Psychodynamische Körperpsychotherapie [1 ed.]
 9783666406058, 9783525406052

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Peter Geißler

Psychodynamische Körperpsychotherapie

V

Herausgegeben von Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Peter Geißler

Psychodynamische Körperpsychotherapie

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-40605-8 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: Paul Klee, Läufer, 1920/akg-images © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort zum Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Ferenczi und seine Nachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2 Der Steißlinger Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Einordnung des Ansatzes in aktuelle psychoanalytische Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3 Theoretische Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1 Der ganzheitliche Blick auf das Seelische: die Lebensbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Implizites Beziehungswissen und implizites reziprokes Körperlesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.3 Interaktionelles Feld und interaktionelle Übertragungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.4 Handeln als Erkenntnisquelle in der psychoanalytischen Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4 Indikationen und Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5 Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie . . . . . . . . . . 36 5.1 Ausstattung des Therapieraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.2 Psychotherapeutischer Rahmen und Arbeitsbündnis . . . . 36

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5.3 Öffnung des Settings 1: von der Phantasie zur konkreten Interaktion . . . . . . . . . . . 38 5.4 Öffnung des Settings 2: von der Körperwahrnehmung zur Bewegung . . . . . . . . . . . 40 5.5 Handlungsebene Augenkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.6 Handlungsebene stimmlicher Ausdruck . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.7 Handlungsebene Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.8 Handlungsebene körperliche Berührung . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.9 Handlungsebene intendierte körperlich-szenische Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6 Wirkprinzipien: Möglichkeiten und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . 63 7 Stand des wissenschaftlichen Diskurses, Evaluation und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  66 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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Inhalt

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich. Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen. Themenschwerpunkte sind unter anderem: ȤȤ wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung. ȤȤ wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze. 7

ȤȤ wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen. ȤȤ wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen. ȤȤ wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-SäuglingsKleinkind-Psychotherapie. ȤȤ wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung. Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Das »Nadelöhr der Sprache« ist in den psychodynamischen Psychotherapien immer wieder kritisch beleuchtet worden. Nicht alle Erkenntnis kommt aus der Sprache und muss durch dieses Nadelöhr gehen, um sinnvollen Ausdruck zu finden. Das innere Erleben von Körpererfahrungen ist eine starke Quelle nicht nur von ­Affekten, sondern auch von Szenen, die einer nachträglichen Reflexion zugänglich sind. An den Grenzen der Sprache reagiert der Analytiker, die Analytikerin nicht nur in verbalen Verarbeitungen des Wahrgenommenen, sondern kann auch körperliche Handlungen initiieren oder beantworten, um einer intersubjektiven Szene neue Bedeutungen zu geben. Unter dem Motto, dass Intersubjektivität Bewegung ist, kommen auch nonverbale Bedeutungen im therapeutischen Kontext zur Geltung. Nicht alles Handeln in der Therapie ist »Agieren«! Zwischenmenschliche Resonanz führt zur Koregulation von Bewegungen, Empfindungen und Emotionen. Nicht zufällig hat die psychodynamische Körpertherapie eine Wurzel im Bereich der Säuglingsforschung und umfasst an der Kleinkindforschung orientierte Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker. Eine andere Wurzel reicht in die Bioenergetik. Implizites Beziehungswissen im Rahmen interaktiver Regulation kommt beim Patienten para- und nonverbal zum Ausdruck und wird vom Therapeuten mit dessen implizitem Beziehungswissen durch kontinuierlich stattfindende Abstimmungsprozesse beantwortet. Der Therapeut wird »Mitspieler« in einem komplexen Beziehungsgeschehen. Sein Denken drückt sich in Handlungen aus. Grundlegend für so eine therapeutische Haltung ist eine 9

intersubjektive Sichtweise. Das Lesenkönnen körperlicher Signale ist ein hermeneutischer Prozess. Im interaktionellen Feld erhalten Übertragungsvorgänge eine neue Bedeutung. Übertragung und Gegenübertragung sind keine reine Schöpfung der Patientin oder des Patienten mehr, sondern eine gemeinsam gestaltete, kokreierte Beziehung. Handeln selbst wird als eine Erkenntnisquelle in der psychoanalytischen Therapie angesehen. Der Autor führt die Praxisaspekte psychodynamischer Körpertherapie im Detail aus, wobei die körperlichen Selbstbewegungen ausdrücklich in die analytische Regel der freien Assoziation mit einbezogen werden. Fragen zum Setting, zu Augenkontakt, stimmlichem Ausdruck und zum wichtigen Thema Nähe und Distanz werden ausführlich erörtert. Illustrierende Fallbeispiele zu einzelnen Th ­ emen und zur körperlich-szenischen Interaktion bereichern das Buch. Auch das Thema möglicher Risiken wird nicht ausgeklammert und der noch dürftige Forschungsstand zu dieser Therapieform selbstkritisch angemerkt. Ein Buch, das den Schwerpunkt therapeutischer Arbeit vom ­»Auf-decken« auf das »Ent-decken« erweitert. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zum Band

1 Vorbemerkungen

Blicke ich auf meine eigene Selbsterfahrung zurück, stelle ich fest, dass sich im nachträglichen inneren Erleben körperpsychotherapeutische und psychoanalytische Zugangsweisen als unterschiedlich, in der Gesamtschau jedoch gleichwertig niedergeschlagen haben. Waren es in der bioenergetischen Lehranalyse und in Bioenergetikgruppen unvergessliche unmittelbar körperliche regressive Erfahrungen von hoher emotionaler Intensität, so wurden mir in der psychoanalytischen Einzelerfahrung vollkommen neue Verstehensweisen vormals unbewusster Prozesse eröffnet. Daraus ist innerhalb der letzten 25 Jahre die Idee entstanden, die körperliche Erfahrung innerhalb einer Psychoanalyse im offenen Setting theoretisch und methodisch zu integrieren. Im Kern geht es dabei um zweierlei: erstens um einen ganzheitlichen Zugang zum Erleben unserer Patientinnen und Patienten; zweitens um Möglichkeiten des Zugangs zu ihren Affekten mithilfe aktiver Techniken, sofern dies indiziert ist. Das auf diese Weise entstandene Vorgehen ist in keiner Weise einheitlich. Einzelne Autoren nehmen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vor. Es spiegelt sich darin die mittlerweile vielfach betonte Pluralität psychoanalytischer Auffassungs- und Vorgehensweisen wider. Die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen steht jedoch einer intersubjektiv-relationalen Sichtweise auf psychisches Geschehen nahe. Ein weiterer Aspekt betrifft die Bedeutsamkeit der Theorie in der konkreten klinischen Arbeit. Kennzeichnend für unser Vorgehen ist eine Grundhaltung des »Nicht-Wissens« (Geißler, 2007a, S. 101). Eine solide psychoanalytische Ausbildung einschließlich körperpsychotherapeutischer Selbsterfahrung und diagnostischen Wissens vorausge11

setzt, ist psychodynamische Körperpsychotherapie in der Begegnung im »Hier und Jetzt« nicht speziell theoriegeleitet. Theoretische Voreingenommenheiten im Kontakt mit dem Patienten werden beiseitegelassen, ausgehend davon, dass sich das Lebendige ohnehin nie exakt in theoretische Kategorien hineinpressen lässt. Man könnte die Leitidee in folgender Weise formulieren: »Nicht alles muss somit durch das Nadelöhr der Sprache gehen« (Geißler, 2013, S. 9).

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Vorbemerkungen

2 Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

2.1  Ferenczi und seine Nachfolger Es war Ferenczi, der erkannte, dass der Bewegung, dem konkretkörperlichen Handeln und der Interaktion im Hinblick auf begünstigende Bedingungen, um traumatische Situationen therapeutisch wiederherzustellen, ihre eigene Qualität innewohnt. Die komplexen Hintergründe der psychischen Erkrankung müssen in der Behandlung erst einmal wahrnehmbares psychisches Faktum werden, erlebbare Präsenz annehmen. »Natürlich hat Freud recht, wenn er uns lehrt, dass es ein Triumph der Analyse ist, wenn es gelingt, Agieren durch Erinnerung zu ersetzen; ich meine aber, es ist auch von Vorteil, bedeutsames Aktionsmaterial zu beschaffen, das man dann in Erinnerung umsetzen kann« (Ferenczi, 1931/1972, S. 278). Ferenczi war offen für technische Experimente, für körpernahe und regressive Erlebens- und Verhaltensweisen, für eine »elastische Technik«, für eine »Kinderanalyse mit Erwachsenen« – allesamt Versuche, Beziehungsformen herzustellen, die für einige Patienten geeigneter waren als die von Freud empfohlene klassische analytische Situation. Ferenczi und Rank (1924/1995) hoben in »Entwicklungsziele der Psychoanalyse« die Bedeutsamkeit des Erlebens im »Hier und Jetzt« hervor und vollzogen eine Abkehr von einem medizinischen Behandlungsmodell, indem sie Grunderfahrungen wie Güte, Authentizität, Bescheidenheit und Takt als therapeutische Haltung in den Vordergrund rückten. Insofern gelten Ferenczi und Rank gemeinsam mit Adler als Vorreiter einer intersubjektiv-relationalen Haltung, einer Zwei-Personen-Psychologie. Nicht der Therapeut schreibt ein 13

bestimmtes Behandlungssetting vor, sondern dieses wird zwischen Patient und Therapeut ausgehandelt. Das Setting ist ein Teil der miteinander hergestellten Szene. Balint (1968), der bei Ferenczi in Analyse war, berichtet von einer Patientin, die während der Analyse einen Purzelbaum schlug, was einen Neubeginn in der Behandlung einleitete. Es deutet sich in diesem Beispiel eine neue Einstellung gegenüber dem »Agieren« und der Regression an, die nun nicht mehr nur als Umweg, sondern als »Königsweg« betrachtet werden können. Als Schmelztiegel in der Diskussion um neue analytische Zugangsmöglichkeiten gilt eine britische Gruppe, die unter der Bezeichnung »Independent Mind of British Psychoanalysis« bekannt geworden ist (Rayner, 1991) und zu der Pioniere wie Winnicott, Khan, Bowlby, Klauber, Jones, Sharpe, Strachey und Fairbairn gehörten. Winnicott bot bestimmten Patientinnen und Patienten wiederholt körperliche Berührung an. Little (1981, 1994), die bei Winnicott in Analyse war, äußert sich wiederholt zu körperlicher Berührung und zu körpernahen Formen von Regression (ausführlichere historische Bezüge bei Geißler, 1998, 2001). Insgesamt war der Einfluss der Pioniere auf die psychoanalytische Community mehrere Jahrzehnte lang ein geringer. Ferenczis Arbeiten beeinflussten gemeinsam mit der empirischen Säuglings- und Kleinkindforschung ab den 1980er Jahren die Technik­debatte in der Psychoanalyse, u. a. hinauslaufend auf Überlegungen, die Rolle des Agierens neu zu bedenken, das heißt, Agieren nicht automatisch in einen Zusammenhang mit Widerstand zu bringen. Hatte Freud (1916–1917, S. 9) die Standardbehandlung so definiert: »In der analytischen Behandlung geht nichts anderes vor als ein Austausch von Worten zwischen dem Analysierten und dem Arzt«, so befreiten Klüwer (1983, 1995) und Jacobs (1986) den (unbewussten) Handlungsdialog bzw. das Enactment endgültig aus seiner negativen Konnotation. Klüwer, der an das szenische Verstehen von Argelander (1970) und Lorenzer (1970) anschloss, sprach im Hinblick auf den Handlungsdialog vom »vielleicht wichtigsten Ort psychischer Transformation« (Klüwer, 1995, S. 65), also von 14

Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

einer entscheidenden Erfahrungs- und Erkenntnisquelle neben dem ­ ustausch von Worten. A

2.2  Der Steißlinger Kreis Die Neubewertung des Agierens hatte zur Folge, unbewusste Handlungsdialoge in der therapeutischen Beziehung als potenziell fruchtbares therapeutisches Material zu betrachten. Die Grenze »beginnt dort, wo der Analytiker nicht nur mit inneren und äußeren Wahrnehmungen und deren Verarbeitung in verbalen Reaktionen reagiert, sondern aktiv körperliche Handlungen initiiert oder beantwortet« (Worm, 2008, S. 223). An dieser Grenze kommt die psychodynamische Körperpsychotherapie in der Psychoanalyse ins Spiel. Für Körperpsychotherapeuten ist eine »aktive Technik« (z. B. in Form von Übungen) selbstverständlich und bedarf keiner grundsätzlichen Reflexion; anders in der Psychoanalyse, in welcher Handeln ursprünglich als gegen den therapeutischen Fortschritt gerichtetes »Agieren« betrachtet wurde. In Österreich entwickelte sich Anfang der 1990er Jahre an der Schnittstelle von Psychoanalyse und Bioenergetischer Analyse und unter dem Einfluss der Säuglingsforschung ein Dialog (Geißler, 1994), mündend in die Gründung einer bis heute bestehenden Kollegengruppe (Arbeitskreis für analytische Körperpsychotherapie, AKP), wesentlich beeinflusst durch den belgischen Bioenergetiker Berliner (1994). Aus einem produktiven Austausch zwischen den Wiener Psychoanalytikern Rückert, Picker und mir ging das »Wiener Symposium Psychoanalyse und Körper« hervor, das seit 1998 durchschnittlich alle zwei Jahre tagt; 2002 folgte die Zeitschrift »Psychoanalyse und Körper«. Zeitgleich mit den österreichischen Entwicklungen formierte sich in Deutschland der Steißlinger Kreis (Heinzel, 2008), eine in methodischer Hinsicht ursprünglich gemischte Kollegengruppe mit einer Majorität an Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern. Dieser Kreis gilt seither als wichtigstes »Labor« für die methodische Entwicklung Der Steißlinger Kreis

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der psychodynamischen Körperpsychotherapie. Verschiedene Bezeichnungen haben Eingang in die Literatur gefunden. So spricht Heisterkamp von leibfundierter analytischer Psychotherapie (Heisterkamp, 1993), Scharff (1995a, 1995b, 1998, 2007) von inszenierender Interaktion, Maaser, Besuden, Bleichner und Schütz (1994) von körperbezogener Therapie. Maaz (2002), Moser (2002) und Geißler (1998) nennen den Ansatz analytische Körperpsychotherapie (manchmal auch abgekürzt analytische Körpertherapie). Für dieses Buch wurde im Hinblick auf den Titel der gesamten Buchreihe »Psychodynamik kompakt« die Bezeichnung »psychodynamische Körperpsychotherapie« gewählt. Von Beginn an waren im Steißlinger Kreis der offene persönliche Austausch und das Sich-Einlassen in Selbsterfahrungsexperimente ­wichtig und konstituierend für die gemeinsame Arbeit. Persönliche Erlebnisse, berufliche Erfahrungsberichte und vorgestellte Fälle werden vor einem psychoanalytischen Hintergrund reflektiert und in methodischer Hinsicht diskutiert. Als Produkt der jahrelangen Gemeinschaftsarbeit entstand das Lehrbuch »Psychoanalyse der Lebensbewegungen« (Geißler u. Heisterkamp, 2007). Seit 2009 finden Symposien des Steißlinger Kreises statt. Publizierende Vertreter/-innen des Steißlinger Kreises sind Heisterkamp (z. B. 2002), Moser (z. B. 1989), Poettgen-Havekost (z. B. 2007), Reinert (z. B. 2004), Scharff (z. B. 2007), Ware (z. B. 2007), Westram (z. B. 2013), Worm (z. B. 2007a, 2007b) und ich. In diesem Kreis wird anhand leibhafter Erfahrungen das erlernt, was körperbezogen arbeitende Therapeutinnen und Therapeuten auszeichnet: das aktive Herstellen therapeutisch relevanter Szenen, das Hineingehen in das Vergnügen, aber auch in den Schmerz der eigenen verkörperten Selbstwahrnehmung, gepaart mit der Fähigkeit, im subjektiven emotionalen Augenblick zu verbleiben (Prinzip der Unmittelbarkeit) – denn: Intersubjektivität ist Bewegung: Die nonverbale Bedeutung von »mit einer anderen Person sein« wird Intersubjektivität genannt (Fogel, 2013, S. 206). Sie ist direktes Ergebnis zwischenmenschlicher Resonanz, die während der Koregulation von Bewegungen, Empfindungen und Emotionen stattfindet (Trevarthen u. Aitken, 16

Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

2001). Übertragung und Gegenübertragung sind daher nicht rein mentale Vorgänge, die sich in Phantasien, Bildern, Gefühlen oder gesprochenen Worten manifestieren. Unter einem ganzheitlichen Blickwinkel zeigen sie sich ebenso in Bewegung und Mit-Bewegung. Da sich die ganzheitliche Sichtweise auch auf das Be-Handeln bezieht, werden in der psychodynamischen Körperpsychotherapie ausdrücklich körperliche Zugänge als therapeutische Möglichkeit miteinbezogen.

2.3 Einordnung des Ansatzes in aktuelle psychoanalytische Strömungen Ob man bei der psychodynamischen Körperpsychotherapie von einer erweiterten Form von Psychoanalyse sprechen sollte oder nicht, ist strittig. Auch unter Psychoanalytikern mit körpertherapeutischer Erfahrung besteht diesbezüglich keine Einigkeit. Psychodynamische Körperpsychotherapie wird von Mertens (2012, S. 255) einer Gruppierung »der an der Kleinkindforschung orientierten Psychoanalytiker« zugeordnet und steht »interdisziplinär orientierten Psychoanalytikern« (S. 255) nahe, unter besonderer Beachtung von Lebensvorgängen aus dem Blickwinkel der nichtlinearen dynamischen Systemtheorie (Beebe u. Lachmann, 2004; Fogel, King u. Shanker, 2008; Greenspan u. Shanker, 2007; Sander, 1977; Stern, 1992; Tronick, 1989). Angenommen wird dabei eine evolutionäre Selbstorganisation des Seelischen, wobei die mentalen Leistungen von Säugling und Eltern von Anfang an in einem kontinuierlichen Prozess miteinander verschränkt sind. Konzepte wie eine hohe Reizschwelle gegenüber äußeren Stimuli, ein angeborener Autismus in den ersten Lebensmonaten sowie eine symbiotische Wahrnehmungskonfundierung werden zurückgewiesen (Mertens, 2012, S. 179). Die teilweise bereits in utero bestehende Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, verschränkt sich dynamisch mit der interaktiven Regulierung, unter besonderer Berücksichtigung basaler körperlicher Prozesse: »Gedanken, Emotionen, Formen verkörperter Selbstwahrnehmung, MuskelEinordnung des Ansatzes in aktuelle psychoanalytische Strömungen

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anspannung und Entspannung agieren zusammen als ein dynamisches System. In diesem beeinflusst jedes Element das andere und hält es aufrecht, um charakteristische Haltungen in Bezug auf die Welt einzunehmen« (Fogel, 2013, S. 180). Die angeborene Fähigkeit zur interaktiven Regulierung verweist auf die Bedeutsamkeit eines ebenso angeborenen und evolutionär ausgeformten impliziten Beziehungswissens. Dieses an Bedeutung gewinnende Konzept bildet einen Brückenschlag von der Psychologie zur Biologie. In einer ersten Annäherung versteht man unter dem impliziten Beziehungswissen unsere intuitive und soziokulturell erworbene Fähigkeit, nonverbales Ausdrucks- und Kommunikationsverhalten unseres Gegenübers in seiner sozialen Bedeutung zu erfassen und darauf aufbauend selbst in einen mehr oder weniger gelingenden nonverbalen Dialog einzutreten (Fuchs, 2013, S. 13). Dieser Dialog ist, wie Videoaufnahmen zeigen, ein stetiger Prozess des Suchens, Findens und Verlierens, des Gelingens und Misslingens; das heißt, Brüche im Kontakt und das Scheitern von Abstimmungsverhalten sind normaler Teil des Gesamtgeschehens, dadurch bedingt, dass nonverbale Signalgebungen nicht eindeutig, sondern hochgradig kontextabhängig sind. Implizites Beziehungswissen kommt beim Patienten permanent in mikropsychologischen Einheiten para- und nonverbal zum Ausdruck; der Therapeut antwortet darauf seinerseits mit seinem impliziten Beziehungswissen durch kontinuierlich stattfindende Abstimmungsprozesse, Regulationen, Korrekturen und »Reparaturen«. Wie diese interaktiven Prozesse im Einzelnen vonstattengehen, »steht in keinem Lehrbuch, in keinem Manual und ist daher auch prinzipiell nicht prognostizierbar und nicht auf herkömmliche Weise lehrbar. Es ist ein großer Vorteil einer dynamisch-systemtheoretischen Sichtweise, dass wir nun von dem Zwang befreit sind, alles kausallinear vorhersagen zu müssen, oder uns verpflichtet fühlen müssen, bestimmte Therapietechniken anzuwenden. Das Wichtige für uns ist, dass wir uns auf diejenigen körperlichen Ausdrucksformen einzustellen versuchen, in denen sich implizites Beziehungswissen manifestiert. 18

Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

Es ist somit eine von beiden geteilte Gefühlsgemeinschaft, die sich nur prozessual im erlebten Augenblick spüren lässt. Im Jetzt ereignet sich gleichsam alles« (Mertens, 2012, S. 256). Beim Baby und den Pflegepersonen dreht sich das implizite Beziehungswissen um physiologische Ziele (Schlaf-, Wach- und Fütterungsrhythmen) wie auch um intersubjektive, um das Teilen von Gefühlszuständen, um wechselseitige Anerkennung und um das Aushandeln emotionaler Bedeutungen (Mertens, 2012, S. 180). Beebe und Lachmann (2004) und andere schlussfolgern daraus für die Psychotherapie Erwachsener: In behandlungspraktischer Hinsicht gilt es, sich auf das gegenwärtige Erleben des Patienten zu konzentrieren und das Entstehen von Gegenwartsmomenten (Stern, 2005) zuzulassen bzw. zu fördern, was seitens des Therapeuten oder der Therapeutin die Bereitschaft erfordert, sich auf ungewisses Terrain zu begeben und sich auch überraschen zu lassen. Das emergente interaktionelle Feld ist nun therapeutischer Bezugsrahmen, nicht mehr primär die Übertragung mit ihrer verzerrten Wahrnehmung. Der Therapeut ist Mitspieler in einem komplexen Beziehungsgeschehen. Er sollte sich so verhalten, dass der Patient seine maladaptiven Erwartungen invalidieren und zusätzlich neue Fertigkeiten erlernen kann. Dazu muss der Therapeut allerdings in der Lage sein, nicht nur die semantischen Inhalte seiner Interventionen und deren mögliche Auswirkungen auf seinen Patienten zu reflektieren, sondern sich auch hinsichtlich seiner körpersprachlichen und nichtverbalen Signale und deren möglicher Auswirkungen angesichts spezifischer Eigentümlichkeiten seines Patienten beobachten zu lernen (Mertens, 2012, S. 210). Grundlegend für eine solche therapeutische Haltung ist eine intersubjektive (Stolorow u. Atwood, 1992), interpersonelle (Sullivan, 1953) oder relationale Orientierung (Mitchell, 1988). Beide – Patient und Therapeut – begegnen sich auf Augenhöhe, sie sind Therapiepartner. Der lebendige Fluss des Erzählens und Miteinanderhandelns wird von beiden gesteuert. Missverständnisse im therapeutischen Geschehen werden als unvermeidlich angesehen, jedoch – soweit Einordnung des Ansatzes in aktuelle psychoanalytische Strömungen

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bewusst – umgehend korrigiert bzw. auf der Ebene des impliziten Beziehungswissens intuitiv ausreguliert. Die therapeutische Haltung zeichnet sich durch eine gewisse Freiheit aus: »Fehler« werden nicht um jeden Preis zu vermeiden versucht, im Wissen, dass Fehlabstimmungen Teil des Prozesses sind. Man darf das Vertrauen entwickeln, dass sich »Fehler« immer wieder korrigieren lassen (Bettighofer, 1998). Konstituierend für das beidseitige Geschehen sind vor allem nonverbal-körperliche Aspekte, wie Körperhaltung und -bewegung, Gestik und mimische Ausdrucksmomente, sowie spezifische nonverbale Momente, wie Betonung, Rhythmus, Tempo, Sprechpausen, also prosodische Elemente, welche die Satzmelodie verkörpern. Alle nonverbalen Ausdrucks- und Kommunikationselemente sind oft von sprachlichen Prozessen begleitet, enthalten aber unabhängig davon Bedeutungen, die in den Affekten, Gesten und Körperbewegungen zum Ausdruck kommen (Mertens, 2012, S. 221). Die Gemeinsamkeit mit der Bioenergetischen Analyse besteht in der Offenheit des Behandlungssettings. Unterschiede bestehen darin, wie der Körper konzeptionalisiert wird. Die Bioenergetische Analyse geht in Anlehnung an Reich (1945) von einem physikalisch-energetisch-expressiven Körper aus (Geuter, 1996), psychodynamische Körperpsychotherapie von einem dialogisch-interaktionellen Körper (Geißler, 2007b, 2007c). Man könnte ebenso von einem sozialen Körper sprechen, weil sämtliche Körperbewegungen und -haltungen in einer bestimmten Familie innerhalb einer bestimmten Kultur erworben werden.

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Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

3  Theoretische Schwerpunkte

3.1 Der ganzheitliche Blick auf das Seelische: die Lebensbewegung Lebensprozesse folgen unserem Bewusstsein nicht zugänglichen organisierenden und regulierenden Prinzipien. Bewegung ist in dieser Hinsicht unsere grundlegendste Erfahrung, die Wurzel allen Fühlens und der basale Indikator für das, was wirklich ist. »Das Ich ist vor allem ein körperliches« (Freud, 1923, S. 253). Die Suche nach der Bedeutung unserer Handlungen, unserer Lebensbewegungen macht einen wesentlichen Teil unserer Lebendigkeit und unseres Sinngefühls aus, weil sie uns mit unserer inneren Lebensorganisation in Verbindung bringt, die ansonsten nur in einer Aneinanderreihung sinnloser und unzusammenhängender Verhaltensweisen bestünde. Die Ganzheitlichkeit der Wahrnehmung ist im Säugling als amodale Wahrnehmung angelegt (Stern, 1992). Psychisches Geschehen ist im Kern Bewegung: »Der wichtigste Charakter des Lebens ist Bewegung. Das sagt nicht, dass das Lebewesen nicht im Ruhezustand sein kann, aber Bewegungsfähigkeit ist dem Leben eigen. Wir können auch das seelische Leben nur als Bewegung feststellen. Alle Erscheinungen, die wir auf das Seelen­leben beziehen, können wir so in räumlicher und zeitlicher Anschauung betrachten« (Adler, 1932/2010, S. 533 f.). Adler (1933/2010) prägte dafür den Begriff Lebensbewegung. Alle Artikulationen und Ausdrucksformen des Seelischen – ob mental oder körperlich – sind als Integrale des sich entwickelnden Ganzen anzusehen (Geißler u. Heisterkamp, 2007, S. VII), auch wenn 21

wir im Sprechen über Phänomene nicht umhinkommen, das Ganze aufzugliedern (z. B. in Wahrnehmung, Bewegung und Affekt). Der Begriff »Lebensbewegung« soll auf den fließenden Charakter sämtlicher Lebensprozesse verweisen, auf ein Geschehen in unablässiger Verwandlung und Entwicklung: »Alles ist Bewegung, auch unser Ich. Auch diese These haben wir noch nicht in unser Denken integriert. Der Lebensstil oder das Ich ist keine stabile Struktur, nichts Feststehendes, auf das wir bauen könnten. Es erscheint nur als ein bestimmtes Bewegungsmuster, nach Adler (1933, S. 552) als ›Bewegung, die Form geworden ist‹« (Eife, 2013, S. 8). Unser Wissen über die Mikroebene der Lebensbewegungen erfuhr durch Videoanalysen eine entscheidende Vertiefung. Downing (2002) spricht von interaktionellen körperlichen Mikropraktiken, die in der Baby-Eltern-Interaktion ab der Geburt videomikroanalytisch nachweisbar sind und sämtliche körperlich-affektiven Signale betreffen, die die jeweilige Befindlichkeit ausdrücken, wie ȤȤ verkörperte Fähigkeiten zum Aussenden und Darstellen der eigenen Befindlichkeit (Senden); ȤȤ die Fähigkeit, die körperlich-affektive Befindlichkeit eines anderen aufzunehmen (Empfangen); ȤȤ die Fähigkeit, darüber in einen Austausch zu treten und zu verhandeln; ȤȤ die Fähigkeit, miteinander geteilte körperlich-affektive Zustände zu nutzen, um gemeinsam neue Aspekte der Welt zu entdecken. Das Erleben von Vitalität ist dem Bewegungsakt inhärent. Bewegung existiert niemals isoliert, sondern ist eingebettet in eine zeitliche Kontur. Dadurch wird parallel zur Bewegung ein Gewahrsein für Zeit, Form und Dauer erzeugt, die der Säugling von Beginn an wahrnehmen kann (Stern, 1992). Aus evolutionsbiologischer Perspektive war das Bewusstsein der Primaten überwiegend auf die äußere Umwelt gerichtet. Die entscheidende Zäsur in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins war die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Bewegungen und Handlungen bei sich selbst und bei anderen in ihren 22

Theoretische Schwerpunkte

immanenten räumlich-zeitlichen Konturen, um einerseits die motorische Geschicklichkeit zu erhöhen, andererseits soziales Verhalten zu koordinieren. »Die erste Sprosse auf der Stufenleiter des spezifisch menschlichen Bewusstseins bildet also das Körperselbst«, noch lange Zeit vor dem Hinzutreten der verbalen Sprache (Donald, 2008, S. 276). Bewegung markiert nicht nur den Beginn der Phylo- und der Ontogenese. Bewegung ist die Grundlage allen Fühlens. Bewegung ist ebenso fundamental für Denken und Sprechen. Gedanken erwachsen aus einem stillschweigenden, im Körper eingebetteten bewegten Wissen. Da Bewegung unsere grundlegendste Erfahrung darstellt, kommt ihr lebenslang ein Erfahrungsprimat zu. Verknüpft mit dem Primat der Bewegung ist die basale Erfahrung der grundsätzlichen Bezogenheit des menschlichen Wesens. Daher lässt sich schlussfolgern, »dass Bewegung der manifeste Ausdruck für diese immanente Bezogenheit ist« (Geißler u. Heisterkamp, 2013, S. 37). Die grundsätzliche Bezogenheit aufeinander wurzelt in der Evolutionsgeschichte von Homo sapiens: Er ist ein soziales, ein Horden-, ein Gruppenwesen, anders hätte er nicht überlebt. Körperhaltungen wohnen emotionale Ausdrucksqualitäten inne. Sie können von der Gesamtwirkung her zum Beispiel demütig, trotzig, deprimiert, lebhaft oder entspannt sein. Die Körperhaltung ist unsere Art, grundlegende biologische Antworten von Verhaltensweisen auszudrücken (Fogel, 2013). Sie ist Ausdruck des neurobiologischen Systems von Emotion und Einstellung zu etwas und Orientierung zu oder weg von der Welt. Die verfestigte Art und Weise, wie sich Emotion und Stress auf die Muskelspannung auswirken und wie sich umgekehrt Muskelspannung auf die Gefühle von Stress und unser emotionales Befinden auswirkt, schafft eine Art Panzer im Sinne des muskulären Substrats von Sicherungs- und Selbstschutztendenzen, eine schützende Hülle von Muskelspannungen als zeitüberdauernde Reaktion auf Bedrohung, Angst und Trauma, vergleichbar dem Charakterpanzer (Reich, 1945).

Der ganzheitliche Blick auf das Seelische: die Lebensbewegung

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3.2 Implizites Beziehungswissen und implizites reziprokes Körperlesen Unserer evolutionsgeschichtlich gewachsenen sozialen Intelligenz liegt eine Wissensstruktur zugrunde: das implizite Beziehungswissen, gleichermaßen der Stoff, aus dem Kommunikation gemacht ist (Mertens, 2012, S. 202). Implizites Beziehungswissen stellt eine Untermenge des prozeduralen Wissens dar und bezieht sich auf unbewusst eingelernte Verhaltensweisen und damit verbundene Gedächtnissysteme (Sassenfeld, 2012). Der erstmals von Polanyi (1958) formulierte Begriff »implizites Wissen« (orig.: »tacit knowing«, »tacit dimension«) bezeichnet ein epistemologisches Konzept an der Grenze zwischen Psychologie und Biologie und war ursprünglich im engeren Sinn nicht (nur) als Beziehungswissen konzeptualisiert, sondern generell als Wissen, »das sich nicht in Worte fassen lässt« (Polanyi, 1966; dt. 1985, S. 17), bzw. als ein solches, das »sogar unseren eigenen inneren Gedanken verschlossen bleibt« (Cytowic, 1996, S. 26), sich aber dennoch hochgradig verhaltenssteuernd bemerkbar macht. Beispiele für das implizite Beziehungswissen sind Aspekte der Nähe-Distanz-Regulierung (über Blickkontakt, über räumliche Positionierungen und Körperhaltungen), die Regulierung autonomer vs. gemeinsamer Intentionen (Hilfe erwarten, Aufforderung zum gemeinsamen Tun), die verhaltensmäßige Steuerung von Dominanz vs. Unterwerfung, Vitalitätsaspekte (z. B. wie nachdrücklich darf ich meine Wünsche ausdrücken?) und relational-emotionale bereits im Babyalter erlernte Strukturen, wie etwa: Kann ich durch heftiges Weinen mein Gegenüber bewegen, doch noch in meiner Nähe zu bleiben? Was kann ich mit Fröhlichkeit erreichen? Wie kann ich es vermeiden, meine Mutter durch zu viel gezeigte Anhänglichkeit zu nerven? (Mertens, 2012, S. 201 f.). Im Begriffsverständnis, das mittlerweile im psychoanalytischen Sprachgebrauch üblich ist, meint implizites Beziehungswissen ein Set an evolutionsgeschichtlich bedeutsamen Fähigkeiten vorwiegend nichtkognitiver Natur im Sinne zunächst angeborener und im späte24

Theoretische Schwerpunkte

ren Lebensverlauf durch Lernerfahrungen überformter sozial bedeutsamer Gedächtnisstrukturen, verbunden mit Wahrnehmungs- und Handlungsdispositionen (Clyman, 1992; Lyons-Ruth, 1999). Implizites Wissen ist hochgradig komplex, verkörpert (»embodied«) und aufgrund neurobiologischer Gegebenheiten für das symbolische Denken schwer zugänglich (LeDoux, 1996). Es betrifft besonders emotionale Prozesse: »Wir haben entdeckt, dass die Fähigkeit, Symbole zu schaffen und zu denken, genau jenem Bereich entstammt, den Philosophen oft als den ›Feind‹ der Vernunft und Logik betrachten: unseren Leidenschaften und Emotionen« (Greenspan u. Shanker, 2007, S. 9). Beim Menschen ist es eine sehr spezielle Eigenschaft, die den Weg zur Symbolbildung bahnt, nämlich die Fähigkeit, »elementare Emotionen in eine Reihe von sukzessiv komplexer werdenden interaktiven emotionalen Signalen zu transformieren« (S. 9). Derartige prä- und subsymbolische Prozesse organisieren Fähigkeiten wie die Regulierung der Aufmerksamkeit, wechselseitige zielgerichtete Kommunikation, Synchronisierung von Kontaktbewegungen, Imitation von Gesichtsausdrücken, Lauten und Gesten, emotionale Teilnahme und die aktive Beeinflussung der Bezugspersonen. Die Entwicklung des impliziten Wissens beginnt vorgeburtlich (vgl. Geißler, 2007a, 2014), vermutlich auf der Basis einer biologischen Grundausstattung. Es mehren sich jedoch Hinweise auf epigenetische Mechanismen (Bauer, 2008) und auf kulturell erlernte und seit Millionen von Jahren von Generation zu Generation weitergegebene Formen des »emotionalen Signalisierens« (Greenspan u. Shanker, 2007). Homo sapiens entwickelte sich aus Überlebensgründen zu einem »ultrasozialen Wesen« (Hrdy, 2010), daher war es für ihn von Vorteil, dass sich eine Wissensstruktur entwickelte, die zu garantieren vermochte, dass das Subjekt bereits vor jedem sozialen Kontakt über eine soziale Konstitution verfügt. Dieser Annahme entspricht die Theorie der primären Intersubjektivität von Trevarthen (1998) ebenso wie die Theorie des präexistenten virtuellen Anderen von Braten (1992, 1997), der eine bereits vorgeburtlich determinierte Ausstattung des Säuglings mit unbewussten Erwartungen annimmt, Implizites Beziehungswissen und implizites reziprokes Körperlesen

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welche zunächst nicht in spiegelnden Interaktionen erworben werden, sondern ihnen vorausgehen. Implizit weiß bereits der Fetus um die Existenz eines Anderen. Diese in direkter Form kaum nachweisbare These stützt Braten darauf, dass der Säugling nicht alle Interaktionsangebote akzeptiert, sondern dass das Zustandekommen früher Interaktion ab dem Zeitpunkt der Geburt an Erfüllungsbedingungen gebunden ist, wobei vor allem der vokal-»musikalische« Austausch von besonderer Bedeutung zu sein scheint: Eine bestimmte Tonhöhe spricht den Säugling an, ein bestimmtes Sprechtempo, eine bestimmte Sprachmelodie sowie die zeitliche Passung der elterlichen Interaktionsantworten. Es sind eher die Handlungen von Personen in bestimmten qualitativen und quantitativen Ausprägungsformen, auf die der Säugling reagiert. Die interaktiven Antworten bzw. NichtAntworten des Säuglings, wie sie sich im Still-Face-Experiment zeigen (Tronick, Als, Adamson, Wise u. Brazelton, 1978), drücken seine Einschätzung dieser Akte aus; der Maßstab für die Einschätzung entstammt seiner inneren Welt. Trevarthen (1998) spricht von universalen, kulturinvarianten Eigenschaften der Ammensprache, die von Neugeborenen anderen Lautäußerungen vorgezogen wird. Es scheint, als wenn angeborene Erwartungen Teil einer mentalen oder zerebralen Skizze einer idealen Mutter wären. In der klinischen Situation verläuft der Beziehungsaustausch zwischen Patient und Therapeut gleichzeitig auf zwei Ebenen: einer expliziten, verbalen, mit der linken Seite des Gehirns verbundenen und einer impliziten, nonverbalen, mit der rechten Seite des Gehirns verbundenen Kommunikation (Sassenfeld, 2010). Das bedeutet, dass unentwegt ein implizites, reziprokes »Körperlesen« stattfindet, welches es Patient und Therapeut erlaubt, auf einer nicht bewussten Ebene die nonverbalen Botschaften zu entschlüsseln, die die spezifischen Worte beider begleiten. Aus neuropsychoanalytischer Perspektive ist die dyadisch-therapeutische Interaktion oft in größerem Maße von der bidirektionalen Kommunikation von rechtem Hirn zu rechtem Hirn bestimmt als von der expliziten, verbalen Verständigung (Beebe, 1998; Schore, 2003, 2005). 26

Theoretische Schwerpunkte

Das Lesen der Absichten des Anderen, in der Evolutionsbiologie als Fähigkeit zum Gedankenlesen bezeichnet, ist im Kern ein Körperlesen (Sassenfeld, 2010). Die Entstehung von Bedeutung ist dabei ein vielschichtiger Prozess, der physiologische, subsymbolische und andere Eindrücke impliziert. Aufgrund der Dominanz der nonverbalen Domäne teilen sich Patient und Therapeut vielfach in Handlungssequenzen mit, die eine intrinsische Bedeutung besitzen (Mertens, 2012, S. 260). Auch alles sprachliche Sichmitteilen beruht auf Bewegungsformen (Lakoff u. Johnson, 1999), es ist ebenso verkörpert, »embodied«. In körpertherapeutischer Hinsicht bezieht das Körperlesen die systematische Betrachtung des Gesichtsausdrucks, der Körperhaltung, Gestik, der Qualität von Bewegungen, der Atmung und anderer Parameter mit ein. Es kann auch das Annehmen und Nachahmen von Körperbewegungen oder der generellen Haltung des Patienten beinhalten, um die Empfindungen, Gefühle und Gedanken, die diese im Therapeuten auslösen, von einem empathischen Standpunkt zu erfahren (Sassenfeld, 2010, S. 73). Doch wurzelt diese Idee in der Ein-Personen-psychologischen Sichtweise der Bioenergetischen Analyse (Lowen, 1981), in der das grundlegende Aufeinanderbezogensein von Patient und Therapeut nicht in der hier gemeinten Bedeutung von Körperlesen betont wird als einem konstant ablaufenden, vorbewussten, reziproken Geschehen im Dienste wechselseitiger Regulierung.

3.3 Interaktionelles Feld und interaktionelle Übertragungsanalyse Im Zuge der zunehmenden Bedeutung des wechselseitigen, reziproken interaktionellen Austausches – auch interaktionelles Feld genannt – ist ein neues Verständnis von Übertragung entstanden, das Übertragungsvorgänge nicht mehr nur als Folge der Projektionen des Patienten definiert, sondern auch die Person des Therapeuten und Interaktionelles Feld und interaktionelle Übertragungsanalyse

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seinen Beitrag zur Übertragung ernst nimmt. Übertragung und die antwortende Gegenübertragung sind somit keine reine Schöpfung des Patienten oder der Patientin mehr, sondern eine gemeinsam gestaltete, kokreierte Beziehung, in der letztlich nicht nur die inneren Schemata und Organisationsprozesse des Patienten gestaltend wirken, sondern auch die Persönlichkeit, Konflikte und Abwehrmuster des Therapeuten die jeweilige Ausgestaltung der Beziehung beeinflussen (Bettighofer, 1998). Im interaktionellen Feld verknüpft sich das implizite Beziehungswissen des Patientin mit dem des Therapeuten. »Spätestens, seitdem wir erkannt haben, dass unsere Gegenübertragung nicht nur aus Gefühlen und Gedanken besteht, sondern auch aus Verhaltensweisen, die sich in der Interaktion zu unserem Gegenüber kontinuierlich ausdrücken, kommen wir nicht umhin, auf die non- und paraverbalen Aspekte unserer sprachlichen Äußerungen und natürlich auch auf Mimik und Gestik, sofern der Patient uns gegenübersitzt, noch viel stärker als früher zu achten« (Mertens, 2012, S. 314). Mit anderen Worten, Übertragung und Gegenübertragung finden, entgegen dem traditionellen Paradigma, nicht nur im mentalen Raum statt. Unentwegt findet dabei Körperlesen statt. In einem subtilen zirkulären interaktionellen Prozess kommt es auf der Ebene der unmittelbaren nonverbalen Kommunikation immer zu einem Mithandeln der Therapeutin, des Therapeuten. Patient und Therapeut be-handeln einander. Inszenierendes Mitagieren durch den Therapeuten ist nicht nur unvermeidlich, es ist durchaus erwünscht und verleiht jeder Beziehung einen einmaligen und individuellen Charakter (Bettighofer, 2013): »Die so entstehenden Handlungsdialoge […] sind ein ideales Medium der Erkenntnis und Behandlung. Dabei kann die jeweilige Beteiligung des Therapeuten sehr unterschiedlich sein und reicht von Gegenübertragungsgefühlen bis hin zu heftigen Affekten, die zu Regelverletzungen (Hübner, 2009) und anhaltenden Verwicklungen und Übertragungs- und Gegenübertragungsneurosen führen können« (Bettighofer, 2013, S. 109). 28

Theoretische Schwerpunkte

Positive und negative Erwartungshaltungen lösen aufseiten des Therapeuten einen Druck aus, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten und zu fühlen, dem sich kein Therapeut entziehen kann (Streeck, 2004). »Dieser manipulierende Druck ist zwar am intensivsten als Folge einer projektiven Identifikation bei strukturell gestörten Patienten zu spüren. Jedoch ist dieser interaktionelle Vorgang nicht auf diese Patientengruppe beschränkt, sondern wird hier durch seine Intensität nur besonders deutlich. Es handelt sich um einen ubiquitären Vorgang, der in allen Interaktionen im Alltag und ebenso in der therapeutischen Beziehung stattfindet« (­Bettighofer, 2013, S. 109 f.). Im Hinblick auf die Behandlungstechnik bedeutet dies, »dass ein Mithandeln, auch ein neurotisches, letztlich nicht zu vermeiden ist, und [wir] lassen uns deshalb eher in dialogische Enactments verwickeln, wo ein klassischer Analytiker neutrale Zurückhaltung versucht und mit einer Deutung reagiert hätte. Diese Anerkennung des Involviertseins und die Bereitschaft zur Rollenübernahme meint jedoch kein leichtfertiges Ausagieren, sondern bedarf im Gegenteil einer ständig begleitenden Selbstreflexion, um Enactments zu erkennen. So kommt diese Arbeitsweise situativ zwar eher manchmal in die Nähe eines Alltagsdialogs, stellt jedoch durch diese begleitende selbstreflexive Haltung hohe Ansprüche an die Kompetenz des Therapeuten« (Bettighofer, 2013, S. 110) und wird von manchen Autoren in die Nähe von »Kunst« gerückt (Tuckett, 2012). Inszenierendes Mitagieren durch den Therapeuten ist der neuen Sicht von Übertragung und Gegenübertragung zufolge unvermeidlich und verleiht der Beziehung ihren individuellen Charakter. In der Interaktion mit dem Therapeuten inszeniert sich die Neurose des Patienten. Die so entstehenden Handlungsdialoge, bei jeweils unterschiedlicher Beteiligung des Therapeuten, sind ein ideales Medium der Erkenntnis und Behandlung. Bedeutungsgebung vollzieht sich dabei auf zweierlei Weise: durch analytische, kognitive Reflexion sowie auf der Ebene des »basalen Verstehens« (Heisterkamp, 2002), eines Handlungs- und Gefühlswissens, das nicht immer einer kogniInteraktionelles Feld und interaktionelle Übertragungsanalyse

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tiven Einordnung bedarf; »wie es sich anfühlt« ist der entscheidende Erkenntnisgewinn. Fundiertes psychoanalytisches Wissen, körpertherapeutische Selbsterfahrung und die Offenheit, sich nicht zu sehr theorie- oder Über-Ich-geleitet, sondern im Bekenntnis zur eigenen Individualität auf den therapeutischen Prozess einzulassen, kreieren ein lebendiges Miteinander, das beide Interaktionspartner herausfordert und verändert. Es bedarf einer hohen psychotherapeutischen Kompetenz, beispielsweise den eigenen Widerwillen gegen eine vom Patienten gewünschte körpertherapeutische Intervention als Gegenübertragung zu halten (vgl. dazu das Beispiel unter 5.7) und entwicklungsförderlich in die Behandlungsbeziehung zu bringen. Auch hier wirkt sich die Möglichkeit körpertherapeutischer Interventionen besonders aus. Sie machen sowohl dem Patienten als auch dem Therapeuten einen eventuellen unechten Kontakt besonders spürbar. Bei der Analyse der Übertragung kann häufig beobachtet werden, dass auch die Patienten deutlich spüren, wenn etwas im Kontakt mit dem Therapeuten oder der Therapeutin nicht stimmt. Weil sie meist Angst davor haben, das zu äußern, erfahren wir es meist erst nachträglich.

3.4 Handeln als Erkenntnisquelle in der psychoanalytischen Therapie Vorauszuschicken ist, dass in einer analytischen Form von Körpertherapie kein Patient in ein offenes Setting gedrängt wird. Nicht selten verlaufen Therapien entweder über weite Strecken oder manches Mal auch vollständig im verbalen Raum. Vorausgesetzt, Patient und Therapeut sind dazu bereit, ist der Wechsel ins offene Setting, in den Handlungsraum, jedoch möglich. Im intendierten Miteinanderhandeln bzw. in der inszenierenden Interaktion (Scharff, 1995a, 1995b) ist der Therapeut Teil der zu gestaltenden Szene, er »spielt mit«. Dazu Scharff (2007, S. 86): »Eine 30

Theoretische Schwerpunkte

typische Intervention ist etwa: ›Wie wäre es, wenn Sie … (einem Gefühl, einer Vorstellung, einer Erinnerung, einem Wunsch) einmal unmittelbar körperlichen Ausdruck verleihen?‹ Oder/und: ›Wie würde sich das … in einer entsprechenden Szene zwischen uns körperlich ausdrücken?‹ Es kann auch sein, dass der Behandler die körperliche Inszenierung als Folge eines entsprechenden Gegenübertragungsgefühls zunächst einmal mit der eigenen ›Aktion‹ beginnen lässt: ›Wie wäre es, wenn ich mich etwas mehr in Ihre Nähe setze (und Sie unter Umständen meine Hand halten können?‹), oder: ›Wie wäre es, wenn ich mich einmal so vor Sie stelle, wie Sie es mir gerade von Ihrem Vater geschildert haben?‹«. Die Folge (Scharff, 2004, S. 66): »Das in der gemeinsam gestalteten Szene Erlebte wird zum Kristallisationspunkt körperlich-emotional fundierter transformativer Prozesse. Die intersubjektiv-dialogische Szene entfaltet in leiblich-seelischer Unmittelbarkeit nicht nur die alte pathologische Matrix, sondern es realisiert sich unter Einbezug des körperszenischen Dialogs allmählich eine alternative Möglichkeit des Selbst- und Objekterlebens. […] Die im szenischen Probehandeln miteinander verbundenen Momente von Sprache und symbolischer Aktion, von Sehen, Hören, sich verändernder räumlicher Positionierung und eventuell auch das durch die Berührung veränderte Körpererleben könnten als Erfahrungsgesamt vielleicht etwas Unabweisbares haben, das allmählich seine Spuren hinterlassen würde« (Scharff, 2004, S. 71). Therapeutische Handlungen werden somit zu einer besonderen Form der Erkenntnis im psychotherapeutischen Geschehen. Die sinnlich-körperliche Dimension vermag latente psychische Inhalte in einer teilweise starke Affekte auslösenden Weise zu mobilisieren und manches Mal kathartische Gefühlsreaktionen zu bewirken, die dem Patienten vorher nicht zugänglich waren. Den damit verbundenen Einsichten wohnt eine starke Überzeugungskraft inne. Ob als Zeuge, als Begleiter oder als Mitakteur setzt sich der Therapeut seiner eigenen (Mit-)Bewegung aus. Diese ist wiederum konstitutiv für das, was der Patient, die Patientin in der Szene erleben kann – es geht nicht ohne den beteiligten Anderen (Scharff, 2007). Handeln als Erkenntnisquelle in der psychoanalytischen Therapie

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Abstinenz ist dabei aus Sicht der psychodynamischen Körperpsychotherapie keine Frage des physikalischen Abstands, sondern kann nur aus dem situativen Kontext verstanden werden; dieser kann einmal entwicklungsförderlich und ein anderes Mal entwicklungshemmend sein. Intensives emotionales Berührtsein kann durch leiblichen Kontakt sowohl vermieden als auch erst ermöglicht werden, wie umgekehrt das Erleben ohne einen leiblichen Kontakt gefördert oder verleugnet werden kann. Deswegen wird Abstinenz als eine um den Prozess des Patienten zentriert bleibende Mit-Bewegung verstanden, und mangelnde Abstinenz als eine Entgleisung der Beziehung in eine Benötigung, in der sich Patient und Therapeut in ihrem labilisierten Selbstwertgefühl wechselseitig auf Kosten des anderen zu stabilisieren versuchen (Geißler u. Heisterkamp, 2013).

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Theoretische Schwerpunkte

4  Indikationen und Anwendungsbereiche

Psychodynamische Körperpsychotherapie im ambulanten Setting findet bei Patienten Anwendung, die für ambulante psychoanalytische Behandlung geeignet sind: Patienten mit frühen Störungsanteilen, Patienten mit psychosomatischen und funktionellen Beschwerdebildern und Patienten mit Körperschemastörungen (genauer Kriterienkatalog bei Becker, 1989, 2009). Weniger geeignet ist dieser Ansatz bei Patienten, die leicht dramatisieren, bei akuten Delirien, bei Patienten mit Verwirrtheitszuständen, bei schizophrenen und manischen Zustandsbildern, bei soziopathischen Patienten und bei suchtkranken Menschen, bei denen das Suchtproblem im Zentrum der Pathologie steht und die sich weigern, eine Entziehungskur zu machen. Im stationären Setting findet psychodynamische Körperpsychotherapie in der Analyse Erwachsener Anwendung bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen (Reinert, 2004, 2007) und bei Patientinnen und Patienten mit Essstörungen, wobei diese Behandlung vorzugsweise im Gruppensetting erfolgt (Maaser, 2007). Besonders förderlich ist psychodynamische Körperpsychotherapie in der Analyse Erwachsener bei Patienten mit ausgeprägtem Abwehrund Sicherungsverhalten (mäßig strukturierte Patienten nach O ­ PD-2, Arbeitskreis OPD, 2009), die in zwanghafter Weise versuchen, die Assoziationsregel zu erfüllen und dabei ihr mentales und leibliches Erleben einschränken, indem sie es dauernd intellektualisieren oder psychologisieren (Geißler u. Heisterkamp, 2013, vgl. dazu das Beispiel in Abschnitt 5.8). Bei diesen Patienten, aber auch bei Patientinnen und Patienten mit Essstörungen und Alexithymie kann psychodynamische körperbezo33

gene Gruppentherapie eine wirksame Alternative zur Einzeltherapie sein. Das Gruppengeschehen stellt einen interpersonalen, interaktionalen Beziehungsraum dar, in dem gleichzeitig neue Lern- und Selbsterfahrungen gemacht werden. Krank machende Konflikte werden unbewusst inszeniert, um sie dann mithilfe der spiegelnden, interagierenden Gruppe besser zu verstehen und befriedigender damit umgehen zu lernen. Gruppentherapie ist ein Ort des sozialen Erlernens und des Probehandelns für neue Einstellungen, neue Verhaltensweisen und korrektive emotionale Erfahrungen. Für die körperbezogene Gruppentherapie beschreiben Maaser, Besuden, Bleichner und Schütz (1994, S. 70) eine spezifische »quantitative wie qualitative Fähigkeitserweiterung« aufgrund bewusst geförderter Sensibilisierung von Wahrnehmung und Verarbeitung der basalen, körpernahen Erlebniswelt, die einen strukturellen Bestandteil der Selbstrepräsentanz darstellt. Der Erkenntnis- und Wandlungswert von solchen durchlebten, mitagierten szenischen Interaktionen kann um ein Vielfaches intensiver und effektiver sein als kognitiv vorgetragene verbale Diskussion. Neben dem Durcharbeiten von unbewussten Übertragungen und Widerständen ermöglicht die Gruppenarbeit »das Sammeln von Realitätserfahrungen wie auch die Infragestellung von früh erlernten neurotischen Verhaltensweisen und das Neuerlernen eines der aktuellen Realität angemesseneren Verhaltens« (Battegay, 1999, S. 58). So entsteht eine prozesshafte »Verstärkerwirkung« von Gefühlen und Kognitionen im Gruppenprozess. Das Erkennen unverarbeiteter Probleme bei anderen Gruppenmitgliedern und das Miterleben von deren Gefühlen und Gefühlskonflikten können latente und gehemmte Gefühle, Phantasien, Impulse und Erinnerungen scheinbar gefühlsarmer, überkontrollierter Teilnehmer mobilisieren. Bei anderen Teilnehmern werden mit dem Gefühlsbereich eng verbundene kognitive Funktionen aktiviert. Alle werden mit der Realität anderer Beziehungsmuster und Verarbeitungsformen in dem »realitätsintensiven Beziehungssystem« der Gruppe konfrontiert (Battegay, 1999, S. 58 f.). Vorher abgewehrte Konflikt- und Mangelerfahrungen 34

Indikationen und Anwendungsbereiche

sowie bisher unerkannte psychische und soziale Ressourcen werden sichtbar, erlebbar, behandel- und handhabbar. Es werden »Spielräume für die Erprobung wechselnder Beziehungskonstellationen und damit für Selbstregulations- und Selbstorganisationsphänomene« hergestellt (Heinzel, 2001, S. 114). Körperselbsterfahrungsgruppen ermöglichen ein Lernen im Bereich des impliziten Beziehungswissens. »Durch Berührung werden Gefühle von Zug und Druck, die Wärme der Hand und ihre […] Bewegung erfahren. Die Person ist beschäftigt mit dem nachlassenden Muskeltonus, der Vertiefung und Regelmäßigkeit der Atmung, der abdominalen Ruhe und verbesserten Zirkulation in der sich ausdehnenden Haut. Sie spürt ihre primitivsten bewusst vergessenen Muster und erinnert sich an das Wohlbefinden eines kleinen heranwachsenden Kindes« (Feldenkrais, 1981, S. 12). Berliner (1998, 2001) zeigt anhand einzelner Beispiele, wie sich ambulante Einzel- und Gruppenkörperpsychotherapie kombinieren lassen.

Indikationen und Anwendungsbereiche

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5 Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie

5.1  Ausstattung des Therapieraums Zur haltenden und fördernden psychotherapeutischen Umwelt gehört primär eine freundliche und annehmende Atmosphäre mit bequemen Möglichkeiten, sich (nach den jeweiligen psychotherapeutischen Erfordernissen) zu setzen und zu legen, aber auch genügend Raum, um sich zu bewegen. Wichtige Materialien sind – zusätzlich zur Couch und zur Sitzgruppe – ein 90 × 80 × 60 cm messender Schaumstoffwürfel, vom Material her fest, aber nicht hart, und eine Therapiematte. Einige Patientinnen und Patienten können beispielsweise ihre Wut besser spüren, wenn sie den Schaumstoffwürfel mit ihren Händen schlagen oder mit ihren Füßen treten. Das Liegen auf der Matte eignet sich besonders dann, wenn es im Zuge körperlicher Regressionen wichtig ist, dass der Therapeut dem Patienten gegenüber verschiedene Positionen und Abstände einnehmen kann, etwa einmal links und das andere Mal rechts vom Patienten zu sitzen oder einmal an seinem Kopf- und das andere Mal an seinem Fußende.

5.2 Psychotherapeutischer Rahmen und Arbeitsbündnis Psychodynamische Körperpsychotherapie findet in einer ausdrücklich aus dem Alltag herausgenommenen Situation statt. So entsteht eine Als-ob-Realität, die trotz allen Ernstes und Notvollen etwas Exemplarisches und Spielerisches in das therapeutische Geschehen einbringt. Innerhalb eines geschützten Behandlungsfeldes erhält der Patient 36

einen Möglichkeits- und Anregungsraum, um seine seelische Wirklichkeit mit dem Therapeuten in Szene zu setzen. So entsteht ein therapeutischer Freiraum, in dem das Wirkungsgeschehen zwischen Patient und Therapeut punktuell angehalten, einfühlend begleitet, intersubjektiv behandelt und reflexiv durchdrungen werden kann. Das interaktive und intersubjektive Geschehen begründet, ermöglicht und regt immer wieder selbstschöpferische und heilsame ­Wandlungserfahrungen an (Geißler u. Heisterkamp, 2013). Das therapeutische Zusammenspiel von Patient und Therapeut wird im Arbeitsbündnis geregelt. Darüber hinaus kommen bei der psychodynamischen Körperpsychotherapie Modifikationen ins Spiel, die das Wesen der therapeutischen Situation in mehrfacher Hinsicht unterstreichen. Die körperlichen Selbstbewegungen werden ausdrücklich in die analytische Regel der freien Assoziation mit einbezogen, das heißt, der Patient wird gebeten, nicht nur auf seine mentalen Zustände und Einfälle, sondern auch auf seine körperlichen Wahrnehmungen und Empfindungen zu achten. Der Patient möge also – soweit es ihm möglich ist – alles, was ihm einfällt, was er fühlt, was er körperlich empfindet und welche körperlichen Impulse er verspürt, mitteilen. Ferner wird vor Beginn der Behandlung auch auf eventuelle Bewegungs- und Berührungsproben hingewiesen. Der Patient wird darüber informiert, dass solche immer erläutert und vorbereitet werden und dass es sich dabei nicht um zu erledigende Aufgaben handelt, sondern um Angebote, sich tiefer zu erfahren und zu verstehen. Auch wenn er jeweils um seine Einwilligung für solche Handlungsproben gebeten und auch nachträglich die entstandene Szene daraufhin befragt wird, ob sie für ihn bekömmlich gewesen ist, versichert der Therapeut ihm, dass auch er mit darauf achtet, ob dem Patienten zum jeweiligen Zeitpunkt solche Proben zumutbar sind. Entsprechend dieser Auffassung verändert sich auch das Setting. Die psychotherapeutische Situation wird ausdrücklich über die zwei Quadratmeter der Couch bzw. über den Beziehungsraum zwischen Couch und Sessel hinaus auf den gesamten Praxisraum ausgedehnt (Geißler u. Heisterkamp, 2013). Psychotherapeutischer Rahmen und Arbeitsbündnis

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5.3 Öffnung des Settings 1: von der Phantasie zur konkreten Interaktion Bereits während der Begrüßung erschließen sich der Therapeutin, dem Therapeuten durch die Art und Weise des Handschlags, aber auch der begleitenden Nähe-Distanz-Regulierung (Augenkontakt, Körperpositionen, Händedruck) und prosodischer Elemente wichtige Informationen über den Patienten. Worm (2007a, S. 213 ff.) berichtet aus der Supervision mit einem Therapeuten, der bei der Begrüßung einer Patientin wahrgenommen hatte, dass sie ihn beim Handschlag ein klein wenig zu sich heranzog. Wie kann man eine solche körperliche Beobachtung therapeutisch aufgreifen? Man kann sich dem beschriebenen Geschehen etwa so annähern: »Wenn Sie sich noch einmal vorstellen, wie wir uns begrüßen, erscheint Ihnen dabei irgendetwas besonders?« Dies wäre eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob die Patientin überhaupt wahrnimmt, dass sie den Therapeuten zu sich heranziehen möchte. Nehmen wir an, die Patientin spürt, dass sich in der Begrüßungsszene etwas merkwürdig anfühlt. Nehmen wir an, sie lässt sich darauf ein, darüber zu reden. Man kann nun konkreter als vorhin einfach eine Handlungsphantasie anregen, etwa: »Könnten Sie sich vorstellen, dass wir uns jetzt in der Stunde noch einmal so begrüßen, wie wir es am Anfang tun? Was geschieht in Ihnen, wenn Sie dieser Phantasie einmal folgen?« Es ist oft erstaunlich, wie allein durch die Handlungsphantasie Affekte oder auch Abwehrstrategien auftauchen, die vorher nicht zugänglich waren: »Da werden mir schon die Hände kalt, wenn ich nur daran denke« – also Angst. Oder: »Da hätte ich Angst, dass ich Ihre Hand nicht mehr loslassen möchte, ich schwitze jetzt schon, wenn ich mir das vorstelle, und dann würden Sie sich vielleicht vor mir ekeln« – also Angst vor dem Durchbruch oraler Anklammerungswünsche, die Ekel hervorrufen. 38

Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie

Oder: »Ich glaube, ich würde mich auf der Stelle umdrehen und weglaufen. Ich könnte es nicht ertragen, dass Sie mich dabei länger ansehen und ich dann so klein werde« – also Fluchtimpulse und die Angst, in eine beschämende Regression zu geraten. Oder im Sinne eines kontraphobischen Zugangs: »Also los, packen wir’s an!« – hier werden die Ängste also einfach übersprungen. Spezifische Abwehrformen und Kontaktängste werden allein durch die Handlungsphantasie greifbarer, auch für die Patientin, den Patienten. Man könnte beispielsweise auch sagen, und das wäre jetzt eine weitere Verdichtung: »Es geht mir nach, wie wir uns begrüßen. Mein Eindruck ist, Sie möchten mich näher zu sich heranziehen.« Gibt man der Gegenübertragung auch einen direkten Ausdruck, könnte man fortfahren: »… und ich ziehe mich davor zurück.« In der Vorstellung des Patienten wird viel deutlicher das unmittelbare interaktive Geschehen angeregt, jedoch immer noch im nachträglichen Reflektieren, das heißt aus sicherer Distanz. Man könnte auch sagen: »Ich glaube, es gibt einen Konflikt zwischen uns, in dem Sie sich mehr Zuwendung von mir wünschen, aber bei mir fürchten, dass ich darauf nicht eingehe.« In einer solchen Formulierung wird das Konflikthafte angepeilt, vor allem aus der inneren Perspektive des Patienten. Der entscheidende Schritt in die konkrete Handlungsprobe könnte so aussehen: »Könnten Sie sich vorstellen, dass wir uns jetzt in der Stunde tatsächlich noch einmal so begrüßen, wie wir es am Anfang tun?« Es wäre dies der Einstieg in die Arbeit im offenen Setting, in die konkrete Interaktion, deren Detailmodalitäten miteinander im nächsten Schritt gemeinsam ausgehandelt werden. Es gilt dabei, die Ängste des Patienten im Auge zu behalten und ihn am besten in einer »mittleren Dosis« herauszufordern, also ihn weder zu unterfordern noch zu überfordern. Ein wichtiger Indikator dafür ist die Gegenübertragung. Als therapeutisch sinnvoll kann sich ebenso immer wieder der Vergleich zwischen phantasierter und konkret durchgeführter Handlung bzw. Interaktion erweisen. Phantasierte Ängste der PatienÖffnung des Settings 1: von der Phantasie zur konkreten Interaktion

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tin oder des Patienten lassen sich durch den unmittelbaren Vergleich mit der Realerfahrung ggf. wirksam modifizieren. Nicht selten ist dies der Ort korrektiver Erfahrungen (vgl. das später folgende Beispiel auf der Handlungsebene körperliche Berührung, 5.8).

5.4 Öffnung des Settings 2: von der Körperwahrnehmung zur Bewegung Körperliche Selbstwahrnehmung entwickelt sich beim Baby im frühen körperlichen Dialog mit den Pflegepersonen. Verkörperte Selbstwahrnehmung gründet auf Empfinden, Fühlen und Handeln, ist spontan, kreativ und offen für Veränderung und wird gegenwärtig, im Augenblick, gelebt. Auf Sprache und Denken gründende Körperwahrnehmung ist rational, logisch und erklärend, sie überwindet den gegenwärtigen Augenblick (Fogel, 2013, S. 28). In der psychodynamischen Körperpsychotherapie ist die Wahrnehmung der Atmung ein wichtiges Element. Unsere Atmung reagiert sensibel auf Zustände von Sicherheit und Bedrohung; sie ist dabei ständig in Bewegung. Angestrengter Atem ist ein Indikator für Emotionen und Empfindungen, die in vergangenen Bedrohungssituationen unterdrückt wurden, und das gilt genauso für Emotionen, die im Moment verdrängt werden und noch nicht Teil der verkörperten Selbstwahrnehmung sind (Fogel, 2013, S. 218). Ferner existieren mit Emotionen assoziierte Atemmuster. Freude ist verknüpft mit langsamen Atemzügen mit längerer Aus- als Einatmung und langer exspiratorischer Pause. Wut ist begleitet von extrem tiefer und schneller Atmung mit kleinen Schwankungen und keiner exspiratorischen Pause. Trauer geht einher mit längerer Inspiration, kurzen Ausbrüchen sowie Zittern und Seufzen während der Exspiration, mit oder ohne exspiratorische Pause. Angst zeichnet sich durch schnelle und schwankende Atemzüge mit unvollständigen Exhalationen aus, ohne exspiratorische Pause. In der psychodynamischen Körperpsychotherapie findet ein körperliches Lernen statt, das auf die Schärfung eines Spürbewusstseins 40

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hinausläuft (Schellenbaum, 2001). Auf diese Weise erschließt sich dem Patienten in Schritten ein körperlicher Erfahrungsraum (Körperraum, Geißler, 1994), den er über die Zeit hinweg immer besser zu differenzieren vermag. Körperliche Lernprozesse beinhalten die gefühlsmäßig zunehmend klare Unterscheidung zwischen Panzerung als erstarrter Bewegung, einhergehend mit dem Verlust der vollständigen verkörperten Wahrnehmung, und Lebendigkeit im Fluss der Lebensbewegungen. Analog zur psychoanalytischen Arbeitsweise der Abwehranalyse erschließen sich in der Körperarbeit dem Patienten bisher unerschlossene Lebensbewegungen oft zunächst über das Erspüren eigener Blockaden, wie sie sich beispielsweise in Muskelspannungen oder Hemmungen einer freien Atmung verkörpern. Damit sich körperliches Spürbewusstsein entfalten kann, ist es während bestimmter Phasen der analytischen Arbeit weniger wichtig, den Patienten mit verbalen Interventionen (z. B. Klarifikationen, Konfrontationen oder Deutungen) zu begleiten, sondern als Therapeut eine wahrnehmungszentrierte Haltung einzunehmen: kaum wahrnehmbare Affektindikatoren geduldig erspüren, hinhören und ggf. (wenn überhaupt) erst anschließend mit Bildern und Worten verbinden. Die wahrnehmungszentrierte Haltung des Therapeuten zielt ebenso darauf ab, emotionale Subkontexte zu erspüren und aufeinander abzustimmen sowie die sich immer wieder spontan ereignenden Fehlabstimmungen zu registrieren, mit dem Ziel, sie entweder spontan oder gemeinsam mit dem Patienten auszuregulieren, zu »reparieren« (Mertens, 2012, S. 265). Im Kern geht es darum, sich Zugang zu jenen Aspekten impliziter Beziehungsprozeduren zu verschaffen, die zu psychischen Störungen im Umgang mit sich selbst und mit anderen Menschen geführt haben. Häufig kommen Patienten zur Körperpsychotherapeutin, zum Körperpsychotherapeuten mit einer verklärten Auffassung über körperpsychotherapeutische Heilswirkungen. Sie versprechen sich von den Übungen und Techniken der Körperpsychotherapie eine Linderung und Heilung wie von den Medikamenten und Operationen des Arztes. Sie liefern ihr Wohl und Wehe einem Heiler aus und erhofÖffnung des Settings 2: von der Körperwahrnehmung zur Bewegung

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fen sich eine Besserung allein durch ihre Bereitschaft, seinen Anweisungen und Anwendungen zu folgen. Sie haben noch die Erkenntnis vor sich, dass sie gar nicht anders können, als ihre Lebenserfahrungen immer wieder selbst zu »machen«, auch dann, wenn sie »nichts machen«. Diese Widerstände lassen sich vom psychoanalytisch und körperpsychotherapeutisch geschulten Therapeuten aufgreifen: etwa mit der Frage, welche Einfälle oder Impulse der Patient gerade verspürt, welche mentalen oder leiblichen »Assoziationen« er hat. Was dem Patienten, der Patientin dazu auch immer einfällt, bildet dann wieder eine Szene, mit der sich arbeiten lässt. Ausdrücklich sei betont, dass sich psychodynamische Körperpsychotherapie nicht als bessere Form einer Psychoanalyse versteht, sondern als anderer, als ganzheitlicher therapeutischer Weg mit bestimmten Möglichkeiten ebenso wie Grenzen, die von Patient und Therapeut gemeinsam bestimmt werden. Jedenfalls ist eine verklärte Auffassung von Körperpsychotherapie als Widerstandsgeschehen zu betrachten und analytisch zu bearbeiten wie jeder andere Widerstand auch. Die im Folgenden beschriebenen Handlungsebenen werden aus didaktischen Gründen voneinander getrennt, gehen jedoch im praktischen Behandlungsverlauf, im therapeutischen Wirkgeschehen als gemeinsames »Werk« (Geißler u. Heisterkamp, 2007) oftmals fließend ineinander über. Das Gleiche gilt für die in diesem Buch getroffene Unterscheidung zwischen Körperregression und inszenierender Interaktion. In der Beschreibung des therapeutischen Geschehens zentriere ich in den folgenden Falldarstellungen stärker auf den körpertherapeutischen Prozess und weniger auf die begleitende analytische Reflexion.

5.5  Handlungsebene Augenkontakt Nach einer Couchanalyse und dem Besuch etlicher Selbsterfahrungsgruppen unterschiedlicher methodischer Orientierung geriet ich Ende der 1970er Jahre erstmals in eine Bioenergetikgruppe. Es war die Zeit des beginnenden »Körperbooms« in Österreich. Mein 42

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Interesse für diese damals neue Therapieform hatte mit einer intellektuellen Blockade zu tun, die ich aus eigener Kraft nicht zu lösen vermochte. Sowohl auf der analytischen Couch als auch im Zuge der Gruppenselbsterfahrungen war es mir niemals gelungen, »loszulassen«, das heißt mein Kontrollbedürfnis aufzugeben. Bioenergetikgruppen hatten damals den Ruf, dass Kontrollverlusterfahrungen an der Tagesordnung stünden, was bei mir zugleich große Neugier wie auch Angst auslöste. Mit einer erheblichen Vorspannung und einem entsprechenden Erwartungsdruck nahm ich an dieser Gruppe teil. Die »Aufwärmphase« bestand in einer Reihe von gymnastischen Übungen, die darauf abzielten, sowohl die Atmung als auch den stimmlichen Ausdruck der Gruppenteilnehmenden zu mobilisieren. Schritt für Schritt entwickelte sich dabei eine Gruppenregression. Das nun folgende, für mich damals sehr überraschende Geschehen betrachte ich nachträglich im Kontext des sich entwickelnden Gruppenprozesses. Wir wurden angeleitet, uns paarweise einzufinden und uns gegenüberzustellen. Ich stand einer jungen Frau im Abstand von etwa einem Meter gegenüber. Ich spürte eine erotische Anziehung zu ihr. Die Übungsvorgabe bestand darin, einfach Augenkontakt miteinander zu halten, ohne ein Wort zu sprechen, jedoch auf die eigene Atmung zu achten. Wir standen vielleicht zwei Minuten gegenüber und sahen uns einfach an. Sie hatte warme, anziehende Augen und erwiderte meinen Blick. In meinem Kopf ging alles Mögliche durcheinander: der Wunsch, sie zu berühren, das Gewahrsein meiner Atmung, die sich ein klein wenig beschleunigte, weil ich aufgeregt war, die Erinnerung an frühere gescheiterte Kontaktversuche bei Frauen und damit verbundene Schamgefühle. Dann geschah, ohne mein willentliches Zutun, etwas für mich Unglaubliches: Plötzlich begannen Tränen aus meinen Augen zu fließen. Mir kamen die kühlen Augen meiner Mutter in den Sinn, und dieser innere Vergleich – ihre kühlen Augen im Vergleich zu den warmen und anziehenden Augen meiner Übungspartnerin – schwemmte eine Woge an tiefer Traurigkeit an die OberHandlungsebene Augenkontakt

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fläche meines Bewusstseins. Ich begann intensiv und laut zu weinen. Es war, wie wenn sich ein innerer Schalter umgelegt hätte. Die mir vertrauten Schambarrieren waren wie weggespült. Diese kathartische Erfahrung – unvergesslich bis zum heutigen Tage – ging einher mit einer seltsamen Mischung aus dem Gefühl erhöhter Verletzbarkeit und dem Gewahrsein einer inneren Kraft. Ein derartiges Gefühl von Kraft, Klarheit und Präsenz wird in Zusammenhang mit körpertherapeutischen, oftmals kathartischen Erfahrungen immer wieder beschrieben. Es geht einher mit dem Gefühl von Verbundenheit mit anderen Menschen und mit der Welt und ist eine Wiederbelebung der amodal-ganzheitlichen frühen Lebenserfahrung des Säuglings (Stern, 1992; Fogel, 2013). In meinem Selbsterfahrungsprozess war diese Erfahrung ein Neubeginn. Diese und noch andere darauf folgende bioenergetische Körpererfahrungen haben mein inneres Gleichgewicht zwischen Affekt bzw. Impuls und Abwehr, also mein implizites Wissen, nachhaltig verändert. Das nachträgliche Sprechen über die Erfahrung war klärend, jedoch nicht der entscheidende Teil der Erfahrung. Dieser lag in der unmittelbaren Erfahrung des »Umlegens eines Schalters«, das heißt einer nur unvollständig in Worte zu fassenden körperlichen Erfahrung, die jedoch unmittelbar spürbar war und einen nachhaltigen Effekt hinterließ. Ich hatte gegenwärtig verstanden, was es heißt, »loszulassen«, und wie dieses Loslassen möglich wurde. Ich hatte unmittelbar erfahren, dass die zuvor intensiv gefürchtete Traurigkeit mich zunächst voll erfasste, aber ebenso ein Ende hatte. Ich erlebte ganz real körperlich eine wichtige Grenze: Nach ein paar Minuten war der emotionale Sturm wieder vorüber. Bereits vor dieser Erfahrung hatte ich auf kognitiver Ebene gewusst, dass jeder Mensch irgendwann wieder zu weinen aufhört. Auf die Blockade hatte dieses kognitive Wissen keinen Einfluss gehabt; ich musste den Prozess unmittelbar erfahren. Die wohlwollende Haltung der Gruppe hatte als Korrektiv sicherlich auch eine Rolle gespielt, scheint mir aber in der nachträglichen Reflexion nicht der entscheidende Teil der Lernerfahrung zu sein. Häufig stellt sich bei Reaktionen dieser Art spontan eine Erinne44

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rung ein. Es war das eingangs erwähnte, von Ferenczi beschriebene »bedeutsame Aktionsmaterial«, das sich in Erinnerung umsetzte: Die im Gegenüberstehen und im Halten des Blickkontakts plötzlich aufgetauchte Erinnerung an die kühlen Augen meiner Mutter im Vergleich zu den warmen Augen meiner Übungspartnerin beförderte ein Kinogramm: »In bestimmten körperlichen Regressionszuständen kann die präverbale Vergangenheit mit einer Genauigkeit nachgezeichnet werden, wie nirgendwo sonst. In diesem Fall erinnert sich der Körper, aber nicht mit Worten oder nur mit wenigen oder gar keinen Bildern […] Oft muß eine Reihe von Schritten unternommen werden, um den Zustand der Repräsentanz sprachlich zu begreifen […] Und vielleicht führen diese Schritte zu nichts« (Downing, 1996, S. 102).

5.6  Handlungsebene stimmlicher Ausdruck Bei einem vierzigjährigen, beruflich erfolgreichen und von seinen Eltern sehr leistungsorientiert erzogenen Patienten, der unter einer erheblichen Hemmung seiner Ausdrucksfähigkeit leidet – sie äußert sich u. a. darin, dass er beklagt, nicht mehr weinen zu können –, schlage ich im dritten Therapiejahr einen anderen Weg ein, als uns nur über Worte auszutauschen. Die ersten beiden Therapiejahre waren durchaus fruchtbar gewesen, und es hatten sich dem Patienten einige für ihn wichtige Einsichten eröffnet. Es ist diesem narzisstischen Patienten deutlich geworden, dass er sich anderen Menschen gegenüber in einer Weise distanziert verhält, sodass sich ihm ein Gefühl des »Ich brauche dich« in seiner emotionalen Tiefe nicht zu erschließen vermag, obwohl er auf kognitiver Ebene erkennt, dass er vermeidet, andere Menschen tatsächlich zu »brauchen«. Er befindet sich seit mehreren Jahren in einer stabilen Beziehung, hat aber nicht den Impuls, zu heiraten, obwohl seine Freundin dies schon länger von ihm fordert. Zu seiner Erkenntnis sind wir einerseits durch biografische Rekonstruktion gelangt, andererseits manifestiert sie sich ebenso in seinen Handlungsebene stimmlicher Ausdruck

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Gefühlen mir gegenüber. Er kommt gern und regelmäßig in die Stunden, verhält sich stets korrekt und kooperativ, zeigt jedoch angesichts von Urlauben keinerlei Trennungsreaktion. Ein tieferes Berührtsein ist ihm unzugänglich, sogar als ich ihn gegen Ende des zweiten Therapiejahres mit seiner narzisstischen Abwehr konfrontierte – was ihn kränkte. Das Maximum, was er wahrzunehmen vermag, ist eine manches Mal aufsteigende dumpfe Traurigkeit, die er jedoch nicht klar zuzuordnen weiß. In der Stunde, von der ich berichte, schlage ich ihm einen Settingwechsel vor. In den folgenden zwanzig Minuten liegt der Patient auf dem Rücken auf der Therapiematte, und ich leite ihn an, sich einer etwas vertieften Atmung gegenüber zu öffnen, gekoppelt mit dem Ausdruck eines Atemgeräusches, was zunächst einen Widerstand bei ihm auslöst. Im Durchsprechen der Schwierigkeit stellt sich zunächst heraus, dass er nicht weiß, wie »man es macht«, beim Ausatmen ein Geräusch zu produzieren. Als wir den Widerstand bearbeitet und überwunden haben, fährt er fort und atmet nun tief und geräuschvoll, wobei sich der produzierte Ton mechanisch anhört. Unvermittelt steigt in ihm das Bild auf von jemandem, »der schmerzgekrümmt am Boden liegt«, was er mir mitteilt. Er hält inne. Als ich ihn frage, was los sei, antwortet er, dass er eine Angst aufsteigen fühle, die er sich nicht erklären könne. Ich bemerke, dass sich der mimische Ausdruck im Augen- und Stirnbereich zu verändern beginnt, wie wenn ihn etwas schmerzlich berühren würde. Als ich ihm meine Beobachtung rückmelde, ist er überrascht. Schweigend spürt er in sich hinein. Ich begleite seinen Spürprozess, ohne ein Wort zu sagen. Während der Patient fortfährt, zu atmen, bemerke ich, dass seine Augenlider zu zucken beginnen. Ich melde ihm meine Beobachtung zurück. Er fragt mich, was das Zucken bedeuten könnte, und ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich es nicht wisse. Ich sehe nun genauer hin und bemerke kaum wahrnehmbare Miniimpulse in seinen Augenlidern und -brauen. Ich kommentiere: »Interessant!«, worauf er lacht und meint, es sei schon eigenartig. Seine Töne sind inzwischen leiser geworden. Die emotionale Atmosphäre in der Stunde hat sich nun auf subtile Weise verdichtet. Nach einer Weile berichtet er über 46

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Herzklopfen und über ein flüchtiges Bild, das er aber zunächst nicht festzuhalten vermochte. Aufgefordert, in seinen Körper hineinzuhorchen und seine Körperhaltung ggf. zu verändern, rekelt er sich zunächst, dann beginnt er den Kopf abwechselnd nach rechts und links zu drehen. Dann entkommt ihm plötzlich der Satz: »Ich will weg!« Etwas Schmerzliches ist im Tonfall seiner Stimme wahrnehmbar. Und nun erschließt sich ihm eine Erinnerung, die ihn weinen lässt: Er sei etwa fünf Jahre alt gewesen, habe eine Vase zertrümmert, habe sich auf ein Sofa gelegt und gewusst, er werde nun Schläge bekommen. Tatsächlich sei seine Mutter wutentbrannt ins Zimmer gekommen und habe ihm auf den Hinterkopf geschlagen. Während der Patient die Erinnerung berichtet – stockend, weil er weint – und anschließend verstummt, immer noch leise weinend, höre ich, wie sein Darm in Bewegung kommt und leise glucksende Geräusche von sich gibt. Der Patient wirkt nun entspannt, gelöst. In der nächsten Stunde ist der Patient regelrecht euphorisch, voller Zuversicht, seine Hemmungen überwinden zu können. Die ihm bislang nur in dumpfer Weise zugängliche Traurigkeit hat nun eine Kontur in Form der Erinnerung an eine an sich liebevolle, in manchen Situationen jedoch überforderte und impulsive Mutter erhalten.

Die folgende Therapiezeit, die sich neuerlich im Gegenübersitzen ereignet, ist u. a. der Einordnung des Geschehens in die therapeutische Beziehung gewidmet. Es wird zunehmend deutlich, dass seine Übertragung auf mich einen Teilaspekt seiner Mutterbeziehung wiederbelebt. Das therapeutische Geschehen hat – rückblickend betrachtet – durch diese konkret-körperliche Intervention, ausgehend von der Mobilisierung seines stimmlichen Ausdrucks, an Lebendigkeit gewonnen, was ich daran merke, dass seine Assoziationen und Erinnerungen deutlich in Schwung kommen. Ich verstehe dieses Stück Körperarbeit, bei dem ich den Patienten in der Rolle des Begleiters einer Körperregression unterstützt habe, als Anstoß für ein Umlernen im Bereich seines impliziten Wissens, Handlungsebene stimmlicher Ausdruck

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und zwar in zumindest zweierlei Hinsicht: Einerseits hatte er gelernt, den stimmlichen Ausdruckskanal in einer Weise zu öffnen, die es ihm ermöglichte, nach langer Zeit wieder weinen zu können – was er schmerzlich vermisst hatte; diese Wiedererfahrung war für ihn lösend, und es bedurfte in unserer Therapie dazu des körperlichen Zugangs zu seinen Affekten und deren Abwehr. Andererseits hatte er unmittelbar erfahren, wie es sich anfühlte, in meiner Anwesenheit sich seiner Trauer zu überlassen und seine Scham zu überwinden, ohne dass dieselbe bis dahin jemals explizit zur Sprache gekommen wäre, verstehbar als Korrektiv im Vergleich zur früh gewachsenen Überzeugung, seinen Eltern gegenüber stark sein zu müssen und keine Schwäche zeigen zu dürfen. In der Übertragung äußerte sich dies einige Monate später darin, dass er mir erstmals, anlässlich meines bevorstehenden mehrwöchigen Urlaubs, zu verstehen geben konnte, dass er mich vermissen würde.

5.7  Handlungsebene Nähe und Distanz Worm (2007a, S. 229 f.) berichtet über eine Patientin, die zuvor bei einer anderen Therapeutin gewesen war und dort bereits körpertherapeutische Vorerfahrung gesammelt hatte, ihre Schwierigkeiten aber nicht hatte befriedigend lösen können. Die aktuelle Behandlung der Patientin war bestimmt von einer sehr schwierigen Mutterbeziehung. Die Patientin fühlte sich von ihrer Mutter immer wie durch einen Graben getrennt, empfand sie als kalt und bezeichnete sie als »Schnee-Mutter«. In der vorhergehenden Therapie war die Therapeutin diesem Defizit entgegengekommen und hatte für die Patientin – nach deren Worten – öfter eine »Kuschelecke« gebaut, in der sie beide Platz fanden. Die Patientin deutete an, dass sie sich Ähnliches nun auch wünsche, und schaute mehrfach auffordernd zur Therapeutin herüber. Diese fühlte jedoch einen deutlichen Widerstand, auf die Forderung der Patientin einzugehen. Als sie dies der Patientin mitteilte, war diese enttäuscht. Die Therapeutin fühlte sich daraufhin wie eine 48

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Mutter, die etwas Notwendiges verweigert hatte. Dennoch wollte sie ihr widerstrebendes Gegenübertragungsgefühl nicht überspringen. In der Folge suchte die Therapeutin nach einer Berührung, die sich auch für sie selbst stimmig anfühlte, und bot der Patientin einen Kontakt über die gegeneinander gestellten Füße im Sitzen auf dem Boden an. Die Patientin ging etwas widerstrebend darauf ein und äußerte den gleichen Vorwurf, den sie auch an ihren Mann hatte. Immer müsse sie etwas tun; auf ihre Bedürfnisse gehe niemand ein. Die Therapeutin spürte Schulddruck, hatte aber weiterhin Widerstände, auf die jammernd-vorwurfsvolle Art der Patientin mit weiteren Angeboten zu reagieren. Über die Füße, die die beiden immer heftiger gegeneinanderdrückten, entstand dann eine Art Berührungskampf. Der Patientin wurde während dieser Szene spontan deutlich, dass sie sich von ihrer Mutter nicht nur auf Distanz gehalten fühlte, sondern sich auch klein und hilflos machen musste, wenn sie etwas von ihr bekommen wollte.

Das Widerstreben der Therapeutin, bei dieser Patientin die Erfahrungen der »Kuschelecke« fortzusetzen, führte in dem oben beschriebenen Behandlungsabschnitt erst einmal dazu, die von der Patientin gewählte Ersatzlösung, sich klein zu machen, zu verstehen. Nach Bauriedl (1994) passen sich Kinder in ein Familiensystem ein, in dem in bestimmter Weise die Entfaltung von Wünschen und die Vermeidung von Ängsten reguliert wird. Diese regulierenden Mechanismen prägen das Normsystem der Familie, in das das Kind eingebunden wird. Je labiler das innere Gleichgewicht bei beiden Eltern ist und je spannungsvoller sich dadurch die Beziehung zwischen ihnen gestaltet, umso stärker ist der Anpassungsdruck auf das Kind. Um das System zu stabilisieren, wird das Kind in sogenannte Ersatzpartnerschaften eingebunden. In diesen Ersatzpartnerschaften sind vor allem alle Anpassungslösungen enthalten, die wesentlich von den Wünschen und Sicherheitsbedürfnissen oder Angstvermeidungen der Eltern bestimmt sind. Je höher das Angstpotenzial und damit auch der Anpassungsdruck in der Familie, umso eher gibt das Kind seine Handlungsebene Nähe und Distanz

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unter einem Familientabu stehenden ursprünglichen Wünsche bzw. Grundbedürfnisse auf (Bedürfnis nach Halt, Schutz, Grenzen, Nahrung, Wärme, Selbstbehauptung und geschützter sinnlich-sexueller Entwicklung). Je stärker diese Grundbedürfnisse unter den sozialen Gegebenheiten abgewehrt werden müssen, desto stärker besetzt sind die Ersatzbefriedigungen in der Anpassungslösung. Der Ersatzcharakter hatte sich durch den leicht erpresserischen Druck der Patientin, der in der Art der Äußerung ihrer Wünsche zu spüren war, mitgeteilt. Ein solcher Druck ist ein häufiges Zeichen für eine defizitäre Kompromisslösung in einem Kontaktverhalten. Die Not der nur teilweisen Befriedigung und die teilweise Selbstaufgabe machen die Dringlichkeit aus. Oft wird dieser Hintergrund als unstillbare Gier interpretiert, die nur durch eine Verzichtslösung aufzuheben sei. Das hieße, in dem Wunsch nur das ursprüngliche Bedürfnis zu sehen, das durch die Fixierung unerfüllbar ist. Versteht man den Wunsch aber als Ersatzlösung, in der der ursprüngliche Wunsch nach Nähe, Wärme und Angenommensein bereits in einer bestimmten Verarbeitung enthalten ist, so erklärt sich der Druck aus dem darin enthaltenen Defizit. Doch ist auch die Angst sehr hoch, das prekäre Gleichgewicht der Beziehung, das in dieser Ersatzlösung gefunden wurde, zu gefährden. Auch daher drängt die alte Lösung in die Wiederholung. In der beschriebenen Behandlungsphase hatte die Therapeutin zunächst versucht, der Patientin ein Angebot zu machen, das eher ihre aktiven, aggressiven Impulse herausforderte. Die Anfangsinitiative war dabei aber weiterhin von der Therapeutin ausgegangen. Ein ganz neues Erleben ergab sich für die Patientin einige Zeit später. Sie versuchte, von sich aus ihren Sitzplatz zu verlassen und auf die Therapeutin zuzugehen. Jetzt spürte sie ein zunehmendes Kältegefühl in ihrem ganzen Körper bis hin zu sich blau verfärbenden Händen. Es war, als träfe sie wirklich auf die »Schnee-Mutter«, bei deren Berührung ihr die Hände erfrieren. Es dauerte lange, bis sich durch eine mehrfache Wiederholung dieser Szene ihre Angst und Verzweiflung durch ein tiefes Weinen lösen konnten. 50

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Modellszenen, die einem Defiziterleben in einem entscheidenden Grundbedürfnis neue Erfahrungen zur Verfügung stellen, sind damit nicht grundsätzlich in ihrem Wert infrage gestellt. Aber es ist immer zu prüfen, ob eine Vermeidung darin enthalten ist. Das ist vielleicht nicht von Anfang an der Fall, aber kann im Verlauf der Therapie diese Bedeutung annehmen. Im hier beschriebenen Beispiel verstand die Patientin erst durch die anfängliche Weigerung der Therapeutin, ihr aktiv von sich aus mit der von der Patientin gewünschten Berührung entgegenzukommen, warum ihr viele Beziehungen so schwerfielen. In ihrem Alltag erwartete die Patientin, ihr Partner möge ihr ebenso entgegenkommen wie die erste Therapeutin. Sie nahm die Illusion mit, ein äußeres Entgegenkommen allein löse ihr Problem. Ein mögliches Risiko therapeutischer Szenen, die erst einmal eine neue Modellsituation herstellen, besteht darin, dass zwar äußerlich neue Erfahrungen und Beziehungen entstehen können, diese aber unverbunden mit den bisherigen Erfahrungen und deren Verarbeitungen bleiben. Die alten Beziehungsverläufe setzen sich dann gleich wieder durch, wenn die äußeren Bedingungen der neuen Szene wegfallen, zum Beispiel in Form der geschützten Therapiesituation. In den alltäglichen Beziehungen inszenieren sich schnell wieder die alten Auslöser, und die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Daher ist den Affekten der konflikthaften ursprünglichen Szene und dem Verstehen der darin enthaltenen Verarbeitungsformen immer ein entsprechender Raum zu geben, denn die neuen Befriedigungsmöglichkeiten, verstärkt durch den körperlichen Umgang, können über die Notwendigkeit einer Durcharbeitung der abgewehrten Gefühle leicht hinwegtäuschen. Dies ist bei dieser Form körperbezogener Arbeit als Möglichkeit immer im Auge zu behalten, andernfalls besteht in der emotional hochverdichteten Form der Behandlung das Risiko einer malignen Regression (vgl. Akoluth, 2004).

Handlungsebene Nähe und Distanz

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5.8  Handlungsebene körperliche Berührung Scharff (2004, S. 66–86) berichtet von der Endphase in einer mehrere Jahre dauernden Behandlung einer Borderline-Patientin mit autistischen Zügen. Trotz weiterhin bestehender struktureller Probleme der Patientin, aber auch angesichts einiger erzielter Fortschritte wurde ein Ende der Behandlung schließlich unumgänglich, riss jedoch die alten Ängste der Patientin neuerlich auf. Es war, als würde die Patientin auf einen Abgrund zutreiben. Ihre Grundnegativität kam zum Vorschein. Hieß das Ende nicht, dass nie etwas zwischen ihr und dem Therapeuten wirklich gewesen war, dass er es nie ernst mit ihr gemeint hatte, dass er nie hatte wissen wollen, was in ihr vorging, sondern sie doch nur immer hatte loswerden wollen? Aus seiner Gegenübertragung schloss der Therapeut, dass die Katastrophe, die die Patientin befürchtete, eine Wiederholung eines Aspekts ihrer Muttererfahrung war. Diese hatte, wenn sie das Kind in ein entferntes Zimmer legte, um es nicht schreien zu hören, sich dem eigenen Trennungsschmerz nicht gestellt, sondern ihn durch eine »Wand« von sich ferngehalten. Die Patientin fühlte sich in ihrem physischen und psychischen Schmerz, ihrer Wut, ihrer Angst nicht im Anderen repräsentiert. Da die Affekte der Patientin nicht vom mütterlichen Container modifiziert worden waren, war die Folge ein chaotisches Ineinander von Explosion und Implosion. Der Therapeut beschließt gemeinsam mit der Patientin, über das Mittel der inszenierenden Interaktion die Trennung in der letzten Stunde auf konkret-symbolischer Handlungsebene in wechselnden Szenen wiederholend vorwegzunehmen. Es soll darum gehen, dass die Patientin und der Therapeut sich mit ihrer Angst konfrontieren. Anders als die Mutter der Patientin muss der Therapeut im entscheidenden Moment der Trennungserfahrung »dabei« sein. Die Handlungsszene findet zwei Monate vor Therapieende statt. Die Patientin beginnt die Stunde damit, dass sie sich in einer Panik fühle, an die sie aber nicht richtig herankomme. Heute Mittag habe sie furchtbare Magenschmerzen bekommen, als ihr die Verzweiflung 52

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wieder eingefallen sei, die sie überfiel, nachdem sie den Therapeuten in einer szenischen Arbeit in einer vorangegangenen Stunde wütend von sich weggeschoben hatte. Heute Nacht habe sie auf dem Bett gesessen und sich vorgestellt, den Arm des Therapeuten ganz fest zu umklammern und ihn anzuschreien: »Du gehst nicht weg!« Dann sagt sie, sie wisse aber gar nicht, was sie fühle, was überhaupt sei. Es folgt eine schwierige und langwierige Passage eines Hin- und Hertastens. Der Therapeut glaubt, in dem So-gar-nichts-Fühlen ein Sichverschließen der Patientin zu erkennen, versucht aber, den Raum offen zu halten, indem er andeutet, das Gefühl der Verzweiflung würde, einmal zugelassen, die Möglichkeit einer Veränderung in sich bergen. Schließlich gelingt es ihm, die Patientin fragend zu ermutigen, ob sie noch einmal eine Idee zu einer szenischen Arbeit hier habe. Darauf antwortet die Patientin mit der Vorstellung, sich an den Therapeuten festklammern und ihn festhalten zu wollen. Das Arrangement, das sie aus früheren ähnlichen Szenen kennt, wird sein, dass Patientin und Therapeut seitlich nebeneinandersitzen: sie auf einem kleinen Hocker, der Therapeut auf einem normalen Stuhl, sodass von der körperräumlichen Positionierung her das Verhältnis Kind-Eltern-Figur angedeutet ist. Dies bildet sich auch darin ab, dass Patientin und Therapeut in diesen Szenen im »Du« zueinander sprechen. Im vorbereitenden Gespräch verständigen sich Patientin und Therapeut darauf, dass er ihr mit Bezug auf das miteinander vereinbarte, nun unvermeidliche Ende sagen werde: »Inge, es ist jetzt so weit, ich werde jetzt gehen.« Dies würde dann auch dadurch eine gemeinsam geteilte konkret-symbolische Realität, dass er tatsächlich aufstehen und sich von ihr trennen würde, auch wenn sie gleichzeitig versuchen würde, ihn nicht fortzulassen. Angesichts dieses szenischen Entwurfs ändert sich unmittelbar der Zustand der Patientin, sie wirkt verzweifelt und unglücklich. Obwohl sie selbst noch einmal darauf hinweist, dass sie das Ende der Therapie wirklich wolle, rührt es den Therapeuten an, wie sie sagt, dass sie sich nicht vorstellen könne, sich wirklich auf diese Szene einzulassen. Und doch bleibt sie, als beide schließlich zur szenischen Handlungsebene körperliche Berührung

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Realisierung schreiten und wie besprochen nebeneinandersitzen, innerlich beteiligt. Sie bedeutet dem Therapeuten nämlich, ehe er sagen würde, dass er gehe, müsste sie schon seinen Arm genommen haben – sie würde sonst fürchten, dass sie, wenn er das gesagt hätte, überhaupt nichts mehr tun könnte. Der Therapeut bietet ihr an, dass sie also vorweg ihre rechte Hand auf seinen linken Unterarm legt, doch auch da korrigiert sie: Nein, sie müsse seinen Arm mit beiden Händen umklammern! Dies geschieht, und der Therapeut sagt nach einer Weile, in der er sich selbst sammelt und den Moment der Trennung in der letzten Stunde vorwegnimmt: »Inge, es ist jetzt so weit, ich werde jetzt gehen.« Der Therapeut steht schließlich, was auch ihm nun selbst schwerfällt, auf. Nur einen ganz kurzen Moment macht die Patientin den Versuch, ihn festzuhalten, dann lässt sich ihn in einer wegstoßenden Geste los. Beide sprechen anschließend über diesen Verlauf. Die Patientin sagt, sie habe ihn »weggeschnippt«. Über diesen handelnden Umgang, den die Patientin dann auch sprachlich treffend in Worte fasst, wird der Patientin und dem Therapeuten noch einmal eindrücklich klar, worüber im analytischen Durcharbeiten immer wieder gesprochen worden war: Ehe sie zulässt, dass der Therapeut ihr irgendeinen Schmerz zufügt, schickt sie ihn lieber »in das Land, wo der Pfeffer wächst«. Er soll keine Bedeutung für sie gehabt haben, in der Negation behält sie die Kontrolle. Auch bei der Wiederholung der Handlungsszene ergibt sich ein fast identisches Verlaufsmuster wie beim ersten Mal, nur äußert die Patientin beim anschließenden Sprechen, wenn sie einen Stock hätte, dann würde sie auf den Therapeuten einschlagen. Szenisch kann sich diese Tendenz dann in der Weise gestalten, dass der Therapeut ein Kissen zwischen ihr und sich hält, welches den Anteil des Therapeuten repräsentiert, der die Patientin so in Rage bringt. Sie schlägt mit ihrer Hand auf das Kissen in einer verzweifelt sich wiederholenden Aktion, die ihr aber nicht wirklich etwas bringt. Der Therapeut fühlt sich in dieser Sequenz an zahlreiche Träume der Patientin erinnert, in denen sie in endloser Wiederholung auf jemanden einschlug, der 54

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aber nicht zu beseitigen war und ihr am Schluss doch immer wieder überlegen blieb. Und doch spürt der Therapeut auch etwas von ihrer Verzweiflung, gegen die die Patientin wie blind anhämmert. Als dämmere es der Patientin, dass sie in dieser Situation auf ewig gefangen sein wird, kündigt sich jetzt überraschend ein mentaler Wechsel an. Die Patientin teilt dem Therapeuten vor der nächsten Szene mit: Um es »richtig zu spüren«, müsse sie auch etwas sagen. Dabei bezieht sie sich nun wiederum auf vorangegangene Passagen der therapeutischen Arbeit. Sie müsse zu ihm sagen: »Bitte geh nicht!« Als die Patientin die Szene nun mit diesen Worten begleiten kann, geschieht etwas Neues. Sie versucht, als der Therapeut erneut den Abschied ankündigt und dies im Aufstehen in die Tat umsetzt, ihn am Arm mit aller Kraft festzuhalten, sodass er sich wirklich von ihr losreißen muss. Es folgt ein erschüttertes Weinen der Patientin, in dem der ganze Schmerz über die Trennung, wie ihn ein kleines Kind erlebt, für sie und für den Therapeuten gefühlte Wirklichkeit wird. Im abschließenden Teil der Stunde, wieder im gewohnten Gegenübersitzen, sprechen beide über das Erlebte. Bewegt, noch ganz erfüllt und doch mit klarer Stimme teilt ihm die Patientin mit, dass sie »es nicht fassen« könne. Sie ist überrascht, wie sehr es ihr gelang, ihrem wahren Erleben schließlich ohne Hemmnis Ausdruck zu geben: »Ich habe es nicht mehr in meine Regie genommen …«

Sie hat sich und dem Therapeuten den Schmerz zugemutet. Dies war die für die Patientin entscheidende Erfahrung. Auf dem Hintergrund mehrerer Jahre analytischer Arbeit und eines gewachsenen Vertrauens sowie ihrer Einsicht in selbstdestruktive Prozesse kommt es in der hier beschriebenen Szene zur entscheidenden Regression, die zugleich eine Progression in eine neue mentale Verfassung darstellt, in der sie es zulassen kann, Bedeutung anzuerkennen und sich darin selbst zu erkennen. Ihr Schmerz ist erst in dieser Regression so weit psychisch real geworden, dass dieses Anerkennen des Getrenntseins möglich werden kann. Sie und der Therapeut wissen um ihr Leid. Handlungsebene körperliche Berührung

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»Das analytische Arbeitsobjekt, um das es in der Schlussphase der Behandlung geht, hat sich konfiguriert – das Erleben schmerzhafter Trauer« (Scharff, 2004, S. 77).

5.9 Handlungsebene intendierte körperlich-szenische Interaktion Der knapp dreißig Jahre alte Patient, von dem ich nun berichte, ist ein schlanker und sportlich wirkender Mann, der in seinem spontanen Kontaktverhalten auf mich etwas gebremst wirkt. In der ersten Sitzung gewinne ich den Eindruck, dass seine Vitalität, trotz seines kräftigen Körpers, nicht in einer Weise zum Ausdruck kommt, wie es sein vital erscheinender Körper »körpersprachlich« vermittelt; er verhält sich mir gegenüber zögerlich, abwartend, passiv. Die Bremsung seiner Vitalität ist in seinen Augen zu lesen; er blickt mich einerseits freundlich an, andererseits scheinen seine Augen den meinen nicht wirklich zu begegnen. Seine Stimme kommt mir etwas zu leise vor, eben eine Nuance schwächer, als man es bei einem Mann dieser Statur und Vitalität erwarten würde, und auch eine Nuance höher, wie wenn sich seine an der Stimmbildung beteiligten Räume nicht bis in den Bauch und bis ins Becken entfalten würden. In der Art und Weise, wie er sich bewegt, wenn er das Therapiezimmer durchschreitet, wie er den vorhandenen Raum nutzt, wie er auf seinem Stuhl Platz nimmt, wie er sich im Sitzen mir gegenüber positioniert – all dies erweckt in mir den Eindruck eines Menschen, der sich nicht frei fühlt, seinen spontanen Bewegungen nachzugeben. Als im Laufe der ersten Sitzungen irgendwann die Sprache auf sein von ihm gefühltes Ausdrucks- und Bewegungsverhalten kommt, ist seine Antwort, alles fühle sich »normal« an. Im Laufe der Zeit erschließt sich mir ebenso meine Gegenübertragung: Die verhaltene, passive Art, wie dieser Patient sich mir gegenüber verhält, löst bei mir einerseits Unsicherheit aus, weil ich nicht weiß, womit seine Vorsicht zu tun hat, andererseits eine Tendenz, ihn subtil 56

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dominieren zu wollen. Ich merke allmählich, ich spreche etwas häufiger, als ich es normalerweise tue, ich bestimme die Gesprächsinhalte stärker, als ich dies normalerweise tue, und ich fühle zeitweise Ungeduld. Der Patient ist Tennisspieler, fährt auf Turniere und investiert viel Zeit in seinen Sport. Es ist jener Lebensbereich, in dem sich sein Ehrgeiz voll entfalten kann, während er sich in anderen Lebensbereichen, in seiner Partnerschaft und in seinem Studium, nicht so sehr ins Zeug legt. Es ist eine Blockade in der rechten Schulter, die ihn daran hindert, einen technisch korrekten Vorhandschlag zu schlagen. Die Symptomatik besteht, als er mich erstmals aufsucht, etwa ein Jahr lang. Mittlerweile spielt er nur mehr in seiner Freizeit Tennis, aber auch hier macht ihm die Blockade zu schaffen, sodass er keine Freude mehr am Spiel verspürt. Organmedizinisch ist kein spezifischer Befund erhebbar, außer unklare muskuläre Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich. Der Verdacht ist also naheliegend, von einer psychoneurotischen Symptombildung auszugehen, von einer »somatoformen Störung« oder, aus einer anderen Perspektive betrachtet, von einer Störung der Affektregulierung. Er hat wegen dieses Symptoms schon alles probiert, was man sich nur vorstellen kann: Massagen, physikalische Therapie, sportpsychologische Beratungen, Arbeit mit Imagination, Ergotherapie – alles ohne Erfolg. Zu mir als Psychotherapeuten kommt er aufgrund des Tipps eines Bekannten – nicht, weil er von Psychotherapie etwas weiß oder hält, sondern »mit dem Rücken an der Wand«, weil nichts anderes geholfen hat und weil Tennis für ihn so zentral im Leben ist. Seine Zielformulierung am Beginn der Therapie ist die folgende: »Ich will wieder ordentlich Tennis spielen können, ich will es mir beweisen und ich will es auch meinem Sohn beweisen.« Für mich ist auffällig, dass er nicht davon spricht, dass er mehr Freude beim Spiel empfinden will, also sich selbst beim Spiel lustvoller spüren, sondern dass er sich und anderen etwas beweisen will. Auf meine Frage, ob es ihm möglich sei, genauer zu beschreiben, was er denn beim Spiel rund um sein Symptom spüre, kann er nicht Handlungsebene intendierte körperlich-szenische Interaktion

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gleich eine gute Antwort geben – einfach, weil er so wenig von sich spürt. Er ringt sich schließlich durch, mir mitzuteilen, dass er sich kurz vor dem Schlag irgendwie verkrampft fühle und dass ihm dann beim Schlag selbst die Kontrolle fehle. Die Art und Weise, wie er sich selbst beschreibt und was er von mir erwartet, wirkt auf mich mechanisch, nicht wirklich lebendig. Er vermittelt mir das Bild, wie wenn ein Bestandteil seines Körpers defekt geworden wäre und er von mir erwartet, dass ich diesen Defekt reparieren möge. Er sieht keinerlei Verbindungen zu seinem Lebensprozess. Er beschreibt keinerlei Konflikte, die ihn bewegen. Er weiß nur, er will besser funktionieren, und ärgert sich über sich selbst, dass dies nicht der Fall ist. Es dauert viele Monate, bis er allmählich in der Lage ist, zu spüren, dass seine Vorhandblockade als Symptom, als Spitze des Eisbergs eingebettet ist in seine spezifische Art seines Seins, in sein Lebensgefühl und in seine Ausdrucksformen von Vitalität und deren Hemmungen. Wir haben zu dieser Zeit schon viele Themen berührt – seine Familie, sein Kind, seine Frau, Tennis, sein Studium, seine Zukunft, seine Vergangenheit. Ein Teil der Arbeit besteht darin, unbewusste Anteile zu benennen, ihre Bedeutungsmöglichkeiten zu untersuchen und Verknüpfungen herzustellen – also die übliche verbal-analytische Deutungsarbeit. Ich berichte nun von einer Stunde, die bei uns beiden ein »AhaErlebnis« auslöste. Wir stehen uns im Therapieraum gegenüber, vielleicht drei Meter voneinander entfernt. Er kann sich mittlerweile etwas besser spüren, kann beispielsweise merken, dass es ihm ein wenig unangenehm ist, sich mir in dieser Weise frontal gegenüberzustellen; er hat aber, trotz seiner Vorsicht, Vertrauen genug gewonnen, um sich nun auf die Handlungsprobe einzulassen. Auch ich fühle mich mittlerweile sicher genug, um dieses Wagnis der Interaktion mit ihm einzugehen. Wie ich erst nachträglich erfasse, scheint mich der Gedanke zu lenken, was geschieht, wenn wir einander in Bewegung bringen, ganz unmittelbar. Intuitiv schlage ich ihm vor, wie beim Vorhandschlag den rechten Arm zu bewegen und sich dabei vorzustellen, mich in 58

Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie

Bewegung zu bringen – wie am Tennisplatz. Es überrascht mich nicht, dass seine Bewegung zunächst mechanisch ausfällt, ohne begleitende Affekte. Er sagt aber auf meine Rückfrage hin, dass er eine Art Hemmung verspüre, diese Bewegung zu vollführen, einen Widerstand, den er zunächst schwer in Worte fassen kann. Wir tasten uns Schritt für Schritt vor, mal durch Sprechhandlungen, mal durch die Bewegungen seines Arms. Im Hintergrund steht für mich die Frage, was los ist mit ihm, in dieser Verdichtung unserer Beziehung durch das sich frontale Gegenüberstehen in drei Metern Abstand. Ich selbst spüre eine unklare Vorspannung. Irgendwann sagt er, dass er eine Art Angst empfinde, aber nicht sagen könne, warum. Unser gemeinsamer Erkundungsprozess gewinnt an Dynamik, als ich beginne, meinerseits meinen Arm zu schwingen, wie bei einem Vorhandschlag. Ich habe damit eine ganze Weile gezögert, weil ich mir unsicher war, ob meine Initiative den Prozess wirklich fördern würde, obwohl sich die Bewegungsphantasie rasch eingestellt hatte. Schließlich lasse ich mich darauf ein. Ich zeige dabei in meiner Mimik intuitiv ein klein wenig Nachdruck und ich begleite den Schlag mit einem für ihn hörbaren Atemgeräusch. Ich verstehe die Vorgangsweise als Einladung auf einer therapiepartnerschaftlichen Ebene im Sinne von »Mach es so wie ich!« und nicht als eine Demonstration pädagogisch-väterlicher Überlegenheit. An seiner Mimik bemerke ich, dass etwas in ihm geschieht, denn auch sein Gesichtsausdruck beginnt sich zu verändern. Irgendwie scheint er unter Spannung zu geraten. Zugleich scheint meine Initiative wie ein Trigger für ihn zu sein, es mir gleichzutun. Auch er beginnt seine Vorhand zu schwingen, aber nun nicht mehr nur mechanisch, sondern auf einmal anders; offenbar kommt er nun auch emotional in Schwung. Dabei bemerke ich, dass in diesem Miteinanderbewegen viel mehr in ihm vorgeht, als er mir mitteilen kann, aber ich fordere ihn nicht auf, zu sprechen. Wir schwingen für eine Weile unsere beiden Arme wie bei einem echten Tennisspiel, und es wird zunehmend lustvoller, schließlich lachen wir beide. Nachdem wir verschnauft haben, berichtet er, dass er zwischen angstvoller Hemmung und lustvoller Handlungsebene intendierte körperlich-szenische Interaktion

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Selbstbehauptung emotional hin- und hergependelt habe. Tatsächlich habe er sich auf eine andere, für ihn neue Weise mir gegenüber gefühlt: in einem spielerischen und anfangs angstgetönten Wettbewerb und klar mit mir in Kontakt. Ganz ähnlich hatte ich es in der Gegenübertragung empfunden.

Für meinen Patienten ist es ein Meilenstein, zu spüren, wie es ist, einen Vorhandschlag zu vollführen, nicht in mechanischer Form, sondern mit sich selbst in Kontakt – in Kontakt mit seiner Angst und mit seinem Wunsch, mich zu dominieren, in diesem Fall spielerisch. Sein Bewusstsein hat sich nun ein Stückchen erweitert: nicht nur in Bezug auf sich selbst, die Blockade in der Schulter, sondern auch hinsichtlich unseres Kontakts, dass also sein Sichbewegen in einer Wechselbeziehung steht mit meinen Lebensbewegungen und dass dies uns beide emotional in Bewegung versetzt. Denn auch ich hatte in diesem Handlungsdialog emotional reagiert, war genauso in Bewegung geraten. Es ist einer dieser Therapiemomente, die, wie Balint es formuliert, einen Neubeginn auslösen. Einerseits waren wir in dieser Stunde auf der Ebene des expliziten Verstehens ein kleines Stück vorangekommen: Er wusste nun, die Blockade hatte irgendwie mit einer verhinderten Selbstbehauptung zu tun. Andererseits hatten wir uns beide in der konkreten Handlungsszene auf eine neue Ebene der Begegnung begeben, die keinerlei weiterer Interpretation bedurfte, sondern zwischen uns einfach unausgesprochen wirksam geworden war: als implizites intersubjektives Wirkgeschehen und als Erfahrungskern für kommende Veränderungsprozesse. Zum biografischen Hintergrund: Der Patient, ein Einzelkind, war zeitlebens sehr von seinem Vater geprägt worden. Die Familie war wohlhabend. Es waren große Erwartungen im Spiel. Der Vater war selbst Tennisspieler gewesen und hätte es gern weiter gebracht, als es der Fall war; sein Sohn sollte es besser machen. Er stand mit diesem viel auf dem Tennisplatz, als der ein kleines Kind war, trainierte ihn bis 14, 60

Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie

dann gab es Konflikte zwischen ihnen, und der Vater engagierte einen eigenen Trainer für ihn. Der Patient begann, auf Druck des Vaters, zu studieren, zuerst Wirtschaft, was er abbrach, dann Sportwissenschaften, da konnte er sich eher finden, war aber noch mitten im Studium, als er mit der Therapie begann. Viel lieber als zu studieren ging er Tennis spielen, und den Rest der Zeit widmete er sich seiner Familie, die seine emotionale Ressource war. Sein Sohn war bei Therapiebeginn etwa zwei Jahre alt. Die junge Familie lebte von den Einkünften seiner Partnerin, die arbeiten ging, und von finanziellen Zuwendungen seines Vaters. Erst spät im Laufe der Therapie erfuhr ich, dass der Vater ebenso seine Therapie finanzierte. Der Vater war die dominante Persönlichkeit in der Familie – er war ein autoritärer Patriarch, dem auch gelegentlich die Hand ausrutschte, das heißt, es gab hin und wieder Ohrfeigen, selten auch Schläge auf den Körper. Für meinen Patienten war dieser Vater jedenfalls einschüchternd und bedrohlich, er begann sich zu ducken, anzupassen. Die Erfahrung mit dem Vater, der durchaus auch liebende und engagierte Züge hatte, bildete die Grundlage seiner implizit wirksamen Anpassungstendenz, Bremsung und Unterwerfung. Sie zeigte sich in den in ihrer Vitalität gebremsten Ausdrucksbewegungen zu Beginn der Therapie, und sie prägte seine Übertragung auf mich. Die materielle Verwöhnung, im Verbund mit Unterwürfigkeit und vielleicht auch Rache wegen der Demütigungen waren wohl der Grund, warum mein Patient seine infantile Abhängigkeit vom Vater bis zu seinem 28. Lebensjahr stillschweigend beibehalten hatte. Aus seiner Sicht gab es zu Beginn der Therapie keine Konflikte mit dem Vater, einfach, weil er sich mit der Situation arrangiert hatte. In dem Maß, wie bei diesem Patienten ein reflexiver Prozess in Gang kam, schärfte sich sein Bewusstsein für Konflikte auf neue Weise. Eine Folge davon war, dass er mir eines Tages mitteilte, dass er sich innerlich wie ein Rebell fühle, unwillig gegenüber von der Gesellschaft auferlegten Zwängen. Darin spiegelte sich natürlich ein ungelöster Aspekt seiner ambivalenten Vaterbeziehung. Handlungsebene intendierte körperlich-szenische Interaktion

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Er war gleichsam auf der Stufe eines innerlich Pubertierenden stehen geblieben, und sein Leben bestand darin, größeren Anstrengungen auszuweichen – außer auf dem Tennisplatz, wo er sehr ehrgeizig werden konnte. Es lief ja auch alles recht gut – bis zu dem Zeitpunkt, als er sein Symptom entwickelte. Als Effekt unserer gemeinsamen Arbeit beschloss er, mit der väterlichen Erwartung zu brechen; er definierte sein Lebensziel auf neue Weise: Er beschloss, das Turniertennis sein zu lassen, denn mit 28 Jahren war es ohnehin zu spät für eine große Profikarriere. Die Vorhandblockade hatte sich mittlerweile ein wenig gelockert, war aber nicht verschwunden. All dies mündete in einer offenen konflikthaften Auseinandersetzung mit seinem Vater, zum ersten Mal in seinem Leben. Genau diese neue Art der Auseinandersetzung löste bei meinem Patienten im Laufe der Zeit eine progressive Entwicklung aus. Ebenso wichtig wie neue Schritte in seinem Leben schien mir eine weitere Veränderung zu sein: Durch das »Sich-besser-spüren-Können« wuchs seine Fähigkeit, sich über Kleinigkeiten wie eine schöne Begegnung am Tennisplatz mit einem interessanten Tennispartner zu freuen; nicht mehr das Leistungsziel war alleiniges Ziel, sondern die Freude an der Bewegung und am Spiel mit anderen Menschen. Innerhalb der therapeutischen Beziehung manifestierte sich der durch die inszenierende Interaktion angestoßene Veränderungsprozess auf subtile Weise und in vielen kleinen Signalen und Verhaltensweisen. Er war in der Lage, den Augenkontakt zu mir eine Nuance länger zu halten, als dies lange Zeit der Fall gewesen war. Er begann, den Therapieraum für sich zu nutzen und in den Folgemonaten von sich aus dann und wann »Körperarbeit« vorzuschlagen. Lustvoll waren für ihn besonders spielerische Körperdialoge, in denen er mir seine Kraft zeigen konnte, zu verstehen als Ausdruck seines wachsenden Wunsches, sich mir gegenüber behaupten zu können. Der Lernprozess bestand darin, dass Selbstbehauptung nicht mit Angst gekoppelt sein muss, sondern auch lustvoll sein kann.

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Praxis psychodynamischer Körperpsychotherapie

6  Wirkprinzipien: Möglichkeiten und Risiken

Psychodynamische Körperpsychotherapie offenbart auf einer basalen Ebene besonders schnell und evident die seelischen Wirklichkeiten der Patienten und ihre belastenden Beziehungsmuster, wie Versorgung, Vereinnahmung, Manipulation, Distanzierung, Vergewaltigung, Abtötung, Entfremdung, Überforderung, Verzärtelung, Unterwerfung, Bewunderung, Idealisierung, Verteufelung, Vernachlässigung, Verstrickung, Missachtung, Verachtung, Vernichtung usw. Der Therapeut, die Therapeutin findet sich hierbei teils in einer konkordanten und teils in einer komplementären Verfassung, und diese Verfassungen können auch immer wieder wechseln. Das Entscheidende liegt jeweils in dem umfassenden Wirkungsgefüge, das sich konstituiert und seine heilsamen oder unheilsamen Auswirkungen auf die Beteiligten hat (Geißler u. Heisterkamp, 2013). Viele Patientinnen und Patienten mit ichstrukturellen Störungen (gering integriert nach OPD-2, Arbeitskreis OPD, 2009) zeigen Schwierigkeiten, die therapeutische Situation als quasireale, aus dem normalen Leben herausgehobene Situation zu erfassen. Ihnen geht wegen der starken Labilität der Grenzen der symbolische Raum verloren, und sie sind besonders von einer malignen Regression bedroht. Sie können das Modellhafte oder Experimentelle der psychotherapeutischen Situation nicht oder nicht sicher erfassen. Das gilt verständlicherweise besonders in affektverdichteten Beziehungssituationen, wie sie sich in der psychodynamischen Körperpsychotherapie immer wieder einstellen. Die therapeutischen Szenen bleiben behandelbar, solange der Therapeut seinerseits und stellvertretend für den Patienten das Behandlungswerk wahren kann, indem er sich weiterhin mit 63

dem aktuellen Erleben mitbewegt und dem Patienten weitere Anregungen bereitstellt, die ihm helfen, die Fähigkeit, sowohl Akteur als auch Betrachter zu sein, zu entwickeln und einzuüben. In Supervisionen lässt sich manchmal ein Bemühen von Therapeuten beobachten, als hätten sie, wie Kritiker zu Recht bemängeln, das primäre und kurzschlüssige Anliegen, den belasteten Patienten mit körperpsychotherapeutischen Angeboten zu trösten, als wollten sie den Patienten nachnähren oder der bessere Elternteil sein. Diese nicht der Gesundung des Patienten dienende Haltung wechselt mit der zunehmenden Zeit der Wirkungslosigkeit in die typische Verfassung von Eltern/Therapeuten, die ärgerlich auf ihre Kinder/Patienten werden, weil diese undankbar und die so gut gemeinten Hilfen nicht anzunehmen bereit scheinen. In diesen Fällen lassen sich immer wieder in den Biografien der Therapeutinnen und Therapeuten Kollusionen mit einem Elternteil wiederfinden und die vermeintlich hilfreichen körperpsychotherapeutischen Hilfen als Ausdruck verbliebener Abhängigkeit und als Wiederholung eigener unerledigter Entwicklungsaufgaben feststellen. Es handelt sich dabei um die körpertherapeutische Variante einer typischen Kränkung von Psychotherapeuten, wenn sie nämlich über eine lange Zeit mit all ihren psychotherapeutischen Künsten vor die unerbittliche Wand eines selbstentfremdeten Patienten gelaufen sind. Hierbei werden beim Behandler, bei der Behandlerin früheste Ohnmachtserfahrungen, die wichtigen Bezugspersonen nicht erreichen zu können, auf einer basalen Ebene wachgerufen. Oft liegen darin auch die Wurzeln für die Wahl des Psychotherapeutenberufs (Geißler u. Heisterkamp, 2013). Der durch die Settingöffnung entstehende Vorteil, unterschiedliche Möglichkeiten im Zugang zu den Affekten des Patienten zur Verfügung zu haben und dadurch manches Mal in kurzer Zeit hohe Affektintensitäten auszulösen, hat seinen Preis in potenziellen Verwicklungen. Eine davon sind überzogene Heilungserwartungen aufseiten der Patienten, nicht selten in Kombination mit einer hohen Idealisierung des Therapeuten, die analytisch durchzuarbeiten ist. Ein besonderes Risiko der psychodynamischen Körperpsychothe64

Wirkprinzipien: Möglichkeiten und Risiken

rapie, vor allem bei Therapeutinnen und Therapeuten, die sich ihrer Grenzen unzureichend bewusst sind, ist die maligne Regression. Als weiteres Risiko ist Affektverdichtung in der Übertragung zu nennen, die vor allem Patienten auf geringem Strukturniveau unter erhebliche Belastungen stellen können. Es ist daher aus therapeutischer Sicht wichtig, die Affekt-»Dosierung« angemessen mitzuregulieren.

Wirkprinzipien: Möglichkeiten und Risiken

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7 Stand des wissenschaftlichen Diskurses, Evaluation und Ausblick

Eine gegenstandsangemessene Erforschung impliziten verkörperten Beziehungswissens im therapeutischen Wirkgeschehen ist schwierig, weil dabei ungeheuer große Datenmengen anfallen würden. Aufgrund des Umstands, dass ganzkörperliche Haltungen und -bewegungen bestimmte emotionale Qualitäten auf andere Weise auszudrücken vermögen als beispielsweise mimische Signale, wäre eine Ganzkörperkodierung notwendig, die derzeit nicht in Sicht ist. Die Forschungslage ist bislang insgesamt unspezifisch und wenig befriedigend. Trotz des grundsätzlichen Wirknachweises von Körpertherapie in ihren unterschiedlichen methodischen Ausprägungen im Rahmen einer deutsch-schweizerischen Studie von Körpertherapie im ambulanten Setting (Koemeda-Lutz et al., 2006) anhand von 342 Patientinnen und Patienten existieren bislang keine Studien, die psychodynamische Körperpsychotherapie als eigenen Therapieansatz beforscht haben. Die Wirksamkeitsüberprüfung psychodynamischer Körperpsychotherapie beruft sich gegenwärtig ausschließlich auf die Darstellung im Kontext von Fallbeschreibungen. Eine qualitative Untersuchung im Sinne einer retrospektiven Befragung unter 13 Psychoanalytikerinnen und -analytikern, die bei Worm oder Heisterkamp an einer Fortbildung teilgenommen hatten, ergab folgenden Eindruck (vgl. Geißler u. Worm, 2012; teilweise wörtlich wiedergegeben): Körpererfahrungen gehen oft mit einem beträchtlichen Evidenzgewinn einher. Die Öffnung des Settings, die Einbeziehung des Körpers, die Körperwahrnehmung und das Szenische als Schlüssel zum Verstehen von Übertragungsprozessen, die Betonung des Fühlens und Spürens und die szenisch ent66

wickelten Darstellungen persönlicher Themen wurden als »ausgesprochen bereichernd« erlebt; die eigene psychoanalytische Arbeit wurde dadurch »bunter und lebendiger«. Die damit einhergehende Distanzierung vom strengen analytischen Über-Ich wurde als Erleichterung empfunden, die therapeutische Arbeit sei dadurch lustvoller geworden. Ein Gewinn war, »dass ich, vom Aufdecken kommend, die Lust am Entdecken mir angeeignet habe«. Ebenso entwickelte sich dadurch im Laufe der Zeit eine »handfestere Sprache«. Als »großer Vorteil« wurde ebenso erlebt, dass man durch nonverbale, erlebnisorientierte Verfahren schneller an unbewusst Abgewehrtes gelange, wodurch innerpsychische Entwicklungen katalysiert würden. Durch Körperinterventionen und inszenierende Methoden sei es möglich, den therapeutischen Prozess zu vertiefen und zu intensivieren. Dazu müsse man allerdings die Sicherheit, die das analytische Setting bietet, aufgeben und die Abwehrfunktion, die die analytische Methode anbietet, seitens des Therapeuten überwinden, sich dem »Risiko der Verbundenheit« (Jaenicke, 2006) und der stärker personalen Begegnung aussetzen. In technischer Hinsicht sei die Öffnung des Settings besonders dann vorteilhaft, wenn »Gefühle oder Zustände des Patienten nicht gut fassbar sind«. Allerdings gehe eine solche Fortbildung mit einem tief greifenden Paradigmenwechsel einher, der besonders das Abstinenzverständnis betreffe.

Stand des wissenschaftlichen Diskurses, Evaluation und Ausblick

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