 Mitunter wird der urspüngliche Sitz im Leben in der Militärsprache gesucht, die Wendung bezöge sich dann auf das Führen von Truppen, vgl. Whitelam, King, 157. Helen A. Kenik hält auch eine ursprüngliche Bedeutung im Sinne eines Passierens der Stadttore für möglich (vgl. Kenik, Design, 108).

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sucht.335 Die Selbstbezeichnung „dein Knecht“ ist Ausdruck der „Verwiesenheit Salomos auf seinen Gott“336, was durch die Wendung „kleiner junger Mann“ weiter illustriert wird.337 Die gebrauchte Verbalwurzel 3' fügt sich in die Reihe der Begriffe in 1 Kön 3 ein, die mit Weisheit und Erkenntnis zu tun haben.338 Salomos Nicht-Wissen ist ein erster Hinweis darauf, in welche Richtung seine folgende Bitte tendieren dürfte.

1 Kön 3,8: Und dein Knecht ist inmitten deines Volkes, welches du erwählt hast, ein zahlreiches Volk, [man, MN] kann es nicht zählen noch aufzählen vor Menge. Nachdem Salomo in den VV 6–7 grundsätzliche Aussagen über David, sich selbst als dessen Sohn und beider Gottesverhältnisse gemacht hat, erscheint V 8 bereits deutlicher auf die in V 9 geäußerte Bitte hingeordnet und bereitet diese somit vor. Dies gelingt dadurch, dass mit der Beschreibung des Volkes mit den Worten „du w š 4™ ) und „man kann es nicht hast es erwählt“ (kš :’ %r š Cš ), „ein zahlreiches Volk“ (:¡š œ +  ) die bedeutende zählen noch aufzählen vor Menge“ (œ :  /— :6x — _š –' œ +† ’# !}1˜ ]–'¡ Rolle ebendieses Volkes in V 9 eingeleitet wird. Die Erwähnungen des Volkes in den VV 8–9 sind dabei kunstvoll aufeinander bezogen.339 Die Ausdrücke hinsichtlich der Unzählbarkeit des Volkes dienen dabei nicht zuletzt auch dazu, die Größe der Aufgabe Salomos zu beschreiben: Dieses große Volk soll er als König regieren.340 Verbindendes Thema der VV 6–8 ist Salomos Anliegen, Beziehungen zu beschreiben.341 In V 8 wiederholt Salomo zunächst die Selbstbezeichnung „dein Knecht“ (Uv G’ ’ 4™ { ’#). Dann stellt er sich in Beziehung zur zweiten im Vers genannten Größe „dein Volk“ (¶ xU]’ 4™ ), welche durch das angehängte Personalpronomen (ePP) selbst bereits eine in Beziehung gesetzte Größe ist. Salomo sieht sich inmitten dieses Volkes. Beide, Salomo und das Volk, stehen damit gemeinsam als 335 Der Gebrauch dieser Wendung im Zusammenhang mit der Regierungstätigkeit des Königs lässt sich auch in ägyptischen Texten nachweisen, so Whitelam, King, 157–158. Auch für Martin Noth bezeichnet die Wendung wohl die Unfähigkeit zum Ausführen der alltäglichen Regierungsgeschäfte (vgl. Noth, Könige, 51). 336 Görg, Gott-König-Reden, 80. 337 Vgl. ebd., 81. 338 Vgl. Botterweck, 3', 492. Vgl. auch die Darstellung unter Punkt „4.2.3 Die Weisheit“; ab S. 144. 339 John Kselman hat auf die mit dem Volk verbundenen Attribute „zahlreich“ (:¡w š 4, ™ V 8) und „gewichtig“ (! O˜ !™ x — Vš !™ †U]’ 4, ™ V 9) hingewiesen, die gemeinsam eine auch aus dem Akkadischen bekannte Formel darstellen und hier synonym gebraucht werden. Mit diesem aus der Poesie ost- und westsemitischer Sprachen bekannten Wortpaar wird erneut deutlich, dass hier kein strenger Prosa-Stil vorliegt. Die salomonische Gebetssprache nähert sich der Poesie an (vgl. Kselman, RB/ /KBD, 112–113). 340 Vgl. Noth, Könige, 51. 341 Volkmar Fritz spricht von „Gegebenheiten“, denen Salomo verpflichtet sei (so Fritz, Könige, 42). Der Nachteil des Begriffes „Gegebenheiten“ liegt darin, dass er die aktive Rolle des Sprechers Salomo bei der Konstruierung und Beschreibung der – aus seiner Sicht – für ihn und sein König-Sein konstitutiven Relationen nicht auszudrücken vermag. Claude Lichtert verwendet den französischen Begriff „relation“ (vgl. Lichtert, songe, 267).

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„Eigentum“ Gottes (dein Knecht / dein Volk) diesem gegenüber. Charakteristisch für V 8 ist zudem die Erwähnung einer Erwählung des Volkes durch Gott „ ˜ ” xU]’ 4™ ), womit ebenfalls eine besondere Beziehung des Volkes mit (kš :’ %r š Cš :f seinem Gott ausgedrückt wird.342 -Exkurs: Die VV 6–8 als Gebet?Während Salomo in V 9 die Bitte äußert, die auch schon nach V 5 hätte erwartet werden können, wendet sich Salomo in den VV 6–8 in Form einer kleinen Vorrede an sein göttliches Gegenüber. Dieser kleine Abschnitt ist verschiedentlich als Gebet bezeichnet worden.343 Diese klare Kategorisierung ist deshalb etwas problematisch, weil die VV 6–8 unbedingt im Rahmen der Traumoffenbarung zu verstehen sind. Damit sind sie eben Teil eines Dialogs zwischen Gott und Salomo,344 weniger ein einzelnes Gebet. Dennoch kommen in der Bezeichnung dieser Verse als Gebet einige Aspekte des Textes besser zum Vorschein. Zunächst ist es die sprachliche Nähe der VV 6–8 zu anderen Gebetstexten. Der extensive Gebrauch des Wortes 3 verweist die Leserin, den Leser auf das nächste Gebet Salomos in 1 Kön 8, wo dieser ebenfalls seinen Vater und sich selbst mehrfach als „Knecht JHWHs“ bezeichnet. Während die Bezeichnung „Knecht JHWHs“ für David häufig anzutreffen ist345 und titular gebraucht wird,346 begegnet sie bei Salomo ausschließlich als Selbstbezeichnung, und zwar nur während der Traumoffenbarung (1 Kön 3,7–9) und im Tempelweihgebet (1 Kön 8,28–30.52):347 „Hier handelt es sich um eine formelhafte […] Gebetssprache, bei der die 1.Pers. durch die Wendung ,dein Diener‘ ersetzt wird.“348

Der Beter ist jemand, der Gottes Nähe im Gespräch, im Zwiegespräch mit Gott sucht.349 Der Beter trägt verschiedene Anliegen des privaten und öffentlichen 342 Vgl. Mulder, Kings, 143–144. Mit der Verwendung einer Form des Verbs :% wird natürlich ein Konzept von der Erwählung des Volkes durch Gott transportiert, wie es exemplarisch etwa in Dtn 7,7–8 zu finden ist. Die Erwählung ist demnach keine Frucht einer besonderen Qualität Israels (vgl. Seebaß, :% II, 604). Für Martin J. Mulder ist Dtn 7,6–8 der „locus classicus“ für die Erwählung Israels im Alten Testament (so Mulder, Kings, 144). Horst Seebaß weist auch darauf hin, dass dieses Motiv in 1 Kön 3,8 mit der Beschreibung der Größe Israels, einen anderen Akzent zu setzen scheint, dieser aber schon von der Bitte Salomos für ebendieses Volk geprägt ist (so Seebaß, :% II, 604). Der dabei von Horst Seebaß gemachte Verweis auf die Internationalität der Sprache und die Dimension aller Völker in V 9 kann in einer synchronen Textanalyse nicht nachvollzogen werden. 343 Vgl. etwa ebd, 605; Jungbluth, Königsherrschaft, 124; Kenik, Design, 45–46; Long, Kings, 66; Walsh, Kings, 73. 344 Vgl. Kenik, Design, 45–46; Helen A. Kenik verwendet dennoch Begriffe wie „hymn“ oder „prayer of praise“. 345 Beispielsweise in 1 Sam 23,10.11; 25,39; 2 Sam 3,18; 7,5.8 (vgl. Riesener, 3, 191). 346 David bekommt den Titel 3, etwa in 1 Kön 11,34 und 14,8, in Würdigung seines Gehorsams gegenüber JHWHs Geboten verliehen (vgl. ebd., 139). 347 Vgl. ebd., 197. 348 Ebd., 196. 349 Vgl. Brümmer, Gebet, 496; wo das Gebet als Eintreten in eine Gottesbeziehung beschrieben wird.

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Lebens vor Gott.350 In diesem Sinne erinnert Salomo vor allem dadurch an einen Beter, dass er sich den paradigmatischen Beter schlechthin im Alten Testament zum Vorbild nimmt, seinen Vater David, den Psalmendichter Israels.351 Wie Salomo in 1 Kön 3,6–8 richtet der junge König David kurz nach dem Regierungsantritt352 in 2 Sam 7,18–29 sein Gebet an Gott und dankt für die Treue, die dieser ihm zuvor verheißen hatte.353 Beide, David (2 Sam 7,20.25.27.29) und Salomo (1 Kön 3,7–9), wählen im Gebet die Selbstbezeichnung „dein Knecht“ ((3). Weitere Gemeinsamkeiten sind die Betonung der Treue Gottes für die Dynastie354 und das Lob für das großartige Volk, das Gott sich erwählt habe (2 Sam 7,23–24; 1 Kön 3,8–9) – und welches der neue König nun regieren muss: „Durch das Gebet inszeniert sich der König einerseits selbst, andererseits zeigt er sich in allen Lebenslagen als Betender, in allen Lebenslagen als Herrscher in beständiger Kommunikation mit JHWH.“355

-Ende des Exkurses-

1 Kön 3,9: So wollest du geben deinem Knecht ein hörendes Herz, um zu regieren dein Volk, um zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, denn wer ist fähig zu regieren dieses dein gewichtiges Volk? In V 9 folgt dann die Bitte aus Salomos Mund. Die Bitte findet ihren dichtesten Ausdruck in der Wendung µ{ ™ /œ—{ f …+— („hörendes Herz“). Einige Sätze hatte Salomo zur Einleitung seiner Bitte gesprochen (VV 6–8). Später (V 9) erklärt und präzisiert er diese Bitte. Aber in dem knappen Ausdruck „µ{ ™ /œ—{ f …+— >…]kš{ =™ š1 ’#“ kulminiert Salomos Rede. Wie immer man versuchen mag, das Hebräische + / + wiederzugeben, die Übersetzung muss zu kurz greifen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass hier das „für die Sprachlehre alttestamentlicher Anthropologie wichtigste Wort“356 vorliegt. Auf die kürzere Form +, die auch in 1 Kön 3,9 gebraucht wird, entfallen 601 der insgesamt 853 Belege.357 Es ist richtig, wenn 350 Vgl. Wahl, Gebet, 309–310. 351 Zu David als paradigmatischem Beter vgl. Dietrich, David, 595; vgl. ferner Edelman, David, 152. 352 Der Regierungsantritt Davids in Hebron ist in 2 Sam 5,1–3 anzusetzen, vgl. Budde, Samuel, 217. 353 Vgl. Brueggemann, Solomon, 74. 354 So ebd. 355 Jungbluth, Königsherrschaft, 124; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3; mit Verweis auf Seybold, David, 154–155. 356 Wolff, Anthropologie, 75. Neben der häufigen Verwendung wird das bei Hans Walter Wolff auch damit belegt, dass die verschiedenen Formen von + / + im Gegensatz zu anderen Schlüsselbegriffen der biblischen Anthropologie fast ausschließlich für den Menschen reserviert sind, während andere häufig auch für Tiere (:g, „Fleisch“) oder vorrangig in Bezug auf Gott (%#:, „Wind / Geist“) gebraucht werden (vgl. ebd.). 357 So Stolz, +, 861. Die aramäischen Formen sind dabei nicht mitgerechnet. Dabei ist, nach der Zählung von Hans Walter Wolff, an 814 Stellen das menschliche Herz gemeint (wenngleich acht aramäische Formen aus dem Buch Daniel bei Wolff in die Auswertung eingeflossen sind, vgl. Wolff, Anthropologie, 75).

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angemerkt wird, dass die Bedeutung des Wortes im jeweiligen Kontext, in der jeweiligen Aussageverbindung eigens bedacht werden muss.358 Der Bedeutungsgehalt kann an unterschiedlichen Stellen z. B. das Organ „Herz“, die Vernunft, das Gewissen, das Gefühl, den Willen, die Lebenskraft oder das Innere / die (körperliche) Mitte des Menschen umfassen.359 Im Zusammenhang von 1 Kön 3 würde Hans Walter Wolff die Kategorie „Vernunft“ vorschlagen.360 Die hier gewählte Übertragung mit „Herz“361 bietet zum einen den Vorteil, dass sie der „ursprünglichen“ Grundbedeutung entspricht.362 Zudem zeigt das deutsche Wort „Herz“ eine besondere Eignung als deutsche Übersetzung, weil sich auch im Deutschen neben der physiologischen Grundbedeutung ein reicher metaphorischer Gebrauch feststellen lässt.363 Außerdem wäre jede andere Wiedergabe, etwa mit „Vernunft“ oder „Willen“, eine unnötige Verengung des Hebräischen, die ihrerseits erklärungsbedürftig bliebe. Zur Erklärung des „hörenden Herzens“ in 1 Kön 3 lässt sich auf biblische Texte verweisen, in denen das „Herz“ eine ähnliche Rolle spielt. Bernd Janowski formuliert: „Viele Texte des Psalters und des Sprüchebuchs364 sehen die eigentliche Aufgabe des Herzens folglich in der Suche nach Lebensklugheit und Weisheit. Das „weise Herz“ befähigt zu einer realistischen, auch die Wirklichkeit des Todes bejahenden Weitsicht […] Das ,hörende Herz‘ besitzt die ,Weite‘, d.h. den umfassenden Verstand, mit dem es die Fülle der Sinneseindrücke erfassen und verarbeiten kann.“365

Diesem Herzen ist zur Näherbestimmung das Partizip „hörend“ (µ{ ™ /œ—{ f) beigesellt. In der Grundbedeutung geht es bei der Verbalwurzel 3/f um ein akustisches Wahrnehmen. Mitunter ist aber auch ein idiomatischer Gebrauch festzustellen.366 Das Hören ist im Alten Testament – neben der Grundbedeutung des akustischen Wahrnehmens – ein auch auf Erkenntnis hin ausgerichteter Vorgang. Hörend kann im Alten Testament Weisheit erworben werden.367 Die Verbalwurzel wird in 1 Kön 3 noch in den VV 11.28 gebraucht. Sie ist damit als ein Leitwort anzusehen. Zum einen gilt dies aufgrund des dreifachen Gebrauchs, zum anderen aufgrund der exponierten Stellung: in V 9 in der Bitte Salomos, in V 11 bei der 358 So ebd.; vgl. auch Krüger, Anthropologie, 94. 359 Vgl. Gesenius18, 590a–592b; vgl. ferner Wolff, Anthropologie, 75–101. 360 Vgl. Wolff, Anthropologie 84–85. Eine ähnliche Beschreibung findet sich bei: Schroer / Staubli, Körpersymbolik, 46–48. 361 Diese Übertragung wird zwar in den bedeutenden Übersetzungen durchgängig gewählt, bedarf aber m. E. ob der hohen Bedeutungsvarianz des Begriffes einer Erklärung. 362 So Stolz, +, 861. Demnach bezeichnet + zunächst das Körperorgan und erst davon abgeleitet alles Weitere. 363 Vgl. Krüger, Herz, 104. 364 Bernd Janowski verweist besonders auf zwei Texte: Unsere Tage zu zählen, das laß (uns) erkennen, daß wir einbringen ein weises Herz! (Ps 90,12); Das Herz des Verständigen sucht Erkenntnis, aber der Mund der Selbstzufriedenen weidet Narrheit. (Spr 15,14). 365 Janowski, Konfliktgespräche, 169. 366 Vgl. Schult, 3/f, 977. 367 „Hören ist [in der biblischen Weisheitsliteratur] nicht folgenlose Kenntnisnahme, sondern hat Weise-Sein zum Ziel (Spr 23,19) – und so wird gepriesen, wer ,hörend‘ ist bzw. wer ein ,hörendes‘ Ohr hat; es wird davor gewarnt, im Hören nachzulassen (Spr 19,27)“ (ebd., 978).

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Wiedergabe dieser Bitte durch Gott und in V 28, wo das Volk hörend von den Fähigkeiten des Königs erfährt. In Vers 9 ist eine doppelte Relation des Wortes „hören“ durch eine Verbindung mit den beiden Infinitiv-constructus-Formen „um zu regieren“ (&a„œ f’ +– ) und „um zu unterscheiden“ (0'x – !š +’ ) angezeigt.368 Die Kombination aus „Herz“ und „hören“ verwundert nicht, denn „für die vernehmende Vernunft stehen Herz und Ohr parallel (Spr 18,15)“369: Des Einsichtigen Herz erwirbt Erkenntnis, der Weisen Ohr sucht Erkenntnis.370

Das Hören des Herzens ist ein Erkenntnisakt, der die Offenheit, das Suchen, zur Voraussetzung hat.371 Hier nimmt Salomos Weisheit ihren Ausgang, hier muss sie sich – je neu – erweisen. Gerhard von Rad schreibt zu 1 Kön 3,9: „Der Salomo von 1 Kön 3 hätte auch sagen können: er erbäte sich von Jahwe, daß ihm die Welt nicht stumm bleibe, sondern ihm vernehmbar werde“.372

Die Wortverbindung „hörendes Herz“ ist im Alten Testament einmalig. Sie ist in ihrem Kontext aber nicht unverständlich, sondern wird von den umstehenden Versen vielstimmig ausgelegt. Die VV 9.11–12 umkreisen das Motiv des hörenden Herzens inhaltlich. Durch dieses Umkreisen wird die zentrale Stellung des Ausdrucks „hörendes Herz“ weiter betont. Salomo begründet seine Bitte mit der für einen König benötigten Fähigkeit, zu richten / regieren und Gut und Böse zu unterscheiden (V 9). Er formuliert damit eine Funktionsbeschreibung für das gewünschte hörende Herz. In der göttlichen Antwort auf Salomos Bitte wird Salomos Bitte zunächst umschrieben (V 11), in V 12 dann von der konkreten Bestimmung des Richtens / Regierens gelöst und in einen allgemeineren Horizont gestellt.373 Die nach der eigentlichen Bitte geäußerte Funktionsbestimmung des hörenden Herzens (V 9) erweist sich bei genauer Beobachtung als dreiteilig. 368 So auch Mulder, Kings, 145. 369 Vgl. Wolff, Anthropologie, 86. Ilse Müllner nennt weitere Stellen, an denen Herz und Ohr nebeneinander genannt werden: Spr 22,17; 23,12; Jes 6,10 (vgl. Müllner, Herz, 21). 370 Übersetzung von Hans Walter Wolff (Wolff, Anthropologie, 86). 371 Vgl. Cachia, Receiving, 76. 372 Von Rad, Weisheit, 377; vgl. ferner Janowski, Konfliktgespräche, 169; Zenger, Knecht, 40–41. 373 Helen A. Kenik meint, das von Salomo Erbetene werde vierfach und je unterschiedlich formuliert angegeben. Zunächst zweifach in V 9 („an attentive heart to judge“ / „understanding [to distinguish] between good and evil“), durch Gott in V 11 („understanding to discern what is right“) und in V 12 („a wise and intelligent heart“) (so Kenik, Design, 44). In der vorliegenden Arbeit wird dagegen davon ausgegangen, dass in V 9 eine Bitte („hörendes Herz“) mit einer zweifachen Funktionsbestimmung ausgesprochen wird. Die erste Wiedergabe der Bitte Salomos durch Gott in V 11 ähnelt dabei eher den Funktionsbestimmungen aus V 9, die zweite Wiedergabe (V 12) korrespondiert mit der primären Bitte aus V 9 (vgl. dazu auch die Auslegung der VV 11– 12 ab S. 95). Mehr zur Wortverbindung „hörendes Herz“ lässt sich sagen, wenn man sie aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus als ägyptisches Motiv versteht. Das wird unter Punkt „E Ägyptenmotive in 1 Kön 3“ (ab S. 206) demonstriert. Die Anklänge an die Urgeschichte, die durch die angezielte Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse gegeben sein könnten, werden unter „C 2.1 Weise sein: Gut und Böse unterscheiden“ (S. 166) aufgearbeitet.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Zunächst (A) geht es unmittelbar um das „Richten / Regieren deines [JHWHs] Volkes“, ausgedrückt mit einem Infinitiv constructus (Uv ]’ 4¡= ™   ˜ &aœ „ f’ +– ). Darauf folgt (B) die Angabe der nächsten Funktion „um zu unterscheiden zwischen Gut ™   ˜ &aœ „ f’ +– ). und Böse“, erneut mit einem Infinitiv constructus eingeleitet (Uv ]’ 4¡= Die abschließende Frage (Aƍ) „denn wer ist fähig zu regieren dein Volk?“ ™ ˜ &aœ v f’ +– {+)K' ™ '/… – 'V„ – ) zitiert die erste Funktionsbestimmung, das Richten / ( †U]’ 4¡= Regieren des Gottesvolkes, wörtlich und greift sie damit auf. Das Volk wird dabei näher bestimmt durch den Zusatz „dieses gewichtige“ (! O˜ !™ x — Vš !™ ). Der gesamte Vers lässt zwei Lesarten zu. Die genannten Ausdrücke können sowohl auf allgemeine Führungsqualitäten abzielen, die ein König braucht,374 als auch im engeren Sinne einem juristischen Sprachgebrauch zugeordnet werden.375 Das „Hören“ als engstes Attribut des gewünschten Herzens taucht auch in Rechtstexten auf und kann sich auf göttliche Gebote beziehen.376 Auch die Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ kann unter Umständen einen rechtssprachlichen Sinn annehmen.377 Mitunter wird „Gut und Böse unterscheiden“ in 1 Kön 3 als rein juridische Fähigkeit verstanden,378 was sich vor allem durch den Anschluss an die mehrdeutige vorangestellte Formulierung œ v f’ +– ) erklären lässt. „um zu richten / regieren“ (&a Die Wurzel &6f ist in den parallelen äußeren Teilen der Funktionsangabe des hörenden Herzens (A und Aƍ) jeweils in der Infinitivkonstruktion &6f+ („um zu richten / regieren“) gebraucht. Häufig sind die Bedeutungen „richten“ und „regieren“ nicht voneinander zu unterscheiden.379 In 1 Kön 3,9 lässt sich aus dem Kontext heraus keine Festlegung auf eine der Deutungsmöglichkeiten rechtfertigen.380 Salomos Königtum wird in 1 Kön 3 thematisiert, er hat Bautätigkeiten angestoßen und sorgt sich um außenpolitische Kontakte (V 1). Seine Sorge um das Volk in V 9 könnte daher im umfassenderen Sinne einer guten Regierungsfähigkeit gelten.381 Dabei wäre der richterliche Aspekt einer solchen Königsherrschaft durchaus mit inbegriffen. Die im Anschluss an die Traumoffenbarung positionierte Erzählung von einem konkreten Rechtsstreit vor dem König in den VV 16–28 legt eine engere Auslegung im juristischen Sinne nahe.382

374 375 376 377 378 379 380 381 382

Vgl. DeVries, Kings, 49.52–53; Whitelam, King, 158–160. Beide Möglichkeiten werden aufgeführt bei Whitelam, King, 158. So Dtn 4,1; 5,1; 7,12; 11,13.27.28; 28,13; vgl. Rüterswörden, 3/f, 275–276. Vgl. Mettinger, King, 242. Bei Mettinger wird die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse explizit als juridische Fähigkeit verstanden, vgl. die Darstellung bei SchäferLichtenberger, Salomo, 273. So etwa Parker, Wisdom, 70. Vgl. Gesenius18, 1401ab. Vgl. auch Walsh, Kings, 75. So etwa Würthwein, Könige, 33. Vgl. ebd., 34; vgl. ferner Whitelam, King, 158. Den Gebrauch der Verbalwurzel &6f in der Spannung von „herrschen“ und „richten“ hat Herbert Niehr aufgearbeitet. Für Niehr besteht kein Zweifel, dass in V 9 bei der Wendung Uv ]’ 4¡= ™   ˜ &a„œ f’ +– µ{ ™ /œ—{ f …+— an „leiten“ und „regieren“ zu denken ist (so Niehr, Herrschen, 88–90). Der „forensische Aspekt“ werde aber durch den „Zusatz“ 3:r š +’ L&¡0' „ C  — 0'x – !š +’ hereingebracht. Dieser forensische Aspekt werde

B 3 Textanalyse

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Diese beiden Deutungsmöglichkeiten ergeben sich auch für die Auslegung des Kernstücks der beschriebenen Funktionsbestimmung des hörenden Herzens. Gemeint ist die gewünschte Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse (B). Auch hier wird mit einer Infinitivkonstruktion eingeleitet (0'x – !š +’ ). Sie zeigt eine verstehende Unterscheidungsfähigkeit an.383 Im hier vorliegenden Kausativstamm Hifil ließe sich auch ein Anklang für „lehren“ finden.384 Dann würde Salomo diese Fähigkeit nicht nur für sich wünschen, sondern sie für andere (etwa das Volk) fruchtbar machen. Objekte dieser gewünschten Unterscheidungs„ C  — ). Dabei können in fähigkeit sind die beiden Pole Gut und Böse (3:r š +’ L&¡0' dieser Wendung all die kniffligen, alltäglichen und außergewöhnlichen Situationen subsumiert sein, in denen eine Entscheidung ansteht.385 Nicht immer geben sich „Gut“ und „Böse“ dabei kontrastreich zu erkennen wie „Schwarz“ und „Weiß“. Besonders in schwierigen Situationen ist die gewünschte Entscheidungsfähigkeit erforderlich.386 Warum wünscht sich Salomo diese Fähigkeiten? Er wünscht sie sich nicht als Privatmann, sondern als König und für dieses Amt.387 Zugute kommen sollen diese Fähigkeiten nicht ihm, sondern dem Volk, wie in 1 Kön 3,9 zweifach herausgehoben wird (A / Aƍ), jeweils in einer Maqqef-Verbindung mit der Partikel =. Die dafür gewählte Bezeichnung „dein Volk“ (Uv ]’ 4™ / µ †U]’ 4™ ) lässt dieses Volk nicht unbestimmt und macht es erst recht nicht zum Volk des Königs, über das dieser nun verfügen könnte. „Dein Volk“ macht Israel zu einer dem König entzogenen Größe, in deren Dienst er lediglich treten kann. Weil dieses Volk, wie Salomo betont, „dein Volk“, also das Volk seines göttlichen Gegenübers ist, wird der Dienst an diesem Volk, den Salomo übernehmen will, letztlich zum Dienst für Gott. „Der König will nicht ein Hörender um seiner eigenen Rechtfertigung sein; in seiner Richterfunktion […; und als Regierender, MN] setzt er sich einer Verbindlichkeit aus, in der nicht nur er selbst, sondern auch das Volk vor Gott erfasst ist.“388

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durch die „Paraphrase“ 3:r š +’ L&¡0' „ C  — 0'x – !š +’ (V 11) und durch die „angefügte Beispielerzählung“ mit ihrem abschließenden V 28 ausgefaltet (so ebd., 90). Diese Auslegung der „forensichen Überarbeitung“ eines ursprünglich allgemeineren Ausdrucks hat Herbert Niehr später bekräftigt (vgl. ders., &6f, 418). Lässt man die literarkritischen Erklärungen von Herbert Niehr außen vor, ergibt sich für 1 Kön 3 ein schillernder Gebrauch der Wurzel &6f, der sowohl allgemein auf Herrschaft und Leitung, als auch speziell auf richterliche Fähigkeiten abzielt. So Ringgren, 0', 625; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3. Im Sinne von „machen, dass jemand Einsicht hat“; vgl. ebd. Zur Bedeutungsvarianz der Wurzel 0' im Hifil vgl. Gesenius18, 140a–141b. Volkmar Fritz formuliert: „Die Unterscheidung von Gut und Böse ist nicht nur die notwendige Voraussetzung für die Urteilsfindung, sondern die grundsätzliche Befähigung für die Lebensführung. Gut ist dabei, was im Einklang mit Recht und Sitte steht, weil nur so das Zusammenleben gewährleistet ist. Böse ist als das Gegenteil von ,gut‘ die Störung der Übereinstimmung mit dem Sippenethos und damit des Gemeinschaftsverhältnisses“ (Fritz, Könige, 43). Wie in der folgenden Erzählung VV 16–28, die in diesem Sinne als Kommentar zur in der Traumoffenbarung gewünschten Fähigkeit Salomos gelesen werden kann. Vgl. Würthwein, Könige, 34. Görg, Gott-König-Reden, 87; vgl. ferner Rüterswörden, 3/f, 268.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

1 Kön 3,10: Und das Wort war gut in den Augen des Herrn, dass Salomo diese Sache erbeten hatte. In V 10, unmittelbar vor der göttlichen Antwort auf Salomos Rede, erfährt die Leserin, der Leser aus einem Erzählstimmenkommentar eine Wertung der Rede Salomos aus der Perspektive Gottes. Das Wort war gut in den Augen des Herrn † ™ –Q ™#:, V 10a). Die einleitende Narrativform ist eine ('r1œš ” '„1— '4— C’ :x š Gš !™ &' Verbalbildung des Stammes #&, wie er auch in der Wendung „Gut und Böse“ in V 9 enthalten ist.389 Salomo selbst hatte diese Oppositionen benannt, hier wird festgehalten, dass seine Rede der ersten Option entspricht, sie ist gut. Damit ist dieser Verbalausdruck hier in V 10 zum einen im allgemeinen Sinne zu verstehen, das Wort Salomo ist gut, hilfreich, im Sinne Gottes zielführend.390 Zugleich ist der Ausdruck eben im Horizont der Unterscheidung von Gut und Böse zu verstehen. Dies macht noch klarer, dass Salomo durch das Äußern einer Bitte eine Entscheidung treffen musste und nicht einfach Beliebiges erbitten konnte. Mit dem Begriff „Herr“ ('r1œš ” ) wird nach JHWH und Elohim die dritte Gottesbezeichnung in 1 Kön 3 eingeführt, ohne dass Unterschiede in der Verwendung plausibel gemacht werden könnten.391 In Vers 10b folgt ein mit der Konjunktion ') eingeleiteter Nebensatz. Er verdeutlicht die Aussage von V 10a, weil noch einmal ausdrücklich (: mit Demonstrativum) auf die von Salomo erbetene Sache hingewiesen wird.392 Genau ™ ˜ !/ œ v Yf’ +„ ™ fš '|V– ), war gut in jenes Wort, das Salomo erbeten hatte (! O˜ !™ :x š Gš !¡= den Augen des Herrn. Welches konkrete Wort / welche konkrete Sache findet Wohlwollen in den Augen des Herrn? Zunächst kann die Aussage aus V 10 ganz konkret auf den Ausdruck „hörendes Herz“ aus V 9 bezogen sein. Neben den einleitenden Worten (VV 6–8) und den begründenden Zusätzen von V 9 ist es ebendieses hörende Herz, welches Salomo erbittet (µ{ ™ /œ—{ f …+— U~ G’ ’ 4™ +’ kš{ =™ š1 ’#, V 9). Zugleich könnte man das in V 10 erzählte Urteil auch globaler auf die ganze Rede Salomos beziehen. Das „hörende Herz“ wird schließlich nur verständlich, wenn man weiß, wie Salomo auf diese Bitte kommt und wozu er dieses Herz gebrauchen möchte. So folgert Mordechai Cogan, dass es Salomos Demut („humility“) sei, die in V 10 göttliche Zustimmung erfahre.393 Martin Noth meint, es sei die Uneigennützigkeit der Bitte Salomos.394 Auch Martin Rehm spricht von Uneigennützigkeit Salomos, weil dieser der „Pflege des Rechts und [dem, MN] Gehorsam gegen die Götter“ den Vorzug gewähre.395 389 Vgl. Stoebe, #&, 652. 390 Zu dieser Bedeutungsmöglichkeit vgl. ebd., 656–657. 391 Anders bei Kenik, Design, 193–194. Die dort getätigte Argumentation lässt sich allerdings nicht auf eine synchrone Analyse übertragen. 392 Im Sinne einer Betonung: gerade diese Sache (vgl. zu dieser Bedeutung des Demonstrativpronomens Dietrich / Arnet, KAHAL, 138a). 393 So Cogan, Kings, 187. 394 So Noth, Könige, 51. 395 So Rehm, Könige, 45; mit Verweis auf diese häufig von altorientalischen Göttern eingeforderten Tugenden.

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Der Erzählstimmenkommentar in V 10 ist für das Verständnis der Erzählung von „Opfer und Traum“ sehr wichtig. Er offenbart gewissermaßen ihren Charakter. Konnte man sich noch bei der Lektüre von V 5 verwundert fragen, weshalb Gott dem Salomo diese Offerte macht, bringt V 10 Licht ins Dunkel. Es handelte sich nicht um eine Theophanie mit einer Art Blanko-Scheck für Salomo, den er in Form einer beliebigen Bitte einlösen kann. Es ging nicht einfach darum, ihm eine göttliche Gefälligkeit zur Thronbesteigung zukommen zu lassen. Durch den Erzählstimmenkommentar V 10 wird klar, dass nicht jede beliebige Bitte zum Erfolg geführt hätte. Salomos Antwort war nicht belanglos. Die Qualität der salomonischen Antwort hat Einfluss auf den Fortgang der Traumoffenbarung. Der zu Grunde liegende Maßstab zur Beurteilung dieser Qualität ist das Urteil Gottes. Eine andere Antwort, so darf nach V 10 vermutet werden, hätte zu einem anderslautenden Urteil Gottes führen können. An dieser nachstehenden Beurteilung kann der Charakter der göttlichen Aufforderung aus V 5 erkannt werden. Die göttliche Aufforderung zum Formulieren einer Bitte ist eine echte Prüfung, weil Salomo vor der Aufgabe steht, eine gottgefällige Bitte zu äußern. Die Aufforderung Gottes ist zudem eine Rätselfrage, weil sie als Prüfung nicht unmittelbar zu erkennen ist. Es handelt sich um eine verschleierte Prüfung, das Rätsel besteht darin, die tiefere Dimension des göttlichen Angebots wahrzunehmen.

1 Kön 3,11: Und Gott sagte zu ihm: Weil du dir diese Sache erbeten hast, und dir nicht für dich viele Tage erbeten hast und du nicht für dich Reichtum erbeten hast und du nicht das Leben deiner Feinde erbeten hast, sondern dir erbeten hast unterscheidend das Recht zu hören. In V 11 beginnt, nach einer Redeeinleitung (-'!Y –~ “ :/ ˜ œ Q{ ™#), die Gottesrede als Antwort auf Salomos Rede (VV 6–9). Die Struktur von V 11 wird dabei von der häufigen Verwendung des Verbs +f geprägt. Das Wort war bereits bei der Auslegung von V 5 als Leitwort der Erzählung markiert worden. Die erste Wendung kennzeichnet die Gottesrede von V 11 als Begründung (:f{˜ ” Š04™ ™').396 Es wird auf die salomonische Bitte Bezug genommen, ohne aber deren Inhalt ™ ˜ kš +’ ~™ fš ). Der Ausdruck „diese Sache“ findet sich wiederzugeben (!O˜y !™ :„ š Gš !¡= so auch im Erzählstimmenkommentar von V 10. Es folgt die Aufzählung dreier Bitten, die Salomo nicht geäußert hat. Sie werden jeweils mit der gleichen Formel eingeleitet (=+f¡+#). An letzter Stelle steht dann die positive Formulierung der Bitte Salomos ( }UX’ kš +’ ˆ ™ fš ’#). Durch die Nennung alternativer Bittmöglichkeiten, durch die wiederholte Verwendung der gleichen Verbform und durch die inhaltlich offene Formulierung zu Beginn der Rede wird eine Spannung erzeugt, die auf das letzte Glied des Verses zuläuft.397

396 Zu dieser Wendung als Einleitung für Kausalsätze vgl. Gesenius / Kautzsch, § 158. 397 Vgl. dazu die Darstellung der Struktur von 1 Kön 3 ab S. 136.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Auf der inhaltlichen Seite liegt keine willkürliche Auswahl einiger wünschenswerter Objekte vor. Dem Modell und Vorstellungshorizont von „Königtum“, wie es in Salomos Rede der VV 6–9 zum Vorschein kommt, werden hier in V 11 andere Charakteristika von „Königtum“ gegenübergestellt.398 Die hier aufgeführten, nicht gewünschten Dinge entsprechen dabei der Erwartung, die man an einen machtbewussten König und Schwiegersohn des Pharao durchaus haben dürfte: „He did not ask what he may have been tempted to ask – because he is serious about being a good, Yahweh-oriented, Torah-informed king.“399

Dabei sind die aufgeführten, nicht erbetenen Gaben durchaus unterschiedlicher Natur. Zunächst wird festgehalten, dass Salomo für sich keine Fülle an Tagen, „ – U~ X’ kš +’ ™{ f¡ š œ +  ’#). Zwar wäre gegen also ein langes Leben, erbeten habe (-'Cy– :™ -'/š' eine solche Bitte nichts einzuwenden, von ihrer Erfüllung würde Salomo allerdings eher persönlich profitieren (U~ X’ )400, sie wäre nicht (zumindest nicht unmittelbar)401 auf das Volk ausgerichtet.402 Die Gabe eines langen Lebens für Salomo erfolgt in V 14 gesondert, geknüpft an Bedingungen. š œ +  ’# Reichtum habe sich Salomo ebenso nicht für sich erbeten (U{ X’ kš +’ … ™ f¡ :f˜ œ3v ). Wieder wäre eine Erfüllung der Bitte vor allem ihm selbst zugute gekommen. Reichtum wird Salomo in V 13 ohne jede Bedingung als Zugabe zugesprochen. Schließlich habe sich Salomo nicht das Leben seiner Feinde erbeten (U'r’'œ˜  f6„˜ 1˜ kš +’ x ™ fš œ +† ’#). Diese mögliche Bitte ist die einzige von den drei in V 11 erwähnten möglichen Bitten, die in den VV 12–14 nicht wieder aufgegriffen wird.403 Wer sind Salomos Feinde? Sollen damit fremde (und verfeindete) Könige gemeint sein, so wird Salomo in V 13 über diese erhoben, ohne dafür ihre Leben einfordern zu müssen.404 Mordechai Cogan denkt eher an die Feinde im Inneren des eigenen Volkes und stellt mit Verweis auf 1 Kön 2,13–46 fest, dass Salomo für den Umgang mit diesen offenbar keine göttliche Hilfe brauche.405 Diese Auslegung ist nicht ganz schlüssig, weil Salomo sich eben auch andere Dinge nicht erbittet, obwohl er sie gebrauchen könnte (z. B. Reichtum oder ein langes Leben). Dadurch, dass diese mögliche Bitte nicht wieder aufgenommen wird, wird jedenfalls deutlich, dass Gott das Leben der Feinde Salomos offenkundig nicht in dessen Hand geben will.

398 Vgl. Kenik, Design, 45. 399 Brueggemann, Kings, 48. 400 Hier wird durch die Präposition mit ePP ein dativus commodi angezeigt „um die Bedeutung des Vorgangs für ein bestimmtes Subjekt hervorzuheben“ (Gesenius / Kautzsch, § 119s); vgl. ferner Cogan, Kings, 187. 401 Die Lebenszeit des Königs hat, weil er im besten Fall für die Zeit seines Lebens über das Volk regiert, auch Auswirkungen auf dieses Volk, vgl. dazu die Auslegung von V 14 ab S. 101. 402 Vgl. Cogan, Kings, 187. 403 Vgl. ebd. 404 Vgl. Walsh, Kings, 76. 405 Vgl. Cogan, Kings, 187–188.

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Die dann folgende Wiedergabe der salomonischen Bitte erfolgt nicht wörtlich, vielmehr wird die Bitte von verschiedenen Aspekten aus umkreist. Während sich Salomo lediglich ein hörendes Herz wünscht und zur Erläuterung sagt, wozu er dieses Herz braucht, werden in der göttlichen Rede einige Aspekte in die Bitte Salomos integriert. Zunächst wird Salomos Bitte aufgenommen: Du œ † f’ +– 0'x – !š ).406 Mit hast dir erbeten, unterscheidend das Recht zu hören (&a  š f’ /– µ™ / einem Infinitiv constructus der Wurzel 0' im Hifil hatte Salomo in V 9 zwischen Gut und Böse unterscheiden wollen. In V 9 war „hörend“ das Attribut des œ † f’ +– ) erbetenen Herzens. In V 11 zielt der Infinitiv constructus „um zu hören“ (µ™ / wohl zunächst auf ein gutes Regieren bzw. auf die „Fähigkeit der Urteilsfindung durch Anhörung von Parteien und Zeugen“407 ab. Das hier genannte „Recht“ (&a  š f’ /– ) lässt, dem Konsonantenbestand nach, das von Salomo in V 9 angezielte „Regieren / Richten“ (&a œ „ f’ +– ) nachklingen.408 So wird in dieser Wiedergabe der Bitte Salomos in der Gottesrede nicht Salomos Bitte wiederholt, aber doch entscheidende Stichworte aus dieser Bitte kombiniert. In V 11 kann der Eindruck entstehen, dass gegenüber Salomos Formulierung in V 9 der regierungs- und rechtspraktische Akzent stärker ausgeprägt ist, weil beide Infinitive auf das Objekt „Recht“ (&a  š f’ /– ) ausgerichtet sind. Unter &6f/ ist eine „vorgegebene Rechtsordnung“ zu verstehen, „nach der sich der König ausrichten soll“:409 „1 Kön 3,11b konstatiert, daß das von Salomo gewünschte hörende Herz ihn nicht über den &6f/ erhebt, sondern ihm die rechte Verfassung verleiht zu dessen Hören.“410

Der König wird durch die Gaben Gottes nicht völlig unabhängig, sondern bleibt wesentlich auf jene Relationen zu Gott und dem Volk verwiesen, in denen er sich selbst verortet hatte (VV 6–8). Wenngleich in V 11 der „forensische Aspekt“ offenkundig ist,411 muss auch beachtet werden, dass durch die Wiederholung der Verbalwurzeln 0' und 3/f aus V 9 auch der globalere, nicht auf rechts- oder regierungspraktische Fähigkeiten beschränkte Kontext aus V 9 anklingt.412 Die in V 11 durch Gott erfolgende Wiedergabe der Bitte Salomos zielt ebenso auf ad-

406 Simon J. DeVries bezeichnet diese Wiedergabe als Paraphrasierung (so DeVries, Kings, 53). 407 Schult, 3/f, 977. 408 Zur Ableitung des Begriffes von der Verbalwurzel &6f vgl. Johnson, &6f/, 94. Zu dieser Wendung formuliert Christina Duncker: „In allen Reden JHWHs, außer im JHWH-Wort 1Kön 11,11–13, ist die Mahnung zur Bewahrung bzw. zum Handeln nach den [sic!] &6f/ belegt: 1Kön 6,12 und 1Kön 9,4. Dies unterstreicht, dass JHWHs Segensgaben an Salomo dem Volk dienen sollen, dem Recht JHWHs für sein auserwähltes Volk.“ (Duncker, Salomo, 199). Der Begriff &6f/ kommt in V 28 zweimal vor und wird bei der Auslegung von V 28 ausführlicher besprochen (vgl. die Auslegung von V 28 ab S. 125). 409 So Niehr, Herrschen, 218. In V 11 meint Mischpat in den Worten von Christa SchäferLichtenberger „eine vorgegebene, durch die Tora repäsentierte Ordnung, auf die der König zu hören hat.“ (Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 273, mit Verweis auf Johnson, &6f/, 93– 107 und Niehr, Herrschen, 216–217). 410 Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 274. 411 So Niehr, Herrschen, 217–218. 412 Vgl. dazu die Auslegung von V 9 ab S. 89.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

ministrative Fähigkeiten wie auf richterliche und allgemein weisheitliche Fähigkeiten ab.413 Schließlich ist diese göttliche Wiedergabe der Bitte Salomos von V 11 nicht isoliert zu betrachten, weil bei der Erfüllung der Bitte in V 12 anders formuliert wird.

1 Kön 3,12: Siehe: ich handle nach deinen Worten. Siehe: ich gebe dir ein Herz, weise und einsichtig, so dass keiner wie du vor dir war und keiner nach dir, niemand wird auftreten wie du. Nachdem in V 11 zunächst Salomos Bitte414 von anderen möglichen Bitten abgehoben wurde, wird nun, in V 12, ein zweiter Anlauf in der Reaktion auf Salomos Bitte genommen, der V 11 wie eine Vorrede erscheinen lässt: „Siehe, – gx – 4š !†^— !– ). Nachdem in V 11 der ich handle nach deinen Worten“ (U':r ˜ š ’ V– '=' Eindruck entstehen konnte, in der Gottesrede würde Salomos Bitte modifiziert, erscheint nun die Beteuerung, dass Salomos Wort nicht nur gut war (V 10), sondern auch getreu umgesetzt werde. Salomos Bitte wird nochmals wiedergegeben: „Siehe, ich gebe dir ein Herz, weise und einsichtig“ (0Lv š1 ’# -„)š %š +| — Uy +’ 'k– =„ ™ š1 £!„^— !– ). Die zweifache Verwendung der Aufmerksamkeitspartikel !1! (klassischerweise wiedergegeben mit „siehe“) legt einen Akzent auf die jeweils folgenden Aussagen. Zunächst betont Gott, dass er genauso handelt, wie Salomo es sich erbeten hat, alsdann führt er näher aus, was das bedeutet (dass Salomo nämlich ein weises und einsichtiges Herz erhält). Die verwendeten Perfektformen stellen, nach vorangestelltem !1!, eine sich im Sprechen vollziehende Handlung dar.415 Auf der Ebene der Narrativen Analyse entsteht so ein Akt performativen Sprechens.416 Folglich sind diese Perfektformen im Deutschen präsentisch zu übersetzen. Göttliches Sprechen und Handeln fallen zeitlich zusammen. Hat Gott seine Zusage ausgesprochen, ist sie schon in der Erfüllung begriffen.

413 Vgl. Kenik, Design, 138–139. Helen A. Kenik weist an dieser Stelle auf Spr 28,5; 29,7 und Ijob 32,9 hin. Exemplarisch sei Spr 28,5 aufgeführt. Dort wird mit dem Begriff &6f/ und einer Form der Verbalwurzel 0' ausgedrückt, wie sehr das Erkennen des &6f/ eine mit der Gottesbeziehung verbundene Fähigkeit ist, ohne dass ein juristischer Kontext erkennbar wäre: Böse Menschen erkennen das Recht nicht (&ar š f’ /– K1'š'¡ „ – œ +), aber die JHWH suchen, verstehen alles (+œ)  K1'š'). †– 414 Wenngleich nicht wörtlich aufgenommen, so wird Salomos Bitte aus V 9 in V 11 doch wenigstens sinngemäß wiedergegeben. 415 Martin J. Mulder nennt aus der Literatur die Begriffe „konstatierendes Perfectum“; „pf. confidentiae“; „perfects of certitude“ (so Mulder, Kings, 148). Gebräuchlich ist der Terminus „Koinzidenz“. „Koinzidenz bezeichnet die Identität des äußeren Satzes mit der Realisierung des durch ihn bezeichneten Sachverhalts.“ (Groß, qatal, 32). Helen A. Kenik nennt es „perfect verb in the present aspect“ (Kenik, Design, 40 Anm. 47). 416 Vgl. zum Konzept von „performativity“ Berns, Performativity, 370–373.

B 3 Textanalyse

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So wie die salomonische Formulierung („ein hörendes Herz“) aus V 9 für das Alte Testament singulär ist, taucht auch der Ausdruck aus V 12, „ein weises und einsichtiges Herz“ (0Lv š1 ’# -„)š %š +| — ), im Alten Testament nicht wieder auf.417 Die Form, ein Nifal-Partizip der Verbalwurzel 0', knüpft an die Verwendung derselben Wurzel in V 9 an, wo damit die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse ausgedrückt wurde.418 In V 21 wird die Wurzel von einer der beiden Frauen, nämlich von der ersten Sprecherin, verwendet. Wie in Salomos Bitte von V 9 das Herz Träger der Eigenschaft „hörend“ war, so sind auch in der göttlichen Wiedergabe dieser Bitte von V 12 die genannten Eigenschaften dem Herzen zugewiesen. Beim folgenden Ausdruck „so dass wie du niemand sein wird vor dir š œ + U{ L/ { Vš :f… ˜ ” ) und nach dir, niemand wird aufstehen wie du“ (U'1˜ v 6š +’ !„'š !¡ (UL/  Vš -K9† š'¡œ+ U':x ˜ %” ™ ’#) liegt ein formelhafter Sprachgebrauch vor.419 Ähnliche Unvergleichbarkeitsausdrücke420 finden sich auch für Mose (Dtn 34,10), Josua (Dtn 11,25; Jos 1,5421) und Joschija (2 Kön 18,5; 23,25422).423 Mit dem Gebrauch dieses Ausdrucks wird Salomo also in einen erlesenen Kreis großer Führungsgestalten Israels aufgenommen.

1 Kön 3,13: Und auch das, was du dir nicht erbeten hast, gebe ich dir, auch Reichtum, auch Ehre, so dass unter den Königen keiner sein wird wie du, alle deine Tage. In V 13 bekommt Salomo auch zugesprochen, was er sich nicht erbeten hatte: š ™E :f˜ œ4x ¡- ™E T+š v 'k– =„ ™ š1). Der Begriff, der hier mit „Ehre“ Reichtum und Ehre (Lr V¡wiedergegeben ist (Lr Vš ), meint in der Grundbedeutung das Gewicht oder die Schwere einer Sache oder Person.424 Davon abgeleitet bezeichnet es „Herrlichkeit“ oder „Ehre“ in Bezug auf Gott oder Menschen.425 Salomos Ansehen und seine Bedeutung unter den Königen seiner Zeit werden hervorgehoben und auf das Wirken Gottes zurückgeführt.426 Die Wendung „Reichtum und Ehre“ taucht in der Hebräischen Bibel an dieser Stelle erstmals auf.427 417 Die Wendung -)% + erscheint hingegen gelegentlich: Ex 31,6; Spr 16,23; 18,15; Koh 7,4; 8,5 und 10,2. An allen genannten Stellen dürfte -)% allerdings eher nominal aufzulösen sein. 418 Vgl. Mulder, Kings, 149; vgl. ferner DeVries, Kings, 53. 419 Vgl. Brueggemann, Solomon, 113. 420 Martin J. Mulder verwendet den Begriff „incomparability-statements“ (Mulder, Kings, 149); bei Mulder werden allerdings nur 2 Kön 18,5 und 23,25 aufgeführt. 421 Nicht, wie bei Brueggemann, „Josh 1–5“ (so Brueggemann, Solomon, 113). 422 Nicht, wie bei Brueggemann, „2 Kgs 23–25“ (so ebd.). 423 Vgl. ebd. Dtn 11,25 ist allerdings eher für ganz Israel, nicht nur für Josua formuliert. 424 Vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 237a. 425 Vgl. Westermann, ), 795–798. 426 Vgl. Fritz, Könige, 43. 427 Für Claus Westermann ist es nicht zufällig, dass das erste Auftreten dieses Wortpaares in den Erzählungen von den Anfängen des Königtums geschieht. Er formuliert: „Es zeigt eine soziale Wandlung an, die durch das Königtum bedingt ist: eine Schicht reicher und mächtiger Familien entsteht, und das Ansehen dieser reichen Oberschicht wird jetzt mit ,Ehre‘ bezeichnet.“ (Westermann, ), 800–801).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Die wichtigste Fähigkeit, die weisheitliche Erkenntnis zur Unterscheidung von Gut und Böse um zu richten / regieren, hat Salomo sich von Gott gewünscht. Den Rest bekommt er dazu, ohne dass diese zusätzlichen Gaben das gleiche Gewicht besäßen. Sie werden aber auch nicht abgewertet in dem Sinne, dass sie den König zu irgendetwas verführen könnten.428 Diese Gaben hat sich Salomo nicht erbeten. Sein Verlangen ist nicht auf sie gerichtet. Darum sind sie nichts prinzpiell Schlechtes. Dennoch hat Stuart Lasine Recht, wenn er herausarbeitet, wie mit Blick auf die Chronikbücher der Reichtum eine Versuchung, ja Prüfung für einen König sein kann, die es zu bestehen gilt.429 In seinem Umgang mit diesen Gütern wird sich der König bewähren müssen.430 Die Geschenke aus V 13 heben Salomo auch nicht, wie noch in V 12, aus der unvorstellbaren Zahl der Menschen aller Zeiten heraus, sondern nur aus der   ˜ Vš -')x – +š ]’ C™ ).431. Die Gruppe der „Könige deiner [=Salomos, MN] Tage“ (U'/š'¡+ Gaben aus V 13 stehen damit nicht mit der Gabe von V 12 auf einer Stufe, 428 Stuart Lasine meint, dass die Leserin, der Leser von Ez 28,4 sich über diese Gaben und mögliche negative Effekte wundern dürfte. Lasine führt aus: „Here it is not Yahweh but the laws of the king in Deuteronomy which cause Solomon ,to stumble‘. Solomon should have known better than to assume that he could resist the temptations of wealth, honor, and power – unless he was already suffering from hubris [sic!].. But what about Yahweh`s role? Did Yahweh also think ,Solomon will multiply and not turn away‘? Did Yahweh give Solomon wealth, honor, and wisdom after he married the Egyptian king`s daughter because he thought ,Solomon will multiply horses and not cause the people to return to Egypt‘? While the narrative does not allow a definite answer to such questions, it does allow one to conclude that if Yahweh did think in this way he, too, should have known better.“ (Lasine, King, 113). 429 Stuart Lasine führt aus: „If one reads 2 Kgs 20:12–19 in terms of the Chronicler's claim that God left Hezekiah to test him, this is a case in which Yahweh tests a human by giving him wealth and honor. The Chronicler implies that a king can pass such a test, even when the gifts of wealth and prestige had previously gone to his head and triggered Yahweh's wrath (2 Chr 32:23–25). 2 Kings 20, on the other hand, shows a king whose personal wealth prompts arrogance sufficient to call forth a prediction of exile to Babylon—just as Solomon's sins begin the long process which results in the Babylonian exile. Clearly, if God used extraordinary riches and international prestige to test Hezekiah's heart he may have used the same means to test Solomon. That is, he may have given him the kingdom and the wisdom to acquire unparalleled riches and honor in order to see how he dealt with the fulfillment of his desires—including the desires awakened by the test itself.“ (ebd. 112). 430 Prioritätenlisten, in denen gefordert wird, nach den wichtigen Dingen zu streben, kennt auch das Neue Testament. Nicht nur Salomo weiß darum, dass alles an seiner Gottesbeziehung hängt und seine Fähigkeiten von Gott abhängig sind. Auch Jesus vertritt ein ähnliches Gottesbild, wie in Mt 6,31–33 deutlich wird: 31Sorgt euch nicht indem ihr sagt: Was werden wir essen; oder: was werden wir trinken; oder: was werden wir anziehen? 32Um all das kümmern sich nämlich die Völker (ÌÛ ì¿Å¾). Euer himmlischer Vater aber weiß, dass ihr all das benötigt. 33Kümmert euch aber zuerst um sein Reich (½¾Ì¼ė̼ »ò ÈÉľÌÇÅ ÌüÅ ¹¸ÊÀ¼ĕ¸Å) und seine Gerechtigkeit (Á¸Ė ÌüÅ »ÀÁ¸ÀÇÊįžŠ¸ĤÌÇı) und alles wird euch hinzugegeben werden. Wer so lebt und handelt, der achtet die Königsherrschaft Gottes und sieht sich selbst als ein Teil des Gottesvolkes und als Knecht Gottes, so wie Salomo (1 Kön 3,8). Natürlich ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass Salomo später scheitern kann, wenn sich seine Prioritätenliste einmal umkehrt. Die Freiheit, diese Prüfung durch Reichtum und Ehre zu bestehen oder an ihr zu scheitern, lässt Gott den Menschen und hier konkret dem Salomo. In 1 Kön 3 ist von einer Hybris Salomos jedoch keine Spur und negative Folgen dieser Gaben sind nicht absehbar. 431 Vgl. Mulder, Kings, 149.

B 3 Textanalyse

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vielmehr behält die Weisheit unter den geschenkten Gütern eine besondere Bedeutung. Salomo war auch mit Reichtum und Ehre gesegnet – seine Weisheit übertrifft das aber.432

1 Kön 3,14: Und wenn du auf meinen Wegen gehst, um meine Satzungen und meine Gebote zu halten, so wie dein Vater David gegangen ist, werde ich deine Tage lang machen. In der Auflistung von V 11 stand „viele Tage für dich“, also der Ausdruck für ein langes Leben, noch neben den anderen Gaben. In V 13 fehlt ein solcher Ausdruck unter den Gaben Gottes für Salomo. In V 14 ist wieder die Rede davon und zwar   ˜ ˜ 'kx – )’ :™ ™ !™ ’#). mit der Formulierung „ich werde deine Tage lang machen“ (U'/š'¡= Gemeint ist eine Verlängerung der Lebenszeit.433 Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Gabe für Salomo, sondern um eine in Aussicht gestellte Belohnung. Nur, wenn Salomo auf Gottes Wegen geht, um dessen Satzungen und Gebote zu ™v 8’ /K – 'd { ™ %ž :/ œ … f’ +– ')™y :š ’ C– T„+— k— £-„ – ’#), wird er ein langes Leben erhalten. halten ('=L Als Vorbild wird ihm dabei sein Vater David vor Augen geführt, der ebenso † ˜ ” V™ ).434 Hier wird im Rückblick auf V 3 klar, gehandelt habe (U'r – š '„#–Gš T+x ™ !š :f dass das dortige „so wandelte er in den Satzungen Davids, seines Vaters“ ein positiv gemeinter Ausdruck des Gottesgehorsams Salomos war. Zugleich erfahren die Aussagen Salomos über seinen Vater (V 6) eine göttliche Bestätigung.435 So, wie Salomo vor der Traumoffenbarung gehandelt hat (V 3) und wie er sich selbst verortet hat (VV 6–8), so soll er es beibehalten. Als Richtschnur werden Salomo gleich drei Begriffe mitgeben. Zunächst soll er auf Gottes ™v 8’ /K – 'd { ™ %ž :/ œ … f’ +– näher erläutert. Wegen gehen.436 Dies wird mit der Wendung '=L Sie kann auf die gesamte Torah abzielen, Salomo soll sich an den Willen JHWHs halten.437 Salomo soll ein König gemäß der Torah sein.438 Diese konditionierte Verheißung eines langen Lebens darf nicht im Rahmen einer privaten Geste an Salomo verstanden werden. Sie berührt sein König-Sein mindestens so sehr wie die Verleihung des weisen und einsichtigen Herzens in V 12. Langes oder kurzes Leben des Königs Israels bedeutet auch lange oder kurze Regentschaft über das Gottesvolk.439 Gott kann nur denjenigen König lange im Amt belassen, der sich der Satzungen und Gebote Gottes, seiner Torah, als treu erweist.440 Diese Torah ist nicht nur dem Volk gegeben, sie gilt für den König ebenso. 432 433 434 435 436 437 438 439 440

Vgl. ebd. 149–150. So Gesenius18, 99b; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,14. Vgl. Geoghegan, Redaction, 118. Zur Verbindung der VV 6.14 vgl. Kenik, Design, 163.166. Zur Wegmetapher vgl. die Auslegung von V 3 ab S. 67. Zum Begriff „Weg“ als Ausdruck für das Gesetz vgl. Braulik, Ausdrücke, 21–22. Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 274, mit Verweis auf Braulik, Ausdrücke, 25.28. Vgl. Kenik, Design, 163. Vgl. ebd., 153. Helen A. Kenik formuliert: „[…] kingship in Israel obtains its meaning only in the light of Yahweh’s covenant with his people and the directives for keeping that covenant.“ (Ebd., 138).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Während die Gabe des weisen und klugen Herzens samt der übrigen Geschenke in einem Akt performativen Sprechens geschieht, muss sich diese Verheißung eines langen Lebens erst noch in der Zukunft bewähren. Die Verheißung eines langen Lebens ist auch deshalb wichtig für das Verständnis von 1 Kön 3, weil sie den Blick auf den „alten“ Salomo in 1 Kön 11 lenkt. Es genügt nicht, so könnte man mit Walter Brueggemann schließen, eine gute Antwort auf die Rätselfrage im Traum zu geben: „He must make a good choice all along the way, the choice of listening and obeying, for it is in choosing obediently that Israel and its king choose life.“441

V 14 ist nicht einfach die Verheißung eines langen Lebens unter gewissen Bedingungen. Durch die Konditionierung und den Verweis auf die Satzungen und Gebote Gottes ist V 14 eng mit der Erfüllung der Bitte Salomos verbunden. Dieser hat um die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse gebeten. Salomo will sein Leben in die Hand nehmen und gute Entscheidungen treffen. Hier wird ihm explizit mitgeteilt, was „gut“ ist, nämlich ein Lebenswandel auf den Wegen des Herrn, auf denen die Satzungen und Bestimmungen Gottes eingehalten werden. Er hat nicht nur das nötige Organ, den nötigen Sensus zur rechten Unterscheidung erhalten. In V 14 erhält er auch das entsprechende Kriterium für diese Unterscheidung. Salomo steht jetzt, da er die gewünschte Unterscheidungsfähigkeit erhalten hat, vor der Wahl, von der sein weiteres Wohl abhängt.

1 Kön 3,15: Und Salomo erwachte. Und siehe: ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und stellte sich vor die Lade des Bundes des Herrn. Und er ließ Brandopfer aufsteigen. Und er machte ein Dankopfer. Und er machte ein Fest für alle seine Knechte. Vers 15 schließt, durch das gemeinsame Opfermotiv, den Bogen zu V 4.442 Zugleich bietet Vers 15 das Ende des Traumes und korrespondiert so mit Vers 5; jeweils wird der Begriff „Traum“ (-#+%) verwendet. Salomo erwacht œ x Yf’ 79܆ ™ –Q ™#). Die Feststellung, dass es sich um einen Traum gehandelt hat, wird (!/ unerwarteterweise mit einer Aufmerksamkeitspartikel eingeleitet: „Und siehe: ein Traum“ (-L r+%” !„^— !– ’#). Warum muss auf die Tatsache des Träumens eigens hingewiesen werden? Die Leserin, der Leser wusste bereits aus V 5, dass es sich um einen Traum handelt. Hier liegt eine interne Perspektive vor, der gesamte Vers 15 wird aus der Sicht Salomos erzählt.443 Durch diese Fokussierung wird ein 441 Brueggemann, Kings, 49. Insofern Salomos Gottesbeziehung auch mit Salomos Weisheit zusammenhängt, gilt die Konditionierung für Salomo insgesamt. John A. Davies bezieht diese Verknüpfung auf alle Gaben, auch auf Salomos Weisheit, und schreibt: „The wisdom Solomon is granted is contingent on his obedience to God (1 Kgs 2:3; 3:12–14).“ (Davies, Solomon, 53). 442 „Die inhaltliche Geschlossenheit der Szene wird durch die beiden Opferungen in V 4 und V 15 angezeigt, die jeweils ein Derivat von !+3 aufweisen, einmal in Gibeon (V 4) und einmal in Jerusalem (V 15) vollzogen werden.“ (Duncker, Salomo, 194). Jerome T. Walsh spricht in Bezug auf die VV 4–5a.15 von einem „narrative frame“ (Walsh, Kings, 73). 443 Vgl. Cogan, Kings, 188.

B 3 Textanalyse

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Einblick in das Erleben Salomos gewährt, der davon, dass er eine Traumoffenbarung hatte, offenkundig selbst überrascht ist. Das merkwürdige Erwachen Salomos, der sich seines Träumens gewahr wird, ist für biblische Traumoffenbarungen recht ungewöhnlich.444 Eine Relativierung der Begegnung mit Gott in der Traumoffenbarung darf daraus aber nicht gefolgert werden.445 Vielmehr gilt die Überraschung Salomos der Tatsache, eine Offenbarung gehabt zu haben. Träume sind im Alten Orient nichts Unbewusstes oder Parareales, sie sind Ausdruck der Wirklichkeit.446 Damit beansprucht die so geschilderte Traumoffenbarung Legitimität für den neuen König Salomo, „because what God gives in a dream is beyond human control or exploitation or manipulation or resistance. It is, so to speak, the real thing.“447

Die zweifache Betonung, dass es sich um einen Traum handelt (VV 5a.15a), rahmt zudem den eigentlichen Traumkorpus. Der Traum wird deutlich als Medium des erfolgten Dialogs zwischen Gott und König herausgestellt.448 Auf die Erkenntnis, dass er einen Traum hatte, folgt eine Reihe von Reaktionen Salomos. Sie bilden eine durchgängig im Narrativ (waw-PK) š ’' LšQ{ ™#), stellt sich konstruierte Ereignisfolge. Er kommt nach Jerusalem (-– +™ ~ fK: ” :– C’ 0L:„ ” £'„1— 6’ +– £/ œ „ 4” ™QÛ#  ™), lässt Brandopfer vor die Bundeslade des Herrn ('1œš y ¡=' { 3 +4…™ ™Q ™#), macht ein Dankopfer (-'/–v +š f’ g4„™ Q™ ™#) und ein Trinkgelage aufsteigen (=L+œ für alle seine Knechte (#'  š š 4¡+ ” )š +’ !kx ˜ f’ /– g4†™ Q™ ™#). Die einfachste und naheliegendste Interpretation lautet, dass Salomo in Freude über die Traumoffenbarung Gott dankt (darum die Opfer) und für sein ganzes Gefolge ein Fest veranstaltet.449 So ließe sich auch erklären, warum Salomo nach dem großen 444 Außer in Gen 41,7 und in 1 Kön 3,15 erscheint die Wendung „siehe: ein Traum“ noch in Ri 7,13 (-L+„ %” !ˆ^— !). – Allerdings wird dort keine Situation des Erwachens beschrieben, sondern ein Mann berichtet einem anderen von einem früheren Traum. Die Verbalwurzel 79' findet in der Hebräischen Bibel überhaupt nur elf Mal Gebrauch, davon allein drei Mal in Gen 41 (Gen 9,24; 28,16; 41,4.7.21; Ri 16,14.20; 1 Kön 18,27; Hab 2,7; Ps 78,65) (vgl. auch Dietrich / Arnet, KAHAL, 225a). Gemeinsam innerhalb eines Verses erscheinen Formen der Verbalwurzel 79' und das Wort -#+% nur hier und in Gen 41,7b ( !œ4x :’ a™ 79܆ ™ ' –Q ™# -L+  %” !^† — !– ’#). 445 Vgl. Ehrlich, Traum 155–157. Christa Schäfer-Lichtenberger meint, aus Dtn 13,1–6 und Jer 23,25–32; 27,9; 29.8 [sic!] sei – „aus dtr Perspektive“ – eine Minderwertigkeit einer Traumoffenbarung zu folgern (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 276). An den genannten Stellen aber ist jeweils ausdrücklich auf die Schwierigkeit der jeweiligen „Träume“ hingewiesen. Diese ist in 1 Kön 3 nicht erkennbar. Dtn 13,1–6 besagt, dass Träume niemals zu fremden Göttern verführen dürfen. In Jer 23,25–32 geht es um das Verbreiten von Lügen durch Propheten mit Verweis auf einen Traum. Der Vergleich mit 1 Kön 3 funktioniert aber nicht, weil Salomo aus seinem Traum keine Form der Verkündigung irgendwelcher theologischer Botschaften folgen lässt. In Jer 27,9 geht es um das Verkünden falscher politischer Gewissheiten aufgrund von Träumen, auch dies hat keinen Bezug zu 1 Kön 3. Auch in Jer 29,8–9 geht es ausdrücklich „ – und um Auftragsträume, nicht um um „verlogenes Weissagen“ (-'† – C’ –1 -!} — :9˜ f˜v ’ 'V) Gottesbegegnungen auf Gottes Initiative hin. 446 Vgl. Brueggemann, Kings, 46. 447 Ebd., 46–47. 448 Vgl. Kenik, Design, 175. 449 So auch Hentschel, Könige, 32.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Opfer in Gibeon (V 4) erneut opfert. Mitunter wird daraus gelesen, dass Salomo nun, nach dem ambivalenten Höhenopfer, noch ein legitimes Opfer vor der Bundeslade habe darbringen wollen.450 Die Traumoffenbarung könnte demzufolge als Wendepunkt in der Opfertätigkeit Salomos verstanden werden.451 Dagegen spricht, dass Salomos Opfertätigkeit im Rahmen der Traumoffenbarung, während des Gesprächs zwischen Gott und Salomo, an keiner Stelle thematisiert wird. Zudem ereignet sich die Traumoffenbarung in Gibeon, was kaum so zu verstehen ist, als solle Gibeon im Rahmen dieses Traumes als Kultstätte diskreditiert werden. Möglicherweise liegt die Betonung in V 15 auch gar nicht so sehr darauf, dass Salomo in Jerusalem opfert, als vielmehr darauf, dass er sich dazu vor die Bundesœ „ 4” ™QÛ#  ™) ist ein Ausdruck dafür, dass Salolade stellt. Das „sich stellen vor“ ('„1— 6’ +– £/ mo die Autorität des Herrn, vor dessen Lade er steht, anerkennt.452 Sie ist schon ” :– C’ 0L:„ ” ) Repräsentantin des Bundes Gottes mit ihrem Namen nach ('1œš y ¡=' seinem Volk. In gebündelter Form bringt dieses Opfer zum Ausdruck, was in der vorangegangenen Erzählung über Salomo, sein Gottesverhältnis und seine Position im Volk gesagt wird. Er stellt sich in den Bund Gottes mit dem Volk.453 Damit würde das Opfer in V 15 ein praktischer Ausdruck jener Selbstverortung im Volk und vor Gott sein, die Salomo in den VV 6–9 vorgenommen hatte. Salomos Opfer in Jerusalem wirft dennoch Fragen auf: Warum wird die Höhenopferpraxis des Volkes mit dem fehlenden Tempel begründet, wenn man doch in Jerusalem opfern kann?454 Wo soll sich die Bundeslade in Jerusalem befinden, wenn doch der werdende Tempel eine Baustelle ist?455 Wo lässt sich sonst ein legitimer Kultort denken? Diese Leerstellen im Text sind als so genannte permanent gaps zu beschreiben, weil sie im folgenden Erzählverlauf nicht aufgelöst werden.

450 451 452 453

Vgl. etwa Kittel, Könige, 28. Vgl. etwa Cogan, Kings, 188. Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo 277; mit Verweis auf Ringgren, /3, 194–204. Helen A. Kenik hat dies für die VV 4–14 nachgewiesen. Im größeren Rahmen von 1 Kön 3 wäre noch V 2 hinzuzuziehen, wo von der Liebe Salomos zu JHWH berichtet wird. Helen A. Kenik formuliert: „Solomon standing before the ark of covenant of Adoniai projects an image of the king that is commensurate with the image that has been presented throughout the narrative. The image is that of the king under torah“ (Kenik, Design, 194). Helen A. Kenik verweist ferner darauf, dass in der Zeit des Tempels die Präsenz Gottes sich im Tempel, nicht in der Bundeslade ereigne. Die Lade werde somit ausschließlich zum Gefäß der Torah (vgl. ebd., 193–194). Diese Interpretation übersieht, dass auch das Opfer in V 15 in die Zeit vor der Vollendung und der Einweihung des Tempels fällt. 454 Vgl. Walsh, Kings, 74. 455 Gedacht werden könnte an das „Zelt JHWHs“ und den dabei stehenden Altar, an dessen Hörner Joab während seiner Flucht greift (C´™ C  — ’$]– !™ =L †1:’ 9™ C’ 9x$— %” ™QÛ#  ™ !#! vš ’' +!˜  œ „ ¡+˜ { L' š 2 š1…Qš ™#, 1 Kön 2,28). Entsprechend schwerwiegender wäre die Frage, warum das Volk auf den Höhen opfert, weil der Tempel nicht gebaut sei (so Kang, Solomon, 227). Auch daraus würde aber nicht hervorgehen, an welchem Ort in Jerusalem sich das Zelt befinden sollte.

B 3 Textanalyse

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3.2.2 Zum gesamten Abschnitt Nach der Analyse der Einzelverse folgen in diesem Punkt wieder Beobachtungen und Analysen, die den Abschnitt 1 Kön 3,4–15 als Ganzen betrachten. Dabei werden die Analyse der Figurenkonstellation, die Beobachtungen zur Charakterisierung Salomos, zu Orten und Räumen, zur Zeitstruktur des Abschnitts sowie Überlegungen zu einer möglichen Formbeschreibung des Abschnitts dargestellt. Die Figurenkonstellation in diesem Abschnitt ist vom Gegenüber Gottes und Salomos geprägt, welches im Rahmen der Traumoffenbarung stattfindet. Salomos Vater, König David, tritt in diesem Traum nicht auf, spielt aber als Referenzfigur für Salomo eine bedeutende Rolle. In V 4 wird vom Opfergang des Königs berichtet, ohne dass von Begleitpersonen gesprochen wird. Lediglich die Größe des geschilderten Opfers legt nahe, dass sich die Leserin, der Leser den König nicht auf einem einsamen Gang vorstellen muss. In V 15 werden dann die Knechte des Königs erwähnt, für die der König ein Fest veranstaltet. Die Charakterisierung Salomos gelingt in diesem Abschnitt vor allem durch die Analyse der Reden Salomos und Gottes während der Traumoffenbarung. Salomo beschreibt sich selbst als einen unwissenden Gottesknecht, der sich von Gott Hilfe für seine gewichtige Aufgabe als König des Gottesvolkes erbittet. Er verortet sich in einer größeren Geschichte, die ihn selbst mit dem erwählten Gottesvolk und mit der besonderen Gottesbeziehung seines Vaters David verbindet. Seine Bitte ist dabei weniger an seiner eigenen Person ausgerichtet als vielmehr an dem Volk, dessen Leitung er übernommen hat (VV 6–8). In der Gottesrede (VV 11–14) und vorab in einem Erzählstimmenkommentar aus der Perspektive Gottes (V 10) wird diese Haltung Salomos gewürdigt. Durch die Wahl dieser Bitte zeigt Salomo bereits, dass er zwar vor Gott wie ein unwissender, junger Mann dasteht (V 7), die in seiner Situation notwendige Bitte aber doch formulieren kann. Er ist ein König, der weiß, worauf es ankommt. Auch die Gaben, die Salomo empfängt, tragen zu seiner Charakterisierung bei. Das „weise und einsichtige Herz“ macht ihn zu einem einzigartigen Menschen (V 12). Reichtum und Ehre geben ihm einen Sonderstatus unter den Königen seiner Zeit (V 13). Die Figur Salomo erhält durch diese Gaben gewissermaßen eine „Weiterentwicklung“. Welche Orte und Räume werden in diesem Abschnitt behandelt? Zunächst wird Gibeon als Ort der Traumoffenbarung deutlich hervorgehoben. In V 4 ist Gibeon das Ziel des Opfergangs (!{ š1œ 3{ ’ –E T+˜ ]… ˜ !™ T+˜ {—Q ™#), dann in V 5 ganz explizit (obwohl der Ort aus dem Kontext heraus ohnehin klar war) Ort der Traumoffenbarung œ x Yf¡+ ’ ˜ !}L! š ’' !ˆ š :’ –1 0L3y ’ –C’ ).456 Aus archäologischer Perspektive dürfte mit (!/ „Gibeon“ eine gut bezeugte und durch Ausgrabungen (mit relativer Sicherheit) lokalisierte Kultstelle unweit von Jerusalem gemeint sein.457 Als außerbiblischer 456 Vgl. Wälchli, Salomo, 39. 457 Vgl. Mulder, Kings, 137.

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Beleg ist die Karnak-Inschrift des Pharaos Scheschonk I. anzuführen, in der Gibeon genannt wird.458 Mit diesen „historischen Rückfragen“ erschließt sich aber nicht, welche Assoziationen dieses Gibeon bei der Leserin, dem Leser der Hebräischen Bibel wachruft.459 In Jos 9–10 sind es die Gibeoniter, die in Kontakt mit Israel treten. Dort erfährt man auch von der Größe Gibeons, wie sie im Josuabuch (Jos 10,1–2) geschildert wird: 1

Und es war, als Adoni-Zedek, König Jerusalems, gehört hatte, dass Josua Ai genommen hat und sie gebannt hat – wie er es mit Jericho und ihrem König auch gemacht hat, so hat er es auch gemacht mit Ai und ihrem König – 460 und dass die Einwohner Gibeons mit Israel Frieden gemacht haben und sie in ihrer Mitte waren. 2 Und sie fürchteten sich sehr, weil Gibeon eine große Stadt war, wie eine der Königsstädte, und weil sie größer war als Ai, und alle ihre Männer starke Helden (-':œ  – C –E) waren.

Bereits zuvor (Jos 9,3–15) wurde geschildert, wie sich die Gibeoniter einer gewaltsamen Verfolgung durch die Israeliten entziehen und diesen schließlich (als Holzfäller und Wasserträger) dienstbar werden (V 21). Dieser Friede zwischen Israel und Gibeon ist während der Regierungszeit Sauls in Gefahr, so die Schilderung in 2 Sam 21,2. Saul wollte die Gibeoniter – in seinem Eifer   š –# +x — :š g’ –'¡' 1— ’ +– L= † œ ^9™ C’ ) – erschlagen für die Kinder Israels und Juda (!K!' ™ ™#). Um den Frieden wieder herzustellen, gewährt Sauls (-=œšv V!™ +’ {+Kfš fd… — ’' Nachfolger David den Gibeonitern eine Bitte (2 Sam 21,3–4); diese fordern sieben Söhne Sauls (V 6), David stimmt zu. Die Gibeoniter „töten sie auf dem Berg, vor v š ’' '„1— 6’ +– :{ !š Cš -…4'ž 9œ– Q ™#, V 9). Gibeon wird schon zuvor in 2 Sam dem Herrn“ (!#! 2,12–32 mit Blut getränkt, als es Schauplatz einer Fehde zwischen den Männern Davids und denen des Saul ist. Im Kontrast zu diesen möglichen Assoziationen, die die Erwähnung des Ortes Gibeon wecken kann, erscheint das Gibeon wie es in 1 Kön 3 begegnet. Die Leserin, der Leser erfährt von diesem Ort praktisch nichts außer seinem Namen. Gibeon ist sofort Opferstätte: „Der König ging nach Gibeon, um zu schlachtopfern“ (V 4). Er tut das, wie oben ausgeführt, weil sie „die große Höhe“ ist. Er lässt auf ihrem Altar 1000 Brandopfer aufsteigen.461 Schließlich hat er dort nachts 458 Vgl. Handy, Gibeon, 923. 459 Eine Schwierigkeit, die sich dabei ergibt, ist, dass es verschiedene ähnlich lautende Ortslagen in den biblischen Texten gibt, deren Verhältnis (Gleichsetzung oder Differenzierung?) nicht endgültig zu klären ist: „Gibea“ (!4r š ’ –EC, ™ 2 Sam 6,3) und „Geba Benjamins“ (C0/š' r – ’1C– 3„™ ˜ C, ’ 1 Sam 13,16) treten ebenfalls auf. Mitunter ist nicht klar, ob es sich um Ortslagen handelt, oder ob die Lexeme als Bezeichnung für „Höhe, Hügel“ verwendet werden (vgl. insgesamt Miller, Gibea, 922). Nicht ausgewertet sind an dieser Stelle die Erwähnungen Gibeons in 2 Sam 2,12–17; 20,8 (vgl. dazu die Diskussion bei Mulder, Kings, 137). 460 Die Abtrennung dieses Versteils mit Gedankenstrichen ist der Zürcher Bibel 2007 entnommen. 461 Die Knappheit, mit der Gibeon hier beschrieben wird, unterdrückt die Assoziationen zu den oben aufgeführten Texten aber nicht. Es ist Salomo, der nicht aus Rache oder militärischer Überlegung nach Gibeon zieht, sondern um ein übergroßes Opfer darzubringen. Man könnte – vorsichtig formuliert – davon sprechen, dass Salomo diesen Ort rehabilitiert. Rolf Beyer überreizt m. E. die interpretatorischen Möglichkeiten, wenn er hier ein Opfer „zur Entsühnung von Schuld“ sieht, nämlich jener Schuld, die durch das

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einen Traum. Jerusalem wurde im ersten Abschnitt (1 Kön 2,46b–3,3) vor allem über seine Bauten als befestigte Stadt konstruiert. Hier erfährt die Leserin, der Leser lediglich von einem Altar (V 5). Besonders in V 2 waren die Höhen von dem sich im Bau befindlichen Tempel in Jerusalem abgehoben worden. Gibeon wird mit der Bezeichnung als „die große Höhe“ zur Höhe schlechthin, zum Paradigma einer Höhe überhaupt. Gerade die fehlende Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten tritt in Kontrast zu Jerusalem, in dem zwar viel gebaut, aber eben (noch) nicht geopfert wird. Diese Lücke lässt dann den Raum entstehen, in dem Gibeon in der Vorstellungswelt der Leserin, des Lesers konstruiert wird.462 Allein die Größe des Opfers legt den Gedanken an eine angemessene Infrastruktur nahe. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der König sich allein dorthin begeben hat. Nicht zuletzt die scheinbar banale Notiz, dass Salomo dort einen nächtlichen Traum erlebt (V 5), trägt ihren Teil zur Vorstellung von Gibeon in 1 Kön 3 bei. Nichts deutet auf ein zufälliges Ereignis hin, der König schläft nach seinem Opfer ganz selbstverständlich auf der Höhe, was wieder an entsprechende Einrichtungen und Befestigungen denken lassen könnte. Für die Zeitstruktur des Textes ist eine Beobachtung der Reden innerhalb der Traumoffenbarung aufschlussreich. In den Reden Salomos und Gottes lässt sich zeigen, wie die Gegenwart der Traumoffenbarung – der junge König hat eine Gottesbegegnung und erhält eine Bitte freigestellt – durch Rückblicke und Verweise in die Zukunft erweitert wird. Salomo eröffnet seine Rede mit dem Rückblick auf seinen Vater David (V 6). Er formuliert dabei im Perfekt (AK, =' š g–~ 4š , T+{ ™ !š ), dann im Narrativ (waw-PK, :/š f’ k– ™#, 0k˜ k– ™#), um schließlich mit – 4™ fœ† — '). einem Partizip auf die Gegenwart hinzuweisen (! O˜ !™ -L †QV™ Lx 2’ V¡+ Die VV 7–8 verbleiben auf der zeitlichen Ebene der Gegenwart.463 Die erste Verbform von V 9 (kš{ =™ š1 ’#, waw-AK) ist dann in die unmittelbare Zukunft gerichtet, indem sie eine Bitte an Gott formuliert. Die Gottesrede setzt in V 11 mit der Auseinandersetzung mit der eben geäußerten Bitte Salomos ein. Zunächst wird auf die geäußerte Bitte Bezug genommen ™ ˜ kš +’ ~™ fš :f{˜ ” Š04™ ™'). Es folgt, wieder mit Perfektformen (!O˜y !™ :„ š Gš !¡= der Verbalwurzel +f, die Auflistung von nicht erfolgten Bitten š œ +  ’# … U{ X’ kš +’ … ™ f¡ š œ +  ’# … kš +’ x ™ fš œ +† ’#). Schließlich erfolgt, ebenfalls (U~ X’ kš +’ ™{ f¡ Vergießen von Menschenblut in Gibeon und durch die Gibeoniter entstanden sei (vgl. Beyer, Salomo, 60). Der Gedanke, die Texte miteinander in Verbindung zu bringen, ist dennoch sinnvoll. Salomo erscheint dann als ein König, der bewusst einen von Gewalt belasteten Ort aufsucht und gegen die Spirale der Gewalt einen Akt der Gottesverehrung setzt. 462 Die Lücke, die für diesen Raum entsteht, kommt aus dem Sprung zwischen den VV 4–5. Nichts erfährt die Leserin, der Leser, völlig unvermittelt setzt hier die Offenbarung ein, nachdem die Opferhandlung beschrieben war. Damit ist eben bei der Leserin, dem Leser die Lücke entstanden. 463 Mit Ausnahme zweier Perfektformen, die allerdings auf gegenwärtige Situationen hindeuten. In V 7 steht „du hast zum König gemacht“ (kš )„’ +™ /’ !), – was auf einen gegenwärtigen Zustand verweist, nämlich auf die Königsherrschaft Salomos. In V 8 wird Israel dadurch näher bestimmt, dass gesagt wird: „du hast es erwählt“ (kš :’ %r š C), š wobei damit die gegenwärtig relevante Zuschreibung „dein Volk“ erläutert wird.

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im Perfekt, die erste Wiedergabe der salomonischen Bitte ( }UX’ kš +’ ˆ ™ fš ’#). Die Erfüllung der Bitte spielt in der Gegenwart der Traumoffenbarung; die – gx – 4š , 'k– =„ ™ š1) zeigen, wie gesehen, einen Akt verwendeten Perfektformen ('=' koinzidenten bzw. performativen Sprechens an. In der in V 12 folgenden š œ +) und nach ihm aufstehen Bemerkung, dass keiner vorher gewesen ist (!„'š !¡ wird (-K9† š'¡œ+ U':x ˜ %” ™ ’#), der ist wie er, wird ein Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft geschlagen.464 Die konditionierte Verheißung von V 14 wird sich gänzlich erst in der Zukunft realisieren lassen. Dadurch aber, dass sie auf Salomos Vater David als † ˜ ” V™ ), werden die Verweise Vorbild für Salomo rekurriert (U'r – š '„#–Gš T+x ™ !š :f Salomos auf seinen Vater (VV 6–7) wieder aufgegriffen. Dadurch, dass im Dialog Gottes mit Salomo auf die Dimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Bezug genommen wird, wird auf die langfristige Beziehung hingewiesen, die JHWH und Salomo bzw. seine Familie miteinander haben. Schon in der Vergangenheit, bei Salomos Vater David, war diese Beziehung ausgeprägt, derzeit erweist sie sich auch in Bezug auf den neuen König Salomo. Zugleich wird eine Perspektive für die Zukunft eröffnet. Zur Formbeschreibung des Stückes sind die in der Literatur häufig festgestellten Ähnlichkeiten mit ägyptischen Texten aufschlussreich. Sie werden im Abschnitt „E 7 wenn Thronfolger träumen“465 aufgearbeitet.

B 3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 1 Kön 3,16–4,1 3.3.1 Einzelanalyse 1 Kön 3,16: Damals kamen zwei Frauen, Prostituierte, zum König und sie stellten sich vor ihn hin. Der temporale Satzeinstieg mit „damals“ ($„ š ) in V 16 setzt die Erzählung in einen zeitlichen Zusammenhang mit dem zuvor Geschilderten (besonders mit V 15). Dabei ist allerdings kein konkreter zeitlicher Abstand definiert.466

464 Zu dieser Beobachtung bezüglich V 12 vgl. Mulder, Kings, 149. 465 Ab S. 216. 466 Vgl. Omanson / Ellington, Kings, 119; vgl. ferner Gesenius18, 28b–29a. Hier ist eine nicht näher definierte zeitliche Abfolge zu lesen. Die Übersetzung „danach“ (vgl. etwa Walsh, Kings, 79) ist sprachlich möglich, klingt im Deutschen aber zu eindeutig, als wären beide Ereignisse in unmittelbarer Abfolge geschehen. LXX hat ÌĠ̼, das ebenso offen zu lesen ist (also im Sinne von „zu dieser Zeit“, „von da an“ oder „danach“; vgl. Lust / Eynikel / Hauspie, Septuagint, 617b). Es ist jedenfalls schon von diesem Erzähleinsatz her zu vermuten, dass die folgende Erzählung mit der vorangehenden zusammenhängt (vgl. etwa Šanda, Könige, 61). Christa Schäfer-Lichtenberger meint gar, die VV 15 und 16 müsse man sich in einem unmittelbaren Zusammenhang vorstellen (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 278–279).

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Erzählt wird das Auftreten zweier Frauen vor dem König (-–'k} ™ f’ ! š1œ y kš $„ š T+˜ ]r ˜ !¡+ ™ ˜ =L x1œ$ -'f† – š1). Das unmittelbare Anrufen des Königs bzw. das Sich-anden-König-Wenden (hier ausgedrückt mit „zum König kommen und sich vor ihn hinstellen“) in einem Rechtsstreit bedarf keines weiteren Kommentars, es beschreibt vielmehr eine übliche Praxis.467 Besonders eng ist die Ähnlichkeit mit der Rechtsfrage, die eine um ihren Sohn betrogene Mutter in 2 Kön 6,26–29 an den König von Israel richtet.468 Hier wie dort geht es um zwei Mütter, von denen eine ihr Kind verloren hat und die andere dafür verantwortlich macht. Die Bezeichnung der Frauen als Huren (=L x1œ $) ist nicht in einem moralischwertenden Sinne zu verstehen und hat für den weiteren Erzählverlauf keine große Relevanz. Sie dient lediglich als Erklärung dafür, warum der Fall so kompliziert ist und zwei Mütter mit ihren neugeborenen Kindern allein in einem Haus schlafen, ohne dass ein möglicher Zeuge des nächtlichen Geschehens, etwa ein Ehemann, zugegen wäre.469 467 Vgl. Cogan, Kings, 194; mit Verweis auf 2 Sam 14,1–20; 15,3–4 und 2 Kön 8,4–6; vgl. ferner Brueggemann, Kings, 50. 468 Die Parallelen zu der hier untersuchten Erzählung zum gesamten Abschnitt 2 Kön 6,26– 31 sind so augenfällig, dass sie unter Punkt „B 3.3.2 Zum gesamten Abschnitt“ ab S. 128 eigens untersucht werden. Zu vermerken ist weiterhin, dass allen Stellen, die von einem konkreten Aufsuchen des Königs berichten, ein Fall zu Grunde liegt, in dem es um Leben oder Tod geht: In 2 Sam 14 geht es (in einem Fall, der sich als Rätsel für David entpuppt) um die Angst einer Witwe, durch Blutrache ihren letzten Sohn zu verlieren; in 2 Kön 6 erhebt die Mutter eines toten Kindes Anklage gegen die Mutter eines lebenden Kindes, die ihr Kind vor dem gemeinsamen Verzehr bewahren will; in 2 Kön 8 berichtet die Frau aus Schunem von der Erweckung ihres Sohnes. In 2 Sam 15, wo Abschalom sich als besseren Richter (im Vergleich mit seinem Vater David) anpreist, wird kein konkretes Beispiel aufgeführt. Auch die letztgenannte Stelle wird in dieser Arbeit noch ausgewertet werden, weil sie aufschlussreich für das Verhältnis von Richten und Regieren ist. 469 Vgl. Sweeney, Kings, 82. Anders deutet Kyunk Sook Lee, die die Bezeichnung der Frauen als Huren als Transportform eines negativen Frauenbildes versteht (vgl. Lee, Königsbücher, 134). Andreas Michel deutet die Bezeichnung der beiden Frauen als Huren in enger Verbindung mit dem strittigen Objekt, dem lebendigen Sohn. Nur durch einen Sohn könnten die (als Prostituierte notwendig alleinstehenden) Frauen ihren künftigen Unterhalt gewährleistet sehen. Um eine Tochter würden sich die beiden Frauen demnach kaum streiten (so Michel, Gewalt, 319; vgl. ferner Wénin, roi, 31–32). Der Text setze gar eine „Mann-Frau bzw. Junge-Mädchen-Dichotomie […] als Verständnisfolie“ voraus (Michel, Gewalt, 319–320). Spätestens nach der Anweisung des Königs, das Kind zu zerschneiden (V 25), wird deutlich, dass die Frauen nicht aus materiellen Beweggründen vor dem König erschienen sind. Eine verzichtet auf das Kind, was ihr keinen Unterhalt einbringen wird, die andere fordert vehement die Zerschneidung, die ebenfalls keine auf die Zukunft gerichteten Versorgungshoffnungen mit sich bringen würde. Die klare Bestimmung der beiden Kinder als „Söhne“ ist in der Erzählstrategie von 3,16–4,1 allein deshalb bedeutend, weil es die Kompliziertheit des Falles verschärft: das tote und das lebendige Kind haben dasselbe Geschlecht. Wohl kaum hätte beispielsweise die Mutter einer toten Tochter ihr Kind gegen den lebenden Sohn der anderen Frau auswechseln können. Das wäre für die Leserin, den Leser unplausibel. Michel selbst bringt das (wenngleich aus späterer Zeit als 1 Kön 3 stammende) Beispiel eines spätrömischbyzantinischen Bordells, in dem die Prostituierten offenkundig bevorzugt ihren männlichen Nachwuchs nach der Geburt töteten (vgl. ebd., 320 Anm. 7). Michels Urteil rechnet offenkundig nicht mit der Möglichkeit, dass Prostituierte – wie andere Mütter auch – Empathie mit ihrem eigenen Kind haben können, was m. E. eine unnötige Unterstellung darstellt. James L. Crenshaw hält Kinder prinzipiell für einen Unglücksfall im Leben einer

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Die abschließende Formulierung „und sie stellten sich vor ihn hin“ ( ! š1’ / œ x 4” k™ #  ™ #' 1š 6š +’ ) beschreibt zunächst den König als Ziel der Frauen, zu ihm kommen sie mit ihrem Streit. Zugleich ist mit dem Satz „und sie stellten sich vor ihn hin“ der Ort des folgenden Geschehens angegeben. Alles spielt sich vor dem König ab. Ein anderer Ort wird in der gesamten Erzählung nicht genannt. So wird mit dieser Standortbestimmung ein „Szenenbild entworfen“.470 Ähnlich lautende Bemerkungen finden sich in den VV 22.24 ((+/! '16+). Das „Stehen (vor)“, ausgedrückt durch eine Form der Wurzel /3, ist für die Parteien vor Gericht ein gebräuchlicher Ausdruck.471

1 Kön 3,17: Und die eine Frau sagte: Bitte, mein Herr, ich und diese Frau wohnen in einem Haus und ich habe bei ihr in dem Haus geboren. Die Redeeinleitung „Und die eine Frau sagte“ (={ %™ ™ !  š !i … š – !š :/ ˜ œ k~ ™#) in V 17 kennzeichnet die VV 17–21 als Rede einer Frau. Sie wird im Folgenden der Arbeit „erste Sprecherin“ genannt. Diese Rede wird nicht unterbrochen. Sie beginnt mit der Einleitungsfloskel „Bitte, mein Herr“ ('1œ– v ” 'C„ – ). Diese Floskel intendiert aber nicht, dass im Folgenden irgendeine Bitte erscheinen müsste, die ja auch nicht erscheint.472 Vielmehr gehört die Wendung

Hure (vgl. Crenshaw, Wisdom, 45). Sieht man vom diskutierten Beispiel 1 Kön 3 ab, fällt auf, dass es in vielen biblischen Texten, vermehrt in den Königebüchern, Söhne sind, die als Objekt mütterlicher Sorge vorgestellt werden, während von Mutter-TochterBeziehungen kaum die Rede ist (so in 1 Kön 14; 17,8–24; 2 Kön 6,24–31; 8,1–6; vgl. Schmidt, Randfiguren, 94). In den von Uta Schmidt untersuchten Texten sind es gar die Söhne, die die Frauen erst als Mütter agieren lassen, die Söhne sind „das Attribut der Frauen“ (so ebd., 99), Ähnliches lässt sich auch für 1 Kön 3 festhalten. Die Lesart, wonach es Salomos besondere Güte zeige, dass er sich auch zur Lösung der Rechtsstreitigkeiten von Prostituierten herablässt („einer an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Person“, so Müllner, Herz, 22; vgl. ferner DeVries, Kings, 61), hat keine Grundlage im Text. Weder gibt es Indizien dafür, dass Prostituierte hier als vor Gericht minderwertige Personen gedacht werden (vgl. viel eher die Rechtsniederlage Judas gegen seine Schwiegertochter Tamar in Gen 38: Juda enthält der verwitweten Tamar seinen Sohn vor, der sie heiraten müsste [VV 11.14]. Tamar legt ihre Witwenkleidung ab [V 14], Juda trifft sie, hält sie für eine Prostituierte und schläft mit ihr [VV 16.18]. Die daraufhin schwangere Witwe Tamar soll verbrannt werden [V 24], hat aber Beweise für Judas Vaterschaft und wird rehabilitiert [VV 25–26]), noch gibt es ein Indiz für irgendeine besondere Aufmerksamkeit des Königs, die er ihnen zukommen ließe. Er kommt schlicht seiner Aufgabe als Regent nach (vgl. 1 Kön 3,9). 470 So Särkiö, Weisheit, 37. 471 Vgl. Ringgren, /3, 195–196; mit Verweis auf Num 27,2; Num 35,12; Jos 20,4.6.9; Dtn 19,17. 472 Christina Duncker unterstellt der Frau, sie würde selbstbewusst die übliche Proskynese unterlassen und eine Bitte ankündigen, die sie dann nicht formuliert (vgl. Duncker, Salomo, 205). Auch Josefs Brüder verwenden diese Formel, um sich ihrem (nicht als solcher erkennbarem) Bruder zuzuwenden (Gen 43,20; 44,18); vgl. Särkiö, Weisheit, 38.

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„in die Kategorie der Eröffnungssignale […], die zur Einleitung der Rede an einen Höhergestellten verwendet wird und Ergebenheit und Unterwerfung des Sprechers anzeigt.“473

Die erste Sprecherin beschreibt in V 17 eine Situation, in der beide Frauen in ein und demselben Haus wohnen und dort auch gemeinsam anwesend waren, als die erste Sprecherin gebar.474 Dieses Haus erfährt keine nähere Bezeichnung. Es ist schlicht das Haus, in „ š – !š ’# '{ –1” ) und die erste welchem die Frauen wohnen (%r š ˜ =–'„™ C’ =œx fœ’ ' =œ Ov !™ !i Sprecherin gebar (=–'C  š C™ I]x š 4– +† — — š#). Darum sollte auf moderne Bezeichnungen für dieses Hauses wie „Bordell“ oder „Dirnenhaus“475 verzichtet werden.476

1 Kön 3,18: Und es war am dritten Tag nachdem ich geboren hatte, auch diese Frau hatte geboren, und wir [waren] zusammen, es gab keinen Fremden bei uns im Haus. Nur wir beide waren im Haus. V 18 beginnt mit einem Zeitsprung zum dritten Tag477 nach dem Gebären der { – +– i’ !™ -L …QC™ '!–€ ’' ™#).478 Rein sprachlogisch fügt sich der ersten Sprecherin ('k–v ’ +– +’ 'f' folgende Satz mit einem Narrativ an diese Aussage an (=œ Or !™ !i „ š – !¡š ™E +˜ kx — ™#), so dass der erste Satz zu einer Zeitangabe würde: Am dritten Tag nach meinem Gebären gebar auch diese Frau. Der Punkt, auf den die erste Sprecherin hinaus will, ist aber der Tod eines Kindes. Er wird erst in V 19 erzählt. Es dürfte folglich eher so sein, dass der erste Satz in V 18 bereits auf die Nacht des Kindstodes hinzielt. Ansonsten wäre lediglich gesagt, dass die zweite Sprecherin drei Tage nach der ersten ein Kind zur Welt brachte und dass bei dieser Geburt kein Fremder anwesend war,479 sondern beide Frauen sich allein im Haus aufhielten. Für das

473 Joüon / Muraoka, Grammar, § 105c; Schneider, Grammatik, 265; vgl. ferner Mulder, Kings, 155. 474 Vgl. Mulder, Kings, 155. Martin Noth gibt den Ausdruck I]x š 4– mit „in ihrer Gegenwart“ wieder (so Noth, Könige, 43). Zwar kann die Präposition /3 auch auf gemeinschaftliches Tun hinzielen und wäre im Sinne von „mit“ zu übersetzen (vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 411a), was in diesem Fall bedeuten würde, dass beide Frauen gemeinsam geboren hätten. „Gebären“ gehört aber nicht zu den Verben, die gewöhnlicherweise ein gemeinschaftliches Tun beschreiben (zu dieser Unterscheidung vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 411a). In diesem konkreten Fall ist dies allerdings differenziert zu beurteilen. Die Leserin, der Leser erfährt später (V 18), dass beide Frauen Kinder geboren haben, möglicherweise in kurzen Abständen. Die Lesart „ich habe mit ihr geboren“ sollte an dieser Stelle zumindest nicht ausgeschlossen werden. 475 So Noth, Könige, 52. 476 Vgl. Cogan, Kings, 194. 477 Mordechai Cogan möchte auch den Ausdruck „am dritten Tag“ ('{f' – +– i’ !™ -L …QC) ™ mit Verweis auf Gen 22,4; 31,22; Jos 9,17; 1 Sam 30,1; 2 Sam 1,2; Est 5,1 als Bezeichnung eines unbestimmten Zeitraums verstehen (so Cogan, Kings, 194). 478 Möglicherweise wird in diesem Vers mit den Zahlenangaben gespielt. Am dritten Tag waren zwei Frauen in dem (einen) Haus; eine tiefere Symbolik ist aber nicht erkennbar. 479 Damit könnte zwar erklärt werden, dass niemand das Kind der zweiten Sprecherin gesehen hätte und es folglich niemand als ihres identifizieren könnte. Allerdings wäre die

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Plädoyer der ersten Sprecherin wäre es aber eher zu erwarten, dass sie diese Aussagen mit Blick auf den Tod des einen Kindes tätigt. Der zweite mit einem Narrativ eingeleitete Satz in V 18 wäre damit eine eingeschobene Hintergrundinformation, die zum Verständnis der Situation beitragen soll. Durch diesen gewählten Duktus entsteht bei der Leserin, dem Leser der lebhafte Eindruck eines leidenschaftlichen Plädoyers der ersten Sprecherin, in deren Rede auch nicht chronologisch korrekt formulierte Gedanken „im Eifer des Gefechts“ geäußert werden müssen. Über den genauen Altersabstand der Söhne beider Frauen lässt sich folglich nichts Näheres sagen.480 Die wiederholte Verwendung des Demonstrativums beim Verweis auf die „ š – !¡š ™E, in V 17: =œ Ov !™ !i„ š – !š ’#) kann unter Umständen ein andere Frau (=œ Or !™ !i Moment der Verachtung ausdrücken, besonders vor dem Hintergrund der schweren Anschuldigungen, die die erste Sprecherin zu „dieser Frau“ macht.481 Die Betonung, dass kein Fremder dabei war, soll für den König (und die Leserin, den Leser) vor allem mögliche Augenzeugen ausschließen.482 Der verwendete Begriff :$ könnte in das Millieu von Prostituierten passen und beispielsweise einen Freier bezeichnen.483 Allerdings wirkt die Vorstellung eines Freiers bei Frauen, die gerade entbunden haben, unrealistisch.484 Die abschließende Bemerkung „nur wir beide waren im Haus“ betont erneut die Schwierigkeit des Falles aufgrund der Nichtexistenz irgendwelcher Zeugen. Aussagefähig sind nur die beiden Frauen.

1 Kön 3,19: Und der Sohn dieser Frau starb nachts, weil sie auf ihm lag. Während die VV 17–18.21 als Erlebnisbericht der ersten Sprecherin gestaltet sind, fügt jene dazwischen (VV 19–20) die Schilderung nächtlicher Ereignisse ein. Diese sollen aber, ihrem eigenen Bekunden nach, während ihres Schlafes geschehen sein (U{ =’ /  š ” ™# '+– y 8’ ˜ /  — ). Das wirft Fragen nach der Belastbarkeit dieser

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Abwesenheit von Zeugen weder für die Geburt des Kindes der ersten Sprecherin noch für die Todesnacht festgestellt. Es lässt sich nicht sagen, ob beide Knaben etwa gleich viele Lebenstage zählten. Wären sie etwa gleichaltrig, würde das eine Verwechslung der beiden Knaben wahrscheinlicher machen. Vgl. Joüon / Muraoka, § 143d. Dort wird diese Bedeutung für 1 Kön 3,18 zwar zurückgewiesen. Das ist allerdings nur verständlich, wenn der Vers ohne den weiteren Kontext ausgelegt wird. Im Gesamtzusammenhang der Rede der ersten Sprecherin (VV 17–21) werden die Demonstrativa der VV 17–18 einen verachtenden Klang tragen können. Vgl. Cogan, Kings, 194. Simon J. DeVries meint, es gehe darum, mögliche externe Mörder des toten Kindes auszuschließen (vgl. DeVries, Kings, 59). Dagegen spricht, dass von einer aktiven Tötung des Kindes nirgends berichtet wird. Es geht in diesem Prozess um die Identität des lebenden Kindes, nicht um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes. Vgl. Särkiö, Weisheit, 37–38. Von daher ist die Behauptung, dass niemand bei den Frauen war, keineswegs überraschend (anders Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 10).

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Aussagen auf.485 Wollte man daraus aber ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit dieser ersten Sprecherin gewinnen,486 würde dieser Beobachtung eine zu große Bedeutung beigemessen werden. Die Sprecherin erwähnt selbst, während des bezeichneten Vorgangs geschlafen zu haben, und relativiert ihre Aussagen damit ohnehin. Sie stellt lediglich klar, was sich aus ihrer Sicht ereignet haben muss. Natürlich könnte die erste Sprecherin auch lügen. Genau darin besteht ja die Unsicherheit für die Beurteilung dieses Falles, die sich in den widerstreitenden Aussagen von V 22 erneut manifestiert. Der König selbst weist in V 23 darauf hin. Damit erübrigt es sich, bereits in diesen ersten Versen nach Hinweisen für die Identifizierung der richtigen Mutter zu suchen – der Text selbst sendet solche Signale nicht, er hält die Antwort auf diese Frage offen. Die Schilderung der Geschehnisse jener Nacht durch die erste Sprecherin birgt, bei aller Sachlichkeit der Darstellung, ein tragisches Moment. Der Tod eines Kindes ist für dessen Eltern für gewöhnlich ein schwerer Schlag. Nach der Sprecherin in V 19 starb das Kind in der Nacht, weil seine Mutter auf ihm lag † ˜ ” !+š ’'r+š =œ Ox !™ !i† š – !¡0 š C˜ =/}š Qš ™#). Was so knapp geschildert ist, lässt (#'+  š 4š !x š )’ fš :f eine große Notlage der Mutter des toten Kindes erkennen. Nicht nur, dass sie den Tod ihres Kindes hilflos annehmen muss, sie wird auch noch beschuldigt, dafür verantwortlich zu sein. Sollte diese Sicht der ersten Sprecherin tatsächlich als Ereignisschilderung jener Nacht zu verstehen sein, lässt sich die bedrängte Situation der Mutter, deren Kind verstorben ist, kaum in Worte fassen. Sie könnte als Erklärung für den leidenschaftlichen Streit beider Frauen dienen. Auch wenn die erste Sprecherin selbst die leibliche Mutter des toten Kindes wäre, kein Austausch stattfand und sie selbst die Frau wäre, die ihr Kind erdrückt hätte – die Situation wäre kaum weniger dramatisch. Insofern ist es bei der Auslegung dieses Verses unglücklich, von einem „Mord“ oder einem „Verbrechen“ zu sprechen.487 Es wird ja auch tatsächlich kein Tötungsdelikt verhandelt. Die zu klärende Frage betrifft die Identität des lebenden Kindes.

1 Kön 3,20: Und sie stand mitten in der Nacht auf. Und sie nahm meinen Sohn von meiner Seite, und deine Magd [war] schlafend, und sie legte ihn in ihren Schoß, aber ihren toten Sohn legte sie in meinen Schoß. Das Töten des eigenen Kindes im Liegen (#'+  š 4š !x š )’ fš , V 19) findet in V 20 ein „Gegenmotiv“.488 Die Mutter des toten Kindes möchte den Tod ihres Kindes rückgängig machen, indem sie ein anderes Kind in ihren Schoß legt x — V– f’ k™ ™# !1š v f— ’' U{ =’ /  š ” ™# '+– y 8’ ˜ /  — '„1– C¡= ’ ˜ %dˆ ™ k– ™#). Das Liegen der Mutter (I9Ür š '%— C’ K!' auf dem Kind und das Legen des fremden Kindes in den eigenen Schoß wird jeweils mit Formen der Wurzel )f ausgedrückt. 485 Vgl. Cogan, Kings, 194; Duncker, Salomo, 206. 486 So etwa Duncker, Salomo, 207; mit Verweis auf Walsh, Kings, 81 und van Wolde, Embeddedness, 631. 487 So etwa Duncker, Salomo, 205–206. 488 So Särkiö, Weisheit, 37.

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Zum zweiten Mal erwähnt die erste Sprecherin in ihrer Rede, dass sich die geschilderten Ereignisse in der Nacht abgespielt hätten.489 Zum einen wird damit ein deutlicher Gegensatz zum folgenden V 21 konstruiert, wo zweimal „am Morgen“ als Zeitangabe verwendet wird. Die geschilderten Ereignisse, hier das vermutete Totlegen und Austauschen des toten Kindes durch die andere Frau (VV 19–20), in V 21 das eigene Erleben bezüglich des zunächst als tot und dann als fremd erkannten Kindes, werden durch die jeweils zweifach hervorgehobenen Angaben „in der Nacht“ bzw. „am Morgen“ deutlich voneinander abgehoben. Zudem stellt die zweifache Angabe „in der Nacht“ eine Verbindung zur voranstehenden „Erzählung von Opfer und Traum“ her, wo in V 5 erzählt wird, dass sich die Traumoffenbarung in der Nacht (!+š ’'rXš !™ ) abspielt. Der König, vor dem die Frauen stehen, ist also wieder mit nächtlichen Ereignissen konfrontiert, die er entschlüsseln und verstehen muss. Ging es zuvor darum, die Frage Gottes von V 5 (auch) als Rätsel und als Prüfung zu erkennen, so geht es nun darum, die Umstände jener Nacht aufzuklären, von der die erste Sprecherin berichtet.

1 Kön 3,21: Und ich stand am Morgen auf, um meinen Sohn zu stillen, und siehe: er war tot. Als ich ihn aber genau ansah am Morgen, siehe: es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte. Während die in den VV 19–20 geschilderten Begebenheiten lediglich aus logischen Schlüssen der ersten Sprecherin resultieren – sie gibt an, währenddessen geschlafen zu haben – schildert sie in V 21 ihr bewusstes Erleben. Dieses Erleben und die dabei gemachten Erkenntnisse liefern die Erklärung für die Rekonstruktion der nächtlichen Ereignisse.490 Am Morgen steht sie auf, um ’ ˜ 9'†1'– !— +’ :9˜ œC} C™ -9܆ ž š š#). Dabei stellt sie zunächst fest, ihren Sohn zu stillen ('x1– C¡= r — —^!– ’#). Auf diese bittere Beobachtung folgt in V 21b die dass das Kind tot ist (=/¡! nächste schockierende Erkenntnis: Das tote Kind ist nicht ihres. Durch den erneuten Verweis darauf, dass sich auch diese zweite Erkenntnis „am Morgen“ — =’ ˜ š#) vollzog, entsteht zum einen eine Verbindung beider (:9˜ œCv C™ #'{ +š — 0ۅ1LC Ereignisse (Feststellung des Todes und Feststellung, dass das Kind nicht ihres ist). Sie finden beide „am Morgen“ statt. Zugleich werden sie, durch die je eigene Einleitung mit eigener Zeitangabe, voneinander abgehoben. Durch dieses Abheben gelingt der ersten Sprecherin eine rhetorische Imitation ihrer dramatischen Erlebnisse. Sie stand auf, um zu stillen – aber der Säugling war tot. Offenbar legt die trauernde Mutter das Kind nicht beiseite, sondern betrachtet es. Jedenfalls fällt ihr – beim genauen Ansehen – auf, dass das Kind nicht nur tot, sondern auch fremd ist. Ob die Sprecherin zunächst eine Verwirrung darüber empfindet oder ob sie unmittelbar die Schlüsse zieht, die sie in den VV 19–20 vorgetragen hat, erfährt die Leserin, der Leser nicht. — =’ ˜ š#) Der hebräische Ausdruck, der hier mit „genau ansehen“ (0ۅ1LC wiedergegeben ist, ist eine Hitpolel-Form der Verbalwurzel 0', welche bereits in 489 Vgl. dazu die Auslegung von V 19 ab S. 112. 490 Vgl. Mulder, Kings, 157.

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den VV 9.11.12 gebraucht worden war.491 Dieses „genaue Ansehen“ verändert den ersten, flüchtigen Blick beim morgendlichen Aufstehen am Versbeginn. Das genaue Betrachten führt zu der neuerlichen Entdeckung.492

1 Kön 3,22: Und die andere Frau sagte: Nein!, denn mein Sohn ist lebendig und dein Sohn ist tot, und diese sagte: Nein!, denn dein Sohn ist tot und mein Sohn ist lebendig. Und sie sprachen vor dem König. Nach der ausführlichen Rede der ersten Sprecherin folgt in V 22 ein kurzer Schlagabtausch zwischen beiden Frauen. Das Wort ergreift zunächst die Frau, die ˜ œ k ™#). Sie ist die zweite in den VV 17–21 geschwiegen hat (=:˜ %~˜ ™ !š !i{š – !š Š:/ Sprecherin. Sie geht auf den von der ersten Sprecherin vorgetragenen Ablauf der Ereignisse in der Todesnacht nicht ein, sondern widerspricht knapp. Die Ausführungen können nicht stimmen, denn ihr Sohn sei lebendig und der der ’ '% { ™ !™ '…1– C’ ')–y ). Ihrer Rede wird umgehend von der ersten Sprecherin tot (=]—v !™ TÛ1„ — K ersten Sprecherin (={ :˜ /œ˜{  =œ $… ’#) widersprochen. An dieser Stelle liegt ein Chiasmus vor, weil die Widerrede der zweiten Sprecherin mit dem eigenen, lebenden Kind beginnt und mit dem toten der anderen Frau endet, die darauf erfolgende Widerrede der ersten Sprecherin diese Reihenfolge aber umdreht ( Tۆ1— C’ '%r š !˜ '„1– K ’ =]x — !™ ). Durch den chiastischen Aufbau der beiden Wortmeldungen wird die Unsicherheit über die „richtige“ Mutter, die bei der Leserin, dem Leser ohnehin schon herrscht, weiter gesteigert.493 Beide Frauen beginnen ihre Reden mit einem vorangestellten „Nein“ (+). Damit ist eigentlich schon alles gesagt und der Rede der jeweiligen Vorrednerin widersprochen.494 Der folgende, mit der Konjuntion ') eingeleitete Satz liefert lediglich die Begründung für diesen Widerspruch nach. Dieser Dialog ist nur eine Zusammenfassung des zu Grunde liegenden Streites der beiden Frauen, was die abschließende Bemerkung „Und sie stritten vor dem König“ (T+˜ ]  ˜ !™ '†1— 6’ +– ! š1:’ Cx — ™ k’ ™#) andeutet.495

1 Kön 3,23: Und der König sagte: Diese sagt: dieser ist mein lebendiger Sohn und dein Sohn ist tot, und diese sagt Nein!, denn dein Sohn ist tot und mein Sohn ist lebendig. In V 23 wird erstmals eine Tätigkeit des Königs berichtet. Dabei ist es denkbar, ˜ œ Q„ ™#) eine innere Reflexion dass die Wendung „Und der König sagte“ (T+˜ ]˜v !™ :/ 491 Vgl. Särkiö, Exodus, 27. 492 Vgl. Ringgren, 0', 625; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,21. 493 Vgl. Wénin, roi, 36. André Wénin meint, in V 22 käme der radikale Gegensatz zwischen beiden Frauen am direktesten zur Sprache; vgl. ferner Deurloo, Wisdom, 17 und Mulder, Kings, 158. 494 Nach Gesenius / Kautzsch genügt zur Verneinung mitunter ein schlichtes + (so Gesenius / Kautzsch, § 150n; mit explizitem Verweis auf 1 Kön 3,22). 495 Vgl. Särkiö, Weisheit, 38.

116

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

des Königs, ein „zu sich selbst sagen“ meint.496 Dann würde er den Streit der Frauen still verfolgen und die Reden der Frauen für sich zusammenfassen. Diese Lesart hätte zur Folge, dass der Befehl des Königs in V 24 die erste Einmischung des Königs in das Streitgespräch der Frauen wäre und völlig unvermittelt käme. Unabhängig von der Frage, ob der König die Frauen schon in V 23 unterbricht oder nicht, haben seine Worte / Gedanken eine Wirkung auf die Leserin, den Leser. Zum einen subsumiert der König die Reden der Frauen inhaltlich und gibt der Leserin, dem Leser damit Zeit, das im Prozess Gesagte zu rekapitulieren und nach einer Problemlösung, nach einem gerechten Urteil zu suchen.497 Zugleich ist es wichtig, die genaue Wortwahl des Königs zu betrachten. Die Rede der ersten Sprecherin, die in V 22 auf eine Behauptung ihrer Kontrahentin reagiert, zitiert er ’ =]x — !™ Tۆ1— C’ ')–v œ +„ , Rede der Frau V 22b /  =]x — !™ Tۆ1— C’ ')–v œ +„ wörtlich ('%r š !˜ '„1– K '%  š !˜ '†1– K ’ , Wiedergabe durch den König in V 23b). Die Rede der anderen Frau, die in V 22 zuerst spricht, scheint er auf den ersten Blick sinngemäß wiederzugeben ’ '% { ™ !™ '…1– C’ ')–y œ +„ , Rede der Frau in V 22a / =]r — !™ TÛ1„ — K ’ '%x ™ !™ '†1– C¡! ’ ˜$, (=]—v !™ TÛ1„ — K Wiedergabe durch den König in V 23a). Schaut man jedoch genauer hin, führt er eine weitere Person in die Gerichtsszene ein, von der vorher nicht die Rede war. Er verwendet für das Streitobjekt, den lebendigen Sohn, das Demonstrativ’ ˜$). Dadurch wird die Anwesenheit dieses lebendigen Sohnes pronomen ('%x ™ !™ '†1– C¡! angezeigt. Für die Kommunikationssituation ist das ein sehr wichtiges Signal. Die angezeigte Gegenwart des lebenden Sohnes verschärft zugleich die Dramatik des Falls. Es bedarf einer zügigen Entscheidung, das Kind braucht eine Mutter. Wie aus der Rede der ersten Sprecherin deutlich wurde, handelt es sich um einen Säugling, der versorgt werden muss. Unabhängig von der dramatischen Situation der beiden Frauen, wie sie oben bei der Auslegung von V 19 beschrieben wurde, wird durch die scharfe Gegenüberstellung der beiden Frauen in V 22 und deren Aufnahme durch den König in V 23 ein weiterer Aspekt deutlich: So tragisch der Fall liegt, so verständlich die Reaktionen der Frauen sein mögen – es gibt nur ein lebendiges Kind und dieses Kind hat nur eine Mutter. Eine der Frauen sagt also die Wahrheit, wenn sie behauptet, dass ihr Sohn lebendig sei – die andere tut dies eben nicht. Damit treten die Frauen in eine scharfe Opposition zueinander, in der eine Frau für die Wahrheit steht und die andere für die Lüge.498

1 Kön 3,24: Und der König sagte: Bringt mir ein Schwert! Und sie brachten das Schwert vor den König. In V 24 tritt eine nicht näher zu identifizierende Gruppe hinzu. Sie ist als Adressat r š +– K%„ 9’ ), zu der königlichen Aufforderung, ein Schwert zu bringen (:˜ %¡' identifizieren.499 Diese Gruppe kommt diesem Befehl umgehend nach † – ™#). Wie Jerome T. Walsh treffend feststellt, nimmt das (T+˜ ]  ˜ !™ '†1— 6’ +– :˜ %x ˜ !™ KšQ 496 497 498 499

So etwa Walsh, Kings, 82; vgl. ferner Fritz, Könige, 47. Vgl. Särkiö, Weisheit, 36. Vgl. auch Anmerkung 579 auf S. 132. Vgl. DeVries, Kings, 60.

B 3 Textanalyse

117

Schwert damit – wenigstens für den Moment – den Platz der beiden Frauen ein. Sie stellten sich vor den König (#' 1š 6š +’ ! š1’ / œ x 4” k™ #  ™, V 16), sie sprachen vor dem König (T+˜ ]  ˜ !™ '†1— 6’ +– ! š1:’ Cx — ™ k’ ™#, V 22). Nun bringt eine Gruppe ein Schwert an ebendiese Stelle – vor den König.500 Dies wird in einem Erzählstimmenkommentar festgestellt. Die Absicht des Königs muss der Leserin, dem Leser verborgen bleiben.501 Im Nachhinein, bei der Lektüre von V 25, wird deutlich, dass V 24 die Dramatik der Erzählung erhöht, weil jeder weiß, dass das Schwert schon da ist und der Befehl sofort ausgeführt werden könnte.

1 Kön 3,25: Und der König sagte: Schneidet das lebendige Kind in zwei Teile und gebt die Hälfte der einen und die Hälfte der einen. In V 25 verkündet der König sein Urteil. Er gibt, wohl der nicht benannten Gruppe aus V 24, die Anweisung, das lebendige Kind schneidend zu halbieren (¡=˜ K:} ’$ –E -–'Ûr1š f’ +– '%x ™ !™ +†˜ ˜Q!™ ). Die für das Zerteilen verwendete Vokabel „schneiden“ (:$) ist ungewöhnlich.502 Von ihrer Grundbedeutung „schneiden“ ausgehend ergibt sich ein Bedeutungsspektrum, in dem sich auch „abschneiden, vernichten“ und „zurechtschneiden, entscheiden“ finden.503 Sie bezeichnet nur hier einen Tötungsvorgang. Jeder der streitenden Frauen soll vom zerteilten Kind je die ™   ˜ ’# =%v™ ™ +’ '8{ – %” !¡= ™   ˜ K …1=K ’ ). Die Formulierung Hälfte zukommen (=%  š ˜ +’ '8x – %” !¡= des Königs macht zwischen den beiden Frauen keinerlei Unterschiede. Anders als noch in V 23 verwendet er für keine der Frauen das Demonstrativpronomen, welches einen stärkeren Bezug zu den anwesenden Frauen darstellen würde. Der König bewegt sich mit diesem Urteil auf einer völlig abstrakten Ebene. Dieser Urteilsspruch kommt für die Leserin, den Leser sehr überraschend. Formal scheint der Spruch des Königs die Interessen der streitenden Frauen auszugleichen. Es ist jedoch ein kühles Abwägen, eine „kalte […] fifty-fiftyLogik“504, die Gerechtigkeit durch arithmetisch genaue Gleichbehandlung herzustellen versucht. So ist vielleicht auch zu verstehen, warum der König nicht mehr, wie noch in V 23, vom „lebendigen Sohn“ ('%! '1) spricht, sondern, allgemeiner und geschlechtsneutral formuliert, die Zerschneidung des „lebendigen Kindes“ ('%x ™ !™ +†˜ Q˜ !™ ) anordnet.505 Er nimmt das lebende Kind, welches zuvor 500 Vgl. Walsh, Kings, 82; vgl. ferner Särkiö, Weisheit, 37. Nach Pekka Särkiö schafft diese dreimalige Angabe des Ortes literarische Kohärenz. 501 Vgl. Walsh, Kings, 82. 502 Vgl. Särkiö, Weisheit, 38. 503 So Görg, :$, 1002. Die für Ijob 22,28 und Est 2,1 belegte Bedeutung „entscheiden“ könnte eine Konsequenz der Bedeutung „zerschneiden“ zur Lösung eines Problems in 1 Kön 3,25.26 sein (vgl. ebd.). 504 Michel, Gewalt, 320. 505 Der bereits in Anm. 469 (S. 109) thematisierte Vorschlag von Andreas Michel, dem Rechtsstreit eine Versorgungsproblematik (mögliche Absicherung des Lebensunterhaltes der Frauen im Alter durch den Sohn) zu Grunde zu legen, in der nur Söhne nutzen könnten (vgl. Michel, Gewalt, 322), kommt hier wieder ins Spiel. Der König würde so einer

118

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

immer als Sohn einer der beiden Frauen durch ein Personalsuffix zugeordnet war, aus jeder Relation heraus. Die Absurdität dieses Urteils besteht vor allem darin, dass Salomo etwas verteilen lassen möchte, was es eigentlich nicht mehr gibt. Objekt ist das Kind, welches durch seine Eigenschaft „lebendig“ charakterisiert und so von dem anderen Kind unterschieden wird. Dieses Kind möchte er halbieren und zu gleichen Teilen an die beiden Frauen verteilen. Dieses Kind gibt es dann aber nicht mehr, weil ihm seine wesentliche Eigenschaft („lebendig“) bereits durch das Zerschneiden genommen wäre.506 Das Urteil zielt nicht auf eine Verteilung des strittigen Objekts, sondern auf dessen Abschaffung. Es kann danach keinen Streit mehr geben, weil das Streitobjekt fehlt. Dieses Urteil funktioniert nicht. Es ist ein Fehlurteil. Für Jerome T. Walsh entspricht dieses Urteil genau dem, was die Frauen in der zuvor erfolgten Anhörung dargeboten hätten. Die schlichte Zweiteilung des Kindes mit der bis in die Formulierung hinein unterschiedslosen Behandlung der Frauen parodiere geradezu die Verhandlungstaktik der beiden Frauen, die sich gegenseitig vorwerfen, illegitime Ansprüche auf das lebendige Kind der jeweils anderen zu erheben.507 Die Erzählung des Prozesses vor dem König (VV 16–27) ist wesentlich vom Gegensatzpaar „gebären / lebendig sein“ (durch Formen von '%! / +') und „sterben / tot sein“ (ausgedrückt mit Formen der Verbalwurzel =#/) geprägt.508 In den VV 16–27 kommen auf zwölf Vokabeln der Kategorie „gebären / lebendig sein“ elf der Kategorie „sterben / tot sein“, wobei Formen von „schneiden“ (:$), die, wie oben beschrieben, die Tötungsoption beinhalten, nicht mitgezählt sind. Mit dieser Präsenz in der Erzählung der VV 16–27 ist dieses Gegensatzpaar von den verschiedenen Gegensatzpaaren das bestimmendste.509 Dieser Befund soll von der folgenden Auflistung veranschaulicht werden:

506 507

508 509

Verzweckung des Kindes widersprechen und es losgelöst von den Interessen der Frauen betrachten. Diese Überlegung ist aber vor dem Hintergrund der angeordneten Zerschneidung des Kindes nicht einsichtig. Durch diese Anordnung wird das Kind erneut verzweckt, weil es den Besitzansprüchen der Frauen durch Zweiteilung genügen soll. Die Kindesinteressen sind nicht im Blick. Vgl. Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 23. Für Jerome T. Walsh werden hier die sich wiederholenden Aussagen der Frauen parodiert. Die Frauen bekämen, was sie fordern: Gerechtigkeit (Walsh, Kings, 82). Volkmar Fritz formuliert: Hier „werden die erhobenen Ansprüche zu gleichen Teilen befriedigt“ (Fritz, Könige, 46); vgl. ferner Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 20. Dieses Gegensatzpaar ist bei der Erforschung der Stelle häufig erkannt worden (vgl. etwa Beuken, King, 5; Duncker, Salomo, 206). Vgl. Duncker, Salomo, 202–203; mit Verweis auf Beuken, King, 4–5.

119

B 3 Textanalyse

Vers 17 18

„gebären / lebendig sein“

+† — — š# 'k–v ’ +– +’  +˜ kx — ™#

19 20

„sterben / tot sein“

=/}š šQ ™# =]x — !™ =/r — =]—v !™  =]x — !™ =]r — !™  =]x — !™

26

'k– ’ +  š š' '% { ™ !™  '%r š !˜ '%x ™ !™  '%  š !˜ '%x ™ !™ '%~™ !™  '%v™ !™

=/ x — !š ’# K!=' r ž /– k’ 

27

'%v™ !™ 

=/x — !š ’# K!=' r ž /– =’

21 22 3 25

Was dieses Gegensatzpaar betrifft, ist das Urteil des Königs aus V 25 entschieden parteiisch. An dieser Auflistung lässt sich gut illustrieren, dass es in dem Rechtsstreit im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod geht. Statt nun einer der Frauen Recht zu geben, entscheidet sich der König, da das angeordnete Schneiden zweifelsfrei eine Tötung zur Folge hat, gegen das Leben des Kindes und damit im Sinne des Leitmotivs „Tod“.511 In V 25 ist der Spannungshöhepunkt der Erzählung erreicht. An dieser Stelle muss die Leserin, der Leser kurz innehalten, weil der Tod beider Kinder nun eine mögliche Option ist. Im Wesentlichen stehen zwei Optionen im Raum: Entweder dieses Urteil wird irgendwie suspendiert und es findet sich eine andere Lösung oder Salomo schleift seine Blutspur aus 1 Kön 2, wo Adonija, Joab und Schimmi auf seinem Weg zur Macht ihr Leben lassen (1 Kön 2,23–25.31–34.46)512, mit in den Gerichtssaal.513 Erst im Nachhinein, beim Lesen von V 27, wo der König sein neues Urteil spricht, gegen das dann kein Widerspruch mehr geäußert wird, wird es der Leserin, dem Leser möglich, dieses erste Urteil aus V 25 (möglicherweise) als taktierendes Verhalten des Königs einzuordnen, als einen Plan, der mit den

510 Aufgrund der Verneinung dieser Form (K!=' r ž /– k¡+ ’ ), ™ die ja gerade den Verzicht auf die Tötung einfordert, sind die Begriffe der Kateorie „sterben / tot sein“ in V 26 dieser Kategorie zwar dem Wortlaut, nicht aber dem Sinngehalt nach zugehörig. Gleiches gilt für die Worte des Königs in V 27 (K!=' r ž /– =’ œ +„ =/x — !š ’#). 511 Bei dieser Betrachtung wird auch deutlich, dass das eigentliche Opfer in diesem Prozess nicht die betrogene Mutter ist, sondern das lebende Kind, dessen angezielte Zweiteilung diesen Aspekt deutlich zu Tage treten lässt (vgl. Michel, Gewalt, 323). 512 Die Versangaben umfassen jeweils die königliche Ankündigung der Tötung und enden mit deren Ausführung. 513 Zu diesen Optionen vgl. Wénin, roi, 38.

120

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

Gefühlen leiblicher Mütter rechnet.514 Welches Kalkül man dem König auch unterstellen oder zugutehalten mag, sein Vorschlag zur Zerschneidung lässt die Leserin, den Leser verstört zurück. Dass dieses Verstörtheitsgefühl in der Auslegung des Textes nicht bestimmend geworden ist,515 könnte man knapp mit einer möglichen, anders gewichteten Erzählintention begründen: „Die Geschichte von den beiden Frauen, zwischen denen Salomo ein Urteil fällt, wird nicht um der Frauen oder um der Kinder willen erzählt, sondern um die Weisheit Salomos zu belegen.“516

Der Preis dieser Auslegung wäre aber hoch, geriete so doch der innere Zusammenhang von Kapitel 3 aus den Fugen. Die Weisheit Salomos ist – zumindest seiner Bitte aus V 9 nach – kein Selbstzweck, sondern eine Weisheit für das Volk, um diesem Recht zu verschaffen. Genau das geschieht letztlich auch hier, in 3,16–28. Außerdem zielt die oben beschriebene „kalte […] fifty-fiftyLogik“517 nicht auf einen Vorteil des Königs, sondern wägt die Ansprüche der Frauen ab. Dass das verstörende Urteil aus V 25 in der Rezeptionsgeschichte nicht bestimmend geworden ist, liegt wohl weniger in den möglichen Erzählintentionen begründet, als vielmehr in der Tatsache, dass dieses Urteil nicht das endgültige Wort des Königs geblieben ist. Es hat vielmehr eine Revision erfahren.

1 Kön 3,26: Und die Frau, deren Sohn lebendig [war, MN], sagte zum König, denn es erregte sich ihr Mitleid über ihren Sohn, und sie sagte: Bitte, mein Herr, gebt ihr das lebendige Geborene, und tötet, tötet es nicht, und diese sagte: Weder meines noch deines wird es sein. Schneidet! Nach dem (scheinbar endgültigen) Urteil von V 25 könnte die Erzählung bereits ein Ende finden oder von der Umsetzung des Urteils erzählt werden. Mit diesen Möglichkeiten muss die Leserin, der Leser rechnen. Stattdessen öffnet V 26 die Szene wieder. Zwar akzeptiert eine Frau das Urteil š ™ '+¡† – ™E).518 Ihrer Meinung nach ist der schwierige Fall nicht (K:$ œ ’E !x'˜ !’ –' œ +† T}+¡514 Vgl. Jeon, Re-evaluation, 22; Miller, Solomon, 503–504. Wie sinnvoll ein solches Kalkulieren ist, kann selbstverständlich unterschiedlich bewertet werden. Denkbar ist jedenfalls, dass diese Perspektive in der Logik der Erzählung vorausgesetzt ist. Die bleibende Schwierigkeit für die Leserin, den Leser ist, dass man nicht zweifelsfrei erfährt, welcher Frau der König das Kind gibt. Für Stuart Lasine beginnt das Rätsel der Leserin, des Lesers daher dort, wo des Königs Rätsel gelöst ist (vgl. Lasine, Riddle, 66). 515 Andreas Michel weist auf die interessante Tatsache hin, dass die vom König „anvisierte Gewalt-, ja Tötungshandlung […keinen] Aufschrei in der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte des Textes“ (Michel, Gewalt, 320) hervorgerufen habe, obwohl mit den Anklängen an Gen 22 (eine im göttlichen / königlichen Auftrag implizierte Tötung, die nicht als „töten“ benannt und schließlich nicht ausgeführt wird) ein prominenter Bezugstext vorläge (vgl. Michel, Gewalt, 320–321 Anm. 11). 516 Müllner, Herz, 22; vgl. ferner Wälchli, Salomo, 62. 517 Michel, Gewalt, 320. 518 Aufgrund der Aufnahme des vom König gebrauchten Schneidebefehls ist dem Kontext nach klar, dass die Sprecherin für die Zerschneidung des lebendigen Kindes votiert, und

B 3 Textanalyse

121

anders zu lösen. Die andere Frau hatte aber bereits zuvor Einspruch eingelegt, indem sie ihren Verzicht auf das Kind angeboten hat, um dieses vor der Zerschneidung zu retten (K!=' r ž /– k¡+ ’ ™ =/x — !š ’# '%v™ !™ K+„ šQ!¡= ™ ˜ I{ +¡K1 š k’ , V 26a). Ihre Anrede an den König ist dabei die der ersten Sprecherin aus V 17 ('1œ– y ” 'C„ – , V 26 / '1œ– v ” 'C„ – , V 17), während die Frau, die für die Zerschneidung votiert, den König nicht direkt anspricht.519 Vor den Einwürfen der beiden Frauen steht, am Beginn des Verses, eine Information, die nur die Leserin, der Leser (nicht aber die Akteure) von der Erzählstimme erhält. Die Frau, die gegen das Urteil opponiert, ’ f˜ ” !Š iš – !š :/ ˜ œ k„ ™#). Der Grund ist die Mutter des lebendigen Sohnes ('%~™ !™ I {š1C¡: für ihre Reaktion wird zugleich mitgeliefert: Es erregt sich Mitleid über ihren t š1C¡+ ’ 4™ !'  š /˜ %” :™ K:„ /’ )’ –1¡'V  – ).520 Hier liegt eine interne Fokalisierung vor.521 Sohn (I Die Erzählstimme spricht in der dritten Person, die Sicht ist aber die der beschriebenen Mutter. Diese Begründung, die schon in der deutschen Übersetzung plausibel erscheint, weist im Hebräischen einen schillernden Klang auf. Das Verb :/) im Nifal hat ein Bedeutungsspektrum, das auch die Übersetzung mit „warm, heiß werden, brennen“ ermöglicht.522 Die hier vorliegende Form, ein Plural mit  š /˜ %” :™ ), wird angehängtem Personalsuffix in der 3. Person feminin Singular (!' häufig auf das Nomen -%: zurückgeführt, das in der Grundbedeutung mit „Mutterleib“ zu übersetzen ist.523 Mit diesem Nomen ist, neben dem Wort „Herz“, eines für die Anthropologie des Alten Testaments wichtigsten Wörter gebraucht.524 Somit lässt sich in 1 Kön 3,26 neben „und es erregte sich ihr Mitleid über ihr Kind“ auch ein weiterer Anklang mithören: „und es entbrannte ihr Mutterschoß über ihr Kind“.525 Das kann – zumindest in diesem engen Zusammenhang von V 26 – als sprachbildliche Aufnahme des Erzählstimmenkommentars am Anfang des Verses gelesen werden, der diese Frau als Mutter des lebendigen Kindes auszeichnet:526

519

520 521 522 523 524 525 526

sich ihre Aufforderung nicht etwa nur auf das „zum Zerschneiden schlechte“ Urteil des Königs richtet (anders Beuken, King, 5). Das kann als ein textimmanentes Indiz dafür gewertet werden, dass die erste Sprecherin aus V 17 auch diejenige ist, die sich nun für das Leben des Kindes einsetzt und von der Erzählstimme als Mutter des lebendigen Kindes identifiziert wird. Dieses Indiz erscheint aber erst, als der Fall für die Leserin, den Leser durch den vorangehenden Erzählstimmenkommentar bereits gelöst ist. Auffällig ist, dass sie in ihrer Intervention dem königlichen Impuls aus V 25 folgt und den Terminus „Sohn“ durch den Terminus „Kind“ ('%v™ !™ K „+ šQ!) ™ ersetzt. Vgl. dazu Genette, Erzählung, 121. Vgl. etwa Šanda, Könige, 62 (nach Klgl 5,1); s.a. Dietrich / Arnet, KAHAL, 248b; Gesenius18, 552b. Zu dieser Etymologie vgl. Dietrich / Arnet, KAHAL, 538a; Gesenius18, 1236a–1237a; Schroer / Staubli, Körpersymbolik, 79. Vgl. Schroer / Staubli, Körpersymbolik, 79. Diese enge Verbindung von Mutterliebe und Mutterleib sieht etwa Silvia Schroer, wenngleich auch sie darauf hinweist, dass auch Männer (vgl. Josef in Gen 43,30) von solchen Gefühlen übermannt werden können (vgl. Schroer, Rekonstruktion, 170). Diese Beobachtung kann nicht beschrieben werden, ohne an die ausführliche Debatte zu erinnern, welche zum Begriff -'/%: und seinen Implikationen in der alttestamentlichen Wissenschaft geführt worden ist (der Duktus dieser gesamten folgenden Anmerkung ist in

122

B Untersuchungen zu 1 Kön 3 „Rachamim ist hier [in 1 Kön 3,26, MN] die Mutterliebe, zu deren Gunsten diese Frau sogar bereit ist, auf Gerechtigkeit zu verzichten. Im Mutterschoß wallt das Mitleid, das Erbarmen für ein lebendiges Wesen.“527

Eine solche innere Anrührung mit der hier verwendeten Vokabel wird so sonst nur bei Josef beschrieben (Gen 43,30).528 Die Reaktion der leiblichen Mutter, sich lieber für das Leben des ganzen Kindes einzusetzen, anstatt einen Teil von ihm zu erhalten, ist ohne Einschränkungen nachvollziehbar. Stuart Lasine verweist an dieser Stelle auf die Mutter des Mose, die ihr Kind einer anderen Frau gibt, um es zu retten.529 Selbst wenn der König auf sie hören würde und der anderen Frau das Kind zuspräche, sie hätte immerhin das Leben ihres Kindes gerettet. Auch der König hätte so ein weiseres Urteil gefällt als noch in V 25. In den Worten der leiblichen Mutter wird das Gegensatzpaar „gebären / lebendig sein“ und „sterben / tot sein“ aufgegriffen, aber in einer neuen Weise bestimmt. Zunächst nimmt sie Bezug auf das lebendige Geborene, indem sie ™ ˜ I{ +¡K1 š k’ ). Dann nimmt sie anmahnt, es der anderen Frau zu geben ('%v™ !™ K „+ šQ!¡= zwar Bezug auf auf die Tötungsoption, verneint diese Möglichkeit aber deutlich in Form einer Paronomasie, bei der auf einen Infinitiv absolutus (=/x — !š ’#) eine r ž /– k¡+ ’ ™ ). Ihr Einwand „tötet, tötet es nicht“ negierte, finite Verbform trifft (K!=' ist ein entschiedener Widerspruch gegen die Tötungsoption, die der König in V 25 in Spiel gebracht hatte. Zugleich wird damit erstmals die Konsequenz aus dem königlichen Urteil von V 25 explizit ausgesprochen, nämlich der Tod des Kindes, der dort nur impliziert war. Die leibliche Mutter hat verstanden, dass es

Anlehnung an Scoralick, Gottes Güte, 47–52 entstanden). Besondere Brisanz erhält die Vokabel -%: durch ihr Derivat -#%:, das als Adjektiv fast ausschließlich von Gott ausgesagt wird und so für das (dann möglicherweise mütterlich konnotierte) Gottesbild der entsprechenden Texte wichtig ist. Dieser hier postulierte Wurzelzusammenhang von -%:, -#%: und -'/%: lässt sich mit guten Gründen aufrecht erhalten (mit Vanoni, Vater, 74–75). Ob -'/%: immer als Abstraktplural zu deuten ist und somit „Mutterleib“ und nicht schlicht „Eingeweide“ (so etwa für 1 Kön 3,26 Simian-Yofre, -%:, 467) heißt, muss ebenso gefragt werden. Ruth Scoralick weist mit Recht darauf hin, dass der entsprechende etymologische Zusammenhang nicht unbestritten ist (so Scoralick, Gottes Güte, 48–49). Hier verfängt noch immer die Lösung von Phyllis Trible, nicht von etymologischen, sondern von semantischen Zusammenhängen zu sprechen (s. etwa Trible, Sexualität, 49). Der Vorschlag von Silvia Schroer, 1 Kön 3,26 weise den Mutterschoß als „Sitz heftiger Gefühlsregungen“ (Schroer, Rekonstruktion, 170) aus, wird von Ruth Scoralick hinterfragt: Könnte mit der Vokabel nicht auch ein innerfamiliärer Zusammenhalt nach dem Bild des Kindes im Mutterschoß angezielt sein, der sich auf alle (auch männliche Familienmitglieder) übertragen ließe (vgl. Scoralick, Gottes Güte, 51)? Letztlich geht zwar auch Ruth Scoralick davon aus, dass für -#%: – zumindest in der von ihr untersuchten Stelle Ex 34,6f – durchaus die Annahme mütterlicher Konnotationen plausibel ist (vgl. ebd., 52). Dennoch ist ein differenziertes Sprechen über die Qualifizierung des „Erbarmens / Mitleids“ als mütterlicher Metapher nötig – auch wenn es, wie in 1 Kön 3,26, nicht um Gott als Subjekt, sondern um eine leibliche Mutter geht, was 1 Kön 3,26 zu einer Art Kronzeuge für die Mütterlichkeit dieser Metapher macht (vgl. Trible, Sexualität, 46–49. Phyllis Trible lässt die „Wanderung einer [der hier beschriebenen] Metapher“ genau in 1 Kön 3 beginnen). 527 Schroer / Staubli, Körpersymbolik, 86. 528 So Särkiö, Weisheit, 38; vgl. ferner Schroer / Staubli, Körpersymbolik, 86. 529 Vgl. Lasine, Riddle, 70.

B 3 Textanalyse

123

nur so überhaupt ein lebendiges Kind geben kann. Sie erkennt die Absurdität des königlichen Urteils aus V 25. Was wäre nun, wenn sich nach dem ersten Urteil aus V 25 bei keiner der Frauen Mitleid und Erbarmen geregt hätten? Wäre es dann zur Zerschneidung gekommen? Oder hätte der König sein eigenes Urteil selbst revidiert und seine Aussage aus V 25 als bloßes Kalkül offengelegt? Diese offenen Fragen (permanent gap)530 geben einen Hinweis auf die wichtige Funktion der beiden Frauen vor Gericht. Indem die leibliche Mutter dem König widerspricht, trägt sie entscheidend zur Qualität des endgültigen Urteils bei und hilft zunächst, die nach V 25 drohende Tötung zu vermeiden.531 Indem die andere Frau der leiblichen Mutter vehement widerspricht (V 26), unterstreicht sie Bedeutung und Größe der Worte der leiblichen Mutter.

1 Kön 3,27: Und der König antwortete, indem er sagte: Gebt ihr das lebendige Geborene und tötet, tötet es nicht, sie ist seine Mutter. Der unerwartete Erzählstimmenkommentar aus V 26 und die gegensätzlichen Reaktionen der beiden Frauen erwecken bei der Leserin, dem Leser die Vermutung, dass in V 25 noch nicht das letzte Wort in diesem Fall gesprochen worden ist. Unmittelbar darauf, in V 27, erhält die Leserin, der Leser eine Gewissheit, der König reagiert auf die Einwände der Frauen. Die Form der Redeeinleitung „Und der König antwortete“ (T+˜ ]˜~ !™ 04™ {™Q ™#) zeigt durch die verwendete Verbalwurzel !13 an, dass die folgende Stellungnahme des Königs unmittelbar auf das zuvor von den Frauen Gesagte Bezug nimmt.532 Erst danach ˜ œ Qy ™#). folgt die übliche Redeeinleitung (:/ Der König revidiert seinen Entschluss zügig. Diese Bereitschaft zum Überdenken des eigenen Urteils ist wichtig für die Beurteilung der Funktion des Königs in der Erzählung. Das erste (Fehl-)Urteil und die Offenheit des Königs, dieses Urteil zu revidieren, ermöglichen erst das neuerliche Urteil.533 Der König ™ ˜ I{ +¡K1 š k’ ), zugunsten des entscheidet nun zugunsten einer Frau ('%v™ !™ K „+ šQ!¡= Lebens und explizit gegen die Todesoption. Dabei wählt er dafür die Worte der sich erbarmenden Mutter aus V 26, wenngleich die Form der Verneinung eine r ž /– =’ œ +„ =/x — !š ’#, V 27 / K!=' r ž /– k¡+ ’ ™ =/x — !š ’#, V 26). andere ist (K!=' Diese Reaktion des Königs stiftet zunächst weitere Verwirrung. Sein š k’ ) lässt sich nicht einer Ausdruck beim Zuweisen des Kindes an eine Frau (I{ +¡K1 der beiden Frauen zuordnen. Das Personalsuffix in der 3. Person feminin Singular ist uneindeutig. Beide Sprecherinnen aus V 26 können gemeint sein. Es ist für die Leserin, den Leser noch immer unmöglich, die Sprecherinnen zweifelsfrei zu

530 531 532 533

Vgl. zu diesem Begriff Anm. 288 auf S. 80. Vgl. Cogan, Kings, 197. Vgl. Stendebach, !13, 235. Vgl. Lasine, Riddle, 63.

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identifizieren.534 Auch die Tatsache, dass der König den Einwand der leiblichen Mutter fast wörtlich zitiert, ist nicht eindeutig auszuwerten. Einerseits könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass er der Frau, deren Worte er aufnimmt, auch in der Sache zustimmt – und der anderen Frau, also nicht der leiblichen Mutter, das Kind zuspricht.535 Andererseits könnte das Aufgreifen ihrer Worte ein Indiz dafür sein, dass er sich dieser Frau zuwendet und ihr das Kind zuspricht.536 Bis hierher erfährt die Leserin, der Leser nicht, ob der König überhaupt daran denkt, dass die leibliche Mutter klar identifizierbar sein könnte. Erst die klare Aussage „sie ist seine Mutter“ (L]  – '!x – ) zeigt, dass der König nicht einfach einen Weg sucht, das Kind ohne Blutvergießen einer der Frauen zuzuweisen. Seine Aussage „sie ist seine Mutter“ zeigt, dass er bei den Wortmeldungen der Frauen zu der Überzeugung gekommen ist, dass sich in einer der Wortmeldungen die leibliche Mutter zu erkennen gibt, oder umgekehrt, dass durch eine andere Wortmeldung die „Nicht-Mutter“ des lebendigen Kindes identifizierbar wird. Das kann nun aber als deutlicher Hinweis für die Leserin, den Leser gewertet werden, dass der König die Gefühlsregung der leiblichen Mutter und / oder das Verharren in der Tötungsoption der anderen Frau richtig interpretiert hat.537 Ein weiteres Indiz spricht dafür, dass dieses zweite Urteil ein richtiges und kein Fehlurteil ist: Von einem 534 Vgl. etwa Walsh, Kings, 84; Duncker, Salomo, 214. Die Lesart, dass Salomo zweifelsfrei die leibliche Mutter als Mutter des Kindes bestimmt, ist zwar häufig vertreten worden (vgl. etwa Fritz, Könige, 46; Hentschel, Könige, 34; Rehm, Könige, 46 und Särkiö, Weisheit, 36). Sie als „üblicherweise“ vertretene Lesart zu verstehen (so Duncker, Salomo, 213) wird dem Befund aber nicht ganz gerecht. So ist bei einigen Auslegern, die das Urteil für ein richtiges halten, ein deutliches Bewusstsein für die sprachlichen Probleme zu finden (so etwa Cogan, Kings, 196; Mulder, Kings, 159 und Särkiö, Weisheit, 36). Häufig wird die sprachliche Offenheit aber auch dahingehend ausgelegt, dass der Text verschiedene Lesarten zulässt (vgl. etwa Kang, Solomon, 232 und Walsh, Kings, 84). 535 Um diese mögliche Auslegungsoption zu eröffnen, greift Christina Duncker auf das Konzept der „Deixis“ bei Konrad Ehlich zurück. Demnach fokussiert die leibliche Mutter in V 26 die andere Frau. Durch den deiktischen Gebrauch des Personalpronomens im Ausdruck „sie ist seine Mutter“ (L]  – '!) x – würde sich der König in V 27 dieser Fokussierung anschließen und das Kind nicht der leiblichen Mutter, sondern der anderen Frau zuweisen. Einen zwingenden Aufweis sieht aber auch Duncker hier nicht, sondern lediglich eine Auslegungsoption (vgl. Duncker, Salomo, 214–215; mit Verweis auf Ehlich, Deixis, 743.44). 536 So etwa Särkiö, Weisheit, 36; Cogan, Kings, 196. 537 Rein sprachlich, insofern ist Christina Duncker zuzustimmen, könnte sich „sie ist seine Mutter“ wieder auf beide Frauen beziehen (so Duncker, Salomo, 214). Das würde allerdings bedeuten, dass der König aufgrund des Einwurfs „Weder meines noch deines wird es sein. Schneidet!“ zu der unumstößlichen Einsicht gelangt sein müsste, dass die Frau, die diesen Einwurf tätigt und für die Tötung des Kindes votiert, dessen leibliche Mutter sein muss. Diese grammatische Option ist sachlogisch höchst unwahrscheinlich. Jerome T. Walsh bringt die Möglichkeit ein, dass der König durch das Zitieren der Worte der leiblichen Mutter zwar deren Identität erkenne, allerdings zur Beilegung des Konflikts ihrer Anregung folge und mit der Aussage „sie ist seine Mutter“ die andere Frau zur Mutter erkläre (so Walsh, Kings, 84). Die Vorstellung, dass der König die leibliche Mutter erkennen, die andere Frau aber zur Mutter erklären könnte, müsste im Text näher gekennzeichnet sein. Diese Lesart ist zu kompliziert, um wahrscheinlich zu sein. Pekka Särkiö möchte das „sie ist seine Mutter“ nicht deiktisch verstehen, sondern als Begründung für „gebt ihr das Kind“. Diese Frau soll demnach das Kind erhalten, weil sie seine Mutter ist (so Särkiö, Weisheit, 36).

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weiteren Einspruch der Frauen, wie er noch nach dem ersten Urteil erfolgt war, wird nicht berichtet. Diesem zweiten Urteil möchte niemand mehr widersprechen. Damit lässt sich zwar nicht ausschließen, dass der König ein Fehlurteil geleistet hat und das Kind nicht seiner leiblichen Mutter, sondern der anderen Frau zugesprochen hat – die aufgezeigten Indizien sprechen aber für das Gegenteil.

1 Kön 3,28: Und ganz Israel hörte den Rechtsspruch, den der König gerichtet hatte, und sie fürchteten sich vor dem König. Wahrlich, sie sahen, dass die Gottesweisheit in seinem Inneren war, um Recht zu wirken. In V 28 wird die Szene vor Gericht verlassen. Sie war von einem großen Anteil wörtlicher Rede geprägt. In V 28 kommt die Erzählstimme zu Wort. Es wird aus der Perspektive „ganz Israels“ erzählt. Inhalt des Erzählten ist die Anerkennung des königlichen Urteils aus V 27 durch das Volk, welches vom Rechtsspruch des „ ˜ ” &{ aš f’ ]– !¡= ™ ˜ +y— :š g’ –'¡+)š K4„ /’ f’ –Q ™#). Darin erkennt Königs hört (T+˜ ]˜v !™ &6„ ™ fš :f das Volk (also ganz Israel) die Gottesweisheit zum Wirken von Recht (¡'V  – Kv :š 'V„ – &a  š f’ /– =Lg† 4” +™ LCx :’ 9– C’ -'!Y } – “ =/ˆ ™ )’ %š ). Mit dieser Anerkennung ist die Anerkennung der Herrschaft des Königs verbunden.538 Dadurch erfährt die Leserin, der Leser etwas über eine entscheidende Qualifikation des Volkes. Das Volk ist in der Lage, die Handlungen des Königs zu beurteilen539 und gegebenenfalls die Weisheit Gottes in ihm zu erkennen. In gewisser Weise könnte man das so disponierte Volk als eine Art Kontrollinstanz für den König bezeichnen. Auffällig ist, dass der Begriff, der hier mit „Rechtsspruch / Recht“ wiedergegeben ist, im Hebräischen zwar jeweils im Singular, aber zunächst determiniert (&{ aš f’ ]– !™ ) und dann undeterminiert (&a  š f’ /– ) gebraucht wird. Die erste, determinierte Form dürfte sich auf einen konkreten Rechtsspruch beziehen, der gehört werden kann. Im Kontext ist an das Urteil aus dem vorangehenden Prozess (VV 16–27) zu denken.540 Weil dieses Urteil in seiner Bedeutung aber nur aus der komplizierten Ausgangssituation heraus verstanden werden kann, dürfte der Ausdruck „Israel hörte den Rechtsspruch, den der König gerichtet hatte“ nicht nur das Urteil, sondern das Hören der ganzen Prozessbegebenheiten meinen. V 28a sagt damit sinngemäß: Diese Begebenheit hat sich in ganz Israel herumgesprochen, man hörte davon, und darum fürchtet man diesen König. In V 28b wird abstrakter und undeterminiert von &a  š f’ /– gesprochen. Das Volk übt sich in Induktion, schließt aufgrund des Gehörten auf eine allgemeine Fähigkeit des Königs und erkennt die Gottesweisheit in seinem Inneren. Der Begriff &6f/ weist im Alten Testament eine gewisse Bedeutungsvarianz auf.541 Diese Varianz lässt sich schon an den drei Stellen in 1 Kön 3

538 Vgl. Särkiö, Weisheit, 37; Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 279. 539 Anne Fortin und Anne Peniaud überschreiben V 28 mit den Worten: „Le jugement d’Israël à propos du jugement de Salomon“ (Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 6). 540 Vgl. Brueggemann, Solomon, 115. 541 Vgl. Mulder, Kings, 160.

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aufzeigen, an denen dieses Wort gebraucht wird.542 In V 11 ist das Wort Teil der ersten Wiedergabe des Wunsches Salomos durch Gott. Es ist im Sinne von œ † f’ +– 0'x – !š ist bei der Auslegung „Recht“ zu verstehen. An der Wendung &a  š f’ /– µ™ / von V 11 gezeigt worden, dass der Ausdruck richterliche Fähigkeiten meint und zugleich auf die allgemeineren, regierungspraktischen und weisheitlichen Fähigkeiten anspielt, wie sie in V 9 angezielt sind.543 Das erste Auftreten des Begriffes in V 28a bezieht sich, wie gesehen, auf den zuvor erzählten Prozess und ist mit „Rechtsspruch“ zu übersetzen.544 In V 28b geht es um mehr als um konkrete Rechtssprüche. Eine menschliche Fähigkeit wird mit der Gottesweisheit verknüpft.545 Der Begriff ist in 1 Kön 3 schillernd. Der Ausdruck =Lg† 4” +™ &a  š f’ /– bezeichnet in 1 Kön 3,28 eine spezifische Fähigkeit des Königs. Er ist es, der das Recht wirken kann, ohne dass er dabei unmittelbar als Richter fungieren muss.546 Mitunter wird daher für V 28b auch die Übersetzung „Gerechtigkeit wirken“ vorgeschlagen.547 Nach Bo Johnson kann sich der Ausdruck =Lg† 4” +™ &a  š f’ /– auch allgemein auf das Ausüben von Autorität beziehen.548 Das Volk würde hier demnach die Autorität des Königs erkennen und anerkennen.549 Insofern &6f/ auch im Sinne von „Recht“, „Gesetz“ und „Gebot“ verstanden werden kann,550 nimmt der Begriff hier die anderen für das Gesetz stehenden Begriffe aus 1 Kön 3 auf und zeigt, dass das Volk dem König eine Herrschaft nach der Tora zutraut.551 Bei der Analyse von 1 Kön 3,4–15 („Opfer und Traum“) war aufgefallen, dass Salomo sich das hörende Herz nicht einfach zu seiner persönlichen Ausstattung wünscht. Er wünscht es sich, um das Volk, in dessen Mitte er sich sieht (vgl. V 8), zu richten (vgl. V 9). Damit ist zugleich, nicht ganz uneigennützig, das Ziel des „Knechtes“ Salomo verbunden, aus dieser „Mitte des Volkes“ hervorzutreten. Dieser König ist nicht mehr, wie noch in seiner Selbstsicht in V 8, ein Knecht JHWHs inmitten seines Volkes, sondern ein machtvoller König, vor dem sich das Volk seinerseits fürchtet. In der Literatur wird mitunter auf den ambivalenten, bisweilen auf den negativen Klang dieser Furcht hingewiesen. Die Furcht vor dem König könne durchaus eine Furcht vor weiteren Fehlurteilen dieser Art sein, zumal die Erzählstimme nicht zeige, ob sie Israels Einschätzung hinsichtlich der Gottesweisheit im Inneren des Königs teile oder nicht.552 Dem ist zu entgegnen, dass die Einschätzung der Erzählstimme nicht relevant für das Verständnis der 542 Schon in der LXX wird der Begriff innerhalb von V 28 zweimal unterschiedlich wiedergegeben, zunächst mit ÁÉĕĸ, dann mit »ÀÁ¸ĕÑĸ (vgl. Staszak, Urteil, 86). 543 Vgl. dazu die Auslegung von V 11 ab S. 95. 544 Vgl. Johnson, &6f/, 97. 545 Vgl. Brueggemann, Solomon, 115. 546 Helen A. Kenik formuliert: „Here too, the Dtr says simply: Solomon was king ((+/) and he renders justice (&6f/ =#g3+).“ (Kenik, Design, 140). 547 Vgl. Johnson, &6f/, 97; vgl. Walsh, Kings, 84. 548 Vgl. Johnson, &6f/, 96. 549 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 280. 550 Vgl. Johnson, &6f/, 97; vgl. Braulik, Ausdrücke, 33; wenngleich beide einwenden, dass dafür eher die Pluralform gebraucht wird. 551 Vgl. die Auslegung der VV 3.6.11. 552 Vgl. etwa Duncker, Salomo, 216–217; mit Verweis auf Walsh, Kings 84.

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Furcht des Volkes vor dem König ist. V 28 wird nur kohärent, wenn das Urteil in den Augen des Volkes als gutes Urteil wahrgenommen wird. Denn nur so ist verständlich, warum das Volk aufgrund dieses Urteils die Gottesweisheit ( =/ˆ ™ )’ %š -'!Y } – “ ) im Inneren des Königs (LCx :’ 9– C’ ), um Recht zu wirken (&a  š f’ /– =Lg† 4” +™ ), erkennt. Der Schlüssel zum Verständnis des Fürchtens des Königs durch das Volk liegt in der Fähigkeit, die das Volk im Inneren des Königs sieht. Die Furcht des Volkes in V 28 gilt letztlich nicht Salomo, sondern der in ihm erkannten Gottesweisheit.

1 Kön 4,1: Und der König Salomo war König über ganz Israel. Unbedingt als Abschluss der kleinen Rätselerzählung und des gesamten Kapitels zu verstehen ist, wie bereits bei der Gliederung und der Kontexterklärung begründet,553 1 Kön 4,1, welcher sich mit „und es war“ ('!– ’'Û#  ™)) unmittelbar an 3,28 anschließt und diesen Vers inhaltlich weiterentwickelt:554 Die Furcht vor dem König führt nicht zuletzt dazu, dass er Akzeptanz im Volk findet. Wieder ist die Relation zwischen König und Volk im Blick.555 So kann er als „König über ganz š 4™ T+˜ /x ˜ ) bezeichnet werden. Die Verse 3,28–4,1 schließen die Israel“ (+  — :š g’ –'¡+V¡+ Erzählung ab, indem sie das in 1 Kön 3 entwickelte Ideal eines von Gott abhängigen, weisen Königtums betonen.556 Helen A. Kenik verweist auf 2 Sam 8,15, wo von David in ähnlicher Weise gesagt wird, dass er als König Recht schafft und so für sein Volk sorgt:557 Und David regierte über ganz Israel (+r — :š g’ –'¡+V¡+ š 4™ #x –Gš T †Y/’ –Q ™#). Und er schaffte Recht ™ )š +’ !9Üx š š 8K und Gerechtigkeit für sein ganzes Volk ( L]  4¡+ ’ &a† š f’ /– !gœ} ˜ 3 #y– š '!„ – ’' ™#).

Neben den Gemeinsamkeiten im Königsideal hinsichtlich der Bezogenheit der Tätigkeit auf das Volk ist dabei auffällig, dass die Betonung der Gottesweisheit als Quelle der königlichen Fähigkeiten eine Eigenheit von 1 Kön 3,28 darstellt. Wie bereits festgestellt, bildet 4,1 (im Nachgang an 3,28) zusammen mit 2,46b eine Klammer um das gesamte Kapitel. Das gelingt formal schon dadurch, dass der König hier wieder, wie in 2,46b und in den VV 1–3, mit seinem Namen œ v Yf’ T+˜ ]„ ˜ !™ ). So wird er mit dem namenlosen König der VV 16– genannt wird (!/ 28 identifiziert.

553 Vgl. dazu die Abschnitte „B 1.2 Abgrenzung“ ab S. 34 und „B 1.3 Gliederung“ ab S. 36. 554 Christa Schäfer-Lichtenberger spricht von einem „logischen Anschluss“ von 4,1 an 3,28 (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 278). 555 Vgl ebd., Salomo, 281. 556 Vgl. Parker, Wisdom, 75. Marvin A. Sweeney formuliert: „The concluding statement in v. 28 confirms the narrative interest in demonstrating Solomon’s wisdom, and it further confirms that he is indeed ready to serve as king.“ (Sweeney, Kings, 82). Was Sweeney für V 28 festhält, gilt eher noch für den Verbund 3,28–4,1. Christa Schäfer-Lichtenberger formuliert: „1Kön 3,28 und 4,1 ziehen das Fazit aus dem vorgeführten Sachverhalt. Salomo herrscht nach dem Eingreifen JHWHs in sein Leben aus der Person seiner eigenen, ihr von JHWH verliehenen Autorität“ (Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 280). 557 Vgl. Kenik, Design, 140; vgl. ferner Ben Zvi, Josiah, 53.

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3.3.2 Zum gesamten Abschnitt Nach der Analyse der Einzelverse folgen in diesem Punkt wieder Beobachtungen und Analysen, die den Abschnitt 1 Kön 3,16–4,1 als Ganzen betrachten. Dabei werden die Analyse der Figurenkonstellation, die Beobachtungen zur Charakterisierung Salomos, zu Orten und Räumen, zur Zeitstruktur des Abschnitts, zu einer Beschreibung des Stückes als „Rätsel“ sowie Überlegungen zu einer möglichen Formbeschreibung des Abschnitts dargestellt. Die Figurenkonstellation wird durch den Rechtsstreit geprägt. Die beiden Frauen stehen zunächst im Fokus.558 Sie treten vor den König (V 16). Zwar sind ihre Redeanteile, wie oben gezeigt, nicht identisch. Der langen Schilderung der ersten Sprecherin steht nur ein Gegenruf der zweiten Sprecherin gegenüber. Die unmögliche Identifikation der Sprecherinnen der weiteren Stellungnahmen in V 24 mit der ersten oder zweiten Sprecherin aus den VV 17–22 und der Hinweis, dass beide nach den ersten Stellungnahmen weitersprechen (T+˜ ]  ˜ !™ '†1— 6’ +– ! š1:’ Cx — ™ k’ ™#, V 22), lassen keine der beiden Frauen dominant erscheinen. Es entsteht zunächst eine Dreieckskonstellation der beiden widerstreitenden Frauen vor dem König. Das lebendige Kind wird zu einem Spielball in diesem Dreieck, da beide Frauen es für sich beanspruchen und der König über sein Schicksal entscheiden wird.559 Eine echte Hervorhebung erfährt die Frau, die in V 26 zuerst auf das vorläufige Urteil des Königs aus V 25 reagiert. Willem A. Beuken sieht in dieser Reaktion sogar den eigentlichen Höhepunkt von 3,16–28, dem auch des Königs endgültiges Urteil (V 27) und seine dafür erworbene Anerkennung durch das Volk (V 28) unterzuordnen seien.560 So, wie Salomo in 3,9 Weisheit erhält, weil er sich ein hörendes Herz wünscht, sei es nun die Mutter, die auf ihre Muttergefühle hört, und somit weise werde und dadurch die für ihr Kind gute Lösung vorschlagen könne.561 So darf die Rolle der beiden Frauen in der Erzählung nicht unterschätzt werden.562 Bereits mehrfach angeklungen ist die Schwierigkeit der Aufklärung der Identität der beiden Frauen. Welche ist die Mutter? Welche erhält das Kind? Ist die erste Sprecherin auch die, die in V 26 zuerst auf den königlichen Zerschneidungsbefehl reagiert? Die Erzählstimme bietet zu diesen Fragen keinerlei Hilfestellung, bleibt auffällig wortkarg. Eine Identifizierung der ersten oder der zweiten Sprecherin mit der in V 26 als leibliche Mutter gekenn-

558 Vgl. Davies, Patterns, 28. 559 Wobei unklar ist, ob das lebendige Kind vor dem König anwesend ist, der Zerschneidungsbefehl (V25) also unmittelbar bedrohlich wirkt (dafür scheinen die Reaktionen der Frauen in V 26 zu sprechen) oder ob die Anwesenheit des lebendigen Kindes eher virtuell durch den Zerschneidungsbefehl konstruiert wird (so Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 20). 560 Vgl. Beuken, King, 4. 561 Vgl. ebd., 7. 562 Vgl. Cogan, Kings, 197.

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zeichneten Frau ist nicht möglich.563 Ist schließlich die Frau, der am Ende von V 27 das lebende Kind zugesprochen wird, die leibliche Mutter aus V 26? Auf diese Frage ist an dieser Stelle nochmals einzugehen, weil sie in der jüngeren Auslegungsgeschichte breit diskutiert worden ist.564 Martin Noth geht noch ganz selbstverständlich davon aus, dass das Kriterium des wachgerufenen Muttergefühls zu einer sachgemäßen Entscheidung des Königs geführt habe.565 Als Beispiele für zeitgenössische Auslegerinnen, die die Lage weniger eindeutig bestimmen möchten und ein Fehlurteil für möglich halten, seien Ellen van Wolde566 und Christina Duncker567 aufgeführt. In der Konsequenz bedeutet dies aber, dass Salomo das Kind jener Frau gegeben haben könnte, die in V 26 vehement für dessen Tötung votiert hatte. Vor diesem Hintergrund wäre es fast egal, ob der König das Kind der leiblichen Mutter zuweist oder einer Pflegemutter. Auch wenn der König den Erzählstimmenkommentar aus V 26 nicht kennt, wäre es absurd zu meinen, er hielte die Frau, die die Tötung des Kindes fordert, für die geeignete Erziehungsberechtigte. Gegen Ende des Rechtsstreites gerät dann das Kind in den Mittelpunkt, weil der Fall nun von ihm her gedacht wird. Bis dahin sind es die Frauen, um die es geht, sie „besitzen“ das Kind. Nun wird deutlich, dass es nicht die Frauen sind, die ein Kind brauchen, sondern dass das Kind es ist, welches eine Mutter braucht. Andreas Michel führt aus: „Alles hängt an der königlichen Formulierung von 27e […]: Nicht ,Er ist ihr Sohn‘, sagt der König, sondern ,sie bzw. jene ist seine Mutter‘. Der König kehrt die Perspektive um, nicht mehr die potentiellen Mütter stehen ausweislich der Possesivpronomina […] im Zentrum, sondern das Kind, der Knabe: Er steht im Mittelpunkt, vom [sic!] ihm her definiert sich die richtige als ,seine Mutter‘. Das ist die endgültige Umkehr vom Haben-Modus, vom Besitzen-Wollen, von Besitzansprüchen der wahren wie falschen Mutter zu Seins- und Lebensansprüchen des Kindes. Der König kommt zur Lösung, indem er die Perspektive des Kindes einnimmt. Ausweislich zweier kleiner Worte stellt der König alles auf den Kopf, das

563 Vgl. Sternberg, Poetics, 169; van Wolde, Embeddedness, 638. Gary A. Rendsburg meint, die „schuldige“ Frau zweifelsfrei mit der ersten Sprecherin, die sich in den VV 17–21 zu Wort meldet, identifizieren zu können (vgl. Rendsburg, Party, 541). Rendsburg begründet das unter anderem mit einer von ihm augemachten abwechselnden Abfolge der Redeanteile beider Frauen, wonach in V 26 die erste Sprechein das Wort habe, sowie mit der Verwendung des Demonstrativpronomens in V 22 und V 26, welches demnach dieselbe Frau und zwar die erste Sprecherin meinen müsse (vgl. ebd., 536–538.) Mit Verweis auf die vielen Leerstellen in der Erzählung hat bereits Christina Duncker die Einschätzung Rendsburgs zurückgewiesen (vgl. Duncker, Salomo, 209). Aufgrund der Verwendung des Demonstrativums für beide Frauen in V 23 verliert das zweite Argument an Bedeutung. Außerdem ist die Zuordnung der Aussagen Salomos in V 23 zu den jeweiligen Sprecherinnen nicht so eindeutig, wie es Rendsburg glauben machen will. Er benötigt eine solche Zuordnung aber für sein Schema der sich abwechselnden Redeanteile beider Frauen (in V 23 „via Solomon“; so Rendsburg, Party, 538). Den Diskurs über die Identität der Frauen in der jüdischen Auslegungsgeschichte skizziert Hayyim Angel (Angel, Baby, 189–193). 564 Vgl. dazu etwa Garsiel, Revealing, 229. 565 Vgl. Noth, Könige, 52. 566 Vgl. van Wolde, Embeddedness, 639. 567 Vgl. Duncker, Salomo, 202–217.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3 Kind und seine Interessen aber in den Mittelpunkt, das Leben-Geben hat das letzte Wort. Am Ende besteht die Lösung darin, dass das Kind zum Subjekt des Geschehens wird, zum Dreh- und Angelpunkt aller miteinander konkurrierenden Interessen.“568

Die Lösung des Königs besteht darin, dass er die Perspektive wechselt. Die Frauen hatten ihm den Fall vorgestellt, als ginge es um sie und ihre Ansprüche auf ein Kind. Der König, der sich die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse erbeten hatte (V 9), musste glauben, er müsse die Optionen Gut und Böse den Frauen zuordnen, von denen nur eine die wahre, gute Mutter sein kann. Seine Leistung ist es, die eigentliche Option von Gut und Böse entdeckt zu haben, nämlich die zwischen Leben und Tod für das lebende Kind. Dass Salomo der Hilfe der Frauen bedarf und der entscheidende Impuls von der leiblichen Mutter ausgeht, würdigt Salomos Einsatz nicht herab.569 Vielmehr braucht der König mit dem hörenden Herz diese Impulse, das ist seine Stärke. Schließlich sind es genau diese Beobachtungen, die Gefühlsäußerungen der beiden Frauen, die dem König für die Überlegungen bezüglich seines Urteils zur Verfügung stehen.570 Eine ganz wesentliche Rolle in 1 Kön 3,16–28 spielt das Volk. Mitunter wird behauptet, ab den Königebüchern stehe nicht mehr die Geschichte des Volkes, sondern nur noch die einzelner Könige im Fokus.571 Dagegen ist zu halten, dass Salomos Wünsche aus der Traumoffenbarung ausdrücklich auf das Volk ausgerichtet waren, welches er regieren möchte. Es geht um einen König für Israel, nicht einen Herrscher, der um sich selbst kreist. In den VV 16–28 taucht das Volk ausdrücklich erst zum Schluss auf, es erkennt Salomos Fähigkeiten. Diese Anerkennung ist es letztlich auch, die dem Urteil Salomos überhaupt erst Geltung verschafft, nachdem sein erstes Urteil (V 25) am Einspruch der Frauen zerbrochen war. Salomo wird in 3,28 durch das Volk legitimiert, dann kann sein Königsein über ganz Israel erzählt werden (4,1). Ganz abwesend ist das Volk während der Gerichtsverhandlung freilich nicht. Die beiden Frauen und das lebendige Kind stammen aus der Mitte Israels und stehen auch stellvertretend für dieses Volk vor dem König. An ihnen muss Salomo stellvertretend seine Fähigkeit und seine Bereitschaft nachweisen, dem Volk jenes Recht zu verschaffen, welches er zu hören in der Lage ist œ † f’ +– , 1 Kön 3,11). (&a  š f’ /– µ™ / Wie wird der König hier charakterisiert? Der König, von dem keinerlei Gefühlsregung oder Einschätzung berichtet werden, wirkt wie ein stiller Beobachter des Geschehens zwischen den beiden Frauen.572 Diese Rolle muss er auch einnehmen, weil andere Beweise oder Indizien in der Sache fehlen. Er ist damit von vornherein auf die Analyse des Auftretens der beiden Frauen

568 Michel, Gewalt, 324. 569 Anders Duncker, Salomo, 213. 570 „Perhaps he is valued precisely because he is a leader who allows himself to be led by the considerations of others.“ (van Wolde, Embeddedness, 642). 571 So etwa Wißmann, Beurteilungskriterien, 1. 572 Vgl. Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 18.

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angewiesen.573 Dass er als genauer Beobachter der Szene ernst zu nehmen ist, wird für die Leserin, den Leser erst nach der Verkündung des endgültigen Urteils (V 27) sichtbar. Sein erstes Urteil (V 25) deutete eher darauf hin, dass er sich mit einem auf absurde Weise „gerechten“ Urteil aus der Verantwortung stehlen wollte. Das Wohl des lebendigen Kindes war überhaupt nicht im Blick, es wurde rein arithmetisch die Ansprüche beider Frauen gleichermaßen berücksichtigt. Sein genaues Beobachten führt am Ende doch zum Erfolg: Er erkennt die Gefühlsregung der leiblichen Mutter und votiert für das Leben des Kindes. Bezüglich seines ersten Urteil muss gleichwohl festgehalten werden, dass es, sei es aus Kalkül gesprochen worden oder nicht, die verfahrene Situation erst wieder öffnet und die Reaktionen der Frauen ermöglicht, ja geradezu provoziert.574 Orte und Räume. Die Rolle des Königs erschließt sich aber nicht nur durch seine Aussagen, sondern auch durch seine Funktion als „Ort“ der Erzählung. Alles spielt sich vor dem König ab, was dreimal erwähnt wird (VV 16.22.24). Diese „Standortbestimmungen“ bilden zugleich die Struktur der Szene ab, finden sie sich doch am Anfang, nach den Plädoyers der Frauen und unmittelbar vor der Urteilsverkündung. Der König selbst ist der Ort der Rechtssprechung, von ihm und bei ihm wird dem Volk Recht gesprochen.575 Mit dieser Ortsbestimmung „vor dem König“ wird eine Formulierung aus V 15 aufgegriffen. Dort war es der š ’' LšQ{ ™#) und sich vor die Bundeslade König, der nach Jerusalem kam (-– +™ ~ fK: stellte ('1œš y ¡=' ” :– C’ 0L:„ ” £'„1— 6’ +– £/ œ „ 4” ™QÛ#  ™); hier sind es die Frauen, die kommen œ x 4” k™ #  ™).576 (! š1œ y kš ) und sich vor den König stellen (#' 1š 6š +’ ! š1’ / Die Analyse der Zeitstruktur der Erzählung muss auf die Verwendung wörtlicher Rede achten.577 Durch den großen Anteil wörtlicher Rede liegt an den entsprechenden Stellen zeitdeckendes Erzählen vor, die Leserin, der Leser wird in „Echtzeit“ in das Geschehen eingeführt. Innerhalb dieser wörtlichen Reden geht es zunächst, in den VV 17–23, analeptisch um die Aufarbeitung einer vergangenen Begebenheit. Die erste Sprecherin trägt ihre Sicht der Dinge vor, wobei sie zunächst die (wohl unstrittige) Ausgangslage schildert (VV 17–18). In V 21 schildert sie, wie sie „am Morgen“ nacheinander ihre beiden Entdeckungen macht, nämlich dass das Kind, dass bei ihr liegt, tot ist und schließlich, dass es nicht ihr Kind ist. In V 20 schildert sie, was sich aus ihrer Sicht in der Nacht ereignet haben muss. Der Erzählstimmenkommentar von V 22 „und sie stritten vor dem König“ rafft die Erzählung und lässt, wie bereits gesehen, einen länger andauernden Streit vor Gericht vermuten. Durchbrochen wird dieses Schema des Rückblicks durch den Befehl des Königs, ein Schwert zu holen (V 24). Der König 573 Vgl. Brueggemann, Kings, 49. 574 Vgl. Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 21. 575 Der Befund scheint zu deutlich zu sein, als dass man dem „Stehen vor dem König“ diese Funktion hier absprechen könnte. Eine simple Erklärung wie bei Roger L. Omanson / John E. Ellington, dass hier schlicht gesagt wird, dass die Frauen eben zum König gehen (vgl. Omanson / Ellington, Kings 119), missversteht diesen Befund. 576 Diesen Zusammenhang sieht so auch Garsiel, Revealing, 235. 577 Vgl. etwa Hentschel, Könige, 34.

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weckt die Frauen damit aus ihrer Rückwärtsgewantdheit und weist auf das vor Gericht anwesende, lebendige Kind hin (V 25). Der Appell wirkt. Die beiden Frauen beschäftigen sich in ihren Reaktionen (V 26) nicht mehr mit der Frage, was geschehen ist, sondern was nun geschehen soll. Der Erzählstimmenkommentar von V 26 dehnt die Erzählung, indem er einen Einblick in das momenthafte Gefühlsleben einer der beiden Frauen gewährt. V 28 verlässt das Geschehen vor Gericht. Dort heißt es: „Und ganz Israel hörte den Rechtsspruch …“, was einen gewissen zeitlichen Abstand anzeigt. Die Sache hat sich in Israel rumgesprochen. Damit ist ein längerer Prozess angezeigt, der zur Furcht Israels vor seinem König führt, in dem man Gottesweisheit erkennt. Nun, so resümiert 1 Kön 4,1, ist Salomo König über ganz Israel. Nachdem schon die in der Traumoffenbarung freigestellte Bitte (V 5) als göttliche Rätselfrage qualifiziert werden konnte,578 stehen der König und die Leserin, der Leser in den VV 16–28 vor den nächsten Rätseln. Noch viel deutlicher als die VV 4–15 lässt sich das kleine Stück insgesamt als Rätselerzählung verstehen.579 Und das in mehrfacher Hinsicht. Zunächst steht der König vor einem Rätsel. Er muss einen völlig unklaren Fall lösen. Klar ist, dass nur eine Frau Mutter des lebendigen Kindes sein kann, die andere aber nicht.580 Klar ist aber auch, dass beide Frauen sich in einer schwierigen Lage befinden und nicht einfach Kategorien wie „wahr“ und „falsch“ zugeordnet werden können. Nach den Plädoyers der Frauen gibt es keine Anhaltspunkte für eine Entscheidung. Dies wird in den resümmierenden Worten des Königs (V 23) festgestellt. An dieser Stelle kommt auch die Leserin, der Leser in den Blick. Zunächst steht sie, er gewissermaßen gemeinsam mit dem König vor dem Rätsel.581 Auch sie, er erfährt lediglich von den beiden streitenden Frauen, die anhand ihrer Aussagen portraitiert werden.582 Verstört muss die Leserin, der Leser auf das erste Urteil des Königs (V 25) reagieren.583 Ab diesem Vers wird die Leserin, der Leser 578 Vgl. die Textanalyse zu V 5 ab S. 80. 579 Zum Begriff „Rätsel“ für 1 Kön 3,16–28 vgl. Sternberg, Poetics, 167; vgl. ferner Lasine, Riddle, 61. 580 Die Geschichte lebt von diesen Gegenüberstellungen. Willem A. Beuken verbindet „life“ mit „truth“ und „death“ mit „falsehood“ (so Beuken, King, 5). Auch Ilse Müllner bezieht die Fähigkeit der Unterscheidung von Gut und Böse auf den Gerichtsprozess in 1 Kön 3. Sie sieht die Besonderheit aber darin, dass sich diese Fähigkeit in einem Fall erweist, in dem es um Leben und Tod geht (vgl. Müllner, Herz, 22). Diese Dimension aber wohnt dem Fall nicht von vornherein inne, sondern wird ihm erst von Salomo selbst verliehen (durch seinen Zerschneidungsbefehl in V 25). 581 Gary A. Rendsburg formuliert, die Leserin, der Leser müsse an der Seite Salomos „Miss Marple“ spielen (so Rendsburg, Party, 535). 582 Vgl. Duncker, Salomo, 205; ferner Walsh, Characterization, 479 und ders., Kings, 79. Christina Duncker möchte allerdings noch in V 26 ein Nebeneinander von der Leserin, dem Leser und dem König erkennen, was streng genommen nicht mehr gegeben ist. Der König hat schließlich in V 25 in das Geschehen eingegriffen und eine von der Leserin, dem Leser losgelöste Haltung bezogen. 583 Soweit ist Jerome T. Walsh zu folgen, der diese gemeinsame Sicht von König und Textrezipienten auf den Streit der beiden Frauen mit der Dominanz der wörtlichen Rede der beiden Frauen begründet (vgl. Walsh, Kings 79–80).

B 3 Textanalyse

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von der Lösung des ersten Rätsels ausgeschlossen. Im folgenden V 26 wird die Leserin, der Leser dann noch weiter von dem eigentlichen Rätsel entfernt, weil die Erzählstimme den Fall bereits aufklärt. Mit der unklaren Zuweisung des lebendigen Kindes zu einer Frau durch den König steht die Leserin, der Leser vor einer neuen Rätselfrage, die sie, er nun allein lösen muss. Durch Indizien, die in der Erzählung gegeben werden, muss sie, er klären, ob das Kind der durch den Erzählstimmenkommentar identifizierten leiblichen Mutter zugesprochen wurde oder nicht.584 So sehr die in der Textauslegung angeführten Indizien dafür sprechen, dass schon im Rahmen der VV 16–27 das Urteil des Königs (V 27) als richtiges Urteil erkannt werden kann, um so mehr gilt dies, wenn die „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ im Horizont des gesamten Kapitels ausgelegt wird. Spätestens mit V 28 ist das eindeutig, weil das Volk nicht die Gottesweisheit aufgrund eine Fehlurteils erkennen kann.585 Die Leserin, der Leser des Textes kann sich in V 28 mit dem Volk identifizieren, welches offenkundig nicht nur den isoliert kaum verstehbaren Rechtsspruch des Königs hört, sondern ebenfalls die gesamte Erzählung. Damit ist es sicher etwas zu kurz gegriffen, wenn man die Erzählintention der Geschichte so bestimmt, als ginge es nur um eine Illustration der Weisheit Salomos.586 Die Rätselerzählung hat auch eine Funktion für die Leserin, den Leser. Rätsel können einen pädagogischen Anspruch haben.587 Wer weise sein will wie Salomo, so lehrt es 1 Kön 3, der muss um seine Begrenzungen wissen, bei Gott Hilfe suchen (VV 4–15) und im Alltag ein genau Wahrnehmender sein, der auf diese Hilfe vertraut: 584 Stuart Lasine sieht auch ein Rätsel für die Leserin, den Leser, allerdings erst ab V 26. Am Ende müsse die Leserin, der Leser nur anhand der gesprochenen Worte entscheiden, ob die richtige Mutter das Kind zugesprochen bekam oder nicht (vgl. Lasine, Riddle, 61). Zum Rätsel für die Leserin, den Leser vgl. ferner Garsiel, Revealing, 247. 585 Hinzu kommt die Verknüpfung der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ mit der vorangegangenen „Erzählung von Opfer und Traum“ (VV 4–15). Die Leserin, der Leser, welche, welcher nicht in V 16 mit seiner Lektüre einsteigt, sondern bereits weiß, dass Salomo ein weises und verständiges Herz erhalten hat (V 12), ist nicht davon überrascht, dass in seinem Inneren die Gottesweisheit zum Machen von Rechtssprüchen erkannt werden kann (V 28). In diesem Kontext wird die ob der in den VV 16–27 ausgemachten Interpretationsschwierigkeiten provozierende Auslegung Walter Brueggemanns verständlich: „This well-known story is straightforward and not difficult to understand. While it may be the sort of story that was popular and reiterated in many cultures, here its function is to exemplify Solomon’s wisdom, thus confirming the gift of Yahweh promised in the dream. The story intends to present the king as a shrewd judge whose cleverness makes the doing of good possible in difficult and unclear cases. […] In the context of the larger Solomon narrative, the editorial comment of v. 28 must be fully appreciated. Solomon’s decision is recognized by his political constituency as dazzling. He has done something they would not have conceived. His wisdom is to reach outside perceived options, to engineer some fresh data that permits a knowing verdict” (Brueggemann, Kings, 48–49). 586 So etwa bei Martin Noth (vgl. Noth, Könige, 52). 587 Vgl. Lasine, Riddle, 62. Ellen J. van Wolde möchte die Erwartung an den impliziten Leser offener formulieren als es hier dargestellt ist. Er werde zwar geführt (vom hebräischen Text / der hebräischen Sprache, von der Erzählstimme, von Signalen im Text), in seiner Rezeption sei er am Ende aber frei (vgl. van Wolde, Embeddedness, 642).

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3 „Solomon illustrates how a human being with ,godlike‘ wisdom about human nature might be able to overcome human cognitive limitations, using the true witness of strong emotions to get past false testimony and deceptive appearances.“588

Was ist die Erzählintention von 1 Kön 3,16–28? Lässt sich eine Gattungszuweisung für diesen kurzen Abschnitt vornehmen? Wie in der bisherigen Analyse deutlich geworden ist, ist die Frage nach dem Königtum in Israel sowie der Aufweis der von Salomo im Traum erworbenen Weisheit eine wesentliche Erzählabsicht. Jean Louis Ska schlägt für 1 Kön 3,16–28 die Bezeichnung „Popular Approval or Installation of a Ruler“ vor, für die er drei wesentliche Elemente ausmacht: „crisis“, „solution (intervention of the hero)“ und „recognition and installation of the hero as ruler“.589 Joseph Robinson liest den Text als Beleg für Salomos Weisheit: „The purpose of this story is to show how the promise that God made to Solomon in the dream at Gibeon was implemented.“590

Für Andreas Kunz-Lübcke hat 1 Kön 3,16–28 gar eine herausgehobene Funktion für das Bild des weisen Salomo: „1Kön 3,16–28 stellt die erzählerische Entfaltung und zugleich den Höhepunkt der Weisheit Salomos dar.“591.

Damit sind lediglich drei Exegeten aus der größeren Gruppe derer benannt, die in der Erzählintention dieses Textes einen Schwerpunkt auf der Figur Salomo beziehungsweise auf deren Weisheit erkennen. In der dargelegten Textanalyse dürfte aber auch erkennbar geworden sein, dass diese Sichtweise nicht alle Erzählintentionen des Stücks umfassen kann. Zum einen wurde auf die in der Forschung immer stärker rezipierte Einsicht hingewiesen, dass es nicht nur um den König im Text, sondern auch um die Leserin, den Leser geht, die, der hier vor einigen Rätseln steht. Gleichwenn der Kontext von 1 Kön 3 die VV 16–28 auf den König und seine Weisheit hin lesbar macht, bleibt doch, neben dem König, die starke Rolle der leiblichen Mutter bestehen.592 Neben dem weisen Königtum ist die Erzählung auch eine Erzählung leidenschaftlicher Mutterschaft. Simion J. deVries formuliert: „The inescapable point of the whole story is the model of true motherhood.“593.

588 Lasine, Riddle, 61. Lasine führt weiter aus: „From this perspective the story would not be merely an example of royal ideology aimed at maintaining the power of those who the power of those who created it. It would be an example of ,strain‘ ideology, which is designed to manage basic social antinomies by ,mediating‘ them in the manner of folk riddles and myths.” (Lasine, Riddle, 62). 589 So Ska, Fathers, 38; vgl. den Hinweis bei Kang, Solomon, 231. 590 Robinson, Kings, 54. 591 Kunz-Lücke, Salomo, 126. 592 Zu den verschiedenen Dimensionen der Erzählung vgl. auch Fortin / Peniaud, L’ènonciation, 8. 593 DeVries, Kings, 62.

B 3 Textanalyse

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Eine weitere Gattungszuweisung wird vor dem Hintergrund einer biblischen Erzählung möglich, die viele Ähnlichkeiten mit 1 Kön 3,16–28 aufweist. Auch in 2 Kön 6,26–31 treten zwei Frauen mit einem Rechtsstreit bezüglich ihrer Kinder vor den König. Die Story ist eine ähnliche wie in 1 Kön 3,16–28.594 Sie spielt während einer Belagerung Samarias durch einen Aramäerkönig, mit der entsprechenden Folge einer Hungersnot. Auch dort wird von zwei (namenlosen) Frauen erzählt, auch dort appelliert eine der Frauen an den (namenlosen) König und auch dort stehen die Kinder der Frauen im Zentrum der Auseinandersetzung. Allerdings gab es eine Abmachung, die Kinder nacheinander zu essen, wobei eine Mutter in Vorleistung gegangen ist und die andere – nach Darstellung der anklagenden Frau – ihr Kind nun nicht herausgeben möchte.595 Uta Schmidt hat die Erzählung in ihrer Dissertationsschrift von 2003 „Zentrale Randfiguren. Strukturen der Darstellung von Frauen in den Erzählungen der Königebücher“596 eingehend untersucht. Auch sie weist auf die Parallelen zu 1 Kön 3 hin.597 Schmidt entwirft in dieser Arbeit verschiedene „Silhouetten“, die von Frauenfiguren in den Königebüchern ausgefüllt werden können. Die Klägerin in 2 Kön 6,25 füllt demnach die Silhouette der „Frau in Not“ aus.598 Auch für 3,16–28 wäre eine solche Beschreibung angemessen: „Auf der Ebene der Fokussierung ist die Fabel fast aller Noterzählungen so präsentiert, als spiele sich das Leben der Frauen unterhalb der fokussierten Oberfläche ab und dringe nur an diesem einen Punkt, nämlich in der extremen Notsituation, an die narrative Oberfläche.“599

Anders als in 1 Kön 3 ist die in 2 Kön 6 beschriebene Not ohne jeden Zweifel größer. Das wird vor allem daran deutlich, dass in 2 Kön 6 allen Beteiligten, auch dem König, der notwendige Handlungsspielraum zur Auflösung der Situation fehlt.600 Es gibt keine Rettung.601 Die „Fabel“602 von den beiden „Frauen als Mütter in Not“ in 1 Kön 3 erlebt ein deutlich besseres Ende, an dem das Leben des einen Kindes bewahrt werden kann und der Rechtsstreit geklärt wird.

594 Die Gemeinsamkeiten haben u. a. Hugh S. Pyper (vgl. Pyper, Judging) und Andreas KunzLübcke (vgl. Kunz-Lübcke, Salomo, 13–16) herausgearbeitet. 595 Zum problematischen Motiv der Teknophagie in alttestamentlichen Texten vgl. exemplarisch die Diskussion bei Berges / Obermayer, Gewalt, 71–72. 596 Schmidt, Randfiguren. 597 Vgl. ebd., 111. 598 So ebd., 102. Uta Schmidt ist sich dabei bewusst, dass mit einer spezifisch zugeschnittenen Silhouette nicht alle Aspekte einer Figur erklärt werden können und dass sich verschiedene Silhouetten in einer Figur überlagern können. So ließe sich hier auch die Silhouette „Frau als Mutter in Not“ beschreiben. 599 Ebd., 130. 600 So ebd., 106. Nach Hugh S. Pyper kommt der König in 2 Kön 6 besser weg als in 1 Kön 3, weil er seine Unfähigkeit eingestehe (so Pyper, Judging, 33). Viel eher aber tritt im Vergleich der beiden Texte Salomo als der König hervor, der sich dem Problem der Frauen stellt und eine Lösung sucht. 601 Vgl. Schmidt, Randfiguren, 135. 602 Zu diesem Begriff vgl. ebd., 42–44. Uta Schmidt entwickelt ihre Methodik dort in der Auseinandersetzung mit den Theorien zur Narration von Mieke Bal.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

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B 4 Zum gesamten Text 1 Kön 3 B 4.1 Zur Struktur von 1 Kön 3 Waren es unter Punkt „B 1.3 Gliederung“603 vor allem formale Gründe, anhand derer die vorgestellte Gliederung erarbeitet wurde, können nun, im Nachgang der Textanalyse, auch inhaltliche Kriterien zur Bestimmung der Sruktur von 1 Kön 3 herangezogen werden. 2,46b–3,3 ist deutlich anzumerken, dass diese Verse nicht nur für Kapitel 3, sondern in gewisser Weise für die Schilderung der gesamten Regierungstätigkeit Salomos, für den gesamten Salomo-Zyklus, eine Einleitung bilden. Dies geschieht vor allem durch die Nennung von vier Themenkomplexen (Verschwägerung, Bautätigkeit, Gottesbeziehung Salomos, Höhenopfertätigkeit), die mit dem gesamten Komplex 1 Kön 3–11 und nicht nur mit diesem Kapitel zu tun haben.604 Dazu werden wesentliche Figuren und Akteure eingeführt: Salomo, der Pharao, das Volk, JHWH sowie die Pharaonentochter (als Beispiel für Salomos Frauenkontakte). Mitunter wird die Auffassung vertreten, dass hier bereits Höhepunkte und Tiefen der salomonischen Regierung anklängen.605 Wie im Rahmen der Textanalyse dieser Verse deutlich geworden ist, klingen diese Themenkomplexe an, ohne dabei irgendeine Richtung vorzuzeichnen. Selbstverständlich spannen die Hochzeit mit der fremden Königstochter und die erwähnte Höhenopfertätigkeit einen Bogen zu den vielen fremden Frauen und den Opfern für fremde Götter in 1 Kön 11 – nach der Ouvertüre in 1 Kön 2,46b–3,3 hätte die Geschichte aber auch einen anderen Verlauf nehmen können.606 Innerhalb dieser eröffnenden Verse kommt 2,46b eine gesonderte Rolle zu. Wie Bernd Uwe Schipper feststellt: 2,46b rede „gleichsam als Überschrift, davon, daß das Königtum in der Hand Salomos gefestigt war. Diese allgemeine Aussage wird durch 3,1–3 konkretisiert, indem beschrieben wird, wie Salomo das Königtum außen- und innenpolitisch festigte: außenpolitisch durch die Verschwägerung mit dem Pharao (V.1) und innenpolitisch durch die Ausrichtung auf Jahwe und das Befolgen der Satzungen Davids (V.3a).“.607

Durch die in der Textauslegung dargestellten und nachfolgend zusammengefassten, engen Verknüpfungen der einzelnen Abschnitte von 1 Kön 3 erfüllt

603 Ab S. 36. 604 So wird auch klar, dass V 1 im heutigen Text nicht einfach der Zusammenhang fehlt (so etwa Wälchli, Salomo, 50). V 1 bezieht sich als eigentlicher Auftakt des Salomo-Zyklus eben auch auf die folgenden Kapitel. 605 So etwa Walsh, Kings, 69. 606 Walter Brueggemann liest hier eine Vorbereitung auf die Kritik in Kapitel 11: „Thus the marriage and the worship together indicate a readiness to compromise or depart from Yahwism.“ (Brueggemann, Kings, 45). Genauso gut könnte man die hier fehlende Verurteilung und das JHWH-Opfer in Gibeon aber als Kontrast zur späteren Verführung zu fremden Göttern lesen. 607 Schipper, Israel, 91.

B 4 Zum gesamten Text 1 Kön 3

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2,46b diese überschriftsähnliche Funktion nicht nur für die VV 1–3, sondern für das gesamte Kapitel 1 Kön 3. Dieser Abschnitt, die „Erzählung von Opfer und Traum“, ist das Kernstück von 1 Kön 3. Der Erzähleinstieg ist darauf hingeordnet und leitet ihn ein, die folgende Beispielerzählung will ihn illustrieren. Der Opfergang nach Gibeon schließt nicht nur an die Opfertätigkeit Salomos in V 3b an. Die „Erzählung von Opfer und Traum“ nimmt den gesamten V 3 auf, zu dem auch Salomos JHWH-Liebe gehört.608 Der gesamte Abschnitt der VV 4–15 ist kunstvoll komponiert.609 Dem Gang nach Gibeon und dem dortigen Opfer (V 4) entspricht der Gang nach Jerusalem mitsamt dem dortigen Opfer (V 15).610 Das Zentrum bildet die Traumoffenbarung selbst, der eine kleine, eigene Erzähleinleitung (V 5a) vorangeht. Sie bildet zusammen mit der Bemerkung, dass Salomo das Gespräch mit JHWH als Traum erkannte (V 15), den Rahmen um die Traumoffenbarung. Nach der göttlichen Aufforderung zum Äußern einer Bitte (V 5b) spricht im ersten Teil der Traumoffenbarung Salomo. Er stellt sich in den VV 6–8 seinem Gegenüber in seiner persönlichen Situation und in den Relationen vor, in denen er steht. Seine Rede gipfelt in V 9a mit der Äußerung der Bitte und den beiden Funktionsbestimmungen, es folgt in V 9b noch eine Betonung der Gewichtigkeit der anstehenden Aufgabe Salomos mit Verweis auf das erwählte Volk, welches regiert werden müsse. Der Erzählstimmenkommentar in V 10 bietet bereits einen Ausblick auf den zweiten Teil des Traumes, in dem Gott zu Wort kommt. –~ “ :/ ˜ œ Q{ ™#) als Gottesrede Die VV 11–14 sind durch eine Redeeinleitung (-'!Y gekennzeichnet. Was die Leserin, der Leser zuvor von der Erzählstimme erfahren hat, wird nun aus Gottes Mund expliziert und begründet. JHWH hebt die (gute) Bitte Salomos von anderen (möglichen) Bitten ab (V 11), wobei durch die fünffache Verwendung der Verbalwurzel +f eine Steigerung bis zum letzten Glied, dem Wunsch Salomos, angezeigt wird.611 Gott gibt Salomo das Erbetene (V 12), darüber hinaus noch mehr (V 13) und schließt mit einer Mahnung (V 14) ab. Wie Pekka Särkiö herausgearbeitet hat, liegt der Gottesrede ein chiastischer Aufbau zu Grunde, in dessen Mitte die Erfüllung der Bitte von V 12 steht:612

608 Volkmar Fritz formuliert: „Insgesamt wird Salomo mit der ersten Aussage von V.3 uneingeschränkt positiv bewertet, dabei hat die Eröffnung literarisch auch die Funktion der Überleitung von dem Bericht der dramatischen Anfänge der Herrschaft Salomos zur weiteren Geschichtserzählung. An diese Bewertung schließt die Gotteserscheinung in Gibeon 3,4–15 als Bestätigung an.“ (Fritz, Könige, 40). 609 Vgl. Walsh, Kings, 73; vgl. ferner Werlitz, Könige, 58. Im Detail muss jedoch differenziert werden. So berücksichtigt Jürgen Werlitz einzelne Verse aufgrund seiner literarkritischen Analyse nicht, was in einer synchronen Strukturanalyse nicht nachvollzogen werden kann. Jerome T. Walsh muss, um einen symmetrischen Aufbau zu erhalten, V 5b schon zu „Solomon’s Prayer“ hinzuziehen und V 10 bereits zur Antwort JHWHs rechnen. 610 Vgl. etwa Kenik, Design, 42. 611 Vgl. Wälchli, Salomo, 46. 612 Das folgende Schema ist übernommen von Särkiö, Weisheit, 25–26.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3 Wiederholung der Bitte des Königs, direkt (a) und in Negationen (a.[sic!, MN]b.c.) in V 11: a) Weil du um dieses bittest: b) nicht um ein langes Leben c) nicht um Reichtum d) nicht um den Tod deiner Feinde Gottesbescheid: e) werde ich deine Bitte erfüllen: Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz. Gottesverheißung: a‘) aber auch das, was du nicht erbeten hast, will ich dir geben b‘) Reichtum c‘) Ehre d‘) langes Leben

Während Salomos Rede auf seine Bitte zuläuft, steht die Erfüllung der Bitte in der Gottesrede im Zentrum. Abschluss und Zielpunkt der Gottesrede ist die Erinnerung Salomos an sein Vorbild David, dem es hinsichtlich seiner vorbildlichen Gottesbeziehung und Gebotsobservanz weiter zu folgen gilt. So ergibt sich für die „Erzählung von Opfer und Traum“ folgender Aufbau: a) Salomo opfert in Gibeon (V 4) b) Einleitung Traumoffenbarung (V 5a) c) Gott stellt Salomo eine Bitte frei (V 5b) d) Salomos Vorrede (VV 6–8) e) Salomos Bitte mit Begründungen (V 9) f) Erzählstimmenkommentar (V 10) g) Gott geht auf Salomos Bitte ein; spricht Salomo das Erbetene zu, spricht weitere Güter zu und endet mit einer Mahnung / konditionierten Verheißung (VV 11–14) b‘) Salomo erwacht und bemerkt, dass er geträumt hat (V 15a) a‘) Salomo opfert vor der Bundeslade und gibt ein Fest (V 15b)

Nach der Erzähleinleitung und der Traumoffenbarung folgt in der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ gewissermaßen die Probe aufs Exempel: Der König mit dem weisen und einsichtigen Herzen muss den Rechtsstreit zweier Frauen um ein lebendiges Kind lösen.613 V 16 ist insgesamt als Erzähleinstieg für den folgenden Abschnitt (VV 16–28) konzipiert. Neben dem Ort der Erzählung („vor dem König“) werden auch alle drei (durch Redeanteile hervortretenden) Aktanten (zwei Frauen, der König) eingeführt. Sie bekommen auch im weiteren Erzählverlauf keine Namen, sondern werden weiterhin in ihren Rollen angesprochen und beschrieben.614 Auffällig ist, dass V 16 kein Pendant am Abschluss der Erzählung hat. Nach dem Erzähleinstieg folgt das Erzählen der Gerichtsverhandlung, die im Urteil des Königs kulminiert. V 28 erweitert die Perspektive auf die Sicht des Volkes. Die lange Rede der ersten Sprecherin (VV 17–21) ist zweigeteilt.615 Sie beschreibt aus der Sicht dieser Sprecherin zunächst die Ausgangssituation mit 613 Dieser Zusammenhang ist in der Literatur zu dieser Stelle vielfach erkannt worden (vgl. etwa Keil, Könige, 34; Noth, Könige, 45; Rehm, Könige, 46; Walsh, Kings, 78). 614 Vgl. Walsh, Kings, 78–79; so schon Noth, Könige, 47. Gleiches gilt auch für die Gruppe, an die die Befehle des Königs zum Holen des Schwertes und zum Schneiden des Kindes gerichtet sind, sowie für das offenkundig anwesende lebendige Kind, vgl. dazu die Auslegung der VV 24–25 ab S. 116. 615 Vgl. Särkiö, Weisheit, 34.

B 4 Zum gesamten Text 1 Kön 3

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dem Gebären beider Frauen (VV 17–18) und dann die (strittigen) Ereignisse der Todesnacht mit dem folgenden Morgen (VV 19–21).616 Es folgt das in V 22 zusammengefasste Streitgespräch der Frauen. In V 23 fasst der König den Streit zusammen, wobei nicht klar ist, ob er dabei als Sprecher eingreift und den Frauen ihren Streit spiegelt, oder ob er in Gedanken spricht und seine Überlegungen nur der Leserin, dem Leser offenbar werden. In V 24 lässt der König ein Schwert bringen, in V 25 ordnet er die Zerschneidung und die Verteilung des Kindes an. In V 26 reagieren beide Frauen auf das Urteil, wobei die Erzählstimme eine der Frauen der Leserin, dem Leser als leibliche Mutter offenbart. In V 27 spricht der König sein endgültiges Urteil. Damit ergibt sich für die VV 16–27 folgender Aufbau: a) die Frauen stellen sich vor den König (V16) b) Monolog der ersten Sprecherin (VV 17–21); Schilderung der Ausgangssituation (VV 17–18) und der Todesnacht mit anschließendem Morgen (VV 19–21) c) Streitgespräch der Frauen (V 22) d) Streit aus der Sicht des König (V 23) e) erstes Eingreifen des Königs mit erstem Urteil (VV 24–25) f) Reaktion der Frauen (V 26) g) endgültiges Urteil (V 27)

V 28 erzählt von der Reaktion des Volkes, 4,1 erzählt in der Konsequenz, dass Salomo König über ganz Israel ist. Zugleich schlägt V 28 den Bogen zurück nach Gibeon, wo Salomo ein weises und kluges Herz erhalten hat (V 12).617 Für den Erzähleinstieg und die beiden abschließenden Verse kann, aufgrund ihrer beschriebenen Verflechtung mit den verschiedenen Teilen von 1 Kön 3, kein sinnvolles Strukturschema angegeben werden.

B 4.2 Zentrale Themen, Motive und Begriffe 4.2.1 Die Gottesbeziehung Die Gottesbeziehung Salomos ist ein zentrales Thema von 1 Kön 3. Für die folgende Textarbeit werden die wichtigsten Punkte aus den verschiedenen Abschnitten der Textanalyse an dieser Stelle gebündelt. – Salomo wird gleich zu Beginn (1 Kön 3,1) als Bauherr eingeführt, der das „Haus des Namens JHWH“ errichtet. – Salomos Opfertätigkeit auf den Höhen wird thematisiert (VV 3–4). – Salomos Gottesbeziehung ist durch Liebe und Halten der Satzungen Davids gekennzeichnet (V 3).

616 Es ist an dieser Stelle nicht einzusehen, warum Pekka Särkiö V 21 bereits zum „Streit der Frauen“ hinzuzieht und nicht mehr zum „Monolog der ersten Frau“ rechnet (vgl. Särkiö, Weisheit, 34). 617 Vgl. Šanda, Könige, 64.

B Untersuchungen zu 1 Kön 3

140 –

Salomo erhält eine Traumoffenbarung an einem wichtigen Heiligtum, in der Gott persönlich zu ihm spricht (V 5). – In seiner Wortmeldung gegenüber Gott zeigt sich Salomo als exemplarischer Beter, der um seine Position in der Beziehung zum göttlichen Gegenüber weiß (VV 6–8). – Salomo begründet seine Bitte mit der Sorge um das Volk seines göttlichen Gegenübers (V 9). – Salomos Worte werden in einem Erzählstimmenkommentar aus der Sicht des „Herrn“ ('r1œš ” ) gutgeheißen (V 10). In den VV 10–13 wird Salomos Bitte ausführlich gewürdigt. Salomo wird von Gott für seine Regierungstätigkeit zugerüstet. – Die Gabe des langen Lebens wird an die weitere Gebotsobservanz Salomos geknüpft (V 14). Salomo bleibt ein König in der Bewährung. – Salomo reagiert dankend auf die Traumoffenbarung, bringt Opfer dar und feiert mit seinen Knechten. Dazu stellt er sich vor die Bundeslade und setzt damit seine Positionierung vor Gott und im Volk fort, die er in den VV 6–9 vorgetragen hat und die bereits in V 2 zum Ausdruck gekommen war (V 15). – Sein Verhalten in der Gerichtssache zwischen den beiden Frauen führt dazu, dass das Volk die Gottesweisheit für Rechtssprüche in seinem Inneren erkennt (V 28). Die Gottesbeziehung Salomos wird nicht, wie die folgenden Begriffe „Weisheit“ und „König“, in einem eigenen Kapitel entfaltet. Die Gottesbeziehung Salomos ist der Schlüssel zur Charakterisierung Salomos in 1 Kön 3 und ist auch für die weiteren Punkte, seine Weisheit und sein Königtum, prägend. Darum wird darauf in den entsprechenden Kapiteln jeweils eingegangen.618

4.2.2 Der König „Es kann nicht überraschen, dass es in der Salomo-Komposition um das Königtum geht, da die Komposition den Auftakt der beiden Königebücher darstellt.“619

Was Christina Duncker fast beiläufig und mit Blick auf den gesamten Textblock 1 Kön 1–11 feststellt, ließe sich auch für einen größeren Textbereich festhalten. Daher muss, vor dem Blick auf 1 Kön 3, dieser Text in die alttestamentliche Diskussion um das Königtum eingeordnet werden. Die Frage nach dem Königtum 618 Die Verbindung von Weisheit und Gottesbeziehung, die sich auch im Gebotsgehorsam ausdrückt, hat Georg Braulik für Dtn 4,5–8 in seinem Aufsatz „Weisheit, Gottesnähe und Gesetz“ nachgewiesen und Ähnlichkeiten zu 1 Kön 3 aufgezeigt (vgl. Braulik, Weisheit, 69). 619 Duncker, Salomo, 53. Christina Duncker führt dies im Folgenden allerdings lediglich mit Blick auf die Beurteilung aller Könige anhand des Kriteriums ihres Befolgens der JHWHGebote fort, was m. E. zu kurz greift und nicht die volle Dimension der Aussage „es geht um das Königtum“ erfasst. Zu Salomo als Figur, an der Formen idealen und schlechten Königtums diskutiert werden, hat schon Kim Ian Parker gearbeitet (vgl. dazu unter den Überschriften „Solomon as the ideal King“ und „Solomon as the Apostate King“ Parker, Wisdom, 69–83.85–102).

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in Israel, allgemein, nicht nur für einen konkreten Herrscher, verbindet Salomo mit Saul und David. An den drei ersten Königen wird das „Für und Wider“, das „wenn ja, dann folgendermaßen“ des Königtums in den entsprechenden Texten diskutiert. Die ersten drei Könige werden mit eigenen Profilen gezeichnet. In dieser Gegenüberstellung ereignet sich die Diskussion um das Königtum.620 Die typischen Rahmen- und Beurteilungstexte für die einzelnen israelitischen und judäischen Könige, die die Struktur der Königebücher entscheidend prägen, gibt es (in ihrer regelmäßigen Form) erst später.621 Die Abwesenheit solcher Texte bei den ersten Königen kann darauf hindeuten, dass die notwendigen Kriterien für eine solche Einordnung noch nicht erarbeitet wurden und die grundlegenden Erfahrungen mit dem Königtum noch nicht gemacht sind.622 Sucht man einen Einsatz jener Erzählungen, die sich mit dem sich erprobenden und sich etablierenden Königtum auseinandersetzen, bietet sich 1 Sam 8 an.623 Samuel ist alt geworden und seine Söhne eignen sich nicht als 620 In seiner Dissertationsschrift „David versus Saul“ hat Johannes Klein die Figuren Saul und David vergleichend betrachtet (vgl. Klein, Samuelbücher, vgl. bes. die direkten Vergleiche auf den S. 52–63). Ilse Müllner formuliert: „Die biblischen Geschichtsbücher zeigen Salomo als dritten König Israels mit einem eigenständigen Profil gegenüber seinen Vorgängern. Während David vor allem mit dem Auf- und Ausbau des Reiches in Verbindung gebracht wird, gilt Salomo als Herrscher eines stabilen Reiches, der sich mit innen- und außenpolitischer Absicherung beschäftigen kann.“ (Müllner, Herz, 24). Für Saul ließe sich die Existenz dieser Diskussion verschiedener Konzepte exemplarisch an den Erzählungen zum Beginn seiner Königsherrschaft zeigen. Gleich drei Möglichkeiten des Königwerdens werden vorgestellt: die Salbung durch Samuel (1 Sam 9,1–10,6), ein Losverfahren (1 Sam 10,17–27) und die Kür im Anschluss an einen erfolgreichen Krieg, verbunden mit einem Opfer für JHWH (1 Sam 11,1–15). Im Fall des ersten Königs Saul kann gezeigt werden, wie Gott selbst in seiner Haltung zum Königtum noch unsicher ist. Er bereut in 1 Sam 15,11.35, Saul zum König gemacht zu haben (so Hentschel, Saul, 99). Anhand der Figur „David“ wird mehrfach exemplarisch vorgeführt, dass die Befugnisse des Königs beschränkt sind und er sich nicht über das Recht erheben darf. Als Beispiele können die Zurückweisung von Davids eigenmächtigen Tempelbauplänen (2 Sam 7,1–17) und die Strafrede Natans nach Davids Ehebruch mit Batseba (2 Sam 12,1–15) angeführt werden. Die Stellung des idealen Königtums zu Reichtum und Macht wird an allen drei Figuren diskutiert (vgl. Lasine, King, 97). Beispielgebend ist der „Grundriß der alttestamentlichen Theologie“ von Walther Zimmerli. Zimmerli zählt unter den „Charismata der Leitung und Weisung“ auch den König auf. Dabei beschreibt er das Phänomen Königtum einleitend anhand der ersten drei Könige Israels Saul, David und Salomo, allerdings vor allem anhand historisch-kritischer Fragestellungen (vgl. Zimmerli, Theologie, 72–79). 621 „In dem auf diese Weise ausgeklammerten Textbereich [1 Kön 12–2 Kön 25, MN] ist das so genannte ,deuteronomistische Rahmenschema‘ besonders regelmäßig durchgeführt und auswertbar, anders als in 1 Kön 1–11“ (Blanco-Wißmann, Beurteilungskriterien, 16). 622 Vgl. Manfred Oeming in Oeming / Vette, Psalmen, 167. 623 Natürlich ist das Königtum auch in einer Reihe wichtiger theologischer Texte thematisiert, die dem hier abgesteckten Erzählwerk (kanonisch) vorangehen. Erinnert sei an Dtn 17,14– 20 oder das Intermezzo eines Königs im Richterbuch (Abimelech, Ri 9). Auch kann nicht allen Texten im oben abgesteckten Bereich die Erzählintention unterstellt werden, einen Beitrag zur Findung der Rolle des Königs in Israel zu leisten. Dennoch lassen sich die ersten drei Könige Saul, David und Salomo als paradigmatische Figuren beschreiben (für David vgl. etwa Howard, Kingship, 113). Ralph W. Klein nennt den Abschnitt 1 Sam 5– 17 „The Rise of Kingship“ und zieht 1 Sam 7,2–17 schon mit in diesen Bereich (vgl. Klein, 1 Samuel, 62–63). Die summarische Notiz zum richterlichen Wirken Samuels in 1 Sam

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Richter (1 Sam 8,1–3). Sie bestätigen mit ihrem Verhalten die Einschätzung am Ende des Richterbuches, wonach das königlose Israel im Chaos zu versinken droht.624 In der Folge geht die Initiative zur Findung eines Königs für Israel von „den Ältesten Israels“ (+r — :š g’ –' '„1— 9’ –$ +œVx ) aus (1 Sam 8,4–5). Das Ende der narrativen Suche nach einer geeigneten Form des Königtums lässt sich nicht so klar bestimmen. Durch die Zeichenhandlung und die Rede des Propheten Ahijas vor Jerobeam (1 Kön 11,29–39) ist die bevorstehende Reichsteilung bereits vor Salomos Tod und dem Abschlussrahmen seiner Regierungszeit (1 Kön 11,40–43) antizipiert, das Königtum ist in diesem Sinne „fertig“.625 Nichtsdestotrotz steht 1 Kön 12 noch ganz im Zeichen der sich abgrenzenden Staaten Israel und Juda und des Konflikts zwischen Rehabeam und den Nordstämmen, sodass auch ein später gewählter Schlusspunkt vertretbar wäre.626 Wie auch in den Texten zuvor, die von Saul und David handeln, geht es also in den Erzählungen über König Salomo um das Königtum,627 und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen geht es ganz konkret um die Figur Salomo, um die Frage, wie er ein guter, vom Volk anerkannter König wird. Der Weg, den Salomo dabei beschreitet, ist der denkbar einfachste. Der erste Schritt ist, überhaupt ein guter König sein zu wollen. Der König, der der Leserin, dem Leser in 1 Kön 2,46b–3,3 vorgestellt wird, hätte jeden Grund zur Zufriedenheit. Er hat die wirtschaftliche Kompetenz und das Selbstvertrauen, große Bauprojekte anzugehen (zumindest ist er sie angegangen, vgl. V 1). Er verfügt über brilliante außenpolitische Kontakte und kann sich mit dem Pharao verschwägern (vgl. V 1). Als ihm in der Traumoffenbarung eine Bitte freigestellt wird, wünscht er sich

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7,15–17 dürfte hingegen eher den Abschluss einer Epoche markieren, ehe in Kapitel 8 die Diskussion um einen möglichen König beginnt. Mit der Erzählung von der Salbung Davids (1 Sam 16) beginnt zwar ein neuer Abschnitt, die Frage nach der Zukunft und der Art des Königtums ist aber keineswegs beantwortet. Für David M. Howard beginnt „The Rise of Kingship“ im Lied der Hannah (2,10) mit der Erwähnung von JHWHs König (LVv +’ /™ +’ ) (vgl. Howard, Kingship, 111). „In jenen Tagen gab es keinen König in Israel, jeder tat das in seinen Augen Rechte“ (Ri 21,25). Erst mit der Trennung des davidisch-salomonisch-gesamtisraelitischen Reichs in das Nord- und Südreich sind die Bedingungen geschaffen, von denen die folgenden Erzählungen über die Königszeit ausgehen. Diese Frage ist verbunden mit der Diskussion um das Ende des Salomo-Zyklus. Amos Frisch etwa argumentiert für ein Ende nach Kapitel 12, weil die Prophetie Ahijas und deren Erfüllung nicht auseinandergerissen werden dürften (vgl. die Diskussion bei Parker, Limits, 17). Dass es um die grundsätzliche Frage nach dem Königtum geht, kann die Leserin, der Leser nicht zuletzt dann erahnen, wenn in 1 Kön 11,41 auf die „Chronik Salomos“ verwiesen wird (vgl. Brueggemann, Solomon, 73–74). Anders als in der (nicht mehr vorhandenen) Chronik Salomos von 1 Kön 11,41 geht es in 1 Kön 3 schon dem Anspruch nach nicht (wenigstens nicht allein) um einen historischen Bericht, hier geht es um Grundlegendes. In diesem Sinne greift Walter Brueggemann dann aber doch zu kurz, wenn er 1 Kön 3–11 als eine Art relecture, als theologischen Kommentar zu Salomos Karriere aus religiöser Perspektive versteht (vgl. Brueggemann, Solomon, 73–74). Es geht nicht nur darum, Salomos erfolgreiche Herrschaft in JHWH zu verwurzeln (so ebd., 74). Es geht vielmehr – auch unabhängig von dem Ziel der Interpretationshoheit über die Figur „Salomo“ – um allgemeine Theorien zum Königtum in Israel.

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dennoch nicht privates Glück, sondern Fähigkeiten zur Regierungsausübung (vgl. V 9). Salomo möchte ein guter König sein.628 Zugleich geht es dabei auch grundsätzlich um das Königtum. Es steht die Frage im Raum, was einen (guten) König in Israel überhaupt auszeichnet. Die Figur Salomo wird dann zur Projektionsfläche alttestamentlicher Königsvorstellungen, zum „paradigmatischen König“.629 Für Kim Ian Parker ist der Salomo aus 1 Kön 3–11 sogar ein zweifacher paradigmatischer König, bis 8,66 werde er als idealer König,630 ab 9,1 als apostatischer König präsentiert.631 Der Salomo-Zyklus als Ganzer oder die gesamtbiblische Diskussion über das Königtum können nicht Thema dieser Arbeit sein. Vielmehr lautet die Frage: Welche Impulse setzt 1 Kön 3, welche verschiedenen Konzepte und Ideen zum Königtum in Israel sind aus diesem Text zu entnehmen? Die Anhaltspunkte und die Antwortversuche dieses Abschnitts sind, um der genannten Fragestellung Rechnung zu tragen, anhand konkreter Beobachtungen aus den einzelnen Abschnitten der Textanalyse zu 1 Kön 3 erarbeitet worden. Die wichtigsten davon sollen hier in einer Übersicht zusammengestellt werden: – Der Eröffnungssatz des Kapitels (2,46b) steht inmitten ähnlich lautender Notizen, die als Lesesignale anzeigen, dass das Werden eines Königs verhandelt wird und jeweils unterschiedliche Stufen dieses Werdens akzentuiert werden. – In 3,1 werden bilaterale Beziehungen zu Ägypten angesprochen, die in der Verschwägerung mit dem Pharao zum Ausdruck gebracht werden, der ausdrücklich „König Ägyptens“ genannt wird. – Am Bild der für die Monarchie konstitutiven Bauten (V 1) – des Palastes, des Tempels und der die Residenzstadt befestigenden Mauern – lässt sich sehen, wie sich mit diesen Bauten auch Monarchie und Dynastie in der „Bauphase“ befinden. – Zwischen Salomos König-Sein und der göttlichen Verfügung über das KönigSein Salomos ist eine enge Verbindung festzustellen. Salomo deutet sein Königtum als Folge einer Tat JHWHs (VV 7–8). In der Gottesrede ist diese Sicht nicht zurückgewiesen, auch wird Salomo deutlich als König akzeptiert (V 13). – Die dynastische Dimension des Königtums wird durch den Rekurs auf David und die eigene Stilisierung zum von JHWH eingesetzten Nachfolger (VV 6– 7) betont. – Salomo wünscht sich das hörende Herz (auch) zum Zweck des Richtens / Regierens des Gottesvolkes Israel (V 9). – In der göttlichen Antwort auf Salomos Bitte (VV 11–14) wird Salomo in Beziehung zu den Königen seiner Umwelt gesetzt. Außerdem klingen in 628 Kim Ian Parker schreibt: „As we saw earlier, complying with Torah is a mark of an ideal king; accordingly, Solomon’s request in 3:9 implies to be the ideal king.“ (Parker, Wisdom, 70). 629 So Brueggemann, Solomon, xi. 630 „Ideal King“ (Parker, Wisdom, 69). 631 „Apostate King,“ (ebd., 85).

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dieser Antwort grundsätzliche theologische Überlegungen zum Königtum an. Die Zusage des langen Lebens wird an die Bedingung der Gebotsobservanz geknüpft. – Der König aus der gerichtlichen Verhandlung (VV 16–27) wird nicht beim Namen genannt und auch die Anerkennung des Volkes (V 28) gilt unabhängig von einem Namen „dem König“. Dehnt man die Betrachtung auf das ganze Kapitel aus, so erweist sich der Begriff „König“ (und Derivate der Wurzel (+/) als Leitwort. – Die abschließende Feststellung der Königsherrschaft Salomos über ganz Israel (4,1) korrespondiert mit der Überschrift 2,46b und markiert mit der Feststellung, dass Salomo König über ganz Israels sei, den Abschluss des Kapitels. Die Bedeutung von 1 Kön 3 für die Diskussion um das Königtum soll mit einem Überblick von Pekka Särkiö beschlossen werden: „Die Erzählung hat Berührungspunkte mit anderen Geschichten über Menschen, die im Begriffe sind, zu Königen ausersehen zu werden. Saul wundert sich über Samuels Hinweis auf seine Macht (1Sam 9,20) und antwortet, daß er nicht aus einer bedeutenden Familie kommt, sondern gering ist (1Sam 9,21; 15,17).“632

4.2.3 Die Weisheit Wer nach der Weisheit Salomos fragt, wer Salomo als weisen König beschreibt, wer das Weisheitskonzept von 1 Kön 3 kennzeichnen möchte, der kommt nicht umhin, die eigenen Vorstellungen zum Begriff „Weisheit“ wenigstens skizzenhaft offenzulegen. Diese Skizze muss rudimentär bleiben und offen formuliert werden. Mit dieser Fragestellung klopft man an ein Tor, hinter dem sich keine „feste Burg“, sondern eher unbefestigtes, weitläufiges Terrain befindet. Biblische Rede von der Weisheit und biblische Weisheitsliteratur bilden kein fest umrissenes und beschreibbares Ganzes, sondern eher eine bunte Galerie, in der es verbindende Phänomene gibt, aber auch verschiedene, voneinander unabhängige Konzepte. Der hebräische Terminus, der in deutschen Bibelübersetzungen meist mit dem Begriff „Weisheit“ wiedergegeben wird (!/)%), eignet sich nicht wirklich als Leitfaden für die Beschreibung des Phänomens „Weisheit“ im Alten Testament. Es ist ein ganzes Wortfeld, das dem Phänomen „Weisheit“ zugeordnet werden kann, ohne dass jedes einzelne im Wortfeld enthaltene Wort exklusiv für das Phänomen „Weisheit“ reserviert wäre.633 Weisheit in der Hebräischen Bibel kann also nur schwer „auf den Begriff gebracht werden“. Der in dieser Studie favorisierte Ansatz möchte die Pluralität biblischer Weisheitskonzepte würdigen und geht davon aus, dass es immer nur um das Weisheitskonzept eines Textes oder einer Textgruppe geht, das beschrieben werden kann.634 632 Särkiö, Weisheit, 31. 633 Vgl. Anm. 123 auf S. 175; vgl. ferner Witte, Weisheit, 1161. 634 Ein Beispiel für dieses Vorgehen stellt die viel beachtete Studie „Die Weisheitsgestalt in Proverbien 1–9“ von Gerlinde Baumann dar. Dort werden im Forschungsüberblick (1–55) u. a. die Lesart der Weisheit als Hypostase JHWHs oder als poetische Personifikation

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Walter Brueggemann bietet eine Begriffsklärung, die offen genug ist, um verschiedenartige biblische Texte unter dem Schlagwort „Weisheit“ analysieren zu können, weil er nicht von bestimmten Textgattungen, sondern von inhaltlichen Aspekten her denkt: „We may […] characterize wisdom as a sustained critical reflection on lived experience in order to discern the hidden shape of reality that lives in, with, and under the specifities of daily life.“635

Weisheit bleibt im Alten Testament nicht abstrakt, sie erweist sich in ganz konkreten Anlässen.636 Trotz der konkreten Alltagssituationen, in denen sie sich zeigt, ist diese Weisheit letztlich immer (auch) eine theologische Größe.637 Nur deshalb kann die Weisheit in Spr 8,35 von sich sagen: Denn wer mich fand, fand Leben. Und er hat erlangt Wohlgefallen von JHWH.

Unabhängig von diesen globalen Beschreibungen sind die konkreten weisheitlichen Phänomene zu beschreiben, die aus 1 Kön 3 einen mit dem Phänomen Weisheit beschäftigten Text und aus König Salomo einen Weisen machen.638 Häufig wird dabei an die lebenspraktischen Phänomene gedacht, in denen sich Weisheit äußert. Die Weisheit, die Salomo erbittet (3,9), erhält (3,12) und die sich erweist (3,16–28), wird in der Forschung häufig als regierungspraktisches Geschick beschrieben.639 Diese Beschreibung ist zwar nicht falsch. Die folgenden Begriffsentfaltungen versuchen aber, ein breiter aufgestelltes Weisheitskonzept

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diskutiert (vgl. Baumann, Weisheitsgestalt, 4.27). Ausdrücklich vom „Weisheitskonzept“ eines Textes spricht etwa Konrad Schmid (so Schmid, Unteilbarkeit, 27). Besonders empfiehlt sich ein solches differenziertes Vorgehen, wenn die Figur „Salomo“ der Auswahlfilter für die zu bearbeitenden Texte ist. Nicht für alle Schriften darf ein gleichverstandener Weisheitsbegriff vorausgesetzt werden. Was Kohelet, das Sprüchebuch und die Königebücher unter „Weisheit“ verstehen, kann mitunter sehr differieren. Salomo spielt für alle eben genannten Schriften eine Rolle. Zu diesem Vorgehen vgl. auch Schwienhorst-Schönberger, Weisheit, 128. Brueggemann, Solomon, 105; vgl. dazu ferner Schwienhorst-Schönberger, Weisheit, 127. Weisheit im Alten Testament beschreibt demnach stets eine Kompetenz, letztlich die Kompetenz zum (gelingenden) Leben, vgl. Inrig, Kings, 28. Vgl. Brueggemann, Solomon, 105. Walter Brueggemann verweist in diesem Zusammenhang auf Spr 8,32–36. Walther Zimmerli weist auf den Zusammenhang von Weisheit und Schöpfungstheologie hin (vgl. Zimmerli, Theologie, 138, vgl. ferner Brueggemann, Solomon, 105). Zur Eigenheit der Weisheit Salomos in 1 Kön 3 in Abgrenzung zu 1 Kön 1–2.4–11 vgl. Lasine, Solomon, 383. Vgl. exemplarisch Brueggemann, Solomon, 72; vgl. ferner Angel, Baby, 193. Mitunter wird auch von verschiedenen Arten von Weisheit gesprochen, die in den SalomoErzählungen behandelt würden. Pekka Särkiö nennt für 1 Kön 3,4–15 „administrative Weisheit oder allgemeine Lebensweisheit“, in 3,16–28 sieht er eine Verengung auf „richterliche Weisheit“ und erkennt in 5,13 eine „Natur- und Listenweisheit“. In 1 Kön 10,1–3 möchte Särkiö noch die Weisheitskategorie „Scharfsinnigkeit“ erkennen, die gefragt ist, wenn man vor der Lösung eines Rätsels steht (so Särkiö, Weisheit, 14). Statt von einer Verengung des Weisheitskonzeptes der VV 4–15 durch die Erzählung der VV 16–28 sollte eher von einer konkreten Illustration dieser Weisheit gesprochen werden, die das Weisheitskonzept von 1 Kön 3 nicht verengt, sondern exemplarisch zur Geltung kommen lässt.

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des Textes 1 Kön 3 freizulegen. Dass der Begriff „Weisheit“ prägend für das Salomobild von 1 Kön 3 ist, lässt sich mit den nachfolgend aufgeführten Punkten aus der Textanalyse belegen: – Salomo bekommt von Gott ein „weises Herz“ zugesprochen (V 12). – Im Inneren des Königs erkennt das Volk die Gottesweisheit zum Wirken von Rechtssprüchen (V 28). – Eine „pädagogische Intention“640 wurde v. a. für den Abschnitt „Das hörende Herz auf dem Prüfstand“ nachgewiesen.641 – In der Textauslegung wurde mehrfach auf Vokabular hingewiesen, welches häufig auch in Texten gebraucht wird, die sich mit Weisheit und Erkenntnis beschäftigen.642 Dabei kann, aufgrund der aufgezeigten, inneren Kohärenz von 1 Kön 3, nach einem diesem Text insgesamt eigenen Weisheitskonzept gesucht werden.643

B 5 Historische Rückfrage Die vorliegende, synchron erarbeitete Textanalyse hat dargestellt, wie 1 Kön 3 als Einheit und auf der Endtextebene verstanden werden kann. Die mit Methodenschritten synchroner Exegese erarbeitete Gliederung von 1 Kön 3 hatte eine Dreiteilung (2,46b–3,3; 3,4–15; 3,16–4,1) ergeben.644 Zwar sind diese einzelnen Teile durchaus kunstvoll miteinander verwoben, dennoch erreichen sie auch für sich genommen ein gewisses Maß an Geschlossenheit und Kohärenz. Diese synchron erarbeitete Gliederung sowie die unter Punkt „B 4.1“ erarbeitete Strukturanalyse sollen den Ausgangspunkt für die folgenden literarkritischen Erhebungen darstellen. Die beiden größeren Stücke von der Traumoffenbarung in Gibeon (VV 4– 15) und die Erzählung der beiden Frauen und ihrer Rechtssache vor dem König (VV 16–28) werden (in Vorformen) unabhängig voneinander vorgelegen haben.645 Unstrittig ist das vor allem für die VV 16–28. Die kleine Fabel ist in vielen Versionen zu unterschiedlichsten Zeiten überliefert,646 hier wird sie erst durch den Kontext auf Salomo und seine gottgegebenen Fähigkeiten bezogen.647

640 Zu diesem Kriterium für einen weisheitlichen Text vgl. Witte, Weisheit, 1161. 641 Vgl. die Darstellung ab S. 132. 642 Beispielhaft seien Verbalwurzeln aufgeführt, deren Formen derart qualifiziert wurden: 3' (V 7), 3/f (V 9.11.28); 0' (V 9.11.21); !: (V 28); vgl. dazu auch Botterweck, 3', 491– 492; vgl. zu diesem Vorgehen auch Witte, Weisheit, 1161. 643 Vgl. dazu Anm. 639 auf S. 145. 644 Vgl. Abschnitt „B 1.3 Gliederung“ ab S. 36. 645 Vgl. etwa Noth, Bewährung, 235.237; vgl. Wälchli, Salomo, 109–111. 646 Vgl. Särkiö, Weisheit, 35. 647 Vgl. etwa Cogan, Kings, 196.

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Für die „Erzählung von Opfer und Traum“ wird in der Forschungslandschaft zwar fast konsensartig ein vordtr Kern angenommen.648 Mitunter wird auch eine vordtr Redaktion postuliert649 oder wenigstens für wahrscheinlich gehalten. Der Leserin, dem Leser stellt sich das Stück aber als einheitliches und durchkomponiertes Ganzes dar. Das hat Helen A. Kenik in ihrer 1983 veröffentlichten Dissertationsschrift „Design for Kingship“ dazu veranlasst, das ganze Stück 1 Kön 3,4–15 als einheitliche (dtr) Komposition zu beschreiben.650 Für sie kann 1 Kön 3,4–15 sogar als Modellbeispiel dafür dienen, wie Kompositionstechniken in dtr Texten erkennbar sind.651 Die These von der literarischen Einheitlichkeit ist in der Folge auch von Christa Schäfer-Lichtenberger vertreten worden.652 Die Traumoffenbarung in Gibeon dürfte – in ihrer heutigen Form – eine für den jetzigen Kontext komponierte Erzählung sein.653 Gleichwohl ist dieser Einschätzung vehement widersprochen worden. Für Stefan Wälchli ist diese Option sogar so abwägig, dass er sie gar nicht näher besprechen möchte.654 Zugleich betont Wälchli, dass verschiedene literarkritische Beobachtungen zu diesem Abschnitt kein eindeutiges Bild ergeben und verschiedene Erklärungen zuließen.655 Dabei muss betont werden, dass die Feststellung der Einheitlichkeit des vorliegenden Textes keineswegs impliziert, dass der Text kein Wachstum durchlaufen hätte.656 Viel eher kann mit Burke O. Long davon gesprochen werden,

648 Vgl. Särkiö, Weisheit, 23 (vordtr Kern bei Pekka Särkiö: 3,4a.5 *6.*7.+9a.10a.11a.12); vgl. Wälchli, Salomo, 109.220–221 (vordtr Kern [„Vorlage“+„Salomogeschichte“] bei Stefan Wächli: 3,1.4–6.*7.*8.*9.*11.*12.13.*15); für Mordechai Cogan stammt einzig V 28 aus dtr Hand (so Cogan, Kings, 196). 649 So etwa Wälchli, Salomo, 109. 650 Vgl. etwa Kenik, Design, 201; vgl. ferner die Diskussion bei Römer / de Pury, Historiography, 129. Simon J. DeVries sieht in 1 Kön 3,4–15 jenen Text, in dem der Deuteronomist so intensiv wie sonst nirgends in 1 Kön interveniert habe. Zugleich hält er es für möglich, die Spuren dieser Eingriffe zu identifizieren und die „original royal legitimation story“ zu rekonstruieren (so DeVries, Kings, 48). 651 Vgl. Kenik, Design, 3. „We have in the dream of Solomon a coherent and integrally-formed composition fashioned upon a covenantial structure, and formulated out of traditional elements, but articulating a new and poignant interpretation of kingship.“ (Kenik, Design, 34). 652 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 266. 653 Vgl. ebd.; vgl. ferner die Diskussion bei Wälchli, Salomo, 36. Stefan Wälchli möchte sich gleichwohl nicht auf die These von der Einheitlichkeit einlassen und meint, einen älteren Bestand herausfiltern zu können (vgl. Wälchli, Salomo, 38–52; vgl. auch Anm. 648 auf S. 147). John van Seters liest sogar 1 Kön 3,1–15 als einheitlichen Text (vgl. van Seters, Search, 307–308). 654 Vgl. Wälchli, Salomo, 38. 655 Vgl. ebd. 656 David McLain Carr macht Helen A. Kenik den Vorwurf, in ihrer Konzeption schaffe der Deuteronomist die gesamte Erzählung „ex nihilo“ (Carr, D to Q, 10; mit Verweis auf Kenik, Design, 33). Diese Aussage kann, aufgrund der regelmäßigen Darstellung Keniks, der Dtr bediene sich bei der Formulierung seines Idealbildes von Königtum „traditional elements“ (so etwa Kenik, Design, 34) nur als Polemik verstanden werden.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3 dass eine (abschließende) Redaktion den Text in einer Weise geprägt hat, dass literarkritische Operationen kaum noch sinnvolle Ergebnisse erreichen können.657 Die Einheitlichkeit zeigt sich für Moshe Weinfeld eben auch daran, dass einzelne Motive von der postulierten (dtr) Redaktion überformt seien. Weinfeld zeigt dies beispielsweise für das Weisheitsmotiv.658 Üblicherweise wird dieser prägende Einfluss auf 1 Kön 3,4–15 als „deuteronomistisch“ bezeichnet bzw. dem „Deuteronomisten“ zugeordnet. Dabei werden die unterschiedlichsten Modelle vertreten, von der Annahme einer einzigen dtr Redaktion659 bis hin zu mehrstufigen, komplexeren Modellen.660 Als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ formuliert Stefan Wälchli die Einsicht, dass das Vorliegen dtr Arbeit in 1 Kön 3 konstatiert werden könne.661 Überhaupt sind die Vorstellungen von „Deuteronomismus“ in der alttestamentlichen Forschung so disparat geworden, dass sich eine einheitliche Definition nicht finden lässt. Werden im Folgenden derlei Begriffe gebraucht, orientieren sie sich an den jeweiligen Konzepten der rezipierten Sekundärliteratur.662 So ist beispielweise die Bemerkung von Stefan Wälchli, in V 4 seien keine dtr anmutenden Vokabeln oder Redewendungen zu finden und demnach keine Abtrennung zwingend angezeigt, richtig. Ebenso denkbar ist, dass der Hinweis auf die Größe Gibeons in V 4b einen gewissen zeitlichen Abstand zu Salomo vermuten lässt.663 Beides beweist freilich weder, dass V 4 keiner dtr Redaktion unterlegen war, noch dass V 4 Teil einer Vorlage sein muss. In dem Hinweis auf Gibeons Größe (!r+L š ’E!™ !/„ š Cš !™ '!x – 'V) † – könnte ebenso eine für Höhenopfer sensible, Salomo entschuldigende Redaktion vermutet werden,664 die keineswegs vordtr665 sein muss, sondern gerade ein Ausdruck dtr Einflusses sein könnte. Pekka Särkiö möchte beispielsweise die 1000 Opfer auf Gibeon als späteren Zusatz markieren, weil die Zahl so „groß und rund“ sei.666 Da die Textvorlage aber nicht als historischer Tatsachenbericht zu denken ist, den es abzuwandeln galt, könnte an dieser Stelle genauso gut Stefan Wälchli zugestimmt werden, für den die angezeigte Größe des Opfers kein Hindernis für die Aufnahme von V 4 in die „Vorlage“ bildet.667 Auch bezüglich grundlegender Motive in 1 Kön 3,4–15 herrscht kein Konsens hinsichtlich ihrer historischen Verwurzelung in der Erzählung. Für Pekka Särkiö ist beispielsweise völlig eindeutig, dass „richterliche Weisheit […] erst im Zuge der nomistischen Neubearbeitung der Geschichte, wahrscheinlich unter dem Einfluss der nachfolgenden Erzählung über das salomonische Urteil“668

657 Vgl. Long, Kings, 63. Selbst Martin Noth, der Unebenheiten im Text ausmacht und benennt, räumt die Unmöglichkeit ein, „Wort für Wort das Deuteronomistische vom Vordeuteronomistischen zu scheiden“ (Noth, Könige, 45; vgl. ferner Wälchli, Salomo, 34). 658 Vgl. Weinfeld, Deuteronomy, 256. 659 Vgl. etwa Görg, Gott-König-Reden, 31–36; wobei Görg auch eine vordtr Redaktion annimmt. 660 Vgl. etwa Wälchli, Salomo, 220–221, wo neben „DtrH“ und „DtrN“ noch „spät- und nachdeuteronomistische Zusätze“ angenommen werden. 661 So Wälchli, Könige, 37. 662 Vgl. den Forschungsüberblick zum „deuteronomistischen Salomo“ bei Christina Duncker (Duncker, Salomo, 22–38); vgl. ferner bei Georg Braulik in Zenger, Einleitung, 242–255. Im Rahmen einer Arbeit, die auf die Auslegung von 1 Kön 3 fokussiert ist, kann diese breite Forschungsdiskussion nicht angemessen aufgenommen werden, ohne zu weit vom eigentlichen Ziel der Auslegung von 1 Kön 3 abzuweichen. 663 Vgl. Wälchli, Salomo, 38. 664 Vgl. dazu die Auslegung von V 4 ab S. 77. 665 So Wälchli, Salomo, 220. 666 So Särkiö, Weisheit, 220. 667 Vgl. Wälchli, Salomo, 220. 668 Särkiö, Weisheit, 14.

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hinzugekommen sei. Stefan Wälchli hält die Betonung der regierungspraktischen Dimension der Weisheit Salomos hingegen bereits für einen dtr Zusatz.669 Wenngleich Särkiös Einschätzung nachvollziehbar ist, gelingt es nicht überzeugend, den Umfang dieser von ihm postulierten Bearbeitung auszumachen. Die Bitte Salomos um ein „hörendes Herz“ in V 9 ist ohne die folgenden Funktionsbestimmungen nicht verständlich. Das hörende Herz dient dem Richten / Regieren des Gottesvolkes, was zweifach betont wird. Dieses Volk ist aber bereits zuvor, in V 8, beschrieben worden, zu ihm wird der König in Beziehung gesetzt (V 8).670 Die erste Wiedergabe der Bitte Salomos durch Gott in V 11 verknüpft „hören“ mit „Recht“. Zudem sind die gebrauchten Erkenntnistermini (Formen der Verbalwurzeln 0' und 3/f) hinsichtlich ihrer Offenheit für Rechtskontexte beschrieben worden.671 Würde all dies einer nomistischen Neubearbeitung zugeschrieben werden, so wäre festzustellen, dass die Erzählung durch diese Neubearbeitung ihren Charakter vollständig geändert hätte. An den VV 6–8 lässt sich am eindrücklichsten das Dilemma in der Rekonstruktion einer möglichen Grunderzählung studieren.672 Charles Fox Burney hat schon 1903 Teile dieser Verse als vom Deuteronomium beeinflusst qualifiziert,673 Ernst Würthwein weist den gesamten Text der VV 6–8 verschiedenen dtr Eingriffen zu.674 Stefan Wälchli stellt berechtigterweise fest, dass damit der Erzählung etwas fehlen würde. Wälchli möchte lediglich den Satz „wie er ging vor dir in Zuverlässigkeit und Gerechtigkeit und Herzensaufrichtigkeit mit dir“ (!9Ü} š š 8’ K – =/ˆ ˜ “ C˜ U'1˜ ~ 6š +’ T+{ ™ !š Š:f˜ ” V™ T]r š 4– x š +— =:† ™ f’ –'K) ’ in V 6 ausscheiden, weil er den Zusammenhang zwischen der Erwähnung der Treue JHWHs für David und deren Erklärung in V 6b aufsprenge.675 Damit fehlt dann aber die Betonung der Gegenseitigkeit der Beziehung von David und JHWH, in die Salomo eintreten möchte. Außerdem wird in der Betonung des rechten Gehens Davids eine Brücke zwischen dem Vorbildnehmen an David durch Salomo in V 3 und der Legitimation dieses Vorbildes durch JHWH in V 14 erstellt. Der :f)-Satz aus V 6 kann aus der Erzählung also nicht einfach gestrichen werden. Einzig V 15b, der Salomo unmittelbar nach dem Traum erneut opfern lässt, und zwar vor der Bundeslade, fügt sich nicht ganz reibungslos an das Vorherige an. Dieser Umstand wurde in der Textanalyse als permanent gap beschrieben.676 Plausibel ist immer noch die Erklärung von Rudolf Kittel. Nach ihm zielt das neuerliche Opfer in V 15 darauf ab, auch Jerusalem und die Lade „zu ihrem Recht kommen zu lassen“.677 Zwar muss dafür keine dem restlichen Text gegenüber abgehobene Redaktionsschicht angenommen werden, wohl aber, dass die (möglicherweise einheitliche) Redaktion

669 Vgl. Wälchli, Salomo, 45. R. B. Y. Scott stellt sich das Material über Salomos Weisheit sogar als nachdtr Einschub vor, weil Salomo aus dtr Perspektive kritisiert werde (vgl. Scott, Solomon, 268–271; Weinfeld, Deuteronomy, 246; vgl. ferner die Diskussion bei Särkiö, Weisheit, 14–15). 670 Aus diesem Grund, weil er eben das Thema des großen Volkes, welches es zu richten / regieren gilt, aus V 9 vorwegnimmt, möchte Pekka Särkiö auch V 8 als sekundären Zusatz erkennen (vgl. Särkiö, Weisheit, 21). Dann wird die Beschreibung des Volkes in V 8 aber nur als Vorbereitung auf V 9 missverstanden. Genauso ist V 8 aber die Fortsetzung der demütigen Haltung Salomos vor Gott. In V 7 bezeichnet sich Salomo als „kleiner junger Mann“, er wisse „nicht auszugehen noch einzugehen“. Diese Selbstsicht untermauert er in V 8, indem er sich inmitten des großen Volkes Gottes als ein Glied desselben darstellt. 671 Vgl. dazu die Auslegung von V 9 ab S. 89. 672 Vgl. die Diskussion bei Wälchli, Salomo, 40–41. 673 Vgl. Burney, Kings, 28–31. 674 Vgl. Würthwein, Könige, 30–32. 675 So Wälchli, Salomo, 41. 676 Vgl. die Auslegung von V 15 ab S. 102. 677 So Kittel, Könige, 28.

150

B Untersuchungen zu 1 Kön 3 an dieser Stelle ihre liebe Mühe hatte, eine vorgegebene Tradition in ihr Schema einzupassen.678

Auch für den Kern der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ (VV 16–27) gibt es, neben der allgemeinen Feststellung, dass die Geschichte auf eine populäre Wandererzählung zurückgehe,679 keinen Anlass für literarkritische Operationen. Der Text ist, das hat auch die vorliegende Textanalyse gezeigt, stimmig und durchkomponiert.680 Dass die Frauen als „Prostituierte“ bezeichnet werden, ist zwar ein Proprium der alttestamentlichen Fassung dieser Story, muss deswegen aber kein späterer Zusatz sein.681 Die Leerstellen im Text, besonders hinsichtlich der nicht ganz klaren Zuordnung des Kindes, bedürfen keiner textoder literarkritischen Korrektur. Vielmehr sind solche sogar abzulehnen, weil sie einen durchkomponierten Text unnötig zerstören würden. Das gilt auch für die Bemerkung der ersten Sprecherin in V 20, dass sie während der geschilderten Ereignisse geschlafen habe.682 Diese Information ist ein wichtiger Baustein der Strategie des Textes, den Streitfall als so undurchsichtig und unlösbar wie nur irgend möglich darzustellen. Durch die in der vorliegenden Studie mehrfach besprochene Partikel $ zu Beginn von V 16 wird das auf die Traumoffenbarung folgende Opfer und das Fest für Salomos Knechte mit der folgenden Erzählung verbunden. Christa SchäferLichtenberger meint, 3,15 und 3,16 seien wegen dieser syntaktischen Verknüpfung demselben Verfasser zuzuschreiben.683 Dagegen spricht sich Mordechai Cogan aus, der eine eher lose Verbindung liest, die separat überlieferte Texte zusammenfügt.684 Endgültig verbunden werden beide Teile jedenfalls erst durch die abschließenden 3,28 und 4,1. Vor, zwischen und nach diesen beiden größeren Blöcken sind es einzelne Verse, die dafür sorgen, dass die Erzählungen von 1 Kön 3 ein in sich verständliches Gesamtbild abgeben. Sie stehen naturgemäß eher im Verdacht, Zeugen eines diachronen Textwachstums zu sein. Für die ausführlich betrachteten 2,46b und 3,1 zeigt schon der Blick in die verschiedenen Texttraditionen,685 dass die in diesen Versen transportierten Inhalte lange beweglich waren und erst im Zuge abschließender Redaktionen an ihren heutigen Ort gekommen sein dürften.686 678 Auch an dieser Stelle bestätigt der Befund der diachronen Reflexion die Beobachtungen der synchron durchgeführten Textanalyse, wo festgestellt worden war, dass sich die durch V 15 konstruierten Leerstellen nicht auflösen lassen. 679 Vgl. etwa Hentschel, Könige, 34; Wälchli, Salomo, 62; die erste Darstellung der Parallelen bietet Greßmann, Urteil. 680 Vgl. etwa Särkiö, Weisheit, 34–35; vgl. Wälchli, Salomo, 63. 681 Vgl. Wälchli, Salomo, 65. 682 Pekka Särkiö sieht hier einen erklärenden Nachtrag (vgl. Särkiö, Weisheit, 34). 683 So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 279. Albert Šanda sieht die VV 16–28 so auf die VV 4–15 bezogen, dass er sie insgesamt einem Autor zuteilen möchte (vgl. Šanda, Könige, 64). 684 So Cogan, Kings, 193. 685 Vgl. Abschnitt „B 2.2 Historische Rückfrage“ ab S. 44; vgl. ferner Särkiö, Weisheit, 19. 686 Vgl Mulder, Kings, 130; vgl. ferner van Keulen, Versions, 64.

B 5 Historische Rückfrage

151

Dabei ist das textgenetische Verhältnis der einzelnen Aussagen von 3,1 kaum zu klären. Für Pekka Särkiö ist V 1a eine „redaktionelle Überschrift für den aus der Tradition stammenden V 1b“687. Zwar stimmt es, wie in der Textanalyse herausgestellt, dass die Verbalwurzel 0=% häufig Kritik an exogamen Eheschließungen ausdrückt.688 Allerdings ist dies kein Beleg für ein Textwachstum. Pekka Särkiö führt selbst gegen seine These Gen 34,9 und Dtn 7,3 an, wo die Folge der Verben „,nehmen‘ (0=%) und ,verschwägern‘ (0=% Hitp.), nebeneinander in zwei nahtlosen Stellen […] vorliegen.“689, freilich ohne daraus auf die Einheitlichkeit von 1 Kön 3,1 zu schließen. Die Auffassung, 1 Kön 3,1 sei insgesamt mit der folgenden Erzählung der VV 2–15 „ganz unverbunden“690, ist in der vorliegenden Textanalyse widerlegt worden.

Die auffälligsten und unstrittigsten Zeichen für ein Textwachstum werden meist in den VV 2–3 ausgemacht. V 4 spricht unkritisch vom Höhenkult Salomos, die VV 2–3 lassen deutliche Vorbehalte erkennen.691 Demnach bilden die VV 2–3 eine vorgelagerte Entschuldigungskette, wobei zunächst V 3 Salomos Verhalten in V 4 vorbereite und dann V 2 diesen V 3 vorauseilend zu entschuldigen versuche.692 Im Rahmen der synchronen Analyse war bereits festgestellt worden, wie sperrig sich der Auftakt von V 2 in den Zusammenhang einfügt. Auf der inhaltlichen Ebene fügen sich die VV 2–4 gut in den Erzählzusammenhang ein, weil sie die Elemente Tempelbau, allgemeine Opfergewohnheiten und konkreter Opfergang nach Gibeon miteinander verknüpfen. Zudem wird in V 2 der für die folgende Erzählung wichtige Akteur „Volk“ eingeführt.693 Damit ist es, trotz der offenkundigen Schwierigkeiten, nicht einfach möglich, V 2 zu streichen. Gleiches gilt für V 3, der Salomo in die bedeutsamen Relationen zu JHWH und zu seinem Vater David setzt und zugleich Salomos Opfertätigkeit von V 4 einleitet. So kann durchaus vertreten werden, dass die VV 2–3 einen gemeinsamen Weg in den heutigen Text gefunden haben könnten.694 Uneindeutig ist auch der Befund für die abschließenden Verse 3,28 und 4,1. 3,28 könnte ohne Schwierigkeiten als Abschluss der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ gelesen werden. Er bietet eine Art Quintessenz aus 687 Särkiö, Weisheit, 18. Pekka Särkiö verweist dabei auf Rudolf Kittel, der diesen Zusammenhang aber mit der Entstehung der LXX verbindet und damit eher ein textkritisches Problem beschreibt (vgl. Kittel, Könige, 24). 688 Vgl. Särkiö, Weisheit, 18. 689 Ebd., 19. 690 So ebd. 691 So Wißmann, Beurteilungskriterien, 88. 692 Vgl. ebd., 73 Anm. 377; vgl. Noth, Könige, 49; Särkiö, Weisheit, 19. 693 Vgl. Auslegung von V 2 ab S. 64. 694 Vgl. Cogan, Kings, 189. Auch die nach vorn verlagerte Entschuldigungskette, die Salomos Opferpraxis (V 3) den Kommentar vorwegschiebt, dass auch das Volk so gehandelt habe (V 2), muss nicht bedeuten, dass V 2 später als V 3 in den Text gekommen ist. Eine solche doppelt nach vorn verlagerte Entschuldigungskette ist einer Redaktionsebene durchaus zuzutrauen. Die Bemerkung von V 2 muss vor V 3 kommen. Zum einen fügt sich die Begründung von V 2 (das Volk opfert auf den Höhen, weil der Tempel nicht gebaut war), gut an V 1 an (wo gesagt wird, dass der Tempel nicht vollendet gewesen sei). Zum anderen bleibt durch diese Positionierung der Zusammenhang zwischen der allgemeinen Opferpraxis Salomos und seines konkreten Opfergangs nach Gibeon gewahrt.

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B Untersuchungen zu 1 Kön 3

der vorhergehenden Erzählung und gehört so zu ihr.695 Zugleich verlässt er aber die konkrete Gerichtsszene und ist, durch den Rekurs auf das Volk und auf die göttliche Weisheit, auch mit der „Erzählung von Opfer und Traum“ verknüpft (v.a. VV 8–9.12).696 Zudem gibt es innerhalb von V 28 keine Spannung, die einen Bruch in V 28 anzeigen würde.697 4,1, der mit 2,46b korrespondiert, scheint auf der gleichen Ebene wie 3,28 zu liegen. Zum einen ist 4,1 unerlässlich für die Verknüpfung der Traumoffenbarung mit der Urteilserzählung, weil der namenlose König der VV 16–28 erst hier den Namen Salomo erhält und so mit dem weisen König aus der Traumoffenbarung identifiziert werden kann.698 Zum anderen folgt 4,1 inhaltlich logisch auf 3,28,699 weil zunächst „ganz Israel“ vom Rechtsspruch des Königs hört und ihn fürchtet und dieser dann als König über „ganz Israel“ bezeichnet wird. Die mit Mitteln synchroner Exegese erarbeitete Struktur von 1 Kön 3 kann auch mit den Mitteln der historisch-kritischen Methode abgebildet werden. Die in der synchronen Textanalyse aufgewiesene interne Vernetzung der einzelnen Abschnitte ist auch vor dem Hintergrund der „historischen Rückfrage“ ein Argument zu der Annahme, dass der vorliegende Endtext als sinnvolle Einheit ausgelegt werden kann.

695 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 278; mit Verweis auf Weippert / Weippert, Frauen, 144–146.154. 696 Vgl. Wälchli, Salomo, 65. Stefan Wälchli betont die Nähe zu V 12 mittels des Weisheitsmotivs. 697 Vgl. Wälchli, Salomo, 65; gegen Pekka Särkiö, der lediglich V 28a als Abschluss der VV 16–27 verstehen möchte (vgl. Särkiö, Weisheit, 34–35). Vorteilhaft an einer Aufspaltung von V 28 wäre, dass damit erklärt werden könnte, warum der Begriff RO in diesem Vers zweifach und zwar mit je unterschiedlicher Bedeutung gebraucht wird. Genauso kann dieser zweifache Gebrauch aber auch im Sinne der in der Auslegung der VV 4–15 beschriebenen Mehrdeutigkeit der Weisheit Salomos verstanden werden. Sie konnte sowohl allgemein als auch regierungspraktisch und juristisch verstanden werden. Mordechai Cogan möchte den gesamten V 28 als dtr Einschub ausscheiden und sieht V 27 als Abschluss der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ (so Cogan, Kings, 196). 698 Gegen Ernst Würthwein, der in 4,1 den ursprünglichen Abschluss der Traumoffenbarungsszene lesen möchte (vgl. Würthwein, Könige, 34). 699 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 278.

C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen C 1 Der König C 1.1 Gott und der König Salomo ist nicht aus sich selbst heraus König, sondern sieht sein Königtum als gottgegeben an (1 Kön 3,6–8). Seine Aufgabe des gerechten Richtens und Regierens, die Aufrichtung von Recht und Gerechtigkeit, meint er nur mit einer göttlichen Gabe (dem hörenden Herzen) bewältigen zu können. Die Initiative zur Begegnung war freilich von Gott ausgegangen. Er erscheint dem König und stellt ihm eine Bitte frei (V 5). Aus Gottes Sicht sind Salomos Worte gut (V 10), er stattet den König reichlich aus (VV 12–13). In den Augen des Volkes ist die Gottesweisheit im König zu erkennen und Grund seiner Autorität und Legitimation. Das weist auf andere alttestamentliche Texte hin, in denen der (judäische) König als ein von Gott Legitimierter dargestellt wird. Besonders im Psalter sind solche Vorstellungen anzutreffen. Die Legitimation kann durch verschiedene Begriffe zum Ausdruck gebracht werden. In Ps 89,4.20 ist der König der r – %– ’ +– / :K%„ š ), er wird in Ps 2,7 als „mein Sohn“ bezeichnet „Auserwählte“ (':' ('†1– C’ ), JHWH hat ihn gezeugt (U'k  – ’ +– ’'). Ps 89,28 sieht im König den „Erstgeborenen“ (:L)„ C’ ).1 Ps 72 führt vor Augen, dass der König Recht (&6f/, V 2) und Gerechtigkeit (98 / !98, V 2 / V 3) zu schaffen hat, besonders für die Armen und Unterdrückten (V 4).2 Besonders jener letztgenannte Psalm 72 scheint die Relation „Gott und der König“ in einer Weise zu beschreiben, wie sie für die Bestimmung dieser Relation in 1 Kön 3 hilfreich sein kann.3 Ähnlichkeiten und „Motivverwandtschaften“ gibt es vor allem zum Abschnitt „Opfer und Traum“ (1 Kön 3,4–15).4 Was im genannten Psalm theologisch zur Sprache gebracht wird, wird an Salomo in 1 Kön 3

1

2 3 4

Die Auswahl der bis hierher angeführten Belegstellen und Stichwörter erfolgt mit Janowski, Königtum, 517; vgl. ferner Baumann, Weisheitsgestalt, 95. Die hebräischen Begriffe sind in dieser Übersicht in ihrer Grundform angegeben, nicht in den Formen, in denen sie in den genannten Texten erscheinen. Die Psalmen 2 und 72 bilden auch für Stuart Lasine einen möglichen Verstehenshorizont für 1 Kön 3 (vgl. Lasine, King, 92). Vgl. Baumann, Weisheitsgestalt, 95. Diese Aufgaben des Königs bedingen nach Ps 72 eine göttliche Gabe an den König. Dabei wurden für die folgende Lektüre die VV 1–5 ausgewählt. In anderen Teilen des Psalms ließen sich Anklänge an andere Teile der Salomokomposition hören: V 8 erinnert an 1 Kön 5,1, die VV 10.15 an 1 Kön 10,1–14 (vgl. dazu auch Lasine, King, 94). Die „vielfältigen Motivverwandtschaften [von Ps 72, MN] mit der Salomo-Überlieferung von 1 Kön 3–10 (zu V 1: vgl. 1 Kön 3,5–9; zu V 2: vgl. 1 Kön 3,9; zu V 5–7: vgl. 1 Kön 3,14)“ sind gut zu erkennen (so Erich Zenger in Hossfeld / Zenger, Psalmen, 317).

154

C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

typisiert dargestellt,5 in narrative Theologie umgesetzt. Die folgende Lektüre eines Ausschnittes von Ps 72 nimmt die „theologische Sprache“ von Ps 72 zur Hilfe, um die „narrative Theologie“ von 1 Kön 3 und das dortige Konzept der Relation „Gott und der König“ zu entschlüsseln. 1 Für Salomo (!œ /{ Yf’ +) – Gott, deine Rechtssprüche (U'&˜ aš f’ /Ž – iâ) – gib (0k) r — [sie] dem König und deine Gerechtigkeit ( †U=’ 9š ’ 8– ’#) dem Königssohn. 2 Er richte (0'„ – š')6 dein Volk ( „U]’ 4) ™ mit Gerechtigkeit (9r˜ 8˜ ) ’ und deine Elenden (U'†Q˜ –14” ™#)7 mit Recht (&a  š f’ /– ). ’ 3 Es sollen Frieden (-L †+f) zš tragen die Berge für das Volk (-4r š +) š und die Hügel Gerechtigkeit (!9Ü  š š 8’ C). – 4 Er schaffe Recht (&aœ … f’ –') den Elenden des Volkes (-4¡' š y —Q –14),  ” helfe den Kindern der Armen (0L r'’ ˜ '„1— ’ +– µ'™ fLŽ – ') und zermalme den Unterdrückenden. 5 Und er soll lange leben vor der Sonne8 und vor dem Mond, Generation um Generation.

Ps 72 trägt in der Überschrift eine Widmung an Salomo.9 Die ersten beiden Verse von Ps 72 lesen sich, von 1 Kön 3 her betrachtet, wie eine betende Verstetigung der in der Traumoffenbarung einmalig ausgesprochenen Bitte Salomos.10 Das stärkste Indiz dafür ist die Verwendung von Formen der Verbalwurzel 0=1 („geben“), mit der jeweils die Aufforderung an Gott ausgedrückt wird (1 Kön 3,9 / Ps 72,1). Wer so spricht, bekennt, dass Gott der Setzer des Rechts und der Ermöglicher aller Gerechtigkeit ist. Recht und Gerechtigkeit werden als göttliche Gaben für König und Königssohn gedeutet,11 es „herrscht in Israel die Vorstellung, dass Gesetz und Gericht von Gott ausgehen &6f/ -'!++ (Dtn 1,17).“12

Rechtssprüche und Gerechtigkeit, die Gottesgaben für den König, sollen nach Ps 72,2 dem Volk, besonders den „Elenden“, zugewendet werden. Dem König 5 6 7

So Baumann, Weisheitsgestalt, 95–96. Die zu Grunde liegende Wurzel 0' wird in 1 Kön 3 nicht verwendet. Hier können materiell oder in einem anderen Sinne schlecht gestellte Menschen gemeint sein, vgl. Gesenius18, 991a. 8 In V 5 folgt die Übersetzung Erich Zenger, der mit der LXX eine Textkorrektur des ersten Wortes „sie sollen dich fürchten“ ((#:'') in „und er soll lang machen“ ((':'#, mit Bezug auf Lebenstage) vornimmt und von langen Tagen spricht (vgl. Hossfeld / Zenger, Psalmen, 303.305). 9 Zur Problematik der Wendung !œ /{ Yf’ +– vgl. auch Anm. 17 auf S. 13. Im konkreten Fall von Ps 72 lässt sie sich kaum anders denn als Widmung an Salomo verstehen, da der Ps 72 in V 20 mit den Worten „Gesamtheit der Psalmen Davids des Sohnes Isais“ (Ã'f  š –'¡0C˜ #y– G~ š =LXr 6– =’ KX† V) š abgeschlossen wird, also an dieser Stelle als Gebet Davids klassifiziert wird, weswegen V 1 nur schwer als Autorangabe gelesen werden kann (vgl. Erich Zenger in Hossfeld / Zenger, Psalmen, 316). Zur Widmung der Psalmen 72 und 127 an Salomo vgl. auch Hensel, Vertauschung, 235 Anm. 673. 10 Nimmt man in der Überschrift die Widmung „für Salomo“ ernst, ist es die Aufnahme der salomonischen Bitte aus V 9 in das Gebet für den König. Auch Erich Zenger liest ihn als „Bittgebet für den König / Königssohn“ (Hossfeld / Zenger, Psalmen, 310.317). 11 Die Verbform 0'„ – š' in Ps 72,2 kann sich auf den Königssohn und auf den König beziehen. Auffällig ist, dass auch in Ps 72 Wünsche für den König geäußert werden, die sich als Illustration der göttlichen Aufforderung aus 1 Kön 3,5 lesen lassen (vgl. Buis, Rois, 54). 12 Kraus, Psalmen, 495.

C 1 Der König

155

kommt nach Erich Zenger die Rolle eines „Mittlers der sozialen Gerechtigkeit“13 zu. Das gewünschte direkte Empfangen des Rechts von Gott entspricht dem unterscheidenden Hören des Rechts in 1 Kön 3,11. So hatte Gott Salomos Bitte wiedergegeben. Die Gaben sollen dem König nicht für ihn selbst, sondern zugunsten seines Volkes verliehen werden (1 Kön 3,9). Altorientalischer Königsideologie entsprechend14 käme dem Königtum eine eigene „göttliche Autorität“ zu, aus der heraus Gesetze gegeben werden.15 In Ps 72, und das ist kennzeichnend für Israels Aufnahme der Königsideologien aus der Umwelt, ist „der irdische König letztlich nur Mittler / Medium des eigentlichen Königs JHWH“16. Der Wechsel zwischen den Rechtssprüchen (VV 2–3), die für den König erbeten werden, und der Gerechtigkeit, die dem Königssohn zugedacht wird, nimmt ein Wortspiel aus 1 Kön 3 in umgekehrter Zuordnung wieder auf. Dort hatte Salomo seinem Vater David einen Lebenswandel in Gerechtigkeit bescheinigt (3,6). Salomo selbst, dem Königssohn, wird von Gott zugesprochen, unterscheidend das Recht zu hören (3,11). Die Sorge um das Recht für die Elenden, die dem König im Psalm zukommt, kann auch mit der Zuwendung Salomos zu zwei Prostituierten in ihrer misslichen Lage (1 Kön 3,16–27) parallelisiert werden.17 Das hörende Herz lässt sich in diesem Zusammenhang als ein „Königscharisma“ verstehen, das Salomo zur Regierung befähigt und ihm – weil es eine göttliche Gabe ist – Legitimation verleiht.18 Auch in 1 Kön 3 ist Salomo Medium; in seinem } – “ =/ˆ ™ )’ %š ) erkennen Regieren / Richten lässt sich die „Weisheit Gottes“ (-'!Y (1 Kön 3,28). Aus der Perspektive des Volkes (1 Kön 3,28) wird die Weisheit Gottes – und damit Gottes Sorge um sein Volk – im Handeln des Königs sichtbar. Aus der Perspektive des Königs heraus aber – und das zeigen nicht zuletzt die vielen Demutsbekundungen Salomos, der sich Gott gegenüber „dein Knecht“ nennt – steht der König „inmitten seines Volkes“ (1 Kön 3,8). Diese Funktion des Königs, dessen Handeln sich zwischen den beiden Brennpunkten „Gott“ und „Volk“ abspielt, ermöglicht erst die Mittlerschaft.19 An der rechten Verwendung der göttlichen Gaben hängt nicht nur in Ps 72, sondern auch in 1 Kön 3 das Wohlergehen des Königs und des Volkes. Die Bitte um langes Leben für den König (Ps 72,5) erfolgt erst nach den Bitten um eine gute Amtsführung mit Hilfe der göttlichen Gaben (VV 2–4). Das entspricht dem Vorbehalt, unter dem die 13 So Erich Zenger, in: Hossfeld / Zenger, Psalmen II, 412; vgl. ferner Mettinger, King, 244. 14 Verwiesen sei auf den Prolog des Kodex Hammurapi, vgl. Erich Zenger in Hossfeld / Zenger, Psalmen II, 416. 15 So Erich Zenger in Hossfeld / Zenger, Psalmen II, 416. 16 Vgl. ebd. 17 Zur Bedeutung der Bezeichnung der Frauen als Prostituierte und mögliche Implikationen für das Terxtverständnis vgl. in der Textanalyse Anm. 469 auf S. 109. 18 Zum Begriff „Königscharisma“ vgl. die ausführliche Diskussion bei Baumann, Weisheitsgestalt, 95–100. 19 Insofern ist es etwas undifferenziert, wenn Stefan Wälchli keine Anklänge an die Beziehung zwischen Gott und König in altorientalischen Parallelen erkennen mag (vgl. Wälchli, Salomo, 187). Es ist aber auch eine Fehleinschätzung, wenn man den König, wie etwa Gösta Werner Ahlström (vgl. Ahlström, History, 539; vgl. die Diskussion bei Wälchli, Salomo, 19), in die göttliche Sphäre einordnen möchte. Er stünde dann nicht mehr „inmitten des Volkes“.

156

C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Verheißung des langen Lebens für Salomo in 1 Kön 3,14 steht: Er muss Gottes Satzungen und Gebote halten.20 Diese enge Beziehung zwischen Gott und König ist wohl in 1 Kön 3 greifbar und auch in den oben genannten Psalmen21 gut zu erkennen. Im ganzen Alten Testament lässt sich diese Beziehung nicht feststellen.22 Königskritik jedoch, sowohl am einzelnen König23 als auch an der Institution des Königtums24 insgesamt ist für das Alte Testament konstitutiv.25 Damit sind die aufgeführten Beziehungen zu Psalm 72 keineswegs typisch für die Samuel- und Königebücher. Sie sind spezifisch für einige Texte, so für 1 Kön 3.26

C 1.2 Der König und der Kult Die Funktion des Königs im öffentlichen Kult ist in den Erzählungen über Israels erste Könige ein umkämpftes Thema. Saul bringt aus einer Notsituation heraus ein Opfer dar (vgl. 1 Sam 13,9) und wird deswegen als König verworfen (13,13– 14).27 Sein Nachfolger David opfert mehrfach ohne negative Konsequenzen (2 Sam 6,13; 24,25).28 Für Salomo wird in 1 Kön 3 zunächst in V 3 seine allgemeine Höhenopferpraxis erzählt, danach in den VV 4.15 von konkreten Anlässen, zu denen er als Opfernder tätig wird. Danach bringt Salomo bei der Tempelweihe Opfer für JHWH dar (1 Kön 8,5.62–63). Er lässt diese Tätigkeit am Tempel zu einem regelmäßigen Dienst werden (vgl. 9,25). Im Alter hängt er fremden Göttern an (vgl. 11,5), ohne dass klar würde, ob er für diese opfernd aktiv wird. Lässt sich aus diesen Beobachtungen etwas über ein Priesteramt Salomos, das diesem durch sein Amt als König zukäme, aussagen? 20 Dieser Zusammenhang wird in Ps 72 dadurch stark betont, dass die Abfolge „gutes Regieren / Erfüllen der königlichen Aufgaben – Bitte um langes Leben“ zweifach auftritt. In den VV 2.4 wird um gutes Regierungshandeln des Königs besonders für die Elenden gebetet, in V 5 folgt die Bitte um ein langes Leben für den König. In den VV 12–14 wird die Sorge des Königs für die Elenden und Schwachen betont, in der Folge werden ihm langes Leben, Reichtum und Segen zugesprochen (V 15). 21 Auf die Terminologie „Königspsalmen“, die von Hermann Gunkel entwickelt wurde, wird verzichtet, weil sie zu starke diachrone Tendenzen impliziert (vgl. Wälchli, Salomo, 165, Anm. 292–293). 22 Vgl. ebd., 186. 23 Als Beispiel können die Beurteilungstexte in den Königebüchern gelten, etwa 1 Kön 15,26. 24 Vgl. etwa 1 Sam 8. 25 Vgl. Wälchli, Salomo, 186. 26 Walter Brueggemann liest Ps 72 auch als Kritik an Salomo. Die Sorge besonders um die Elenden und die Schwachen sei im Fokus von Ps 72, ohne dass dies aber nach 1 Kön 1–11 als besonderes Anliegen Salomos gekennzeichnet wäre. Lediglich in den Worten der Königin von Saba würde ihm diese Sorge unterstellt (vgl. Brueggemann, Solomon, 217). Mit Blick auf 1 Kön 3 lässt sich festhalten, dass die Sorge um die Schwachen und Elenden nicht ausdrücklich erwähnt wird, sie aber doch im globaleren Begriff des Volkes einbezogen sind, der eine wichtige Rolle spielt. Wie bereits mehrfach erwähnt, wird die Zuwendung des Königs zu zwei Prostituierten in 1 Kön 3,16–28 von einigen Autoren als Einsatz des Königs für Ausgegrenzte verstanden (vgl. Anm. 469 auf S. 109). 27 Vgl. Hentschel, Laisierung, 21–22. Zum Begriff „Verwerfung Sauls“, die hier und erneut in 1 Sam 15 erzählt wird, vgl. Klein, Samuelbücher, 69.120–121. 28 Vgl. Hentschel, Laisierung, 21–22.

C 1 Der König

157

Stefan Wälchli meint, es gäbe in 1 Kön 3–11 „[k]eine Angaben […] über ein eigentliches Priesteramt Salomos sowie Anklänge an eine Gottähnlichkeit Salomos.“29

Wälchli kommt zu dieser Beobachtung aufgrund seines vergleichenden Durchgangs durch verschiedene altorientalische Königsideologien und -konzepte sowie verschiedene atl. Texte. Die besondere Beziehung des Königs zur jeweiligen Gottheit ist ein Allgemeingut altorientalischer Königsideologie.30 Für Salomo sieht Wälchli in vielen Texten deutliche Anklänge an altorientalische Parallelen (Weisheitsbegabung, Rechtssprechung in schwierigen Fällen, Tempelbau, internationales Ansehen, sorgt sich um gute Verwaltungsstrukturen, befestigt und baut Städte, garantiert Frieden und Wohlstand).31 Das Fehlen der priesterlichen Aufgaben und der Gottähnlichkeit32 ist für Wälchli ein entscheidender Unterschied zu altorientalischen Parallelen. Mit Blick auf 1 Kön 8 muss diese Sicht zurückgewiesen werden. Salomo steht dort während der Opfer nicht nur im Volk und opfert mit diesem (VV 5.62); er wird ausdrücklich als der erwähnt, der verschiedene kultisch festgelegte Opfer bei der Tempeleinweihung darbringt (VV 63–64). Bei eben dieser Tempeleinweihung kommt den ausdrücklich als „Priester“ bezeichneten Priestern lediglich die š ˜ -'x1– !œ” V!™ K† g’ –Q ™#, V 3).33 Salomo Aufgabe zu, die Bundeslade zu tragen (0L:  š !¡= ist es auch, der die ganze Versammlung Israels segnet (+r — :š g’ –' +!„ ™ 9¡+ ’ Vš =x — T:˜ ’'wš ™#, 34 V 14), was in der Rezeption der Chronik keine Beachtung findet und möglicherweise als anstößig empfunden wurde (2 Chr 6).35 Wie bereits erwähnt, lässt Salomo es sich nach 9,25 nicht nehmen, dreimal jährlich auf dem Altar, den er für JHWH gebaut hatte, zu opfern.36 Lässt sich, davon abgeleitet, auch eine herausgehobene priesterliche Funktion Salomos in 1 Kön 3 erkennen?37 Die Opfertätigkeit Salomos in den VV 3–4 ist 29 Stefan Wälchli formuliert: „In der Tempelweihe 1. Kön 8 agiert Salomo zwar ansatzweise wie ein Priester, doch lässt sich daraus noch kein eigentliches Priesteramt ableiten.“ (Wälchli, Salomo, 187). 30 Vgl. ebd., 186–187; vgl. dazu auch den Punkt „C 1.1 Gott und der König“; S. 153. 31 Vgl. Wälchli, Salomo, 186–187. 32 Wälchli nennt außerdem noch fehlende Angaben über Salomos Ausbildung (vgl. ebd., 187). 33 Vgl. Davies, Solomon, 48. 34 Eine Tätigkeit, die eigentlich den Priestern zukäme (vgl. Davies, Solomon, 48; dort mit Verweis auf Lev 9,22–23; Num 6,23–27; 1 Chr 23,13). 35 Vgl. Hentschel, Laisierung, 23. 36 Die Zahl drei könnte sich auf die Wallfahrtsfeste beziehen (vgl. Mulder, Kings, 495). Die priesterlichen Tätigkeiten Salomos überraschen kaum. Eric William Heaton schreibt: „The king’s authority and significance extended far beyond the political realm. The temple is the king’s sanctuary: he builds it, dedicates it, refurnishes it and reforms it (1 Kgs. 5–8; II Kgs. 16,10–18; 18,4; 23,4–14); he appoints its priests as his own servants and controls their work (II Sam. 20,25; I Kgs. 2,26–27; 4,2). Moreover, the king himself exercises a priestly office in the Temple cult. Saul, David, Solomon, Jeroboam, and Ahaz are all recorded as having offered sacrifice (I Sam. 13,9; II Sam. 6,17–19; I Kgs 3,4: 8,5.62–64; 9,25; 13,1; II Kgs. 16,12–16).“ (Heaton, Kingdoms, 145). 37 John A. Davies, der verschiedene Salomobilder für den gesamten Salomo-Zyklus herausarbeitet, hat u. a. die Überschrift „Solomon as Priest“ (Davies, Solomon, 47).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

unter diesem Gesichtspunkt kaum eindeutig auszuwerten, auch wenn sie als Beleg mitunter herangezogen wird.38 In V 3 wird Salomos Opfertätigkeit mit der des Volkes parallel dargestellt. Wollte man daraus eine Art priesterliche Funktion folgern, liefe dies in der Konsequenz auf eine Art „Priestertum aller Gläubigen“ hinaus. Es handelt sich in 1 Kön 3,3 aber – zumindest lässt sich mehr nicht eindeutig belegen – um eine Art privater Frömmigkeit. Der Opfergang nach Gibeon (V 4) lässt sich als konkretes Beispiel dieser Praxis Salomos verstehen.39 Geeigneter für den Aufweis einer priesterlichen Funktion Salomos in 1 Kön 3 ist sein Opfern nach der Traumoffenbarung in Jerusalem (V 15). Salomo stellt ” :– C’ 0L:„ ” £'„1— 6’ +– ).40 Anders als sich für dieses Opfer vor die Bundeslade ('1œš y ¡=' noch in den VV 3–4 ist hier in V 15, wie in 8,5, ein dezidiert öffentlicher Akt geschildert. In 3,15 wird nach dem Opfer ein Fest für alle Knechte Salomos veranstaltet (#'  š š 4¡+ ” )š +’ !kx ˜ f’ /– g4†™ ™Q ™#) und in 8,5 versammelt sich Salomo mit ” )š ’# !/ œ y Yf’ T+˜ ]„ ˜ !™ ’#). Die Termini, die ganz Israel vor der Lade ( {+— :š g’ –' =… ™ 4¡+ { 3 +4…™ Q™ ™#) zu gebraucht werden, um Salomos Opfern in 3,15 (-'/–v +š f’ g4„™ Q™ ™# =L+œ umschreiben, sind exakt dieselben, die Salomos ritualisierte Praxis der drei ’ =L+œ„ 3), wenngleich dort die jährlichen Opfertermine in 9,25 ausdrücken (-'/–y +š fK in 3,15 gebrauchten Verben nicht aufgeführt werden. Salomo übt in 1 Kön 3 – das haben die Vergleiche mit Teilen des SalomoZyklus gezeigt, für die diese These unstrittiger scheint – eine öffentliche, priesterliche Funktion aus, die einen Teil seiner Rolle als König darstellt und den Begriff „König“, mit dem das Salomo-Bild von 1 Kön 3 beschrieben wird, näher ausfüllt.

C 1.3 Der König und sein Vater Eng mit der Dimension „Gott und der König“ verbunden ist das Thema der Dynastie Davids. Ähnlich wie das Königtum sich noch im Aufbau befindet, ist auch das „Haus Davids“ noch eine Dynastie in der Startphase. David hat gerade seinen unmittelbaren Thronfolger installiert (1 Kön 1–2), die Thronfolge ist alles andere als geregelt abgelaufen. Sein Vorgänger Saul konnte keine Dynastie etablieren. In 1 Kön 3 ist das Thema „Dynastie“ sehr präsent. Besonders erinnert sei daran, dass Salomos JHWH-Liebe sich in seinem Gehen auf den Wegen seines 38 So etwa bei ebd., 49; vgl. ferner Särkiö, Exodus, 147. 39 Natürlich kann das Opfer in Gibeon auch im Rahmen der Thronbesteigung, also durchaus als öffentlichkeitswirksame Aktion, verstanden werden, wie es ja auch häufig geschieht (vgl. etwa Šanda, Könige, 58; mit Verweis auf ein mögliches Speisen einer „herbeigeströmten Menge“ mit dem Opferfleisch; vgl. auch Cogan, Kings, 191). Im vorliegenden Kontext, also unmittelbar nach der Schilderung der Opfergewohnheit Salomos in V 3, der so handelt, wie man in Israel für gewöhnlich handelt (vgl. V 2), ergibt sich der einzubeziehende Verstehenshorizont aber mindestens so sehr aus der gewöhnlichen Frömmigkeitspraxis wie aus einem öffentlichen Akt im Rahmen der Thronbesteigung. 40 Zum Wiederkehren der Lade als gemeinsamem Motiv von 1 Kön 3,15 und 8,5 vgl. auch Mulder, Kings, 151.

C 1 Der König

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Vaters David äußert (1 Kön 3,3), dass Salomo das Thema Thronfolge selbst ins Wort hebt (3,6–7) und dass in der Gottesrede während der Traumoffenbarung David als ausdrückliches Vorbild für Salomo genannt wird (3,14). Jeweils wird David dabei ausdrücklich als Vater () Salomos bezeichnet. Die so betonte Vater-Sohn-Beziehung verstärkt das dynastische Motiv weiter. Die Entwicklung der Dynastie, wie sie in 1 Kön 3 als Folge des sich ausformenden Königtums beschrieben wird, lässt sich mit einigen Verweisen auf 2 Sam 7 besser erkennen. David möchte Gott ein Haus bauen und wird in diesem Ansinnen abgewiesen (vgl. 2 Sam 7,5–7). In 2 Sam 7,13.15–16 lässt Gott David wissen, dass sein Sohn das Gotteshaus bauen wird, Gott aber für das Haus Davids und dessen Königtum sorgen wird: 13Er, er wird bauen das Haus für meinen Namen ('/ r – f’ +– = –'C¡! x ™ ˜1–'), ’ und ich werde befestigen den Thron seiner Königsherrschaft für alle Zeit (-+L3¡  š 4™ Lkx )’ +™ /’ /™ _† — V¡= – ˜ 'k} – ’1 ™1œ) ’#). […] 15Und meine Gnade wird sich nicht von ihm entfernen, wie sie sich von Saul entfernt hat, den ich vor dir entfernt habe. 16Und Bestand haben wird dein Haus und deine Königsherrschaft für alle Zeit vor dir, dein Thron wird fest sein für alle Zeit (-+L3¡  š 4™ 0L)x š1 !†'˜ !’ –' Uv ” 2’ V).  –

Durch das selbständige Personalpronomen zu Beginn von Vers 13 wird der Verweis auf den Sohn verstärkt, er, niemand sonst, wird den Tempel bauen. Der Begriff, der für den Tempel verwendet wird, „Haus für meinen Namen“, entspricht der Formulierung in 1 Kön 3,2, wo auf die Unfertigkeit des „Hauses für den Namen JHWH“ verwiesen wird: Es war noch nicht gebaut worden v š ’' -f „ — +’ =–'{ ™{ !†1š ’ –1¡œ+). David bekommt in dieser Verheißung aber nicht nur (!#! die Zusicherung, dass sein Thronfolger den Tempel bauen wird (2 Sam 7,13). Wie in der Textanalyse für 1 Kön 2,46b dargelegt,41 hat 2 Sam 7,13 ebenda eine Entsprechung, wo dieselbe Verbalwurzel 0#) verwendet wird, um festzustellen, dass die Königsherrschaft in der Hand Salomos befestigt sei.42 Die Verheißung für David aus 2 Sam 7,13 ist also (zumindest anfanghaft) in 1 Kön 2,46 in Kraft getreten.43 Dieser Gott hat David ein Haus gebaut.44 Salomo darf sich revanchieren und seinerseits ein Haus für den Namen JHWH bauen.45 Die Zusage der „Treue“ (2%) für Davids Dynastie (vgl. 2 Sam 7,15) bzw. die rückblickend festgestellte Gewährung dieser „Treue“ für David hängt also in 1 Kön 3 – das wurde durch den Vergleich mit 2 Sam 7 deutlich – eng mit dem Thronfolger Salomo und eng mit dessen Tempelbauprojekt zusammen. Die Frage nach der Dynastie bzw. nach der Relation „der König und sein Vater“ deutet auf eine weitere Dimension des Salomobildes „der König“ hin, wie es sich in 1 Kön 3 zeigt. Salomo ist als König der Nachfolger seines Vaters David. Das Salomo-Bild „der Nachfolger“ hat Christa Schäfer-Lichtenberger für 1 Kön 41 Vgl. die Auslegung von 1 Kön 2,46b ab S. 51. 42 Die Verbalwurzel 0#) ist als Leitwort in 2 Sam 7 zu bezeichnen, sie wird in den VV 12.13.16 mit Bezug auf das Königtum für David und seine Dynastie, in V 24 für das Volk Israel verwendet. 43 Vgl. Oswald, Nathan, 55. 44 Vgl. die Formulierung in Davids Gebet 2 Sam 7,27. 45 Zu diesem gegenseitigen Häuserbau vgl. Brueggemann, Solomon, 93; ferner Hertzberg, Samuelbücher, 231.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

1–11 ausführlich aufgearbeitet.46 Auch 1 Kön 3 findet bei ihr Berücksichtigung, wenngleich sie die einzelnen Teile separat behandelt. Dabei setzt sie einen Schnitt innerhalb von 1 Kön 3, sodass die Erzählung von Opfer und Traum (VV 4–15) bei ihr noch an 1 Kön 1–2 angeschlossen ist: „Das Thema ,Begründung der politischen Autorität Salomos und Legitimität seiner Position als Nachfolger Davids‘ bildet den Hintergrund der Erzählungen in 1.Kön 1,1–3,15.“47

Konkret für die Auslegung von 1 Kön 3,1–15 wählt sie die Überschrift „JHWHs erste Intervention“.48 Die Erzählung „Das hörende Herz auf dem Prüfstand“ (Verse 16–28) ist für sie Teil des größeren Abschnittes „Die Bewährung des Charismas“.49 Einen paradigmatischen König mag Schäfer-Lichtenberger in Salomo kaum erkennen: „Die Schilderung Davids als des idealen Herrschers schlechthin (3,6¸¹) und die Betonung der Verbindlichkeit seines Vorbildes für Salomo ruft die Differenz zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand in Erinnerung. Diese Aussage im Munde Salomos verdeutlicht, daß Salomo nach dtr Argumentation der richtige Weg bereits durch das Beispiel seines Vaters vorgezeichnet war. Sein Vater hatte Salomo nicht nur die entsprechenden Weisungen mit auf den Weg gegeben (2,3f), sondern David entsprach dem von ihm propagierten Ideal eines Herrschers unter JHWH für Israel.“50

Dieses Verständnis der Figur Salomo als „Nachfolger“ streicht die Bedeutung heraus, die Salomo unter den ersten drei Königen zukommt. Der Thronwechsel von David zu Salomo ist schließlich der erste innerhalb einer Familie, hier entsteht eine Dynastie. Aus diesem Grund ist die Beobachtung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen David und Salomo ein wichtiges Thema für die Diskussion um das Königtum in Israel, die auch am Beispiel der Figur Salomo in den biblischen Texten geführt wird. Dass es überhaupt zu einer dynastischen Nachfolge kommt, ist beachtlich. Samuel kann seine Söhne nicht etablieren, weil sie ungeeignet sind (vgl. 1 Sam 8,3).51 Genauso erging es vor ihm schon seinem Lehrer Eli (vgl. 1 Sam 2,11–17). Als Israel dann mit Saul einen König bekommt, kann auch dieser nicht für eine geregelte Nachfolge sorgen. „Das wichtige Nachfolgeproblem ist ungelöst.“52 Immer kehren in den Texten „chaotische Verhältnisse“ wieder.53 Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die komplizierten Umstände um Davids Thronfolge herum verstehen. Es bedeutet einen gewaltigen Kraftakt, eine dynastische Nachfolge zu organisieren. David und Salomo gelingt es dennoch.54 Schon allein deshalb ist es zu kurz gegriffen, in 46 47 48 49 50 51

Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo. Ebd., 231. So ebd., 261. So ebd., 277. Ebd., 270. Dass er es dennoch versucht, ist ein durchaus beachtlicher Vorgang, vgl. Dietrich, Samuel II, 356–357; vgl. ferner ders., Königszeit, 37. 52 Dallmeyer / Dietrich, David, 80. 53 So ebd. 54 Mit der Nennung der beiden Könige soll auf die dynastische Thronfolge hingewiesen werden. Der Einfluss anderer Figuren wie Batseba und Natan soll damit nicht geschmälert

C 1 Der König

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Salomo, dem „Nachfolger“, keinen paradigmatischen König zu sehen: Er ist im Alten Testament der erste (erfolgreich etablierte) dynastische Nachfolger eines Königs.

C 1.4 Der König und das Volk Im oben55 besprochenen Verhältnis zwischen Gott und König ist auch die Beziehung zwischen dem König und dem Volk angeklungen, indem gezeigt wurde, wie der König als Mittler zwischen Volk und Gott agiert. Damit ist das Verhältnis zwischen König und Volk aber noch nicht hinreichend beschrieben. Bei der Beschreibung von Legitimität und Autorität des neuen Königs spielt das Volk eine wichtige Rolle.56 Darum weiß Salomo, der – ähnlich wie Mose in Num 11,14 – bekennt, dass er die Sorge um Israel nicht allein zu tragen vermag, dass er vielmehr des göttlichen Beistands bedarf.57 Nach dem Urteil Salomos für die beiden Frauen wird von der Ehrfurcht des Volkes („ganz Israel“) berichtet, weil es die Weisheit Gottes in Salomos Innerem erkennt (3,28). Im Anschluss daran wird berichtet, dass Salomo König über ganz Israel war (4,1). Die von Salomo angezielte Fähigkeit des rechten, zwischen Gut und Böse unterscheidenden Richtens (3,9), erweist sich nicht nur durch das göttliche Urteil (3,10) als gute Wahl, sie wird auch durch die Anerkennung durch ganz Israel bestätigt. Bei einem Blick in die Vorgeschichte zu Salomos Thronbesteigung wird schnell deutlich, warum Salomo so zielsicher die Fähigkeiten guten Richtens (Regierens) zu erlangen wünscht. Schon sein (Halb-)Bruder Abschalom hat versucht, sich als gerechter Richter zu profilieren, dadurch das Volk auf seine Seite zu ziehen und seinen Vater David vom Thron zu stürzen (2 Sam 15,1–6).58 Vor dem Hintergrund dieses Textes wird deutlicher, worum es in Salomos Bitte geht und was die Anerkennung König Salomos durch das Volk bedeutet. 1Und

danach machte sich Abschalom einen Wagen und Pferde und fünfzig Mann, die vor ihm herliefen. 2Und Abschalom stand früh auf und stellte sich neben den Torweg. Und wenn ein Mann kam, der einen Streit hatte ( Š':¡LX¡! – ˜'!’ –'¡:f  ˜ ” f'„ – !¡+ š V) š und wegen des Rechts zum König kam (&aš y f’ ]– +™ T+˜ ]˜~ !¡+ ™ ˜ L{ +š ): Abschalom rief zu ihm und er sagte: Aus welcher Stadt bist du? Und sagte er: Dein Knecht (UG  ˜ ’ 4) ™ ist aus einem der Stämme Israels!,3 sagte Abschalom zu ihm: Siehe, deine Sache ist gut und recht

55 56 57 58

werden. Die Bedeutung des Verhältnisses zwischen Salomo und seinem Vater für 1 Kön 3 ließe sich auch durch eine intertextuelle Lektüre mit 2 Sam 11–12 unterstreichen. Carole Fontaine zeigt, wie Semantik, Themen und Strukturen 1 Kön 3 mit 2 Sam 11–12 vernetzen (vgl. Fontaine, Wisdom). Im Gegensatz zu David, der (mit seinem Ehebruch) die Torheit erwählt hat, wählt Salomo die Weisheit; vgl. dazu ferner Camp, Wise, 167. Vgl. den Abschnitt „C 1.1 Gott und der König“ ab S. 153. Vgl. dazu die Auslegung von 3,28–4,1 ab S. 125. Vgl. Parker, Wisdom, 71. In 2 Sam 15,1–12 wird die Revolte Abschaloms beschrieben, zunächst, im ausgewählten Abschnitt (VV 1–6), seine Vorbereitungen, danach sein Vorgehen in Hebron (mit Caquot / de Robert, Samuel, 526–527). V 13 gehört schon zur nächsten Szene (so auch Bar-Efrat, Das Zweite Buch Samuel, 153).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen (-'%œr – ) ’1K -'L& „– U:x ˜ š ’ !† — :’ ), aber beim König ist niemand, der dich hört (T+˜ ]  ˜ !™ =† — /— xU+¡0' ’ — µ™ /œ† — f ’#). 4Und Abschalom sagte: Würde man doch mich einsetzen als Richter im Land (7:˜ r š Cš &6œx — f ' –1/† — g– ’'¡'/)! – Dann könnte jeder zu mir kommen, der einen Rechtsstreit oder eine Rechtssache hat (&ax š f’ /K – ':¡LX¡! †– ˜'!’ –'¡:f  ˜ ), ” und ich würde ihm Gerechtigkeit schaffen (#'k  – 9’ G™ 8’ !– ’#). 5Und wenn ein Mann sich näherte, um sich vor ihm niederzuwerfen, streckte er seine Hand aus, hielt ihn fest und küsste ihn. 6Und Abschalom machte diese Sache in Bezug auf ganz Israel, wenn sie wegen des Rechts zum König kamen (T+˜ ]r ˜ !¡+ ™ ˜ &ax š f’ ]– +™ Kœ† š'¡:f˜ ). ” Und Abschalom stahl das Herz der Männer Israels (+  — :š g’ –' 'f† — ’1™ x+¡= — ˜ -L+v fš ’ ™ { —^ ™ ’' ™#).

Die Maßnahmen, die Abschalom ergreift, sollen ihre Wirkung allesamt beim Volk entfalten. Zunächst rüstet sich Abschalom mit Statussymbolen aus, die seinen Anspruch auf die Königsherrschaft verdeutlichen (V 1).59 Diese Maßnahmen – das zeigt auch ihre knappe Schilderung – sind nur Mittel zum Zweck.60 Abschalom will die Menschen erreichen, die in einem Rechtsstreit den König anrufen wollen. Zu denken ist dabei nicht an jeden beliebigen Rechtsstreit, sondern an besondere, dem König vorbehaltene Fälle (vgl. 2 Chr 19,11).61 Abschaloms Aktion zielt auf ganz Israel, und zwar nur auf Israel. Die Menschen, die Abschalom ansprechen, bezeichnen sich ihm gegenüber als „dein Knecht“ (V 2), eine Selbstbezeichnung, die auch gegenüber dem König verwendet wird. Das kann als Indiz für den Erfolg von Abschaloms erhabenem Auftritt mit Wagen, Pferden und Soldaten gewertet werden. In V 3 wird geschildert, wie Abschalom um die Gunst der Menschen buhlt („Sieh, deine Sache ist gut und recht“)62 und ihnen zugleich mitteilt, dass sie beim König niemand hören würde.63 Abschalom möchte selbst König werden (V 4), anders lässt sich seine Bitte „würde man mich doch einsetzen als Richter im Land“ nicht verstehen.64 V 6 berichtet vom Erfolg der Aktionen Abschaloms. Der dabei gewählte Ausdruck „so stahl Abschalom das Herz der Männer Israels“ macht erneut deutlich, dass Abschalom genau dieser

59 Vgl. Anderson, 2 Samuel, 194. 60 An dieser Stelle sei auf Adonija verwiesen, von dem es in 1 Kön 1,5 heißt: Andonija, der Sohn der Haggit, war überheblich (j† — ™1=’ /) – und sagte: Ich werde König sein (T rY/’ ˜ '„1– ). ” Und er machte sich Kriegswagen und Reiter und 50 Mann, die vor ihm herliefen. 61 Vgl. Anderson, 2 Samuel, 194. 62 In diesem Sinne ist auch der nicht eigens ausgelegte V 5 zu verstehen. Auch dort geht es bei Abschaloms Geste darum, die Gunst der Menschen zu gewinnen. 63 Mitunter wird der Erfolg Abschaloms mit einem Versagen Davids hinsichtlich seiner richterlichen Funktion begründet (so etwa Whitelam, King, 137–138; vgl. ferner Anderson, 2 Samuel, 195). Eine Sympathie der Erzählstimme mit Abschalom lässt sich im Text aber nicht nachweisen. Vielmehr wird die eigensinnige Absicht Abschaloms dadurch betont, dass er nicht nur durch Rechtssprechung, sondern schon zuvor durch Pferde und Leibwache einen Eindruck von Stärke beim Volk hinterlassen möchte (2 Sam 15,1). Letztlich ist die Frage, ob Abschalom hier einen „wunden Punkt“ trifft und ein wirklich nötiges Angebot schafft oder ob er lediglich zum eigenen Vorteil falsche Vorwürfe gegen den Hof seines Vaters erhebt, erst mit Blick auf die folgenden Verse zu klären. 64 Hier drückt Abschalom verbal aus, was er mit Pferden, Wagen und Männern symbolisch klarstellen wollte. Auch A. A. Anderson meint, Abschalom präsentiere sich selbst „as the ideal judge or ruler“ (Anderson, 2 Samuel, 195). Der „Richtende“ ist auch ein „Regierender“, das Richten kommt in dieser exponierten Form dem König zu (vgl. Liedke, &6f, 1006–1007; vgl. ferner Kittel, Könige, 28; vgl. auch die Auslegung von V 9 ab S. 89).

C 1 Der König

163

Intention folgt: Er will Israel auf seine Seite ziehen, weg von König David.65 Darum profiliert er sich als Richtender in Rechtsfragen.66 Ob es am Königshof wirklich kein offenes Ohr für die Rechtsstreitigkeiten in Israels gab, wird nicht berichtet. Vieles spricht dafür, dass diese Behauptung Abschaloms Ambitionen auf die Königsherrschaft untermauern soll, gemeinsam mit seinem majestätischen Auftreten (V 1), und seinem Werben um die Gunst der Menschen, denen er begegnet (VV 3.5). Abschaloms Aktionen haben einigen Erfolg. Mit zuverlässigem Richten / Regieren (und – in diesem Fall – zusammen mit dem entsprechenden Auftreten), das hat Abschalom verstanden, verschafft man sich die Zustimmung des Volkes.67 Abschalom kann sich auf diese Weise als eine Art Gegenkönig etablieren. Im weiteren Erzählverlauf des zweiten Samuelbuches ist jedoch klar, dass diese Art der selbstergriffenen Herrschaft keinen Bestand haben kann. Abschalom verlässt sich im Folgenden auch noch auf den schlechten Rat Ahitofels (2 Sam 17). David hingegen setzt seine Hoffnung auf JHWH und legt sein Schicksal in dessen Hände (2 Sam 15,25–26). Vor dem Hintergrund von 2 Sam 15,1–13 wird nicht nur Salomos Bitte, das Gottesvolk richten / regieren zu können (3,9) und sein Wissen um die notwendige Zustimmung Gottes für eine gelingende Herrschaft deutlich. Auch die Zustimmung des Volkes in 3,28, die sich aus dem gerechten Urteil ergibt, ist mit der Gewinnung der Herzen der Israeliten durch Abschalom (2 Sam 15,6.13) vergleichbar. Beide resultieren unmittelbar aus der richterlichen Tätigkeit Salomos bzw. Abschaloms (im Falle Abschaloms wenigstens der angebotenen Tätigkeit). Während es in 2 Sam 15 die Herzen der Menschen in Israel sind, die sich dem Richtenden / Regierenden zuneigen, ist es in 1 Kön 3 des Königs Herz, das sich Gott zuneigt, um zu hören, genauer: um jenen „Mischpat“ zu hören œ † f’ +– , 1 Kön 3,11), der im Anschluss dem Volk zugewendet werden (&a  š f’ /– µ™ / kann und von diesem entsprechend erkannt wird (1 Kön 3,28). Was Keith Whitelam mit Blick auf 2 Sam 15,1–6 sagt, ließe sich auch für 1 Kön 3 formulieren: „The main significance of this episode is that it demonstrates the potency of the image of the Just King as a practical means of securing the throne.”68

Salomo wird als richtender / regierender König vorgestellt, der seinem Volk, repräsentiert durch die beiden Frauen und anerkannt von ganz Israel (V 28), Recht schafft. In dieser Funktion, im Recht Schaffen, steckt ein wesentlicher Schlüssel, um ein guter (und auch vom Volk anerkannter) König zu werden.69 Deutlich wird das in 1 Kön 3 durch die aufgezeigte Verknüpfung der „Erzählung von Opfer und 65 66 67 68 69

Vgl. Caquot / de Robert, Samuel, 527. Aus dem Kontext wird allerdings nicht klar, ob Abschalom auch entsprechend tätig wird. Vgl. Caquot / de Robert, Samuel, 526. Whitelam, King, 137. Christa Schäfer-Lichtenberger, die den Aspekt des Recht Schaffens nicht beleuchtet, übersieht nicht zuletzt deswegen die paradigmatische Dimension des Königs von 1 Kön 3 (vgl. die Darstellung der Thesen Schäfer-Lichtenbergers im Abschnitt „C 1.3 Der König und sein Vater“ ab S. 158).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Traum“ (3,4–15) mit der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ (VV 16–28) über eben dieses Motiv des Recht Schaffens. Nach dem gerechten Urteil fürchtet das Volk seinen König. Das Königskonzept von 1 Kön 3 sieht einen König dann als guten und legitimen König an, wenn er dem Volk Recht spricht (und das vom Volk anerkannt wird). Vor dem Hintergrund von 2 Sam 15,1–13 werden aber auch nennenswerte Unterschiede zu 1 Kön 3 deutlich. Abschalom verführt das Volk für sein nicht legitimes Ansinnen (2 Sam 15,6.11). In 1 Kön 3 wissen sowohl Salomo (3,9) als auch Israel (3,28) von der JHWH-Gebundenheit der königlichen Fähigkeiten. Salomo tritt nach dem Tod seines Vaters legitimerweise in dessen Fußstapfen. In 1 Kön 3 wird das Wachsen eines rechtmäßigen Königseins beschrieben, während Abschalom versucht, gegen seinen Vater David die eigene Königsherrschaft zu profilieren. Abschalom muss die Menschen, die eigentlich zu seinem Vater wollen, am Wegesrand abfangen (2 Sam 15,2). Zu Salomo hingegen kommen die beiden Frauen von sich aus und ohne Behinderung (1 Kön 3,16). Ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung der Königtums-Konzeptionen, wie sie an Abschalom und Salomo durchgespielt werden, bietet der für die alttestamentliche Theologie bedeutsame Text 1 Sam 8, in dem sich die Ältesten Israels mit der Bitte um einen König an Samuel wenden. Dieser König, so ihre Vorstellung, solle Israel richten / regieren (K1&x — 6’ fš +’ T+˜ /} ˜ , 1 Sam 8,5). Beide, Abschalom und Salomo, versuchen, dieser Vorstellung der Ältesten Israels gerecht zu werden.70 Salomos Bitte an Gott in der Traumoffenbarung verbleibt in diesem Horizont. Die weiteren Gaben (Reichtum, Ehre, und – unter Vorbehalt – langes Leben, VV 13–14) werden ihm zusätzlich zugesprochen. Er hatte ausdrücklich nicht darum gebeten (vgl. 1 Kön 3,11). Abschalom tritt, schon bevor er sein Anliegen des Recht Schaffens für Israel deutlich macht, mit Wagen, Pferden und Männern als Begleitung auf. Die ersten Warnungen, die Samuel den Ältesten Israels nennt, um sie von der Bitte um einen König abzubringen, betreffen genau dieses Verhalten eines möglichen Königs (1 Sam 8,10–11).71 Die Lektüre von 1 Kön 3 vor dem Hintergrund von 2 Sam 15,1–13 schärft das Profil des Königskonzeptes in 1 Kön 3. Sichtbar wird ein König, dessen Legitimation in wesentlichen Teilen vom Volk ausgeht.72 Analysiert man beide

70 1 Sam 8,5: Und sie [alle Ältesten Israels] sagten zu ihm [Samuel]: Siehe! Du, altgeworden bist du, und deine Söhne gehen nicht auf deinen Wegen. Jetzt setze für uns einen König ein, um uns zu richten / regieren, wie bei allen Völkern (- 'LE – !¡+ ™ )š V). ’ 71 1 Sam 8,10–11: 10Und Samuel sagte alle Worte JHWHs zu dem Volk, welches einen König von ihm forderte (T+˜ /  ˜ Lkx – /— -'+† – œ” i!). ™ 11Und er sprach: Dies wird das Recht des Königs (T+˜ ]˜v !™ &a„ ™ f’ /– ) sein, der über euch königlich regieren soll (T xY/–'): ’ Eure Söhne wird er nehmen und für sich stellen zu seinem Streitwagen und seinen Reitern. Und sie werden laufen vor seinem Streitwagen. Ob der Text in 1 Sam 8 nun „königsfreundlich“ oder „königsfeindlich“ ist, kann nicht abschließend geklärt werden und ist in der Literatur umstritten (vgl. Fokkelman, Vow, 322). 72 „Die Hauptforderung an den König beinhaltet, daß er &6f/ und 98 / !98, Recht und Gerechtigkeit, verwirklicht (z. B. nach II Sam 8,15; I Reg 10,9; Jer 22,3.15). Typisiert dargestellt wird dies an Salomo als weisem, gerechtem König in I Reg 3.“ (Baumann, Weisheitsgestalt, 95–96.).

C 1 Der König

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Texte auf einer Ebene nach den Maßstäben von 1 Sam 8, erscheint die Schilderung Salomos positiver als die Abschaloms. Das ist (auch) ein Indiz dafür, dass man mit dem Eintragen ironischer Kritik in 1 Kön 3 (die sich auch an der Furcht des Volkes in 3,28 festmachen soll)73 vorsichtig sein sollte. Im Übrigen kann darauf hingewiesen werden, dass bis zur Apostasie Salomos in 1 Kön 11, wo die fremden Frauen sein altes Herz zu fremden Göttern ziehen (11,4), nirgends explizit von einem Widerspruch des Volkes gegen den König berichtet wird.74

C 1.5 Ein König und viele andere Salomo steht als König über ganz Israel (1 Kön 3,28) in Beziehung zu den vielen Königen seiner Umwelt. Direkt zu Beginn wird berichtet, dass er sich mit dem mächtigen König Ägyptens verschwägert (3,1). Während sein weises und verständiges Herz ihm eine Alleinstellung unter allen Menschen seiner Zeit verleiht (3,12), übertrifft er alle Könige seiner Zeit sowohl an Reichtum als auch an Ehre š ™E :f˜ œ4x ¡- ™E, 3,13). Von Salomo werden in 1 Kön 3 Tätigkeiten berichtet, (Lr V¡die schlichtweg in den Aufgabenbereich eines altorientalischen Königs gehören. Dazu gehören zweifelsfrei die gleich in 3,1 erwähnten umfangreichen Bautätigkeiten an der Hauptstadt und am dortigen zentralen Heiligtum – Maßnahmen, die nicht zuletzt der Stabilität der eigenen Herrschaft und der eigenen Dynastie dienen sollen.75 Für das Verständnis des Alten Testaments ist die Frage nach der Stellung des Königtums in Israel im Verhältnis zu den Königen in der Umwelt Israels sehr wichtig. Für diesen Zusammenhang muss nur auf den bereits mehrfach erwähnten Text 1 Sam 8 hingewiesen werden (bes. VV 5.19). Dort führt nicht zuletzt die nötige materielle Ausstattung des (möglichen) Königs und seines Hofes (zulasten Israels) zu den Warnungen Samuels vor einem König („Recht des Königs“76, 1 Sam 8,11–18). Auch im deuteronomischen Königsgesetz (Dtn 17,14–20) findet sich eine Reihe konkreter Anweisungen, die den Besitz des Königs beschränken möchten: Er soll nicht zu viele Pferde haben (Dtn 17,16) und nicht zu viel Silber und Gold besitzen (Dtn 17,17). Salomo bittet in 1 Kön 3 nicht um solcherlei Besitz. Umso mehr verwundert es vor dem Hintergrund von Dtn 17,14–20 und

73 Vgl. Brueggemann, Solomon, 115–116; 139. 74 Vgl. Lasine, King, 88. 75 Zum König als Bauherrn vgl. Ahlström, Royal Administration, 1–6. Zur Bedeutung des Tempelbaus ist auch die religiöse Funktion des altorientalischen Königs zu bedenken. Im Alten Orient stehen der menschliche König und der göttliche König (gemeint ist der höchste Gott, „high God“, der entsprechenden Kultur, der im Kult als göttlicher König, „divine king“, für das jeweilige Reich eintritt; so Brueggemann, Solomon, 79) in einer engen Beziehung. Der göttliche König stellt die Ordnung gegen das Chaos her, der menschliche König die soziale Ordnung. In Ägypten wird diese Beziehung ontologisch aufgeladen (der Pharao ist der Sohn des Gottes), in Mesopotamien seltener (vgl. Brueggemann, Solomon, 79). 76 „T+˜ ]˜v !™ &a„ ™ f’ /“. – Shimon Bar-Efrat schlägt die treffende Übersetzung „Praxis des Königs“ vor (Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel, 147).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

1 Sam 8,10–18, dass er von Gott übermäßigen Reichtum und Ehre als Zugabe erhält, als ob Gott nicht um die Gefährdung wüsste, die solcher Reichtum für den König bedeutet. Reichtum weckt Begehrlichkeiten, die die Aufmerksamkeit weg von Gott und seinen Geboten und Satzungen lenken. Diese Gebote und Satzungen können aber allein gewährleisten, dass der König sich nicht über sein Volk erhebt (vgl. Dtn 17,17–20).77 Zugleich, das hat die Auseinandersetzung mit Abschalom und seinem Plan in 2 Sam 15,1–13 gezeigt,78 kann ein „königliches“ Auftreten dem Regenten Achtung beim Volk verschaffen und sein Regieren erleichtern. Ist der Regent guten Willens, muss das keinen Schaden für das Volk herbeiführen.

C 2 Die Weisheit C 2.1 Weise sein: Gut und Böse unterscheiden Die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse ist, neben der Regierungsfähigkeit, eine Kompetenz, die sich Salomo von einem hörenden Herzen verspricht (1 Kön 3,9). In der Textanalyse sind bereits Vorschläge gemacht „ C  — 0'x – !š +’ ) im worden, wie die Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ (3:r š +’ L&¡0' Rahmen der Traumoffenbarung (1 Kön 3,4–15) und im Rahmen des gesamten Kapitels 1 Kön 3 verstanden werden kann.79 Mit Blick auf ein Verstehen der Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ im Horizont der gesamten Hebräischen Bibel wird verschiedentlich auf das urgeschichtliche Motiv des Erkennens von Gut und Böse verwiesen. Für Lyle Eslinger fragt Salomo hier nach dem Wissen, das den Menschen wie Gott mache und die ersten Menschen das Leben im Garten Eden gekostet hätte.80 Christina Duncker meint, die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse fände sich bereits in Gen 3 und sei ursprünglich JHWH vorbehalten gewesen.81 Konrad Schmid geht den umgekehrten Weg, indem er zur Erklärung der Erkenntnis von Gut und Böse in Gen 2–3 auf 1 Kön 3,9.12 verweist.82 Christa SchäferLichtenberger hat die Legitimität dieser Verknüpfung bezweifelt, da es in Gen 2,17 und 3,5 um ein Wissen um Gut und Böse, nicht aber um ein Unterscheiden 77 Zur Gefährdung Salomos durch diese Gaben vgl. den Aufsatz „The King of Desire“ von Stuart Lasine (Lasine, King), der verschiedene Verstehensmöglichkeiten diskutiert und letztlich eine Offenheit des biblischen Textes in dieser Frage feststellt, die auch den göttlichen Geber dieser Gaben nicht von seiner Verantwortung entlastet (vgl. Lasine, King, 113). 78 Vgl. Punkt „C 1.4 Der König und das Volk“ ab S. 161. 79 Vgl. die Abschnitte „B 3.2 Opfer und Traum 3,4–15“ ab S. 77 und „B 3.3 Das hörende Herz auf dem Prüfstand 3,16–4,1“ ab S. 108. 80 So Eslinger, Hands, 135. Vgl. auch den Hinweis bei Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 173 Anm. 268. 81 So Duncker, Salomo, 198. 82 Vgl. Schmid, Unteilbarkeit, 28; vgl. auch Anm. 94 auf S. 169 der vorliegenden Arbeit.

C 2 Die Weisheit

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dieser beiden Größen gehe.83 Diese Verknüpfung von 1 Kön 3 mit Gen 2–3 über die Wendung „Gut und Böse“ liegt insofern nahe, als dass diese Wendung ihre (kanonisch) erste und rezeptionsgeschichtlich wohl bedeutendste Verwendung eben in Gen 2–3 findet. Inwiefern kann der Blick in das Buch Genesis helfen, um die Bedeutung der Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ in 1 Kön 3,9 zu klären? Zur Beantwortung dieser Frage müssen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gebrauch der Wendung „Gut und Böse“ zwischen beiden Texten dargestellt werden. Zunächst, in Gen 2,17,84 wird dem Menschen in einer Gottesrede geboten, nicht vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ zu essen, weil der Mensch sonst sterben müsse: Aber vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (3:v š š# L&„ ={ 4™ G{ ™ !™ 74— y /K) — sollst du nicht essen, denn an dem Tag, an dem du davon isst, wirst du sicher sterben (=K/  kš =L/). †

In Gen 3,1–7 wird im Gespräch zwischen der Schlange und der Frau erneut auf jenen Baum Bezug genommen, ohne allerdings die aus Gen 2,17 bekannte Bezeichnung für den Baum zu wiederholen. Die Schlange gibt Gottes Verbot zunächst falsch wieder, indem sie die Frau fragt, ob Gott wirklich das Essen von allen Bäumen im Garten untersagt habe (3,1). Die Frau verneint, und präzisiert: Es gehe um den Baum in der Mitte des Gartens, lediglich von ihm dürfe nicht gegessen werden, um nicht sterben zu müssen (3,3). Auf diese Darstellung der Frau, die das göttliche Verbot aus 2,17 annähernd wiedergibt, ohne die Bezeichnung für den Baum aus 2,17 zu wiederholen, antwortet die Schlange: 4Da

sprach die Schlange zur Frau: Auf keinen Fall werdet ihr sterben (0K=  /ž k’ =L/¡ x œ +),   5denn Gott weiß (µ™ œ„ — '), dass euch an dem Tag, an dem ihr von ihr [d.h. von der Frucht, ergänzt nach V 3, MN] esst, die Augen aufgehen werden und dass ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gut und Böse (3:  š š# L&† '4x — œ’ '). 6Da sah die Frau, dass der Baum gut ist als Speise85 (+)š~ ” /™ +’ 74— { !š ŠL&), und dass er eine Lust für die Augen war und dass der Baum begehrenswert war, um einsichtig zu machen ( 7{ 4— !š /… š %’ ˜1 ’# +'V–v g’ !™ +). ’ Und sie nahm von seiner Frucht und aß. Und sie gab auch ihrem Mann, der mit ihr war. Und er aß. 7Da öffneten sich beiden ihre Augen. Und sie erkannten, dass sie nackt waren. Und sie nähten Feigenblätter zusammen. Und sie machten sich Schurze.

Was bedeutet dieser Text für das Verständnis der Bitte Salomos aus 1 Kön 3? Will Salomo sein wie Gott? Strebt er nach einer „verbotenen Frucht“? Einerseits könnte erneut auf den Lösungsansatz von Christa SchäferLichtenberger verwiesen werden, dass ein mit einer von der Verbalwurzel 3' abgeleiteten Form ausgedrücktes Erkennen (so Gen 2,17; 3,5) bzw. ein mit einer 83 So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 173, Anm. 268. Christa Schäfer-Lichtenberger argumentiert nicht nur mit Gen 3,5, sondern auch mit Gen 2,17a, wo die Wendung „Gut und Böse“ erstmalig Verwendung findet, als der entsprechende Baum eingeführt wird, von dem der Mensch nicht essen darf (K^]r ˜ /– +x) ™ œ = œ +† 3:v š š# L&„ ={ 4™ G{ ™ !™ 74— y /K — ); vgl. auch die folgende Anm. 84 Der „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ wird schon vorab in Gen 2,9 eingeführt, allerdings ohne eine Erklärung für den Menschen und auch ohne ein entsprechendes Essverbot. Nur die Leserin, der Leser erfährt bereits in Gen 2,9 von diesem Baum. 85 Zu dieser Überseztung vgl. Stoebe, #&, 653.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Form von 0' ausgedrücktes Unterscheiden von Gut und Böse nicht einfach gleichbedeutend sind.86 Christa Schäfer-Lichtenberger möchte das Unterscheiden zwischen Gut und Böse aus 1 Kön 3,9 mit Verweis auf die beiden weiteren † C  — ) und 2 Sam 19,36 Belegstellen exakt dieses Ausdrucks Lev 27,33 (3:x ™ +š L&¡0' „ C— ) im Sinne einer „besonderen Unterscheidungsfähigkeit“ (3:y š +’ L&¡0' verstehen.87 Was den genauen Wortlaut betrifft, ist diese Skepsis in der Verknüpfung von 1 Kön 3,9 mit dem urgeschichtlichen Motiv des Erkennens von Gut und Böse sicher angebracht. Kann – unter Würdigung dieser aufgezeigten Differenz – dennoch sinnvoll davon gesprochen werden, dass ein Blick in die Urgeschichte hilft, das Bild des weisen Salomo aus 1 Kön 3 zu schärfen? Zunächst sei dazu nochmals auf die beiden von Christa Schäfer-Lichtenberger angeführten Stellen Lev 27,33 und 2 Sam 19,36 eingegangen. Der Vergleich mit Lev 27,33 vermag dabei zur Erklärung von 1 Kön 3,9 kaum überzeugen, weil „Gut und Böse“ dort keine globalen Gegensätze kennzeichnen, sondern sich konkret auf gute und schlechte Tiere beziehen. Was 2 Sam 19,36 betrifft, ist dabei keinesfalls auf eine „besondere Unterscheidungsfähigkeit“ abgezielt. Vielmehr stellt der greise Barsillai die (nicht näher konkretisierte) Fähigkeit zum Erkennen (!) der Differenz zwischen Gut und Böse ganz allgemein für Menschen seines Alters in Frage.88 Dabei steht zwar, wie in 1 Kön 3,9 und anders als in Gen 3,5, das Wort 0' unmittelbar vor „Gut und Böse“. Zuvor allerdings verwendet Barsillai eine Form von 3' (3„ ™ — !™ ), der gleichen Wurzel, die in Gen 3,5 das Erkennen von Gut und Böse anzeigt. Der Verweis auf Lev 27,33 und 2 Sam 19,36 ist daher m. E. ungeeignet, um gegen eine mögliche Verknüpfung von 1 Kön 3,9 mit dem urgeschichtlichen Motiv des Erkennens von Gut und Böse zu argumentieren. Hinzu kommt, dass der in 1 Kön 3,9 betonte Aspekt der Unterscheidung, der durch die verwendete Verbform 0'x – !š +’ und das der Wendung „Gut und Böse“ vorangestellte 0'C  — hervortritt, auch dem „Erkennen“ aus Gen 2,17 und 3,5 nicht fremd ist. Auch mit Formen der Wurzel 3' kann ein Unterscheidungsvermögen ausgedrückt sein.89 Wenn es nun legitim erscheint, in Salomos Bitte aus 1 Kön 3,9 Anklänge an das urgeschichtliche Motiv der Erkenntnis von Gut und Böse zu hören, welche Bedeutung haben diese Bezüge für die Auslegung von 1 Kön 3,9? Erbittet sich Salomo eine ursprünglich JHWH vorbehaltene Eigenschaft? Bei der Beantwortung dieser Frage werden auf den ersten Blick deutliche Unterschiede im Erzählkontext von Gen 3,5 bzw. 1 Kön 3,9 deutlich. Negative Assoziationen im Sinne einer anmaßenden Bitte Salomos werden in 1 Kön 3 durch den Erzählstimmenkommentar V 10 ausgeschlossen. Während Salomos Bitte gottgefällig ist, führt das Befolgen des Ratschlages der Schlange zu einer Modifizierung der 86 Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 273 Anm. 268. 87 So ebd. 88 Vgl. Caquot / de Robert, Samuel, 561; mit explizitem Verweis auf Gen 2,9. Ob mit dem Ausdruck unbedingt gemeint sein muss, dass Barsillai „senil“ wird (so Schroer, Samuelbücher, 138), darf bezweifelt werden. 89 Vgl. Botterweck, 3', 495.

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Lebensumstände des Menschen durch Gott (Gen 3,15–19). Auf den zweiten Blick erschließt sich der Leserin, dem Leser aber auch, wie wenig klar und eindeutig das Erkennen von Gut und Böse schon in Gen 2–3 zu bewerten ist. Schon in der Urgeschichte ist diese Fähigkeit nicht einfach negativ besetzt, sondern gehört schlicht zum Menschsein dazu. Was als „Fall des Menschen“ bekannt ist (Gen 2– 3), entzieht sich bei genauerer Betrachtung einer allzu eindeutigen Bewertung.90 Wer Gut und Böse unterscheiden kann, legt seine Naivität ab. Zugleich ist dieser Unterscheidungsfähigkeit auch eine Verpflichtung mitgegeben: Wer Gut und Böse unterscheiden kann, der muss es auch tun.91 Geht es hier um eine Form von „Weisheit“? Zunächst muss festgestellt werden, dass in Gen 2–3 das einschlägige Vokabular, wie es etwa in Spr 1,1–7 zusammengestellt ist, fehlt.92 Dennoch wird, gerade in der neueren Forschungsdiskussion, betont, wie sehr sich die Paradieserzählung (Gen 2,4–3,24) mit ihrer Thematisierung der Erkenntnis von Gut und Böse als Text verstehen lässt, in welchem die Frage nach der Weisheit anklingt.93 Hier wird die unterscheidende Erkenntnisfähigkeit des Menschen insgesamt verhandelt. Der Schöpfergott und sein privilegiertes Geschöpf Mensch müssen ihr Verhältnis erst noch endgültig bestimmen und ihre Kompetenzen festlegen. Ist der Mensch, um es prägnant zu sagen, einfältig aber glücklich oder nimmt er die Herausforderung der Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse an, wohl wissend um die Ambivalenz, die mit diesem Thema verbunden ist? Die Leserin, der Leser der Urgeschichte wird in dieses Dilemma des ersten Menschenpaares jedenfalls mit hineingenommen: „Der sogenannte Fall, der selbst ambivalent gezeichnet ist, führt nicht vom Positiven zum Negativen, sondern von der einen Ambivalenz in die andere, wobei ich mehr Sympathien des Erzählers bei der zweiten Ambivalenz zu entdecken glaube.“94

Das Motiv der „Erkenntnis von Gut und Böse“, die die Schlange verheißt, wird im Erzählverlauf der Genesis also äußerst spannungsgeladen eingeführt. Es ist dabei keineswegs so, dass erst das Essen der Frucht zu einer Veränderung beim Menschen führt. Bereits die verführende Rede der Schlange, die ein „Wie-GottSein“ des Menschen hinsichtlich des Wissens um Gut und Böse in Aussicht stellt –v V  — -{ =' ˜ –'!’ –#, Gen 3,5), verändert den Blick der Frau. Die Frau (3:  š š# L&† '4x — œ’ ' -'!Y sieht (!išƒ – !  š :˜ k„ — ™#) daraufhin, dass der Baum (bzw. seine Frucht) „gut“ wäre, um 90 91 92 93

Vgl. Schmid, Unteilbarkeit, 35; vgl. auch den Hinweis bei Müllner, Herz, 17. Vgl. Müllner, Herz, 17. S. u. in diesem Abschnitt. Dort wird auf den Prolog des Sprüchebuches eingegangen. Konrad Schmid stellt die weisheitliche Dimension von Gen 2–3 beispielhaft dar (vgl. Schmid, Unteilbarkeit, 21–22); vgl. ferner Schmitz, Grenzziehungen, 22. 94 Schmid, Unteilbarkeit, 35; vgl. den Hinweis bei Müllner, Herz, 17. Barbara Schmitz weist auf, dass Gott selbst es war, der durch die Formulierung des Essverbots erst die Möglichkeit zu dessen Übertretung und die Möglichkeit des Erkennens von Gut und Böse geschaffen habe (vgl. Schmitz, Grenzziehungen, 29). Konrad Schmid formuliert: „Gemeint ist mit der Erkenntnis von Gut und Böse die Unterscheidung zwischen lebensförderlich und lebensabträglich, die, wie Dtn 1,39f. und Jes 7,15f. zeigen, ein besonderes Kennzeichen erwachsenen, und zwar jeden erwachsenen menschlichen Lebens ist. Dieses Unterscheiden geschieht nach 1 Kön 3,9.12 mit dem ,weisen und verständigen Herzen‘, so daß man auch von praktizierter Weisheit reden könnte.“ (Schmid, Paradieserzählung, 96).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

davon zu essen (+)š~ ” /™ +’ 74— { !š ŠL& 'V„ – , Gen 3,6).95 Die Schlange zeigt die Möglichkeit auf, Gut und Böse zu unterscheiden. Schon das Aufzeigen dieser Möglichkeit entfaltet eine Wirkung, die Frau möchte „einsichtig“ (+'V–v g’ !™ +’ ) werden (Gen 3,6).96 Das Essen von der verbotenen Frucht führt Frau und Mann freilich noch deutlicher zu einer Bewusstseinserweiterung. Ihnen gehen die Augen auf, sie „erkennen“ tatsächlich – aber nicht unbedingt die Differenz zwischen Gut und Böse, sondern (zunächst) ihre Nacktheit (-!r — -]x – :'ž 4  — 'V† – K3v ے „ Q— ™#). Schlussendlich wird dann durch die Gottesrede in Gen 3,22 doch noch deutlich, dass der Mensch die von der Schlange verheißene Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse und damit – in dieser Hinsicht – auch eine Gleichstellung mit Gott erhält: „Gen 2f. erzählt nicht von einem wahnhaften, hybriden Sein-wollen-wie-Gott des Menschen, sondern vom Gewordensein-wie-Gott, das der Mensch in Bezug auf die Erkenntnis von Gut und Böse tatsächlich erreicht.“97

Der Zugang zur Weisheit, der den Menschen an dieser Stelle gelegt wird, ist nicht als abhängig oder als sekundär zu verstehen. Konrad Schmid formuliert dazu, wieder mit Blick auf Gen 3,22: „Die Weisheit ist ein unteilbares Gut, es gibt nicht eine vollkommene göttliche Weisheit und eine menschliche Dekadenzform dazu.“98

Vor dieser urgeschichtlichen Hintergrundmelodie gehört, ergeben sich Konsequenzen für das Verständnis von 1 Kön 3.99 Wird auch Salomo eine verbotene Frucht gereicht? In der Textanalyse wurde für eine Lesart der Traumoffenbarung als Rätsel für Salomo geworben. Lässt sich diese Lesart verschärfen? Handelt es sich nicht nur um eine versteckte Prüfung, sondern gar um eine Versuchung Salomos durch den göttlichen Fragesteller? Wieso erbittet Salomo eine Gabe (Unterscheidung von Gut und Böse), die jener, die die Schlange der Frau (wenngleich anders formuliert) in Aussicht stellt, vergleichbar ist? In der Urgeschichte ist das Verhältnis von Gott und Mensch noch nicht weit entwickelt. Diese Unterscheidungsfähigkeit ist im Garten Eden von anderer 95 Vgl. Soggin, Genesis, 83. Gegen Barbara Schmitz, die dieses „Sehen“ noch für rein sinnesgebunden hält, ohne dass damit schon ein Erkenntnisakt angezeigt wäre (vgl. Schmitz, Grenzziehungen, 22). 96 Zur Wirkung der Schlangenrede vgl. auch Jacob, Genesis, 106. 97 Schmid, Unteilbarkeit, 29. 98 Schmid, Unteilbarkeit, 30. 99 Neben den konkreten, motivischen Bezügen dürften die Anklänge eine weitergehende Bedeutung haben. 1 Kön 3,9 partizipiert durch die Anklänge an Gen 2–3 auch an der allgemein-menschlichen, eben urgeschichtlichen Dimension der Paradieserzählung. David Jobling formuliert: “I concluded my treatment of Genesis 2–3 by suggesting that the text ,works as a means of sorting out experience and dream, living with both, but opting for experience‘ […]. Golden Age mythology can be thought of as cultural dream-work, with ,wish-fulfilment‘ […]. In one of the most popular classical versions, […] the virgin Justice, who ruled over the Golden Age but has since withdrawn, ,still at night … appears to men‘ […]. Solomon’s Golden Age begins with an appearance to the king in a dream by night (3:5–14). The account of his reign is, I suggest, someone’s (not untroubled) dream of national glory.” (Jobling, Labor, 59).

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Bedeutung als in den Erzählungen über Israels erste Könige (vgl. 2 Sam 19,36; 1 Kön 3,9). Der Mensch im Garten kann Gut und Böse nicht erkennen, braucht es aber auch nicht, weil das Böse keine Realität, sondern nur eine (durch den Baum der Erkenntnis gekennzeichnete) Möglichkeit ist.100 Das Essen von der Frucht eröffnet die Möglichkeit und zugleich die Notwendigkeit der Unterscheidung von Gut und Böse. „Wenn die Erzählung Salomo in 1 Kön 3,9 um ein hörendes Herz bitten lässt, das den Unterschied zwischen gut und böse versteht, dann weiß sie um die Gebrochenheit der menschlichen Existenz, um das Bedürfnis nach und der Fähigkeit zu klarer Unterscheidung und darum, dass es Menschen geben muss, die nach dieser Urteilsfähigkeit streben.“101

Insofern geht Salomo ein Wagnis ein, wenn er sich zu diesen Menschen zählt und um die Fähigkeit zur Unterscheidung bittet, impliziert diese Fähigkeit doch Verantwortung und die Pflicht zur Wahl. Andererseits wäre zu fragen, ob einem König, will er zum Regieren fähig sein, überhaupt etwas anderes übrig bliebe, als die Gabe der Unterscheidung zu wünschen.102 Ob das Unterfangen gelingt, hängt maßgeblich von Salomos Gottesbeziehung ab. Die Unterscheidungsfähigkeit ist nichts, was den Menschen von Gott unabhängig macht.103 Salomo erbittet sie, während er sich als Knecht Gottes bezeichnet (1 Kön 3,9); losgelöst von dieser Relation ist auch die (von Gott erbetene!) Unterscheidungsfähigkeit – zumindest bei Salomo – nicht zu denken.104 In diesem Punkt unterscheiden sich das Weisheitskonzept von 1 Kön 3 und jenes von Gen 2–3 fundamental. Während, wie oben dargestellt, in Gen 2–3 von der „Unteilbarkeit der Weisheit“105 ausgegangen werden kann, ist die menschliche Weisheit innerhalb 1 Kön 3 ohne ihren Gottesbezug überhaupt nicht zu denken. Gen 2–3 ist freilich nicht der einzige und auch nicht der naheliegendste Kontext zum Verständnis der Wendung „Gut und Böse“ in 1 Kön 3. Im (kanonisch) näheren Umfeld des Textes wird die Wendung ebenfalls prominent gebraucht: „Die Begrifflichkeit von ,Gut‘ und ,Böse‘ hat in der sog. Aufstiegsgeschichte106 etwas wie eine Leitwortfunktion.“107

100 Auch die „Sünde“ ist hier noch nicht gedacht, sondern ereignet sich erst beim Brudermord in Gen 4,6–7; vgl. dazu Schmid, Paradieserzählung, 98. 101 Müllner, Herz, 21. 102 Ilse Müllner sieht diese „ethische Urteilskraft“ mit bestimmten sozialen Rollen, etwa der des Herrschers, verbunden (so Müllner, Herz, 21); vgl. auch Davies, Solomon, 53; vgl. ferner Parker, Wisdom, 72. 103 Gegen Nahum Sarna, der in dieser angezielten Unabhängigkeit das Problematische an der Verheißung der Schlange sieht (vgl. Sarna, Genesis, 25). 104 Dieser Gedanke wird im Punkt „C 2.2 Weise sein: Gott fürchten“ ab S. 172 weiter ausgeführt. 105 Schmid, Unteilbarkeit, 21. 106 Gemeint ist 1 Sam 15–2 Sam 5 (vgl. Dietrich, Thronfolgegeschichte, 39). 107 Dietrich, Thronfolgegeschichte, 67. Walter Dietrich verweist auf 1 Sam 24,20; 25,26; 25,28; 2 Sam 12,11; 11,25; 11,27.

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Zieht man die Auffassung Walter Dietrichs hinzu, der statt der für ihn kaum nachweisbaren Größen „Aufstiegsgeschichte“ und „Thronfolgegeschichte“ lieber von einem „Erzählwerk über die frühe Königszeit“ sprechen möchte, zu der auch die „bearbeitete Salomogeschichte“ gehöre,108 wäre die Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ aus 1 Kön 3,9 sogar bevorzugt in diesem Kontext auszulegen. Dabei kann das Gespräch der Frau aus Tekoa mit David als Beispiel gelten, dass beide, von Joab arrangiert, führen. Die Frau aus Tekoa parallelisiert dabei die Fähigkeiten „Gut und Böse hören“ und „wissen, was im Land geschieht“ (2 Sam 14,17.20):109 17 Und deine Sklavin sagte: Das Wort meines Herrn, des Königs, wird doch ein Trost sein, denn wie der Gottesbote, so [ist, MN] mein Herr, der König, indem er Gut und Böse hört (3:v š !š ’# LP„ !™ µ{ ™ œ /{ f’ +) – […]. 20Um der Sache ein gewendetes Gesicht zu geben, hat dein Diener Joab diese Sache getan. Aber mein Herr ist weise wie die Weisheit des Gottesboten, um alles zu erkennen, was im Land [ist, MN] (7:˜   š Cš :f† ˜ ¡+ ” V¡= š   ˜ =4™ x ™ +). š

„Gut und Böse hören“ wird damit in den Worten der Frau zu einer Schlüsselqualifikation für den König, der sein Land kennen und regieren muss.

C 2.2 Weise sein: Gott fürchten Wie bei der voranstehenden Entfaltung der Wendung „Gut und Böse unterscheiden“ deutlich geworden ist, sind die weisheitlichen Motive, mit denen die Figur Salomo in 1 Kön 3 verbunden ist, untrennbar mit der Gottesbeziehung dieser Figur verbunden. So kann Pekka Särkiö feststellen: „Das Besondere an Salomos Weisheit ist, dass sie von Gott stammt.“110 Damit ist freilich kein Proprium des Salomo aus 1 Kön 3 formuliert. Die Verbindung zwischen der Weisheit eines Menschen und seiner Beziehung zu Gott ist nicht allein für König Salomo entscheidend. Vielmehr gibt es eine Reihe alttestamentlicher Texte, in denen die Verbindung von Weisheit und Gottesbeziehung grundlegend ist. Während im voranstehenden Abschnitt für Gen 2–3 ein (außergewöhnliches) Konzept der „Unteilbarkeit der Weisheit“ ausgemacht wurde, steht 1 Kön 3 mit seiner Konzeption der Weisheit als Gottesgabe in enger Verwandtschaft mit dem Weisheitskonzept anderer alttestamentlicher Texte, die den Zusammenhang von Weisheit und Gottesbeziehung betonen. Konrad Schmid formuliert: „Mit ihrer Behauptung der Unteilbarkeit der Weisheit stellt sich die Paradieserzählung nun gegen den Hauptstrang klassischer Texte der jüngeren Weisheit von Hi 28 über Prov 8 bis hin zu Sir 1, die die Weisheit in zunehmender Weise auf Gott beschränken und von der menschlichen Weisheit absetzen. Sir 1 wird schließlich sogar sagen: Nur einer ist weise, Gott. Den Menschen ist nach diesen Texten die wahre, göttliche Weisheit nur noch mittelbar zugänglich, über die Furcht Jhwhs 108 So Dietrich, Thronfolgegeschichte, 50. 109 Vgl. Whitelam, King, 158; vgl. ferner Parker, Wisdom, 70. 110 Särkiö, Weisheit, 12. Kim Ian Parker stellt fest: „The dream narrative in I Kings 3 makes clear that Solomon’s wisdom is not the result of his diligent study, but a gift from God.“ (Parker, Wisdom, 72); vgl. ferner Zimmerli, Theologie, 92.

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(Hi 28,28; Prov 1,7; Sir 1,14), die Beachtung der Schöpfungsordnung (Prov 3; 8), später dann über die Tora (Sir 24,23; Bar 4,1f.), oder aber im Extremfall gar nicht mehr: Gemäß Hen 42 wohnt die Weisheit nur noch im Himmel und ist den Menschen gänzlich entzogen.“ 111

Lässt sich die Verbindung von Salomos Weisheit und seiner Gottesbeziehung vielleicht nicht nur beschreiben, sondern auch auf einen Begriff bringen? Auf einen Fachterminus, der der klassischen biblischen Weisheitsliteratur entnommen ist? Christa Schäfer-Lichtenberger sieht den König Salomo von 1 Kön 3 in einem Verwandlungsprozess begriffen, der auch seine Gottesbeziehung betrifft: „Die Verwandlung von einem Machtmenschen in einen aufgeklärten, gottesfürchtigen und friedliebenden Monarchen ist einer Intervention von höchster Stelle zu verdanken. Die Traumoffenbarung zu Gibeon markiert das entscheidende Ereignis in der ,Biographie‘ Salomos, und ist für seine Verwandlung verantwortlich. Die Leerstelle zwischen ,altem Salomo‘ und JHWHs Begegnung mit diesem ist mit einigen Informationen aufgefüllt worden, die den Übergang von dem einen zu dem anderen Salomo-Bild vorbereiten.“112

Die These einer Verwandlung Salomos durch göttliches Eingreifen kann auf der Basis einer Untersuchung von 1 Kön 3 allein nicht vertreten werden.113 Sie speist sich, das macht die Gegenüberstellung „Machtmensch“ und „friedliebender Monarch“ deutlich, aus einer übergreifenden Lektüre von 1 Kön 1–3. Für das Zueinander von Gottesbeziehung und Weisheit bei der Figur Salomo in 1 Kön 3 wichtiger ist die fast beiläufige Bezeichnung Salomos als „gottesfürchtig“, die Christa Schäfer-Lichtenberger trifft. Ist „Gottesfurcht“ ein Begriff, der das Verhältnis von Gottesbeziehung und Weisheit bei Salomo in 1 Kön 3 beschreiben könnte? Wenngleich in 1 Kön 3 der Begriff der „Gottes- / JHWH-Furcht (=:')“ nicht explizit Verwendung findet, so kann er doch der Sache nach im Text präsent sein. Das bedarf allerdings einer Erklärung. :' ist primär eine theologische Vokabel, „ca 4/5 der [Stellen… weisen einen, MN] theologischen Gebrauch auf“114. Die gebräuchliche deutsche Übersetzung „Furcht“ weckt in einigen Fällen allerdings falsche Assoziationen, ist das Wort im alltäglichen Sprachgebrauch doch eher 111 Schmid, Unteilbarkeit, 30. Ilse Müllner formuliert: „Die Verbindung von Weisheit und Gottesbeziehung ist für die Weisheit Israels konstitutiv. Mehrfach werden die beiden Größen in ein konstitutives Verhältnis gebracht […] In Ps 111,10; Spr 1,7 und Sir 1,14 wird die Gottesbeziehung der Weisheit sogar als ihr Anfang vorgeordnet. […] An allen […] genannten Belegstellen steht […] der Gottesname JHWH als Gottesbezeichnung. Nicht irgendeiner Gottheit verdankt sich die Weisheit Israels, sondern JHWH“ (Müllner, Herz, 28). Zur Einbettung der Weisheit von 1 Kön 3 in das Prinzip der Weisheit als Gottesgabe im Alten Testament vgl. Särkiö, Weisheit, 12 Anm. 4; dort mit Verweis auf Carr, D to Q, 53–55 und auf von Rad, Weisheit, 77.376.) 112 Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 262. 113 Im engeren Kontext von 1 Kön 3 ist eine solche Wandlung nicht beschreibbar. Salomos Stellung, die er in der Traumoffenbarung Gott gegenüber einnimmt und die in seiner Bitte kulminiert (VV 6–9), werden schon durch die von 1 Kön 3,3 erzählte JHWH-Liebe Salomos vorbereitet. Eine Verwandlung ist zwischen dem Salomo aus V 3 und dem aus der Traumoffenbarung nicht erkennbar. 114 Stähli, :', 769.

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negativ besetzt. :' ist ein theologischer Grundbegriff, der in seinem ursprünglichen Sinn eine sehr grundsätzliche Form der Gotteserfahrung beschreibt. Einen religionswissenschaftlich über lange Zeit und breit angelegt geführten Diskurs verkürzend lässt sich sagen, dass in dem Terminus „Gottesfurcht“ ein ursprünglicher Ausdruck für die menschliche Begegnung mit dem Göttlichen (mit Rudolf Otto gesprochen dem „Numinosen“) gegeben ist – und zwar in der gesamten Spannung zwischen „tremendum“ und „fascinosum“,115 und damit keinesfalls ausschließlich angstbesetzt. In der Zeit der Spätschriften des Alten Testaments, das lässt sich bei Jesus Sirach zeigen, scheint der Begriff „Gottesfurcht“116 zu einem terminus technicus für den frommen Israeliten geworden zu sein.117 Die Verbindung von Weisheit und Gottesfurcht ist bei Jesus Sirach noch enger als im Buch der Sprichwörter.118 Der „innere[…] religiöse Gehalt [… dieser, MN] Gottesfurcht“ ist die „Gottesliebe“ (ausgedrückt mit + !).119 Diese Gottesfurcht wird am Anfang des Sirachbuches, vor der „ausdrückliche[n, MN] Paränese über die Gottesfurcht“120, gewissermaßen in Form einer richtungsweisenden Überschrift, „mit Treue und Demut parallel gesetzt“121 (Sir 1,27–28): Weisheit nämlich und Erziehung ist Gottesfurcht (ÊÇÎĕ¸ ºÛÉ Á¸Ė ȸÀ»¼ĕ¸ ÎĠ¹ÇË ÁÍÉĕÇÍ), und Gefallen [hat] sie an Glaube und Sanftmut. Sei nicht ungehorsam gegen die Gottesfurcht, nähere dich ihr nicht mit gespaltenem Herzen (Á¸É»ĕß »ÀÊÊĉ).

Natürlich können an dieser Stelle, gerade von der methodischen Anlage der vorliegenden Untersuchung her, keine direkten Rückschlüsse aus dem Sirachbuch für die Interpretation von 1 Kön 3 gezogen werden. Die Dichte von Motiven, die bei Jesus Sirach mit der Gottesfurcht verbunden sind – Gottesliebe (bei Salomo JHWH-Liebe in 1 Kön 3,3), Demut und Treue (Demut hat Salomo in seiner Rede 115 Vgl. Fuhs, :', 876. Natürlich sind dabei religionswissenschaftliche Begriffe, die nicht am biblischen Text erarbeitet wurden, auf diesen übertragen worden. Die so erfolgte Bestimmung der Gottesfurcht als allgemein religiöses Phänomen dürfte bei Hans F. Fuhs aber der Sache nach zutreffend sein. 116 Dabei werden im Hebräischen Text von Ben Sira JHWH- und Elohimfurcht offenkundig als gleichbedeutend verstanden. Auch für die Furcht stehen Formen von :' und %6, ohne aber zwangsläufig synonym gebraucht zu werden (vgl. Haspecker, Gottesfurcht, 48–50.79, vgl. ferner Marböck, Jesus Sirach, 56). 117 Vgl. Haspecker, Gottesfurcht, 310. James L. Crenshaw schreibt zu dieser Entwicklung, die er wohl etwas früher ansetzt: „In some circles of the wise, the fear of the Lord functioned as the compass point from which they took moral readings. Originally this idea meant ‚religion‘, but in time it assumed a technical, restricted sense. Fear of the Lord thus stood at the beginning of all knowledge, and perhaps served as the crowning achievement in wisdom as well. In time tôrâ, that is, revelatory knowledge, became a legitimate subject for study, inasmuch as this sacred deposit contained all truth vouchsafed to Israel.“ (Crenshaw, Wisdom, 13). 118 So Marböck, Jesus Sirach, 59. 119 So Haspecker, Gottesfurcht, 310–311. Auf die Textprobleme im Sirachbuch, besonders zwischen der griechischen und der hebräischen Fassung, kann hier nicht eigens eingegangen werden, exemplarisch sei auf die Einführung in das Buch Jesus Sirach von Johannes Marböck (Zenger, Einleitung, 497–499) und die dort angegebene Literatur verwiesen. 120 Haspecker, Gottesfurcht, 313. 121 Ebd.

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in 3,6–9 nachgewiesen, die Treue in dieser Demut fordert Gott in 3,14 ein) – lassen ein Konzept von Gottesfurcht erkennen, das dem in 1 Kön 3 nicht unähnlich zu sein scheint. Weisheit ist auch bei Ben Sira eine Gabe Gottes, die der Mensch bestenfalls erstreben kann, was er allerdings auch tun sollte.122 Zur Klärung der Frage, ob ein Konzept von „Gottes- / JHWH-Furcht“ zur Beschreibung der Gottesbeziehung in 1 Kön 3 dienen kann und ob darin auch ein Ursprung für Salomos Weisheit liegen könnte, soll ein Blick auf das Konzept von „JHWH-Furcht als Anfang der Weisheit“ dienen, wie es im Prolog des Buches der Sprichwörter vorkommt. Dieser Prolog (Spr 1,1–7) ist für diese Suche insofern ein geeigneter Text, als dass die VV 2–6 ein Wortfeld abstecken, welches verschiedene Klangfarben des Phänomens „Weisheit“ vereint.123 In Spr 1,7 – dem „Mottovers“124 des Buches des Sprichwörter – wird schließlich die „Furcht JHWHs“ als Anfang aller Erkenntnis beschrieben. 1Sprüche

Salomos, Sohn Davids, König Israels. 2Sie lehren Weisheit und Unterweisung, verständige Worte zu verstehen, 3Um anzunehmen „Einsichts-Unterweisung“125, Gerechtigkeit, Recht und Geradheit 4Einfältigen verleihen sie Klugheit, einem jungen Mann Wissen und Umsicht. 5Der Weise hört und lernt dazu, und der Verständige erwirbt Kenntnisse 6so dass er Spruch und Anspielung versteht die Worte der Weisen und ihre Rätsel 7 Die Furcht JHWHs ist der Anfang der Erkenntnis Toren verachten Weisheit und Unterweisung.126

122 Vgl. Reiterer, Verhältnis, 233. 123 Vgl. Reyburn / McG. Fry, Proverbs, 22; zum gemeinsamen Bedeutungsgehalt der im Wortfeld enthaltenen Begriffe vgl. Reichenbach, Verbindungen, 131.143; dort mit Verweis auf von Rad, Weisheit, 26. Ilse Müllner schreibt dazu: „Weisheit deckt in der Hebräischen Bibel ein weites Feld ab. Das wird auch daran sichtbar, dass es zwar einen Begriff gibt, den wir meist mit ,weise‘ übersetzen (chƗkƗm), dass dieser Begriff aber neben weiteren Begriffen steht, die den semantischen Bereich der Weisheit abstecken. Neben chƗkƗm (weise) und chokmƗh (Weisheit) sind etwa bƯnƗh (Verstehen), daƍat (Erkenntnis), mnjsƗr (Erziehung) und mezimmƗh (Klugheit) zu nennen. Diese Begriffe stehen häufig parallel und wollen nicht so sehr in ihrer Differenz gewürdigt werden, sondern in ihrem Zusammenspiel (vgl. Spr 1,1–7).“ (Müllner, Herz, 17). Zu diesem Wortfeld formuliert Magne Sæbø: „Durch diesen Kontext kommen der Reichtum der Sprüche und die Bedeutung der Weisheit profiliert zum Vorschein, und dabei wird auch eine breite geistige und konkrete ethische Tätigkeit ausgedrückt.“ (Sæbø, Sprüche, 42). 124 Ludger Schwienhorst-Schönberger bezeichnet Spr 1,7 (vgl. auch Spr 9,10; 15,33; 31,30) als „Mottosatz“ (so in Zenger, Einleitung, 463). William D. Reyburn und Euan McG. Fry bezeichnen Spr 1,7 als „motto“ des Sprüchebuches (Reyburn / McG. Fry, Proverbs, 22.28– 29); bei Arndt Meinhold wird Spr 1,7 als „Motto“ bezeichnet (Meinhold, Sprüche, 47). 125 In Anlehnung an „Einsichts-Zucht“ bei Fuhs, Sprichwörter I, 24. 126 Die Übersetzung ist an die Zürcher Bibel 2007 angelehnt, einige Begriffe sind ersetzt worden. Aufgrund der Vielzahl der markanten hebräischen Begriffe werden diese nicht hier im Text, sondern während der Besprechung der einzelnen Verse aufgeführt.

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Spr 1,1: Zunächst wird Salomo namentlich genannt, dann als Sohn Davids und schließlich als König Israels bezeichnet. Dieser Salomo ist der Urheber der folgenden „Sprüche“ ('+— f’ /Ž – ).127 Damit wird die Nähe zu dem König Salomo aus den Erzählungen des ersten Königebuches explizit gesucht. Spr 1,2 beginnt mit einer Infinitivkonstruktion, deren vorangestellte Präposition einen Bezug zur Überschrift (V 1) herstellt. Das Folgende will demnach die Funktion und den Sinn der erwähnten „Sprüche Salomos“ und zugleich den weitläufigen Bedeutungshorizont des Lexems '+— f’ /Ž – („Sprüche“) erklären. Die dabei verwendeten Vokabeln weisen deutliche Bezüge zu 1 Kön 3 auf. Den Verbformen =4™ „ ™ +š („um zu erkennen“) und 0'y– !š +’ ~ („um unterscheidend zu erkennen“) jeweils zu Beginn der beiden Kola liegt jeweils eine Verbalwurzel (3' / 0') zu Grunde, die charakteristische Ausdrücke weisheitlichen Erkennens darstellt. Beide Wurzeln wurden schon bei der Textanalyse von 1 Kön 3 thematisiert: Als Salomo seine Unwissenheit und Unerfahrenheit zum Ausdruck bringen möchte (1 Kön 3,7), sagt er, er wisse (3x ™ — ) weder ein noch aus. Als er erbittet, Gut und Böse unterscheidend erkennen zu können (V 9), gebraucht er die gleiche Form von 0', die auch in Spr 1,2 Verwendung findet (0'!+). In Spr 1,3 nimmt die „Einsichts-Unterweisung“ (+rV— g’ !™ :2K/ „ ™ ) die Wendung rš !/„ š )’ %š ) inhaltlich wieder auf.128 Als Aus„Weisheit und Unterweisung“ (:2K/K druck dieser Unterweisung werden „Gerechtigkeit, Recht und Geradheit“ š /K — &aš y f’ /– ~K 9˜ 8† ˜ ) vorgestellt. Diese Dreier-Reihe ist nicht nur ein Ausdruck (-':  – f' allgemein-menschlicher Sittlichkeit, sondern lässt sich, genauso wie die Gottesfurcht aus Spr 1,7,129 als Ausdruck eines Lebenswandels in den Bahnen der Tora verstehen.130 Spr 1,4 spielt im zweiten Versteil auf den jungen Mann an, dem Wissen und ’ =4™ G„ ™ :4™ 1™y +’ ~ ). Dieser junge Mann ist Erkenntnis in Aussicht gestellt werden (!]  š –$/K im Parallelismus membrorum des Verses das Gegenstück zu den „Einfältigen“ (-„ –'=š 6’ +– ) aus dem ersten Versteil, die Klugheit (!/r š :’ 4š ) erwerben können.131 In diesem Vers geht es nicht um die Herabsetzung der Jugend, die mit „Einfältigen“ auf eine Stufe gestellt werden soll. Vielmehr werden Einfältigkeit und Jugend als Voraussetzungen für den Erwerb von Klugheit, Erkenntnis und Umsicht präsentiert. Ein von sich selbst überzeugter, alter „Weiser“ hat in der Schule der Weisheit womöglich nichts zu suchen. Nur wer der Weisheit nachläuft, sie

127 Zumindest wird er als solcher vorgestellt, damit ist keine historisch verwertbare Aussage getroffen. 128 vgl. Fuhs, Sprichwörter I, 24. Hans F. Fuhs deutet diese Aufnahme als Chiasmus. 129 Unterstrichen wird dieser Bezug dadurch, dass in Spr 1,7 nicht nur die Gottesfurcht als Anfang der Erkenntnis gepriesen wird, sondern parallel dazu in der zweiten Vershälfte die Unterweisung (die auch in Spr 1,3 ein Rolle spielt) als von den Toren verachtet beschrieben wird. 130 Vgl. ebd. 131 Vgl. Sæbø, Sprüche, 42–43.

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„sucht“, der kann sich in ihre Schule begeben.132 Es geht um eine Bereitschaft zum Lernen.133 Spr 1,5 setzt mit dem „Hören“ ein Motiv ein, welches ebenfalls bei der Analyse von 1 Kön 3 untersucht wurde. In 1 Kön 3 wird weisheitliches Erkennen an zwei entscheidenden Stellen mit Formen von 3/f ausgedrückt.134 In Spr 1,5 ist dieses Hören ein geradezu weisheitlicher Vorgang. In Spr 1,5 hat das Hören eine herausgehobene Bedeutung.135 Es steht am Versanfang und damit in einer Reihe mit den Eröffnungswörtern der Verse 2–6: „erkennen“ (=4™ „ ™ +š , V 2), „nehmen“ (=%™ 9™ +Ž š , V 3), „geben“ (==„ — +š , V 4) und „wahrnehmen“ (0'„ – !š +’ , V 6). Das Hören in V 5 fällt insofern aus der Reihe, als dass die anderen genannten Wörter in Infinitivkonstruktionen mit vorangestelltem + vorliegen, „3/„ ™ f’ –'“ jedoch eine finite Verbform ist, die darum keinen Begründungszusammenhang mit der Überschrift herstellt, sondern einen Anspruch an die Weise, den Weisen ˜ „' ’#). Im engeren Kontext formuliert: sie, er hört und sammelt so Wissen (%9r™ +˜ 52L von Spr 1,1–7 kann man dieses „Hören“ auf die in der Überschrift erwähnten Sprüche beziehen. Aufgrund des programmatischen Charakters dieses Prologs für das ganze Buch der Sprichwörter und für die biblische Weisheitsliteratur aber ist „Hören“ ein erkenntnistechnischer Terminus, der über akustische Wahrnehmung und über das Phänomen „Sprüche“ hinausweist. Im synonymen Parallelismus mit dieser Aussage über das Hören der Weisen steht der Satz „Und der Verständige erwirbt Kenntnisse“ (! 1˜ 9’ –' =L+† Cž %’ k™ 0Ly š1#~ ’ ), beide Aussagen erklären und ergänzen sich gegenseitig. Spr 1,6 schließt den Bogen zur Überschrift, es geht um das „Verstehen“ r š +– /K ’ ). (0'„ – !š +’ ) des „Spruches“ (nun im Singular +fš /Ž š ) und der „Anspielung“ (!8' Zugleich werden dem „Spruch“ und der „Anspielung“ noch die „Worte der Weisen“ (-'/–y )š %~” ':† — ’ G– ) „sowie ihre Rätsel“ (-=œ  š '%– ’#) als Objekte des Verstehens hinzugesellt.136 Die Bedeutung des Verstehens ist in diesem Vers also wieder enger auf weisheitliche Sprachformen, besonders auf die in diesem Buch gesammelten Sprüche eingegrenzt.137 Dieses „Verstehen“ ist dabei nicht nur eine geistige Fähigkeit, es geht vielmehr darum, die Lehren aus „Sprüchen“, „Anspielungen“, „Worten der Weisen“ und „Rätseln“ zu ziehen und sie im Alltag anzuwenden.138 Spr 1,7 hat als „Mottovers“ des Buches der Sprichwörter an dieser Stelle eine doppelte Funktion. Dieser Vers bildet vielleicht das Finale, die gebündelte 132 Vgl. Fuhs, Sprichwörter I, 24; vgl. ferner Reichenbach, Verbindungen, 131. 133 Vgl. Sæbø, Sprüche, 43. 134 Salomo wünscht sich ein „hörendes Herz“ (µ{ ™ /œ—{ f …+,— V 9) und Gott sagt, Salomo habe sich gewünscht, das Recht zu hören (&a  š f’ /– µ™ / œ † f’ +– , V 11). 135 Auch „im Prolog [Spr] 1,1–7, dem ja in ganz besonderem Maße programmatischer Charakter zukommt, [ist] das ,Hören‘ ausdrücklich thematisiert […]. Nach der inneren Logik des Prologs ist es folglich nur konsequent, daß die eigentliche weisheitliche Unterweisung mit einer Mahnung zu eben diesem ,Hören‘ eröffnet wird.“ (Neumann, Hört das Wort Jahwäs, 116–117; zit. n. Rüterswörden, 3/f, 276). 136 Vgl. Fuhs, Sprichwörter II, 41. 137 Vgl. ebd. 138 Vgl. Clifford, Proverbs, 35.

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Kernaussage des Prologs, und zugleich die Überschrift für den folgenden Teil.139 Die hier postulierte Verknüpfung von Weisheit und Gottesfurcht ist nicht nur typisch israelitisch,140 sie besitzt in Israel durch die von JHWH gegebene Tora einen konkreten Maßstab, an dem sie sich zu erweisen hat.141 Bei der hier genannten JHWH-Furcht geht es weniger um ein emotional verstandenes „Sich-fürchten“.142 Auch Lesarten wie „Bindung an“ oder „Wissen um Jahwe“ werden befürwortet.143 Udo Skladny liest gar eine Tendenz hin zum Begriff „Vertrauen“.144 Es geht nicht um bestimmte Reaktionen auf Gottesbegegnungen, „sondern vielmehr um eine positive (jahwegemäße) Lebenshaltung, [ … Spr, MN] 14,2 kann geradezu als Definition der Jahwe-Furcht angesehen werden: ,Wer in seiner Redlichkeit wandelt, fürchtet Jahwe, aber wer auf verkehrtem Wege ist, schätzt ihn gering‘“145.

Es geht um die Beziehung, um das Verhältnis, in das der Mensch gegenüber Gott eintritt. Ein Erkennen des Rechts ist dem Bösen (nach Spr 28,5) nicht „ – œ + 3:¡' Ž š f— ’1™ ). Die Welt erschließt sich nur dem, der JHWH möglich (&ar š f’ /– K1'š'¡ † – !#! y š '’~ 'f† — 9’ ™ /K ’ ). Im bewussten Suchen JHWHs zeigt sich das sucht (+œ)  K1'š' Anerkennen von dessen Herrschaft.146 Wenngleich die enge Verbindung von Weisheit und Gottesfurcht deutlich wird und die Weisheit letztlich auf JHWH zurückgeführt wird, so ist doch das menschliche Mittun entscheidend. Es ist des Menschen frei gewählter Entschluss, gottesfürchtig zu leben – oder eben nicht.147 139 Der „folgende Teil“ könnte sich über Spr 1,8–9,18 erstrecken (so Reyburn / McG. Fry, Proverbs, 20). 140 Vgl. Fuhs, Sprichwörter I, 25. 141 Die Verbindung der hier geforderten Gottesfurcht und der Tora als ihrem Maßstab zieht auch Fuhs, Sprichwörter I, 25. Johannes Marböck schreibt über Spr 1,7: „Zum rechten Erkennen und Verstehen der Welt braucht der Mensch nicht nur das vom Herrn geschaffene hörende Ohr und das sehende Auge, sondern die Rückbindung an den Schöpfer und Lebensgrund Israels in der JHWH-Furcht / Gottesfurcht. Dies ist ,das Schlüsselwort‘, das die Erfahrung(en) der Welt mit ihren Gesetzlichkeiten und des Wissens um JHWH von seinem ,Walten in Geschichte und Welt‘ in ein Verhältnis zueinander setzt. Wie das Ethos des Zusammenlebens bedarf auch das rechte Verhalten zu den Gegenständen der Erkenntnis, zum lebensfördernden Umgang mit ihnen – heute mehr denn je – des Wissens um Gott, des Respektierens Gottes in der Gottesfurcht. Es wird auf Dauer nur das ehrfürchtige Wissen um den Heiligen (Spr 9,10), um den Schöpfer und Herrn des Ganzen sein, das gefährlicher Selbstüberschätzung, dem Totalitarismus in Sprache, Denken und Praxis zu wehren vermag.“ (so Marböck, Weisheit, 224). 142 Auch nicht um das devote Anerkennen einer göttlichen Ordnung (so Fuhs, Sprichwörter II, 42). 143 Beide Vorschläge sind entnommen aus von Rad, Weisheit, 29. 144 So Skladny, Spruchsammlungen, 64. 145 Ebd., 15. 146 Auf Spr 28,5 in Bezug auf die JHWH-Furcht verweist auch Skladny, Spruchsammlungen, 64. 147 Udo Skladny beschreibt diese Gottesfurcht als „freiwillig akzeptierte Lebenshaltung“, nicht als „freie[s] Gnadenhandeln Jahwes“; weist aber darauf hin, dass es im Alten Testament beide Formen gibt (Gottesfurcht aus Gnade und als freie Entscheidung des Menschen) – an den genannten Stellen aus dem Sprüchebuch scheint es aber um eine Betonung der menschlichen Haltung zu gehen (so ebd., 15).

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Gerhard von Rad fasst die Aussageabsicht von Spr 1,7 wie folgt zusammen:148 „Klar ist, daß die Frage nach dem Ort der Weisheit […] beantwortet werden soll. Klar ist weiter, daß diese Ortsbestimmung dadurch vollzogen wird, daß die Weisheit in ein enges Verhältnis zur Gottesfurcht gesetzt wird, und klar ist endlich, daß die Gottesfurcht als etwas angesehen wird, das aller Weisheit vorgeordnet gilt.“149

Mit dem einfachen und klaren Satz150 aus Spr 1,7 ist ein Maßstab für Israels Weisheit ausgesprochen. Hieran hat sie sich messen zu lassen. Zugleich ist in dieser so vehement vorgetragenen Überzeugung, dass alle Weisheit von JHWH herkomme, ein Proprium Israels beschrieben.151 Der Prolog des Buches der Sprichwörter stellt mit seiner Fülle an Termini aus dem Bereich Erkenntnis / Weisheit ein Wortfeld zusammen, das das Phänomen Weisheit umreißt. Bezüglich einiger dieser Termini konnte ein ähnlicher Gebrauch wie in 1 Kön 3 festgestellt werden. Setzt man voraus, dass in Spr 1,7 eine Art Fazit unter den Prolog des Buches der Sprichwörter gezogen wird, dann bündelt sich in der Aussage von der JHWH-Furcht als Anfang der Weisheit das Weisheitskonzept von Spr 1,1–7. Für den Salomo von 1 Kön 3 konnte gezeigt werden, wie alle seine Tätigkeiten und Fähigkeiten, besonders seine Weisheit, in seiner Gottesbeziehung gründen. Eine Gottes- / JHWH-Furcht, wie sie im Prolog des Buches der Sprichwörter skizziert wird, kann als Begriff dienen, um das Verhältnis von Weisheit und Gottesbeziehung beim Salomo von 1 Kön 3 zu illustrieren, freilich ohne dass beide Texte notwendig in diesem Zusammenhang ausgelegt werden müssen. Legt man das hier für Spr 1,1–7 erarbeitete Konzept von JHWH- bzw. Gottesfurcht zu Grunde, kann der Salomo von 1 Kön 3 als gottesfürchtiger König bezeichnet werden.

C 2.3 Weise sein: von Gott geliebt Salomo ist in 1 Kön 3 ein weiser König. Wo liegt der Anfang dieser Weisheit? Textimmanent für 1 Kön 3 kann die im vorherigen Abschnitt mit dem Begriff „Gottesfurcht“ beschriebene Gottesbeziehung Salomos als Grund und Anfang dieser Weisheit beschrieben werden. Können im größeren Zusammenhang der Samuel- und Königebücher weitere Indizien dafür gefunden werden, warum gerade Salomo der weise König schlechthin wird? Kann man den Anfang seiner Weisheit auch schon vor seinem Regierungsantritt suchen, sodass es die Leserin, den Leser kaum verwundern könnte, dass im Salomo von 1 Kön 3,28 Gottesweisheit zu erkennen ist (vgl. 1 Kön 3,28)?

148 Diese Einschätzung trifft Gerhard von Rad nach dem Abgleich von 1,7 mit Spr 9,10; 15,33; Ps 111,10 und Ijob 28,28. 149 Von Rad, Weisheit, 93. 150 Vgl. von Rad, Weisheit, 94. 151 Vgl. ebd., 95. Gerhard von Rad formuliert: „Der Satz, daß die Furcht des Herrn der Anfang der Weisheit sei, war Israels Eigenstes. Keiner soll denken, daß damit eine überall klare Sache angesprochen sei.“

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Die erste Salomos Gottesbeziehung betreffende Aussage in 1 Kön 3 ist die Feststellung, dass Salomo JHWH liebe (V 3). Wie in der Textanalyse aufgezeigt wurde, wird zur Erklärung dieser Liebe mitunter darauf verwiesen, dass sie auf Gegenseitigkeit beruhe. Dabei wird mit Verweis auf 2 Sam 12,24–25 festgestellt, dass Salomo schon am Beginn seines Lebens als von Gott Geliebter bezeichnet werde.152 Ist diese Verknüpfung mit der „Vorgeschichte des Thronpräbendenten Salomo“153 sinnvoll für ein besseres Verständnis der Aussagen von 1 Kön 3? In 2 Sam 12,24–25 geht es um die Geburt Salomos. David und Batseba hatten den Verlust ihres ersten gemeinsamen Kindes zu betrauern, welches beim Ehebruch Davids mit Batseba, der Frau des Urija, gezeugt worden war. Dann heißt es: 24Und

David tröstete Batseba, seine Frau. Und er ging zu ihr. Und er schlief mit ihr. Und sie gebar einen Sohn. Und er nannte ihn Salomo. Und JHWH liebte ihn š ™#). 25Und er sandte durch den Propheten Natan154. Und er nannte seinen (œ#  !— ” !x#!' Namen Jedidjah, JHWH zu Liebe (! #! š ’' :Kx 4” C). ™

Dem Kind wird durch den Hofpropheten Natan der Name „Jedidjah“ (Ir'š '’ „ – ’') verliehen, worin das „und der Herr liebte ihn“ aus V 24 widerhallt.155 Auf diese sonderbare Liebe JHWHs zu Salomo von Geburt an wird häufig verwiesen, wenn es in 1 Kön 3,3 um die Erklärung der Liebe Salomos zu JHWH geht.156 Man mag diese Liebe als Verweis auf Salomos große Zukunft insgesamt verstehen.157 Im Kontext dieses Kapitels der vorliegenden Arbeit bedeutet der Vers lediglich: Salomo hat während seiner Ausbildung zum weisen König nicht nur den perfekten Lehrmeister (2 Sam 7,14–15), er wird von diesem Lehrmeister auch noch geliebt. Seine besondere Beziehung zu JHWH, die die Grundlage aller Weisheit Salomos in 1 Kön 3 ist, wird schon bei seiner Geburt deutlich. Die Liebe JHWHs zu Salomo in 2 Sam 12,24 ist ihrerseits kaum überraschend vor dem Hintergrund der Zusage, die Gott David einige Kapitel zuvor, in 2 Sam 7,12– 16, gegeben hatte:158 12Wenn

sich deine Tage vollenden und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen Samen (U{ 4” :’ ™$) nach dir erstehen lassen. Und ich werde seine Königsherrschaft befestigen. 13Er wird ein Haus für meinen Namen bauen und ich werde den Thron seiner Königsherrschaft befestigen für alle Zeiten. 14Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein. Wenn er sich vergeht,159 werde ich ihn schlagen mit einem Stock (&˜ f „ — C’ ) der Menschen und mit den Plagen der Menschenkinder. 15Und meine Gnade wird sich nicht von ihm entfernen, wie sie sich von Saul entfernt hat, den ich

152 Christa Schäfer-Lichtenberger hält die Korrespondenz zwischen 2 Sam 12,24 und 1 Kön 3,3 für „offenkundig“ (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 231). 153 Ebd., 225. 154 Zu dieser Übersetzungsoption, die die Vermittlerrolle Natans unterstreichen soll, vgl. Stolz, Samuel, 239 Anm. 107. 155 Vgl. Oswald, Nathan, 134. 156 Aufgearbeitet in der Textanalyse S. 68. 157 So etwa Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 228; vgl. ferner Dietrich / Naumann, Samuelbücher, 255. 158 Zum Zusammenhang vom 2 Sam 7 und 12 vgl. Oswald, Nathan, 9. 159 Mit Gesenius18, 932b.

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vor dir entfernt habe. 16Und dein Haus und deine Königsherrschaft wird beständig sein für alle Zeiten vor dir, dein Thron wird befestigt sein für alle Zeiten.

2 Sam 7,12–16 ist Teil einer Audition160 Natans, in der dieser eine JHWH-Rede empfängt, die er so an König David richten soll (VV 5–16). Dieser hatte Natan zuvor eröffnet, dass er die Unterbringungssituation der Lade Gottes in einem Zelt ungeeignet findet (V 2). Folglich haben die ersten Verse der Gottesrede auch den von David anvisierten Tempelbau zum Thema. Ab V 12 geht es dann um Davids Thronfolger. In der alttestamentlichen Forschung ist die Frage umstritten, ob der in V 12 für diesen Nachkommen verwendete Begriff „Samen“ individuell oder kollektiv zu verstehen ist, ob es dabei um den später eingeführten, unmittelbaren Nachfolger Davids (also Salomo) oder globaler um die Dynastie geht.161 Aus dem Erzählzusammenhang heraus lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. V 13a scheint sich mit der Aussage „er wird ein Haus für meinen Namen bauen“ eher auf einen konkreten Nachfolger zu beziehen.162 V 13b eröffnet durch den Ausdruck „für alle Zeiten“ einen Horizont, der über die Lebenszeit eines einzigen Nachfolgers hinauszugehen scheint.163 Auch die Zusage an David in V 16 ist in diesem Sinne zu verstehen.164 So bleibt wohl festzuhalten, dass es zunächst um Davids unmittelbaren Thronfolger geht,165 wobei die diesen Nachfolger zeitlich überragende Dimension „Dynastie“ mitschwingt. Nach der Absage Gottes für das Hausbauprojekt Davids folgt hier die Verheißung Gottes für Davids Dynastie. Mit diesem Thronfolger Davids will JHWH eine Vater-Sohn-Beziehung eingehen, ihn will er bei Bedarf züchtigen. JHWH will sich als Vater für Davids Thronfolger verstehen und diesen (auf menschliche Weise) erziehen. Dieses Motiv des sich sorgenden Vaters ist auch im Buch der Sprichwörter bekannt. Markant ist dies in Spr 3,12 dargestellt.166 Es steht dort für ein Lehrer-Schüler Verhältnis, wie es auch in anderen weisheitlichen Schriften zu finden ist.167 Wenn nun kein geringerer als Gott selbst die Ausbildung des Königssohns zum Weisen übernimmt, dann ist der Weg dieses Schülers zum Musterbild eines weisen Königs bereits vorgezeichnet. Nach Spr 13,24 schont nur Ž – ), der seinen Sohn hasst. JHWH hat in 2 Sam 7,14 verder seinen Stock (L&’ f heißen, dass er eben diesen Stock nicht ruhen lassen, sondern zur Erziehung des 160 Nach V 5 ergeht das Wort JHWHs an Natan, in V 17 wird das Ereignis als „Vision“ (0L „' šO%– !) ™ qualifiziert. 161 Vgl. die Diskussion bei Oswald, Nathan, 54. 162 Vgl. ebd., 55. 163 Vgl. ebd., 54–55. 164 Vgl. ebd. 165 Vgl. Hentschel, Gott, 26. Dabei ist aber klar, dass die Verheißung über den unmittelbaren Thronfolger Salomo hinausgehen muss, weil er – wie sein Vater David – ein sterblicher Mensch ist. Die Plausibilität, in 2 Sam 7 (auch) an Salomo zu denken, hat Wolfgang Oswald mit dem Verweis auf „mehrere kataphorische Anspielungen auf Salomo“ herausgearbeitet. So würden bei Salomo u. a. die Festigung der Königsherrschaft (1 Kön 2,46b) und der Tempelbau (1 Kön 6) eingelöst (vgl. Oswald, Nathan, 55). 166 Denn wen JHWH liebt, den weist er zurecht, und / aber wie ein Vater mit einem Sohn wird er sich versöhnen (Übersetzung: Böckler, Vater, 178). 167 Vgl. Fuhs, Sprichwörter I, 26. Hans F. Fuhs verweist dort auf die altägyptische Lehre des Ptahhotep.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Königssohnes (also Salomos) einsetzen will.168 Die Leserin, den Leser dieses Textes dürfte es kaum verwundern, wenn dieser Salomo, der JHWH liebt, in 1 Kön 3 als weiser König profiliert wird.169

C 2.4 Weise sein: zum Regieren befähigt Die Frage nach Salomo als König ist in dieser Arbeit bereits gestellt und von verschiedenen Perspektiven aus beantwortet worden. An dieser Stelle soll eigens gefragt werden, welche Bedeutung Salomos König-Sein in 1 Kön 3 für das Weisheitskonzept von 1 Kön 3 hat. Der „weise König“ ist kein typisches Motiv der Hebräischen Bibel. Die Verbindung -)% (+/ („weiser König“) ist nur in Spr 20,26 belegt.170 David und sein Sohn Salomo sind die einzigen Könige, die als weise bezeichnet werden.171 Gott rüstet seinen König in 1 Kön 3,12 mit einem „weisen und einsichtigen Herz“ aus. Da auch Josef die Eigenschaften „weise und einsichtig“ in Gen 41,39 vom Pharao nachgesagt bekommt und daraufhin von diesem als „Wesir“172 über ganz Ägypten gesetzt wird (Gen 41,41), hat Helen A. Kenik im ägyptischen Wesir nach dem Bilde Josefs, der sich durch Weisheit und Einsicht auszeichnet, ein Modell für das frühe Königtum in Israel gesehen.173 Die Ähnlichkeiten zwischen Josef und Salomo hat auch Pekka Särkiö aufgearbeitet.174 Kann das Modell von Herrschaft, wie es bei Josef vorgestellt wird, dazu beitragen, das Konzept des weisen Herrschers aus 1 Kön 3 zu profilieren? Mit Blick auf Josef stellt Ilse Müllner knapp fest: „Herrschaft braucht Weisheit.“175. Zum Bedeutungsfeld von „Weisheit“ im biblischen Horizont gehört nicht zuletzt Geschick für die Regierungstätigkeit. Josefs Fähigkeit zur Traumdeutung und sein Verständnis für künftige Bedürfnisse des Landes sind es, die ihn zur Herrschaft über das Land Ägypten in schlechten Jahren prädestinieren (vgl. Gen 41). Josefs Fähigkeit zur Traumdeutung ist kein weisheitlicher Selbstzweck, sondern hilft den Ägyptern und denen, die bei ihnen Zuflucht suchen in der konkreten Situation der siebenjährigen Hungersnot. Die Verbindung zwischen Josefs Fähigkeiten und dem Begriff Weisheit ist in den Texten sehr prominent zu finden: 168 Die Betonung liegt nicht auf körperlicher Züchtigung, sondern auf mündlicher Unterweisung (vgl. Sæbø, Sprüche, 194–195). Insofern ist es nicht einsichtig, warum Andreas Kunz-Lübcke 2 Sam 7,14 lediglich als Warnung an den Davidssohn versteht und mutmaßt, die Schläge könnten einen Bezugspunkt in der „Tragik der JHWH- und Frauenliebe Salomos“ haben (so Kunz-Lübcke, Salomo, 122). 169 Wie Annette Böckler gezeigt hat, kommt es in 2 Sam 7,14 auf beide Parteien an. Gott wird dem König Vater sein, was aber eine bestimmte Erwartung an diesen in seiner Rolle als Sohn impliziert (vgl. Böckler, Vater, 219). 170 Vgl. Wälchli, Salomo, 164. 171 Für David s. 2 Sam 14,20; vgl. auch Wälchli, Salomo, 164. 172 So Kenik, Design, 146–147. 173 Vgl. ebd., 142. 174 Vgl. bes. Särkiö, Weisheit, 62–66; mit Verweis auf weitere Literatur. 175 Müllner, Herz, 18.

C 2 Die Weisheit

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„In der kanonischen Abfolge der biblischen Bücher taucht der Begriff „weise“ zum ersten Mal in der Josefserzählung auf. In Gen 41,8.33.39 werden Weichen für das Verständnis der Weisheit in der Bibel gestellt. Es geht in diesem Zusammenhang um das Deuten der Träume des Pharaos. Weise Wahrsager sollen diese Träume auslegen, aber es gelingt ihnen nicht. Erst als ein Mann aus dem Palast sich an die traumdeuterischen Fähigkeiten des Hebräers Josef erinnert und dieser aus dem Gefängnis zu Pharao geholt wird, können die Träume entschlüsselt werden.“176

Diese „Weichen für das Verständnis von Weisheit“ führen auch in 1 Kön 3 auf eine Spur. Um das besser zu erkennen, sollen die genannten Verse Gen 41,8.33.39 noch kurz in ihrem Kontext von Gen 41 betrachtet werden. Der Pharao hat einen ersten Traum. Während er am Nil steht, steigen sieben schöne, wohlgenährte Kühe aus dem Nil heraus. Nach ihnen kommen sieben hässliche, magere Kühe aus dem Nil und fressen die schönen (41,1–4). In einem weiteren Traum (41,5–7) wiederholt sich diese Story – wenngleich aus den Kühen Ähren werden. Der beunruhigte Pharao lässt alle Wahrsager und alle Weisen (!) aus Ägypten rufen š /r ˜ )š %¡+ ” V¡= š ˜ ’# -–':x ™ 8’ /– ']† — &ž :’ %¡+ ™ V¡= š ˜ :} š 9’ –Q ™#, 41,8). Zur Deutung des Traumes (!' reicht ihre Weisheit aber nicht aus. Damit ist nicht gesagt, dass sie nicht wirklich weise wären – ihre Weisheit ist lediglich nicht brauchbar zur Deutung der Träume und damit zur Lösung der konkreten Probleme Ägyptens. Als sich der Mundschenk des Pharao an seinen ehemaligen Mitgefangenen mit der Gabe der Traumdeutung erinnert, wird dieser (Josef) hinzu gerufen. Der Pharao schildert auch dem Josef seine Träume. Josef bietet ihm eine Deutung an, die nach seinem Bekunden „Gottes Antwort zum Frieden des Pharao“ (!œ4  :’ a™ -L+† f’ ) ist (41,16); Josef versieht seine Deutung mit einem gewaltigen Anspruch.177 Es werden sieben fette Jahre kommen, danach herrscht sieben Jahre Hunger. Der zweifache Traum drückt die Unumkehrbarkeit dieser kommenden Ereignisse aus: Bei Gott –v “ !š -4„ – /— :{ š Gš !™ 0L)… š1¡'V  – , V 32). Josef schlägt dem steht der Entschluss fest (-'!Y Pharao vor, einen klugen und weisen Mann über ganz Ägypten (41,33) und ferner Aufseher im ganzen Land einzusetzen, die einen Vorrat für die schlechten Jahre anhäufen. So könnte die Hungersnot überstanden werden. Der Pharao zeigt sich beeindruckt von Josefs Traumdeutung und seinen Vorschlägen: 37Und

das Wort war gut (:x š Gš !™ &' † ™ –Q ™#) in den Augen des Pharao (!œ4r :’ 6™ '„1'— 4— C) ’ und in den Augen aller seiner Knechte. 38Und der Pharao sagte zu seinen Dienern: Finden wir einen Mann wie diesen, in dem der Geist Gottes ist (LC  -'!Y x – “ ´K™ :† :f} ˜ ” f')? w– 39Und der Pharao sagte zu Josef: Nachdem Gott dich all das hat erkennen lassen, ( µ'™ L! ˆ – ':{ — %” ™ =œ $¡+ r V¡= š ˜ xU=L ’ -'!Y } – ) “ gibt es keinen, der so einsichtsvoll und weise wäre wie du (¡0'— UL/  Vš -)x š %š ’# 0L† š1).

Im Anschluss an diese Szene wird geschildert, wie sich die Traumdeutung Josefs durch den Lauf der Geschichte bestätigt (Gen 41,46–57). In sieben guten Jahren füllt Josef die Kornspeicher, zwei Söhne wurden ihm geboren. In den darauf folgenden sieben Jahren der Hungersnot wird Josef zum Rettungsanker all derer, die bei ihm in Ägypten Korn kaufen können. 176 Ebd., 17–18. 177 So Ebach, Genesis, 232; bei anderen weniger im Sinne von einem hohen Anspruch, sondern eher als Ehrerweis an Gott gelesen, vgl. Lux, Josef, 121; vgl. ferner Plaut, Genesis, 346.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Der einleitende Erzählstimmenkommentar („Und das Wort war gut in den Augen Pharaos und in den Augen aller Knechte“, Gen 41,37)178 korrespondiert mit 1 Kön 3,10, wo ein Erzählstimmenkommentar Salomos Rede gleichlautend † ™ –Q ™#; „und das Wort war gut“), allerdings nicht aus der gutheißt (:x š Gš !™ &' Perspektive Pharaos und seiner Knechte, sondern aus der Sicht des „Herrn“ ( '„1'— 4— C’ 'r1œš ” ). Beide, Josef und Salomo, haben gewissermaßen eine „Prüfung“ zu bestehen, ein Rätsel zu lösen. So wie Josef den Traum (-L+† %” , Gen 41,25) des Pharao deuten muss, ist Salomo selbst im Traum (-L+„ %” C™ , 1 Kön 3,5) gefordert, die richtige Bitte zu äußern. Josef und Salomo wissen, welcher Qualitäten es im Hinblick auf die anstehenden Aufgaben bedarf. Josef weist genau die Fähigkeiten auf (V 39), die er von dem von ihm vorgeschlagenen Verwalter erwartet (V 33).179 Salomo weiß unmittelbar nach seinem Regierungsantritt genau, wessen ein guter König bedarf – und formuliert eine Bitte, welche auf diese Fähigkeiten abzielt. In beiden Fällen, bei Josef und bei Salomo, wird die Lösung der jeweiligen Aufgabe in gleichlautenden Erzählstimmenkommentaren für gut befunden. Erst im Anschluss daran kommt bei beiden Figuren – bei Josef und bei Salomo – die Weisheit zur Sprache. Josef wird sie vom Pharao attestiert, nachdem er den Traum zufriedenstellend ausgelegt hat und angenommen werden kann, dass er die bevorstehenden Probleme der Hungersnot nicht nur erkennen, sondern auch entsprechend lösen kann. Er selbst wird der von ihm vorgeschlagene Aufseher über das Land (vgl. Gen 41,34). Die Weisheit Josefs muss sich an dieser Aufgabe konkret erweisen. Das unterscheidet ihn von den „Weisen und Wahrsagern Ägyptens“, die der Pharao rufen ließ, die aber nicht zur Deutung der Träume und damit auch nicht zum Ziehen der nötigen Konsequenzen fähig waren. Bei den Träumen des Pharao ist es mit einer bloßen Deutung nicht getan, es bedarf der Konsequenzen (und Kompetenzen) im Handeln, damit aus der eigentlich düsteren Perspektive des Traumes (sieben Jahre Hunger) „Frieden für den Pharao“ (Gen 41,16) werden kann.180 Auch die Weisheit Salomos ist nicht irgendeine unbestimmte Begabung wie etwa die der „Weisen Ägyptens“.181 Sie erweist sich konkret in der Traumoffenbarung, in der Lösung der Rätselfrage und anschließend im Prozess um das lebende Kind. Sie unterscheidet sich auch von der Weisheit, die Salomo in 1 Kön 5 attestiert wird, weil er Sprichwörter verfasst, Lieder dichtet und die Natur beschreibt (5,12–13), eine Weisheit, die man hören kann (5,14). Die Weisheit Salomos in 1 Kön 3, die ihn als guten Regenten ausweist, kann an ihren Wirkungen erkannt werden (3,28), so wie Josefs Weisheit sich in der 178 Der Ausdruck erscheint wieder in Gen 45,16, wieder „gefällt Joseph dem Pharao und dessen Knechten“ (Särkiö, Weisheit, 63). 179 Vgl. Ruppert, Genesis, 227. 180 So Ebach, Genesis, 223. Benno Jacob weist sogar darauf hin, dass Josefs Traumdeutung letztlich überhaupt nicht auf besonderen Fähigkeiten beruht. Selbst ohne Traum wäre der Rat, in Zeiten des Überflusses Vorräte anzulegen, sehr vernünftig. Dieser schlichte Rat ist es, der Josefs Weisheit erkennen lässt (so Jacob, Genesis, 757). 181 In 1 Kön 5,10 wird sie explizit mit dieser verglichen (vgl. Särkiö, Weisheit, 64), dort gibt es aber nur einen quantitativen Unterschied, ohne dass die besprochene Weisheit anderer Natur wäre.

C 2 Die Weisheit

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konkreten Situation der Hungersnot erst noch erweisen muss. Die Fähigkeiten des gesuchten Mannes, den der Pharao nach Josefs Rat über Ägypten setzen möge („klug und weise“, -)x š %š ’# 0L† š1), sind jene Eigenschaften, mit denen Gott in 1 Kön 3,12 (in umgekehrter Reihenfolge) Salomos Herz ausstattet (0Lv š1 ’# -„)š %š +| — ), um ihn zu einem herausragenden König zu machen š œ + U{ L/ { Vš :f… ˜ ” ).182 Während Salomo diese (UL/  Vš -K9† š'¡œ+ U':x ˜ %” ™ ’# U'1˜ v 6š +’ !„'š !¡ Eigenschaft von Gott zugesprochen bekommt, werden sie Josef vom Pharao attestiert (Gen 41,39). Vor dem Hintergrund von Gen 41 und den Begabungen Josefs gelesen, strahlt die praktische, zum Handeln hin strebende Seite der Weisheit Salomos in 1 Kön 3 auf. Eine weise Antwort, ein kluger Rat – all das ist nicht von Dauer, macht noch keinen Weisen. Der weise König muss seine Fähigkeiten im Regieren stetig unter Beweis stellen – oder er ist kein weiser König. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Gen 41 und 1 Kön 3 besteht darin, dass die Figurenkonstellation in 1 Kön 3 dichter gestaltet ist. Während Josefs Antwortet vom Pharao und dessen Knechten für gut erachtet wird (Gen 41,37), ist es bei Salomo allein Gott, der dieses Urteil fällt (3,10). Während in Gen 41 der Pharao träumt und Josef – mit Gottes Hilfe (Gen 41,16) – das Rätsel des Traumes löst, ist es in 1 Kön 3 Salomo allein, der die Traumoffenbarung erhält und sich dem ihr innewohnenden Rätsel stellt. Wohl hat auch Josef Träume gehabt, deren Bedeutung sich aber in seinem familiären Umfeld, näherhin im in Gen 37–50 geschilderten Geschwisterkonflikt erschließt. Interessant bei diesen Träumen ist, dass Josef sie nicht selbst deutet, sondern die Deutung den Brüdern und dem Vater überlässt, die damit zu Traumdeutern werden.183 Den für die Herrschaft über Ägypten relevanten Traum träumt der Pharao, der König Ägyptens, selbst. Salomo ist selbst der König184, der den für die Herrschaft relevanten Traum träumt, und ist zugleich mit der für diese Herrschaft notwendigen Weisheit ausgestattet.185 Diese bisherigen Ausführungen zu „Königtum und Weisheit“ haben sich auf Aspekte aus 1 Kön 3,1–15 beschränkt. Bei der Erzählung vom „hörenden Herz auf dem Prüfstand“ wird kein wesentlich anderes Konzept vom „weisen König“ entworfen. Josef stellt seine Deutung der Träume des Pharao als „Antwort Gottes“ (Gen 41,16) vor; und in Salomos weisem Urteil erkennt Israel die „Weisheit Gottes“ (1 Kön 3,28). Die Offenheit, die Salomo braucht, um das Rätsel der 182 Vgl. Kenik, Design, 141. 183 Betrachtet man die gesamten Träume in Gen 37–50, kann man auch zu der Einschätzung Jürgen Ebachs gelangen, der in Josefs Träumen eine klare Botschaft erkennt, gegen die sich die Brüder zwar wehren, die aber keiner eigenen Deutung (durch die Brüder) bedarf (vgl. Ebach, Genesis, 222–223). Ebach selbst relativiert diese Sicht aber wieder, wenn er mit Blick auf Josefs Installierung als „Machthaber“ in Ägypten festhält, dass sein explizites Nicht-König-Sein im Zusammenhang mit der (somit nicht eingetroffenen) Deutung [!] der Brüder, Josef wolle sich zum König über sie erheben, zusammen gelesen werden solle (vgl. ebd., 245). 184 Vgl. Punkt „C 1.1 Gott und der König“ ab S. 153. 185 Die Rolle Gottes in der Josefsgeschichte ist zu komplex, als dass sie im Rahmen dieser Arbeit mit der Rolle Gottes in 1 Kön 3 verglichen werden könnte; vgl. dazu besonders Nießen, Handlungsträger, 323.336–344.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Traumoffenbarung zu lösen, kommt ihm auch bei der Lösung des zweiten Rätsels (3,16–28) zu Gute.186 Die weise richterliche Tätigkeit Salomos ist ein besonderer Ausdruck seiner weisen Regierungsführung: „The key issue of wisdom for the king is to rule effectively, particularly in judicial matters, when the facts lack clarity and require imagination.“187

C 2.5 Weise sein: als junger Mensch Die Selbstbezeichnung Salomos als „kleiner junger Mann, der weder ein noch aus { – 1  š ’#, 1 Kön 3,7) ist bereits hinsichtlich ihrer weiß“ (œ   š# =8† — 3x ™ — œ +† 0œ&v 9š :4„™ 1™ ')œ Bedeutung für die Gottesbeziehung und für die Weisheit Salomos ausgewertet worden. Hat sie auch eine biographische Dimension? Betont Salomo hier, neben seiner Stellung gegenüber Gott und neben der weisen Einsicht, dass der Weise sich nicht selbst für weise hält (vgl. Spr 3,7), sein jugendliches Alter? Sucht man nach weiteren Indizien, wird man durchaus fündig. Die Traumoffenbarung wird zu Beginn der salomonischen Regierungszeit geschildert. Damit wird die sich hier erweisende Gottesfurcht Salomos in der Erzählung so weit wie möglich von der Schilderung des alten Götzendieners Salomo (11,1–8) weggerückt. In der Rezeptionsgeschichte des Textes gibt es ebenfalls die Lesart, dass Salomo zum Zeitpunkt der Thronbesteigung jung an Jahren war.188 Keith Whitelam liest hier eine Verarbeitung der Tatsache, dass nicht der ältere, erfahrenere Bruder Adonija König wurde, sondern der jüngere, unerfahrenere Salomo auf dem Thron sitzt.189 Mit solchen Verkehrungen hat man im Hause Davids durchaus Erfahrungen, war es doch der junge, unscheinbare David, der den Vorzug gegenüber seinen älteren Brüdern erhielt, von Gott erwählt (1 Sam 16,12) und von Samuel zum König gesalbt wurde (V 13). David wird damit de facto die Position des Erstgeborenen nachträglich zugewiesen.190 Im Gespräch zwischen Davids Vater Isai und dem Propheten Samuel, der unter Isais Söhnen den künftigen König sucht, fallen sogar die Begriffe, die Salomo für seine Selbstbezeichnung verwendet (1 Sam 6,11a):191 Und Samuel sagte zu Isai: Sind die Jungen (t ':– 4š ’^!) ™ vollzählig? Er sagte: noch ist der Kleinste (0&vš dš !) ™ übrig. Und siehe, er ist ein Hirte beim Kleinvieh.

Neben der genannten Selbstbezeichnung gibt es weitere Indizien, die auf ein junges Lebensalter Salomos schließen lassen. Er steht am Anfang seiner Regierungszeit (und ist somit wenigstens ein an Regierungsjahren „junger“ König). 186 Vgl. Kenik, Design, 138. 187 Brueggemann, Solomon, 104. Noch prägnanter beschreibt Eric William Heaton, was ein weiser Herrscher beherrscht: „to cope with the problems of government“ (Heaton, Kingdoms, 181). 188 David bezeichnet ihn in seiner Rede in 1 Chr 29,1 als „jung und schwach“ (T:r š š# :4„™ 1), ™ er bittet die Anwesenden um Unterstützung für den neuen König Salomo (vgl. Whitelam, King, 157). 189 Vgl. ebd., 158. 190 So Hensel, Vertauschung, 231; dort mit Verweis auf Ps 89,28. 191 Vgl. Kenik, Design, 105.

C 2 Die Weisheit

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Schließlich befinden sich seine großen Bauprojekte noch in Arbeit. Salomo, von dem in 1 Kön 11 berichtet wird, dass er 1000 Frauen habe, heiratet in 1 Kön 3 seine erste (erwähnte) Frau.192 Begegnet der Leserin, dem Leser in Salomo also tatsächlich ein junger Regent, der zum Prototyp des weisen Königs stilisiert wird? Weisheit hat häufig etwas mit dem Alter der betreffenden Person zu tun: „Es gibt kaum junge Menschen, denen das Attribut Weisheit verliehen würde.“193.

Weisheitsaneignung ist ein Prozess, der Zeit braucht, der mit Erfahrung zu tun hat, die durch nichts zu ersetzen ist.194 Einzelne „Weisheiten“, die sich etwa in situativ passenden Sprüchen äußern, machen noch keinen Weisen.195 Die Verbindung von Weisheit und Alter ist auch in einigen biblischen Texten festzustellen.196 In 1 Kön 3 ist es gerade der junge Salomo, der zum Weisen schlechthin wird. Dabei stehen beide Motive – der „weise Salomo“ und der „junge Salomo“ – keineswegs unverbunden nebeneinander. Beide gehören, besonders mit Blick auf die gesamten Salomo-Erzählungen und eine mögliche biographische Lesart dieser, zusammen. Diese Verknüpfung von Weisheit und Jugend in 1 Kön 3 ist nicht erst in der neueren Forschung erkannt worden. Bereits in der ältesten Wirkungsgeschichte von 1 Kön 3 ist die Verbindung der Jugend Salomos mit seiner Weisheit bzw. seiner Bitte nach Weisheit erkannt worden. Das 8. und 9. Kapitel197 der (deuterokanonischen) Sapientia Salomonis lässt sich als Kommentar des (fiktiven) Sprechers Salomo zu seinen Erlebnissen in 1 Kön 3 lesen.198 Dabei gelingt es Weish 8–9, die beiden Hauptteile von 1 Kön 3 (3,4–15 und 3,16–4,1) zusammenzulesen.199 Es wird die Bitte begründet, das Gebet um Weisheit formuliert und alles mit der Jugend verknüpft. Die Betonung des 192 Aus 1 Kön 14,21 schließt Martin Rehm, dass Salomo bereits vor der ägyptischen Prinzessin eine andere Frau geheiratet und einen Sohn gezeugt haben müsse (vgl. Rehm, Könige, 43; vgl. auch Anm. 196 auf S. 60). Im Erzählverlauf ist die ägyptische Prinzessin aber Salomos erste Frau. 193 Müllner, Weisheit, 9. 194 Vgl. ebd. 195 Vgl. ebd., 10. Ilse Müllner stellt dies an dieser Stelle im Zusammenhang mit kindlicher Weisheit fest. 196 Ilse Müllner führt als Beleg Ijob 8,9a an: Denn von gestern sind wir und wissen nichts (vgl. ebd., 9). 197 Aufgrund des großen Textumfangs wird der Text nicht abgedruckt, es wird lediglich auf einige Verse gesondert eingegangen. 198 Die Idee zum Blick auf die Sapientia Salomonis stammt von James L. Crenshaw. Er führt aus: „The association of his [Solomon’s, MN] name with a text written in Greek is a derivative tradition. The legend, by this time full blown, prompts talk about a marriage between Solomon and Wisdom, now understood as divine hypostasis, the earthly expression of God’s intelligence. ,I loved her and sought her from my youth, and I desired to take her for my bride, and I became enarmored of her beauty (Wis. 8:2)‘. Here and throughout this section is a midrash upon a legend in 1 Kings 3:3–14, God’s unlimited offer to Solomon and the young king’s request for wisdom.“ (Crenshaw, Wisdom, 43). 199 Zur Aufnahme von 1 Kön 3 in Weish 9 vgl. besonders Neher, Weisheit, 127–128.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Richtens und der Anerkennung der Weisheit lässt sich als Bezug auf 3,16–4,1 lesen. Schon im 7. Kapitel werden diese Verknüpfungen vorbereitet:200 „Unter Anspielung auf 1 Kön 3 heißt es in Sap 7,7, daß Salomo betete und ihm daraufhin ÎÉĠžÊÀË , Verstand, gegeben wurde, im Parallelismus membrorum mit Èżıĸ ÊÇÎĕ¸Ë, dem Geist der Weisheit gleichgesetzt. Diese von Gott gewährte Begabung – Begabung hier etymologisch stricto sensu als das gegebene Grundverhalten verstanden – wird dann im folgenden als gottgegebene Regierungsqualifikation für seine königliche Aufgaben [sic!] interpretiert. Aber nachdem noch in 7,16 die mit ÊÇÎĕ¸ synonym verstandene ÎÉĠžÊÀË als die Klugheit der Staatsleitung begriffen ist, wird der Gedanke in 7,17 in ganz eigentümlicher Weise abrupt umgebrochen. Auf einmal sind es kosmologische Kenntnisse, die Gott mittels der von ihm geschenkten ÊÇÎĕ¸ zu verstehen gibt […]. Salomo versteht, was ist […].“201

Dass Salomo eine Entwicklung durchmacht und seine verschiedenen Lebensphasen wichtig für das Verständnis der Figur sind, ist kein neuer Gedanke.202 In der jüdischen Tradition werden die drei ihm zugeordneten Weisheitsbücher Buch der Sprichwörter, Kohelet und Hohelied seinen Lebensabschnitten zugeordnet. 203 Im jungen Salomo sieht man den Autor von Hohelied, den reifen Salomo hält man für den Urheber des Buches der Sprichwörter und den alten Salomo meint man im Buch Kohelet zu erkennen. In der christlichen Tradition (u.a. Hieronymus und Origenes) werden andere Einteilungen vorgeschlagen, der Gedanke, die Schriften verschiedenen Lebensaltern zuzuordnen, findet sich aber auch hier.204

C 3 Historische Rückfrage Begonnen wird die historische Rückfrage mit der Reflexion des Weisheitsmotivs bei König Salomo in 1 Kön 3. Wo liegt der Anfang dieser Weisheit auf der Ebene einer „historischen Rückfrage“? Die einfachste Antwort auf diese Frage wäre es zu sagen, dass Salomo eben ein besonders weiser König gewesen sei. In seiner Geschichte Israels von 1950 hat Martin Noth die These von einer Art Aufklärung im davidisch-salomonischen Staat begründet, die auch durch wachsende Beziehungen in den gesamten Alten Orient bedingt gewesen sei.205 Vom Textbestand her bezieht sich Noth nur auf 1 Kön 5,9–14.206 Lange ging damit die 200 Auf die Beziehungen zwischen 1 Kön 3,9 und Weish 7,1–8,1 verweist auch Martin J. Mulder (vgl. Mulder, Kings, 144). 201 Hübner, Sapientia Salomonis, 58. 202 Auch Jerome T. Walsh hält die chronologische Ordnung in den Salomo-Erzählungen nach wie vor für ein wichtiges Gliederungsmerkmal (vgl. Walsh, Kings, 150–152). 203 Midrasch zum Hohelied, HldR I, 1,8; Angaben zum Midrasch übernommen aus Müllner, Herz, 26. 204 Für den gesamten Absatz vgl. ebd. 205 Vgl. Wälchli, Salomo, 13. „Diese Schilderung M. Noths sieht also in der Weisheit Salomos die personalisierte Verdichtung einer Epoche der Geistesgeschichte Israels.“ (ebd., 14). 206 Vgl. ebd., 14.

C 3 Historische Rückfrage

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These einher, dass zu dieser Zeit auch die Produktion weisheitlicher Schriften eingesetzt habe. In der späteren Tradition gilt Salomo dann als Urtyp des Weisen.207 Noch vor 20 Jahren hat man solche Thesen in der Forschung vertreten und dabei unter anderem auf die so genannte „salomonische Aufklärung“ verwiesen.208 Für heutige Alttestamentlerinnen und Alttestamentler sind solche Positionen angesichts der Unsicherheiten bezüglich der historischen Umsände zur Regierungszeit Davids und Salomos209 kaum noch zu vertreten. Zu gering ist das Wissen über das kulturelle Leben im judäischen Bergland zu jener Zeit, zu wenig belastbar sind alle Argumente. Verbleibt die Möglichkeit, bei den Texten anzusetzen und die Weisheit zu einer Grundeigenschaft des frühen literarischen Salomo zu erklären. Schon in den frühen Texten, in den frühen Traditionen, könnte Salomo das Image eines weisen Königs besessen haben.210 Bleibt immer noch die Frage: Wie kommt dieses Motiv des weisen Herrschers gerade zu Salomo? Ein häufig gemachter Vorschlag lautet, die verschiedenen Texte, die Salomos Weisheit reflektieren, zu datieren. Albrecht Alt hat als Ausgangspunkt dafür 1 Kön 5,13211 vorgeschlagen. Wie auch in ägyptischen und mesopotamischen Parallelen sollen Namenslisten hier das Wissen über die Natur strukturieren.212 Darauf, und weniger auf kanonische Weisheitsbücher, könnten sich dann auch die angeblich über 1000 Sprüche Salomos beziehen, wie sie in 1 Kön 5,12 genannt werden.213 Für die Datierung von 1 Kön 3 und der Weisheitsmotive dieses Textes ist dieser Ansatz allerdings wenig hilfreich,214 da sie anderer Art sind als die Listen- oder Naturweisheit in 1 Kön 5,12–13. James L. Crenshaw macht den Vorschlag, das Weisheitsmotiv nicht losgelöst von anderen Eigenschaften der Figur „Salomo” zu betrachten. Weisheit führe zum Leben, bringt Wohlstand und Glück. Torheit führt zum Tod. In der alten israelitischen Weisheit gäbe es eine Verbindung von Weisheit und Wohlstand. Wenn Salomo nun der wohlhabendste Mann ist, muss er auch der weiseste sein. Ganz deutlich formuliert wird diese Entsprechung beim Besuch der Königin von Saba (1 Kön 10).215 Salomo ist dann mit der Zeit die Rolle dessen zugewachsen, der alle möglichen Arten von Weisheit verkörpert („natural phenomena, judicial 207 Vgl. die Diskussion bei ebd., 15. 208 Formuliert ist dieser Gedanke bei James L. Crenshaw: „How did Solomon’s connection with wisdom arise? One answer is that such legends grew because they were grounded in fact.“ (Crenshaw, Wisdom, 49). 209 Vgl. Abschnitt „A 1 Der Ausgangspunkt“ ab S. 13. 210 Vgl. Brueggemann, Solomon, 104. 211 1 Kön 5,13: Und er [Salomo] sprach über die Hölzer, von der Zeder, die auf dem Libanon [ist], bis zum Ysop, der aus der Mauer herauskommt. Und er sprach über das Vieh und über die Vögel und über die Kriechtiere und über die Fische. 212 So Albrecht Alt in „Studies in Ancient Israelite Wisdom“, hier übernommen aus Crenshaw, Wisdom, 47. 213 Vgl. ebd. Die Zuweisung des Sprüchebuches würde dann nachträglich an die nicht mehr recht verstandene Weisheit Salomos anknüpfen. 214 Auch bei James L. Crenshaw, von dem die Darstellung dieses Vorschlages übernommen wurde, wird dieser Zugang bereits wieder relativiert (vgl. ebd., 48). 215 Vgl. ebd., 50.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

wisdom and his ability to discover the mysteries of life“).216 Salomo wird zum Garant der Weisheit, wie Mose zum Garant des Gesetzes geworden ist. Einen Ausdruck findet das auch in Spr 25,2:217 Die Herrlichkeit Gottes ist das Verbergen einer Sache und die Herrlichkeit der Könige ist das Erforschen einer Sache.

Diese Überlegung, dass die Figur Salomo gewachsen ist, dass sie viele Traditionen angezogen hat, lässt sich als Konsens in der alttestamentlichen Forschung beschreiben. So lässt sich mit Markus Saur beispielsweise eine „Salomonisierung“ der biblischen Weisheitsliteratur feststellen.218 Die Frage, in der sich kein wissenschaftlicher Konsens herstellen lässt, ist die nach dem Grund dieser Attraktivität Salomos. Warum zieht er diese Traditionen zur Weisheit, zu Großreichsphantasien, zur Stärke Israels, zum Tempel oder zu internationalen Beziehungen an?219 Da, wie bereits festgestellt, über den „historischen Salomo“ eigentlich nichts gesagt werden kann, sind es die einzelnen Traditionen, die zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden müssen. In der vorliegenden Arbeit wurde mit den Mitteln synchroner Exegese herausgearbeitet, wie eng Salomos Gottesbeziehung und seine Weisheit in 1 Kön 3 zusammenhängen. Auf der Ebene einer „historischen Rückfrage“ kann nun gefragt werden, ob ein solches enges Verhältnis dieser beiden Motive auch mit Blick auf das Wachstum der Texte plausibel sein könnte. In den SalomoErzählungen, besonders in 1 Kön 3–11, geht von der Tradition des Tempelbauers Salomo die größte Dominanz aus.220 Der Bau und die Einweihung des Tempels stehen nicht nur im Mittelpunkt der Salomokomposition,221 hier kulminiert auch der gesamte Erzählkomplex von Gen bis 2 Kön.222 Diese Dominanz könnte ein erstes Indiz dafür sein, dass es sich um ein Primärthema handelt, welches 216 217 218 219

Vgl. ebd.; vgl. ferner Särkiö, Weisheit, 14. So Crenshaw, Wisdom, 50. So Saur, Weisheitsliteratur, 13. Walter Brueggemann zählt auf: „folklore materials, royal narratives, royal and temple archives, liturgical materials, and theological interpretation“ (Brueggemann, Solomon, 67). 220 Vgl. ebd., 78; Robinson, Kings, 47. Jerome T. Walsh fasst zusammen: „For the narrator, the Temple occupied the center of ancient Israelite life, just as it occupies the center of the story.“ (Walsh, Kings, 150). Helen A. Kenik formuliert: „The fact is that Solomon’s glory in history, and in particular in the deuteronomic presentation of Solomo’s history, is founded on his building accomplishments and the building of the Jerusalem Temple. The Dtr himself did not ignore this focus of Solomon’s life; the writer highlighted the place of the temple in the history of Solomon by making its construction and dedication the high point of the history.“ (Kenik, Design, 35). Moshe Weinfeld sieht, wegen der Wichtigkeit des Tempelbaus, die Beauftragung zum Tempelbau als ursprünglichen Inhalt der Erzählung von der Traumoffenbarung in Gibeon (Weinfeld, Deuteronomy, 248). 221 Vgl. Walsh, Kings, 150. Was für die Struktur gilt, gilt auch inhaltlich: Salomos große Leistung sind Bau und Einweihung des Tempels (vgl. Kenik, Design, 189). 222 Vgl. Brueggemann, Solomon, 42.87–88. Diese Funktion der Erzählungen um Bau und Einweihung des Tempels, Walter Brueggemann spricht vom „pivot point“, erklärt sich aus der Bedeutung des Tempels in Israels Theologie: „Indeed, the temple in Jerusalem became the marker by which all subsequent kings are measured and most are found wanting.“ (ebd., 42).

C 3 Historische Rückfrage

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wiederum andere Themen und Motive angezogen haben könnte.223 Sie zeigt sich auch durch die Rahmung in 1 Kön 3 (der Tempel wird gleich in 3,1 erwähnt, dazu wird die Opfertätigkeit thematisiert und ein Opfer vor der Bundeslade) und 1 Kön 11 (die vielen Frauen führen Salomo weg von der ungeteilten JHWH-Verehrung, der JHWH-Tempel in Jerusalem ist dann auch nicht mehr die einzige Kultstätte Israels). Auch Walter Brueggemann meint, in der Vorstellung Israels sei Salomo vor allem der Tempelbauer. Dieses Großprojekt erfordere eine gewaltige ökonomische Infrastruktur und eine gute Verwaltung. Solche Traditionen fänden sich dann auch in der Salomo-Komposition.224 Aus historischer Perspektive kann es als unbestritten gelten, dass ein altorientalischer König ganz selbstverständlich für den Kult Sorge trägt und für das zentrale Heiligtum zuständig ist.225 Erinnerungen daran haben sich auch in den biblischen Erzählungen von den ersten Königen Judas / Israels erhalten.226 Ein König, der (zunächst) als Tempelbauer erinnert wird, entspräche dieser historischen Gegebenheit in vollem Umfang. Ein weiteres Indiz dafür, dass „Salomo der Tempelbauer“ der Ausgangspunkt für alle weiteren Traditionen darstellen könnte, ist, dass sich die anderen Traditionen gut aus der Tempelbauertradition heraus erklären ließen. Salomo ist eben fromm und gottesfürchtig, er hat den JHWH-Tempel gebaut. Also kann später, als sich die Verbindung von Weisheit und Gottesfurcht durchgesetzt hat, diesem großen Tempelbauer größtmögliche Weisheit zugeschrieben werden.227 Schließlich kann auch der Tempelbau selbst als Ausdruck der Weisheit Salomos gelesen werden, der dieses große Projekt als fähiger Bauherr mit voranbtreibt.228 Das Motiv „Salomo der Tempelbauer“ darf dabei nicht mit der ausformulierten Tempeltheologie in 1 Kön 8 gleichgesetzt werden, die – mindestens in weiten Teilen – das Produkt späterer, sicher exilisch-nachexilischer Reflexion ist.229 Auch diese spätere Theologie wird folglich von dem möglicherweise älteren Motiv „Salomo der Tempelbauer“ angezogen.230 Insofern könnte gerade in seiner

223 Damit ist über einen möglichen Tempelbau des historischen Salomo keine Aussage getroffen! 224 Vgl. ebd,. 69. 225 Vgl. Wälchli, Salomo, 186–187; vgl. ferner Brueggemann, Solomon, 87. 226 Vgl, Heaton, Kingdoms, 145; dort wird auf Saul, David, Salomo, Jerobeam und Ahas verwiesen. 227 Es wird davon ausgegangen, dass es in der Geschichte Israels, die in der Hebräischen Bibel ein Zeugnis hat, eine „Theologisierung der Weisheit“ in unterschiedlichen Facetten gegeben hat: Es „zeigt sich innerhalb der atl. Weisheit eine Entwicklung, die von einer implizit religiösen Alltags- oder Lebensweisheit zu einer theologisch reflektierten Weisheit führt.“ (Markus Witte in Gertz, Grundinformation, 449); vgl. ferner die Darstellung bei Schwienhorst-Schönberger, Weisheit, 121. 228 Vgl. Hentschel, Könige, 40. 229 Vgl. etwa ebd., 58–59. 230 Dabei muss natürlich beachtet werden, dass sich Funktion und Bedeutung des Tempels in der Geschichte Israels mehrfach gewandelt haben: „In the purported tenth century, the temple fulfilled the function of legitimacy of high dynastic claims for what was said to be a successful urban establisment. By contrast, in the exile what is needed is a visible, indentifiable matrix for forgiveness and reconciliation and the opportunity to return to the homeland.” (Brueggemann, Solomon, 98).

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Bezeichnung als Tempelbauer zugleich der „Anfang“ der Weisheit Salomos liegen, der Grund für die Attraktivität dieses Königs als Musterbild eines Weisen: „The building of the temple in 1 Kings 5–7 is more ore less generic and accommodating. […] The temple is an interpretive reference point not unlike Solomon himself, a magnet for contested and contesting interpretive claims.“231

Zu diesen Motiven, die die Figur „Salomo der Tempelbauer“ angezogen haben könnte, könnte dann auch die göttliche Legitimation des Königs gehören. Dieser Legitimation bedarf der Tempelbauer, davon zeugt nicht zuletzt Gottes Tempelbauverbot für David in 2 Sam 7 und die ebenfalls dort gemachte Verheißung, dass der Nachfolger einen solchen Tempel bauen darf. Von der Notwendigkeit einer solchen Legitimation geht auch die altägyptische Vorlage der Erzählung von Opfer und Traum aus.232 Vor diesem Hintergrund würde ebendiese Erzählung von Opfer und Traum in Gibeon (1 Kön 3,4–15) zu verstehen sein. Die Bedeutung dieser Erzählung für die Weisheit Salomos, die in Salomos Bitte nach einem „hörenden Herzen“ einen besonderen Ausdruck findet, ist in dieser Arbeit vielfach erörtert worden. In der vorliegenden Fassung der Erzählung sind beide Themen – göttliche Legitimation und Bitte um / Gabe von Weisheit – kaum voneinander zu trennen. Für Herbert Donner ist in dieser Erzählung gar „die älteste Ausformung des Themas Weisheit Salomos“ erhalten.233 Nimmt man diese vorgeschlagene Reihenfolge ernst – zuerst war Salomo vor allem der königliche Tempelbauer, seine göttliche Legitimation ist eines der ersten zusätzlichen Motive und hängt eng mit der Prägung der Figur Salomos durch das Weisheitsmotiv zusammen – ergibt sich eine Bestätigung der Ergebnisse der vorliegenden synchronen Untersuchungen. Der „Anfang der Weisheit bei König Salomo“ hätte auch unter literargeschichtlich reflektierten Aspekten mit Salomos Gottesbeziehung zu tun. Salomo, der Tempelbauer (1 Kön 3,1), liebt seinen Gott JHWH (3,3), wird von diesem Gott legitimiert (3,10–14) und erhält von ihm ein weises und verständiges Herz (3,12), den Ort und Ausgangspunkt seiner Weisheit. Diese historische Sortierung des Begriffes „Weisheit“ bezüglich der Figur Salomo in 1 Kön 3 hat die konkrete Datierung der einzelnen Schritte offen gelassen. Ein in der alttestamentlichen Forschung gut erprobter Ansatz zur Datierung der Verschmelzung der Figur Salomo mit dem Weisheitsmotiv ist der Weg über die enge Verbindung von Weisheitstraditionen und Königshof. In Spr 25,1 werden die „Männer Hiskijas“ genannt, die die folgenden „Sprüche Salomos“ gesammelt hätten. Spr 25,1 wird gern als Beleg genannt, um zu zeigen, dass zur Zeit des Königs Hiskija, also im ausgehenden 8. Jh. v. Chr.,234 weisheitliche Kultur einen Sitz am Königshof gehabt haben könnte.235 Die Texte über 231 Ebd., 91. 232 Gemeint ist die mehrfach erwähnte ägyptische Königsnovelle, zur Diskussion dazu vgl. Abschnitt „E 7 Wenn Thronfolger träumen“ ab S. 216. 233 So Donner, Geschichte, 247; vgl. auch die Diskussion bei Wälchli, Salomo, 17. 234 Regierungszeit 725–697 v. Chr. (nach Frevel, Grundriss, 767); vgl. ferner Cogan, Kings, 224. 235 Vgl. Crenshaw, Wisdom, 51; Wilke, Kronerben, 2.

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Salomos Weisheit würden so eine spätere Zeit, z. B. eben die Regierungszeit Hiskijas, widerspiegeln.236 Das Problem an diesem Zugang ist, dass er sich vor allem aus 1 Kön 5,12–14 und davon abgeleiteten Passagen, etwa im Buch der Sprichwörter, herleitet.237 Für 1 Kön 3 und die dortigen Weisheitsmotive lässt sich mit dem Verweis auf Weisheitsschulen im 8. Jh. v. Chr. wenig erklären. Auf konkrete Datierungsvorschläge, wann die verschiedenen Traditionen um die Figur Salomo zueinander gefunden haben, wird in dieser Arbeit weiter verzichtet werden. Festzuhalten bleibt: Der mit Mitteln synchroner Exegese für 1 Kön 3 beschriebene enge Zusammenhang des Begriffes „Weisheit“ mit der Gottesbeziehung Salomos kann auch auf der Ebene einer „historischen Rückfrage“ zu dieser synchronen Erarbeitung wenigstens plausibel gemacht werden. Neben dem Begriff „Weisheit“ waren es der Begriff „König“ sowie die dazugehörigen Relationen, anhand derer das Salomo-Bild von 1 Kön 3 entfaltet wurde. Die Texte des Salomo-Zyklus, aber auch jene über Saul und David wurden einem größeren Textbereich einer narrativ geführten Auseinandersetzung mit dem Thema „Königtum in Israel“ zugeordnet, der sich ab 1 Sam 8 beschreiben lässt und etwa in 1 Kön 11238 endet. Dieser große Textbereich als Ganzer lässt sich nicht datieren, weil er einen breit und über mehrere Jahrhunderte geführten gesellschaftlichen Diskurs reflektiert. Das Einsetzen dieser Diskussion lässt sich sicher schon in die Zeit des Entstehens der Staatlichkeit in Israel und Juda datieren, einer Zeit, die für die sozialen Strukturen des Trägervolkes der Heiligen Schrift einschneidend war.239 Damit ist nicht gesagt, dass sich in den genannten Erzählungen Texte aus dieser Zeit finden lassen. Die Deutung der eigenen Identität als Staat musste Israel nicht ganz ohne Hilfe bewältigen. Man konnte auch auf Erfahrungen und Deutungsmuster seiner Nachbarn zurückgreifen, die mit dem Königtum schon wesentlich mehr Erfahrung hatten.240 Die Diskussion über das Königtum ebbt in späterer Zeit nicht ab, sondern wird transformiert: „An [… die, MN] positiven Erfahrungen mit dem david[ischen] K[önig, MN]t[um, MN] knüpfen die messian[ischen, MN] Erwartungen der nachexil[ischen, MN] Zeit an, sowohl an die seit den Anfängen des Jerusalemer K[önig, MN]t[ums, MN] formulierte Vorstellung v[om, MN] K[önig, MN] als ,Sohn Gottes‘ (vgl. bes. 2 Sam 7)241 als auch an die im Anschluß an entspr[echende] Vorstellungen der Umwelt ausgebaute Konzeption v[om, MN] K[önig, MN] als Mittler von šƗlǀm (Recht u[nd, MN] Gerechtigkeit im Inneren u[nd] Ruhe vor den Feinden im Äußeren).“242

236 Auch hier geht es nicht darum, die Einheitlichkeit der entsprechenden Texte zu postulieren, die hinsichtlich ihres Wachstums eingehend untersucht werden müssten. 237 So auch bei Cogan, Kings, 224. 238 Diese Unsicherheit hängt mit dem Ende der Salomo-Erzählungen zusammen, vgl. dazu den Abschnitt „B 1.1 Stellung im Kontext“ ab S. 31. 239 So Erich Zenger in Hossfeld / Zenger, Psalmen, 307. 240 Vgl. Kessler, Sozialgeschichte, 76–79; vgl. ferner Williams, Ägypten, 501. 241 Vgl. zum Konzept von 2 Sam 7 auch Feldmeier / Spieckermann, Gott, 56–57. 242 Zenger, König, 255.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

Mit diesen beiden Punkten, der Entstehung des Königtums als wichtigem Einschnitt in Israels Sozialgeschichte sowie den nachexilisch-messianischen Hoffnungen, sind für die Diskussion um das Königtum im Alten Testament wichtige historische Wegmarken gesetzt. Dazwischen liegt nicht zuletzt das, was in der Forschungsdiskussion mit „dtr. Redaktion“ oder „dtr. Geschichtswerk“ (DtrG) umschrieben wird.243 In der „Urfassung“ der These vom DtrG, die Martin Noth vorgelegt hat, beschreibt DtrG den Zusammenhang der Bücher Dtn–2 Kön und geht auf einen einzigen Redaktor bzw. Autor zurück.244 Seitdem hat sich diese These weit ausdifferenziert, ohne dass dies im Rahmen einer Arbeit zu 1 Kön 3 im Einzelnen aufgeführt werden müsste.245 Für die diachrone Reflexion der vorgestellten Salomobilder genügt es, zwei Gedanken festzuhalten. Erstens kann die in den Texten auszumachende, vielstimmige Diskussion um das Königtum in Israel auch als Spiegel einer über einen langen Zeitraum in verschiedenen historischen, kulturellen und sozialen Kontexten geführten Debatte verstanden werden. Zweitens kann die These vom DtrG nach wie vor eine diachrone Erklärung für viele der beschriebenen Bezüge von 1 Kön 3 zu den übrigen Texten dieses postulierten Geschichtswerkes bieten. Die einzelnen verglichenen Texte, etwa 1 Sam 8 oder 2 Sam 15, müssen nicht eigens in ihrer individuellen Entstehungsgeschichte zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Für die Deutung der in 1 Kön 3 beschriebenen und in dieser Arbeit vielfach thematisierten kultischen Tätigkeiten lässt sich aus historisch-kritischer Perspektive beinahe ein Konsens feststellen. Dies gilt zunächst in Bezug auf die Tatsache, dass der König selbst (und nicht ein speziell dafür vorgesehener Priester) zum Altar schreitet: „An sich war es in Israel nicht unerhört, daß ein König auf dem Altar opferte. Offensichtlich wurde das Königtum in der salomonischen Zeit246 nach dem Modell des sakralen Königtums verstanden, nach dem der König für den Kult zuständig war (vgl. 1 Kön 3,4; 8,63; 9,25; 10,5).“247

Die Texte, die in opfernden Königen ein Problem sehen (etwa 1 Sam 13,13–14), stammen aus exilischer oder nachexilischer Zeit.248 Ähnlich ist die Frage nach den Höhenopfern aus historisch-kritischer Sicht zu beantworten. Der Konsens lautet: Es gab eine Epoche, zu der unzweifelhaft auch die frühe Königszeit gehört, in der eine von Gott geforderte Zentralisierung der kultischen JHWH-Verehrung auf den Tempel in Jerusalem nicht bekannt war.249 Schon diese Feststellung genügt, um

243 244 245 246

Vgl. Georg Braulik in Zenger, Einleitung, 239–242. So die Darstellung bei ebd., 242. Vgl. Anm. 662 auf S. 148. Was Pekka Särkiö hier mit „salomonischer Zeit“ meint, wäre eigens zu untersuchen. In diesem Kontext genügt die Feststellung, dass es eine solche Zeit, in der Opfertätigkeiten des Königs unverdächtig waren, gegeben haben dürfte. 247 Särkiö, Exodus, 147. 248 So Hentschel, Laisierung, 32. 249 Vgl. Brueggeman, Kings, 46.

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die in 1 Kön 3,2–3 erzählten Höhenopfer einordnen zu können. Über eine Datierung der aufkommenden Idee von der Kultzentralisation lässt sich kein Konsens herstellen. Dies hängt auch mit der in Bezug auf Historizität und Umfang umstrittenen Kultreform des judäischen Königs Joschija (639–609 v. Chr.)250 zusammen.251 Die Beziehungen zur Josefsnovelle hat Pekka Särkiö aufgearbeitet.252 Sie sind für ihn so auffällig, dass er im Entstehungsprozess der Texte nach Gemeimsamkeiten sucht. Er spricht von „literarischer Abhängigkeit an einigen Stellen“, die in der Josefsnovelle Anklänge an Salomo schaffen sollen, um Josef mit der Aura des Weisen zu versehen.253 Den historischen Anlass einiger dieser „Salomonisierungen“ der Josefsfigur sieht Särkiö im Untergang Samarias und des Nordreichs Juda 722 v. Chr. Einer der Redaktoren der Josefsnovelle sei unter jenen gewesen, die nach Juda flohen.254 Die Intention dieser textlichen Verflechtungen beschreibt Särkiö folgendermaßen: „Die Aufgabe der Querverbindungen zwischen den Erzählungen ist es, den Leser der Joesephsgeschichtsschreibung allgemein an die Salomogeschichte und deren Akzentuierungen zu erinnern. Mit diesen leisen Anspielungen auf die Salomogeschichte versucht der Redaktor dem Leser die Atmosphäre des salomonischen Reiches und besonders die Stellung der nördlichen Stämme in demselben ins Gedächtsnis zur rufen.“255

Man muss Pekka Särkiö nicht in allen einzelnen Punkten seiner Argumentation folgen. Besonders Aussagen über mögliche Textgestalten im 8. vorchristlichen Jahrhundert sind heute, 20 Jahre nach Särkiös Publikation, weniger zuversichtlich zu formulieren. In der alttestamentlichen Forschung setzt sich mehr und mehr eine Sicht der Josefsnovelle als eines einheitlichen Textes durch.256 Zudem ist die Rekonstruktion der Teile der Salomoerzählungen, die bei der Verfassung der Josefsnovelle vorgelegen haben könnten, kaum zu leisten. Das alles muss die Möglichkeit literarischer Beziehungen und literarischer Abhängigkeit zwischen beiden Textkomplexen aber nicht ausschließen. Das Königsgesetz in Dtn 17,14–20 hat bei der Herausarbeitung der Salomobilder keine gesonderte Rolle gespielt, obwohl es in der Literatur häufig mit 1 Kön 3 in Verbindung gebracht wird. Christina Duncker deutet die Verschwägerung mit dem Pharao als Verweis darauf, dass Salomo gegen das Verbot in Dtn 17,16 verstoße. Dort heiße es zwar, der König solle das Volk nicht wieder nach Ägypten

250 251 252 253 254 255 256

Regierungszeit nach Frevel, Grundriss, 767. Vgl. die Diskussion bei ebd., 792. Vgl. Särkiö, Weisheit, 63. So ebd. Vgl. ebd., 62–63. Ebd., 65–66. Vgl. Dietrich, Joseph, 576. Diese Sicht schließt nach Walter Dietrich die Einfügung einzelner Erzählungen in die Novelle nicht aus.

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C Salomo in 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen

führen, allerdings könne dieser Vers auch auf eine Einführung ägyptischer Zustände (z. B. Fronarbeit) in Israel hin gelesen werden.257 Dtn 17,14–20 bricht insofern mit der traditionellen, altorientalischen Königsideologie, als dass dort wichtige Themenkomplexe („König als Wahrer von Recht und Gerechtigkeit, mehrfach in Verbindung mit seiner richterlichen Funktion und seiner Fürsorge für die personae miserae“) nicht vertreten sind.258 Reinhard Müller begründet das damit, dass das „Monarchiestatut“ „an den Horizont des deuteronomistischen Gesetzes angepaßt“ sei.259 Der König von Dtn 17 richtet nicht, leistet keine Armenfürsorge und hat keine kultische Funktion.260 Ältere Texte, wie sie im Königsbegehren oder auch in 1 Kön 3,16–28 oder 1 Kön 7,7 erhalten sind, gehen selbstverständlich von einem richtenden König aus.261 An einem Punkt gibt es allerdings deutliche Überschneidungen zwischen den Königskonzepten von 1 Kön 3 und Dtn 17,24–20. In Dtn 17,18–20 wird das Königtum ausdrücklich in den Horizont der Tora gestellt, einer Dimension, die auch für 1 Kön 3 ausschlaggebend ist.262 Zur Formulierung eines Fazits zu dieser diachronen Reflexion der verschiedenen, aus 1 Kön 3 herausgearbeiteten Salomobilder soll Walter Brueggemann zu Wort kommen: „Thus we see that the transposition of remembered Solomon into imagined Solomon was an immense achievement in ancient Israel, accomplished through great interpretive imagination embraced the ideology of kingship available in Near Eastern culture and dominant in the great states around Israel. […] Solomon was an imaginative interpretive product; he became, moreover, the point man for such an assessment – a disputatious assessment that is deeply evident in the narrative construal of 1 Kings 3–11.”263

Für einen „historischen Salomo“ wäre eine solche Fülle an inner- und außerbiblischen Motiven und Assoziationen kaum vorstellbar.264 Letztlich entscheidend für das Verständnis der Texte ist also nicht der historische, sondern der erinnerte Salomo.265 Dieser erinnerte Salomo ist es, von dem im vorangehenden Abschnitt einige Aspekte verdeutlicht werden konnten.

257 258 259 260 261 262

So Duncker, Salomo, 191. Zu diesem Argument vgl. auch Kessler, Ägyptenbilder, 97–98. So Müller, Königtum, 207. So ebd. So ebd. So ebd. Vgl. Kenik, Design, 88 Anm. 68.194.206 Anm.10.207; vgl. ferner Fischer, Gotteslehrerinnen, 77–78. 263 Brueggemann, Solomon, 84. 264 „Whatever of ,historical‘ he is, Solomon is a force of creativity who continues to feed the lyrical imagination of Israel.“ (ebd., 23.). 265 Vgl. Brueggemann, Patron of Wisdom, 118–120. Für Walter Brueggemann besteht dabei ein erheblicher Unterschied zwischen „remember“ und „invent“.

D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt

Das in 1 Kön 3 auffindbare Salomobild ist in dieser Arbeit anhand einiger Begriffe und Relationen skizziert worden, die dieses Bild ausmachen. Zur Schärfung dieses Bildes wird nun nachgezeichnet, dass es sich (wenigstens zum Teil) um für 1 Kön 3 spezifische Begriffe und Relationen handelt, die aus ebendiesem Text erschlossen werden können. In diesem Abschnitt soll dieses Nachzeichnen mit dem Blick auf andere Texte des Salomo-Zyklus geschehen. Gezeigt werden soll, dass solche anderen Texte andere Salomobilder zeigen, andere thematische Schwerpunkte setzen. Dazu werden ausgewählte Texte aus dem Salomo-Zyklus exemplarisch besprochen. Die einzelnen Texte werden kurz vorgestellt und einige ihrer zentralen Themen benannt.1 Dabei werden Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten der anderen Texte mit 1 Kön 3 deutlich werden. Für diese Untersuchung wurden zunächst die Kapitel 1 Kön 1–2 und 4 ausgewählt, weil sie das unmittelbare literarische Umfeld von 1 Kön 3 bilden. Ferner werden 1 Kön 5,1–14 sowie 1 Kön 11 untersucht. Für die Besprechung dieser beiden Texte gibt es konkrete Gründe: 1 Kön 5 ist der erste Text nach 1 Kön 3, in dem Salomos Weisheit ausdrücklich thematisiert wird.2 1 Kön 11 bildet den Abschluss der Erzählungen von der Regierungszeit Salomos. Salomo wird dort ausdrücklich als „alt“ bezeichnet (V 4), in diesem Alter ergeben sich erhebliche Veränderungen in Salomos Gottesbeziehung. Damit dient 1 Kön 11 als Kontrast zum Bild des jungen Salomo nach seinem Regierungsantritt, wie er in 1 Kön 3 vorgestellt wird.

1

2

Die Abgrenzung der Texte folgt der gängigen Kapiteleinteilung des MT, wie sie auch in der BHS zu finden ist. Dieser Weg ist hier zu beschreiten, weil die genanten Texte im Rahmen dieser Arbeit nicht in der gleichen Weise eingehend untersucht werden wie 1 Kön 3. Darum kann auf in der Fachliteratur anders gesetzte – berechtigte – Einteilungen nicht eingegangen werden. Marvin A. Sweeney liest beispielsweise 4,20 aus syntaktischen Gründen als Eröffnungssatz des folgenden Abschnitts (vgl. Sweeney, Kings, 98). Für Kapitel 5, welches aufgrund der expliziten Thematisierung der Weisheit Salomos untersucht wird, werden lediglich die VV 1–14 zu Grunde gelegt, weil ab V 15 durch die Einführung der Figur Hiram die Schilderung der Vorbereitungen für den Tempelbau beginnt (vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 287). Durch die Verwendung von -)š %š in 1 Kön 3,12 liegt eine Schlüsselstelle im Salomo-Zyklus vor, Wiederaufnahmen erfolgen in 3,28; 5,9–11.14.21.26; 10,4.6–8.23–24; 11,41. Eine kleine Ouvertüre dieses Motivs gab es bereits in 2,6 (vgl. Mulder, Kings, 149; mit Verweis auf Martin Noth (ohne nähere Angaben!).

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D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt

D 1 Die Vorgeschichte: 1 Kön 1–2 Wenngleich das Königwerden Salomos in 1 Kön 3 noch nicht abgeschlossen ist, das wurde in der vorliegenden Arbeit herausgestellt, muss festgestellt werden, dass in 1 Kön 3 kein Zweifel mehr darüber besteht, wer König ist bzw. sich im Prozess des endgültigen Königwerdens befindet. Davids Thronfolge ist geregelt, Salomos Königtum beginnt Konturen anzunehmen. In den beiden voranstehenden Kapiteln 1 Kön 1–2 ist die Frage der Thronfolge noch nicht geklärt. Zunächst einmal wird bis 2,10 noch das Ende der Regierungszeit Davids erzählt.3 Salomo ist zudem nicht der natürliche Thronfolger und weiß auch darum.4 Er hat in Adonija noch einen ambitionierten älteren (Halb-)Bruder, der Ansprüche auf den Thron erhebt (1 Kön 1,5–10). Adonijas Ambitionen könnten sich daher ableiten, dass er der älteste der noch lebenden Davidssöhne ist.5 Mit diesem aufbrechenden Konflikt ist ein wichtiges Thema dieser beiden Kapitel angesprochen. Gemeint ist das Verhältnis der Söhne Davids untereinander, die Geschwisterkonstellationen im Hause David. Benedikt Hensel hat in seiner 2011 erschienenen Dissertationsschrift „Die Vertauschung des Erstgeburtssegens in der Genesis“ auch Beispiele für solche Vertauschungen in den Samuel- und Königebüchern aufgezeigt.6 Für diese Überlegungen muss zunächst klar sein, dass es tatsächlich der Ältere ist, der (normalerweise) eine Sonderstellung innehat. Die Betonung des Erstlings (:#)) gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere und Feldfrüchte.7 „Im biblischen Kontext wird die Sonderrolle des Erstgeborenen sowohl innerhalb der genealogischen Texte wie auch der narrativen und gesetzestextlichen Teile reflektiert und dessen besonderer Status ausdrücklich betont.“8

Diese Betonung lässt auch besondere Privilegien des Erstgeborenen erwarten.9 Eine „rechtliche Sonderstellung des Erstgeborenen“ lässt sich auch für Israels Umwelt gut belegen.10 Indem Salomo in 1 Kön 1–2 Adonija in der Thronfolge „überholt“, vollzieht sich nicht die erste Vertauschung unter den Geschwistern. Vier der sechs Davidssöhne, die dem König in Hebron geboren wurden, „disqualifizieren sich [selbst, MN] als 3 4 5

Vgl. Vermeylen, Loi, 465. Vgl. 1 Kön 2,22. So Hensel, Vertauschung, 237. Zu den Söhnen und Töchtern Davids, die ihm in Hebron bzw. in Jerusalem geboren wurden, vgl. 2 Sam 3,2–5 und 5,13–15. Adonija ist nach 2 Sam 3,4 der vierte Sohn Davids. Vom Tod der vor ihm stehenden Amnon und Abschalom wird in 2 Sam 13,29 bzw. in 2 Sam 18,15 berichtet. Davids Zweitgeborener Kilab (vgl. 2 Sam 3,3) wird in den folgenden Erzählungen nicht wieder erwähnt (vgl. ebd., 237 Anm. 677; dort mit Verweis darauf, dass der Sohn der Abigajil in 1 Chr 3,1 nicht „Kilab“, sondern Daniel heiße). 6 Vgl. Hensel, Vertauschung. 7 Vgl. ebd., 32. 8 Ebd., 33. Hensel nennt als Beispiele Gen 10,15; 22,21; 25,13; 27,19; 27,32; 35,23; 43,33; 46,8; 49,3; 36,15; 38,6.7; 41,51; und 48,14.18. 9 So Hensel, Vertauschung, 34. 10 So ebd., 35.

D 1 Die Vorgeschichte: 1 Kön 1–2

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Erstlinge“11. Im Konflikt zwischen Adonija und Salomo, wie er in 1 Kön 1–2 erzählt wird, klingen aber nicht nur diese Vertauschungen im Hause Davids an. Für die Leserin, den Leser klingen hier die Vertauschungsmotive aus der Genesis nach, wie Benedikt Hensel sie aufgearbeitet hat. Um nur zwei Beispiele zu nennen: nicht Esau, sondern Jakob erschleicht sich Isaaks Segen (Gen 33,18– 35,29), worüber sich der greise Isaak eigentlich nicht beschweren kann, weil auch er seinem älteren (Halb-)Bruder vorgezogen wurde (Gen 21,8–21). Ein weiteres Vertauschungsmotiv liegt in der Gegebenheit vor, dass Salomo nicht als erstgeborenes Kind seiner Eltern vorgestellt wird.12 Der erstgeborene (namenlose) Bruder muss für die Sünde der Eltern büßen bzw. sterben,13 der jüngere (Salomo) ist der von Gott geliebte König. Nicht nur seine in Hebron geborenen Halbbrüder, auch seinen früher geborenen Bruder „überholt“ Salomo in der Thronfolge durch dessen frühen Tod. Weisheit wird in 1 Kön 1–2 grundsätzlich anders bestimmt als in 1 Kön 3. Zunächst fällt auf, dass Salomo von seinem Vater David in 2,6 als weise bezeichnet wird: Du aber handle entsprechend deiner Weisheit (U=r ˜ /š )’ %š V’ =' š gx – 4š ’#) und lass sein graues Haar nicht in Frieden in die Scheol hinabsteigen ( + œ   f’ - xYfš C’ L=} 'š g— :L=¡ ˆ— œ +  ’#).

Dieser Ausspruch ist Teil der letzten Worte Davids für seinen auserkorenen Nachfolger Salomo. Salomo soll eine alte Rechnung Davids begleichen und Joab zu Tode bringen. Heißt Weisheit hier: auf den Vater hören und morden? Diese Weisheit hat jedenfalls, anders als in 1 Kön 3, keinerlei Gottesbezug und nützt niemandem außer Salomo (auch nicht, wie dann in Kapitel 3, dem Volk), der so seine Macht schützt.14 Hier meint Weisheit taktierende Gerissenheit.15 Eine weitere Beobachtung lässt die Weisheit Salomos hier beinahe als Karrikatur erscheinen, weil „Weisheit“ ein Gegenstück in „kein Frieden“ am Versende findet.16 Die Verwendung des Begriffes „Weisheit“ in 1 Kön 2,6 steht also im Kontext von Gewaltmotiven. Wie Walter Brueggemann feststellt, wird damit ein Bogen zum Beginn der Herrschaft Davids geschlagen, der ebenfalls nicht ohne Gewaltausübung vonstattengegangen war (vgl. 2 Sam 2–4). Salomo setzt die Politik seines Vaters fort, wenn er auf dessen Vorschlag hin Joab (2,34) und Schimi (2,46) töten lässt. Seinem Bruder Adonija hat er das gleiche Schicksal angedacht (2,25), ohne dafür einen Hinweis des Vaters zu benötigen. Die in 1 Kön 1–2 beschriebene Gewalt findet in 1 Kön 3 kein Echo.17 11 Ebd., 216. 12 Vgl. ebd., 235. 13 Zwar tut David „Buße und empfängt Vergebung“ (ebd.); dennoch stirbt der Erstgeborene Batsebas und der Zweitgeborene, Salomo, „trägt somit die Davidslinie weiter“ (ebd.). 14 Vgl. Brueggemann, Solomon, 55. 15 Ilse Müllner verweist zur Illustration auf das taktierende Verhalten Jonadabs in 2 Sam 13 (vgl. Müllner, Herz, 19). 16 Vgl. Brueggemann, Solomon, 55. Walter Vogels spricht aus diesem Grund gar von einer „sagesse perverse“ (Vogels, Salomon, 233). 17 Eine mögliche Wiederkehr der Gewaltmotive aus 1 Kön 2 muss die Leserin, der Leser befürchten, wenn Salomo in 1 Kön 3,24 ein Schwert holen lässt und in 3,25 die Zerschneidung des Kindes anordnet (vgl. Duncker, Salomo, 210). Diese angedrohte

200

D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt

D 2 Der Organisator: 1 Kön 4 In 1 Kön 4 zeigt sich Salomo als geschickter Organisator des ihm anvertrauten Königreiches.18 In 1 Kön 3 geht es noch um die Festigung der Herrschaft Salomos, um die Zurüstung des neuen Königs mit den Fähigkeiten, die er für eine erfolgreiche Herrschaft brauchen wird. Die Verbalwurzel &6f, die in 1 Kön 3 von Bedeutung ist, wird in 1 Kön 4 nicht mehr gebraucht. Salomos Regierungsfähigkeiten werden hier nicht mehr unter diesem Terminus verhandelt. Mit der Anerkennung der Weisheit Salomos durch das Volk (3,28) und dem Feststellen des Königseins Salomos über ganz Israel (4,1) ist die Festigung der Herrschaft Salomos abgeschlossen und das Versprechen der Überschrift von Kapitel 3 („und die Königsherrschaft war befestigt durch Salomo“, 2,46b) eingelöst. Wenn ab 4,2 die Liste salomonischer Beamter und 4,7–19 die Liste der zwölf Statthalter folgt,19 ist das nur aufgrund der in Kapitel drei geschaffenen Voraussetzungen möglich. Der etablierte König kann sich der Strukturierung seines Reiches widmen. Damit ist gegenüber 1 Kön 3 ein wesentlicher Fortschritt in der Story geglückt. Listen dieser Art treten nicht erst bei Salomo auf. Schon während der Schilderung der Regierungszeit Davids finden sich ähnliche Listen (2 Sam 8,16–18; 20,23–26).20 Neu ist die Dimension der Reichsorganisation, die unter Salomo dokumentiert werden soll. Die beiden Listen aus den DavidErzählungen wirken gegen die Listen in 1 Kön 4 regelrecht bescheiden.21 Sucht man in 1 Kön 4 eine Korrespondenz mit den in 1 Kön 3 so zahlreich aufgefundenen Weisheitsmotiven, dann erweist sich Salomo hier dadurch als weise, dass er in der Lage ist, für eine straffe Organisation in seinem Königreich Sorge zu tragen.22 Weisheit wäre dann auch hier im Sinne von regierungspraktischem Geschick zu verstehen. Salomo, der Gott um Hilfe gebeten hatte, weil er nicht wusste, wie er Gottes großes Volk regieren sollte (vgl. 3,9), beweist hier, dass er sich bei der Regierung zu helfen weiß und fähig ist, Kompetenzen geschickt zu delegieren.23 Wortfelder oder Begriffe, die sich dem Phänomen Weisheit zuordnen ließen, finden sich nicht. Ein Thema, welches in 1 Kön 4 aufgeworfen wird, ist die Frage nach dem Zuschnitt der Größe „ganz Israel“. Im Anschluss an die Namen der Statthalter

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Gewalt mündet aber nicht, wie bei Joab und Schimi, in tatsächlich ausgeführter Gewalt, sondern in einer Rücknahme des Zerschneidungsbefehls (3,27). Vgl. Rice, Kings, vii. Zur Gliederung von 1 Kön 4 und zum Begriff „salomonische Beamte“ vgl. Würthwein, Könige, 38–41. Vgl. ebd., 39. Walter Brueggemann schreibt dazu „This extended chapter is a summary report on the development, success, and extravagance of the Solomonic regime. That regime must have been enormously successful and deeply impressive to Israelites who were only two generations removed from hill-country subsistence living.“ (Brueggemann, Kings, 57). Die historischen Implikationen des aufgeführten Zitates teilt der Verfasser der vorliegenden Arbeit ausdrücklich nicht. Vgl. Krauss / Küchler, Salomo, 72. Vgl. Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 287.

D 2 Der Organisator: 1 Kön 4

201

Salomos heißt es in 4,20 ausdrücklich, Israel und Juda seien zahlreich (œ :r +š -x šQ!¡+ ™ 4¡: ™ f˜ ” +L%† V™ -'Cv– :™ {+— :š g’ –' ’# !K! … š ’') und glücklich (-'%  – /— gK ’ ). Ganz auf dieser Linie scheint auch V 7 zu liegen, wo erzählt wird, dass Salomo zwölf š 4™ ) einsetzt. Schon die Zwölfzahl bietet Statthalter über ganz Israel (+v— :š g’ –'¡+V¡+ Anklänge an Jakobs zwölf Söhne und damit an Israels zwölf Stämme, also an ganz Israel inklusive Juda. 1 Kön 4,7–19 ließe sich daher als Explikation von 4,1 š 4™ ) festgestellt wird. lesen, wo Salomos Königsein über ganz Israel (+  — :š g’ –'¡+V¡+ Zugleich birgt die Auflistung der zwölf Statthalter einige Schwierigkeiten für die Auslegung. Der Ausdruck „ganz Israel“ kann im ersten Königebuch mitunter das Gebiet des (späteren) Nordreiches meinen oder aber globaler besetzt sein und Juda einbeziehen.24 In den folgenden Versen muss dabei auffallen, dass Juda unter den Regionen, für welche Statthalter eingesetzt werden (4,8–19), nicht genannt ist.25 Der in 1 Kön 4,20 verwendete Ausdruck „Israel und Juda“ kann so verstanden werden, dass die davor gemachten Ausführungen „Israel und Juda“ betreffen und für die Leserin, den Leser der Eindruck entstehen soll, dass das System der Provinzeinteilung und der Abgaben für den Königshof „ganz Israel“ im Sinne der Verse 3,28 und 4,1 bezeichnet.26 Zum anderen kann aber festgestellt werden, dass die Größe „ganz Israel“ im Laufe von Kap. 4 nicht mehr selbstverständlich deckungsgleich mit der Entität „ganz Israel“ aus 1 Kön 3,28 und 4,1 ist. Zusammenfassend lässt sich für 1 Kön 4 Folgendes festhalten: Die Festigung der Königsherrschaft Salomos sowie die Thematisierung seiner Eignung für das Königsamt ist abgeschlossen. Salomo widmet sich nun, in einem nächsten Schritt, der Reichsorganisation. Damit ist ein Fortschritt in der Story erreicht. Eine ausdrückliche Korrespondenz mit den spezifischen Weisheitsmotiven aus 1 Kön 3 lässt sich nicht erkennen. Die Frage nach dem Zuschnitt der Größe Israels wird als Thema in 1 Kön 4 neu eingeführt. In 1 Kön 3 stellt sich diese Frage noch nicht, „ganz Israel“ (3,28.4,1) wird dort als allgemein bekannte Größe vorausgesetzt.

24 Vgl. Mulder, Kings, 172; Walsh, Kings, 86. Christina Duncker erläutert: „Bezeichnet ,Israel‘ das Süd- und Nordreich zusammen, ist im Kontext häufig von den ,Söhnen Israels‘ (vgl. z. B. 6,13; 8,9; 9,20.22; 11,2), der ,Versammlung / Gemeinde Israels‘ (vgl. z. B. 8,5.14. 22.55) oder dem ,Volk Israel‘ (vgl. z. B. 6,13; 8,16.30.33.34.36.38.41.43.52.56.59.66) die Rede. In 1 Kön 2,5.32; 5,27 und 11,37.38 bezeichnet der Ausdruck ,Israel‘ aber allein das Nordreich.“ (Duncker, Salomo, 221). Dagegen könnte angeführt werden, dass in den von Duncker genannten Stellen allein in 1 Kön 5,27 von „ganz Israel“ (+r — :š g’ –'¡+Vš /) – die Rede ist, während sonst nur von „Israel“ gesprochen wird. 25 Vgl. Mulder, Kings, 171–172; vgl. ferner Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 284. 26 So etwa Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 284.

202

D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt

D 3 Der Märchenkönig: 1 Kön 5,1–14 In den ersten acht Versen von 1 Kön 5 erhalten die Listen aus dem vorherstehenden Kapitel 4 auf den ersten Blick eine Fortsetzung.27 Bei genauer Betrachtung durchbricht 5,1 diesen Zusammenhang durch einen Kommentar zur Herrschaft Salomos. Dieser Vers ist bereits gemeinsam mit den anderen Notizen über die Königherrschaft Salomos thematisiert worden.28 Hatte Salomo sich in den anderen Notizen (2,12; 2,46b; 4,1) als König Israels durchgesetzt, regiert er nun ein Weltreich.29 Der Abschnitt lebt von seinen Übertreibungen. Die Aussagen über Salomos Königsherrschaft werden ins Unermessliche gesteigert. Jerome T. Walsh liest dies als Ausdruck dafür, dass Salomo die in 3,12–13 zugesicherten Gaben auch wirklich erhalten habe.30 Mit Blick auf den übermäßigen Ressourcenverbrauch des salomonischen Hofes und die vielen Pferde, die Salomo hält, lässt sich m. E. erstmalig implizite Kritik an Salomo entdecken. Sie wird deutlich vor dem Hintergrund des deuteronomischen Königsgesetzes Dtn 17,14–20, wo das Halten vieler Pferde ausdrücklich untersagt ist.31 Die im weiteren Verlauf von 1 Kön 5 berichtete Zwangsarbeit, zu der Salomo Israel verpflichtet und die mit seinen Bauprojekten zusammenhängt (vgl. V 27), rückt ihn ebenfalls in ein schlechtes Licht.32 Die dominante Klangfarbe in 1 Kön 5 ist diese Kritik aber (noch) nicht. Vielmehr stellt die Regierungszeit Salomos eine Phase der Ruhe dar, in der es sich zu leben lohnt.33 Zum Ausdruck kommt diese Einschätzung in 1 Kön 5,5: Und Juda und Israel wohnten in sicherem Vertrauen (%&™ y˜ +), š jeder Mann / ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum alle Tage Salomos.

Die Thematisierung von 1 Kön 5 ist für die Suche nach dem Anfang der Weisheit bei König Salomo deshalb so wichtig, weil es auch in 1 Kön 5 ein ausgewiesenes Konzept von Weisheit gibt. Auch dieses Konzept wird im biblischen Kanon rezipiert. Es bildet den kanonischen Anknüpfungspunkt für Salomo als fiktiven Autor des Buches der Sprichwörter.34 Salomo habe, so 1 Kön 5,12, 3000 Sprüche und 1005 Lieder verfasst. In V 13 wird er als Naturwissenschaftler vorgestellt. Die dort genannte Art von Weisheit wird häufig als „Listenwissenschaft“ beschrieben, die aus Mesopotamien bekannt ist.35 In V 14 wird bemerkt, dass sich die Kunde von seiner Weisheit (2ÃVHOMHZ) schon auf der ganzen Erde verbreitet hat. V 9 spielt auf das hörende / weise Herz an, dass in 1 Kön 3,9.12 die Gabe Gottes 27 Vgl. etwa Würthwein, Könige, 41–48. 28 Vgl. in der Textanalyse S. 57. 29 Das beschriebene Weltreich korrespondiert mit dem Wunsch aus Ps 72,5 (vgl. Kraus, Psalmen, 498). 30 Vgl. Walsh, Kings, 88. 31 Vgl. Duncker, Salomo, 235. 32 Vgl. ebd., 248; vgl. ferner Brueggemann, Kings, 79. 33 Vgl. Müllner, Herz, 24. 34 vgl. Scherer, Proverbia, 344 Anm. 36; vgl. ferner Mulder, Kings, 202–203. 35 So Mulder, Kings, 198; vgl. auch Anm. 639 auf S. 145 in der vorliegenden Arbeit.

D 3 Der Märchenkönig: 1 Kön 5,1–14

203

für Salomo darstellt.36 1 Kön 5,10 ist mit Bezug auf die für 1 Kön 3 herausgearbeiteten Ägyptenmotive insofern interessant, als dass Salomos Weisheit dann ausdrücklich in ein Verhältnis zur Weisheit Ägyptens gesetzt wird:37 Und groß war die Weisheit Salomos, mehr als die Weisheit aller Söhne des Ostens und mehr als die Weisheit Ägyptens.

Wohl ist hier zu sehen, dass neben Ägypten auch die Söhne des Ostens genannt sind und beide Größen in puncto Weisheit nicht konkurrieren können. Aber dennoch erscheint Ägypten als Quelle großer Weisheit. Will man Salomos Weisheit würdigen, so könnte man im Anschluss an diesen Vers sagen, muss man sie mit der Weisheit Ägyptens vergleichen.38 Salomos Weisheit erscheint in 1 Kön 5 nicht mehr als etwas, das für die Einzelne, den Einzelnen nachahmbar und erstrebenswert ist. Sie wird unerreichbar, ist damit aber auch nicht mehr vorbildhaft.39 Zusammenfassend lässt sich für 1 Kön 5 Folgendes festhalten: Die Schilderung des salomonischen Reiches und der Zustände in diesem Reich ist gegenüber 1 Kön 3 stärker von Übertreibungen geprägt. Der hohe Ressourcenverbrauch und die vielen Salomo zugeschriebenen Pferde sind ein erster Anhaltspunkt für implizite Kritik im Salomo-Zyklus. Das Weisheitskonzept von 1 Kön 5 weist zwar Anknüpfungen an das Weisheitskonzept von 1 Kön 3 auf, setzt aber mit der Betonung des dichterischen Werkes Salomos sowie der naturwissenschaftlichen Dimension dieser Weisheit neue, eigene Schwerpunkte. 36 Vgl. Duncker, Salomo, 235. 37 Walter Brueggemann formuliert: „This connection was further enhanced when it was recognized that Israel’s Wisdom tradition was intimately linked to that of Egypt, and Solomon is of course said to be deeply connects to Egyptian power and Egyptian culture.“ (Brueggemann, Solomon, 182. Brueggemann beruft sich auf Kayatz, Proverbien, ohne nähere Angaben). Achim Müller kann weder für das Weisheitskonzept von 1 Kön 3, noch für jenes von 1 Kön 5 ägyptischen Einfluss erkennen, er leitet die entsprechenden Motive aus sumerischen, babylonischen, assyrischen und westsemitischen Texten ab (vgl. Müller, Proverbien, 226 Anm. 3; explizit gegen Kayatz, Proverbien, 117–119). 38 Walter Brueggemann meint, an dieser Stelle sei Salomos Weisheit als Kontrastierung zum Bild des weisen Salomo aus den Kapiteln 3 und 4 zu verstehen, weil sie hier eben deutlich auf internationale Beziehungen und ökonomisches Geschick hin ausgerichtet seien (vgl. Brueggemann, Kings, 76). Dieser Einschätzung ist aus meiner Sicht zu widersprechen. Schon in Kapitel 3 wird – wie bei der Einzelauslegung gezeigt wurde – eine Weisheit propagiert, die für Salomos Regierungstätigkeit nutzbar ist (besonders für seine Rechtssprechung). In Kap. 4 zeigt er sein Geschick in der Organisation seiner Verwaltung, ohne dass dabei seine Weisheit eigens erwähnt werden würde. Beides widerspricht nun nicht dem Bild eines Königs, der in Weisheit und Geschick auch seine internationalen Beziehungen pflegt und ökonomisch klug handelt. Vielmehr ergänzen sich die verschiedenen Bilder von Salomos Weisheit zum Bild eines umfassend weisen Königs, der sich auf jedem Parkett gut zu bewegen weiß. Es ist ja auch nicht nur die große Politik, die in Kap. 5 mit Salomos Weisheit in Verbindung gebracht wird, auch seine literarische Schaffenskraft und sein Interesse an einem besseren Verständnis der Natur werden gerühmt (1 Kön 5,12–13). 39 Vgl. Duncker, Salomo, 235–236.

204

D Salomobilder und Begriffe, die es (in 1 Kön 3) nicht gibt

D 4 Der alte König: 1 Kön 11 Wenngleich die Charakterisierung Salomos schon in den Kapiteln 9–10 unübersehbar kritische Züge angenommen hat, so wird die Kritik in Kapitel 11 unübersehbar und explizit.40 Motive, die bis hierher ambivalent waren (etwa die Heirat einer fremden Frau in 3,1 oder die Höhenopfer in 3,3–4), werden jetzt vereindeutigt. Salomo liebt nicht mehr nur JHWH (1 Kön 11,4) sondern viele fremde Frauen (11,1–3) und er verehrt fremde Götter (11,4).41 Er verstößt damit ganz eindeutig gegen Dtn 7,3–5 und 17,17. Über diesen Salomo kann JHWH nur noch zornig werden, was die Erzählstimme auch prompt berichtet (1 Kön 11,9). Ein drittes Mal wendet Gott sich an Salomo (11,11–13), diesmal ohne Traum und ohne Prüfung. Er stellt lediglich fest, dass Salomo die in 3,14 und 9,5–6 gestellten Aufgaben nicht erfüllt hat (11,11). Salomo erhält keine Warnungen mehr, seine „Bewährungszeit“42 ist beendet, seine Königsherrschaft läuft auf ein endgültiges Urteil zu.43 Der gealterte Salomo, der der Leserin, dem Leser in 1 Kön 11 entgegentritt, ist nur noch eine skurile Karikatur des jungen Königs aus 1 Kön 3. Sein Vater David war im Alter vielleicht sexuell impotent44 und konnte auch bei einer jungen Frau nicht mehr warm werden (1 Kön 1,1–4). Der alte König Salomo liebt zwar viele Frauen, ist dafür aber politisch unfähig und vor allem religiös gescheitert. Israel Finkelstein und Neil A. Silbermann sprechen gar von einem „senilen Greis“,45 der von fremden Frauen gesteuert werde. Er hat scheinbar vergessen, dass seine Regierungsfähigkeit ein Geschenk seines Gottes war (vgl. 1 Kön 3,6–14). Das Herz, das in 1 Kön 3 so wichtig für die Kommuni kation Salomos mit seinem Gott war, hat sich nun von diesem abgewendet „ — “ !{ š#! ’' -4… – /— Ly š +’ !&„ š š1¡'V  – , 11,9). Das Königreich entgleitet ihm, nach (+v— :š g’ –' '!Y ihm kommt es zur Teilung. In gewisser Weise endet Salomos Herrschaft über Israel noch während seiner Lebenszeit. Durch das Aufstehen mächtiger Feinde ist das salomonische Friedensreich bereits zerbrochen. Sichtbar wird dies an der eindeutigen Wiederaufnahme einer Formulierung. In 1 Kön 5,5 hatte es geheißen: Und Israel und Juda wohnten sicher, […] solange Salomo lebte (!/ œ   Yf’ '/’' † — +œVx ).

In 11,25 heißt es nun von Reson aus Damaskus: Und er war ein Widersacher Israels, solange Salomo lebte (!/ œ v Yf’ '/’'¡+ „ — V). š

So sind es neben den Verstößen gegen die deuteronomischen Gebote der Endogamie und des Fremdgötterkultes auch sonst ganz eigene Verknüpfungen zu anderen biblischen Texten, die 1 Kön 11 aufweist. Unter Salomos Sündenfall 40 Vgl. Rice, Kings, vii. 41 Vgl. Duncker, Salomo, 321. 42 Diesen Begriff wählt Christa Schäfer-Lichtenberger als mögliche Überschrift über 1 Kön 9,10–10,29 (so Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 342). 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. etwa Sweeney, Kings, 53. 45 Finkelstein / Silbermann, Salomo, 159.

D 4 Der alte König: 1 Kön 11

205

bezüglich der Fremdgötterkulte hat Juda noch lange zu leiden. Erst König Joschija beseitigt Salomos Kulthöhen, die dieser für die Astarte, für Kemosch und für Milkom gebaut hatte.46 Durch die von JHWH angekündigte (11,11–13) und durch Ahija aus Schilo zeichenhaft antizipierte Reichsteilung (VV 29–39) ist 1 Kön 11 schon mit den Erzählungen ab Kapitel 12 verknüpft, die dann von den beiden geteilten Reichen Israel und Juda erzählen. Salomos Wunsch, Jerobeam zu töten (V 40), erinnert wieder an Salomos Verhalten aus 1 Kön 2, wo er mit Joab, Schimi und Adonija ebenso verfährt. Am Ende seines Lebens will ihm aber nicht mal mehr das Beseitigen politischer Gegner gelingen. Nicht zuletzt das negative Salomobild aus 1 Kön 11 ist es auch, das für Yair Zakovitch im Hintergrund des Liedes in Hld 3,7–11 steht:47 „Dieses Lied gibt sich äußerlich als Spottlied auf König Salomo […]. Das Lied greift traditionelle Elemente wie Salomos Vielweiberei (1 Kön 11,1ff) und Reichtum (1 Kön 10) sowie den Anteil seiner Mutter an seiner Krönung auf (1 Kön 1).“48

Eine explizite Erwähnung einer Weisheit Salomos findet sich lediglich in 1 Kön 11,41. Dort wird allerdings nur darauf verwiesen, dass über Salomos Weisheit x — 4™ (L=r /š )’ %š ’#) an anderer Stelle, nämlich in der Chronik Salomos ( ':† — ’ G– :6˜ 2¡+ !/ œ   Yf’ ), geschrieben sei. Zusammenfassend lässt sich für 1 Kön 11 Folgendes festhalten: Anders als in 1 Kön 3 tritt Salomo hier ausdrücklich als alter König auf. Die Charakterisierung Salomos ist von expliziter Kritik geprägt. Besonders Salomos in 1 Kön 3 als vorbildlich beschriebene Gottesbeziehung kann den Ansprüchen an einen König Israels nicht mehr genügen. Entsprechend finden sich in 1 Kön 11 Anklänge an andere biblische Texte als in 1 Kön 3. Ein eigenes Weisheitskonzept ist in 1 Kön 11 nicht zu finden.

46 „To be sure, there is an obvious link between 1 Kgs 11:7 and 2 Kgs 23:13 relating to Josiah`s undoing of Solomon`s cultic excesses.“ (Glatt-Gilad, Solomon, 703). 47 Vgl. Zakovitch, Hohelied, 174. 48 Ebd.

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3 E 1 Wie und warum nach Ägypten fragen? Die zahlreichen Ägyptenbezüge der Salomo-Erzählungen, etwa die Verwendung von Anklängen an das Exodusmotiv oder das hörende Herz als geprägte, ägyptische Wendung sind vielfach aufgearbeitet worden.1 Dennoch leistet ein eigener Abschnitt zu den Ägyptenmotiven von 1 Kön 3 einen Beitrag zur Untersuchung dieses Textes. Das liegt daran, dass vom Verständnis der Ägyptenmotive in 1 Kön 3 und der von ihnen ausgehenden Verknüpfungen zu anderen Ägyptenmotiven in den Salomo-Erzählungen und im Alten Testament das Verständnis von 1 Kön 3 maßgeblich abhängt. Neben dem vielfach benannten und ausgewerteten expliziten Ägyptenbezug in 1 Kön 3,1 gibt es eine ganze Reihe ägyptischer bzw. ägyptisierender Motive in 1 Kön 3. Dies wird vor allem an der Traumoffenbarung in Gibeon deutlich.2

E 2 Unterwegs auf Josefs Spuren Die zahlreichen Bezüge von 1 Kön 3 zur Josefsgeschichte sind in dieser Arbeit dargestellt worden und brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden. Sie müssen aber in Erinnerung gerufen werden, weil diese Bezüge zur hauptsächlich in Ägypten spielenden Josefsnovelle die dortigen ägyptisierenden Elemente mittransportieren. Wenn Salomo eine ägyptische Frau heiratet, hat er darin ein Vorbild in Josef. Das deuteronomische Verschwägerungsverbot3 ist somit nicht der einzige Kontext, in welchem Salomos Heirat einer ägyptischen Prinzessin verstanden werden kann. Die Figur des Josef aus Gen 37–50 und den Salomo in 1 Kön 3 zeichnen, neben allem bisher Genannten, noch eine weitere Gemeinsamkeit aus: sie werden der Leserin, dem Leser als Träumer vorgestelt. Dabei beschäftigen sich sowohl die Träume des Josef als auch die Salomos mit der Person des Träumenden selbst. Bei Josef geht es um seine Stellung in der eigenen Familie (Gen 37,6–7.9), bei 1 2

3

Vgl. etwa Särkiö, criticism, 74–83; vgl. ferner Kessler, Ägyptenbilder. Vgl. Brunner, Herz, 3–5. Diese Bezüge lassen die Nennung von Pharao und Pharaonentochter in 1 Kön 3 eher als Garanten für den Import der ägyptischen Weisheitsliteratur erscheinen. So lässt sich vielleicht verstehen, was Walter Brueggemann mit der folgenden Aussage meint: „Solomonic replication of Egypt may have included […] appropriation of Egyptian wisdom as an intellectual achievement of importance.“ (so Brueggemann, Kings, 43). Brueggemann selbst liefert für diese These allerdings keinerlei Belege. Zur Pharaonentochter als Garatin des Weisheitsimports aus Ägypten vgl. auch Fontaine, Wisdom, 68; dort mit Verweis auf Scott, Solomon, 262–279. Vgl. etwa Dtn 7,1–4.

E 2 Unterwegs auf Josefs Spuren

207

Salomo um das eigene Königtum und die eigene Dynastie (vgl. 1 Kön 3,5–14; 9,3–9). Neben den eigenen bedeutungsschweren Träumen tritt bei Josef das Moment der Traumdeutung hinzu. Die Eigenschaft, die Josef dazu befähigt, lässt sich aber wieder gut mit Salomo verbinden. Es ist das Hören. So wie Salomo um die Bedeutung des Hörens für die anstehenden Aufgaben weiß, ist aufmerksames Hören die einzige Fähigkeit, die Josef zum Deuten der Träume des Pharaos benötigt. Jürgen Ebach schreibt zu Gen 41: „Der König begrüßt Josef freundlich und erwartungsvoll (V 15): Er habe gehört, Josef müsse einen Traum nur hören um ihn zu deuten, d.h. dass er dabei keinerlei mantischer oder divinatorischer Techniken bedürfe. (Allerdings wird auch hier Josefs ,Hören‘ nicht nur ein Zur-Kenntnis-Nehmen von reportierten Tatsachen sein – gerade die Träume im Gefängnis erschließen sich, wie in Kap 40 deutlich wurde, nicht nur aus dem, was, sondern auch wie erzählt wird.)“4

Was Form und Inhalt des Träumens betrifft, unterscheiden sich Josef und Salomo jedoch deutlich voneinander. Josefs Träume bedürfen einer Deutung5 und werden nur dadurch bekannt, dass Josef sie weitererzählt. Salomos Träume ereignen sich im Zusammenhang mit Gottesoffenbarungen und werden ausführlich dargestellt. Sie sind für die Leserin, den Leser durch Erzählstimmenbeiträge leicht als Träume zu identifizieren (1 Kön 3,5; 9,2). Was das Ende des Traumes angeht, kann der Salomo aus 1 Kön 3 mit einer anderen Figur aus der Josefsnovelle verglichen werden. Salomo merkt erst im Nachhinein, dass sich die ihn ereilende Gotteserfahrung im Traum zugetragen hat (1 Kön 3,15): Und Salomo erwachte. Und siehe: ein Traum (-L r+%” !„^— !– ’# !/ œ x Yf’ 79܆ ™ –Q ™#).

Wortgleich wird der Pharao seines Traumes gewahr (Gen 41,7): Und Pharao erwachte. Und siehe: ein Traum (-L+  %” !†^— !– ’# !œ4x :’ a™ 79܆ ™ ' –Q ™#).

Bis auf eine kleine Abweichung in der ersten Verbform6 liegt derselbe Konsonantenbestand vor. Salomo erwacht wie der Herrscher Ägyptens in der Josefsnovelle.7 Der Traum ist für die Herrschaft relevant. Aber anders als der Pharao benötigt Salomo in 1 Kön 3 keinen Traumhörer wie Josef, er selbst bittet um ein hörendes Herz und kann sich dem „Rätsel des Traumes“8 und den Aufgaben seiner Königsherrschaft stellen.

4 5 6 7 8

Ebach, Genesis, 232; Hervorhebungen aus der zitierten Literatur werden nicht übernommen. Vgl. dazu auch Anm. 183 auf S. 185. Gemeint ist die doppelte Aufführung des Buchstabens [ in Gen 41,7. Zum Erwachen des Pharao vgl. Ebach, Genesis, 230; vgl. ferner Kenik, Design, 181. Zur Traumoffenbarung als Rätsel für Salomo s. Abschnitt „3.2.2 Zum gesamten Abschnitt“ ab S. 105.

208

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

E 3 Salomo, der Pharao und dessen Tochter Lange Zeit wurde bei der Auslegung von 1 Kön 3,1 die Frage diskutiert, ob hier eine historisch verwertbare Notiz zu Grunde liegt, und wenn ja, welcher Pharao als Schwiegervater Salomos in Frage kommen könnte. Zu einer überzeugenden Antwort ist dabei niemand gelangt. Schon Martin Noth, der den wissenschaftlichen Diskurs darüber noch kurz skizziert, meint, wenngleich er das bloße Faktum der Heirat für historisch gesichert hält, dass darüber keine Gewissheit mehr zu erlangen sei.9 Diese Meinung hat sich im wissenschaftlichen Diskurs nicht durchgesetzt.10 Gerade für die wieteren Erwähnungen der Pharaonentochter wird ein historischer Kern erwogen, etwa für ihre Verquickung mit den Bautätigkeiten Salomos (1 Kön 7,8: Hausbau für die Pharaonentochter).11 Für 1 Kön 3,1 kann aber mit Bernd Ulrich Schipper festgehalten werden: „Die Notiz in Kön 31a […] trägt historisch wenig aus, da die Formulierung die Funktion hat, Salomo gleichsam auf Augenhöhe mit dem Pharao zu bringen.“12

Wie in der Textanalyse herausgearbeitet, geht es (zunächst) vor allem um die Beziehung zum neuen Schwiegervater, weniger um dessen Tochter. Es gibt in der Bibel noch eine Pharaonentochter, und diese ist nicht etwa (wie bei Salomos Frau oft unterstellt), der Anfang vom Ende des vereinten Großreiches Israel, sondern vielmehr Israels Rettung. ™ C™ ), welche den jungen Mose in Ex 2,5 vor Gemeint ist die Pharaonentochter (!œ{ 3:’ a¡= dem sicheren Tod rettet und somit Teil eines nachweisbar positiven Ägyptenbildes des Alten Testaments wird.13 Pharaonentöchter können im Alten Testament Gutes bewirken!14 In der LXX steht die Notiz der Vermählung Salomos mit der Pharaonentochter übrigens hinter 1 Kön 5,14, also im Kontext von Salomos Größe gegenüber anderen altorientalischen Herrschern.15 Sie wird damit gerade nicht zu einem Merkmal der Verquickung und Abhängigkeit Salomos von anderen Mächten, sondern zu einem Ausdruck der Stärke und Unabhängigkeit Salomos und seines Staates. Mit der Tochter des Pharao, die Salomos Frau wird, ist das wesentliche, explizite „Ägyptenmotiv“16 in 1 Kön 3 behandelt. Die folgenden, eher impliziten Bezüge stellen also auch Auslegungen dieses expliziten Ägyptenmotivs dar. Was bedeutet der (literarische) Import einer ägyptischen Prinzessin? Wofür steht er im Text?17 Welche Anküpfungspunkte bietet er? 9 Vgl. Noth, Könige, 48–49. 10 So spekuliert auch Pekka Särkiö, wenngleich er die Historizität der alttestamentlichen Angaben nicht unbedingt für gesichert hält, über die Identität des Schwiegervaters Salomos (vgl. Särkiö, Weisheit, 16). 11 Vgl. Schipper, Israel, 95. 12 Schipper, Tochter. 13 Vgl. ebd. 14 Vgl. Schipper, Israel, 92. 15 Vgl. ebd., 93 Anm. 476. 16 In diesem Fall im Sinne eines ägyptisierenden Motivs, dass dem Text einen ägyptischen Klang verleiht, ohne einen direkten literarischen oder historischen Bezug zu Ägypten zu haben. 17 Zur Formulierung dieser Fragen vgl. Brueggemann, Kings, 43; vgl. auch Anm. 2 auf S. 206.

E 4 Salomo, der Pharao Israels?

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E 4 Salomo, der Pharao Israels?18 Eine ganze Reihe der Charakeristika des Königsbildes von 1 Kön 3 ist nicht genuin israelitisch oder biblisch, sondern steht in Beziehung zu verschiedenen Königskonzepten in der Umwelt Israels. Altorientalische Könige können mitunter die Rolle eines Mittlers zwischen Gottheit und Volk haben, so ist es auch in einigen Texten des Alten Testaments erkennbar.19 Die konkrete Ausgestaltung dieser Mittlerrolle kann jedoch sehr variieren, was ein Blick auf verschiedene ägyptische Quellen zeigt:20 „An welcher Stelle ist der König Mittler im Gottesverhältnis? Wo ist der Mensch, wie bei Ptahhotep, zur königlichen Gottesnähe [zu der ihn sein königliches Herz befähigt, MN]21 selbst in die Lage versetzt? Wo dagegen übernimmt Gott, wie in der Lehre für Merikare, Aufgaben des Königs und kommt den Menschen dadurch nahe? Das königliche Herz des Einzelnen und der königliche Gott sind Möglichkeiten, die Konstellation Gott, König, Mensch aufrechtzuerhalten und gleichzeitig zu umgehen, weil in ihnen der König zumindest teilweise suspendiert wird.“ 22

Alexa Wilke untersucht, ob solche Ablösungstendenzen auch im Buch der Sprichwörter zu finden sind.23 Sie untersucht dabei u.a. Spr 14,26–15,4, einen Text, der einige Motivverbindungen auch zu 1 Kön 3 hat. Die Verbindung von Weisheit und JHWH-Furcht wird thematisiert (14,26–27), das Herz wird als Ort der Weisheit betrachtet (V 33) und die Größen Gut und Böse spielen eine Rolle (15,3). In 14,28–35 wird das Verhältnis von König und Volk besprochen. Dabei kommt zur Sprache, dass es ohne Volk keinen König gibt und der König letztlich vom Volk abhängig ist (V 28). In 1 Kön 3 liegt ein ähnliches Konzept vor, wo Israels Größe gespriesen (V 8) und wo am Ende berichtet wird, dass das Volk akzeptiert (V 28). Die Weisheit aber ist in Spr 14,28–35 eine Gabe, die jedem offensteht (V 33) und vom König gefördert wird (V 35). In 1 Kön 3 erbittet Salomo sein hörendes Herz eher stellvertretend für das Volk (VV 6–8). Auf einem indirekten Weg aber wird die Mittlerfunktion des Königs auch in 1 Kön 3 umgangen. Zum einen durch die eindeutige didaktische Funktion des Textes, der auch der Leserin, dem Leser dieselben Rätselfragen wie dem König stellt und somit auch auf dessen Weisheit abzielt; zum anderen durch die das Volk repräsentierenden Frauen in den VV 16–27, die an der Findung des weisen Urteils einen erheblichen Anteil haben. 1 Kön 3 erweist sich vor diesem Hintergrund als 18 Der Begriff taucht, wenn auch in einem anderen Kontext, häufig in der Fachliteratur auf (vgl. etwa Heaton, Solomon, 28). Eric William Heaton stellt für Salomo ebenfalls Adaptionen ägyptischer Herrschaftstheorien fest, macht dies aber an anderen Texten als 1 Kön 3 fest (vgl. ebd., 24–30). 19 Vgl. Wälchli, Salomo, 163. Alexa Wilke stellt schon in der Einleitung zu ihrer Studie fest, dass der König als Mittler zwischen den Menschen und den Gottheiten gelten kann, indem er im direkten Kontakt den jeweils abwesenden Part repräsentiert (so Wilke, Kronerben, 129). 20 Vgl. Wilke, Kronerben, 129. 21 Vgl. ebd. 22 Ebd. 23 Vgl. ebd.

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

210

ein Text, der die aus Teilen ägyptischer Weisheitsliteratur bekannte Diskussion um die Dreieckskonstellation zwischen Gott, König und Volk aufnimmt und selbst Stellung bezieht. Ganz konkret ist in der alttestamentlichen Forschung für 1 Kön 3,11 und dort œ † f’ +– ) ein altägyptischer für den Ausdruck „das Recht hören“ (&a  š f’ /– µ™ / Hintergrund erwogen worden. Dabei wird der Ausdruck &6f/ analog zum ägyptischen Begriff Ma’at24 verstanden.25 Zwar hat Manfred Görg auf die Grenzen einer solchen Analogie hingewiesen, weil der hebräische Begriff &6f/ die ägyptische Ma’at in ihrer „tiefgreifenden Valenz“ nicht darstellen könne,26 räumt aber zugleich ein, dass im Hören des &6f/ durch den König jene auch dem Hören der Ma’at eigene „Distanz zum Vorschein“ komme, „die der israelitische König gegenüber seinem Gott einnimmt und die er nicht überbrücken kann.“27

Während aber die Ma’at ein der Beziehung zwischen Gott und König wenigstens teilweise übergeordnetes Prinzip darstelle, verfüge Israels Gott über den &6f/.28 Ob angesichts dieser Differenz die Rede von der Analogie beibehalten werden sollte,29 ist fraglich.30 Letztlich ist Salomo in 1 Kön 3 auch deswegen nicht der Pharao Israels, weil von ihm „in völliger Verwiesenheit auf seinen Gott“31 erzählt wird.

E 5 Salomo und der Exodus Ist der „Pharao“ nicht notwendig mit dem Exodus Israels aus Ägypten, mit der alttestamentlichen Befreiungserfahrung schlechthin, verbunden? Kann sich ein israelitischer König mit dem Pharao32 verschwägern, ohne zu riskieren, Israel wieder in eine unheilvolle Verstrickung mit „Ägypten, dem Sklavenhaus, aus dem š ’' K1' ˆ š 8L! – , Ex 13,14) zu JHWH uns befreit hat“ (-'  – š 4” ='C† — /– -–':x ™ 8’ ]– /– !}#! manövrieren? Für Christina Duncker besteht darüber kein Zweifel. Für sie liegt die

24 Zum Begriff Ma’at vgl. die Erklärung in Anm. 51 auf S. 214. 25 Vgl. Görg, Gott-König-Reden, 98–99; Noth, Könige, 51–53; Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 273. 26 So Görg, Gott-König-Reden, 99. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Wie etwa bei Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 273. 30 Auch für die dem König in 1 Kön 3,13–14 zugedachten Gaben hat Manfred Görg die Nähe zur altägyptischen Königsideologie herausgearbeitet (vgl. Görg, Gott-König-Reden, 100– 111). Die dabei gefundenen Bezüge sind allerdings nicht so zwingend, dass in 1 Kön 3,13– 14 von „Ägyptenbezügen“ gesprochen werden muss. 31 Görg, Gott-König-Reden, 113. 32 Der Pharao in 1 Kön 3 trägt keinen Namen und wird daher nur über seine Rolle definiert.

E 5 Salomo und der Exodus

211

„erzählerische Funktion [der Pharaonentochter, MN] darin, als Symbol für die Verwandlung Salomos zum israelitischen Pharao zu fungieren.“33

Die Verbindung der Figur „Salomo“ mit dem Pharao der Exodus-Erzählungen entspricht einer etablierten These in der Erforschung des Alten Testaments. Dabei entsteht diese Verbindung wechselseitig. Pekka Särkiö beispielsweise hat überzeugend nachgewiesen, wie von Ex 1–2; 5 und 32 her Anklänge an die Figur „Salomo“ zu finden sind. Schon im Untertitel seiner Arbeit spricht er von „Erwägungen zur verdeckten Salomokritik“34. Amos Frisch sei exemplarisch für jene Autorinnen und Autoren genannt, die Exodusmotive in den SalomoErzählungen (und darüber hinaus in 1 Kön) ausgemacht haben.35 Charakteristisch dabei ist, dass unter den reichen motivischen und semantischen Verknüpfungen, die dort herausgearbeitet werden, kaum Belege aus 1 Kön 3 zu finden sind.36 Und wenn doch, dann unterstreichen sie keineswegs negativ konnotierte Salomobilder. So hat Pekka Särkiö herausgearbeitet, dass die Erzählung von Ex 1,15–2237 viele Ähnlichkeiten mit 1 Kön 3,16–28 aufweist.38 Der Pharao befiehlt den beiden Hebammen der Hebräerinnen, alle männlichen Geburten der Hebräerinnen zu töten (Ex 1,15–16). Die gottesfürchtigen Hebammen gehorchen nicht und reagieren mit einer Notlüge, als sie vom Pharao zur Rede gestellt werden (VV 18–19). Der lässt sich nicht milde stimmen und weitet die Adressatenschaft des Tötungsbefehls auf sein ganzes Volk aus (V 22). Zwar geht es in Ex 1,16 und in 1 Kön 3,25 jeweils um Geburten, um zwei Frauen und um den König, der einen Tötungsbefehl ausspricht.39 Anders als der Pharao aber revidiert Salomo sein Urteil bereitwillig und beharrt nicht auf seinem Tötungsbefehl. Wenn sonst Bezüge, die ein negatives Licht auf Salomo werfen, herausgearbeitet werden, dann geschieht das für 1 Kön 3 meist mit Verweis auf die Verschwägerungsnotiz in 3,1, also den einzigen expliziten Ägyptenbezug in 1 Kön 3. Über diesen werden dann Verbindungen konstruiert, die Salomo als pharaonischen Fronherrn erscheinen lassen. Christina Duncker weist darauf hin, dass auch die beiden nächstfolgenden Erwähnungen der Pharaonentochter im Salomo-Zyklus (1 Kön 7,8; 9,16.24) mit Bautätigkeiten Salomos zu tun haben.40 In 7,8 wird das eigene Haus erwähnt, das Salomo ihr baut. In Kapitel 9 werden die Bautätigkeiten Salomos dann ausdrücklich mit der Unterwerfung andersstämmiger Völker zu Fronarbeitern verknüpft. Mit Frondiensten für Pharaos Bauvorhaben jedoch wurde Israel in Ägypten geknechtet (vgl. Ex 1,11)!41 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Duncker, Salomo, 191; vgl. ferner Jeon, Re-evaluation, 36–39. Vgl. Särkiö, Exodus. Vgl. Frisch, Exodus. Amos Frisch untersucht dafür die Texte in 1 Kön 1–14. Amos Frisch etwa kommt ohne Verweis auf 1 Kön 3 aus (vgl. ebd.). Pekka Särkiö lässt den Abschnitt nur bis V 21 laufen (vgl. Särkiö, Exodus, 48), was den Pharao besser dastehen lässt. Die Unterschiede zu 1 Kön 3 treten dadurch weniger scharf zu Tage. Vgl. ebd. So auch Särkiö, Exodus, 48. So Duncker, Salomo, 190. Vgl. ebd.

212

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

So richtig diese Beobachtungen sind, so wichtig ist eben auch, dass im Salomo-Zyklus eine Entwicklung gezeichnet wird. Diese könnte weiter bis zu 1 Kön 11,1 betrachtet werden, wo die Pharaonentochter dann gar im Kontext von übermäßiger Polygamie und Fremdgötterkult erwähnt wird. In Kapitel 3 ist von einem eigenen Haus für die Pharaonentochter noch keine Rede, sie wird in die Davidsstadt gebracht, bis sie mit Salomo in dessen Haus ziehen kann (3,1). Über Fronarbeit oder gar Fremdgötterkult wird erst recht kein Wort verloren. Was bedeuten die Ergebnisse dieser Analyse nun für die Auswertung der Ägyptenmotive in 1 Kön 3? Ohne Frage sind die inhaltlichen und motivischen Verbindungen des Salomo-Zyklus zu den Exoduserzählungen von hoher Relevanz für das Verständnis der Texte und für das Verständnis der Figur Salomo. Für 1 Kön 3 muss aber festgehalten werden, dass diese Verbindungen und Verknüpfungen nicht entfaltet sind, sondern, mittels der Verschwägerung Salomos mit dem Pharao, nur angedeutet werden. So, wie die Erzählung in 1 Kön 3 weiter verläuft, muss keine Leserin, kein Leser bereits in 3,1 die „Schattenseiten der salomonischen Herrschaft“42 aufbrechen sehen.

E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv Um die Wendung „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9) angemessen erklären zu können, reichen weder die Perspektive eines „close reading“, noch die innerbiblischen Erklärungsversuche aus. Wie Hellmut Brunner nachgewiesen hat, ist die Wendung „hörendes Herz“ auch in ägyptischen Texten belegt.43 Die Wendung findet sich auf einer Statue im Karnak-Tempel, die aus der Zeit Amenophis III. stammt: „Ich bin ein wahrhaft Hervorragender unter allen Menschen, einer mit hörendem Herzen, wenn er einen Rat sucht bei Fremdartigem wie einer, dessen Herz dabei war.“44

Neben diesem expliziten Beleg lässt sich die Wendung „hörendes Herz“ breiter in der altägyptischen Literatur verorten. Wenngleich das Herz schon im Alten Testament ein überaus wichtiger und prominent vertretener Begriff ist, so scheint es in der altägyptischen Literatur eine noch größere und theologisch noch stärker aufgeladene Position zu haben.45 Es steht für das Prinzip der Konnektivität. 42 So die Deutung von Christina Duncker (vgl. ebd., 191). 43 Vgl. auch die Darstellung bei Rüterswörden, O, 269. Schon vor dem Beleg der Wendung „hörendes Herz“ in einer ägyptischen Quelle wurde auf die Nähe der Wendung zu ägyptischen Texten (besonders zur Lehre des Ptahhotep) hingewiesen, vgl. etwa Noth, Könige, 51; mit Verweis auf Brunner, Erziehung, 111.156. 44 Brunner, Herz, 4; vgl. auch den Hinweis bei Zenger, Herz, 41–42. 45 Vgl. Assmann, Anthropologie, 101; vgl. ferner Junge, Ptahhotep, 120. An dieser Stelle sei mit Verweis auf Emma Brunner-Traut darauf hingewiesen, dass diese so zentrale Stellung des Herzens in den altägyptischen Quellen nicht von allen Forscherinnen und Forschern angenommen wird (vgl. Brunner-Traut, Frühformen, 73).

E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv

213

Zunächst deshalb, weil es das die einzelnen Organe verbindende Blut durch den Körper pumpt. Daraus ergibt sich aber noch nicht die volle Bedeutung des Herzens, welches, auf sich allein gestellt, Trieben und Leidenschaften ausgeliefert ist. Der Mensch entsteht nicht einfach mit der Geburt, er bedarf der anderen Menschen, mit Hilfe derer das Herz seine soziale, seine konnektive Funktion entfalten kann. Jan Assmann formuliert: „Ein Mensch entsteht nach Maßgabe seiner konstellativen Entfaltung in der ,Mitwelt‘ seiner Familie, Freunde, Vorgesetzten, Abhängigen. […] Sitz der konnektiven Tugenden die dem einzelnen das Leben ermöglichen, […] ist dasselbe Organ, das ihm auch das Leben ermöglicht, indem es ihn als eine innere Vielheit von Aspekten und Konstituenten organisiert und koordiniert: das Herz. Von Natur aus ist das Herz der Sitz der Triebe und Leidenschaften. Durch Erziehung und Bildung wird es aber umgeformt in das Sozialorgan par excellence, und zwar als Organ des Verstehens im synchronen Raum der Sprache, der Kommunikation, des Aufeinander-Hörens, und als Organ des Gedächtnisses im diachronen Raum der Erinnerung und des Wartens, in der sozialen Zeit des Füreinander-Handelns.“46

In der Lehre des Ptahhotep47 findet sich der Ausdruck „hörendes Herz“ zwar nicht ausdrücklich, dennoch ist das Herz der Ort, an dem sich ein hörender Mensch von einem nicht hörenden Menschen unterscheidet. Dieses Hören ist dabei kein bloßes akustisches Wahrnehmen, sondern impliziert auch Konsequenzen für die Lebenspraxis. Auch in der Lehre des Ptahhotep ist dieses Hören mit der Gottesbeziehung des Menschen verbunden. Das Hören ist Geschenk Gottes, der Mensch antwortet mit seiner Bereitwilligkeit, dieses Geschenk anzunehmen: Wen Gott liebt, der kann hören, aber nicht kann hören, wen Gott verwirft. Es ist das Herz, das seinen Besitzer werden läßt zu einem Hörenden oder zu einem, der nicht hört. Leben, Heil und Gesundheit eines Menschen bestimmt also sein Herz. Ein (jeder) Hörer hört wohl, was gesagt wird, aber nur wer bereitwillig hört, handelt auch nach dem Gesagten.48

Der Idealzustand ist das lebendige oder wache Herz, es muss stimuliert und befestigt werden.49 In der Lehre des Ptahhotep findet sich eine Beschreibung des Alters, in der das Gegenteil der Fall ist: „Gebrechlichkeit ist entstanden, das Greisenalter eingetreten, Schwäche ist gekommen, die kindliche Hilflosigkeit kehrt wieder, die Kraft schwindet, denn müde ist mein Herz. Der Mund ist verstummt und spricht nicht mehr, die Augen sind trübe, die Ohren sind taub, das Schlafen fällt ihm schwer Tag für Tag; das Herz ist vergesslich, es erinnert sich nicht mehr an gestern.“50

46 Assmann, Anthropologie, 101–102. 47 „Die Lehre des Ptahhotep ist eines der zentralen Werke der ägyptischen Weisheitsliteratur […], die ihrerseits wiederum eine zentrale und vor allem auch konturenscharfe ägyptische Gattung oder Textsorte zu sein scheint.“ (Junge, Ptahhotep, 10). 48 Aus dem Epilog (Nr. 2) zur Lehre des Ptahhotep, zitiert nach Brunner, Weisheit, 129; vgl. auch den Hinweis bei Rüterswörden, 3/f, 259. Das Textbild von Hellmut Brunner wurde nicht übernommen. 49 Vgl. Assmann, Anthropologie, 102–103. 50 Lehre des Ptahhotep, zitiert nach Assmann, Anthropologie, 103.

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

214

Das wache, „hörende“ Herz, das für die Ma’at51 empfänglich ist, ist offenbar auch mit der Jugend verbunden. Neben dem Alter gibt es aber noch andere Gefährdungen für das wache Herz. Eine davon ist (wieder in der Lehre des Ptahhotep) die Sehnsucht, etwa durch Heimweh verursacht. Sie führt zu folgender Beschreibung: 52 „Ich wache, aber mein Herz schläft, mein Herz, es ist nicht in meinem Leib.“53

Auch Habgier ist der Ma’at nicht zuträglich:54 „Wenn du willst, daß deine Führung vollkommen sei, dann halte dich fern von allem Bösen und sei gewappnet gegen ein Vorkommnis von Habgier. Sie ist eine schwere, unheilbare Krankheit, die man nicht behandeln kann. Sie entfremdet Väter und Mütter samt den Vollbrüdern; sie vertreibt die Gattin. Ein Erwählen ist sie von allem Schlechten, ein Behältnis ist sie von allem Verwerflichen. Fortdauert hingegen der Mann, der der Ma’at entspricht und der fortgeht (stirbt) entsprechend seinem Gang. Er ist es, der dadurch ein Testament machen kann. Aber der Habgierige hat kein Grab.“55

Schließlich ist es krankmachende Liebe, die bei Ptahhotep ein Auseinanderfallen von Herz und Selbst bewirken kann:56 „Mein Herz hüpft eilends davon, wenn ich an deine Liebe zu mir denke. […] Mach mir, Herz, keinen Kummer! Warum handelst du so töricht? Warte gefaßt! Der Bruder kommt zu dir, dann will ich nach deinem Willen handeln. […] Mögest du fest bleiben, so oft du an ihn denkst, mein Herz, und nicht fortspringen!“57

Neben der Habgier erkennt der Oasenmann in seinen Klagen eine weitere Gefährdung für das Hören auf die Ma’at, die Trägheit:58 51 In den ägyptischen Texten, die hier zum Vergleich herangezogen sind, ist nicht von der Weisheit und auch nicht von der Gerechtigkeit als zentraler Kategorie die Rede, sondern von der Ma’at. Diesen Begriff könnte man mit Wahrheit oder Ordnung wiedergeben. „Ma’at ist etwas, was man sagt (Wahrheit) und tut (Gerechtigkeit).“ Ma‘at kann nur im Staat, also kollektiv, im Füreinander-Handeln verwirklicht werden. Die Erziehung der Menschen zur Ma’at ist die vornehmste Aufgabe der Weisheitsliteratur (so Assmann, Ma’at II, 632). An anderer Stelle formuliert Jan Assmann: „Die Ma`at-Lehre ist ,Religion‘, aber eine heidnische, sie ist weltbezogen, innerweltlich und umfassend; als In- und Oberbegriff aller Normen, Verpflichtungen und Axiome, die das menschliche Leben in den sozialen und politischen Ordnungen des Zusammenlebens steuern, deckt sie sich mit dem, was auch ,Kultur‘ genannt werden könnte, sie ist eine ,symbolische Sinnwelt‘, die alles Handeln und alle Ordnungen und Institutionen fundiert“ (Assmann, Ma`at I, 18). 52 Vgl. Assmann, Anthropologie, 103. 53 Wie Jan Assmann richtig bemerkt, liegt hier die genaue Umkehrung von Hld 5,2 vor, wo es heißt: Ich schlief, aber mein Herz wachte. In beiden Fällen liegt eine Dissoziation von Herz und Leib vor, einmal negativ, einmal positiv konnotiert. 54 Vgl. Assmann, Anthropologie, 109. 55 Lehre des Ptahhotep (zit. nach Assmann, Anthropologie, 104.). Bemerkenswert ist, dass auch Salomo (im Gegensatz zu David) kein Testament machen kann und sein Thronfolger nicht das ganze Reich erbt. 56 Vgl. ebd. 57 Ebd. 58 Die Quelle zum „Oasenmann“ stammt aus dem Mittleren Reich, gehört zur Gattung „Klagen“ und ist unter dem Namen „Die Klagen des Bauern“ überliefert (vgl. Assmann, Ma`at I, 58). Sie ist in ihrer Entstehung etwa zwischen den Jahren 2165 bis 1665 v. Chr., also in der 9.–14. Dynastie anzusetzen (vgl. Schenkel, Ägypten, 198).

E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv

215

„Es gibt kein Gestern für den Trägen, es gibt keinen Freund für den, der für die Ma‘at taub ist, es gibt kein Fest für den Habgierigen.“59

Das Nicht-Hören auf die Worte der Ma‘at wird auch wieder in der Lehre des Ptahhotep thematisiert, wo Verstocktheit oder Torheit als gleichbedeutend mit dem sozialen Tod beschrieben werden:60 „Der Tor aber, der nicht hört, für den wird nichts getan; Wissen sieht er als Unwissen an, Förderliches als Schädliches: Alles Schändliche tut er, so daß Klage geführt wird über ihn Tag für Tag.“

Die soziale Inkompetenz des Toren „isoliert ihn aus dem Gefüge des Füreinanderhandelns und Einanderleitens. Zum Leben gehört Aufgeschlossenheit für die leitenden Impulse der anderen. Solche Aufgeschlossenheit nennt der Ägypter „Hören“. Das Ideal ist das ,hörende Herz‘.“61

In 1 Kön 3,9 bittet Salomo um ein hörendes Herz, aber nicht als Privatmann, sondern als König für dessen spezifische Aufgaben: So wollest du geben deinem Knecht ein hörendes Herz, um zu regieren dein Volk, um zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, denn wer ist fähig zu regieren dieses dein gewichtiges Volk?

Im ägyptischen Vokabular gesprochen könnte man also sagen, er bittet um ein hörendes Herz, um Ma‘at zu hören, zu sprechen und zu tun. Das ist auch in Ägypten Aufgabe des Königs. Dieser spricht den Menschen Recht und hilft so, die Wahrheit zu verwirklichen.62 Nicht aber, indem Gesetze blind umgesetzt würden, es geht um ein Richten unter Ansehung der konkreten Personen, ein Herstellen von Gerechtigkeit durch Schlichtung von Streit und Zwietracht.63 In der Erforschung der Wendung „hörendes Herz“ in ihrer alttestamentlichen Ausprägung ist jedoch auch auf die Grenzen der Erklärungsmöglichkeiten mit ägyptischen Texten hingewiesen worden. So liegt für Manfred Görg eine unterschiedliche „Zielsetzung“ im ägyptischen und im alttestamentlichen Gebrauch vor. Während im ägyptischen Kontext das „Hören“ vor allem mit „individual-ethischen Kategorien faßbar“64 sei, sei in der alttestamentlichen Bitte um ein „hörendes Herz“ „das Wissen um die Verantwortung für das Volk Jahwes zu erkennen“65. In der hier im Anschluss an Jan Assmann vorgelegten Darstellung, die sich vorrangig auf Texte aus der Lehre des Ptahhotep stützt,

59 Assmann, Anthropologie, 108–109. Habgier wird in 1 Kön 3 nicht direkt thematisiert. Indem Gott in der Traumoffenbarung aber mögliche Wünsche formuliert und gutheißt, dass Salomo sich diese nicht erbeten hat (V 11) – unter diesen befindet sich auch „Reichtum“ (:f˜ œ3v ) – kann gefolgert werden, dass Habgier in 1 Kön 3 als Gefahr für das hörende Herz angesehen wird. Nur, weil Salomo nicht nach Reichtum strebt, kann er ihn geschenkt bekommen (V 13). 60 Vgl. Assmann, Anthropologie, 108–109. 61 Ebd., 109. 62 Vgl. ebd., 114. 63 Vgl. ebd., 115. 64 Görg, Gott-König-Reden, 87. 65 So ebd.; vgl. auch den Hinweis bei Rüterswörden, 3/f, 269.

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

216

dürfte über das Prinzip der „Konnektivität“ aber auch für die ägyptischen Texte der soziale Bezug deutlich geworden sein.66 Insgesamt ermöglicht die hier dargelegte Einordnung der Wendung „hörendes Herz“ in ihren ägyptischen Kontext ein viel weiteres Verständnis von 1 Kön 3,9, welches so mit rein innerbiblischen Textvergleichen nicht erreichbar gewesen wäre.67 Was Salomo sich wünscht, ist mit einzelnen Qualifikationen wie „Weisheit“, „Regierungsfähigkeit“ oder „gerechtes Richten“ nicht zu erfassen. Vor diesem Hintergrund ist es überaus sachgemäß, wenn Salomo in V 9 nicht einen, sondern mehrere Anläufe zur Begründung seiner Bitte nimmt.

E 7 Wenn Thronfolger träumen … Nicht nur explizite Formulierungen und Beobachtungen zu motivischen Elementen weisen in 1 Kön 3 nach Ägypten. Für die „Erzählung von Opfer und Traum“ (VV 4–15) lässt sich auch ein formaler Ägyptenbezug ausmachen. Die am häufigsten gemachte Gattungszuweisung für das kleine Stück drückt Martin Noth folgendermaßen aus: Im „Hintergrund dieser Erzählung steht der literarische Typ der ägyptischen ,Königsnovelle‘ ,deren Wesen darin besteht, daß im Rahmen eines herkömmlichen, im einzelnen abwandelbaren Schemas erzählt wird, wie der Pharao wichtige Erfahrungen und Entschlüsse im Kreis seiner versammelten Würdenträger bekannt gibt. Vergleichbar mit der Erzählung von 1 Kön 3 ist vor allem die nach dem Schema der Königsnovelle gestaltete Inschrift Thutmoses IV. (1413–1405 v. Chr.) auf der sogenannten ,Sphinx-Stele‘, in der berichtet wird, wie Thutmose, als er noch nicht König war, einmal im Schatten der großen Sphinx von gƯze einschlief und wie der in der Sphinx gegenwärtige Gott ihm im Traum seine künftige Königsherrschaft ankündigte, woraufhin Thutmose sofort zur Königsresidenz eilte, um dort ein großes Opfer darzubringen.“68

Noth greift damit die grundlegenden Arbeiten von Alfred Hermann und Siegfried Herrmann zurück.69 Für Siegfried Herrmann liegen deutliche Gemeinsamkeiten zwischen 1 Kön 3,4–15 und der genannten Sphinxstele vor, so dass er festhält, dass

66 Auch für Manfred Görg ist die individualethische Komponente des Hörens in der Lehre des Ptahhotep noch nicht ausgereift, sondern entwickelt sich später (vgl. Görg, GottKönig-Reden, 87). 67 Im Alten Testament kann das Herz als Zentralinstanz im Menschen in verschiedener Hinsicht gezeichnet werden. Thomas Krüger weist darauf hin, dass die verschiedenen Instanzen (emotional, intellektuell, moralisch) nicht zwangsläufig verbunden sein müssen. Das Herz hätte demnach keine universell-zentrale Funktion zwischen den verschiedenen Instanzen (vgl. Krüger, Herz, 109). 68 Noth, Könige, 46. 69 Für den Begriff „Königsnovelle“ und die entsprechende Gattungsbestimmung für 1 Kön 3 verweist Martin Noth auf Herrmann, Königsnovelle, 53–57; vgl. bereits Hermann, Königsnovelle, 11.

E 7 Wenn Thronfolger träumen …

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„beide Texte aus den möglichen festen Topoi der Königsnovelle die gleiche Auswahl getroffen haben.“70.

Einige Elemente in 1 Kön 3, so etwa den „in den Versen 6 bis 8 eingeschobene[n, MN] Preis der Gottheit“, meint Herrmann nur aus einem „Stilzwang heraus sachgerecht erklären“ zu können.71 Auch im ägyptischen Vorbild, darauf weist Keith Whitelam hin, fände die Traumoffenbarung im Anschluss an ein Opfer in einem etwas von der Hauptstadt entfernten Heiligtum statt.72 Demnach könnte Gibeon einfach deshalb ausgewählt worden sein, um dem ägyptischen Gattungsmuster formal besser zu entsprechen. Die Eignung Gibeons für diesen Zweck ist auf Grund der in der Textanalyse beschrieben Bedeutung dieser Höhe nicht zu bestreiten.73 Ein weiteres Detail von der genannten Sphinxstele ist für die Auslegung von 1 Kön 3 bemerkenswert. Thutmose ist noch nicht König, ihm wird das Königtum zugesprochen. Salomo sitzt bereits auf dem Thron und wird als König bezeichnet, dennoch scheint der Prozess des Königwerdens noch nicht abgeschlossen zu sein.74 Die Bestimmung des Stücks als Königsnovelle nach ägyptischem Vorbild ist auch bestritten worden. Pekka Särkiö etwa plädiert gegen die Gattungszuweisung als Königsnovelle. Es gäbe zwar gemeinsame Elemente (Schlafen am heiligen Ort, Erscheinung Gottes, nachfolgendes Opfer), aber auch Unterschiede. Salomo ginge, um zu opfern, Thutmosis schliefe zufällig am verlassenen Kultort ein. Salomos Königtum werde nicht infrage gestellt, Jahwe stellt ein Bitte frei, Salomo äußert eine Bitte. Die Sphinxgottheit Khepri stelle sich als Unbekannte vor und kündigt Thutmosis das Königtum an, der nichts davon wusste; Thutmoses grübe die Sphinx aus und belebe den Kult wieder; bei Salomo gäbe es keine Ätiologie.75 Särkiö möchte den Text im Rahmen der alttestamentlichen Traumoffenbarungen verstehen, wo 1 Kön 3 besonders der Audition Samuels in 1 Sam 3 nahestehe (Verb 0' in 1Sam 3,8 und 1Kön 3,9; Thema Hören in beiden Erzählungen).76 Auch zur Josefsnovelle gebe es Verbindungen.77 Ein „Stilzwang“ kann mit Blick auf die VV 6–8 schon deswegen nicht erkannt werden, weil die Verse in der vorliegenden Arbeit als integraler Bestandteil von 1 Kön 3 dargestellt werden konnten.78

70 Herrmann, Königsnovelle, 125–126. Am meisten falle Siegfried Herrmann zufolge der Verzicht auf einen Dialog des Königs mit der Beamtenschaft auf, der sonst in ägyptischen Texten üblich sei (vgl. ebd., 126). 71 So ebd., 127. 72 Thutmose IV opfert in Gizah, die Hauptstadt ist Memphis, vgl. Whitelam, Kings, 156. 73 Vgl. die Auslegung von V 4 ab S. 77. 74 Vgl. dazu in der Textanalyse die Auslegung von 3,28–4,1 ab S. 125. 75 So Särkiö, Weisheit, 30. 76 Vgl. ebd., 32. 77 Pekka Särkiö nennt in diesem Zusammenhang das wörtlich gleiche Schildern des Aufwachens (Gen 41,7; 1 Kön 3,15), das wörtlich gleiche Schildern des Festmahls (Gen 41,37; 1 Kön 3,15), Jahwes Antwort auf Salomos Bitte, die ähnlich der des Pharao auf Josefs Rat (Gen 41,37; 1 Kön 3,10) ist, sowie das gemeinsame Begriffspaar 0' / -)% (Gen 41,33.39) (vgl. ebd.). 78 Vgl. die Darstellung der Struktur von 1 Kön 3 ab S. 136.

218

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

Welche Position ist nun zu beziehen? Liegt in 1 Kön 3 ein Beispiel für eine Adaption des Gattungsschemas der ägyptischen Königsnovelle vor oder nicht? Da ist zum einen die Form des Stückes, das an die Gattung der ägyptischen Königsnovelle erinnert, andererseits aber ohne diesem Gattungsschema dabei bis ins Letzte treu zu bleiben. In der Formulierung von Martin Noth, dass es um das Wesen eines „herkömmlichen, im einzelnen abwandelbaren Schemas“ geht, ist die notwendige Offenheit zur Lösung der Debatte m. E. bereits vorgezeichnet.79 Helen A. Kenik formuliert: „The Dtr surely made use of the structural design usually found in the Königsnovelle […]. The borrowing of a formal structure of a genre, however, does not constitue an appropriation of the genre.“80

Keinesfalls darf die Erwägung der Nähe von 1 Kön 3,4–15 zu der möglichen Gattung „Königsnovelle“ dazu führen, die eigenständigen Schwerpunkte von 1 Kön 3, wie ihre Betonung weisheitlicher Topoi auch jenseits ihrer Verbindung mit dem Königtum, zu übersehen.81 Schließlich haben die etwa bei Alfred Hermann gelisteten Vertreter der Gattung „ägyptische Königsnovellen“ einen gemeinsamen Unterschied zu 1 Kön 3: es handelt sich eben um ägyptische Texte, nicht um hebräische.82

E 8 Warum Ägypten? Zur Funktion der Ägyptenmotive Die vorgestellten Ägyptenbezüge aus 1 Kön 3 sind in ihrer Summe zu dicht, als dass man sie in der Auslegung einfach beiseite schieben könnte. Der Text lebt wesentlich von den dem expliziten Bezug und den impliziten Anklängen, die ihn mit „Ägypten“ verbinden. Zugleich muss bei den „Ägyptenmotiven“ hinsichtlich ihrer Art unterschieden werden. Nach ihrer Funktion kann nur bei solchen Ägyptenmotiven gefragt werden, die für die Leserin, den Leser auch erkennbar sind. Selbstverständlich ist dies für die in 1 Kön 3,1 erzählte Verschwägerung Salomos mit dem Pharao oder für die gemeinsamen Klänge von 1 Kön 3 und der (ägyptisierenden) Josefsnovelle möglich. Was etwa Gemeinsamkeiten mit altägyptischen Texten betrifft, so sind diese für die Leserin, den Leser nicht zwangsläufig als „Ägyptenbezüge“ erkennbar. Bei den erkennbaren Bezügen bleibt die Frage: Um welches „Ägypten“ geht es? Wofür steht diese Chiffre?

79 Für eine differenzierte Sicht wirbt auch Martin J. Mulder (Mulder, Kings, 140). Im besprochenen Text von 1 Kön 3 werden nicht nur ägyptische Parallelen ausgemacht, in der Forschungsdiskussion werden viele Bezüge nahezu in den gesamten Alten Orient vorgeschlagen (vgl. die Diskussion bei Carr, D to Q, 10–11; vgl. ferner Wälchli, Salomo). Die Beschränkung auf die Diskussion des vorgschlagenen ägyptischen Gattungsschemas hängt mit dem Interesse der vorliegenden Arbeit an den Ägyptenbezügen zusammen. 80 Kenik, Design, 31. 81 Vgl. Cogan, Kings, 191. 82 Vgl. Hermann, Königsnovelle, 9–11.

E 8 Warum Ägypten? Zur Funktion der Ägyptenmotive

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Welche Wirkung auf die Leserin, den Leser soll sich durch die Ägyptenbezüge einstellen? Diese Frage kann nicht isoliert für einen Text beantwortet werden. Exemplarisch ist das für 1 Kön 3 bereits dadurch deutlich geworden, dass die unterschiedlichen biblischen Bezüge, die die Ägyptenmotive in 1 Kön 3 herstellen (etwa an den Pharao der Exodus-Erzählungen [Ex 1–15] oder an den völlig anders konnotierten Pharao der Josefsnovelle Gen 37–50), diskutiert worden sind. Dieser Gegensatz ist nicht nur für 1 Kön 3, er ist für das (ambivalente) Ägyptenbild des Alten Testaments bestimmend.83 Ägypten ist einerseits „Land der Unfreiheit“84, andererseits lebensrettender Zufluchtsort für die Sippe Jakobs (vgl. Gen 47,27). Dabei ist das Verhältnis zu Ägypten für Israel kein randständiges Feld, es „ist ein Grundthema des Alten Testaments“85. In dieser Bipolarität und Ambivalenz müssen zunächst auch die Ägyptenmotive in 1 Kön 3 wahrgenommen werden. Ein namenloser Pharao klingt nicht nur nach Knechtschaft und Fronarbeit,86 er klingt auch nach dem beeindruckenden Aufstieg Josefs, nachdem dessen Brüder ihn in die Knechtschaft verkauft hatten. Ägyptenbezüge zeigen damit auch Handlungsoptionen auf, die sich in dieser großen Spannbreite bewegen. Natürlich steht Salomo ob seiner Befähigung und seiner Machtfülle in der Gefahr, für Israel zu einer pharaonischen Gestalt zu werden, die ihr eigenes Volk versklavt.87 Salomo hat aber auch die Option, wie Josef zu handeln, der ebenfalls eine ägyptische Frau aus gutem Hause heiratet (vgl. Gen 41,45). Dazu muss er, weil er, wie Josef, die Macht dazu hat, für Israels Wohlergehen sorgen. Ob die Figur Salomo sich nun insgesamt in diese oder in jene Richtung entwickelt, lässt sich in einer an 1 Kön 3 ausgerichteten Studie nicht klären. Wohl aber lässt sich festhalten, dass beide Optionen offenstehen. Sie sind in 1 Kön 3 nicht zuletzt durch die zahlreichen Ägyptenbezüge angeklungen.88

83 Vgl. Görg, Beziehungen, 1. 84 Ebd. 85 Ebd. Bei der Konstruktion dieser unterschiedlichen Ägyptenbilder in den Büchern Genesis und Exodus muss allerdings beachtet werden, dass Josefserzählung und Exoduserzählung in ihrer heutigen Gestalt eine gewisse Einheit bilden und es durchaus verbindende Elemente gibt (vgl. z. B. Kessler, Ägyptenbilder, 142). Rainer Kessler möchte von einer zu starken gegenseitigen Profilierung der Königsbilder der beiden Erzählkomplexe daher Abstand nehmen (vgl. ebd.). 86 Gegen Walter Brueggemann, der formuliert: „All Pharaohs are the same in Israelite imagination, and they are all a threat to Israel. But now, through the wedding, they have become ,family‘. Solomon has allied himself with Pharaoh, the antithesis of everything Israelite. [...] The marriage signals Solomon’s deliberate departure from what traditional Israel treasured the most. The remainder of vv. 1b–2 may be only a note to indicate that this marriage is situated in the pre-temple phase of Solomon’s administration. Because there was no temple, of course they worshiped elsewhere in shrines called ,high places‘.“ (Brueggemann, Kings, 45). 87 So etwa Duncker, Salomo, 191. 88 Inwiefern allein die mehrfachen Nennungen der Pharaonentochter in verschiedenen Kontexten im Salomo-Zyklus eine Entwicklung darstellen, die sich in 1 Kön 3 noch nicht erkennen lässt, zeigt auch Andreas Kunz-Lübcke (vgl. Kunz-Lübcke, Salomo, 171–172).

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

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E 9 Historische Rückfrage Zunächst soll an dieser Stelle versucht werden, die Bezüge zum Exodusmotiv, die in diesem Kapitel besprochen worden sind, in ein diachrones Verhältnis zu 1 Kön 3 zu bringen. Rainer Kessler meint, die im Nordreich verortete Exodustradition sei wesentlich vom „Exodus“ der Nordstämme aus dem davidisch regierten Großreich beeinflusst: „Das Ägyptenbild dieser Exodusüberlieferung speist sich nicht aus Erfahrungen mit dem realen Ägypten und einem realen Pharao – es wird ja auch keiner beim Namen genannt –, sondern aus Erfahrungen der Nordstämme mit den Daviden.“89

Damit wäre ein weiterer Wegmarker für die Interpretation von 1 Kön 3 gesetzt. Problematisch an dieser These erscheint, dass sie die Existenz eines zentralisierten davidisch-salomonischen Großreiches voraussetzt, aus dem die Nordstämme hätten ausscheiden können. An dieser Stelle soll nicht behauptet werden, dass es so etwas nicht gegeben hätte. Ohne tiefer in diese Diskussion einzusteigen, sei aber an das mehrfach formulierte Diktum erinnert, wonach historisch zuverlässige Aussagen über die Regierungszeit Davids und Salomos kaum mehr zu verantworten sind. Nach Stuart Lasine muss derjenige, der Bezüge zwischen 1 Kön 3 und Texten aus der Umwelt des Alten Testaments herstellt, Stellung zu der Frage beziehen, wie er sich das Zustandekommen dieser Bezüge erklärt.90 So sinnvoll diese Forderung auch erscheint, so schwer ist sie zu erfüllen. Die Bewertung literarischer Abhängigkeiten zwischen alttestamentlichen und altägyptischen Texten ist ein ganz eigenes Forschungsfeld, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht bewältigt werden kann. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass es für solche Abhängigkeiten verschiedene Denkmöglichkeiten gibt. Die erste Möglichkeit besteht darin, direkte literarische Abhängigkeiten zu beschreiben. Dazu müssen die beiden Texte zunächst in ihrer Entstehungszeit datiert werden, um die Richtung der möglichen Abhängigkeit der Texte (welcher ist von welchem abhängig?) zu eruieren. Neben dem genauen Herausarbeiten der betreffenden Textelemente gilt es dann noch, einen möglichen historischen Anlass dieses Zustandekommens zu eruieren. Die zweite Möglichkeit besteht darin, Gemeinsamkeiten von Texten mit einem gemeinsamen kulturellen Hintergrund zu erklären.91 Dabei ist es entweder so, dass beide Texte in einem gemeinsamen kulturellen Kontext entstanden sind, oder so, dass ein Text den kulturellen Kontext des anderen geprägt hat. Wer immer sich überlegt hat, dass sich Salomo gerade ein hörendes Herz wünschen soll, der muss nicht frisch von einer Studienreise aus Karnak zurückgekehrt sein. Seine Adaption des Motivs kann durchaus eine bereits israelitisch / judäisch geführte Diskussion widerspiegeln, die ihrerseits von altorientalischen Texten und deren kulturellen Zusammenhängen beeinflusst war.92 89 90 91 92

Kessler, Ägyptenbilder, 100. Vgl. Lasine, King, 91. Zu diesem Ansatz vgl. Scherer, Proverbia, 180. Vgl. dazu die Ausführungen bei Kenneth A. Kitchen, der über die Salomo zugeschriebenen Teile in Spr und ihre Beziehungen zu ägyptischen Texten schreibt (Kitchen, Egypt, 120–121).

E 9 Historische Rückfrage

221

Eine weitere Ausformung der „historischen Rückfrage“ kann es sein, nach den Gründen zu fragen, warum Texte bei bestimmten anderen Texten Anleihen nehmen. So ist deutlich geworden, dass es bestimmte Ähnlichkeiten zwischen dem im hörenden Herzen kulminierenden Weisheitskonzept und Teilen der Lehre Ptahhoteps gibt. Die Zeit, die die Kulisse für die Salomo-Erzählungen bildet, ist die Zeit der Staatenbildung, in der sich Israel und Juda als politische Größen formieren. Einer der Könige dieser Zeit, Salomo, wird dabei zur Musterfigur des weisen Königs stilisiert,93 der später auch als Autorität für andere biblische Weisheitsbücher herangezogen wird. Warum ist es gerade die Lehre des Ptahhotep, die eine gewisse Nähe zum Weisheitskonzept in 1 Kön 3 (und selbstverständlich zu den damit sinnverwandten biblischen Texten, etwa im Buch der Sprichwörter) hat?94 Die Entstehungsgeschichte der Lehre des Ptahhotep könnte einen kleinen Hinweis zur Beantwortung dieser Frage geben. Friedrich Junge, der die Lehre des Ptahhotep in die Zeit des Mittleren Reiches (2040–1650 v. Chr.; 11.–13. Dynastie)95 datiert, formuliert: „Auf dem Hintergrund der inneren Entwicklungen Ägyptens, die über lange Zeit von Kleinherrschaften und Partikularinteressen bestimmt waren, ist der Staat des Mittleren Reiches nun ein Staat der legitimen Gewalt, der – zum ersten Mal in der ägyptischen Geschichte – das Gewaltmonopol des Staates durchsetzt. Mittel dazu sind entschiedene Zentralisierung und Aufbau einer leistungsfähigen Administration. […] Diese Neuordnung des Herrschaftsverbandes […] hat einen hohen Bedarf an Personen, die gleichzeitig loyal und im Handeln selbständig, die fähig, diszipliniert und verantwortungsbewusst sind – mit einem Wort: Personen, wie sie Ptahhoteps Lehre zu bilden sich bemüht.“96

Auch für Salomo werden die Etablierung eines Staatswesens, einer guten Rechtspraxis und die Förderung der Weisheit und Wissenschaft am Hof beschrieben. Könnte es möglicherweise mehr als ein Zufall sein, dass gerade sein Name zum Garanten einer Weisheit wird, die in einigen Teilen auch der Lehre des Ptahhotep ähnelt? Haben in Israel möglicherweise ähnliche Umstände wie im Mittleren Reich geherrscht, als man begann, sich für derartige Weisheitslehren zu interessieren? Für das Verständnis der Ägyptenbezüge in 1 Kön 3 ist aus historischer Sicht nicht allein die Entstehungszeit der Texte relevant. Auch die Rezeptionsseite hat die Aufmerksamkeit der Auslegenden verdient. Zur bipolaren Gestalt des möglichen Assoziationsfeldes der Chiffre „Ägypten“ waren bereits einige Gedanken aus synchroner Perspektive angestellt worden. Diese Gedanken können genauso in ein historisch-kritisches Frageformat überführt werden. Ägypten ist für die kleinen, wirtschaftlich und militärisch wenig potenten Staaten der südlichen Levante ein bleibender Bezugspunkt. Ägypten ist die Großmacht im Süden. Der Einfluss, den 93 Zu Salomo „as a key figure in the transition of the community of Israel from the primitive to the urban“; vgl. Brueggemann, Solomon, 111. 94 Zur Nähe von 1 Kön 3,9 in Verbindung mit Spr 15,28–32 und der Lehre des Ptahhotep vgl. Scherer, Proverbia, 180–181. Andreas Scherer geht von einem gemeinsamen kulturellen Hintergrund der Texte aus. 95 So Assmann, Ägypten, 33. 96 Junge, Ptahhotep, 150–151.

222

E Ägyptenmotive in 1 Kön 3

Ägypten auf diese Staaten, so auch auf Israel und Juda ausüben konnte, war deutlichen Schwankungen unterworfen. Das hing mit der je aktuellen politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Stärke Ägyptens zusammen. Welchen Klang Ägyptenmotive in biblischen Texten haben, variiert dementsprechend ebenfalls. Wird Ägypten in der Gegenwart der Leserin, des Lesers als bedrückende Großmacht empfunden, die militärischen Druck ausübt, so klingen Ägyptenmotive bedrohlich. Dann wird das ägyptische Sklavenhaus eine reale Bedrohung. Dann ist die Verschwägerung Salomos mit dem Pharao ein Zeichen der Unterwerfung Salomos unter den neuen Schwiegervater und für Israel ein unheilvolles Signal.97 Salomo hätte sich durch diese Heirat zu einer Art Vasall des ägyptischen Herrschers degradiert. Ein Beispiel für eine solche Zeit ist die Regierungszeit Joschijas von Juda (639–609 v. Chr.).98 Weil der assyrische Druck auf die Levante schwächer wird (und vielleicht auch wegen eines möglichen Abkommens zwischen Assur und Ägypten) kann Ägypten seinen Expansionswillen nach Norden verwirklichen.99 Der Einsatz dieser Politik ist mit dem Namen des Pharaos Psammetich I. (664–610 v. Chr.) verbunden.100 Die Bedrängung, die man durch Ägypten erfahren hat, kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass Joschija „in Megiddo […] durch [Psamettichs Nachfolger, MN] Pharao Necho II. seinen Tod fand (2Kön 23,29f).“101

Stellt man sich Ägypten in den Augen der angezielten Rezipienten eher als geschwächte Macht vor, die in Kanaan keinen Einfluss mehr ausüben kann, sind die Ägyptenmotive wenig furchteinflößend. Viel eher könnten sie einen leicht triumphalen Unterton haben, etwa nach dem Motto: Der Exodus ist geglückt, vor euch brauchen wir sicher keine Angst mehr haben. In der Literatur zu 1 Kön 3 wird im Zuge der Diskussion um die Historizität der Hochzeit Salomos mit einer ägyptischen Prinzessin häufig eine ägyptische Quelle angeführt, nach der eine ägyptische Königstochter nie an einen ausländischen Herrscher vergeben worden sei.102 Vor diesem Hintergrund könnte die Hochzeit Salomos eine judäische Leserin, einen Leser mit Stolz erfüllen. Ein Beispiel für eine solche Zeit, in der Juda (allerdings auch durch treue Vasallität gegenüber Assur) keine große Furcht vor ägyptischen Übergriffen haben muss, könnte die Regierungszeit Manasses (696–642 v. Chr.) sein.103

97 98 99 100 101 102

So etwa Walsh, Kings, 70. Regierungszeit nach Frevel, Grundriss, 767. Vgl. ebd., 790. Vgl. ebd. Berlejung, Geschichte, 120. Die Rede ist von den El-Armana-Tafeln, wo auf einen Ausspruch des Pharaos Amenophis III. verwiesen wird, vgl. Mulder, Kings, 132. 103 Vgl. Frevel, Grundriss, 786–787.

F Ironie in 1 Kön 3? In der Einleitung zu dieser Arbeit wurde ein Ansatz in der Erforschung der Salomo-Erzählungen in 1 Kön 1–11 vorgestellt, der wesentliche Teile dieser Texte mit dem Verweis auf den Gebrauch von „Ironie“ auszulegen versucht.1 Entgegen dieser Tendenz hat die vorliegende Studie mögliche Lektüren zu 1 Kön 3 erarbeitet, die ohne den Verweis auf „Ironie“ auskommen. Im Anschluss an diese Lektüren soll in diesem Abschnitt nach dem möglichen Gebrauch von Ironie in 1 Kön 3 gefragt werden. Dafür werden exemplarische Aussagen aus 1 Kön 3 reflektiert, in denen von verschiedenen Auslegerinnen und Auslegern der Gebrauch von Ironie diagnostiziert wird („F 2 Ironie in 1 Kön 3?“). Vorab stehen hinführende Gedanken zum Phänomen „Ironie“ im Alten Testament insgesamt sowie zu den Ironiekonzepten einiger ausgewählter Auslegerinnen und Ausleger („F 1 Ironie in der (alttestamentlichen) Literatur“).

F 1 Ironie in der (alttestamentlichen) Literatur Ironie und ironische Redensarten im Alltag zu verstehen bzw. angemessen zu platzieren, birgt häufig Schwierigkeiten in sich. Sicher hat jede und jeder Situationen erlebt, in denen der Versuch, eine ironische Bemerkung unterzubringen, kläglich gescheitert ist. In der Folge werden dann einige Erklärungen fällig, um das entstandene Missverständnis auszuräumen. Dieses alltagsweltliche Beispiel illustriert, wie schwer zugänglich das Phänomen „Ironie“ ist. Dies gilt schon für die mündliche Kommunikation, wo neben dem reinen Gesprochenen auch noch Mimik und Gestik der Sprecherin, des Sprechers auswertbar sind. Wieviel mehr muss das für Ironie in der Literatur gelten. Wird die Frage nach dem möglichen Gebrauch von Ironie in literarischen Texten gestellt, die vor weit mehr als 2000 Jahren verfasst worden sind und die aus einem kaum mehr rekonstruierbaren sozialen und kulturellen Raum stammen,2 ist die Problemstellung bei der Suche nach Ironie in alttestamentlichen Texten bereits angedeutet. In der griechischen Antike hat man sich der ironischen Rede bedient, das belegt allein schon die Existenz des Verbs ¼ÀÉÑżÍÇĸÀ („sich im Reden verstellen, es anders meinen, als man sagt, spotten“).3 Für das sprachliche und kulturelle Entstehungsumfeld der Hebräischen Bibel ist dieser Aufweis nicht so einfach zu führen. Natürlich existieren Konzepte zur Identifizierung von Ironie in literarischen Texten. Ein häufig diskutierter Ansatz ist etwa der Ansatz von Hannele 1 2 3

Vgl. in der Einleitung zu dieser Arbeit S. 11. Vgl. Willmes, Koheletbuch, 49. Zur Bedeutung des Verbs s. ebd., 23; vgl. ferner Japp, Ironie, 287–288 und Lapp, Ironie, 28–24.

224

F Ironie in 1 Kön 3?

Kohvakka.4 Kohvakka geht davon aus, dass ironische Texte sich logisch argumentierend präsentieren, die Logik aber partiell mit bewusster Unlogik durchbrechen.5 Solche „Unlogiken“ ließen sich genauer spezifizieren: „Verstöße erstens gegen lexikalisches Wissen, zweitens gegen allgemeine Regeln der Logik, drittens gegen enzyklopädisches Wissen und viertes gegen Bewertungsnormen.“6

Für alttestamentliche Texte ergeben sich bei einem solchen Vorgehen zwei kritische Punkte. Zum einen kann Ironie nicht textimmanent, also aus dem Text heraus, erkannt werden. Vielmehr wird ein bestimmtes Verständnis von Ironie definiert, welches dann in der Folge mit verschiedenen Texten abgeglichen wird. Möglich bleibt, dass Judäerinnen und Judäer vor zweieinhalbtausend Jahre andere Formen und sprachliche Signale hatten, um „sich im Reden zu verstellen“. Zum anderen geht Kohvakka davon aus, dass „enzyklopädisches Wissen und Bewertungsnormen“ hinsichtlich der zu untersuchenden Texte bekannt seien. Das bedeutet für historische Texte nichts anderes, als dass entweder heutige Maßstäbe angelegt werden – die dann festgestellte Ironie könnte also auch nur aus Sicht heutiger Rezeption als Ironie bezeichnet werden – oder aber, dass die zu verwendenden Maßstäbe erst von der Exegetin, dem Exegeten geschaffen werden müssten. Letzteres müsste dergestalt geschehen, dass dem auszulegenden Text weitere Texte beigesellt würden, die einen Kontext für den auszulegenden Text bildeten.7 Aus diesem Kontext heraus könnte der auszulegende Text dann ironisch wirken. Die Kreierung eines solchen Kontextes wäre freilich wieder ein Werk der Auslegerin, des Auslegers. In anderen Kontexten könnten als ironisch qualifizierte Textpassagen eine gänzlich andere Wirkung hervorrufen. In einer Reihe von Publikationen zum Thema Ironie in den SalomoErzählungen wird exakt so vorgegangen. Man definiert beispielsweise „die Salomokomposition“8 oder „das deuteronomische Gesetz“9 als Kontext, aus dem heraus dann einzelne Aussagen, beispielsweise in 1 Kön 3, als ironisch qualifiziert werden können. Dieses Vorgehen muss keineswegs zurückgewiesen werden. Nur ist es ebenso legitim, wenn in anderen Auslegungen andere (wohl begründete) Kontexte entworfen werden, innerhalb derer bestimmte Textpassagen einen völlig neuen Klang erhalten. Die bibelwissenschaftlichen Beiträge, die in Texten aus dem Salomo-Zyklus Beispiele für den Gebrauch von Ironie finden, gehen methodisch und, besonders was ihre Vorstellung von „Ironie“ betrifft, sehr unterschiedlich vor. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass „irony“ und gebräuchliche Äquivalente in 4 5 6 7 8 9

Vgl. Kohvakka, Ironie; vgl. ferner die Diskussion bei Duncker, Salomo, 109 oder bei Willmes, Koheletbuch, 50–51. Vgl. Kohvakka, Ironie, 205; vgl. ferner den Hinweis bei Willmes, Koheletbuch, 50. Kohvakka, Ironie, 70. Wenn Edgar Lapp für literarische Ironie ganz selbstverständlich schreibt, sie beruhe „auf der variierenden Nachahmung einer Vorlage“ (Lapp, Ironie, 170), ist genau diese Kontextbezogenheit vorausgesetzt. So bspw. bei Hays, Solomon, 161–162. Vgl. etwa Brueggemann, Solomon, 147; vgl. ferner Sweeney, Kings, 72–83.

F 1 Ironie in der (alttestamentlichen) Literatur

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englischsprachigen Publikationen nicht einfach gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff „Ironie“ sind. Nachfolgend wird der Umgang zweier Autoren und einer Autorin mit dem Phänomen „Ironie“ skizziert, wodurch die Vielstimmigkeit dieser Ansätze deutlich wird. Nach Walter Brueggemann geht es in den Salomoerzählungen um das Zusammenspiel von theologischer Funktion und ironischer Artikulation. Er drückt das mit den Worten von Gail R. O`Day aus: „Despite its appearent attempts to conceal meaning, irony is a mode of revelatory language. It reveals by asking the reader to make judgements and decisions about the relative value of stated an intended meanings, drawing the reader into its vision of truth, so that when the reader finally understands, he or she becomes a member of the community that shares that vision, constituted by those who have followed the author’s lead.“10

Konkret für 1 Kön 3 bietet sich nach Brueggemann ein weiterer methodischer Schritt zur Identifizierung von ironischen Stimmen an: Der Blick auf 2 Chr 1. In seiner Salomomonographie nennt Brueggemann das Kapitel über die Chronikbücher „Chronicles: Solomon Glorious, One-Dimensional, Minus Irony“11. Wenn gezeigt werden könnte, dass die Chroniktexte an entscheidenden Stellen die als ironisch eingestuften Passagen wirklich revidieren, wäre das ein starker Beleg dafür, dass die Chronisten die ironischen Stimmen in 1 Kön als solche identifiziert und sich an ihnen gestört hätten. In einigen exegetischen Darstellungen, die in altestamentlichen Texten den Gebrauch von Ironie konstatieren, stellt „Ironie“ kein isoliertes Phänomen dar. Als ein Beispiel für ein solches Vorgehen kann der Aufsatz „Has the Narrator Come to Praise Solomon or to Bury him? Narrative Subtlety in 1 Kings 1–11“ von J. Daniel Hays fungieren.12 Hays umkreist das rhetorische Konzept der von ihm untersuchten Texte mit verschiedenen Begriffen. Er spricht im Titel von „Narrative Subtlety“13, führt im Verlauf des Artikels aber auch die Begriffe „irony“, „ambiguity“14 und „sarcastic“15 ein. Er differenziert nicht durchgängig zwischen diesen Begriffen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass er bei seinen Beobachtungen häufig von „subtlety“ und „ambiguity“ ausgeht und ein gelegentliches Abdriften des Erzählers hin zu „irony“ und „sarcasm“ für möglich hält.16 Christina Duncker weist in ihrer Salomo-Monographie17 auf den Umstand hin, dass Ironie nicht immer an einzelnen Punkten festgemacht werden könne, sondern im Gesamtzusammenhang und bei eingehender Analyse desselben zu erkennen sei. Durch Ironie solle 10 11 12 13 14

Zit. nach Brueggemann, Solomon, xiii. Ebd., 160. Vgl. Hays, Solomon. Ebd., 149. Beide in diesem Fall bei der Besprechung der Thesen von Gunn und Fewell, später auch bei der Präsentation eigener Thesen (vgl. ebd., 151). 15 Ebd., 162. 16 Vgl. etwa ebd., 155.162. 17 Duncker, Salomo.

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F Ironie in 1 Kön 3? „keine Wirklichkeit abgebildet werden, sondern zwei Seinsbereiche, das ,Ist‘ und das ,Sollte‘, miteinander in Bezug gesetzt werden. Ironie [… ist daher, MN] mehr im Sinne einer Qualität des Textes als eine intentionale Redefigur zu verstehen.“18

Die „ironische Qualität“ eines Textes macht sich für Duncker vor allem an „Widersprüchen in […] textlichen und soziokulturellen Kontexten“ sowie an „der Struktur des Textes“ fest.19 Der Durchgang durch diese drei Entwürfe hat gezeigt, wie unterschiedlich das Thema „Ironie“ in der alttestamentlichen Wissenschaft aufgegriffen und bearbeitet wird. Diese Vielstimmigkeit gilt es im Bewusstsein zu behalten, wenn im Folgenden die konkrete Diskussion einzelner Abschnitte aus 1 Kön 3 hinsichtlich der (möglichen) Nachweisbarkeit von „Ironie“ vorgestellt wird. Diese Vorstellung wird dabei begleitet von knappen Zusammenfassungen derjenigen Auslegungsalternativen, die in der vorliegenden Arbeit vertreten werden.

F 2 Ironie in 1 Kön 3? Die Postulierung des Gebrauchs von Ironie in den Texten hat einen entscheidenden Vorteil. Sie ermöglicht einigen Auslegenden, die Texte stärker in ihrer Einheit wahrzunehmen und weniger textgenetische Brüche und Kohärenzstörungen im Salomo-Zyklus feststellen zu müssen. Die ambivalenten, mitunter widersprüchlichen Aussagen über Salomo müssen so nicht zwangsläufig auf verschiedene Quellen und Redaktionen zurückgeführt werden.20 Aber ist die Textoberfläche, das „surface“ in 1 Kön 3 wirklich so homogen gestrickt, dass Salomo auf den ersten Blick wie ein widerspruchsloser, vollkommen integrer Charakter gezeichnet wird? Bereits im ersten Vers von 1 Kön 3 wurde der Gebrauch von Ironie festgestellt. Zwar werde auf der Textoberfläche positiv von Salomo gesprochen, die in diesen Versen gesetzten Anklänge an 1 Kön 11,1–4 (durch die Verschwägerung mit dem Pharao) und die Nennung der Bauprojekte (hinsichtlich ihrer Reihenfolge) aber zeigten, dass schon in diesem Vers bezüglich Salomo einiges

18 Ebd., 111–112. 19 So ebd., 112. 20 Richard Nelson muss beispielsweise einen scharfen Bruch in den Salomo-Erzählungen annehmen. Er nennt 1 Kön 1–10 „A Kingdom of Shalom“; Kap. 11 dagegen „Shalom is Broken“ (vgl. Nelson, Kings, vii; vgl. ferner Jobling, Labor, 57). Geht man davon aus, dass in den Texten von 1 Kön 1–10 mit Ironie gearbeitet wird, ließe sich der ganze Zyklus harmonischer lesen. Selbstverständlich kann auch mit anderen hermeneutischen Zugängen eine harmonischere Lesart erreicht werden. Bei J. Daniel Hays wird das Problem so beschrieben: „The Solomon narratives (1 Kgs 1–11) present a rather curious story. For the first ten chapters Solomon and his kingdom are extolled and their glories praised. Then, apruptly, in 1 Kings 11, the narrator condemns him, underscoring his flagrant idolatry. The two portrayals appear to be quite different, indeed, they seem to describe two very different individuals.” (Hays, Solomon, 149).

F 2 Ironie in 1 Kön 3?

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in Unordnung liegt.21 Besonders die Verschwägerung mit dem Pharao könne im alttestamentlichen Kontext keine neutrale Notiz sein.22 Auch die Liebe Salomos zu JHWH (3,3) wird als verdächtige Notiz wahrgenommen. Sie sei, angesichts der Vorgeschichte 1 Kön 1–2, der in 3,3 genannten Höhenopferpraxis und den Anklängen an die Liebe Salomos zu vielen Frauen (1 Kön 11,1) durchaus auch ironisch zu verstehen.23 Für Walter Brueggemann ist in der Verschwägerung mit dem Pharao das deutlichste Vorzeichen für ein ironisches Lesen gegeben.24 Brueggemann nennt den Abschnitt, in dem er seine Kritik behandelt, „A Critique of Solomon: Moving from Covenant to Royalty“.25 Nicht mehr der Bund mit JHWH, sondern Immitation ägyptischer Herrschaftstradition werde für Salomo zum erstrebenswerten Ziel. In Ägypten habe man bekanntlich die aufgeladenste Form der Königsideologie, der König ist Gottessohn. Eine solche Ideologie führe zu einer Verabsolutierung der Königherrschaft. Zugleich sei der „Pharao“ in der Hebräischen Bibel der Inbegriff von Unterdrückung, von der der Exodus Befreiung gebracht habe.26 J. Daniel Hays betont die motivische Ähnlichkeit zwischen 1 Kön 3,1–3 und 11,1–8. Die Ähnlichkeit zeige implizite Kritik schon in den 3,1–3.27 Allerdings sollten diese Ähnlichkeiten auch als Signal an die Leserin, den Leser interpretiert werden können, die Unterschiede wahrzunehmen. In Kapitel 11 ist es expliziter Fremdgötterkult, in 1 Kön 3 jedoch steht der Höhenkult zwischen JHWHLiebe Salomos und JHWH-Offenbarung für Salomo. In der vorliegenden Arbeit wird entsprechend für eine anders gelagerte Lesart der VV 1–3 votiert. Am unkompliziertesten lässt sich dies für die Bemerkungen zur 21 So etwa bei Jerome T. Walsh: „We have already seen how the narrator continues his strategy for characterizing Solomon in verses 1–3: positive impressions on the surface, negative impressions by subtler means.“ (Walsh, Kings, 76; vgl. ferner ders., Charaterization, 485–486). 22 Lyle Eslinger kommentiert: „Hard on the heels of the ironic presentation of how Solomon went about establishing his kingdom, ch. 3 presents the odd business about the wisdom of Solomon. Immediately after reporting that this is how ,the kingdom was established in Solomons hand‘, the narrator goes on to describe the next step, a pact through marriage, with Pharaoh. Solomon strikes a deal with the arch-villain, the Pharao, ,king of Egypt‘, of whom the last two recollections have been associated with the Bondage (1 Sam 2:27; Deut 7:8), and who can never be mentioned in the Bible with neutrality. The Pharao is, after all, anathematic opponent Yahweh. Not only he does ally himself with Pharao, he even goes so far as to marry Pharao’s daughter, contravening the commandment of Deut 7:3–5 (cf. Josh 22:5; 23:7–8). And where does he bring her? To David’s (not YHWH’s) royal city! And what is he doing there? Building, in order his house, YHWH’s house, and the wall of Jerusalem – first self, then God, and last his subjects’ needs.” (Eslinger, Hands, 130). Vgl. dazu auch Newing, Solomon, 250. 23 Vgl. Brueggemann, Solomon, 85; ähnlich argumentiert auch Duncker, Salomo, 187; vgl. ferner Walsh, Characterization, 487. 24 Zur Auffälligkeit des Ägyptenbezugs vgl. neben Brueggeman, Solomon, 85; auch Hays, Solomon, 161; vgl. ferner Kang, Solomon, 225 sowie den Hinweis bei Duncker, Salomo, 190. 25 So Brueggemann, Solomon, 85. 26 So ebd. 27 Vgl. Hays, Solomon, 161–162.

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F Ironie in 1 Kön 3?

Opfertätigkeit des Volkes (V 2) und Salomos (V 3) auf den Höhen einsichtig machen. Es bedarf dafür nicht der Wiederholung der Betrachtungen zur Funktion des Tempels, der hier gerade noch nicht gebaut ist. „Ironische Kritik“ oder „implizite Kritik“ wäre eine Form der Auseinandersetzung mit Salomo, die der Interpretation bedürfte und beim einfachen Lesen des Textes nicht erschlossen werden kann. Gänzlich anders verhält es sich mit den Notizen zu den Höhenopfern. Sie werden mit der stark trennenden Partikel „jedoch“ (9:) eingeleitet.28 Besonders in V 3 wird damit ein Gegensatz der Liebe Salomos zu JHWH ausgedrückt, die in der Textanalyse eindeutig als positiv konnotierter Ausdruck herausgearbeitet werden konnte.29 Die Höhenopfer Salomos werden offen als etwas kritisiert, was der JHWH-Liebe Salomos entgegensteht. Von „ironischer“ oder gar „impliziter Kritik“ kann daher keine Rede sein. Gleichzeitig muss nochmals festgehalten werden, dass die Höhen-opfer eben die letzten vor der Tempelweihe sind, und damit eine besondere Funktion haben. Die von 1 Kön 11,1–8 her determinierte Lektüre ist deswegen fragwürdig, weil der Fokus der Kritik in 11,1–8 nicht so sehr auf den Höhen als Kultort, sondern vielmehr auf den fremden Göttern als Kultadressaten liegt. Für einen solchen Fremdgötterkult liegt in 1 Kön 3 aber kein Indiz vor. Bezüglich der zahlreichen Ägyptenbezüge in 1 Kön 3 wurde in der vorliegenden Arbeit dafür votiert, die Chiffre „Ägypten“ im Alten Testament als schillernde Größe zu verstehen, die nicht einfach negativ konnotiert ist. Statt von Ironie oder impliziter Kritik zu reden sollte es vorgezogen werden, die offenen Ambivalenzen im Text darzustellen und als Signale für die Leserin, den Leser zu beschreiben.30 Die Diskussion über den Höhenopferkult und die Kontakte zu fremden Herrschern wird in 1 Kön 3 angestoßen. Hinweise auf ihren Ausgang gibt es noch nicht.31 In der „Erzählung von Opfer und Traum“ (VV 4–15) sind die Exegetinnen und Exegeten wesentlich vorsichtiger, was die Postulierung des Gebrauchs von Ironie in diesem Abschnitt betrifft. Christina Duncker stellt eine ironische Lesart vor, indem sie dieses Stück „vor dem Hintergrund des ironisch gefärbten Salomobildes“ der Verse 1–3 liest.32 Einen ähnlichen Weg beschreitet auch Jerome T. Walsh, wenngleich mit dem Verweis auf andere Versteile: „It is only in the context of preceeding passages that the scene in 3:4–15 contributes to a sense of ambivalence. In the light of Solomon’s machinations in chap. 2, for example, his humility about his inexperience (V 7) seems disingenuous, to say the least.”33

28 Vgl. die Auslegung der VV 2–3 ab S. 64. 29 Vgl. die Auslegung von V 3 ab S. 67. 30 Vgl. auch Seibert, Scribes, 159. Eric A. Seibert ist aber zu widersprechen, wenn er die Beurteilung Salomos für negativ und positiv zugleich hält und darstellt, wie die Texte auf unterschiedliche Adressaten jeweils unterschiedlich wirken. Viel eher ist die Ambivalenz der Verschwägerung mit dem Pharao in 1 Kön 3 deutlich erkennbar. 31 So auch Stuart Lasine, der zwar Ambivalenzen und auch Ironie im Text sieht, dennoch von einer grundsätzlichen Offenheit ausgeht (vgl. Lasine, Knowledge, 139–140). J. Daniel Hays summiert: „Lasine argues that the narratives intentionally ,hide‘ Solomon from the reader, encouraging a variety of subjective responses to the texts.“ (Hays, Solomon, 152). 32 So Duncker, Salomo, 194. 33 Walsh, Characterization, 488.

F 2 Ironie in 1 Kön 3?

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So erscheint Salomos Gott gegenüber erwiesene Demutshaltung als taktierendes Verhalten, das lediglich auf den eigenen Vorteil bedacht sei. Christina Duncker hebt dies mit dem Verweis auf ein ähnliches taktisches Verhalten Batsebas vor Salomo hervor, als sie von diesem Abischag als Frau für Adonija erbittet (1 Kön 2,20–21).34 Sie leitet ihre Bitte in 2,20 entsprechend bescheiden damit ein, dass sie eine kleine Bitte (! š^&™ 9’ =%… ™ ™ !+{ š — f’ ) habe. Duncker meint, Salomo scheine dieses Verhalten nachzuahmen, indem er sich in 1 Kön 3,7 als kleiner junger Mann (0œ&v 9š :4„™ 1™ ) bezeichne und dabei, wie seine Mutter, das Wort 0&9 verwende.35 In der in 3,7 folgenden Selbstbeschreibung ich weiß nicht auszugehen noch einzugehen (œ   š# =8† — 3x ™ — œ +† ) steigere Salomo den vorigen Ausdruck.36 Vor dem Hintergrund der „Entschlossenheit“ Salomos in 1 Kön 1–2 müsse die Leserin, der Leser an der Ernsthaftigkeit der Demut Salomos zweifeln.37 Zweifelsohne hat die Selbstbezeichnung Salomos auch einen ambivalenten Klang, besonders vor dem Hintergrund von 1 Kön 1–2. Salomo verspricht seiner Mutter zunächst, sie mit ihrer Bitte nicht abzuweisen (2,20). Dieses Versprechen löst er nicht ein, viel schlimmer, er lässt Adonija töten (2,24–25). Behält man diese Geschichte im Gedächtnis, wird schon 1 Kön 3,5 zu einem Knotenpunkt in der Erzählung von Opfer und Traum (3,4–15). Salomo erhält von Gott eine Bitte freigestellt, und die Leserin, der Leser muss fürchten, dass Gott diese Bitte nicht erhört, so wie Salomo es zuvor mit der Bitte seiner Mutter gehandhabt hat. In 3,12 wird dieser Knotenpunkt aber aufgelöst. Gott durchbricht Salomos Logik aus 1 Kön 2,22–25, indem er der Bitte nachkommt. Zudem gibt es zwischen den beiden Bittstellungen in 1 Kön 2,20–21 und 3,9 einen weiteren gravierenden Unterschied, und zwar in der Wahrnehmung des Wunsches durch den Adressaten. Salomo vermutet hinter der Bitte Batsebas, die diese im Auftrag seines Halbbruders Adonija vorträgt, taktierendes Verhalten, er sieht sein Königtum in Gefahr (2,22). Salomo kann diesen Wunsch aufgrund dieser Vermutung nicht gutheißen. In 1 Kön 3,10 hingegen wird ausdrücklich festgehalten, dass der Wunsch Salomos in den Augen des Herrn (also des Adressaten) gut war. Diese Einschätzung führt zur positiven Reaktion in 3,12. Schließlich sind die Adressaten selbst grundverschieden. Auf der einen Seite, in 1 Kön 2, steht ein junger König, der seine Macht in Gefahr sieht. Der Adressat der Bitte aus 1 Kön 3,9 ist Gott selbst. Die Vorstellung, Salomo habe im Traum einfach so tun können, als sei er demütig und könnte Gott auf diese Weise austricksen, unterstellt dem Text ein sehr merkwürdiges Gottesbild. Die Ambivalenz der zusätzlichen Geschenke für Salomo (V 13) ist bereits in der Textanalyse ausführlich besprochen worden. Mit Stuart Lasine wurde festgehalten, dass sie sich am ehesten als Prüfung für Salomo verstehen lassen.38

34 35 36 37 38

Vgl. Duncker, Salomo, 196–197. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 197. Vgl. ebd. Vgl. die Auslegung von V 13 ab S. 99.

230

F Ironie in 1 Kön 3?

Vor diesem Hintergrund wird auch der Vorbehalt aus V 1439 verständlich: Nur, wenn die Prüfung bestanden wird, kann es ein langes Leben für Salomo geben. Die „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ (VV 16–28) ist in der alttestamentlichen Forschung ebenfalls zum Objekt der Suche nach Ironie geworden. Marvin A. Sweeney möchte schon die Tatsache, dass der König sich anschickt zu richten, als implizite Kritik verstehen. Schließlich sei das in der Logik von „DtrH“40 den levitischen Priestern vorbehalten.41 In der Textanalyse war dieser Abschnitt als Rätsel für Salomo und für die Leserin, den Leser verstanden worden.42 Stuart Lasine meint, die Erzählung werde erst durch die Aktivitäten des Königs zum Rätsel, weil dieser auf investigative Methoden verzichte, nicht nach Augenzeugen suche.43 Christina Duncker meint, die Darstellung des Königs zeige diesen als schwache Figur, die in ihren Wortbeiträgen kaum eigene Akzente setze. Der Könige wiederhole vor allem die Rede der Frauen, was seinen Verdienst an dem Urteil schmälern würde.44 Die Reaktionen der Mütter aus V 26 zeigten, dass das erste Urteil des Königs (V 25) ernst gemeint war. Die unklare Zuordnung „sie ist seine Mutter“ aus V 27 entlarve das abschließende Urteil Salomos als „Scheinkonklusion“:45 „So wären beide Äußerungen Salomos, der Befehl, das Schwert zum Zerteilen des Kindes zu holen und sein Urteil ironisch zu verstehen.“46

Lässt man die diachronen Implikationen der Einschätzung Marvin A. Sweeneys beiseite, ergibt sich kein eindeutiger Befund. Es gibt in altestamentlichen Texten unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Aufgaben dem König zukommen und welche nicht. Die in dieser Arbeit vorgelegte Entfaltung des Begriffes „König“ für 1 Kön 3, vor allem in der Relation „Der König und das Volk“47, hat herausgestellt, dass es eine ganze Reihe von Texten gibt, in denen das Richten eine Kernkompetenz königlichen Handelns ist. Die Lesart, Salomo habe den Gerichtsprozess erst zum Rätsel gemacht, weil er auf investigative Methoden verzichte, ist zurückzuweisen. Der Hinweis, dass es sich um Prostituierte handelt, macht völlig plausibel, dass sich beide Frauen allein mit ihren Kindern im Haus befanden. An mögliche Freier ist bei Wöchnerinnen ohnehin nicht zu denken. Der Fall ist seiner Natur nach kompliziert, weil Aussage gegen Aussage steht und es keine weiteren Hinweise gibt. 39 1 Kön 3,14: Und wenn du auf meinen Wegen gehst, um meine Satzungen und meine Gebote zu halten, so wie dein Vater David gegangen ist, werde ich deine Tage lang machen. 40 Gemeint ist die „Deuteronomistic History“ (vgl. Sweeney, Kings, xvi). Zu diesem Begriff in der Verwendung von Marvin A. Sweeney vgl. ebd., 4–26. Zum Begriff „deuteronomistisches Geschichtswerk“ in der deutschsprachigen Exegese vgl. Georg Braulik in Zenger, Einleitung, 240–242. 41 So Sweeney, Kings, 72–83. 42 Vgl. den Punkt „3.3.2 Zum gesamten Abschnitt“ ab S. 128. 43 Vgl. Lasine, Riddle, 64. 44 So Duncker, Salomo, 209–210.213. 45 So ebd., 216. 46 Ebd. 47 Ab S. 161.

F 2 Ironie in 1 Kön 3?

231

Die vermeintliche Schwäche des Königs, der die Frauen zu Wort kommen lässt und mehrfach ihre Reden zitiert, kann im Lichte des gesamten Kapitels als Stärke des Königs erkannt werden. Schließlich ist der König mit dem hörenden Herzen in der Lage, Einwände wie die der leiblichen Mutter in V 26 aufzunehmen und sein Handeln entsprechend anzupassen. Der Versuch, die Zurückhaltung des Königs als Schwäche auszulegen, misslingt daher ebenso. Gerade weil der König die Aussagen der Frauen spiegelt,48 gibt er ihnen die Möglichkeit, die eigenen Standpunkte zu überdenken und sich auf einen inneren Veränderungsprozess einzulassen, ja schließlich selbst zum richtigen Ergebnis zu kommen.49 Mindestens bei der leiblichen Mutter greift diese Strategie. Ziel dieser Ausführungen ist es nicht, den Gebrauch von Ironie im SalomoZyklus insgesamt zurückzuweisen. Sie richten sich lediglich auf 1 Kön 3. Zu 1 Kön 1–11 schreibt J. Daniel Hays: „So, in conclusion, there is strong evidence to support the view that the narrator is not schizophrenic, praising Solomon for ten chapters and then suddenly condemning him. Rather the narrator develops a fascinating but negative critique of Solomon throughout the Solomonic narratives. His critique is subtle, employing irony, word associations and implicit rather than explicit references to Deuteronomy, 1–2 Samuel and the rest of 1–2 Kings. The clear, but implicit references to Deuteronomy 17 at the end of 1 Kings 10 provide the strongest single supporting argument for this view.“50

Möglicherweise ist diesem Urteil für andere Texte des Salomo-Zyklus zuzustimmen. Deshalb gilt es aber noch lange nicht für jeden einzelnen Text, sondern ist je eigen zu diskutieren. Für 1 Kön 3 kann dieses Urteil m. E. zurückgewiesen werden, nicht zuletzt deshalb, weil die gebrauchten Leseschlüssel, z. B. aus dem Buch Deuteronomium, eher auf andere Erzählungen im Salomo-Zyklus hinweisen.

48 Möglicherweise geschieht ebendies nicht, sondern der König könnte in V 23 auch still zu sich selbst sprechen; vgl. dazu die Auslegung von V 23 ab S. 115. 49 Pekka Särkiö liest in den zusammenfassenden Wortmeldungen des Königs Unterbrechungen, die der Leserin, dem Leser Zeit zur Erwägung verschiedener Lösungsmöglichkeiten lassen sollen (vgl. Särkiö, Weisheit, 36). An dieser Stelle steht die Leserin, der Leser also auf Seite der beiden Frauen, lauscht den königlichen Zusammenfassungen und muss sich bezüglich des Ausgangs des Streites weiter mit Ungewissheit begnügen. Vgl. ferner Fischer, Gotteslehrerinnen, 78. 50 Hays, Solomon, 174. An einer anderen Stelle formuliert J. Daniel Hays: „However, I will argue that there are a numerous clues that suggest to us that perhaps the narrator is playing literary games with his readers. He may be openly and overtly praising Solomon on the surface, but he does not tell the story with a straight face, and if we look closely, we see him winking at us. [… ] We as readers are given a tour of a fantastic, spectacular and opulent mansion. Everywhere we look we see wealth and quality.“ (ebd., 54).

G Zum Schluss In der vorliegenden Untersuchung konnte ein Auslegungsweg für 1 Kön 3 aufgezeigt werden, der diesen Text zunächst als Einheit für sich genommen sinvoll erschließt. Diese Auslegung kam dabei ohne den Verweis auf den Gebrauch von Ironie zu einem schlüssigen Textverständnis auf der Endtextebene. 1 Kön 3 ist insgesamt „die programmatische Ouvertüre, mit der im 1. Königsbuch die Regierungszeit des jungen Salomo eröffnet wird.“1

Programmatisch ist die Ouvertüre, weil sie nach der Thronbesteigung des jungen Salomo diese Figur mit einem eigenen Konzept zu den Begriffen Königtum, Weisheit und Gottesbeziehung profiliert. Insofern kann 1 Kön 4,1 den Eröffnungssatz 2,46b aufgreifen und feststellen, dass Salomo nun (fertiger) König über ganz Israel ist. Als charakteristisches Merkmal der Figur des Salomo in 1 Kön 3 konnte ihre Relationalität ausgemacht werden. Salomo wird von der Erzählstimme, von Gott und in seiner Selbstsicht als eine Figur in Beziehungen verortet. In Vers 1 wird vom neuen Verhältnis zum Pharao und dessen Tochter erzählt. In V 3 erfährt die Leserin, der Leser von Salomos Liebe zu JHWH. In den VV 6–9 beschreibt sich Salomo als ein König, der sich in der Beziehung zwischen seinem Vater David und Gott verortet und zugleich weiß, dass er als König nicht allein lebt, sondern in einem Volk, für das er Verantwortung tragen muss. Das gewünschte hörende Herz ist auch deshalb so bedeutend, weil es das Beziehungsorgan für den König ist. In der Gottesrede der VV 11–14 wird Salomo zu allen Menschen (V 12) und zu den Königen seiner Tage in ein Verhältnis gesetzt (V 13). Gott bestätigt dabei David als Vorbild für Salomo (V 14) und eröffnet die Möglichkeit, dass Salomo sich in seiner Gottesbeziehung bewähren kann. In V 15 tritt Salomo, durch sein Stehen vor der Bundeslade ausgedrückt, in das in der Traumoffenbarung beschriebene Verhältnis zu Gott und dessen Gesetz. Seine Knechte lässt er im Anschluss daran an seiner Freude teilhaben. In V 16 stellen sich die beiden Frauen vor ihn hin und nehmen ihn so mit in ihre Streitigkeiten hinein. Zugleich verlangen sie ihm damit das Einlösen seiner Rolle für das Volk ab, die er in der Traumoffenbarung einnehmen wollte (vgl. V 9). In V 28 erkennt das Volk die Relation zwischen dem König und der Weisheit Gottes, es tritt in eine Beziehung zum König, indem es diesen fürchtet. Dieser Salomo wird dann (4,1) als „König über ganz Israel“ bezeichnet. Diese Relationen werden in 1 Kön 3 in einer Weise gestaltet, dass sie für die Figur des Salomo bleibend wichtig sind. Salomo schildert die Beziehung seines Vaters David mit JHWH in den VV 6–8 als eine von gegenseitiger Treue geprägte Bindung. In diese Beziehung möchte er selbst eintreten. In V 13 erhält Salomo Gaben, die er nicht erbeten hat und die eine Gefahr für ein gutes Königtum 1

Zenger, Herz, 40.

G Zum Schluss

233

darstellen. Daran muss Salomo sich bewähren. In V 14 wird, durch die konditionierte Verheißung eines langen Lebens und den Verweis auf das Vorbild David, die bleibende Wichtigkeit der Treue Salomos zu Gott und seinem Gesetz betont. In der „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ muss sich Salomo als richtender König bewähren und, unbeeindruckt vom Anspruchsdenken der Frauen, die eigentliche Frage nach dem lebendigen Kind und dessen Bedürfnissen erkennen. V 28 macht deutlich, dass das Volk Salomos Fähigkeiten auf die Gottesweisheit zurückführt. Das Volk kann also erkennen, ob der König von Gottesweisheit geführt wird. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass das Volk den König auch in Zukunft daran messen wird, inwiefern er Gottesweisheit in seinem Regieren erkennen lässt. Salomo muss sich auch vor dem Volk bleibend bewähren. Schließlich konnte gezeigt werden, wie sehr schon das Angebot Gottes in V 5 ein Rätsel, eine Prüfung war und nicht einfach irgendeine Bitte freigestellt hat. Schon in diesem Moment musste Salomo sich bewähren. Der König in der Bewährung wird so zu einem weiteren Kohärenzmerkmal für 1 Kön 3. Tryggve N. D. Mettinger war der Meinung, dass Salomo mit dem „hörenden Herzen“ ein bleibendes Charisma und eine feste Eigenschaft bekomme, über die er folglich frei verfügen kann.2 In der vorliegenden Studie wurde gezeigt, wie sehr der König auf die Beziehung zu Gott und seinem Volk angewiesen bleibt und wie in diesen Relationen Weisheit eine Bedeutung erlangt.3 Vor dem Hintergrund der inneren Geschlossenheit des gesamten Kapitels 1 Kön 3 müssen anderslautende Entwürfe, die diese Geschlossenheit ablehnen, relativiert werden. Bei einer auf 1 Kön 3 beschränkten Lektüre lässt sich beispielsweise nicht feststellen, dass Salomo in der Traumoffenbarung von JHWH verwandelt würde und sich sein Charisma anschließend bewähren müsste.4 Bewähren muss sich Salomo schon durch das Erkennen des göttlichen Angebots (V 5) als Rätsel und durch die Formulierung einer entsprechenden Bitte. Beides geschieht vor jeglicher Gabe an Salomo. Eine Verwandlung ist in 1 Kön 3 nicht zu beobachten, Salomo liebt JHWH schon vor der Traumoffenbarung (vgl. V 3) und hält an dieser Gottesbeziehung fest. Die „Erzählung vom hörenden Herzen auf dem Prüfstand“ ist nicht die erste „Illustration“ des „hörenden Herzens“5 – sie ist gewissermaßen schon die zweite, weil Salomo sich bereits in der Traumoffenbarung bewährt hatte. JHWH stellt sich in der Traumoffenbarung nicht „auf Salomos Seite“,6 er steht dort bereits. Dies wird im größeren Erzählzusammenhang der Samuel- und Königebücher daran deutlich, dass Salomos Liebe zu JHWH in V 3 bereits ein Echo auf die Liebe JHWHs zu Salomo ist, die in 2 Sam 12,24 erzählt wird. Bei der Aufarbeitung der verschiedenen Ägyptenbezüge, die 1 Kön 3 herstellt, ist die differenzierte und offene Aufnahme der Chiffre „Ägypten“ aufgefallen. 2 3 4 5 6

Vgl. Mettinger, King, 242. Die bleibende Angewiesenheit des israelitischen Königs auf Gott wird auch betont bei Görg, Gott-König-Reden, 113. Anders Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 372. So Kang, Solomon, 230. So Schäfer-Lichtenberger, Salomo, 281.

234

G Zum Schluss

Der Text ließ sich nicht auf ein Ägyptenbild festlegen, sondern nimmt dieses im Alten Testament so prominente Motiv in seiner großen Breite auf. Das Prinzip der Konnektivität, welches sich im „hörenden Herzen“ manifestiert, verbindet den König nicht nur mit seiner Umwelt – es wird auch zum Organ der Gotteserkenntnis. Papst Bendikt XVI. hat die Bitte des monarchischen Herrschers Salomo um ein hörendes Herz in seine Reflexionen über die Grundlagen des (modernen) Rechtsstaates einbezogen. Diese Rezeption lässt sich bereits als Beleg dafür verstehen, dass der Salomo von 1 Kön 3 eine Figur ist, die viele Anknüpfungspunkte bietet. Diese Figur, das hat die vorliegende Arbeit gezeigt, wird besser verständlich, wenn man sie anhand verschiedener Begriffe und Konzepte und auf der Basis einer ausführlichen Textanalyse beschreibt.

Abstract This study of 1 Kings 3 has its focus on one single chapter of the Hebrew Bible and pursues a methodological strategy which corresponds to this aim at a focused analysis. Thus the study is conducted along the lines of what has come to be called the “close reading” of a text.7 It is through this reading strategy that the investigation of 1 Kings 3 which the study provides is distinguished from other recent publications. The first and most prominent approach is a literary approach which is designed to reveal the narrative dimensions of the chapter. Meanwhile, historical criticism has not altogether been suspended.8 It is applied to the text according to the results of the first approach and thus in a more circumspect and reflective way. Other texts, including texts which are part of the so-called “Solomonic Narrative” in 1 Kings (1–2)3–11, are discussed in a successive methodological step and with the intention to explain several particular aspects of 1 Kings 3.9 The critical analysis of 1 Kings 3 is presented in part B “Untersuchungen zu 1 Kön 3”, while further texts are mainly referred to in parts C and D. The benefits of the disciplined and restricted perspective on the text are highly detailed observations on a number of verses. As it turns out, the ‘chapter’ already starts with 1 Kings 2.46b, a verse which offers itself to be read as a headline and which corresponds to 1 Kings 4.1 as the conclusion of chapter 3.10 What creates the impression of a degree of absurdity in Solomon’s first judgment in v. 25 is, of course, that a living child can impossibly be cut into two to be shared like a living child.11 For an explanation of “close reading” see the definition above, pp. 27ss. See Walsh, Kings, xi–xii The question of the beginning and the extent of the full narrative is discussed under “B 1.1 Stellung im Kontext”, pp. 31ss. 10 See pp. 51ss. 11 For the interpretation of v. 25, see pp. 117ss.

7 8 9

Abstract

235

Finally, the aim of this study is to develop a distinctive view of the theological profile of 1 Kings 3 and an equally distinctive view of the portrayal of Solomon in this chapter. Part C “Der Salomo von 1 Kön 3: Begriffliche Entfaltungen” specifies observations on this portrayal under the categories of “Solomon’s relation to God” 12, “Solomon as a royal figure” 13 and “Solomon’s wisdom”14. The scribal portrayal of the king, it is claimed, can be understood without suspecting the text of employing literary strategies such as irony, satire, or sarcasm.15 Solomon is presented as a king who is basically shaped by the relations in which he is seen. The most comprehensive expression for this is the notion of the “understanding heart” (µ{ ™ /œ—{ f …+— , 1 Kings 3.9), which, according to Egyptian traditions, refers to a person’s ‘connective organ’ relating to all dimensions of human life.16

12 13 14 15 16

This category is explained under “4.2.1 Die Gottesbeziehung”, pp. 139ss. See section “C 1 Der König”, pp. 153ss. See section “C 2 Die Weisheit”, pp. 166ss. See section “F Ironie in 1 Kön 3?” from p. 223. For the notion of the “understanding heart” as a motif which should be seen against an Egyptian background see especially section “E 6 Das hörende Herz als ägyptisches Motiv”, pp. 212ss.

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Bibelstellenregister (in Auswahl)

Gen 2–3 166–171 2,4–3,24 169 2,17 167 3,1–7 167 37–50 195, 219 41 182–186, 207 41,39 182 41,41 182 47,27 219 Ex 1–15 219 1,15–22 211 2,5 208 13,14 210 Lev 27,33 168 Num 11,14 161 Dtn 7,3–4 58 17,14–20 165, 195, 202 Jos 10,1–2 106 1 Sam 2,11–17 160 8 141, 193 8,3 71, 160 8,10–11 164 9,15–16 53 13,13–14 156 13,9 156 16,1.13 53 16,11–12 186

18 59 18,21–22 59 18,23 59 20,31 54 24,21b 52

3,2–3 151 3,3 67, 174, 227 3,4 77–80 3,4–15 38, 105–108,

2 Sam 5,12 53 7 159, 192 7,14–15 180 7,16 54 7,18–29 89 7,26 54 8,15 127 12,24–25 180 14,17.20 172 15,1–13 163, 166 15,1–6 161 15,25–26 163 17 163 19,36 168 24,25 156

3,5 80–82 3,5–14 207 3,6 83–85 3,6–7 159 3,6–8 88–89, 137 3,6–9 175 3,7 85–87, 186, 229 3,8 87–88 3,9 89–93, 137, 166–172,

137, 147, 166, 192, 216– 218, 228

1 Kön 1–2 198–199, 227, 229 1–11 31, 140 2,1–9 53, 72 2,12 54–57 2,20–21 229 2,45 54 2,46b 34, 51–57 2,46b–3,1 150 2,46b–3,3 36–37, 73, 136–137

3 146 3–11 190 3,1 34, 58, 208, 226 3,1–3 227 3,1–15 185 3,2 64–67

212

3,10 94–95, 137 3,11 95–98, 210 3,11–14 137 3,12 98–99, 182 3,13 99–101 3,14 101–102, 175, 230 3,15 102–104 3,16 108–110, 138 3,16–27 150, 155 3,16–28 138, 186, 196, 230

3,16–4,1 39, 128–135 3,17 110–111 3,17–21 138 3,18 111–112 3,19 112–113 3,20 113–114 3,21 114–115 3,22 115 3,23 115–116 3,24 116–117 3,25 117–120, 211 3,26 120–123 3,27 123–125

Bibelstellenregister (in Auswahl)

254 3,28 35, 125–127, 138, 150, 185

4 200 4,1 54, 127, 139, 150 5,1 57 5,1–14 202 5,9–14 188 5,12 189 5,13 189 7,7 196 7,8 208, 211 8 157, 191 8,5.62–63 156 8,28–30.52 88 9–10 204 9,16.24 211 9,25 156 11 193, 204 11,1 227 11,1–2 58 11,1–4 226 11,1–8 186, 227 11,29–39 142

11,40–43 142 11,5 156 11,6–8 76 12 32, 142 2 Kön 6,26–29 109 6,26–31 135 17,8.19 70 22,2 71 23,29f 222 1 Chr 29,23 49 2 Chr 1 50 1,1 49 1,2–6 50 1,7 50 1,8–10 50 1,11–12 51 1,13 49, 51

19,11 162 Ps 2,7 153 72 153–156 89,4.20 153 89,28 153 Spr 1,1–7 169, 175–179 3,7 186 8,35 145 14,26–15,4 209 18,15 91 20,26 182 25,1 192 25,2 190 Weish 8–9 187–188 Sir 1,27–28 174