Psychodynamische Interventionsmethoden [2 ed.]
 9783666405617, 9783525405611

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Jürgen Körner

Psychodynamische Interventionsmethoden

Herausgegeben von Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Jürgen Körner

Psychodynamische Interventionsmethoden

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. 2., unveränderte Auflage © 2018, 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Paul Klee, »Feuerwind«, 1922/akg-images GmbH Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-40561-7

Inhalt

Vorwort zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort zum Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Was sind psychodynamische Interventionsmethoden? . . . . . . . 10 1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Historie psychodynamischer Interventionsmethoden . . . . 11 1.2.1 Am Anfang war die Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . 12 1.2.2 Von der »praktischen« zur »psychischen« Realität .14 1.2.3 Interventionen im »Zwei-Personen-Stück« . . . . . . . . 15 1.2.4 Die Vorleistung des Therapeuten und seine Verständigung mit dem Patienten . . . . . . . . . . . 18 1.3 Systematik psychodynamischer Interventionen . . . . . . . . . 20 1.4 Interventionsmethoden in anderen psychotherapeutischen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2 Interventionen zur Einleitung der Behandlung . . . . . . . . . . . . . 27 2.1 Managing the Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2 Methodische Einstellung auf den Patienten . . . . . . . . . . . . . 31 3 Was wirkt? Ergebnisse der empirischen Forschung . . . . . . . . . . 39 4 Praxis der psychodynamischen Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . 41 4.1 Strukturelle Störung oder neurotischer Konflikt? Eine folgenreiche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

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4.2 Psychodynamische Therapie mit Patienten auf niedrigem Struktur- bzw. Entwicklungsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.3 Psychodynamische Therapie mit Patienten auf hohem Strukturniveau und neurotischem Konflikt . . . . . . . . . . . . . 51 4.4 Fallbeispiel: Eine Patientin auf mittlerem Strukturniveau .57 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

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Inhalt

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich. Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen. Themenschwerpunkte sind unter anderem: ȤȤ Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung. ȤȤ Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internet­ 7

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basierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze. Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen. Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen. Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-Säuglings-Psychotherapie. Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Angesichts der Bemühungen um eine Reform des Psychotherapeutengesetzes und vor dem Hintergrund einer Ausbildungsreform gewinnen Fragen der therapeutischen Kompetenz eine große Bedeutung. Auch Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig der Therapeutenfaktor und die psychotherapeutische Kompetenz sind. Im klinischen Alltag ist der Therapeut gefordert, die Interventionsmethoden sehr genau an den Patienten, sein Krankheitsbild und sein strukturelles Niveau anzupassen. Das erfordert große Kompetenz. Dieses Buch vermittelt psychotherapeutische Kompetenzen in Bezug auf die relevanten Interventionsmethoden anschaulich und klinisch relevant, unter anderem durch Fallvignetten. Jürgen Körner versteht es meisterhaft, nach einer historischen Herleitung unterschiedlicher psychodynamisch fundierter Interventionstechniken der heutigen Vielfalt klinischer Anwendungen im therapeutischen Alltag stringente Form und methodische Fassung zu geben. Besonderes Augenmerk wird auf die Einleitung der Behandlung gerichtet, wobei die Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung mit einbezogen werden. Fol­gerichtig zielt die Praxis der psychodynamischen Interventionen auf eine strukturorientierte Indikation, die je nach strukturellem Niveau der Patienten mehr deren Konflikten oder mehr der Ressourcenförderung therapeutische Räume eröffnet. Manchmal muss erst die Bühne instandgesetzt werden, auf der die konflikthaften Inszenierungen stattfinden. Eine informative und in aller Detailfülle kompakte Darstellung des psychodynamisch-therapeutischen Handelns. Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch 9

1 Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

Eine persönliche Vorbemerkung: Ich habe in zahlreichen Jahren ambulanter und stationärer psychotherapeutischer Arbeit gelernt, dass ich die Grenzen meiner schulengebundenen Methoden oftmals überschreiten musste, um Patienten in schwieriger Lage helfen zu können. Für einen Psychotherapeuten, der mit der Psychoanalyse hoch identifiziert ist, war es nicht ganz einfach, die vertraute und Sicherheit versprechende Technik zu erweitern und in Einzelfällen einen Patienten bei Problemlösungen aktiv zu unterstützen, ihm zu helfen, seine Affekte zu steuern, oder ihm in Krisenfällen beizustehen. Ich habe in dieser Zeit auch verstanden, dass es wenig sinnvoll ist, zwischen der »wahren« (hochfrequenten) Analyse einerseits und den »nur« abgeleiteten tiefenspychologisch fundierten Methoden mit variabler Frequenz und unterschiedlichen Settings andererseits starre Grenzen zu setzen. Psychoanalytiker könnten vielmehr stolz darauf sein, so viele methodische Varianten zur Verfügung zu haben, mit denen sie sehr unterschiedlichen Patienten helfen können. Aus diesen Gründen habe ich gern die Aufgabe übernommen, dieses Büchlein über psychodynamische Interventionsmethoden zu schreiben. Ich werde – nach einem historischen Überblick – die Methoden der psychodynamischen Psychotherapie verfahrensübergreifend darstellen. Nicht das Setting oder die Behandlungsfrequenz sollten über die Wahl der Methoden entscheiden, sondern das jeweilige Struktur- und Entwicklungsniveau des Patienten, seine Mentalisierungskompetenz und die Themen und das Ausmaß seiner inneren Konflikte.

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1.1 Definition Mit psychodynamischer Psychotherapie bezeichnen wir mit den Psychotherapierichtlinien psychoanalytisch begründete Verfahren, das sind die analytische Psychotherapie und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Letztere umfasst als »Sonderformen« recht unterschiedliche Behandlungsmethoden, nämlich die Kurztherapie, die Fokaltherapie, die dynamische Psychotherapie und die nieder­ frequente Therapie »in einer längerfristigen, Halt gewährenden therapeutischen Beziehung« (Psychotherapierichtlinien 2015, 1.1.1). Psychodynamische Psychotherapie bezeichnet also eine Gruppe durchaus heterogener Methoden, mit denen wir uns im weiteren Verlauf dieses Buches befassen werden. Zunächst aber möchte ich das Gemeinsame psychodynamischer Interventionsformen darstellen, auch im Vergleich zu den Methoden anderer psychotherapeutischer Verfahren, insbesondere der Gesprächspsychotherapie und der Verhaltenstherapie. Die Psychotherapierichtlinien stellen analytisch begründete Verfahren »als Formen einer ätiologisch orientierten Psychotherapie dar, welche die unbewusste Psychodynamik neurotischer Störungen mit psychischer oder somatischer Symptomatik zum Gegenstand der Behandlung machen« (Psychotherapierichtlinien 2015, 1.1). Ausdrücklich werden hier »suggestive und übende Techniken auch als Kombinationsbehandlung ausgeschlossen«.

1.2 Historie psychodynamischer Interventionsmethoden Das Ziel, die unbewusste Psychodynamik zum Gegenstand der Behandlung zu machen, verfolgen die Psychoanalytiker seit dem Beginn der psychoanalytischen Bewegung. Auch wenn die psychodynamischen Methoden sich inzwischen breit aufgefächert haben, um sehr unterschiedlichen Patienten gerecht werden zu können, blieb das Historie psychodynamischer Interventionsmethoden

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Ziel, das Unbewusste bewusst zu machen, ein zentrales Anliegen aller psychodynamischen Verfahren. 1.2.1  Am Anfang war die Rekonstruktion Freud begann seine psychoanalytische Arbeit mit ausforschenden Interventionen, die den Schleier der Amnesie beim Patienten lüften sollten. Noch in der Tradition seiner hypnotischen Behandlungsmethoden forderte er seine Patientinnen – es waren zunächst überwiegend Frauen – auf, möglichst rückhaltlos zu erzählen, was ihnen einfiele. Er begegnete ihren Assoziationen allerdings mit festen Überzeugungen darüber, wonach zu suchen sei: nach verdrängten Erinnerungen an zumeist sexuelle, traumatisierende Erfahrungen, die, unbewusst geworden, Angst machten und Symptome erzeugten. Mit der Aufhebung der Verdrängung sollte der Grund für die Symptombildung entfallen. Mit der Fallgeschichte der Katharina (Freud, 1895) illustrierte Freud seine Methode auf eindrucksvolle Weise. Eine 18-jährige junge Frau hatte ihn auf einem Spaziergang in den Hohen Tauern angesprochen und den »Herrn Doktor« wegen ihrer Atembeschwerden und Erstickungsangst um Hilfe gebeten. Schon nach wenigen Sätzen vermutete er hysterische Anfälle und suchte gezielt, aber zunächst vergeblich nach Auslösern. Als seine Ausforschung erfolglos blieb, versuchte er eine Deutung: »Wenn Sie’s nicht wissen, will ich Ihnen sagen, wovon ich denke, dass Sie Ihre Anfälle bekommen haben. Sie haben einmal, damals vor zwei Jahren, etwas gesehen oder gehört, was Sie sehr geniert hat, was Sie lieber nicht möchten gesehen haben«. Dann erinnert sich Katharina: Sie habe ihren Onkel »bei dem Mädel erwischt, bei der Franziska, meiner Cousine!«. Weiter fällt ihr ein, dass dieser Onkel1 sie schon als 14-jährige sexuell bedrängt habe. Indem ihr diese Erinnerungen bewusst wurden, verloren sie ihre 1 In einer Fußnote aus dem Jahre 1924 enthüllt Freud dann, dass es nicht der Onkel gewesen war, der sich an Katharina vergreifen wollte und mit der Franziska koitierte, sondern der eigene Vater. 12

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

krankmachende Wirkung, und Katharina erschien »wie verwandelt, das mürrische, leidende Gesicht hat sich belebt, die Augen sehen frisch drein, sie ist erleichtert und gehoben« (Freud, 1895, S. 191).

Freuds Intervention im Gespräch mit Katharina war streng ge­nommen keine Deutung, sondern eher eine suggestiv vorgetragene Erklärung über einen biografischen Zusammenhang, eine Rekonstruktion. Dass sie so wirksam war, lag sicher auch an der Autorität, mit der der »Herr Doktor« die junge Frau belehrte, so dass sie sich in seiner Gegenwart traute, ihre peinlichen Erlebnisse zu erinnern und mitzuteilen. Heute würden wir so nicht mehr vorgehen, und doch ist dieser Interventionstyp nicht verlorengegangen: Immer noch bieten wir auch rekonstruktive Deutungen über die fortdauernde Wirkung pathogener Einflüsse an, auch wenn wir heute nicht mehr annehmen, dass wir damit schon ihre Wirksamkeit aufheben könnten. Aber es ist für Patienten oft sehr erleichternd, wenn sie einen Zusammenhang zwischen ihrer Erkrankung heute und früh erlebten, vielleicht traumatischen Erfahrungen erkennen können. Die Maxime, das Unbewusste bewusst zu machen, gilt in den psychodynamischen Verfahren bis heute, allerdings nicht mehr in dem mechanistischen Sinne, dass die Aufhebung der Verdrängung zwangsläufig zur Befreiung vom Symptom führte. Aber die Erkenntnis, dass Menschen dadurch Handlungsfreiheit gewinnen, dass sie sich die unbewussten Motive ihres Handelns bewusst machen, hat bis heute Bestand. Denn Handlungsgründe, die uns nicht bewusst sind, wirken wie Ursachen, sie zwingen uns gleichsam hinter unserem Rücken zu dem immer gleichen Verhalten. Der Zwanghafte zum Beispiel, der sich immer wieder vergewissern muss, dass die Tür auch wirklich abgeschlossen ist, und die Phobikerin, die Angst hat, allein über die Schwelle ins Freie zu treten, kennen ihre unbewussten Handlungsgründe2 nicht, darum müssen sie ihnen folgen. Nur wenn wir unserer 2 Eigentlich sollten wir in diesen Fällen nicht von Handlungsgründen, sondern von Verhaltensursachen sprechen. Historie psychodynamischer Interventionsmethoden

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Handlungsmotive bewusst werden, können wir uns für oder gegen sie entscheiden. 1.2.2  Von der »praktischen« zur »psychischen« Realität Eine Wendung in der Geschichte der psychodynamischen Interventionsmethoden wurde nötig, als Freud erkannte, dass es nicht die realen, sondern die subjektiv gedeuteten Erfahrungen sind, die zur Erkrankung führen können. Er hatte bemerkt, dass seine Patientinnen nicht in allen Fällen die Wahrheit gesagt und von Verführungsszenen berichtet hatten, die sich so nicht zugetragen haben konnten. Das war für Freud ein krisenhafter Augenblick, aber er entschloss sich, wie er in einem Rückblick 1914 schreibt, zu einer spektakulären Wendung: Er habe sich entschieden, statt der »praktischen« nunmehr die »psychische« Realität zum Gegenstand der Psychoanalyse zu machen. Diese Wendung, die Freud erst in seiner zweiten Angsttheorie von 1926 auch theoretisch fundierte, war für die Methoden psychoanalytischer Interventionen sehr folgenreich. Nicht nur, dass Freud den quasikausalen Zusammenhang von Verdrängung (als Ursache) und Angst (als Folge) umkehrte, sondern er ersetzte auch die erste, biologische Erklärung durch eine psychologische Begründung für psychische und psychosomatische Erkrankungen. Seither interessieren wir uns nicht mehr primär dafür, was ein Patient »wirklich« erlebt hat, sondern welche Bedeutungen er den Ereignissen seiner Umwelt zugeschrieben hat und weiterhin zuschreibt. Wir sind uns also dessen gewiss, dass unser Gegenstand in der psychodynamischen Psychotherapie nicht die materielle, sondern die psychische Realität ist. Menschen interpretieren von Anfang an ihre Welt subjekthaft, und wir wissen, dass man ihre Innenwelt »nicht einfach als Repräsentanz der äußeren Lebenserfahrungen begreifen kann« (Hohage, 2001, S. 26 f.). Deswegen verzichten wir heute auf übergenaue biografische Anamnesen, weil uns mehr interessiert, wie unser Patient, das Kind von damals, seine Welt interpretiert (hat). Seither können wir psychodynamische Interventionen nicht mehr als Erklärungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge formulieren, 14

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

sondern wir bieten unseren Patienten Interpretationen an, die nicht »wahr« oder »falsch« sein sollen, sondern Angebote sind, sich miteinander im Dialog zu verständigen. Diese Arbeitsweise lässt sich am Beispiel des Umgangs mit Träumen am leichtesten verdeutlichen. Niemals werden wir sicher sagen können, wie ein Traum »wirklich« gemeint sein könnte, als suchten wir wie ein Archäologe nach einem vergrabenen Gegenstand, den man dann irgendwann in den Händen halten kann. Oft genug erleben wir, dass wir Träumen neue Bedeutungen zuschreiben, wenn wir sie in andere Kontexte stellen, aber immer bleiben wir im Ungewissen, ob die Deutungsarbeit dann nicht noch weitergehen wird. Unsere Aufgabe ist es, den Patienten in seiner deutenden Auseinandersetzung mit seinen Träumen zu begleiten. 1.2.3  Interventionen im »Zwei-Personen-Stück« Das nächste große Kapitel in der Geschichte der psychodynamischen Interventionsmethoden wurde aufgeschlagen, als sich die Psychoanalyse in den 1950er Jahren von einem »Ein-Personen-Stück« in ein »Zwei-Personen-Stück« wandelte. Zwar hatten schon einige Analytiker der ersten Generation um Freud – wie Balint und Ferenczi – dafür geworben, die persönliche Mitwirkung des Analytikers im therapeutischen Prozess wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Aber die Mehrzahl der Analytiker insbesondere im Einfluss der Ich-Psychologie (und vor allem in den USA) hielt es wohl so, wie Rangell (1954, S. 39) es in einem sehr anschaulichen Bild beschrieb: Der Analytiker möge sich verhalten wie ein Schiedsrichter beim Tennisspiel. Seine Aufgabe sei es, »dass er dem Patienten sagen kann […] hier ist ein Impuls, hier eine Abwehr, hier ist ein Widerstand«. Auch wenn die extreme Zurückhaltung der Psychoanalytiker jener Zeit methodisch begründet wurde, verrät sie doch auch eine ängst­liche Haltung (Körner u. Rosin, 1985). Die Analytiker fürchteten sich vor dem »Objekthunger« der Übertragung (Sterba, 1934, S. 67) und Freuds Erfindung der Abstinenzregel erfüllte anfangs eine defensive Funktion: Der Analytiker möge sich wie eine »SpiegelHistorie psychodynamischer Interventionsmethoden

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platte« (Freud) verhalten und sich möglichst wenig persönlich zeigen. Dadurch könne sich die Übertragung unverfälscht entwickeln und bearbeitet werden. Das war ein schwerwiegender Irrtum. Heute wissen wir, dass diese extreme Zurückhaltung von unseren Patienten je nach ihrer eigenen inneren Situation als abweisend, desinteressiert, vielleicht sogar als feindselig erlebt wird. Und die Psychotherapieforschung hat uns davon überzeugt, dass ein erfolgreicher Psychotherapeut interessiert, empathisch, einfühlsam und methodisch flexibel ist. Dass wir diese patientenzentrierte und defensiv-abstinente Sichtweise aufgegeben haben, verdanken wir insbesondere Paula Heimann (1950)3 die 1949 einen Vortrag gehalten hatte, in dem sie empfahl, die Gegenübertragung für das Verständnis der psychoanalytischen Situation zu nutzen. Dies war ein erster Schritt in Richtung auf eine interaktionelle Sichtweise der psychoanalytischen Situation und dem wachsenden Verständnis, dass der Analytiker die psychoanalytische Situation und die Beziehung zu seinem Patienten selbst mitgestaltet, auch mit seinen Interventionen. Gleichzeitig wuchs die Einsicht der Analytiker, dass der Patient seinen Analytiker nicht nur im Lichte der Übertragung betrachtet, sondern er verwendet ihn auch zur Bewältigung seiner eigenen inneren Konflikte. Zum Beispiel könnte sich ein Patient von seinem sadistischen Über-Ich dadurch zu entlasten versuchen, dass er es auf seinen Analytiker projiziert, in ihm also einen überkritischen, entwertenden Beobachter vermutet, gegen den er dann rebellieren kann. Es kann sehr belastend sein, sich derartigen Projektionen ausgesetzt zu fühlen, und nicht wenige Analytiker neigten dazu, diese Verwendung abzuweisen und dem Patienten aktiv die Erfahrung nahezu­ legen, dass er sich in seinem Analytiker irrt. Zum Beispiel könnte ein 3 Und einigen weiteren Frauen wie Therese Benedek (1949, 1953), Margret Little (1951), Annie Reich (1951) und Clara Thompson (1952). Heimann wurde für ihren Beitrag auf dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Zürich 1949 und auch noch später heftig kritisiert, insbesondere von Ernest Jones, dem damaligen Vorsitzenden der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. 16

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

Analytiker versuchen, die Überzeugung des Patienten, dass er nicht liebenswert sei, dadurch zu durchkreuzen, dass er betont freundlich mit ihm umginge. Das Konzept der »korrigierenden emotionalen Erfahrung« (Alexander, 1949) wurde oft so (miss)verstanden. Derartige »Rollenspiele« (König, 1982) gelingen aber selten; der Patient durchschaut in der Regel den Analytiker und ist umso überzeugter, dass dieser ihn eigentlich ablehnt. Der »interaktionelle Anteil der Übertragung« (König, 1982) kann sehr einflussreich sein, und je nachdem, wie weit der Psychotherapeut dem Patienten mit seiner eigenen Übertragungsbereitschaft entgegenkommt, können sich schwer auflösbare »Kollusionen« (Willi, 1972) einstellen. Selbst wenn es dem psychodynamischen Psychotherapeuten gelingt, ein derartiges unbewusstes Zusammenspiel zu durchschauen – seine Lehranalyse sollte ihm diese Möglichkeit eröffnet haben –, steht er vor der nun schwieriger gewordenen Frage, wie er »die ­unbewusste Psychodynamik zum Gegenstand der Behandlung« (Psychotherapierichtlinien 2015, 1.1) machen kann. Denn offenkundig genügt es nicht, den Patienten auf seinen »Irrtum« aufmerksam zu machen, zumal nicht einmal sicher ist, ob sich der Patient in seiner Idee vom abweisenden oder überkritischen Psychotherapeuten wirklich irrt. Wir sollen den Übertragungsentwurf des Patienten annehmen, sollen uns von ihm verwenden lassen – das ist das Konzept von der »Rollenübernahme« von J. Sandler (1976) –, allerdings sollen wir diese Verwendung innerhalb des Rahmens der analytischen Situation begrenzen, also nicht in dem vom Patienten gewünschten (und gefürchteten) Maße mitspielen. Wir erlauben also dem Patienten, seine inneren Konflikte in der Beziehung zu uns zu inszenieren, und wir versuchen, mit ihm gemeinsam diese konflikthafte Konstellation in unserer Beziehung durchzuarbeiten. Das ist die psychodynamische Arbeit »in« der Übertragung (Körner, 1989a).

Historie psychodynamischer Interventionsmethoden

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1.2.4 Die Vorleistung des Therapeuten und seine Verständigung mit dem Patienten Die Entwicklung der psychodynamischen Interventionsmethoden musste noch einen Schritt weiter gehen. Die Analytiker mussten begreifen, dass ihre Rolle nicht darin aufging, als reine Projektionsfläche zu dienen und die Übertragung als Fehlwahrnehmung zu erkennen (das war der erste Schritt), sodann zu verstehen, dass der Patient sie in der Übertragung auf eine spezifische Weise verwendet (das war der zweite Schritt), sondern sie mussten einsehen, dass sie selbst die inneren Konflikte ihres Patienten durcharbeiten müssen; darin liegt eine »Vorleistung« (Loch, 1965, S. 21), ein »innerer Integrationsprozess« (Ermann, 1987, S. 108), der es erst ermöglicht, das Thema der Übertragung nicht nur zu benennen – das ist »Arbeit an der Übertragung« –, sondern auch innerhalb der therapeutischen Beziehung durchzuarbeiten, das ist »Arbeit in der Übertragung« (Körner, 1989a). Dazu ein Beispiel: »Ein Patient setzte sich selbst dadurch unter Druck, dass er ein hohes Ideal verfolgte, stets kluge und humorvolle Sätze sagen zu müssen. Dies galt in seinem sozialen Alltag wie auch in der analytischen Situation. Insgeheim sehnte er sich aber danach, sich von diesem Anspruch befreien zu können, aber Deutungen, die ihn hierzu ermutigen sollten, weckten nur Abwehrbewegungen, zuweilen auch entwertende Bemerkungen über mein offenbar niedriges Anspruchsniveau. In einer Stunde blieben seine Schilderungen und Einfälle auffällig blass und nichtssagend. Nach einer kurzen Schweigepause meinte er dann: ›Ich glaube, heute bin ich ziemlich langweilig.‹ Spontan suchte ich nach einer Antwort, die ihm widersprochen und beteuert hätte, dass doch alles irgendwie wichtig sei oder so ähnlich. Es fiel mir aber nichts dergleichen ein. Stattdessen gab ich mir einen kleinen Ruck und sagte: ›Ja, das stimmt.‹ Der Patient war überrascht und schwieg. Er schien nach einer empörten Antwort zu suchen. Dann aber lachte er laut los: ›Sie haben recht! Ich bin richtig mittelmäßig! Einfach mittelmäßig, wie wunder18

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

bar!‹ In der nächsten Stunde berichtete er, wie er mit diesem Satz auf den Lippen beschwingt nach Hause fuhr, am liebsten allen Menschen zugerufen hätte ›ich bin mittelmäßig!‹, sich dann abends in einem einfachen Lokal an die Theke setzte, mit den unbekannten Menschen rechts und links ein Gespräch anfing ohne die vertraute Angst, etwas Banales nicht zu wissen oder eine Frage nicht beantworten zu können. Er erinnerte sich später oft an jene Stunde, da sei eine Erkenntnis ›vom Kopf ins Herz gefallen‹ und habe sich dort ›wie eine Lawine‹ ausgebreitet. Was war geschehen? Der Patient wusste, wie sehr er sich mit seinem hohen Anspruch unter Druck setzte. Ich vermute, dass er sich im Laufe der analytischen Therapie dem zunächst nicht bewussten Wunsch genähert hatte, sich von diesem Anspruch zu befreien. Dass er gerade in dieser Zeit meine Deutungsangebote, es sich doch etwas leichter zu machen, scheinbar entschieden zurückwies, spricht nicht gegen eine sich anbahnende Veränderung.4 In dieser Stunde war es wohl meine Aufgabe gewesen, in mir die Angst zu überwinden, ihm eine solche Kränkung (›ja, das stimmt‹) zuzumuten. Stellvertretend für ihn habe ich diese Angst, wie es ist, nur mittelmäßig zu sein, erlebt und mit einem ›Ruck‹ überwunden. Ich nehme aber an, dass mir der Patient dadurch geholfen hat, dass er mir mit seiner ›langweiligen‹ Redeweise unbewusst nahelegte, es doch zu versuchen« (Körner, 2015a, S. 93).

Auch wenn wir heute verstanden haben, dass wir die therapeutische Beziehung gemeinsam mit unserem Patienten entwerfen (die Intersubjektivisten sprechen von einer »Ko-Konstruktion«) und damit die paternale Haltung aus Freuds Zeiten (Cremerius, 1979) aufgegeben haben, auch wenn wir also versuchen, uns mit unserem Patienten über unsere wechselseitigen Beziehungsentwürfe »zu verständigen« (Schöpf, 2014), werden wir unserem Patienten nicht wirklich »auf Augenhöhe« begegnen. Wir beanspruchen eine Art Deutungs­ 4 Man könnte mit Karl König (persönliche Mitteilung) sagen: »Die Abwehr stieg, weil der Widerstand gegen die Veränderung sank.« Historie psychodynamischer Interventionsmethoden

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hoheit, die sich darin äußert, dass wir zuweilen den latenten Sinn des Gesprochenen und der Beziehungssituation interpretieren, es also in gewissem Sinn »besser wissen« als unsere Patienten. Wir vertrauen darauf, dass wir es im Zuge unserer eigenen Selbsterfahrung gelernt haben, über unsere Mitwirkung in der therapeutischen Beziehung zu reflektieren, also einen »exzentrischen Standpunkt« einzunehmen. Trotz oder gerade wegen der Asymmetrie in der therapeutischen Beziehung sind wir auch heute noch darauf angewiesen, dass uns der Patient hinsichtlich fachlicher Autorität und moralischer Integrität einen Vertrauensvorschuss anbietet.

1.3  Systematik psychodynamischer Interventionen Im den zurückliegenden Abschnitten haben wir gesehen, wie sich die psychodynamischen Interventionsmethoden in der Geschichte der Psychoanalyse und ihrer Anwendungsformen verändert und aufgefächert haben. Heute verfügen wir über eine Vielzahl von Interventionsformen, die wir abgestimmt auf das Strukturniveau des Patienten und auf den aktuellen therapeutischen Prozess anwenden können. Bevor wir im Kapitel 4 die Praxis dieser Anwendungen betrachten werden, möchte ich die Vielfalt psychodynamischer Interventionen systematischer darstellen. Klarifikationen und Demonstrationen. Insbesondere zu Beginn einer Psychotherapie arbeiten wir mit Klarifikationen und Demonstrationen. Wir sprechen mit ihnen bewusste (oder bewusstseinsfähige) Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen unseres Patienten an, klären zum Beispiel, welches die Auslöser für seine wütenden Affekte waren, oder demonstrieren ihm, wie er seine Arbeitsstörungen vor sich selbst verbirgt, indem er sich zum Beispiel immer neue Vorschubhandlungen einfallen lässt. Oft versuchen wir mit diesen klärenden Interventionen, den Blick unseres Patienten auf seine eigene Vergangenheit zu schärfen und manche Erinnerung, die ihm unanstößig 20

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

erscheint, »ich-dyston« zu machen. Zum Beispiel fand ein Patient zunächst »nichts dabei«, dass er bis zum 16. Lebensjahr anstelle seines Vaters im Doppelbett neben seiner Mutter schlief. Aber recht bald erinnerte er sich doch an die peinlichen Gefühle und bedrängenden Phantasien, wenn er neben seiner Mutter erwachte. Diese Interventionen haben das Ziel, dem Patienten vor Augen zu führen, was er vor sich selbst verbirgt, und das auch so zu benennen. Konfrontationen. Weil klärende und demonstrierende Interventionen oft schmerzhafte oder peinliche Erinnerungen wachrufen, müssen wir mit ganz natürlichen Widerständen rechnen. Wenn ein Patient versucht, sich vor einer unangenehmen Einsicht zu schützen, mag es angebracht sein, ihn zu konfrontieren. Jenen Patienten zum Beispiel, der sich für seine Arbeitsstörungen schämt, könnten wir mit einer Konfrontation auffordern, seine Pläne von neuen Computerprogrammen als neue Vorschubhandlung zu entlarven. Konfrontationen setzen ein stabiles Arbeitsbündnis voraus, der Patient muss hinreichend sicher sein, dass wir ihn mit unseren Konfrontationen nicht verletzen wollen. Durcharbeiten. Weiter ist es regelmäßig notwendig, die schon gewonnenen Erkenntnisse zusammen mit dem Patienten immer wieder durchzuarbeiten. Ein Patient, der zum Beispiel sehr stark von einem inneren Konflikt um Unterwerfung versus Kontrolle geprägt ist, wird in seinen sozialen Beziehungen immer wieder derartige Konflikte inszenieren; er sollte in diesen wiederkehrenden Konflikten das immer gleiche Thema identifizieren und in seiner Therapie durcharbeiten. Das Durcharbeiten soll das schon Verstandene gegen »restaurative« Tendenzen absichern. Widerstandsdeutungen. Eine eigene Gruppe von Interventionen richtet sich auf die fast unvermeidlichen Widerstände unseres Patienten, mit denen er sich gegen den Fortgang der Therapie zur Wehr setzt, sei es, dass er ängstigende Themen vermeidet und durch unverfängliche ersetzt, sei es, dass er Stunden versäumt, zu spät kommt oder auf andere Weise agiert. Widerstandsdeutungen sollen den Patienten ermutigen, sich auch peinlichen Einsichten zuzuwenden. Wir erreiSystematik psychodynamischer Interventionen

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chen dieses Ziel niemals durch rationales Argumentieren, sondern nur dadurch, dass wir Verständnis zeigen für seine Abwehrbewegungen und ihn dann gewinnen, sich den gefürchteten Erkenntnissen zuzuwenden. Widerstandsdeutungen bestehen oft aus zwei Teilen: Zum einen zeigen wir dem Patienten, wie oder wodurch er sich zur Wehr setzt, und zum anderen klären wir mit ihm, gegen welche Erkenntnisse sich sein Widerstand richtet. Übertragungsdeutungen. Wie in der Historie der psychodynamischen Interventionsmethoden dargestellt, haben sich die psychoanalytischen Übertragungskonzepte seit Freuds Zeiten stark ausdifferenziert. Stand am Anfang die Vorstellung von der Übertragung als einer Disposition zu »falschen« Wahrnehmungen, folgte in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Einsicht von der Übertragung als eine Neigung, den anderen – also auch den Analytiker – zur Bewältigung seiner inneren Konflikte zu verwenden. Daran schloss sich die Erkenntnis an, dass beide Beteiligte, also Analytiker und Analysand, gemeinsam mit ihren Übertragungen und Gegenübertragungen die therapeutische Beziehung gestalten (Körner, 2015a). Seither kennen wir Übertragungsdeutungen in folgenden Varianten: Deutungen an der Übertragung zielen auf den Wiederholungscharakter innerer Konflikte, der dem Handeln des Patienten eine erkennbare Stereotypie verleiht, etwa so, dass er in seinem sozialen Alltag und auch in der therapeutischen Beziehung die immer gleichen Konflikte erwartet und inszeniert. Deutungen in der Übertragung (Körner, 2014) hingegen thematisieren die Übertragung als Beziehungskonflikt zwischen unseren Patienten und uns – aber nicht wie von außen gesprochen (»Ich erkläre Ihnen jetzt, was wir miteinander machen«), sondern mit dem Ziel, diesen Beziehungskonflikt gemeinsam durchzuarbeiten. Zum Beispiel könnte ein Patient seine Arbeitsstörung, die ihn hindert, sein Studium zu beenden, auch gegen die Arbeit in der Therapie wenden. Und wenn diese Arbeitsstörung – wie so oft – durch einen inneren Konflikt zwischen Unterwerfung und Kontrolle motiviert ist, schiebt uns der Patient vielleicht die Rolle eines autoritären Vaters zu, 22

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

gegen den er rebellieren muss. Wenn wir diese Rollenerwartung nicht durchschauen und vielleicht sogar »mitspielen«, gerät die Therapie vielleicht in eine Sackgasse. Eine Deutung in der Übertragung könnte versuchen, dieses Zusammenspiel aufzudecken: »Ich habe bemerkt, dass ich heute einen etwas autoritären Ton angeschlagen habe. Vielleicht entspricht das Ihrer Erwartung, dass ich nämlich verlange, dass Sie sich mir anpassen. Und dagegen wehren Sie sich natürlich.« Wie generieren wir unsere Deutungsvorschläge? Wie bei der Interpretation von Kunstwerken bewegen wir uns in Deutungshorizonten, die den Hintergrund bilden für das Verständnis einer Einzelheit, etwa eines Traumes. Zum Beispiel können wir unser Wissen um die zentralen Konflikte unseres Patienten als Deutungsvorannahme anwenden, oder wir gehen davon aus, dass jeder Traum des Patienten immer auch auf die aktuelle Übertragungssituation anspielt. Ob sich solche Deutungsvorannahmen bewähren, werden wir nicht sicher entscheiden können; wir sind darauf angewiesen, uns mit unserem Patienten über unsere Deutungen zu verständigen. Psychodynamische Psychotherapeuten haben gelernt, ihre Gegenübertragung für das Verständnis der Beziehungsszenen in der Therapie zu nutzen. Daraus folgt aber durchaus nicht, dass alle unsere spontanen Einfälle wirklich bedeutungsvoll sind für das Verständnis der therapeutischen Situation. Welcher Deutungshorizont angemessen ist und welche Deutungen er nahelegt, lässt sich rational diskutieren, und man kann falsche und richtige Lösungen unterscheiden. Schließlich: Jenseits aller Deutungen liegen Interventionen, mit denen wir unsere Patienten auf vielfache Weise unterstützen, sie ermutigen, sie in ihrem Wunsch, dass es ihnen besser gehen möge, bestärken und sie anregen, vielleicht auch neue Wege zu gehen. Und wie nebenbei gestalten wir damit auch eine vielleicht förderliche Beziehung, die, wir wissen es, für den Erfolg der psychodynamischen Psychotherapie mindestens ebenso einflussreich ist wie eine perfekt angewandte Methode.

Systematik psychodynamischer Interventionen

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1.4 Interventionsmethoden in anderen psychotherapeutischen Verfahren Im Folgenden geht es um Unterschiede zu anderen therapeutischen Verfahren. Den psychodynamischen Verfahren am nächsten stehen wohl die humanistischen Ansätze, in Deutschland insbesondere die Gesprächspsychotherapie. Sie ähnelt in vielem den psychodynamischen Verfahren: in der Überzeugung, dass sich heilsame Veränderung nur in einer förderlichen Beziehung erreichen lässt, und in der Aufforderung, dass der Patient »aus seinem eigenen Bezugssystem heraus verstanden werden« soll (Benecke, 2014, S. 548). Humanistische Verfahren vertrauen aber auch darauf, dass Patienten den Wunsch zur »Selbstaktualisierung«, zur eigenen Entfaltung in sich tragen und dass es oft genügt, ihnen eine förderliche Beziehungssituation mit einem wertschätzenden und empathischen Psychotherapeuten zur Verfügung zu stellen, der ihre Gefühle wahrnimmt und verbalisiert. Wenn es traumatische Erfahrungen sind, die der Patient als Kind erlebt hat und nun verarbeiten will, ist es dem humanistischen Psychotherapeuten wichtig, die reale Geschichte des Patienten ernst zu nehmen und nicht etwa dadurch zu relativieren, dass er seine subjektive Realität in den Vordergrund der Betrachtungen schöbe (wie das Psychoanalytikern zuweilen unterstellt wird). Vor dem Hintergrund ihres positiven Menschenbildes ist es für humanistische Psychotherapeuten aber schwer verständlich, dass Menschen auch ihres Unglückes Schmied sind. Hohage (2001) verdeutlicht diesen Sachverhalt an einem Beispiel: Wenn ein Patient unter der wiederholten Untreue des Partners leidet, steht der humanistische Psychotherapeut primär vor der Aufgabe, dem Patienten zu helfen, den »verheerenden Einfluss auf das Selbstgefühl« (S. 27) zu überwinden. Ein psychodynamischer Psychotherapeut aber würde auch fragen: »Gibt es vielleicht ein unbewusstes Motiv für den Patienten, sich grundsätzlich untreue Partner auszusuchen oder etwa einen Partner im Laufe der Zeit zu einem untreuen Partner zu machen?« (Hohage, 2001, S. 27). Eine derartige Fragestellung könnte in den 24

Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

Augen eines humanistischen Psychotherapeuten wie eine erneute Traumatisierung wirken und den Therapieerfolg gefährden. Aus ähnlichen Gründen verzichten humanistische Psychotherapeuten auch auf das Konzept des Widerstandes und demzufolge auf Widerstandsdeutungen. Sie nehmen nicht an, dass sich Patienten unbewusst gegen die bewusst doch so sehr gewünschte Veränderung sperren und den Therapieerfolg verhindern könnten. Ganz analog erkennen humanistische Psychotherapeuten in negativen Übertragungen eher ein Zeichen für einen nicht gelingenden therapeutischen Prozess, möglicherweise ausgelöst durch einen unempathischen Therapeuten, während psychodynamische Psychotherapeuten damit rechnen, dass intensive Beziehungen immer ambivalent sind, so dass negative Übertragungen in einer analytischen Psychotherapie phasenweise fast unumgänglich sind. Nun die Abgrenzung psychodynamischer Interventionsmethoden zu denen der Verhaltenstherapie. Die alte Gegenüberstellung, der zufolge die Verhaltenstherapie ausschließlich mit bewusstem und beobachtbarem Verhalten befasst sei, während die Psychoanalyse ausschließlich die subjektiven Entwürfe ihrer Patienten zum Gegenstand nähme, gilt so schon lange nicht mehr. Spätestens seit der »kognitiven Wende« wurde auf der einen Seite die Verhaltenstherapie »um innerpsychische Aspekte erweitert« (Benecke, 2014, S. 503), und auf der anderen Seite wandte sich die Psychoanalyse auch jenen Formen menschlicher Existenz zu, in denen das Individuum eben nicht Subjekt seines Handelns ist, sondern im Wiederholungszwang scheinbar automatenhaft sich verhält. In diesen Fällen, in denen der Mensch nicht Handlungsgründen, sondern Verhaltensursachen folgt, ist sein Verhalten vorhersagbar und auch manipulierbar. Dann kann es durchaus angebracht sein, Prinzipien der Verhaltensmodifikation im therapeutischen Prozess zu berücksichtigen. In neuerer Zeit haben sich die verhaltenstherapeutischen und die psychodynamischen Verfahren weiter einander angenähert. Verhaltenstherapeuten wissen um die Bedeutung der therapeutischen Beziehung und verwenden durchaus das Konzept des Unbewussten. Interventionsmethoden in anderen psychotherapeutischen Verfahren

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Psychodynamiker verlassen in sehr zahlreichen Fällen ihre Kernmethode der hochfrequenten analytischen Psychotherapie und wenden im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie »übende und edukatorische Aspekte aus der Verhaltenstherapie, imaginative, kreative und ressourcenorientierte Ansätze, erlebnis­ aktivierende und vielleicht auch körperorientierte Interventionen« an (Rudolf, 2001, S. 21). Wo liegen dann noch die Unterschiede? Psychodynamiker erkennen zwar an, dass sich Menschen sehr häufig nicht anders als komplizierte Maschinen verhalten und beeinflussen lassen, aber sie zielen in ihren Interventionen doch auf das bedeutungssetzende Subjekt, das im Laufe der psychodynamischen Psychotherapie wieder in seinen Stand gesetzt werden soll. Psychodynamische Deutungen sollen zu denken geben, aber sie sollen nicht manipulieren und kein bestimmtes Ziel erreichen. Ferner rechnen Psychodynamiker damit, dass Veränderung vor allem dadurch möglich wird, dass sie den inneren Konflikt des Patienten als Beziehungskonflikt in der therapeutischen Beziehung zulassen und durcharbeiten können.

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Was sind psychodynamische Interventionsmethoden?

2 Interventionen zur Einleitung der Behandlung

Zu Beginn einer Behandlung stellen sich dem psychodynamischen Psychotherapeuten zwei Aufgaben: Zum einen versuchen wir, unserem Patienten einen Eindruck von den Besonderheiten des Rahmens einer psychodynamischen Therapiesituation zu vermitteln. Dazu verwenden wir Interventionen, die David Tuckett (2007) unter die Überschrift »managing the setting« gestellt hat. Zum anderen müssen wir uns auf unseren Patienten methodisch einstellen, was zum Beispiel bedeutet, unsere Interventionen an sein Strukturniveau und seine Mentalisierungsfähigkeit anzupassen.

2.1  Managing the Setting Die Beziehungssituation in einer psychodynamischen Psychotherapie unterscheidet sich von anderen, ähnlichen Situationen wie zum Beispiel der einer Beratung und erst recht von Beziehungssituationen des Alltags in mehrfacher Hinsicht: Die Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen Therapeut und Patient ist sehr asymmetrisch. Zahlreiche Regeln alltäglicher Konversation gelten nicht (Buchholz, 2014), der Therapeut hält sich mit persönlichen Stellungnahmen und Ratschlägen weitgehend zurück, der Patient ist gehalten, sich möglichst freimütig zu äußern, auch wenn ihm seine Einfälle peinlich sind, wenn sie ihm unsinnig erscheinen oder wenn er fürchtet, seinen Therapeuten damit zu verletzen. Der Therapeut antwortet nicht wie in einem alltäglichen Zwiegespräch, so dass dem Patient die im Alltag üblichen Signale darüber, wie wir eine soziale Situation auffas27

sen, fehlen. Er gerät in eine Art Deutungsnotstand über den Rahmen der Situation (Körner, 1995), er weiß nicht, »was hier eigentlich los ist« (Goffman, 1977). Der wesentlichste Unterschied zu einer alltäglichen Beziehung und auch zur Situation in der Verhaltenstherapie liegt aber wohl darin, dass der psychodynamische Psychotherapeut für sich in Anspruch nimmt, die Äußerungen des Patienten und die Art, wie dieser die Beziehung zum Therapeuten gestaltet, zu interpretieren – auch gegen dessen bewusste Absicht und Überzeugung. Zum Beispiel könnte er die betont vorgetragene Freundlichkeit des Patienten als einen Versuch verstanden wissen wollen, eine hintergründig andrängende Feindseligkeit zu verbergen. Oder er deutet die anhaltenden Selbstanklagen einer Patientin als Aufforderungen, ihr zu widersprechen und ihr zu versichern, dass sie doch eigentlich stolz auf sich sein könnte. Allgemeiner formuliert: Der psychodynamische Psychotherapeut nimmt sich das Recht, die therapeutische Situation zu »fiktionalisieren«, das heißt, jenseits des scheinbar objektiv Gegebenen einen latenten Sinn zu erkennen, der die Realität in ein vielleicht irritierendes Licht taucht. Dergleichen würde im Alltag »aus dem Rahmen fallen«, denn es wäre höchst ungehörig, einem anderen vorzuhalten: »Das, was du meinst, ist etwas anderes als das, was du sagst.« Es ist daher wichtig, dem Patienten den Rahmen der therapeutischen Situation nahezubringen. Erklärungen helfen hier nicht viel, weil die Begründungen für einige der Regeln therapeutischen Handelns einem Laien kaum einleuchten können. Die Begründung etwa für die persönliche Zurückhaltung des Psychotherapeuten muss unverständlich bleiben: Der Patient soll ermutigt werden, einen subjekthaften Beziehungsentwurf (also die Übertragung) zu entfalten und darin seine unbewussten Beziehungsphantasien zum Ausdruck bringen. Aber der Therapeut hält sich sehr zurück und wird die Beziehungswünsche seines Patienten in der Regel nicht erfüllen. Warum soll der Patient frei assoziieren? Weil wir annehmen, dass sich das Unbewusste gerade dann zeigt, wenn wir unser Denken nicht unter rationale Kontrolle stellen. Würde man diese Regel begründen, 28

Interventionen zur Einleitung der Behandlung

müsste man vielleicht sagen: »Sie sollen frei assoziieren, um das zum Ausdruck zu bringen, was Sie bewusst eigentlich nicht sagen wollen.« Tatsächlich vermitteln wir die Regeln der psychodynamischen Therapiesituation eher indirekt, indem wir selbst stillschweigend nach ihnen handeln. Wir fragen also nach Einfällen des Patienten zum Traum anstatt den Traum für ihn zu deuten, und wir bitten ihn, zu phantasieren, wie wir unseren Urlaub verbracht haben, anstatt seine Frage nach unserem Urlaub zu beantworten. Vielleicht sagen wir »auf mich kommt es hier doch nicht an«, wenn der Patient wissen will, welches denn unsere Lieblingsoper sei. Es wäre auch nicht sinnvoll, dem Patienten ausdrücklich zu erklären, warum es uns wichtig ist, den Rahmen der therapeutischen Situation zu achten, aber wir registrieren mit großer Sorgfalt jede Veränderung des Rahmens, die Verschiebung einer Stunde oder ein Zuspätkommen. Auch unsere ethischen Verpflichtungen geben wir eher indirekt zu erkennen. Wir werden also zum Beispiel nicht ausdrücklich betonen, dass wir die Autonomie des Patienten und seiner Entscheidungen achten werden, aber wenn diese Verpflichtung auf dem Prüfstand steht, werden wir sie vielleicht erwähnen; Gelegenheiten dazu wird es zweifellos geben: Der Patient entscheidet sich, seinen Arbeitsplatz zu kündigen, trennt sich von seiner Partnerin oder beschließt, über seine Erfahrungen in der Psychoanalyse ein Buch zu schreiben. Wenn der Patient unzufrieden oder irritiert ist über die Antworten, mit denen wir das Setting begründen wollen, dann sagen wir vielleicht Folgendes: »Ich verstehe, dass Ihnen die Regeln und deren Begründungen nicht einleuchten. Ich bitte Sie aber, mir zu vertrauen; ich weiß, dass es sich bewährt hat, wenn ich mich mit meinen Ansichten hier nicht einbringe. Lassen Sie uns später zu dieser Fragestellung noch einmal zurückkehren.« Ob der Patient sich damit zufrieden gibt, hängt davon ab, ob er uns einen genügend großen Vertrauensvorschuss gewährt. Wenn er dazu nicht bereit ist, mag das schon der Ausdruck einer negativen Übertragung sein, aber: Wir sind heute mit dem allgemeinen Managing the Setting

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­ roblem konfrontiert, dass das Vertrauen der Patienten in die fachliP che Überlegenheit und moralische Integrität der professionellen Helfer geschwunden ist, so dass wir mehr und mehr gezwungen werden, unsere Handlungsregeln zu begründen. Dieser Schwund des Vertrauensvorschusses betrifft alle »klassischen« Professionen wie die des Arztes und des Juristen, er betrifft aber die Psychotherapeuten in besonderem Ausmaß, weil deren Methoden von den Regeln einer Alltagskommunikation so stark abweichen und schwer zu vermitteln sind. Hinzu kommt, dass insbesondere die psychodynamischen Psychotherapeuten es ihren Patienten dadurch besonders schwer machen, ihnen zu vertrauen, dass sie ihre Begriff und Konzepte zuweilen mystifizieren, »verrätseln« (Buchholz, 2014). Am Ende dieses Prozesses hoffen wir, mit unserem Patienten ein Arbeitsbündnis eingehen zu können. Dieses Ziel ist uns heute freilich weniger wichtig als noch vor 20 oder 30 Jahren. Damals betrachteten wir das Arbeitsbündnis als eine relativ unneurotische Beziehung, die neben der intensiven Übertragungsbeziehung realitätsgerecht bleiben kann, so dass wir den Patienten auch in den ärgsten Konflikten immer noch an die Einhaltung unserer Vereinbarungen erinnern können. Heute nehmen wir nicht mehr an, dass der Patient zwischen seiner Übertragung und einer realitätsangemessenen Beziehung unterscheiden könnte (Deserno, 1994, 2014). Die Idee von der »therapeutischen Ich-Spaltung« hat sich jedenfalls als ein Irrtum erwiesen (Körner, 1989b). Heute wenden wir ein sehr weit gefasstes Übertragungskonzept an, das besagt, dass wir unsere Beziehungen immer und unvermeidlich im Lichte vergangener sozialer Erfahrungen wahrnehmen und gestalten. Die Frage ist dann allerdings, wie weitgehend wir in der Gestaltung unserer Beziehungen von unseren unbewussten Konflikten geprägt sind. Wie weit ist der Patient in der Lage, über seine subjekthafte Gestaltung der therapeutischen Beziehung nachzudenken, also einen »exzentrischen Standpunkt« einzunehmen? Wenn wir das Konzept des Arbeitsbündnisses überhaupt beibehalten wollen, genügt es vielleicht, mit ihm die Verständigung zu 30

Interventionen zur Einleitung der Behandlung

bezeichnen, die wir mit unserem Patienten über die Formen unserer gemeinsamen Arbeit erzielen: Über unsere Rollen- und Aufgabenverteilung, über die Ziele der Psychotherapie, denen wir uns nähern, ohne die Zwischenschritte vorhersagen zu können, ferner, dass wir den Rahmen der therapeutischen Situation, die getroffenen Vereinbarungen über das Setting, die Frequenz usw. sehr ernst nehmen.

2.2  Methodische Einstellung auf den Patienten In der Phase der Einleitung der Behandlung müssen wir herausfinden, auf welchem Entwicklungsniveau sich unser Patient befindet, wie weit er aufgrund struktureller Störungen (Rudolf, 2013) entwicklungsfördernde, vielleicht auch supportive Interventionen braucht oder inwieweit wir bei ihm hohe reflexive Fähigkeiten voraussetzen können, so dass es möglich sein wird, mit Übertragungsdeutungen die Beziehungssituation hier und jetzt für die therapeutische Arbeit zu nutzen. Diese Fragen können wir in der Regel nicht schon nach einem diagnostischen Gespräch beantworten, und sie stellen sich auch nach den »probatorischen Sitzungen« und im Lauf der Behandlung immer wieder neu. Man kann die Einschätzung des Struktur- bzw. Entwicklungsniveaus unseres Patienten aus mindestens drei Blickwinkeln betrachten: ȤȤ Inwieweit beinträchtigen strukturelle Störungen den Patienten? ȤȤ Welche inneren Konflikte sucht er zu bewältigen und welche Abwehrmechanismen stehen ihm dabei zur Verfügung? ȤȤ Inwieweit ist er in seiner Mentalisierungskompetenz beeinträchtigt und welche Bindungsmuster lassen sich erkennen? Als Erstes sollten wir uns die Frage stellen, inwieweit unser Patient an einer strukturellen Störung leidet. Inwieweit ist er gravierend darin beeinträchtigt, sein inneres Gleichgewicht und seine sozialen Beziehungen zu regulieren? Strukturelle Störungen wirken sich, wie Methodische Einstellung auf den Patienten

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Rudolf (2013) in einer gründlichen Übersicht darlegt, auf unterschiedlichen Ebenen aus: 1. Auf der kognitiven Ebene können die Fähigkeiten, sich selbst oder die Objekte wahrzunehmen, eingeschränkt sein. Zum Beispiel ist ein Patient unsicher über seine Gefühlssituation oder es fällt ihm schwer, die Motive und Gefühle anderer sicher von den eigenen zu unterscheiden. 2. Auf der regulativen Ebene hat der Patient vielleicht große Mühe, eigene Affekte zu ertragen und zu steuern, oder er ist darin beeinträchtigt, die eigenen Interessen mit denen anderer abzugleichen. 3. Auf der emotionalen Ebene ist der Patient vielleicht unfähig, bestimmte Affekte, zum Beispiel Trauer oder Zorn zu erleben, oder er kann sich in die Gefühlswelt anderer nicht hineinversetzen. 4. Auf der Bindungsebene schließlich gelingt es dem Patienten vielleicht nicht, positive Bindungserfahrungen in sich aufzubewahren, ohne sie doch entwerten zu müssen. Oder er ist unfähig, sich an andere Menschen zu binden, und fürchtet sich sehr vor Abhängigkeit vom anderen. Strukturelle Beeinträchtigungen sind Folgen früher, maligner Einflüsse und Erfahrungen, welche sich auf die Entwicklung des Selbst und der Bindungsfähigkeit schädigend auswirkten. Deswegen lassen sich strukturelle Störungen auch als Entwicklungsdefizite beschreiben, wenn man im Auge behält, dass die Störung im Ergebnis zwar als Defizit erscheint, aber auch als Selbstheilungsversuch in gewissem Sinne erfolgreich war: Ein unsicher-vermeidendes Bindungsmuster zum Beispiel mag zwar Ausdruck einer frühen Vernachlässigung sein, ist aber insofern gelungen, als das Kind von damals an der Deprivation eben nicht gescheitert ist, sondern seine Not angesichts der mangelnden emotionalen Unterstützung durch eine Flucht in die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit »geheilt« hat. Die Diagnostik von Entwicklungsdefiziten im Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte des Patienten ist oft schwierig, weil die patho32

Interventionen zur Einleitung der Behandlung

genen Einflüsse der ersten zwei Lebensjahre nicht im deklarativen Gedächtnis gespeichert sind, so dass der Patient nicht ohne Weiteres über sie berichten kann. Eine dramatische Erzählung über frühe Traumata gibt daher einen ebenso wenig sicheren Hinweis auf ein niedriges strukturelles Niveau wie umgekehrt eine »Erinnerung« an eine glückliche frühe Kindheit die Diagnose einer strukturellen Störung ausschließt. Wenn wir versuchen, strukturelle Störungen zu erfassen, fragen wir uns nicht primär, welche Themen den Menschen beschäftigen, zum Beispiel was er vom anderen befürchtet oder wovor er in fremden Situationen Angst hat, sondern wie er diese Affekte erlebt und reguliert (Rudolf, 2013, S. 58). Es geht also zum Beispiel weniger darum, welche Selbstunwertgefühle den Patienten bedrängen, welche feindseligen Absichten er anderen Menschen unterstellt oder was er befürchtet, wenn er sich auf emotionale Nähe zu einem anderen einlässt, sondern: Wie gelingt es ihm, diese Selbstunwertgefühle zu regulieren, wie weit ist er fähig, seine negativen Projektionen infrage zu stellen, und kann er versuchen, seine Angst vor emotionaler Nähe wahrzunehmen und zu kontrollieren? Wöller und Kruse (2015, S. 67) unterscheiden hierzu zwischen dem »formalen« oder »funktionalen« Aspekt der Struktur einerseits und der inhaltlichen Charakterisierung der Strukturmerkmale andererseits. Letztere sind als »Neurosestruktur« von psychoanalytischen Autoren schon seit langem beschrieben worden, nämlich als narzisstische, schizoide, depressive, zwanghafte oder hysterische Charakterstruktur. Aber diese ältere Fassung der Struktur als Neurosestruktur ist heute weniger gebräuchlich und für die Einschätzung struktureller Defizite wenig geeignet. Ihr Schwerpunkt lag ja auch nicht auf der Frage nach dem Organisationsniveau der psychischen Funktionen, sondern erfasste eher die Inhalte des Selbsterlebens oder der Beziehungsgestaltung sowie den Zeitpunkt der Schädigung in der oralen, analen oder ödipalen Entwicklungsphase. Diesen Inhalten wenden wir uns allerdings dann zu, wenn wir uns – nach der Untersuchung der Struktur des Patienten – als zweites Methodische Einstellung auf den Patienten

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fragen, unter welchen inneren Konflikten er in besonderer Weise leidet. So ist zum Beispiel der Konflikt »Unterwerfung versus Kontrolle«, wie er in der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (Rudolf, Overbracht u. Grande, 1998) definiert wird, der typische Konflikte für zwanghafte Neurosestrukturen. Die OPD erfasst neben dem Konflikt »Unterwerfung versus Kontrolle« folgende weitere Konfliktkonstellationen, die ein Individuum im Laufe seiner Entwicklung bewältigen muss: Individuation versus Abhängigkeit, Versorgung versus Autarkie, Selbstwertkonflikte, Schuldkonflikte, ödipale Konflikte und Identitätskonflikte. Ganz ähnlich hatte schon Erikson (1966) die unvermeidlichen Krisen beschrieben, die ein Kind, ein Jugendlicher und ein Erwachsener im Laufe seines Lebens bestehen muss: ȤȤ Urvertrauen versus Urmisstrauen ȤȤ Autonomie versus Scham und Zweifel ȤȤ Initiative versus Schuldgefühl ȤȤ Identität versus Diffusion und Ablehnung Jede dieser Krisen muss bewältigt werden, und die Strategien einer gelungenen Bewältigung oder die Spuren des Scheiterns am Konflikt prägen die Persönlichkeit des Individuums bis ins hohe Alter. Die Fragen nach dem Strukturniveau einerseits und nach den dominierenden Konflikten andererseits lassen sich nicht unabhängig voneinander beantworten. Als Fürstenau (1977) den Begriff der strukturellen Ich-Störung im deutschen Sprachraum einführte, schien es so, als schlössen sich strukturelle Defizite und neurotische Störungen gegenseitig aus in dem Sinne, dass eine Person mit massiven Entwicklungsdefiziten gar nicht fähig sein könnte, neurotische Konflikte zu erleben und kompetent zu verarbeiten. Heutige Autoren sehen das etwas anders; Rudolf (2013, S. 186) zum Beispiel stellt sich ein Ergänzungsverhältnis vor: Ein sehr niedriges oder desintegriertes Strukturniveau, wie es bei dissozialen oder emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen häufig zu beobachten ist, erlaubt erst gar nicht die Entwicklung einer neurotischen Konfliktpathologie. Patienten mit 34

Interventionen zur Einleitung der Behandlung

mäßigem Strukturniveau hingegen können durchaus neurotische Konflikte erleben und von ihnen geprägt sein. Wenn wir also auf unseren Patienten methodisch eingehen wollen, stellt sich die Frage nach neurotischen Konflikten in der Regel erst dann, wenn wir vermuten können, dass der Patient zumindest über ein mäßiges Strukturniveau verfügt. Natürlich interessiert uns dann auch das Thema dieser Konflikte; wir werden es allerdings in vielen Fällen nicht schon in den diagnostischen Gesprächen erfahren, sondern müssen darauf warten, dass der Patient seine inneren Konflikte in der Übertragungsbeziehung als Beziehungskonflikte externalisieren wird. Dann wird die Gegenübertragung, also unsere eigene Mitwirkung in der gemeinsamen Inszenierung, das Messinstrument zur Erfassung des Konfliktthemas. Um uns methodisch einstellen zu können, wollen wir ferner herausfinden, mit welchen Strategien, genauer: mit welchen Abwehrmechanismen der Patient versucht, seine inneren Konflikte zu bewältigen. Das ist eine auch diagnostisch aufschlussreiche Frage, denn in den Abwehrmechanismen unserer Patienten geben sich auch ihre strukturellen Kompetenzen und Defizite zu erkennen. Es gibt zahlreiche Versuche, die sehr heterogene Gruppe der unterschiedlichen Abwehrmechanismen zu systematisieren. Man kann sie den Neurosestrukturen der Persönlichkeit zuordnen und empirisch zeigen, dass zum Beispiel depressive Personen zur Wendung gegen die eigene Person neigen, zwanghafte hingegen eher zur Reaktionsbildung oder zum Ungeschehenmachen (Körner, 2013, S. 17 f.). Vaillant (1992) und Ehlers (2008) haben versucht, Abwehrmechanismen nach dem Grad ihrer »Reife« zu gruppieren. »Unreife« Abwehrformen führen zu einer Verkennung oder Verzerrung der Realität, sind der Reflexion wenig zugänglich und verhindern neue Erfahrungen. Zu den unreifen Abwehrmechanismen gehören Projektion und Verleugnung, weniger unreife Formen sind Verdrängung, Reaktionsbildung, Intellektualisierung und Rationalisierung, zu den reifen Abwehrmechanismen zählen der Altruismus, die Sublimierung und der Humor. Methodische Einstellung auf den Patienten

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Die Beurteilung der Abwehrmechanismen unter dem Gesichtspunkt der Reife ist also auch deswegen so aufschlussreich, weil der Patient mit den von ihm gewählten Abwehrmethoden anzeigt, inwieweit er innere Gefahren – die Abwehr richtet sich ja immer gegen eine innere Gefahr – tolerieren kann, inwieweit er sie »unschädlich« machen muss und wie radikal seine Abwehrmanöver die innere Gefahr beseitigen oder unkenntlich machen müssen. Eine Patientin auf einem niedrigen strukturellen Niveau zum Beispiel verleugnete jahrelang die eigentlich unübersehbare Tatsache, dass ihr Ehemann eine Freundin hatte. Unbewusst fürchtete sie, eine Trennung nicht überleben zu können, darum musste sie die Realität radikal umdeuten. Die dritte diagnostische Fragestellung, die wir uns – nach der Einschätzung des Strukturniveaus und der inneren Konflikte des Patienten – vorlegen, betrifft das Mentalisierungsniveau des Patienten. Hierbei orientieren wir uns – noch stärker als im Fall der Struktur- und der Konfliktdiagnosen – an einem Entwicklungsmodell der Mentalisierung, das es uns erlaubt, die Störung unseres Patienten einem bestimmten Entwicklungsstadium zuzuordnen, sei es, dass er als Kind in seiner sozialkognitiven Entwicklung steckengeblieben war, sei es, dass er sich aufgrund massiver pathogener Einflüsse, zum Beispiel nach einer traumatischen Erfahrung, gezwungen sah, ein schon erreichtes Entwicklungsstadium wieder aufzugeben. Die für unsere Diagnostik wesentlichen Stufen der Mentalisierungsentwicklung beginnen mit dem zweiten Lebensjahr, in dem das Kind verstehen lernt, dass den eigenen Handlungen und denen der anderen Intentionen zugrundeliegen. Das Kind braucht mindestens zwei weitere Jahre5 um zu lernen, dass Überzeugungen auch dann wirksam sind, wenn sie falsch sind. Eine Vierjährige im »False-­BeliefTest« (Wimmer u. Perner, 1983), die sich zum Beispiel überzeugt hat, dass sich in einer Keksdose Buntstifte befinden, wird annehmen, dass 5 Allerdings lassen sich kulturell große Unterschiede im Entwicklungstempo des Mentalisierungsvermögens feststellen. 36

Interventionen zur Einleitung der Behandlung

ein fremdes Kind, das hinzukommt, in der geschlossenen Dose aber Kekse vermuten wird. Mit wachsender reflexiver Kompetenz lernt das Kind, »propositionale« Kategorien auf sich und andere anzuwenden. Es weiß, was es heißt, jemand »glaubt« oder »weiß« oder »beabsichtigt«, und es hat verstanden, dass man dieses Wissen oder diese Intentionen eines anderen nicht sicher an seinem Verhalten ablesen kann. Danach kann es auch über Motive bei sich und bei anderen nachdenken, kann anderen Menschen Absichten zuschreiben und einsehen, wenn es sich in dieser Zuschreibung irrt (Metarepräsentation oder Metakognition). Auch Affektzustände kann das Kind dann nicht nur fühlen, sondern auch benennen, mehr noch: sich vorstellen, wie es ist, wütend oder traurig zu sein. Es hat, mit anderen Worten, ein Konzept von der Wut und der Traurigkeit. Parallel zu diesem Entwicklungsschritt kann das Kind lernen, eigene Affekte zu regulieren. Ferner gelingt es ihm, sich auch dann Affektzustände bei anderen Menschen vorzustellen, wenn die eigenen Gefühle ganz anders sind. Zum Beispiel kann eine Zehnjährige nachempfinden, wie traurig die Mutter über den Verlust eines Freundes ist, auch dann, wenn sie selbst diesen Freund nicht mochte und froh ist, wenn er endlich wegbleibt. Das ist die Fähigkeit zur Empathie, deren Entwicklung erst im zwölften bis vierzehnten Lebensjahr abgeschlossen ist, weil durch die metakognitiven Fertigkeiten die Sicht auf andere und deren emotionales Empfinden nochmals deutlich gegenüber der »kindlichen Empathie« weiterentwickelt wurde. Empathie setzt Introspektion voraus, denn das Kind muss in sich ein Modell dafür finden, wie es sich zum Beispiel anfühlt, traurig zu sein (Körner, 1998). Wenn ihm in seiner frühen Entwicklung in der Familie die notwendige Spiegelung (und »Markierung«) seiner Affekte vorenthalten wurde, wird es ihm später schwerfallen, die Modelle für diese Affekte in sich zu finden. Auch Störungen in der späteren Entwicklung des Kindes können noch dazu führen, dass es ein Modell für einen Affekt in sich nicht »findet«. Zum Beispiel kann ein sehr schmerzhaftes, vielleicht traumatisches Erlebnis dazu führen, dass ein Methodische Einstellung auf den Patienten

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junger Erwachsener traurige Gefühle als bedrohlich erlebt, so dass er sie in sich radikal abwehren muss. Dann ist es ihm auch nicht möglich, sich in einen anderen Menschen, der starke Traurigkeit empfindet, einzufühlen. Bei unseren Patienten können wir häufig recht gut erkennen, auf welchem Stadium der Mentalisierungsentwicklung sie sich befinden. Eine sehr früh eingesetzte Entwicklungsstörung deutet sich an, wenn ein Patient zum Beispiel seine Meinung über seinen Analytiker (»Sie lehnen mich ab«) für eine bewiesene Tatsache hält und sich nicht einmal vorstellen kann, dass er sich irrt. Damit wäre er im »Äquivalenzmodus« eines kleinen Kindes geblieben. Andere Patienten können zwar Affekte bei sich und bei anderen wahrnehmen, aber sie sind ihnen hilflos ausgeliefert und können sie nicht regulieren. Schließlich fällt es zahlreichen Patienten schwer, bei anderen Menschen Gefühle wahrzunehmen, die sie selbst nicht haben. Dieser Empathiemangel führt regelmäßig zu sozial unangemessenem Verhalten, natürlich auch in der therapeutischen Situation. Wenn wir uns, wie bislang vorgeschlagen, über das Struktur- und Entwicklungsniveau unseres Patienten vergewissert haben, können wir im nächsten Schritt versuchen, uns methodisch auf ihn einzustellen. Das heißt, wir wählen aus den psychodynamischen Methoden diejenigen aus, die der inneren Situation unseres Patienten am ehesten gerecht werden könnten. Im folgenden Kapitel werden wir untersuchen, welche Methoden und welche Interventionsformen bei welchem Struktur- bzw. Entwicklungsniveau den Erfolg der Psychotherapie ermöglichen sollen.

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Interventionen zur Einleitung der Behandlung

3 Was wirkt? Ergebnisse der empirischen Forschung

Es ist sehr schwierig, die Wirkfaktoren einer Psychotherapie isoliert voneinander zu erfassen, also zu messen, wie viel die Persönlichkeit des Psychotherapeuten, wie viel die gewählte Methode bei welchem Patienten und welchen Krankheiten in welchem Setting zum Erfolg der Therapie beiträgt. Denn das Zusammenspiel all dieser Faktoren ist so komplex, dass es fast unmöglich und auch gar nicht sinnvoll wäre, einen einzelnen Wirkfaktor statistisch zu erfassen und den Einfluss aller anderen rechnerisch zu neutralisieren. Immerhin ist es gelungen, in einer Makroperspektive sehr allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu erkennen: Die Qualität der therapeutischen Beziehung ist einflussreicher auf das Ergebnis der Psychotherapie als die gewählte Methode (Beutler et al., 2004; Wampold, 2001; Hermer, 2012a). Weiter ist auch bekannt, welche Eigenschaften einen erfolgreichen Psychotherapeuten auszeichnen: Er besitzt Einfühlungsvermögen, zeigt Sympathie, unterstützt bei Problemlösungen, ist respektvoll, offen und stiftet eine vertrauensvolle Beziehung (Hermer, 2012 b). Sehr einflussreich ist die »Passung« zwischen Patient und Therapeut, eine stabile therapeutische Allianz, dazu gehört auch eine hohe Übereinstimmung bei den Zielen der Behandlung (Norcross u. Wampold, 2011a; 2011b). Psychodynamisch orientierte Autoren betonen den Einfluss der Selbsterfahrung, also vor allem auch der Lehranalyse auf die Entwicklung der psychotherapeutischen Kompetenz, und zweifellos ist auch die klinische Erfahrung ein einflussreicher Prädiktor für therapeutischen Erfolg. Inwieweit der Bindungsstil des Therapeuten wesentlich ist, wurde noch nicht geklärt. Vermutlich sind sicher 39

gebundene Therapeuten flexibler im Umgang mit interpersonal stark eingeschränkten Patienten, aber erwiesen ist das noch nicht. Schauenburg et al. (2010) kommen zu dem Schluss, dass sich der Einfluss des Bindungsmusters auf Seiten des Therapeuten auf den Erfolg der Therapie nicht nachweisen ließ. Andererseits: Tyrell, Dozier, Teague und Fallot (1999) wiesen darauf hin, dass vor allem schwer gestörte Patienten dann von der Therapie profitieren, wenn sich ihr Aktivitätsstil von dem des Psychotherapeuten komplementär unterscheidet. Levy, Meehan, Temes und Yeomans (2012) vertreten in einer Übersichtsarbeit die Auffassung, dass sicher gebundene Psychotherapeuten die besten Ergebnisse erzielen. Die Autoren vermuten überdies, dass eine Nichtübereinstimmung der Bindungsmuster von Patienten und Psychotherapeuten durchaus förderlich sein kann für den Prozess und das Ergebnis der Psychotherapie (Körner, 2015b, S. 15).

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Was wirkt? Ergebnisse der empirischen Forschung

4 Praxis der psychodynamischen Psychotherapie

Im Folgenden greife ich noch einmal die Differenzierungen zwischen Patienten mit niedrigem bzw. hohem Strukturniveau auf und beschreibe, wie wir uns mit unserer Behandlungsmethodik auf unsere jeweiligen Patienten einstellen.

4.1 Strukturelle Störung oder neurotischer Konflikt? Eine folgenreiche Entscheidung Konkret bedeutet dies: Welche Interventionen sollen auf den unterschiedlichen Struktur- bzw. Entwicklungsniveaus der Patienten einen therapeutischen Erfolg ermöglichen? Wieder werde ich nicht zwischen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie in ihren Varianten und analytischer Psychotherapie unterscheiden, weil ich vermute, dass die hier vorzustellenden Methoden psychodynamischer Psychotherapie »quer« zu diesen Verfahren liegt, auch wenn wir vielleicht annehmen können, dass sich in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie häufiger Patienten mit niedrigem Strukturniveau befinden als in der analytischen Psychotherapie. Ich vernachlässige aus Platzgründen auch Unterschiede, die sich aus der Verschiedenheit der üblichen Settings (Gegenübersitzen oder Liegen auf der Couch, Frequenz und Dauer) ergeben. Die Interventionen psychodynamischer Psychotherapie variieren stärker mit dem Strukturniveau des Patienten, aber nicht wesentlich mit dem gewählten Setting. Aus einer Makroperspektive unterscheiden sich die erfolgversprechenden psychodynamischen Methoden bei Patienten mit niedrigem 41

und hohem Strukturniveau vor allem dadurch, dass wir bei Patienten auf hohem Strukturniveau und mit ausgeprägten neurotischen Konflikten darauf abzielen, eine unbewusste Konfliktdynamik, die »hinter« der Fehlentwicklung und ihren Symptomen liegt, bewusst zu machen. Zwar kann auch bei Patienten mit niedrigem Strukturniveau das Erleben und Handeln von massiven Konflikten geprägt sein, aber diese sind dann eher die Folge einer tiefgreifenden Fehlentwicklung, nicht deren Ursache. Ein Beispiel: Es ist ein grundlegender Unterschied, ob eine Patientin ihren Wunsch nach Individuation, der sie selbst in Bedrängnis bringt, mit Hilfe einer Phobie abwehrt, so dass sie ohne ihren Ehemann nicht das Haus verlassen kann, oder ob ein anderer Patient sich an seine Partnerin klammert, weil ihn seine Verlassenheitsangst zu sehr bedroht.

Wir versuchen also, im neurotischen Patienten den Akteur ausfindig zu machen, der seinerzeit einen inneren Konflikt nur um den Preis psychischer Krankheit und Symptombildung bewältigen konnte und den wir nun gewinnen müssen, diese Rolle des Handelnden anzunehmen, um mit uns gemeinsam auch innerhalb der therapeutischen Beziehung das Konfliktthema zum Vorschein zu bringen und neue Lösungen zu finden. Einen strukturell gestörten Patienten würden wir mit einer solchen Zielstellung überfordern.6 Bei ihm suchen wir nicht nach dem »eigentlichen«, unbewussten Hintergrund, sondern wir klären mit ihm, wie (und nicht warum) er in seinen Funktionen beeinträchtigt ist und über welche Fähigkeiten der Steuerung und der Objektwahrnehmung er verfügt (Grande, 2002). Es liegt auf der Hand, dass sich in diesen Fällen auch die therapeutischen Haltungen unterscheiden müssen: Zu dem neurotischen Patienten nehmen wir die Position eines Gegenübers ein, wir konfrontieren ihn mit seiner Abwehr und seinen Widerständen und muten 6 Das geschieht aber, wie Rudolf (2013) vermutet, nicht eben selten. 42

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ihm zu, selbst neue Lösungen auch in der Übertragungsbeziehung zu finden. Den Patienten mit einer strukturellen Störung begleiten wir eher, wir ermutigen und helfen ihm, seine Fähigkeiten zu entwickeln (Grande, 2002). In beiden Fällen arbeiten wir in der Übertragung (Körner, 1989a, 2014), nutzen also die therapeutische Beziehung, um unsere Ziele zu erreichen, aber auf unterschiedliche Weise: In unserer Beziehung zu einem neurotischen Patienten verstehen wir den Übertragungsentwurf als unbewusste Externalisierung seiner inneren Konflikte, und wir müssen die uns zugewiesene Rolle annehmen, ihre Themen erkennen und mit dem Patienten durcharbeiten. In diesem Fall würden wir dem Patienten die Deutung zumuten, dass er uns in diese Rolle bringen möchte, um sich gegen sie empört zur Wehr setzen zu können. Auch in der Arbeit mit Patienten auf niedrigem Strukturniveau werden wir von intensiven, oft drängenden Übertragungen angesprochen; zum Beispiel ist sich ein Patient ganz sicher, dass wir ihn verachten oder uns nur über ihn lustig machen. Derartige Projektionen sind dann aber nicht als Versuche des Patienten zu verstehen, eine Hälfte seines inneren Konflikts (wie »Ich bin großartig, und ich bin zu verachten«) in einen äußeren Beziehungskonflikt zu verwandeln, indem er uns eine Hälfte des inneren Dialogs (nämlich »Ich bin zu verachten«) zuschreibt. Bei niedrig strukturierten Patienten gibt es also keinen derartigen unbewussten »Hintersinn«, dessen Bearbeitung die Projektionen auflösen könnte. Ihre Zuschreibungen (»Sie verachten mich«) entsprechen »eins zu eins« ihren inneren Zuständen, die sie nicht regulieren können. Deswegen wäre die Frage, »wozu« der Patient uns die Verachtung zuschreibt, nicht sinnvoll, und er könnte nicht antworten, außer vielleicht, dass er sich nur dann »richtig gesehen« fühlt. Oder in den Worten einer Patientin: »Wenn ich mich so fallen lasse in tiefe Verzweiflung, so tief, dass ich irgendwie ganz unten ankomme, dann begegnet mir in der Phantasie meine Mutter und ich fühle mich wie zu Hause.« Im solchen Fällen können wir dem Patienten einerseits verdeutlichen, wie er uns wahrnimmt, andererseits aber auch Mitgefühl zeiStrukturelle Störung oder neurotischer Konflikt?

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gen, wie ihm zumute sein muss, mit einem Therapeuten zu arbeiten, von dem er sich verachtet fühlt. In beiden Fällen, dem eines hoch und eines niedrig strukturierten Patienten, würden wir übrigens den Zuschreibungen in der Übertragung nicht widersprechen (etwa als »Sie irren sich, wenn Sie …«), würden aber doch das Ziel verfolgen, dass der Patient seine Beziehungsphantasien als Entwurf versteht.

4.2 Psychodynamische Therapie mit Patienten auf niedrigem Strukturbzw. Entwicklungsniveau Wie erreichen wir bei diesen Patienten die therapeutischen Ziele, ȤȤ das Unbewusste bewusst zu machen, ȤȤ die subjektive Welt sich zu erschließen und ȤȤ in der Übertragung zu arbeiten? Wenn wir das Unbewusste bewusst machen, zielen wir bei Patienten mit niedrigem Strukturniveau nicht auf das dynamisch wirksame Unbewusste, das in Abwehrprozessen entstanden ist, auch nicht auf sehr frühe Beziehungserfahrungen des Patienten, die im nichtdeklarativen Gedächtnis gespeichert sind und niemals bewusst wurden, sondern wir untersuchen mit dem Patienten, was er erlebt und wie er sich verhält. Viele Patienten sind sich über ihre Gefühle durchaus nicht im Klaren und es ist ihnen nicht bewusst, wie sie auf andere wirken. In diesen Fällen hat sich das »Prinzip Antwort« bewährt, das A. HeiglEvers vorschlug, nämlich dem Patienten zu spiegeln, wie er jetzt und hier wirkt: Vielleicht ist er vorwurfsvoll oder ängstlich oder entwertend. Es kann ein sehr sinnvolles Ziel sein, mit dem Patienten Affektdifferenzierung zu üben und nach den passenden Ausdrücken für zum Beispiel aggressive Affekte zu suchen: Hass, Wut, Zorn, Groll, Ärger, Erbitterung, Empörung. Hilfreich ist es, wenn der Psychotherapeut selbst Bezeichnungen für die nur diffus beschriebenen Gefühle des Patienten anbietet, zum Beispiel: »Wie würden Sie Ihr Gefühl 44

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beschreiben: Waren Sie eher zornig oder empört?« Viele Patienten müssen ferner lernen, die Stärke ihrer eigenen Affekte einzuschätzen, um sie zukünftig regulieren zu können. Weiter ist es wichtig, dem Patienten zu helfen, die genauen Auslöser für seine Affekte zu identifizieren (»Wenn wir uns noch einmal Ihr Telefonat mit Ihrer Mutter vor Augen führen: Was genau hat Sie so geärgert?«), denn der Patient soll lernen, in welchen Situationen er verletzt oder geärgert reagiert, um sich ihnen nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen. Vielleicht kann er im Weiteren auch entdecken, wie er Affekte verschiebt, wenn er zum Beispiel das Gefühl einer Beschämung in Wut verwandelt. Dem Patienten soll bewusst werden, dass er zwar auf auslösende Situationen reagiert, dass diese aber nur scheinbar wie Ursachen auf ihn wirken; es sind – mehr oder weniger nachvollziehbare – Gründe, die ihm nahelegen, mit Wut oder Entwertung zu antworten, aber er muss nicht unbedingt so reagieren. Dieser Entwicklungsschritt kann Widerstände hervorrufen, denn die Einsicht, dass wir nicht reflexhaft auf »Auslöser« reagieren müssen, sondern auch im starken Affekt aktiv Handelnde sind, ruft automatisch die Frage nach der moralischen Verantwortlichkeit auf. Aber wenn der Patient erst einmal entdeckt hat, dass er seiner Umwelt nicht bloß passiv ausgeliefert ist, sondern selbst auch aktiv in sie hineinwirkt, kann er diesen Bewusstseinsstand kaum wieder rückgängig machen. Wir ermutigen den Patienten, sich seiner aktiven Rolle auch darin bewusst zu werden, indem er erkennt, wie er soziale Informationen des Alltags selektiv bewertet und zum Beispiel sein Wahrnehmungsfeld daraufhin »durchkämmt«, ob Zeichen zu erkennen sind, die ihm nahelegen, sich angegriffen oder entwertet zu fühlen. Derartige projektive Erwartungen gilt es zu identifizieren, aber unsere Interventionen werden dem Patienten in diesem frühen Stadium einer psychodynamischen Psychotherapie noch nicht die Funktion seiner Projektionen deuten; vielmehr genügt es, wenn ihm bewusst wird, wie er subjekthaft soziale Informationen aufnimmt und im Sinne seiner Erwartungen (»vermutlich werde ich wieder nur enttäuscht werden«) Psychodynamische Therapie mit Patienten auf niedrigem Strukturniveau

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bewertet. Diesen Bewertungsaspekt bewusst zu machen, ist besonders schwierig, denn der Patient wird es gewohnt sein, seine Wahrnehmungen als »richtig« oder »falsch« zu klassifizieren. Unsere Interventionen – es sind Klarifikationen – werden aber nicht darauf abzielen, dass er soziale Informationen »falsch« wahrnimmt – zumal es die objektiv »richtige« Wahrnehmung nicht gibt –, sondern sein Bewusstsein dafür schärfen, wie er in sozialen Situationen unter dem Einfluss seiner Erwartungen und Befürchtungen Bewertungen vornimmt. Was bedeutet es, diesem Patienten zu helfen, sich seine subjektive Welt zu erschließen? Einige Aspekte sind schon genannt: Der Patient soll verstehen, dass er nicht in einer Welt der Tatsachen und Ursachen lebt, sondern dass er seine soziale Welt selektiv wahrnimmt, subjekthaft ausdeutet und im Einfluss seiner Erwartungen in sie hineinwirkt. Wie können wir dieses Ziel erreichen? Es wäre sicher falsch, dem Patienten seine »Irrtümer« »beweisen« zu wollen. Aber wir können ihn bitten, sich vorzustellen, wie ein anderer die berichtete Szene erlebt hätte, im Beispiel des Telefonats mit der Mutter: »Was glauben Sie, denkt Ihre Mutter über Ihr Gespräch?« Wir versuchen damit, den Patienten dafür zu gewinnen, einen »exzentrischen Standpunkt« einzunehmen, also wie von außen auf sich zu schauen und über das einzelne Ereignis hinweg zu erkennen, wie er seine soziale Welt entwirft. Eine Erkenntnis wie »Ich neige dazu, mich bedroht/entwertet/verachtet zu fühlen« wäre sehr wertvoll; sie setzt freilich eine nicht geringe Mentalisierungskompetenz voraus. Wichtig in diesem Abschnitt der Therapie ist es, dass es der psychodynamische Psychotherapeut nicht besser weiß, dass er eigentlich gar nicht weiß, »wie es wirklich ist« (also wie die Eltern waren oder wie die Ex-Ehefrau gewesen ist), sondern zu erkennen gibt, dass er zwar viele Situationen anders bewerten würde als der Patient, aber keine Neigung hat, den Patienten von seinen Auffassungen zu überzeugen. Der Therapeut ermutigt den Patienten, die Mentalisierungsschritte hin zu einem exzentrischen Standpunkt zu unternehmen, und unterstützt ihn in seinem Bemühen, zu erkennen, mit welchen Motiven er seine Welt gestaltet. Inwieweit ein Patient diese Ziele erreicht hat, 46

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wird man auch daran erkennen, ob er anderen das Recht auf eigene Bewertungen zubilligt – unabhängig davon, ob er diese Bewertungen teilt oder nicht. Schließlich: Wie arbeiten wir mit Patienten auf niedrigem Strukturund Entwicklungsniveau in der Übertragung? Wieder geht es darum, mit dem Patienten zu klären, wie (und nicht warum) er sich in der therapeutischen Beziehung verhält. Diese »Wie« ist für den Psychotherapeuten nicht sehr schwer zu erkennen, denn die Übertragungsmanifestationen des Patienten können grob und sehr imperativ sein, etwa, wenn der Patient sich defensiv verhält, weil er überzeugt ist, dass sein Therapeut ihn verachtet. Die jeweiligen Gegenübertragungen sind oft nicht leicht zu ertragen, und es drängt den Therapeuten vielleicht, dem negativen Bild des Patienten zu widersprechen, oder er identifiziert sich mit einer Idealisierung des Patienten und gibt sich, ohne es zu bemerken, besonders viel Mühe, überaus kluge Deutungen zu formulieren. Die schwierigste Aufgabe liegt oft genug darin, das eigene »Entgegenkommen« zum Übertragungsentwurf des Patienten zu identifizieren. Im günstigen Fall ist der Psychotherapeut bereit, die ihm zugewiesene Rolle zwar zu übernehmen, ist aber fähig, diese Rollenübernahme (Sandler, 1976) zu begrenzen. Sodann gilt es, dem Patienten zu verdeutlichen, wie er die Beziehungsszene hier und jetzt subjekthaft ausgestaltet. Es ist die gleiche Aufgabe wie die soeben diskutierte unter der Maxime, die subjektive Welt des Patienten zu erschließen, nur in diesem Fall ist es die kleine Welt zwischen Patient und Therapeut. Zweifellos muss sich der Therapeut bemühen, den Beziehungsentwurf des Patienten in klaren Worten zu beschreiben: »Wissen Sie eigentlich, wie entwertend Sie mit mir umgehen?« Oder: »Sie verhalten sich so, als dürften Sie auf keinen Fall einen Fehler machen« oder, zusammen mit einer rekonstruktiven Verknüpfung: »Sie wagen sich hier nicht hervor, mich erinnert das an Ihre Erzählungen von dem kleinen Jungen, der in der Überzeugung aufwuchs, er wäre am besten gar nicht da.« Häufig ist es also sinnvoll, Gedanken und Gefühle aus der Gegenübertragung zur Verfügung zu stellen, wie auch in dem folgenden Beispiel: »Ich fühle Psychodynamische Therapie mit Patienten auf niedrigem Strukturniveau

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mich ja geschmeichelt, wenn Sie mir solche Fähigkeiten zuschreiben, andererseits habe ich auch zunehmend Angst, dass ich nun keine Fehler mehr machen darf.« Auch die Arbeit in der Übertragung soll die Mentalisierungskompetenz des Patienten fördern. Den Ausgangspunkt bilden dann zum Beispiel Äußerungen des Patienten wie: »Es stimmt nicht, dass ich Sie desinteressiert finde, Sie sind desinteressiert!« Der Therapeut sollte sich fragen, ob der Patient vielleicht Recht hat, aber er wird ihm auch dann nicht widersprechen, wenn er sich sicher ist, dass sich der Patient irrt, sondern vielleicht sagen: »Ich würde Ihnen gern widersprechen, aber ich vermute, dass Sie an Ihrer Überzeugung festhalten möchten. Halten Sie es denn überhaupt für möglich, dass ich mich für Sie interessiere?« Ziel dieser Intervention wäre es, den Patienten anzuregen, sich selbst zu betrachten und vielleicht zu erkennen, dass er selbst an der Vorstellung festhält, für andere Menschen nicht interessant zu sein. Eine solche Erkenntnis mag für den Patienten erhellend sein, vor allem dann, wenn er sie vielleicht mit Hilfe einer rekonstruktiven Deutung biografisch verknüpfen kann. Aber sie wird vermutlich nicht viel bewirken, denn die in frühester Kindheit erworbene Gewissheit des Patienten, für andere Menschen nicht interessant zu sein, ist möglicherweise im nicht deklarativen Gedächtnis gespeichert und verbaler Beeinflussung (»Sie irren sich …«) nicht zugänglich. Was wirkt dann? Am ehesten wohl die korrigierende Erfahrung, was er erlebt, wenn er es wagt, für andere Menschen bedeutend sein zu wollen. Das soll im folgenden Fallbeispiel verdeutlicht werden. Frau H. war 31 Jahre alt, lebte allein, ohne Anstellung in ihrem sozialen Beruf, sie war von ihrem Hausarzt, dem die Schnittwunden an ihren Armen aufgefallen waren, geschickt worden. Sie hatte zum Erstgespräch ihren Parka anbehalten, schaute mich mürrisch an und meinte: »Ich weiß auch nicht, was mir das hier bringen soll.« Ich erfuhr, dass Sie ein unerwünschtes Kind gewesen war, »ein Unfall«, meinte sie grinsend, sie habe sich durch die Schule »durchgebissen«, sich an Freundinnen »angehängt«, mit Jungen »nichts anfangen können«, 48

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habe bis heute keinen Sexualpartner, »ich brauche auch keinen«. Sie wüsste nicht, »wozu eine Therapie gut sein soll«, eine Verhaltenstherapie als Jugendliche habe schon »nichts gebracht«. Die Patientin weckte in mir den Impuls, sie gleich wieder wegzuschicken, ich fühlte mich auch entwertet (»Ihren therapeutischen Jargon können Sie sich sparen«). Andererseits tat sie mir leid, sie erschien mir als eine zutiefst unglückliche junge Frau, die wütend um sich schlug, dann aber doch auf mein Angebot einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie einging (»wenn Sie meinen«) und die erste Zeit sehr regelmäßig kam. Wie war diese Patientin im Hinblick auf ihr Strukturniveau, ihre inneren Konflikte und ihre Mentalisierungsfähigkeit einzuschätzen? Ihr niedriges Strukturniveau war gut zu erkennen, wenn sie etwa nach Enttäuschungen mit mir Mühe hatte, ihre Wut zu kontrollieren. Zum Beispiel reagierte sie mit heftigen Vorwürfen, als ich mich einmal weigerte, ihr eine Bescheinigung auszustellen. Und das Ausfallhonorar für eine versäumte Stunde bezahlte sie dadurch, dass sie mir mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck einen erbsengroß zusammengeknüllten Scheck auf den Schreibtisch warf. Das niedrige Strukturniveau hatte es der Patientin nicht ermöglicht, innere Konflikte auszugestalten. Ihrem dominierend negativen Selbstgefühl konnte sie selbst nichts entgegenstellen; bei einer reiferen, neurotisch-konflikthaften Persönlichkeit hätte man vielleicht hinter der Phantasie von Nichtigkeit eine verborgene Grandiositätsvorstellung vermuten können. Der Konflikt dieser Patientin war von anderer Natur: Sie fürchtete unbewusst, von mir verlassen zu werden, und konnte deswegen eine Annäherung keinesfalls wagen. Frau H. projizierte ihren Selbsthass im Alltag, wann immer es irgend möglich schien, so dass ihr schon geringste Anzeichen von Ablehnung oder Kritik ausreichten, um den »Aggressor« als extrem feindselig zu erleben. Ihre Abwehr war also insofern »primitiv«, als sie die Realität radikal umdeutete. Ihr niedriges Mentalisierungsniveau schließlich ermöglichte ihr nicht, Distanz aufzunehmen zu ihren Projektionen oder sich zu fraPsychodynamische Therapie mit Patienten auf niedrigem Strukturniveau

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gen, ob sie sich vielleicht irren könnte in ihrer Annahme, dass ich sie ablehnte und am liebsten wegschicken würde. Und wenn sie über ihre zurückliegenden Beziehungserfahrungen sprach, blieb sie ganz auf der Oberfläche des vermeintlich Wahrgenommenen. Sie berichtete, wie sie immer wieder zurückgewiesen wurde, aber die Motive ihrer Partner, die sie verlassen hatten, blieben im Dunkeln. In welcher Weise ist es möglich, mit dieser Patientin in der Übertragung zu arbeiten, sie zu gewinnen, ihre Welt und ihre Geschichte als subjektiv gedeutete zu verstehen und sich Unbewusstes bewusst zu machen? Lange Zeit konzentrierte sich unsere Arbeit darauf, wie die Patienten ihre Welt erlebt, wie sie empfindet und reagiert. Zum Beispiel war ihr nicht bewusst, wie sie auf andere Menschen wirkte und wie ihre provokanten Äußerungen andere vor den Kopf stießen. Zuweilen musste ich als »Hilfs-Ich« auftreten, zum Beispiel: »Anstelle Ihrer Schwester hätte ich mich über diese Äußerung sehr geärgert.« Die Patientin reagierte auf diese Intervention in einer für sie typischen Weise: »Wieso? Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt!« Überhaupt war es schwierig, die Patientin zu gewinnen, sich selbst als Akteurin wahrzunehmen, die ihre sozialen Beziehungen gestaltet. Sie zog es lange Zeit vor, sich als bloß Reagierende zu betrachten. Denn einzusehen, dass sie in der Gestaltung ihrer so häufig enttäuschenden Beziehungen mitgewirkt hat, weckte massive Schuldgefühle und Abwehrbewegungen (»Ja, glauben Sie denn, ich hätte Spaß daran, verachtet zu werden?«). Die Einsicht, selbst zum eigenen Unglück beigetragen zu haben, weckt regelmäßig Schuldgefühle. Hilfreich kann es dann sein, der Patientin mit einfachen rekonstruktiven Deutungen zu zeigen, dass sie nicht willkürlich handelt, sondern in ihrem provokanten Verhalten nur einer tief verwurzelten Überzeugung folgt, dass sie selbst sowieso nicht gemocht werden kann, eine Gewissheit, von der sie schon als kleines Kind überzeugt gewesen war. Der nächste Schritt in dieser psychodynamischen Psychotherapie sollte ein Entwicklungsdefizit ausgleichen, das als Mentalisie50

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rungsstörung erkennbar geworden war: der Patientin zu der Einsicht zu verhelfen, dass sie die Wirklichkeit ihrer Welt und insbesondere ihrer sozialen Beziehungen nicht so wahrnimmt, »wie sie objektiv ist«, sondern wie sie sie subjekthaft ausdeutet und sich dementsprechend verhält. Spätestens in diesem Abschnitt der Therapie wird die Arbeit in der Übertragung besonders hilfreich und schwierig zugleich. Natürlich genügt es in diesen Passagen der gemeinsamen Arbeit nicht, der Patientin einen besonders freundlichen Therapeuten vorzuspielen. Dies Rollenspiel würde sie sicher durchschauen, außerdem weiß sie vermutlich recht gut, dass sie ihr Gegenüber mit ihren abfälligen Bemerkungen wirklich ärgert. Sinnvoller ist es dann, ihr zu sagen, dass ich mich von ihr zuweilen sehr provoziert fühlte und mich dann auch ärgere, aber: »Sie können mir einfach nicht glauben, dass ich wohlwollend bin, und suchen nach Beweisen, dass Sie mit Ihrem Misstrauen Recht haben.« Auch an dieser Stelle erlebte die Patientin starke Schuld- und Schamgefühle, und ich bewunderte sie, dass sie nicht gänzlich aufgab. Wenn sie sich der Phantasie annäherte, dass sie mir vielleicht doch vertrauen könnte, tauchten neue Widerstände auf, weil sie nun befürchtete, mich gerade dann verlieren zu können. »Und was habe ich davon, wenn ich Ihnen vertraue und in Ihnen nicht nur den Profi-Therapeuten sehe? Am Ende werden Sie mich doch wegschicken. Mit jedem Verlängerungsantrag rückt ja auch das Ende der Therapie immer näher, und da zeigt sich ja, dass Sie hier nur Ihren Beruf ausüben!«

4.3 Psychodynamische Therapie mit Patienten auf hohem Strukturniveau und neurotischem Konflikt Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Interventionen, die Hilfen zur Affektdifferenzierung, die Aufforderung, sich selbst zu erkennen, und die Ermutigung, neue Beziehungsversuche zu wagen, lassen sich selbstverständlich auch bei Patienten mit höherem Struktur- und EntPsychodynamische Therapie mit Patienten auf hohem Strukturniveau

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wicklungsniveau anwenden. Aber bei diesen bleiben wir nicht dabei, sondern gehen sehr viel weiter. Wenn wir in diesen Fällen das Unbewusste bewusst machen wollen, wenden wir uns an das prinzipiell bewusstseinsfähige Unbewusste, welches der Patient auf verschiedene Weise vor sich selbst verbirgt und dabei Abwehrmethoden verwendet, die den eigentlich auslösenden inneren Konflikt unkenntlich gemacht haben. Dann genügt es nicht, den inneren Konflikt zu deuten, sondern wir ermutigen den Patienten, sich in kleinen Schritten seinem Unbewussten anzunähern. An einem Beispiel etwas schematisch dargestellt: Ein Patient mit einem vermeidenden Bindungsmuster verleugnet seine Angst vor Nähe und flüchtet wie schon als Kind in die forcierte Unabhängigkeit. Der Therapeut demonstriert dem Patienten zunächst, wie er in seinen Alltagssituationen immer wieder die emotionale Distanz sucht. Dann klärt er mit ihm, wie er in Situationen der emotionalen Nähe unruhig wird und »das Weite sucht«. Möglicherweise muss er den Patienten konfrontieren (»da machen Sie sich jetzt was vor«), wenn der sich mit einer Abwehrbewegung zu helfen versucht, indem er seine Flucht damit begründet, seine Freundin würde »klammern«. Die eigentliche Deutung setzt dann voraus, dass der Patient seine Angst vor Abhängigkeit nicht mehr vor sich verbergen muss: »Einerseits möchten Sie sich nicht wieder so hilflos und abhängig fühlen wie als kleiner Junge, aber andererseits sehnen Sie sich nach emotionaler Nähe, die Ihnen so sehr gefehlt hat.« Es ist sehr wichtig, dass wir das Ziel, das Unbewusste bewusst zu machen, nicht gegen den Patienten erreichen werden, etwa indem wir ihm »beweisen«, wie er die Wahrheit vor sich selbst verbirgt. Wir müssen versuchen, die Situationen, die der Patient schildert, mit seinen Augen zu sehen und auch seine Abwehr »lieben lernen«, indem wir zum Beispiel anerkennen, wie viel er in seiner forcierten Selbstständigkeit auch geleistet hat. Auch müssen wir damit rechnen, dass der Patient immer wieder zurückfällt in die alten Lösungen, deswegen müssen wir das schon Verstandene immer wieder durcharbeiten. 52

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Natürlich wissen wir es nicht besser als der Patient in diesem Beispiel, welche Lösung für ihn die richtige wäre. Aber wir hoffen doch, dass er mit unserer Hilfe seine Entscheidungs- und Handlungsspielräume vergrößern kann und dass er dann unter seinen inneren Konflikten nicht mehr so leidet. Wie helfen wir Patienten mit hohem Strukturniveau, sich ihre subjektive Welt zu erschließen? Wenn wir eine gute Mentalisierungskompetenz voraussetzen können, wird es nicht sehr schwierig sein, den Patienten für die Einsicht zu gewinnen, dass und wie er sich seine Welt konstruiert. Allerdings müssen wir dann mit Widerständen rechnen, wenn ihm seine subjekthaften Konstruktionen dazu dienen, die inneren Konflikte zu verbergen. Zum Beispiel könnte der Patient mit dem vermeidenden Bindungsmuster dazu neigen, Frauen zu unterstellen, dass »sie sich an einen klammern«, und diese Vermutung als »die Wahrheit« über Frauen auszugeben. Im Umgang mit diesen subjekthaften Konstruktionen zeigt sich noch einmal der Unterschied in der Arbeit mit hoch und niedrig strukturierten Patienten: Bei Patienten auf niedrigem Strukturniveau zielen wir zunächst nur auf die Einsicht, dass sie ihre Welt subjekthaft ausdeuten, und ermutigen sie, überhaupt auf sich selbst zu schauen, also einen exzentrischen Standunkt einzunehmen und damit einen Mentalisierungsschritt zu tun. Bei Patienten mit hohem Strukturniveau möchten wir darüber hinaus erreichen, dass sie den thematischen Zusammenhang zwischen ihren inneren Konflikten und ihren subjekthaften Entwürfen erkennen, mehr noch: Sie sollen verstehen, wozu sie ihre soziale Welt in bestimmter Weise deuten, im Beispiel des Patienten: Er soll verstehen, dass er Frauen unterstellt, »klammern« zu wollen, um seiner Angst vor den eigenen Nähewünschen auszuweichen. Schließlich: Wie arbeiten wir mit hoch strukturierten Patienten in der Übertragung, und wodurch ist diese Arbeit wirksam? Es sind weniger die Einsichten, die der Patient über sich gewinnt, sondern es sind die Erfahrungen in der therapeutischen Beziehung, die ihn ermutigen, für seine neurotischen Konflikte neue Lösungen zu erproPsychodynamische Therapie mit Patienten auf hohem Strukturniveau

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ben. Voraussetzung ist, dass der Patient seine Widerstände gegen die Entfaltung der Übertragung (Gill, 1982) überwindet, ferner, dass der Therapeut sich in den Beziehungsentwurf des Patienten einbeziehen lässt, den dort aufscheinenden Konflikt erkennt und mit dem Patienten durcharbeitet. Es genügt also nicht, diesem Patienten zu demonstrieren, wie sehr und aus welchen Gründen er emotionale Nähe vermeidet, sondern er soll auch die Chance ergreifen können, in der Beziehung zum Therapeuten das zu wagen, vor dem er sich sonst so fürchtet. Dieses Wagnis muss ihm gar nicht aufgedrängt werden, denn in den Fällen neurotischer Konflikte ist der ängstlich abgewehrte Wunsch – zum Beispiel der nach großer Nähe – nie ganz verschwunden, sondern drängt immer aufs Neue an, erscheint in den Assoziationen des Patienten, in seinen Träumen oder in der Abwehr, die oft genug gerade auf das hindeutet, was sie verbergen soll. Ferner kann der Therapeut seine Gegenübertragung nutzen und natürlich sein diagnostisches Wissen über die inneren Konflikte des Patienten und deren Geschichte. Wenn wir von dem Therapeuten erwarten, dass er die ihm zugeschriebene Rolle übernimmt, dann meinen wir nicht nur, wie im Fall niedrig strukturierter Patienten, dass er akzeptiert, ein desinteressierter oder feindseliger oder verführerischer Mensch zu sein – und für diesen Patienten ist er wirklich so! –, sondern er muss versuchen, diese Rolle zu »entgiften«. Damit ist gemeint, dass er die eigene Angst überwindet, ein desinteressierter oder feindseliger oder verführerischer Mensch zu sein, so dass er derartige Projektionen unbefangen »auf sich sitzen lassen« kann. Dazu ein Fallbeispiel: Herr K., ein 29-jähriger Student der Soziologie, kam auf Anraten der studentischen Beratungsstelle seiner Universität. Er war schon in einem hohen Semester und ihm drohte die Relegation, wenn er den Studienabschluss weiter hinauszögerte. Er lebte in einer studentischen Wohngemeinschaft, war bislang immer nur kurzdauernde Partnerschaften zu Studentinnen eingegangen. Er fühle sich in seinem 54

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Leben durchaus wohl, meinte er, lebe allerdings in einer spannungsreichen Beziehung zu seinen Eltern, deren »bürgerlichen« Lebensstil und Leistungserwartungen er ablehne. Er war als Einzelkind in einer Akademikerfamilie aufgewachsen und hatte offenbar eine glückliche Kindheit verlebt. Differenziert berichtete er über seine psychische Entwicklung, die heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Vater in der Pubertät, seine Episoden als Punk, später mit seinem bewusst »alternativen« Lebensentwurf. Zeitweilig hatte er auch in einer Bauwagen-Kolonie gelebt. Dort war es üblich gewesen, regelmäßig Cannabis zu konsumieren, was er heute aber ablehne, weil er fürchte, seine intellektuellen Fähigkeiten zu verlieren. Der Patient erschien hoch strukturiert und Mentalisierungsstörungen waren nicht zu erkennen. In der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie konzentrierten wir uns auf seine Arbeitsstörungen. Es gelinge ihm nicht, meinte er, sich auf die Texte, die er lesen sollte, zu konzentrieren, er schweife ab, verzettle sich in Nebenhandlungen und versäume die Abgabetermine. Er zeigte sich empört über »diesen Schwachsinn«, den man sich aneignen solle, das sei alles »nicht praxisrelevant«, die Professoren hätten »selbst keine Ahnung« und gingen auf seine wissenschaftlichen Interessen nicht ein. Sehr rasch wurde deutlich, dass Herr K. außerordentlich viel von sich erwartete. Er wurde wütend, wenn er einen schwierigen Text nicht gleich verstand, und die wenigen Arbeiten, die er zu Anfang seines Studiums abgegeben hatte, wertete er im Rückblick ab: »Wenn die wüssten, wie wenig ich dafür getan habe!« Es war nicht schwierig, Herrn K. bewusst zu machen, dass ihn sein überhöhtes Ich-Ideal daran hindert, mit seinen eigenen Leistungen zufrieden zu sein. Vor dem Hintergrund unseres stabilen Arbeitsbündnisses konnte ich ihn damit konfrontieren, dass zum Beispiel seine lautstarke Selbstkritik (»diese gute Note zählt nicht, die Klausur war doch völlig anspruchslos«) einem »fishing for compliments« diente und eigentlich doch hochmütig war. Sehr viel schwieriger war es, ihm die Einsicht nahezubringen, dass er sein hohes Ideal sehr liebt und an Psychodynamische Therapie mit Patienten auf hohem Strukturniveau

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ihm festhält, auch deswegen, weil es ihm ein Gefühl von Überlegenheit im Vergleich zu all den »mittelmäßigen« Kommilitonen um ihn herum verschafft. Das gelang recht gut, denn er erinnerte sich zum Beispiel, wie er schon als Kind davon träumte, Nobelpreisträger zu werden und »es allen zu zeigen«, die nicht an ihn glauben mochten. Günstig für den Fortgang der Therapie war, dass er diese Größenphantasien nicht beschämt von sich fernhielt, sondern sogar noch einmal zu genießen schien. Längere Zeit war es nicht möglich, mit Herrn K. in der Übertragung zu arbeiten und ihm zu demonstrieren, dass er auch die Beziehung zu mir unbewusst gestaltete. Sein etwas herablassender Tonfall provozierte in der Gegenübertragung leichten Ärger und den Impuls, ihn mit »treffenden« Deutungen klein zu machen. Zugleich schien er mich genau zu beobachten und kritisierte mich, wenn er sich nicht richtig verstanden fühlte. Wenn ich dann zugab, dass ich mich geirrt haben könnte, reagierte er irritiert und schwieg. In einem Fall fügte ich dann nach einigem Zögern, mir war nicht wohl dabei, hinzu: »Natürlich mache ich auch Fehler«, und der Patient geriet in große Wut. »Einen Analytiker, der Fehler macht, kann ich nicht gebrauchen«, stieß er hervor und deutete an, dass er bei mir wohl »nicht an der richtigen Adresse« sei. Vielleicht kann diese Szene auch illustrieren, was wir meinen, wenn wir davon sprechen, der Analytiker müsse quälende Phantasien des Patienten »entgiften« oder »dekontaminieren«. Es fiel mir nämlich zunächst schwer, offen einzuräumen, dass ich »natürlich auch Fehler mache«, weil ich ahnte, dass der Patient wütend reagieren würde. Mit anderen Worten: Ich war mit seiner Verachtung gegenüber Menschen, die »Fehler machen«, identifiziert, und ich musste meine Angst vor der (eigenen) Verachtung erst überwinden, bevor ich halbwegs unbefangen diesen Satz sagen konnte. In dieser Unbefangenheit könnte die Botschaft zum Ausdruck kommen: »Es ist nicht so schlimm und verachtenswert, Fehler zu machen.« Das wäre der Versuch einer »Entgiftung«, der bei dem Patienten erst mit Verzögerung »ankam«. 56

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In der Folgezeit arbeiteten wir seine Ambivalenz in der Beziehung zu mir und zugleich in der zu seinem Vater durch. Ihm wurde bewusst, wie sehr er als Kind seinen Vater idealisiert hatte, wie er mit dessen Leistungserwartungen identifiziert ist und zugleich gegen sie kämpft, indem er sich weigert, den Forderungen seiner Professoren nachzukommen. Dieser Teil der therapeutischen Arbeit war für den Patienten sehr mühsam. Als er sich daran machte, seinen Rückstand im Studium aufzuholen, erlebte er schmerzliche Misserfolge, weil er aufgrund seiner Arbeitsstörungen große Wissenslücken aufzuholen hatte, und mehrfach erwog er, das Studium abzubrechen.

4.4 Fallbeispiel: Eine Patientin auf mittlerem Strukturniveau Die zurückliegenden Abschnitte und Fallbeispiele sollten die Methoden psychodynamischer Psychotherapie im Fall eines sehr niedrigen und eines sehr hohen Struktur- bzw. Entwicklungsniveaus veranschaulichen und erklären. Die meisten Patienten, die wir psychodynamisch behandeln, werden zwischen diesen beiden Polen einzuordnen sein, weswegen wir die hier geschilderten Interventionen vielfältig anpassen und mischen müssen. Um die Arbeit auf einem mittleren Strukturniveau exemplarisch zu verdeutlichen, soll hier noch ein weiteres Fallbeispiel angeführt werden. Eine 42-jährige Erzieherin, Frau G., wandte sich mit einem »Burnout« an mich. Sie fühlte sich an ihrem Arbeitsplatz, einem Kinderheim, überarbeitet, litt an depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen. Sie lebte allein, sei »ganz in meinem Beruf aufgegangen«, empfinde ihr Leben als zunehmend »sinnlos« und »wisse nicht mehr ein noch aus«. Sie wirkte überwiegend gut strukturiert, abgesehen von gelegentlichen depressiven Verstimmungen, in die sie sich hineinsteigerte, bis sie sich »völlig am Boden zerstört« fühlte. Sie konnte detailreich Fallbeispiel: Eine Patientin auf mittlerem Strukturniveau

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ihren Lebenslauf schildern: Als »Nachzügler« geboren, habe es die Familie, die in materiell engen Verhältnissen lebte, schwer gehabt, sei aber über das jüngste, eigentlich unerwünschte Kind dann doch glücklich gewesen, weil »ich nie irgendwelche Probleme gemacht habe«. Die Eltern hätten wohl mit dem Gedanken an eine Abtreibung gespielt, seien aber doch davon abgekommen, und man habe das nie bereut, denn sie sei »ein immer zufriedenes Kind« gewesen, habe nie geschrien, sei eine Art »Sonnenschein« für die Eltern und die wesentlich älteren Geschwister geworden. Sie erschien in der analytischen Psychotherapie überaus angepasst, sozusagen »pflegeleicht«, und ging auf alle Vorschläge bezüglich der Termine, Urlaubsregelungen, Ausfallhonorar sehr bereitwillig ein. Anfangs klagte sie anhaltend darüber, wie sehr sie sich an ihrem Arbeitsplatz »ausgebeutet« fühle, sie müsse immer die ungünstig gelegenen Dienste zu den Wochenenden und Feiertagen nehmen, während die Kolleginnen »sich einen schönen Lenz machen«. In solchen Fällen, in denen die Patienten mit sich im Einklang zu sein scheinen und ihr Problem darin sehen, dass die Umwelt mit ihnen so rücksichtslos umgeht, geraten Psychotherapien häufig in eine Sackgasse. Selbst wenn wir ahnen, wie sehr die Patienten an ihrem Unglück selbst mitwirken, werden wir mit aufdeckenden Interventionen wenig erreichen. In diesem Fall wehrte sich die Patientin lange Zeit gegen die Einsicht, dass sie sich selbst für die unbeliebten Dienstzeiten anbot, und blieb zunächst noch bei der Vorstellung, dass es gegen diese ungerechte Diensteinteilung »keine Chance« gab. Wenn die Realität so unveränderlich zu sein scheint, kann es helfen, eine fiktionale Einstellung vorzuschlagen: »Was würde denn passieren, wenn Sie sich einmal weigerten, den Dienst zu Weihnachten zu übernehmen?« Dann wird vielleicht sichtbar, was die Patienten mehr oder weniger bewusst fürchten; in diesem Fall meinte die Patientin, sie würde »nicht mehr angeschaut« werden. Dieser Einfall deutete dann doch auf ihren zentralen Konflikt hin, nämlich: »Wenn ich mich mit eigenen Wünschen hervorwage, riskiere ich, verstoßen (abgetrie58

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ben?) zu werden, also verzichte ich darauf, mich selbst zur Geltung zu bringen.« So begrüßenswert es auch sein mag, wenn ein Patient seine zentralen Konflikte so klar beschreiben kann, zur Veränderung tragen derartige Einsichten noch nicht viel bei. Auch der Versuch, das konflikthafte Thema in der Übertragung durchzuarbeiten, wird vielleicht nicht gelingen. Zwar verhielt sich die Patientin auch in der Beziehung zu mir überaus angepasst. Aber es war sehr schwierig, diese Angepasstheit anzusprechen und Paradoxien zu vermeiden. Denn eine Aufforderung, sie möge doch weniger angepasst sein, hätte sie vermutlich »brav« befolgt. Sie wusste einfach nicht, was sie sich von mir wünschen könnte, und wiederholte mehrfach, dass sie mit meiner »freundlichen« und »kompetenten« Begleitung sehr zufrieden sei, mehr erwarte sie ja auch nicht. Es war gut zu erkennen, dass es die Patientin aus strukturellen Gründen nicht wagen wollte, ihren Kernkonflikt in der Übertragung zu entfalten und das Risiko einzugehen, auch von mir abgelehnt zu werden, wenn sie sich erlaubte, eigene Wünsche zur Geltung zu bringen. Ich hätte die Patientin überfordert, wenn ich ihre unbewusste Übertragungsphantasie gedeutet hätte (etwa in diesem Sinne: »Auch Sie mögen mich ja nur, weil ich Sie nicht mit irgendwelchen Wünschen bedrängele«). Wenn zu erkennen ist, dass das Strukturniveau des Patienten es nicht zulässt, dass er seine Konflikte in der Übertragung darstellt, müssen wir vorerst an der Übertragung arbeiten, das heißt: Wir kommentieren die Inszenierung ihrer Konflikte in ihrem sozialen Alltag und ermutigen den Patienten, dort neue Lösungen zu erproben. Und auch das ist schon schwierig genug: Als die Patientin im Laufe der Therapie den Mut aufbrachte, bei der nächsten Diensteinteilung ihre Interessen geltend zu machen, stieß sie auf ärgerliches Unverständnis der Kolleginnen und geriet darüber in große Angst, die sie nur schwer steuern konnte. Einige Male brach sie ihre Versuche, ihre Interessen zu vertreten, wieder ab und flüchtete in ihre alte Rolle der »pflegeleichten«, braven Tochter. Es fiel ihr sehr schwer, sich vorzustellen, Fallbeispiel: Eine Patientin auf mittlerem Strukturniveau

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dass die Kolleginnen nur aus Gewohnheit und Bequemlichkeit so ärgerlich reagiert hatten und durchaus nicht die Absicht verfolgten, sie im Fall ihres egoistischen Verhaltens zu verstoßen.

Am Ende dieses Buches ist es mir wichtig, hervorzuheben, dass eine erfolgreiche psychotherapeutische Arbeit mit ermutigenden Interventionen, gelungenen Deutungen und feinfühliger Arbeit in der Übertragung doch nur die Grundlagen legt dafür, dass der Patient in seinem sozialen Alltag seine gewonnenen Einsichten und neuen Handlungsstrategien auch verwirklichen kann. Fast immer muss er in seiner Familie, an seinem Arbeitsplatz und im Freundeskreis erst noch durchsetzen, was er sich mit uns erarbeitet hat, und dazu braucht er häufig sehr viel Mut. Dies galt bei der zuletzt geschilderten Patientin wie auch bei dem arbeitsgestörten Studenten aus dem vorigen Kapitel. Psychotherapeuten vergessen zuweilen, dass es doch die Patienten sind, die die Hauptlast der Arbeit zu tragen haben. Daran möchte ich zum Schluss erinnern.

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