Das Fest im Recht [1 ed.] 9783428556540, 9783428156542

Feste bilden ein wichtiges Element des menschlichen Lebens und haben dabei facettenreiche Funktionen: Sie gliedern an re

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Das Fest im Recht [1 ed.]
 9783428556540, 9783428156542

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MARKUS THIEL

Das Fest im Recht

Duncker & Humblot

MARKUS THIEL Das Fest im Recht

Das Fest im Recht

Von

Markus Thiel

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlag: Jan Brueghel d. Ä., Das Rosenkranzfest / Hochzeitstanz im Freien (© akg-images / Erich Lessing) Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: Das Druckteam, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-15654-2 (Print) ISBN 978-3-428-55654-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85654-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt I. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Feste auf dem Lebensweg . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Geburt und Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Werbungskosten für den „runden Ge­ burtstag“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Happy Birthday to You! . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Partys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) „Facebook“- und andere Massenpartys . . 21 b) Strafrechtliche Einstandspflichten des Gastgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Hochzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Verunglückte Kutschfahrt . . . . . . . . . . . . . 32 b) Gold und Silber lieb’ ich sehr . . . . . . . … 33 c) Doppelbelegung im „Kaminzimmer“ . . . . 35 d) Irrtum über den Partner . . . . . . . . . . . . . . 37 e) Salmonellen im Hochzeitsschmaus . . . . . 38 f) Enttäuschendes Essen . . . . . . . . . . . . . . . . 40 g) You Shook Me All Night Long . . . . . . . . 41 h) Hopp – und Ex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 i) Sturzgefahr bei Silberhochzeit . . . . . . . . . 44 j) Querschläger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 k) Himmelslaternen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 l) Flitterwochen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 m) Prominenz und Paparazzi . . . . . . . . . . . . . 56 4. Bestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6 Inhalt III. Feste im Jahreskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Weihnachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Weihnachtliche Wunderkerzen . . . . . . . . . 64 b) Weihnachtsfeiern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Silvester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Kölner Silvesternacht 2015 / 2016 . . . . . . 67 b) Silvesterfeuerwerkskörper als Gesund­ heitsrisiko  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) I Wanna Dance With Somebody . . . . . . . 77 d) Silvester als Arbeitstag? . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Karneval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Kölsche Kamelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Die Biege gemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) A Horse Is A Horse . . . . . . . . . . . . . . … 83 d) „Glasgetränkebehältnisverbote“  . . . . . . . . 84 e) Arbeitsfrei an Rosenmontag? . . . . . . . . . . 88 4. Karfreitag und Ostern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) „Heidenspaß statt Höllenqual“ . . . . . . . . . 91 b) „Das Leben des Brian“ . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Rutschpartie am Osterfeuer . . . . . . . . . . . 99 5. Oktoberfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Die Maß ist voll?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Bierbanksturz im „Schottenhamel“ . . . . . 104 c) Die „Wiesnbrezn“ im Lichte des Steu­ errechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Der Sprengstoffanschlag auf das Mün­ chener Oktoberfest 1980 . . . . . . . . . . . . . 108 e) Von München nach Münster . . . . . . . . . . 109 IV. Schluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

I. Einleitung „Die Feste bilden eins der schönsten Bande der ge­ sellschaftlichen Verbindung der Menschheit, sie gehö­ ren zu den frühsten Lebensregungen der Menschheit, die ersten Ansätze politischer Einigung werden über­ all durch sie besiegelt und verherrlicht – es ist der Jubel der Gesellschaft über das, was sie fertig ge­ bracht hat – und sie werden die Menschheit bis ans Ende ihrer Tage begleiten. Jede grosse gesellschaft­ liche That findet mit derselben Nothwendigkeit in einem Feste seinen Ausdruck, wie die des Indivi­ duums in der individuellen Heiterkeit, die Summe der menschlichen Feste ist die Summe der wirklichen oder vermeintlichen Fortschritte der Menschheit.“1

Mit diesen Worten beschreibt der bedeutende Rechtswissenschaftler Rudolf von Jhering (1818– 1892) in seinem unvollendeten Werk „Der Zweck im Recht“ aus dem Jahre 1877, mit dem er seiner sukzessiven Abkehr von der Begriffsjurisprudenz2 1  Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht, 2. Aufl. 1883, S.  202 f. 2  „Begriffsjurisprudenz“ ist – kurz gesagt – die Be­ zeichnung einer rechtswissenschaftlichen Methodenlehre ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, die – ausgehend von einem geschlossenen Rechtssystem – vor allem von ei­ ner Anwendung logischer, mathematischer Methoden auf das Recht unter Zurückstellung teleologischer As­ pekte und der historischen Umstände der Normentste­ hung geprägt war und von der „Interessenjurisprudenz“

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I. Einleitung

in Richtung einer Interessenjurisprudenz Ausdruck gegeben hat, eher beiläufig die gesellschaftliche Bedeutung des Festes. Die etymologische Wurzel dieses Wortes sieht Jhering3 im lateinischen Ad­ jektiv festus, das etwa mit „glänzend“ übersetzt werden kann und seinerseits auf den Sanskrit-Be­ griff bhâs mit der Bedeutung „scheinen, leuchten“ zurückgehe. Fesiae oder feriae (von dem das deut­ sche „Feier“ abgeleitet ist) sei dann gleichbedeu­ tend mit „glänzende, reine, heilige Zeit“. Tatsäch­ lich können mit festus auch festlich geschmückte Räume, Festtage oder fröhliche Zustände bezeich­ net werden. Sprachliche Zusammenhänge bestehen ferner mit den lateinischen Worten fas (das gött­ liche Recht und das göttliche Gebot, aber auch die heilige Ordnung, das sittlich Gute bzw. Erlaubte, oder auch das Schicksal) und fanum, das Tempel bedeutet oder allgemeiner einen der Gottheit ge­ weihten Ort meint. Ein Fest ist nicht allein geselliger Zeitvertreib oder willkommene Gelegenheit, sich möglichst kostenlos mit Speis und Trank zu verpflegen oder abgelöst wurde (grundlegend zu dieser etwa Philipp Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, AcP Bd. 112 (1914), S. 1 ff.). 3  Der übrigens in anderen Zusammenhängen durch­ aus einen eher humorlosen Eindruck erweckt, so etwa in seiner vehementen Philippika gegen das Trinkgeld; s. Rudolf von Jhering, Das Trinkgeld, 1882: „Das Trink­ gelderwesen ist in meinen Augen eine durch die Sitte organisirte Art der Bettelei“ (XIII.); er mokiert sich vor allem über die Unbestimmtheit des Trinkgelds im Unter­ schied zur Zahlung bzw. zum Lohn.



I. Einleitung9

aber im Mittelpunkt zu stehen sowie Präsente und Aufmerksamkeiten entgegenzunehmen. Die sprach­lichen Kontexte mit den numinosen Bezü­ gen verdeutlichen vielmehr die Relevanz des Fes­ tes als wesentliches Element der conditio humana mit spirituell-rituellen Fundamenten.4 Eine Viel­ zahl von Festen rund um den Erdball weist religi­ ösen Ursprung und religiöse Prägungen auf; Kult­ plätze und Ritualfeste lassen sich schon in den frü­ hesten Gesellschaften nachweisen.5 In der Gegen­ wart sind Feste jedoch „multifunktional“ – sie gliedern an religiösen Feiertagen den Jahreskreis, dienen als Übergangs- und Initiationsriten und als Rahmen anderer ritueller Handlungen, haben ge­ meinschafts- und identitätsstiftende Wirkungen, zielen auf gesellschaftliche Repräsentation, bieten Gelegenheit zu gemeinsamer Zerstreuung und Ausgelassenheit und sind Ausdruck von Gast­ freundschaft und Großzügigkeit. Sie können einem zeitlichen Zyklus folgen und z.  B. wöchentlich oder jährlich wiederkehren, wie etwa religiöse Festtage oder Stiftungsfeste, aber auch Feierlich­ keiten aus Anlass internationaler Gedenktage, Na­ tionalfeiertage, Volkstrauertage usw. Feste können jedoch auch personenbezogen sein, wie die Feiern 4  S. zum Fest instruktiv die Beiträge in Michael Maurer (Hrsg.), Das Fest. Beiträge zu seiner Theorie und Systematik, 2004. 5  S. etwa Hermann Parzinger, Die Kinder des Pro­ metheus. Eine Geschichte der Menschheit vor Erfindung der Schrift, 2014, S. 125 ff.; zu frühen Begräbnisritualen s. auch Jürgen Kaube, Die Anfänge von allem, 2017, S.  121 ff.

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I. Einleitung

der Geburt und des Geburtstags, der Namensge­ bung (Taufe), der Reife oder „Einweihung“ (Fir­ mung, Konfirmation, Bar Mitzwa bzw. Bat Mitzwa, Jugendweihe), der Verbindung zweier Men­ schen (Verlobung, Hochzeit, „Verpartnerung“) und des Todes (Beerdigung oder sonstige Bestattung). Auch der Staat „feiert“ – so sind etwa Feier- und Gedenkstunden im Parlament oder Nationalfeierta­ ge als Elemente einer „performativen Demokratie“ anerkannt; sie sind Ausdruck staatlicher Selbstdar­ stellung und damit der „Staatskommunikation“.6 Feste und Feierlichkeiten sind damit vom Leben des Menschen untrennbare Phänomene. Damit zeigen sie zwangsläufig auch Spiegelbilder aller ­ Schattierungen des menschlichen Charakters. Nicht selten arten sie aus, was Sigmund Freud (1856– 1939) sogar gewissermaßen als eines ihrer Charak­ teristika hervorhebt: „Ein Fest ist ein gestatteter, vielmehr gebotener Ex­ zeß, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil Menschen infolge irgend einer Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie die Ausschreitungen, son­ dern der Exzeß liegt im Wesen des Festes; die fest­ liche Stimmung wird durch die Freigebung des sonst Verbotenen erzeugt“.7 6  Zu parlamentarischen Feierstunden als „Elemente performativer Demokratie“, zu Gedenkfeiern im Deut­ schen Bundestag und zum „Parlamentsplenum“ als an­ thropologischem Ort s. Sophie Schönberger, Der Plenar­ saal als Ort des Gedenkens – Parlamentarische Rituale im Deutschen Bundestag, Der Staat Bd. 56 (2017), S. 441 ff., z. B. zur Positionierung der Musiker im Raum (S.  453 ff.).



I. Einleitung11

Im Rechtsstaat ist das Feiern indes kein „Aus­ nahmezustand“, kein gönnerhaft gewährter, punk­ tueller Dispens von freud- und humorlosen Res­ triktionen, sondern verfassungsrechtlich gegen staatlichen Zugriff und unzulässige Beeinträchti­ gung durch Dritte geschützte grundrechtliche Be­ tätigung – religiöse Festtage unterliegen beispiels­ weise dem Schutz der Religionsausübungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG, Veranstaltungen können auch der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) oder der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) unterliegen; jede Kellerparty mit Musik und Kaltgetränken ist Verwirklichung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, die als „Auffanggrundrecht“ letztlich das Recht gewähr­ leistet, zu tun und zu lassen, was man möchte. 7

Feste folgen ihrerseits meist mehr oder weniger klaren, verbindlichen und von den Feiernden aner­ kannten (oder für sie jedenfalls unter Gefahr des Ausschlusses geltenden) Regeln. Die normative Steuerung kann dabei durch Vorgaben erfolgen, die dem Fest immanent sind und mitunter skurril anmuten, deren Wirksamkeit und Geltungskraft aber örtlich und zeitlich jenseits des Festes enden. Direktiven für Feste können auch rechtsförmlichen Charakter aufweisen, indem beispielsweise die für das Ereignis verantwortlich zeichnende Körper­ schaft eigene Vorschriften erlässt – beispielhaft ge­ nannt werden können hier die Bestimmungen des 7  Sigmund Freud, Totem und Tabu, IV. Die infantile Wiederkehr des Totemismus, 1912 / 1913, hrsg. v. H. Westerink, 2013, S. 178.

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I. Einleitung

Codex Iuris Canonici zu den Sakramenten der ka­ tholischen Kirche (Can. 840 ff.), etwa zur Taufe (Can. 850 ff.). Das Fest fordert dabei im Regelfall „Normentreue“ – wer sich nicht an die internen Regeln hält, darf nicht teilnehmen oder wird aus­ geschlossen. Von außen an das Fest herangetragen werden aber zugleich Beschränkungen durch die allgemein gültige staatliche Rechtsordnung. Über die Jahr­ hunderte hinweg hat die Obrigkeit versucht, das Feierverhalten der Bevölkerung rechtlich zu steu­ ern, jedenfalls aber einzuhegen. Die Verhinderung von Feierexzessen ist fundamentale Aufgabe der hoheitlichen Gefahrenabwehr. Beredtes Zeugnis davon geben die „Policeyordnungen“ des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Der histori­ sche Begriff der „policey“ ist weiter als nach heu­ tigem Verständnis und erfasste nicht nur die eigentliche Abwehr von Gefahren (und andere ­ gegenwärtige Polizeiaufgaben wie etwa die Ver­ ­ folgung von Straftaten), sondern bezog auch die „gute öffentliche Ordnung“ einschließlich des Handels- und Arbeitslebens ein, mitunter zugleich Gerichts- und Prozessordnungen.8 Zweck der Re­ gelungen war die umfassende Regulierung des ge­ sellschaftlichen Lebens und der Wirtschaft, die aber nicht nur als restriktives Herrschaftsinstru­ 8  Eingehend Peter Preu, Polizeibegriff und Staats­ zwecklehre. Die Entwicklung des Polizeibegriffs durch die Rechts- und Staatswissenschaften des 18. Jahrhun­ derts, 1983, insb. S. 15 ff.; Michael Stolleis, Geschichte der Polizei in Deutschland, in: Lisken / Denninger, Hand­ buch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, A. Rn. 1 ff.



I. Einleitung13

ment, sondern auch als Ausdruck des Selbstver­ ständnisses des Landesherrn verstanden werden muss. Die Polizeiordnungen enthalten beispiels­ weise Verbote des „Zutrinkens“, Regelungen zu den Kosten für Feierlichkeiten und Bestimmungen, um der Teuerung in Wirtshäusern entgegenzuwir­ ken.9 Die Reglementierung von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Feierlichkeiten verschiedens­ ter Art durch ortsrechtliche Bestimmungen wird auch in der Gegenwart noch praktiziert. Beispiel­ haft genannt werden kann die „Kölner Stadtord­ nung“, die Satzung und ordnungsbehördliche Verordnung über die öffentliche Sicherheit und Ordnung für das Gebiet der Stadt Köln (KSO).10 So untersagt etwa § 11 Abs. 1 KSO „jedes über den Gemeingebrauch hinausgehende Verhalten (…), das geeignet ist, Andere zu gefährden, mehr als nach den Umständen vermeidbar zu behindern oder zu belästigen sowie Sachen zu beschädigen, insbesondere durch (…) wiederkehrende Ansamm­ lungen von Personen, von denen Störungen ausge­ hen, wie z. B. Verunreinigungen oder Belästigun­ gen von Passanten, (…) Störungen in Verbindung 9  Z. B. Römischer Keyserlicher Maiestat Odnung vnd Reformation guter Pollicei im Heyligen Römischen Reich (Reichspolizeiordnung) von 1530; vgl. Matthias Weber, Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002. 10  Vom 14.4.2014 in der Fassung der 1. Änderungsverordnung zur Ordnungsbehördlichen Verordnung über die öffentliche Sicherheit und Ordnung für das Gebiet der Stadt Köln vom 29.1.2017.

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I. Einleitung

mit Alkohol- oder Drogenkonsum (…)“. §  13 Abs. 2 KSO verlangt eine gesonderte Erlaubnis der Stadt für Brauchtumsfeuer (z. B. Oster- oder Mar­ tinsfeuer oder die „Nubbelverbrennung“, ein mit dem Kölner Karneval zusammenhängendes sym­ bolisches Ritual in der Nacht auf Aschermittwoch, bei dem der „Nubbel“, eine bekleidete mannsgroße Strohpuppe, als Sündenbock verbrannt wird). Über die Jahrhunderte hinweg und bis in die Gegenwart hinein finden sich gesetzliche Regelun­ gen zum Lärmschutz, zum Schutz von Minderjäh­ rigen, zum Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung und zur Sicherheit von Feierlichkeiten, zu Be­ schränkungen bestimmter öffentlicher Festaktivi­ täten an „stillen Feiertagen“ usw. Es verwundert daher nicht, dass sich ein beachtlicher Anteil der recht­lichen Auseinandersetzungen im Zusammen­ hang mit Festen, die den Weg zu den Gerichten gefunden haben, um die Frage der rechtlichen Zu­ lässigkeit des jeweiligen Festes und seiner konkre­ ten Ausgestaltung (und um die Berechtigung zur Teilnahme) dreht. Da Feste eben doch in gewisser Hinsicht „Aus­ nahmezustände“ sind, erweisen sie sich als in be­ sonderer Weise gefahrenträchtig; Schäden realisie­ ren sich im Zusammenhang mit Festen aus unter­ schiedlichsten Gründen: aufgrund unsachgemäßer Handhabung (Silvesterraketen, sog. „Sky-Later­ nen“), motorischer Unzulänglichkeiten (Stürze beim exzessiven Tanzen und von Biergarnituren), Unaufmerksamkeit (Versehrungen durch Wurfma­ terial im Karneval) und erhöhten Alkohol- und ­Betäubungsmittelkonsums. In der Rechtsprechung



I. Einleitung15

findet sich zu diesem zweiten Themenfeld eine kaum überschaubare Vielfalt an mitunter seltsam anmutenden Fallkonstellationen, in denen im Zu­ sammenhang mit bei Festen erlittenen Schädigun­ gen – vor allem der Gesundheit und der körperli­ chen Unversehrtheit – Schadensersatz und Schmer­ zensgeld geltend gemacht werden. Ein dritter Themenkomplex betrifft die finanzi­ ellen Aspekte von Festen, namentlich Rechtsfragen der Kostenverteilung, der Preisminderung im Falle von vertraglichen Leistungsstörungen und der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Feierlichkeiten unterschiedlichster Art (z. B. als Werbungskosten im Rahmen der Einkommensteu­ ererklärung). Auch hierzu existiert eine differen­ zierte, von der Judikatur über Jahrzehnte hinweg entwickelte Kasuistik.11 Das Recht als Konfliktlösungsinstrument entfal­ tet vor diesem Hintergrund in besonderer Weise seine Funktionen im Kontext von Festen und Fei­ erlichkeiten. Die vielfältigen Fallkonstellationen, die im Folgenden dargestellt werden und mit „Das Fest im Recht“ überschrieben sind, bilden ein spannendes, oftmals erheiterndes Panoptikum des­ sen, was das Recht bei der Bewältigung spe­zieller 11  Vgl. z. B. Witold Peuster, Rechtsfragen zwischen Weihnachten und Karneval, MDR 1995, 133 f., zu einer Entscheidung des OLG Köln, Urt. v. 20.5.1994, 19 U 262 / 93, in einem ungewöhnlichen Fall, bei dem es um Vergütungsansprüche einer Künstlergruppe aus einem nach dem ersten, in der Vorweihnachtszeit durchgeführ­ ten und als unzumutbar empfundenen Auftritt vom Auf­ traggeber fristlos gekündigten Engagementvertrag ging.

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I. Einleitung

Situationen zu leisten hat (und zu leisten in der La­ ge ist). Dieses Bändchen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, auf systematische oder vertief­ te wissenschaftliche Durchdringung der verschie­ denen Rechtsstreitigkeiten oder auf eine eigene, dezidierte Positionierung. Es soll als Gabe des Verlags Duncker & Humblot, dem für die Veröf­ fentlichung ganz herzlich zu danken ist, für die weihnachtliche Zeit unterhalten; seinem Verfasser wäre es ein Fest, wenn dies gelänge. Gegliedert ist die Darstellung in zwei Teile: Der erste Teil (II.) behandelt Feiern und Feste „auf dem Lebensweg“, namentlich die Geburt und den Geburtstag, Partys (zu unterschiedlichsten Anläs­ sen), die Hochzeit und Feierlichkeiten anlässlich des Todes. Im zweiten Teil (III.) finden sich Dar­ stellungen zu den Festen „im Jahreskreis“ – zum Weihnachtsfest, zu Silvester, zu Karneval, zu Os­ tern, insbesondere zum Karfreitag, und zum Okto­ berfest. Zu vielen anderen Festen ließe sich Recht­ liches sagen – zu Volksfesten und ähnlichen Ver­ anstaltungen (namentlich zur Problematik der Si­ cherheitskonzepte, zu den rechtlichen Vorgaben für Zulassungsentscheidungen oder auch zu Haftungs­ fragen im Zusammenhang mit tragischen Großun­ glücken wie der „Loveparade“ am 24. Juli 2010 in Duisburg) oder zu religiösen Feiertagen des Islam, des Judentums und anderer Religionsgemeinschaf­ ten. Überlegungen hierzu, auch rechtswissenschaft­ licher Art, wurden bereits angestellt oder müssen anderen Werken vorbehalten bleiben.

II. Feste auf dem Lebensweg Feste sind wesentlicher Bestandteil des mensch­ lichen Lebens. Ein erster Zugang zum juristischen Umgang mit Feierlichkeiten ergibt sich daher, in­ dem man dem Lebensweg eines Menschen folgt.

1. Geburt und Geburtstag Mit der Vollendung der Geburt beginnt gemäß § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Rechtsfähigkeit des Menschen. Dies ist Grund zu feiern genug – und wird in vielen Kulturen alljähr­ lich erneut feierlich begangen. Der Brauch des Ge­ burtstagsfestes geht auf die frühen und antiken Hochkulturen zurück, in denen aber vornehmlich das Wiegenfest des Potentaten gefeiert wurde. a) Werbungskosten für den „runden Geburtstag“? Im Zusammenhang mit Geburtstagsfeiern stellen sich rechtliche, vor allem steuerliche Fragen. So hat sich der Bundesfinanzhof damit beschäftigen müssen, ob die Aufwendungen eines Arbeitneh­ mers für eine in den Betriebsräumen abgehaltene Feier anlässlich seines 60. Geburtstags als Wer­

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II. Feste auf dem Lebensweg

bungskosten anzuerkennen seien.12 Ein verbeamte­ ter und zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als al­ leiniger Geschäftsführer einer kommunalen Woh­ nungsbaugesellschaft beurlaubter Mann lud zu die­ sem Anlass sämtliche Mitarbeiter der Gesellschaft sowie den Aufsichtsratsvorsitzenden in eine Werk­ statthalle seines Arbeitgebers – der an den Planun­ gen aktiv beteiligt war – ein; diese wurde für die Feierlichkeit mit Bierzeltgarnituren des Arbeitge­ bers ausgestattet. Die Feier fand an einem Freitag zwischen 12 und 17 Uhr statt, ein Teil der Gäste erschien in Arbeitskleidung. Die Kosten der Feier beliefen sich bei ca. 70 Personen auf etwa 35,– Eu­ ro pro Person. Diese Kosten machten die zusam­ men veranlagten Eheleute als Werbungskosten bei den Einkünften des Mannes aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt erkannte die streiti­ gen Aufwendungen bei der Einkommensteuerfest­ setzung nicht an, das FG Rheinland-Pfalz gab der nach erfolglos eingelegtem Einspruch erhobenen Klage statt. Die Revision des Finanzamts wurde vom Bundesfinanzhof als unbegründet zurückge­ wiesen: Der Jubilar hatte die Kosten zu Recht steuerlich geltend gemacht. Werbungskosten seien Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die mit den steuer­ ­ pflichtigen Einnahmen in einem Veranlassungszu­ sammenhang stünden. Auslösendes Moment seien die Gründe, die den Steuerpflichtigen zu den Auf­ wendungen bewogen hätten. Es kam also darauf 12  BFH,

81.

Urt. v. 10.11.2016, VI R 7 / 16, BFHE 256,



1. Geburt und Geburtstag19

an, ob die Aufwendungen für die Feier privat oder betrieblich, also durch das Arbeitsverhältnis veran­ lasst waren. Im vorliegenden Fall, so der BFH, sei als Indiz auf den Anlass der Feier abzustellen – dieser war angesichts des „runden“ Geburtstags er­ kennbar privaten Charakters. Die Einladung zu ei­ nem Empfang aus einem solchen Anlass entspre­ che einer gesellschaftlichen Konvention, die ihren Grund in der privaten Lebensführung habe. Es sei allgemein üblich, dass solch herausgehobene Er­ eignisse nicht nur in der Familie begangen, son­ dern gerade bei Geschäftsleuten auch die Ge­ schäftspartner, Berufskollegen und Mitarbeiter des eigenen Unternehmens einbezogen würden. Doch trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereig­ nisses könne sich aus den übrigen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Aufwendungen für die Feier beruflich veranlasst seien. Weitere Ge­ sichtspunkte seien für die Zuordnung heranzuzie­ hen: So sei von Bedeutung, wer als Gastgeber auf­ trete, wer die Gästeliste bestimme, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter, um Angehörige des öffentlichen Le­ bens, der Presse, um Verbandsvertreter oder aber um private Bekannte oder Angehörige des Steuer­ pflichtigen handele. Zu berücksichtigen sei ferner, an welchem Ort die Veranstaltung stattfinde, ob sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen be­ wegten, und ob das Fest den Charakter einer pri­ vaten Feier aufweise oder nicht. Bedeutsam könne für die Zuordnung auch sein, ob nur ausgesuchte Arbeitskollegen eingeladen würden, oder ob die

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II. Feste auf dem Lebensweg

Einladung nach allgemeinen Kriterien ausgespro­ chen werde. Die ausschließlich berufliche Veran­ lassung sei von den Vorinstanzen im entschiedenen Fall zu Recht damit begründet worden, dass neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden ausschließlich (und sämtliche) Mitarbeiter der Gesellschaft eingeladen worden seien, dass der Arbeitgeber in die Organi­ sation einbezogen wurde, dass die Kosten maßvoll gewesen seien und die Feier in einer einfach ge­ schmückten Werkhalle stattgefunden habe. Das Fest habe trotz der gehobenen beruflichen Position des Klägers unstreitig keinen repräsentativen, son­ dern einen rustikalen betriebsinternen Charakter aufgewiesen. b) Happy Birthday to You! Ein prominenter, allerdings nicht in Deutschland ausgetragener Rechtsstreit drehte sich um das wohl bekannteste und beliebteste Geburtstagslied – die Melodie und den Text von „Happy Birthday to You“, eines der am häufigsten gespielten Songs der Welt. Umstritten ist namentlich das Bestehen eines urheberrechtlichen Schutzes.13 Als Urheberinnen des Lieds galten bislang die Schwestern Patty und Mildred J. Hill, zwei Kindergärtnerinnen, die vor 1893 ein Manuskript mit 73 Songs komponiert 13  Eingehend Albrecht Götz von Olenhusen, Happy Birthday to You – Happy Birthday for All, MR-Int 2013, 3 ff.; aus US-amerikanischer Sicht grundlegend Robert Brauneis, Copyright and the World’s Most Popular Song, 56 Journal of the Copyright Society of the U.S.A. 335 (2009).



2. Partys21

oder arrangiert hatten. Sie verkauften ihre Rechte an diesen Liedern im Jahre 1893; der Erwerber veröffentlichte ein Songbuch mit dem Titel „Song Stories for the Kindergarten“; darin war ein Lied mit dem Titel „Good-Morning to All“ enthalten, das dieselbe Melodie aufweist wie „Happy Birthday to You“. Ob die Schwestern tatsächlich die Ur­ heberinnen waren, lässt sich ebensowenig verläss­ lich belegen wie sich die weitere Geschichte des Copyrights nachzeichnen lässt. Unklar ist damit vor allem die Laufzeit des Urheberrechtsschutzes. Zudem stellt sich die Frage, ob sich die Urheber­ schaft für „Good-Morning to All“ auch auf „Happy Birthday to You“ erstreckt oder nicht. Aus deut­ scher Sicht ist im Schrifttum angenommen wor­ den, dass ein Urheberschutz nach § 2 UrhG beste­ he; die gemeinsame Komposition der beiden Schwestern sei als Fall von Miturheberschaft und Werkverbindung nach §§ 8, 9 UrhG zu qualifizie­ ren.14

2. Partys a) „Facebook“- und andere Massenpartys Prominent in das juristische Blickfeld geraten sind sog. „Facebook“-Partys als Erscheinungsform von „Massenpartys“.15 Kennzeichnend für diese 14  So Thomas Hoeren, Happy Birthday to You – Ur­ heberrechtliche Fragen rund um ein Geburtstagsständ­ chen, in: Festschrift f. O. Sandrock, 2000, S. 357 ff. 15  S. etwa Benedikt Klas / Carina Bauer, FacebookPartys: Haftung des Einladenden, K&R 2011, 533 ff.;

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II. Feste auf dem Lebensweg

Veranstaltungen ist, dass sie über soziale Netzwer­ ke wie etwa Facebook publik gemacht und bewor­ ben werden; Facebook ist dabei allerdings weder Veranstalter noch Gegenstand des Events, so dass die gängige Bezeichnung irreführend ist. Als pro­ blematisch hat sich namentlich bei der Veröffentli­ chung von Privatpartys über soziale Netzwerke er­ wiesen, dass die Anzahl der erscheinenden Perso­ nen und damit die Größenordnung der tatsächlich stattfindenden Feier im Vorhinein nicht verlässlich abgeschätzt werden können. So fand etwa im ­Sommer 2011 eine „Facebook“-Party in Wuppertal statt, die aus dem Ruder gelaufen ist – durch ge­ walttätige Teilnehmer wurden 16 Personen verletzt und infolgedessen 41 Personen festgenommen. Das größte Sicherheitsproblem ist meist die schie­ re Anzahl der Personen, die der Online-Einladung Folge leisten. Zu einer über ein soziales Netzwerk aufgerufenen Strandparty auf Sylt erschienen bei­ spielsweise im Sommer 2009 ca. 4.500 Personen (nachdem sich um 13.000 Personen angekündigt hatten); die Behörden, Krankenhäuser und Ret­ tungsdienste mussten sich auf eine erhebliche zu­ sätzliche Belastung durch die Veranstaltung ein­ stellen.16 Doch auch eine ausufernde Beteiligung entgegen der Absicht des Einladenden hat sich Marie Herberger, Öffentlich-rechtliche Probleme von Facebook-Partys, VBlBW 2015, 445 ff.; Ilya Levin / Michael Schwarz, Zum polizeirechtlichen Umgang mit sog. Facebook-Partys – „Ab geht die Party und die Party geht ab!“… oder doch nicht?, DVBl. 2012, 10 ff. 16  Insel-Party. Tausende Jugendliche feiern auf Sylt, Spiegel Online v. 14.6.2009.



2. Partys23

schon des Öfteren als problematisch erwiesen. Ur­ sache war häufig ein Bedienungsfehler – so kann zu Veranstaltungen bei Facebook entweder öffent­ lich oder privat eingeladen werden, wobei die ­Option „öffentlich“ früher durch das Deaktivieren eines Häkchens gezielt abgestellt werden musste (sog. „opt-out“). Wer dies versäumte, machte seine Veranstaltung öffentlich und verursachte damit ge­ gebenenfalls einen Massenzulauf. Gegenstand juristischer Streitigkeiten sind vor allem Haftungsfragen, aber auch die Diskussion um die Verantwortlichkeit für die Einsatzkosten der Sicherheitsbehörden sowie für die Aufwendun­ gen zur Müllbeseitigung.17 Wie in anderen Zusam­ menhängen – z. B. bei den Einsatzkosten für sog. „Hochrisiko-Fußballspiele“18 – wird insbesondere darüber debattiert, ob derartige Kosten von der Allgemeinheit zu tragen sind oder aber dem zur Party Einladenden auferlegt werden können. Öf­ fentlich-rechtlich stellt sich vorgelagert zudem die Frage nach dem einschlägigen Rechtsregime: Sind 17  Vgl. Carl Georg Müller, Tückische Einladung per Mausklick, Städte- und Gemeinderat 2013, Heft 1–2, 18 ff. 18  Das OVG Bremen hat den auf der Grundlage einer spezifisch bremischen Regelung erlassenen Gebührenbe­ scheid für rechtmäßig erklärt, mit dem die Polizei die Kosten für den Polizeieinsatz bei einem Fußballspiel zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH auferlegt hat, OVG Bremen, Urt. v. 5.2.2018, 2 LC 139 / 17; zum The­ ma allgemein etwa Tim Weill, Die DFL als „Veranstalte­ rin“ und Schuldnerin von Verwaltungsgebühren im deut­ schen Profifußball, NVwZ 2018, 846 ff.

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II. Feste auf dem Lebensweg

die fraglichen Veranstaltungen als „Versammlun­ gen“ im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG bzw. des ein­ fachgesetzlichen Versammlungsrechts einzuord­ nen, greift die sog. „Polizeifestigkeit“ der Ver­ sammlung. Sie wurzelt in der Erkenntnis, dass dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit als Kommunikationsgrundrecht eine herausragende Bedeutung für die politische Meinungsbildung und -kommunikation in der Demokratie zukommt, und dass für den Zugriff auf Versammlungen als Foren der Grundrechtsausübung sowie auf friedliche und unbewaffnete Teilnehmerinnen und Teilnehmer le­ gitimierende spezialgesetzliche Vorschriften vor­ handen sein und angewandt werden müssen. Ein Handeln insbesondere der Polizei auf der Grundla­ ge des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist dieser damit schon grundsätzlich verwehrt, wenn es sich um eine Versammlung handelt, ver­ sammlungsspezifische Gefahren abzuwenden sind und die Versammlung noch nicht aufgelöst worden ist. Im Detail wirft die Abgrenzung des Geltungsbe­ reichs des Versammlungsrechts und des allgemei­ nen Polizei- und Ordnungsrechts komplexe und schwierige Fragen auf; für den rechtmäßigen Um­ gang mit Veranstaltungen und für nachgelagerte Rechtmäßigkeitskontrollen in gerichtlichen Verfah­ ren ist die Zuordnung aber unerlässlich. Diese wird zudem dadurch erschwert, dass die Charakte­ risierung von Veranstaltungen als Versammlung oder „Nicht-Versammlung“ ebenfalls nicht immer einfach ist. So sind in Rechtsprechung und rechts­ wissenschaftlichem Schrifttum verschiedene „Ver­



2. Partys25

sammlungsbegriffe“ entwickelt worden, denen im­ merhin das Merkmal gemeinsam ist, dass die Teil­ nehmerinnen und Teilnehmer jedenfalls einen ge­ meinsamen Zweck verfolgen müssen. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Teilnahme nicht nur zufällig auf denselben Zweck ausgerichtet sein dürfen – der Zweck muss eben gemeinsam sein und gerade auch durch diese Gemeinsamkeit eine besondere Qualität erhalten, im Regelfall eine kommunikati­ ve. Die Gaffer an einer Verkehrsunfallstelle verfol­ gen das Ziel, ihre Sensationslust zu befriedigen – ihnen ist es herzlich egal, ob noch andere das Ge­ schehen ebenfalls fest im Blick haben oder nicht. Sie bilden eine bloße Ansammlung. Die Men­ schenmenge beim „Public Viewing“ möchte das Fußballspiel oder den Eurovision Song Contest se­ hen; hier spielt zwar das Gemeinsame eine deut­ lich größere Rolle, weil die Stimmung damit steht und fällt, dass man nicht allein vor der Leinwand sitzt. An einer irgendwie gearteten kommunikati­ ven Funktion fehlt es jedoch auch hier, weil die durchaus stattfindende Individualkommunikation für die Veranstaltung nicht konstitutiv ist. In Rechtsprechung und Literatur wird häufig an­ hand des Kriteriums abgegrenzt, ob es sich vorran­ gig um eine „Spaßveranstaltung“ handelt oder um eine Veranstaltung, bei der die gemeinschaftliche Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung im Vordergrund steht. Wenngleich dies beiläufig und fälschlich suggeriert, Versammlungen seien nach der Vorstellung des Grundgesetzes stets eine erns­ te Angelegenheit und als institutionalisierte „Spaß­

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II. Feste auf dem Lebensweg

bremsen“ von jeglichem heiteren Charakter freizu­ halten, handelt es sich um ein brauchbares Abgren­ zungsmerkmal. So werden beispielsweise Musikund Tanzveranstaltungen nicht allein dadurch zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch (vereinzelte) Meinungskundgaben erfolgen.19 „Facebook“-Partys werden damit im Regelfall – auch wenn im Falle verbleibender Zweifel auf­ grund der Bedeutung des Grundrechts der Ver­ sammlungsfreiheit zu Gunsten einer Einordnung als Versammlung zu entscheiden ist – nicht als Versammlungen zu qualifizieren sein, geht es of­ fenkundig in erster Linie um die gemeinsame Frei­ zeitgestaltung. Gleiches gilt für „Flashmobs“, nicht aber für „Smart Mobs“.20 „Flashmobs“ – zu Deutsch etwa: „Blitzmeute“ – sind kurze, schein­ bar spontane Ansammlungen von Menschen auf öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Plätzen, bei denen die Anwesenden sich abgesprochen in meist gewollt sinnfreier Weise verhalten. Derartige kol­ lektive Aktionsformen werden im Regelfall über eine Online-Community beworben und organisiert. Bei den „Flashmobs“ stehen die gemeinsame Ak­ tion und der damit verbundene Spaßfaktor im Vor­ dergrund. Der „Smart Mob“ bezeichnet demgegen­ über einen Sonderfall: Die Teilnehmerinnen und 19  BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001, 1 BvQ 28 / 01, 30 / 01, NJW 2001, 2459 (2460 f.); Beschl. v. 27.10.2016, 1 VR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff., Rn. 111. 20  Vgl. Conrad Neumann, Flashmobs, Smartmobs, Massenpartys – Die rechtliche Beurteilung moderner Kommunikations- und Interaktionsformen, NVwZ 2011, 1171 ff.



2. Partys27

Teilnehmer vermitteln eine politische, soziale oder weltanschauliche Botschaft. Es handelt sich daher in der Regel um eine Versammlung. Bei den „Facebook“-Partys stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer Heranziehung des Ein­ ladenden zur Tragung der behördlichen Kostenlast. Entscheidend ist dafür nach den gesetzlichen Be­ stimmungen vor allem, ob er als sog. „Störer“ im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne qualifiziert werden kann. Polizeirechtliche „Störer“ gibt es in mehreren Kategorien – die entsprechenden Geset­ ze unterscheiden zwischen Handlungsverantwortli­ chen und Zustandsverantwortlichen. „Zustandsstö­ rer“ kann man lediglich als Eigentümer oder Besit­ zer einer Sache sein, von der eine Gefahr ausgeht; dies scheidet bei den „Facebook“-Partys regelmä­ ßig aus. „Handlungs“- bzw. „Verhaltensstörer“ ist, wer die Gefahrenlage unmittelbar verursacht. Bei unbefangener Betrachtung ist man versucht, diese unmittelbare Verursachung zu bejahen, hat der Einladende doch gerade zu der Veranstaltung ein­ geladen. So einfach kann man es sich jedoch nicht machen, werden doch gewaltsame Auseinanderset­ zungen und die Müllproduktion nicht durch den Einladenden, sondern durch das Hinzutreten eines (diesem ja meist auch unerwünschten) Verhaltens der Gäste hervorgerufen. Die Zurechnung des für die Handlungsstörereigenschaft entscheidenden Verursachungsbeitrags ist auch in vielen anderen Fallkonstellationen schwierig; durchgesetzt hat sich die Auffassung, man müsse eine wertende Be­ trachtung anstellen und könne nicht mit den aus dem Zivil- und Strafrecht bekannten Kausalitäts­

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II. Feste auf dem Lebensweg

formeln arbeiten. Denn diese Formeln dienen in den beiden Rechtsgebieten einer abschließenden Bewertung und Zuweisung von Verantwortlich­ keiten und Haftungs- bzw. Straffolgen, während es bei der polizeirechtlichen Betrachtung um ei­ ne häufig unter Zeitdruck erfolgende Bewertung der Sachlage geht, die zeitlich vor dem Ergreifen von Gefahrenabwehrmaßnahmen vorzunehmen ist. Geht es anschließend um die Haftung, ist zwar der Sachverhalt wie im Zivil- und Strafrecht in Ruhe zu überblicken; dennoch knüpft das Polizei- und Ordnungsrecht auch die Kostenverantwortlichkeit an die „ex ante“, also vor dem polizeilichen Han­ deln zu bewertende Störereigenschaft (und ermög­ licht in besonders gelagerten Fällen abweichende Billigkeitsentscheidungen). Aus diesen Gründen ist auch die Eigenschaft als „Handlungsstörer“ auf der Grundlage wertender Überlegungen zu klären. In Schrifttum und Recht­ sprechung ist hierzu die Rechtsfigur des sog. „Zweckveranlassers“ entwickelt worden. Ihre Le­ gitimation und ihre Eignung als Zurechnungsmo­ dus in besonders gelagerten Fällen werden kontro­ vers diskutiert, sie fügt sich aber in die polizei­ rechtsdogmatische Konstruktion der Verursachung in praktikabler und sachgerechter Weise ein. „Zweckveranlasser“ ist nach einer überzeugenden Definition eine Person, die eine Handlung vor­ nimmt, die ihrerseits an sich rechtmäßig ist und selbst keine Gefahr hervorruft, die aber in zure­ chenbarer Weise Dritte zur Störung oder Gefähr­ dung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung veranlasst21 (oder dies beabsichtigt22). Bei einer



2. Partys29

öffentlichen Einladung über soziale Netzwerke wird man dies bejahen können. Als gesetzliche Grundlage für die behördlichen Erstattungsansprü­ che können dann straßenrechtliche (Müllbeseiti­ gung) oder allgemein verwaltungsvollstreckungs­ rechtliche Vorschriften dienen. In engem Zusam­ menhang mit der Problematik der „Facebook“-Par­ tys stehen „wilde Partys“ im öffentlichen Raum.23 Ähnliche Probleme werfen abendliche und nächtli­ che Ansammlungen einer Vielzahl von Personen an innerstädtischen „Hot Spots“ als Ausdruck einer „Open Air“-Kultur und eines urbanen Lebensge­ fühls auf.24 Prominente Beispiele sind der Brüsse­ ler Platz in Köln und die Admiralbrücke in BerlinKreuzberg; an diesen Orten versammeln sich bei entsprechender Wetterlage teilweise allabendlich bis zu mehrere hundert Personen, die allein auf­ grund der Lautstärke normaler Gespräche einen die Anwohner in erheblicher Weise störenden Lärmpegel verursachen. Das rechtliche Konflikt­ 21

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21  Friedrich Schoch, Der Zweckveranlasser im Ge­ fahrenabwehrrecht, JURA 2009, 360 (361). 22  Die Diskussion um eine „subjektive“, „objektive“ oder „subjektiv-objektive“ Ausrichtung der Rechtsfigur soll hier unerörtert bleiben. 23  Claudia Schroth, „Wilde Partys“ im öffentlichen Raum: Flashmob & Co. Vom ordnungsrechtlichen Um­ gang mit Alkohol und Lärm, KommunalPraxis spezial 2016, 24 ff. 24  Eingehend dazu Markus Thiel, Rechtsgüterschutz gegen „urbanes Lebensgefühl“? Gefahrenabwehrrechtli­ che Probleme der Lärmbelästigung durch nächtliche Personenansammlungen in innerstädtischen Wohngebie­ ten, 2014.

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II. Feste auf dem Lebensweg

potenzial ist immens; sachgerechte Lösungen der Problematik lassen sich ohne eine Bereitschaft zum Kompromiss kaum finden und noch schwerer durchsetzen. b) Strafrechtliche Einstandspflichten des Gastgebers Wer bei Partys seinen Gästen Alkohol oder Rauschgift verabreicht oder bereitstellt, den treffen rechtliche Einstandspflichten.25 Der BGH hatte über die Reichweite der Garantenpflichten des Veranstalters einer „Rauschgiftparty“ zu entschei­ den.26 Mehrere Personen hatten sich bereits an ei­ nem Nachmittag getroffen und gemeinsam Alko­ hol und verschiedene Betäubungsmittel konsu­ miert. Gegen Abend begab sich die Gruppe in die Wohnung eines der Feiernden. Dort nahmen die Anwesenden weiterhin u. a. Alkohol, Amphetamin und Cannabis zu sich. Der Wohnungsinhaber bot im weiteren Verlauf des Abends unverdünntes Gammabutyrolacton (GBL), ein als „Partydroge“ bekanntes industrielles Lösungsmittel, aus einer Glasflasche zum Konsum an. Nach einem kräfti­ gen Schluck aus der Flasche ließ er diese frei zu­ gänglich stehen, wies aber die Gäste darauf hin, dass GBL nicht unverdünnt zu sich genommen 25  Vgl. auch Tobias Kulhanek, Beihilfe zum Voll­ rausch – Zechkumpane aufgepasst, oder ist eine Ein­ schränkung möglich?, JA 2011, 832 ff. 26  BGH, Beschl. v. 5.8.2015, 1 StR 328 / 15, NStZ 2016, 406 ff.



2. Partys31

werden dürfe. Einige Zeit später setzte einer der Gäste die Flasche an und trank eine nicht mehr nä­ her feststellbare Menge der Substanz. Mehrere Gäste versuchten erfolglos, ihn zum Erbrechen zu veranlassen. Der Konsument verlor das Bewusst­ sein. Der Wohnungsinhaber blieb untätig, obwohl der Bewusstlose nur noch alle sechs bis acht Se­ kunden atmete. Nach geraumer Zeit wurde ein Rettungswagen gerufen, der allerdings abfuhr, oh­ ne den Bewusstlosen aufgenommen zu haben. Erst der zweite Rettungswagen nahm ihn mit; die Be­ satzung unternahm Wiederbelebungsversuche. Gleichwohl verstarb der Bewusstlose an einem durch den Konsum von GBL verursachten Atem­ stillstand und der dadurch verursachten Sauerstoff­ unterversorgung des Gehirns. Der Wohnungsinhaber wurde wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt; die Revision hatte keinen Erfolg. Er hatte, so der BGH, im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einzustehen, dass der Tod des Geschädigten nach dessen Konsum von GBL nicht eintrete. Diese Pflicht zur Abwen­ dung des „Todeserfolgs“ resultiere aus der tatsäch­ lichen Herrschaft des Wohnungsinhabers über die in seinem Besitz befindliche und von ihm in seiner Wohnung für die dort Anwesenden frei zugänglich gemachte Flasche mit dem hochgradig gesund­ heits- und lebensgefährlichen GBL. Jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe oder unterhalte, müsse die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vor­ kehrungen zum Schutz anderer Personen treffen. In welchem Grad die Erfolgsabwendungspflicht durch die Ergreifung zumutbarer Maßnahmen be­

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II. Feste auf dem Lebensweg

stehe, bestimme sich nach dem Grad der Gefahr. Die Anforderungen an den für die Gefahrenquelle Zuständigen seien umso höher, je größer bei er­ kennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Scha­ denswahrscheinlichkeit und die Schadensintensität seien. Diese Pflicht des Wohnungsinhabers werde auch nicht durch den freiwilligen Konsum des Ver­ storbenen beseitigt. Nach der Rechtsprechung des BGH entfalle die Erfolgsabwendungspflicht eines Garanten nicht, wenn sein Verhalten zunächst le­ diglich eine eigenverantwortliche Selbstgefähr­ dung derjenigen Person ermögliche, für dessen Rechtsgut bzw. Rechtsgüter er als Garant rechtlich im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB einzustehen habe.

3. Hochzeit Die Hochzeit soll der schönste Tag im Leben sein. Nicht immer gelingt dies – gerade die Recht­ sprechung zum Themenkreis „missglückte Hoch­ zeitsfeierlichkeiten“ erweist sich als ungewöhnlich reichhaltig.27 a) Verunglückte Kutschfahrt Ein Brautpaar, das auf dem Weg von der Kirche oder dem Standesamt zur Örtlichkeit der Hoch­ 27  S. Andreas Herzog, Hochzeit mit Hindernissen – Ansprüche bei missglückten Hochzeitsfeierlichkeiten, FuR 2017, 364 ff.; vgl. zur steuerrechtlichen Einordnung eines Hochzeits- und Trauerredners als ausübender Künstler BFH, Urt. v. 3.12.2015, V R 61 / 14.



3. Hochzeit33

zeitsfeier in einer Kutsche oder einem anderen Fahrzeug in einen Verkehrsunfall gerät, kann vom Verantwortlichen die Kosten für die Hochzeitskut­ sche ebenso wenig als materielle Schadenspositio­ nen geltend machen wie die Beschädigung der Festkleidung oder die Aufwendungen für das E ­ ssen der Hochzeitgesellschaft. Dies hat das LG Görlitz entschieden.28 Die Kleidung sei bereits für die Trauung im Standesamt genutzt, die Kutschfahrt bereits angetreten worden. Die für die Brautleute sinnlos gewordene Feier – die schwangere Braut hatte bei einem Verkehrsunfall eine Halswirbelsäu­ lenverletzung davongetragen, so dass die weiteren Feierlichkeiten ohne Beteiligung des Brautpaares stattfinden mussten – sei abgesehen von dem Kos­ tenanteil für das für sie selbst vorgesehene Essen nur unter ideellen Aspekten zu berücksichtigen; dies aber nicht im Rahmen des materiellen Scha­ densersatzes, sondern allenfalls bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. b) Gold und Silber lieb’ ich sehr … Besonders ausgefuchst wollte ein Hochzeitspaar sein, das für die Durchführung einer Hochzeitsfei­ er mit dem Veranstalter eine Vergütung von rund 6.200,– Euro vereinbart hatte, den Differenzbetrag zu dem eigentlichen Preis in Höhe von gut 12.500,– Euro aber „schwarz“ entrichten wollte. Der Veranstaltungssaal war jedoch am vereinbar­ 28  LG Görlitz, Urt. v. 25.10.2000, 4 O 116 / 00, Scha­ den-Praxis 2001, 376 f.

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II. Feste auf dem Lebensweg

ten Datum ärgerlicherweise noch nicht fertigge­ stellt. Die ursprünglich für 620 Personen geplante Feier musste an einem anderen Ort stattfinden, der nur zur Bewirtung von 400 Personen geeignet war. Weil er 220 Personen wieder habe ausladen müs­ sen, seien ihm, so der Bräutigam, „Geschenke in Form von Geld oder Gold“ im Wert von insgesamt 8.250,– Euro entgangen. Diesen Wert hatte er aus dem durchschnittlichen Wert eines Hochzeitsge­ schenks errechnet, von dem er die Bewirtungskos­ ten je Gast abgezogen hat. Das OLG Frankfurt a. M. sah den schriftlichen Vertrag mit dem Veranstalter, der ersichtlich auf eine Steuerhinterziehung ausgerichtet war, aller­ dings als nichtig gemäß §§ 134, 138, 139 BGB an,29 so dass ein vertraglicher Schadensersatzan­ spruch schon mangels eines wirksamen Vertrags nicht geltend gemacht werden könne.30 Doch selbst im Falle der Wirksamkeit des Vertrags sei der behauptete „entgangene Gewinn“ kein erstat­ tungsfähiger Schaden. Zwar solle der Schadenser­ satzanspruch wegen Nichterfüllung der Leistungs­ pflicht den Gläubiger so stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungs­ gemäß erfüllt hätte. Zu ersetzen seien aber nur sol­ 29  Die Vorschriften erklären Rechtsgeschäfte, die ge­ gen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen, für nichtig; aus ihnen können keine wechselseitigen Ansprüche hergeleitet werden. 30  OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.5.2011, 19 W 29 / 11; s. dazu Marwan Hamdan / Binke Hamdan, juris­ PR-FamR 18 / 2011, Anm. 6.



3. Hochzeit35

che Schadensfolgen, zu deren Abwendung die ver­ letzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der Zweck einer Hochzeitsfeier sei nicht darauf ge­ richtet, wie bei einer gewerblichen Veranstaltung Gewinne zu erzielen. Die vom Vertragspartner übernommene Leistungspflicht habe auch nicht zum Inhalt gehabt, dem Bräutigam mittelbar zu ei­ nem Gewinn in Form von Geld- und Goldgeschen­ ken zu verhelfen. c) Doppelbelegung im „Kaminzimmer“ Eine unerfreuliche Überraschung ist es, wenn der gebuchte Veranstaltungsraum aufgrund einer Doppelbelegung nicht für die geplante Hochzeits­ feier zur Verfügung steht. Dies kann zu psychi­ schen Belastungen führen, die wiederum Grundla­ ge von Entschädigungsansprüchen sein können. In einem vom OLG Saarbrücken zu entscheidenden Fall hatte die Braut für den Abend ihrer Hochzeit verbindlich das „Kaminzimmer“ in einer Gaststät­ te für 12 Personen reserviert.31 Aufgrund eines ­Buchungsversehens war der Raum bei Ankunft der Hochzeitsgesellschaft indes von anderen Gästen belegt. Weil die abendliche Hochzeitsfeier habe ausfallen müssen, habe die Braut tagelang geweint, sei „nervlich total am Ende“ gewesen, habe „wo­ chenlang über das Ereignis nicht sprechen (kön­ nen), ohne Weinkrämpfe zu bekommen“ und einen „seelischen Schock“ erlitten. Für diese leidvollen 31  OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.7.1998, 8 W 165 /  98–22.

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II. Feste auf dem Lebensweg

Erfahrungen hat sie Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,– DM geltend gemacht. Das OLG Saarbrücken hat einen solchen Schmerzensgeldanspruch abgelehnt. Eine durch ei­ ne Vertragsverletzung vermittelte Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens des Vertragspartners könne nur in Ausnahmefällen einen solchen An­ spruch begründen. Zwar habe der Schädiger auch für die psychischen Auswirkungen eines von ihm zu vertretenen Verhaltens einzustehen, so dass eine durch dieses Verhalten verursachte Beeinträchti­ gung (lediglich) der seelischen Befindlichkeit der Geschädigten eine Körper- oder Gesundheitsver­ letzung darstellen könne. Diese Beeinträchtigung müsse jedoch nach Art, Intensität und Dauer über die im Leben normalerweise zu gewärtigenden Re­ aktionen auf unangenehme Ereignisse derart deut­ lich hinausgehen, dass ein Vergleich zu Auswir­ kungen mit echtem Krankheitswert zumindest na­ hegelegt werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zudem fehle es an einem Verschulden; zwar könne und müsse ein Gastwirt bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt damit rechnen, dass eine von ihm versäumte Reservierung des für ein Hochzeits-Abendessen bestellten Raums bei der Braut – möglicherweise sogar nicht unerhebli­ che – negative seelische Reaktionen zur Folge ha­ ben werde. Dass diese Reaktionen aber nach Art, Intensität und Dauer so stark ausfielen, dass sie die Voraussetzungen für die Annahme einer Körper­ verletzung oder Gesundheitsbeschädigung erfüllen, sei für ihn unter normalen Umständen nicht vor­ hersehbar.



3. Hochzeit37

d) Irrtum über den Partner In einem weiteren Fall hatte ein Mann für die „Feier seiner Hochzeit“ die Räumlichkeiten einer katholischen Kirchengemeinde angemietet. Als diese nachträglich erfuhr, dass die Feier aus Anlass der Begründung einer (nach damaligem Recht noch vorgesehenen32) eingetragenen Lebenspart­ nerschaft mit einem anderen Mann stattfinden soll­ te, wollte sie die Erfüllung des Vertrags verwei­ gern. Das AG Neuss sah keine Berechtigung dazu, auch nicht aufgrund einer Anfechtung wegen arg­ listiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder wegen eines Irrtums über eine verkehrswe­ sentliche Eigenschaft.33

32  Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16.2.2001 ermöglichte zwischen August 2001 bis einschließlich September 2017 zwei Menschen gleichen Geschlechts die Begründung einer „Lebenspart­ nerschaft“ im Wege der „Verpartnerung“. Aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 kön­ nen Lebenspartner seit dem 1.10.2017 ihre Lebenspart­ nerschaft auf Antrag in eine Ehe umwandeln (§ 20a LPartG); die Begründung neuer Lebenspartnerschaften ist seit Einführung der „Ehe für alle“ nicht mehr mög­ lich. 33  AG Neuss, Urt. v. 25.7.2003, 77 / 32 C 6064 / 02, NJW 2003, 3785 ff.; a. A. Stephan Liermann, Die Begrif­ fe „Ehe“, „Heirat“, „Hochzeit“ und „Vermählung“ im Vertragsrecht des täglichen Lebens, NJW 2003, 3741 ff.: Nach einer etymologischen Deutung sei allgemein, auch dem Kläger des Verfahrens, bekannt, dass eine homose­ xuelle Lebensgemeinschaft den bindenden Vorstellungen

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II. Feste auf dem Lebensweg

e) Salmonellen im Hochzeitsschmaus Das Hochzeitsessen ist ein wesentliches Ele­ ment für das Gelingen der Feierlichkeiten, nicht selten ihr Höhepunkt. In einem bis zum BGH34 ge­ langten Fall fand ein solches Essen in einer Gast­ stätte statt. Nach dem Verzehr erkrankten die Brautleute und ein Teil ihrer Gäste an einer Salmo­ nellenvergiftung, einer bakteriellen Infektion. Schuld waren nach weiteren Untersuchungen der Pudding und eine Puddingcreme – die Gastwirte und ihre Tochter, die beides zubereitet hatten, er­ wiesen sich als Salmonellenausscheider. Die ge­ schädigten Brautleute verlangten die Rückzahlung der für das Hochzeitsessen aufgewendeten Kosten, ferner eine Entschädigung dafür, dass sie die Hochzeitsreise wegen ihrer Erkrankung nicht un­ mittelbar nach der Feier, sondern erst vier Tage später antreten konnten. Zudem forderten sie Schmerzensgeld in Höhe von je 1.500,– DM. Der BGH hat einen Schmerzensgeldanspruch gegen den Inhaber der Gaststätte nach eingehenden Über­ legungen zur Produzentenhaftung bei Kleinbetrie­ ben und zur entsprechenden Beweislast im Ergeb­ nis bejaht. Dieser habe daran mitgewirkt, dass die Brautleute durch die Verabreichung salmonellen­ befallener Speisen an ihrer Gesundheit beschädigt worden seien. der katholischen Kirche zuwider laufe; es fehle daher vorliegend bereits an einem wirksamen Vertragsschluss. 34  BGH, Urt. v. 19.11.1991, VI ZR 171 / 91, BGHZ 116, 104 ff.



3. Hochzeit39

In einem ähnlich gelagerten Fall hatte ein Braut­ paar für die Hochzeitsfeier ein Cateringunterneh­ men mit der Herstellung und Anlieferung der Spei­ sen beauftragt. Diese wurden in ungeeigneten Be­ hältern zum Veranstaltungsort gebracht und dort nicht richtig erhitzt, zudem wurden mit Mayonnai­ se zubereitete Speisen und Salate ungekühlt in den Festsaal gestellt. Von einigen Gästen wurden Ku­ chen mitgebracht. Noch in der Nacht erkrankte mehr als die Hälfte der Gäste an einer Salmonel­ lenvergiftung. Die Brautleute verlangten die Rück­ zahlung des Kaufpreises gemäß §§  651, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 441 Abs. 3, 4 BGB aufgrund ei­ ner Schlechterfüllung der vertraglichen Vereinba­ rung; der Caterer weigerte sich, weil er davon aus­ ging, dass die Infektionen von einem der mitge­ brachten Kuchen verursacht worden seien. Das LG Ansbach bejahte einen gegen den Caterer gerichte­ ten Anspruch; der Kaufpreis sei um 100 Prozent zu mindern.35 Die von ihm hergestellten Speisen sei­ en mit Salmonellen verseucht und daher mangel­ haft gewesen. Auszuschließen sei, dass einer der Kuchen kontaminiert gewesen sei und dass mehr als die Hälfte der Gäste von einem solchen Ku­ chen gegessen haben könnten. Die Verantwortung sei dem Caterer aufgrund des unsachgemäßen Transports und der falschen Lagerung zuzuweisen; zudem sei nicht auszuschließen, dass ein Ange­ stellter des Caterers schon infiziert gewesen sei, als er bei der Zubereitung der Speisen geholfen ha­ be. 35  LG

Ansbach, Urt. v. 12.7.2011, 3 O 1139 / 10.

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II. Feste auf dem Lebensweg

f) Enttäuschendes Essen Als weniger gravierend erwiesen sich die Män­ gel des Hochzeitsessens in einem anderen Fall. Der Inhaber einer Gaststätte klagte gegen einen Bräutigam auf Zahlung eines Restbetrags für die Bewirtung der Hochzeitsgesellschaft. Die Hochzeit wurde in einem Gemeindesaal gefeiert; es wurde ein schriftlicher Vertrag über die Verpflegung von 170 Erwachsenen zu je 42,– Euro pro Person und von 26 Kindern zu je 15,– Euro geschlossen. Die Verpflegung sollte u. a. aus einem Sektempfang mit Gemüsesticks, einem Hauptmenü mit geson­ derten Kindergerichten, einem Abendbuffet sowie alkoholfreien Getränken, Bier und Wein bestehen. Der Teufel steckte bei der Ausführung des Vertrags im Detail: So wurden die Gemüsesticks nicht im Rahmen des Sektempfangs kredenzt, sondern stan­ den als Vorspeise auf den Tischen; das vereinbarte Kindermenü wurde nicht serviert, die Suppe nach Auffassung des Bräutigams zu spät. Die mitge­ brachte Hochzeitstorte wurde auf keinem speziel­ len Tortentisch, sondern auf einem Kellnerwagen in den Saal gebracht. Das AG München hat einen weiteren Zahlungs­ anspruch des Wirtes bejaht.36 Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag weise Elemente ver­ schiedener Vertragstypen auf, insbesondere eines Kauf-, Miet-, Werk- und Dienstvertrags. Die Aus­ führungen des Gerichts erörtern die vom Bräuti­ gam vorgebrachten weiteren Mängel im Detail: 36  AG

München, Urt. v. 2.2.2016, 159 C 601 / 15.



3. Hochzeit41 „Das Gericht ist auch nicht von einer mangelhaften, weil versalzenen, Suppe überzeugt. Die Zeugen (…) konnten eine Mangelhaftigkeit nicht bestätigen. Der Zeuge (…) gab an, kein Freund von Salz zu sein und die Suppe lediglich als ein ‚bisschen salzig‘ empfun­ den zu haben. Der Zeuge (…) gab zudem an, selbst gelernter Koch, Bäcker und Konditor zu sein, so dass dieser die Qualität des Essens zur Überzeugung des Gerichts noch am ehesten beurteilen konnte. Dieser konnte auch nicht bestätigen, dass das zum Abend­ buffet gereichte Brot alt gewesen sei.“37

Im Ergebnis geht das Gericht von einer mangel­ haften Serviceleistung aus und nimmt eine entspre­ chende Minderungsquote der ansonsten geschulde­ ten Gegenleistung an. g) You Shook Me All Night Long In einer Gaststätte fand im November 2007 eine Hochzeitsfeier statt. Gegen 21.00 h spielte einer der Gäste auf der – nicht überfüllten – Tanzfläche allein zur Musik „Luftgitarre“38 und beugte sich dabei nach hinten. Ein anderer, größerer und schwererer Gast stand ihm gegenüber, versuchte spontan, ihn zu imitieren, verlor das Gleichge­ wicht und stürzte auf den ersten Gast. Dieser erlitt dabei Rotationstraumata beider Kniegelenke und 37  AG München, Urt. v. 2.2.2016, 159 C 601 / 15, Rn. 37. 38  Seit 1996 findet alljährlich eine Luftgitarren-Welt­ meisterschaft in Finnland statt; es gibt auch eine Deut­ sche Luftgitarrenmeisterschaft – die Bewertung erfolgt anhand der Maßstäbe der Air Guitar World Championship.

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II. Feste auf dem Lebensweg

nahm den anderen Gast auf Schadensersatz in An­ spruch (Erstattung der bisher aufgewandten Heil­ behandlungskosten sowie Festsetzung der umfas­ senden Ersatzpflicht für seinen materiellen Scha­ den). Das OLG Hamm hat dem Kläger in der Beru­ fungsinstanz Recht gegeben; ihm stehe ein An­ spruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.39 Er sei durch eine Handlung des Beklagten verletzt worden. Zwar war dessen Sturz auf den Kläger keine wil­ lensgesteuerte Handlung; darauf komme es aber auch nicht an, sondern maßgeblich auf sein vorhe­ riges Bewegungsverhalten, das zu seinem Umstür­ zen geführt habe. Auch eine Rechtfertigung kom­ me nicht in Betracht: „Die von der Rechtsprechung für Sportveranstaltun­ gen entwickelten Grundsätze über die Inkaufnahme unvermeidbarer Risiken bei regelrechter Ausübung dieser Sportart sind auf Tanzveranstaltungen aus ge­ sellschaftlichen Anlässen jedoch schon nicht über­ tragbar (…). Der Gesichtspunkt der Risikoinkaufnah­ me greift aber auch deshalb nicht, weil der Kläger den Beklagten nicht zum Mitmachen aufgefordert, vielmehr sich von anderen Tänzern abgesondert al­ lein auf die Tanzfläche gestellt hatte, während der Beklagte sich ihm spontan gegenüber stellte. Schließ­ lich ist ‚Luftgitarre‘ entgegen der im landgericht­ lichen Urteil erkennbaren Auffassung schon keine ‚Tanzform‘, jedenfalls kein Paartanz. Für eine inso­ weit mögliche ‚Formationsvorführung‘ bedarf es ei­ nes gemeinsamen Entschlusses; ein unaufgefordertes 39  OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2009, 9 U 230 / 08, OLG Report NRW 8 / 2009 Anm. 10.



3. Hochzeit43 Mitmachen reicht für einen konkludenten Haftungs­ ausschluss nicht.“40

Auch ein Verschulden bejaht das Gericht – an­ ders als die Vorinstanz: „Die ‚sozialen Anforderungen‘ an einen ‚Luftgitarre‘ Vorführenden auf der allgemein frequentierten Tanz­ fläche einer Hochzeitsgesellschaft sind aber gerade wegen der Einnahme labiler Gleichgewichtspositio­ nen höher als an die Tänzer, die den gerade gespielten und von allen ausgeführten Gesellschaftstanz tanzen. Der Luftgitarrenspieler ‚tanzt aus der Reihe‘. (…) Wer eine Tanzform wählt und dabei nahe anderen Personen Figuren ausführt, die besondere Anforderun­ gen an die Beibehaltung des Gleichgewichts stellen, muss die dafür erforderliche Körperbeherrschung ge­ währleisten. Das konnte der Beklagte nicht.“41

h) Hopp – und Ex Mitunter scheitern Ehen in atemberaubender Geschwindigkeit. Kaum zu unterbieten ist die Dauer der ehelichen Gemeinschaft im folgenden Fall: Der Vater einer Braut hatte (auch) auf Wunsch seines Schwiegersohnes eine „Traumhochzeit“ ausgerichtet, die etwa 24.700,– DM kostete. Die Eheschließung erfolgte am 2. Juni, die Scheidung am 3. August desselben Jahres. Der Schwieger­ sohn hatte sich unmittelbar nach der Hochzeit ei­ 40  OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2009, 9 U 230 / 08, Rn. 13. 41  OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2009, 9 U 230 / 08, Rn. 14.

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II. Feste auf dem Lebensweg

ner anderen Frau zugewandt. Der Brautvater for­ derte von ihm die Erstattung der Hochzeitskosten. Das OLG Schleswig hat einen solchen Erstat­ tungsanspruch verneint.42 Ein solcher bestehe un­ ter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesonde­ re nicht aus Bereicherungsrecht gemäß §  812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB. Die Vorschrift begründe eine Verpflichtung zur Herausgabe einer Bereiche­ rung, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintre­ te. Der vorliegend bezweckte Erfolg – die Durch­ führung einer Hochzeitsfeier in einem festlichen Rahmen – sei jedoch tatsächlich eingetreten, zu­ dem sei der Schwiegersohn nach Ende der Feier nicht (mehr) bereichert. Weder er allein noch er gemeinsam mit seiner Braut seien verpflichtet ge­ wesen, die Aufwendungen für die Hochzeit letzt­ endlich zu tragen: „Gewohnheitsmäßig geschieht dies vielmehr, wie auch im vorliegenden Fall, durch den Brautvater bzw. die Brauteltern. Die Braut und der Bräutigam sind nach der Durchführung der Traumhochzeit (…) nicht mehr bereichert. Es ist mit den Händen zu greifen, daß die Kosten für diese Traumhochzeit typische Luxusausgaben darstellen, die der Beklagte weder hätte aufbringen können noch aufgebracht hätte.“

i) Sturzgefahr bei Silberhochzeit Auch Hochzeitsjubiläen können sich als gefah­ renträchtig erweisen. Im Festsaal einer Gastwirtin 42  OLG Schleswig, Urt. v. 20.6.1997, 14 U 86 / 96, OLGR Schleswig 1998, 224 f.



3. Hochzeit45

fanden 1988 die Feierlichkeiten anlässlich einer Silberhochzeit statt. Ein an Morbus Bechterew er­ krankter und gehbehinderter Gast stürzte gegen 1.30 h nach einem Platzwechsel und erlitt einen Halswirbelbruch mit der Folge einer Querschnitts­ lähmung. Er verlangte die Feststellung der Ersatz­ pflicht der Gastwirtin für seine materiellen und immateriellen Schäden, die ihm durch die Verlet­ zung bei dem Sturz entstanden seien und in Zu­ kunft noch entstehen würden. Der Parkettfußboden sei auch im Bereich der Tische am Rand, an denen die Festgesellschaft Platz gefunden hatte, extrem glatt gewesen. Die Stühle seien vor allem wegen der unter ihnen angebrachten Metallgleitschienen sehr leicht weggerutscht. Der BGH ging davon aus, dass die Gastwirtin schuldhaft keine ausreichenden und zumutbaren Vorkehrungen gegen die Gefahren getroffen habe, die den Gästen insbesondere durch die Gleitfähig­ keit der Stühle drohten.43 Daraus ergebe sich eine grundsätzliche Einstandspflicht für die dem Gast durch die Verwirklichung dieser Gefahr entstande­ nen schweren Gesundheitsschäden. Die Gastwirtin sei verpflichtet, von ihren Gästen Gefahren, die ih­ nen beim Besuch der Gaststätte durch den Zustand der Zugänge und Räumlichkeiten drohten, abzu­ wenden. Diese Schutzpflichten ergäben sich aus der Eröffnung des Verkehrs in und um die Gast­ wirtschaft und der dadurch bedingten Zuständig­ keit zur Abwendung von Gefahren für den Körper 43  BGH, Urt. v. 30.10.1990, VI ZR 40 / 90, NJW 1991, 921 f., Rn. 7.

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II. Feste auf dem Lebensweg

und die Gesundheit der Besucher. Ihre besondere Ausprägung erfahre diese Verkehrssicherungs­ pflicht durch die typischen Gefährdungen, die der Betrieb einer Gastwirtschaft mit sich bringe. Des­ halb müsse die Gastwirtin dafür sorgen, dass die Gäste sich in den ihnen zugänglichen Räumen be­ wegen können, ohne befürchten zu müssen, etwa infolge eines zu glatten Parkettfußbodens stürzen zu können. Sie müsse sich dabei auf gehbehinder­ te und ungeschickte Personen, ja sogar darauf ein­ stellen, dass ihre Gäste sich, etwa infolge des Ge­ nusses alkoholischer Getränke, unverständig ver­ hielten, und dass sie infolge des Alkoholgenusses in ihrer Gehsicherheit beeinträchtigt sein könnten. Andererseits teilt der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts, dass Gäste, die in einem Fest­ saal feiern und dabei auch tanzen wollten, einen glatten Parkettboden nicht nur hinnähmen, sondern sogar erwarteten, und sich auf die Gefahren, die von dieser Glätte beim Betreten und Begehen des Fußbodens ausgehen, einstellten, solange der Fuß­ boden trotz der Glätte ohne besondere Vorsicht auch mit bei Festlichkeiten üblichem Schuhwerk betreten werden könne. Insoweit bedürfe es noch nicht einmal einer besonderen Warnung. Wenn in einem solchen, mit glattem Parkettfußboden verse­ henen Festsaal Tische und Stühle aufgestellt wür­ den, an denen gegessen und getrunken werde und wo sich die Festgesellschaft unterhielte, müsse si­ cher kein anderer Fußbodenbelag vorhanden oder, etwa mittels Teppichen, hergestellt werden. Auch insoweit erwarteten die Gäste nicht eine Abstump­ fung des Fußbodens in diesem Bereich und stellten



3. Hochzeit47

sich auf die auch im Übrigen hingenommene und bekannte Glätte des Fußbodens ein. Gegen eine über das Übliche hinausgehende Gefährdung sei indes Vorsorge zu treffen. Die Gäste seien im Streitfall in ihrer Sicherheit durch die Metallgleiter an den Stühlen in ihrer Sicherheit zusätzlich beein­ trächtigt gewesen. Es habe die Gefahr bestanden, dass solche Stühle bei stärkeren oder unkontrol­ lierten Bewegungen der Benutzer, vor allem beim Aufstehen und Hinsetzen, leichter wegrutschen könnten als im Allgemeinen vorauszusehen. Die dadurch einzelnen Gästen drohende Gefahr sei nicht zu vernachlässigen; denn während einer län­ geren Feier, bei der gegessen und getrunken werde und während der allgemeinen Unterhaltung eine lockere Stimmung aufkomme, bei der auch zu er­ warten sei, dass die Festteilnehmer zum Tanzen, zum Gang auf die Toilette oder einfach zum Wech­ seln der Plätze immer wieder aufstünden und sich hinsetzten, sei nicht zu erwarten, dass sich jeder von ihnen stets klar mache, sein Stuhl könne be­ sonders leicht weggleiten. Die leicht zu schaffende Abhilfe habe die Gastwirtin nicht vorgenommen. Das Risiko werde auch nicht dadurch ausgeschal­ tet, dass der Gast alsbald auch ohne Warnung den gefahrenträchtigen Zustand bemerkt habe und sich in seinem Verhalten darauf habe einstellen können; es könnte während einer Feier in der Gastwirt­ schaft eben nicht damit gerechnet werden, dass sich jeder Gast zu jedem Zeitpunkt umsichtig und vorsichtig verhalte. Eine lebenskluge Entschei­ dung.

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II. Feste auf dem Lebensweg

j) Querschläger Auch ein romantisches Feuerwerk anlässlich ei­ ner Hochzeitsfeier kann eine äußerst unerfreuliche Entwicklung nehmen. So flogen bei einer solchen Veranstaltung mehrere von Mitarbeitern des Ho­ tels- und Restaurantbetriebs, in dem die Hochzeit stattfand, verabredungsgemäß abgeschossene Ra­ keten waagerecht in die Hochzeitsgesellschaft. Die Hochzeitsfeier wurde daraufhin abgebrochen; das Brautpaar verlangte Schmerzensgeld vom Veran­ stalter. Das OLG Brandenburg hat die entsprechende Klage wie schon die Vorinstanz abgewiesen.44 Die klagenden Brautleute hätten selbst keine Ansprü­ che aus §§ 823, 847 a. F. BGB, weil sie selbst von Feuerwerkskörpern nicht getroffen worden seien. Eine rechtlich beachtliche physische Beeinträchti­ gung liege nicht vor. Einwirkungen auf das psychi­ sche Befinden unterfielen § 823 BGB, wenn es beim Verletzten zu gewichtigen psychopathologi­ schen Ausfällen von einiger Dauer komme, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Verlet­ zung des Körpers oder der Gesundheit anzusehen seien. Darüber hinaus könnte seelischer Schmerz dann zu Ansprüchen führen, wenn er als Folge ei­ ner haftungsrelevanten Körper- oder Gesundheits­ verletzung auftrete. Eine medizinisch relevante Auswirkung der durchlittenen Angst und Trauer

44  OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2004, 7 U 8 / 04  I.



3. Hochzeit49

sei nicht dargetan; eine ärztliche Behandlung sei nicht erfolgt. Mit der vorzeitigen Beendigung der Hochzeits­ feier sei auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Brautpaars nicht verletzt worden. Eine Geld­ entschädigung komme ohnehin nur bei einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeits­ rechts in Betracht – deren Vorliegen hänge insbe­ sondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Han­ delnden sowie vom Grad seines Verschuldens ab. Eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung liege nicht vor, die vorzeitige Beendigung der Fei­ er habe vor allem auf dem eigenen Willensent­ schluss der Brautleute beruht. Das Brautpaar hat noch nachgelegt und vorge­ bracht, auch das Brautkleid sei von einer Rakete getroffen und zerstört worden. Auch hier lehnte das OLG Ansprüche ab;45 der Vortrag sei in der Berufung neu und daher nach §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO präkludiert – zudem handele es sich nicht um eine Körperverletzung. Die Verursachung von „Angst und Schrecken“ könne nicht ohne wei­ teres als Beeinträchtigung im Sinne des § 823 BGB angesehen werden. Medizinisch relevante Verletzungen der Brautleute seien nach wie vor nicht dargetan.

45  OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.4.2004, 7 U 8 / 04  II.

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II. Feste auf dem Lebensweg

k) Himmelslaternen Überhaupt ist der Einsatz von Leuchtkörpern bei Hochzeitsfeiern riskant. In einem Schützenhaus wurde 2009 eine Hochzeit gefeiert. Die Mutter der Braut hatte für diese Veranstaltung fünf chinesische Himmelslaternen (sog. „Sky-Laternen“) erworben. Dabei handelt es sich um ein mit einer Papierhülle überzogenes Drahtgestell mit einem an der Öff­ nung befestigten Brennkörper. Wird dieser entzün­ det, erhitzt sich die in die Papierhülle einströmende Luft, die Himmelslaterne steigt in die Luft auf und ist insbesondere nachts weithin sichtbar. In der Hochzeitsnacht wurden vier der fünf Laternen trotz Windes von nicht mehr eindeutig ermittelbaren Hochzeitsgästen gestartet und sodann nicht weiter beobachtet. Die Steganlage eines ca. 300 Meter entfernten Yachthafens ging daraufhin in Flammen auf; der Brand konnte allerdings alsbald gelöscht werden. Die Eigentümergesellschaft des Yachtha­ fens verlangte von der Brautmutter Schadensersatz. Das OLG Koblenz hat einen entsprechenden Anspruch entgegen der Auffassung der Vorinstanz bejaht.46 Es ergebe sich einer Haftung aus § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Vorschrift setze voraus, dass mehrere Personen unabhängig voneinander gefährliche Handlungen begangen hätten und min­ destens eine davon den Schaden verursacht habe, es sich aber nicht feststellen lasse, welche. Festste­ hen müsse allerdings, dass sich jeder Beteiligte schadensersatzpflichtig gemacht hätte, wenn die 46  OLG

Koblenz, Urt. v. 15.10.2015, 6 U 923 / 14.



3. Hochzeit51

Kausalität feststünde. Die Mutter habe die ihr ob­ liegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie die Himmelslaternen erworben und später der Hochzeitsgesellschaft zur Verfügung gestellt habe. Sie sei genauso für die von ihr geschaffene Gefah­ renquelle verantwortlich wie die Personen, die mit ihrem Einverständnis die Laternen starteten. Das Steigenlassen einer Himmelslaterne sei unabhän­ gig von den konkreten Witterungs- und Windver­ hältnissen pflichtwidrig. Himmelslaternen seien auf eine fünf bis zwanzigminütige Brennzeit ange­ legt und könnten sehr hoch aufsteigen. Es müsse daher immer damit gerechnet werden, dass die La­ terne nach dem Start in größerer Höhe von einer Luftbewegung erfasst werde. Nach dem Start be­ stünden in der Regel keinerlei Einwirkungsmög­ lichkeiten mehr. Somit werde das Entstehen von Bränden letztlich dem Zufall überlassen. Dass die Verwendung von Himmelslaternen zum Zeitpunkt der Hochzeit noch nicht verboten war, was später durch eine Gefahrenabwehrverordnung vorgenom­ men wurde, stehe der Annahme einer Pflichtwid­ rigkeit nicht entgegen – Verkehrssicherungspflich­ ten bestünden gerade auch bei erlaubtem Handeln. Aufgrund der Konstruktion und Funktionsweise der Himmelslaternen als offener Brennquelle sei für die Brautmutter bei hinreichender Sorgfalt auch eindeutig erkennbar gewesen, dass es sich hierbei um „fliegende Brandstifter“ handele.47 Wie 47  Vgl. eingehend Jörg Teumer / Sina Stamm, Fliegen­ de Brandstifter – Haftungsrisiken bei der Benutzung von „Sky-Laternen“, VersR 2009, 1036 ff.

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II. Feste auf dem Lebensweg

die Mutter hätten aber auch alle anderen Personen, die die Himmelslaternen in der Umgebung des Yachthafens haben steigen lassen, schuldhaft ge­ gen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Ein örtlicher Zusammenhang sei anzunehmen, weil die Himmelslaternen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Brandstelle haben erreichen können. Das Zünden der Laternen im Umfeld des Yachthafens kurz vor Ausbruch des Brandes stelle eine hinreichende tatsächliche Einheit von Gefähr­ dungshandlungen dar, so dass sich ein entspre­ chender Schadensersatzanspruch ergebe. l) Flitterwochen Kaum überschaubar ist auch die (reiserecht­ liche) Rechtsprechung zu Ersatzansprüchen bei mangelhaften Hochzeitsreisen. Es sollen nur zwei Beispiele herausgegriffen werden: Ein Brautpaar wurde in den Flitterwochen, die es in Kenia verbrachte, des nachts in seinem Hotel überfallen und machte im Anschluss einen Scha­ densersatzanspruch wegen Reisemangels geltend. Das LG München und das OLG München als Be­ rufungsinstanz lehnten einen solchen Anspruch ab.48 Zum allgemeinen Lebensrisiko und zum Ge­ fahrenbereich des Reisenden zählende Risiken un­ terfielen nach Auffassung des OLG München nicht der Einstandspflicht des Reiseveranstalters. Zu diesen Risiken gehörten die Kriminalität im Ziel­ 48  OLG München, Urt. v. 8.7.2004, 8 U 2174 / 04, NJW-RR 2004, 1698.



3. Hochzeit53

gebiet sowie die allgemeine Gefahr eines Dieb­ stahls oder Überfalls in der Urlaubsregion und die Gefahr eines Hoteldiebstahls. Auf solche Risiken brauche der Veranstalter grundsätzlich nicht hinzu­ weisen. Anderes gelte nur dann, wenn es zuvor be­ reits wiederholt zu Diebstählen oder Überfällen in der gebuchten Urlaubsregion oder dem gebuchten Hotel gekommen sei, oder wenn die Sicherheits­ vorkehrungen im Hotel nicht ausreichend gewesen seien. Vorliegend sei es aber weder in der Vergan­ genheit zu solchen Delikten gekommen, noch habe es an Sicherheitsvorkehrungen durch den Hotelbe­ treiber gefehlt. Werden bei einer Kreuzfahrt kurz vor der Reise für eine Hochzeit angeschaffte Kleidungsstücke durch unsachgemäßes Bügeln durch das Bordper­ sonal beschädigt, haftet der Reiseveranstalter nicht nur auf Schadensersatz wegen der verdorbenen Kleidungsstücke nach § 651f Abs. 1 BGB. Darüber hinaus kann der Reisepreis gemindert werden: Der Wegfall von Kleidungsstücken, die eigens zu be­ sonderen Zwecken im Rahmen einer Reise mitge­ führt werden, stelle bei einer Kreuzfahrt gehobe­ nen Zuschnitts eine Beeinträchtigung der Reise­ qualität dar.49 Ohne weiteres auch auf Hochzeitsreisen über­ tragbar (und dort möglicherweise noch unmittelba­ rer einschlägig) ist schließlich ein Klassiker der Reise-Judikatur – die Entscheidung des AG Mön­ chengladbach vom 25. April 1991 zu einer gefor­ 49  So das AG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.2.1993, 31 C 1135 / 92  – 16, NJW-RR 1993, 1328 f.

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II. Feste auf dem Lebensweg

derten Minderung des Reisepreises wegen des Vor­ handenseins von zwei Einzelbetten anstelle des vertraglich vereinbarten Doppelbettes.50 Der Klä­ ger hatte 1990 für sich und seine Lebensgefährtin eine Urlaubsreise mit Aufenthalt in einem Hotel auf Menorca gebucht; geschuldet war die Unter­ bringung in einem Doppelzimmer mit Doppelbett. Nach der Ankunft musste er feststellen, dass es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gab, sondern zwei separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden waren. Bereits in der ersten Nacht habe der Kläger, so sein Vorbringen, fest­ stellen müssen, dass er hierdurch „in seinen Schlafund Beischlafgewohnheiten empfindlich beein­ trächtigt worden“ sei. Ein „friedliches und harmo­ nisches Einschlaf- und Beischlaf­erlebnis“ sei wäh­ rend der gesamten 14-tägigen Urlaubszeit nicht zustande gekommen, weil die Einzelbetten, die ­zudem noch auf rutschigen Fliesen gestanden hät­ ten, bei jeder kleinsten Bewegung mittig ausei­ nander gegangen seien. Der Kläger verlangte vom Reiseveranstalter Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 20 % des Reisepreises. Der erhoffte Erholungswert, die Ent­ spannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin seien erheblich beeinträchtigt ge­ wesen. Dies habe bei ihm und bei seiner Lebens­ gefährtin zu Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt.

50  AG Mönchengladbach, Urt. v. 25.4.1991, 5a C 106 / 91, NJW 1995, 884 f.



3. Hochzeit55

Das AG Mönchengladbach hielt die Klage für in der Sache nicht begründet. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafge­ wohnheiten er habe, die festverbundene Doppel­ betten voraussetzen. Die weiteren (bündigen) Aus­ führungen des Gerichts51 zur Begründung verdie­ nen es, im Wortlaut zitiert zu werden: „(…) es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnhei­ ten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind. Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Aus­ führung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzel­ nen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, daß der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen. Aber selbst wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zuge­ steht, die ein festverbundenes Doppelbett vorausset­ zen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, daß sich der Reise­ preis nicht mindert und daß auch Schadensersatzan­ sprüche nicht bestehen. Der Kläger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, daß die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen durch 51  Das im Übrigen Zweifel daran äußert, ob die Kla­ ge ernst gemeint sei, was die launige Begründung der fehlenden Begründetheit verständlicher macht.

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II. Feste auf dem Lebensweg

eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Es mag nun sein, daß der Kläger etwas derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ur­ sprünglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht benötigt.“

m) Prominenz und Paparazzi Die Hochzeiten prominenter Persönlichkeiten bilden einen weiteren Themenkreis juristischer Auseinandersetzungen. Einer der bekanntesten Fernsehmoderatoren Deutschlands plante nach 18 Jahren des Zusam­ menlebens mit seiner Lebensgefährtin eine Hoch­ zeit, zu der das Paar 80 Gäste eingeladen hatte. Die Einladung wurde nur an die geladenen Gäste geschickt und nicht offiziell durch das Paar be­ kannt gemacht, die Feierlichkeiten waren als ge­ schlossene Veranstaltung konzipiert, und die künf­ tigen Brautleute hatten sich außerhalb der Einla­ dung nie mit Journalisten oder den Medien über die Hochzeit unterhalten. In einer Zeitschrift wur­ den gleichwohl Informationen mit Details zu der geplanten Hochzeitsfeier, namentlich zu den Ört­ lichkeiten und dem Lieferanten des Hochzeits­ essens veröffentlicht. Das Paar hat eine einstweili­ ge Verfügung erwirkt, mit der der Verlegerin der Zeitschrift unter Androhung der gesetzlichen Ord­ nungsmittel untersagt wurde, Details der geplanten Hochzeitsfeier (zu) veröffentlichen oder (zu) ver­ breiten (zu lassen).



3. Hochzeit57

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der ­ erlegerin wies das LG Berlin zurück und bestä­ V tigte die Unterlassungsverfügung.52 Es bestehe ein ­Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1004 Abs. S. 2 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG aus dem Gesichtspunkt des ­Persönlichkeitsrechtsschutzes. Ein Schutzbedürfnis hinsichtlich der Privatsphäre bestehe auch bei Per­ sonen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung fän­ den; wer – ob gewollt oder ungewollt – zur Person des öffentlichen Lebens geworden sei, verliere da­ mit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibe. Allerdings sei die Privatsphäre anders als die In­ timsphäre nicht absolut geschützt. Das Persönlich­ keitsrecht könne mit der Äußerungs- und Presse­ freiheit in ein Spannungsverhältnis treten; daher könne auch eine ungenehmigte Veröffentlichung zulässig sein, wenn eine alle Umstände des kon­ kreten Einzelfalls berücksichtigende Interessenab­ wägung ergebe, dass das Informationsinteresse die persönlichen Belange des Betroffenen überwiege. Diese Gewährleistungen gälten auch zugunsten der Unterhaltungs- und Sensationspresse. Im vorlie­ genden Falle bestünde aber kein überwiegendes Interesse an der Berichterstattung. Zwar handele es sich um eine der bekanntesten Personen Deutsch­ lands, die mehrmals pro Woche zur besten Sende­ 52  LG Berlin, Urt. v. 6.7.2006, 27 O 574 / 06, NJWRR 2006, 1639 f.

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II. Feste auf dem Lebensweg

zeit im Fernsehen mit großer Reichweite auftrete und sich so freiwillig in das Licht der Öffentlich­ keit begebe, so dass ein legitimes Interesse der Öf­ fentlichkeit bestehe, zu einem gewissen Grad auch über ihre Person Informationen zu erhalten, wie sie sich jenseits des Fernsehstudios verhalte. Auf der anderen Seite sei die Hochzeit als „geschlosse­ ne Veranstaltung“ konzipiert: „Welches berechtigte Informationsinteresse der Öf­ fentlichkeit daran bestehen sollte, was für ein Priester die Antragsteller trauen wird, ob dort ein Bläserchor spielt und wer das Essen bereitstellt, ist auch, wenn man ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Person der Antragsteller bejaht, nicht erkennbar, da die verfahrensgegenständlichen Details über an der Ausrichtung beteiligte Personen der Hochzeit hinaus keinerlei Aufschluss über die Person des Antragstel­ lers geben können, so dass der voyeuristische Aspekt des Dabei-Seins im Vordergrund steht. Demgegenüber verdient aber das Interesse der Antragsteller, mög­ lichst ungestört ihre Hochzeit zu begehen, Vorrang.“53

Eine andere Bewertung hat das KG Berlin hin­ sichtlich der Veröffentlichung einer Fotografie der Ehefrau eines zur Zeit der Entscheidung sehr pro­ minenten Fernsehmoderators vorgenommen, die sie beim Verlassen der Kirche im Anschluss an die Trauung zeigte.54 Bestehe zum Zeitpunkt der Ver­ öffentlichung eines Fotos ein erhebliches öffent­ liches Interesse an der Kenntnis der Aufnahme, so 53  LG Berlin, Urt. v. 6.7.2006, 27 O 574 / 06, NJWRR 2006, 1639 f., Rn. 25. 54  KG Berlin, Urt. v. 20.9.2012, 10 U 2 / 12, AfP 2013, 60 ff.



3. Hochzeit59

handele es sich hierbei einschließlich der Wortbe­ richterstattung um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Die Ehefrau des Prominenten kön­ ne sich nicht auf den Schutz ihrer Privatsphäre be­ rufen, wenn sie angesichts des Ausrichtungsortes der Hochzeitsfeier nicht von einer für Dritte objek­ tiv erkennbaren Abgeschiedenheit ausgehen und angesichts dieser gewählten Öffentlichkeit auch nicht habe erwarten dürfen, beim Verlassen der Kirche nach der Trauung unbeobachtet zu sein. Auch der Europäische Gerichtshof für Men­ schenrechte hatte sich mit der Problematik media­ ler Hochzeitsberichterstattung zu befassen.55 2006 heiratete ein bekannter Journalist, Produzent und Fernsehmoderator; der Hochzeitsempfang fand im Schloss Belvedere statt, die Trauung in der Frie­ denskirche. Unter den 180 Hochzeitsgästen befan­ den sich zahlreiche Prominente. Der Anwalt des Bräutigams hatte im Vorfeld der Hochzeit die ein­ schlägigen Zeitschriften darüber informiert, dass dieser keine Berichterstattung über Einzelheiten wünsche; beide Orte waren für die Öffentlichkeit gesperrt, und nur geladene Gäste erhielten Zugang. Im Anschluss veröffentlichte ein „People-Maga­ zin“ mit einer Auflage von ca. 650.000 Exempla­ ren einen Bericht über die Hochzeit; der Artikel wurde auf dem Titelblatt angekündigt und war mit mehreren Fotos illustriert. Eines davon zeigte die Braut unmittelbar vor der Trauung – mit der unzu­ treffenden Bildunterschrift „FRISCH GETRAUT’S. 55  EGMR, Entsch. v. 24.5.2016, 68273 / 10 und 34194 / 11, 68273 / 10, 34194 / 11.

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II. Feste auf dem Lebensweg

nach dem Jawort“. Das LG Berlin erließ eine einstweilige Verfügung gegen die weitere Verbrei­ tung des Fotos der Braut, diese erhob Klage gegen das Magazin und forderte 250.000,– Euro fiktive Lizenzgebühr, 75.000,– Euro Entschädigung sowie Ersatz der vorgerichtlichen Aufwendungen im Zu­ sammenhang mit der Unterlassungsverpflichtungs­ erklärung. Das LG Hamburg und das OLG Ham­ burg entschieden konträr über die Ersatzansprüche. Weitere Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg, insbe­ sondere lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbe­ schwerde der Braut zur Entscheidung anzuneh­ men. Auch der Bräutigam bliebt mit seinen Ersatz­ forderungen letztlich erfolglos. Der EGMR erkannte keinen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, na­ mentlich gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK, der jeder Person das Recht unter anderem auf Achtung des Privatlebens einräume. Die wahrheitsgemäße Be­ richterstattung über Details der Hochzeitsfeier, wie hier Informationen über die Kleidung des Braut­ paars, Speisen, Getränke, Musik sowie die Deko­ ration der Kirche und Zitate aus den Reden ver­ schiedener Personen bei der Trauzeremonie, die das Hochzeitspaar weder in einem negativen Licht darstelle noch Unvorteilhaftes enthalte, was dessen Ruf schädigen könne, stelle angesichts des Um­ stands, dass der Bräutigam der Öffentlichkeit be­ reits bis zu einem gewissen Grad Aspekte seiner Persönlichkeit offengelegt habe, auch dann keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar, wenn der Promi­ nente die Presse im Vorfeld gebeten habe, von Be­



4. Bestattung61

richten über die Hochzeit abzusehen, und Vorkeh­ rungen zur Verhinderung einer Berichterstattung getroffen habe.56

4. Bestattung Der VGH Mannheim hatte darüber zu entschei­ den, ob eine Pflicht der bestattungspflichtigen An­ gehörigen zur Durchführung von Bestattungsfeier­ lichkeiten bestehe;57 er hat dies verneint. Eine sol­ che Verpflichtung sei selbst dann nicht anzuneh­ men, wenn und soweit das Bestattungsrecht einen „würdigen Umgang“ mit Leichen“, „Rücksicht auf das sittliche Empfinden der Bevölkerung“ oder die Wahrung der „gebotenen Ehrfurcht vor dem toten Menschen“ gesetzlich vorschreibe.58 Diese Vorga­ ben bezögen sich allein auf den Umgang mit der Leiche, beispielsweise während eines Transports. 56  EGMR, Entsch. v. 24.5.2016, 68273 / 10 und 34194 / 11, 68273 / 10, 34194 / 11, Rn. 38. 57  Zu dieser Frage und zur Rechtsprechung einge­ hend Ulrich Stelkens / Olivia Seifert, Die Bestattungs­ pflicht und ihre Durchsetzung: Neue und alte Probleme, DVBl. 2008, 1537 ff. 58  VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.2007, 1 S 1471 / 07, VBlBW 2008, 137 (139); s. etwa § 7 Abs. 1 des nord­ rhein-westfälischen Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz – BestG NRW) v. 17.6.2003: „(1) Jede Frau und jeder Mann haben die Ehrfurcht vor den Toten zu wahren und die Totenwürde zu achten. (2) Soweit möglich, sind Voraussetzungen da­ für zu schaffen, dass Bestattungen unter Berücksichti­ gung des Empfindens der Bevölkerung und der Glau­ bensgemeinschaft, der die zu Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können.“

III. Feste im Jahreskreis Auch die im Jahreskreis beständig wiederkeh­ renden Feste sind regelmäßig Gegenstand juristi­ scher Auseinandersetzungen – vor allem das Weihnachtsfest,59 Silvester, Karneval oder das Ok­ toberfest60. 59  S. etwa Diana Zacharias, Das Weihnachtsfest im deutschen öffentlichen Recht, NVwZ 2006, 3129  ff.; Wolfgang Wilhelm Fischer, Die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium. Betrachtungen aus Sicht eines Professors für Wirtschaftsprüfung und Steuerrecht, DStR 2015, 2802  ff.; Heinrich Wilhelm Kruse, Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2. Gelesen und erläu­ tert von einem Steuerjuristen unserer Tage, BB 1997, 2613 ff.; zu steuerrechtlichen Aspekten Marisa Baltromejus / Matthias Hiller, Es weihnachtet wieder. Steuer­ liche Aspekte in der Weihnachtszeit, NWB 2017, 3647 ff. – Streitigkeiten drehen sich häufiger um das Weihnachtsgeld und seine Bemessung, vgl. etwa Sebastian Busch, Sieben Fragen zum Weihnachtsgeld, AiB 2017, Nr. 11, S. 23 f.; Axel Borchard, Rechtsfragen zum Weihnachtsgeld, P&R 2012, 233 ff.; Norbert Schuster, Weihnachtsgeld. Nicht nur in Zeiten der „Krise“…, AiB 2009, 535 ff.; Regine Windirsch / Verena Lenz, Ja, das gibt es noch! Das „klassische“ Weihnachtsgeld, AiB 2008, 513 ff. 60  Zu anderen Volksfesten vgl. etwa KG Berlin, Urt. v. 15.2.2013, 5 U 109 / 12 („Berliner Gauklerfest“); zu Sicherheitsaspekten s. Frauke Ley, Sicherheit bei Volks­ festen, NWVBl. 2012, 169 ff.



1. Weihnachten63

1. Weihnachten Durch juristische Lehrbücher geistert die Anek­ dote, in der „Reichsschokoladenverordnung“ aus den 1930er Jahren finde sich der Satz: „Weih­ nachtsmänner im Sinne dieser Regelung sind auch Osterhasen“. Dieses Schulbeispiel gesetzlicher Skurrilität kann jedoch leider nur als Legende be­ zeichnet werden. Eine „Reichsschokoladenverord­ nung“ gab es in der fraglichen Zeit nicht, und auch die Norm ist wohl frei erfunden.61 Möchte man ein erheiterndes Beispiel gesetzgeberischer Regelungs­ kunst zum Besten geben, so greife man besser auf die tatsächlich existente Verordnung zur Bekämpfung der San-Jose-Schildlaus vom 20. April 1972 zurück.62 Bei diesem Tier handelt es sich um einen Nutzpflanzenschädling. Bei seinem Auftreten ist das befallene Gebiet abzugrenzen und eine Sicher­ heitszone zu errichten (§ 2 der Verordnung); befal­ lene Pflanzen sind zu vernichten, wenn sie sich in Baumschulen oder anderen Kulturen befinden, in denen Wirtspflanzen gezogen werden (§ 4 Abs. 1). Schön ist dann § 4 Abs. 4 der Verordnung formu­ liert: „Eine Pflanze gilt als befallen, wenn sich an ihr mindestens eine San-Jose-Schildlaus befindet, die nicht nachweislich tot ist“.

61  Dazu dazu Andreas Piekenbrock, Der Weihnachts­ mann, der Osterhase und die (Rechts-)Wissenschaft, Jura 2015, 336 ff. 62  BGBl. I S. 629.

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III. Feste im Jahreskreis

a) Weihnachtliche Wunderkerzen Der unsachgemäße Gebrauch von Wunderkerzen als Christbaumschmuck hat das LG Offenburg in einer versicherungsrechtlichen Fallkonstellation beschäftigt. Anfang Januar hielt sich eine Woh­ nungsinhaberin in ihrer Wohnung auf, in deren Wohnzimmer in der Nähe zur Terrassentür der Weihnachtsbaum in einem Metallständer auf ei­ nem Tisch stand. Unterhalb des Baumes war die Weihnachtskrippe aufgebaut, die mit Moos ausge­ legt war. Zur Freude ihres ebenfalls anwesenden 15 Monate alten Enkels entzündete die Wohnungs­ inhaberin die am Weihnachtsbaum angebrachten Wunderkerzen. Als sie die letzte Kerze ansteckte, bemerkte sie, dass das Moos der Weihnachtskrippe unterhalb des Baumes brannte. Sie geriet in Panik, rannte mit ihrem Enkel aus der Wohnung und rief um Hilfe, bis Nachbarn die Feuerwehr alarmierten. Die Wohnungs­ inhaberin fordert von ihrer Versi­ cherung Ersatz der Brandschäden. Das LG Offenburg hat hierzu geurteilt, dass die Einstandspflicht der Versicherung wegen grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei.63 Gemäß § 61 VVG (in Kraft bis 2007) ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, „wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vor­ sätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbei­ führt“. Die Außerachtlassung allgemein gültiger Sicherheitsregeln sei dann grob fahrlässig, wenn 63  LG Offenburg, Urt. v. 17.10.2002, 2 O 197 / 02, VersR 2003, 1529.



1. Weihnachten65

die Kenntnis der Regel nach dem Grad ihrer Ver­ breitung allgemein vorausgesetzt werden müsse. Die weiteren Ausführungen des Gerichts lesen sich wie eine Gebrauchsanweisung für Wunderkerzen, die ja auch im Rahmen anderer Feierlichkeiten Verwendung finden: Die Wohnungsinhaberin habe die auf der Verpackung der Wunderkerzen ange­ brachten Warnhinweise nicht beachtet. Schon auf der Vorderseite sei der mit Wunderkerzen zu erzie­ lende – gewünschte – Effekt eines Funkensprungs deutlich dargestellt. Einem unbefangenen Betrach­ ter müsse schon aufgrund dieser Darstellung klar sein, dass innerhalb geschlossener Räume Wunder­ kerzen durchaus brandgefährlich sein und damit eine Gefahr darstellen könnten. Zudem habe sie die Wunderkerzen nicht über einer feuerfesten ­Unterlage verwendet. Das Moos sei nachweislich schon Ende November bzw. Anfang Dezember aus dem Wald geholt und zum Trocknen extra auf dem Dachboden ausgelegt worden. Schließlich habe die Wohnungseigentümerin die Wunderkerzen nicht waagerecht am freien Draht gehalten, sondern sie an den Baum gehängt. b) Weihnachtsfeiern Rechtliche Relevanz haben unter verschiedenen Gesichtspunkten auch Weihnachtsfeiern.64 Gele­ 64  Zu der Frage, ob der Betreuer für die Begleitung des Betreuten zu besonderen Anlässen wie Sommerfes­ ten, Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfesten eine Vergü­ tung für den Zeitaufwand verlangen kann, vgl. Werner

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III. Feste im Jahreskreis

gentlich geraten solche Veranstaltungen betriebli­ cher Natur etwas außer Kontrolle.65 So wurde ei­ nem seit 23 Jahren bei einer Firma angestellten Handwerker fristlos gekündigt, weil er auf einer Weihnachtsfeier mehrere Kollegen beleidigt und in ihre Richtung ehrverletzende Gesten gezeigt habe. Das LAG Hamm hat als Berufungsinstanz die fristlose Kündigung für rechtmäßig erklärt.66 Gro­ be Beleidigungen des Arbeitsgebers oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Kollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, könnten einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem ­Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordent­ liche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Es sei nicht erforderlich, dass die Beleidigungen wäh­ rend der Arbeit im Betrieb getätigt würden. Auch wer auf einer Betriebsfeier außerhalb der Arbeits­ zeit den Arbeitgeber oder Vorgesetzten grob belei­ dige, untergrabe die Autorität des Beleidigten und verstoße damit erheblich gegen seine arbeitsver­ traglichen Pflichten.67 Bienwald, Zu welcher Weihnachtsfeier darf oder muß (!) der Betreuer gehen?, BtPrax 1999, 19-0; LG Koblenz, Beschl. v. 11.5.1998, 2 T 183 / 98. 65  Zur rechtlichen Behandlung von Weihnachtsfeiern vgl. etwa Jörg Laber / Tomislav Santon, Die Weihnachts­ feier. Arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Gesichts­ punkte, ArbRB 2017, 350 ff.; Volker Vogt, Die Weih­ nachtsfeier: Arbeits-, steuer- und sozialversicherungs­ rechtliche Besonderheiten, StBW 2010, 1149 ff. 66  LAG Hamm, Urt. v. 30.6.2014, 18 Sa 836 / 04.



2. Silvester67

2. Silvester a) Kölner Silvesternacht 2015 / 2016 Die Silvesternacht 2015 / 2016 in Köln steht em­ blematisch für Geschehnisse im Rahmen von Fei­ erlichkeiten zum Jahreswechsel, bei denen es in zahlreichen deutschen und europäischen Städten im Innenstadtbereich zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen und zu anderen Gewalttä­ tigkeiten und Eigentumsdelikten durch Gruppen junger Männer gekommen war, die zu einem gro­ ßen Teil aus dem nordafrikanischen und arabi­ schen Raum stammen.68 Auf dem Kölner Bahn­ hofsvorplatz und der angrenzenden Treppe zur Domplatte hatten sich in der Nacht des 31. De­ zember 2015 teilweise mehr als 1.000 Personen angesammelt, zum größten Teil jüngere männliche 67

67  Allgemein zu ähnlichem Verhalten bei einer Be­ triebsfeier BAG, Urt. v. 6.2.1997, 2 AZR 38 / 96. 68  Dazu Udo Behrendes, Die Kölner Silvesternacht 2015 / 2016 und ihre Folgen, NK 2016, 322 ff.; Rudolf Egg, Kölner Silvesternacht 2015. Verlauf, Ursachen und Folgen, FPPK 2017, 296 ff.; ders., / Martin Rettenberger / Robin Welsch, Die Kölner Silvesternacht 2015 / 2016: Eine Analyse der Strafanzeigen, DRiZ 2016, 414 ff.; Thomas Weck, Rechtsstaat und Rechtswirklichkeit, Recht und Politik 2017, 186 ff.; Jennifer Barthel, „Ta­ harrush Gamea“. Eine aggregierte Analyse gemein­ schaftlich begangener sexueller Übergriffe im öffent­ lichen Raum anlässlich der Silvesternacht in Köln 2015 / 2016, Kriminalistik 2017, 603 ff.; s. auch Joachim Kersten, Flüchtlingskrise, Männergewalt und „Stranger Danger“. Anmerkungen zur Köln-Debatte, NK 2016, 367 ff.

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III. Feste im Jahreskreis

Personen im Alter zwischen etwa 15 und 35 Jah­ ren. Die Einsatzkräfte vor Ort beschrieben die An­ wesenden als größtenteils stark alkoholisiert und „völlig enthemmt und aggressiv“. Im Verlaufe der Nacht wurden in dem Areal vornehmlich Frauen von unterschiedlich großen Gruppen von Männern umringt und dabei in erheblicher Weise sexuell be­ lästigt und genötigt, beleidigt und ausgeraubt. Am frühen Nachmittag des 1. Januar 2016 setz­ te – nach sehr zurückhaltenden, später als ver­ harmlosend kritisierten Pressemeldungen der Köl­ ner Polizei – die Medienberichterstattung über die Ereignisse ein; zudem herrschte Unklarheit darü­ ber, wann und aus welcher Quelle die Kölner Oberbürgermeisterin von ihnen erfahren hatte. In den Medien wurde bemängelt, die eingesetzten Po­ lizeikräfte hätten die Lage unterschätzt und nicht in den Griff bekommen; die Polizeipräsenz sei ins­ gesamt mangelhaft gewesen.69 Im Einsatz sollen nach Medienberichten vor Ort rund 140 Landes­ polizeibeamtinnen und -beamte sowie 70 Bundes­ polizistinnen und -polizisten gewesen sein; die Er­ mittlungen des Parlamentarischen Untersuchungs­ ausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen sind dagegen zu dem Ergebnis gekommen, inner­ halb der Allgemeinen Aufbauorganisation seien in Köln über den Tag verteilt insgesamt 698 Beamte im Dienst gewesen.70 Mit Stand Mitte 2016 waren 69  Vgl. Kristian Frigelj, Polizeiversagen bestätigte die Kölner Sex-Täter, Die Welt v. 7.6.2016. 70  Schlussbericht des Parlamentarischen Untersu­ chungsausschuss IV vom 23.3.2017, Landtag NordrheinWestfalen, LT-Drs. 16 / 14450, S. 606.



2. Silvester69

knapp 1.200 Strafanzeigen bei den Behörden ein­ gegangen, knapp 500 davon wegen sexueller Über­ griffe. Von den 183 Beschuldigten waren 103 Nord­ afrikaner, 14 Deutsche und die Verbleibenden An­ gehörige anderer Nationalitäten. 73 Beschuldigte waren Asylsuchende, 36 hielten sich zur Tatzeit il­ legal in Deutschland auf. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts waren die meisten Täter erst kurz zuvor im Zuge der Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen.71 Im Anschluss an die Ereignisse bildete die Köl­ ner Polizei eine Sonderkommission „Soko Neu­ jahr“, die u. a. Videomaterial aus Überwachungs­ kameras und privaten Handys auswertete. Die So­ ko kam zunächst zu der Erkenntnis, dass es keine belastbaren Hinweise auf ein abgesprochenes Vor­ gehen gebe; vielmehr habe es sich um einen grup­ pendynamischen Prozess mit Ähnlichkeiten zu an­ deren Formen der Alltagsgewalt zu Lasten von Frauen gehandelt. Dem widerspricht die spätere Einordnung als organisierte Kriminalität durch die Kölner Polizei und die Staatsanwaltschaft Köln. Die strafgerichtliche Verfolgung der Straftaten er­ wies sich im Nachgang als schwierig – in zahlrei­ chen Fällen konnte kein Tatverdächtiger ermittelt werden, ein Großteil der Verfahren wurde einge­ stellt. Auch die Klärung des Aufenthaltsstatus hat sich in vielen Fällen als problematisch herausge­ stellt. Zwischenzeitlich ist eine Reihe von Tätern 71  Eva Quadbeck, Übergriffe von Köln: Silvester-Tä­ ter kamen mit Flüchtlingswelle ins Land, in: Rheinische Post online v. 9.6.2016.

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III. Feste im Jahreskreis

zu Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu 20 Mo­ naten ohne Bewährung verurteilt worden. Die Ge­ schehnisse wurden in einem Untersuchungsaus­ schuss Silvester-Übergriffe des nordrhein-westfäli­ schen Landtags aufgearbeitet, der im März 2017 seinen Abschlussbericht vorgelegt hat.72 Im Folgejahr konnten in Köln massive Übergrif­ fe auf Frauen in der Silvesternacht aufgrund eines erheblich erweiterten Polizeiaufgebots weitestge­ hend verhindert werden. Die Polizei wurde jedoch dafür kritisiert, dass sie gewissermaßen flächende­ ckend ab 22.00 h alle Personen in und um den Kölner Hauptbahnhof herum verhaltensunabhängig kon­trollierte, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten. In der Stunde vor Mit­ ternacht hätten Bundespolizeibeamte die Ausgänge des Kölner Hauptbahnhofs aufgeteilt; Weiße und Gruppen, zu denen Frauen gehörten, durften die linke Tür nehmen, Männer anderer Hautfarbe oder mit südländischem Aussehen hätten den Bahnhof durch die rechte Tür verlassen müssen und seien sodann in einem abgetrennten Bereich von der nordrhein-westfälischen Polizei kontrolliert wor­ den. Dies hat den Sicherheitsbehörden den Vorwurf eines „Racial Profiling“ eingetragen.73 Die Bun­ desregierung hat jedoch in ihrer Antwort auf eine 72  Schlussbericht des Parlamentarischen Untersu­ chungsausschuss IV vom 23.3.2017, Landtag NordrheinWestfalen, LT-Drs. 16 / 14450. 73  Dazu eingehend Judith Froese, Gefahrenabwehr durch typisierendes Vorgehen vs. Racial Profiling: Die Debatte um den Kölner Polizeieinsatz in der Silvester­ nacht 2016 / 17, DVBl. 2017, 293 ff.



2. Silvester71

Kleine Anfrage im Bundestag richtigerweise fest­ gestellt, dass es sich nicht um ein rechtswidriges „Racial Profiling“ gehandelt habe, weil die Haut­ farbe nicht das alleinige bzw. ausschlaggebende Kriterium für die Kontrollmaßnahmen gewesen sei; Maßstab sei das aufgrund einer zunehmenden Alkoholisierung und einer steigenden Aggressivität festzustellende bzw. nach polizeilicher Einschät­ zung zu erwartende Gefahrenpotenzial gewesen.74 Die öffentliche Auseinandersetzung drehte sich zudem um die in der Polizeipraxis gebräuchliche interne Bezeichnung bestimmter potenzieller Tä­ tergruppen als „Nafris“, also: „Nordafrikanische Intensivtäter“. Seit 2013 lief bei der Kölner Polizei das Projekt NAFRI; in der täglichen Lagedarstel­ lung und -auswertung hatte es seit dem Jahr 2012 Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Straftäter im Bereich der Raub-, Körperverletzungs-, Betäu­ bungsmittel- und Taschendiebstahlsdelikte in zu­ nehmendem Maße algerischer, marokkanischer, li­ byscher oder tunesischer Nationalität oder Her­ kunft waren. Diese Täter bedienten sich verschie­ dener typischer Modi Operandi, um die potenziellen Opfer abzulenken und zu bestehlen: etwa „Antan­ zen“, Ansprechen, Befragen und Umarmen. Ein Analyseprojekt zur Maßnahmenplanung gegen sog. „NAFRI-Taten“ wurde ins Leben gerufen. Es 74  Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An­ frage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 18 / 11097 – Polizeikontrollen zu Silvester 2016 / 2017, v. 22.2.2017, Drs. 18 / 11302, S. 3.

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III. Feste im Jahreskreis

handelt sich mithin bei „Nafri“ um eine polizeiin­ tern genutzte Kurzbezeichnung, die aufgrund der klaren Zuordnung zu erwiesenermaßen kriminellen Personenkreisen für sich genommen nicht zu bean­ standen ist. Problematisch ist die Ausweitung der Bezeichnung auf Personen, die ihrem äußeren Er­ scheinungsbild nach nordafrikanischer Herkunft sind. Veranlasst durch die polizeiliche Verwen­ dungspraxis wird mit „Nafri“ eben eine kriminelle männliche Person bezeichnet, nicht lediglich eine solche mit einem entsprechenden ethnischen bzw. Herkunftshintergrund. In einem Tweet zur Silves­ ternacht 2016 / 2017 hatte die Polizei geäußert, es würden am Kölner Hauptbahnhof „mehrere Hun­ dert Nafris überprüft“. Für diese Äußerung ent­ schuldigte sich der Kölner Polizeipräsident – zu Recht, denn die meisten entsprechend Kontrollier­ ten konnten von vornherein nicht als „Nafri“ im poli­zeilichen Sinne qualifiziert werden. Auch unter dem Eindruck der Geschehnisse in der Silvesternacht 2015 / 2016 wurde im Zuge einer Strafrechtsnovelle in § 184j StGB ein neuer Straf­ tatbestand geschaffen.75 Die Vorschrift stellt „Straf­ taten aus Gruppen“ unter Strafe und hat folgenden Wortlaut: „Wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Per­ 75  Vgl. Tatjana Hörnle, § 184j StGB (Straftaten aus Gruppen) – ein verfassungswidriger Straftatbestand?, BRJ 2017, 57 ff.; zur strafrechtlichen Einordnung der Übergriffe auch Ulrike Lembke, Sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum. Rechtslage und Reformbedarf in Deutschland, TuP 2016, 106 ff.



2. Silvester73 son zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geld­ strafe bestraft, wenn von einem Beteiligten der Grup­ pe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“

Straftaten nach § 177 StGB sind der sexuelle Übergriff, die sexuelle Nötigung und die Verge­ waltigung, also solche gegen die sexuelle Selbst­ bestimmung. § 184i StGB stellt die sexuelle Beläs­ tigung unter Strafe. § 184j StGB ist durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 201676 in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Er trägt der Tatsache Rechnung, dass es sich um ein „neu­ es und gewichtiges Phänomen“ handele, „das von Strafschärfungen in Fällen ‚gemeinschaftlichen Handelns‘ (…) nicht vollständig erfasst werde“. Bestimmte Sexualstraftaten, die aus einer Gruppe heraus begangen werden, stellten für das Opfer ein erhöhtes Gefahrenpotenzial dar: Die Verteidi­ gungs- und Fluchtchancen würden stark einge­ schränkt, die Gruppen seien durch eine „motivie­ rend wirkende Dynamik“ gekennzeichnet, „die durch die gegenseitige Bestärkung der Gruppen­ mitglieder“ gespeist werde und dazu führe, „dass der Einzelne anderenfalls bestehende Hemmungen überwindet bzw. gar nicht erst zulässt“.77 76  BGBl. I

S. 2460. aus Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus­ schuss) u. a. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung 77  Zitate

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III. Feste im Jahreskreis

b) Silvesterfeuerwerkskörper als Gesundheitsrisiko Alljährlich werden durch unsachgemäße Hand­ habung von Silvesterfeuerwerkskörpern teilweise gravierende Verletzungen verursacht, zu deren zi­ vilrechtlicher Bewältigung sich in der Rechtspre­ chung einige Grundsätze herauskristallisiert ha­ ben.78 Zentrale Leitentscheidungen betreffen na­ mentlich den Umfang der Verkehrssicherungs­ pflichten. So wurde in der Neujahrsnacht 1981 / 82 ein Mann in der Nähe seines Hauses von einem Gegenstand unterhalb des rechten Auges getroffen und verletzt. Zwei andere Personen hatten zu die­ sem Zeitpunkt etwa 17,5 Meter vom Standort des Verletzten entfernt zwei Silvesterraketen aus einer Flasche abgefeuert. Der Verletzte machte geltend, eine der beiden Raketen habe ihre Flugbahn nicht eingehalten, sei zur Erde zurückgekommen und habe ihn verletzt; er habe einen blutenden Riss unterhalb des rechten Auges sowie eine stumpfe Augapfelverletzung davongetragen. Aufgrund der starken Herabsetzung des Sehvermögens auf dem rechten Auge und der Aufhebung des beidäugigen Sehens forderte er Schadensersatz und Schmer­ zensgeld.

(Drs. 18 / 8210, 18 / 8626) v. 6.7.2016, BT-Drs. 18 / 9097, S. 31. 78  Dazu auch Jörg Teumer / Sina Stamm, Fliegende Brandstifter – Haftungsrisiken bei der Benutzung von „Sky-Laternen“, VersR 2009, 1036 (1038).



2. Silvester75

Mit dem Berufungsgericht lehnte der BGH das Bestehen dieser Ansprüche ab.79 Es sei nicht fest­ zustellen, dass die beiden Beklagten die im Ver­ kehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hätten. An die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. ent­ zünden, seien grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssten sie einen Stand­ ort wählen, von dem aus andere Personen oder Sa­ chen nicht (ernsthaft) gefährdet würden. Da nie­ mals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlos­ sen werden könne, müsse beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. In der Silvesternacht seien die Anforde­ rungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Ab­ brennen von Feuerwerkskörpern allerdings herab­ gesetzt. Alle Verkehrssicherungspflichten seien grundsätzlich unter Berücksichtigung der Ver­ kehrsauffassung zu bemessen – Maßstab für die Verkehrssicherungspflicht sei zwar das zum Schutz von Gefährdeten Erforderliche; jedoch richte sich dies auch danach, welche Maßnahmen diese zu ih­ rem Schutz vernünftiger Weise erwarten könnten und welche Vorsorge ihnen selbst zum eigenen Schutz möglich und zumutbar seien. Der Verkehrs­ sicherungspflichtige habe daher nur die Sicher­ heitsvorkehrungen zu treffen, die ein vernünftiger 79  BGH, Urt. v. 9.7.1985, VI ZR 71 / 84, NJW 1986, 52 f.; s. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 12.4.2005, 6 U 121 / 04, VersR 2006, 1701 ff.

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III. Feste im Jahreskreis

Angehöriger eines bestimmten Verkehrskreises er­ warten dürfe. In der Silvesternacht sei es zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich, nicht­ erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Das entbinde zwar den, der ein Feuerwerk abbren­ ne, nicht von der Verantwortung dafür, die Feuer­ werkskörper nur bestimmungsgemäß und unter Beachtung der Gebrauchsanleitung, insbesondere unter Einhaltung der vom Hersteller verlangten Si­ cherheitsvorkehrungen zu verwenden. Auch müsse er sorgfältig auf besondere Umstände achten, auf­ grund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbun­ den sein könne, die nach Art und Umfang über diejenigen Gefahren hinausgingen, welche trotz vorschriftsmäßiger Handhabung nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten. Soweit es aber nur um „normale“ Gefährdungen durch erlaubnis­ freie Feuerwerkskörper für Personen gehe, die sich im Freien in der Nähe der Abschussstel­len aufhiel­ ten und sich auf das Feuerwerk einstellen könnten, begründeten diese im allgemeinen keine Haftungs­ verantwortlichkeit. Jeder vernünftige Mensch, der dem Silvesterfeuerwerk zuschaue, richte sich auf derartige Gefährdungen selbst ein, sofern sie nicht aus Richtungen kämen, aus denen er sie nicht zu erwarten brauche, oder aufgrund anderer besonde­ rer Umstände das Maß der normalerweise zu er­ wartenden Gefahr überstiegen. 



2. Silvester77

c) I Wanna Dance With Somebody Silvesterfeierlichkeiten können auch aus ande­ ren Gründen gefahrenträchtig sein. Bei einer Party zum Jahreswechsel tanzten zu vorgerückter Stunde zwei Personen mit großem Temperament und Kör­ pereinsatz, stießen sich gegenseitig an und fielen auf einen weiblichen Partygast. Die Frau zog sich dabei erhebliche Verletzungen, insbesondere einen Halswirbelsäulenbruch mit Dauerschäden zu. Sie nahm die beiden ungeschickten Tänzer auf Zah­ lung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Das OLG Oldenburg lehnte einen Anspruch ab.80 Die Geschädigte sei ihrer Darlegungslast hin­ sichtlich eines schuldhaften Verhaltens der Tänzer nicht nachgekommen; ihr Vortrag habe auf ein „lo­ ckeres und temperamentvolles Tanzverhalten“ hin­ gedeutet; ein verantwortungsbewusster Teilnehmer einer Party müsse ein solches Verhalten nicht un­ terlassen. Ausladende und kraftvolle Armbewegun­ gen sowie rhythmisches Stoßen mit den Armen seien nicht generell gefährlich für die Aufrecht­ erhaltung des Gleichgewichts. Das OLG vertrat mithin die – zweifelhafte81 – Auffassung, Teilneh­ mer an gesellschaftlichem Tanz sollten für ihren Übereifer oder für mangelnde Körperbeherrschung grundsätzlich nicht einstehen müssen. Eine Aus­ 80  OLG Oldenburg, Urt. v. 8.5.1990, 12 U 12 / 90, NJW-RR 1990, 1437 f. 81  Kritisch etwa OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2009, 9 U 230 / 08, NJW-RR 2010, 450 f., Rn. 14.

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III. Feste im Jahreskreis

nahme solle nur dann greifen, wenn sich das Tanz­ verhalten des Schädigers signifikant von demjeni­ gen anderer Tänzer unterscheide, ohne dass er dies durch größere Körperbeherrschung ausgleichen könne. d) Silvester als Arbeitstag? Silvester ist auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht gelegentlich Gegenstand juristischer Auseinander­ setzungen. Ebenso wie bei Heiligabend stellt sich die Frage, ob es sich um einen regulären Arbeits­ tag handelt.82 Silvester ist kein gesetzlicher Feier­ tag, so dass grundsätzlich Arbeitspflicht besteht. Abweichende Regelungen können sich aus Tarif­ verträgen, Betriebsvereinbarungen, Vereinbarun­ gen im Arbeitsvertrag oder aus betrieblicher Übung ergeben. Über einen Urlaubsantrag muss der Ar­ beitgeber nach pflichtgemäßem Ermessen ent­ scheiden. Eine Urlaubssperre zwischen Weihnach­ ten und Silvester lässt sich nicht allein mit perso­ nellen oder zeitlichen Engpässen rechtfertigen, so­ fern nicht Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass unvorhergesehene Umstände zu einer Exis­ tenzbedrohung des Betriebs führen könnten.

82  Vgl. Heike Mareck, Alle Jahre wieder… Immer Streit um die Feiertage, AA 2017, 214 f.; s. auch Claudia Kothe-Heggemann, Sonntagsschutz: Weihnachten kommt nicht überraschend, GmbHR 2016, R152 f.; Pa­ tricia Kucinski, Weihnachten im Büro? Arbeit an Heilig­ abend und Sylvester, GdS 2007, Nr. 2, 20.



3. Karneval79

3. Karneval a) Kölsche Kamelle Auch Karnevalsumzüge wie etwa der Kölner Rosenmontagszug bergen Gefahren in sich. Ein tragisches Unglück ereignete sich beim Rosen­ montagszug 2002, bei dem eine junge Wagenbe­ gleiterin („Wagenengel“) vom Vorstandswagen ei­ ner Karnevalsgesellschaft überrollt wurde und spä­ ter ihren schweren Verletzungen erlegen ist. Zu leichteren Verletzungen kommt es nicht selten durch den Wurf von „Kamelle“, also von Süßig­ keiten, die (auch) von den Umzugswagen in die Menge geworfen werden. Beim Rosenmontagszug 2010 wurde eine Frau von zwei von einem Fest­ wagen geworfenen Schokoriegeln am linken Auge verletzt. Sie trug im Rahmen ihrer Klage auf Schmerzensgeld vor, sie habe den Tanzdarbietun­ gen der Gruppe zugesehen, der Wurf sei mit enor­ mer Wucht erfolgt. Durch die aufgrund der durch den Wurf erlittenen Verletzungen seien ein zwei­ maliger stationärer Krankenhausaufenthalt von je­ weils vier Tagen sowie zwei Operationen unter Narkose notwendig geworden. Sie leide noch heu­ te an starken Schmerzen und habe lediglich 40 % der Sehfähigkeit auf dem linken Auge wiederer­ langt. Das AG Köln hat die Klage abgewiesen.83 Eine anlässlich eines Rosenmontagszugs durch das Wer­ fen von kleinen Schokoriegeln erlittene Verletzung 83  AG

Köln, Urt. v. 7.1.2011, 123 C 254 / 10.

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III. Feste im Jahreskreis

stelle regelmäßig ein bedauerliches Unglück dar, welches grundsätzlich keinen Schadensersatz be­ gründe. Den am Zug teilnehmenden Verein treffe keine besondere Verkehrssicherungspflicht. Das Werfen von kleinen, leichten und abstrakt betrach­ tet ungefährlichen Gegenständen aus Anlass eines Karnevalsumzugs sei auch nicht rechtswidrig. Die­ ses Werfen vom Umzugswagen aus sei sozial üb­ lich, allgemein anerkannt, von allen Zuschauern erwartbar und insgesamt erlaubt. Das Verhalten entspreche langjährigen Traditionen und werde all­ gemein begrüßt; es dürfte für viele Zuschauer ei­ nen ganz wesentlichen Teil des Vergnügens der Teilnahme an einem Karnevalsumzug darstellen. Wer an einem Rosenmontagszug als Zuschauer teilnehme und sich in Wurfweite der Wagen stelle, müsse damit rechnen, bei mangelnder Aufmerk­ samkeit unerwartet von einem Gegenstand übli­ cher Größe und Beschaffenheit getroffen zu wer­ den. Ein Vermeiden des Werfens in Richtung von Personen erscheine angesichts der Enge des Zug­ weges unmöglich und sei traditionell auch nicht beabsichtigt, da gerade das Fangen der geworfe­ nen Gegenstände allgemein erwünscht sei. Es sei schließlich lebensfremd anzunehmen, vor be­ stimmten Gebäuden – wie von der Klägerin für ei­ ne Seniorenresidenz angenommen – sei „besonde­ re Wurfzurückhaltung“ geboten. Zum einen könne der großzügige Wurf von Süßigkeiten gerade vor solchen Gebäuden besondere Freude der Bewoh­ ner auslösen, zum anderen sei es angesichts der Zuglänge von rund sieben Kilometern nicht mög­ lich, vom Umzugswagen aus den Charakter aller



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am Zugweg liegenden Gebäude zu beurteilen. Ver­ meidbar und jedes Risiko ausschließend könne nur die Positionierung in größerer Entfernung bzw. ge­ schlossenen Gebäuden oder der Verzicht auf eine Teilnahme sein. Das AG Köln steht damit in guter Tradition: Das AG Eschweiler hat Schadensersatz wegen einer Verletzung am Auge durch eine ge­ worfene Blume abgelehnt.84 Das LG Trier sah es nicht als Bestandteil der Verkehrssicherungspflich­ ten des Veranstalters eines Karnevalsumzugs an, den Teilnehmern Anweisungen über das Werfen von Süßigkeiten in die Zuschauermenge zu ge­ ben.85 b) Die Biege gemacht An einem Rosenmontagszug nahm ein Karne­ valsfreund mit einem „Komitee-Wagen“ teil, ei­ nem umgebauten alten Bus mit einer Höchstge­ schwindigkeit von sechs km / h, der aufgrund sei­ ner geringen Geschwindigkeit nicht kennzeichenund versicherungspflichtig war. Beim Umzug stand eine Frau in der Biegung des Zugwegs un­ mittelbar hinter einem Sperrgitter. Der Bus bzw. sein Anhänger war in der Biegung für sie unvor­ hersehbar derart stark ausgeschwenkt, dass er das Absperrgitter gerammt, es aus den seitlichen Ver­ ankerungen gerissen und auf die Frau geschoben hat; das Gitter hatte ihren Oberkörper, ein Bein 84  AG

Eschweiler, Urt. v. 3.1.1986, 6 C 599 / 85. Trier, Urt. v. 7.2.1995, 1 S 150 / 94, NJW-RR 1995, 1364 f. 85  LG

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und ihre Füße begraben. Sie machte Schadenser­ satzansprüche gegen den Veranstalter des Zugs und gegen den Fahrer des Busses geltend. Nachdem das LG Mainz die Klage abgewiesen hatte,86 wies auch das OLG Koblenz in seinem Hinweisbeschluss im Rahmen des Berufungsver­ fahrens darauf hin, dass die Berufung offensicht­ lich keine Aussicht auf Erfolg habe.87 Eine Verlet­ zung der Verkehrssicherungspflicht des Veranstal­ ters sei nicht ersichtlich. Diese verpflichte zwar grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schaffe, dazu, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung an­ derer möglichst zu vermeiden. Der Verkehrssiche­ rungspflichtige sei aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügten diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforder­ lich und zumutbar seien. Erforderlich seien die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Der Veranstalter eines Ro­ senmontagsumzugs habe vor diesem Hintergrund zwar dafür Sorge zu tragen hat, dass Personen, ins­ besondere minderjährige Zuschauer, nicht zu nahe an die Festwagen kommen könnten; auch sei eine Absperrung vorzunehmen. Es sei aber nicht er­ 86  LG

Mainz, Urt. v. 1.3.2013, 1 O 252 / 12. Koblenz, Beschl. v. 19.12.2013, 3 U 985 / 13.

87  OLG



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sichtlich, dass die Absperrung durch das Gitter nicht ausreichend gewesen wäre, oder dass andere Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen wären. Ansprüche gegen den Fahrer des Busses lehnte das Gericht ebenfalls ab; die Vorschriften über die Ge­ fährdungshaftung nach § 7 StVG88 seien aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit des Busses nicht anwendbar, ein Verschulden hinsichtlich des Un­ fallgeschehens sei nicht dargelegt. c) A Horse Is A Horse … Häufiger kommt es zu Problemen beim Einsatz von Pferden in Karnevalsumzügen. Beim Kölner Rosenmontagszug 2017 stürzte ein Pferd aufgrund eines Kreislaufkollapses. Regelmäßig fordern Tier­ aktivisten, solche Einsätze zu verbieten. Selbst für gut trainierte Pferde seien diese eine Strapaze – es handele sich um „Fluchttiere“, bei denen laute Musik, die Vielzahl der Menschen am Zugweg und geworfene Gegenstände erheblichen Stress verur­ sachten. Die Tiere würden zudem in gesundheits­ schädlicher Weise vor ihrem Einsatz regelmäßig sediert. Nach dem Durchgehen von zwei Kutschpferden beim Kölner Rosenmontagszug 2018, bei dem 88  § 7 Abs. 1 StVG: „Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehen­ den Schaden zu ersetzen.“

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mindestens vier Personen verletzt wurden und das mutmaßlich durch eine geworfene Flasche verur­ sacht worden war, entbrannte die Diskussion er­ neut. Das für die Durchführung verantwortliche Festkomitee hat für den Rosenmontagszug 2019 weitere Maßnahmen zum Schutz der Tiere und zur Vorsorge gegen von diesen ausgehende Gefahren beschlossen: Es sollen mehr Ordner am Zugweg eingesetzt werden, die Musik auf den Tribünen soll heruntergedreht werden, wenn Pferde passie­ ren, Reitergruppen und Kutschen sollen nicht mehr in der Nähe von Musikgruppen mitgehen, und ­Veterinärmediziner sollen auch bei den kleineren Umzügen in den Stadtteilen Kontrollen vorneh­ men. Die Stadtverwaltung erklärte, dass sie ein Verbot für nicht erforderlich halte. In Düsseldorf hat das Comitee Düsseldorfer Carneval als Konse­ quenz des Kölner Unglücks angekündigt, im kom­ menden Rosenmontagszug keine Kutschen mehr zuzulassen. d) „Glasgetränkebehältnisverbote“ Die Stadt Köln verhängte im Jahr 2010 erstma­ lig mittels einer Allgemeinverfügung ein Glasver­ bot in der Kölner Innenstadt für die Zeit des Kar­ nevals („Allgemeinverfügung ‚Verbot des Mitfüh­ rens und Benutzens von Glasbehältnissen für die Karnevalstage 2010‘).89 Anlass dieser Vorgehens­ 89  Christian Heckel, Scherbenmeer im Karneval. Zur Polizeiwidrigkeit von Bierflaschen und Schokoriegeln, NVwZ 2012, 88 ff.



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weise war die Tatsache, dass es in den zurücklie­ genden Jahren vermehrt zu Schnittverletzungen und Reifenschäden an Einsatzfahrzeugen und Fahrzeugen der Straßenreinigung durch wegge­ worfene oder als Wurfgeschosse missbrauchte Glasflaschen gekommen war. Die Stadt plante, dieses Mitführverbot durch entsprechende Ver­ kaufsverbote zu flankieren. Diese Konstellation bildet die Szenerie für eine Kontroverse zwischen dem VG Köln und dem OVG Münster, die in e­ iner Vielzahl von Verfahren des einstweiligen Rechts­ schutzes und von Hauptsacheverfahren ausgetra­ gen wurde; beispielhaft sei ein Fall herausgegrif­ fen: Mehreren Kioskbesitzern erteilte die Stadt Köln auf der Grundlage der Allgemeinverfügung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Verbot der Abgabe von Glasgetränkebehältnissen für die Karnevalstage. Das VG Köln hat eine solche Ver­ botsverfügung auf die Klage des Kioskinhabers hin aufgehoben, weil die Abgabe von Glasbehält­ nissen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle, sondern lediglich ein sog. Gefahrenverdacht bzw. ein „Besorgnispotenzial“ bestehe.90 Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht biete keine Handhabe, derartigen Schadensmög­ lichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen; ent­ sprechende Eingriffe müssten durch spezialgesetz­ liche Regelungen legitimiert werden. Weder kön­ 90  VG Köln, Urt. v. 16.9.2010, 20 K 525 / 10; s. auch schon die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz, Beschl. v. 3.2.2010, 20 L 88 / 10.

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ne, so das VG Köln, die gegen den Kioskinhaber gerichtete Ordnungsverfügung unmittelbar auf die Allgemeinverfügung gestützt werden, bei der es sich um einen Verwaltungsakt, nicht aber um eine abstrakt-generelle Rechtsnorm handelt, noch ver­ ursache der Verkauf von Glasgetränkebehältnissen durch den Kioskinhaber eine gegenwärtige Gefahr, der mittels Ordnungsverfügung zu begegnen wäre. In anderen Entscheidungen hat das VG Köln zu­ dem die Ansicht vertreten, das Mitführen und Be­ nutzen von Glasbehältnissen im öffentlichen Stra­ ßenraum an sich stellten keine Gefahr für die öf­ fentliche Sicherheit und Ordnung dar.91 Das Ge­ richt hat dazu ausgeführt: „Es liegt aber offen zu Tage und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass das Mitführen und die Benutzung von Glasbehältnissen für sich genommen noch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Das Mitführen und der Konsum von Getränken aller Art aus Glasflaschen und Gläsern gehört zur ‚selbstverständlichen Kulturfertigkeit des Menschen‘ (…) und ist üblich sowie auch in der Öffentlichkeit gesellschaftlich allgemein akzeptiert. Eine Gefahr entsteht vielmehr dann und soweit zu­ sätzliche Verursachungsbeiträge hinzukommen. So muss als weiterer Verursachungsbeitrag stets mindes­ tens hinzukommen, dass die mitgeführten Glasbehält­ nisse ordnungswidrig entsorgt werden. Selbst eine ordnungswidrige Entsorgung, die im Übrigen in der Kölner Straßenordnung bereits bußgeldbewehrt ist, führt aber ohne das Hinzutreten weiterer Umstände 91  VG Köln, Beschl. v. 4.11.2010, 20 L 1606 / 10; Urt. v. 16.9.2010, 20 K 441 / 10; s. auch VG Osnabrück, ­Beschl. v. 11.2.2010, 6 B 9 / 10.



3. Karneval87 noch nicht zu einer konkreten Verletzungsgefahr oder Behinderung von Einsatzkräften. Erforderlich ist zu­ sätzlich in der Regel der Eintritt von Glasbruch oder sogar – im Falle der missbräuchlichen Verwendung als Schlagwaffe oder Wurfgeschoss – ein bewusster Willensentschluss eines Einzelnen zur Begehung von Straftaten.“92

Das OVG Münster hat dies im Rahmen einer seiner Entscheidungen zum Glasflaschenverbot de­ zidiert anders gesehen:93 Nach Erfahrungen aus der Vergangenheit sei im Kölner Straßenkarneval an verschiedenen Stellen nahezu sicher zu erwar­ ten gewesen, dass ohne geeignete ordnungsbehörd­ liche Maßnahmen durch Glas und Scherben ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten werde. Es handelte sich um massenhafte Verstöße gegen die entsprechenden Regelungen der damals geltenden Kölner Straßenordnung. Das gegenüber dem Kioskinhaber ausgesprochene Verkaufsverbot sei zur Gefahrenabwehr notwendig gewesen; es sei wesentlicher Bestandteil eines ordnungsrechtlichen Maßnahmenbündels mit dem Ziel gewesen, den Anfall von Glas in solchen Bereichen zu verhin­ dern, in denen sich in der Vergangenheit massive Probleme durch Glasscherben ergeben haben, na­ mentlich an Orten, an denen sich eine Vielzahl von 92  VG

Köln, Urt. v. 16.9.2010, 20 K 441 / 10, Rn. 25 ff. Münster, Urt. v. 9.2.2012, 5 A 2382 / 10, Gew­Arch. 2012, 265 ff.; s. auch schon den Beschl. v. 9.11.2010, 5 B 1475 / 10, NWVBl. 2011, 108 f., im Be­ schwerdeverfahren des unmittelbar gegen die Allge­ meinverfügung gerichteten einstweiligen Rechtsschut­ zes. 93  OVG

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Personen in gedrängten Menschenmassen aufhiel­ ten. Rechtsgrundlage für den Erlass der Ordnungs­ verfügung gegenüber dem Kioskinhaber sei daher § 14 Abs. 1 OBG NW, die ordnungsbehördliche Generalklausel. Der Kioskinhaber sei auch zu Recht in Anspruch genommen worden, weil er die Gefahr unter dem Gesichtspunkt der „Zweckveran­ lassung“ mitverursacht habe. Der Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang zwischen dem Ver­ kauf von Glasflaschen und der Fülle der auf den Straßen liegenden Glasabfälle sei bei der gebote­ nen wertenden Betrachtung so eng, dass die (Mit-) Veranlassung durch die Verkäufer und der (Gefah­ ren-)Erfolg als Einheit gesehen werden müssten. e) Arbeitsfrei an Rosenmontag? Vor allem in den Karnevalshochburgen des Rheinlands wird den Karnevalstagen in der Bevöl­ kerung eine überragend wichtige Bedeutung zuge­ messen; am Rosenmontag haben viele Geschäfte und Behörden geschlossen oder arbeiten mit ver­ kürzten Öffnungszeiten. Dies kann zu Unfrieden führen, wenn ein Teil der Beschäftigten arbeitsfrei hat und feiern darf, während der andere Teil der Belegschaft arbeiten muss. So war ein Arbeitneh­ mer über viele Jahre hinweg – von 1992 bis 2016 – an Rosenmontagen von seiner Arbeitgeberin – zu­ vor eine Anstalt des öffentlichen Rechts, seit 2002 eine Aktiengesellschaft – bezahlt freigestellt wor­ den; es wurde ihm jeweils die Sollarbeitszeit gut­ geschrieben. 2002 erfolgte eine Betriebsvereinba­ rung, in der geregelt war: „Für Brauchtumstage,



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die auf die Wochentage Montag bis Freitag entfal­ len, wird die tägliche Sollarbeitszeit gutgeschrie­ ben“. 2017 wurde die Vereinbarung dahingehend abgeändert, dass im Betrieb fortan an Rosenmon­ tagen gearbeitet werde. Mit der Arbeitgeberin stritt der Arbeitnehmer nun darum, ob er von ihr auf der Grundlage betrieblicher Übung verlangen könne, auch weiterhin an Rosenmontagen freigestellt zu werden, ohne dass sich dies auf den Stand seines Arbeitszeitkontos oder seine Vergütung auswirke. Vor dem ArbG Münster94 und dem LArbG Hamm95 blieb der Arbeitnehmer erfolglos: Ein An­ spruch aus betrieblicher Übung könne nur entste­ hen, wenn keine andere kollektiv- oder individual­ rechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung bestehe. Eine betriebliche Übung entstehe damit gerade nicht, wenn die Ar­ beitgeberin zu den zu ihrer Begründung angeführ­ ten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundla­ gen verpflichtet war – wie hier seit 2002 durch die Betriebsvereinbarung. Für die Zeit zwischen 1992 und 2002 sei ebenfalls keine betriebliche Übung als Rechtsgrundlage für in die Zukunft reichende Ansprüche entstanden: der Kläger habe davon aus­ gehen müssen, dass ihm die Beklagte lediglich die Leistungen gewähren wollte, zu denen sie recht­ lich verpflichtet war. Der Kläger habe ohne beson­ dere Anhaltspunkte, die ein anderes Ergebnis unter dem Gesichtspunkt des besonderen Vertrauens­ schutzes hätten begründen können, und trotz der 94  ArbG

Münster, Urt. v. 3.2.2017, 4 Ca 1203 / 16. Hamm, Urt. v. 14.6.2017, 2 Sa 307 / 17.

95  LArbG

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langjährigen Gewährung von überobligatorischen Vergünstigungen nicht darauf vertrauen dürfen, die in der Vergangenheit gewährte bezahlte Arbeitsbe­ freiung am Rosenmontag unbefristet weiterge­ währt zu bekommen.

4. Karfreitag und Ostern Wunsch und Bedürfnis nach Festivitäten können nicht nur mit den Grundrechten anderer kollidie­ ren, wie dies etwa bei Beeinträchtigungen durch Lärm und Müll der Fall ist, sondern auch mit ande­ ren verfassungsrechtlich geschützten Gütern. Sehr kontrovers diskutiert wird in diesem Kontext die gesetzliche Einordnung des Karfreitags als „stiller Feiertag“. Öffentliche Tanzveranstaltun­gen,96 mu­ sikalische Darbietungen,97 Sportveranstaltungen98 und Filmvorführungen sind nach den entsprechen­ den Bestimmungen der Feiertagsgesetze der Län­ der meist recht rigoros untersagt; rein private ­Feierlichkeiten sind dagegen zulässig.99 Auch die Rechtsprechung hat sich bislang als vergleichswei­ se unnachsichtig erwiesen, was das Schutzkonzept des Karfreitags angeht: So wurden etwa Beschnei­ 96  S. etwa VGH München, Urt. v. 7.4.2009, 10 BV 08.1494, BayVBl. 2009, 629 ff. 97  Vgl. etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 23.1.2014, 2 Ss OWi 995 / 13, GewArch. 2014, 215 f. 98  Vgl. Thomas Strobl, Sportveranstaltungen in Bay­ ern am Karfreitag, SpuRT 2012, 97 ff. 99  Vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 23.1.2014, 2 Ss OWi 995 / 13.



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dungsfeiern in Gaststätten100 oder Unterhaltungs­ veranstaltungen101 konsequent untersagt. Viele empfinden das als Bevormundung oder als Auf­ zwingen fremder religiöser Vorstellungen. Der hierin lie­ gende – an der Oberfläche wie ein im Wege der Grundrechtsabwägung aufzulösen wir­ kende – Konflikt reicht tief in die Gesellschaft hin­ ein. Es geht um vielfältige Gesichtspunkte wie die (nach geltendem Recht vielfach „durchbrochene“) Trennung von Staat und Kirche, die Wahrung tradi­ tioneller kirchlicher Festtage als Bestandteil einer vermeintlichen „Leitkultur“ und den Widerstand gegen einen für alle verbindlichen „stillen Tag“. a) „Heidenspaß statt Höllenqual“ Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Anerkennung des Karfreitags als gesetzli­ cher Feiertag ebenso wie seine Ausgestaltung als Tag mit einem besonderen Stilleschutz und die da­ mit verbundenen grundrechtsbeschränkenden Wir­ kungen dem Grunde nach durch die verfassungs­ rechtliche Regelung zum Sonn- und Feiertags­ schutz in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV ge­ rechtfertigt seien, da sie niemandem eine innere Haltung vorschrieben, sondern lediglich einen äu­ ßeren Ruherahmen schüfen.102 Zugleich hat der 100  Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 19.2.2018, 4 A 218 / 16, NWVBl. 2018, 289 ff. 101  VG Köln, Urt. v. 10.12.2015, 20 K 5562 / 14. 102  BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, 1 BvR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff.; kritisch dazu Kyrill-Alexander

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Senat festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflich­ tet sei, für Fallgestaltungen, in denen eine dem ge­ setzlichen Stilleschutz zuwiderlaufende Veranstal­ tung ihrerseits in den Schutzbereich der Glaubensund Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) falle, die Möglichkeit einer Ausnahme von stille­ schützenden Unterlassungspflichten vorzusehen. Beschwerdeführerin war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der „Bund für Geistesfreiheit München“, der die Interessen und Rechte von Konfessionslosen auf der Basis der Aufklärung und des weltlichen Humanismus vertritt und u. a. eine strikte Trennung von Kirche und Staat sowie den Abbau kirchlicher Privilegien fordert. Der ­Verein hatte für den Karfreitag 2007 als Teil ei­ ner Veranstaltung „Religionsfreie Zone München 2007“ eine eintrittspflichtige Tanzveranstaltung unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ und mit dem Slogan „Mit Live-Musik feiern wir fröhlich an einem Tag, an dem allen Bürger / Innen dieser Republik das öffentliche Tanzen aus christ­ lichen Gründen untersagt ist!“ beworben, die ab 22.30 h stattfinden sollte. Die zuständige Verwal­ tungsbehörde untersagte einen Teil der Veranstal­ tung auf der Grundlage des bayerischen Feiertags­ gesetzes, weil dieser mit den Beschränkungen des Gesetzes für den Karfreitag als „stiller Tag“ nicht Schwarz / Lukas Sairinger, Der Feiertagsschutz und das Bundesverfassungsgericht. Anfang vom Ende religions­ rechtlicher Privilegien?, BayVBl. 2018, 289 ff., sowie Christian Hillgruber, JZ 2017, 153 ff.



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vereinbar sei. Im Instanzenzug blieb der Verein er­ folglos. Die Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts über die Verfassungsbeschwerde des Vereins ist ein Paradebeispiel für die Auflösung komplexer grundrechtlicher und verfassungsrechtlicher Kolli­ sionslagen. Die Anerkennung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag und seine Ausgestaltung als Tag mit einem besonderen äußeren Ruherahmen sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Zwar greife das Verbot öffentlicher Unterhaltungs­ veranstaltungen, die den ernsten Charakter des Ta­ ges nicht wahren, und von musikalischen Darbie­ tungen in Räumen mit Schankbetrieb in die allge­ meine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, unter Umständen auch in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und in die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ein. In besonders gelagerten Fällen könnten auch die grundrechtlich geschützte Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) sowie die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berührt sein. Diese Eingriffe seien jedoch durch die verfassungsrechtliche Regelung in Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG gerechtfertigt. Art. 140 GG erklärt als „Inkorporationsnorm“ die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919, der „Weimarer Reichsverfassung“, zum „Be­ standteil dieses Grundgesetzes“. Art. 139 WRV lautet: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ Damit sei der Sonn- und Feiertagsschutz verfassungs­

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rechtlich garantiert; dem Gesetzgeber komme von Verfassungs wegen die Befugnis zu, Feiertage an­ zuerkennen sowie Art und Ausmaß ihres Schutzes zu regeln.103 Es sei an den Staat sogar ein objek­ tivrechtlicher Schutzauftrag gerichtet, der ihm die Gewährleistung von Feiertagen aufgebe. An diesen Tagen „soll im zeitlichen Gleichklang grundsätzlich die Ge­ schäftigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtun­ gen und Beanspruchungen nutzen kann. Geschützt ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Tages als Tag der Arbeitsruhe. Die soziale Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes im weltlichen Be­ reich resultiert dabei wesentlich aus der synchronen Taktung des sozialen Lebens (…). Dabei verfolgt die Regelung in der säkularisierten Gesellschaft und Staatsordnung zunächst die profanen Ziele der per­ sönlichen Ruhe, Erholung und Zerstreuung. Zugleich zielt Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV damit auf die Möglichkeit zur seelischen Erhebung, die gleichermaßen allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung eröffnet werden soll (…).“104

Doch habe die Vorschrift des Art. 139 WRV ne­ ben dieser weltlich-sozialen nach ihrer Entste­ hungsgeschichte, ihrer systematischen Veranke­ rung in den in das Grundgesetz inkorporierten Kir­ 103  Eingehend Jan Heinemann, Grundgesetzliche Vorgaben bei der staatlichen Anerkennung von Feierta­ gen, 2004. 104  BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, 1 VR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff., Rn. 60.



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chenartikeln der Weimarer Reichsverfassung und nach ihren Regelungszwecken auch eine religiöschristliche Bedeutung: „Anknüpfend an die in christlicher Tradition entstan­ denen Feiertage zielt sie auch auf die Möglichkeit der Religionsausübung und darauf, dass Gläubige diesen Tagen ein Gesamtgepräge geben können, wie es ih­ rem Glauben entspricht.“105

Aufgrund der Formulierung der Verfassungs­ norm komme dem Gesetzgeber die Befugnis zu, entstehungsgeschichtlich vorgefundene Feiertage fortzuschreiben. Die Verfassung nehme in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV hinsichtlich der Feier­ tage eine Wertung vor, die auch in der christlichabendländischen Tradition wurzele und kalenda­ risch an diese anknüpfe.106 Die Auswahl des Kar­ freitags als gesetzlicher Feiertag erweise sich nicht als neutralitätswidriges Privileg; dass der Gesetz­ geber der gewachsenen und für weite Teile der Be­ völkerung bis heute fortdauernden besonderen Be­ deutung des Christentums Rechnung trage, mache die Anknüpfung von Feiertagen an diese Traditio­ nen nicht zu einer verfassungswidrigen Privilegie­ rung einer „Mehrheitsreligion“, sondern sei Aus­ druck der „Prägekraft der Geschichte“. Zudem werde eine bestimmte innere Haltung niemandem vorgeschrieben, sondern lediglich – wie auch an anderen, zum Teil auch an säkularen Feiertagen – 105  BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, 1 VR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff., Rn. 61. 106  BVerfG, Urt. v. 1.12.2009, 1 BVR 2857, 2858 / 07, BVerfGE 125, 39 (84).

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ein äußerer Rahmen geschaffen. Dem Gesetzgeber komme über die Entscheidung hinaus, welche Ta­ ge als Feiertage zu gelten haben, weiterhin die Be­ fugnis zu, das Ausmaß des Feiertagsschutzes ge­ setzlich zu gestalten; damit könne er auch Feierta­ ge mit unterschiedlichem Charakter vorsehen. Es stehe ihm frei, für bestimmte Tage durch besonde­ re Unterlassungspflichten einen sich von der blo­ ßen Arbeitsruhe unterscheidenden oder über diese hinausgehenden äußeren Ruhe- und Stilleschutz zu schaffen, wie es bei der Regelung des Karfreitags als „stiller Feiertag“ erfolgt sei. Durch die gesetz­ lichen Unterlassungspflichten werde Angehörigen anderer Religionen oder Nichtgläubigen keine reli­ giös begründete „Handlung“ vorgeschrieben. Auch fordere der Einwand der erheblichen Diskrepanz zwischen der „Feiertagswirklichkeit“ und den reli­ giösen und weltlichen Idealen, die zur Anerken­ nung als Feiertag geführt hätten, keine andere Be­ wertung – dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, Feiertage zu schützen, die nicht von allen als sol­ che begangen werden. Allerdings – und das ist der wesentliche Punkt – erweise sich die angegriffene bayerische Ausge­ staltung des Schutzes des Karfreitags als „stiller Tag“ in Anbetracht der mit den Verboten in Einzel­ fällen verbundenen Eingriffe in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie in Art. 8 Abs. 1 GG wegen des Feh­ lens von Ausnahmeregelungen als unverhältnismä­ ßig.107 Denn die Verbote beträfen Unterhaltungs­ 107  BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, 1 VR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff., Rn. 74.



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veranstaltungen und musikalische Darbietungen in Räumen mit Schankbetrieben unabhängig davon, ob sie durch weitere Grundrechte geschützt seien, etwa wenn es sich bei den Veranstaltungen zu­ gleich um Versammlungen oder „Manifestationen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in der Aus­ prägung der Weltanschauungsfreiheit“ handele. In solchen Fällen könne sich der Schutz des Karfrei­ tags als „stiller Feiertag“ verfassungsrechtlich nur als Ergebnis einer Abwägung im Einzelfall durch­ setzen. Der Gesetzgeber müsse ferner entsprechen­ de Ausnahmebestimmungen schaffen. Bei der vom Beschwerdeführer geplanten „Heidenspaß“-Party habe die erforderliche Einzelfallabwägung nament­ lich mit dem Schutz der Weltanschauungsfreiheit des Vereins und der vom Senat für einschlägig ge­ haltenen Versammlungsfreiheit im Rahmen des be­ hördlichen Entscheidungsprozesses nicht stattge­ funden.108 Der Ausschluss jeglicher Befreiungs­ möglichkeit für den besonderen Ruhe- und Stille­ schutz des Karfreitags sei, so der Senat, damit im Ergebnis unvereinbar mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 8 Abs. 1 GG und daher für nichtig zu erklären. b) „Das Leben des Brian“ Nicht zur Entscheidung angenommen hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbe­ schwerde, die sich gegen die Auferlegung eines 108  BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, 1 VR 458 / 10, BVerfGE 143, 161 ff., Rn. 96 ff.

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Bußgelds wegen der Vorführung des Filmes „Das Leben des Brian“ an einem Karfreitag richtete.109 Dabei handelt es sich um einen Film der britischen Komiker-Gruppe „Monty Python“ aus dem Jahr 1979; die Handlung dreht sich um die zur selben Zeit und am selben Ort wie Jesus Christus gebore­ ne Hauptfigur „Brian“, die aufgrund von Missver­ ständnissen gegen ihren Willen als Messias verehrt und letztlich gekreuzigt wird. Der Film ist 1980 von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirt­ schaft (FSK) als nicht feiertagsfrei eingestuft. Der Beschwerdeführer ist Mitglied einer I­nitiative, die für einen weltanschaulich neutralen Staat eintritt; die streitentscheidenden Bestimmungen des nord­ rhein-westfälischen Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW – ­FeiertG NW) un­ tersagen die Vorführung des nicht als zur Auffüh­ rung an einem Karfreitag geeignet anerkannten Films. Der erste Senat des Bundesverfassungsge­ richts betonte auch in dieser Entscheidung erneut, dass der Gesetzgeber zur Schaffung von Ausnah­ men für Veranstaltungen verpflichtet sei, die dem Schutz der Versammlungsfreiheit oder der Glau­ bens- und Bekenntnisfreiheit unterfielen. Die Ver­ fassungsbeschwerde sei im vorliegenden Fall aber schon wegen Subsidiarität unzulässig, weil der Be­ schwerdeführer keine Ausnahmegenehmigung vom Filmvorführungsverbot des § 6 Abs. 3 Nr. 3 Fei­ ertG NW beantragt habe. 109  BVerfG, Beschl. v. 9.11.2017, 1 BvR 1489 / 16, NVwZ-RR 2018, 249 ff.; s. auch OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2016, 2 RBs 59 / 16, dazu Dominik Höch, Trau­ erspiel ums Lachverbot am Feiertag, K&R 2016, 544.



4. Karfreitag und Ostern99

c) Rutschpartie am Osterfeuer Über die Sicherung eines Osterfeuers bei regne­ rischem Wetter hatte das OLG Celle zu entschei­ den.110 Eine Ortsfeuerwehr veranstaltete ein durch die Gemeinde gestattetes Osterfeuer. Es herrschte regnerisches Wetter, das Gelände um das Osterfeu­ er war feucht. Gegen 22.30 h brachen schon zahl­ reiche Besucher auf, die Mitglieder der Ortsfeuer­ wehr packten ihre Sachen zusammen und verlie­ ßen gegen 23.30 h die Örtlichkeit, ohne zuvor das Feuer abzulöschen, obwohl jedenfalls noch ein großer Gluthaufen vorhanden war und das Ablö­ schen behördlicherseits angeordnet worden war. Eine Gruppe war noch auf dem Platz geblieben und verließ diesen kurz vor 24.00 h. Ein Besucher, der zunächst hinter der Gruppe zurückgeblieben war, lief ihr hinterher, um sie einzuholen, rutschte aus, stolperte und stürzte in das Osterfeuer. Er zog sich dabei erhebliche Verbrennungen an beiden Händen, am rechten Unterschenkel und an weite­ ren Körperteilen zu. Seiner Versicherung entstan­ den infolge des Unfalls hohe Kosten, die sie – un­ ter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldensan­ teils des Geschädigten – nunmehr erstin­stanzlich anteilig gegenüber der Trägerin der Ortsfeuerwehr gerichtlich geltend machte. Das OLG Celle lehnte die Ansprüche ab. Die mit der Beaufsichtigung eines Osterfeuers betraute Ortsfeuerwehr sei nicht dazu verpflichtet, die Glut 110  OLG Celle, Urt. v. 11.10.1995, 9 U 210 / 94, VersR 1997, 251.

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III. Feste im Jahreskreis

des heruntergebrannten Feuers beim Verlassen des Platzes abzulöschen oder eine Brandwache zu hin­ terlassen, wenn aufgrund feuchter Witterung keine Feuergefahr bestehe. Es gebe auch keine Pflicht, die Glutstelle derart zu sichern, dass den Festplatz verlassende Teilnehmer nicht auf nassem Boden ausrutschen und in die Glut fallen könnten.

5. Oktoberfest Aus der Fülle saisonaler und regionaler Festlich­ keiten ragt das Oktoberfest in München als größtes Volksfest der Welt hervor. Seinen Ursprung hat es in einem Pferderennen auf dem Sendlinger Berg, der heutigen Theresienhöhe, das als Teil des Be­ gleitprogramms zur Hochzeit des Wittelsbacher Kronprinzen Ludwig Karl August von Bayern und seiner Braut, Therese Charlotte Luise Friederike Amalie von Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1810 veranstaltet wurde. Mit einer Besucherzahl, die um die sechs Millionen schwankt, ist das Fest zwangsläufig regelmäßig Schauplatz von Ausein­ andersetzungen, die schließlich vor den Gerichten ausgetragen werden. a) Die Maß ist voll?! Ob die Maß voll sei – darüber haben mit beacht­ licher Regelmäßigkeit Besucher des Oktoberfestes mit den Bierzeltbetreibers gestritten.111 Der „Ver­ 111  Zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Pressemeldungen über schlechtes Einschenken auf dem



5. Oktoberfest101

ein gegen betrügerisches Einschenken e. V.“ gibt den sich in Wirtshäusern und bei Festen betrogen Fühlenden seit 1899 eine Stimme; nach seinem Verbot während des Nationalsozialismus wurde er 1970 wiederbegründet. Mit heimlich eingeschleus­ ten Messbechern und Maßbändern kontrollieren seitdem die Mitglieder die Wiesnwirte auf ihre Schankehrlichkeit.112 Ihre Beharrlichkeit hat zum Erfolg geführt: Bier auf dem Oktoberfest wird in­ zwischen weitestgehend in Glaskrügen ausge­ schenkt; in den tönernen Maßkrügen, den „Kefer­ lohern“, war die Eigenkontrolle durch den Konsu­ menten erheblich erschwert. Der Verein war Kläger in einem Gerichtsverfah­ ren, das bis zum BGH gelangt und als wettbe­ werbsrechtliche Grundsatzentscheidung unter dem Stichwort „Ausschank unter Eichstrich I“ bekannt geworden ist.113 Ein Gastwirtsehepaar hatte in der Oktoberfest OLG München, Urt. v. 28.11.1986, 21 U 2456 / 86, OLGZ 1987, 245 ff.; s. dazu allgemein Wolfgang Lippstreu, Das Recht auf ein volles Schankmaß und seine Durchsetzung, GewArch. 1988, 293 ff., der namentlich das „couragierte Nachschenkbegehren mit Zahlungsverweigerung“ für wirksam hält. – Gegenstand erbitterter Streitigkeiten ist auch der Begriff des „Ok­ tober(fest)biers“, s. dazu LG München I, Urt. v. 6.3.2008, 1 HK O 21109 / 07; dazu eingehend Philipp Lehmann, Bierbrauen im Oktober – ein Privileg Münchner Braue­ reien? Eine kritische Analyse der „Oktoberfestbier“- und „Oktoberbier“-Rechtsprechung, MarkenR 2010, 357 ff. 112  Ronen Steinke, Maß und Moral, Süddeutsche Zei­ tung v. 26.9.2013. 113  BGH, Urt. v. 21.4.1983, I ZR 30 / 81, NJW 1983, 2447.

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von ihm betriebenen Gaststätte mit der Angabe „0,5 l M Hell DM 1,80“ geworben; bei zwei Ge­ legenheiten wurde es dabei ertappt, 1979 zweimal ein 0,5 l-Glas deutlich unter dem Eichstrich befüllt zu haben.114 Der Verein beantragte, dem Wirtsehe­ paar die Werbung mit der genannten Ankündigung im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztver­ brauchern zu untersagen, und hatte vor dem LG München Erfolg.115 Die Berufung der Wirtsleute hat das OLG Mün­ chen zurück­gewiesen;116 die Ankündigung sei irre­ führend. Das Publikum gehe davon aus, dass die angegebene Menge zu dem angegebenen Preis auch ausgeschenkt werde. Der 1. Zivilsenat des BGH117 hat die Entscheidung auf die Revision der Wirtsleute hin indes aufgehoben. Die Ankündigung sei als solche nicht zu beanstanden. Die vertragli­ chen Pflichten hätten die Wirtsleute auch durch den Ausschank von weniger als einem halben Liter Bier nicht voll erfüllt. Eine vertragswidrige Min­ der- oder Schlechterfüllung sei indes nicht o ­hne weiteres zugleich wettbewerbswidrig i.  S.  v. § 3 UWG. Im Gaststättenbetrieb sei ein „gelegentlicher Minderausschank von Bier regelmäßig nicht auf eine vorgefaßte, täuschende Absicht“ zurückzufüh­ ren. 114  S. zu diesem Fall auch Helmut Köhler, Üb’ immer Treu und Redlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 167 f. 115  LG München I, Urt. v. 2.7.1980, 7 HKO 17000 / 79. 116  OLG München, Urt. v. 4.12.1980, 6 U 3135 / 80. 117  BGH, Urt. v. 21.4.1983, I ZR 30 / 81, NJW 1983, 2447.



5. Oktoberfest103

Schon 1986 hatte sich der BGH erneut mit ei­ nem vergleichbaren Fall auseinanderzusetzen.118 Dieses Mal entschied er anders: Denn in dem Bier­ garten, um den sich der Streit drehte, hätten die eingeschenkten Bierkrüge in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen deutlich weniger als einen Liter Bier enthalten. Reklamationen seien sowohl bei der Bedienung als auch beim Schankkellner frucht­ los geblieben: „Während die Bedienung erklärt habe, sie könne sich nicht um Reklamationen kümmern, da ihr der Schankkellner nichts nachschenken werde, habe ­dieser entsprechende Beanstandungen mit der Frage zurückgewiesen, wovon er denn leben solle. Allein schon aus diesen Umständen konnte das Berufungs­ gericht herleiten, daß ein Minderausschank bei der Beklagten nicht nur zufällig, gelegentlich eines starken Besu­ ­ cherandrangs oder sonst einmal vor­ komme, sondern daß er bei ihr üblich sei und ab­ sichtlich, planmäßig und bewußt, herbeigeführt wer­ de.“119

Damit sei die Feststellung des Berufungsge­ richts nicht zu beanstanden, der Wirt dulde den festgestellten Minderausschank, helfe berechtigten Reklamationen der Gäste nicht ab, sei in Wirklich­ keit nicht gewillt, sich an seine Ankündigung und den Aushang im Lokal, sich bei Minderausschank nachschenken zu lassen, zu halten und mache da­

118  BGH, Urt. v. 10.12.1986, I ZR 136 / 84, NJW 1987, 1021 f. 119  BGH, Urt. v. 10.12.1986, I ZR 136 / 84, NJW 1987, 1021 f., II. 3. b) cc).

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her die Irreführung der Gäste zum Mittel seines Wettbewerbs.120 Der Vorwurf des unehrlichen Einschenkens sei, so das OLG München in seiner Berufungsentschei­ dung, auch durch „die im Rahmen der Beweiswür­ digung zu berücksichtigenden eigenen Beobach­ tungen der Mitglieder des erkennenden Senats des Berufungsgerichts in der weiteren und näheren Vergangenheit, nach denen im Biergarten der Be­ klagten beim Ausschank von einer Maß Bier regel­ mäßig weniger als ein Liter Bier ausgeschenkt werde“,121 bestätigt worden. Dies freilich monierte der BGH: Das Berufungsgericht hätte diese Beob­ achtungen nicht berücksichtigen dürfen; es handele sich „weder um allgemeinkundige noch um ge­ richtsbekannte Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO, sondern um privates Wissen“.122 Die Revision blieb gleichwohl erfolglos. Eine strafrechtliche Verfolgung fand indes nicht statt; ein „Schankbe­ trug“ im eigentlichen Sinne lag tatbestandlich nicht vor. b) Bierbanksturz im „Schottenhamel“ Der Besuch des Oktoberfestes in München er­ folgt auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere 120  BGH, Urt. v. 10.12.1986, I ZR 136 / 84, NJW 1987, 1021 f., II. 3. b) cc). 121  OLG, Urt. v. 7.6.1984, 6 U 4580 / 82, WRP 1984, 506 ff. 122  BGH, Urt. v. 10.12.1986, I ZR 136 / 84, NJW 1987, 1021 f., II. 3. b) aa).



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auch für das Besteigen von Bierbänken in einem Bierzelt. Das AG München hatte über den folgen­ den Fall zu entscheiden:123 2007 befanden sich Kläger und Beklagte im Bierzelt „Schottenhamel“. Die Beklagte stand auf der Sitzbank hinter dem Kläger. Sie fiel plötzlich nach hinten auf den Rü­ cken des Klägers. Dieser machte geltend, er habe zum Zeitpunkt der Kollision gerade aus seinem Bierkrug trinken wollen und sei durch den Auf­ prall der Beklagten mit dem Kopf gegen den Krug gestoßen. Für die dadurch erlittene Zahnverletzung macht er Schmerzensgeld geltend. Das AG München hat dem Kläger ein solches in Höhe von 500,– Euro gemäß § 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB zugesprochen. Zunächst stellte es klar, dass auch das Oktoberfest keinen rechtsfreien Raum darstelle. Es gelte aber der allgemeine Grundsatz des eigenen sorgfältigen Verhaltens, das auch eine Beobachtung und Berücksichtigung der Umgebung beinhalte. Wer wie die Beklagte auf ei­ ne Bank steige und dort an der „Bierfröhlichkeit“ teilnehme, riskiere, das Gleichgewicht zu verlie­ ren. Ob eine Bank zum Sitzen oder auch zum Da­ raufstehen diene, ergebe sich aus der Erwartungs­ haltung der Nutzer. Beim Oktoberfest seien zwi­ schenzeitlich zumindest beide Varianten, wenn nicht sogar überwiegend das Daraufstehen Teil der üblichen Nutzung. Das müsse jeder Bierzeltnutzer berücksichtigen. Darauf, ob die Beklagte ihr Gleichgewicht – wie sie vorgebracht habe – wegen des Remplers eines Dritten oder aus einem ande­ 123  AG

München, Urt. v. 12.6.2007, 155 C 4107 / 07.

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ren Grund verloren habe, komme es nicht an. Doch auch der Kläger sei ja offensichtlich davon ausge­ gangen, dass das Stehen auf der Bank Teil des Ok­ toberfestes sei. Daher gälten die für die Beklagte geltenden Grundsätze auch für den Kläger, sodass ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB zu berück­ sichtigen sei. Die Verschuldensanteile der Beklag­ ten und des Klägers stünden sich gleichwertig ge­ genüber. Kurz gesagt: Wer in einem Bierzelt auf dem Oktoberfest zum Schunkeln, Singen und Tan­ zen auf eine Bank steigt, muss damit rechnen, sein Gleichgewicht zu verlieren, sei es durch Rempler eines Dritten oder durch eigenes Verhalten. c) Die „Wiesnbrezn“ im Lichte des Steuerrechts Auch die Finanzgerichtsbarkeit beschäftigte sich gelegentlich mit dem Oktoberfest. So hat der Bun­ desfinanzhof entschieden, dass die Abgabe von „Wiesnbrezn“ in Festzelten durch eine vom Fest­ zeltbetreiber personenverschiedene Unternehmerin als „Lieferung“ dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliege.124 Finanzamt und Finanzgericht waren davon ausgegangen, dass die Brezelverkäufe durch ambulante „Brezelläufer“ dem Regelsteuersatz un­ terlägen, weil in den Festzelten eine die Bewirtung fördernde Infrastruktur vorhanden sei – gemeint sind das Zelt, die Biertischgarnituren und die mu­ sikalische Untermalung. Das Mobiliar, so das FG, 124  BFH,

566.

Urt. v. 3.8.2017, V R 15 / 17, BFHE 258,



5. Oktoberfest107

habe etwa den Zweck, den Verzehr der Backwaren zu erleichtern. Diese Infrastruktur sei der die Bre­ zeln verkaufenden Unternehmerin zuzurechnen. Der Bundesfinanzhof sah dies unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung125 anders: Die „Verzehrvorrichtungen“ im Festzelt seien der Un­ ternehmerin nicht zuzurechnen. Es seien nur sol­ che zu berücksichtigen, die „vom Leistenden aus­ schließlich dazu bestimmt werden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern“. Ein Mitbenutzungsrecht sei der Unternehmerin nicht eingeräumt; sie habe keine Verfügungs- oder Dispositionsmöglichkeit an den Bierzeltgarnituren etwa derart erlangt, dass sie Festzeltbesuchern Sitzplätze zum Verzehr im Festzelt zuweisen kön­ ne.126 Eine sanfte Watschn hat aber auch der Senat der Unternehmerin mitgegeben: Bei Brezeln han­ dele es sich „um eine Standardspeise einfachster Art“. Hungrige Festzeltbesucher jedoch werden auch diese Standardspeise einfachster Art zu schät­ zen wissen.

125  BFH,

496.

Urt. v. 30.6.2011, V R 18 / 10, BFHE 234,

126  S. aber FG München, Urt. v. 9.2.2017, 14 K 2081/ 15: Für die Abgabe von gebratenen Fischen, Grillhähn­ chen, Spareribs und Pommes frites aus einem Grillstand in einem Biergarten sei eine nicht begünstigte sonstige Leistung, keine Lieferung anzunehmen, weil der Betrei­ ber des Stands zwar kein Nutzungsrecht an der „Bier­ garteninfrastruktur“ erworben habe, aber anteilige Pau­ schalen für Nebenkosten (Reinigung und Müllabfuhr) tragen müsse.

108

III. Feste im Jahreskreis

d) Der Sprengstoffanschlag auf das Münchener Oktoberfest 1980 Einen erschütternden Anlass für juristische Ver­ fahren gab der Sprengstoffanschlag auf das Mün­ chener Oktoberfest am Abend des 26. September 1980. Am Haupteingang wurden durch die Explo­ sion einer Rohrbombe 13 Menschen getötet und 211 teilweise schwer verletzt. Als Bombenleger wurde der bei dem Anschlag getötete Neonazi Gundolf Köhler ermittelt; seine Eigenschaft als Einzeltäter wurde im Nachgang des Anschlags al­ lerdings kontrovers diskutiert.127 Die Bayerische Staatsregierung stellte 500.000,– DM zur Vertei­ lung an die Opfer durch das Landesversorgungs­ amt Bayern zur Verfügung. Die Abwicklung der entsprechenden Anträge erfolgt auf der Grundlage des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) vom 11. Mai 1976.128 Auch um den verstorbenen mutmaßlichen Täter selbst drehte sich eine juristische Auseinanderset­ zung. Seine Angehörigen hatten gegen eine Be­ zeichnung als „Bombenleger“ in der Presse, gegen 127  Vgl. etwa Ulrich Chaussy, Oktoberfest – Das At­ tentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann, 2014; Tobias von Heymann, Die Oktoberfestbombe. München, 26. September 1980 – die Tat eines Einzelnen oder ein Terror-Anschlag mit politischem Hintergrund?, 2008. 128  Dazu Georg Lunz, Die Entschädigung der Opfer des Sprengstoffanschlags vom 26. September 1980 auf dem Münchener Oktoberfest, VersorgB 1981, 16 ff.



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eine Veröffentlichung einer Fotografie seiner Lei­ che und gegen die Behauptung geklagt, er sei Mit­ glied einer Wehrsportgruppe gewesen. Das Hanse­ atische OLG Hamburg129 hat hierzu entschieden, dass „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschich­ te (…) ohne Einwilligung des Abgebildeten, bzw. nach seinem Tode seiner Angehörigen, verbreitet werden (dürften), es sei denn, dadurch würde ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen, verletzt werden.“ Wegen des Wegfalls der Garantie eines fairen Gerichtsverfahrens aufgrund des Todes sei der letzte Grad der Sicherung durch Richterspruch nicht mehr zu erreichen; dies allein könne aber nicht bedeuten, dass es den Medien verwehrt sei, einen Verstorbenen als Täter zu bezeichnen. e) Von München nach Münster „Oktoberfeste“ werden nicht nur in München veranstaltet, sondern haben längst einen Siegeszug durch die gesamte Republik angetreten. In Müns­ ter findet ein solches Fest regelmäßig an der Ha­ fenarena statt. Eine Besucherin wollte mit einem ihrer Begleiter tanzen; beide stiegen auf eine Bier­ bank. Nach einer gewissen Zeit begann die Bank zu wackeln, und die Besucherin verlor das Gleich­ gewicht und stürzte von der Bierbank. Auch ihr Begleiter fiel von der Bank. Die Besucherin for­ derte von diesem u. a. Schmerzensgeld mit der Be­ hauptung, er habe sie ohne vorherige Abstimmung 129  OLG

Hamburg, Urt. v. 7.7.1983, 3 U 7 / 83.

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und ungewollt auf die Bierbank hinaufgezogen. Er habe sodann, noch bevor sie richtig gestanden ­habe, das Gleichgewicht verloren und sie von der Bank gezogen. Bei dem Sturz habe sie sich erheb­ liche Verletzungen zugezogen und sei neun Wo­ chen arbeitsunfähig gewesen. Auch danach hätten erhebliche Restbeschwerden bestanden; es sei von einem Dauerschaden im Schulterbereich auszuge­ hen. Das LG Münster hat die Klage abgewiesen, weil schon eine Verletzungshandlung des Begleiters nicht festzustellen sei.130 Das OLG Hamm hat die Berufung der Geschädigten zurückgewiesen.131 Unstreitig habe der Begleiter sie nicht von der Bierbank heruntergezogen. Aber auch das Hoch­ ziehen auf die Bank sei nicht als Verletzungshand­ lung zu qualifizieren, da die Geschädigte darin mitgewirkt haben müsse. Auch der (streitige) Ver­ lust des Gleichgewichts des Begleiters begründe keine Haftung; es fehle hier an einem diesem vor­ werfbaren Verhalten. Denn es läge ein sozialad­ äquates Verhalten vor; der Begleiter habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht außer Acht ge­ lassen, was jedenfalls dann gelte, wenn man auch das Stehen auf einer Bierbank bei einem Oktober­ fest – sei es in München oder Münster – als Teil der üblichen Nutzung ansehe. Schließlich sei der Geschädigten ein überwiegendes Mitverschul­ den anzulasten. 130  LG Münster, Urt. v. 27.8.2014, 2 O 417 / 13, 02 O 417 / 13. 131  OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2015, I-9 U 142 / 14.

IV. Schluss Dem griechischen Philosophen Demokrit (um 460–370 v. Chr.) wird der Satz zugeschrieben: „Ein Leben ohne Feste ist wie eine lange Wande­ rung ohne Einkehr.“ Auch er betont damit die ­Bedeutung von Festtagen und Feierlichkeiten für das menschliche Leben. Dem Recht wiederum ist nichts Menschliches fremd; so zeigen die ausge­ wählten Fallkonstellationen, dass in der Vorstel­ lung vom Recht als Instrument zur Ordnung des Festes nichts Wesensfremdes kollidiert. Das Recht regelt (auch) die Feste, zumindest aber liest es an­ schließend die Scherben auf – und dies, wie die Beispiele zeigen sollten, nicht selten mit einem ­humorvollen Augenzwinkern.

Zum Autor Markus Thiel studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und Verwaltungswissen­ schaften an der Deutschen Hochschule (heute: Universität) für Verwaltungswissenschaften Spey­ er. 1996 Erste Juristische Staatsprüfung, 1999 Pro­ motion zum Dr. iur. an der Rechtswissenschaftli­ chen Fakultät der Universität zu Köln. 2000 Zwei­ te Juristische Staatsprüfung. 2003 Promotion zum Dr. rer. publ. an der Deutschen Hochschule (heute: Universität) für Verwaltungswissenschaften Spey­ er. 2010 Habilitation an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Verleihung der Venia Legendi für Öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte und Verwaltungs­ wissenschaften. Nach Lehrstuhlvertretungen in Freiburg i. Br., Trier, Köln und Gießen ab 2012 Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Ge­ fahrenabwehrrecht, an der Abteilung Köln der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nord­ rhein-Westfalen. Seit 2017 Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Müns­ ter und Leiter des Fachgebiets für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht. Herausgeber u. a. der Schriftenreihe „Recht der inneren und äu­ ßeren Sicherheit“ im Verlag Duncker & Humblot und Mitherausgeber der Zeitschrift für das Gesam­ te Sicherheitsrecht – GSZ.