Präsenz durch Verschwinden: Sprache und Ethnizität in der Alltagspraxis junger Kärntner Slowen_innen 9783839442586

Which part do the ethnics of the Slovenian-speaking inhabitants of Carinthia/Koroska play? This empirical study decodes

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German Pages 326 Year 2018

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Einleitung
Soziologische Suchbewegungen
1. Standortbestimmungen
2. Theoretische Felder: Ethnizitätsforschung und Praxistheorie
3. Forschungsstrategie und Methoden
VOM VERSCHWINDEN UND DER PRÄSENZ DER SLOWENISCHSPRACHIGKEIT. EMPIRISCHE ANALYSEN
4. Strukturierende Ordnungen
5. Ethnische Kategorien, Identität und Sprache
6. Sprache als Erbstück: Zur Slowenischsprachigkeit in Familien
7. Slowenisch in Schulen: Die partielle Verdrängung der Sprache in Bildungsinstitutionen
8. Das Verschwinden der Sprache: Zur Performanz der Slowenischsprachigkeit in der Freizeit
ZUSAMMENFÜHRUNG UND PERSPEKTIVEN
9. Performative Ethnizität: Die praxistheoretische Dechiffrierung des Kärntner Slowenischen
Epilog
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis des empirischen Datenmaterials
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
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Präsenz durch Verschwinden: Sprache und Ethnizität in der Alltagspraxis junger Kärntner Slowen_innen
 9783839442586

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Jonas Kolb Präsenz durch Verschwinden

Kultur und soziale Praxis

Jonas Kolb (Dr. phil.), geb. 1981, Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Innsbruck. Er promovierte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und forscht zu Ethnizität, ethnischen Minderheiten und Migration sowie zu Religiosität, dem Islam und muslimischer Alltagspraxis.

Jonas Kolb

Präsenz durch Verschwinden Sprache und Ethnizität in der Alltagspraxis junger Kärntner Slowen_innen

Gedruckt mit Unterstützung des Landes Kärnten und des Vizerektorats für Forschung der Universität Innsbruck.

Dissertation Goethe-Universität Frankfurt, 2017, D.30 Die Umschlagabbildung zeigt eine ›private‹ zweisprachige Ortstafel, die in Suetschach/Sveče in Eigenregie auf einem Privatgrundstück angebracht wurde. In dem Ort, der inmitten des traditionell slowenischsprachigen Siedlungsgebiets in Südkärnten liegt, stehen bis heute keine offiziellen zweisprachigen Beschilderungen, da der Anteil slowenischsprachiger Einwohner_innen mit 15,8 % niedriger als der gesetzlich erforderliche Mindestanteil von 17,5 % ist.

© 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Gerhard Maurer, Klagenfurt/Celovec Lektorat: Roswitha Fraller, Wien Satz: Jonas Kolb, Wien/Innsbruck Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4258-2 PDF-ISBN 978-3-8394-4258-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 9 Einleitung | 11

SOZIOLOGISCHE SUCHBEWEGUNGEN 1

Standortbestimmungen | 19

1.1 Erste Annäherungen: Bevölkerungszahl, Siedlungsraum und demografische Strukturen | 19 1.2 Bestehendes Wissen und Leerstellen: Forschungsstand, Desiderate und Fragestellung | 28 2

Theoretische Felder: Ethnizitätsforschung und Praxistheorie | 39

2.1 Ethnizitätstheoretische Anknüpfungspunkte | 40 2.2 Grundzüge des praxistheoretischen Paradigmas | 60 2.3 Konturen einer praxistheoretischen Perspektive auf Ethnizität | 64 3

Forschungsstrategie und Methoden | 67

3.1 3.2 3.3 3.4

Über die empirische Zugänglichkeit der Praxis des Ethnischen | 67 Erheben der Daten | 68 Sampling | 74 Analyse, Auswertung und Darstellung der Daten | 76

VOM VERSCHWINDEN UND DER PRÄSENZ DER SLOWENISCHSPRACHIGKEIT. EMPIRISCHE ANALYSEN Strukturierende Ordnungen | 81 4.1 Slowenische Nationalbewegung, Erster Weltkrieg und Volksabstimmung | 82 4.2 Die Homogenisierungspolitik des NS-Regimes und der Widerstand der Kärntner Partisan_innen | 85 4.3 Nachkriegssituation, Staatsvertrag 1955 und Minderheitenschulwesen | 88 4.4 Die ausständige Implementierung von Artikel 7 und das Volksgruppengesetz 1976 | 93 4

4.5 Der Ortstafelstreit und der Ortstafelkompromiss vom Sommer 2011 | 95 4.6 Slowenischsprachige Organisationen, Parteien und Kulturvereine | 97 Ethnische Kategorien, Identität und Sprache | 101 5.1 Zur Genese ethnischer Kategorien in Kärnten/Koroška | 103 5.2 Die Konstituierung ethnischer Identitäten. Zum Verhältnis ethnischer Kategorien und Sprache | 109 5.3 Die strukturelle Prägung des Kärntner Slowenischen | 127 5.4 Das Verhältnis zwischen ethnischen Kategorien und Slowenischsprachigkeit: Eine Zusammenfassung | 137 5

6

Sprache als Erbstück: Zur Slowenischsprachigkeit in Familien | 141

6.1 6.2 6.3 6.4

Familiäre Vergangenheiten | 142 Familiäre Gegenwarten | 156 Die Schalung der familiären Zukunft | 167 Die slowenische Sprache als familiäres Erbe: Eine Zusammenfassung | 179

7

Slowenisch in Schulen: Die partielle Verdrängung der Sprache in Bildungsinstitutionen | 183

7.1 Deutsch als ›In‹-Sprache in zweisprachigen Volksschulen | 185 7.2 Der Besuch von Schulen ohne Slowenisch als Unterrichtssprache: Eine Entscheidung für oder wider das Slowenische | 190 7.3 Sekundarschulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache im Vergleich | 194 7.4 Die partielle Verdrängung der slowenischen Sprache in schulischen Kontexten: Eine Zusammenfassung | 229 8

Das Verschwinden der Sprache: Zur Performanz der Slowenischsprachigkeit in der Freizeit | 233

8.1 Klagelieder und Kassandrarufe | 234 8.2 Der Rückbezug auf historische Mythen | 240 8.3 Der performative Einsatz gegen das Verschwinden der Sprache in Kulturvereinen | 243 8.4 Punktuelle und materielle Performances der Slowenischsprachigkeit abseits von Vereinen | 254 8.5 Die Performanz des Ethnischen in der Freizeit: Eine Zusammenfassung | 263

ZUSAMMENFÜHRUNG UND PERSPEKTIVEN 9

Performative Ethnizität: Die praxistheoretische Dechiffrierung des Kärntner Slowenischen | 271

9.1 Die Präsenz der Sprache durch ihr drohendes Verschwinden: Inhaltliche Eckpfeiler des Kärntner Slowenischen | 271 9.2 Konzeptionelle Anknüpfungspunkte einer praxistheoretischen Perspektive auf Ethnizität | 277 9.3 Die praxistheoretische Entschlüsselung des Ethnischen | 282 Epilog | 285 Anhang | 289

Literaturverzeichnis | 289 Verzeichnis des empirischen Datenmaterials | 318 Tabellenverzeichnis | 321 Abbildungsverzeichnis | 321 Abkürzungsverzeichnis | 322

Danksagung

Keine Studie entsteht im Alleingang. So auch diese nicht. Zu dieser Arbeit haben viele Menschen beigetragen und damit deren Qualität maßgeblich gefördert. Herzlich danken möchte ich … ... meinen Eltern, Anita und Peter, meinen Geschwistern, meiner Familie für ihren Beistand und ihre Unterstützung über all die Jahre hinweg, … Gudrun Blohberger, deren Einsatz für mich von unschätzbarem Wert war und die mir als Nichtslowenischsprachigem, Nichtkärntner und Nichtösterreicher – gemeinsam mit Zdravko Haderlap, Mirjam Zwitter-Šlemic, Richard Jernej, David Hobel, Milan Obid und Lidija Vouk-Grilc – den Zugang zum Feld ermöglichte sowie detaillierte Einblicke in die Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška eröffnete, … Clemens Pfeffer, Evrim Erşan Akkılıҫ und Reinhold Hohengartner für die vielfältigen inhaltlichen Anregungen, wertvollen Literaturhinweise, kritischen Diskussionen der Ergebnisse ebenso wie für das bedachtsame Korrekturlesen, ... Stefan Laube und Katja Schönian für die gemeinsame Interpretation empirischer Daten, die bereichernden Inspirationen, theoretischen Debatten und die Entwicklung konzeptioneller Ideen, ... dem Društvo/Verein Peršman, der mich auf vielfältige Weise bei meiner Forschung praktisch unterstützte, ... Gerhard Maurer für das Umschlagfoto, Dominik Urak, Zdravko Haderlap, Rudolf Kullnig und Franz Wutti für weiteres Fotomaterial und Jörg Koffler für die Grafikarbeit, ... Roswitha Fraller, die als umsichtige und kritische Lektorin die Fertigstellung des Manuskripts besorgte, … Lorenz Lassnigg, Michael Jonas, Beate Littig und Angela Wroblewski für die ausgezeichnete inhaltliche Förderung und das mehrjährige Stipendium am Institut für Höhere Studien in Wien

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... und insbesondere den slowenischsprachigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich die Zeit nahmen und sich bereit erklärten, mir Einblicke in ihr Leben und ihre Alltagspraxis zu gewähren. Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die am 03. Juli 2017 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main verteidigt wurde. Sighard Neckel, Erol Yıldız und Ferdinand Sutterlüty haben meine Arbeit als Betreuer und/oder Gutachter mit vielen wertvollen Ratschlägen, kritischen Anmerkungen und einer fachlich herausragenden Betreuung über die Jahre hinweg konstruktiv begleitet. Danken möchte ich zudem Claudia Peter und Birgit Becker, die als Prüferinnen in meiner Promotionskommission Fragen aufwarfen, welche ebenfalls in das vorliegende Buch einflossen. Mein größter Dank gebührt jedoch Martina Weißenböck, die mich stets durch konstruktive Kritik und inhaltliches Feedback in meinem Tun unterstützt und weitergebracht hat. Ohne ihr Vertrauen, ihre Liebe, ihre Ermutigungen, ihren Ansporn und emotionalen Rückhalt hätte ich diese Arbeit nicht vollenden können.

Wien, im Januar 2018

Einleitung

Im April 2011 ging ein Beben durch das südlichste Bundesland Österreichs, hervorgerufen durch die Verkündung des sogenannten Ortstafelkompromisses. Gelöst war damit die lähmende Frage der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln im südlichen Kärnten/Koroška, bezüglich derer die Republik Österreich fast sechzig Jahre säumig geblieben war. Dieser Beschluss veränderte vieles, was die Situation der slowenischsprachigen Menschen in Südkärnten jahrzehntelang ausgemacht hatte, die insbesondere gekennzeichnet war durch ihren Status einer numerisch kleinen Bevölkerungsminderheit, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein niedriges soziales Prestige anhaftete und deren Sprache stigmatisiert wurde. Aus diesem Grund hatte die slowenischsprachige Bevölkerung in den verschiedenen Phasen des 20. Jahrhunderts unter Diskriminierungen, Übergriffen, Vertreibungen und brutaler Gewalt zu leiden. Zudem bestanden ihre garantierten Minderheitenrechte sehr lange Zeit nur auf dem Papier. Ethnische Beziehungen in Kärnten/Koroška1 in Bewegung Bei aller berechtigten Kritik an dem getroffenen Ortstafelkompromiss sowohl vonseiten der Öffentlichkeit als auch von slowenischsprachigen Organisationen rüttelte die Einigung an den Grundfesten des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung, war doch deren Wahrnehmung über Jahrzehnte hinweg untrennbar mit der

1

Die Nennung des Bundeslandes erfolgt im Rahmen der Arbeit stets zweisprachig, also so-

wohl in der deutschen als auch der slowenischen Bezeichnung. Dasselbe gilt für die Orte und Gemeinden im zweisprachigen Siedlungsgebiet. Auch die Großstädte Klagenfurt/ Celovec und Villach/Beljak werden – obwohl nicht im traditionellen Siedlungsgebiet gelegen – zweisprachig angegeben, da in beiden mittlerweile eine große Anzahl slowenischsprachiger Menschen lebt. Nur in deutscher Sprache werden hingegen Wortkombinationen wie Südkärnten oder Adjektive wie Kärntner sowie Bezirke und Gemeinden außerhalb des traditionell zweisprachigen Gebiets angeführt. Die Ortsnamen entstammen der Publikation ›Zweisprachiges Kärnten/Dvojezična Koroška‹ (Kattnig et al. 2005).

12 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

Frage der Aufstellung oder Nichtaufstellung zweisprachiger Ortstafeln verbunden, weswegen das Kärntner Slowenische oftmals allein auf topografische Beschilderungen2 reduziert wurde. Zudem war die Nichtumsetzung der Minderheitenrechte ein Sinnbild der antislowenischen Ausrichtung der – über mehrere Legislaturperioden hinweg von FPÖ, BZÖ oder FPK dominierten – Kärntner Landespolitik. Auch entsprach die über Jahrzehnte hinweg gepflegte, mitunter abfällige Haltung der österreichischen Bevölkerung gegenüber den ›Kärntner Zuständen‹ nicht mehr der Realität. Ebenso schien die sogenannte ›Kärntner Urangst‹, die sich aus dem Mythos einer latenten slawischen Bedrohung sowie einer sozioökonomischen »Angst vor dem Rückfall in das Elend von Armut und Abhängigkeit« (Larcher 1988: S. 56) nährte, plötzlich verflogen. Aus all diesen Gründen wollte die Ortstafellösung nicht in das bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Bild von Kärnten/Koroška passen. Erschüttert wurde durch die Einigung auch das ethnische Selbstverständnis der slowenischsprachigen Bevölkerung selbst, das sich gleichfalls aus der Nichteinlösung verfassungsrechtlicher Minderheitenschutzbestimmungen sowie einem daraus resultierenden Benachteiligungsgefühl gespeist hatte. Dieses bis dahin gültige Selbstbild schien durch die Aufstellung der Tafeln plötzlich nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinzustimmen. Ins Wanken gebracht wurden bisherige Selbstverständlichkeiten zudem durch die zunehmende Anerkennung der slowenischen Sprache seitens der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung, eine Entwicklung, die sich bereits in den 1980er Jahren abzuzeichnen begann, sowie durch den Einzug von mehreren slowenischsprachigen Mandatar_innen mit Südkärntner Wurzeln in den Kärntner Landtag. Einzelne Beobachter_innen ließen sich angesichts dieser Entwicklungen bereits dazu hinreißen, vom Ende der Minderheitenposition der slowenischsprachigen Bevölkerung und der dualistischen ethnischen Beziehungen zu sprechen (vgl. Ferk 2013). Solche Schlussfolgerungen müssen jedoch als übereilt bezeichnet werden. Denn der Ortstafelkonflikt ist keineswegs nur eine oberflächliche politische Frage, die dadurch gelöst würde, dass zweisprachige Schilder aufgestellt oder slowenischsprachige Mandatar_innen bei politischen Entscheidungsfindungen berücksichtigt werden. Allein vom Ortstafelkompromiss auf politisch-struktureller Ebene auf die Auflösung ethnischer Dualismen zu schließen, ist Wunschdenken. Belegt wird

2

Zweisprachige Ortstafeln werden im Rahmen der vorliegenden Studie auch mit dem Sammelbegriff topografische Beschilderungen bezeichnet. Der Ausdruck geht zurück auf Artikel 7 des Staatsvertrags aus dem Jahr 1955, demzufolge im zweisprachigen Gebiet in Kärnten/Koroška »Bezeichnungen und Aufschriften topografischer Natur sowohl in slowenischer ... Sprache wie in Deutsch« (BGBl. Nr. 152/1955: Teil I, Art. 7, Abs. 3) aufzustellen seien. Ursprünglich bezog sich der Begriff topografische Aufschriften nicht nur auf Ortstafeln, sondern auch auf andere Hinweisträger wie Wegweiser, Straßenschilder oder Gewässer- und Bauwerksbezeichnungen.

E INLEITUNG | 13

dies auch durch aktuelle Ereignisse – wie das Nein der ÖVP Kärnten zur Erwähnung der slowenischsprachigen Bevölkerung in der Kärntner Landesverfassung im Februar 2017 (vgl. ORF Kärnten 2017) oder die Ablehnung des verdienten slowenischsprachigen Kärntner Schriftstellers Florian Lipuš als Kandidat für den Großen Österreichischen Staatspreis im Jahr 2016, weil dieser nicht auf Deutsch schreibe (vgl. Jung 2017). Was der Kompromiss in der Ortstafelfrage für slowenischsprachige Menschen in Kärnten/Koroška bedeutet, ob er dazu angetan ist, ethnische Antagonismen in Zukunft abzuschwächen, dies bedarf einer ein- und tiefgehenden soziologischen Analyse. Und eine solche Untersuchung wird nicht umhinkommen, die grundsätzlichen Fragen zu stellen: Was charakterisiert denn überhaupt das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung, wenn nicht die Auseinandersetzung um die topografischen Beschilderungen? Was macht eigentlich das Ethnische der Bevölkerungsgruppe in inhaltlicher Hinsicht abseits dessen aus? Welche Rolle kommt dabei der Ortstafelfrage zu, inwiefern ist das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung mit der Geschichte der ethnischen Beziehungen verwoben und welchen Einfluss hatten die Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten darauf? Diesen fundamentalen Fragen wurde in der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit der slowenischsprachigen Bevölkerung viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Um diesen Missstand zu beheben und um die aktuellen Entwicklungen und sich verändernden Vorzeichen in Kärnten/Koroška richtig einstufen zu können, begebe ich mich in der vorliegenden Studie auf die empirische Suche nach dem Kärntner Slowenischen. In dem Unterfangen setze ich mich damit auseinander, was die Alltagspraxis der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe auszeichnet und von anderen unterscheidet. Im Fokus steht somit die Praxis des Ethnischen. Das Verhältnis von Ethnizität und Sprache Über die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška wurde im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen bereits sehr viel nachgedacht und geforscht. Insbesondere die geschichtswissenschaftliche Disziplin hat sich hierbei hervorgetan. Als dominante ethnische Kategorie – gemeint ist damit die Vorstellung einer ethnischen Gruppe sowie ein bestehendes Identitätsangebot, mit dem sich Akteure identifizieren und in ethnischer Hinsicht selbst verorten können – wird dabei stets das Kärntner Slowenische angesehen. Jedoch wurde eine zentrale Frage zumeist ausgeklammert, und zwar die nach dem Verhältnis von Ethnizität und Sprache. Tatsächlich gelten beide Begriffe oftmals als identisch, werden die Slowenischsprachigkeit und eine kärntnerslowenische Ethnizität als einander überlappend bzw. deckungsgleich betrachtet. Die synonyme Verwendung hat jedoch unter anderem zur Konsequenz, dass das Sprechen des Slowenischen als zwingendes Indiz dafür betrachtet wird, dass

14 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

sich eine in Kärnten/Koroška geborene Person mit slowenischsprachigem Familienhintergrund auch automatisch als Kärntner Slowen_in definiert. Aber geht der Gebrauch der slowenischen Sprache, das Aufwachsen in einem slowenischsprachigen familiären Rahmen tatsächlich stets damit einher, dass jemand auch eine entsprechende ethnische Identität entwickelt, sich zur slowenischsprachigen Bevölkerung bekennt und sich als Kärntner Slowen_in empfindet? Legt die Geschichte der ethnischen Beziehungen nicht einen anderen Schluss nahe? Zeigt nicht das Phänomen der ethnischen wie sprachlichen Assimilation, dass das Verhältnis von Ethnizität und Sprache keineswegs so klar und zwingend ist, wie immer angenommen wird? Wie sich das Verhältnis von Sprache und ethnischer Zugehörigkeit gestaltet, steht im Fokus der vorliegenden Studie. Deren Zusammenspiel kann im Fall der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška erst erschlossen werden, wenn der Blick auf das alltägliche Miteinander gerichtet wird und die empirische Analyse sowohl strukturelle als auch akteurszentrierte Aspekte berücksichtigt. Wie ich in dieser Studie zeigen werde, bietet sich zur Bewältigung dieser beiden Herausforderungen eine praxistheoretische Forschungsperspektive in Anlehnung an den sogenannten ›practical turn‹ (Schatzki et al. 2001) an. Mit diesem Ansatz rücke ich die Frage, was es für das alltägliche praktische Alltagsleben heißt, Angehörige oder Angehöriger der slowenischsprachigen Bevölkerung zu sein, in den Mittelpunkt. Bei den Subjekten, an denen ich den Umgang mit Sprache und dem Ethnischen studieren werde, handelt es sich um Jugendliche und junge Erwachsene, da bei diesen zum einen die prägende Wirkung von strukturierenden Ordnungen und Lebensbedingungen besonders deutlich zum Ausdruck kommt und zum anderen an deren Umgang mit Fragen der Ethnizität sich Tendenzen für die Zukunft slowenischsprachiger Menschen in Kärnten/Koroška ablesen lassen. Denn anders als der Großteil der vorliegenden Forschungen, die den Fokus allein auf die Vergangenheit richten, beschäftige ich mich im Rahmen meiner Studie mit dem Gegenwärtigen, mit dem Fortleben des Vergangenen in der Jetztzeit sowie mit dem Blick nach vorne, also auf die Zukunftsperspektiven des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung. Gliederung der Studie Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen strukturiert: In Kapitel 1 nähere ich mich dem Gegenstand meiner Studie an. Darin setze ich mich zum einen einführend mit der Situation autochthoner ethnischer Bevölkerungsgruppen im Alpenraum auseinander, diskutiere die numerische Größe der slowenischsprachigen Bevölkerung und gebe erste Einblicke in deren Siedlungsraum sowie in demografische und sozialstrukturelle Fragen (1.1). Zum anderen reflektiere ich die sehr umfangreiche wissenschaftliche Literatur zur slowenischsprachigen Bevölkerung und benenne in diesem Zusammenhang drei Forschungslücken, an denen meine Arbeit ansetzt. Ausgehend von

E INLEITUNG | 15

diesen Forschungsdesideraten erläutere ich die Zielsetzung meiner empirischen Studie und formuliere meine Forschungsfragen (1.2). Zur Füllung der bestehenden Leerstellen schlage ich eine praxistheoretische Forschungsperspektive zur empirischen Untersuchung des Ethnischen der Bevölkerungsgruppe vor. Im anschließenden Kapitel 2 lege ich die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen meiner Studie dar. Hierbei setze ich mich mit dem Begriff Ethnizität und den damit verbundenen Konzepten wie Ethnie, Kultur, Sprache und Sozialisation auseinander und beleuchte differierende Ansätze innerhalb der Ethnizitätsforschung, um diese auf ihre praxistheoretische Anschlussfähigkeit zu überprüfen (2.1). Im Anschluss daran führe ich die Grundzüge einer praxistheoretischen Sozialtheorie aus (2.2) und skizziere die Konturen einer solchen Perspektive auf Ethnizität (2.3). In Kapitel 3 stehen dann methodische und forschungsstrategische Fragen im Mittelpunkt. Dabei diskutiere ich die empirische Beobachtbarkeit praxistheoretisch relevanter Phänomene in methodologischer Hinsicht (3.1) und lege meine Forschungsstrategie einschließlich ethnografischer Anleihen sowie die für meine Studie gewählten Erhebungsmethoden dar, auf deren Basis ich die Praxis des Ethnischen rekonstruiere (3.2). In weiteren Unterkapiteln reflektiere ich meine Rolle als außenstehender Fremder im Feld und erörtere sowohl das Sampling, also die Auswahl der Interviewpartner_innen (3.3), als auch das Vorgehen bei der Analyse, der Auswertung und der Darstellung des empirischen Datenmaterials (3.4). Im Anschluss an die methodischen Ausführungen arbeite ich im ersten analytischen Abschnitt (4) zentrale Aspekte der strukturierenden Ordnungen des Ethnischen in Kärnten/Koroška und deren historische Genese heraus. Hier gilt mein Augenmerk der Geschichte der ethnischen Beziehungen seit Ende des 19. Jahrhunderts, politischen Entwicklungslinien, rechtlichen Fragen wie den Minderheitenschutzbestimmungen von Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrags, dem Schulwesen, der Ortstafelfrage sowie der slowenischsprachigen Vereinslandschaft. Die darauffolgenden empirischen Kapitel stellen das Herzstück der Studie dar. Darin erfolgt – anhand einer Vielzahl von detaillierten Fallbeispielen – eine umfangreiche Analyse der Praxis des Ethnischen mit Schwerpunkt auf ethnischen Kategorien, Identitäten und der slowenischen Sprache (5), der Bedeutung und Genese des Ethnischen im familiären Kontext (6) sowie der Praxis des Ethnischen im Schulwesen (7) und im Freizeitkontext (8). In den empirischen Analysen zeigt sich, dass die slowenische Sprache als zentrales ethnisches Merkmal der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška markiert und wahrgenommen wird. Dieser Befund mag auf den ersten Blick trivial sein. Überraschend ist jedoch, dass sich dies vor allem der symbolischen Bedeutung der Sprache verdankt. So entfaltet die slowenische Sprache ihre Wirkmächtigkeit nicht zwingend dadurch, dass sie von den Angehörigen der slowenischsprachigen Bevölkerung im Alltag aktiv als Kommunikationsmittel benutzt wird

16 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

– besonders außerhalb des familiären Kontextes ist dies meist nur selten der Fall –, sondern vorrangig dadurch, dass sie als im Verschwinden begriffen gilt. Die latente Drohkulisse ruft Angehörige der slowenischsprachigen Bevölkerung auf den Plan, die zum einen eindringlich vor dem Verschüttgehen und Verstummen der slowenischen Sprache warnen. Zum andern setzen sich junge Menschen bewusst für den Erhalt und die Präsenz der Sprache ein – so in Performances der Slowenischsprachigkeit wie beispielsweise dem demonstrativen Slowenischsprechen in bestimmten Situationen oder durch das eigenmächtige Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln. Diese Performances machen die slowenischsprachige Bevölkerung so besonders und heben sie von allen anderen ethnischen Gruppen in Österreich markant ab. Im Zuge dieser performativen Aktivitäten zeigt sich das Paradoxon, dass gerade das drohende und beständig an die Wand gemalte Verschwinden der slowenischen Sprache die Bindungskraft des Ethnischen vergegenwärtigt und stärkt: eine Präsenz durch Verschwinden. Im abschließenden Kapitel 9 wird die Praxis des Ethnischen in verschiedenen Alltagsbereichen inhaltlich und konzeptionell zusammengeführt. Auf Basis der empirischen Analysen werden dann theoretische Überlegungen darüber angestellt, welche bestehenden Ansätze als Anknüpfungspunkte für eine praxistheoretische Perspektive auf Ethnizität fungieren können. Dabei zeigt sich, dass insbesondere eine Verknüpfung der praxistheoretischen Sichtweise mit den Konzepten von Rogers Brubaker, Richard Jenkins, Stuart Hall, Mary Waters, Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora sowie von Herbert Gans vielversprechende Aussichten bietet, das Ethnische in all seiner Tiefe, Breite und Diversität zu entschlüsseln. Die Analyse der slowenischsprachigen Bevölkerung macht deutlich, dass das Ethnische als performative Ethnizität zu verstehen ist.

Soziologische Suchbewegungen

1

Standortbestimmungen

1.1 ERSTE ANNÄHERUNGEN: BEVÖLKERUNGSZAHL, SIEDLUNGSRAUM UND DEMOGRAFISCHE STRUKTUREN Für eine erste Annäherung an die in Österreichs südlichstem Bundesland Kärnten/ Koroška beheimatete ethnische Gruppe der Slowen_innen werden in den nachfolgenden Abschnitten zunächst die numerische Größe der Bevölkerungsgruppe sowie die geografischen, ökonomischen und sprachlichen Gegebenheiten des bilingualen Siedlungsgebiets aus der Makroperspektive betrachtet. Zur numerischen Größe der Bevölkerungsgruppe Bei der Annäherung an den Siedlungsraum und die demografischen Strukturen, die die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška prägen, ist in einem ersten Schritt der Begriff der Ethnizität und dessen Beziehung zur slowenischen Sprache zu klären. In politischen Debatten, der medialen Berichterstattung und im alltagssprachlichen Gebrauch wird die slowenischsprachige Bevölkerung oftmals als ethnische Gruppe verstanden, die sich auf der Grundlage ihrer Sprache durch ein bestimmtes Bewusstsein, eine kollektive Identität und eine spezifische soziale Praxis auszeichnet.1 In der Regel werden dabei die Begriffe Slowenischsprachigkeit und Ethnizität nicht voneinander unterschieden und differenziert, sondern als synonym betrachtet. Nun sagt der Sprachgebrauch der slowenischsprachigen Bevölkerung aber noch nichts darüber aus, ob und inwieweit sich die Sprecher_innen der slowenischen Sprache auch als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen begreifen. Die Diskrepanz zwischen Sprachgebrauch und Ethnizität zeigt sich eindrücklich in der historischen Entwicklung der Anzahl slowenischsprachiger Menschen in

1

In Kapitel 2.1 erfolgt eine ausführliche Diskussion des Begriffs Ethnizität, ethnischer Gruppen und differierender Konzepte des Ethnischen.

20 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

Kärnten/Koroška und der Zahl derer, die sich als Kärntner Slowen_innen identifizieren. Auch aus diesem Grund ist die Frage nach der Größe der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška eine höchst diffizile. Auch wenn in medialen Auseinandersetzungen häufig darüber debattiert wird, wie groß die ethnische Gruppe sei und wie viele Kärntner Slowen_innen es denn eigentlich gebe, lässt sich die genaue Zahl der Angehörigen der ethnischen Gruppe nicht eruieren. Ein Grund dafür ist, dass es keine Statistiken und Daten gibt, aus denen sich eine ethnische Zugehörigkeit direkt ablesen ließe – auch in den österreichischen Volkszählungen wird die Frage der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe nicht gestellt. Ermittelt wird der Sprachgebrauch der Einwohner_innen von Kärnten/Koroška, nicht aber deren ethnisches Bekenntnis.2 Gleichwohl liefern die Ergebnisse der Volkszählungen eine empirische Datenbasis, die partiellen Aufschluss und wichtige Anhaltspunkte über die Größe und die numerische Entwicklung der slowenischsprachigen ethnischen Gruppe in Kärnten/ Koroška gibt (vgl. Gamerith 1994: S. 2). So kommt diesen Daten, wenn sie kritisch vor dem Hintergrund des zeitgeschichtlichen Kontextes und der lokalen Entwicklungen in den jeweiligen Gemeinden interpretiert werden, durchaus Aussagekraft über die Entwicklung des Sprachgebrauchs und die ethnische Zugehörigkeit zu. Denn auch wenn die persönliche ethnische Selbstverortung von Menschen im Südkärntner Raum nicht mit dem Sprachgebrauch gleichzusetzen ist, sind beide Aspekte dennoch eng miteinander verknüpft. Aus diesem Grund stellen die Daten aus den Volkszählungen über den Sprachgebrauch in Kärnten/Koroška »unbestreitbar ein Indiz für die ethnische Zugehörigkeit von Personen« (Gamerith 1994: S. 9) dar, wenngleich mit ihnen stets reflektiert umgegangen werden muss. Darüber hinaus spiegeln diese Daten einerseits den politischen und sozialen Umgang mit der Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška in verschiedenen historischen Phasen sowie andererseits teilweise fragwürdige methodische Erhebungs- und Berechnungsverfahren, aus denen die Zahlen resultieren und die nachfolgend skizziert werden sollen. In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der einzelnen staatlichen Volkszählungen sowie von privater Seite durchgeführten Erhebungen über die sprachlichen Bevölkerungsgruppen in Kärnten/ Koroška seit 1846 aufgeführt.

2

Ein solches Bekenntnis hätte den Inhalt, dass man sich kraft eines slowenischsprachigen Familienhintergrunds als Angehöriger bzw. Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen verortet.

S TANDORTBESTIMMUNGEN | 21

Tabelle 1: Ergebnisse von Volkszählungen in Kärnten/Koroška Jahr / (a)mtliche oder (p)rivate Zählart

Anzahl slowenischsprachiger Menschen und deren Anteil an der Kärntner3 Gesamtbevölkerung

Verwendeter Indikator für Ethnizität

1846 / p4

95.544 Personen5 / 30,0% der Gesamtbevölkerung von Kärnten/Koroška

Ethnischer Charakter von Ortschaften

1880 / a

75.579 / 23,3%

Umgangssprache (vgl. Rauchberg 1891: S. 661)

1890 / a

75.602 / 22,4%

Umgangssprache

1900 / a

67.516 / 19,7%

Umgangssprache

1910 / a

57.816 / 15,6%

Umgangssprache (vgl. Reiterer 2004: S. 30)

1923 / a

39.292 / 10,6%

Denksprache (vgl. Bundesamt für Statistik 1935: S. 74)

1923 / p

71.452 / 19,3%

Umgangssprache (vgl. Klemenčič/ Klemenčič 2010: S. 47)

1934 / a

26.796 / 6,6%

Kultursprache (vgl. Suppan 1983: S. 49; Zell 1936: S. 138)

3

Die Zahlen beziehen sich auf das Gebiet des heutigen Bundeslandes Kärnten/Koroška in den Grenzen nach 1920.

4

Sogenannte Czoernig’sche Sprachzählung (1857). Die Hochrechnung der Originaldaten auf das Gebiet des heutigen Bundeslandes durch Grafenauer (1946: S. 140 ff).

5

Wenn nicht anders angegeben, erfolgte die Ermittlung der angeführten Personenanzahl durch Summierung aller Sprachkategorien und -kombinationen, in denen ›Slowenisch‹ oder ›Windisch‹ (ab 1939) vorkommt.

22 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

1934 / p

97.129 / 24,0%

Mutter- und Familiensprache (vgl. Klemenčič/Klemenčič 2010: S. 49 f)

1939 / a

44.708 / 10,7%

Muttersprache und ›Volkstumszugehörigkeit‹ (vgl. Veiter 1965: S. 112)6

1951 / a

Version A: 42.095 / 8,9%7 Version B: 13.712 / 2,9%8

Umgangssprache (vgl. Gamerith 1994: S. 83)

1961 / a

25.472 / 5,1%

Umgangssprache und Familiensprache (vgl. Veiter 1965: S. 112)

1971 / a

20.086 / 3,8%

Umgangssprache (vgl. Gamerith 1994: S. 89)

1976 / a

3.941 / 0,8%9

Muttersprache

1981 / a

16.552 / 3,1%

Umgangssprache

1991 / a

14.957 / 2,7%

Umgangssprache (vgl. Reiterer 2004: S. 30)

2001 / a

13.109 / 2,3%

Umgangssprache (vgl. Klemenčič/ Klemenčič 2010: S. 217 ff)

Quelle: von Czoernig 1857; Rauchberg 1891; Bundesamt für Statistik 1935; Zell 1936; Grafenauer 1946; Veiter 1965; Österreichisches Statistisches Zentralamt 1984, 1993; Gamerith 1994; Statistik Austria 2002, 2003; Reiterer 2004; Klemenčič/Klemenčič 2010; Darstellung: Jonas Kolb

Im Jahr 1846 bildeten slowenischsprachige Personen im Südkärntner Gebiet mit einem Anteil an der Kärntner Gesamtbevölkerung von insgesamt 30% noch die Bevölkerungsmehrheit. Ab da ging ihre Anzahl – wie spätere statistische Erhebungen be-

6

Bei dieser Erhebung wurde erstmals die Sprachkategorie ›Windisch‹ verwendet.

7

Summierung aller Sprachkategorien mit ›Slowenisch‹ und ›Windisch‹.

8

Addiert wurden nur die Sprachkategorien ›Slowenisch‹, ›Slowenisch-Windisch‹ sowie ›Slowenisch-Deutsch‹.

9

Diese sogenannte ›Minderheitenfeststellung besonderer Art‹ wurde von der slowenischsprachigen Bevölkerung großteils boykottiert.

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legen – langsam, aber stetig zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg kommt eine rege Auf-und-ab-Bewegung in die Daten. So gelangte eine amtliche Erhebung im Jahr 1923, bei der erstmals der Indikator der Denksprache zum Einsatz kam, zu dem Ergebnis, dass die slowenische Sprachgruppe in Kärnten/Koroška nur mehr 39.292 Personen umfasst. Eine private Zählung im selben Jahr, die von einer slowenischsprachigen Organisation durchgeführt wurde, ermittelte dagegen insgesamt 71.452 Personen. Während der Zeit des austrofaschistischen Ständestaats, im Jahr 1934, standen sich ebenfalls zwei Zählungen, eine amtliche und eine private, mit gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen gegenüber. In der amtlichen Erhebung wurde die Zahl der slowenischsprachigen Menschen in Kärnten/Koroška mit 26.796, in der privaten Erhebung hingegen mit 97.129 angegeben. Im Jahr 1939 wurden zwecks amtlicher Erhebung der Größe der Sprachgruppen in Kärnten/Koroška zusätzlich zu den Antwortkategorien ›Deutsch‹ und ›Slowenisch‹ die Option ›Windisch‹ sowie diverse Kombinationsmöglichkeiten (wie z. B.: ›Slowenisch-Deutsch‹, oder ›Windisch-Slowenisch‹) eingeführt. Die vielfältigen Antwortmöglichkeiten führten zu allerlei Verwirrungen und zu strategischem Missbrauch im Umgang mit den empirischen Daten (vgl. Klemenčič 1960: S. 175). Laut den Zählungen in der Zweiten Österreichischen Republik ist die Zahl der slowenischsprachigen Bevölkerung stetig schrittweise zurückgegangen. Im Jahr 1981 umfasste die Personengruppe noch 16.552 Personen. Seitdem hat sich die Anzahl der Sprachgruppe auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Die letzte Volkszählung, in der die numerische Größe der slowenischsprachigen Bevölkerung ermittelt wurde, stammt aus dem Jahr 2001. Damals gaben 13.109 Personen, also 2,3% der Kärntner Gesamtbevölkerung, Slowenisch oder Windisch als Umgangssprache an. Seit der im Jahr 2011 eingeführten registerbasierten Volkszählung wird die Umgangssprache der Einwohner_innen von Kärnten/Koroška nicht mehr erhoben. Territorialregression und Verlagerung des Siedlungsgebiets Der traditionelle Siedlungsraum der slowenischsprachigen Bevölkerung befindet sich zum einen innerhalb der Karawanken, einem alpinen Gebirgszug, der die südliche Grenze Österreichs zur Republik Slowenien markiert. Neben dieser schroffen Gebirgslandschaft, den darin eingebetteten Bergdörfern und den Hochtälern umfasst das Siedlungsgebiet zum anderen auch die offenen Tallandschaften nördlich der Karawanken. Von besonderer Relevanz sind hierbei das Gailtal/Ziljska dolina, das Rosental/Rož sowie das Jauntal/Podjuna. Ein wesentliches Kennzeichen des Siedlungsgebiets der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška ist die sogenannte Territorialregression (vgl. Steinicke 2006: S. 98), also der Rückgang der Bevölkerungsgruppe im Zuge seiner

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Verkleinerung und Verlagerung. Das noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts zusammenhängende slowenischsprachige Siedlungsgebiet10 umfasst auch heute noch den Südkärntner Raum zwischen dem Fluss Drau/Drava und der Staatsgrenze zu Slowenien vom westlichsten Punkt Hermagor/Šmohor bis hin zur östlichen Grenze Lavamünd/Labot. Weiters gehörten ihm Gebiete nördlich der Drau/Drava in den Bezirken Hermagor, Völkermarkt sowie Klagenfurt-Land an. Das wirtschaftliche Zentrum, die Stadt Klagenfurt/Celovec, lag indessen stets außerhalb des traditionellerweise von slowenischsprachigen Menschen bewohnten Gebiets (siehe Abbildung 1). Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts verengte sich das ehemals zusammenhängende, in sich geschlossene Siedlungsgebiet; insbesondere an den Rändern – wie im Gailtal/Ziljska dolina oder in den Gemeinden nördlich des Wörthersees/Vrbsko Jezero –, aber auch südlich der Drau/Drava wurde eine starke Zerklüftung in Gang gesetzt, sodass Ende des 20. Jahrhunderts von einer Zone verstreuter slowenischer Sprachinseln gesprochen werden muss.11 Demnach ist das heutige Siedlungsgebiet durch Zweisprachigkeit geprägt. Dessen Kerngebiete sind die nahe der Staatsgrenze zur Republik Slowenien gelegenen Bezirke Völkermarkt und Klagenfurt-Land, seine Randzonen bilden die nördlichen Teile der politischen Bezirke Völkermarkt, Klagenfurt-Land sowie die Bezirke Villach-Land und Hermagor in ihrer Gesamtfläche. Neben der Zerklüftung des zweisprachigen Siedlungsraums kam es auch zu einer Verlagerung des Siedlungsgebiets, ein Resultat dessen, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine beträchtliche Anzahl slowenischsprachiger Personen, insbesondere das Bevölkerungssegment mit hohen Bildungsabschlüssen, den ländlichen Raum verließ und in die Großstädte migrierte. Die dadurch in den ländlichen Gebieten des traditionell zweisprachigen Siedlungsraums eingeleitete Tendenz der Abwanderung, des Bevölkerungsrückgangs sowie der Überalterung hält bis heute an (vgl. Reiterer 1996: S. 189; Anderwald et al. 2003: S. 175; Institut für Höhere Studien Kärnten 2012: S. 3 ff).

10 Dass der heutige zweisprachige Siedlungsraum einst ein zusammenhängendes und geschlossenes slowenischsprachiges Gebiet darstellte, wird immer wieder bestritten. Insbesondere von Historiker_innen, die deutschnationalen Organisationen in Kärnten/Koroška nahestehen, die für eine deutschnationale Geschichtsschreibung der Landeshistorie eintreten, wird behauptet, dass der Südkärntner Raum seit jeher ein gemischtsprachiges Gebiet war, in dem die slowenischsprachige Bevölkerung stets in sogenannten Streusiedlungen gelebt hätte. Diese Position entspricht jedoch nicht den historischen Tatsachen (vgl. dazu kritisch Anderwald et al. 2003: S. 174). 11 Die slowenischen Sprachinseln, also Ortschaften, Dörfer oder ganze Gemeinden im Südkärntner Raum, sind jedoch nicht homogen slowenischsprachig. Vielmehr variiert der Anteil slowenischsprachiger Menschen in den Gemeinden zwischen 1% und 80% (vgl. Statistik Austria 2001).

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Abbildung 1: Anteil slowenischsprachiger Personen auf Gemeindeebene 2001

Grafische Darstellung: Jörg Koffler; Quelle: Statistik Austria 2003: S. 64ff; NordNordWest 2013; Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen 2017

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Demografische Aspekte und Merkmale des bilingualen Siedlungsgebiets In demografischer Hinsicht auffällig ist die hohe Zahl von slowenischsprachigen Personen, die im Bildungsbereich tätig sind (vgl. Reiterer 1996: S. 212 ff; Anderwald et al. 2003: S. 176). Unter Berufstätigen mit den höchsten Bildungsabschlüssen, also mit akademischer Ausbildung, ist deren Anteil doppelt so hoch wie der deutschsprachiger Personen. Ähnliches gilt für Beschäftigte mit Maturaabschluss. Allerdings stehen diesem sehr gut ausgebildeten Segment insbesondere ältere Personen gegenüber, die keinerlei höhere Qualifikationen aufweisen (vgl. Reiterer 1996: S. 204). Innerhalb der slowenischsprachigen Bevölkerung zeigt sich somit eine Dichotomie zwischen einer Personengruppe mit akademischen Bildungsabschlüssen und beruflichen Schlüsselstellungen sowie einem Segment mit niedrigen Bildungsqualifikationen und Berufen im primären Sektor oder in der verarbeitenden Industrie. Generell handelt es sich beim Südkärntner Raum um eine in wirtschaftlicher Hinsicht strukturschwache Region, in der der Dienstleistungssektor und insbesondere die Tourismusbranche dem traditionell dominanten primären Wirtschaftssektor (Forstund Landwirtschaft) zunehmend den Rang streitig macht (vgl. Steinicke/Zupančič 1995; Steinicke et al. 2011: S. 80). In Bezug auf die Verkehrsverbindungen ist das gesamte traditionelle Siedlungsgebiet der slowenischsprachigen Bevölkerung als periphere Region anzusehen, die jedoch gleichzeitig eine räumliche Nähe zum Zentralraum, also der Stadt Klagenfurt/Celovec, aufweist (vgl. Reiterer 1996: S. 192). Ungeachtet dessen gibt es markante Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen des zweisprachigen Siedlungsraums. So verfügen beispielsweise kleine Städte oder Märkte im Jauntal/Podjuna sowie im Rosental/Rož über eine verkehrsgünstige Infrastruktur. Ortschaften in der Gebirgslandschaft der Karawanken hingegen sind meist unzureichend an das Verkehrsnetz angebunden. Die größten Ansiedlungen im zweisprachigen Siedlungsgebiet haben zwischen 1.500 und 5.000 Einwohner_innen (zum Stichtag 01.01.2014 waren dies: Völkermarkt/Velikovec [4.616], Ferlach/Borovlje [4.471], Arnoldstein/Podklošter [1.964], Kühnsdorf/Sinča vas [1.548], Hermagor/Šmohor [1.518] und Bleiburg/ Pliberk [1.298] [vgl. Amt der Kärntner Landesregierung – Landesstelle für Statistik 2014]). Die sprachlichen Mehrheiten innerhalb ein und derselben Gemeinde können dabei sehr unterschiedlich sein. So sind die Städte und Märkte im Gegensatz zu Dörfern und kleinen Siedlungen vorrangig deutschsprachig geprägt. Dies hat historische Gründe (vgl. Pleterski 1996: S. 99 ff). Besonders deutlich wird die Diskrepanz zwischen Hauptorten und Ortschaften am Beispiel der Gemeinden Bleiburg/Pliberk und Bad Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela im Bezirk Völkermarkt. Während in der Gesamtgemeinde Bleiburg/ Pliberk der Anteil slowenischsprachiger Personen insgesamt 30,9% beträgt, liegt er

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im Hauptort der Gemeinde, in Bleiburg/Pliberk, nur bei 16,2%. In den kleinen Ortschaften im Gemeindegebiet variiert der Anteil slowenischsprachiger Personen zwischen 30% und 60% (beispielsweise Loibach/Libuče 36,6%, Rinkenberg/Vogrče 39,5%, Aich/Dob 50,6% oder Moos/Blato 60,4%). In der Gemeinde Bad Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela sind insgesamt 38,7% der Bevölkerung slowenischsprachig. Im Hauptort Bad Eisenkappel/Železna Kapla mit 1.007 Einwohner_innen trifft dies aber nur auf 23,2% zu, in einigen Ortschaften im Gemeindegebiet dagegen auf über 60% (beispielsweise Leppen/Lepena 61,2%, Lobnig/Lobnik 64,3% oder Ebriach/Obirsko mit 66,4%) (vgl. Statistik Austria 2001). Unterschiede im slowenischen Sprachraum in Kärnten/Koroška bestehen nicht nur in geografischer, ökonomischer oder infrastruktureller Hinsicht, sondern auch was die in den verschiedenen Teilen des Sprachgebiets gebräuchlichen Formen des Slowenischen betrifft. Während der slowenischen Hochsprache im südlichen Kärnten/Koroška als Umgangssprache keinerlei Bedeutung zukommt, gibt es vier dialektale Varianten, die sich in Aussprache und Wortschatz teils markant voneinander unterscheiden (vgl. Maurer-Lausegger 1992, 1993; Karničar 1990). Neben dem mittlerweile wenig verbreiteten Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje, der im westlichen Teil des slowenischen Sprachraums von Kärnten/Koroška (zwischen Hermagor/ Šmohor und dem Faaker See/Baško jezero sowie im italienischen Kanaltal) gesprochen wird, existieren noch der Rosentaler Dialekt/Rožansko narečje (anzutreffen im Gebiet Rosental/Rož entlang der Drau/Drava von Villach/Beljak bis Ferlach/ Borovlje), der Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje im politischen Bezirk Völkermarkt sowie der Obir-Dialekt/Obirsko narečje bzw. Remschenik-Dialekt/Remšeniško narečje im südlichen Teil des Bezirks Klagenfurt-Land sowie im Gemeindegebiet von Bad Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela (siehe Abbildung 1 und vgl. Pohl 1982: S. 43, 2001: S. 32; Neweklowsky 2013: S. 15). Die verschiedenen slowenischen Dialekte haben ihre Funktion als alleiniges Verständigungsmittel jedoch längst eingebüßt, denn der Alltag von Personen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund ist heutzutage durch Zweisprachigkeit gekennzeichnet (vgl. dazu Stöhr 2010: S. 76).12

12 Als slowenischsprachig bezeichne ich im Rahmen der Studie eine Person bereits dann, wenn sie eine slowenischsprachige Kommunikation – sei es in einer regionalen Mundart oder der Hochsprache – verstehen und ihr folgen kann. Sie muss sich nicht zwingend aktiv oder gar fließend in allen Lebenssituationen auf Slowenisch ausdrücken können.

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1.2 BESTEHENDES WISSEN UND LEERSTELLEN: FORSCHUNGSSTAND, DESIDERATE UND FRAGESTELLUNG Zur slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška existiert eine große Bandbreite an wissenschaftlicher Literatur. Die nachfolgende Darstellung legt den Fokus auf Arbeiten, die sich im weiteren Sinne mit sozialen Aspekten der slowenischsprachigen Bevölkerung auseinandersetzen, würdigt daneben jedoch auch relevante Studien aus anderen Disziplinen, die wichtige Erkenntnisse über die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška zu Tage gefördert haben. Unterteilt wird der Forschungsstand vor diesem Hintergrund in (I) historische, geografische und politikwissenschaftliche Arbeiten, in (II) bildungswissenschaftliche, soziolinguistische und sozialpsychologische Untersuchungen sowie in (III) soziologische Studien. (I) Forschungsstand im Bereich der Geschichtswissenschaften, Geografie und Politikwissenschaft Der Großteil der Forschungen zu den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška wurde aus historischer Perspektive unternommen. Die einschlägigen Arbeiten lassen erkennen, dass die Geschichtswissenschaft selbst ein Feld der Auseinandersetzung über die Deutung der Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen und damit eine umkämpfte Zone darstellt. Denn Historiker_innen positionieren sich auf je eigene Weise zur Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška. Durch Schwerpunktsetzungen und eingenommene Perspektiven wird der ethnische Konflikt auch auf wissenschaftlicher Ebene fortgesetzt. Dies führte dazu, dass sich, was die Geschichte der ethnischen Beziehungen angeht, drei Schulen der Geschichtsschreibung herausgebildet haben, die einander als ›deutsche‹, ›slowenische‹ und ›kärntnerslowenische‹ historiografische Schule gegenüberstehen (vgl. Valentin 2002).13 Die Kontroverse zwischen den Lagern kreist insbesondere um die Frage der bewaffneten Auseinandersetzungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zwischen

13 In der Zusammenschau finden sich nur wenige Publikationen, in denen die einzelnen Schulen gemeinsam vertreten sind. Eine Ausnahme stellt beispielsweise der von Hellwig Valentin herausgegebene Sammelband (2002) dar, in dem Vertreter_innen der historiografischen Schulen ihre jeweilige Perspektive auf die Volksabstimmung in Kärnten/Koroška im Jahr 1920 darlegen. Auch beschreiten nur wenige Historiker_innen einen Mittelweg zwischen den zwei Positionen und vermeiden eine dualistische Gegenüberstellung in Bezug auf die Deutung der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das ebenso ambitionierte wie wegweisende Projekt des Historikers Andreas Moritsch zu einer transnationalen Geschichtsschreibung des Alpen-Adria-Raums (vgl. Moritsch 2001).

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slowenischen Truppen und militärischen Verbänden deutschsprachiger Kärntner sowie um die Volksabstimmung im Jahr 1920, bei der die Südkärntner Bevölkerung über den Verbleib Südkärntens bei Österreich oder die Angliederung an das neu geschaffene Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das sogenannte SHSKönigreich, abstimmte – bekanntlich zugunsten ersterer Option. Beide Ereignisse wurden in der Geschichtsschreibung der einzelnen historiografischen Schulen besonders oft behandelt (vgl. Gamerith 1994: S. 59 ff). Während die ›deutsche‹ Schule – hierzu zählen insbesondere Historiker_innen, die dem Kärntner Landesarchiv oder dem Geschichtsverein für Kärnten/Koroška nahestehen – tendenziell eine Heroisierung und Mythologisierung des im Vorfeld der Volksabstimmung geführten, als ›Abwehrkampf‹ betitelten bewaffneten Kampfes der deutschsprachigen Kärntner_innen betreibt (vgl. beispielsweise die Darstellungen bei Wutte 1922, 1985, Neumann 1980, Leitner 1984 oder Fräss-Ehrfeld 2000), ist die ›kärntnerslowenische‹ Geschichtsschreibung eher um eine Relativierung der Bedeutung der Kampfhandlungen bemüht (vgl. Haas 1972a: S. 425; Haas/ Stuhlpfarrer 1977: S. 26 ff). In der ›slowenischen‹ historiografischen Schule wird zudem nicht von einem ›Abwehrkampf‹, sondern vom ›Kampf um die Nordgrenze‹ gesprochen – eine Auffassung, die wiederum erbitterte Anfeindungen durch die offizielle Kärntner Landesgeschichtsschreibung oder vonseiten deutschsprachiger Heimatverbände nach sich zog (beispielsweise durch Feldner 1982). Darüber hinaus beschäftigen sich Geschichtswissenschaftler_innen, die der slowenischsprachigen Seite nahestehen, mit der Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Volksabstimmung und der Volkszählung im Jahr 1910 oder mit den Motiven für das Stimmverhalten bei dem Referendum (u. a. bei Haas 1972a, 1972b; Zwitter 1979; Moritsch 1981; Moritsch et al. 1981; Suppan 1983; Barker 1984: S. 163 ff; Pleterski 1970; Grafenauer 1981; Pleterski/Druškovič 1983). Weitere thematische Schwerpunkte von Historiker_innen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund oder einem Naheverhältnis zur slowenischsprachigen Bevölkerung bilden neben nationalen Differenzierungsprozessen seit Mitte des 19. Jahrhunderts (Moritsch 1991, 2000) die Entwicklung des zweisprachigen Schulwesens (Domej 1995, 2000, 2005; Feinig 1997; Glantschnig 1998), die rechtliche Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung und Minderheitenschutzbestimmungen (Kattnig 1977; Veiter 1970, 1979; Stuhlpfarrer 2004), Erinnerungspolitik und -kultur (Rettl 2006), Fragen der Repräsentation auf Organisationsbasis (Malle 2000; Österreichische Historikerkommission 2004) sowie historische Ereignisse, Zeitphasen und spezifische Fragen, die für die slowenischsprachige Bevölkerung von besonderer Relevanz sind. Abgesehen von der Volksabstimmung 1920 zählen dazu die Zeit des Nationalsozialismus in Kärnten/Koroška und der bewaffnete Widerstand der slowenischsprachigen Kärntner Partisan_innen (Rausch 1979; Barker 1989; Sima 2000,

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2002; Entner 2002, 2012; Linasi 2013), die Umsetzung von Artikel 7 des Staatsvertrags aus dem Jahr 1955 und die damit verbundene Ortstafelfrage (Pandel et al. 2004; Gstettner 2004a, 2004b; Matscher 2005, 2006; Hauer 2006; Novak 2006; Pührer 2007; Pirker 2010; Valentin 2013). Daneben finden sich zahlreiche Studien und Übersichtsarbeiten, die die historische Entwicklung der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (Grafenauer 1952, 1994; Pleterski 1996), in der Zwischenkriegszeit (Bahovec 2000) oder nach dem Zweiten Weltkrieg in der Zweiten Österreichischen Republik (Nećak 1985; Zupančič 1999; Pleterski 2004; Rettl 2005; Klemenčič/Klemenčič 2010) schildern, und auch solche, die einen allgemeinen historischen Überblick geben (Barker 1960, 1984; Haas/Stuhlpfarrer 1977; Broman et al. 1988; Henke 1988; Bogataj 1989). Ähnlich die Ereignisse und Themen, die Autor_innen, die der ›deutschen‹ Schule zuzurechnen sind, behandeln, wobei außer der Volksabstimmung 1920 insbesondere die Aktivitäten der slowenischsprachigen Partisan_innen während des Zweiten Weltkriegs oder das Minderheitenschulwesen gänzlich anders gedeutet werden (vgl. Pust 1984; Elste et al. 2007; Rulitz 2011). Als Grundlage dafür dient das Narrativ von Kärnten/Koroška als ursprünglich ethnisch homogenem Grenzland des deutschen Sprachraums (vgl. Feldner 1982; Mölzer 1990). Neben geschichtswissenschaftlichen Arbeiten tragen auch Studien aus dem Bereich der Geografie zu einem besseren Verständnis der Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung bei. Hervorzuheben sind an dieser Stelle insbesondere eine Studie von Werner Gamerith (1994) sowie die Arbeiten der Forscher_innen um Ernst Steinicke, die sich jeweils mit Wandlungsprozessen des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets befassen (vgl. Steinicke/Zupančič 1995; Steinicke 2001, 2002, 2006; Steinicke et al. 2011; Čede et al. 2013). Zur Vervollständigung des Überblicks über die Forschungslage zu den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška seien zu guter Letzt auch die politikwissenschaftlichen Arbeiten zum Thema angeführt. Zu nennen sind hier die Arbeiten von Štefka Vavti (1981) sowie von Franc Merkač und Karl Fallend (Merkač/Fallend 1983), die sich mit den politischen Einstellungen und der Partizipation von Personen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund beschäftigen. Der Repräsentation der slowenischsprachigen Bevölkerung durch organisierte Strukturen sowie innerhalb des politischen Systems des Landes Kärnten/Koroška wiederum widmen sich die Arbeiten von Boris Jesih (2010) sowie von Theo Öhlinger und Peter Pernthaler (1997). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die von Ralf Unkart, Gerold Glantschnig und Alfred Ogris (1984) vorgelegte Analyse der Wahlkreiseinteilung in Kärnten/Koroška und deren Folgen für die slowenischsprachige Bevölkerung. Interessante Perspektiven auf politische Orientierungen im Südkärntner Raum bieten zudem sowohl die qualitative empirische Studie von Bernhard Perchinig

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(1989), die sich den deutschnationalen und antislowenischen Einstellungen von Einwohner_innen einer Gemeinde im zweisprachigen Siedlungsgebiet widmet, als auch die Arbeit von Vida Obid, Mirko Messner und Andrej Leben (Obid et al. 2002), in der die Vielschichtigkeit der von den etablierten politischen Parteien vertretenen antislowenischen Positionen in Kärnten/Koroška beleuchtet wird. Was die bisher genannten geschichtswissenschaftlichen, geografischen und politikwissenschaftlichen Arbeiten eint, ist die sozialtheoretische Perspektive, derzufolge das Ethnische sich vorrangig aus strukturellen Bedingungen ableitet. Dazu kommt, dass das Verhältnis von Sprache und Ethnizität unhinterfragt als eines der Überlappung angenommen wird. Mit anderen Worten wird die slowenischsprachige Bevölkerung von vorneherein mit der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen gleichgesetzt. Eine der wenigen Ausnahmen stellt in dieser Hinsicht die Studie einer Forschungsgruppe um Andreas Moritsch dar, die die historische Entwicklung von ethnischen Differenzierungsprozessen in lokalen Räumen im zweisprachigen Siedlungsgebiet in den Fokus rückt und dabei auch die Akteursebene berücksichtigt (Moritsch 1991). Dazu begaben sich die Forscher in die ländlichen Gemeinden St. Stefan an der Gail/Štefan na Zilji, Vorderberg/Blače, Ludmannsdorf/Bilčovs und Tainach/ Tinje (Moritsch 1991a) sowie in die Kleinstädte Bad Eisenkappel/Železna Kapla und Ferlach/Borovlje (Kuchar et al. 1991) und nahmen eine auf reichhaltigen Quellenmaterialien basierende Analyse der Entwicklung von sprachlichen Verhältnissen, ethnischen Differenzierungen und Assimilationsprozessen vor. (II) Forschungsstand im Bereich der Bildungswissenschaft, Soziolinguistik und Sozialpsychologie Für ein vertieftes Verständnis der strukturellen Hintergründe der Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung ist die Analyse geschichtswissenschaftlicher und geografischer Arbeiten unerlässlich. Wenn es nun um die Beantwortung der Frage nach der Konstituierung von Ethnizität geht, bedarf es der Hinwendung zu weiteren wissenschaftlichen Disziplinen. Von Relevanz sind in diesem Zusammenhang vor allem bildungswissenschaftliche Forschungen, die sich mit den Sozialisationsbedingungen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška befassen. Zu erwähnen sind an dieser Stelle die Studien von Gero Fischer (1980), Georg Gombos (2003, 2007) und Brigitta Busch (2010; Busch/Doleschal 2008). Zum Thema slowenischsprachiges Schulwesen ist insbesondere die Studie ›Der heimliche Lehrplan der Minderheitenbildung‹ von Vladimir Wakounig (2008) hervorzuheben. In der Arbeit analysiert der Autor den Zusammenhang zwischen dem Minderheitenschulwesen in Kärnten/Koroška und der Herausbildung des Ethnischen. Eine kritische Betrachtung der schulischen Sozialisation von Angehörigen der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe führt Wakounig zum Schluss, dass spezifische Bildungseinrichtungen mit Slowenisch als Unterrichtssprache ethnische

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Aus- und Abgrenzungen, Prozesse der Selbstethnisierung sowie auch rassistische Tendenzen befördern (vgl. dazu auch Wakounig 1999). Anzuführen sind in diesem Kontext zudem Arbeiten, die sich mit spezifischen Bildungsinstitutionen und Spracherwerbsprozessen auseinandersetzen (Gstettner/Larcher 1985; Verdel 1990; Feinig 1999, 2008; Miheljak 1999; Rausch 2000; Gombos 2003, 2007; Sienčnik 2010; Purkarthofer 2016). Hinsichtlich der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Soziolinguistik lässt sich festhalten, dass die Existenz verschiedener slowenischer Dialekte innerhalb der Südkärntner Bevölkerung unstrittig ist. Uneinigkeit herrscht indes darüber, wie die Kommunikation über die Mundartgrenzen hinweg aussieht. Während Sprachwissenschaftler_innen wie Minnich (1988), Priestly (1990) oder Maurer-Lausegger (1993) keine slowenischsprachige Verständigung zwischen Sprecher_innen der verschiedenen slowenischen Dialekte erkennen wollen, sehen andere Soziolinguist_innen sehr wohl Anzeichen für die Entwicklung einer dialektübergreifenden slowenischen Umgangssprache (vgl. Schellander 1988: S. 268 ff; Busch 2010: S. 183 f). Ähnlich wie bildungswissenschaftliche und soziolinguistische Arbeiten rücken sozialpsychologische Forschungen bezüglich der Frage des Ethnischen in Kärnten/ Koroška die Akteursebene in den Mittelpunkt. Zu nennen sind hier etwa die Untersuchungen von Klaus Ottomeyer (1988), Daniel Wutti (2013) sowie von Marija Jurič Pahor (2001), die sich jeweils mit individuellen Verarbeitungsformen von familiären Traumata auseinandersetzen. Ausdrückliche Erwähnung verdient die mittlerweile klassische Studie ›Zweisprachigkeit und Identität‹ (Boeckmann et al. 1988) der Forschungsgruppe um Dietmar Larcher, die sich mit der mentalen Verarbeitung der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška und der Genese von ethnischen Identitäten beschäftigte. Aus einer sozialpsychologischen Perspektive heraus rekonstruierte die Forschungsgruppe fünf ethnische Identitätstypen. Unterschieden wurde zwischen ›politisch aktiven, bewussten (Kärntner) Slowen_innen‹, ›bewussten (Kärntner) Slowen_innen‹, ›Kulturpendler_innen‹, ›Assimilierten‹ sowie ›radikalen Assimilant_innen‹ (vgl. Larcher 1988: S. 57 ff). Bei der Analyse des bildungswissenschaftlichen, sprachwissenschaftlichen und sozialpsychologischen Forschungsstands zur Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung lassen sich hinsichtlich des Umgangs mit Fragen des Ethnischen bestimmte Muster erkennen. Häufig erfolgt auch hier eine Gleichsetzung von slowenischem Sprachgebrauch und ethnischer Identität bzw. Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen. Darüber hinaus wird das Ethnische in allen drei Disziplinen allein auf die kognitive, mentale Ebene reduziert, was eine Psychologisierung und Individualisierung des Ethnischen zur Folge hat – dieses wird auf eine immaterielle geistige Sphäre oder auf ein mentales Regelsystem beschränkt, Ausdrucksformen des Ethnischen in Form von praktischen Tätigkeiten, Performances oder kollektiven Strategien bleiben dagegen unberücksichtigt.

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(III) Forschungsstand im Bereich der Soziologie Ähnlich umfangreich wie die Ergebnisse der bisher genannten Disziplinen sind die Erkenntnisse, die die soziologische Forschung zu den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška zutage gefördert hat. Unterschieden werden können hier zum einen mikrosoziologisch orientierte Arbeiten, die sich mit Aktivitäten von Akteuren beschäftigen, und zum anderen Untersuchungen, deren Interesse vorrangig demografischen Strukturen und Vorgängen auf der strukturellen Ebene gilt. Studien, die beide Dimensionen berücksichtigen, finden sich jedoch nicht. In die erstgenannte Kategorie fällt eine Reihe von empirischen Arbeiten, die die ethnischen Orientierungen von slowenischsprachigen Personen unterschiedlichen Alters (Guggenberger et al. 1994; Nećak-Lük/Jesih 2002; Rechberger 2008) oder von Jugendlichen (Merkač 1986) in den Blick nahmen. Dazu gehören insbesondere die Arbeiten der slowenischsprachigen Kärntner Soziologin Štefka Vavti, die sich in einem dezidiert biografischen Zugang mit der Ausprägung und Entwicklung ethnischer Identitäten junger Menschen auseinandersetzte (Vavti 2009a, 2009b, 2010, 2013). Diese sieht die Autorin zunehmend in Bewegung geraten – eine Entwicklung, die ein weites Feld an fluiden Identitätsformen eröffne. Konkret unterscheidet Vavti zwischen zehn Identitätstypen, die Jugendliche mit slowenischsprachigem Familienhintergrund in Kärnten/Koroška ausbilden (vgl. Vavti 2013: S. 41 ff). Ebenso wie die Arbeiten der Forschungsgruppe um Dietmar Larcher fassen auch diese mikrosoziologisch orientierten Studien jüngeren Datums ethnische Identitäten in erster Linie als ethnische Selbstverortungen. Neben mikrosoziologisch angelegten, auf Identitäten fokussierte Studien finden sich Arbeiten, in deren Mittelpunkt ethnische Abgrenzungen oder Ausschlussmechanismen stehen, darunter etwa Untersuchungen von Ludwig Flaschberger zu ethnischen Dualismen (1999) und zu minderheitenfeindlichen Orientierungen von slowenischsprachigen Personen (1979) oder die Arbeiten der Forschungsgruppe um Brigitte Hipfl et al. (2002) sowie von Andrea Kumer (1999), die sich jeweils mit dem volatilen Zusammenspiel von Selbstverortungen und Abgrenzungen auseinandersetzen. Erwähnung verdienen zudem die Forschungen von Sarah M. Rogaunig (2014) sowie von Maja Malle (2014) zur Bedeutung des Theaterschaffens in slowenischsprachigen Kulturvereinen für ethnische Grenzziehungen. Der Vielzahl an soziologischen Studien mit mikrosozialer Ausrichtung steht eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Arbeiten gegenüber, die Fragen des Ethnischen von einer strukturellen Warte aus behandeln, darunter etwa die Untersuchung von Alois Soritsch (2001) zu Migrations- und Heiratsstrukturen in Südkärntner Gemeinden oder die Arbeiten des Kärntner Soziologen Albert F. Reiterer (1986, 1996). Beide Forscher legen den Fokus auf die Berufsstruktur und die Bildungsqualifikationen slowenischsprachiger Personen. Dabei kommt Reiterer zu dem Ergebnis, dass eine tiefe Bruchlinie die slowenischsprachige Bevölkerung in zwei Segmente teilt: einerseits

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in eine Gruppe mit niedrigem Bildungsabschluss, die insbesondere im primären ökonomischen Sektor beschäftigt ist, und andererseits in ein Lager, dessen Vertreter einen Matura- oder einen Hochschulabschluss vorweisen können und in leitenden Positionen oder akademischen Berufen tätig sind. Fragen des Ethnischen werden im Rahmen der Arbeit ausschließlich aus einer strukturtheoretischen Perspektive betrachtet. Menschen, die in einer slowenischsprachigen Familie aufwachsen, werden unhinterfragt als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen angesehen. Neben den angeführten Studien existiert eine Reihe von Forschungen, die die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška aus dem Blickwinkel der Kulturwissenschaften untersuchen. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Brigitta Busch (1999), Cornelia Kogoj (1997, 1998) sowie von Valentina Wieser (2014) zu Minderheitenmedien. Von Relevanz sind daneben Studien, die sich detailliert mit der Bedeutung von Literatur (Strutz 2000; Kobenter 2003; Goetz 2012) und Musik (Zerzer 2000), Kunst (Bister 2000), Gebräuchen und Traditionen (Zablatnik 1992), Organisationen und Vereinen (Fantur 1992; Sienčnik 2010) für die slowenischsprachige Bevölkerung beschäftigen. Desiderate Die große Bandbreite an Studien über die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška macht diese zu der am besten beforschten ethnischen Gruppe in Österreich. Gleichwohl lassen sich zumindest drei Forschungslücken anführen, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen. Diese bestehen mit Blick auf folgende Aspekte: (I) inhaltliche Leerstellen, (II) die eingenommene Forschungsperspektive (Insider vs. Outsider) sowie (III) die sozialtheoretische Perspektive auf das Ethnische (akteurszentrierte vs. strukturelle Perspektive). Forschungsdesiderat I: Inhaltliche Leerstellen Die gute Forschungslage zur slowenischsprachigen Bevölkerung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Untersuchungen oft nur auf bestimmte Ausprägungen und Facetten des Ethnischen abzielten, wobei in der Regel die Ausprägung von ethnischen Identitäten bzw. genauer gesagt von ethnischen Selbstbildern im Vordergrund stand. Andere wichtige Dimensionen des Ethnischen harren dagegen nach wie vor der Analyse, so etwa der Zusammenhang von Ethnizität und familiärem Kontext, die Konstituierung des Ethnischen im Rahmen von Organisationen oder Kultur- bzw. Sportvereinen sowie die Bedeutung der Peergroup in diversen Sozialisationsinstanzen (wie Schulen oder Vereinen). Bei aller Einigkeit darüber, dass die slowenische Sprache den Kern des Kärntner Slowenischen darstellt, wird der Frage, was dies in praktischer Hinsicht für das alltägliche Miteinander bedeutet, in welchen unterschiedli-

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chen Kontexten der slowenischen Sprache eine praktische Relevanz zukommt, offenbar nur nachrangige Bedeutung beigemessen. Auch die Frage, worin sich die slowenischsprachige Bevölkerung von anderen ethnischen Gruppen abhebt, wurde noch nicht zum Thema einer eigenen empirischen Studie gemacht. Mit der vorliegenden Untersuchung werden diese inhaltlichen Leerstellen geschlossen. Forschungsdesiderat II: Forscher_innenperspektive Abgesehen von den inhaltlichen Lücken begründet ein weiterer Umstand die Relevanz der vorliegenden Studie. Ein Blick auf die Autor_innen zeigt, dass die wissenschaftliche Befassung mit den ethnischen Beziehungen vor Ort fast ausschließlich von Personen ausgeht, die von diesem Thema persönlich – etwa aufgrund familiärer Gegebenheiten – betroffen sind. Pointiert lässt sich dieser Umstand auch so ausdrücken, dass vorrangig deutschsprachige oder slowenischsprachige Kärntner_innen und damit Angehörige der beiden lokalen ethnischen Gruppen zu diesem Thema forschen und damit für einen großen Teil der diesbezüglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse verantwortlich sind. Oder noch zugespitzter: Nur Kärntner_innen beforschen Kärntner_innen, oder nur Kärntner Slowen_innen beforschen Kärntner Slowen_innen. Hierbei handelt es sich um einen klassischen Fall der Insider-/ Outsiderproblematik. Von einer Insiderposition wird für gewöhnlich dann gesprochen, wenn die forschende Person aufgrund ähnlicher kultureller, sprachlicher oder religiöser Hintergründe mit der beforschten Gruppe über ein gemeinsames Wissen verbunden ist (vgl. Merton 1972). Forscher_innen mit einem Insiderstatus wird deswegen oftmals eine qua Geburt oder Sozialisation erworbene Vertrautheit mit den Forschungsgegenständen attestiert, während an Outsider der pauschale Vorwurf der Unkenntnis lokaler Sachverhalte sowie der Tendenz zur Universalisierung oder zu Fehlinterpretationen ergeht (vgl. Atkinson/Hammersley 2007: S. 86 f). Diese Kategorisierung wird in der sozialwissenschaftlichen Forschung freilich als voreingenommen und problematisch zurückgewiesen, auch die strikte Dichotomie Insider/Outsider wird hinterfragt. Lieber spricht man von einem Kontinuum (Surra/Ridley 1991) oder von multiplen Insidern (Deutsch 1981). Demnach ist der Insiderstatus keineswegs von vornherein gegeben, sondern kann im Zuge eines Aushandlungsprozesses im Verlauf der Feldforschung auch erworben werden. Zudem wird betont, dass dieser Status für die Beforschung von Personengruppen nicht immer von Vorteil sei, im Gegenteil würde er aufgrund unhinterfragter Vorannahmen den Blick für unbekannte Zusammenhänge eher verstellen denn eröffnen. Neue Perspektiven verspricht in solch einem Fall eine unvoreingenommene Annäherung an das soziale Phänomen aus einer außenstehenden Position heraus (Gans 1999; Andrade 2000).

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Bei der Frage, wer das Ethnische beforscht, handelt es sich keineswegs nur um einen formalen Aspekt. Denn dass sich in erster Linie Wissenschaftler_innen mit einem Insiderstatus – aufgrund biografischer Bezugspunkte zur Region – mit den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška beschäftigen, hat auch inhaltliche Konsequenzen. So fällt in der Zusammenschau des Forschungsstands insbesondere die Vielzahl an Arbeiten auf, die sich mit der Ausprägung von ethnischen Identitäten und/oder den Gründen für ethnische Assimilation auseinandersetzen. Untersucht werden in erster Linie Abweichungen und Abwendungen von idealtypischen ethnischen Selbstbildern (der Fall ist dies bei: Boeckmann et al. 1988; Flaschberger 1979; Guggenberger et al. 1994; Vavti 2009a, 2009b, 2010, 2013). Der Erkenntnisgewinn, der sich aus diesen Forschungen ergibt – in der Regel die Konstatierung der Diversität ethnischer Bindungen – bleibt jedoch an der Oberfläche dessen, was das alltägliche soziale Miteinander der Bevölkerungsgruppe ausmacht. Dass Wissenschaftler_innen mit biografischen Bezügen zu Kärnten/Koroška zumeist eine ethnische Binnenperspektive einnehmen, wird in den seltensten Fällen kritisch reflektiert, wohingegen Sichtweisen von außerhalb, also von Forscher_innen, die sich dem Forschungsgegenstand aus einer Outsiderposition annähern, oft auf einen gewissen Argwohn stoßen (vgl. Gamerith 1994: S. 4). Auch aus diesem Grund ist deren Anzahl auffallend gering. Zu nennen sind an dieser Stelle insbesondere die Historiker Thomas Barker und Karl Stuhlpfarrer, der Sprachwissenschaftler HeinzDieter Pohl, die Soziolinguist_innen Brigitta Busch und Dietmar Larcher, der Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer, der Bildungswissenschaftler Peter Gstettner sowie die Geografen Ernst Steinicke und Werner Gamerith. Alle anderen in der vorangegangenen Darstellung des Forschungsstands erwähnten Wissenschaftler_innen weisen hingegen biografische Bezüge zu Kärnten/Koroška auf. Bei meiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Frage des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška nehme ich in mehrerlei Hinsicht eine außenstehende Sichtweise ein. So bin ich selbst weder Angehöriger der slowenischsprachigen Bevölkerung noch habe ich einen familiären Bezug zu der Region. Ich bin nicht einmal in Österreich aufgewachsen, sondern aus Deutschland zugezogen. Angesichts dieses Hintergrunds mag die Beschäftigung mit dem Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung widersinnig und problematisch wirken – allerdings wohl nur auf den ersten Blick. Denn im Zuge einer rund zehnjährigen Museumsvermittlungsarbeit in einem kleinen Museum für regionale Zeitgeschichte in Südkärnten hatte ich Gelegenheit, mich mit der Situation der Bevölkerungsgruppe bestens vertraut zu machen. Dank dieser Tätigkeit und des mit ihr verbundenen Austauschs mit slowenischsprachigen Museumsbesucher_innen konnte ich mir detaillierte Binnenansichten der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška aneignen und vielfältige Kontakte zu relevanten Akteuren im Feld knüpfen. Auf diese Weise entwickelte ich mich vom unbedarften Outsider zu einem mit der Materie Vertrauten,

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dem der Insiderstatus nicht gänzlich abzusprechen ist. Demnach erwies sich mein Ausgangspunkt als Fremder für mich und die Studie nicht nur nicht als Nachteil, sondern ermöglichte mir gerade, einen ungetrübten Blick auf die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška zu werfen und dabei bisher unbeachteten und weitgehend unhinterfragten Aspekten auf die Spur zu kommen.14 Forschungsdesiderat III: Sozialtheoretische Perspektiven Neben den beiden genannten Forschungslücken – hinsichtlich des Umgangs mit dem Forschungsgegenstand sowie der forschenden Person selbst – zeigt sich in der Zusammenschau des Forschungsstands noch ein dritter Mangel, den die vorliegende empirische Studie zu beheben versucht. Dieser hat mit der sozialtheoretischen Annäherung an den Forschungsgegenstand zu tun. Denn in dieser Hinsicht finden sich in der bestehenden Forschung zu den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška zwei konträre Ansätze – individualistisch orientierten Arbeiten, die den ausschlaggebenden Grund für Ethnizität allein auf der Ebene einzelner Akteure suchen, stehen Studien gegenüber, die für die Ausbildung des Ethnischen vor allem soziale Strukturen, Diskurse, politische Entscheidungen oder historische Faktoren verantwortlich machen. So unterschiedlich diese Ansätze sind, scheitert beider Erklärungskraft an der gleichen Frage: Wie kommt es, dass die slowenischsprachige Bevölkerung so persistent ist und weiterhin existiert, obwohl sie in den vergangenen 150 Jahren einem starken Assimilationsdruck ausgesetzt war? Diese Frage kann letztendlich weder aus individualistischer noch aus strukturtheoretischer Perspektive hinreichend beantwortet werden. Wenn wir von autonomen Individuen ausgehen und annehmen, dass die Zugehörigkeit (oder auch die Nichtzugehörigkeit) zu einer ethnischen Gruppe eine völlig individuell und isoliert getroffene Entscheidung darstellt, lässt sich nicht zufriedenstellend erklären, warum trotz der steten geschichtlichen Stigmatisierung des Slowenischen die Zahl der slowenischsprachigen Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten relativ konstant geblieben ist. Erfahrungen der politischen Diskriminierung des Kärntner Slowenischen oder antislowenische Anfeindungen müssten dieser sozialtheoretischen Perspektive gemäß doch einen Exodus – oder in der gegenläufigen Tendenz ein Anschwellen – der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zur Folge gehabt haben. Keine dieser Entwicklungen ist jedoch in signifikantem Maße empirisch feststellbar. Auf der anderen Seite mangelt es auch strukturtheoretischen Konzeptionen an Erklärungskraft, was die Dauerhaftigkeit des Ethnischen in

14 Die Art und Weise, wie ich die eigene Fremdheit im Verlauf meiner Forschungen methodisch einsetzte, konkretisiere ich im Kapitel 3.2 zur Forschungsstrategie und zu den empirischen Methoden.

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Kärnten/Koroška angeht. So wäre dieser Ansatz erst dann bestätigt, wenn – angesichts der strukturellen, politischen Unterdrückung, Stigmatisierung und Verfolgung des Slowenischen in Kärnten/Koroška im Verlauf des 20. Jahrhunderts – die slowenischsprachige Bevölkerung bereits aufgehört hätte zu existieren, wovon jedoch keineswegs die Rede sein kann. Stattdessen wird vor diesem Hintergrund die Frage laut: Wieso verschwindet die Bevölkerungsgruppe angesichts der politischen, sozialen und historischen Entwicklungen nicht völlig, sondern besteht weiterhin? Worauf lässt sich dies zurückführen? In Bezug auf diese Frage weisen eben beide sozialtheoretischen Perspektiven Erklärungslücken auf. Und eine Perspektive, die bei der Beforschung der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška beide Ebenen gleichermaßen berücksichtigt, wurde bisher noch nicht eingenommen. Auch diese Lücke soll mit der vorliegenden Studie geschlossen werden. Als Schlüssel zur Beantwortung der beschriebenen Frage bietet sich eine praxistheoretische Forschungsperspektive an. Indem eine solche Annäherung an das Ethnische routinisierte Handlungsketten, soziale Strategien und die Praxis des Ethnischen in den Mittelpunkt rückt, ermöglicht sie es, die Erklärungskraft sowohl der Akteursebene als auch der strukturierenden Ordnungen zu bündeln. Forschungsfragen Demnach begründet sich das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie durch die beschriebenen, in dreierlei Hinsicht bestehenden Forschungslücken, die diese Untersuchung zu schließen sucht. Als Forschungsfragen verfolge ich im Rahmen meiner empirischen Studie in der Zusammenschau somit folgende Zielsetzungen: • Was zeichnet die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in



• •



Kärnten/Koroška in ihren unterschiedlichen Facetten und Dimensionen in familiären Kontexten, in Bildungsinstitutionen sowie im Freizeitkontext aus? Welche bestehenden Konzeptionen von Ethnizität bieten Anknüpfungspunkte für eine praxistheoretische Analyse des Ethnischen an und versprechen damit eine systematische Berücksichtigung der strukturellen sowie der akteurszentrierten sozialtheoretischen Ebene? Wie sieht das Verhältnis von Sprache und Ethnizität im Fall der slowenischsprachigen Bevölkerung aus? Welche Aspekte fördert eine praxistheoretisch angeleitete Perspektive zutage, die bei der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Ethnischen der Bevölkerungsgruppe vernachlässigt wurden, und wie lässt sich das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in einer solchen Sichtweise fassen? Und welche Folgerungen können aus der empirischen Analyse für die Ethnizitätsforschung und die Praxistheorie gezogen werden?

2

Theoretische Felder: Ethnizitätsforschung und Praxistheorie

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in seinen unterschiedlichen Facetten und Dimensionen zu fassen. In der bisherigen Forschung wurde dies vorrangig durch Ansätze versucht, die sich dem Ethnischen einseitig annähern, entweder aus allein akteurszentrierter oder ausschließlich struktureller Perspektive. Einen anderen Weg verfolgt indes ein praxistheoretischer Ansatz, angestoßen durch den ›practical turn‹ von Theodore Schatzki (Schatzki et al. 2001). Da die Ausarbeitung einer solchen Perspektive bezogen auf den Bereich der Ethnizitätsforschung noch aussteht, werden im Rahmen dieses Kapitels bestehende Ansätze innerhalb der Ethnizitätsforschung analysiert, um eine praxistheoretische Annäherung an das Ethnische entsprechend zu verorten. Zudem werden sie daraufhin untersucht, inwiefern sie Impulse und Anknüpfungspunkte für eine praxistheoretische Perspektive auf Ethnizität liefern können. In einem ersten Schritt (2.1) nähere ich mich dieser Zielsetzung mit der Frage an, was unter Ethnizität verstanden wird und in welchem Zusammenhang der Begriff mit Kultur und Sprache steht (2.1.1), bevor ich mich dem Zusammenhang von Ethnizität und Sozialisation widme (2.1.2). Besonderes Augenmerk lege ich im Anschluss daran auf wichtige Spannungsfelder innerhalb der Ethnizitätsforschung – wie beispielsweise die Gegenüberstellung von primordialen und sozialkonstruktivistischen Ansätzen sowie von akteurszentrierten und strukturtheoretischen Konzepten (2.1.3 und 2.1.4). Die Diskussion derartiger Kontroversen bildet die Voraussetzung für die angemessene Positionierung einer praxistheoretischen Sichtweise auf Ethnizität innerhalb der Disziplin. Dies wiederum wird in einem zweiten Schritt gewährleistet, in dem ich zuerst die Grundzüge der Praxistheorie nach Schatzki darlege (2.2). In der Folge skizziere ich die Konturen und theoretischen Anknüpfungspunkte, die meinen Zugang zur Praxis des Ethnischen bestimmen (2.3). Basierend auf dieser Ausarbeitung erfolgen die empirischen Analysen. Ziel ist es, mittels gegenstandsbegründeter

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konzeptioneller Schlussfolgerungen darüber, was das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška ausmacht, einen Beitrag sowohl zu praxistheoretischen als auch zu ethnizitätstheoretischen Debatten zu leisten.

2.1 ETHNIZITÄTSTHEORETISCHE ANKNÜPFUNGSPUNKTE 2.1.1 Ethnizität im Gravitationsfeld von Kultur und Sprache Ethnizität1 stellt in der sozialwissenschaftlichen Forschung zumeist einen eher vage definierten Begriff dar, der von benachbarten Konzepten wie Sprache oder Kultur oft nur unklar abgegrenzt wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Ethnizität aufs Engste sowohl mit sprachlichen als auch mit kulturellen Phänomenen verwoben ist und sich sozusagen in deren Gravitationsfeld befindet. Die Unschärfe des Begriffs hängt auch damit zusammen, dass er sich mit einem relativ schwer fassbaren Phänomen mit undeutlichen Grenzen befasst (vgl. Karner 2007: S. 15 ff). Im Kern dreht sich Ethnizität immer darum, wodurch sich nichtfamiliär basierte Bindungen oder Zugehörigkeiten (bzw. deren Anschein) konstituieren. Als manifeste empirische Phänomene können dabei Selbstverortungen, personale oder kollektive Identitäten, Einstellungen, Empfindungen, Emotionen und Vorlieben, Solidarität, kulturelle Aspekte, routinisierte Gepflogenheiten, Organisationen oder auch politische Strukturen eine Rolle spielen (vgl. Malešević 2004: S. 160). In theoriehistorischer Hinsicht handelt es sich bei der Ethnizitätsforschung um eine relativ junge Disziplin (vgl. Malešević 2004: S. 13 ff; Beer 2012: S. 63). Insbesondere seit den 1970er Jahren haben die Begriffe Ethnie und Ethnizität einen Aufschwung erlebt und wurden zu in den Sozialwissenschaften häufig gebrauchten Termini. Dies resultierte einerseits aus dem vermehrten Auftreten manifester ethnischer Konflikte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. Glazer 1983), dem sogenannten ›ethnic revival‹ (Smith 1981), und andererseits aus der von Barth, Anderson und Hobsbawm eingeleiteten konstruktivistischen Wende, die eine Konjunktur von Arbeiten im Bereich der Ethnizitätsforschung auslöste (vgl. Dittrich/Radtke 1990: S. 21). In den 1990er Jahren haben Phänomene, die mit dem Ethnischen und ethnischen Gruppen zusammenhängen, weiter an Relevanz gewonnen (vgl. dazu Neckel 1997; Stender 2000: S. 69 ff; Groenemeyer 2003: S. 26).

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Den Ausdruck Ethnizität verwende ich im Rahmen der Studie synonym zum Begriff des Ethnischen.

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Ethnie, Volksgruppe und (nationale) Minderheit Die Ausdrücke Ethnie und ethnische Gruppe dienen gemeinhin der Bezeichnung von Personengruppen, deren Mitglieder gemeinsame Merkmale oder eine gemeinsame Abstammung und Geschichte für sich reklamieren (vgl. Beer 2012: S. 62 f). Zu differenzieren ist in diesem Zusammenhang zwischen sogenannten autochthonen ethnischen Gruppen, die in einer Region seit vielen Generationen ansässig sind, und allochthonen Ethnien, die im Zuge von aktuellen oder zeitlich zurückliegenden Migrationsbewegungen entstanden sind (vgl. Heckmann 1992: S. 59 ff). Was die unterschiedlichen Personengruppen jeweils zu Ethnien macht, stellt in der Ethnizitätsforschung seit jeher eine Streitfrage dar. Diese dreht sich darum, ob bestimmte, als ethnische Abgrenzungs- und Unterscheidungsmerkmale identifizierte Marker als dynamisch und sozial hergestellt oder als primordial und fixiert zu verstehen sind.2 Der Ausdruck ethnische Gruppe ist keineswegs gleichbedeutend mit den Bezeichnungen Volksgruppe oder (nationale) Minderheit. Letztere finden vor allem in staatstheoretischer oder rechtlicher Hinsicht innerhalb polyethnischer Staatsformationen Verwendung. Wenn daher im öffentlichen Diskurs in Österreich die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška als Volksgruppe bezeichnet wird, ist damit impliziert, dass der ethnischen Gruppe in verfassungsrechtlicher Hinsicht bestimmte Rechte zuerkannt werden, wie beispielsweise jenes auf zweisprachige topografische Beschilderungen, ein zweisprachiges Schulwesen oder die Nutzung von Slowenisch als Amtssprache. Darüber hinaus erweckt der Ausdruck Volksgruppe den Anschein, dass die ethnischen Markierungen der spezifischen Bevölkerungsgruppe auf objektiven Kriterien basieren, mithin keineswegs durchlässig, sondern festgezurrt, undurchdringbar und damit in einem primordialen Sinne zu verstehen sind (vgl. Wakounig 2008: S. 94 ff; Hentges 2003). Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Arbeit von der Verwendung des Ausdrucks Volksgruppe abgesehen. Der Begriff nationale oder ethnische Minderheit wiederum kam zum ersten Mal in den Verhandlungen zu den Pariser Vorortverträgen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auf. Im Gegensatz zum Ausdruck Volksgruppe attestiert er dem Ethnischen einer Bevölkerungsgruppe nicht zwingend Primordialität, die Bezeichnung Minderheit bringt jedoch zum Ausdruck, dass sich die Bevölkerungsgruppe innerhalb einer polyethnischen Staatsformation in einer minoritären Stellung befindet. Ob in numerischer Hinsicht, bezüglich des sozialen Status oder der machtpolitischen Einflussmöglichkeiten der Angehörigen der Gruppe bleibt dabei unbeantwortet (vgl. Reiterer 1996: S. 182; Heckmann 1992: S. 30 ff). Um der slowenischsprachigen Bevölkerung nicht beständig einen minoritären Status zuzuschreiben, verwende ich im Rahmen der Studie in erster Linie die neutrale Bezeichnung ethnische Gruppe.

2

Die Diskussion darüber, worin der Charakter des Ethnischen besteht, wird im Unterkapitel 2.1.3 vertieft.

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Ethnizität, Kultur und Sprache Ethnizität steht in engem Zusammenhang mit Kultur. So wird das Ethnische zumeist auf kulturelle Differenzen zurückgeführt, die eine Bevölkerungsgruppe von anderen abhebe. Als solche Unterscheidungsmerkmale fungieren in der Regel Sprache, Religion, Kleidung, regionale Herkunft, Traditionen oder familiäre Sitten und Gebräuche (vgl. Karner 2007: S. 17). So betrachtet ist die Basis des Ethnischen das Kulturelle im alltagspraktischen Sinn (vgl. Hörning/Reuter 2004). Das Ethnische unterscheidet sich vom Kulturellen dabei durch seinen Bedeutungsgehalt und seinen spezifischen sozialen Charakter. Denn erst wenn ein kultureller Aspekt, also Sprache, Religion, Kleidung usw., als Differenzierungsmerkmal einer Personengruppe in Abgrenzung zu einer anderen identifiziert wird, kommt diesem – so der Ethnizitätsforscher Siniša Malešević – ein ethnischer Charakter zu. Kulturelle Differenzen sind folglich nicht gleichbedeutend mit dem Ethnischen, wie Malešević betont, sondern bilden dessen Fundament. Ethnizität ist somit als eine aktiv geformte und mit Bedeutungsgehalt versehene, politisierte Form von Kultur zu verstehen (vgl. Malešević 2004: S. 4). Im Rahmen dieser Studie werden die beiden Begriffe Kultur und Ethnizität in diesem Sinne verwendet. Außer mit Kultur hängt das Ethnische auch sehr eng mit Sprache zusammen (vgl. Fishman 1980, 1989). Dies hat unterschiedliche Gründe. So stellt Sprache zum einen einen Bestandteil dessen dar, was als kulturelles Repertoire einer spezifischen Bevölkerungsgruppe betrachtet wird und in vielen Fällen als ethnisches Alleinstellungsmerkmal fungiert. Zum anderen erlangen sprachliche Differenzen zwischen Bevölkerungsgruppen durch den praktischen Gebrauch der Sprache eine besondere Bedeutung für das alltägliche Miteinander.3 In diesem Sinn fungiert Sprache als Ressource für die ethnische Identitätsbildung und – aufgrund ihrer alltagspraktischen Verwendung zur gegenseitigen Verständigung – für den Zusammenhalt von Gruppen (vgl. Stevens 1985). Eine zentrale Rolle im alltäglichen Miteinander kommt der Sprache jedoch nicht nur als Kommunikationsmittel zu, sondern auch in symbolischer Hinsicht, da mit dem Sprachgebrauch Fragen des sozialen Status, Prestige, sozioökonomische Positionen oder politische Ausrichtungen verbunden sind. In diesem Sinne stellt Sprache auch das Medium dar, über das ethnische Selbstverortungen oder ethnische Grenzziehungen aktiv ausgedrückt, untermauert oder kritisiert werden können. So belegen

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Die Zentralität von Sprache für die Herausbildung von ethnischen oder nationalen Zugehörigkeiten hat bereits Benedict Anderson im Konzept der ›imagined communities‹ hervorgehoben, indem er die Entwicklung und Kodifizierung einer Standardsprache als Fundament und Voraussetzung des Nationenbegriffs und einer nationalen Identität herausarbeitete (vgl. Anderson 1991: S. 67 ff).

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insbesondere soziolinguistische Arbeiten, die sich mit Fragen des Ethnischen bei Jugendlichen beschäftigen, dass diese ein Repertoire oder Variationen von Sprachen auch gezielt dazu benutzen, strukturierende Ordnungen, ethnische Identitäten oder ethnische Gemeinschaftsvorstellungen zu bestätigen oder infrage zu stellen (vgl. Rampton 1995, 1998; Harris 2006). Demnach entfaltet Sprache ihre Wirkmächtigkeit in Bezug auf Fragen des Ethnischen nicht nur aufgrund des nichtintentionalen Gebrauchs zur gegenseitigen Verständigung, sondern auch durch ihren bewusst symbolischen Einsatz. Darüber hinaus können mittels Sprache ethnische Selbstverortungen, Selbstbilder und Abgrenzungen gezielt manipuliert, verändert oder befördert werden. In ethnischen Konflikten etwa kann eine spezifische Sprachpolitik oder ein spezifischer Umgang mit Sprache gewichtigen Einfluss nehmen auf die Ausprägung des Ethnischen einer Bevölkerungsgruppe. Vor diesem Hintergrund kommt Sprache im Zusammenhang mit Ethnizität prinzipiell ein ambivalenter Charakter zu. Denn einerseits stellt sie als aktives, alltägliches Verständigungsmedium eine Basis des Ethnischen dar, andererseits fungiert sie gleichzeitig als Ausdrucksform des Ethnischen, da über sprachliche Aktivitäten ethnische Orientierungen, Solidarität oder eine empfundene Zugehörigkeit verbalisiert werden (vgl. Fishman 1989: S. 17). Beide Dimensionen gehen jedoch nicht zwingend Hand in Hand, wie das Beispiel der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška zeigt. Dass eine im Südkärntner Raum geborene Person mit slowenischsprachigem Familienhintergrund und einem entsprechenden Sprachgebrauch sich auch als zugehörig zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen empfindet, ist keineswegs selbstverständlich. Sprache kommt – nicht zuletzt aus diesem Grund – für Bevölkerungsgruppen, die in multiethnischen Staatsformationen und in gemischtsprachigen Gebieten leben, wie bei der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška der Fall, eine besonders zentrale Rolle als potenzielles ethnisches Differenzmerkmal zu (vgl. Nećak-Lük/Nećak 1990; Reiterer 2000; Busch 2006: S. 21 ff; Gombos 2007: S. 71 ff). 2.1.2 Ethnizität und Sozialisation Die vorliegende empirische Untersuchung befasst sich mit der Praxis des Ethnischen junger Menschen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren mit slowenischsprachigem Familienhintergrund. Die Fokussierung auf diese Altersgruppe bedarf einer Erläuterung bzw. der Reflexion des Zusammenhangs von Sozialisation und Ethnizität. Grundsätzlich stellt Sozialisation eine lang anhaltende Lebensphase dar, in der Individuen zur Teilhabe am sozialen Leben befähigt werden. Besonders wichtig sind dabei die sogenannte primäre Sozialisation im familiären Rahmen, also die Entwicklung grundlegender Verhaltensweisen, emotionaler Fähigkeiten und basaler kultureller oder sprachlicher Kompetenzen im Kindesalter, sowie die sekundäre Sozialisation

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in der Jugend und Adoleszenz, die vor allem in schulischen Kontexten vonstattengeht und in deren Verlauf die Aneignung von praktischen Fertigkeiten (wie z. B. Lesen, Zuhören, Schreiben, Lernen oder Diskutieren) und die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden im Vordergrund steht (vgl. Berger/Luckmann 1969: S. 140 f; Fend 1981: S. 58 ff). Beide Dimensionen von Sozialisation sind als »zweite, soziokulturelle Geburt« (König 1955: S. 145) zu verstehen, im Zuge derer sich die Beziehung junger Menschen zu ihrer sozialen Umwelt konstituiert (vgl. Nestvogel 2008: S. 159). In zeitlicher Hinsicht wird die Frage der persönlichen Identität insbesondere in der sekundären Sozialisationsphase der Adoleszenz relevant (vgl. Zimmermann 2003: S. 29 & 179 ff). Die Herausbildung ethnischer Zugehörigkeitsgefühle, Selbstbilder sowie die Aneignung von Tätigkeiten, die als ethnisch markiert sind, finden ebenso in diesem Zeitraum statt. In modernen westlichen Gesellschaften ist insbesondere diese Sozialisationsphase einem Wandel unterworfen, beispielsweise in Form einer vermehrten Individualisierung, der partiellen Auflösung traditioneller Formen der sozialen Bindung (vgl. Beck 1986) oder in Form des Verlusts ontologischer Sicherheiten (vgl. Giddens 1995). Sozialisation begreife ich im Rahmen der vorliegenden Studie im Sinne Klaus Hurrelmanns als Lebensphase, in der sich Heranwachsende – im Sinne des Konzepts des ›produktiv realitätverarbeitenden [sic!] Akteurs‹ (vgl. Hurrelmann 1983) – zu sozial handlungsfähigen Menschen entwickeln (vgl. Geulen/Hurrelmann 1980: S. 51). Die schöpferischen Akteure entfalten ihre Handlungspotenziale dabei im Zuge der Auseinandersetzung mit strukturierenden Sozialisationsinstanzen. Besonders wichtig sind für den Prozess der Identitätsbildung vor allem der vertraute Rahmen des Interaktionsgefüges Familie (vgl. Oevermann 2001; Hildenbrand 2002; Gehres/ Hildenbrand 2008: S. 22 ff) sowie der schulische Kontext, Vereine, Peergroups, Medien und der Bezug zur Wohngemeinde (vgl. Ecarius et al. 2011: S. 69 ff). Gleichwohl nehmen die jungen Menschen die strukturierenden Lebensbedingungen, in deren Kontext sie aufwachsen, weder einfach auf noch passen sie sich vollkommen an sie an, »sondern verarbeite[n] sie im eigenen, wenn auch nicht immer bewussten Interesse und produziere[n] somit gewissermaßen selbst die Bedingungen der Sozialisation« (Abels/König 2010: S. 194). Demnach beeinflussen strukturierende Ordnungen und Kontexte die Herausbildung von Überzeugungen, Identifikationen, Einstellungen und Handlungsformen, determinieren diese jedoch nicht. Vielmehr setzen sich die Heranwachsenden selbsttätig und mitunter kreativ mit den sozialen Kontexten auseinander, die ihre Adoleszenz prägen (vgl. Hurrelmann 1983: S. 97). Für die Analyse des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung bietet sich die empirische Beforschung von jungen Menschen, die sich in der Phase der sekundären Sozialisation befinden, aus mehrerlei Gründen an. Zum einen spiegeln sich im Umgang junger Menschen mit Fragen des Ethnischen auch die Bedeutung

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und der inhaltliche Gehalt, der dem Ethnischen in den unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen zukommt, mit denen sie in der alltäglichen Praxis konfrontiert sind. Ethnische Überzeugungen und Zugehörigkeitsgefühle sagen somit nicht nur etwas über die einzelnen Jugendlichen aus, vielmehr stellt deren Umgang damit ein Abbild dessen dar, wie strukturierende Ordnungen in diesen Fragen auf die einzelnen Akteure einwirken. Zum anderen ist die Beforschung Heranwachsender deswegen von besonderem Interesse, da die Phase der Sozialisation ein Experimentierfeld darstellt. Hinsichtlich ihres Umgangs mit dem Ethnischen kann das bedeuten, dass sie die Grenzen ethnischer Kategorien spielerisch austesten und ausreizen (vgl. Haglund 2008: S. 177), indem sie etwa – in einem slowenischsprachigen Kulturverein, in der Familie oder im schulischen Kontext – die Grenzen des Kärntner Slowenischen infrage stellen und darüber befinden, wer als Kärntner Slowen_in anzusehen ist und wer nicht. Die Erfahrungen, die junge Menschen durch ein solches Ausreizen und Austesten der Grenzen der bestehenden und etablierten ethnischen Kategorien machen, bergen tiefgreifende Einblicke. Denn in der ausgeprägten Praxis des Ethnischen kommen sowohl die prägende Wirkung der Sozialisationsinstanzen zum Ausdruck als auch die Handlungspotenziale der Heranwachsenden zur Beeinflussung ebenjener strukturierender Ordnungen. Bei der empirischen Analyse zeigen sich folglich keineswegs nur Biografiepfade einzelner Subjekte, sondern die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe in Kärnten/Koroška per se. Daraus lassen sich nicht zuletzt Tendenzen und damit auch Prognosen für die Entwicklung des Kärntner Slowenischen ableiten. 2.1.3 Der Charakter des Ethnischen: Primordiale versus sozialkonstruktivistische Perspektiven Bei der Erörterung der Frage, an welchen Ansätzen sich eine praxistheoretische Beforschung des Ethnischen orientieren kann, gilt es zunächst zu klären, woran das Ethnische festzumachen ist, worin also der Charakter des Ethnischen besteht. An diesem Punkt entzündete sich eine fundamentale Kontroverse innerhalb der Ethnizitätsforschung, in der sich mit dem primordialen und dem sozialkonstruktivistischen Ansatz zwei Lager diametral gegenüber, die nachfolgend skizziert werden. Primordiale Perspektiven Primordiale (lat.: uranfängliche, urweltliche) Vorstellungen betrachten Ethnizität als etwas Ursprüngliches und vorsozial Gegebenes, als etwas, das auf einer stabilen, unveränderlichen Basis und auf fixierten Eigenschaften beruhe und auf eine gemeinsame Essenz zurückzuführen sei. Den Extremfall innerhalb dieser Strömung stellen soziobiologische Konzepte dar, die ethnische Gruppen als ›super-families‹ begreifen

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(vgl. die Konzepte von Horowitz 1985, Eibl-Eibesfeldt/Salter 2001 sowie van den Berghe 1978, 1981: S. 6; kritisch dazu: Malešević 2004: S. 83 ff). Einzelne Individuen werden – wie beispielsweise bei Edward O. Wilson – als passive Träger von Zellen und Genen vorstellig gemacht, das gesamte menschliche Tun gilt als gänzlich biologisch determiniert (vgl. Wilson 1975: S. 3). Genuin primordiale Konzeptionen des Ethnischen werden heutzutage in den Sozialwissenschaften zwar nur selten vertreten, in sozialkonstruktivistisches Gewand gehüllte Versatzstücke davon sind aber immer wieder anzutreffen. Etwa wenn das Ethnische zwar als Produkt sozialer Prozesse besprochen, ethnischen Orientierungen, Einstellungen oder Zugehörigkeiten jedoch Naturwüchsigkeit bescheinigt wird. Derartige Argumentationsfiguren finden sich unter anderem in den Arbeiten von Clifford Geertz (1973: S. 259; siehe dazu auch kritisch Jenkins 1997: S. 45), Elisabeth Rohr (1994), Anthony D. Smith (1981) oder Friedrich Heckmann (1997: S. 48 ff). Auch in sozialwissenschaftlichen Werken, die sich mit der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška auseinandersetzen, finden sich nur selten primordiale Anklänge (der Fall ist dies beispielsweise bei Veiter 1979: S. 15), während diese im alltäglichen Sprachgebrauch und in politischen Debatten gang und gäbe sind. Besonders aufseiten deutschnationaler Verbände wurde über Jahrzehnte die Position vertreten, bei den slowenischsprachigen Menschen handele es sich um eine Bluts-, Kultur- und Schicksalsgemeinschaft mit einer gemeinsamen Abstammung. Derartige Auffassungen berufen sich in der Regel auf den deutschnationalen Kärntner Ideologen Martin Wutte und dessen ›Windischen-Theorie‹ (vgl. dazu Wutte 1927). Ein weiteres Beispiel für ein soziobiologisches Verständnis des Ethnischen jüngeren Datums sind Äußerungen des seinerzeitigen Landesrats Harald Dobernig (damals noch: FPK) im Oktober 2012, wonach die in Kärnten/Koroška lebenden slowenischsprachigen Menschen keine ›echten Kärntner_innen‹ sein können (vgl. Der Standard 2012). Da sich, so Dobernig, das Ethnische der slowenischsprachigen Menschen durch vorsoziale, biologistische Bindungen zwischen ihnen begründet, sei es ihnen aufgrund ihrer familiären Herkunft und des dadurch ›angeborenen‹ Sprachgebrauchs unmöglich, einen Bezug zum Kärntnerischen zu entwickeln und sich als Kärntner_innen zu begreifen. Primordiale Konzeptionen sind grundsätzlich nicht in der Lage, die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška zu erklären. Denn was die intergenerationale Vermittlung des Ethnischen betrifft, gehen solche Ansätze von einer biologisch dirigierten Übertragung aus, die Prozesse der ethnischen Assimilation ausschließt. Gemäß dieser Sichtweise sind die einzelnen Akteure Gefangene ihrer familiären Herkunft und die alltägliche soziale Praxis sowie das gesamte menschliche Tun nichts weiter als ein Resultat biologischer Veranlagung (vgl. kritisch dazu: Groenemeyer 2003: S. 27).

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Sozialkonstruktivistische Perspektiven Im Gegensatz zu primordialen Ansätzen führen sozialkonstruktivistische Konzepte den Charakter des Ethnischen nicht auf eine gemeinsame, vorsozial gegebene Essenz zurück, sondern gehen davon aus, dass das Ethnische im Zuge sozialer Prozesse hergestellt wird und erst im weiteren Verlauf soziale Wirksamkeit erlangt. Ein früher Vertreter der sozialkonstruktivistischen Schule ist Max Weber, der festhielt, dass ethnische Gruppen künstlichen Charakter haben und auf imaginierten, subjektiv empfundenen Gemeinsamkeiten beruhen (vgl. Weber 1922: S. 219). Ungeachet dieser lange vorliegenden Erkenntnis haben sozialkonstruktivistische Ansätze erst ab den 1970er Jahren mit den Arbeiten von Fredrik Barth (1969), Eric Hobsbawm und Terence Ranger (1983) sowie von Benedict Anderson (1991) Einzug in die Beforschung ethnischer Beziehungen gehalten. Grundsätzlich basieren diese Ansätze auf der sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie, die die Entstehung des Sozialen, von Normen und Werten sowie von sozialen Strukturen oder Institutionen auf Tätigkeiten und Interpretationen von Akteuren und Gruppen zurückführt (vgl. Berger/ Luckmann 1969). Nach Benedict Anderson sind ethnische Gruppen oder Nationen grundsätzlich als ›imagined communities‹ zu verstehen (Anderson 1991). Mit diesem Ansatz entzieht Anderson der Annahme, dass Nationen zeitlose Gültigkeit besäßen und auf substanziellen Fundamenten ruhten, die Grundlage und demaskiert derartige Vorstellungen als Schimäre. Vielmehr seien imaginierte Gemeinschaften ebenso wie die Einstufung kultureller Aspekte als ethnische Differenzen als Ergebnis eines sozialen Prozesses zu begreifen (vgl. ebd.: S. 6). Die Historiker Eric Hobsbawm und Terence Ranger wiederum weisen mit ihrem Konzept der ›invented traditions‹ (Hobsbawm/Ranger 1983) darauf hin, dass durch das wiederholte Zelebrieren von erfundenen Traditionen soziale Zuschreibungsprozesse und Wahrnehmungen angestoßen oder ausgelöst werden können, in deren Folge ebendiese Aktivitäten als kulturelle Differenzierungsmerkmale anerkannt werden. Am Beispiel des Schottenrocks, der im 19. Jahrhundert zu einem Relikt der frühen keltischen Kultur erklärt wurde (Trevor-Roper 1983), führen sie aus, dass als Abgrenzungsmerkmal zwischen ethnischen Gruppen auch solche Gepflogenheiten herangezogen werden können, deren Geschichte eigentlich nicht weit in die Vergangenheit zurückreicht. Demgegenüber rückt Fredrik Barth in seinem Konzept der ›ethnic boundaries‹ (Barth 1969) anstatt – auf kulturellen Tätigkeiten basierender – inhaltlicher Differenzmerkmale soziale Grenzziehungsprozesse in den Mittelpunkt, da Ethnizität nicht immer durch kulturelle Unterschiede begründbar sei. Für die Konstituierung einer ethnischen Gruppe seien vielmehr soziale Grenzziehungen ausschlaggebend, die sowohl auf der Binnensicht von Akteuren als auch auf fremdethnisierenden Zuschreibungen durch Außenstehende fußen (vgl. ebd.: S. 14).

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Zusammenfassend lässt sich zu der Kontroverse über den Charakter des Ethnischen festhalten, dass das sozialkonstruktivistische Verständnis des Ethnischen seit den 1980er Jahren die dominante Sichtweise auf Ethnizität darstellt. Während deren Stärke darin liegt, dass der Anschein der Natürlichkeit ethnischer Gruppen dekonstruiert wird, weisen die klassischen sozialkonstruktivistischen Ansätze durchaus Leerstellen in der Verzahnung der unterschiedlichen sozialtheoretischen Ebenen auf. So erscheint der Zusammenhang von sozialen Strukturen und individuellen Handlungspotenzialen – also wie beispielsweise ›invented traditions‹ oder ›imagined communities‹ in der alltäglichen Wirklichkeit der einzelnen Akteure praktische Wirkmächtigkeit erlangen – oftmals als einseitig aufgelöst 2.1.4 Der Widerstreit sozialtheoretischer Betrachtungen: Strukturtheoretische versus akteurszentrierte Sichtweisen Neben der Frage, woran das Ethnische festzumachen ist, existiert in sozialkonstruktivistischen Ethnizitätskonzepten ein weiterer Streitpunkt, der sich darum dreht, auf welcher (bzw. welchen) sozialtheoretischen Ebene(n) das Ethnische zu verorten ist. Zu unterscheiden sind dabei klassischerweise die Akteursebene sowie die strukturtheoretische Dimension. Erstere umfasst beispielsweise die persönlich empfundene Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, ethnisch geprägte Wahrnehmungen, Einstellungen und Tätigkeiten sowie Vorlieben, Affekte oder Emotionen. Auch von Einzelpersonen verfolgte Aktivitäten, Tätigkeiten oder Strategien sind der akteurszentrierten Sphäre zuzuordnen. Demgegenüber schließt die strukturtheoretische Ebene ein weites Feld an Phänomenen wie politische oder soziale Systeme, demografische oder sozioökonomische Strukturen, die Geschichte der ethnischen Beziehungen und auch rechtliche Bedingungen ein, die eine spezifische Bevölkerungsgruppe betreffen. Weitere strukturelle Aspekte sind ethnische Kategorien wie ›Deutschkärntner_in‹, ›Windische/r‹ oder ›Kärntner Slowen_in‹ sowie Wahrnehmungsmuster und symbolische Ordnungen. In den nachfolgenden Abschnitten werden drei sozialkonstruktivistische Lager einander gegenübergestellt, die sich in der Frage unterscheiden, welche Ebenen des Sozialen als relevant und bestimmend für das Ethnische zu erachten sind: (I) Die erste Fraktion stellen solche Konzepte dar, die das Ethnische von einer strukturtheoretischen Warte aus betrachten. (II) Die zweite Gruppe von Ethnizitätskonzepten ist hingegen durch eine akteurszentrierte Perspektive gekennzeichnet. (III) Einen Mittelweg zwischen diesen beiden Lagern beschreiben Konzepte, die strukturierende Ordnungen und die Akteursebene gleichermaßen berücksichtigen.

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(I) Strukturtheoretische Perspektiven Innerhalb der Ethnizitätsforschung nehmen strukturtheoretische Konzepte breiten Raum ein. Hierunter fallen sowohl materialistische als auch funktionalistische Ansätze. Beiden Strömungen gemeinsam ist, dass sie jeweils das Ethnische allein auf strukturelle Faktoren zurückführen. Unter dem Schirm materialistischer Konzeptionen des Ethnischen sind einerseits Arbeiten versammelt, deren Hauptaugenmerk ökonomischen Ungleichheiten gilt (u. a. Cox 1945, 1948; Bonacich 1972; Hechter 1975, 1976; Miles 1984). Gemäß solchen Perspektiven handelt es sich bei Ethnizität lediglich um ein Epiphänomen von Verteilungskonflikten bzw. um falsches Bewusstsein (vgl. kritisch dazu Groenemeyer 2003: S. 25), das leicht zum Spielball ökonomischer oder politischer Interessen werden könne (vgl. hierzu kritisch Malešević 2004: S. 31 ff). Andererseits finden sich im Sammelbecken materialistischer Konzeptionen auch Ansätze, die den Zusammenhang von sozioökonomischen Ungleichheiten und Ethnizität in den Blick nehmen und Letzterer ein Eigenleben sowie eine ›relative Autonomie‹ (Ben-Tovim 1978: S. 204; Gabriel/Ben-Tovim 1979) innerhalb der ökonomischen Verhältnisse zugestehen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Stuart Hall, der den klassischen materialistischen Konzeptionen des Ethnischen äußerst kritisch gegenübersteht. Er lehnt es entschieden ab, das Ethnische als bloßes Nebenprodukt von Klassenverhältnissen zu betrachten, hält aber gleichzeitig fest, dass dessen Erklärung nicht losgelöst und unabhängig von Verteilungskonflikten erfolgen kann. Vielmehr beeinflussten sich ethnische und sozioökonomische Beziehungen gegenseitig in einem dynamischen, sich verändernden und stetig reartikulierten Wechselverhältnis (vgl. Hall 1980: S. 325, 1986: S. 25). In seinen späteren Arbeiten beschäftigt sich Hall zunehmend mit der Frage der Prägung ethnischer Identitäten und dem Bereich der Identitätspolitik. Dabei sieht er Akteure einer beständigen Formung durch soziale Machtstrukturen und Positionen in Gestalt von sprachlichen sowie institutionellen politischen Praktiken ausgesetzt, die ethnische Identifikationen auslösen oder bedingen (vgl. Hall 1996: S. 3). Akteure, so Hall, sind jedoch dem strukturellen Einfluss nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, sondern verfügen über ein gewisses Maß an autonomen Handlungspotenzialen (ebd.: S. 13 f). Mit diesem Akteurskonzept weicht Hall von einer strikt strukturtheoretischen Linie ab, bleibt dieser Tradition aber nach wie vor verbunden. Im Zuge der Analyse des Zusammenhangs von ethnischen Identitäten und strukturierenden Ordnungen entwickelt Stuart Hall das Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹. Darunter versteht er verschiedene kollektive Strategien einer – marginalisierten – ethnischen Bevölkerungsgruppe, mithilfe derer ethnische Kategorien und entsprechende Identitäten ausgebildet werden. Hall unterscheidet dabei zwischen zumindest vier Momenten: der Namensgebung, der Umwertung, der Vereinheitlichung sowie der Frontbildung. Das Ziel dieser verschiedenen Strategien besteht

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laut Hall darin, eine ethnische Kategorie eigenständig zu etablieren, anstatt sich von der ethnischen Mehrheitsbevölkerung geformten ethnisierenden Fremdzuschreibungen und Stigmatisierungen zu fügen (vgl. Hall 1994a: S. 16; Supik 2005: S. 71 ff). Einzelne Akteure orientieren sich bei der Ausbildung ihrer ethnischen Identität an solchen etablierten Kategorien. An der Art und Weise, wie Akteure mit diesen in der alltäglichen Praxis umgehen, lassen sich laut Hall die strukturellen Bedingungsfaktoren ablesen, in deren Kontext sie entstanden sind. Als Beispiel für eine ›Identitätspolitik ersten Grades‹ führt Hall die Black-Power-Bewegung in den USA in den 1960er Jahren an, die als Reaktion auf eine Politik des Rassismus zu deuten sei. Davon ist nach Hall die ›Identitätspolitik zweiten Grades‹ abzugrenzen, bei der es um eine Neuverhandlung ethnischer Kategorien geht und in der es zur zumindest partiellen Loslösung von den sozialen Bedingungsfaktoren, die zur Herausbildung der ethnischen Kategorien ersten Grades führten, kommt (vgl. Hall 1994b: S. 84 f). Eine ›Identitätspolitik zweiten Grades‹ muss nicht zwingend als kollektive Strategie wirken, sondern kann auch als »Einzelkämpferprogramm« (Supik 2005: S. 94) verfolgt werden. Als Beispiele hierfür dienen insbesondere die Ausbildung hybrider Identitäten sowie die Dekonstruktion nationaler Identitäten wie des Britischseins. Bei der Ausarbeitung der differierenden Formen von Identitätspolitik verknüpft Stuart Hall die Ebene der strukturierenden Ordnungen mit den Potenzialen einzelner Akteure. Damit bildet dieses Konzept einen vielversprechenden Ausgangspunkt für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit ethnischer Identität oder ethnischen Kategorien aus praxistheoretischer Perspektive. Neben materialistischen Konzeptionen des Ethnischen finden sich im strukturtheoretischen Pool zudem funktionalistische Ansätze. Diese gehen auf den USamerikanischen Soziologen Talcott Parsons (1951, 1975) zurück, der sich im Zuge der Ausarbeitung einer funktionalistischen Systemtheorie der Gesellschaft unter anderem auch mit ethnischen Gruppen auseinandersetzt. Diese versteht Parsons als »›aggregate of kinship units« (Parsons 1951: S. 172), also als Anhäufung von Personen, die auf verwandtschaftlich verbundenen Einheiten basiert. Gemäß dieser Perspektive haben Akteure kein Eigenleben, sondern werden zu bloßen Marionetten und willfährigen Ausführenden symbolischer Wertesysteme (vgl. Malešević 2004: S. 46 ff). Aufgrund der theoretischen Geringschätzung der Akteure muss sich Parsons freilich die Kritik von ethnomethodologischer Seite gefallen lassen, dass in seiner Perspektive Akteure nichts weiter als »cultural dopes« (Garfinkel 1967: S. 68) seien. Die inhaltlichen Merkmale des Ethnischen erscheinen in solchen funktionalistischen Konzeptionen – so zum Beispiel auch in den Arbeiten von Eckhard Dittrich und Astrid Lentz (1994) – letztendlich als austauschbar und nach Gutdünken konstruierbar. Dadurch wird der Eindruck erweckt, das Ethnische könne in jeder x-beliebigen Weise fabriziert werden.

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Ein Konzept mit funktionalistischen Anleihen, das aber keineswegs die inhaltliche Dimension von Ethnizität außer Acht lässt, liefern Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora in ihrem Buch ›Mitbürger aus der Fremde‹ (1988). Dessen Kernaussage besteht darin, dass das Ethnische kein Naturereignis ist und sich nicht allein durch Prozesse der ethnischen Identitätsbildung oder durch kulturelle Merkmale erschließen lässt. Vielmehr handle es sich bei Ethnizität um ein Konstrukt, das nur vor dem Hintergrund der sie bedingenden sozialen Auseinandersetzungen und Konflikte analysiert werden könne. Eine besondere Rolle kommt dabei dem sogenannten Differenztheorem zu. Dieses besagt, dass ethnische Bevölkerungsgruppen nicht einfach per se existieren – eine »ethnische Gruppierungsmöglichkeit muss immer erst, so auch gegenüber dem Fremden, geschaffen werden« (Bukow/Llaryora 1988: S. 31). Dabei seien Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen in der Regel eigentlich marginal und sozial irrelevant, könnten allerdings im Zuge von sozialen Zuschreibungsprozessen eine soziale Wirkmächtigkeit entfalten. Eine besondere Bedeutung für die Konstituierung ethnischer Gruppen kommt nach Bukow und Llaryora binären Kodierungen zu – wie beispielsweise der Unterscheidung in Deutsche/r und Nichtdeutsche/r bzw. Ausländer_in –, durch die eine ethnische Markierung erfolgt. Eine praktische Bedeutung erhalten die binären Fremdzuschreibungen jedoch erst ab dem Punkt, an dem sich die Betreffenden, auf die das Kriterium der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit gemünzt ist, mit diesen Fragen auseinandersetzen und als Selbstzuschreibung übernehmen (vgl. ebd.: S. 52 ff). Die Kernpunkte ihrer Theorie der ›Soziogenese ethnischer Minoritäten‹ entwickeln Bukow und Llaryora am Beispiel von südosteuropäischen Migrant_innen, die ab den 1960er Jahren in Deutschland als sogenannte ›Gastarbeiter_innen‹ tätig sind. Obwohl sie zu Anfang ihres Aufenthalts in der Fremde kaum Differenzen zur deutschsprachigen Bevölkerung aufweisen, sind sie aufgrund sozioökonomischer Abhängigkeiten und weil ihnen gesellschaftliche Teilhabe verwehrt wird, zurückgeworfen auf ihre Herkunft und begreifen sich zunehmend als Angehörige einer ethnischen Minorität. Von der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft beständig mit fremdethnisierenden Zuschreibungen konfrontiert, orientieren sich die Neuankömmlinge mehr und mehr an den stereotypen Vorstellungen – etwa über fremdländische Traditionen – und machen sich diese zu eigen. Erst dann ist die ›Soziogenese ethnischer Minoritäten‹weitgehend abgeschlossen. Herausgehoben wird durch diesen Ansatz, dass für ein umfängliches Verständnis einer ethnischen Minderheit immer auch die fremdethnisierenden Zuschreibungen durch die Bevölkerungsmajorität von entscheidender Bedeutung ist. Demnach kann der Umgang mit Fragen des Ethnischen auf individueller Ebene keinesfalls losgelöst von sozialen Strukturen erfolgen. Wesentlich sind zudem die Momente und Situationen, in denen sozial konstruierte ethnische Fremdzuschreibungen übernommen und

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als eigene Orientierungsmuster angenommen werden, wodurch sie eine alltagspraktische Wirksamkeit erlangen. Zusammenfassend zeigt sich in der Bandbreite strukturtheoretischer Konzeptionen, dass sie das Ethnische stets als von strukturierenden Ordnungen abhängiges Phänomen betrachten, das für strategische Zwecke eingesetzt und mobilisiert werden kann (vgl. Gellner 1991; Dittrich/Lentz 1994; Salzborn 2005). Durch die Reduktion auf ein strukturell bedingtes Instrumentarium bleiben jedoch die Handlungsfähigkeiten von Akteuren zumeist außen vor (vgl. hierzu Groenemeyer 2003: S. 26). Für eine praxistheoretische Sicht auf Ethnizität, die sowohl die Bedeutung von strukturierenden Ordnungen als auch die Handlungspotenziale der Akteure zu berücksichtigen sucht, bieten strukturtheoretische Ansätze aus diesem Grund nur wenige Anknüpfungspunkte. Ausnahmen bilden der Ansatz der ›Soziogenese ethnischer Minoritäten‹ von Bukow und Llaryora sowie das Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ von Stuart Hall. In der bestehenden sozialwissenschaftlichen Literatur zur Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška werden strukturtheoretische Positionen von einer Vielzahl von Autor_innen vertreten. Dominant ist diese Auffassung des Ethnischen sowohl in geschichtswissenschaftlichen und geografischen als auch in politikwissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Arbeiten. Eine strukturelle Perspektive auf das Ethnische findet sich in soziologischen Forschungen hingegen nur vereinzelt. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Albert F. Reiterer (1986, 1996) sowie von Alois Soritsch (2001). Gemeinsam ist diesen, dass das Ethnische abgeleitet wird aus sozialen Strukturen oder demografischen Daten. (II) Akteurszentrierte Perspektiven Das zweite Lager der Vertreter sozialkonstruktivistischer Konzeptionen innerhalb der Ethnizitätsforschung nimmt eine akteurszentrierte Perspektive ein. In diesen Ansätzen steht weniger die strukturelle Kontextualisierung von Ethnizität im Vordergrund, als ausschlaggebend für das Ethnische gelten vielmehr individuelle Handlungsfähigkeiten, Wahlentscheidungen oder Selbst- und Fremdzuschreibungen. Durch einen akteurszentrierten Charakter zeichnen sich beispielsweise die an das Rational-Choice-Modell angelehnten Arbeiten von Michael Banton (1983, 1994) sowie der von Candace West und Sarah Fenstermaker (1995, 2002) verfolgte Ansatz des ›doing difference‹ aus, der an die ethnomethodologische Theorietradition (Garfinkel 1967, 1986) angelehnt ist. Anknüpfungspunkte für eine praxistheoretische Perspektive auf Ethnizität versprechen indes vor allem die Ansätze von Herbert Gans sowie von Mary Waters. Diese werden in der Folge genauer betrachtet. Mit seinem Konzept der ›symbolic ethnicity‹ räumt Herbert Gans (1979, 1994) der symbolischen Dimension von Ethnizität den zentralen Stellenwert ein. Den em-

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pirischen Ausgangspunkt seiner Überlegungen bilden die Lebensrealitäten der weißen Mittelschichtmigrant_innen der dritten Generation in den USA. Gans argumentiert, dass sich das Ethnische jener Generation zu einer demonstrativen Angelegenheit entwickelt habe: »[A]s the functions of ethnic cultures and groups diminish and identity becomes the primary way of being ethnic, ethnicity takes on an expressive rather than instrumental function in people’s lives, becoming more of a leisure-time activity and losing its relevance, say, to earning a living or regulating family life.« (Gans 1979: S. 9)

Laut Gans ging infolge des Schwunds traditioneller sozialer Bindungen und Interaktionen die Alltagsrelevanz ethnisch konnotierter Tätigkeiten unter den Nachfahren europäischer Einwander_innen in den USA Stück um Stück verloren. Daher komme der ethnischen Gruppenzugehörigkeit bei diesen Bevölkerungsgruppen kaum mehr eine instrumentelle Funktion zu, vielmehr sei Ethnizität zu einer individuell praktizierten und in erster Linie symbolischen Freizeitaktivität geworden, wie Gans weiter ausführt: »Expressive behavior can take many forms, but it often involves the use of symbols – and symbols as signs rather than as myths. Ethnic symbols are frequently individual cultural practices which are taken from the older ethnic culture; they are ›abstracted‹ from that culture and pulled out of its original moorings, so to speak, so become stand-ins for it.« (Gans 1979: S. 9)

Zwar spielten Fragen des Ethnischen für Individuen nach wie vor eine Rolle, allerdings weniger im Alltag, sondern eher in Form der symbolischen Rückbesinnung auf die kulturellen Gepflogenheiten der Eltern oder des Herkunftskontextes und der Praktizierung in einer individualistischen, modifizierten Form, losgelöst von ihrer traditionellen Bedeutung. Dementsprechend stuft Gans ethnische Identitäten als oberflächliche, volatile Identifikationen ein, die kurzlebig sind und sich schnell ändern können. Dass ethnische Traditionen gepflegt werden, könne somit auch mit einer sukzessiven Dekulturalisierung der handelnden Personen einhergehen. Mit diesem Ansatz wendet sich Gans von strukturtheoretischen Konzeptionen ab und plädiert stattdessen für ein Verständnis des Ethnischen als ›ethnicity as choice‹. Diese Perspektive reduziert Ethnizität auf die Akteursebene insofern, als sie den Handlungsfähigkeiten von Akteuren die alleinige Definitionsgewalt über ethnische Beziehungen und die Ausprägung von Ethnizität zuspricht (vgl. Anagnostou 2009: S. 95). Ein weiteres akteurszentriertes Konzept des Ethnischen formuliert Mary Waters, die mit ihrem Ansatz der ›ethnic options‹ (1990) an Herbert Gans anknüpft. Das Ethnische betrachtet die Autorin im Kern als symbolische Identifikation, die in ange-

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nommenen familiären Traditionen verankert ist und bei bestimmten sozialen Anlässen in Freizeitkontexten voluntaristisch wiedererweckt wird (Waters 1990: S. 16 ff, 1996: S. 445, 2010: S. 198). Dabei ist Ethnizität, so Waters, nur zum einen Teil auf ein familiäres Erbe zurückzuführen, denn zum anderen Teil sind persönliche Wahlentscheidungen der Akteure genauso entscheidend: »It is something that comes to you involuntarily through heredity, and at the same time it is a personal choice« (Waters 1990: S. 150). Waters führt in ihrem Werk ›Ethnic Options. Choosing Identities in America‹ (1990) am Beispiel von verschiedenen Nachfahren europäischer Einwander_innen in den USA aus, dass ethnische Zugehörigkeit nicht von Geburt fixiert ist. Vielmehr könne sich diese aufgrund verschiedener Faktoren (z. B. Aussehen, Vorname, Spitzname, Freundeskreis, Heirat) im Laufe eines Lebens entwickeln oder verändern. So würden etwa Personen mit einem mehrdeutigen Migrationshintergrund hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit oftmals einer Familienlinie gegenüber der anderen den Vorzug geben (anstatt sich z. B. als Kind eines irischstämmigen Vaters und einer italienischstämmigen Mutter sowohl als irisch als auch als italienisch zu begreifen). In vielen Fällen wird auch der eigene Stammbaum nach spezifischen ethnischen Wurzeln durchforstet und diesen neues Leben einzuhauchen versucht (vgl. Waters 1990: S. 64 ff). Ethnische Identitäten begründen sich laut Waters somit zwar durch vorliegende familiäre Gegebenheiten, ihre konkrete Ausprägung kann jedoch auch durch eine Wahlentscheidung in einer spezifischen biografischen Situation beeinflusst und verändert werden, indem beispielsweise aus einem mehrdeutigen ethnischen Familienhintergrund eine eindeutige ethnische Narration konstruiert wird. Gemäß dem Konzept der ›ethnic options‹ zeichnet sich das Ethnische außer durch einen voluntaristischen Charakter auch dadurch aus, dass es nicht alle Alltagsbereiche durchzieht, sondern vor allem in spezifischen Situationen relevant wird. Als Beispiel führt Waters den St. Patrick’s Day an, an dem Nachfahren irischer Einwander_innen in den USA vermeintlich urtümliche irische Feierbräuche zelebrieren. Allerdings beschränkt sich die Pflege der Traditionen auf den St. Patrick’s Day und ein paar andere ethnisch bedeutsame Festtage. An den übrigen Tagen des Jahres spielt die irische Ethnizität für die Akteure keinerlei Rolle. Waters folgert daraus, dass von fixierten ethnischen Selbstbildern keine Rede sein könne, vielmehr würden diese nur zu bestimmten Anlässen aktiviert (vgl. Waters 1990: S. 7 & 123 f). Das Ethnische zeigt sich, so Waters im Einklang mit Gans, vor allem in Form ethnischer Identitäten und symbolischer Aktivitäten, während seine alltagspraktische Relevanz bereits verblasst ist. Zudem lasse es sich dank seines flexiblen, voluntaristischen Charakters wie eine Art Mantel handhaben, der in bestimmten Situationen übergeworfen, in anderen sozialen Kontexten oder biografischen Konstellationen aber auch wieder abgelegt werden kann.

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Akteurszentrierte Perspektiven erfreuen sich bei der sozialwissenschaftlichen Beforschung des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška außerordentlicher Beliebtheit – mitunter wird gar eine sozialtheoretische Perspektive eingenommen, die ausschließlich die Dimension individueller Akteure berücksichtigt. Dazu gehören insbesondere die Arbeiten der Soziologin Štefka Vavti (2009a, 2009b, 2010, 2013) oder von Franc Merkač (1986). In diesen Forschungen wird das Ethnische in erster Linie auf die Ebene ethnischer Selbstverortungen reduziert und als individuelles Phänomen betrachtet. (III) Verbindung der Akteursebene und strukturierender Ordnungen Für eine praxistheoretische Perspektive auf das Ethnische sind besonders solche Konzeptionen von Ethnizität von Interesse, die die Akteursebene und die Dimension strukturierender Ordnungen systematisch miteinander verknüpfen. Der Fall ist dies beim Ansatz der ›social identity‹ von Richard Jenkins (1997, 2008) sowie beim Konzept der ›ethnicity without groups‹, das von Rogers Brubaker (2004) entwickelt wurde. Richard Jenkins und ethnische Identitäten. Das Konzept der ›social identity‹ Richard Jenkins operiert in seinen Arbeiten zu Ethnizität mit dem Begriff ethnische Identität. Über diesen stellt er – ungeachtet der Kritik an dessen Überbeanspruchung (vgl. dazu: Malešević 2004: S. 157; Brubaker 2004: S. 28 ff) – eine theoretische Verbindung zwischen Strukturen und Akteuren her (vgl. dazu Groenemeyer 2003: S. 26). Er tut dies aus dem Grund, weil sich seiner Ansicht nach die soziale Wirksamkeit des Ethnischen erst dann in vollem Umfang nachvollziehen lässt, wenn beide sozialtheoretischen Ebenen miteinander verzahnt werden. Akteure sind Jenkins zufolge grundsätzlich dazu befähigt, spezifische Identitäten zu entwickeln. Den Hauptgrund für deren Herausbildung sieht er darin gegeben, dass sich Akteure mit ihren Mitmenschen vergleichen und dabei Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede erkennen. Und Ethnizität ist eine mögliche Achse, entlang derer solche bereits in jungen Jahren festgemacht werden (vgl. Jenkins 2008: S. 87). Im Zuge von Interaktionsprozessen zwischen einzelnen Akteuren und Gruppen erfolgt eine Systematisierung ebenjener Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die dann die Basis eines Identifikationsprozesses sowie der Selbstverortung darstellt (vgl. ebd.: S. 17 f). Diese sind aber keineswegs als bloß individuelle Phänomene anzusehen, sondern finden immer im Austausch und in Auseinandersetzung mit anderen statt. So signalisieren Akteure ihre Selbstverortungen nach außen, und erst im Zuge der Fremdzuschreibungen durch andere Akteure konstituiert sich die soziale Identität (vgl. Jenkins 1997: S. 53). Diese zeichnet sich nach Richard Jenkins somit von Grund auf durch einen sozialen Charakter aus, da darin sowohl zum Ausdruck kommt, wie Akteure

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sich selbst begreifen, als auch, inwiefern sie von anderen als Individuum oder als Teil eines Kollektivs angesehen werden. Grundlage für die Identitätsbildung sind deswegen Selbstverortungen ebenso wie Fremdzuschreibungen. Mit Letzteren sind zum einen Angehörige der eigenen Gruppe – also Mitmenschen, die sich durch wahrgenommene Gemeinsamkeiten auszeichnen – sowie zum anderen Mitglieder der ethnischen Außengruppe gemeint, die durch Unterschiede gekennzeichnet sind (vgl. Jenkins 2008: S. 42 ff & 112 ff). Die Fremdzuschreibungen durch Angehörige der ethnischen Außengruppe können sehr unterschiedliche Formen annehmen. So ist eine Validierung und Anerkennung der ethnischen Selbstverortungen ebenso denkbar wie die Belegung mit abwertenden Bezeichnungen. Äußern können sich diese auch in Gestalt von ethnischen Diskriminierungen oder Diffamierungen. Derartige Einflussnahmen prägen die ethnischen Selbstverortungen der Akteure signifikant (vgl. ebd.: S. 93). Deswegen kann nach Jenkins erst im Zuge des Zusammenspiels und Ausverhandelns der Selbstbilder und Zuschreibungen von außen von ausgebildeten Identitäten gesprochen werden. Dieser Prozess ist jedoch nie abgeschlossen, sondern befindet sich ständig im Fluss. Ethnische Selbstbilder alleine reichten aber nicht aus, um daraus Identitäten ausbilden zu können. Dazu bedürfe es zusätzlich einer sozialen Konsolidierung, also des Einbeziehens und Verarbeitens auch der Positionen der Mitmenschen. In diesem Zusammenhang räumt Richard Jenkins strukturierenden sozialen Ordnungen bei der Konstituierung des Ethnischen eine maßgebliche Rolle ein, da ethnische Selbstverortungen von Akteuren untrennbar an bestehende soziale Kategorisierungen gebunden seien. Ethnische Selbstverortungen von Akteuren fußen somit auf bestehenden und etablierten ethnischen Kategorien, wie beispielsweise dem ›Kärntner Slowenischen‹. Andernfalls würden sie keine Wahrnehmung und Anerkennung durch Mitmenschen erfahren und daher nicht wirkmächtig werden. Sinnhafterweise lässt sich nach Jenkins von ethnischen Selbstverortungen auch erst dann sprechen, wenn sich die Akteure auf bereits etablierte ethnische Kategorien beziehen (vgl. Jenkins 1997: S. 53) – daher auch die Wichtigkeit strukturierender Ordnungen, denn sie schalen die Entscheidung, wer durch Mitmenschen als Angehörige/r der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen eingestuft wird und wer nicht. Wie derartige Kategorien entstehen und durch welchen sozialen Charakter sie sich auszeichnen, damit beschäftigt sich Jenkins jedoch nur am Rande. Abschließend hebt Jenkins hervor, dass es sich bei ethnischen Identitäten keineswegs um ein zu vernachlässigendes, marginales Phänomen handelt – diese seien sehr wohl alltagspraktisch wirkmächtig, da sie Aktivitäten, Tätigkeiten und Strategien beeinflussten. Wiewohl es sich bei ethnischen Kategorien um kognitive Phänomene handle, würden sie von Akteuren in alltagspraktisches Geschehen übersetzt, wodurch sie sich in der Folge in vielfältigen Formen manifestierten. Aus diesem Grund gibt

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es laut Jenkins keine sozialen Settings, in denen ethnischen Kategorien keinerlei Relevanz zukommt (vgl. Jenkins 1997: S. 63; 2008: S. 11). Rogers Brubaker und Inhalte des Ethnischen. Das Konzept der ›ethnicity without groups‹ Den zweiten Ansatz, in dem eine stringente Verbindung zwischen der Akteursebene und der Dimension strukturierender sozialer Ordnungen hergestellt wird, bildet das Konzept der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker. Im Gegensatz zu Richard Jenkins fokussiert Brubaker bei seiner Auseinandersetzung mit dem Ethnischen weniger den Bereich der Identitäten als vielmehr den der ethnischen Inhalte und der praktischen ethnischen Differenzmerkmale. Brubaker wendet sich grundsätzlich dagegen, das Ethnische als etwas Marginales oder zu Vernachlässigendes zu begreifen, da es sich im Alltag auf vielfältige Weise zeige, wenn auch oftmals in unscheinbarer, unerkannter Form. Als mögliche Ausprägungen nennt er in erster Linie kognitive Phänomene wie ein ethnisch geprägtes Wahrnehmen, Interpretieren, Auffassen, Erinnern oder Vergessen von Geschehnissen, doch auch bestehende ethnische Kategorien, Medien, Mythen, Erzählungen oder spezifische historische Ereignisse spielten in dieser Hinsicht eine Rolle. Ebenfalls nicht zu vergessen sei das unausgesprochene, als selbstverständlich angenommene Wissen, das Akteure verinnerlicht haben und das eingelagert sei in routinisierte Gepflogenheiten (vgl. Brubaker 2004: S. 17). Einen empirischen Untersuchungsansatz, der die Existenz einer ethnischen Gruppe als von vornherein gegeben annimmt, betrachtet Brubaker grundsätzlich als Irrweg. Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fragen des Ethnischen bedürfe es vielmehr eines sensiblen Umgangs mit den Begriffen ethnische Identität, Ethnie oder Ethnizität, um deren Verdinglichung unter allen Umständen zu vermeiden (ebd.: S. 10). Auch die wissenschaftliche Fokussierung auf ethnische Gruppen sowie darauf, worin sich diese von anderen Bevölkerungsgruppen abheben, könnte zu deren Substanzialisierung führen. Um diese Gefahr zu umgehen, schlägt Brubaker vor, bei empirischen Analysen nicht gruppenbezogene ethnische Phänomene zum Thema zu machen, sondern den Blick auf praktische Phänomene zu richten. »What are we studying when we study ethnicity and ethnic conflict? I have suggested that we need not frame our analyses in terms of ethnic groups, and that it may be more productive to focus on practical categories, situated actions, cultural idioms, cognitive schemas, commonsense knowledge, organizational routines and resources, discursive frames, institutionalized forms, political projects, contingent events and variable groupness.« (Ebd.: S. 27)

Eine solche Perspektive würde es der sozialwissenschaftlichen Untersuchung erlauben, nicht auf abstrakte, analytische Entitäten wie ethnische Identitäten oder Ethnien

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und deren Substanz fixiert zu bleiben. Allerdings ließe sich das Ethnische aber auch nicht auf substanzielle Merkmale wie eine gemeinsame Sprache reduzieren. Stattdessen gelte es, alle sozialen Situationen und Alltagsbereiche von Menschen unter die Lupe zu nehmen, in denen als ethnisch markierte und wahrgenommene Merkmale zum Tragen kommen. Denn die Identifikation von ethnisch relevanten Aspekten allein ermögliche noch keinen Einblick in das alltagspraktische Leben der betreffenden Personen. Für die Analyse des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung bedeutet dies, dass der analytische Blick nicht nur auf ethnische Alleinstellungsmerkmale in inhaltlicher Hinsicht gerichtet werden sollte, sondern auch auf deren praktische Bedeutung, Anwendung und Ausprägung in unterschiedlichen Alltagsbereichen. Mit diesem analytischen Schwenk begründet Brubaker seinen Ansatz der ›ethnicity without groups‹, demzufolge ethnische Gruppen nicht per se existieren und keineswegs eine feste, schier unveränderliche Entität darstellen. Ungeachtet dessen bestünden jedoch – in Form von ethnischen Kategorien – kognitive, mentale Vorstellungen von solchen Gruppen sowie davon, was die ethnischen Bindungskräfte zwischen Angehörigen von Bevölkerungsgruppen, also die Ethnizität einer solchen Gruppe, ausmacht. Diese Bilder, wie beispielsweise das ›Deutschkärntnerische‹ oder das ›Kärntner Slowenische‹, würden sich jedoch in der alltäglichen Praxis niederschlagen und entsprechende Handlungen, Einstellungen oder Orientierungen von Akteuren befördern. Denn werden die imaginierten ethnischen Kategorien nur von genügend Personen geteilt, so Brubaker, sind sie in der Lage, sozial wirkmächtig zu werden und handlungsanleitend zu wirken (vgl. ebd.: S. 7 ff). Zwischenresümee In den verschiedenen in diesem Unterkapitel dargestellten Ansätzen wird das Ethnische unterschiedlich gefasst (siehe Tabelle 2). Neben Konzeptionen, die Ethnizität in einem primordialen Sinne verstehen und auf vorsoziale, biologische Aspekte zurückführen, findet sich eine Fülle von Arbeiten, die in sozialkonstruktivistischer Manier das Ethnische als im Zuge sozialer Prozesse hergestelltes Phänomen betrachten. Die hierfür als relevant erachteten sozialtheoretischen Ebenen variieren je nach Konzept und Autor_in. Während materialistische oder funktionalistische Ansätze vor allem die strukturelle Dimension hervorheben, finden sich mit den Arbeiten von Waters und Gans auch solche Konzepte, für die das bestimmende Moment des Ethnischen die Akteure sind. Daneben gibt es Ansätze – etwa in den Arbeiten von Jenkins und Brubaker –, die die beiden sozialtheoretischen Ebenen miteinander verbinden.

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Tabelle 2: Differierende Konzeptionen des Ethnischen entlang zentraler Konfliktlinien und Debatten Kontroversen und Debatten

Charakter der Konzepte

Autor_innen / Konzepte des Ethnischen

Charakter des Ethnischen

Primordial

• u. a. Donald Horowitz / Ethnische Grup-

pen als ›super-families‹ Sozial• Benedict Anderson / ›imagined commukonstruktivistisch nities‹ • Eric Hobsbawm & Terence Ranger / ›invented traditions‹ • Fredrik Barth / ›ethnic boundaries‹

Verortung des Ethnischen in sozialtheoretischer Hinsicht

Strukturtheoretisch

Materialistische Ansätze: • Stuart Hall / ›Identitätspolitik ersten Grades‹ und ›Identitätspolitik zweiten Grades‹ Strukturfunktionalistische Ansätze: • Talcott Parsons / Ethnische Gruppen als funktionales ›aggregate of kinship units‹ • Wolf-Dietrich Bukow & Roberto Llaryora / ›Soziogenese ethnischer Minoritäten‹

Akteurszentriert

• Herbert Gans / ›symbolic ethnicity‹ • Mary Waters / ›ethnic options‹

Verbindung von Struktur- und Akteursebene

• Richard Jenkins / ›social identity‹ • Rogers Brubaker / ›ethnicity without

groups‹

Darstellung: Jonas Kolb

Anschließend an die Analyse bestehender Konzeptionen von Ethnizität erörtere ich im nachfolgenden Abschnitt 2.2 die Grundpfeiler einer praxistheoretischen Perspektive, um daran anknüpfend in Kapitel 2.3 die Konturen einer solchen Sichtweise auf das Ethnische zu zeichnen. Im Zuge dessen lege ich dar, wie sich die praxistheoretische Sozialtheorie grundsätzlich zu den Kontroversen und Konfliktlinien innerhalb der Ethnizitätsforschung positioniert und wie das Ethnische gefasst wird.

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2.2 GRUNDZÜGE DES PRAXISTHEORETISCHEN PARADIGMAS Sozialwissenschaftliche Studien zur slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška, die sowohl die akteurszentrierte Ebene als auch die Dimension strukturierender sozialer Ordnungen gleichermaßen berücksichtigen, sucht man bislang vergebens. Aus diesem Grund ist es bis dato nicht gelungen, das Ethnische der Bevölkerungsgruppe in seiner Tiefe, Komplexität und Vielschichtigkeit zu dechiffrieren, erfordern diese Fragen doch eine Sichtweise, die beide sozialtheoretischen Ebenen systematisch miteinander verzahnt und bei der empirischen Analyse gleichwertig berücksichtigt. Einen solchen Zugang verspricht insbesondere eine praxistheoretische Perspektive. Sozialtheoretische Positionen der praxistheoretischen Perspektive Zu einem wegweisenden Ansatz avancierten in der letzten Dekade praxistheoretische Strömungen, deren Breitenwirkung im Wesentlichen auf den Arbeiten von Theodore R. Schatzki (1996, 2002) sowie von Andreas Reckwitz (2006, 2008) beruht. Mit der Ausrufung des ›practical turn‹ begründete Schatzki (2001a) eine praxistheoretische Sozialtheorie, die für das soziale Leben weder ausschließlich autonome Entscheidungen und Aktivitäten von Individuen noch soziale Strukturen verantwortlich macht, sondern die Ebene der Praxis – als Verbindungsstück beider Dimensionen – als ausschlaggebend betrachtet (vgl. Hillebrandt 2009: S. 20). Die Praxisbezogenheit dieser Perspektive rührt daher, dass sie nicht das Kognitive, das Mentale, Texte oder Diskurse, sondern vielmehr praktische Tätigkeiten, routinisierte Handlungsketten, Gepflogenheiten und Strategien im Alltag in den Mittelpunkt rückt (vgl. Reckwitz 2003: S. 289). Bei der praxistheoretischen Perspektive handelt es sich nicht um eine Theorie mittlerer Reichweite (vgl. Merton 1968: S. 39 ff), sondern um einen sozialtheoretischen Ansatz, der das soziale Zusammenleben auf eine spezifische Weise in den Blick nimmt und die Basis gegenstandsbegründeter theoretischer Konzepte bildet. Zur Anwendung kommen kann eine solche Perspektive in verschiedenen sozialen Bereichen und wissenschaftlichen Disziplinen. In der Ethnizitätsforschung wurde dieser Ansatz bisher nicht in hinreichendem Maße aufgegriffen,4 dabei birgt er aufgrund seiner sozialtheoretischen Ausrichtung sowohl für die Disziplin im Generellen als auch für ein umfassendes Verständnis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška im Speziellen vielversprechende Möglichkeiten.

4

Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Kristin Surak (2006, 2011, 2012a, 2012b), die jedoch um die detaillierte Analyse einer spezifischen sozialen Praktik – der japanischen Teezeremonie – zirkulieren.

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Für die Skizzierung der Grundzüge des praxistheoretischen Paradigmas lehne ich mich an die Arbeiten von Theodore R. Schatzki an, ohne mich allerdings auf dessen detaillierte Ausarbeitung sozialer Praktiken einzulassen. Dies aus dem Grund, weil die Arbeiten von Schatzki – ebenso wie die von Reckwitz – als Theorieprogramme einzustufen sind, deren empirische Operationalisierung kaum überwindbare Schwierigkeiten bereitet. Daher übernehme ich von Schatzki die grundsätzliche Konzeption der Akteure und der strukturierenden Ordnungen und fasse die Ebene, auf der beide Dimensionen miteinander verzahnt sind, als Praxis. Diese Nahtstelle, also die soziale Praxis, steht im Mittelpunkt meiner empirischen Untersuchung. In den nachfolgenden Abschnitten werden drei zentrale Aspekte einer praxistheoretischen Perspektive hervorgehoben. Zum einen beleuchte ich den Status der Akteure, zum anderen die Bedeutung strukturierender Ordnungen. Wie die Verbindung beider Ebenen im Begriff der Praxis konkret aussieht, wird in einem dritten Abschnitt ausgeführt. Der Status der Akteure Gemäß der praxistheoretischen Perspektive kommt den Akteuren grundsätzlich der Status von »Partizipanden« (Hirschauer 2004: S. 88) zu – sie nehmen an der Konstitution der Praxis teil, sind aber nicht deren Urheber. So sind Akteure zwar zur Ausbildung von Identitäten befähigt (vgl. Jonas 2009: S. 20), auch verfügen sie über individuelle Handlungsfähigkeiten, dennoch bleibt der ihnen damit zukommende vergleichsweise autonome Status (vgl. ebd.: S. 3) in seiner Reichweite beschränkt. Beispielsweise sind Akteure in der Lage, Wünsche, Empfindungen, Hoffnungen, aber auch ethnische Selbstverortungen, Zugehörigkeitsgefühle oder ein Verantwortungsbewusstsein auszubilden, welche sie jeweils in praktische Handlungen und Tätigkeiten überführen können (vgl. Schatzki 2002: S. 75). Wiewohl es sich bei diesen Aspekten um Phänomene handelt, die den Akteuren eindeutig zuzuordnen sind, werden die Wünsche, das Empfinden oder ein ethnisches Zugehörigkeitsgefühl nicht vollkommen autonom, sondern im Verlauf alltagspraktischer Tätigkeiten, also im Zuge der Praxis des Ethnischen, herausgebildet und somit auch durch strukturierende soziale Ordnungen und Kontexte beeinflusst. In diesem Sinne wird die Ebene der Akteure geschalt (vgl. ebd.: S. 74 f; Schatzki 2003: S. 193). Dennoch sind die strukturellen Prägungen nicht zwingend im Sinne von Beschränkungen zu verstehen, vielmehr eröffnen sie auch neue Möglichkeitsräume, was Aktivitäten, Empfindungen, Emotionen, Einstellungen oder die Ausprägung von ethnischen Selbstverortungen angeht (vgl. Schatzki 2002: S. 210 ff) – und diese sind mitnichten ausschließlich nutzenkalkulierend, vorsätzlich oder stets intentional geleitet (vgl. Ebrecht/Hillebrandt 2002: S. 8). Indem sie Identitäten und Empfindungen eigenständig herausbilden, beweisen die Akteure ihre Freiheit gegenüber der Ebene strukturierender Ordnungen. Der strukturellen Ebene kommt somit keineswegs eine

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kausale Bestimmungsmacht über die Akteure zu und sie ist auch nicht der Auslöser von Tätigkeiten oder Handlungen. An der Praxis des Ethnischen nehmen die Betreffenden erst über eigene, individuelle Handlungen oder im Zuge von Tätigkeiten anderer Akteure teil. Zudem verfügen sie über die Fähigkeit, soziale Praxis und strukturierende Ordnungen im Sinne einer »Triebkraft sozialen Wandels« (Jonas 2009: S. 8) zu verändern (vgl. Schatzki 2002: S. 234). Bei der praktischen Durchführung einer praxistheoretisch angeleiteten Untersuchung steht nicht die mentale Befindlichkeit einzelner Akteure im Vordergrund, sondern regelmäßige Tätigkeitsabläufe, Muster und Strategien, also die praktische Performance der Praxis (vgl. Schmidt 2012: S. 49), das heißt, deren jeweiliger konkreter Vollzug. Empirisch erschlossen werden kann dieser sowohl situativ im Sinne der Ethnomethodologie als auch rekonstruktiv (vgl. Lengersdorf 2011: S. 80 ff). Von Interesse sind bei der Analyse der Praxis des Ethnischen zudem soziale Phänomene, denen nicht der Charakter von Ausnahmeerscheinungen zukommt, sondern die von einer Vielzahl von Akteuren geteilt werden. Die Bedeutung strukturierender sozialer Ordnungen Aus praxistheoretischer Perspektive bilden strukturierende soziale Ordnungen die soziale Sphäre, in der Menschen miteinander koexistieren, Beziehungen pflegen, soziale Positionen besetzen und Bedeutungen erlangen. Bezogen auf Fragen des Ethnischen umfasst die sozialtheoretische Ebene zum einen die Organisations- und Vereinslandschaft, das Schulwesen, ökonomische Verhältnisse, räumliche Gegebenheiten, infrastrukturelle Bedingungen, politische Systeme, die Parteienlandschaften, das Wahlrecht, gesetzliche Regelungen wie Minderheitenschutzbestimmungen und die Geschichte der ethnischen Beziehungen in einer Region und zum anderen symbolische Ordnungen, Wahrnehmungsmuster oder spezifische Klassifikationen wie bestehende und etablierte ethnische Kategorien. Auf Begriffe wie Gesellschaft, Struktur, Institutionen, Normen, Rollen oder Klassen wird bei der Erklärung sozialer Regelmäßigkeiten verzichtet, diesen steht die praxistheoretische Sichtweise mit einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber. Die Ableitung der Tätigkeiten von Akteuren allein aus sozialen Strukturen wird entschieden zurückgewiesen, zugleich distanziert sich eine praxistheoretische Perspektive auch von individualistischen Konzeptionen, denen zufolge soziale Ordnungen Produkt der Handlungsfähigkeit von Individuen sind (vgl. Schatzki 2002: S. 124 ff). Strukturierende soziale Ordnungen gelten demnach als ambivalente Phänomene, die wechselseitig die soziale Praxis und die Ebene der Akteure sowohl prägen als auch durch diese geprägt werden. Letzteres trifft insbesondere auf symbolische Ordnungen, weniger auf strukturelle Aspekte wie ökonomische Ungleichheiten oder soziale Lagen zu. Aus praxistheoretischer Sicht sind die verschiedenen Bestandteile der strukturellen Ebene somit keinesfalls sich selbst perpetuierende Arrangements, die –

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wie in einem genuin strukturtheoretischen Ansatz (vgl. Schatzki 2002: S. 21 f & 59) – autark für sich alleine stehen, sondern bilden die Sphäre, in der die soziale Praxis stattfindet. Somit tritt Letztere keineswegs voraussetzungslos oder bar jedweden Bezugsrahmens auf und ist immer im Zusammenhang mit strukturierenden sozialen Ordnungen zu sehen. Einfluss auf die Ausgestaltung der Praxis nehmen diese dadurch, dass sie Handlungspotenziale, Orientierungen, Emotionen, Befindlichkeiten oder ethnische Selbstverortungen der Akteure modellieren. Verbindung der akteurszentrierten Ebene und strukturierender Ordnungen im Begriff der Praxis Die Praxis des sozialen Zusammenlebens bildet das Scharnier, das die Ebene der strukturierenden Ordnungen und der Akteure miteinander verbindet. Darin bilden sich sowohl die Handlungsfähigkeit der Akteure als auch deren Prägung und Beeinflussung durch soziale Ordnungen ab (vgl. Schatzki 2002: S. 125 ff). Aus praxistheoretischer Perspektive gilt besondere Aufmerksamkeit Aspekten des sozialen Lebens, die oftmals nicht ausreichend berücksichtigt werden, wie vermeintliche Selbstverständlichkeiten, routinisierte Handlungsketten, unscheinbare Gepflogenheiten und alltägliche Gewohnheiten, die weder vollkommen regelgeleitet noch gänzlich intentional sind, sondern auf implizitem Handlungs- oder praktischem Erfahrungswissen beruhen. Im Falle der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška wären dies beispielsweise das gemeinsame Singen in Chören, Aktivitäten in Kultur- oder Sportvereinen, kommunikative Umgangsformen in Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache oder Umgangsformen in familiären Kontexten. Wenn die routinisierten Handlungsverkettungen darauf abzielen, die als ethnische Alleinstellungsmerkmale fungierenden kulturellen Aspekte im öffentlich zugänglichen Raum sichtbar in Szene zu setzen – wie bei Kulturveranstaltungen – spreche ich im Rahmen dieser Studie von Performances oder von performativen Strategien. Die Akteursebene und die Dimension strukturierender sozialer Ordnungen sind zwar auf der Ebene der Praxis untrennbar miteinander verbunden, können jedoch zu analytischen Zwecken voneinander separiert dargestellt werden. Das ist sinnvoll, um sowohl die Bedeutung der Akteursebene für die Ausbildung der spezifischen Praxis herauszuheben als auch einen Einblick in die Genese und die historische Gewachsenheit strukturierender Ordnungen zu erhalten, in dessen Gravitationsfeld sich ein soziales Phänomen bewegt. In der Auseinandersetzung mit Fragen des Ethnischen ist eine solche Analyse der Ebene der strukturierenden Ordnungen, also eine Darstellung der Geschichte der ethnischen Beziehungen, historischer Ereignisse, der rechtlichen und politischen Situation sowie der Organisations- und Vereinslandschaft unumgänglich. Das soziale Zusammenleben erschließt sich jedoch erst durch einen genauen Blick auf die Praxis des Ethnischen, in der die akteurszentrierte und die strukturelle Ebene zusammenlaufen. Wie die Konturen einer solchen praxistheoretischen

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Perspektive auf das Ethnische einer spezifischen Bevölkerungsgruppe aussehen, skizziere ich im nachfolgenden Kapitel.

2.3 KONTUREN EINER PRAXISTHEORETISCHEN PERSPEKTIVE AUF ETHNIZITÄT Eine praxistheoretische Perspektive rückt in erster Linie alltagspraktische Phänomene, genauer gesagt die Praxis des Ethnischen, in den Mittelpunkt. Damit wendet sie sich gegen Ansätze, die Ethnizität vor allem textualistisch zu entziffern oder in den mentalen Strukturen des menschlichen Bewusstseins und Geistes zu verankern suchen (vgl. dazu Reckwitz 2003: S. 288 f). Als Praxis des Ethnischen ist dabei das Zusammenspiel unterschiedlicher praktischer Strategien, verketteter Tätigkeiten und routinisierter Gepflogenheiten in diversen Alltagsbereichen zu verstehen. Von Relevanz sind zudem die bestehenden ethnischen Kategorien, wenn diesen eine alltagspraktische Wirkmächtigkeit und ein handlungsanleitendes Potenzial zukommen. Aus diesem Grund schließt ein praxistheoretischer Zugang zu Ethnizität keineswegs aus, dass auch ethnische Identitäten gezielt in den Blick genommen werden. Dabei gilt das Interesse nicht nur deren Variationsbreite, sondern vor allem deren handlungspraktischen Folgewirkungen, den Bausteinen, die die Akteure zur Herausbildung der ethnischen Selbstverortungen heranziehen, sowie den sozialen Bedingungen, die die Konstitution der ethnischen Identitäten und der ethnischen Kategorien präfigurieren, an denen sich die Betreffenden orientieren. Aus praxistheoretischer Perspektive steht das Ethnische in engem Zusammenhang mit kulturellen Merkmalen wie Kleidung, Haartracht, Schmuck, Feiergewohnheiten, Initiationsriten, Religion, Sprache, Essgewohnheiten oder Gerichten, Begräbniszeremonien, künstlerischen Aktivitäten, Gesang, Musizieren oder Theaterspielen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Obwohl in praxistheoretischer Hinsicht grundsätzlich alle diese Aspekte als ethnisch relevante Merkmale einer spezifischen Bevölkerungsgruppe in Betracht kommen können, treten im Verlauf der Praxis des Ethnischen ein oder mehrere Aspekte in den Vordergrund, dem bzw. denen im Zuge sozialer Prozesse eine besondere praktische Bedeutung für das soziale Zusammenleben einer Bevölkerungsgruppe zukommt. Dies kann zur Folge haben, dass das Merkmal oder die Merkmale als für die ethnischen Bindungskräfte der Bevölkerungsgruppe verantwortlich erachtet werden. In dem Fall entwickelt sich aus dem kulturellen Kriterium im Zuge der Praxis des Ethnischen ein ethnisch relevantes Merkmal, an dem die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe festgemacht wird. Dieses kann auch dadurch gekennzeichnet sein, dass ihm in der gewöhnlichen Alltagspraxis eigentlich nur geringe Bedeutung zukommt, dass es jedoch die Abgrenzung zu anderen Bevölkerungsgruppen besonders deutlich versinnbildlicht. Die Konstituierung der

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ethnisch relevanten Merkmale erfolgt im Zuge von alltagspraktischen Prozessen, an denen sowohl individuelle Akteure, andere Angehörige der Eigengruppe als auch Mitglieder der Außengruppe wechselseitig beteiligt sind. Der Prozess, in dessen Verlauf sich ausgehend von einem basalen kulturellen Aspekt ein ethnisches Alleinstellungsmerkmal herauskristallisiert, kann auch durch die gezielte Einflussnahme durch einzelne Akteure, Personengruppen oder Organisationen (wie Vereine, politische Institutionen oder Parteien) befördert werden. Eine praxistheoretische Analyse beschäftigt sich genau mit der Genese derartiger Alleinstellungsmerkmale, deren struktureller Prägung sowie insbesondere mit den alltagspraktischen Gepflogenheiten und Strategien, in denen das Kriterium praktisch zum Einsatz kommt und handlungswirksam ist. Aus praxistheoretischer Perspektive konstituiert sich das Ethnische somit im Zuge sozialer Herstellungsprozesse, in deren Verlauf und Folge sich ethnisch relevante Merkmale, praktische Handlungsformen oder Vorstellungen von Akteuren herausbilden. Zum Inhalt haben diese oftmals Vorstellungen einer gemeinsamen Herkunft, einer kollektiven kulturellen Tradition oder auch eine gemeinsame Geschichtsnarration. Die Praxis des Ethnischen vollzieht sich dabei stets im Zuge von praktischen alltäglichen Strategien, seien sie bewusst und zielgerichtet oder nicht intendiert und nicht vorsätzlich. Somit lehnt die praxistheoretische Perspektive Konzeptionen, die das Ethnische als vorab festgelegten Faktor, als ontologische Bedingung oder als angeborene primordiale Konstante begreifen, ab. Mit anderen Worten gilt Ethnizität keinesfalls als der Grund für das Vorhandensein von ähnlichen äußerlichen Merkmalen, Kleidungsgewohnheiten, kulturellen Gemeinsamkeiten, vergleichbaren Lebensweisen oder die Berufung einer Bevölkerungsgruppe auf eine gemeinsame Geschichte. Vielmehr wird sie als dynamisches, variables und flexibles soziales Konstrukt gefasst, das – auch wenn es auf Vorstellungen und Zuschreibungen beruht – dennoch nicht nur imaginär und eingebildet ist, sondern stets eine praktische Wirkmächtigkeit entfaltet. In diesem Sinne ist Ethnizität in der praxistheoretischen Perspektive eine abhängige, zu erklärende und keineswegs eine unabhängige, erklärende Variable (vgl. Bös 2008: S. 57). Anknüpfungspunkte Eine praxistheoretische Perspektive vertritt die Position, dass ein umfassendes Verständnis von der Ethnizität einer Bevölkerungsgruppe nicht möglich ist ohne die Analyse der Praxis des Ethnischen. Wie eine solche erfolgen kann, dafür liefern die im vorangegangenen Kapitel 2.2 dargestellten bestehenden Konzeptionen von Ethnizität einige Anknüpfungspunkte und Impulse.

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Als Gerüst einer praxistheoretischen Perspektive auf das Ethnische drängt sich das Konzept der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker auf. Dessen Vorschlag, nicht von vornherein von der Existenz einer ethnischen Gruppe auszugehen, sondern sich vielmehr praktischen Alltagsbereichen zuzuwenden, in denen das Ethnische eine Rolle spielt, ist wegweisend für einen praxistheoretischen Ansatz und enthält alle seine Grundpositionen. Brubaker rückt zudem den Begriff der ethnischen Kategorien – die als symbolische Ordnungen Bestandteil der strukturtheoretischen Dimension sind – in den Mittelpunkt. Diese wirken prägend auf die Akteure und strukturieren oder kanalisieren deren Tätigkeiten und geben damit Anstöße für die Praxis des Ethnischen, die jedoch in keinem Abhängigkeitsverhältnis von ethnischen Kategorien und strukturierenden Ordnungen steht. Für die praxistheoretische Perspektive ist dabei von besonderem Interesse, wie die ethnischen Kategorien entstehen, durch welche sozialen Faktoren sie geformt werden, wie sie konkret Einfluss nehmen auf das Alltagsleben der jungen Menschen, welche Praxis des Ethnischen ausgeprägt wird und auch, inwiefern diese auf die bestehenden ethnischen Kategorien zurückwirkt. In Alltagsbereichen, in denen das Ethnische eine wichtige Rolle spielt, verfährt eine praxistheoretische Annäherung an die Empirie so, dass sowohl strukturelle als auch akteurszentrierte Aspekte gleichermaßen miteinbezogen werden. Folglich sind bei der Analyse der Praxis des Ethnischen sowohl der biografische Hintergrund der Akteure – also Familiengeschichte, Freundes- und Bekanntenkreis sowie schulische Laufbahn – als auch die relevanten strukturierenden Ordnungen zu berücksichtigen. Auf welche Art und Weise sich das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in der alltäglichen Praxis manifestiert und welche Bedeutung der jeweiligen Ebene dabei zukommt, zeigt sich aber erst in den empirischen Analysen.

3

Forschungsstrategie und Methoden

3.1 ÜBER DIE EMPIRISCHE ZUGÄNGLICHKEIT DER PRAXIS DES ETHNISCHEN Nach der Skizzierung der Grundlagen eines praxistheoretischen Verständnisses des Ethnischen soll nun der Frage nachgegangen werden, wie sich die Phänomenbereiche, auf die eine solche Forschungsperspektive fokussiert ist, methodisch beobachten und erheben lassen. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich zu konstatieren, dass die Vielzahl der in den letzten beiden Dekaden entwickelten praxistheoretischen Konzeptionen in einem Missverhältnis zu Angeboten der methodischen Umsetzung und der Übersetzung in empirische Anleitungen steht. So müssen sich Autoren, wie Theodore Schatzki und Andreas Reckwitz, den Vorwurf gefallen lassen, dass ihre sozialtheoretischen Arbeiten kaum Ansatzpunkte für empirische Untersuchungen bieten (vgl. Warde 2005). Aus diesem Grund steht eine praxistheoretische Methodendiskussion trotz intensiver Bemühungen in den vergangenen Jahren (vgl. Schäfer et al. 2015; Schäfer 2016; Jonas et al. 2017) erst am Anfang. Die methodologischen und methodischen Unklarheiten haben unter Sozialwissenschaftler_innen – insbesondere im deutschsprachigen Raum – rege Debatten darüber ausgelöst, ob praxistheoretisch angeleitete Forschungsvorhaben die empirisch relevanten Phänomene im Zuge qualitativer Interviews überhaupt erfassen können oder ob diese nicht vielmehr situativ, ausschließlich mittels teilnehmender Beobachtungen zugänglich sind (vgl. Hirschauer 2004; Hillebrandt 2009; Brake 2015; Schäfer/Daniel 2015). Die Skepsis gegenüber dem Einsatz von qualitativen Interviews wird in der Regel damit begründet, dass diese nur eine oberflächliche, singuläre, subjektive Sinnkonstruktion der Befragten zu Tage fördern würden (vgl. kritisch hierzu: Hitchings 2012: S. 61). Daher sei für praxistheoretische Forschungsinteressen teilnehmenden Beobachtungen (vgl. Reckwitz 2008; Schmidt 2008: S. 285) oder der Ethnografie als tragfähigem Forschungsprogramm (vgl. u. a. Reckwitz 2010: S. 196) der Vorzug zu geben. Allerdings finden sich auffallend wenige Ausführungen darüber, wie dies forschungspraktisch konkret umgesetzt werden soll, geschweige denn, wie relevante Aspekte in spezifischen Erhebungssituationen gezielt beobachtet oder

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stimuliert werden können. Einige Vertreter_innen der praxistheoretischen Strömung gehen sogar so weit, Beobachtungsmethoden als die einzige Erhebungsform, die der empirischen Praxis gerecht werden könne, gelten zu lassen (vgl. dazu kritisch Schäfer/Daniel 2015: S. 39 ff). Derartige Ansätze zielen allerdings vorrangig darauf ab, in ethnomethodologischer Tradition die situative Durchführung sozialer Praxis und den körperlichen Charakter von Tätigkeiten zu untersuchen (vgl. Lengersdorf 2011: S. 81 ff). Die vorliegende Studie folgt dieser Argumentation nicht. Meine empirische Untersuchung gründet auf einer methodologischen Strategie, die nicht situative Abläufe und schon gar nicht die körperliche Durchführung praktischer Tätigkeiten in den Fokus nimmt, sondern – in einem rekonstruktiven Verfahren – die Praxis des Ethnischen aus einem retrospektiven Blickwinkel analysiert. Mein Interesse gilt nicht dem Nachvollzug der situativen Herstellung dieser Phänomene, sondern der Rekonstruktion der praktischen Umgangsformen und wirkmächtigen Strategien aus qualitativen Tiefeninterviews, die die Schlüsselmethode meiner empirischen Untersuchung darstellen. Mit dieser methodologischen Vorgehensweise schließe ich mich der Position einer Reihe von praxistheoretischen Sozialwissenschaftler_innen an, denen zufolge individuelle Akteure grundsätzlich dazu befähigt sind, Bestandteile der sozialen Alltagspraxis sowie damit verbundene, scheinbar unbewusste Alltagsaktivitäten und Selbstverständnisse im Verlauf von Interviews und Gesprächen zu verbalisieren, was eine Beobachtung überflüssig mache (vgl. Hitchings 2012: S. 63 ff; Nicolini 2009a, 2009b; Shove et al. 2007: S. 21 ff).

3.2 ERHEBEN DER DATEN 3.2.1 Erhebungsstrategie mit ethnografischen Anleihen Die qualitativen Tiefeninterviews bilden die Schlüsselmethode der empirischen Erhebung, auf der die vorliegende Studie basiert, standen jedoch nicht am Anfang meiner empirischen Befassung mit der Praxis des Ethnischen der Bevölkerungsgruppe. Vielmehr beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit der Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung, zunächst im Rahmen der Vermittlungsarbeit und der Betreuung von Besucher_innen in einem Museum für Zeitgeschichte im südlichen Kärnten/Koroška. Im Zuge dieser Tätigkeit erarbeitete ich mir – trotz des Umstands, dass ich als Nichtkärntner, Nichtslowenischsprachiger und Nichtösterreicher zu Beginn meiner Arbeit vor Ort als fremder Outsider galt – detaillierte Binneneinsichten in die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška. Dadurch erlangte ich den Status eines Kenners, der mit den Gegebenheiten vor Ort bestens vertraut ist.

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Meine anfängliche Position als Außenstehender sollte mir und der Studie nicht nur nicht zum Nachteil gereichen, sondern sich vielmehr als günstig erweisen – insofern nämlich, als Gesprächs- und Interviewpartner_innen mir gegenüber eine höhere Erklärungsbereitschaft zeigten. Darüber hinaus erhielt ich im Zuge meiner mehrjährigen beruflichen Tätigkeiten im Feld über Vermittlung von Kontaktpersonen Zugang zu Einrichtungen, Schulen oder Vereinen und bekam Gelegenheit zu zahlreichen Beobachtungen, informellen Gesprächen, Dokumentenanalysen sowie Literaturrecherchen. All diese Datenquellen flossen als Hintergrundwissen in die vorliegende Untersuchung ein. Folglich handelt es sich bei dieser keineswegs um eine bloße Interviewerhebung, sondern um eine empirische Studie mit ethnografischen Zügen, das heißt, sie entspricht nicht gänzlich dem Bild einer klassischen Ethnografie, die durch eine idealtypische Immersion ins Feld (vgl. Dellwing/Prus 2012: S. 84; kritisch dazu: vgl. Atkinson/Hammersley 2007: S. 82) oder eine »anhaltende Kopräsenz von Beobachter und Geschehen« (Amann/Hirschauer 1997: S. 21) gekennzeichnet ist. Denn hierfür stellte neben dem Altersunterschied insbesondere meine Unkenntnis der regionalen slowenischen Mundarten eine Hürde dar. Für den Zugang zum empirischen Feld wählte ich eine performative Variante (vgl. Gergen/Gergen 2010), ein ungewöhnlicher Zugang, der sich aus meiner Arbeit in dem zeitgeschichtlichen Museum ergab und der darin bestand, dass ich Schulprojekte mit zweisprachigen Schulen initiierte, an denen insgesamt vier Schulklassen von jeweils unterschiedlichen Schultypen mit Slowenisch als Unterrichtssprache teilnahmen. Die Partizipation umfasste einen ganztägigen Aufenthalt in dem zeitgeschichtlichen Museum sowie Vor- und Nachbereitungen. Im Rahmen der Projekttage wurden thematische Workshops durchgeführt, die sich um Fragen der Geschichte der ethnischen Beziehungen sowie um ethnische Orientierungen und kulturelle Aktivitäten der Schüler_innen drehten. Diskussionen der jungen Menschen untereinander über diese Themen in den Workshops sowie ethnografische Gespräche, die ich mit ihnen während der Projekttage führte, wurden aufgezeichnet und flossen ebenfalls in das empirische Datenmaterial ein.1 Im Anschluss an die Projekttage führte ich qualitative Tiefeninterviews mit einer Auswahl der Teilnehmer_innen. In den Nachbereitungen der Workshops verfassten die Schüler_innen zudem selbstständig Texte – in Form von ›Botschaften an die Zukunft‹ des Kärntner Slowenischen –, welche als weiteres empirisches Datenmaterial in die Studie miteinbezogen wurden.2 All dies

1

Ethnografische Gespräche, die in die empirischen Analysen miteinbezogen werden, sind mit dem Kürzel EG gekennzeichnet.

2

Solche Botschaften an die Zukunft wurden von allen jungen Menschen, mit denen qualitative Tiefeninterviews oder ethnografische Gespräche geführt wurden, in den Nachbereitungen der Projekttage formuliert. In den analytischen Kapiteln werden daraus zitierte Auszüge mit dem Kürzel BADZ markiert.

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fügt der empirischen Vorgehensweise auch Elemente einer partizipativen Form der Datenerhebung hinzu (vgl. Bergold/Thomas 2010). Die empirische Erhebung fiel teils in die Zeit des sogenannten Ortstafelkompromisses im Jahr 2011 und teils in die darauffolgenden Jahre. Die Entscheidung für eine empirische Annäherung an die Praxis des Ethnischen mit ethnografischen Anleihen erfolgte aus mehrerlei Gründen. Zum Ersten ist eine solche Forschungsstrategie offen für unterschiedliche empirische Methoden zur Beforschung ein und desselben Phänomens (vgl. Lüders 2013: S. 393 f). Ein ethnografischer Zugang gestattet es, durch die Kombination von verschiedenen empirischen Methoden sowohl die Dimension strukturierender sozialer Ordnungen als auch jene der einzelnen Akteure in den Blick zu nehmen. Während in der vorliegenden Studie die strukturelle Ebene durch die Analyse demografischer Daten sowie durch Dokumenten- und Literaturrecherche beforscht wurde, boten sich für die Untersuchung der Selbstverortungen, Erfahrungen, Strategien und Tätigkeitsmuster der Akteure die Durchführung von qualitativen Interviews, ethnografischen Befragungen sowie die Analyse der Diskussionen der Schüler_innen im Verlauf der Projekttage und der von ihnen verfassten Botschaften an die Zukunft an. Der zweite Aspekt, der für eine Erhebungsstrategie mit ethnografischen Zügen spricht, hängt eng mit der Methodenoffenheit zusammen, kommt doch eine praxistheoretische Perspektive auf Ethnizität nicht umhin, neben den unterschiedlichen Ebenen des Sozialen sowohl die Binnen- als auch die Außenperspektive auf das Ethnische einzubeziehen. Bei der Analyse der ausgebildeten ethnischen Identitäten sind mithin auch mediale Diskurse sowie ethnische Zuschreibungen durch das soziale Umfeld zu berücksichtigen und gezielt zu untersuchen – wie beispielsweise am eigenen Leib erfahrene diskriminierende Erlebnisse. Die qualitativen Tiefeninterviews zielten in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Eigenwahrnehmung der befragten jungen Menschen ab. Befragt wurden nicht nur Jugendliche mit lebendiger slowenischsprachiger Familientradition, sondern auch solche, die zu Hause keinen slowenischen Dialekt sprechen, aber dennoch eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtsprache besuchen. In einigen Fällen verorten sich diese slowenischsprachigen Noviz_innen selbst als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen. Diese ethnischen Selbstverortungen glich ich mit den diesbezüglichen Ansichten ihrer Klassenkamerad_innen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund ab, die ich in den Interviews auch nach ihrer Meinung zu den Noviz_innen gefragt hatte. Dadurch war gewährleistet, dass nicht nur Binnensichtweisen von Akteuren, sondern auch Außenperspektiven Eingang in das empirische Datenmaterial fanden und damit der praxistheoretischen Perspektive auf das Ethnische auch in methodologischer Hinsicht Rechnung getragen wurde.

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Schließlich zeichnet sich eine Forschungsstrategie mit ethnografischen Anleihen neben der Methodenoffenheit und der Multiperspektivität auch dadurch aus, dass dank der sensiblen ethnografischen Vorgehensweise die Gefahr der Alienisierung und des Otherings – dass also eine Bevölkerungsgruppe erst durch die angewendeten Untersuchungsmethoden zu einer als ethnisch wahrgenommenen Bevölkerung wird (vgl. Mecheril et al. 2003) – vermieden werden kann. 3.2.2 Methodische Umsetzung der Erhebung Qualitative Tiefeninterviews werden von verschiedenen praxistheoretisch orientierten Sozialwissenschaftler_innen für die empirische Beforschung der sozialen Praxis vorgeschlagen (vgl. Shove et al. 2007, 2012; Hitchings 2012). Die Gegenstandsangemessenheit dieses methodischen Verfahrens begründet sich dadurch, dass es besonders gut zur Erhebung von implizitem Wissen, scheinbar selbstverständlichen Aktivitäten, Wahrnehmungen und Erfahrungen im Alltag eingesetzt werden kann (vgl. Lamnek 2010: S. 339). In der Erhebungspraxis gestaltete ich die Tiefeninterviews grundsätzlich als gewöhnliche Interviewsituationen unter Verwendung eines halbstrukturierten Leitfadens, der ethnische Identifikationen und Abgrenzungen, die Bedeutung des Ethnischen im familiären Alltag, Freundschafts- und Liebesbeziehungen, erfahrene ethnisch motivierte Anfeindungen, Sprachgewohnheiten in der Schule, kulturelle Aktivitäten sowie Zukunftsperspektiven berührte. Was den Verlauf der Interviews angeht, richtete ich mich nach den von den Interviewpartner_innen angesprochenen Themen und passte den Leitfaden situationsbezogen an, um den Gesprächsfluss nicht zu unterbinden. Der Leitfaden fungierte somit als Orientierungsstütze, dessen Themen je nach Gesprächsverlauf in unterschiedlicher Reihenfolge und Intensität abgehandelt wurden. Durch diese Vorgehensweise war gewährleistet, dass die relevanten Themen in all ihrer Breite, Tiefe und Vielschichtigkeit abgedeckt und miteinander vergleichbare Daten gewonnen werden konnten (vgl. Bock 1992: S. 91). Die Interviews fanden in Cafés in Schulnähe oder in slowenischsprachigen Jugendeinrichtungen statt. Bei der Auswahl der Orte war ich einerseits darauf bedacht, Störungen der Interviewatmosphäre und die Ablenkung der Interviewpartner_innen auszuschließen, andererseits wurden bewusst Orte ausgesucht, an denen sich die Befragten gewöhnlich aufhalten und mit denen sie vertraut sind. Insgesamt wurden 28 qualitative Tiefeninterviews von einer Dauer zwischen 50 Minuten und zwei Stunden geführt. In vier Fällen waren sie mit einer halben Stunde aber auch deutlich kürzer. In diesen Interviews gelang es nur bedingt, die Befragten zu ausführlichen Aussagen über ihre Praxis des Ethnischen zu bewegen. Die Sprache, in der die Erhebungen durchgeführt wurden, war Deutsch. Zwar konnte ich mir im Zuge meiner mehrjährigen Berufstätigkeit im zweisprachigen

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Siedlungsgebiet in Südkärnten Grundkenntnisse der slowenischen Sprache aneignen, diese reichten jedoch nicht aus, um die Befragungen in slowenischer Sprache vorzunehmen. Doch selbst wenn anzunehmen ist, dass Interviewpartner_innen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund sich unterschiedlich zu Fragen des Ethnischen äußern, je nachdem, ob sie dabei die deutsche oder die slowenische Sprache verwenden, kann die Gefahr einer Schmälerung des Erkenntnisgewinns und der Qualität des Datenmaterials aufgrund des Umstands, dass die empirische Erhebung nicht in slowenischer Sprache erfolgte, ausgeschlossen werden. Dies deshalb, weil es in Kärnten/Koroška heutzutage keine monolingual slowenischsprachigen jungen Menschen mehr gibt, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Die in Südkärnten beheimateten Jugendlichen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund absolvieren ihre Schullaufbahn allesamt zumindest bilingual, also slowenisch- und deutschsprachig. Zudem fällt die Sprachkompetenz im Deutschen gegenüber den Slowenischkenntnissen in der Regel nicht ab (vgl. Busch/Doleschal 2008: S. 9), im Gegenteil weisen die Heranwachsenden aus slowenischsprachigem Elternhaus in der deutschen Sprache oft eine höhere Sprachkompetenz auf als in der slowenischen – viele der Befragten in den Interviews betonten, dass sie sich generell auf Deutsch präziser ausdrücken könnten als auf Slowenisch. Davon, dass die Interviewsituation eine das Antwortverhalten möglicherweise verzerrende Ausnahme gewesen wäre, kann angesichts dessen also keine Rede sein. An dieser Stelle mag eingewendet werden, dass Slowenisch – als Familiensprache – die Sprache der Emotionen und Gefühle sei, was das Sprechen über Zugehörigkeiten, ethnische Bindungen und Identitäten sehr wohl beeinflussen könne. Dass dies keineswegs in dieser Eindeutigkeit zutrifft, geht aus den empirischen Erhebungen ebenfalls hervor. So geben mehrere Interviewpartner_innen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund an, dass sie beispielsweise in deutscher Sprache Tagebuch schreiben (etwas, was ihnen in slowenischer Sprache nicht möglich wäre) (Maja T.; 18 Jahre) oder dass sie Sätze, Gedanken, Gefühle und Emotionen zuerst »im Kopf« (Zdravko Š.; 16 Jahre) in deutscher Sprache formulieren oder in deutscher Sprache träumen würden. All diese Momente sprechen dagegen, dass die Durchführung der empirischen Befragungen in deutscher Sprache sich nachteilig ausgewirkt hätte. Hinsichtlich der Erhebungspraxis, also der Art und Weise der Durchführung der qualitativen Tiefeninterviews, orientierte ich mich an Vorschlägen von Russell Hitchings (2012), die dieser für die Stimulierung praxistheoretisch relevanter Phänomene entwickelte.

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• (I) In den Tiefeninterviews erfragte ich zunächst möglichst viele Facetten des

scheinbar Selbstverständlichen und Offensichtlichen. Auf dieser Grundlage spickte ich den Leitfaden mit detaillierten Nach- und Verständnisfragen zum Alltagsleben, zum familiären Hintergrund, zum schulischen Kontext oder zu Tätigkeiten in Kulturvereinen, um in Fällen, in denen die Interviewpartner_innen nicht von sich aus auf diese Aspekte eingegangen waren, nachzuhaken. Da ich selbst keinen slowenischsprachigen Familienhintergrund habe, war es mir möglich, die Vielzahl an Nachfragen zu stellen, ohne Misstrauen oder Unverständnis zu erregen. Allerdings schien ein Teil der interviewten Jugendlichen die von mir thematisierten Facetten ihres Alltags für eher triviale Angelegenheiten zu halten und nicht für etwas, worüber es sich – zumal in einem Interview – zu sprechen lohne. Es bedurfte daher initiierender Impulse und zielgerichteter Beharrlichkeit, die Befragten dazu zu bewegen, alltägliche Abläufe und Gewohnheiten in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Schule oder in Kulturvereinen zu schildern. Dabei sollte sich neben den ausformulierten Zusatzfragen insbesondere mein Hintergrundwissen, welches ich mir im Laufe meiner Tätigkeit als Museumspädagoge über die Vereinslandschaft und die Aktivitäten von spezifischen Kulturvereinen über die Jahre hinweg angeeignet hatte, als hilfreich erweisen. In dieser Hinsicht waren beispielsweise Kenntnisse über die jeweiligen Herkunftsgemeinden der jungen Menschen, über die lokalen Gegebenheiten und über die kulturpolitische Ausrichtung der Kulturvereine, in denen sie aktiv sind, sehr von Vorteil. • (II) Daran anschließend konfrontierte ich meine Interviewpartner_innen, in Anlehnung an Hitchings, behutsam mit möglichen Handlungsalternativen. Wenn ich sie etwa auf ihre Aktivitäten in Kulturvereinen ansprach, fragte ich auch stets nach, was es bei ihnen auslösen würde, wenn enge Freund_innen, die im selben Kulturverein aktiv sind, ihr Engagement beendeten. Mit dieser Strategie versuchte ich die Positionen der Interviewpartner_innen zu einem Vereinsaustritt von Gleichaltrigen zu ergründen und gleichsam zu untersuchen, wie stark ihre eigene Bindung an den Kulturverein ist, in dem sie aktiv sind, und inwiefern sie sich selbst einen Austritt aus dem Verein vorstellen könnten. Die Integration dieser Nachfragen in den Fragebogen erschien mir deswegen geboten, weil sich bei der Analyse der ersten Interviews ein sehr enger emotionaler Bezug der jungen Menschen zu den örtlichen Kulturvereinen offenbarte. Ebenso stellte ich im Verlauf der Interviews den Fall in den Raum, dass enge Freund_innen sich entschließen würden, sich vom Kärntner Slowenischen abzuwenden. Damit sollten die Befragten dazu angeregt werden, ihre Position zu einer solchen Entscheidung zu reflektieren. Derartige hypothetische Fragen halfen dabei, dass die Schüler_innen im Laufe der qualitativen Tiefeninterviews alltägliche Selbstverständlichkeiten und Gepflogenheiten verbalisierten.

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• (III) Eine weitere an Vorschläge von Russell Hitchings angelehnte Strategie be-

steht in der wiederholten Auseinandersetzung mit den gleichen Themengebieten zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Interviews. So thematisierte ich im Verlauf ein und desselben Interviews diverse soziale Handlungen, Situationen und Umgangsformen der Schüler_innen wiederholt unter verschiedenen Gesichtspunkten. Beispielsweise stellte ich zu Beginn des Interviews Nachfragen zu Freundschaftsbeziehungen in Kultureinrichtungen, während mich in der Mitte der konkrete Sprachgebrauch in Kulturvereinen interessierte. Gegen Ende versuchte ich dann zu eruieren, wie die Befragten zu slowenischsprachigen Jugendlichen stehen, die aus Kulturvereinen austreten. Dank der zuvor, während der Projekttage, abgehaltenen Workshops verfügte ich bereits über ein Vorwissen über die Aktivitäten der Befragten in Kulturvereinen. Diese Wiederholungen veranlassten die jungen Menschen im Laufe des Interviews dazu, sich wiederkehrend mit dem gleichen Phänomen auseinanderzusetzen und ihre bereits getätigten Aussagen sukzessive zu einem umfassenden Bild der sozialen Praxis im Rahmen von Kulturvereinen zu vervollständigen. Bei der Durchführung der qualitativen Tiefeninterviews orientierte ich mich jedoch nicht nur an den Vorschlägen von Russell Hitchings zur Stimulierung praxistheoretisch relevanter Aspekte; darüber hinaus bemühte ich mich durch die Art der Interviewführung, eine empathische Interviewsituation herzustellen. Eine solche Atmosphäre ist bei der Befragung von Jugendlichen außerordentlich wichtig (vgl. Reinders 2005: S. 176 ff). Entgegen einer traditionellen Auffassung, nach der Interviewende gegenüber den Befragten Neutralität und kritische Distanz zu wahren hätten, folgte ich den Prinzipien des verstehenden Interviews nach Jean-Claude Kaufmann (1999). Nach dessen Auffassung trägt das Sicheinlassen auf die Bedürfnisse und Interessen der Gesprächspartner_innen sowie die damit einhergehende Durchbrechung der distanzierten Interviewsituation maßgeblich dazu bei, dass die Befragten scheinbare Selbstverständlichkeiten artikulieren (vgl. ebd.: S. 73). Dies erreichte ich, indem ich alles Gesagte freundlich und teilnahmsvoll aufnahm und bei Nachfragen immer wieder bereits erwähnte Aspekte aufgriff. Diese Grundhaltung ermöglichte es mir im Sinne von Kaufmann, »das Gespräch in Gang zu bringen und Zugang zur Welt … [des (J. K.)] Informanten zu gewinnen« (ebd.: S. 76).

3.3 SAMPLING Als Untersuchungsgruppe wurden slowenischsprachige junge Menschen im Alter von 15 bis 21 Jahren gefasst, die aus dem Südkärntner Raum kommen und eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache besuchen bzw. bis vor Kurzem besucht

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hatten. Demnach ist die Gruppe der interviewten Schüler_innen keineswegs homogen. Zwar verfügen alle Befragten einheitlich über Kenntnisse der slowenischen Hochsprache, bei der Häufigkeit des Sprachgebrauchs sowie den Dialektkenntnissen zeigen sich jedoch beträchtliche Differenzen. Denn der Umstand, dass die Heranwachsenden über Kenntnisse der slowenischen Hochsprache verfügen, beinhaltet noch keine Aussage über ihre ethnischen Selbstbilder oder darüber, ob sie diese auch in der alltäglichen Kommunikation anwenden oder ob sie eine regionale slowenische Mundart beherrschen. Die Durchführung der Erhebung erfolgte im Stile einer zirkulären Forschungsstrategie im Sinne der Grounded Theory (vgl. Glaser/Strauss 1998: S. 107 ff; Mey/ Mruck 2011: S. 31). Demgemäß wechselten sich während der empirischen Feldaufenthalte Phasen der Erhebung und der Analyse stetig ab, das heißt, dass bereits während der Erhebungsphasen mit der Analyse der abgehaltenen Projekttage und der durchgeführten Interviews begonnen wurde. Die permanenten Vergleiche konstituierten die Basis, auf der weitere Fälle und Interviewpartner_innen ausgewählt wurden, um die für das Feld relevanten unterschiedlichen Positionen abzudecken (vgl. Merkens 2013: S. 290 f). Im Sinne des ›theoretical sampling‹ (vgl. Strauss/Corbin 1996: S. 148 ff) achtete ich bei der Organisation des Feldzugangs darauf, dass unterschiedliche Schultypen in die Untersuchung einbezogen wurden, um eine gruppeninterne Variationsbreite des Samples zu gewährleisten (vgl. Flick 2012: S. 158 ff). Der Auswahl der Altersgruppe lag die Hypothese zugrunde, dass das für junge Menschen typische Ausreizen und Austesten ethnischer Kategorien Rückschlüsse auf das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung erlauben würde. Zudem kommt Ethnizität insbesondere in schulischen Kontexten zumeist eine große Bedeutung zu (vgl. Gomolla/Radtke 2002; Radtke 2008). Darüber hinaus ist die praktische Frage des Zugangs zu Teilnehmer_innen der Studie nicht zu vernachlässigen. Die Fokussierung auf eine Altersgruppe, für die großteils die Schulpflicht gilt, eröffnete eine vielversprechende Möglichkeit, eine größere Anzahl von jungen Menschen zu befragen, was ich eben in der Form bewerkstelligte, dass ich Projekttage mit Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache durchführte. Tatsächlich gelang es, alle vier Sekundarschulen in Kärnten/Koroška mit Slowenisch als Unterrichtssprache zur Teilnahme an den Projekttagen zu gewinnen. Bei den Bildungsinstitutionen handelt es sich um das achtjährige slowenischsprachige ›Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Slowen_innen in Klagenfurt/ Zvezna gimnazija in zvezna realna gimnazija za Slovence v Celovcu‹ (BG/BRG für Slowen_innen), die fünfjährige ›Zweisprachige Bundeshandelsakademie/Dvojezična Zvezna Trgovska Akademija‹ (Zweisprachige HAK) in Klagenfurt/Celovec, die fünfjährige zweisprachige ›Höhere Lehranstalt für Wirtschaftsberufe St. Peter/Višja šola za gospodarske poklice Šentpeter‹ (HLW) im ländlichen Gebiet im Bezirk Klagenfurt-Land sowie um die einjährige zweisprachige ›Wirtschaftsfachschule‹, die

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sich im selben Schulgebäude wie die HLW befindet. Innerhalb der Schulen wurden in Zusammenarbeit mit der Lehrer_innenschaft jeweils Klassen einer vergleichbaren Altersgruppe bestimmt, die an den Projekttagen teilnahmen. Die Zusammensetzung der Schüler_innen in den Klassen variiert je nach Schultyp und weist beträchtliche Unterschiede auf. Nach der Durchführung der Schulprojekte wurden aus den verschiedenen Klassen Schüler_innen gezielt für qualitative Tiefeninterviews ausgewählt. Die Auswahl erfolgte mit Blick auf die Abbildung der in den Klassen vorhandenen unterschiedlichen Facetten im Umgang mit dem Ethnischen. Als relevante Aspekte wurden hierbei die biografischen Hintergründe, Sprachkompetenzen, Wohnorte, Bildungslaufbahnen und Vereinszugehörigkeiten gefasst. Insgesamt wurden in der empirischen Studie 28 qualitative Tiefeninterviews durchgeführt. Darüber hinaus befragte ich viele weitere der insgesamt 70 Jugendlichen, die an den Projekttagen teilgenommen hatten, im Zuge von ethnografischen Gesprächen während der Workshops. Acht dieser Befragungen wurden zusätzlich zu den geführten Tiefeninterviews in die empirische Analyse miteinbezogen. Tiefeninterviews führte ich sowohl mit jungen Menschen, in deren familiärem Kontext zumindest ein Elternteil Slowenisch spricht, als auch mit solchen, in deren Elternhaus kein Slowenisch (mehr) gesprochen wird und die Slowenisch als Fremdsprache erlernten. Insgesamt vier der interviewten Schüler_innen stammen nicht aus einem zweisprachigen, sondern einem homogen deutschsprachigen Elternhaus. Von diesen weisen drei eine verblasste slowenischsprachige Familientradition auf, konkret wurde noch von den Großeltern Slowenisch gesprochen, aber nicht mehr an ihre Kinder weitergegeben. Es gab eine Interviewpartnerin, deren beide Eltern sich die slowenische Sprache als Erwachsene neu angeeignet hatten. Vier der interviewten jungen Menschen hatten zum Zeitpunkt der Durchführung der Interviews die Schulausbildung bereits abgeschlossen. Sie nahmen nicht an den Projekttagen teil.

3.4 ANALYSE, AUSWERTUNG UND DARSTELLUNG DER DATEN Die qualitativen Tiefeninterviews wurden vollständig transkribiert. Bei der Verschriftlichung der Aussagen ging ich meinem Forschungsinteresse entsprechend (vgl. Kowal/O’Connell 2013) pragmatisch vor, indem ich dialogische Grobtranskripte der verbalen Daten anfertigte (vgl. Froschauer/Lueger 2003: S. 223). Das heißt, dass nur das gesprochene Wort der Sprecher_innen transkribiert und als Zwiegespräch zwischen Interviewer und Interviewpartner_in dargestellt wurde. Besonderes Augenmerk legte ich auf die adäquate schriftliche Wiedergabe von Aussprache

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und dialektalen Färbungen.3 Abschließend erfolgte eine Bereinigung des Transkripts durch Zusammenfügung des Gesprochenen zu ganzen Sätzen und Eliminierung von Wortwiederholungen sowie von abgebrochenen Sätzen. Diese Glättungen dienen der besseren Lesbarkeit der verschriftlichten Aussagen, ihr Inhalt wird davon in keiner Weise berührt. Transkribiert wurden zudem eine Reihe von parasprachlichen Informationen wie Lachen, Betonungen, Ausrufe, Seufzen oder Kichern. Zeitliche Abläufe und Sequenzen blieben bei der Verschriftlichung hingegen unberücksichtigt, ebenso wie detaillierte linguistische Informationen (wie z. B. Wortdehnungen). Auf Basis der Transkriptionen erfolgte die Auswertung der empirischen Daten. Die Analyse des Datenmaterials orientiert sich an den drei Verfahrensschritten der Grounded Theory, also dem offenen, axialen und selektiven Kodieren, die von Anselm Strauss und Juliet Corbin vorgeschlagen wurden (vgl. Strauss/Corbin 1996: S. 40). Durchgeführt wurden die analytischen Schritte computergestützt mithilfe der QDA-Software atlas.ti. Die dreistufige Analyse der Grounded Theory wurde jedoch nicht eins zu eins umgesetzt, sondern gezielt modifiziert. Bei der Auswertung ging ich folgendermaßen vor: In einem ersten Schritt näherte ich mich mit dem sogenannten offenen Kodieren an das Datenmaterial an (vgl. ebd: S. 44 ff). Damit wurden die in den qualitativen Tiefeninterviews erhobenen Rohdaten erstmalig aufgebrochen und die Grundlagen geschaffen, um die verschiedenen Aspekte und Facetten der alltäglichen Praxis des Ethnischen in ihrer Breite auszuloten. Auf dieser Basis erstellte ich eine Kodeliste. Nach dem offenen Kodieren führte ich eine zweite, an das sogenannte axiale Kodieren der Grounded Theory angelehnte, Analyseprozedur durch (vgl. ebd.: S. 75 ff). In diesem Schritt setzte ich die Kodes miteinander in Relation (vgl. ebd.: S. 78 ff; Mey/Mruck 2011: S. 40). Im Zuge von Vergleichen systematisierte ich die anfangs noch ungeordnete Kodeliste Stück um Stück und fasste einzelne Kodes zu strukturierten Familien bzw. Kategorien zusammen, die ausschließlich aus dem empirischen Datenmaterial abgeleitet wurden. Auf diese Weise konnte ich in dieser zweiten Auswertungsphase ein systematisches Kategorienschema entwickeln, das sowohl die Breite als auch die Vielschichtigkeit und Tiefe der Praxis des Ethnischen abbildet. Die zentrale Rolle in diesem System nimmt die sogenannte Schlüsselkategorie ein, um die sich die übrigen Kodefamilien drehen. Als diese identifizierte ich das ›Verschwinden der Sprache‹. In der abschließenden dritten Phase des Analyseverfahrens erfolgte, in Anlehnung an das selektive Kodieren (vgl. Strauss/Corbin 1996: S. 94 ff), ein analytischer Zuschnitt des Kategorienschemas entlang der Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Freizeit, da diesen Bereichen in den empirischen Daten die größte Bedeutung zukommt.

3

Lässt ein Zitat oder ein Interviewausschnitt in den analytischen Kapiteln dieser Studie dialektale Färbung vermissen, liegt das nicht an einem Versäumnis bei der Transkription, sondern daran, dass die interviewte Person (kärntnerisches) Hochdeutsch sprach.

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Im empirischen Scheinwerferlicht Auf Basis der dreistufigen Auswertung wird das empirische Datenmaterial in einzelnen, aufeinander aufbauenden empirischen Kapiteln dargestellt. Im ersten analytischen Abschnitt (4) werden zunächst zentrale Aspekte der strukturierenden Ordnungen und deren Genese herausgearbeitet. Besondere Berücksichtigung erfährt hierbei die Geschichte der ethnischen Beziehungen, einschließlich der Entwicklungen auf politischer, sozialer, ökonomischer, rechtlicher, organisationsspezifischer und bildungspolitischer Ebene. Die Ausführungen in diesem Abschnitt fußen auf Literaturrecherchen und Dokumentenanalysen. Daran anschließend erfolgt die empirische Analyse der Praxis des Ethnischen (5 bis 8), die das Herzstück der vorliegenden Studie bildet. Sie gilt der Suche nach dem Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška. In ihrem Mittelpunkt steht insbesondere die Ausprägung der Praxis des Ethnischen in den Alltagsbereichen Familie, Schule und Freizeit, von zentralem Interesse ist zudem die Konstituierung sozialer ethnischer Identitäten. Dargestellt werden bei den empirischen Analysen jeweils sowohl die Ebene der strukturierenden Ordnungen als auch die Handlungsfähigkeiten der Akteure. Auf Basis der Erkenntnisse zur in den unterschiedlichen Bereichen ausgeprägten Praxis des Ethnischen werden theoretische Schlussfolgerungen darüber gezogen, was das Ethnische der Bevölkerungsgruppe auszeichnet und mit welchen bisherigen Konzeptionen des Ethnischen Übereinstimmungen bestehen. In den verschiedenen empirisch-analytischen Kapiteln beleuchte ich • die ausgebildeten sozialen ethnischen Identitäten der jungen Menschen sowie die

Bausteine, ethnischen Alleinstellungsmerkmale und Kategorien, auf denen diese basieren (5), • die Praxis des Ethnischen slowenischsprachiger junger Menschen in familiären Kontexten und dabei insbesondere die Prozesse der intergenerationalen Vermittlung des Ethnischen (6), • den alltagspraktischen Umgang mit dem Ethnischen und der slowenischen Sprache in schulischen Kontexten und im Schulverlauf (7) • sowie die Strategien im Umgang mit der Slowenischsprachigkeit in der Freizeit, bei denen der symbolische, performative Charakter des Ethnischen in den Vordergrund tritt (8). Im abschließenden Kapitel 9 werden die Momente der Praxis des Ethnischen in den einzelnen Bereichen (Identitäten, Familie, Schule, Freizeit) inhaltlich und konzeptionell zusammengeführt.

Vom Verschwinden und der Präsenz der Slowenischsprachigkeit. Empirische Analysen

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Strukturierende Ordnungen Slowene in Österreich zu sein, ist zu keiner Zeit leicht gewesen. Besonders schwer war es aber dann, wenn man Slowene bleiben wollte; ganz besonders in Kärnten und schon in den Tagen der Habsburgermonarchie. Haas/Stuhlpfarrer 1977: II (Klappentext)

Die Erarbeitung einer fundierten Sichtweise des Kärntner Slowenischen kommt um eine Analyse der Geschichte des Bundeslandes Kärnten/Koroška nicht umhin, da sich nur auf diesem Weg die strukturierenden sozialen Ordnungen der ethnischen Beziehungen darstellen lassen – dieses weite Feld von miteinander verknüpften und einander bedingenden Phänomenen, wie geschichtliche Entwicklungslinien, historische Ereignisse, gesetzliche Regelungen, das zweisprachige Schulwesen, ökonomische Verhältnisse, infrastrukturelle Bedingungen oder auch demografische Entwicklungen, die ethnische Gruppen betreffen. Aus praxistheoretischer Perspektive steht die Darstellung dieser sozialtheoretischen Ebene nicht außerhalb der empirischen Analyse, sondern bildet einen integralen Bestandteil derselben. Denn, um Theodore Schatzki zu zitieren, soziale Ordnungen sind keine praxisenthobenen, sich selbst perpetuierenden Arrangements, sondern unterliegen dem Einfluss von Akteuren oder Akteursgruppen, von denen sie modifiziert oder reproduziert werden (vgl. Schatzki 2002: S. 101). Das Minderheitenschulrecht, zweisprachige Schulen, das slowenische Verbandswesen oder die bestehenden Kulturvereine sind folglich einerseits als prägende Instanzen der alltäglichen Praxis des Ethnischen und als Resultat der Geschichte der ethnischen Beziehungen zu verstehen, andererseits werden sie selbst durch die praktischen Tätigkeiten und routinisierten Strategien der Akteure beeinflusst. Die Ausführungen zur Geschichte der ethnischen Beziehungen in den folgenden Unterkapiteln umfassen die slowenische Nationalbewegung in Kärnten/Koroška ab dem 19. Jahrhundert, die Situation nach dem Ersten Weltkrieg und die Volksabstimmung 1920 (4.1), die ethnische Homogenisierungspolitik des NS-Regimes und deren

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Folgen (4.2), die Nachkriegssituation, den Staatsvertrag 1955 und das Minderheitenschulwesen (4.3), das Volksgruppengesetz 1976 (4.4), den Ortstafelkonflikt (4.5) sowie die slowenische Vereinslandschaft (4.6).

4.1 SLOWENISCHE NATIONALBEWEGUNG, ERSTER WELTKRIEG UND VOLKSABSTIMMUNG Um 1850 lebten im Gebiet des heutigen Kärnten/Koroška rund 95.000 slowenischsprachige Personen, die mehrheitlich der bäuerlichen Landbevölkerung zuzurechnen waren. Die slowenische Nationalbewegung, die sich nach dem Revolutionsjahr 1848 zu entwickeln begann, fasste auch im südlichen Kärnten/Koroška Fuß. Vor allem katholische Geistliche trugen die Emanzipationsbestrebungen (vgl. Moritsch 1995, 1996: S. 51; Domej 1995). Diese stießen jedoch alsbald auf Widerstand seitens des deutschsprachigen Bürgertums, das im ›nationalen Erwachen‹ der slowenischsprachigen Bevölkerung seine eigene soziale Stellung und seine ökonomischen Vorrechte gefährdet sah und auf seine politische Suprematsstellung pochte (vgl. Larcher 1988: S. 16). Eine Folge dieser Entwicklungen zeigte sich in der Einführung der sogenannten ›utraquistischen‹1 Schule im Jahr 1869 – de facto ein Instrument der Eindeutschung –, mit der die für die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/ Koroška im Unterrichtswesen günstige Episode ihr vorzeitiges Ende fand (vgl. Domej 2000: S. 32, 2005: S. 21; Malle 2005: S. 26). Bis 1918 stellten slowenischsprachige Menschen in der Habsburgermonarchie zwar eine zahlenmäßig bedeutsame Bevölkerungsgruppe dar, die eine zusammenhängende Region bis zur Adriaküste bewohnte, allerdings war das Siedlungsgebiet in Kärnten/Koroška durch topografische Hürden, nämlich die Karawanken, von jenem in der Krain und im adriatischen Küstenland getrennt. So ergab es sich, dass für die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška vor allem Klagenfurt/ Celovec und nicht Ljubljana das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum

1

Mit dem Begriff utraquistische Schulen (von lat. utraque ›beiderlei‹) werden Schulen in gemischtsprachigen Regionen bezeichnet, in denen zwei verschiedene Sprachen sowohl Unterrichtssprache als auch Unterrichtsgegenstand sind. Wie in vielen anderen gemischtsprachigen Regionen Europas war auch in Kärnten/Koroška die Frage, welche Rolle den Sprachen in den Schulordnungen konkret zukommt, also in welcher Sprache der Unterricht stattfindet und welches Unterrichtsfach in welcher Unterrichtssprache unterrichtet wird, stets Zankapfel und Spielball politischer Interessen und Konflikte (vgl. Domej 2005; Gogolin 2008: S. 90 ff).

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bildete (vgl. Grdina 2000: S. 358). Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zwischen Österreich und dem neu gegründeten ›Staat der Slowenen, Kroaten und Serben/Država Slovencev, Hrvatov in Srbov‹ (kurz: SHS-Staat)2 zu monatelangen bewaffneten Auseinandersetzungen, die in Slowenien als ›Kampf um die Nordgrenze‹, von der deutschsprachigen Kärntner Seite hingegen als ›Abwehrkampf‹ gesehen werden (vgl. Barker 1960: S. 105 ff; Grafenauer 1981: S. 416). Die Kämpfe endeten mit der Niederlage der Kärntner Verbände, woraufhin die Truppen des SHS-Staats weite Teile des Südkärntner Gebiets besetzten. Auf der Friedenskonferenz von St. Germain 1919 wurde schließlich die Abhaltung eines Plebiszits über den Verbleib der mehrheitlich slowenischsprachigen Gebiete im südlichen Kärnten/Koroška beschlossen (vgl. Webernig 1990: S. 34 ff). Bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 sprach sich der Großteil der Stimmberechtigten für die neu konstituierte Republik Deutschösterreich und den Verbleib bei Kärnten/Koroška aus. Insgesamt votierten 59,0% der Südkärntner Bevölkerung – ca. 70% der 22.025 abstimmungsberechtigten Personen waren slowenischsprachig – für den Verbleib der Südkärntner Gebiete bei Österreich (vgl. Barker 1984: S. 163 ff). Der Ausgang der Volksabstimmung machte die ethnische Gruppe der Slowen_innen, eine von vielen slawischsprachigen ethnischen Gruppen innerhalb der Grenzen der Habsburgermonarchie und nunmehr zahlenmäßig stark geschrumpft, zu einer der wenigen ethnischen Minderheiten in der neuen Republik Deutschösterreich (vgl. Wakounig 2008: S. 75). Als Motive für das Wahlverhalten der mehrheitlich slowenischsprachigen Menschen im Abstimmungsgebiet wurden vor allem ökonomische, aber auch politische Gründe identifiziert (vgl. Moritsch 1981: S. 216; Suppan 1983: S. 144 f). Das Votum für die Republik Deutschösterreich wurde der slowenischsprachigen Bevölkerung allerdings nicht gedankt. Vor allem waren aber Personen, die für die Angliederung an den SHS-Staat geworben hatten, nach der Volksabstimmung vielfach Repressalien ausgesetzt. Sie wurden als ›Nationalslowen_innen‹ tituliert und als ›Heimatverräter_innen‹ diskreditiert. Zahlreiche Priester mussten die Diözese Gurk verlassen und nahezu alle slowenischsprachigen Beamt_innen wurden des Dienstes enthoben. 58 Lehrer_innen, die sich im Vorfeld der Abstimmung für die slowenische Seite engagiert hatten, wurden versetzt oder waren gezwungen zu fliehen (vgl. Domej 2000: S. 34). Desgleichen fiel ein Großteil der Eisenbahner, Postbediensteten und Straßenarbeiter, die für den SHS-Staat votiert hatten, der Entlassungswelle zum

2

Im Dezember 1918 wurde dann aus dem SHS-Staat das ›Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen/Kraljevina Srbov, Hrvatov in Slovencev‹ (kurz: SHS-Königreich).

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Opfer (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: 34 ff; Ogris 1981: S. 392 ff; Suppan 2004: S. 132).3 In rechtlicher Hinsicht stand die slowenischsprachige Minderheit nach der Volksabstimmung eigentlich unter dem Schutz des Staatsvertrags von Saint Germain – dessen Schutzbestimmungen existierten allerdings nur auf dem Papier und erwiesen sich als nicht einklagbar (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 32 f). Stattdessen bestimmten von nun an deutschnationale Parteien und antislowenische Organisationen wie der ›Kärntner Heimatbund‹ (KHB) die Politik in Fragen, die den Minderheitenschutz, die kulturelle Autonomie und das zweisprachige Schulwesen betrafen. Slowenisch wurde als Unterrichtssprache weitgehend abgeschafft und auch nicht als Amts- und Behördensprache zugelassen. Nach 1920 wurden zweisprachige Ortstafeln im zweisprachigen Gebiet größtenteils entfernt (vgl. ebd.: S. 32 ff; Barker 1984: S. 178 ff). Diese Maßnahmen erfüllten die Zielsetzung des Landverwesers4 Arthur Lemisch (SDAP5), der in der Landtagssitzung vom 25. November 1920 deklarierte: »Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen; in der Lebensdauer einer Generation muß das Erziehungswerk vollendet sein.« (Arthur Lemisch in der Sitzung des Kärntner Landtags vom 25.11.1920, zitiert nach: Velik 1974: S. 26) Antislowenische Positionen blieben nicht auf verbale Äußerungen beschränkt, sondern wurden durch praktische Maßnahmen auch wirkungsvoll umgesetzt. Bereits Anfang der 1920er Jahre begann die Kärntner Landesregierung damit, deutschsprachige Personen im Südkärntner Gebiet anzusiedeln und dadurch das zweisprachige Siedlungsgebiet einzudeutschen und weiter zu zerstückeln. Maßgeblich daran beteiligt war die neu errichtete ›Kärntner Bodenvermittlungsgesellschaft‹, an die slowenischsprachige Bäuer_innen in ökonomischen Notsituationen ihre Höfe zu veräußern

3

Die Angaben bezüglich der Anzahl der entlassenen Beamt_innen und Bediensteten sowie der Personen, die tätlichen Anfeindungen ausgesetzt waren und die das zweisprachige Südkärntner Gebiet verlassen mussten, divergieren in der Literatur, so Werner Gamerith. Doch selbst wenn im Anschluss an die Volksabstimmung nicht gerade eine »Pogromstimmung« (Österreichische Rektorenkonferenz 1989: S. 64) geherrscht habe, müsse dennoch von einem sehr aufgeheizten antislowenischen Klima gesprochen werden (vgl. Gamerith 1994: S. 64).

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Als Landesverweser wurde in den Anfangsjahren des neu gegründeten Bundeslandes Kärnten/Koroška der Vorsitzende der Kärntner Landesregierung bezeichnet.

5

Abkürzung für die österreichische Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferpartei der Sozialdemokratischen Partei Österreichs; sie existierte in den Jahren von 1888/89 bis zum Verbot der Partei 1934 durch die austrofaschistische Vaterländische Front unter Engelbert Dollfuß.

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gezwungen waren (vgl. Barker 1984: S. 179; Malle/Entner 2003: S. 8; Suppan 2004: S. 152 f). In der Folge wurden die Besitzungen gezielt an deutschsprachige Interessent_innen vermittelt mit dem Ziel, »daß der heimische Boden in heimattreuen, deutschen Händen verbleibt oder in solche gebracht wird« (Kärntner Heimatbund [o. J.], zitiert nach: Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 42). Vom austrofaschistischen Ständestaat, der von 1934 bis 1938 bestand, erhoffte sich ein großer Teil der slowenischsprachigen Bevölkerung – insbesondere das kleinbäuerlich geprägte katholisch-konservativ Lager6 – eine Verbesserung ihrer Situation. Slowenischsprachige Organisationen standen »dem Aufbau einer ständischen Gesellschaft [...] prinzipiell nicht negativ gegenüber, wenn dabei das nationale Moment berücksichtigt wurde« (Bahovec 2000: S. 236). Statt jedoch gestärkt zu werden, verloren sie vielerorts sogar an Einfluss in den Gemeinden und in der bäuerlichen Interessenvertretung. So wurden Kulturveranstaltungen untersagt, der slowenischsprachige ›Politische Verein‹ aufgelöst, Aktivitäten der Funktionäre überwacht und die Wochenzeitung ›Koroški Slovenec‹ zensuriert sowie immer wieder beschlagnahmt (vgl. Veiter 1970: S. 305; Österreichische Historikerkommission 2004: S. 19 & 475 f). Darüber hinaus wurden die ohnehin bereits restriktiven Bestimmungen für den Slowenischunterricht an utraquistischen Schulen ab 1934 kaum mehr beachtet. Lediglich in sieben von 78 Schulen im zweisprachigen Südkärntner Gebiet wurde noch ansatzweise Slowenischunterricht angeboten (vgl. dazu Haas/Stuhlpfarrer 1977: 71 f).

4.2 DIE HOMOGENISIERUNGSPOLITIK DES NS-REGIMES UND DER WIDERSTAND DER KÄRNTNER PARTISAN_INNEN Der sogenannte ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 beendete Österreichs Eigenstaatlichkeit. Zwischen 1938 und 1941 verfolgte das NSRegime gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška eine Politik der Entnationalisierung sowie der zwangsweisen Assimilierung und Eindeutschung (vgl. Sima 2000: S. 266; Barker 1984: S. 192 f). So wurde das zweisprachige Schul- und Kindergartenwesen abgeschafft und Slowenisch aus den Klassenzimmern verbannt. Kinder aus slowenischsprachigen Familien im Südkärntner Raum wurden bereits im Vorschulalter mit der deutschen Sprache vertraut gemacht (vgl. Sima 2002: S. 146 f; Malle 2005: S. 27 f). Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Jugoslawien am 6. April 1941 wurde der nordwestliche Teil Sloweniens – die

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Hinsichtlich der Segregation der slowenischsprachigen Bevölkerung in verschiedene Lager sind vor allem die Arbeiten der Historiker_innen Janko Pleterski (1996) und Tina Bahovec (2000) aufschlussreich.

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Oberkrain/Gorenjska – dem Gauleiter von Kärnten/Koroška unterstellt, die durch die schroffe Gebirgskette der Karawanken markierte, als natürlich betrachtete Grenze damit ausgemerzt (vgl. Rettl 2006: S. 97). Nach dem Überfall auf Jugoslawien verschärften sich auch die Maßnahmen gegen die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška schlagartig. Die Politik der zwangsweisen Assimilierung und Eindeutschung schlug um in eine gewalttätige ethnische Homogenisierungspolitik, die darauf abzielte, das Slowenische in Kärnten/Koroška auszuradieren (vgl. Sima 2002: S. 149). Es begann damit, dass führende slowenischsprachige Persönlichkeiten aus dem politischen oder kulturellen Leben des Landes verdrängt wurden. Auch ein Großteil der slowenischsprachigen Priester wurde verhaftet und zum Teil in Konzentrationslager deportiert. Die Übrigen waren gezwungen, Kärnten/Koroška zu verlassen oder wurden nach ihrer Freilassung in den deutschsprachigen Teil des Landes zwangsversetzt (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 84; Barker 1984: S. 194 ff; Wilscher 2002: S. 200 ff). Die slowenische Sprache, ja überhaupt alle äußeren Zeichen slowenischer Kultur sollten endgültig zum Verschwinden gebracht werden: Vereine und Organisationen wurden verboten, Bibliotheken und Archive geplündert oder zerstört, slowenische Vornamen wurden durch deutsche Taufnamen ersetzt; der Gebrauch der Sprache war nun auch im Gottesdienst und in der gesamten Öffentlichkeit verboten. Zudem machten sich die Nationalsozialist_innen daran, sämtliche slowenische Aufschriften im öffentlichen Bereich bis hin zu Grabinschriften zu entfernen (vgl. Sima 2000: S. 266 f). Einen brutalen Höhepunkt erreichte die ethnische Homogenisierungspolitik durch die Deportation von über 200 Familien von ihren Höfen im südlichen Kärnten/ Koroška am 14. und 15. April 1942 und ihre Verschleppung in Lager der sogenannten ›Volksdeutschen Mittelstelle‹, in denen sie in einem Zustand der völligen Entrechtung zur Zwangsarbeit verpflichtet waren. Ihr Vermögen, ihre Höfe und Besitztümer wurden in ihrer Abwesenheit beschlagnahmt (vgl. Sima 2002: S. 151 ff). Ab Herbst 1942 kommt es in Kärnten/Koroška aufgrund der gewalttätigen Germanisierungspolitik zum organisierten, bewaffneten Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime (vgl. u. a. ebd.: S. 154 f; Barker 1989; Linasi 2013). Ausgehend von der Osvobodilna Fronta (OF), der Befreiungsfront, in Slowenien breiteten sich die Aktivitäten slowenischsprachiger Partisan_innen ab Sommer 1942 auch im südlichen Kärnten/Koroška aus (vgl. Sima 2000: S. 274 f; Wilscher 2002: S. 206 ff; Linasi 2013: S. 27 ff). Laut Marjan Linasi umfasste die Gruppe der Partisan_innen, die während der Kriegsjahre auf Kärntner Gebiet agierten, insgesamt 3.575 Personen, schätzungsweise 650 davon stammten aus Kärnten/Koroška (vgl. Sima 2000: S. 277). Der bewaffnete Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime dauerte nahezu drei Jahre an. Mit militärischen Aktionen – Sabotageaktionen, Überfällen oder

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der Befreiung von Zwangsarbeiter_innen – gelang es den Partisan_innen, das herrschende NS-System in Kärnten/Koroška beträchtlich zu destabilisieren (vgl. Rausch 1979: S. 84 f; Barker 1989: S. 199 ff). Dank der tatkräftigen Unterstützung durch die britischen Alliierten konnten sie vor allem in den Jahren 1944/45 ihre Aktivitäten steigern (vgl. Barker 1989: S. 199 ff; Pirker 2011, 2012: S. 273 ff). Anfang Mai 1945 besetzte die OF nahezu zeitgleich mit der britischen Armee Klagenfurt/Celovec. Nach dem Einmarsch wurden einige hundert Kollaborateur_innen und NSFunktionäre von Partisan_innen verhaftet.7 Nach rund zwei Wochen Doppelbesetzung traten die Partisan_innen auf Druck der britischen Alliierten den Rückzug an (vgl. Barker 1984: S. 202; Rettl 2005: S. 105). Zusammenfassend betrachtet lassen sich die Aktivitäten der Partisan_innen in Kärnten/Koroška folgendermaßen charakterisieren: Nirgendwo sonst in Österreich kam es zu einem bewaffneten, militärisch wirksamen Widerstand, der eine ganze Region erfasste. Weiters sind die Widerstandsaktivitäten untrennbar verbunden mit der autochthonen slowenischsprachigen Bevölkerung, die in extremem Maße Ziel der ethnischen Homogenisierungspolitik des NS-Regimes war (vgl. Obid/Rettl 2008: S. 98). Schließlich ist der Einsatz der slowenischsprachigen Partisan_innen aus Kärnten/Koroška als wichtigster und effektivster eigener Beitrag zur Befreiung Österreichs anzusehen (vgl. Barker 1984: S. 210 ff), wie ihn die Alliierten in der Moskauer Deklaration von 1943 mit der sogenannten Verantwortlichkeitsklausel von Österreich gefordert hatten (vgl. Stourzh 2005: S. 607).

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Diese NS-Funktionäre, Beamt_innen des NS-Regimes und Kollaborateur_innen wurden – und werden nach wie vor – in der Regel als unschuldige ›Verschleppte‹ dargestellt, die dem ›Terror der Tito-Partisan_innen‹ ausgeliefert und willkürlich ermordet worden wären. Diese stets wiederkehrende Argumentation zielte darauf ab, den Widerstandskampf der slowenischsprachigen Partisan_innen zu diskreditieren. Dass von den insgesamt 263 aus Kärnten/Koroška ›Verschleppten‹ der Großteil wieder freigelassen wurde, bleibt indes ebenso unerwähnt wie die Beteiligung der Inhaftierten an nationalsozialistischen Kriegsverbrechen und Deportationen. Insgesamt 96 der ›verschleppten‹ Männer und Frauen gelten nach dem amtlichen Bericht der Sicherheitsdirektion Kärnten/Koroška aus dem Jahr 1952 als verschollen (vgl. Barker 1984: S. 201; Entner 2011: S. 204 ff).

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4.3 NACHKRIEGSSITUATION, STAATSVERTRAG 1955 UND MINDERHEITENSCHULWESEN Nachkriegssituation In der Phase der Neukonstituierung der österreichischen Republik herrschte aufseiten der Kärntner Landesregierung gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung eine vergleichsweise positive Einstellung, die sich auch darin niederschlug, dass im gemischtsprachigen Siedlungsgebiet das obligatorische zweisprachige Pflichtschulwesen eingeführt werden konnte (vgl. Domej 2000: S. 36). So legte die Kärntner Schulverordnung vom 03.10.1945 ein geschlossenes territoriales Gebiet als Gültigkeitsbereich des zweisprachigen Pflichtschulwesens8 fest. Die Gemeinden, in denen für alle Schüler_innen unabhängig vom sprachlichen Hintergrund zweisprachige Schulen einzurichten waren, wurden namentlich aufgelistet (vgl. Wakounig 2008: S. 113). Alle Pflichtschulen im zweisprachigen Gebiet mussten ohne Rücksicht auf die sprachlichen Hintergründe der Kinder oder die Umgangssprache im Elternhaus slowenischsprachigen Unterricht und Slowenisch als Unterrichtsgegenstand anbieten (vgl. Domej 2000: S. 36). Der Geltungsbereich des zweisprachigen Schulwesens umfasste den gesamten von slowenischsprachigen Personen bewohnten Siedlungsraum mit insgesamt 107 Schulen (vgl. Broman et al. 1988: S. 164 f). Wenn auch das verpflichtende zweisprachige Pflichtschulwesen nur für wenige Jahre Bestand hatte, gilt die im Oktober 1945 getroffene räumliche Festlegung bis zum heutigen Tag als Umriss des zweisprachigen Siedlungsgebiets (vgl. Österreichisches Volksgruppenzentrum 2000: S. 10). Die für die slowenischsprachige Bevölkerung günstige Stimmung war indes nicht von langer Dauer. Namentlich der Umstand, dass die aus der Widerstandsorganisation der Kärntner Partisan_innen hervorgegangene ›Osvobodilna fronta za slovensko Koroško/Befreiungsfront für Slowenisch Kärnten‹ (OFK) für die Angliederung des zweisprachigen Südkärntner Gebiets an den jugoslawischen Staat eintrat (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 93), führte innerhalb kurzer Zeit zu einer drastischen Verschlechterung des Verhältnisses der slowenischen Organisationen zu den ehemals verbündeten britischen Alliierten.9 Der Kalte Krieg warf bereits seine Schatten voraus.

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Die Bestimmung der Schulverordnung von Oktober 1945 galt nur für das Pflichtschulwesen, das die Elementarschulen/Volksschulen (1. bis 4. Schulstufe) und die Hauptschulen (5. bis 8. Schulstufe) umfasst.

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Aufgrund dessen wurde der OFK von den britischen Alliierten die Kandidatur zu den Wahlen für den Kärntner Landtag verweigert (vgl. Rettl 2005: S. 110).

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Die österreichische Bundesregierung und die Kärntner Landesregierung verfolgten in der Nachkriegszeit die gleichen Ziele. Diese waren in erster Linie die Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich und die Vermeidung von Gebietsverlusten. Daher arbeitete die Bundesregierung auf die Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrags hin, der die volle Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich gewährleisten sollte (vgl. Stourzh 2005: S. 34 ff). Die dafür erforderliche Zustimmung der Alliierten hing neben der Klärung der zentralen Frage der territorialen Integrität wie auch von Vermögensfragen auch vom Nachweis des ›eigenen Beitrags‹ Österreichs zu seiner Befreiung ab, wie in der besagten Moskauer Deklaration von 1943 gefordert. Dementsprechend hoben die Delegierten der österreichischen Bundesregierung den Widerstand der Partisan_innen aus Kärnten/Koroška gegen das nationalsozialistische Regime bei den Staatsvertragsverhandlungen gezielt positiv hervor (vgl. Csáky 1980: S. 174 ff). Diese Strategie zeitigte Erfolg. Im Gegenzug wurden im Staatsvertrag auf Druck der Alliierten weitgehende Rechte ethnischer Minderheiten verankert. Staatsvertrag 1955 Die Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags im Mai 1955 war das Ergebnis der Verhandlungen. In Artikel 7 des Vertrags wurden umfangreiche Schutzbestimmungen ethnischer Bevölkerungsgruppen in Österreich festgeschrieben, die neben dem Gleichbehandlungsgebot der slowenischsprachigen und kroatischsprachigen Bevölkerung (BGBl. Nr. 152/1955: Teil I, Art. 7, Abs. 1) Bestimmungen zum Schulwesen (ebd.: Teil I, Art. 7, Abs. 2), zu topografischen Bezeichnungen und zur Amtssprache in zweisprachigen Gebieten (ebd.: Teil I, Art. 7, Abs. 3), zu Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen (ebd.: Teil I, Art. 7, Abs. 4) sowie das Verbot der Tätigkeit von Organisationen, welche sich gegen die vereinbarten Regelungen richten (ebd.: Teil I, Art. 7, Abs. 5), umfassten. Für die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška stellte der Artikel 7 des Staatsvertrags einen Meilenstein dar. Doch mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 und dem damit verbundenen Wegfall äußerer Druckmittel sollte die kurze Periode der Entspannung in den ethnischen Beziehungen abrupt enden. So positiv der slowenischsprachigen Bevölkerung die Verankerung ihrer Rechte im österreichischen Staatsvertrag auch erschien, gestaltete sich deren politische Umsetzung und gesetzliche Implementierung höchst problematisch. Neben dem generellen Unwillen auf bundes- und landespolitischer Ebene, die Bestimmungen von Artikel 7 umzusetzen, waren dafür auch die offenen und nicht vollkommen eindeutigen Formulierungen, auf welches topografische Gebiet sie sich exakt beziehen, verantwortlich (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 105 f). So hieß es in besagtem Artikel, dass die topografischen Beschilderungen »[i]n den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens […] mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung« (BGBl. Nr.

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152/1955: Teil I, Art.7, Abs. 3) zweisprachig, also sowohl in slowenischer (bzw. kroatischer) als auch in deutscher Sprache, anzubringen seien. Als territoriale Einheiten, für die dies gelten solle, wurden somit die Gesamtflächen von Kärntner Bezirken festgelegt. Als nicht eindeutig geklärt erwies sich dabei aber die Frage, in welchen Bezirken die Beschilderungsverordnung von Artikel 7 zur Anwendung kommen müsse, d. h. was genau unter ›slowenischer‹ oder ›gemischter Bevölkerung‹ zu verstehen sei (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 106). Zudem kommt es ab 1955 in Kärnten/Koroška zu einem Wiedererstarken deutschnationaler Gruppen. Bald nach Unterzeichnung des Staatsvertrags begannen sich ehemalige Nationalsozialist_innen in Verbänden wie dem ›Kärntner Heimatdienst‹ (KHD) oder im ›Kärntner Schulverein Südmark‹ neu zu formieren (vgl. Gstettner 1996; Rettl 2005: S. 116 ff; 2006: S. 163). Der Widerstandskampf der Kärntner Partisan_innen wurde von deutschsprachiger Seite bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg allein als slowenischer ›Territorialanspruch‹ gelesen und als ›Heimatverrat‹ diffamiert. In den Fokus gerieten auch die Erinnerungsorte, an denen des Schicksals während der NS-Zeit gefallener Partisan_innen gedacht wurde. Zahlreiche Denkmäler und Gedenkorte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus wurden in den Nachkriegsjahren von deutschnationalen Täter_innen geschändet oder zerstört (vgl. Rettl 2005: S. 126 f). Minderheitenschulwesen Nach 1955 versuchten deutschnationale Organisationen auch, die Schulbehörden des Landes unter Druck zu setzen und die sogenannte ›Sprachenzwangsverordnung‹ von Oktober 1945 zu Fall zu bringen. Sie taten dies in Form von heftigen Protesten, Demonstrationen und Schulstreiks (vgl. Stuhlpfarrer 2004: S. 53 ff; Wakounig 2008: S. 181). Im September 1958 gaben die Kärntner Landesbehörden dem Druck und der Mobilisierungsfähigkeit dieser Organisationen nach und schafften das verpflichtende zweisprachige Schulwesen kurzerhand wieder ab (vgl. Domej 2000: S. 39). Stattdessen wurde in einem neuen, im März 1959 verabschiedeten Minderheitenschulgesetz (BGBl. Nr. 101/1959) der Besuch des slowenischsprachigen Pflichtschulunterrichts von der ausdrücklichen Anmeldung der Schüler_innen durch deren Erziehungsberechtigte abhängig gemacht. Demnach mussten ab dem Schuljahr 1959/60 Eltern, die wünschten, dass ihre Kinder einen slowenischsprachigen Unterricht besuchen, sich aktiv um deren Anmeldung kümmern (vgl. Domej 2000: S. 40). Zum Problem wurden diese gesetzlichen Regelungen vor allem aufgrund der erbitterten medialen Kampagnen vonseiten deutschnationaler Organisationen, der ethnischen Anfeindungen und offenen Drohungen sowie der antislowenischen Einstellung von Arbeitgeber_innen, Lehrer_innen, Nachbar_innen und anderen Eltern. Im Raum Bad Eisenkappel/Železna Kapla wurde Eltern beispielsweise telefonisch mit

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der Aussiedlung gedroht, wenn sie ihre Kinder nicht vom Slowenischunterricht abmelden. Andere wurden mit der Ankündigung eingeschüchtert, dass im Fall der Nichtabmeldung die Kinderbeihilfe gestrichen werde (vgl. Memorandum der Kärntner Slowenen 1958; Laggner 1981: S. 145 ff; Rettl 2005: S. 119 f). Aufgrund dieser Erfahrungen verzichteten viele Eltern auf die Anmeldung ihrer Kinder zum zweisprachigen Unterricht. Zu groß war die Furcht vor sozialer Ausgrenzung und sozialer Stigmatisierung (vgl. Entner 2012: S. 52). Die Zahl der Anmeldungen sank von 19,3% im Jahr 1959/60 (d. h. 1.994 von insgesamt 10.325 Volksschüler_innen im gesamten zweisprachigen Gebiet) auf 13,5% im Jahr 1976/77 (d. h. 1.138 von insgesamt 8.461 Volksschüler_innen) (vgl. Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen 2010: S. 47). Neben der Einführung des Anmeldeprinzips brachte das Gesetz vom März 1959 eine zweite wichtige Neuerung, die das zweisprachige Schulsystem in Kärnten/ Koroška bis zum heutigen Tage prägt: Das ›Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Slowenen in Klagenfurt/Zvezna gimnazija in zvezna realna gimnazija za Slovence v Celovcu‹ (BG/BRG für Slowen_innen) wurde auf Bundesebene rechtlich verankert (vgl. BGBl. Nr. 101/1959: Artikel V & VI; Broman et al. 1988: S. 198 ff). Im Jahr 1990 erfolgte eine weitere Novellierung des Minderheitenschulgesetzes (BGBl. Nr. 420/1990: Art. I, § 11). Mit dieser wurde die bis dahin bestehende Einschränkung des territorialen Geltungsbereichs des zweisprachigen Pflichtschulwesens aufgehoben und die Eröffnung von zweisprachigen Elementarschulen außerhalb des traditionellen Siedlungsgebiets – insbesondere in Klagenfurt/Celovec – ermöglicht (vgl. Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen 2004: S. 3). Damit reagierte die österreichische Bundesregierung auf die partielle Verlagerung des traditionell zweisprachigen Gebiets. Die Öffnung des Geltungsbereichs zeigte bald Wirkung. In Klagenfurt/Celovec wurden zwei zweisprachige Volksschulen gegründet: die private katholische zweisprachige ›Volksschule Hermagoras/Mohorjeva‹ im Jahr 1989 sowie die ›Öffentliche Zweisprachige Volksschule 24/Javna dvojezična Ljudska Šola 24‹ im Jahr 1991 (vgl. Rausch 2000: S. 36 & 59). Letztere sollte bereits wenige Jahre später Ziel eines Anschlagsversuchs werden. 1994 brachte der Bombenattentäter Franz Fuchs vor dem Gelände der damals noch im Gebäude der Rennerschule untergebrachten Schule eine Rohrbombe an. Als der Polizist Theo Kelz versuchte, das Paket am Klagenfurter Flughafen zu durchleuchten, explodierte der Sprengsatz und riss ihm beide Hände ab (vgl. Novak 1994). Neben der Ausweitung des Geltungsbereichs sah die Novelle zum Minderheitenschulwesen aus dem Jahr 1990 (BGBl. Nr. 420/1990: Art. II) auch die Eröffnung einer weiteren höheren Schule mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen vor. Hierbei handelt es sich um die ›Zweisprachige Bundeshandelsakademie/Dvojezična

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Zvezna Trgovska Akademija‹ (Zweisprachige HAK) in Klagenfurt/Celovec, eine berufsbildende höhere Schule, die im gleichen Schulgebäude wie das BG/BRG für Slowen_innen untergebracht ist (vgl. Domej 2000: S. 43). Ebenfalls Anfang der 1990er Jahre erfolgte die Gründung der privaten ›Höheren Lehranstalt für Wirtschaftsberufe St. Peter/Višja šola za gospodarske poklice Šentpeter‹ (HLW) bei St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu im ländlichen Gebiet im Bezirk KlagenfurtLand, die vom Konvent der Schulschwestern von St. Peter/Šentpeter betrieben wird (vgl. Konvent der Schulschwestern in St. Peter 2008). Die Gründung zweier weiterer höherer Schulen mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen war auch eine Reaktion darauf, dass seit Beginn der 1980er Jahre das Interesse der Südkärntner Bevölkerung am zweisprachigen Unterricht, insbesondere im Elementarschulwesen, kontinuierlich zunahm (vgl. Wakounig 2008: S. 316 ff). Im Schuljahr 2012/13 beispielsweise wurden 44,4% (1.972 von 4.451) der Volksschüler_innen im örtlichen Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens zum zweisprachigen Unterricht angemeldet (im Vergleich dazu waren es im Jahr 1976/77 13,5% [1.138 von 8.461 Volksschüler_innen] und 2000/2001 28,2% [1.657 von 5.876 Volksschüler_innen]). Außerhalb des Geltungsbereichs, in Klagenfurt/ Celovec, wurden im Schuljahr 2012/13 insgesamt 173 Kinder angemeldet. Beim Eintritt in die Schule wiesen 13,9% der Kinder hohe Kompetenzen, 17,1% geringe und 69,5% keine Kompetenzen in der slowenischen Sprache auf (vgl. Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen 2013: S. 71 & 80). Die letzten beiden Gruppen verfügten somit entweder nur über ein passives slowenisches Sprachvermögen oder waren Anfänger_innen, die sich elementare Kenntnisse des Slowenischen anzueignen suchten. Demgegenüber verfügten etwa im Schuljahr 1989/90 noch 32,0% der Kinder über hohe, 28,6% über geringe und 39,4% über keine Kompetenzen in der slowenischen Sprache (vgl. ebd.: S. 71 & 80). Die Zahlen belegen eindrücklich, dass den öffentlichen Schulen im zweisprachigen Gebiet für die Befähigung der Kinder und Jugendlichen, sich fließend auf Slowenisch auszudrücken, eine immer größere Bedeutung zukommt. Das sprachliche Gefälle innerhalb der Klassen auszugleichen, stellt freilich oftmals eine kaum bewältigbare Herausforderung dar. Während es an berufsbildenden und mittleren Schulen (wie Hauptschulen, Neuen Mittelschulen, Polytechnischen Schulen, Handelsschulen oder sonstigen Fachschulen) im Südkärntner Gebiet kaum zweisprachige Unterrichtsformen gibt, erfreuen sich allgemeinbildende und berufsbildende höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache wachsender Beliebtheit und eines immer größeren Zulaufs. Am BG/BRG für Slowen_innen hat sich die Zahl der Schüler_innen auf durchschnittlich 500 pro Jahr eingependelt (vgl. Wakounig 2008: S. 87 f). Bis zum Jahr 2014 haben insgesamt knapp 2.000 Schüler_innen am BG/BRG für Slowen_innen maturiert (vgl. BG/BRG für Slowen_innen 2014a). Auch in den beiden anderen höheren Schulen

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mit Slowenisch als Unterrichtssprache, der HLW und der Zweisprachigen HAK, haben sich die Schüler_innenzahlen auf einem hohen Level konsolidiert (vgl. ebd.: S. 89 f). Diese Entwicklung verläuft parallel zu der seit den 1980er Jahren zu beobachtenden Stabilisierung der Zahl jener Personen, die bei Volkszählungen in Kärnten/ Koroška Slowenisch als Umgangssprache angeben.

4.4 DIE AUSSTÄNDIGE IMPLEMENTIERUNG VON ARTIKEL 7 UND DAS VOLKSGRUPPENGESETZ 1976 Außer im schulischen Bereich blieb die Umsetzung der Bestimmungen von Artikel 7 des Staatsvertrags vorerst aus. Die zur Implementierung notwendigen Durchführungsgesetze wurden weder erarbeitet noch verabschiedet. Dies betraf insbesondere die Aufstellung von Ortstafeln und die Einführung von Slowenisch als Amtssprache. Neue Impulse sollten erst die Ereignisse des Jahres 1970 bringen. Proteste der slowenischsprachigen Bevölkerung sowie außenpolitische Kalküle veranlassten die SPÖ, die zu diesem Zeitpunkt sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene mit absoluter Mehrheit regierte, im Nationalrat im Alleingang ein Gesetz zu verabschieden, um die Vorgaben des Staatsvertrags umzusetzen (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 104 f; Gstettner 2004a: S. 259 ff). Dieses Ortstafelgesetz aus dem Jahr 1972 (BGBl. Nr. 270/1972) sah vor, dass in Gemeinden im gemischtsprachigen Gebiet mit einem Anteil von 20% slowenischsprachiger Personen zweisprachige topografische Aufschriften angebracht werden. Dieses Kriterium wurde – gemäß der Ergebnisse der Volkszählung 1971 – von 205 Ortschaften in 31 Gemeinden erfüllt (vgl. Suppan 2004: S. 191). Streng genommen stand diese Durchführungsbestimmung freilich im Widerspruch zum Wortlaut von Artikel 7 des Staatsvertrags, in dem weder von einem Mindestanteil slowenischsprachiger Personen noch von einer Fokussierung auf Gemeinden die Rede ist. Beim Versuch, die Ortstafeln aufzustellen, kam es zu Übergriffen, die als sogenannter ›Ortstafelsturm‹ (in der heutigen Literatur auch als organisierte Ortstafelpogrome bezeichnet [vgl. ebd.; Gstettner 2004a: S. 247]) in die Geschichte eingingen. Im Zuge dieser zwei Monate anhaltenden gewalttätigen, organisierten Protestaktionen deutschsprachiger Kärntner_innen wurden sämtliche aufgestellten zweisprachigen Ortstafeln entfernt (vgl. Fritzl 1990: S. 88; Gstettner 2004a, 2004b: S. 89 ff). Nach diesen Vorfällen wurde die Ortstafelfrage für einige Jahre auf Eis gelegt. Auf der Ebene der politischen Parteien, namentlich der SPÖ, sollte die gescheiterte Umsetzung der Bestimmungen von Artikel 7 jedoch weitreichende Konsequenzen haben: Nicht nur, dass sie ihren damaligen Vorsitzenden, Landeshauptmann Hans Sima, zum Rücktritt zwang, passte die Partei ihre Positionen zur Frage der ethnischen

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Beziehungen in Kärnten/Koroška an jene von FPÖ und ÖVP an (vgl. Gstettner 2004a: S. 254; Suppan 2006: S. 146; Wakounig 2008: 285 f). Diese informelle Koalitionsbildung zeigte rasch Wirkung: So wurde 1976 mit dem sogenannten Volksgruppengesetz auf Bundesebene ein Durchführungsgesetz verabschiedet, mit dem nach dem gescheiterten Vorgehen 1972 neuerlich versucht wurde, die Bestimmungen von Artikel 7 zu implementieren. Gegenüber den gesetzlichen Regelungen von 1972 zeichnet sich das Volksgruppengesetz von 1976 durch eine tendenziell antislowenische Ausrichtung aus (vgl. Veiter 1979: S. 9, 13 & 30; Wakounig 2008: S. 89). Mit dem Volksgruppengesetz von 1976 wurden die dem Bundeskanzleramt zugeordneten sogenannten Volksgruppenbeiräte eingerichtet, deren Funktion in der Beratung der Bundesregierung in Volksgruppenangelegenheiten besteht. Daneben sah das Gesetz eine Verschärfung der Bestimmungen betreffend topografische Bezeichnungen und die Amtssprachen vor – als Voraussetzung für die Aufstellung von zweisprachigen topografischen Beschilderungen und die Einführung von Slowenisch als zweiter Amtssprache in Gemeinden im zweisprachigen Siedlungsgebiet wurde ein Mindestanteil von 25% slowenischsprachiger Einwohner_innen festgelegt (vgl. BGBl. Nr. 396/1976: Abschnitt I, § 2, Absatz 1, Satz 2 sowie Abschnitt IV und V). Dieser Anteil erschien vielen Kritiker_innen als außerordentlich hohe Hürde und als im Widerspruch zu den Bestimmungen des Staatsvertrags stehend (vgl. Kattnig 1977: S. 27 ff; Matscher 2006: S. 123).10 Ungeachtet der massiven Proteste wurde im Anschluss an die Verabschiedung des Gesetzes eine geheime Volkszählung durchgeführt, um die prozentualen Anteile der slowenischsprachigen Bevölkerung in den Südkärntner Gemeinden festzustellen (vgl. Österreichisches Volksgruppenzentrum 2000: S. 15 f; Suppan 2006: S. 151 f). Gemäß deren Ergebnis sollten zweisprachige Ortstafeln nur mehr in insgesamt neun Gemeinden (mit insgesamt 91 Ortschaften) in den beiden politischen Bezirken Völkermarkt sowie Klagenfurt-Land aufgestellt werden (BGBl. Nr. 306/1977), was deren Zahl im Vergleich zu der Regelung von 1972 – die einen Anteil von mindestens 20% und damit zweisprachige Tafeln in insgesamt 205 Ortschaften vorsah – drastisch reduzierte. Gleichzeitig wurde in weiteren 13 Gemeinden Slowenisch als Amtssprache eingeführt (BGBl. Nr. 307/1977).

10 Wie bereits bei der Interpretation der Beschilderungsbestimmung des Staatsvertrags ausgeführt, war bei dessen Formulierung eigentlich nur die Frage strittig, in welchen Bezirken die Bestimmung zur Anwendung kommen müsse. Dass im Volksgruppengesetz statt den Bezirken Gemeinden als territoriale Geltungsbereiche hergenommen wurden, widerspricht dem Wortlaut des Staatsvertrags ebenso wie die festgelegte Untergrenze von mindestens 25% slowenischsprachiger Einwohner_innen pro Gemeinde.

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4.5 DER ORTSTAFELSTREIT UND DER ORTSTAFELKOMPROMISS VOM SOMMER 2011 Diese Verordnung wurde allerdings nicht vollständig umgesetzt. In 14 der 91 aufgelisteten Ortschaften erfolgte keine Anbringung der zweisprachigen Beschilderungen (vgl. Zinkner 2009: S. 145). Bewegung in die Frage kam erst wieder im Oktober 1994 mit der bewussten Übertretung der Straßenverkehrsordnung durch den slowenischsprachigen Rechtsanwalt Rudi Vouk in einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt, in der nach der Regelung von 1976 zweisprachige Ortstafeln hätten stehen müssen – was eben nicht der Fall war. Daraus erwuchs ein juristisches Verfahren über die Verordnungen bezüglich der topografischen Beschilderungen (vgl. Vouk 2004). Gegen die aufgrund der Geschwindigkeitsübertretung im Gemeindegebiet verhängte Strafzahlung legte Vouk Einspruch ein, und zwar mit dem Argument, dass das Gemeindegebiet nicht ausreichend – also zweisprachig, wie im Staatsvertrag gefordert – als solches gekennzeichnet sei (vgl. ebd.: S. 79). Ein an diesen Einspruch anschließendes langwieriges gerichtliches Verfahren endete mit dem Ergebnis, dass Vouk zwar Strafzahlung leisten musste, gleichzeitig aber der österreichische Verfassungsgerichtshof sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der 25%-Regelung befasste, die für die Aufstellung von zweisprachigen topografischen Beschilderungen erfüllt sein musste. In dem sogenannten Ortstafelerkenntnis vom 13.12.2001 (VfGH 2001) befand das Verfassungsgericht schließlich Teile des Volksgruppengesetzes für verfassungswidrig und forderte eine gesetzliche Neuregelung der Ortstafelfrage. Es wurde empfohlen, einen über einen längeren Zeitraum gegebenen Anteil von 10% slowenischsprachiger Personen als ausreichende Voraussetzung zu erachten, um eine Gemeinde als zweisprachig oder gemischtsprachig zu qualifizieren (vgl. Hauer 2006; Zinkner 2009: S. 161 ff; Pirker 2010: S. 63 f). Das Urteil löste sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Während Vertreter_innen der slowenischsprachigen Bevölkerung jubelten, reagierte der damalige Landeshauptmann Jörg Haider (zu diesem Zeitpunkt: BZÖ) mit Polemiken gegen den Verfassungsgerichtshof und wendete unterschiedliche Strategien an, um die Umsetzung der Bestimmungen von 1976 zu umgehen. Um die vollständige Aufstellung der Beschilderungen zu verhindern, wurden zwischen 2005 und 2009 vonseiten der Kärntner Landesregierung (FPÖ bzw. BZÖ) Maßnahmen ergriffen, die von der gezielten Verrückung einsprachiger Ortstafeln über deren Ersetzung durch Verkehrsschilder bis hin zur Demontage der existierenden zweisprachigen Ortstafeln und zur Anbringung von kleinen slowenischsprachigen Zusatzbeschilderungen an die einsprachigen Tafeln reichten (vgl. Die Presse 2011; Volksanwaltschaft 2006: S. 13 ff; Österreichisches Volksgruppenzentrum 2007: S. 111 ff & S. 121 f).

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So wurde bis zum Jahr 2011 keine der Bestimmungen des Urteils umgesetzt. Weder wurden alle zweisprachigen topografischen Beschilderungen aufgestellt, noch erfolgte eine verfassungsrechtskonforme Revision des Volksgruppengesetzes. Immer wieder angestoßene Verhandlungen auf Bundes- oder auf Länderebene endeten ergebnislos oder mit dem Abbruch der Gespräche (vgl. Österreichisches Volksgruppenzentrum 2007: S. 111 ff; Klemenčič/Klemenčič 2010: S. 484 ff; Pirker 2010: S. 65 ff). Auf Initiative der SPÖ und der Bundesregierung startete ab 2010 ein weiterer Versuch zur gesetzlichen Revision. Nach dem Unfalltod von Landeshauptmann Jörg Haider zeigte nunmehr auch die neue BZÖ- bzw. FPK11-Landesregierung Interesse an einem Kompromiss. Einzig der ›Rat der Kärntner Slowenen/Narodni svet koroških Slovencev‹ (NSKS) sowie slowenische Jugendorganisationen übten an dem sich Anfang April 2011 abzeichnenden Kompromiss zwischen den Verhandlungspartnern fundamentale Kritik (vgl. Zaunbauer 2011; Kleine Zeitung 2011; Mlada EL 2011). Abbildung 2: Zweisprachige Ortstafel im Jahr 2015 in Sittersdorf/Žitara vas

© Jonas Kolb

11 Die Freiheitliche Partei Kärntens (FPK) existierte von Dezember 2009 bis zur Kärntner Landtagswahl 2013. Im Juni 2013 wurde sie aufgelöst und in die FPÖ eingegliedert.

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Nichtsdestotrotz einigten sich am 26. April die Vertreter der Bundesregierung, der Kärntner Landesregierung und die Vorsitzenden der slowenischen Vertretungsorganisationen auf ein Paket, das einen Anteil von 17,5% slowenischsprachiger Personen in Gemeinden (basierend auf den Volkszählungsergebnissen von 2001) als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln vorsah. In einem von den Beteiligten verfassten Memorandum einigte man sich auf Beschilderungen in 164 Ortschaften in 24 Gemeinden, die namentlich festgelegt wurden, sowie eine Kompromissformel für Slowenisch als Amtssprache in jenen Gemeinden, in denen zweisprachige Ortstafeln stehen (vgl. Memorandum der Kärntner Slowenen 2013).

4.6 SLOWENISCHSPRACHIGE ORGANISATIONEN, PARTEIEN UND KULTURVEREINE Nach Ende des Zweiten Weltkriegs existierte die seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestehende Segregation der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška weiter fort. Auf der einen Seite stand das traditionell orientierte katholischkonservative Lager, das den Wert der slowenischen Muttersprache, der identitätsbildenden Funktion der regionalen Dialekte, das Bäuer_innentum und (berg-)bäuerliche Lebensrealitäten hochhielt. Demgegenüber positionierte sich die Fraktion derer, die sich in die Tradition der Kärntner Partisan_innen stellten, die eine Vereinigung mit dem wiedergegründeten Jugoslawien forderten und die sich gegen die Diskriminierung der slowenischsprachigen Bevölkerung wendeten (vgl. Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 94 f; Barker 1984: S. 219 f). Diese Spaltung führte unter anderem auch dazu, dass sich in der Nachkriegszeit unterschiedliche Vertretungsorganisationen herausbildeten. Auf der einen Seite wurde der Rat der Kärntner Slowenen gegründet, der sich zur Interessensvertretung des eher agrarisch geprägten, katholisch orientierten Segments der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška entwickelte (vgl. Barker 1984: S. 220; Smrtnik/Kulmesch 2005: S. 231 f). Auf der anderen Seite formierte sich mit dem ›Zentralverband slowenischer Organisationen in Kärnten/Zveza slovenskih organizacij na Koroškem‹ ein Gegenpol, der nach eigener Definition politische Positionen von links bis Mitte-rechts abdeckt und eine starre Fixierung auf das ›Kärntner Slowen_innentum‹ eher ablehnt (vgl. Sturm 2005). Zwischen den beiden – in ideologischer Hinsicht dualistisch positionierten und agierenden – Vertretungsorganisationen kam es vor allem in den ersten Dekaden der Zweiten Österreichischen Republik zu heftigen Auseinandersetzungen.

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Der Dualismus12 bestand nicht nur in politischer Hinsicht, vielmehr standen sich ab den 1950er Jahren auch Kulturverbände gegenüber, die einer der beiden Organisationen zuzuordnen waren. Während der ›Slowenische Kulturverband/Slovenska prosvetna zveza‹ (SPZ) an den Zentralverband angelehnt war und sich für eine entsprechende kulturpolitische Ausrichtung einsetzte, vertrat der 1955 gegründete ›Christliche Kulturverband/Krščanska kulturna zveza‹ (KKZ) die kulturpolitischen Positionen des NSKS (vgl. Fantur 1992: S. 139 ff). Im Zuge der gesellschaftspolitischen Wende in Osteuropa und des Zerfalls Jugoslawiens erodierten indes die konkurrierenden Positionen und machten im Lauf der Jahre Platz für gegenseitige Zusammenarbeit und Formen der Arbeitsteilung (vgl. Malle/Entner 2003: S. 11 f; Sienčnik 2010: S. 11 ff). Abbildung 3: Auftritt eines Kinderchors im Veranstaltungssaal eines slowenischsprachigen Kulturzentrums

© Dominik Urak

Spätestens seit der Gründung der beiden Kulturverbände ist ein Merkmal der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška das rege Kulturschaffen. So ist im gemischtsprachigen Gebiet eine Vielzahl slowenischsprachiger bzw. zweisprachiger 12 Dieser Dualismus wurde durch die Abspaltung einer Splittergruppe des NSKS, die seit 2003 eine dritte Vertretungsorganisation bildet, noch weiter verstärkt (vgl. Klemenčič/ Klemenčič 2010: S. 489).

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Kulturvereine aktiv. Fast in jeder Gemeinde findet sich ein solcher Verein, der seinerseits in unterschiedliche Abteilungen untergliedert ist und Theatergruppen, Chöre oder Musikgruppen umfasst. Zu den am häufigsten praktizierten Formen künstlerischer Betätigung zählen das Tamburicaspiel, der Chorgesang und das Puppentheater. Auch die politische Vertretung der Interessen der slowenischsprachigen Bevölkerung wurde in den Nachkriegsjahrzehnten forciert. Vor allem der NSKS befürwortete die Formierung einer eigenständigen Partei. Schließlich kam es 1991 zur Gründung der Enotna Lista/Einheitsliste (EL), die seitdem auf Landes- und Gemeindeebene in Kärnten/Koroška antritt (vgl. Volksgruppenbüro 2004: 178 f; Enotna Lista 2013). Allerdings war eigenständigen slowenischen Listen bei Landes- oder Nationalratswahlen bislang nur ein sehr geringer Erfolg beschieden. Ein eigenes Mandat im Kärntner Landtag wurde noch nie erlangt (vgl. ebd.). Dies hängt damit zusammen, dass das traditionelle slowenischsprachige Siedlungsgebiet auf vier unterschiedliche Wahlkreise aufgeteilt ist (vgl. Henke 1988: S. 56 f), ein Umstand, der eigenständigen slowenischen Listen die direkte Erlangung eines Mandats verunmöglicht. Während eigenständige slowenische Listen auf Bundes- und Landesebene nur geringe Erfolge verzeichnen, ist ihr Einfluss auf kommunaler Ebene mitunter beträchtlich. Bei den Gemeinderatswahlen 1997 beispielsweise erlangte die EL knapp 5.527 Stimmen und erreichte 56 Gemeinderatsmandate in verschiedenen Gemeinden. Bei der darauffolgenden Wahl im Jahr 2009 konnte sie in Südkärntner Gemeinden 5.381 Stimmen und insgesamt 50 Mandate auf sich vereinen (vgl. Enotna Lista/ Einheitsliste 2013). Seit März 2009 stellt die EL zudem einen Bürgermeister, und zwar in der Gemeinde Bad Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela. Mit Franz Josef Smrtnik (EL) bekleidet erstmals in der Geschichte von Kärnten/Koroška ein Vertreter der slowenischsprachigen Bevölkerung dieses Amt (vgl. Fritzl 2009; Steiner 2009). Im März 2015 wurde mit Bernard Sadovnik in der Gemeinde Globasnitz/Globasnica ein zweiter slowenischsprachiger Bürgermeister der EL gewählt (vgl. Pink 2015). Im März 2013 zogen erstmals drei slowenischsprachige Mandatar_innen über jeweils unterschiedliche Parteilisten in den Kärntner Landtag ein. Überdies wurde eine der Landtagsabgeordneten, Ana Blatnik, in den österreichischen Bundesrat entsendet, dessen Vorsitz sie am 1. Juli 2014 für ein halbes Jahr übernahm. Es war dies das höchste staatliche Amt, das eine Angehörige der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe in Kärnten/Koroška in der Republik Österreich je bekleidete – eine Entwicklung, die Beobachter_innen bereits über ein »Wunder von Koroška« jubeln oder von einer »Renaissance des Slowenischen in Kärnten« (Ferk 2013) sprechen ließ. Diese Euphorie wird jedoch keinesfalls allseitig geteilt. Als etwa bei der konstituierenden Landtagssitzung am 28. März 2013 Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ)

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Teile seiner Regierungserklärung in slowenischer Sprache vortrug und die Abgeordnete Zalka Kuchling (Die Grünen) ihre Rede auf Deutsch und in ihrer slowenischen Muttersprache hielt, brach eine heftige Auseinandersetzung über den Status der slowenischen Sprache in der Landesverfassung sowie in der Landtagsgeschäftsordnung aus (vgl. Bergmann 2013a, 2013b). Daraus entwickelte sich eine Debatte über die rechtliche Verankerung der slowenischen Sprache in Kärnten/Koroška. Diese drehte sich insbesondere darum, dass der rechtliche Status der Bevölkerungsgruppe, ungeachtet deren langer geschichtlicher Verwurzelung in der Region und des autochthonen Charakters der Bevölkerungsgruppe vage und nicht genau definiert war (vgl. Feinig 1997: S. 4 f, 1999: S. 12 f; Vouk 2013). So fand sich bis ins Jahr 2015 weder in der Kärntner Landesverfassung noch in der Landtagsgeschäftsordnung ein Passus zur slowenischen Sprache bzw. zur slowenischsprachigen Bevölkerung. Im Oktober 2015 beschloss jedoch die Koalition aus SPÖ, Die Grünen und ÖVP eine diesbezügliche Formulierung in die Landesverfassung aufzunehmen (vgl. Müller 2015). Aus wahlstrategischen Gründen kündigte die ÖVP die getroffene Vereinbarung im Februar 2017 kurzzeitig wieder auf, stimmte dann aber einer adaptierten Formulierung zu (vgl. Klatzer/Breineder 2017). Seit Juni 2017 heißt es in der Kärntner Landesverfassung in Artikel 5 (2) nun wie folgt: »Das Land Kärnten bekennt sich gemäß Artikel 8 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu seiner gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, wie sie in Kärnten in der slowenischen Volksgruppe zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Traditionen und kulturelles Erbe sind zu achten, zu sichern und zu fördern. Die Fürsorge des Landes gilt allen Landsleuten gleichermaßen.« (KLGBl. Nr. 25/2017)

Seitdem bekennt sich – in Entsprechung mit der österreichischen Bundesverfassung – auch das Bundesland Kärnten/Koroška ausdrücklich zu seiner slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe.

5 Ethnische Kategorien, Identität und Sprache

Der Schwerpunkt der sozialwissenschaftlichen Beforschung der slowenischsprachigen Bevölkerung liegt gemeinhin auf der Analyse ethnischer Identitäten, so bei der Sozialwissenschaftlerin Brigitta Busch (Busch/Doleschal 2008; Busch 2010), der Forschungsgruppe um Dietmar Larcher (Boeckmann et al. 1988; Larcher 1988) oder bei Štefka Vavti (2009a, 2009b, 2010, 2013). In diesen Untersuchungen werden unter ethnischen Identitäten jedoch in erster Linie ethnische Selbstverortungen oder Selbstbilder verstanden, die Bedeutung der sozialen Umwelt und von strukturierenden Ordnungen für den Prozess der Identitätsbildung bleibt unberücksichtigt. Von einem solchen Verständnis ethnischer Identitäten grenzt sich eine praxistheoretische Perspektive auf Fragen des Ethnischen ausdrücklich ab. Bei ethnischen Identitäten handelt es sich in der Tat um einen zentralen Phänomenbereich, der bei der Ergründung dessen, was das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška ausmacht, keinesfalls außen vor gelassen werden darf. So ist auch für eine praxistheoretische Perspektive deren Untersuchung der erste Schritt zur Analyse der Praxis des Ethnischen. Eine solche Perspektive beschäftigt sich aber gerade nicht nur mit ethnischen Selbstverortungen oder Selbstbildern, sondern widmet sich insbesondere der strukturellen Prägung der ethnischen Identitäten, deren sozialer Konstitution und deren alltagspraktischer Wirkmächtigkeit. Bei der Formulierung des Ausgangspunkts lehne ich mich an die Konzeption des Ethnischen von Rogers Brubaker (2004) an, gemäß dessen Ansatz der ›ethnicity without groups‹ nicht von ethnischen Gruppen, sondern nur von ethnischen Kategorien, also von Vorstellungen dessen, was die imaginierte ethnische Gruppe auszeichnet und von anderen abhebt, gesprochen werden kann. Folglich ist bei der Befassung mit slowenischsprachigen Heranwachsenden der empirische Blick den ethnischen Kategorien, an denen sich diese orientieren, zuzuwenden. Dabei gilt mein Hauptaugenmerk den Bausteinen der ethnischen Kategorie, denen die Akteure eine besondere Bedeutung – im Sinne eines ethnischen Alleinstellungsmerkmals – zuschreiben, sowie deren alltagspraktischer Wirkmächtigkeit.

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Des Weiteren lehne ich mich bei der praxistheoretischen Analyse ethnischer Identitäten an das Konzept der ›social identity‹ von Richard Jenkins (1997, 2008) an, folge in meiner analytischen Darstellung also grundsätzlich den drei von Jenkins entwickelten Momenten, die zur Herausbildung sozialer ethnischer Identitäten führen. Am Anfang von dessen Konzeption stehen ethnische Selbstverortungen, die Akteure nach außen signalisieren, die jedoch aus sich heraus noch keine ethnischen Identitäten konstituieren – dazu bedarf es des Einflusses von anderen Akteuren bzw. Akteursgruppen. Den sieht Jenkins zum einen in der Anerkennung oder Zurückweisung der Selbstverortungen durch Angehörige der Eigengruppe und zum anderen in Fremdzuschreibungen oder Diffamierungen durch Angehörige der ethnischen Außengruppe gegeben (vgl. Jenkins 1997: S. 53 ff). Im Zuge eines Wechselspiels dieser drei Momente konstituieren sich die sozialen ethnischen Identitäten – auch die der slowenischsprachigen jungen Menschen. Um der Frage nachzugehen, wie soziale Kontexte, strukturierende Ordnungen oder die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška die Ausprägung von ethnischen Kategorien beeinflussen, greife ich schließlich auf Stuart Hall (1994a, 1994b) zurück. Hall unterscheidet vier Momente – Umwertung, Namensgebung, Vereinheitlichung und Frontbildung –, die den sozialen Charakter einer ethnischen Kategorie ausmachen, welcher sich auch in den ethnischen Identitäten einzelner Akteure widerspiegelt. Meine praxistheoretische Analyse ethnischer Identitäten orientiert sich demnach an den Konzepten von Rogers Brubaker, Richard Jenkins und Stuart Hall und verknüpft diese miteinander, um auf diesem Weg dem sozialen Charakter der ethnischen Identitäten und der Prägung der ethnischen Kategorien durch strukturierende Ordnungen auf den Grund zu gehen. Der Aufbau des Kapitels gestaltet sich dabei folgendermaßen: In einem ersten Unterkapitel (5.1) wird die Genese bestehender ethnischer Klassifikationen aus historischer Perspektive skizziert. Nach der Analyse der ethnischen Kategorie des Deutschen wie des Slowenischen widme ich mich insbesondere dem Lager zwischen den beiden Polen. Darauf folgt (5.2) eine Untersuchung des Konstituierungsprozesses sozialer ethnischer Identitäten bei jungen slowenischsprachigen Menschen, wobei ich zwischen ethnischen Selbstverortungen, Fremdzuschreibungen durch Angehörige der ethnischen Eigengruppe sowie Fremdzuschreibungen durch Außenstehende unterscheide. In diesem Zusammenhang untersuche ich die Bausteine, die für die Konstituierung der ethnischen Identitäten herangezogen werden. Im Anschluss daran erfolgt – im dritten Unterkapitel (5.3) – die Analyse des sozialen Charakters der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen. Dabei gilt mein Interesse der Frage, wie die vier verschiedenen Elemente, die nach Stuart Hall den sozialen Charakter einer ethnischen Kategorie ausmachen, im Kärntner Slowe-

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nischen ausgeprägt sind. Im abschließenden Abschnitt (5.4) führe ich die unterschiedlichen Aspekte des Kapitels in inhaltlicher und konzeptioneller Hinsicht zusammen.

5.1 ZUR GENESE ETHNISCHER KATEGORIEN IN KÄRNTEN/KOROŠKA Die Alpen-Adria-Region bot seit jeher fruchtbare Voraussetzungen für ethnische Spannungen. Bereits in der Habsburgermonarchie, vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts, sowie infolge der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert kam es immer wieder zu Konflikten, nationalen Differenzierungsprozessen und kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen ethnische Fragen im Mittelpunkt standen (vgl. Moritsch 2000: S. 11). Seitdem bestehen ethnische Kategorien, die sich bis heute grundsätzlich einteilen lassen in ein deutsches und ein slowenisches Lager sowie in einen umkämpften Zwischenraum, der von beiden Seiten für sich beansprucht wird. Insbesondere letztere Gruppe bildet den Zankapfel in der Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška. Die ethnische Kategorie des Deutschen1 Die Etablierung der ethnischen Kategorie des Deutschen in Kärnten/Koroška geht zurück auf Nationalisierungsbestrebungen im 19. Jahrhundert. Begründet wurde diese in historischer Hinsicht laut dem Historiker Andreas Moritsch im Kontext der napoleonischen Neugliederung Europas. Als historische Mythen und Vorbilder ließen sich daneben eine verklärte Vorstellung des ›German_innentums‹ (im Fall von Kärnten/Koroška genauer gesagt des ›Bajuwar_innentums‹) sowie das Heilige Römische Reich Deutscher Nation verwenden. Vor diesem Hintergrund erstand das Bild einer deutschen Sprachgemeinschaft, deren Mitglieder – als welche sich auch deutschnational orientierte Kärntner_innen verstanden – über verschiedene Staaten und Regionen verteilt sind (vgl. Moritsch 2000: S. 12). In der frühen Neuzeit der Alpen-Adria-Region war die ethnische Kategorie des Deutschen noch durch einen überwiegend defensiven Charakter geprägt, da es sich beim Südkärntner Raum bis ins 19. Jahrhundert hinein um ein vorrangig slawisch besiedeltes Gebiet handelte. Nach der Konsolidierung des materiellen Besitzstandes der deutschsprachigen Bevölkerung sowie der Besetzung der höheren Positionen im

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Um eine Essenzialisierung von Ethnizität zu vermeiden, lehne ich mich an das Konzept der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker an. Entsprechend rücke ich nicht eine Personengruppe(n) in den Mittelpunkt, sondern die Genese einer ethnischen Kategorie wie des Deutschen oder des Kärntner Slowenischen.

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wirtschaftlichen Sektor und im Verwaltungsapparat in Kärnten/Koroška nahm die ethnische Kategorie des Deutschen jedoch zunehmend offensive Züge an (vgl. ebd.: S. 17). Dank des Ende des 19. Jahrhunderts herrschenden günstigen Klimas erlebten derartige nationale Ideen damals ihre Blütezeit. Zahlreichen deutschnationalen Organisationen und Vereinen gelang es, ihre nationalen und ethnischen Ideen regional zu verankern (vgl. Malle/Entner 2003: S. 4). Die nationalen Differenzierungsprozesse Ende des 19. Jahrhunderts stellten jedoch keineswegs den Höhepunkt der von der deutschsprachigen Bevölkerung erhobenen ethnischen Suprematsansprüche dar. Seine radikalste und brutalste Form gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung sollte der deutsche Nationalismus erst während der Zeit des Nationalsozialismus entwickeln. Die ethnische Kategorie des Slowenischen Der ethnischen Kategorie des Deutschen steht die des Slowenischen gegenüber. Auch auf slowenischer Seite entstanden Ende des 19. Jahrhunderts Organisationen und Bildungsvereine, die mit der deutschsprachigen Seite um die ethnische Vormachtstellung im Südkärntner Raum konkurrierten (vgl. ebd.). Die ethnische Kategorie des Slowenischen entstand aus der Abwehrhaltung und als Emanzipationsbestrebung gegenüber dem deutschen Suprematsanspruch. Es kam zur Abgrenzung und Bildung von Hierarchien zwischen den beiden Klassifikationen, die weitreichende soziale Folgen nach sich zogen. Die in Kärnten/Koroška Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden gesellschaftlichen Spannungen ließen sich dabei »leicht mit der sprachlich-ethnischen Inhomogenität in Beziehung setzen« (Moritsch 2000: S. 11). In der Folge wurden in der Region die sozioökonomische Situation der Bevölkerung sowie soziale Verteilungskämpfe mit ethnischen Kategorien verknüpft. Im Verlauf dieser sozialgeschichtlichen Prozesse verfestigte sich die Wahrnehmung des Slowenischen als sozial minderwertig und als niederrangig, die des Deutschen hingegen als vornehm und als höherwertig (vgl. Larcher 1988: S. 54 f; Priestly 1996: S. 380 ff). Befördert wurde die ethnische Hierarchisierung dadurch, dass es sich beim Siedlungsgebiet der slowenischsprachigen Bevölkerung um eine periphere, wirtschaftlich abgehängte Region handelte, die sich durch Tendenzen der Verarmung und der Reagrarisierung auszeichnete. Slowenischsprachige Personen, die im Zuge der einsetzenden Landflucht in Südkärntner Städte zogen und dabei häufig vom primären in den sekundären Wirtschaftssektor wechselten, passten sich nach und nach an die vorrangig deutschsprachige Stadtbevölkerung an, bis hin zur völligen Assimilation. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklungen wurden Ende des 19. Jahrhunderts auch von slowenischsprachiger Seite Anstrengungen unternommen, einen gemeinsamen Abstammungsmythos zu kreieren. Dies erfolgte einerseits darüber, dass der eth-

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nischen Gruppe der Deutschen eine Praxis der Kolonialisierung und der Unterdrückung des Slowenischen vorgeworfen wurde, woraus sich eine gerechtfertigte Verteidigungshaltung und legitime Emanzipationsbestrebung ableiten ließ (vgl. Moritsch 2000: 18 f). Andererseits kam es zur Rückbesinnung auf das mittelalterliche Fürstentum Karantanien, dessen damaliges Zentrum im heutigen Kärnten/Koroška liegt und dessen Adel und Klerus zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert slawischsprachig waren (vgl. Broman et al. 1988: S. 13 f; Baumgartner 1995: S. 29; Grdina 1997; Kahl 2002). Als Symbol für dieses mittelalterliche Herrschaftsgebilde fungierte der Sitz der karantanischen Fürsten in Karnburg/Krnski Grad nördlich von Klagenfurt/ Celovec, der sogenannte Fürstenstein (vgl. Barker 1984: S. 28 f). Auf den Fürstenstein greifen slowenische Organisationen zur symbolischen Darstellung des Abstammungsmythos denn auch gerne zurück (vgl. Veiter 1936: S. 31; Kahl 1997: S. 56) – ebenso wie die deutsche Seite in eigenen Geschichtsmythen den Fürstenstein als Landessymbol des rein deutschsprachigen Kärnten für sich beansprucht (vgl. hierzu Kahl 1997: S. 54 ff). Im Verlauf der Geschichte sorgte diese Auseinandersetzung wiederholt für Konflikte. Beispielsweise im Streit um die Verwendung des Fürstensteins bei der Gestaltung der slowenischen Zwei-Cent-Münze (vgl. ORF Kärnten 2005), bei der Nutzung des Symbols als offizielles Logo der Kärntner Landesregierung durch den damaligen Landeshauptmann Haider (vgl. ORF Kärnten 2007) sowie bei weiteren Kontroversen (vgl. ORF Kärnten 2012a; Kimeswenger 2012). Zwischen den beiden Lagern Beide ethnische Lager fochten in der Vergangenheit erbitterte Auseinandersetzungen um die ethnische Zugehörigkeit jener Kärntner_innen aus, die nicht einsprachig waren und sich nicht eindeutig zur ethnischen Kategorie des Deutschen oder des Slowenischen bekannten, wobei das deutschsprachige Lager seit Mitte des 19. Jahrhunderts stets die größere Anziehungskraft ausübte. Ein Indiz dafür ist der stetige, teils auch sehr rapide Rückgang der Zahl der Personen, die bei Volkszählungen Slowenisch als Umgangssprache angeben.2 Bei jenen, die sich nicht eindeutig einem der beiden ethnischen Lager zuordneten, handelt es sich – wie zahlreiche Studie belegen – nicht um Angehörige der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit, sondern um Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, die sich die deutsche

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In dem Zusammenhang ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass in den statistischen Erhebungen allein sprachliche Umgangsformen und nicht ethnische Bekenntnisse abgefragt wurden. Ein direkter Rückschluss darauf, an welchen ethnischen Kategorien sich die Befragten orientieren, ist folglich nicht zulässig. Dennoch liefern die Daten aus den Volkszählungen einige Anhaltspunkte für die Verbreitung einer spezifischen ethnischen Kategorie.

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Sprache aneigneten und sich Stück für Stück mit der ethnischen Kategorie des Deutschen identifizierten (vgl. Domej 2000: S. 61 f). Derartige Prozesse der sprachlichen Assimilation fanden laut dem Historiker Andreas Moritsch insbesondere in der nördlichen Randzone sowie in den Märkten und Städten innerhalb des zweisprachigen Siedlungsgebiets in Kärnten/Koroška in einem großen Ausmaß statt. Ein sozialer Aufstieg oder eine gesellschaftliche Position mit gehobenem sozialem Status setzte eben die Beherrschung der deutschen Sprache voraus, wohingegen das Erlernen der slowenischen Sprache Personen aus deutschsprachigen Familien keinerlei Vorteile versprach (vgl. Moritsch 2000: S. 19). Im Zuge der nationalen Emanzipationsbestrebungen wurde diese Assimilation von slowenischer Seite zunehmend kritisch gesehen (vgl. Barker 1984: S. 86 ff). Personen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, die ein eindeutiges Bekenntnis zur ethnischen Kategorie des Slowenischen ablehnten, wurden nun zeitweise mit der abwertenden Bezeichnung ›Nemčur‹ oder ›Nemškutar‹ (beides für Deutschtümler) bedacht (vgl. Moritsch 2000: S. 26). In der slowenisch-nationalistischen Kampfschrift ›Aus dem Wilajet Kärnten‹ wurden sie gar als »Verräter an der eigenen Nation« (Katholisch-politischer und wirtschaftlicher Verein für die Slowenen in Kärnten 1913: S. 259) bezeichnet, die sich für deutschnationale Ziele einsetzen und damit als Gegner der slowenischen Nation offenbaren würden. Besonders umfehdet war das Lager zwischen den beiden ethnischen Seiten zur Zeit der Volksabstimmung im Jahr 1920, die die bis dahin bestehenden ethnischen Kategorien nachhaltig veränderte. In der in deren Vorfeld ausgetragenen, mit ethnischen Bedeutungen aufgeladenen medialen Propagandaschlacht rückte der Sprachgebrauch von im südlichen Kärnten/Koroška ansässigen Personen aufgrund der polarisierten Stimmung immer stärker in den Mittelpunkt. Ein praktischer Gebrauch der Sprache, ob der deutschen oder der slowenischen, war nicht nur im Vorfeld, sondern auch während und nach der Volksabstimmung 1920 nicht möglich, ohne sich damit einem ethnischen Lager zuzuordnen (vgl. Ogris 1981: S. 392 ff; Österreichische Rektorenkonferenz 1989: S. 64; Gamerith 1994: S. 64). Im Kontext der Volksabstimmung veränderte sich nicht nur der Bedeutungsgehalt bestehender ethnischer Kategorien, sondern es fanden auch neue Klassifizierungen statt. Namentlich bildete sich im Zuge der Gründung der Ersten Republik und der Konstituierung des Bundeslandes Kärnten/Koroška die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen neu heraus, die nach 1920 die Klassifikation des Slowenischen sukzessive ablöste. Als deren Namensgeberin fungierte unter anderem die slowenischsprachige Wochenzeitschrift ›Koroški Slovenec‹ [dt.: der Kärntner Slowene], die in den 1920er und 1930er Jahren erschien (vgl. Barker 1984: S. 177). So kam es in diesem Zeitraum zu einer markanten Nationalisierung der ethnischen Beziehungen. Denn von nun an wurden slowenischsprachige Menschen, die sich bei der Volksabstimmung 1920 für die Angliederung Südkärntens an Slowenien

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eingesetzt hatten, von deutschsprachiger Seite nicht mehr dem slowenischen Lager zugeordnet, sondern als Nationalslowen_innen diffamiert. Im Gegenzug transformierte sich die ethnische Kategorie des Deutschen zum Lager der Deutschkärntner_innen. Daneben etablierte sich eine weitere ethnische Kategorie, der von deutschsprachiger Seite jene Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund zugewiesen wurden, die sich nicht eindeutig dem Slowenischen zuordneten – die der ›Windischen‹3. Maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung war der deutschnationale Kärntner Landeshistoriker Martin Wutte. Charakteristisch für die sogenannte ›Windischen-Theorie‹ von Wutte ist die Betonung ethnischer Abgrenzungen auf Basis von biologischen Prämissen und der primordialen Vorstellung einer völkischen Abstammungsgemeinschaft (vgl. Wutte 1927: S. 21; kritisch dazu Haas/Stuhlpfarrer 1977: S. 50 f; Fischer 1980: S. 39 ff). Im Verlauf des 20. Jahrhunderts etablierte sich das Windische nicht nur als ethnische Kategorie, sondern auch als Sprachbezeichnung. Als solche hielt sie auch Einzug in amtliche Verfahren und in die Praxis von Behörden (kritisch dazu: Matl 1959). So etwa stand in den auf die Volksabstimmung 1920 folgenden Volkszählungen auch Windisch als Sprachkategorie zur Wahl. Und ungeachtet dessen, dass deren Ankreuzung von slowenischer Seite stets kritisiert wurde, bot sie Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund einen Ausweg aus einem Dilemma. Denn damit wurde zwar dem Assimilationsgebot, nicht Slowenisch als Umgangssprache anzugeben, Folge geleistet, gleichzeitig aber ließ sich damit vermeiden, sein Kreuz bei der Sprachkategorie ›Deutsch‹ zu setzen. Somit stellte die Auswahl der Kategorie ›Windisch‹, insbesondere in den Phasen nach der Volksabstimmung, nach Ende des Zweiten Weltkriegs oder nach dem Ortstafelsturm 1972, in denen die slowenischsprachige Bevölkerung einem besonderen Druck ausgesetzt war, eine Option dar, eine zumindest rudimentäre Verbundenheit mit der slowenischsprachigen Herkunft aufrechtzuerhalten (vgl. Gombos 1988: S. 132). In den vergangenen Jahrzehnten erlebte die ethnische Kategorie des Windischen in Kärnten/Koroška indes einen dramatischen Niedergang, wie auch die Daten der Volkszählungen (vgl. Reiterer 1986: S. 154 ff; Gamerith 1994: S. 75 ff) belegen. Während 1981 noch insgesamt 2.300 Personen Windisch als Umgangssprache angaben, waren es im Jahr 1991 nur noch 900 und bei der Zählung 2001 waren es ganze 555 Personen (vgl. Statistik Austria 2003: S. 82). Die Zahl derjenigen, die in diesem

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Die ethnische Kategorie Windisch existiert nicht erst seit der Volksabstimmung von 1920, sondern wurde bereits im 18. Jahrhundert von der deutschsprachigen Bevölkerung als neutral konnotierte und wertfreie Fremdbezeichnung für slowenischsprachige Menschen gebraucht (vgl. hierzu die Verwendung des Ausdrucks bei Kopitar 1808: vi).

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Zeitraum Slowenisch als Umgangssprache angaben, ist hingegen weitgehend konstant geblieben (vgl. Reiterer 1996: S. 187 f; Klemenčič/Klemenčič 2010: S. 219 f).4 Abbildung 4: Slowenische und eingedeutschte Familiennamen auf einem Friedhof 5

© Jonas Kolb

Die Analyse der in Kärnten/Koroška bestehenden ethnischen Kategorien zeigt, dass diese einem kontinuierlichen, politisch bedingten Wandlungsprozess unterliegen, der sich stets in der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften niederschlägt. Auch die Anzahl der ethnischen Kategorien (Deutsche, Slowen_innen, Deutschkärntner_innen,

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Nichtsdestotrotz bestehen weiterhin Organisationen, die das Windische nicht nur als Sprachbezeichnung, sondern auch als ethnische Kategorie für sich beanspruchen. Dazu zählt insbesondere der im Jahr 2012 gegründete ›Verein der Kärntner Windischen‹, der personelle Überschneidungen zum minderheitenfeindlichen KAB aufweist (vgl. Verein der Kärntner Windischen 2012; ORF Kärnten 2012b).

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Beide Familien tragen denselben Namen – auf dem linken Grabstein scheint er in seiner eingedeutschten Form (Orasche), auf dem rechten hingegen in der slowenischen Schreibung (Oraže) auf.

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Nationalslowen_innen, Kärntner Slowen_innen oder Windische) veränderte sich in den vergangenen 150 Jahren stetig, alte Kategorien verschwanden, neue entwickelten sich, und es fanden inhaltliche Bedeutungsverschiebungen bereits bestehender Klassifikationen statt. Welche ethnischen Kategorien heutzutage von slowenischsprachigen jungen Menschen zur Identitätsbildung herangezogen werden, darüber geben die nachfolgenden Abschnitte Auskunft.

5.2 DIE KONSTITUIERUNG ETHNISCHER IDENTITÄTEN. ZUM VERHÄLTNIS ETHNISCHER KATEGORIEN UND SPRACHE 5.2.1 Selbstverortungen Der erste Schritt in der Analyse der Konstituierung sozialer ethnischer Identitäten stellt, in Anlehnung an Richard Jenkins, die Untersuchung von ethnischen Selbstverortungen von Akteuren dar, die diese gegenüber ihren Mitmenschen signalisieren. In den Selbstverortungen finden sich Anleihen bei bestehenden ethnischen Kategorien. Hinsichtlich der ethnischen Selbstbilder junger Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund ist festzustellen, dass sich diese in der Regel an der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen orientieren. Der Sprache wird eine außerordentliche Bedeutung zugeschrieben – oftmals ist es die slowenische Sprache, worauf sich das, was das Kärntner Slowenische ausmacht, reduziert. Unterschiede bestehen jedoch darin, welche Dimension der Sprache im Vordergrund steht, also ob das Slowenische im Sinne eines nicht intentional eingesetzten Verständigungsmittels verwendet wird oder ob es gezielt symbolisch eingesetzt wird mit dem Zweck, ethnische Identifikationen, Zugehörigkeiten oder Grenzziehungen zu markieren. In den nachfolgenden Abschnitten werde ich anhand von vier unterschiedlichen Fällen – am Beispiel von Jernej B., Andrej R., Maja T. sowie von Sonja V. – der Frage nachgehen, wie die Bedeutung der verschiedenen Dimensionen der slowenischen Sprache in der Praxis ausgeprägt ist. Jernej B.: Kärntner Slowen_in zu sein heißt, zur Zweisprachigkeit zu stehen und diese nicht zu verstecken Für Jernej B., der in einer Gemeinde im Rosental/Rož im Bezirk Villach-Land mit einem Anteil slowenischsprachiger Einwohner_innen von ca. 20% aufgewachsen und wohnhaft ist, das BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec besucht hat und zum Zeitpunkt des Interviews seinen Zivildienst ableistet, ist seine Zweisprachigkeit ein entscheidendes Merkmal seiner ethnischen Identität. Er beschreibt sich

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»als Kärntner Slowener auf alle Fälle amal. Also, i bin schon irgendwie stolz oder so, dass i zwa Sprachen kann und so. Und versteck das irgendwie auch nicht, also. I gib immer zu, also dass i Kärntner Slowene bin, und dass i zwa Sprachen sprich. Ja, also mit dem identifizier i mi.« (Jernej B.; 20 Jahre)6

Das Kärntner Slowenische verbindet Jernej B. auf das Engste mit der Kompetenz, die slowenische Sprache zu verstehen und aktiv sprechen zu können. Sein Stolz gilt jedoch nicht allein seiner Slowenischsprachigkeit, sondern seiner Zweisprachigkeit, eben darin läge seine Identität. Und obwohl er sich als Angehöriger der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen begreift, legt er kein vorbehaltloses Bekenntnis zu dieser ab. Vielmehr nimmt er eine eher defensive Haltung ein und sagt, dass er schon »zugebe« (Jernej B.; 20 Jahre), dass er sich als Kärntner Slowene sehe – als gäbe es Gründe, diese ethnische Identität zu »versteck[en]« (Jernej B.; 20 Jahre), wie es andere ja offenbar tun. Er jedoch grenze sich von solchen Personen ab. An diesem Fall kommt neben dem alltagspraktischen Gebrauch der slowenischen Sprache und der Bilingualität ein weiterer Aspekt des Kärntner Slowenischen zum Vorschein: Wenn der Interviewpartner angibt, dass er »schon irgendwie stolz« (Jernej B.; 20 Jahre) sei auf seine Slowenischsprachigkeit und diese – anders als Personen, die ihre Slowenischsprachigkeit unterdrücken oder verdecken – nicht verberge, bringt er damit zum Ausdruck, dass für die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen die slowenische Sprache nicht nur im Sinne eines Kommunikationsmittels eine Rolle spielt; mindestens ebenso wichtig sind der soziale Umgang mit ihr und der Status, der ihr zuerkannt wird. Jernej B. führt weiter aus, dass dem Kärntner Slowenischen in seinem Alltag eine höchst bedeutsame Position zukomme. Die Frage etwa, »dass ich Kärntner Slowene bin, hat für mich im Alltag eigentlich schon a große Bedeutung. Weil überall, so im Verein, oder zu Hause, oder also meistens im Alltag, wenn ich irgend an Termin hab oder so, isses immer in Slowenisch. Weil ich auch jetzt sehr verbunden bin mit slowenischen Organisationen. Wenn ich so überleg, also, ich gebrauch des Slowenische sehr oft im Alltag. Die meisten meiner Freunde sand slowenischsprachig, ob im Verein oder sonst wo. Des is jetzt eigentlich des Einzige, was i tu: Ich mach Verein und mit Freunden und zu Hause. Jetzt. Grad beim Zivildienst wird’s natürlich andersd sein, da wird wieder des Deutsche präsenter sein. […] Aber jetzt zurzeit brauch i Slowenisch eigentlich echt sehr häufig. Mehr als des Deutsche.« (Jernej B.; 20 Jahre)

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Die Notation der Transkriptionen folgt folgenden Konventionen: [...] bezeichnet eine Pause, Fettmarkierungen zeigen Betonungen an. Wortabbrüche sind durch einen Bindestrich gekennzeichnet (z. B.: Übermor-). Auch außersprachliche Äußerungen wie Seufzen oder Lachen sind in Klammer gesetzt [z. B.: (seufzt) oder (lacht)].

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An dieser Stelle wird abermals deutlich, dass Jernej das Kärntner Slowenische eng mit dem Sprechen der slowenischen Sprache im Alltag assoziiert. Alltagssituationen, in denen er regelmäßig auf Slowenisch kommuniziert, sind für ihn die Momente, in denen sich seine Identität als Kärntner Slowene manifestiert. Bei den Bereichen, in denen die slowenische Sprache seine alltägliche Kommunikation dominiert – er nennt den familiären Kontext, den Freundeskreis, den (Kultur-)Verein und weitere slowenische Organisationen, in denen er aktiv ist –, handelt es sich vorrangig um Teile seines Privatlebens. Daneben gibt es Bereiche, in denen Jernej B. zumeist deutsch spricht. Insbesondere im Rahmen seiner Tätigkeit als Zivildiener kommuniziert er ausschließlich in deutscher Sprache. Andrej R.: Kärntner Slowen_in zu sein heißt, mehr slowenisch zu sprechen und aktiv etwas für die Sprache zu tun Im Unterschied zu Jernej B., der betont, dass er seine Slowenischsprachigkeit nicht verstecke, ist für einen anderen Jugendlichen, Andrej R., die Fähigkeit, Slowenisch zu sprechen und zu verstehen, auch mit einer sozialen Verpflichtung verbunden. Zum Zeitpunkt des Interviews besucht Andrej, der in einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt mit sehr hohem Anteil an slowenischsprachigen Einwohner_innen lebt, das BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec. So wie Jernej B. identifiziert auch er sich mit dem Kärntner Slowenischen. Die ethnische Selbstverortung hat bei dem Schüler nichts Zögerliches an sich – vor allem deswegen, weil die slowenische Sprache als Kommunikationsmedium in seinem Alltag sehr präsent ist: »Also ich ordne mich bei den Kärntner Slowenen ein. […] Also ich könnte nicht ohne die slowenische Sprache zurechtkommen. Und auch die slowenische Sprache, die ist einfach sehr toll. Na, die gefällt mir. Und mit den Freunden rede ich gerne slowenisch, auch im Dialekt. Die deutsche Sprache ist auch interessant. Doch für mich ist die slowenische Sprache, also sie ist mehr wert für mich. Sie bedeutet mir mehr.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Den Großteil seiner alltäglichen Aktivitäten wickelt Andrej R. in slowenischer Sprache ab, was wohl stark damit zusammenhängt, dass er mit seiner Familie in einer vergleichsweise homogen slowenischsprachigen Gemeinde wohnt, die slowenische Sprache also nicht nur in seinem familiären Kontext, sondern in seinem gesamten Freundeskreis und Wohnumfeld sehr präsent ist. Er meint sogar, dass er ohne die slowenische Sprache im Alltag gar nicht zurechtkommen würde. Das Slowenische ist sein zentrales Verständigungsmedium – wenn er sich in seiner Herkunftsgemeinde befindet. Mit dieser häufigen Verwendung des Kommunikationsmediums im Alltag stellt Andrej R. eine Ausnahme dar. Nur für wenige der interviewten jungen Menschen spielt die slowenische Sprache auch außerhalb des familiären Gefüges eine

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derart zentrale Rolle. Wenn überhaupt, trifft dies nur auf Jugendliche zu, die im Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsraums in einer vergleichsweise homogen slowenischsprachigen Ortschaft wohnhaft sind. In der von ihm erstellten Sprachenhierarchie erkennt Andrej dem Slowenischen eindeutig eine höhere Stellung und eine größere Bedeutung zu als dem Deutschen: »Wenn ich jetzt irgendwas tue, probiere ich es immer in Slowenisch zu machen. Auch überhaupt in der Schule oder sonst wo versuch ich auch irgendwie die slowenische Sprache zu nützen und einzusetzen. Und ja, ich probiere halt, wie es geht, na, dass die slowenische Sprache an der ersten Stelle steht. Und ja, so auch andere zu bewegen, dass sie mehr slowenisch sprechen. […] Früher war mir das nicht so wichtig. Da war’s mir auch nicht so bewusst, dass ich ein Kärntner Slowener bin. Aber jetzt wo ich ein bisschen älter bin […] hab ich schon kapiert, dass ich einer bin und dass man mehr slowenisch redn muss, und dass man mehr tun muss für die Sprache und so.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Deutlich wird in der Aussage, dass für Andrej die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen mit einer impliziten Erwartungshaltung hinsichtlich sprachlicher Umgangsformen einhergeht. Dabei kommt eine Reihe symbolischer Aspekte zum Ausdruck. So beinhalten seine Slowenischsprachigkeit und seine daraus resultierende Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen eine soziale Verpflichtung, nämlich die, mehr aktiv slowenisch zu sprechen und sich für die Sprache einzusetzen. Seiner Meinung nach sollten slowenischsprachige Menschen ihrer Muttersprache nicht nur einen höheren sozialen Stellenwert einräumen, sondern ihr auch in praktischer Hinsicht, in der alltäglichen Kommunikation, gegenüber dem Deutschen den Vorzug geben. Maja T.: Kärntner Slowen_in zu sein heißt nicht, im Alltag aktiv viel slowenisch zu sprechen, sondern sich für die Sprache einzusetzen Bei der Interviewpartnerin Maja T. kommt ein weiterer Bestandteil der symbolischen Dimension der Slowenischsprachigkeit zum Vorschein. Während im Fall von Andrej R. eine implizite Verpflichtung gegenüber der slowenischen Sprache in den Vordergrund tritt, derzufolge jemand mit slowenischsprachigem Familienhintergrund dazu angehalten ist, die Sprache aktiv zu sprechen und sie in ihrer Bedeutung über das Deutsche zu stellen, betont Maja T. einen anderen Aspekt. Zentral ist für sie weniger der praktische Gebrauch der slowenischen Sprache als Kommunikationsmittel, sondern der symbolische Einsatz für die Slowenischsprachigkeit. Ein aktives Sprechen der slowenischen Sprache zur zwischenmenschlichen Verständigung ist in ihren Augen für das Kärntner Slowenische eher von nachrangiger Bedeutung. Zwar spricht Maja, die die Zweisprachige HAK in Klagenfurt/Celovec besucht und in einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt im Kerngebiet des slowenischen Sprachraums wohnt,

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mit ihren Eltern im Alltag ausschließlich slowenisch, im Freundeskreis und in der Schule kommuniziert sie indes in erster Linie in deutscher Sprache. Dies auch deshalb, weil es ihr schwerfalle, komplexe Sachverhalte im Slowenischen zu verbalisieren: »Also i schreib Tagebuch, aber nur auf Deitsch. […] Und i denk aa in Deutsch. Des is so, i waß net, i find in Slowenisch manchmal kaane Wörter. Und i find aa die Sprach ziemlich hm, ja, einfältig. I konn, also i hab erst in der Schul also so literarisch die Sprach kennenglernt. Und daham is eben so Alltagsgerede. Also so ausdrücken kann i mi net. Also i find in der deutschen Sprach einfach mehr Wörter, Eigenschaftswörter und Ausdrücke so. Also so bei slowenischen Schularbeiten und schulischen Aufgaben denk i mir immer: ›Aah kann i des net in Deutsch schreibn?!‹ Einfach des, des follt mer vül leichter!« (Maja T.; 18 Jahre)

Nicht nur, dass ihr die deutsche Sprache als Kommunikationsmedium im Alltag nähersteht – auffällig ist auch, dass Maja T. nicht mit Stolz auf ihre Slowenischsprachigkeit verweist, sondern ihre Muttersprache abwertet, indem sie sie als »einfältig« (Maja T.; 18 Jahre) charakterisiert. Aber trotz des Umstands, dass ihre sogenannte ›Denksprache‹ die deutsche Sprache ist und sie ihr Tagebuch in deutscher Sprache verfasst, versteht sich Maja T. entschieden als Kärntner Slowenin, wie im nachfolgenden Zitat zum Ausdruck kommt: »Dass i Kärntner Slowenin bin, heißt für mi, dass i die slowenische Sprache eben in Wort und Schrift willkommen heiß einfach, und mi dafür stark mach. [...] Ja, dass man eben auch zeigt, dass es existiert. Eben durch Ortstafeln und Aufschriften. [...] Und nicht eben als was Fremdes darstellt.« (Maja T.; 18 Jahre)

Die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zeigt sich für Maja T. nicht nur durch den praktischen Sprachgebrauch in der Alltagskommunikation. Darüber hinaus gelte es, sich für die Sprache zu engagieren. Dabei spricht sie den Ortstafelkonflikt an, zu dem sie sich als Kärntner Slowenin entsprechend positioniere, eben indem sie zweisprachige Ortstafeln und Aufschriften einfordere und deren Aufstellung unterstütze. Mit dieser Haltung markiert sie ihre Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen. Darin zeigt sich ein Aufbrechen ethnischer Kategorien, da aus ihrer Selbstverortung als Kärntner Slowenin für Maja T. keineswegs folgt, dass sie im Alltag sonderlich viel slowenisch sprechen, die Sprache im Sinne eines Verständigungsmediums gebrauchen würde. Für sie besteht das Kärntner Slowenische vielmehr darin, sich aus politischen Motiven heraus symbolisch für die slowenische Sprache und für deren Präsenz einzusetzen.

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Diese Haltung resultiert, so Maja, aus der Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška. So sei ihr Engagement für die slowenische Sprache gleichzeitig ein Kampf gegen deutschnationale Organisationen, wie beispielsweise den KHD oder den KAB, die eine antislowenische Stimmung beförderten. Ihr sprachpolitisches Engagement führt die Schülerin darauf zurück, dass die slowenische Sprache oftmals als »was Fremdes« (Maja T.; 18 Jahre) und als etwas nicht zu Kärnten/ Koroška Gehöriges dargestellt werde. Sich als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu fühlen, heißt für sie vor diesem Hintergrund auch, für die Rehabilitation des Slowenischen einzutreten und zu zeigen, dass die Sprache etwas genuin Kärntnerisches ist. Sonja V.: Kärntner Slowen_in zu sein bedeutet, in Vereinen aktiv dazu beizutragen, dass die Sprache nicht in Vergessenheit gerät Wie das Beispiel Maja T. zeigt, ist die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen eher an den symbolischen Bedeutungen der Slowenischsprachigkeit festzumachen und weniger daran, dass Personen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund in möglichst vielen Lebensbereichen aktiv Slowenisch als Kommunikationsmedium verwenden. Der Fall Sonja V. – eine Schülerin des slowenischsprachigen Gymnasiums in Klagenfurt/Celovec – fördert einen weiteren symbolischen Aspekt der Slowenischsprachigkeit zutage. Die Entschlossenheit und die Vehemenz, mit der sich Personen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund aktiv für die Sprache einsetzen, rührt daher, dass die Zukunft der slowenischen Sprache als bedroht und ungewiss dargestellt wird. Deutlich wird dies daran, wie Sonja ihr ethnisches Selbstverständnis als Kärntner Slowenin schildert: »Kärntner Slowene zu sein bedeutet für mich, zu einer Gruppe dazuzugehören. In unserem Fall nicht einem Fußballverein, sondern der slowenischen Volksgruppe in Kärnten. Ich red aber im Alltag eigentlich nicht so viel slowenisch. Außer mit meiner Familie, da rede ich nur slowenisch. Es gibt viele slowenischsprachige Vereine in meiner Gegend, und ich gehöre auch dem zweisprachigen Chor in unserer Gemeinde7 an. Es ist mir sehr wichtig, in diesem Chor zu singen und eine slowenische Schule zu besuchen, da ich die slowenische Sprache unbedingt weitersprechen möchte, und sie in Kärnten nicht in Vergessenheit geraten soll.« (Sonja V.; 16 Jahre; BADZ)

7

Die Orte und Gemeinden, in denen die Interviewpartner_innen leben, wurden, im Unterschied zum politischen Bezirk, in dem sie liegen, in den Transkripten unkenntlich gemacht. Die kursive Schreibweise zeigt die Anonymisierung persönlicher Bezüge, Namen oder Ortsangaben an. Die Namen von Vereinen wurden indes beibehalten. Auch das Alter der Interviewpartner_innen wird angegeben.

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Aus dem Ausschnitt geht hervor, dass Sonja in ihrem Alltag, also mit Freund_innen, in der Schule, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei der Online-Kommunikation, die slowenische Sprache eigentlich wenig benutzt, im familiären Kontext dagegen ausschließlich auf Slowenisch kommuniziert. Bemerkenswert daran ist, dass die Interviewpartnerin – ebenso wie etwa der Schüler Andrej R. – in einer mehrheitlich slowenischsprachigen Gemeinde in Südkärnten lebt und sich in ihrer Wohngemeinde in einem relativ homogenen slowenischsprachigen Umfeld bewegt. Doch obwohl sie Slowenisch nicht in allen Lebensbereichen als Ausdrucksmittel verwendet, definiert sie sich vorbehaltlos als Kärntner Slowenin. Als solcher ist ihr auch wichtig, dass sie das BG/BRG für Slowen_innen besucht und in slowenischsprachigen Kulturvereinen aktiv ist – etwas, das für slowenischsprachige Menschen verpflichtend sein sollte, wie sie an anderer Stelle betont. Gespeist wird diese Überzeugung aus der Angst, die slowenische Sprache könne verschwinden. Aus diesem Grund will sie dazu beitragen, dass diese in Kärnten/Koroška nicht in Vergessenheit gerät. Der Slowenischsprachigkeit haftet für die Interviewpartnerin somit ein zusätzliches symbolisches Moment an: das des drohenden Verschwindens der slowenischen Sprache. Diese Auffassung wird von fast allen jungen Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund mit nur wenigen Ausnahmen geteilt. Dieses empfundene Bedrohungsszenario bewegt die Schülerin dazu, sich für den Erhalt der Sprache aktiv einzusetzen. Dass sie eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache besucht und in einem slowenischsprachigen Chor aktiv ist, sieht sie als Facetten dieses Engagements. In den ethnischen Selbstverortungen figuriert als die dominante ethnische Kategorie, an der sich junge slowenischsprachige Menschen orientieren, das Kärntner Slowenische. Die beiden Konstituenten dieser ethnischen Kategorie sind einerseits die Beheimatung im südlichen Kärnten/Koroška und andererseits die Slowenischsprachigkeit – die slowenische Sprache als alltägliches Verständigungsmedium erweist sich als Ressource für die ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowen_in. Wichtig ist, dass die Betreffenden im familiären Kontext in slowenischer Sprache kommunizieren, auf andere Lebensbereiche muss dies jedoch keineswegs zutreffen. Außerhalb des Familienlebens tritt vielmehr die symbolische Dimension der Slowenischsprachigkeit in den Vordergrund. So kann sich das Kärntner Slowenische auch darin zeigen, dass sich jemand aktiv und aus politischen Motiven für die slowenische Sprache engagiert. Ein solcher Einsatz für die Slowenischsprachigkeit, das legen die Äußerungen der jungen Menschen nahe, wird offenbar als implizite Verpflichtung angesehen. Eine der Formen, wie dies in der alltäglichen Praxis umgesetzt werden kann, ist das Engagement in slowenischsprachigen Kulturvereinen.

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Neben der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen begreifen junge Menschen, wie bereits die Äußerungen von Jernej B. zeigten, auch ihre Zweisprachigkeit als zentralen Identitätsbaustein. Deutlich wird dies etwa auch bei der Schülerin Katja F., die meint: »Also ich finde es sehr toll, dass man eben also auch die Möglichkeit hat, zwei Sprachen zu sprechen anstatt nur eine. Und ja, ich finde, man sollte das, wenn man echt die Möglichkeit dazu hat, man sollte das dann voll und ganz ausnutzen oder auskosten. Je mehr Sprachen man kann, desto besser, oder nicht? Also ich seh mich so eher, als Zweisprachige.« (Katja F.; 19 Jahre)

Für wesentlich hält auch diese Schülerin weniger ihre Slowenischsprachigkeit als vielmehr ihre Zweisprachigkeit. Diese ist für sie der Kernbestandteil ihrer ethnischen Selbstverortung. So sieht sich Katja nicht explizit als Kärntner Slowenin, sondern versteht sich stattdessen »als Zweisprachige« (Katja F.; 19 Jahre). In ihrem Fall hat sich aus der Kompetenz, bilingual kommunizieren zu können, eine eigenständige ethnische Kategorie entwickelt. Dass sie die Zweisprachigkeit so hervorhebt, begründet Katja auch damit, dass sie die Mehrsprachigkeit generell als eine erstrebenswerte Fähigkeit einschätzt, egal um welche Sprachen es sich handelt. Zum Ausdruck kommt darin ein nutzenkalkulierender und durchaus strategischer Zugang zur slowenischen Sprache. Darin unterscheidet sie sich von anderen jungen Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, für die diese das zentrale, emotionale Identifikationssymbol darstellt. Aber auch wenn Katja F. den Status der slowenischen Sprache zurückschraubt, bindet sie ihre ethnische Selbstverortung nichtsdestotrotz direkt an ihre sprachlichen Kompetenzen. 5.2.2 Zuschreibungen durch die Eigengruppe Bei den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten ethnischen Selbstbildern handelt es sich – getreu dem Konzept der ›social identity‹ von Richard Jenkins – nicht um individuelle Gedankenspiele, denen die jungen Menschen losgelöst und abgeschieden von ihrer sozialen Umwelt nachhängen würden. Vielmehr entwickeln sie derartige Selbstverortungen im wechselseitigen Austausch mit den Angehörigen der ethnischen Eigengruppe. Letzteren obliegt es dabei, die formulierten und nach außen hin signalisierten ethnischen Selbstbilder anzuerkennen oder auch zurückzuweisen. Dass der Weg der Anerkennung einer ethnischen Selbstverortung durchaus hürdenreich sein und sogar verwehrt werden kann, zeigt das Beispiel der Schülerin Stephanie L., die in einem deutschsprachigen Elternhaus in einer mehrheitlich slowenischsprachigen Ortschaft im Bezirk Völkermarkt nahe der Grenze zu Slowenien aufgewachsen ist. Obwohl ihre Eltern selbst keine slowenischen Wurzeln haben,

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besuchte sie stets Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache, und deswegen betrachtet sie sich auch als Kärntner Slowenin: »Also ich würde schon sagn, dass ich Kärntner Slowenin bin, weil ich kann Slowenisch und deswegen seh ich mich einfach dafür. Na, und ich bin auch in dieser Region einfach aufgewachsn und daher, wenn mich das jemand fragt, dann sag ich: ›Ja, ich bin Kärntner Slowenin!‹« (Stephanie L.; 16 Jahre)

Von ihren Klassenkamerad_innen wird die ethnische Selbstdefinition der Schülerin als Kärntner Slowenin indes nicht umstandslos geteilt. Während jene, die Stephanie bereits seit der zweisprachigen Volksschule kennen, wie beispielsweise Andrej R., sie durchaus als solche ansehen, ist der Großteil ihrer Mitschüler_innen anderer Auffassung. Diese sprechen ihr die Berechtigung, sich als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu bezeichnen, schlichtweg ab – exzellente Slowenischkenntnisse hin oder her. Exemplarisch für diese Verweigerungshaltung sei hier die Ansicht ihrer Mitschülerin Lidija H. angeführt: »Es is jetzt voll gemein, wenn i des sag, aber sie [Stephanie L. (J. K.)] is es net, sie ist kei Kärntner Slowenin. Wenn sie slowenisch redet, des is so ... aber sie hat’s als Fremdsprache glernt. Und deswegen. Halt Kärntner Slowene is mehr für mi, wenn du anfach, wenn du anfach mit der slowenischen Sprach aufgwachsen bist, so wie wir halt, und wenn es einfach schon weitergegeben wurde und alles. Und die Steffi is halt so dazu kommen. I man, is ja nix Schlechtes.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Lidija H. ist nicht bereit, die ethnische Selbstverortung ihrer Mitschülerin als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu akzeptieren, habe diese die slowenische Sprache doch als Fremdsprache und nicht – um mit den Worten von Lidija H. zu sprechen – »von Anfang an« (Lidija H.; 16 Jahre) gelernt. Da ihre Eltern die Sprache nicht an sie weitergegeben haben und sie deswegen auch keinen regionalen slowenischen Dialekt, sondern nur die Schriftsprache spricht, wird Stephanies ethnische Selbstverortung nicht anerkannt, weil sie nicht »so wie wir halt« (Lidija H.; 16 Jahre) sei. Grundsätzlich kann nach Lidijas Ansicht eine Person erst dann als Kärntner Slowen_in betrachtet werden, wenn sie eine Reihe von Anforderungen erfüllt: »Kärntner Slowene is man, wenn man anfach die Sprache weiter pflegt, wenn man sich für die Sprache einsetzt. Wenn ma’s den Kindern weitergibt […]. Aber wenn du’s weitergibst, i maan, wenn du dann in so ein’n Ort, wie meine Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land, oder so dann ziehn würdest, dann könntest irgendwann mal Kärntner Slowene werdn.« (Lidija H.; 16 Jahre)

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Aus diesen Worten spricht die Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen mehr voraussetzt als einen entsprechenden Familienhintergrund: nämlich die Bereitschaft, die slowenische Sprache zu schätzen und zu pflegen, sich für sie einzusetzen, in einer slowenischsprachigen Gemeinde zu leben, Slowenisch an die eigene Nachkommenschaft weiterzugeben und so zur Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit beizutragen. Ähnlich wie Lidija H. positioniert sich auch Jernej B. zur Frage der Anerkennung von ethnischen Selbstverortungen. Auch er erachtet ein slowenischsprachiges Elternhaus als unabdingbare Voraussetzung, um als Kärntner Slowen_in anerkannt werden zu können. Seine Ansichten dazu führt Jernej B. am Beispiel eines Bekannten aus, der sich zwar selbst als Kärntner Slowene bezeichnet, allerdings in einem monolingual deutschsprachigen Elternhaus (mit verblassten slowenischsprachigen Wurzeln) aufgewachsen ist. »I glaub, als Kärntner Slowene wird ma eher geboren, eben weil wegen der Muttersprach und wegen em Dialekt. Also den Dialekt lernt ma dann ja eigentlich nie, den slowenischen. Ma lernt ja nur des Schriftliche. Oder sag mer so, i glaub, so Leut wie er [sein Bekannter (J. K.)], die net von Geburt an slowenisch redn, werden mit ihren Kindern wahrscheinlich aa net slowenisch redn. Aber es gibt wahrscheinlich auch Fälle, die sich drum bemühn werden, mit ihrn Kindern slowenisch zu redn. Aber bei ihm, also i glaub eben net, dass er sich als Kärntner Slowene eben wirklich fühlt. Er sogt halt, er wäre Kärntner Slowene, und er konn halt Slowenisch, er versteht’s, er wird’s wahrscheinlich immer in sein Lebenslauf schreibn, aber er wird wahrscheinlich von sich nie überzeugt sagen, dass er jetzt wirklich a Kärntner Slowene is.« (Jernej B., 20 Jahre)

Jernej B. macht einen Unterschied zwischen Personen, die sich schlicht als Kärntner Slowen_in bezeichnen, und solchen, die wirklich davon überzeugt sind, sich auch als eine/r fühlen und dies vor allem praktisch werden lassen. Ersteren nimmt er ihren Einsatz für das Kärntner Slowenische nicht ab. So auch seinem Bekannten, dessen ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowene er sowohl aus diesem Grund als auch deswegen, weil der weder einen der regionalen Dialekte des Slowenischen kann und – so die Überzeugung von Jernej B. – die slowenische Sprache nicht an seine zukünftigen Kinder weitergeben wird, er nicht anerkennen will. Vielmehr stellt er die Ernsthaftigkeit von dessen Selbstdefinition infrage. Denn als Kärntner Slowen_innen könne sich nach Ansicht von Jernej nur zweitere Gruppe bezeichnen, also jene, die sich »wirklich« (Jernej B.; 20 Jahre) als solche fühlen und die sich darum bemühen (werden), die eigenen Kinder slowenischsprachig zu erziehen. Zentrale Indizien für die Zugehörigkeit zu dieser zweiten Gruppe seien die Beherrschung und der aktive alltägliche Gebrauch eines der regionalen slowenischen Dialekte.

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Im Fall von Lidija H. und Jernej B. zeigt sich, dass die Anerkennung der ethnischen Selbstverortung als Kärntner Slowen_innen durch slowenischsprachige Menschen mit vielen Hürden verbunden ist und durchaus verwehrt werden kann. Dies gilt insbesondere für Personen wie Stephanie L., die nicht ins traditionelle Bild des Kärntner Slowenischen passen, da sie eben nicht in einer Familie mit zwei slowenischsprachigen Elternteilen aufgewachsen sind und keinen regionalen slowenischen Dialekt, sondern nur die slowenische Schriftsprache sprechen. Und auch wenn es zu der Frage, wer als Kärntner Slowen_in gilt und wer nicht, durchaus unterschiedliche Meinungen gibt, stoßen ethnische Selbstdefinitionen als Kärntner Slowen_innen in diesen Fällen häufig auf Widerspruch. Dass eine Person als Kärntner Slowen_in angesehen wird, hängt sehr eng mit der slowenischen Sprache zusammen. Allerdings ist für die Anerkennung der Selbstverortung nicht nur der Gebrauch der Sprache als Kommunikationsmittel ausschlaggebend, sondern auch eine symbolische Haltung und ein praktischer Einsatz für deren Zukunft. Die hohen Hürden, die es für die Zuerkennung der ethnischen Identität des Kärntner Slowenischen zu überwinden gilt, sprechen dafür, dass sich die ethnische Kategorie durch schroffe ethnische Demarkationslinien sowie durch einen exklusiven Charakter auszeichnet. 5.2.3 Fremdethnisierungen durch die Außengruppe Ein dritter Aspekt, der neben den ethnischen Selbstverortungen und den Ansichten von Angehörigen der ethnischen Eigengruppe zur sozialen ethnischen Identität beiträgt, sind nach Richard Jenkins ethnische Fremdzuschreibungen durch Angehörige der ethnischen Außengruppe. Mit Blick auf Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in gemischtsprachigen Gebieten, die durch eine Geschichte von Konflikten gekennzeichnet sind – wie in Kärnten/Koroška der Fall –, finden solche Fremdzuschreibungen von Außenstehenden oftmals in Form von Diskriminierungen statt. Diesen kommt in weiterer Folge eine große Bedeutung für die Konstituierung sozialer ethnischer Identitäten zu, wie die nachfolgenden Beispiele aufzeigen. Ethnische Diffamierungen in öffentlichen Verkehrsmitteln Ethnische Anfeindungen erfahren junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund insbesondere in der Kindheit und Jugend. Häufiger Schauplatz sind etwa öffentliche Verkehrsmittel, als Anlass dient in der Regel der Gebrauch der slowenischen Sprache in der Kommunikation der Kinder oder Jugendlichen untereinander. Ein Interviewpartner, der in einer kleinen Ortschaft im Bezirk Völkermarkt wohnt und der, um in die Schule nach Klagenfurt/Celovec zu gelangen, auf den Zug

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angewiesen ist, berichtet, dass er bereits wiederholt mit verbalen Anfeindungen, Beschimpfungen oder Diskriminierungen vonseiten deutschsprachiger Personen konfrontiert gewesen sei: »Es geschehen auch sehr schlechte Sachen hier, und es gibt sehr viel Diskriminierung. Und man spürt das doch auch, überall. Also, wenn man jedn Tag mit dem Zug fährt, – also jetzt passiert das nicht mehr, jetzt bin i größer – aber als ich noch klein war, da sagtn die Leute ab und zu: ›Zrück über die Karawanken!‹ und: ›Was tust du überhaupt hier?‹ Oder: ›Red deitsch! Du bist in Österreich!‹ Und solche Meldungen. Das gibt’s sehr häufig. […] Vor zwei Jahrn hat des bei mir mit die Anfeindungen aufghört. Weil da getraun sich die Leute nicht mehr. Natürlich wenn du größer bist. Aber früher, wo ich angefangen hab, des slowenische Gymnasium zu besuchn. Also das war, jedn Tag ka ma fast sagn, täglich fast, hat ma da was zu hörn bekommen. Und sehr viel von Leuten, auch aus dem Lavanttal. Und ja. Dort ist einfach soo eine Feindlichkeit!« (Florian O.; 17 Jahre)

Von einem ähnlichen Erlebnis berichtet auch eine andere Interviewpartnerin, das jedoch nicht ihr selbst, sondern einem Bekannten auf dem Schulweg nach Klagenfurt/ Celovec in einem Zug widerfahren sei: »Überhaupt bei die Kleinen passiert des häufig. Weil die Kleinen sind ja eher lauter, und schrein manchmal. Und dann regn sich halt andre Leute auf. Und überhaupt die Wolfsberger, die sind immer so brutal. Ein Freund halt von mir, der is halt ein Freund von meim Bruder, er is elf oder zwölf, hat gesagt, dass se gemeinsam auf Slowenisch gredet ham im Zug, und dann ham so wieder so Idioten zu denen gesagt, dass se vergast ghörn. Und dass se hier nichts zu suchn ham. Und dass sie gefälligst deutsch redn solln, und so. Des sagn die zu elfjährigen Kindern! Hallo?« (Marija H.; 18 Jahre)

Verbale Einschüchterungsversuche im nationalsozialistischen Jargon sind für slowenischsprachige junge Menschen, auch wenn sie nicht selbst davon betroffen sind, offenbar nichts Unbekanntes. Und nach der Vielzahl der von den Befragten geschilderten Fälle – Beschimpfungen wegen ihrer Umgangssprache auf dem Schulweg – zu urteilen, sind öffentliche Verkehrsmittel neuralgische Orte, an denen es besonders häufig zu ethnischen Anfeindungen kommt. Das hängt auch damit zusammen, dass slowenischsprachige Klassenkamerad_innen den Schulweg in der Regel nicht allein, sondern in der Gruppe zurücklegen und dabei nicht selten weithin hörbar untereinander kommunizieren. Bei der öffentlichen Verkehrsverbindung, auf die sich Marija H. und Florian O. beziehen, handelt es sich um eine regionale Zugstrecke, die von der Bezirkshauptstadt Wolfsberg – im gleichnamigen, homogen deutschsprachigen Bezirk im Lavanttal – über eine Reihe von Gemeinden im Bezirk Völkermarkt mit ho-

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hem slowenischsprachigem Bevölkerungsanteil bis nach Klagenfurt/Celovec verläuft. Auf der Linie seien Diffamierungen von slowenischsprachigen Kindern und Jugendlichen an der Tagesordnung. Der Interviewpartner Luka S. bestätigt diese Einschätzung und ergänzt, dass die Anfeindungen nicht nur von deutschsprachigen Jugendlichen oder Schüler_innen, sondern auch von Erwachsenen ausgingen, selbst vom Bahnpersonal: »Des war am Gymnasium, wo halt no klein bist, erste zweite durtn. Da bin i häufig beschimpft worn. Fahrst halt mit’m Zug no nach Wolfsberg obe. Und durt sind halt die Wolfsberger Schaffner. Sigst so richtig, dass de noch solche Nazis sand. Leider echt so. I maan, i war net betroffn, i bin daneben gsessen auf’m Vierer. Die neben mir ham halt eh normal slowenisch gredet, und auf einmal kommt der Schaffner und schreit: ›Eh, hört’s auf slowenisch z’redn! Sonst hau i euch ausse! Könnt’s glei Strof zahln!‹ Und da is logisch, was werst’n als klanes Kind da sagn, du werst’m ja nix zruckmaulen oder so. Du werst einfach ruhig sein oder so. Die wolln dir ja des sozusagen austreibn dortn.« (Luka S.; 17 Jahre)

Allerdings kommen die verbalen Übergriffe seitens deutschsprachiger Erwachsener seltener vor, je älter die slowenischsprachigen Heranwachsenden sind. Zwar kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass der Anlass für die Beschimpfung eine besonders lautstarke Kommunikationspraxis ist. Dass die Reaktion darauf sich aber nicht in einer Ermahnung erschöpft, sondern eben in eine ethnisch motivierte Beschimpfung ausartet, lässt doch eher auf eine antislowenische Haltung schließen. Ein Erlebnis des Schülers Gregor M. zeigt, dass derartige Diffamierungen sich nicht nur in einem Regionalzug, sondern auch in einer Großstadt wie Klagenfurt/ Celovec ereignen können: »Also ich bin amal mit am Freund im Bus gefahrn, nach der Schul zum Hauptbahnhof. Außer uns war kaum jemand im Bus, und wir ham uns laut slowenisch unterhaltn und sind halt dagsessn. Und da is eine alte Frau vorbeigegangen, eine betagte, und hörte, dass wir slowenisch redn. Zuerst hab ich so aus den Augenwinkeln mitbekommen, dass sie vorbeigeht und stehnblieben ist und mich blöd anschaut. Ich wollt ihr dann schon Platz machen und ihr meinen Sessel anbieten. […] Ich wollte grade runtergehen, auf amal nimmt sie ihrn Stock und schlägt mir so auf den Oberschenkel: ›Geh obbe da! Geh obbe da! Lass mi sitzn, du Tschuusch!‹« (Gregor M.; 18 Jahre)

Der Ausdruck ›Tschusch‹ wird im gesamten österreichischen Staatsgebiet als Schimpfwort verwendet, in erster Linie für Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Zwar ist nicht mit Sicherheit davon auszugehen, dass die ältere Frau die gesprochene Sprache als Slowenisch identifizieren konnte und die nachdrückliche Aufforderung an die beiden Jugendlichen, aufzustehen, antislowenische oder überhaupt

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xenophobe Züge trägt. Nichtsdestotrotz bestärkte der Vorfall die beiden Jugendlichen in ihrem Eindruck, dass deutschsprachige Menschen in Kärnten/Koroška – auch in Klagenfurt/Celovec –, slowen_innenfeindlich sind und das Slowenischsprechen in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit mit durchaus unangenehmen Folgen erregen kann. Marija H. berichtet von einem Erlebnis, das ihr und einer slowenischsprachigen Freundin beim Ausgehen in einer Kleinstadt in der Nähe ihrer Wohngemeinde im Bezirk Völkermarkt widerfahren ist: »Das war beim Fortgehen. Und da ham wir nicht slowenisch geredet miteinander. Und dann kommt plötzlich irgendwie einer auf uns zu, und hat uns sufurt gfragt, ob ma Slowenisch kennen. Hat er uns halt gefrogt, ob wir Slowenen sand, und ob wir Slowenisch sprechn. Und wir so ›Ja‹. Und er so: ›Na was! Und ihr lebt hier in Österreich, was is denn mit euch? Ich zum Beispiel bin ein reiner Österreicher, ich sprech nur deutsch. Und ich hasse Slowener! Und die ham nichts hier zu tun. Die Muttersprache soll Deutsch in Österreich sein!‹ Und und und. […] Wenn man slowenisch spricht, heißt’s häufig: ›Schleicht’s euch obbe über die Karawanken!‹« (Marija H.; 18 Jahre)

Die verbalen Anfeindungen, die slowenischsprachige junge Menschen zu hören bekommen, weisen stets die gleichen Muster auf. So zielen sie stets darauf ab, die Slowenischsprachigkeit als etwas Fremdes, nicht zu Kärnten/Koroška und Österreich Gehöriges darzustellen und die jungen Menschen als Einwander_innen aus dem südlichen Nachbarland zu verunglimpfen, die wieder ›zurückgeschickt‹ werden müssten, weil sie aufgrund ihrer Muttersprache ja kein Recht auf die österreichische Staatsangehörigkeit besäßen. Die einander oftmals bis auf den Wortlaut gleichenden Diffamierungen werden gegenüber slowenischsprachigen Kindern und Jugendlichen, nicht aber gegenüber älteren Personen oder jungen Erwachsenen vorgebracht. Ethnische Diffamierungen bei sportlichen Wettkämpfen Außer in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Schulweg sind slowenischsprachige junge Menschen auch in anderen Situationen mit ethnischen Anfeindungen konfrontiert. Interviewpartner_innen, die in Sportvereinen einem Mannschaftssport nachgehen, berichten immer wieder von einschlägigen Diffamierungen seitens des Publikums, vor allem bei Auswärtsspielen im Südkärntner Raum. Insbesondere bei Fußballwettbewerben sind ethnische Beschimpfungen häufig zu beobachten. Dies liegt zum einen darin begründet, dass im Fußball die Zahl der Mannschaften, der Spiele und der Zuschauer_innen höher ist als bei anderen Sportarten. Zum anderen kommt es aufgrund der Vielzahl von Vereinen und des daraus resultierenden Umstands, dass diese in Ligen spielen, in denen sie nur gegen Mannschaften aus dem Südkärntner Raum treffen, immer wieder zur Konstellation, dass

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Vereine, die sich als slowenisch definieren, gegen Teams antreten, welche sich als deutsch verstehen. Diese hegen oftmals antislowenische Ressentiments und werden darin von ihren Fans auch entsprechend unterstützt. Ein Interviewpartner, Zdravko Š., der für den slowenischsprachigen Verein ›Diözesansportgemeinschaft Zell/Sele‹ (DSG Zell/Sele) in der Gemeinde Zell/Sele nahe an der Grenze zu Slowenien spielt, ist beispielsweise in einer Jugendmannschaft aktiv, die sich fast ausschließlich aus Spielern mit slowenischsprachigem Familienhintergrund zusammensetzt. Dass sein Team mit diffamierenden ethnischen Zurufen oder Gesängen gegnerischer Fans konfrontiert ist, ist seiner Beschreibung nach mehr die Regel als die Ausnahme, insbesondere bei Auswärtsspielen: »Einige Leute schrein bei Spieln immer wieder rein ›Jugo!‹ und ›Tschuschen!‹, oder so. Das ist fast normal so. Ja aber, auf das hör ich nicht mehr. […] Aber frieher, als ich noch jung war, da hab ich das noch nicht so realisiert, was er mit dem meint. Aber jetz, wo ich ein bisschen älter bin und dann das ghört hab, dann hab ich schon gedacht, was is’n das für einer, dass er so was sagt? So niveaulos und so. Aber an das gewöhnt man sich.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Dieses Phänomen kennt auch der Interviewpartner Andrej R., der im Sportverein ›Slovenski Atletski Klub‹ (SAK) in Klagenfurt/Celovec in einer Jugendmannschaft Fußball spielt. Mittlerweile verzichtet Andrej bei einem Match sogar auf den Gebrauch der slowenischen Sprache, um Fouls und unsportliche Attacken durch gegnerische Spieler zu vermeiden: »Okay, im Fußball hat, dass ich auf dem Platz nicht slowenisch rede, mehr den Grund: Dort schimpfen sie einen, wenn du von Slowenien kommst oder slowenisch sprichst. Also sie beschimpfen einen. Und foulen dich immer wieder, also auch absichtlich. Auch manchmal sehr heftig […]. Also’s gibt viele soo aggressive Spieler, die was keine Kontrolle über sich haben und die was sehr schnell durchdrehen. Also, in solchen Spielen sprech ich lieber kein Slowenisch.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Dass es Andrej R. bei Spielen vorzieht, nicht slowenisch zu sprechen, hat – wie der Interviewausschnitt verdeutlicht – vor allem den Grund, dass er damit Aggressionen und Beschimpfungen durch gegnerische Spieler provozieren könnte. So sind Fouls oder grobes Zweikampfverhalten der gegnerischen Spieler nicht selten ethnisch motiviert.8

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Dass es sich bei solchen ethnischen Beschimpfungen und Diskriminierungen nicht um Praktiken einer fernen Vergangenheit handelt, zeigt auch ein Eklat im Herbst 2015 bei einem Heimspiel der Fußballmannschaft der DSG Zell/Sele, bei dem ein Spieler des

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Dieses Phänomen ist nicht auf den Fußball beschränkt, sondern lässt sich auch in anderen Mannschaftssportarten beobachten. Auch bei Basketballspielen kommt es zu ethnisch konnotierten Beschimpfungen, wenn auch deutlich seltener. Dies hängt allerdings auch mit der geringeren Anzahl von Vereinen zusammen, weswegen Basketballmannschaften generell in höheren Ligen spielen und daher seltener auf Vereine aus der gleichen Region treffen. Nichtsdestotrotz bleiben auch in dieser Sportart Anfeindungen mit ethnischer Konnotation nicht aus. Jernej B. etwa spielt für den Basketballverein ›Košarkarski šolski klub‹ (KOŠ) in Klagenfurt/Celovec, der sich bewusst als slowenischsprachiger Verein positioniert (vgl. KOŠ 2013). Der junge Mann berichtet, dass sein Team bei Gastspielen gegen bestimmte Kärntner Mannschaften vereinzelt ethnischen Beschimpfungen durch das Publikum ausgesetzt sei: »Ja, da hat’s schon Dinge gebe wie: ›Geht’s zrück über die Karawanken!‹, ›Jugos redet’s deitsch!‹ und so. Also schon recht extreme Fans. Also s’sind jetzt net alle im Kärntneranzug, und sind au net alle so, dass se so schimpfen gegen uns, aber es hat scho anige so Beispiele gebn.« (Jernej B.; 20 Jahre)

Zwar ist nicht jedes Auswärtsspiel von slowenischfeindlichen Beschimpfungen begleitet, auch Jernejs Team hatte ethnische Diffamierungen nur bei einigen Gastspielen in Kärntner Städten über sich ergehen lassen müssen, und auch das nur durch eine kleine Gruppe. Das Muster der ethnischen Anfeindungen ist jedoch dasselbe wie in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Fußballspielen, auch die Beschimpfungen gleichen sich mitunter aufs Wort. Auch bei Mannschaftswettkämpfen wird vonseiten des deutschsprachigen Publikums die Slowenischsprachigkeit als etwas Fremdes und nicht zu Kärnten/Koroška Gehöriges stigmatisiert, die Sprecher_innen der slowenischen Sprache werden als ›Jugos‹ diffamiert, als Einwander_innen verunglimpft und über die Karawanken nach Slowenien fortgewunschen. 5.2.4 Die Konstituierung sozialer ethnischer Identitäten: Slowenischsprachigkeit als ethnisches Alleinstellungsmerkmal Bei der empirischen Analyse zeigt sich also, dass slowenischsprachige junge Menschen ethnische Identitäten im Zuge eines Wechselspiels zwischen ethnischen Selbstverortungen, Abgrenzungen und Fremdzuschreibungen von außerhalb der eigenen Bevölkerungsgruppe sowie durch die Anerkennung der Selbstverortung durch Angehörige der Eigengruppe herausbilden. Ethnische Identitäten junger Menschen

deutschsprachigen Kärntner Kontrahenten mit nationalsozialistischen Symbolen provozierte und seine slowenischsprachigen Gegenspieler mit Drohungen einzuschüchtern versuchte (vgl. Kleine Zeitung 2015; Volksgruppen ORF 2015).

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mit slowenischsprachigem Familienhintergrund sind vor diesem Hintergrund als sozial konstituierte Identitäten im Sinne von Richard Jenkins (1997, 2008) zu verstehen. Dabei lässt sich festhalten, dass für junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund die dominante ethnische Kategorie das Kärntner Slowenische darstellt, die Intensität der Identifikationen mit der Kategorie sowie der alltagspraktische Gebrauch der slowenischen Sprache aber variieren können. So finden sich unter den Interviewpartner_innen Personen, die sich vorbehaltlos mit der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen identifizieren, während dies auf andere nicht so eindeutig zutrifft. Der Großteil der Befragten sieht sich zwar als Kärntner Slowen_in, macht aber Einschränkungen und äußert Vorbehalte gegenüber einer uneingeschränkten Identifikation. Bei den ethnischen Selbstverortungen zeigt sich, dass das Ethnische untrennbar mit der slowenischen Sprache verbunden ist. Dieser kommt der Status eines ethnischen Alleinstellungsmerkmals zu. Dass sie sich als Kärntner Slowen_innen definieren, bedeutet für junge Menschen jedoch keineswegs, dass sie ihren Alltag ausschließlich slowenischsprachig gestalten. Vielmehr gebrauchen sie in unterschiedlichen Lebenssituationen sowohl die deutsche als auch die slowenische Sprache. Dies steht ihrer Meinung nach nicht im Widerspruch zu ihrer ethnischen Identität. Darin zeigt sich, dass es sich beim Kärntner Slowenischen um eine von Grund auf hybride ethnische Kategorie handelt, die sowohl Züge des Slowenischen als auch des Deutschen trägt. Ethnische Identifikationen der slowenischsprachigen jungen Menschen kleben insbesondere an den regionalen slowenischen Dialekten und nicht an der slowenischen Hochsprache. So betont die Schülerin Lidija H.: »Halt für mi sand anfach Kärntner Slowenen die, die was von Anfang an slowenisch redn, so wie wir Rosentaler Dialekt oder Jauntaler Dialekt« (Lidija H.; 16 Jahre). Demnach setzt das Idealbild einer Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen die Kenntnis und das aktive Sprechen eines der lokalen slowenischen Dialekte im Alltag voraus. Dies sind, wie erwähnt, neben dem Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje, dem Rosentaler Dialekt/Rožansko narečje und dem Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje noch der Obir-Dialekt/Obirsko narečje bzw. der Remscheniker Dialekt/Remšeniško narečje. Für viele slowenischsprachige Personen spielt die in der Wohngemeinde traditionellerweise gesprochene slowenische Mundart als Haus- oder Familiensprache auch heute noch eine wichtige Rolle. Indes verlieren die regionalen Dialekte an Boden und werden im öffentlichen Leben zunehmend weniger gesprochen. Im Zuge der Migration und Abwanderung in größere Kärntner Städte schrumpft die Anzahl der Sprecher_innen – möglicherweise unaufhaltsam – insbesondere im ländlichen Raum. So geben viele junge Menschen aus slowenischsprachigem Elternhaus an, dass sie den Dialekt ihrer Wohngemeinde nur noch verstehen, aber nicht mehr sprechen können.

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Vereinzelt definieren sich Heranwachsende zudem weniger als Kärntner Slowen_innen, sondern eher als zweisprachig. Dies ist ein Beleg dafür, dass sich das Zweisprachige durchaus zu einem eigenständigen ethnischen Identitätsangebot entwickeln kann, das sich nicht zwingend mit dem Kärntner Slowenischen deckt, sondern auch in Konkurrenz zu dieser ethnischen Kategorie stehen kann. Es war bereits davon die Rede, dass die ethnischen Selbstverortungen, wenn sie nach außen hin signalisiert werden, bei anderen slowenischsprachigen Menschen auf Ablehnung stoßen. Insbesondere Personen, die die slowenische Sprache nicht von Kindesbeinen an erlernt haben und nicht einen der regionalen slowenischen Dialekte sprechen, wird die ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowen_in oftmals nicht zugestanden. Denn die Anerkennung der ethnischen Selbstdefinitionen ist, wie ebenfalls bereits erwähnt, an hohe Hürden und eine Reihe von Voraussetzungen gebunden – darin manifestiert sich der exklusive Charakter des Kärntner Slowenischen als ethnische Kategorie. Weitere Anstöße zur ethnischen Selbstdefinition geben Erfahrungen von ethnischen Fremdzuschreibungen oder von Diskriminierungen, von denen die Mehrheit der Interviewpartner_innen zu berichten weiß und die für die ethnische Identifikation neben der persönlichen Selbstverortung eine zentrale Rolle spielen. Dazu zählen sowohl Beschimpfungen in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Regel auf dem Schulweg, diffamierende verbale Angriffe seitens der Zuschauer_innen und eine ethnisch motivierte aggressive Spielweise durch gegnerische Spieler bei Mannschaftssportarten. Niederschlag finden derartige Erlebnisse im Sprechen über die eigene ethnische Selbstverortung, die oftmals defensiv in einem Ton der Rechtfertigung vorgebracht wird – so als müsste man sich dafür schämen oder verteidigen, dass man sich als Kärntner Slowen_in sieht. Die Erfahrung ethnischer Beschimpfungen oder Anfeindungen hat freilich keineswegs zur Konsequenz, dass jungen Menschen die Identifikation mit dem Kärntner Slowenischen »ausgetrieben« (Luka S.; 17 Jahre) wird. Vielmehr wird Jugendlichen, Kindern oder jungen Erwachsenen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund durch solche Erlebnisse die Frage ethnischer Zugehörigkeit bewusst gemacht und konkret vor Augen gehalten. Oftmals scheuen sie sich nach derartigen Erfahrungen für einen begrenzten Zeitraum in Verkehrsmitteln, an der Bushaltestelle oder während eines Spiels slowenisch zu sprechen. Insbesondere bei Kindern ist dies der Fall. Auf längere Sicht führen die erfahrenen ethnischen Anfeindungen und Diskriminierungen jedoch dazu, dass die jungen Menschen eine Verteidigungshaltung oder Abwehrstrategien gegen solche Erfahrungen entwickeln. Nachdem das Objekt ethnischer Anfeindungen und Beschimpfungen die slowenische Sprache darstellt, bekennen sich die Kinder und Jugendlichen in der Folge noch stärker zu ihrer Slowenischsprachigkeit. Dies zeigt sich bei allen befragten jungen Menschen. Oftmals reagieren diese auf stigmatisierende Erfahrungen in der Form, dass sie sich in den öffentlichen

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Verkehrsmitteln oder an Haltestellen gezielt und provokant auf Slowenisch unterhalten. Dergestalt – durch einschlägige Erfahrungen mit anderen Passagieren, gegnerischen Sportmannschaften oder Mitschüler_innen – werden die eigenen ethnischen Überzeugungen auf lange Sicht befördert. Im Zusammenspiel mit ethnischen Selbstverortungen tragen ethnische Fremdzuschreibungen und Diffamierungen in der Kindheits- oder Jugendphase somit zur Verfestigung ethnischer Identitäten bei. Die Differenzierung zwischen ethnischen Selbstverortungen und externen Fremdzuschreibungen hat in erster Linie analytische Gründe. In der alltäglichen Praxis gehen beide Dimensionen Hand in Hand und bedingen einander wechselseitig (vgl. Jenkins 1997: S. 53). Ethnische Identitäten konstituieren sich eben als ein Wechselspiel aus Selbstverortungen, ethnischen Fremdzuschreibungen oder Diffamierungen sowie aus der Anerkennung durch andere Angehörige der imaginierten eigenen ethnischen Gruppe. Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Faktoren zieht sich über einen langen Zeitraum über verschiedene Stadien der Sozialisation hinweg: von der Erfahrung der ersten ethnischen Diskriminierung im Sandkasten durch die Mütter von Spielkamerad_innen, über erste ethnische Selbstbestätigungen in einem slowenischsprachigen Kinder- oder Jugendchor, ethnische Anfeindungen in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Schulweg, die Verfestigung der ethnischen Selbstdefinition als Kärntner Slowen_in, auch aufgrund der Anerkennung durch Klassenkamerad_innen, bis hin zur Zementierung der ethnischen Identität in der Laientheatergruppe eines slowenischsprachigen Kulturvereins.

5.3 DIE STRUKTURELLE PRÄGUNG DES KÄRNTNER SLOWENISCHEN Wenn junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund auf Basis des Zusammenspiels von ethnischen Selbstverortungen und Zuschreibungen soziale ethnische Identitäten ausbilden und sich dabei in der Regel an der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen orientieren, schlägt sich in ihren ausgeprägten ethnischen Identitäten auch die Geschichte der ethnischen Kategorie und deren sozialer Charakter nieder. Diese Aspekte können mithilfe des Konzepts der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ von Stuart Hall freigelegt werden, derzufolge für die Genese einer ethnischen Kategorie vier Momente verantwortlich sind, nämlich Umwertung, Namensgebung, Vereinheitlichung sowie Frontbildung (vgl. Hall 1994a, 1994b). Wie diese hinsichtlich des Kärntner Slowenischen ausgeprägt sind, wird in den nachfolgenden Abschnitten dargelegt.

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Umwertung. Von einem verpönten Verständigungsmedium hin zu einer positiv gewendeten, gemeinschaftsbildenden Ressource Als Reaktion auf die vonseiten der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung seit dem 19. Jahrhundert betriebene Stigmatisierung und Abwertung der slowenischen Sprache begann die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška in jener Zeit eine gegenläufige Strategie der Umwertung (vgl. Hall 1999: S. 86) zu entwickeln, mit der die Slowenischsprachigkeit zu einem positiven und anschlussfähigen ethnischen Differenzierungsmerkmal gewendet werden sollte. Dieser grundlegende Prozess charakterisiert die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Strategie der Umwertung als Teil des damals aufkommenden slowenischen Emanzipationsbestrebens führte aus der Perspektive der slowenischsprachigen Bevölkerung einerseits zu diversen Erfolgserlebnissen (wie der Entwicklung eines slowenischsprachigen Bank- und Genossenschaftsystems oder der Etablierung von Slowenisch als Unterrichtssprache im öffentlichen Schulwesen) und andererseits zu Rückschlägen (nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zur Zeit des Ortstafelsturms 1972, als die Slowenischsprachigkeit durch die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung entweder als soziale Rückständigkeit oder als Heimatverrat betrachtet wurde). Nichtsdestotrotz findet bis zum heutigen Tag eine Umwertung der Slowenischsprachigkeit statt: von einem verpönten Verständigungsmedium hin zu einem rundum positiven Identifikationsgegenstand, auf den junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund ihre ethnische Selbstverortung aufbauen. Längst empfinden sie ob ihrer Muttersprache nicht mehr Minderwertigkeit oder Scham, sondern »Stolz« (Zdravko Š.; 16 Jahre) oder das Gefühl, sich gegenüber anderen Personengruppen auszuzeichnen. So etwa die Schülerin Danijela T., die meint: »Irgendwie is es schon für mi halt aa einfach a Besonderheit, dass i halt einfach Slowenisch kann« (Danijela T.; 18 Jahre). Die Strategie der Umwertung mündete in der Etablierung der Slowenischsprachigkeit als zentrales kulturelles Merkmal der Bevölkerungsgruppe, dem heute der Status eines ethnischen Alleinstellungsmerkmals zukommt. Die Umpolung der Slowenischsprachigkeit von einem Stigma hin zu einer gemeinschaftsbildenden Ressource war so erfolgreich, dass die Sprache heutzutage sogar bei homogen deutschsprachigen Familien im südlichen Kärnten/Koroška Anklang findet. Wie die Anmeldungen für den zweisprachigen Volksschulunterricht belegen, wird es mittlerweile gerne gesehen, dass sich die eigenen Kinder slowenische Sprachkompetenzen aneignen. In den ethnischen Selbstverortungen der Heranwachsenden mit slowenischsprachigem Familienhintergrund spiegeln sich jedoch nicht nur die Erfolge der Strategie der Umwertung, sondern auch deren Rückschläge wider. Nicht nur die Geschichte der jahrzehntelangen Erniedrigung und sozialen Abwertung der slowenischsprachigen Bevölkerung sowie die Stigmatisierung der Sprache prägt das Selbstverständnis

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der jungen Menschen, sondern auch die Tatsache, dass sie im Verlauf ihrer Sozialisation aufgrund ihrer Slowenischsprachigkeit weiterhin ethnischen Diffamierungen und Anfeindungen ausgesetzt sind. Und daher sprechen sie über ihre ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowen_in oftmals in einem Ton der Rechtfertigung oder in einer Verteidigungshaltung, so als handele es sich hierbei um etwas, für das sie sich schämen und entschuldigen müssten. Somit sind die Nachwirkungen der historisch erfahrenen sozialen Abwertung sowie der mitunter gewalttätigen Unterdrückung des Slowenischen bis in die Gegenwart spürbar. Die Namensgebung. Die Bezeichnung Kärntner Slowenisch als Absage an eine Nationalisierung des Ethnischen Was die Pflege der Selbstbilder junger Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, die Darlegung des eigenen Standpunkts betrifft, reicht es oftmals nicht aus, sich bloß positiv auf die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen zu beziehen. Daher erfolgt neben der Selbstverortung als Kärntner Slowen_in in der Regel immer auch gleichsam eine Abgrenzung gegenüber anderen ethnischen oder nationalen Kategorien. Deutlich wird dies in den nachfolgenden Aussagen von zwei jungen Frauen, die auf die Frage, wie sie ihre Identität beschreiben würden, Folgendes antworten: »Na, i fühl mi überhaupt nit als Slowenin. I fühl mi ganz normal als Kärntnerin, die anfach Slowenisch spricht, und des is für mi nie a anderes Thema gwesn eigentlich so.« (Lidija H.; 16 Jahre) Oder: »Ich seh mi nicht als Slowene. Wenn, dann eher als Österreicher. Nicht als Kärntner, aber als Österreicher. So mehr, ja. Und nicht als Slowene. […] Ich fühl mich mit der Kultur und so mit dem Dasein in Slowenien gar net so verbunden. Also es ist so, ich weiß nicht. Is mir net so sympathisch wie Österreich. Die Menschen auch nicht. So von der Art her. [...] Ich mein, die Kärntner Slowenen jetzt schon. Aber die Slowenen Slowenen jetzt nicht.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Die nationale Identität als Österreicher_in ist für viele junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund vergleichsweise positiv besetzt, auch wenn deren Stellenwert für ihre Selbstbilder in der Regel eher gering ist. Gegenüber der nationalen Kategorie Slowen_in verhalten sie sich jedoch zumeist distanziert und ablehnend. Die Vehemenz, mit der sowohl Lidija H. als auch Barbara F. diese ablehnen, überrascht durchaus und lässt vermuten, dass sie bereits häufig von außen an sie herangetragen wurde.

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Einen positiven Bezug auf das nationale Identitätsangebot Slowen_in zeigen ausschließlich Jugendliche, die sich vorbehaltlos und uneingeschränkt mit der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen identifizieren und die zudem auch in politischen Organisationen aktiv sind. Diese stellen jedoch Ausnahmefälle dar, wie beispielsweise Florian O., der sich folgendermaßen positioniert: »Ich gehör natürlich zur slowenischen Minderheit! Also als Kärntner Slowene fühl ich mich. Und als Slawe. Natürlich, unsere Vorfahren sind ja auch Slawen. Also in unserem Ort, also hier haben die meistn einen slawischen Hintergrund, Ursprung. Oder einen slowenischen halt. [...] Deswegen sage ich, ich bin Slowene und Slawe. Also ich steh dahinter!« (Florian O.; 17 Jahre)

Glaubt man den Worten des Interviewpartners, gibt es über die Frage, inwiefern Kärntner Slowen_innen nun Österreicher_innen oder Slowen_innen seien, in seinem Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder Dispute und Unstimmigkeiten. Mit einem uneingeschränkt positiven Bezug zum Slowenischen stehe er zumeist alleine dar. Die überwiegende Mehrheit in seinem sozialen Umfeld zeige sich diesbezüglich eher kritisch und ablehnend. Besonders deutlich tritt diese Haltung bei dem Schüler Gregor M. zum Vorschein: »Ich seh mich schon als Kärntner Slowene, aber nicht nur. Auch würd ich nicht sagen, dass ich nur Slowene bin oder nur Österreicher. Das ist mir sehr wichtig. Ich bin beides. Ich kann, und das ist, glaub ich, auch etwas sehr Wichtiges, dass du dich einfach nicht verschließt gegenüber den Leuten. Das ist ein Problem, das viele Leute habn. Dass sie sich einfach nicht öffnen können. Ich hab keine Vorurteile gegen die.« (Gregor M.; 18 Jahre)

Wenn es um das Kärntner Slowenische geht, kommt Gregor M. sogleich auf nationale Kategorien zu sprechen, wobei er eine eindeutige Identifikation als Slowen_in oder Österreicher_in ablehnt – eine Position, die häufig eingenommen wird. Dabei weist er beide nationale Kategorien nicht rigoros zurück, sondern vertritt den Standpunkt, dass er als Kärntner Slowene im Sinne einer Mehrfachidentität beide nationalen Kategorien, also sowohl das Slowenische als auch das Österreichische in sich vereine. Sich entweder nur als Slowen_in oder ausschließlich als Österreicher_in zu sehen, ist für Gregor M. ein Ausdruck von Verbohrtheit, von Vorurteilen und des Sichverschließens gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen. Daneben finden sich jedoch auch Haltungen wie die von Benjamin L., der kollektiven Zugehörigkeitskategorien generell kritisch gegenübersteht. Slowen_in oder Österreicher_in zu sein weist er als Identitätsangebote komplett zurück, diese nationalen Kategorien befindet er als untauglich für die Konstruktion seines Selbstbilds:

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»Für mich ist Identität immer was Fließendes halt. Also des verändert sich. Es ist abhängig von den Umständen. Also i bin ja nicht immer gleich, des hängt von der Situation ab, mit was für Menschen ich rumrenn und so. Und was Sprache betrifft [...], ähm, seh ich mi net unbedingt als Kärntner Slowene. Mit denen solidarisier i mi eher. Aber dass ich sag, i wär Österreicher oder Slowene […]. Nein, das spielt für mich gar keine Rolle.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Für diesen Schüler ist Identität etwas Fluides, Situationsabhängiges und sich Veränderndes, etwas, was nicht über feststehende Kategorien zu definieren sei. So sehe er sich weder als Österreicher noch als Slowenen, einen positiven Bezug habe er einzig zum Kärntner Slowenischen, obwohl interessanterweise seine Eltern kein Slowenisch sprechen, nur seine Großeltern. Zwar identifiziert er sich nicht vorbehaltlos als Kärntner Slowene, aber er solidarisiert sich mit der ethnischen Gruppe, wie er betont. Die Interviewpartner_innen, so unterschiedlich sie sich auch gegenüber dem Kärntner Slowenischen positionieren, treffen sich – mit nur wenigen Ausnahmen wie Florian O. – in einem gemeinsamen Punkt: der Distanzierung von nationalen Zugehörigkeitskategorien. Dies stellt ein markantes Merkmal junger Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund dar. Darin zeigt sich, dass für ihre sozialen Identitäten weder dem Slowenischen noch dem Österreichischen eine derartige Bedeutung zukommt wie der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen. Insbesondere im Unwillen, sich entweder nur der slowenischen oder ausschließlich der österreichischen Seite zuzurechnen, wird eine Verweigerungshaltung gegenüber Nationalisierungstendenzen deutlich. Dass die jungen Menschen, wenn sie über ihre ethnische Selbstverortung sprechen, in der Regel immer auch eine Abgrenzung gegenüber nationalen Kategorien vornehmen, lässt vermuten, dass sie bereits wiederholt mit der von außen an sie herangetragenen Verbindung von ethnischen und nationalen Zugehörigkeiten konfrontiert waren, etwa in der Form, dass ihnen vorgeworfen wurde, Slowen_in oder Nationalslowen_in zu sein. In der Zurückweisung einer zwangsläufigen Verbindung von ethnischen und nationalen Kategorien spiegelt sich ebenfalls die Geschichte der konfliktreichen ethnischen Beziehungen im Südkärntner Raum wider, die über Jahrzehnte hinweg von nationalen Differenzierungsbemühungen von beiden Seiten, der deutschsprachigen ebenso wie der slowenischsprachigen, gekennzeichnet war. Ihren Niederschlag haben diese unter anderem in der Benennung von ethnischen Kategorien, konkret den Bezeichnungen Nationalslowen_in und Deutschkärntner_in, gefunden. Beide Ausdrücke werden als Fremdzuschreibungen zur Abwertung von Angehörigen der ethnischen Außengruppe verwendet. Demnach ist die Abgrenzung von nationalen Zugehörigkeiten nicht nur als eine Absage an die Nationalisierung der ethnischen Beziehungen, sondern auch als eine Zurückweisung von stigmatisierenden Fremdbezeichnungen zu erachten. Denn in Anwendung der Strategie der Namensgebung im Sinne Stuart Halls (vgl. dazu Supik

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2005: S. 75 ff) setzte sich die ethnische Bezeichnung Kärntner Slowen_innen durch, ein Begriff, bei dem es sich keineswegs um eine Wortschöpfung der deutschsprachigen ethnischen Mehrheitsbevölkerung handelt, sondern um eine Eigenbezeichnung, genauer gesagt um – wie bereits erwähnt – die deutsche Übersetzung des Namens einer slowenischsprachigen Wochenzeitung, die in der Zwischenkriegszeit erschien. Die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen erscheint vor diesem Hintergrund als Kompromiss, der zwei unterschiedliche Aspekte miteinander vereint. Zum einen wird mit dem Ausdruck die Zentralität der Slowenischsprachigkeit für die Bevölkerungsgruppe hervorgehoben. Zum anderen bringt er die Verweigerung gegenüber einer Nationalisierung der ethnischen Zugehörigkeit zum Ausdruck. Vereinheitlichung. Homogenisierende Bilder Im Zusammenhang mit der Konstituierung der ethnischen Identitäten entwickeln junge Menschen symbolische Vorstellungen von der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen. Im Zuge dessen werden Bilder konstruiert, die die imaginierte Zusammengehörigkeit der ethnischen Gruppe reflektieren. Hierbei kommt eine – von Stuart Hall Vereinheitlichung genannte – identitätspolitische Strategie zum Einsatz, vermittels welcher der Eindruck erweckt werden soll, bei der slowenischsprachigen Bevölkerung handele es sich um eine in sich geschlossene und homogene Einheit. Hinter dem gezeichneten Bild gemeinsam geteilter Erfahrungen und Orientierungen treten Abweichungen und ethnische Diversitäten zurück (vgl. Hall 1994b: S. 81). Besonders präsent und verbreitet ist in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der ethnischen Gruppe als Familie und als Freundeskreis – zwei Vorstellungen, die in der Folge anhand exemplarischer Aussagen illustriert werden. Eine Darstellung lautet wie folgt: »Weil ma wir anfach Minderheit sand, weil mir anfach selber wissen, ja, wir müssen zusammenhalten, wir müssen einfach! Und es ist anfach, wir samma so wie a voll die große Familie, volle groß.« (Lidija H.; 16 Jahre) Die Schülerin Lidija H. imaginiert die ethnische Gruppe der Kärntner Slowen_innen als große Familie. Das Bild, das sie sich zurechtlegt, konstituiert sich auf Basis ihrer praktischen Erfahrungen und der zwischen slowenischsprachigen Personen herrschenden engen persönlichen Beziehungen: »Also ich find, die Kärntner Slowenen, des is so wie a große Familie. Also es ist egal, auf was für a Veranstaltung du gehst von de Kärntner Slowenen. Du kennst irgendwie jeden. Also so vom Sehen her ganz sicher. […] Ich bin so, wie soll ich des sagen: Ich bin stolz drauf, a Kärntner Slowenin zu sein.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Die Interviewpartnerin thematisiert zwei Aspekte, die ihrer Meinung nach die Bindungskraft der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška begründen und das Bild von der Bevölkerungsgruppe als einer großen Familie konstituieren:

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zum einen das Wissen darum, dass man Teil einer numerisch kleinen Bevölkerungsgruppe ist, und zum anderen die daraus folgende Notwendigkeit und Unumgänglichkeit des solidarischen Zusammenhalts slowenischsprachiger Menschen (»wir müssen zusammenhalten, wir müssen einfach!« [Lidija H.; 16 Jahre]). Die Vorstellung einer ethnischen – gleichsam familienkonstituierenden – Bindungskraft kommt nicht von ungefähr, sondern erwächst auf der Basis enger persönlicher Beziehungen, die im Rahmen von Kulturveranstaltungen geknüpft und gepflegt werden. Außer als Familie wird die slowenischsprachige Bevölkerung auch als Freundeskreis empfunden. So beschreibt die Interviewpartnerin Barbara F. die slowenischsprachige Bevölkerung folgendermaßen: »Kärntner Slowenen, des sind einfach wir. Man kennt sich, man weiß, wo man ist. Man begrüßt sich sowieso. Man kennt irgendwie einfach jeden. Und man ist überall willkommen, als Kärntner Slowene, bei Kärntner Slowenen, sagen wir mal so. Und ich glaub auch, es ist so: Ein jeder würde jedem helfen, wenn er irgendwo kann. […] Es is einfach so, ja, des samma: Freunde.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Hier wird die slowenischsprachige Bevölkerung als Kreis von Freund_innen vorstellig gemacht, dessen Bindungskraft aus wechselseitigem Wohlwollen, solidarischem Zusammenhalt und Fürsorge füreinander resultiert. Der Interviewpartnerin zufolge wissen alle Angehörigen der Bevölkerungsgruppe jeweils übereinander Bescheid und sind allzeit bereit, einander zu helfen. Auch der praktische Umgang miteinander sei durch Offenheit und Nähe gekennzeichnet. Ob als Familie oder als Freundeskreis, die slowenischsprachige Bevölkerung wird als enge soziale Gemeinschaftsform beschrieben. In Anbetracht der Überschaubarkeit der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe und der Erfahrungen aus der Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška kommt diese Erkenntnis nicht unbedingt überraschend, befördern doch beide Momente enge persönliche Beziehungen. Diese sind nicht praxisenthoben, sondern basieren auf engmaschigen sozialen Netzen, die im Alltag zum Tragen kommen. Derartige Verflechtungen resultieren aus dem Zusammenleben der slowenischsprachigen Bevölkerung in kleinen Ortschaften im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet, aus Aktivitäten in Kultur- oder Sportvereinen oder aus dem Besuch von Bildungsinstitutionen. Auf Basis dieser gemeinsamen Aktivitäten entstehen Zusammengehörigkeitsgefühle und die vereinheitlichenden Bilder des Kärntner Slowenischen, die aus Sprecher_innen verschiedener lokaler slowenischer Dialekte im Südkärntner Raum die homogene Gruppe slowenischsprachiger Menschen machen.

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Die Frontbildung. Das Kärntner Slowenische als Gegenentwurf zur dominanten, deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung Mehr noch als nationale Kategorien und Nationalisierungstendenzen lehnen junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund die Bezeichnung Windisch ab. Gegenüber dieser ethnischen Kategorie besteht eine fundamentale und emotional tiefgreifende Abgrenzung. Der Interviewpartner Florian O. begründet seine Ablehnung des Begriffs so: »Bei uns wird Windisch so als Verharmlosung verwendet, weil Slowenisch is ja was ganz Schlimmes in unsrer Region. Und dann sagen die Leute: ›Ja, ich sprech Windisch, aber kein Slowenisch!‹ Tja, Windische oder Windisch gibt’s in diesem Sinne nicht. Ich mag das auch nicht, wenn mir jemand sagt: ›Du Windischer!‹ Oder: ›Du du redest ja windisch!‹ Das mag ich nicht. Das wird auch als Beleidigung oft verwendet.« (Florian O.; 17 Jahre)

Ähnlich die Schülerin Katja F., die der verbreiteten Behauptung, dass Windisch eine eigene Sprache darstelle, jegliche Grundlage abspricht. Was gemeinhin als Windisch im Sinne einer eigenständigen Sprache bezeichnet werde, sei vielmehr ein regionaler Dialekt des Slowenischen mit slowenischer Grammatik und deutschen Lehnwörtern: »Das ist auch ein slowenischer Dialekt, also das Windische ist nicht eine eigene extra Sprache. Es ist einfach nur ein slowenischer Dialekt. Aber manche Leute sagen halt: ›Ja, das ist kein Slowenisch, das ist ja Windisch, das ist ja ganz was anderes.‹ Also ich bin überhaupt nicht dieser Meinung. Das was als Windisch gesehen wird, ist auch ein slowenischer Dialekt und nicht irgendwas anderes. […] Also ich sag immer: ›Ich sprech Slowenisch.‹ Also Windisch, nein. Das würde ich nie sagen!« (Katja F.; 19 Jahre)

Der Schüler Gregor M. macht seine diesbezügliche Auffassung an einem konkreten Beispielsatz fest: »Windisch is eigentlich ein slowenischer Dialekt, […] des is halt eine Mischung zwischen Slowenischem und Deutschem, wo es eigentlich slowenischer Dialekt is und ein paar deutsche Wörter reingmischt sin. Eigentlich redet so gut wie jeder irgendwie Windisch. […] Es is einfach eine Mischung zwischen einem Dialekt, und ich würde da sagn, a ochzig zwanzig Verhältnis. Ochzig Prozent Slowenisch, und zwanzig Prozent deutsche Wörter reingmischt. Und im Internet gibt’s a super Video. Da sagt aner: ›I konn ka Slowenisch, i konn nur Windisch.‹ Und dann sogt er holt: ›Kelnerca v ekstracimru gšir puca.‹ Kannst du dir vurstelln, was des haßt? [...] Des heißt: ›Die Kellnerin putzt im Extrazimmer des Geschirr.‹ Des is Windisch, was die Leit halt so sagn.« (Gregor M.; 18 Jahre)

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Als diffamierende fremdethnisierende Zuschreibung oder als Beleidigung, die ausschließlich von deutschsprachigen Menschen zur Abwertung oder Stigmatisierung der slowenischsprachigen Bevölkerung und deren Sprachgebrauch verwendet wird, löst die Bezeichnung Windisch – als ethnische Kategorie – bei den Befragten fast allergische Abwehrreaktionen aus. Tatsächlich gibt es für den Ausdruck Windisch gar keine slowenische Übersetzung. Als Sprachbezeichnung wird Windisch zwar ebenso abgelehnt, doch herrscht diesbezüglich eher Gelassenheit – meist belässt man es bei dem nachdrücklichen Hinweis darauf, dass Windisch keine eigene Sprache und keine deutsche Mundart, sondern eine Bezeichnung für slowenische Dialekte in Kärnten/Koroška sei, in denen sich deutsche Wörter mit slowenischen Grammatikkonstruktionen mischten. Es zeigt sich hier also neben der Umwertung, der selbstgewählten Namensgebung und der Strategie der Vereinheitlichung ein weiterer Aspekt, der die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen ausmacht: die gezielte Abschottung gegenüber der deutschsprachigen Seite im Sinne einer Frontbildung (vgl. Hall 1994b: S. 83) und eines ethnischen Gegenentwurfs. Welche Verlaufsformen eine solche Frontbildung annimmt, erläutert der Interviewpartner Benjamin L., der selbst in einem monolingual deutschsprachigen Elternhaus aufgewachsen ist, aber slowenischsprachige Großeltern hat und perfekt Slowenisch spricht, folgendermaßen: »Bewusste Kärntner Slowenen und Kärntner Sloweninnen, die eben bewusst sagen, die Sprache und so ist wichtig, die ham schon a Einstellung gegen’s Deutschtum und Deutschnationalismus und so. Aber sonst. Es is ja eben so a Diskriminierung, die die Kärntner Slowenen erfahren, die ma recht schnell irgendwie verheimlichen kann. Weil wenn du schwarz bist, dann is es halt ganz klar, und du bist sofort stigmatisiert. [...] Des is halt net so eindeutig. Ma tragt eben kei Schild mit so ›Kärntner Slowene‹ oder so. Also manche tragen’s dann scho bewusst. Es gibt eben die T-Shirts, es gibt die klaanen Ortstafeln-T-Shirts mit den Aufdrucken ›Kärnten/Koroška‹ oder ›Celovec/Klagenfurt‹ oder was. Oder am Rucksack drauf und so. Des is halt a bewusster Akt, mit dem ma zeigt: ›Uns gibt’s aa no!‹« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Dem Schüler zufolge sind slowenischsprachige Personen, denen ihre Sprache wichtig ist und die sich »bewusst« (Benjamin L.; 18 Jahre) zum Kärntner Slowenischen bekennen, durchaus gegen die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung in Kärnten/ Koroška eingestellt, als Beleg führt er den demonstrativen Einsatz von slowenischsprachigen oder zweisprachigen Aufschriften an, mit dem vermittelt werden solle, dass das Kärntner Slowenische immer auch als Gegenbild und als eine Art Alternativprogramm gegenüber der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung fungiert. Es lässt sich also konstatieren, dass aufgrund der marginalisierten Position slowenischsprachiger Menschen die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen sich zu einem Gegenentwurf zur dominanten deutschsprachigen Umgebung entwickelte, zu

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einer Umkehrung und Reaktion auf die erfahrenen Fremdethnisierungen und Stigmatisierungen. Die Neuverhandlung ethnischer Kategorien in Kärnten/Koroška und die Entwicklung der Zweisprachigkeit Die Strategien der Umwertung, der Namensgebung, der Vereinheitlichung sowie der Frontbildung zeigen – gemäß dem Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ von Stuart Hall (1994a: S. 16) – die Bestrebungen der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe, ihre Stigmatisierung aufzuheben und eine eigenständige, selbstbestimmte ethnische Kategorie zu etablieren, wobei das Kärntner Slowenische durchaus als Gegenbild zur deutschsprachigen ethnischen Mehrheitsbevölkerung verstanden wird. Neben diesen vier Momenten, die den sozialen Charakter und die Prägung des Kärntner Slowenischen durch strukturierende Ordnungen auszeichnen, fördert das empirische Datenmaterial der vorliegenden Studie jedoch noch einen weiteren Aspekt zutage, nämlich die Neuverhandlung der ethnischen Kategorie. Diese betrifft etwa den Raumbezug des Kärntner Slowenischen, gekleidet in die Frage, ob Menschen mit slowenischsprachigem und Südkärntner Familienhintergrund, die außerhalb von Kärnten/Koroška leben oder gar aufgewachsen sind, als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen gelten können. Die Position zu dieser Frage ist unter slowenischsprachigen jungen Menschen umstritten. Dies gilt auch für jene Veränderungstendenz, von der dialektale Varianten der slowenischen Sprache als traditioneller Marker des Kärntner Slowenischen erfasst sind: Im Zuge der beruflich bedingten massiven Abwanderung slowenischsprachiger Familien aus dem ländlich geprägten traditionellen Siedlungsgebiet in die Städte gehen die Kenntnisse der lokalen slowenischen Mundarten zurück. Eine weitere Entwicklungstendenz, die zu einer Neuverhandlung der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen führt, zeigt sich schließlich in der Ausbildung der Zweisprachigkeit zu einer eigenständigen ethnischen Kategorie. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass im Mittelpunkt der ethnischen Selbstverortung nicht mehr ausschließlich die slowenische Sprache oder die Slowenischsprachigkeit, sondern das gleichrangige Nebeneinander der Slowenisch- und Deutschsprachigkeit steht. Damit wendet sie sich auch gegen spezifische Merkmale, die das Kärntner Slowenische ausmachen. So ist bei der Zweisprachigkeit beispielsweise keine klare Frontbildung als Gegenentwurf zu einem eindeutig identifizierbaren Gegenspieler erkennbar – wie etwa bei der Gerichtetheit des Kärntner Slowenischen als Gegenentwurf zur dominanten, deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung der Fall. Die schrittweise Etablierung der Zweisprachigkeit als neues ethnisches Identitätsangebot für slowenischsprachige Menschen in Kärnten/Koroška lässt sich im Sinne Stuart Halls als ›Identitätspolitik zweiten Grades‹ einstufen (vgl. Hall 1994b: S. 84 f), insofern, als es dabei zur partiellen Entkopplung von den geschichtlichen

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Bedingungsfaktoren, die den sozialen Charakter des Identitätsangebots ersten Grades, also des Kärntner Slowenischen, prägen, kommt. Diese Entwicklung kann jedoch unterschiedlich gedeutet werden. Einerseits als eine Art Selbstermächtigung, also die Loslösung vom Konzept der Gegenidentität zur dominanten, deutschsprachig geprägten Mehrheitsgesellschaft. Andererseits lässt sich die Entwicklung auch als eine Art Unterwerfung interpretieren, da auf diesem Weg das Deutschsprachige als wichtiger Bestandteil gleichsam durch die Hintertür Einzug in das Identitätsangebot Zweisprachigkeit hält. Insbesondere aus diesem Grund sind die Neuverhandlungen der ethnischen Kategorien noch keineswegs abgeschlossen.

5.4 DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN ETHNISCHEN KATEGORIEN UND SLOWENISCHSPRACHIGKEIT: EINE ZUSAMMENFASSUNG Inhaltlich Den ersten Schritt bei der Analyse der Praxis des Ethnischen stellt die Auseinandersetzung mit bestehenden ethnischen Kategorien dar. Dabei zeigt sich, dass die ethnischen Klassifikationen immer auch Spiegel ihrer Zeit sind und soziale, politische oder ökonomische Veränderungen und Entwicklungen reflektieren. Sie sind somit keineswegs statisch und starr, sondern flexibel und einem steten Wandel unterworfen. Die dominante ethnische Kategorie in den ethnischen Selbstverortungen junger Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund ist das Kärntner Slowenische. Der Grad der Identifikation variiert dabei jedoch stark. Mit der Zweisprachigkeit bildet sich ein zweites Identitätsangebot heraus, das zunehmend Anklang findet. Fremdzuschreibungen wie Nationalslowen_in, Slowen_in oder Windische/r werden von den Heranwachsenden nicht als positive Identifikationskategorien angenommen, vielmehr dienen sie der Abgrenzung oder der Konkretisierung der eigenen Position. Bei der empirischen Analyse zeigt sich, dass als entscheidendes ethnisches Alleinstellungsmerkmal des Kärntner Slowenischen die slowenische Sprache fungiert. Abseits dessen bestehen keine Differenzen, die für eine Abgrenzung gegenüber der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung herangezogen werden. Entsprechend dient die Slowenischsprachigkeit den jungen Menschen als Ressource für die Schaffung ihrer ethnischen Selbstbilder, als deren Voraussetzungen die Herkunft aus einem slowenischsprachigen Elternhaus und der Gebrauch der Sprache im familiären Kontext gelten. Die zentrale Erkenntnis besteht gleichwohl nicht in diesem Befund, vermag dieser doch kaum zu überraschen. Was es hier als das Wesentliche festzuhalten gilt, ist vielmehr der Umstand, dass abseits des Familienlebens stärker die symbolische Dimension der Slowenischsprachigkeit in den Vordergrund tritt. Mit anderen Worten

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ist für das Kärntner Slowenische nicht immer und nicht allein der Gebrauch der Sprache als praktisches Verständigungsmittel ausschlaggebend, ebenso wichtig ist das aktive und politisch motivierte Engagement für die slowenische Sprache und der symbolische Einsatz für deren Präsenz. Konzeptionell Aus praxistheoretischer Perspektive kommt einer ethnischen Gruppe nicht a priori Wirklichkeit zu. Auch Ethnizität gilt keineswegs als von vornherein gegeben. Eine praxistheoretische Perspektive rückt vielmehr – in Anlehnung an den Ansatz der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker – ethnische Kategorien und deren Genese in den Mittelpunkt, denn diese sind es, die die einzelnen Akteure in ihrem Tun, ihren Strategien und bei der Ausprägung ihrer Identitäten beeinflussen. Wie die empirische Analyse zeigt, orientieren sich nicht alle jungen slowenischsprachigen Menschen, selbst bei vergleichbarem familiärem Hintergrund, an denselben Kategorien. Die dominante ethnische Kategorie, die am häufigsten zur eigenen Selbstverortung herangezogen wird, ist jedoch das Kärntner Slowenische. Die Konstituierung sozialer Identitäten lässt sich mithilfe des Konzepts der ›social identity‹ von Richard Jenkins nachvollziehen. Dabei wird deutlich, dass es sich bei der Ausbildung von Identitäten keineswegs um rein individuelle Entscheidungen handelt. Vielmehr konstituieren sich diese erst im Zusammenspiel von Selbstverortungen und Fremdzuschreibungen sowohl durch Angehörige der Eigengruppe als auch durch die Außengruppe. Jungen Menschen, die sich in ihren Selbstbildern mit dem kulturellen Merkmal der Slowenischsprachigkeit identifizieren und in die Tradition der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška stellen, wird die Zugehörigkeit zur ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen eben auch von außen angetragen. Oftmals die Form ethnischer Anfeindungen oder Diffamierungen annehmend, haben Fremdzuschreibungen langfristig gesehen die Konsequenz, dass jungen Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund die Frage der eigenen Zugehörigkeit bewusst gemacht wird und sie sich in ihren Selbstverortungen bestärkt fühlen. Im Zuge dieser sozialen Prozesse entwickelt sich aus einem kulturellen Kriterium, der Slowenischsprachigkeit, ein ethnisches Alleinstellungsmerkmal, an dem die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe festgemacht wird. Erst infolgedessen wird das Ethnische überhaupt ins Leben gerufen und hat alltagspraktische Relevanz, da es handlungsanleitend wirkt. Angehörigen der ethnischen Eigengruppe wiederum fällt es zu, die Selbstverortungen der jungen Menschen kritisch zu betrachten und zu prüfen. Wie sich gezeigt hat, ist die Anerkennung der ethnischen Selbstverortung als Kärntner Slowen_in hürdenreich und an Voraussetzungen gebunden – die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen zeichnet sich durch einen exklusiven Charakter aus.

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Für die Analyse der strukturellen Prägung des Kärntner Slowenischen ist das Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ von Stuart Hall besonders hilfreich. Damit lässt sich etwa nachweisen, dass sich Spuren der historischen Stigmatisierung der Slowenischsprachigkeit noch heute in den ethnischen Selbstbildern junger slowenischsprachiger Menschen finden, ungeachtet des Umstands, dass die slowenische Sprache vermittels einer Strategie der Umwertung eine partielle Umpolung erfuhr und zum ethnischen Alleinstellungsmerkmal emporgehoben wurde. Eine weitere Erkenntnis, die sich auf Grundlage des von Hall entwickelten Konzepts gewinnen lässt, ist die, dass das Kärntner Slowenische als Gegenbild zur dominanten deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung in Kärnten/Koroška fungiert. Erst im Zuge dieser, mitunter schroffen, dualistischen Gegenüberstellung etablierte sich dieses als eine selbstbestimmte, eigenständige ethnische Kategorie, mit der einerseits die Zentralität der slowenischen Sprache für die ethnische Selbstverortung hervorgehoben und andererseits der Nationalisierung des Ethnischen eine Absage erteilt wird. Mittels der Strategie der Vereinheitlichung werden zudem eine gemeinschaftsstiftende Wirkung sowie eine Stärkung des Zusammenhalts der Bevölkerungsgruppe erzielt. Die ›Identitätspolitik ersten Grades‹ bzw. das ihr inhärente Zusammenspiel verschiedener Momente bildete das Kärntner Slowenische als eine anschlussfähige ethnische Kategorie aus, die mittlerweile breiten Anklang findet. Gleichzeitig kommt es bei den ethnischen Selbstverortungen junger Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund zur Neuverhandlung ethnischer Kategorien. Während sich einerseits deren Charakteristika im Wandel befinden, entwickelt sich andererseits die Zweisprachigkeit zunehmend zu einem eigenständigen ethnischen Identitätsangebot. Auf Grundlage der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ etablierte sich die Slowenischsprachigkeit als zentrales ethnisches Alleinstellungsmerkmal. Was dies in alltagspraktischer Hinsicht bedeutet, in welchen Kontexten und Situationen die Slowenischsprachigkeit relevant wird und welche Bedeutungen ihr zukommen, lässt sich den bisherigen Ausführungen jedoch noch nicht entnehmen. Wenn der Blick ausschließlich auf den Bereich ethnischer Kategorien oder ethnischer Identitäten gerichtet wird, bleiben die Besonderheiten und die charakteristischen Merkmale der Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung unweigerlich verborgen. Um das Ethnische der Bevölkerungsgruppe ganzheitlich zu verstehen, bedarf es eines weiteren Schritts, konkret der Befassung mit der alltäglichen Praxis des Ethnischen. Denn erst in der Praxis des Ethnischen und durch sie manifestiert sich das, was das Kärntner Slowenische im alltäglichen Miteinander ausmacht. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen verschiedenen Alltagsbereichen (Familie, Schule und Freizeitkontexte), die in den nachfolgenden Kapiteln detailliert behandelt werden.

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Sprache als Erbstück: Zur Slowenischsprachigkeit in Familien

Einen gewichtigen Faktor hinsichtlich der Situation und Zukunft des Kärntner Slowenischen stellen familiäre Kontexte dar. Diese Ansicht deckt sich auch mit sozialisationstheoretischen Perspektiven, die dem sozialen Gefüge Familie für die Entwicklung ethnischer Orientierungen, Aktivitäten oder sprachlicher Praktiken in der Regel eine herausragende Rolle einräumen. In wissenschaftlichen Studien zu den ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška gelten familiäre Kontexte als Hort des Kärntner Slowenischen, in denen das Ethnische herausgebildet und gepflegt wird. Ungeachtet dessen ist eine eingehende sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der sozialen Institution Familie bis dato ausgeblieben – diesbezügliche Studien begnügten sich zumeist mit der oberflächlichen Skizzierung von familiären Hintergründen, allein zu dem Zweck, die ethnischen Selbstverortungen der Befragten zu kontextualisieren. Eine vertiefte Analyse des Umgangs mit der slowenischen Sprache, der Geschichte der Slowenischsprachigkeit oder der intergenerationalen Vermittlung des Ethnischen erfolgte bisher nicht. Das empirische Datenmaterial, auf dem die vorliegende Studie aufbaut, belegt eindrucksvoll, dass der slowenischen Sprache insbesondere in familiären Kontexten eine besondere Relevanz zukommt. Dies freilich nicht nur als ein funktionales Verständigungsmedium – ihr Gebrauch wie auch ihre Vernachlässigung transportieren jeweils eine symbolische Bedeutung. So drückt die praktische Verwendung der slowenischen Sprache auch einen spezifischen Umgang mit der eigenen Familiengeschichte aus. Was es mit der Bedeutung und Rolle der slowenischen Sprache in familiären Kontexten auf sich hat, wird in diesem Kapitel detailliert herausgearbeitet. Dabei nehme ich eine Unterteilung in familiäre Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukunftsperspektiven vor. Um der Praxis des Ethnischen in familiären Kontexten auf den Grund gehen zu können, werden sowohl strukturierende Ordnungen – wie die Geschichte der ethnischen Beziehungen, rechtliche Aspekte oder räumliche Merk-

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male – als auch individuelle, akteurszentrierte Faktoren – wie Biografiepfade, individuelle Handlungspotenziale, Bedürfnisse oder familiäre Erinnerungen – gleichermaßen unter die Lupe genommen. Was die Struktur des empirisch-analytischen Kapitels angeht, beschäftige ich mich im ersten Unterkapitel (6.1) zunächst mit der intergenerationalen Vermittlung der slowenischen Sprache mit Blick auf die Eltern- und Großelterngeneration. Dabei unterscheide ich zwischen homogen slowenischsprachigen Familien und gemischtsprachigen Elternhäusern, in denen eine Integration, Reintegration oder eine Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit stattfindet. In den verschiedenen familiären Konstellationen kommt der slowenischen Sprache eine jeweils unterschiedliche Rolle zu. Im zweiten Unterkapitel 6.2 beleuchte ich den gegenwärtigen Umgang von Heranwachsenden mit der Slowenischsprachigkeit in den Familien näher. In einigen Familien fungiert die Slowenischsprachigkeit als sakrosanktes Erbstück, über das Erinnerungen an Märtyrer_innen oder Kämpfer_innen für das Kärntner Slowenische oder an erfahrene Traumata wachgehalten und aktualisiert werden. Während sich ein Teil der jungen Menschen vorbehaltlos mit dem Erbstück identifiziert, gibt es auch solche, die einen reservierten, bisweilen auch kritischen Bezug zur slowenischsprachigen Familientradition entwickeln. Insbesondere bei diesen findet eine Beaufsichtigung des praktischen Umgangs mit der Slowenischsprachigkeit durch die Eltern oder den weiteren Verwandtenkreis statt. Im Anschluss werden im dritten Abschnitt (6.3) die Zukunftsperspektiven und Lebensentwürfe junger Menschen untersucht. Unterschieden wird zwischen Zukunftsplänen, die vollkommen durch die Weitergabe des familiären Erbstücks determiniert, und Perspektiven, die davon nur relativ geprägt werden. Abschließend führe ich im Unterkapitel 6.4 die unterschiedlichen Aspekte der Praxis des Kärntner Slowenischen im familiären Kontext in inhaltlicher und konzeptioneller Hinsicht zusammen.

6.1 FAMILIÄRE VERGANGENHEITEN Hinsichtlich der familiären Hintergründe lassen sich bei slowenischsprachigen jungen Kärntner_innen durchaus Unterschiede wahrnehmen. Der Großteil kommt aus homogen slowenischsprachigen Familien und lebt im Kernland des zweisprachigen Gebiets in Südkärnten, ein kleinerer Teil entstammt gemischtsprachigen Elternhäusern, das heißt, ein Elternteil ist deutschsprachig aufgewachsen. Wie die jungen Menschen die Sprache im Alltag gebrauchen und wie sie sich ethnisch verorten, hängt ganz entscheidend vom familiären Umgang mit und den intergenerationalen Vermittlungsformen der Slowenischsprachigkeit durch die Eltern ab. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen einer linearen Weitergabe, einer (Re-)Integration und einer Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit.

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Aufwachsen in homogen slowenischsprachigen Elternhäusern. Die lineare Weitergabe der Slowenischsprachigkeit In diesem Abschnitt geht es um jene jungen Menschen, die in einem homogen slowenischsprachigen Elternhaus aufgewachsen sind. Bei diesen Familien ist für gewöhnlich eine intergenerationale Vermittlung der Slowenischsprachigkeit anzutreffen, die ich als lineare Weitergabe bezeichne. Die Bedeutung der Slowenischsprachigkeit in solchen Konstellationen zeige ich nachfolgend anhand der beiden Fälle Marina G. und Zdravko Š. auf. Die Eltern von Marina G. sind jeweils in einem homogen slowenischsprachigen Elternhaus aufgewachsen, und zwar in kleinen Dörfern im Gailtal/Ziljska dolina im Bezirk Hermagor im östlichen Kärnten/Koroška. Ihre beruflichen Tätigkeiten führten beide als junge Erwachsene nach Klagenfurt/Celovec, wo sie einander kennenlernten und eine Familie gründeten. Marina G. ist also in Klagenfurt/Celovec geboren und aufgewachsen. Das Slowenisch, das Marina mit ihren Eltern spricht, ist der regionale slowenische Dialekt aus den Herkunftsgemeinden ihrer Eltern, der Gailtaler Dialekt/ Ziljsko narečje – womit ihre Familie laut Marina einen Ausnahmefall darstellt. Zwar würde die Mundart noch von vielen älteren Personen verstanden und gesprochen, nicht aber an die nächste Generation weitervermittelt. Aufgrund der geringen Einwohner_innenzahl der Herkunftsgemeinden ihrer Eltern beherrscht nur mehr eine Handvoll Personen den Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje. »Meine Oma, die wohnt im Bezirk Hermagor. Und dort, das Dorf ist ziemlich klein, und es redn glaub ich in dem Dorf auch alle – zumindest verstehn alle – Slowenisch. Aber eben den Dialekt habn nur wir irgendwie weitergesprochn. Und vom Nachbardorf können auch einige noch den Dialekt. Eben die Eltern, aber die Kinder von denen können den schon nicht mehr.« (Marina G.; 15 Jahre)

Im Gegensatz zu vielen anderen slowenischsprachigen Familien in ihren Heimatdörfern legten Marinas Eltern sehr großen Wert darauf, dass ihre Kinder die slowenische Sprache, die Hochsprache ebenso wie den regionalen Dialekt, erlernten und auch im Alltag pflegten. Die intergenerationale Vermittlung der slowenischen Sprache fand demnach als lineare Weitergabe statt. Für die Schülerin ist die Pflege des Dialekts und ihrer Slowenischsprachigkeit ein Akt der Fortschreibung ihrer Familiengeschichte, zu der sie sich verpflichtet fühlt. Der Mundart kommt in ihrem Fall eine identitätsstiftende Rolle zu. Dass Marina mit ihren Eltern nicht mehr im Gailtal/Ziljska dolina, sondern in Klagenfurt/Celovec wohnt, bringt freilich sprachliche Probleme mit sich, ist der alltagssprachliche Gebrauch des Gailtaler Dialekts/Ziljsko narečje doch auf den familiären Kontext beschränkt, andere Gelegenheiten zur Pflege des heimischen Dialekts finden sich nur selten. Für Marina hatte dies folgende Konsequenz:

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»Am Anfang des slowenischen Gymnasiums hab ich mit meinen Freunden nur deutsch geredet, weil meine Freunde sind meistens aus einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt eben und aus einer anderen Gemeinde im Bezirk Völkermarkt und so. Und dort reden sie ja miteinander den Podjunski Dialekt [der Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje (J. K.)]. Und ich hab aber den Gailtaler Dialekt, also kann ich nicht mit denen so richtig mitreden. Aber jetzt vor einem Jahr haben wir auch so angefangen, mehr slowenisch miteinander zu redn. Und dabei variieren wir so zwischen Schriftslowenisch und den Dialekten und so. […] Aber in der Unterstufe habe ich immer deutsch geredet mit den Leuten, also mit den Mitschülern und so.« (Marina G.; 15 Jahre)

Weil sie im Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje mit niemandem in ihrer Klasse in der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen kommunizieren kann, wechselte Marina stets ins Deutsche – die Unterschiede zwischen den verschiedenen slowenischen Mundarten sind eben doch zu groß, um eine Verständigung zwischen ihren Trägern zuzulassen. Während dies für Sprecher des Jauntaler Dialekts/Podjunsko narečje oder des Rosentaler Dialekts/Rožansko narečje weniger ins Gewicht fällt, da diese noch von verhältnismäßig vielen Menschen beherrscht werden, ist die Situation beim Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje ungleich dramatischer. Insbesondere für jene Menschen, die im westlichen Grenzgebiet des zweisprachigen Siedlungsraums ohnehin einem stärkeren sprachlichen Anpassungsdruck ausgesetzt sind, scheidet er als Verständigungsmedium in der Kommunikation mit Sprecher_innen anderer slowenischer Dialekte aus. Daher bemüht Marina sich seit einem Jahr aktiv, mit ihren Klassenkamerad_innen außer auf Deutsch vermehrt in der slowenischen Hochsprache zu kommunizieren. Natürlich haben auch Marinas Eltern durch ihren Umzug nach Klagenfurt/ Celovec dazu beigetragen, dass die slowenische Mundart in den Ortschaften, in denen sie aufgewachsen sind, weniger präsent ist – mit der Entscheidung, den ländlichen Raum zu verlassen, haben sie nicht nur der eigenen Familie, sondern auch den Nachbar_innen die Möglichkeit genommen, die slowenische Mundart im sozialen Wohnumfeld oder im öffentlichen Leben zu pflegen. Angesichts dieser Entwicklungen scheinen die Tage des gesprochenen Gailtaler Dialekts/Ziljsko narečje als einer lebendigen Familientradition gezählt. Allerdings ist in Marinas Fall nicht auszuschließen, dass sich der Gebrauch der slowenischen Hochsprache zu einer neuen, modifizierten Familientradition entwickelt. Ungeachtet dessen belegt der Fall Marina G., dass die Gefahr, dass die slowenische Sprache, insbesondere der traditionell gesprochene Dialekt, innerhalb der Familie verschwindet, auch damit nicht gebannt ist, dass die Slowenischsprachigkeit in der Familie weitergegeben wird und beide Elternteile einen homogen slowenischsprachigen Hintergrund haben. Denn die Sprache bzw. der Dialekt muss im Alltag mit dem sozialen Umfeld gesprochen werden können.

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Dieses Resümee trifft aber keineswegs auf alle Familien mit einem homogen slowenischsprachigen Hintergrund zu. Ganz anders verhält es sich etwa bei Zdravko Š., der ebenso wie Marina G. das BG/BRG für Slowen_innen besucht. Dessen Eltern entstammen alteingesessenen slowenischsprachigen Familien aus Südkärnten. Im Unterschied zu Marina kommen seine Eltern jedoch nicht aus Nachbargemeinden, sondern aus verschiedenen Bezirken mit jeweils eigenen Dialekten, was dazu führte, dass in der Familie auch heute noch eine Art Dialektverwirrung herrscht. Geboren und aufgewachsen ist Zdravko Š. in der Heimatgemeinde seines Vaters im Bezirk Klagenfurt-Land nahe der Grenze zu Slowenien, in der der sogenannte Obir-Dialekt/ Obirsko narečje vorherrscht. Seine Mutter stammte aus einer Gemeinde im Jauntal/ Podjuna, im Bezirk Völkermarkt, und sprach den Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje. Sie verstarb jedoch bereits in jungen Jahren, zum Zeitpunkt, als Zdravko gerade auf das Gymnasium in Klagenfurt/Celovec wechselte. Noch zu Lebzeiten der Mutter legten Zdravkos Eltern großen Wert darauf, dass ihre Kinder im Alltag in der slowenischen Sprache, insbesondere in der Mundart, kommunizieren. Die intergenerationale Vermittlung der Sprache ist demnach – ebenso wie bei Marina G. – als lineare Weitergabe zu bezeichnen. Seit dem Tod der Mutter wird in der Kernfamilie jedoch in erster Linie der Dialekt des Vaters, der Obir-Dialekt/Obirsko narečje, gesprochen. Auch im öffentlichen Raum und im Freundes- und Bekanntenkreis in der Wohngemeinde verwendet Zdravko diese Mundart. Im Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje kommuniziert er hingegen zeitweise noch mit seiner Schwester, mit seiner Großmutter mütterlicherseits sowie vereinzelt mit Freund_innen und Bekannten im schulischen Kontext. Als Folge seiner sprachlichen Sozialisation betrachtet Zdravko den slowenischen Dialekt als einen maßgeblichen Bestandteil seiner Identität. Zugleich ist Zdravko sich der Gefahr bewusst, dass Dialektkenntnisse aus der Familiengeschichte verschwinden können – wenn eine Mundart nicht regelmäßig im Alltag gesprochen und gepflegt wird, geht ihre Präsenz zurück oder sie geht gänzlich verloren. Auch aus diesem Grund will er in Zukunft auch den Dialekt seiner Mutter öfter verwenden: »Und jetz hab ich bemerkt, wie man ein’ Dialekt schnell vergisst, weil ich, den Dialekt hab ich nur mit meiner Mama gredet, und ja. Und jetz redn i nur mit meiner Schwester und mit meiner Oma. […] Aber i werd in Zukunft mit meiner Familie auf jeden Fall mehr den Dialekt meiner Mama redn. Weil sunstn geht der in der Familie verlorn!« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Für Zdravko ist das Sprechen des Jauntaler Dialekts/Podjunsko narečje abgesehen von dessen identitätsstiftender Bedeutung auch mit der Erinnerung an seine Mutter verbunden, deren Bild er keinesfalls verblassen lassen will. Die fortgesetzte Pflege des Jauntaler Dialekts/Podjunsko narečje ist damit sowohl ein Akt der Aufrechterhaltung der sprachlichen Familientradition als auch ein tagtägliches Erinnern an seine

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Mutter. Aber selbst wenn der Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje verblassen und die slowenische Dialektvielfalt in der Familie damit abnehmen sollte, wird die Slowenischsprachigkeit in familiärem Kontext in Gestalt der Mundart seines Vaters weiterhin präsent und vital sein. Dennoch lässt sich Zdravkos Befürchtung, dass die slowenische Sprache verschwinden könnte, nicht einfach zerstreuen, zumal er darin durch seinen Vater bestärkt wird, der diese Besorgnis teilt. Davon zeugt sogar sein Name – es ist derselbe, den sein Vater und sein Großvater väterlicherseits tragen. Dass in der männlichen Familienlinie die Vornamen von Generation zu Generation weitergegeben werden, ist nicht unüblich, und darin unterscheidet sich die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška nicht von der deutschsprachigen Bevölkerung des ländlichen Österreichs. Interessant ist allerdings die Begründung, mit der slowenischsprachige Eltern Vornamen an die nachfolgende männliche Generation weitergeben. So antwortete Zdravkos Vater auf die Frage seines Sohnes, wie er zu seinem Namen kam, dass der Name Zdravko mittlerweile sehr selten sei, dass es sich um einen schön klingenden, traditionellen slowenischen Vornamen handle, der nicht aussterben solle. Deswegen trage sein Sohn den gleichen Vornamen wie er selbst. In der Zusammenschau zeichnen sich homogen slowenischsprachige Familien dadurch aus, dass im familiären Kontext die slowenische Sprache die ausschließliche Umgangssprache darstellt. In den Familien von Marina G. und Zdravko Š. wird besonders viel Wert darauf gelegt, dass sich die Nachkommen die slowenische Sprache aneignen und im Alltag aktiv pflegen. Die intergenerationale Vermittlung der Slowenischsprachigkeit erfolgt dabei als lineare Weitergabe. Dieser Umgang mit der Sprache zeigt nachhaltige Wirkung – insofern, als es gelingt, dem Verblassen der Slowenischsprachigkeit bei der nachwachsenden Generation entgegenzuwirken. Aufwachsen in gemischtsprachigen Familien Angehörige der slowenischsprachigen Bevölkerungsgruppe, die mit deutschsprachigen Partnern eine Familie gründen, sehen sich nicht selten dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie der ethnischen Minderheit immer einen Verlust zufügten, weil die damit vorgezeichnete Erziehung der gemeinsamen Kinder in deutscher Sprache diese als alleinige Familiensprache etablieren würde. Oder anders ausgedrückt: In nicht homogen slowenischsprachigen Ehen sei das Verschwinden der Slowenischsprachigkeit aus der Familiengeschichte eine zwingende Folge. Diese pauschale Annahme wird durch die vorliegende Studie jedoch keineswegs bestätigt. Im Gegenteil belegen die empirischen Ergebnisse, dass sich in einer Liebesbeziehung oder Ehe zwischen Beziehungspartner_innen mit verschiedenen Muttersprachen nicht zwangsläufig das Deutsche als dominante Familiensprache durchsetzt, sondern die Erziehung der gemeinsamen Kinder durchaus auf slowenischsprachiger oder zweisprachiger Grundlage erfolgen kann.

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In den folgenden Abschnitten werden verschiedene familiäre Konstellationen analysiert, die sich durch Gemischtsprachigkeit auszeichnen. Dabei unterscheide ich danach, ob die Slowenischsprachigkeit in die eigene Familiengeschichte (re-)integriert wird oder ob eine aktive Wiederaneignung der Sprache stattfindet. (Re-)Integration der Slowenischsprachigkeit als Umgangsform in gemischtsprachigen Elternhäusern In diesem Abschnitt beschäftige ich mich mit der Integration und der Reintegration der Slowenischsprachigkeit in Familiengeschichten. In beiden Fällen erhält aus Sicht des deutschsprachigen Elternteils die slowenische Sprache Einzug in das Familienleben. Eine Integration liegt dann vor, wenn keinerlei familiäre Bezüge zur slowenischen Sprache bestehen, während im Fall, dass der deutschsprachig sozialisierte Elternteil selbst Eltern hat, die noch slowenischsprachig aufgewachsen sind, von einer Reintegration zu sprechen ist. Die Reintegration unterscheidet sich ihrerseits von der Wiederaneignung der Sprache darin, dass bei Ersterer der deutschsprachig sozialisierte Elternteil im familiären Kontext nicht aktiv Slowenisch spricht, die Sprache allenfalls versteht, und sich vorrangig dafür einsetzt, dass die eigenen Kinder sie erlernen, während er im Fall der Wiederaneignung im familiären Alltag sie auch selbst aktiv gebraucht. Ein Beispiel für eine Integration der Slowenischsprachigkeit stellt die Familie von Jernej B. dar, der in einem zweisprachigen Elternhaus in einer Gemeinde im Rosental/Rož im Bezirk Klagenfurt-Land aufgewachsen ist und lebt. Während seine Mutter aus einer alteingesessenen slowenischsprachigen Familie aus dem südlichen Kärnten/Koroška kommt, stammt sein Vater aus einer homogen deutschsprachigen Familie aus einem anderen Bundesland. Dieser eignete sich die slowenische Sprache nach seinem berufsbedingten Umzug nach Kärnten/Koroška selbstständig im Rahmen von Sprachkursen an, hier lernte er auch seine zukünftige Frau kennen. Nach der Familiengründung ließ sich das junge Paar in der Wohngemeinde von Jernejs Mutter im zweisprachigen Siedlungsgebiet nieder. Entgegen allen Voraussagen erzog das Paar die gemeinsamen Kinder in slowenischer Sprache – dass das so sein würde, stand in der Familie nie zur Debatte, wie Jernej betont: »Na also, do gab’s also eigentlich keine Zweifel. Es war immer s’Slowenische und so. Aso der Vater hat sowieso nix dagegen, er hat sich selber freiwillig des Slowenische glernt, und hat so eben mei Mutter kennenglernt. Aba da hat’s nie Zweifel gebn. Also immer des Slowenische als Muttersprache. Also au bei mei’m klein’ Bruder jetzt, weil der is zehn Jahr jünger und, i hob’s mitkriegt, also, immer Slowenisch. Deutsch hat er dann jetz eben im Kindergarten glernt. Also Debatten gab’s da net.« (Jernej B.; 20 Jahre)

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Auch wenn die zentrale Rolle für die Entwicklung der slowenischen Sprachfähigkeiten der Kinder Jernejs Mutter zukam, zeigt sich an diesem Fall, dass man sich auch als monolingual deutschsprachig aufgewachsener Elternteil die slowenische Sprache in einem Ausmaß neu aneignen kann, das sogar die zweisprachige Erziehung der Kinder erlaubt. Eine große Hürde bei einem solchen Unterfangen stellt das Erlernen von Dialekten dar. So spricht Jernejs Vater nicht die lokale slowenische Mundart, und auch Jernej selbst hat mit dieser seine Schwierigkeiten. Angeeignet hat er sich diese erst, als er längere Zeit bei seinem Großvater mütterlicherseits lebte. Im Familienalltag gebraucht Jernej vorrangig die slowenische Hochsprache, in Gesprächen mit seinem Großvater wechselt er aber in die Mundart, wenngleich er den »tiefen« oder »eingefleischten« (Jernej B.; 20 Jahre) slowenischen Dialekt selbst kaum spricht: »Für mich war’s wichtig, den Dialekt irgendwie zu können. Verstehn tu i sowieso olles, aber so richtig den tiefen Dialekt, diesen eingefleischten, den sprich i net also. […] Also in der Form sprich i net. I kann ihn schon, aber es is eben eher so a abgeschwächte Version. Und der Dialekt droht halt zu verschwindn, weil den kann ma halt net einfach so lernen.« (Jernej B.; 20 Jahre)

Jernej ist sich also bewusst, dass diese Mundart in ihrer Existenz bedroht ist, und zwar aus dem Grund, dass sie nicht wie eine Fremdsprache oder das Schriftslowenisch in Sprachkursen oder in Schulen vermittelt wird bzw. erlernt werden kann. Letzteres wäre nur über den alltagssprachlichen Umgang mit eingesessenen Dialektredner_innen über einen langen Zeitraum hinweg möglich, wie es bei ihm mit seinem Großvater der Fall war. Anders verhält es sich im Fall von Lidija H., die in einer Gemeinde im Rosental/ Rož im Bezirk Klagenfurt-Land lebt. In deren Fall geht es im Unterschied zu Jernej B. um eine Reintegration der Slowenischsprachigkeit in die Kernfamilie. Interessant ist die Konstellation ihres Elternhauses, die Entwicklungen widerspiegelt, die in der Region sehr häufig zu beobachten sind. So stammt Lidijas Mutter aus einer homogen slowenischsprachigen Familie, aus der zahlreiche Funktionsträger_innen im Bereich der Kulturpolitik oder des zweisprachigen Bildungswesens hervorgingen. Ihr Vater kommt zwar auch aus einem slowenischsprachigen Elternhaus, wurde aber im Gegensatz zu seiner Ehefrau nur deutschsprachig sozialisiert. Und dies, obwohl seine Eltern, also Lidijas Großeltern väterlicherseits, die deutsche Sprache erst in der Volksschule erlernt hatten. Dass sie ihm die slowenische Sprache nicht vermittelten, verdankte sich folgenden Überlegungen: Lidijas Großmutter väterlicherseits hatte »bis zu ihrm zehntn Lebensjahr nicht richtig Deutsch können. Und dann sind se aber in so an Ort umgezogn, und da hat sie’s nicht für nötig empfunden, das irgendwie ihren Kindern weiterzugeben. Eigentlich is mein Vater dann auch slowenisch, er hat halt slowenische Wurzeln

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und so. […] Nachdem niemand [im Ort (J. K.)] gredet hat, hat sie gedacht, ›Ja, da werd i jetzt net die Einzige sein!‹ Und der Opa war eigentlich aa so, ›Na, na! Net weitergebn [die slowenische Sprache (J. K.)], des is ja peinlich!‹, sozusagen, ›Wenn ma mir die Einzign da sand, die was soo redn!‹ Und dann hat se gsagt, ›Ja, oke, mach ma halt net!‹« (Lidija H.; 16 Jahre)

Nach ihrem Umzug in eine andere Gemeinde wollten Lidijas Großeltern väterlicherseits ihre Kinder nur mehr in deutscher Sprache erziehen. Es war dies eine bewusste Entscheidung, obwohl sich die Wohngemeinde innerhalb des zweisprachigen Siedlungsgebiets befand. Die Erziehung ihres Vaters fiel in eine Zeit – die 1960er und 1970er Jahre –, da antislowenische Ressentiments und die Stigmatisierung der slowenischen Sprache einen Höhepunkt erreichten. Die Slowenischsprachigkeit wurde in der Folge verdeckt und die Sprache noch stärker als bisher als Haus- bzw. Familiensprache verwendet. Als Neuzugezogene hatten Lidijas Großeltern väterlicherseits den Eindruck, dass sie in ihrer Wohngemeinde die Einzigen sind, die Slowenisch sprechen. Daher entschieden sie sich dafür, ihren Sohn nicht slowenischsprachig zu erziehen und Slowenisch aus dem familiären Kontext zu verbannen, um sich innerhalb der neuen sozialen Umgebung nicht mit einer als »peinlich« (Lidija H.; 16 Jahre) erachteten Umgangssprache zu exponieren und die eigenen Kinder einer sozialen Stigmatisierung auszusetzen. Bis heute hat ihr Vater Probleme mit der Muttersprache seiner Eltern. Zwar habe er im Erwachsenenalter versucht, sich die slowenische Schriftsprache in Sprachkursen anzueignen, doch spricht er diese ebenso wenig fließend wie den örtlichen Dialekt, den Rosentaler Dialekt/Rožansko narečje. Daher erfolgte die familiäre Sozialisation und Erziehung der gemeinsamen Kinder zweisprachig: »Mit’m Papa deutsch, mit der Mama slowenisch.« (Lidija H.; 16 Jahre) In solchen Elternhäusern verläuft bereits die früheste Erziehung nicht monolingual slowenischsprachig oder ausschließlich deutschsprachig, sondern eben zweisprachig. Welcher Elternteil mit dem Kind in welcher Sprache spricht, war in Lidijas Fall strikt geregelt. Während ihr Vater mit ihr in deutscher Sprache kommunizierte, verlief die Verständigung mit der Mutter sowie den Großeltern mütterlicherseits ausschließlich slowenischsprachig. Dabei wurde die Sprachwahl im familiären Kontext keineswegs dem Zufall überlassen, sondern erfolgte gezielt und bewusst. Dass die sprachliche Erziehung und der alltagssprachliche Umgang mit den Kindern sich bilingual gestalteten und dabei dem Slowenischen ein besonderes Gewicht zukam, wurde durch den Vater auch nie infrage gestellt: »Mama hat von Anfang an gsagt: ›Wenn du a Problem damit hast, kannst du gehen!‹ (lacht). Mama hat gsagt: ›Des san meine Wurzeln, die will i meinem Kind weitergeben.‹ Der Papa woar eigentlich, naja, der Papa woar am Anfang eher, ›Das siehst du halt so generell.‹ Obwohl sei Mutter aa a Kärntner Slowenin is, aber er hat si jetzt aa voll verändert. […] Und so war’s

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wirklich nie a Thema, und wenn’s a Thema war, hat eigentlich immer die Mama gwunnen und so. [...] Er hat sich dann aa a bissi Gedanken darüber gemacht, logisch. I man, wenn seine Mutter ihm die Sprache weitergeben hätt, wär er jetzt a ganz normal a slowenischsprechender Mann. I glaub, ihm selber gfällt die Sproch aa recht gut, weil er immer auf Slowenisch schimpfen tut.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Dass es sich bei der Frage, in welcher Sprache die Erziehung der gemeinsamen Kinder erfolgen soll, nicht um einen nebensächlichen Aspekt handelt, wird durch die Aussage offensichtlich. Die Wahl der Umgangssprache, die mit den Kindern von frühester Kindheit an gesprochen wird, ist nicht nur eine Entscheidung, die lediglich das zukünftige Kommunikationsmedium des Nachwuchses betrifft. Es ist dies vielmehr eine Frage, die symbolisch hoch aufgeladen ist, geht es dabei doch um die Weitergabe der eigenen »Wurzeln« (Lidija H.; 16 Jahre) und damit sowohl um die Fortschreibung einer Familientradition als auch um die Aufnahme der eigenen Kinder in den Kreis der slowenischsprachigen Bevölkerung. Nicht zuletzt deswegen, weil sie der Vermittlung sprachlicher und kultureller Kompetenzen größere Bedeutung beimaß, spielte die Mutter in Lidijas familiärer Sozialisation die entscheidende Rolle, nicht der Vater. Dieser widersprach aber auch keineswegs dem Willen seiner Ehefrau, die gemeinsamen Kinder in beiden Sprachen zu erziehen. Im Gegenteil sei ihr Vater der slowenischen Sprache, der Muttersprache seiner Großeltern, sehr zugeneigt, und dass er selbst nicht in dieser Sprache erzogen wurde, wollte er ja mit dem – letztlich erfolglosen – Versuch wettmachen, sie sich wieder anzueignen. So gebraucht er die Sprache nur – was durchaus nicht unüblich ist – als Hilfssprache für bestimmte Anlässe, wie beim Grüßen, Schimpfen oder Fluchen. Aus der Perspektive von Lidijas Vater kann die familiäre Konstellation demnach so gedeutet werden, dass er die Slowenischsprachigkeit seiner Herkunftsfamilie mithilfe seiner Ehefrau im Zuge der Erziehung der gemeinsamen Kinder wiederbelebte und in seine eigene Kernfamilie reintegrierte. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass er selbst als Angehöriger der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen betrachtet wird. Diese ethnische Zuschreibung wird ihm von seinem sozialen Umfeld verweigert, selbst seine Familienangehörigen betrachten ihn interessanterweise nicht als Kärntner Slowenen. Grund dafür ist, dass er die Sprache im Alltag nicht aktiv gebraucht und sich nicht für den Erhalt der Slowenischsprachigkeit, beispielsweise im Rahmen von Kulturvereinen, einsetzt. Ausschlaggebend für den Wunsch, die Kinder slowenischsprachig zu erziehen, war für Lidijas Vater sein familiärer Hintergrund, der Umstand, dass seine Eltern selbst noch slowenischsprachig sozialisiert wurden, er hingegen nicht mehr. Vor wenigen Jahrzehnten hätte die Entscheidung eines deutschsprachigen Vaters, seine Kinder nicht monolingual deutschsprachig, sondern zweisprachig zu erziehen, noch für Aufsehen gesorgt. Die damalige politische Situation und die soziale Stigmatisierung

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des Slowenischen veranlassten viele slowenischsprachige Personen, sich von der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen abzuwenden und die Slowenischsprachigkeit ihrer Herkunftsfamilien zu verdrängen. So verblasste über den Zeitraum einer Generation auch in Lidijas Familienstrang väterlicherseits die slowenischsprachige Familientradition vorübergehend. Erst mit der Gründung einer eigenen Familie mit einer Frau aus slowenischsprachigem Elternhaus gelang es ihrem Vater, die Slowenischsprachigkeit zu revitalisieren und in die eigene Familientradition zu reintegrieren, auch wenn er selbst im Alltag nicht slowenisch spricht. Die Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit ist dabei in ethnizitätstheoretischer Hinsicht keineswegs Ergebnis primordialer Bindungen, sondern verdankt sich günstigen situativen Bedingungen – eben der Heirat mit einer Frau aus slowenischsprachiger Familie und der Geburt seines Kindes – sowie durch aktiv verfolgte Strategien – etwa die zweisprachige Erziehung des Kindes und der versuchten, wenn auch letztlich gescheiterten, Aneignung der slowenischen Sprache. Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit Eine dritte Form des Umgangs mit der slowenischen Sprache in gemischtsprachigen Familienkonstellationen neben der Integration und der Reintegration ist die Wiederaneignung. Diese Form der intergenerationalen Vermittlung ähnelt der Reintegration und zeichnet sich dadurch aus, dass die Slowenischsprachigkeit durch das deutschsprachig sozialisierte Familienmitglied wiederbelebt wird, nachdem sie zumindest eine Generation lang verblasst war. Die Wiederaneignung grenzt sich von der Reintegration dadurch ab, dass die slowenische Sprache intensiv erlernt und sowohl im familiären Kontext als auch im sozialen Umfeld aktiv gebraucht wird. Als Beispiel für die Wiederaneignung der slowenischen Sprache kann der Fall von Barbara F. gelten. Diese lebt mit ihrer Familie im Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsraums in einer mehrheitlich von slowenischsprachigen Personen bewohnten Gemeinde im Bezirk Völkermarkt, in der der Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje gesprochen wird. Barbara selbst wurde monolingual slowenischsprachig erzogen, die deutsche Sprache eignete sie sich erst an, als sie den zweisprachigen Kindergarten und die Volksschule besuchte. Interessant an Barbaras Familienkonstellation ist, dass ihre Mutter, ähnlich wie bei Lidija H., ebenfalls slowenischsprachig aufgewachsen ist, während ihr Vater monolingual deutschsprachig erzogen wurde, obwohl seine Eltern Deutsch erst in der Volksschule erlernt hatten: »Wir reden zu Hause nur slowenisch. Wobei, also meine Mama kann von Geburt an Slowenisch. Und mein Papa hat’s eigentlich erst bei meiner älteren Schwester gelernt. Also er wurde eigentlich auch in eine slowenischsprachige Familie geboren. Aber damals war das irgendwie so, dass das Deutsche mehr in war oder mehr anerkannt wurde. Und, sie haben ihm die slowe-

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nische Sprache dann einfach nicht mehr beigebracht. Also meine Großeltern sprechen alle Slowenisch, aber meinem Vater haben sie’s dann nicht mehr weitergegeben.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Auch Barbaras Vater wurde in einer Phase der Nachkriegszeit geboren, in der die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška vor allem durch antislowenische Ressentiments und Übergriffe geprägt waren. In diesen Zeitraum fallen deutschnationale tätliche Angriffe auf slowenische Denkmäler und Gedenkorte, die Proteste gegen das BG/BRG für Slowen_innen oder der Ortstafelsturm 1972. Der öffentliche Gebrauch der slowenischen Sprache war verpönt. Auch auf legislativer Ebene fanden die antislowenischen Tendenzen ihren Niederschlag. So zum Beispiel in der gesetzlichen Abschaffung des obligatorischen Slowenischunterrichts in den Südkärntner Pflichtschulen im Jahr 1958 oder der Verschleppung der Ortstafelfrage. Angesichts dieser Situation zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes und der damals noch frischen Erinnerung an die Politik des NS-Regimes gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung verwundert die Entscheidung von Barbaras Großeltern väterlicherseits, den eigenen Sohn nicht slowenischsprachig, sondern monolingual deutschsprachig zu erziehen und ihn nicht in eine zweisprachige Schule zu schicken, nicht. Unklar bleibt jedoch, warum Eltern damals in erster Linie ihre Söhne deutschsprachig erzogen, ihre Töchter aber slowenischsprachig. Dieses Phänomen lässt sich sowohl bei Barbaras als auch bei Lidijas Eltern beobachten. Bereits die nachfolgende Generation geht mit der slowenischen Sprache ganz anders um als die Eltern. Barbaras Vater heiratete eine Frau aus slowenischsprachigem Elternhaus mit lebendiger slowenischsprachiger Familientradition. Und ähnlich wie in Lidijas Familie legte Barbaras Mutter allergrößten Wert darauf, dass ihre Kinder in slowenischer Sprache erzogen werden. Die Sozialisation der ersten Tochter, Barbaras älterer Schwester, erfolgte noch zweisprachig, slowenischsprachig durch die Mutter und zweisprachig durch den Vater. Denn nach der Geburt seiner ersten Tochter begann Barbaras Vater, sich in einem jahrelangen, mühsamen Prozess nicht nur die slowenische Hochsprache, sondern auch den regionalen Dialekt anzueignen. Die Erziehung der späteren Kinder erfolgte dann bewusst ausschließlich in slowenischer Sprache. Deutsch erlernte Barbara somit erst, als sie die zweisprachige Volksschule besuchte. Darin, dass er die Slowenischsprachigkeit in seine Familientradition reintegrierte, ist Barbaras Vater kein Einzelfall. Dass es ihm gelang, einen derartig langwierigen und lernintensiven Prozess im Erwachsenenalter konsequent zu Ende zu führen, sich das Slowenische in einem Maß anzueignen, dass er seinen Alltag weitgehend slowenischsprachig gestalten kann, zeugt allerdings von außergewöhnlicher Willenskraft. Seine diesbezügliche Ausdauer und Motivation gründen auch in der symbolischen Bedeutung, die er der Slowenischsprachigkeit beimisst. So vertritt er die Auffassung, dass die Präsenz des regionalen slowenischen Dialekts in

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der Familie erhöht, die slowenische Sprache als familiäre Tradition gepflegt und die Slowenischsprachigkeit der Familie auf Dauer gefestigt werden müsse. Auch sei es wichtig, ethnische Positionen über den außerfamiliären Kontext hinaus zu vertreten. Diese politischen Motive bilden den Ausgangspunkt für seine alltägliche Praxis des Ethnischen im familiären Kontext. Dies habe zur Folge gehabt, dass ihr Vater nach der Geburt seiner ersten Tochter mehr und mehr »ein Kärntner Slowene geworden« (Barbara F.; 18 Jahre) sei. Auch von seinem slowenischsprachigen Umfeld werde er als solcher betrachtet: »Meinen Vater sieht ein jeder als Kärntner Slowene an. Ich glaub, es ist auch deswegen, weil er immer slowenisch redet. Weil er auch, wie soll ich denn sagen, slowenisch denkt. So von dem Politischen her. Weil er auch Kinder hat, die alle auf eine slowenische Schule gehen, die alle Slowenisch sprechen, die kulturell tätig sind. Weil er selbst auf viele Veranstaltungen geht. Und weil er einen slowenischsprachigen Freundeskreis hat. Also nur slowenischsprachig. Ich glaub, er hat gar keine deutschen Freunde.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Demnach ist die Identifikation des Vaters mit dem Kärntner Slowenischen keineswegs auf die abstrakte, kognitive Ebene begrenzt, sondern hat konkrete praktische Auswirkungen auf seinen Alltag: Als Novize des Kärntner Slowenischen hat er einen homogen slowenischsprachigen Freundes- und Bekanntenkreis, engagiert sich in örtlichen slowenischsprachigen Kultureinrichtungen, kommuniziert in seinem gesamten Alltag in slowenischer Sprache. Er legt großen Wert auf die familiäre Weitergabe der Slowenischsprachigkeit und bezieht aktiv Stellung in politischen Fragen. Der praktische Umgang mit dem Ethnischen des Vaters findet auch in der Art und Weise, wie Barbara F. mit der slowenischen Sprache umgeht, Niederschlag: »Ich meine, wenn jemand ein Problem damit hätte, dass ich Slowenisch spreche, dann muss er sich sowieso fernhalten von mir. Weil es ist unvermeidlich. Es ist wirklich so, ich geh in eine zweisprachige Schule, zu Hause rede ich nur slowenisch. Fast alle meine Freunde sprechen Slowenisch. Und ich würd nie nicht slowenisch sprechen. [...] Sei es jetzt wegen irgendeiner Freundin, oder einem Freund oder irgendwem.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Wenn die Interviewpartnerin erwähnt, dass weite Teile ihres Alltags von der slowenischen Sprache dominiert würden, meint sie jedoch nicht die slowenische Hochsprache, sondern den regionalen slowenischen Dialekt. Insbesondere im familiären Rahmen und mit den Kindheitsfreund_innen könne sie gar nicht anders, als slowenisch zu sprechen, wie sie sagt: »Also mit den meisten meiner Freunde rede ich slowenisch. Aber auch nicht mit allen. Aber überhaupt mit den Freunden, die ich schon seit dem Kindergarten habe, mit denen kann ich

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einfach nicht deutsch sprechen. Das geht einfach nicht. Es geht einfach nicht. […] Wenn ich ihr [der Mutter (J. K.)] oder dem [Vater (J. K.)] in die Augen schau, ich bring kein deutsches Wort heraus. Auch mit meiner Mutter ist das so. Es ist irgendwie so automatisch. Und man selbst merkt es oft ja auch gar nicht, in welcher Sprache man jetzt gerade spricht. Weil’s irgendwie so automatisch ist.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Das Beispiel von Barbaras Familie zeigt, dass es durchaus möglich ist, sich die verloren geglaubte slowenischsprachige Familientradition trotz Unterbrechung in einer Generation wieder aktiv anzueignen. Auch im Erwachsenenalter kann die slowenische Sprache und selbst ein regionaler slowenischer Dialekt neu erlernt und in der Alltagskommunikation mit den Familienangehörigen eingesetzt werden. Die sprachliche Assimilation der Eltern an das Deutsche kann somit durch die nachkommenden Generationen wieder rückgängig gemacht werden. Zudem ist es keineswegs ausgeschlossen, wie der Fall von Barbaras Vater deutlich macht, dass jemand erst im Zuge des Erwachsenenalters zu einer/m Kärntner Slowen_in wird. Darin zeigt sich auch, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe nichts ist, was einer Person im primordialen Sinne einfach in die Wiege gelegt und was ohne aktives alltagspraktisches Zutun wirksam würde. Zwar gilt als notwendige Bedingung, um als Kärntner Slowen_in angesehen zu werden, ein entsprechender Familienhintergrund in Form slowenischsprachiger Wurzeln, entscheidend für die Zuerkennung der Mitgliedschaft zu der ethnischen Gruppe sind jedoch alltagspraktische soziale Umgangsformen, die aktiv über einen langen Zeitraum gepflegt werden müssen. Intergenerationale Vermittlungsformen der Slowenischsprachigkeit im Vergleich In der Zusammenschau zeigt sich, dass die Slowenischsprachigkeit Südkärntner Familien in ganz unterschiedlichen Konstellationen gewahrt bleiben kann. Konserviert wird diese Tradition einer Familie nicht nur dann, wenn die Sprache unmittelbar von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird, sondern auch wenn in der Vergangenheit über eine Generation hinweg innerhalb der Familie eine sprachliche Assimilation stattgefunden hat. Selbstredend ist die beste Voraussetzung für die lineare Weitergabe der slowenischen Sprache (wie bei Marina G. und Zdravko Š.) eine homogen slowenischsprachige Familientradition beider Elternteile, doch auch eine gemischtsprachige Familienkonstellation führt keineswegs zwingend zum Verlust eines Angehörigen der ethnischen Minderheit. Vielmehr gibt es zahlreiche Beispiele einer solchen Familienkonstellation, in denen eine Wiederaneignung (Barbara F.), Reintegration (Lidija H.) oder Integration (Jernej B.) der Slowenischsprachigkeit in das familiäre Alltagsleben stattfand. Wie diesen Fällen zu entnehmen ist, verdankt sich die Revitalisierung einer verschüttgegangenen oder vorübergehend verblassten ethnischen Familientradition der

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Handlungsfähigkeit der einzelnen Akteure. Es ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass die ethnische Praxis einem Menschen nicht von Haus aus mitgegeben wird, sondern ebenso Resultat situativer ethnischer Wahloptionen ist – insbesondere bei der Heirat oder der Frage, in welcher Sprache die gemeinsamen Kinder erzogen werden. Für eine Wiederaneignung, Integration oder Reintegration der Slowenischsprachigkeit sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Beispielsweise zeichnen sich monolingual deutschsprachig sozialisierte Partner_innen in gemischtsprachigen Beziehungen offensichtlich durch eine hohe Akzeptanzbereitschaft und Solidarität in Bezug auf die Situation der ethnischen Minderheit aus, was sich darin ausdrückt, dass sie sich für die slowenischsprachige oder zweisprachige Erziehung der gemeinsamen Kinder einsetzen. Oftmals entscheiden sich deutschsprachige Elternteile aber auch, die verblassten slowenischsprachigen Wurzeln ihrer Herkunftsfamilien wiederzubeleben. Daneben lassen es sich slowenischsprachige Väter und – insbesondere – Mütter angelegen sein, die slowenische Sprache, also ihre »Wurzeln« (Lidija H.; 16 Jahre), an ihre Kinder weiterzugeben. So ist das Bemühen um die intergenerationale Vermittlung der eigenen Muttersprache in gemischtsprachigen Partnerschaften aufseiten der slowenischsprachigen Elternteile meist höher als bei ihren deutschsprachig sozialisierten Partner_innen. In solchen familiären Kontexten ist gemeinhin auch die sprachliche Rollenverteilung – also welcher Elternteil mit dem Kind in welcher Sprache kommuniziert – strikt geregelt. Bei der intergenerationalen Weitergabe der Sprache agiert stets die Elterngeneration als aktiver Entscheidungsträger, während die nachkommende Generation passiv bleibt. Dies zeigt sich auch bei den Interviewpartner_innen, die im Umgang mit der Slowenischsprachigkeit ebenso durch die Eltern geprägt sind wie Letztere durch die Großeltern. Die intergenerationale Vermittlung des Ethnischen vollzieht sich aber keinesfalls losgelöst von strukturierenden Ordnungen. So gilt es sich vor Augen zu halten, dass die Wiederaneignung oder Reintegration der slowenischen Sprache in Familien auch dadurch bedingt ist, dass im Zuge der Umwertung der Slowenischsprachigkeit deren Status in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist und dass die Bereitschaft zu deren Anerkennung und Wertschätzung von deutschsprachiger Seite markant zugenommen hat. Davor wäre die Annäherung monolingual deutschsprachig sozialisierter Personen an die Slowenischsprachigkeit nicht denkbar gewesen. In jener Phase der ethnischen Beziehungen wurden deutschsprachige Eltern, die ihre Kinder slowenischsprachig erzogen oder mit der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen sympathisierten, von ihren deutschsprachigen Mitmenschen noch als Heimatverräter_innen angefeindet. Das antislowenische Klima veranlasste damals vielmehr selbst homogen slowenischsprachige Paare dazu, die slowenischsprachige Familientradition nicht mehr an die eigenen Nachkommen weiterzuvermitteln. Die Bereitschaft der Eltern zur Weitergabe der Slowenischsprachigkeit hängt somit maßgeblich von deren sozialem Prestige ab. Besteht die Befürchtung, dass die eigenen

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Kinder, wenn sie slowenischsprachig aufwachsen, systematische Hänseleien, Diffamierungen und Stigmatisierungen zu erleiden haben, ist das Interesse an der Weitergabe der Sprache gering. Heutzutage fügen junge Menschen ihren Berichten von ethnischen Anfeindungen stets hinzu, dass diese weniger häufig vorkommen als in der Vergangenheit.

6.2 FAMILIÄRE GEGENWARTEN In den familiären Gegenwarten entfaltet die intergenerationale Vermittlung der Slowenischsprachigkeit durch Eltern und Großeltern eine prägende Wirkung. Die in der frühen Kindheit und Jugend verinnerlichten Umgangsformen mit der slowenischen Sprache formen die zukünftige Sprachpraxis junger Menschen entscheidend mit, auch wenn diese ab dem Beginn der Schullaufbahn als zunehmend eigenständig agierende Akteure sukzessive auch selbstbestimmte Strategien im Umgang mit der Slowenischsprachigkeit entwickeln. Nichtsdestotrotz sind die elterlichen Umgangsformen mit der Sprache in der Jugendphase und beim Erwachsenwerden von besonderer Wichtigkeit – sei es als Vorbilder oder als Abgrenzungsfolien. Unterschieden werden muss in dieser Hinsicht zwischen zwei konträren Umgangsformen. Da ist zum einen die vorbehaltlose Identifikation mit der slowenischen Sprache. Junge Menschen, die diesen Weg beschreiten, betrachten diese zumeist als sakrosanktes Symbol, das sie unter allen Umständen zu erhalten trachten. Zum anderen gibt es Heranwachsende, die einen ambivalenten, zeitweise auch kritischen Umgang mit der Slowenischsprachigkeit pflegen. Zwar betrachten auch sie die Sprache als familiäres Erbe. Jedoch ordnen sie ihre Kommunikationsgewohnheiten im Alltag, meist zum Missfallen der Eltern und der Verwandtschaft, nicht dem Prinzip der Wahrung des Familienerbes unter. In den folgenden Abschnitten werden diese beiden Umgangsformen mit der Slowenischsprachigkeit in der Gegenwart anhand verschiedener Beispiele dargestellt. Die vorbehaltlose Identifikation mit der Slowenischsprachigkeit. Über Märtyrer_innen und Kämpfer_innen Eine vorbehaltlose Identifikation mit der Slowenischsprachigkeit zeigt sich insbesondere bei jungen Menschen, deren Herkunftsfamilien in der jüngeren Geschichte Opfer von ethnischer Stigmatisierung oder einschneidenden Gewalterfahrungen – beispielsweise während der Zeit des Nationalsozialismus – gewesen sind. Aber auch andere Phasen der Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška – wie der sogenannte Ortstafelsturm 1972 oder die Schulstreiks Ende der 1950er Jahre – haben ihre Spuren hinterlassen und prägen die familiären Gegenwarten. Denn in den nachfolgenden Generationen finden diese Erfahrungen einen immensen Nachhall.

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Nachfolgend wird die vorbehaltlose Identifikation mit der Slowenischsprachigkeit am Beispiel der beiden bereits vorgestellten Schüler_innen Zdravko Š. und Lidija H. illustriert. Zdravko Š. entstammt, wie wir bereits wissen, einem homogen slowenischsprachigen Elternhaus im Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsraums und wohnt nahe der Grenze zu Slowenien im Bezirk Klagenfurt-Land. Bei der Reflexion seiner Familiengeschichte hebt er vor allem die Betroffenheit seiner Familie durch tragische Ereignisse – insbesondere während des Zweiten Weltkriegs – hervor. Der Wohnort seiner Familie liegt inmitten des historischen Operationsgebiets der Kärntner Partisan_innen, welche durch die Zivilbevölkerung vor Ort unterstützt wurden und sich zum Teil auch aus dieser rekrutierten. So war auch sein Urgroßvater väterlicherseits Angehöriger dieser bewaffneten Einheiten. Über die Erlebnisse seiner Vorfahren in dieser Zeit sagt er: »Die Urgroßeltern warn auch im Krieg. Und von ihm [vom Vater (J. K.)] da Opa is im Krieg ums Leben gekommen. Die Nazis ham ihn vor der Tür erschossen. Er war bei den Partisanen. Aber über den weiß ich leider nicht so viel. Er wurde bei Kämpfen erschossen. In meiner Wohngemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land gibt es sehr viele ältere Männer, die im Krieg auch warn, und im KZ-Lager warn, und alles miterlebt ham. So Gschichtn findest du bei uns überall.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Die Erschießung seines Urgroßvaters während des Zweiten Weltkrieges ereignete sich in seiner Wohngemeinde, direkt vor der Haustür der Familie, möglicherweise vor den Augen der Angehörigen. Auch aufgrund der Dramatik der Ereignisse sind dessen Tod und die Tat der Nationalsozialist_innen für Zdravkos Familie stets präsent und greifbar. Dass Bewohner_innen der Ortschaft – wie sein Urgroßvater – in der Zeit des Nationalsozialismus als Partisan_innen gekämpft hatten, war laut Zdravko kein Einzelfall. Davon zeugen bis heute materielle Relikte aus dieser Zeit: »Ein paar Leute in der Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land, die habn noch, ich kenne einen, der hat Maschinengewehre zu Hause im Keller, die Maschinengewehre hatte er im Krieg benutzt, und die hat er noch immer im Keller. Solche Dinge erinnern mich an die Kärntner Slowenen. Dass sie für die Sprache gekämpft haben.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Die Aktivitäten der Kärntner Partisan_innen während des Zweiten Weltkriegs werden in der Literatur unterschiedlich interpretiert. Die deutsche historiografische Schule einmal ausgenommen, werden sie entweder als Widerstand gegen das NSRegime, als Verteidigung des Kärntner Slowenischen oder als Kampf für den Kommunismus gedeutet. Zdravko Š. betrachtet die Widerstandsaktivitäten als legitimen Einsatz für die slowenische Sprache, die Kärntner Partisan_innen selbst sieht er als

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Kämpfer_innen für das Kärntner Slowenische an. Beeinflusst wird er dabei in erster Linie von Personen in seinem sozialen Umfeld und deren Perspektive, welche in seiner Aussage indirekt zum Ausdruck kommt. Die Maschinengewehre des ehemaligen Partisanen stehen in Zdravkos Augen sinnbildlich für das Kärntner Slowenische. In ihnen materialisiert sich für ihn der Einsatz für die slowenische Sprache. Dass er diese überhaupt zu Gesicht bekommen hat, ist nicht außergewöhnlich – wo er aufgewachsen ist, haben viele slowenischsprachige Familien Angehörige, die während des Zweiten Weltkriegs als Partisan_innen bewaffneten Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. Nach Kriegsende kamen zahlreiche Partisan_innen dem Befehl der britischen Armee, Ausrüstung und Waffen abzugeben, nicht nach, unter anderem deshalb, weil nach der Kapitulation des Dritten Reiches die britischen Einheiten nicht entschieden gegen örtliche nationalsozialistische Kräfte vorgingen und die Befürchtung bestand, dass diese für das Kärntner Slowenische abermals zur Bedrohung werden könnten. So zogen zahlreiche Kärntner Partisan_innen es vor, ihre Waffen in Kellern, Bunkern im Wald oder sonstigen Verstecken zu deponieren. Der kurze Zeitraum von 1942 bis 1945, in dem die Kärntner Partisan_innen im Südkärntner Raum aktiv waren, ist für Zdravko Š. erstaunlich präsent. Seine eigene ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowene stellt er auch in die Tradition dieser geschichtlichen Ereignisse. Dabei gilt ihm die Slowenischsprachigkeit sowohl als sakrosanktes familiäres als auch als lokales Erbe, mit dem er sich vorbehaltlos identifiziert und zu dessen Aufrechterhaltung er sich verpflichtet sieht: »Und ich will dafür kämpfen, dass ich irgendwas machen kann. Dass ich manche Leute überreden kann, dass sie mehr slowenisch redn. […] Ich mag das nicht, dass Kärntner Slowenen miteinander deutsch redn, eben- obwohl sie Kärntner Slowenen sind. Und die Kärntner Slowenen sterben ja recht aus, es gibt ja nicht viele.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Zdravko begreift die slowenische Sprache und das Kärntner Slowenische als etwas, für das gekämpft werden müsse. Seinen Beitrag sieht er darin, dass er einerseits selbst mehr slowenisch spricht und andererseits versucht, auch andere zu ermuntern, die Sprache häufiger zu verwenden oder neu zu erlernen. In seinen Augen ist es für Menschen aus slowenischsprachigen Familien zwingend geboten, sich im schulischen Alltag oder im Freundes- wie Bekanntenkreis für den Erhalt der slowenischen Sprache, dieses wertvollen Familienerbstücks, aktiv einzusetzen. Anders als Zdravko Š. bringt Lidija H. ihre Kommunikationsgewohnheiten weniger mit den Kämpfer_innen für die slowenische Sprache während des Zweiten Weltkriegs als vielmehr mit den seinerzeitigen Leiderfahrungen ihrer Großmutter in Verbindung. Diese lebte in derselben Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land, in der

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auch Lidija aufgewachsen ist. Die Deportation zahlreicher slowenischsprachiger Familien aus ihrem Wohnort bewog die Großmutter, die Kärntner Partisan_innen aktiv zu unterstützen – beispielsweise mit Essen oder Medikamenten. Auch leistete sie Beihilfe bei Sabotageaktionen. Aufgrund dieser Aktivitäten wurde sie kurz vor Kriegsende festgenommen, verhört, gefoltert und inhaftiert. Nur durch eine glückliche Fügung überlebte sie. Ihre Großmutter hat für Lidija H. eine außerordentlich große Bedeutung. Ihre ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowenin und ihren Umgang mit der slowenischen Sprache stellt sie in unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten ihrer Großmutter während des Zweiten Weltkriegs: »Für mi ist mei größtes Vorbild, und wird immer sein, mei Oma. Is mei Oma, scho immer gwesn. Sie ist anfach, waß net, für mi symbolisiert sie anfach alles was i bin. […] Was sie alles für uns Kärntner Slowenen durchgmacht hat, und aa andere. […] Was sie alles für uns durchgmacht hat. Was sie alles geleistet hat. Und generell so, dass die Sprache erhalten bleibt. Respekt!« (Lidija H.; 16 Jahre)

Wenn sie ihre Großmutter als Vorbild darstellt, geht Lidija so weit zu sagen, dass diese alles symbolisiere, was sie selbst ist oder zu sein beabsichtigt. All deren Anstrengungen, die Mühen des Widerstands, die ständige Gefahr, aufzufliegen oder denunziert zu werden, die qualvollen Verhöre und die Pein der Kerkerhaft dienten laut Lidija H. nur einem übergeordneten Ziel: dem Erhalt der slowenischen Sprache. Daher sieht sie die Großmutter als Märtyrerin, die sich für die slowenische Sprache geopfert hat. Nicht nur zu Lebzeiten spielte die Großmutter für Lidija eine ganz zentrale Rolle. Auch nach ihrem Tod hat ihre Präsenz in der Familie keinesfalls abgenommen, gewann vielmehr an symbolischer Strahlkraft. Geschichten über ihr Leben und ihre Widerstandsaktivitäten bilden häufig den Inhalt familiärer Gespräche und sind im Familienalltag sowie in der Wohngemeinde der Familie sehr präsent: »I hab so viele Geschichten ghört von der Oma. Des halt, wie es woar, und dass es so schlimm war, und so weiter. Und genau deswegen hab i dann aa gsagt, wenn sich mei Oma schon so dafür eingsetzt hat, muss es ja irgendwer weiter führn. I man, so jetzt. Kannst jetzt ja net anfach so aufgebn. I man Leit san dafür gstorben und ham sich für diese Sprache geopfert. Und des muss ja irgendwie weitergehn, des kann ja net aufhörn, deswegen.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Ihre Aufopferung für die slowenische Sprache haben die Großmutter und andere slowenischsprachige Widerstandskämpfer_innen zu leuchtenden Vorbildern für die nachkommenden Generationen gemacht. Unter dem Eindruck von Erzählungen und Erfahrungsberichten verfestigte sich bei Lidija H. die Überzeugung, dass sie es ihrer

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Großmutter gleichtun und ihren eigenen Beitrag für die Weitergabe der Sprache leisten müsse. Der Einsatz der Großmutter solle nicht nur gewürdigt, sondern müsse auch nachgeahmt und fortgeführt werden. Denn die Geschichte der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen müsse »ja irgendwie weitergehen« (Lidija H.; 16 Jahre) – dies würden allein die Opfer gebieten. Daher verpflichtet sich die Schülerin, die slowenische Sprache weiter zu sprechen und die Präsenz der Slowenischsprachigkeit mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten. Mit Worten, die wie ein Ausschnitt aus einer Gedenkrede klingen, zieht die Schülerin eine direkte Linie von der Unterstützung der Kärntner Partisan_innen durch die Großmutter hin zu ihrem eigenen Alltag und ihren alltäglichen Kommunikationsgewohnheiten. Die stetige Vergegenwärtigung der Vergangenheit und der Einsatz für die Wahrung des Familienerbstücks geschehen jedoch nicht immer aus freien Stücken heraus. Oft erscheint die Fortführung der Slowenischsprachigkeit durchaus als schwere Bürde, die ihr durch Eltern und Großeltern auferlegt wurde, wie das nachfolgende Zitat zeigt: »I war von mei’m zweiten Lebensjahr bis zu mei’m vierten Lebensjahr eigentlich den ganzn Tag nur bei der Oma, und sie hat halt immer wieder gsagt, ›Ja, es is so, wir gebn dir jetzt die Sprach weiter, was du dann damit machst, is dei Sache.‹ Aber sie ham’s mer irgendwie so eingepflanzt. Und das, das is mir anfach so wichtig wurdn. Also des hätt i mir nie gedacht. Manchmal denk i mir: ›Ja, wenn’d jetzt a Sprach weitergibst, was is des schon?‹ Aber waß net. Es geht ja aa von ihre Vorfahrn und so weiter, des is anfach voll weit zurückzuführn.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Die Aussage verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung der Slowenischsprachigkeit als eines familiären Erbstücks, das Lidija H. durch die Kommunikation mit der Großmutter in ihrer frühen Kindheit, wie sie es ausdrückt, »eingepflanzt« (Lidija H.; 16 Jahre) wurde. In dieser Altersphase wurde ihr bewusst, dass die Slowenischsprachigkeit etwas ist, das über Generationen in ihrer Familie hinweg »anfach voll weit zurückzuführn« (Lidija H.; 16 Jahre) ist und dessen Trägerin sie nun ist. So wurde sie bereits in ihrer frühen Kindheit mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass es eines Tages an ihr liegen wird, die slowenischsprachige Familientradition weiterzugeben. In der Aussage wird deutlich, dass die Slowenischsprachigkeit auch als Container fungiert, in dem Familientraditionen und symbolische Bedeutungen transportiert werden. Der alltägliche Gebrauch der Sprache dient somit nicht nur der gegenseitigen Verständigung, sondern insbesondere der Wahrung des Familienerbes. Und diese Verantwortung empfand Lidija über eine lange Zeit hinweg als Verpflichtung, der sie nicht immer mit Freude nachkam, die sie zwischenzeitlich vielmehr als Belastung wahrnahm. So berichtet sie davon, dass es in ihrer Kindheit und Jugend Phasen gegeben habe, in denen sie sich scheute – sei es aus Ehrfurcht oder

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wegen der Bedeutungsschwere der Erlebnisse –, mit ihrer Großmutter über ihre Erlebnisse und über geschichtliche Themen zu sprechen: »Also i waß net. I hab aa net so gern mir ihr da drüber gredet, also über alles, was mit Geschichte zu tun hat. Weil es für sie dann aa net, es war für sie a bissi unangenehm, darüber zu redn. Der Zweite Weltkrieg war halt immer im Mittelpunkt. I waß net. Und ich mochte des damals aa net. Sie hat einiges durchgmacht.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Zu bedrückend schienen Lidija diese Erlebnisse, um sich intensiver mit ihnen auseinanderzusetzen, zu beklemmend die Erfahrungen der Großmutter, die zumeist alles Übrige in den Schatten stellten – alle anderen biografischen Episoden, Erfahrungen, der gesamte Lebensweg der Großmutter vor und nach den traumatischen Erlebnissen rückten in den Hintergrund. Übrig blieben allein die bleierne Schwere und die Dramatik der Leiderfahrungen während der Zeit des Nationalsozialismus. Aus diesem Grund versuchte Lidija H. eine Zeit lang, die Bürde des familiären Erbes abzuschütteln, indem sie sich schrittweise – auch unterstützt durch parallel stattfindende Prozesse in ihrer Volksschulzeit, in denen sie sich vermehrt an ihren deutschsprachigen Mitschüler_innen und der vorrangig deutschsprachigen medialen Umwelt orientierte – von der slowenischen Sprache entfernte.1 Außerhalb des Elternhauses habe sie in diesem Zeitraum – damals war sie zwischen acht und zehn Jahren alt – fast ausschließlich deutsch gesprochen. Dass Lidija nach dem Besuch der zweisprachigen Volksschule wieder begann, die slowenische Sprache kontinuierlich zu verwenden, mehr wertzuschätzen und sich aktiv für die Präsenz der Sprache einzusetzen, verdankt sich insbesondere zwei Faktoren. Zum einen dem Besuch des BG/BRG für Slowen_innen, mit dem ihre Entfremdung von der Slowenischsprachigkeit endete.2 Und zum anderen, und dies ist der entscheidende Aspekt, den Interventionen ihrer Mutter, die den Umgang der Tochter mit dem familiären Erbe stets aufmerksam verfolgte. Dass ihre Tochter dem übertragenen familiären Erbe gerecht wird und die Slowenischsprachigkeit entsprechend pflegt, war ein zentrales Anliegen, das Lidijas Mutter durchaus konfrontativ und mit Nachdruck verfolgte. Besonders nachhaltige Wirkung entfaltete ein, wie Lidija es ausdrückt, »ernstes Gespräch« (Lidija H.; 16 Jahre), das ihre Mutter mit ihr führte und das sie wie folgt schildert:

1

Der Umgang mit der slowenischen Sprache in zweisprachigen Volksschulen wird detailliert im Kapitel 7.1 behandelt.

2

Kapitel 7.3.3 widmet sich ausführlich der Behandlung der slowenischen Sprache im BG/BRG für Slowen_innen.

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»Na, wir ham ma anfach angfangen zu redn, und dann ham ma anfach über alles gredet, aa über die Oma, über anfach alles. Da hat sie gsagt: ›Ja, i gib dir die Sprach weiter, du musst damit selber machn was du willst!‹ Und äh, da hab i dann gwusst, dass es anfach, des ghert jetzt dazu. Die Sprache, des bin i! Und i wers net ändern.« (Lidija H.; 16 Jahre)

In diesem ernsten Gespräch rief Lidijas Mutter der Tochter noch einmal die Bedeutung der slowenischen Sprache als eines familiären Erbstücks in Erinnerung, das nur dadurch in Ehren gehalten werden könne, dass die Sprache gepflegt wird. Diese Worte zeigten tatsächlich Wirkung: Dass Lidija H. außerhalb des Elternhauses vermehrt deutsch sprach, »hat sich dann schnell gändert« (Lidija H.; 16 Jahre). So bewog die Konfrontation mit der Mutter die Jugendliche, ihre Distanzierung von der slowenischen Sprache zu überdenken und die sprachlichen Traditionen ihrer Familie fortzuschreiben. Die seit diesem Zeitpunkt vorbehaltlose Identifikation mit der Slowenischsprachigkeit zeigt sich unmissverständlich in Lidijas Ausspruch »Die Sprache, des bin i!« (Lidija H.; 16 Jahre). Die Bedachtnahme der Mutter darauf, dass die Tochter der Pflege des familiären Erbes nachkommt, beschränkte sich freilich nicht auf punktuelle Interventionen, sondern fand kontinuierlich in Form gemeinsamer Aktivitäten statt. So sang Lidija H. ihre Kindheit und Jugend hindurch mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter in verschiedenen slowenischsprachigen Chören in ihrer Wohngemeinde, mit denen sie auch im Südkärntner Raum und in Slowenien auftrat. Auch zu Hause stimmen Mutter und Kinder regelmäßig slowenische Volkslieder an. Auf diese Weise sucht Lidijas Mutter sicherzustellen, dass ihre Kinder der Pflege der Slowenischsprachigkeit ernsthaft nachkommen. Dazu soll auch die Auswahl der Liedtexte beitragen, die sich oftmals um die Zukunft der Slowenischsprachigkeit und um die Weitergabe des familiären Erbes drehen. Ein Volkslied habe es der Mutter besonders angetan, wie Lidija erzählt: »Es gibt da so a scheenes slowenisches Lied. Des heißt halt: ›Ja wird mei Enkel noch slowenische Lieder singen?‹ Also, und da plärrt halt mei Mama immer, weil sie, i waß net, weil sie’s hofft, dass i’s anfach noch weiter gebn werd. Und des singen wir halt aa immer.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Offenbar hegen auch andere slowenischsprachige Eltern die Befürchtung, dass ihre Kinder das Familienerbe vernachlässigen könnten, andernfalls hätte sie nicht Eingang in ein beliebtes Volkslied gefunden. Lidijas Mutter jedenfalls ist beim gemeinsamen Singen oft derart ergriffen, dass sie zu weinen beginnt. Diese emotionale Aufgewühltheit angesichts der Frage der Weitergabe des Familienerbstücks ließ die Tochter keinesfalls kalt. So suchte sie deren Sorge vor wenigen Jahren in einem Brief an die Mutter zu zerstreuen:

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»Und amal hab i ihr halt so an Brief gschriebn. Drin gstanden is anfach nur dieser Satz: ›Ja es wird dei Enkel aa no slowenische Lieder singen!‹ und so. Da war sie schon berührt. Sie hat sich früher logisch Gedanken darüber gmacht, wie: ›Ma ja, a werd die Lidija des jetzt ernst nehmen? Werd sie des jetzt weitergeben?‹ Aber jetzt sagt sie: ›Jetzt is es für uns kei Thema mehr!‹, weil sie’s nun selber waß, dass i des machen werd.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Mit dem Brief, in dem sie gelobte, sich auch zukünftig gegen das Verschwinden der slowenischen Sprache einzusetzen und das familiäre Erbe an ihre eigenen Kinder weiterzugeben, um damit für die Fortschreibung der Familientradition in der nächsten Generation zu sorgen, gelang es Lidija H., ihre Mutter zu beruhigen. Seitdem herrscht bei der die Gewissheit, dass die Slowenischsprachigkeit innerhalb der Familie weiterleben wird – und seitdem hat die Beaufsichtigung ihrer Kinder in Sachen Pflege des Erbstücks spürbar nachgelassen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem familiären Erbe und die Beaufsichtigung der Pflege der Familientradition Der vorbehaltlosen Identifikation mit der Slowenischsprachigkeit steht eine Umgangsform gegenüber, deren Inhalt die kritische Auseinandersetzung mit der slowenischsprachigen Familientradition ist. Diese geht in der Regel einher mit einer schrittweisen Loslösung junger Menschen vom eigenen Elternhaus und kann als partieller Bruch mit dem vonseiten der Eltern gepflegten Umgang mit der slowenischen Sprache gewertet werden. Wenig überraschend daher, dass diese Haltung bei den Eltern besonderes Missfallen erregt und Interventionen hervorruft. Wie diese aussehen, führe ich am Fall der Schülerin Barbara F. aus. Barbara F. entstammt einer gemischtsprachigen Familie, ihr Vater eignete sich nach der Heirat und der Geburt der Kinder die verblasste slowenischsprachige Tradition seiner Herkunftsfamilie wieder an. Während er sich seitdem besonders stark mit der Slowenischsprachigkeit identifiziert, ging seine Tochter, die sich während ihrer Zeit in der zweisprachigen Volksschule und der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen ebenfalls rückhaltlos mit der Slowenischsprachigkeit identifizierte und sich vorbehaltlos als Kärntner Slowenin definierte, dazu mehr und mehr auf Distanz. Der kritische Blick auf die slowenischsprachige Familientradition bzw. das Kärntner Slowenische hat sich nach ihrem Eintritt in die Zweisprachige HAK weiter verschärft. Dies schlägt sich auch in ihren praktischen kommunikativen Umgangsformen im Alltag nieder. Während sie im familiären Kreis weiterhin ausschließlich den regionalen slowenischen Dialekt gebraucht, verwendet sie außerhalb dessen vermehrt die deutsche Sprache. Die Veränderung ihres Sprachgebrauchs ging einher mit einer schrittweisen Veränderung ihres sozialen Umfelds. So setze sich ihr Freundes-

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und Bekanntenkreis mittlerweile sowohl aus slowenisch- als auch aus deutschsprachigen Gleichaltrigen zusammen. Die Veränderung ihrer Kommunikationsgewohnheiten ist keineswegs dem sprachlichen Hintergrund ihrer Freund_innen geschuldet – vielmehr verwehrt sich Barbara mittlerweile dagegen, aus ihrem Familienhintergrund die Pflicht abzuleiten, im Alltag stets die slowenische Sprache zu gebrauchen. »Ich spreche Slowenisch, ich bin stolz drauf. Die Sprache ist wunderschön. Aber irgendwie ist es ja nur eine Sprache! Und wenn ich jetzt jemanden treffe, und er kann Deutsch, ich kann Deutsch, dann ist es für mich klar, dass ich mit ihm deutsch rede. […] Wir sind jetzt zum Beispiel fünf Freundinnen, vier davon sprechen Slowenisch, eine davon spricht nur Deutsch. Also vier davon sprechen zwei Sprachen. Und eine davon nur Deutsch. Für mich ist es da klar, dass wir uns da auf Deutsch unterhalten. Weil sie kann halt kein Slowenisch. Und das ist auch kein Problem für mich, überhaupt nicht. Für mich ist des logisch, dass man sich in der Sprache verständigt, die was beide gut können.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Zwar ist Barbara stolz auf ihre Slowenischsprachigkeit und erachtet sie – wie andere Interviewpartner_innen auch – als wertvolles familiäres Erbe. Dessen Bedeutung relativiert sie jedoch – sie betrachtet die Slowenischsprachigkeit nicht als Handlungsverpflichtung, der sie in allen Alltagssituationen zwingend entsprechen oder folgen müsse. Bei der Wahl der Sprache richte sie sich in erster Linie danach, dass die gegenseitige Verständigung gewahrt bleibt, deswegen erfolge ihre Sprachwahl situations- und themenabhängig, wie sie sagt. Für sie ist die slowenische Sprache eben in erster Linie ein Kommunikationsmedium, denn »irgendwie ist es ja nur eine Sprache!« (Barbara F.; 18 Jahre) und weniger ein identitätsstiftendes Symbol des Kärntner Slowenischen. Damit entkleidet sie das Sprechen der slowenischen Sprache partiell der damit verbundenen ethnischen Zuschreibungen. Der Geschichte der slowenischsprachigen Bevölkerung und der Familienhistorie während der Zeit des Nationalsozialismus kommen in Barbaras Perspektive zwar eine wichtige, aber keineswegs eine alles andere überragende Rolle zu, auch setzt sie geschichtliche Aspekte nicht in Verbindung mit ihrem Sprachgebrauch. Dass die Pflege des Familienerbstücks für die Schülerin keinen übergeordneten Stellenwert hat, wird vonseiten ihrer Familie wenig verwunderlich mit Argwohn betrachtet. Insbesondere die Mutter bekundete des Öfteren ihr Missfallen an der Haltung der Tochter gegenüber der deutschen Sprache: »Meine Mama, jaa sie flippt da aus! Also dann, wenn ich mit meinen Freundinnen deutsch rede. Und sie freut sich nicht, dass ich soo über die slowenische Sprache denke. Für mich hat einfach Deutsch und Slowenisch den gleichen Stellenwert. Ich will da nichts bevorzugen. Meine Mutter sieht das aber ganz anders.« (Barbara F.; 18 Jahre)

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Dass Barbara ihrer Slowenischsprachigkeit nicht die angemessene Würdigung zuteilwerden lässt, sie in der Alltagskommunikation nicht entsprechend pflegt, ruft bei der Mutter regelmäßig Entrüstung und Tadel hervor. In ihren Augen ist der familiäre Hintergrund sehr wohl ein Auftrag – auch an Barbara, die angehalten sei, mehr slowenisch zu sprechen und sich mehr für die Sprache einzusetzen. Auch ihr Vater, der selbst gar nicht slowenischsprachig erzogen wurde, sondern sich die Sprache erst im Erwachsenenalter wieder aneignete, fühlt sich bemüßigt, Barbaras Kommunikationsgewohnheiten zu beaufsichtigen und gegebenenfalls gezielt zu intervenieren: »Er ist so richtig gegen nur Deutsch Sprechende. Was ich irgendwie, ich versteh’s net wirklich, weil eigentlich ist er ja deutschsprachig aufgwachsen. So, und i bin viel viel – wie soll i denn sagen – mehr liberal. Also mir ist des ganz gleich, und er greift mi dann immer mehr an: ›Ja, denk an das, du bist a Kärntner Slowenin!‹ Und so weiter. Dass i mi mehr für Kärntner Slowenen einsetzen soll. Wobei ich ja irgendwie so mein, er ist es ja eigentlich selbst nicht so richtig. Also er ist es erst so geworden. Das versteh ich net ganz.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Die Ansicht des Vaters, dass das Kärntner Slowenische einen Gegenentwurf zur deutschsprachigen ethnischen Mehrheitsgesellschaft darstelle, vermag die Tochter nicht zu teilen. Auch aus diesem Grund steht sie unter der Aufsicht der Eltern und wird laufend dazu angehalten, sich mehr als bisher mit der slowenischsprachigen Familientradition zu identifizieren. Das Beharren des Vaters darauf, dass seine Tochter ihr familiäres Erbe hegen und pflegen müsse, trifft bei dieser jedoch nur auf wenig Verständnis. Vielmehr verstärken die Interventionen der Eltern Barbaras Unwillen, sich diesen Vorstellungen zu fügen – mit der Konsequenz dass sie gegen ihre Eltern aufbegehrt und einen abweichenden, kritischen Umgang mit dem familiären Erbstück wählt. Sicherlich kann es sich dabei um eine zeitlich begrenzte rebellische Phase handeln, die auch einmal ein Ende findet, sodass Barbara sich eines Tages doch wieder stärker für die Wahrung der Slowenischsprachigkeit einsetzt. Was das Beispiel Barbara F. deutlich macht ist, dass Konfliktlinien hinsichtlich des Umgangs mit der Slowenischsprachigkeit auch innerhalb einer Familie zwischen den Generationen verlaufen können. Innerfamiliäre Konflikte haben zudem das Potenzial, sich zu unterschiedlichen Umgangsformen mit Fragen des Ethnischen auszuweiten. Barbaras Familie zeigt anschaulich, dass es sich bei der Frage, wie Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund mit ihrem familiären Erbstück umgehen, nicht um etwas handelt, das von Haus aus festgelegt ist und keinerlei Veränderung unterliegt. Vielmehr entwickelt sich die Identifikation mit dem familiären Erbstück und damit zusammenhängend auch die empfundene Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe abhängig vom sozialen Umfeld oder vom besuchten Schultyp ab

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der Jugendphase. Ein kritischer Umgang mit der gegenwärtigen Praxis des Ethnischen in familiären Kontexten ist weniger strukturellen Bedingungen geschuldet als vielmehr aktiven Wahlentscheidungen, freundschaftlichen Beziehungen oder persönlichen Interessen einzelner Akteure. Der Umgang mit der Slowenischsprachigkeit kann durchaus auch im Widerspruch zu den Praktiken der Eltern stehen. Vergleich der Umgangsformen mit dem Erbstück in den familiären Gegenwarten In der Zusammenschau der gegenwärtigen Praxis im Umgang mit der Slowenischsprachigkeit im familiären Kontext ist zwischen zwei Strategien zu unterscheiden: der vorbehaltlosen Identifikation mit dem familiären Erbstück sowie der kritischen Auseinandersetzung mit der Familientradition. Beide Umgangsformen weisen sowohl Übereinstimmungen als auch Differenzen auf. So wird die Slowenischsprachigkeit jeweils als wichtige Familientradition und als familiäres Erbstück angesehen. Junge Menschen, die sich damit vorbehaltlos identifizieren, betrachten die Slowenischsprachigkeit jedoch als einen Auftrag, dem unter allen Umständen nachzukommen ist. In ihren Augen spiegelt sich in der Slowenischsprachigkeit der historische Einsatz ihrer Familienangehörigen als Märtyrer_innen oder Kämpfer_innen für die slowenische Sprache wider. Entsprechend präsent sind für sie die eigene Familiengeschichte und die Geschichte der slowenischsprachigen Bevölkerung. Der alltägliche Gebrauch der slowenischen Sprache wird oftmals mit Aufopferung oder Leid verbunden. Der Familienhintergrund wirkt in diesen Fällen als strukturelle Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten der Akteure. Anders gestaltet sich der Umgang mit der Slowenischsprachigkeit bei jungen Menschen, die sich für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Familienerbe entschieden haben. Zwar betrachten sie die slowenische Sprache ebenfalls als wichtige Familientradition, doch sie weigern sich, ihr einen sakrosankten Charakter zuzusprechen. Vielmehr sind sie bestrebt, sie – zumindest partiell – ihres symbolischen Gehalts zu entkleiden, ihren Gebrauch zu entethnisieren und sie eher als Kommunikations- und Verständigungsmittel zu sehen. Zudem erkennen sie ihr denselben Wert und denselben Rang zu wie der deutschen Sprache. So kommunizieren die Heranwachsenden in der Familie ausschließlich auf Slowenisch, in Vereinen, im Freundes- und Bekanntenkreis oder im schulischen Kontext jedoch oftmals deutschsprachig oder zweisprachig. Die Geschichte der slowenischsprachigen Bevölkerung ist in ihrem Alltag weniger präsent, auch zeigen sie partielle Distanzierungs- oder Loslösungstendenzen von der Familiengeschichte. Dementsprechend stehen diese jungen Menschen häufig unter elterlicher Beaufsichtigung und werden immer wieder an die Einhaltung der Pflege des Familienerbstücks und die damit einhergehende Verantwortung erinnert. Bei dieser Umgangsform mit der Slowenischsprachigkeit rücken die Handlungsfähigkeiten der Akteure in den Vordergrund. Denn ihr mitunter kritischer

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Zugang zum Familienerbe ist als Resultat einer ethnischen Wahlentscheidung zu interpretieren, mit der sich die Heranwachsenden von engen familiären Banden sowie Erwartungen, die an sie gestellt werden, zumindest partiell lösen. Deutlich sichtbar wird die Bedeutung der Potenziale der einzelnen Akteure insbesondere in gemischtsprachigen Elternhäusern. In der Regel entscheiden sich junge Menschen zwischen der slowenisch- und der deutschsprachigen Familientradition, dabei wenden sie sich für gewöhnlich dem slowenischsprachigen Strang zu. Eine alleinige Orientierung an der ethnischen Kategorie des Deutschen findet in solchen gemischtsprachigen Konstellationen heutzutage kaum mehr statt, freilich auch deswegen, weil die Kategorie des Kärntner Slowenischen mit Abstrichen auch bereits das Prinzip der Zweisprachigkeit, also der Slowenisch- und Deutschsprachigkeit impliziert.

6.3 DIE SCHALUNG DER FAMILIÄREN ZUKUNFT Auch bezüglich der Frage, welche Zukunftsperspektiven und Lebensentwürfe junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund formulieren, lassen sich zwei unterschiedliche Zugangsweisen voneinander abgrenzen. Die eine beruht auf einer Determinierung der Lebensentwürfe, die andere ist durch eine relative Prägung der Zukunftspläne durch die slowenischsprachige Familientradition gekennzeichnet, die als formgebende Schalung fungiert. Weder im einen noch im anderen Fall ist der Blick in die Zukunft unabhängig und losgelöst davon, Unterschiede bestehen jedoch im Grad, in dem die Zukunftspläne darauf abzielen, der Wahrung des familiären Erbes gerecht zu werden. Dennoch gibt es Aspekte, die von beiden Gruppen geteilt werden. So hegt der überwiegende Teil der Heranwachsenden die Absicht, dem Heimatbundesland nach dem Schulabschluss den Rücken zu kehren, lediglich ein kleiner Teil der Befragten verfolgt das Ziel, eine Lehre, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren oder direkt ins Berufsleben einzusteigen und dabei den derzeitigen Wohnort beizubehalten.3 Der Wunsch, Kärnten/Koroška zu Ausbildungszwecken zu verlassen, verdankt sich zumeist pragmatischen Überlegungen – so etwa der Hoffnung auf aussichtsreichere Bildungsangebote, ein umfangreicheres Studienangebot oder bessere Arbeitsplatzangebote. Vorrangige Ziele sind die Städte Graz, Innsbruck und Linz, vor allem

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Dazu ist anzumerken, dass die Variationsbreite der Zukunftsperspektiven dadurch eingeschränkt ist, dass im Sample ausschließlich Jugendliche und junge Erwachsene interviewt wurden, die zweisprachige mittlere und höhere Schulen besuchen. Aufgrund des anvisierten (bzw. bereits erlangten) Bildungsabschlusses äußerten die Interviewpartner_innen vorrangig den Wunsch, nach der Matura entweder eine weitere Ausbildung oder ein Universitäts- bzw. Fachhochschulstudium zu absolvieren.

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aber die Bundeshauptstadt Wien. Auf die Frage, ob der Ortswechsel dauerhaft oder kurzfristig sein wird, gibt es unterschiedliche Antworten. In den nachfolgenden Abschnitten werden die beiden Strategien anhand verschiedener Beispiele dargelegt. Dabei widme ich mich insbesondere den Ausbildungspräferenzen, beruflichen Zielsetzungen, dem bevorzugten Wohnort, der Familienplanung, den Beziehungsvorstellungen sowie dem angestrebten Umgang mit der slowenischen Sprache. Determinierung der Zukunft als Umgangsform mit dem Familienerbstück Jene Heranwachsenden, die sich vorbehaltlos mit ihrer Slowenischsprachigkeit identifizieren, sehen ihre Zukunft innerhalb des traditionell zweisprachigen Gebiets oder in den Städten Klagenfurt/Celovec und Villach/Beljak. Ihre Lebensentwürfe und Zukunftspläne werden im Wesentlichen durch die Verantwortung gegenüber ihrem familiären Erbe, der Slowenischsprachigkeit, gelenkt. Als exemplarisch für diese Gruppe werden nachfolgend die Fälle von Andrej R., Nataša K., Marija H. sowie Lidija H. vorgestellt. Andrej R. stammt aus einer kleinen, mehrheitlich slowenischsprachigen Ortschaft im Bezirk Völkermarkt nahe der Grenze zu Slowenien und besucht das BG/BRG für Slowen_innen. Für ihn ist die Slowenischsprachigkeit eine sakrosankte Familientradition, die seinen Lebensentwurf entscheidend beeinflusst. Konkret sehen seine Zukunftspläne folgendermaßen aus: »Ich gehe Sport studieren, nach Graz. Danach könnte ich Trainer von, keine Ahnung, einer Fußballmannschaft oder überhaupt Skitrainer und so werden. Und da würde ich Slowenisch, also in der slowenischen Sprache unterrichten. Und ja, dann würden auch zum Beispiel mehrere Slowener zu mir kommen. Und da wäre auch die slowenische Sprache, und überhaupt, die Chemie zwischen uns eigentlich sehr gut. Weil deutsche Lehrer gibt es schon genug, slowenische aber sehr wenig in Kärnten. Also i komm nach dem Studium sicher wieder zurück nach Kärnten.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Es sind also zwei Gründe, die Andrej R. dazu bewegen, nach seiner Matura in Klagenfurt/Celovec ein Lehramtsstudium in Graz mit Schwerpunkt Sport zu absolvieren: zum einen die kontinuierliche Nachfrage nach Pädagog_innen mit Slowenischkenntnissen, die viele junge Slowenischsprachige einen Beruf im Bildungssektor anstreben lässt. Zum anderen lässt sich diese berufliche Perspektive mit der Weitergabe des slowenischsprachigen Familienerbstücks an die nachkommende Generation verbinden – ein Ziel, das auch Andrej verfolgt:

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»Die slowenische Sprache soll jetzt einmal in Kärnten erhalten bleiben. Man soll weiter slowenisch sprechen und probieren, mehrere Leute und auch für weitere Generationen slowenisch zu sprechen. Das will ich auch in meinem Beruf mal machen. Damit Slowenisch weiter in Kärnten erhalten bleibt.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Andrejs Zukunftspläne und Lebensentwürfe stehen demnach ganz im Zeichen seiner vorbehaltlosen Identifikation mit dem Kärntner Slowenischen und mit dem slowenischsprachigen Erbstück seiner Familie. Daher möchte er die Region nur vorübergehend zu Ausbildungszwecken verlassen, um sich danach in Südkärnten ganz der Weitergabe der Sprache – auch im beruflichen Rahmen – zu widmen. Eine ähnliche Perspektive formuliert Nataša K., die die HLW in St. Peter/ Šentpeter bei St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu besucht. Auch sie hat vor, nach ihrem Schulabschluss außerhalb von Kärnten/Koroška zu studieren und danach wieder in das zweisprachige Südkärntner Gebiet zurückkehren. Für die Wahl ihres Studienortes ist für sie dabei weniger das Fächerangebot einer Hochschule oder deren Ruf entscheidend, sondern das Vorhandensein einer slowenischsprachigen Infrastruktur und entsprechender Netzwerke: »Ich weiß noch nicht ganz genau, was ich studieren werde. Gehn werde ich dafür aber sicher nach Graz. Also in Graz, da gibt’s einen Klub der Kärntner Slowenen. Da sind also die Studenten dort, circa zwanzig, dreißig Studenten, die ham da einen Klub extra eröffnet. Und die ham auch einen Chor. Und ja, ich war schon öfter dort, und des is toll, also. Da kann ich dann auch zsamm mit Kärntner Slowenen studieren. Sonst, was ich studiere, weiß ich noch nicht genau. Aber dass ich zsamm mit Kärntner Slowenen studiere, des ist für mich Voraussetzung. Und auf jeden Fall geh ich nach dem Studium wieder zurück nach Kärnten!« (Nataša K.; 19 Jahre)

Ein Ortswechsel innerhalb Österreichs zu Ausbildungszwecken bedeutet keineswegs immer eine Auszeit vom Kärntner Slowenischen und der Slowenischsprachigkeit, finden doch slowenischsprachige Personen aus Kärnten/Koroška in den bevorzugten Migrationsdestinationen Graz und Wien seit Jahrzehnten existierende Vereinsstrukturen vor. Hier sind vor allem der ›Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien/Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju‹ (KSŠŠD) sowie der von Nataša angesprochene ›Klub slowenischer Studentinnen und Studenten Graz/Klub slovenskih študentk in študentov Gradec‹ (KSŠŠG) zu nennen. Neben Freizeitangeboten, Feiern, Lesungen oder Filmabenden bieten die Klubs den Mitgliedern eine Zufluchtsstätte, in der sich – wie es der Schüler Luka S. formuliert – »gemeinsam abhängen« (Luka S.; 17 Jahre) lässt. Daneben fungieren sie auch als Informationsbörsen für den Wohn- und den Arbeitsmarkt.

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Abbildung 5: Eine Veranstaltung im ›Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Kärnten/Klub slovenskih študentk in študentov na Koroškem‹ (KSŠŠK)

© Dominik Urak

Ein ganz besonderes Anliegen ist es der Interviewpartnerin Nataša K., dass auch ihre Kinder einmal eine slowenischsprachige Erziehung und Schulbildung erhalten: »Man muss sich ab und zu schon wehrn, weil doch viele gegen uns sind und so. Aber ja, also ich würd meine Kinder nie Deutsch aufziehen also, das würd ich nie machen nein! [...] Ich will sie so schon Slowenisch erziehen. Und ich will auf jeden Fall, dass sie auf slowenische Schuln gehn, das ist klar!« (Nataša K.; 19 Jahre)

Dieser Wunsch ist auch Ausdruck einer Verteidigungshaltung gegenüber den ihrer Meinung nach in Kärnten/Koroška weiterhin bestehenden ethnischen Ressentiments und Anfeindungen. Angesichts dessen, dass es slowenischsprachigen jungen Menschen durch die Mehrheitsbevölkerung schwer gemacht werde, ihrer Familientradition nachzukommen, sei es wichtig, den eigenen Kindern frühzeitig die slowenische Sprache nahezubringen. Wie bei Nataša gibt der Großteil der nach ihren Zukunftswünschen Befragten noch vor Ausbildung, Beruf oder Wohnort die Gründung einer eigenen Familie und die Erziehung der Kinder in slowenischer Sprache an. Dieses Bedürfnis ist bei dieser Gruppe von jungen Menschen offenbar bereits sehr früh klar ausgeprägt. Eltern und Verwandtschaft setzen dies freilich nicht immer als gegeben voraus, weswegen sie

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sich oft zur Beaufsichtigung bemüßigt fühlen. So etwa im Fall von Marija H., die aus einem homogen slowenischsprachigen Elternhaus kommt. Die Schülerin hatte wenige Monate vor dem Interview eine Liebesbeziehung mit einem Jungen aus einer deutschsprachigen Familie ohne Slowenischkenntnisse beendet. In diesem Fall waren es nicht die Eltern, die sich gegen die Beziehung stellten, sondern die Großmutter: »Meine Oma, sie is eigentlich aus’m Gailtal. Und sie is halt hergekommen, und ja, sie sagt halt immer: ›Du musst aber scho schaun, dass deiner Slowenisch sprechen wird!‹ Oder wenigstens eine slawische Sprache halt. Einmal hab ich gesagt: ›Hallo Oma, mein Freund kommt zum Abendessen.‹ Und sie: ›Kann er Slowenisch?‹ – I so: ›Nein.‹ ›Na, dann soll er aber zu Hause jausnen!‹, hat sie dann gesagt. Sie is da eher halt direkt.« (Marija H.; 18 Jahre)

Da Marijas damaliger Freund keinen slowenischsprachigen Familienhintergrund hatte, hielt es die Großmutter für undenkbar, dass die Kinder, die aus dieser Beziehung hervorgehen könnten, slowenisch- oder zweisprachig aufwachsen. So aber wäre für sie die Enkelin für die slowenischsprachige Bevölkerung verloren gewesen. Dabei hat die Slowenischsprachigkeit für die Großmutter außerordentliches Gewicht. Wie Marija erzählt, kommt sie in gemeinsamen Gesprächen immer wieder auf ihr Lieblingsthema zurück, die schwindende Zahl slowenischsprachiger Menschen. Diese bereitet ihr große Sorgen, dementsprechend wichtig ist ihr die Weitergabe an die nachkommende Generation, was aber nur gewährleistet sei, wenn beide Ehepartner einen slowenischsprachigen Hintergrund hätten. Diesen Gedanken versuchte die Großmutter Marija regelrecht einzuimpfen. Dass die Großmutter keine Anstalten machte, ihren Argwohn gegenüber Marijas Freund zu verbergen, lag auch daran, dass dieser bei ihr düstere Erinnerungen wachrief, weil in ihre Herkunftsfamilie »immer wieder Deutsche gekommen sind und Unheil angerichtet haben« (Marija H.; 18 Jahre; EG). Beide Argumente trugen letztendlich dazu bei, dass Marija die Beziehung zu dem deutschsprachigen Jungen beendete. Auch Lidija H. weiß eigene Erfahrungen über interethnische Liebesbeziehungen zu berichten. Zum Zeitpunkt des Interviews hat die Schülerin einen deutschsprachigen Freund. Als sie ihn zum ersten Mal ihren Eltern vorstellte, reagierten diese recht reserviert. Zwar hätten sie Lidija nicht konkret zu beeinflussen versucht, jedoch ließen sie durch ihre Zurückhaltung unzweifelhaft erkennen, dass sie der Herkunft des Freundes ihrer Tochter aus einer deutschsprachigen Familie kritisch gegenüberstanden. Zuvor war Lidija mit einem Jungen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund liiert – in einer Beziehung, die sich von der aktuellen wesentlich unterschied:

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»Ich war damals zusammen mit einem normaln halt – normal, boh bin i gemein! – na, mit einem kärntnerslowenischen Jungen. Ts, und es war natirlich anders. So. A wenn ma uns vurgstellt habn oder so, war ma schon glei voll: ›Zack und ja! Blablabla.‹ Undsoweiterunsofurt. Und beim andern [bei dem deutschsprachigen Beziehungspartner (J. K.)] bist halt doch a bissle so distanzierter. Is irgendwie so der Fall gewesen. [...] Also ‘s is schon andersd. Und so, wenn du slowenisch redest oder so, dann is anfach so a wirkliche Verbindung da! Und mit ihm redest halt nur deutsch. Ja, so isses halt!« (Lidija. H.; 16 Jahre)

Wenn die Interviewpartnerin beide Beziehungen miteinander vergleicht, stellt sie fest, dass die Liebesbeziehung mit dem Partner mit slowenischsprachigem Familienhintergrund inniger war – von einer Art, die mit einem deutschsprachigen Partner nicht möglich sei, weil die verbindende Kraft der Kommunikation in slowenischer Sprache fehle. Auch ihre Eltern hätten, als sie damals ihnen ihren neuen slowenischsprachigen Freund vorstellte, ganz anders reagiert, wie Lidija H. beschreibt: »Des war natürlich die erste Frog von meinen Eltern: ›Is er Kärntner Slowene?‹ […] Sie warn dann offener, wo i gsagt hab: ›Ja, er is Kärntner Slowene, blablabla.‹ ›Ah wirklich, wirklich? Aha, aha. Ja, ja, der, der.‹ Und des so, also vom Namen wissen’s ja dann: ›Ah ja, der! Ma der Bua!‹ Und so ging das die ganze Zeit.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Deutlich wird in der Aussage, dass das bloße Faktum, dass der Junge einen slowenischen Nachnamen hatte, bei den Eltern Vertrauen und Empathie hervorrief. Dass slowenischsprachige Personen bereits voneinander gehört haben, ohne dass sie einander jemals persönlich begegnet sind, konstituiere eine besonders enge Verbindung zueinander, wie Lidija betont. Diese beschreibt sie folgendermaßen: »Es is generell so, wenn du in a slowenischsprechende Familie ins Haus eine gehst und du die net so kennst, bist du sufurt heimisch aufgenommen. Ja, bist glei per Du und alles. Und, waß net, so wie Freunde, schon sufurt. Und generell aa so, wenn du jemanden kennenlernst oder so. […] Wenn i waß, ja des is a kärntnerslowenische Familie. Denk i mir, ›Aha, super!‹ Kumm i scho glei eine. ›Ja, dober dan. Blablabla.‹ Und dann is sufurt schon sehr eng. Bei die andern is halt so a bissi auf Abstand, voll logisch, […] weil irgendwie so a richtige Verbindung da is, deswegen. Bei am kärntnerslowenischen Freund waß i halt, der setzt sich in Zukunft wahrscheinlich aa so für die Sproch ein wie du.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Liebesbeziehungen mit slowenischsprachigen Jungen unterscheiden sich nach Lidijas Dafürhalten von Beziehungen mit Deutschsprachigen zum einen durch eine prinzipielle Verbundenheit slowenischsprachiger Familien untereinander. So sei eine Beziehung mit einem slowenischsprachigen Gleichaltrigen per se enger, vertrauter und herzlicher, und die Akzeptanz durch die Familie des Partners erfolge wesentlich

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schneller als dies bei einem Jungen mit deutschsprachigem Familienhintergrund der Fall sei. Der andere Unterschied beträfe den Umgang mit der Slowenischsprachigkeit – diesbezüglich bestünde Einigkeit, dass diese wichtig sei und weitergegeben werden müsse. Mit anderen Worten stelle sich bei einer Liebesbeziehung mit einem Partner mit slowenischsprachigem Familienhintergrund gleich »so a richtige Verbindung« (Lidija H.; 16 Jahre) her. Die relative Prägung der Zukunftspläne Den durch die slowenischsprachige Familientradition determinierten Lebensentwürfen stehen Vorstellungen gegenüber, die durch das familiäre Erbe zwar partiell bzw. relativ geprägt, nicht aber determiniert werden. Nichtsdestotrotz fungiert die Slowenischsprachigkeit auch hier als formgebende Schalung der Zukunft. In Bezug auf die konkreten Pläne nach dem Erlangen des Schulabschlusses unterscheiden sich die Zukunftsperspektiven der Vertreter beider Gruppen nicht prinzipiell voneinander. Beide beabsichtigen, Kärnten/Koroška zu Ausbildungszwecken oder zum Studium zu verlassen, Differenzen bestehen lediglich hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts außerhalb des zweisprachigen Siedlungsgebiets. Während die einen diesen Schritt als Zwischenetappe betrachten, denken die anderen, die kritisch Gesinnten, an einen endgültigen Ortswechsel. Bei diesen nimmt das familiäre Erbe auch auf Freundschafts- und Liebesbeziehungen einen geringeren Einfluss. Deutlich wird die Relativierung der Prägung der Zukunftspläne durch das familiäre Erbe am Beispiel der beiden Schüler_innen Barbara F. und Marcel B. Barbaras kritischer Umgang mit der slowenischsprachigen Familientradition findet seinen Ausdruck darin, dass sie – wie sie unmissverständlich klarmacht – ihren weiteren Lebensweg keineswegs in Kärnten/Koroška fortführen will: »Wenn ich mal Kinder haben werde, ich sprech sicher mit ihnen slowenisch! Also, von klein auf! Also sie werden sicher Kärntner Slowenen, auch wenn sie vielleicht nicht mehr in Kärnten wohnen. Weil das ist mehr als unwahrscheinlich, dass ich da bleibe.« (Barbara F.; 18 Jahre) Auch wenn sie ihre Zukunft nicht in ihrem Heimatbundesland sieht, will sie ihren Kindern die slowenische Sprache weitergeben, ohne dabei Kompromisse einzugehen. Ihrer Meinung nach ändere der Umstand, dass ihre Kinder außerhalb von Kärnten/Koroška aufwachsen werden, nichts an deren ethnischer Zugehörigkeit. Diese ist für sie nicht an einen Ort gebunden, das Kärntner Slowenische ließe sich auch außerhalb seines traditionellen Verbreitungsgebiets, in der Diaspora in Wien oder Graz, pflegen und aufrechterhalten. Dass ihre Kinder eine slowenischsprachige Erziehung erhalten sollen, steht für Barbara F. außer Frage – an diesem Punkt geht sie konform mit ihrer Familientradition. Weniger rigoros ist hingegen ihre Haltung, was den sprachlichen Hintergrund des zukünftigen Kindesvaters betrifft:

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»Okay, ideal wäre wenn ich, klar, einen zweisprachigen Partner finden würde, der auch slowenisch reden würde. Das wär dann viel einfacher mit meinen Kindern und so. Ich stell mir das halt schwierig vor, wenn ich jetzt einen deutschsprachigen Partner habe. Und dann bekomm ich Kinder und dann red ich mit dem Kind slowenisch, und er mit dem Kind deutsch. Und dann ich mit ihm [dem Partner (J. K.)] deutsch, und so. Ist mit einem slowenischsprachigen Partner sicher um einiges einfacher. Obwohl, ich werd dann so oder so mit meinen Kindern slowenisch sprechen. [...] Ich will auch, dass mein Kind auch mal dann so kulturell tätig ist, so wie ich. Also, dass es das auch alles miterlebt so.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Ob ihr zukünftiger Lebenspartner und Vater ihrer Kinder slowenischsprachig oder deutschsprachig ist, ist für Barbara keine Frage, an der sich alles andere relativieren würde – zumal die Verbindung mit einem deutschsprachigen Partner eine slowenischsprachige Erziehung der Kinder keineswegs ausschließt. Dies würde sie aus Prinzip – »so oder so« (Barbara F.; 18 Jahre) – ohnehin tun. Mit einem Partner, der ebenfalls Slowenisch spricht, wäre dies allenfalls etwas unkomplizierter. Barbaras Aufgeschlossenheit, was die Sprachkompetenzen ihres zukünftigen Partners angeht, rührt auch von familiären Vorbildern her. Auch ihre Geschwister haben deutschsprachige Partner_innen, trotzdem werden die gemeinsamen Kinder zweisprachig erzogen – ein eindeutiger Beweis, dass die Deutschsprachigkeit eines Elternteils für die Weitergabe des familiären Erbes kein Hindernis darstellt. Und diese Verpflichtung gegenüber dem Familienerbe nimmt sie nun einmal ernst, auch wenn sie Kärnten/Koroška dauerhaft verlassen wird und sich bei der Wahl ihrer Beziehungspartner nicht einschränken will. Es ist also festzuhalten, dass ihre Familientradition als formgebende Schalung für ihre Zukunftsperspektiven fungiert, wenn auch nur partiell oder relativ. Marcel B., der zweite Jugendliche, dessen Zukunftspläne durch seinen slowenischsprachigen Familienhintergrund nur relativ geprägt sind, lebt im Randgebiet des zweisprachigen Siedlungsraums. Auch seine Zukunftspläne werden nicht vollständig durch seine Familientradition überlagert, auch er sieht seine Zukunft außerhalb des zweisprachigen Gebiets. Zur Frage nach der sprachlichen Erziehung seiner Kinder äußert er sich jedoch weniger eindeutig als Barbara F., für ihn ist dieses Thema (noch) zu wenig präsent, um sein Denken zu bestimmen. Dies liegt eben in seinem kritischen Umgang mit der Slowenischsprachigkeit begründet, der seinerseits unter anderem daher rührt, dass in seinem Elternhaus stets zweisprachig kommuniziert wurde, dass also neben Slowenisch auch das Deutsche als familiäre Umgangssprache fungierte. Die Zweisprachigkeit des Elternhauses resultiert zum einen aus der Lage des Wohnorts im Bezirk Villach-Land und damit im westlichen Grenzgebiet des zweisprachigen Siedlungsraums. Seine Eltern gehören zu den wenigen Menschen im Ort, die noch aktiv Slowenisch sprechen, wie Marcel B. betont:

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»Wir sprechn jetzt auch noch alle slowenisch, und daneben auch deutsch, untereinander. Des is eigentlich auch ein Seltenheitsfall, vor allem in meiner Gegend. In den Gebieten, so wie bei uns, wo des eigentlich schon sehr sehr ausgestorben is. [...] Da ist unsere Familie, also wir, sind eigentlich die einzign im Ort, die des Slowenisch noch sprechn. Und man kann regelrecht beobachten, dass wie einer nach’m andern stirbt, die des noch können oder gekonnt haben, also die Sprache. Aber es wird natürlich nicht weitergegebn, und damit geht die ganze Sache verlorn. Und bei uns war’s eben so, dass die Sprache weitergeführt wordn is, oder weitergegebn wurde, dass auch alle Kinder des slowenische Gymnasium, des BG für Slowenen besucht ham. Ja. Das gibt’s sonst in der Form eigentlich gar nicht mehr in meiner Gemeinde im Bezirk Villach-Land.« (Marcel B.; 18 Jahre)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch homogen slowenischsprachig, hat sich Marcels Wohngemeinde mittlerweile zu einem Ort gewandelt, in dem der Anteil der Einwohner_innen, die Slowenisch als Umgangssprache angeben, ganze 3,0% beträgt (vgl. Statistik Austria 2002). Dass seine Eltern slowenisch miteinander sprechen, ist auch keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, vielmehr mussten sie sich aktiv dafür einsetzen, dass die sprachlichen Familientradition fortgeschrieben wird. Denn Marcels Mutter, deren Schulzeit in die 1970er Jahre fiel, wurde der Besuch des Slowenischunterrichts von ihren Eltern verboten, obwohl sie beide slowenischsprachig waren. Die Zweisprachigkeit von Marcels Familie verdankt sich allerdings nicht nur der Lage ihres Wohnorts im westlichen Grenzgebiet des zweisprachigen Siedlungsraums, sondern auch dem Umstand, dass es sich dabei um einen Urlaubsort handelt, der stark von deutschsprachigen Tourist_innen frequentiert wird. So hielt die deutsche Sprache schon vor Jahrzehnten Einzug in die familiäre Kommunikation: »Bei uns war’s auch so, dass eigentlich des ganze Haus immer voller deutscher Touristen war, und wir, ich hab eigentlich da immer deutsch gesprochn. Von daher gab’s da eigentlich keine Unterschiede. Ich konnte schon als kleines Kind, als Fünf-, Sechs-, Siebenjähriger konnt ich, so wie ich mich erinnern kann, gleich gut Deutsch wie Slowenisch. Da gab’s keine Unterschiede. Für mich war das immer ziemlich gleich.« (Marcel B.; 18 Jahre)

Marcel bezieht sich in seiner Schilderung darauf, dass seine Eltern in ihrem Wohnhaus eine Pension betreiben, in der fast ausschließlich deutschsprachige Gäste nächtigen. Der familiäre Alltag blieb von der stets präsenten deutschsprachigen Kommunikation mit den Gästen nicht unbeeinflusst, die slowenische und die deutsche Sprache waren stets gleichwertig präsent. Dies zeitigte nachhaltige Konsequenzen für Marcels ethnische Selbstverortung und seinen Umgang mit dem slowenischsprachigen Familienerbe:

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»Ich seh das sehr locker, muss ich ehrlich sagen. Ich würd jetzt nicht unbedingt sagen, ich bin ein Kärntner Slowene oder ein Slowene. Also ich spreche es, meine Muttersprache war Slowenisch. Aber natürlich, wenn du dich immer in eine deutschsprachige Gesellschaft begibst, dann kannst du einfach Deutsch besser, des is einfach so. Und du gewöhnst dich auch an die Sprache, und man kann sich dann in Slowenisch nicht mehr soo gut ausdrücken. […] Aber aus jetziger Sicht, bin ich stolzer Österreicher, oder Zweisprachiger, sag ich amal. Sowohl von der Sprache her, als auch von der Kultur.« (Marcel B.; 18 Jahre)

Marcel B. pflegt einen – wie er sagt – lockeren Umgang mit dem Kärntner Slowenischen. Als ethnische Kategorie, an der er sich orientiert, fungiert eher die Zweisprachigkeit. Dies resultiert auch aus der sprachlichen Tradition seiner Familie. Denn als familiäres Erbstück betrachtet der Schüler weniger die Slowenischsprachigkeit als vielmehr die Zweisprachigkeit. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Marcel B. von einem Großteil der Schüler_innen an Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache. Seine Zukunftspläne verortet Marcel B. nicht im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet in Kärnten/Koroška. Die Möglichkeit, dass er nach seinem Schulabschluss dort bleibt, schließt er explizit aus: »Ich hab jetzt nicht vor, konkret hier zu bleiben in Kärnten, auf gar keinen Fall. Ich möchte auf jeden Fall in eine größere Stadt, oder etwas weiter weg. Des wär mir jetzt auch zuu monoton dann, mein ganzes Leben hier zu verbringen. Ich will mich auch nicht darauf reduzieren, nur Kärntner Slowene zu sein. Die ethnische Frage in Kärnten wird einem halt irgendwann zu eng.« (Marcel B.; 18 Jahre)

Dass er Kärnten/Koroška verlassen will, begründet Marcel B. also mit der Distanz, die er zu den Lebensrealitäten im zweisprachigen Siedlungsgebiet verspüre und dem Gefühl der Beengtheit durch die stets präsente Geschichte der ethnischen Beziehungen. So überdecke die Frage des Ethnischen zahlreiche Facetten seiner Einstellungen, Interessen, Wünsche und Orientierungen, doch er wolle sich keinesfalls auf seine ethnische Identität reduzieren lassen. Trotz des kritischen Blicks auf die ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška liegt Marcel B. dennoch sehr viel daran, dass die slowenische Sprache präsent, die Slowenischsprachigkeit der Region aufrechterhalten bleibt: »Denn die slowenische Sprache, das sind trotzdem deine Wurzeln, und wenn du wieder slowenische Lieder hörst, die du als kleines Kind oder was weiß ich gehört hast, das sind schon Emotionen, die einen dann überwältigen. […] Und ich würde mir natürlich wünschen, dass sich des alles bessert, dass es zumindest so bleibt, und dass die Zahl der Kärntner Slowenen nicht noch weiter zurückgeht. Dafür will ich auch was tun!« (Marcel B.; 18 Jahre)

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Dass der Schüler die Zweisprachigkeit als familiäres Erbstück nicht zum alles dominierenden Faktor machen möchte, ändert nichts daran, dass sein Bezug zur slowenischen Sprache hochemotional ist und er sie als seine »Wurzeln« (Marcel B.; 18 Jahre) betrachtet. Was die Zukunft der slowenischen Sprache und der Zahl der slowenischsprachigen Menschen in Kärnten/Koroška angeht, äußert er sich jedoch insgesamt skeptisch. So wäre er bereits zufrieden, wenn Letztere nicht noch weiter zurückgeht. Für dieses Ziel will auch er sich einsetzen. indem er dafür sorgt, dass die Tradition, dass im familiären Kontext slowenisch gesprochen wird, auch in seiner zukünftigen Familie fortgesetzt wird: »Bei mir zu Hause war Slowenisch auch eigentlich immer präsent, ge. Also dass es normal war, sag ich mal. Dass ma Slowenisch weiterspricht, is auch keine Frage bei mir in der Familie. [...] Ich will das auf jeden Fall auch so handhabn, also dass ich mit meinen Kindern slowenisch sprech.« (Marcel B.; 18 Jahre)

Auch wenn er sich weniger konkret äußert als Barbara F., lässt er keinen Zweifel daran, dass auch er seine Kinder zweisprachig oder slowenischsprachig zu erziehen gedenkt, ungeachtet dessen, ob seine zukünftige Partnerin aus einer deutsch- oder einer slowenischsprachigen Familie stammt. Damit will er seine Familientradition fortschreiben, auch wenn sein Lebensentwurf und seine Zukunftspläne durch das Familienerbstück im Vergleich zu vielen anderen Interviewpartner_innen nur relativ oder partiell beeinflusst werden. Demnach fungiert auch bei ihm das slowenischsprachige Familienerbe als formgebende Schalung seiner Zukunftspläne. Vergleich der Schalung der Zukunft In welchem Ausmaß die slowenischsprachige Familientradition Zukunftsperspektiven und Lebensentwürfe beeinflusst, hängt davon ab, ob sie sich bei den jungen Menschen als Determinierung oder aber als relative Prägung niederschlägt. In beiden Fällen werden deren zukünftige Lebenswege durch das familiäre Erbstück, die Slowenischsprachigkeit, geschalt. Eine Determinierung der Lebensentwürfe durch das Familienerbe liegt bei jenen jungen Menschen vor, die sich vorbehaltlos mit der Slowenischsprachigkeit identifizieren und danach streben, die Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit des zweisprachigen Siedlungsgebiets und die Präsenz der slowenischen Sprache in Südkärnten nach Kräften zu fördern. Bei diesen fungiert das familiäre Erbstück als determinierende Schalung, die ihre Zukunft und ihre Lebensentwürfe modelliert. Das geht so weit, dass die Heranwachsenden ihre Ausbildung, ihre Berufsziele und ihren zukünftigen Arbeitsort in den Dienst der bestmöglichen Weitergabe des familiären Erbstücks stellen. Zwar beabsichtigen auch sie, Kärnten/Koroška zum Zweck der

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Ausbildung oder des Studiums zu verlassen, für sie ist die innerösterreichische Migration jedoch nur vorübergehend. Ihre längerfristige Zukunftsperspektive sehen sie im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet oder in einer der beiden Kärntner Städte Klagenfurt/Celovec oder Villach/Beljak. Die Beeinflussung durch das familiäre Erbstück erstreckt sich auch auf Liebesbeziehungen – diese sind bereits in der Jugendphase begleitet von der Überlegung, in welcher Sprache die zukünftigen Kinder erzogen werden sollen und wie das familiäre Erbe innerhalb der eigenen Familie weitergegeben werden kann. Liebesbeziehungen mit deutschsprachigen Partner_innen werden zwar nicht prinzipiell ausgeschlossen und werden auch praktiziert, allerdings gilt eine Liaison mit slowenischsprachigen Gleichaltrigen als enger, intensiver, vertrauter und herzlicher. Ansichten wie die, dass erst bei einem homogen slowenischsprachigen Paar eine ›wirkliche‹ oder ›richtige Verbindung‹ bestehe, kommen nicht von ungefähr – sie sind vielmehr Resultat der Beaufsichtigung der Pflege des familiären Erbes durch Eltern und Verwandte, die eben auch Einfluss auf die Wahl der Beziehungspartner_innen ihrer Kinder hat. Aus sozialtheoretischer Sicht sind für die Determinierung der Lebensentwürfe durch das Familienerbstück weniger individuelle Wahlentscheidungen ausschlaggebend als vielmehr strukturierende Ordnungen wie die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška, die die Lebensplanung und Zukunftsperspektiven der einzelnen Akteure kanalisiert. Eine relative Prägung der Zukunftspläne wiederum zeigt sich bei jungen Menschen, die einen ambivalenten, mitunter auch kritischen Umgang mit der slowenischsprachigen Familientradition pflegen. Zwar fungiert auch bei diesen, wie erwähnt, das Familienerbstück als formgebende Schalung der Lebensentwürfe, ihr Blick in die Zukunft wird jedoch nicht vollkommen von der Frage überlagert, wie die Slowenischsprachigkeit als familiäres Erbstück gewahrt werden kann. Diese jungen Menschen entwickeln vielmehr davon abweichende Einstellungen. Sie sehen ihre Zukunft dauerhaft außerhalb ihres Heimatbundeslandes, eine Rückkehr in das traditionell zweisprachige Siedlungsgebiet nach dem Studium oder einer Ausbildung schließen sie kategorisch aus. Diese Entscheidung speist sich oftmals aus dem Bedürfnis, sich von den ethnischen Beziehungen vor Ort zu lösen, da die engmaschigen sozialen Bindungen im zweisprachigen Südkärntner Raum als beengend empfunden werden. Und auch wenn es ihnen ein Anliegen ist, ihre Kinder einmal slowenisch- oder zweisprachig zu erziehen – womit sie der slowenischsprachigen Familientradition durchaus gerecht werden –, würden sie sich beispielsweise bei der Wahl ihrer Beziehungspartner_innen keinesfalls einschränken lassen. In einem solchen Umgang manifestiert sich weniger eine strukturelle Prägung durch die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška als vielmehr die je individuelle Wahlentscheidung der einzelnen Akteure, die mit ihren Lebensentwürfen und Zukunftsplänen durchaus in Konflikt mit den elterlichen Vorstellungen stehen können.

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6.4 DIE SLOWENISCHE SPRACHE ALS FAMILIÄRES ERBE: EINE ZUSAMMENFASSUNG Inhaltlich In den empirischen Analysen wird deutlich, dass der soziale Raum, in dem die slowenische Sprache am meisten und am häufigsten als Kommunikationsmedium verwendet wird, der familiäre Kontext ist – die Familie fungiert gleichsam als Bastion der Slowenischsprachigkeit. Freilich können junge Menschen gar nicht anders, als in der Kernfamilie, also mit Eltern, Geschwistern und Großeltern, ausschließlich slowenisch zu sprechen. Diese Sprachwahl sei automatisch, der Gebrauch der deutschen Sprache im Familienkontext geradezu undenkbar, wie es die Schülerin Barbara F. ausdrückt: »Wenn ich ihr (der Mutter [J. K.]) oder dem (Vater [J. K.]) in die Augen schau, ich bring kein deutsches Wort heraus!« (Barbara F.; 18 Jahre). Neben dem praktischen Gebrauch der Sprache als Kommunikationsmittel ist im familiären Rahmen zudem die symbolische Ebene der Slowenischsprachigkeit von besonderer Bedeutung – ihr kommt der Status einer Familientradition, und in weiterer Folge, der eines kostbaren familiären Erbstücks zu. Ein Blick in die familiären Vergangenheiten zeigt, dass viele Familien einen homogen slowenischsprachigen Hintergrund aufweisen, vor dem die Vermittlung der Slowenischsprachigkeit von Generation zu Generation im Sinne einer linearen Weitergabe erfolgte. Daneben gibt es eine Reihe von jungen slowenischsprachigen Menschen, in deren Herkunftsfamilien eine Integration, eine Reintegration oder auch eine Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit stattgefunden hat. In diesen Fällen hat sich entweder einer der Elternteile die slowenische Sprache im Erwachsenenalter wiederangeeignet und damit eine verloren gegangene Tradition in die eigene Familie reintegriert (Wiederaneignung oder Reintegration) oder – im Fall, dass slowenischsprachige Wurzeln fehlten – neu erlernt und damit die Vermittlung der slowenischsprachigen Familientradition des Partners oder der Partnerin an die eigenen Kinder (Integration) unterstützt. Die weit verbreitete Annahme, dass in gemischtsprachigen Elternhäusern die Weitergabe der Slowenischsprachigkeit an die Nachkommen ein Ende findet, kann durch die vorliegende Untersuchung somit keineswegs bestätigt werden. Nachhaltig geprägt durch den elterlichen Umgang mit der Slowenischsprachigkeit, betrachten die Heranwachsenden sie durchwegs als bedeutendes familiäres Erbstück. Nichtsdestotrotz finden sich markante Differenzen, wenn es um die gegenwärtige Bedeutung der Sprache in den Familien geht. Diesbezüglich ist zu unterscheiden zwischen jenen, die sich vorbehaltlos mit der Slowenischsprachigkeit identifizieren, und jenen, die gegenüber dem familiären Erbe eine ambivalente, mitunter auch kritische Haltung einnehmen. Ersteren gilt diese als sakrosankte Familientradition, die

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zwingend von Generation zu Generation weitergegeben und in Ehren gehalten werden muss – schon deswegen, um der impliziten Verantwortung gegenüber slowenischsprachigen Märtyrer_innen oder Kämpfer_innen gerecht zu werden, die in der Vergangenheit für die Sprache gekämpft oder gar ihr Leben gegeben haben. Die Familiengeschichte und die Vergangenheit der slowenischsprachigen Bevölkerung sind im Leben dieser jungen Menschen sehr präsent. Ihnen stehen jene gegenüber, die sich kritisch mit der Familientradition auseinandersetzen. Zwar betrachten auch sie die Slowenischsprachigkeit als familiäres Erbstück, gleichzeitig sehen sie die deutsche und die slowenische Sprache als gleichwertig an, überhaupt treten sie für eine Entethnisierung des Sprachgebrauchs ein. Dies geht oft einher mit einer partiellen Loslösung und Abwendung von der eigenen Familiengeschichte, sehr zum Missfallen der eigenen Familie. Denn, so die Ansicht von Eltern und Verwandtschaft, das familiäre Erbstück will und soll gepflegt werden. Darauf bedacht, dass die jungen Menschen dies auch beherzigen, beaufsichtigen sie den alltagspraktischen Sprachgebrauch ihrer Nachkommen. Dies betrifft nicht nur Jugendliche, die einen kritischen Umgang mit der Slowenischsprachigkeit pflegen, sondern auch jene, die sich vorbehaltlos mit dem familiären Erbstück identifizieren. Mit Ermahnungen, sich mehr für die ethnische Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu engagieren, mit Ausführungen zur Bedeutung der slowenischen Sprache oder zum historischen Wirken der aus der Familie hervorgegangenen Märtyrer_innen und Kämpfer_innen sowie durch das gemeinsame Singen von Volksliedern sorgt die Elterngeneration dafür, dass sich die jungen Menschen ihrer Verantwortung für die Weitergabe der slowenischsprachigen Familientradition stets bewusst sind – und damit auch für die Vergegenwärtigung des Vergangenen in den familiären Kontexten. Was den Einfluss des Elternhauses auf den zukünftigen Umgang der jungen Menschen mit der slowenischen Sprache und damit die Fortschreibung der Vergangenheit in der Zukunft betrifft, lassen sich zwei Verlaufsformen voneinander unterscheiden: zum einen die Determinierung und zum anderen eine partielle oder relative Prägung der Lebensentwürfe und Zukunftsplane. Erstere ist bei jenen jungen Menschen anzutreffen, die sich vorbehaltlos mit der Slowenischsprachigkeit identifizieren. Deren Zukunftspläne werden vollkommen nach dem familiären Erbstück ausgerichtet, das unter allen Umständen weitergegeben werden müsse. Konkret zeigt sich dies darin, dass die Heranwachsenden sowohl ihre Ausbildung oder ihren Studienzweig, den Studien- und den zukünftigen Arbeitsort als auch ihre Beziehungspartner_innen danach auswählen, wie dienlich diese Wahl der Weitergabe der slowenischsprachigen Familientradition ist. Ihr Einsatz für die slowenische Sprache speist sich aus der Angst vor derem möglichen Verschwinden – ein Bedrohungsszenario, das ihnen durch die Eltern oder die Verwandtschaft mitunter richtiggehend eingeimpft wird. Eine relative Prägung der Zukunftspläne zeigt sich dagegen vor allem bei Personen,

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die einen kritischen Umgang mit der slowenischsprachigen Familientradition pflegen. Deren Umgang mit der Slowenischsprachigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass ihr weiterer Lebensweg nicht vollkommen determiniert wird durch die Frage, wie diese als familiäres Erbstück gewahrt werden kann. Zwar fungiert das Familienerbstück auch bei ihnen als formgebende Schalung, auf ihre Zukunftspläne entfaltet es aber eben nur relativen Einfluss. Konzeptionell In konzeptioneller Hinsicht zeigt sich bei der empirischen Analyse zuerst einmal grundsätzlich, dass für die Praxis des Ethnischen familiären Kontexten eine herausragende und prägende Rolle zukommt. Dabei erweist sich Ethnizität keineswegs als eine vorsozial gegebene oder unveränderliche Konstante in einem primordialen Sinne. Vielmehr unterliegt die Praxis des Ethnischen im familiären Kontext im Laufe eines Lebens bzw. über mehrere Generationen hinweg durchaus Veränderungen und Entwicklungen, etwa in Form einer Integration, Reintegration oder einer Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit – Phänomene, die in primordialen Konzeptionen ausgeschlossen sind. Folglich ist das Ethnische – getreu dem sozialkonstruktivistischen Ansatz – als soziales Phänomen zu verstehen, dessen Ausprägung des interaktiven Miteinanders bedarf. Wie die Entwicklungen und Veränderungen der Praxis des Ethnischen in familiären Kontexten zeigen, kann das Ethnische weder allein auf die strukturelle Ebene noch auf die subjektive Dimension der einzelnen Akteure reduziert werden. Viel eher kommen dabei sowohl individuelle, akteurszentrierte als auch strukturelle Momente zum Tragen. Dies steht in Bezug bzw. in Übereinstimmung mit dem Modell der ›ethnic options‹ von Mary Waters, demzufolge die Ausprägung des Ethnischen wesentlich Sache von aktiv getroffenen Wahloptionen der einzelnen Akteure ist. Beispielsweise in der Form, dass der eigene Stammbaum gezielt nach spezifischen ethnischen Wurzeln durchforstet und diese hervorgehoben werden, während andere Familienstränge vernachlässigt werden. Ethnische Wahloptionen treten jedoch nicht in allen Familienkonstellationen in Erscheinung. Im Fall der linearen Weitergabe der Slowenischsprachigkeit, der vorbehaltlosen Identifikation und der Determiniertheit der Zukunftspläne spielen diese – auf allen zeitlichen Ebenen der familiären Kontexte (Vergangenheit/Gegenwart/ Zukunft) – nur eine marginale Rolle. Dies gilt vor allem für homogen slowenischsprachige Elternhäuser, in denen die Umgangsformen mit dem Ethnischen von Generation zu Generation unverändert weitervermittelt werden. Die Familientradition wird von den Heranwachsenden mit ihren entwickelten Handlungsfähigkeiten bestätigt und verstetigt, Abweichungen oder Abgrenzungen vom familiären Erbstück finden nur in geringem Maße statt. Demnach zeichnet sich in homogen slowenischspra-

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chigen familiären Kontexten die Praxis des Ethnischen durch einen stabilen Charakter aus. Immense Bedeutung kommt der Geschichte der ethnischen Beziehungen zu, die in diesen Konstellationen vorrangig als die Handlungsfähigkeiten der Akteure begrenzender Faktor wirkt. Ganz anders sieht es bei einer Integration, einer Reintegration oder einer Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit, der kritischen Auseinandersetzung mit dem Familienerbe oder der partiellen Prägung der Zukunftspläne aus. In solchen familiären Kontexten tritt der akteurszentrierte Charakter der Praxis des Ethnischen in Form ethnischer Wahlentscheidungen in den Vordergrund. Dieses Phänomen zeigt sich häufiger in gemischtsprachigen Elternhäusern oder in Familien, die im Grenzbereich des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets leben. In vielen Fällen werden verschüttgegangene ethnische Traditionen von den Eltern revitalisiert und wieder praktiziert, ohne dass die Nachkommen gezwungen würden, ähnlich mit der Slowenischsprachigkeit umzugehen. Dank ihres gemischtsprachigen Elternhauses haben sie die Wahl, sich entweder dem deutschsprachigen, dem slowenischsprachigen ethnischen Lager oder, in Form der Zweisprachigkeit, dem Bereich zwischen den beiden ethnischen Polen zuzuordnen. Junge Menschen, die in solchen Familienkonstellationen aufwachsen, entscheiden sich heute mehrheitlich für die slowenischsprachige Familienlinie oder verstehen sich als zweisprachig. In gemischtsprachigen Familien stellen familiäre Hintergründe somit individuelle Ressourcen dar, die für ethnische Wahlentscheidungen und die Entwicklung von Umgangsformen mit Fragen des Ethnischen herangezogen werden. Demnach wirkt der familiäre Hintergrund in diesen Konstellationen als akteurszentrierter, individueller Faktor. Die Wiederaneignung, die Integration oder die Reintegration der Slowenischsprachigkeit spiegeln den Stellenwert, den die slowenische Sprache gegenüber der deutschen in den letzten Jahrzehnten erlangt hat. Diese Strategien sind jedoch kein ausschließlich individuelles Phänomen, sondern basieren ebenso auf strukturellen Wahrnehmungsmustern wie der gestiegenen Anerkennung und dem erhöhten sozialen Status der slowenischen Sprache. Hier kommt das zum Tragen, was Stuart Hall in seinem Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ als Moment der Umwertung beschreibt. In diesem Fall betrifft dies das Bild der Slowenischsprachigkeit und das Prestige der slowenischen Sprache, die in den vergangenen Jahrzehnten einem Wandel unterworfen waren – dahingehend, dass die Stigmatisierung des Slowenischen immer weiter abnahm und die Sprache sich mehr und mehr zu einer gemeinschaftsbildenden Ressource entwickelte, die auch für Menschen mit bereits verblasstem slowenischsprachigem Familienhintergrund anschlussfähig und vielfach zu einer attraktiven Wahloption wurde. Folglich ziehen junge Menschen, die in gemischtsprachigen Elternhäusern aufwachsen, eine Orientierung ausschließlich an der deutschsprachigen Familienlinie heutzutage kaum mehr in Betracht.

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Slowenisch in Schulen: Die partielle Verdrängung der Sprache in Bildungsinstitutionen

Nachdem in den bisherigen Ausführungen gezeigt werden konnte, dass die Slowenischsprachigkeit im familiären Rahmen stabil verankert ist, stellt sich im Rahmen dieses Kapitels nun die Frage, welcher Umgang mit ihr im schulischen Kontext gepflegt wird – ein für die Zukunft der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/ Koroška besonders relevantes Thema. Denn das nachhaltige Bestehen einer ethnischen Gruppe hängt nicht zuletzt davon ab, dass die Sprachkompetenzen der nachkommenden Generationen im Unterricht an öffentlichen Schulen entsprechend gefördert werden. Während Slowenisch im Schulwesen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts systematisch unterdrückt wurde, änderte sich sein Status nach dem Zweiten Weltkrieg grundsätzlich, was unter anderem auch in der Einrichtung eines zweisprachigen Volksschulwesens und einer Reihe mittlerer und höherer Schulen, wie des slowenischsprachigen BG/BRG für Slowen_innen und der Zweisprachigen HAK in Klagenfurt/Celovec sowie der HLW und der einjährigen Wirtschaftsfachschule in St. Peter/Šentpeter bei St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu, Niederschlag fand. Abbildung 6 gibt einen Überblick über die zahlreichen Schultypen im Primär- und Sekundarschulwesen, in denen Slowenisch als Unterrichtssprache fungiert. Von den drei mittleren und höheren Schulen befindet sich nur eine, die HLW St. Peter/Šentpeter, im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet, die anderen beiden, das BG/BRG für Slowen_innen sowie die Zweisprachige HAK, liegen außerhalb davon, nämlich in Klagenfurt/Celovec. Das Minderheitenschulwesen und die Sozialisation slowenischsprachiger junger Menschen in schulischen Bildungsinstitutionen sind verhältnismäßig gut beforschte Bereiche. Besonders hervorgetan haben sich diesbezüglich zum einen geschichtswissenschaftliche und bildungswissenschaftliche Analysen, die die Entwicklung des zweisprachigen Schulwesens untersuchen (vgl. Gstettner/Larcher 1985; Domej

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1995, 2000; Wakounig 2008). Der Tenor der Arbeiten lautet, dass ungeachtet der politischen Diskussion um das zweisprachige Schulwesen und der Anfeindungen durch deutschnationale Heimatverbände die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška sich hinsichtlich des Minderheitenschulwesens in einer weit günstigeren Situation befinde als die meisten anderen ethnischen Gruppen in Europa. Abbildung 6: Das Schulwesen im zweisprachigen Siedlungsbereich sowie in Klagenfurt/Celovec

Grafische Darstellung: Jonas Kolb

Soziolinguistische Studien wiederum beschäftigen sich vornehmlich mit mikrosoziologischen Phänomenen in schulischen Bildungsinstitutionen (vgl. Verdel 1990; Kumer 1999; Gombos 2003; Busch/Doleschal 2008; Purkarthofer 2016). Im Unterschied zu geschichtswissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Arbeiten, in denen das soziale Geschehen vorrangig auf strukturierende Ordnungen zurückgeführt wird, steht hier die individuelle Ebene im Vordergrund.

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In der vorliegenden Untersuchung klammere ich jedoch solche eindimensionalen Sichtweisen aus und fokussiere meine Analyse stattdessen auf den Umgang, den junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund im Verlauf ihrer Schulbildung mit dem ethnischen Alleinstellungsmerkmal, der slowenischen Sprache, ausprägen. Hierbei räume ich beiden sozialtheoretischen Ebenen, also den strukturierenden Ordnungen sowie den Fähigkeiten und Potenzialen der einzelnen Akteure, eine gleichrangige Bedeutung ein. Dementsprechend rücke ich das Zusammenspiel von strukturierenden Ordnungen – in Form von Schulordnungen, dem Minderheitenschulwesen sowie der Zusammensetzung der Schulklassen – und der akteurszentrierten Ebene – in Form von familiären Hintergründen, Bildungslaufbahnen, individuellem Sprachgebrauch, Einwirkungen von Lehrer_innen oder Eltern – in den Mittelpunkt und untersuche, welche Strategien auf dieser Basis entwickelt werden. Im Verlauf des Kapitels schildere ich die Praxis des Ethnischen in den diversen Schultypen anhand von verschiedenen Einzelfallanalysen. Nach der Darstellung der Umgangsformen mit der Slowenischsprachigkeit in zweisprachigen Volksschulen (7.1) widme ich mich im daran anknüpfenden Abschnitt der Situation an mittleren oder höheren Schulen, in denen Slowenisch nicht Unterrichtssprache ist (7.2). Der Besuch solcher Schulen hat für Schüler_innen aus slowenischsprachigen Familien in der Regel ein vorübergehendes Verblassen des Gebrauchs der slowenischen Sprache zur Folge. Im Anschluss daran untersuche ich die Sekundarschulen, an denen Slowenisch eine der Unterrichtssprachen ist (7.3). Dabei vergleiche ich die Umgangsformen junger Menschen mit der slowenischen Sprache an den verschiedenen Schultypen miteinander. In der bisherigen Forschung ist eine solche Gegenüberstellung ausgeblieben. So wurde bis dato besonders häufig die Situation am BG/BRG für Slowen_innen beforscht, ein Vergleich mit der Zweisprachigen HAK oder mit der HLW wurde jedoch nicht angestellt. Im abschließenden Unterkapitel 7.4 werden die Strategien im Umgang mit der Sprache in schulischen Kontexten zusammengeführt und konzeptionell reflektiert.

7.1 DEUTSCH ALS ›IN‹-SPRACHE IN ZWEISPRACHIGEN VOLKSSCHULEN Der Umgang, den slowenischsprachige junge Menschen mit der Sprache in schulischen Kontexten pflegen, ist durch die Erfahrungen vorgezeichnet, die sie bereits in der Volksschule gemacht haben. Sie durchlaufen in der Regel eine stringente Bildungslaufbahn mit dem Leitmotiv der durchgängigen Zweisprachigkeit: zweisprachiger Kindergarten und zweisprachige Volksschule jeweils in der Wohngemeinde und anschließender Besuch des BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec oder einer anderen Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache. Nur ein kleiner

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Teil der Interviewpartner_innen weicht von diesem Pfad ab und besucht beispielsweise einige Jahre eine Schule mit Deutsch als alleiniger Unterrichtssprache. Auch der Schüler Zdravko Š. durchläuft eine Schullaufbahn, die streng an dem Prinzip der durchgehenden Zweisprachigkeit orientiert ist. In der zweisprachigen Volksschule in seiner mehrheitlich slowenischsprachigen Wohngemeinde, in der Deutsch und Slowenisch gleichberechtigte Unterrichtssprachen waren, kommunizierte Zdravko Š. mit Mitschüler_innen und Lehrer_innen zumeist im regionalen slowenischen Dialekt: »Frieher, wo ich in die Volksschule gangen bin, dort hab ich schon mehr slowenisch gredet. Weil dort ham wir auch in den Pausen slowenisch gredet, und immer slowenisch. In der Schule slowenisch, dann bin ich heimkommen, hab slowenisch gredet. Aber jetz is es anders, weil jetz red ich im Zug mit manchn Leuten, die Deutsch sprechn, mit denen red ich deutsch. Dann in der Schule rede ich auch mehr deutsch.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Demnach war der schulische Alltag von Zdravko zunächst vorrangig slowenischsprachig geprägt, erst mit dem Wechsel auf das BG/BRG für Slowen_innen hielt die deutsche Sprache Einzug in seinen Alltag, und damit ging auch seine Slowenischsprachigkeit partiell zurück. Dazu ist anzumerken, dass ein slowenischsprachiger Volksschulalltag heutzutage eher die Ausnahme als die Regel darstellt, da es im Südkärntner Raum kaum mehr Orte wie Zdravkos Wohngemeinde gibt, in denen die regionale slowenische Mundart als Umgangssprache auch im öffentlichen Raum sehr präsent ist. Ganz anders verläuft die umgangssprachliche Sozialisation in der Volksschule bei Schüler_innen aus Gemeinden, die nur einen geringen Anteil slowenischsprachiger Einwohner_innen aufweisen; diese Jugendlichen gebrauchen außerhalb der Familie eher die deutsche als die slowenische Sprache. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist Lidija H. Die Schülerin kommt aus einer Gemeinde im Bezirk KlagenfurtLand mit slowenischsprachiger Bevölkerungsminderheit. In ihrer Klasse in der zweisprachigen Volksschule gehörte sie zu den wenigen, die über slowenische Sprachkompetenzen verfügten. Die slowenische Hochsprache habe sie aber – auch aufgrund der mangelhaften Unterrichtsgestaltung – damals nicht erlernt: »Nachdem wir net so a super Lehrerin ghabt habn, hat sie uns net so viel beigebracht, weder Deutsch noch Slowenisch. Und bis i ins Gymnasium kommen bin, hab i so eigentlich nur den Dialekt können. Halt schon auch, so slowenische Wörter halt. Aber eigentlich so nur im Dialekt. Und des hab i dann alles in der Schul [im BG/BRG für Slowen_innen (J. K.)] glernt.« (Lidija H.; 16 Jahre)

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So kam es, dass Lidija bis zu ihrem Eintritt in das BG/BRG für Slowen_innen über keinerlei Kenntnisse der slowenischen Hochsprache verfügte. Aufgrund der unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen der Schüler_innen sei der Unterricht in ihrer Klasse vorrangig in deutscher Sprache erfolgt. Viele der jungen Menschen aus slowenischsprachigem Elternhaus gaben in den Interviews an, dass sie in der Volksschule zumeist die deutsche Sprache gebrauchen. So auch Jernej B., der erzählt, dass in seiner zweisprachigen Volksschule der deutschen Sprache der Status einer ›In‹-Sprache zukam. Auch er selbst kommunizierte mit seinen Mitschüler_innen vorrangig auf Deutsch, obwohl er damit zum ersten Mal in der ersten Klasse konfrontiert war. Bei seinem kleinen Bruder sei es derzeit ähnlich, dieser befinde sich gerade in einer Phase, in der er der deutschen Sprache gegenüber der slowenischen den Vorzug gibt: »Also in der Volksschule war schon a Phase, wo irgendwie des Deutsche äh cooler war oder so. Aber i glaub- also des hat jetzt mei Bruder genauso aa, also. Da spricht mer zwei, drei Jahr eher deutsch, und man bevorzugt in der Schul vor allem eher des Deutsche. [...] Des is halt da äh eher so in, also.« (Jernej B.; 20 Jahre)

Jernej zufolge kommt der deutschen Sprache in der Volksschulzeit mehr und mehr der Status einer ›In‹-Sprache zu, die eingesetzt wird, um gegenüber den Klassenkamerad_innen Coolness auszudrücken. Dass angesichts eines solchen sozialen Prestiges das Slowenische eher an den Rand gedrängt wird, ist eine fast zwangsläufige Konsequenz. Ähnliches berichtet auch die Schülerin Lidija H. Retrospektiv begründet sie ihre damals vorrangige Kommunikation in deutscher Sprache damit, dass »i gedacht hab, ich bin cool. Und generell, i hab mi aa versteckt so. Und wie i schon vorher gsagt hab, es war mer einfach peinlicher. Es war jetzt net so, dass i gsagt hab: ›Ma i schem mi so, i schem mi so!‹ Aber es war mer anfach manchmal unangenehm, so wie i bin, und slowenisch zu sprechn. Da hab i aa gsagt, ›Ja!‹ Und hab imma so deutsch gredet und so.« (Lidija H.; 16 Jahre)

In dieser Phase orientierte sich Lidija H. stark an angesagten Jugendtrends und an deutschsprachigen Medien. Um in der Peergroup mitreden zu können und nicht abseitszustehen, vernachlässigte sie ihr familiäres Erbstück, die slowenische Sprache, und kommunizierte vorrangig auf Deutsch. Slowenisch war für sie damals die Sprache ihres familiären Umfelds, deren Gebrauch im Rahmen ihrer Peergroup unpassend und deplatziert schien. Im Kreis ihrer Mitschüler_innen slowenisch zu sprechen empfand sie als »peinlich«, die Kommunikation auf Deutsch hingegen als »in« und als »cool« (Lidija H.; 16 Jahre).

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Eine Klassenkameradin Lidijas am BG/BRG für Slowen_innen, Stephanie L., hatte in ihrer Volksschulzeit ebenfalls Schwierigkeiten, die slowenische Schriftsprache zu erlernen, auch wenn bei ihr ganz andere familiäre Voraussetzungen gegeben sind. Von einem Bergbauernhof in einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt nahe der Grenze zur Republik Slowenien stammend, hat sie einen deutschsprachigen Familienhintergrund ohne slowenischsprachige Wurzeln. Die slowenische Sprache hat Stephanie H. erst in der in einer Gemeinde mit mehrheitlich slowenischsprachiger Bevölkerung liegenden Volksschule erlernt: »Also die ersten paar Wörter hab ich in der Volksschule gelernt, aber das war halt kein wirklicher Unterricht. Es gab halt nur diese wesentlichen Wörter ›Haus‹, ›Katze‹, ›Maus‹, ›Hund‹. Und richtig gelernt hab ich’s dann erst mit viel Mühe im Gymnasium. Also ich bin aufs Gymnasium gekommen, und hab eigentlich erstmal fast nichts verstanden.« (Stephanie H.; 16 Jahre)

Zu der Schwierigkeit, in der Volksschule die slowenische Sprache zu erlernen, wie von Stephanie H. beschrieben, nahm auch ihre Mutter, mit der ich ein ethnografisches Gespräch führte, Stellung. Diese bemängelte vor allem, dass die von der Lehrerin verfolgten Unterrichtskonzepte und Lehrmethoden nicht darauf abzielten, Kindern, die zu Hause kaum slowenisch und insbesondere nicht den regionalen slowenischen Dialekt sprechen, Kenntnisse der slowenischen Schriftsprache beizubringen (vgl. Mutter der Schülerin Stephanie L.; EG). Aufgrund der dadurch gegebenen Niveauunterschiede in der Kenntnis der slowenischen Sprache müsse der Unterricht vorrangig in deutscher Sprache gehalten werden, was zu einer Hierarchisierung zwischen den Unterrichtssprachen Slowenisch und Deutsch führe. Slowenisch rücke in den Hintergrund und werde durch die dominante Sprache, das Deutsche, verdrängt. Dieser Befund deckt sich auch mit Erkenntnissen aus verschiedenen bildungswissenschaftlichen Studien (vgl. Gombos 2003: S. 62 ff). Indem es Kindern so unmöglich gemacht werde, sich Kenntnisse der slowenischen Hochsprache anzueignen, würde verhindert, dass sich das Schriftslowenisch zu einer Art Kultur- oder Bildungssprache entwickelt. Aufgrund dieser Schwächen des Volksschulunterrichts, gepaart mit dem Umstand, dass auf dem Schulweg oder in den Pausen fast ausschließlich deutsch gesprochen wurde – auch von Schüler_innen aus slowenischsprachigen Familien –, konnte sich Stephanie entsprechende Slowenischkenntnisse erst in der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen aneignen. Damit belegen auch Stephanies Erfahrungen, dass das partielle Verdrängen der slowenischen Sprache an zweisprachigen Volksschulen sowohl während als auch außerhalb des Unterrichts keineswegs eine Ausnahmeerscheinung, sondern ein kollektives Phänomen darstellt. Befördert wird der Gebrauch der deutschen Sprache in den Umgangsformen der Kinder nicht nur durch die Zusammensetzung der Klassen – aufgrund derer die Mehrheit der Schüler_innen

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nur über geringe Slowenischkenntnisse verfügt –, sondern auch durch die Unterrichtsgestaltung, für die von den Lehrer_innen vor allem die deutsche Sprache verwendet wird. Ein weiterer Faktor, der den Rückgang der Slowenischsprachigkeit befördert, ist jener, dass praktisch die gesamte mediale Umgebung der jungen Menschen deutschsprachig ist. Dazu führt die Schülerin Barbara F. Folgendes aus: »Das kann man sich vorstellen, dass im Internet fast nichts Slowenisch ist. Auf Deutsch findest du alles. Und Facebook und das ganze Zeug, das ist ja alles auf Deutsch. So im Alltag jetzt, oder die Zeitung in der Früh, die lies ich ja auch auf Deutsch, nit auf Slowenisch. Aber mei Muttersprache ist trotzdem Slowenisch. Ist ein bisschen kompliziert, wenn man so nachdenkt, und komisch, weil ich würd mir zum Beispiel nie einen Film in Slowenisch ansehn!« (Barbara F.; 18 Jahre)

Dass in Barbaras Freizeit die deutsche Sprache sehr präsent ist, verdankt sich also weniger persönlichen Vorlieben und Einstellungen, sondern der Deutschsprachigkeit der medialen Umgebung, in der das Slowenische schlechterdings nicht vorkomme. Das beträfe Zeitungen und Filme, vor allem aber Instant Messenger Services (Twitter, WhatsApp, Snapchat), Online-Dienste (YouTube, Spotify, Instagram) oder Online-Communities (Facebook), die für die Kommunikationsgewohnheiten junger Menschen von höchster Relevanz sind. Und schließlich ist da das Bedürfnis junger Menschen dieser Altersstufe, sich gegenüber dem eigenen Elternhaus abzugrenzen und sich mehr außerhalb des familiären Rahmens zu bewegen, was unweigerlich zum Kontakt mit Bildern und Zuschreibungen von außen führt. Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora sprechen in diesem Zusammenhang von einer Übernahme von fremdethnisierenden Zuschreibungen (vgl. Bukow/Llaryora 1988: S. 52 ff), ein Prozess, der auch damit einhergeht, dass die slowenischsprachigen Schüler_innen die deutsche Sprache als jene ansehen, mit deren Gebrauch sie bei ihren Klassenkamerad_innen besser ankommen, durch deren Verwendung sie ausdrücken, dass sie ebenso cool sind und zur Peergroup gehören. Dies verhilft der deutschen Sprache zu einem höheren sozialen Prestige. Die strukturell bedingte, aber selbsttätige Aneignung und Annahme von fremdethnisierenden Vorstellungen resultiert aus der historischen Stigmatisierung des Slowenischen von deutschsprachiger Seite. Die Übernahme der fremdethnisierenden Bilder wird von Bukow und Llaryora als besonders zentral, weil für die ethnischen Selbstverständnisse der jungen Menschen – und damit deren weiteren Umgang mit der Slowenischsprachigkeit – konstitutiv, erachtet. Kurzfristig schreibt sich der Sprachgebrauch slowenischsprachiger Volksschüler_innen in den schulischen Kontexten, egal welche Schule sie danach besuchen,

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erst einmal fort. Welche Umfangsformen mit der slowenischen Sprache in den verschiedenen mittleren und höheren Schulen im Südkärntner Raum gepflegt werden, darum drehen sich die nachfolgenden Unterkapitel.

7.2 DER BESUCH VON SCHULEN OHNE SLOWENISCH ALS UNTERRICHTSSPRACHE: EINE ENTSCHEIDUNG FÜR ODER WIDER DAS SLOWENISCHE Nach der zweisprachigen Volksschule stellt sich für alle Schüler_innen (und deren Eltern) die entscheidende Frage, die in der Regel die gesamte weiterführende Schullaufbahn vorgibt: Auf welchen Schultyp wird ab der 5. Jahrgangsstufe gewechselt? Diesbezüglich besteht zwischen deutschsprachigen und slowenischsprachigen Familien kein Unterschied, bei Letzteren geht es dabei aber auch um die Frage, welche Rolle die slowenische Sprache im weiteren Schulalltag einnehmen soll. Selbstverständlich hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg und auf den außerschulischen Umgang mit der slowenischen Sprache. Die Optionen slowenischsprachiger und deutschsprachiger Schüler_innen sind prinzipiell die gleichen. Entweder fällt die Entscheidung für ein Gymnasium (mit dem Ziel Maturaabschluss) oder für eine Hauptschule bzw. eine Neue Mittelschule (mit dem Ziel Pflichtschulabschluss und anschließende Lehre bzw. Besuch einer berufsbildenden maturaführenden Schule oder einer Fachschule). Für Schüler_innen, die eine slowenischsprachige Schulausbildung genießen wollen, engen sich jedoch diese Möglichkeiten stark ein. Sie stehen nach der zweisprachigen Volksschule vor der Entscheidung, entweder eine deutschsprachige Schule (optional mit Slowenisch als Wahlfach) oder das slowenischsprachige BG/BRG für Slowen_innen zu besuchen. Eine Hauptschule bzw. Neue Mittelschule mit Slowenisch als Unterrichtssprache gibt es nicht. Erst ab dem höheren Schulwesen – also ab der 9. Schulstufe – weiten sich die Möglichkeiten wieder aus, erst dann haben sie wieder die Wahl zwischen dem BG/BRG für Slowen_innen, der Zweisprachigen HAK, der HLW und der einjährigen Wirtschaftsfachschule. Der Besuch einer Schule ohne Slowenisch als Unterrichtssprache führt in der Regel dazu, dass slowenische Umgangsformen im Alltag außerhalb des Elternhauses partiell verblassen. Wie solche Prozesse verlaufen können, zeigen die nachfolgenden Fallanalysen. Zdravko Š. beispielsweise traf gemeinsam mit seinen Eltern die Entscheidung, nach der zweisprachigen Volksschule in seiner Wohngemeinde auf das BG/BRG für Slowen_innen zu wechseln – anders als einige seiner Mitschüler_innen, die es vorzogen, eine Mittelschule, Hauptschule oder Fachschule in Nachbargemeinden zu besuchen:

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»Zwei von mein-, zwei meiner Freunde, die sind in einer anderen Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land in die Schule gangen. Aber dort gibt’s auch ein Slowenischgegenstand. Aber der ist für Anfänger. Dort lernt man erst die Sprache. Aber die sind nur wegn dem nach Name der Gemeinde in die Schule gangen, weil eine Hauptschule leichter is. Und ein paar Freunde sind nachher arbeitn gangen. Und ja, und weil dort in Ferlach is auch die Name einer Fachschule. Und ja, dort hin gehn recht viele Kärntner Slowenen, die nicht ins Gymnasium gehen. Die gehn dann auf eine Hauptschule, oder auf eine HTL. Weil wenn sie Mechaniker oder so lernen wolln, dann müssn sie fast alle auf eine deutsche Schule gehn.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Zdravko Š. beklagt, dass slowenischsprachige Jugendliche, die sich die slowenische Hochsprache aneignen wollen und im Alltag slowenisch sprechen wollen, nach der Volksschule nur auf das BG/BRG für Slowen_innen gehen können; jene, die keinen Maturaabschluss anstreben und stattdessen eine Ausbildung oder eine Fachschule absolvieren wollen, seien gezwungen, eine Schule ohne Slowenisch als Unterrichtssprache zu besuchen. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass die slowenische Sprache mehr und mehr aus dem schulischem Alltag verdrängt werde, wie Zdravko Š. an den sprachlichen Umgangsformen seiner Bekannten, die sich entschieden hatten, eine solche Schule zu besuchen, bereits feststellen musste. Deren Sprachpraxis habe sich dahingehend verändert, dass in ihrer umgangssprachlichen Kommunikation die deutsche Sprache dominiere. Diese Erfahrung hat auch die Schülerin Nataša K. gemacht, die aus einer Ortschaft im Bezirk Völkermarkt mit mehrheitlich slowenischsprachigen Einwohner_innen stammt und derzeit die zweisprachige, von katholischen Ordensschwestern getragene HLW besucht. Nach der zweisprachigen Volksschule in ihrer Wohngemeinde wechselte Nataša K. zunächst auf die Hauptschule in der nächstgelegenen Stadt. Retrospektiv betrachtet hat sie in dieser Zeit wegen ihres slowenischsprachigen Familienhintergrunds vor allem unangenehme Erfahrungen gemacht: »In der Hauptschule, da war ja hauptsächlich alles Deutsch. Und ich ging in die Hauptschule also mit zwei Freunden aus meiner Katastralgemeinde, die eben auch Slowenisch gesprochen haben. Und in der Hauptschule, da ham sie dich deswegen nur verarscht eigentlich, dass wir eigentlich hauptsächlich wenig gesprochn haben. Und ich hab mich deswegen von der Sprache entfernt in der Zeit.« (Nataša K.; 16 Jahre)

Um den Anfeindungen und Diffamierungen durch Mitschüler_innen, die der Gebrauch der slowenischen Sprache hervorrief, zu entgehen, verzichtete Nataša immer mehr auf den Gebrauch des Slowenischen in der Schule. Dadurch habe sie sich zunehmend von der slowenischen Sprache entfernt, während ihre deutschsprachige Kommunikation im schulischen – aber auch im außerschulischen – Kontext stark zunahm. Nur noch im Elternhaus sprach sie ausschließlich slowenisch. Nach dem

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Abschluss der Hauptschule entschied sich Nataša jedoch dafür, eine berufsbildende maturaführende Schule zu besuchen und wählte die HLW, da dort die Aussicht bestand, sich wieder stärker der slowenischen Sprache zuwenden zu können. Dass der Besuch einer Sekundarschule ohne Slowenisch als Unterrichtssprache eine schrittweise Verdrängung des Slowenischen aus der alltäglichen Kommunikation bedeutet, bestätigt auch die Schülerin Danijela T., die mit ihrer Familie im Bezirk Villach-Land lebt. Nach der zweisprachigen Volksschule in ihrer Wohngemeinde mit einem hohen, aber nicht mehrheitlichen Anteil an slowenischsprachigen Einwohner_innen wechselte sie auf die Hauptschule. Dort habe sie – ähnlich wie Nataša K. – immer weniger slowenisch gesprochen: »Wo i in der Hauptschul war, da war eher so mehr deutschsprachig alles. Obwohl’s zweisprachig war, also net der Unterricht. Halt der Freigegenstand Slowenisch, den mer halt ghabt ham. Und do war halt die Zeit, wo i am meisten eigentlich deutsch gredet hab.« (Danijela T.; 16 Jahre)

So hielt sie es die gesamte vierjährige Hauptschulzeit hindurch; in ihrer Familie kommunizierte sie weiterhin allein in ihrem regionalen slowenischen Dialekt, in der Schule hingegen gebrauchte sie Slowenisch nur im entsprechenden Wahlfach. Über den dortigen Unterricht berichtet sie Folgendes: »Also viele Schüler und Schülerinnen waren aus deutschsprachigen Familien mit slowenischem Hintergrund. Weil es warn in meiner Klasse, da warn relativ viele Anmeldungen für den Slowenischunterricht. Also auch aus Interesse halt, dass se’s lernen. Aber halt so daham ham se’s nit gsprochn. Noch die Großeltern vielleicht, aber sie selbst nit. […] Deswegen hab ich do nur deutsch gsprochn. In der Hauptschule hab ich eigentlich mit keinem slowenisch gesprochn.« (Danijela T.; 16 Jahre)

Die Klassenkamerad_innen von Danijela T. in der Hauptschule hatten oftmals slowenischsprachige Wurzeln, Umgangssprache – in Familie, Schule und Freizeit – war dennoch Deutsch. Durch den schulischen Sprachunterricht hofften sie, die eigene verloren gegangene slowenischsprachige Familientradition zumindest partiell wieder aufleben zu lassen. Allerdings fand der gemeinsame Unterricht aufgrund der geringen Sprachkenntnisse in deutscher Sprache statt. Und sosehr Danijela T. das Interesse ihrer Klassenkamerad_innen begrüßte, bedeutete es für sie, dass sie keine Gelegenheit hatte, in der Schule slowenisch zu sprechen, was dazu führte, dass ihre Slowenischsprachigkeit partiell verblasste. Einen ähnlichen Fall stellt Katja F. dar. Sie stammt aus einem slowenischsprachigen Elternhaus im Bezirk Klagenfurt-Land, besuchte einige Jahre lang ein deutschsprachiges Gymnasium in Klagenfurt/Celovec und wechselte dann auf eine

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Sekundarschule mit Slowenisch als Unterrichtssprache, die zweisprachige HLW. Ihre Zeit an dem deutschsprachigen Gymnasium beschreibt Katja F. wie folgt: »An der Schule war eben alles nur Deutsch. Und irgendwie, dort war keiner, der was eben Slowenisch gesprochen hat. Und, ja. Das hat mich auch ein bisschen beeinflusst. […] Ich bin zwar auch dort in Slowenisch gegangen, aber es war halt ein Freiwilligenkurs eben. Also, da wurde nicht richtig gesprochen, da hat man halt nur irgendwie Karten gespielt und so. Schon auf Slowenisch. Aber eher ... also da ging mir ein bisschen die Sprache verlorn dann. Also das warn dann doch vier Jahre. Aber heute habe ich sie wieder sozusagen.« (Katja F.; 19 Jahre)

Zwar wurde an der Schule ein Slowenischkurs angeboten, aber eben nur als Wahlfach und von minderer Qualität. Da der Unterricht überdies in der Regel am späten Nachmittag stattgefunden habe, sei die Aufnahmebereitschaft bereits sehr niedrig gewesen, sodass unterrichtsfremde Beschäftigungen überwogen. Mit dem Wechsel vom deutschsprachigen Gymnasium auf die HLW konnte Katja den drohenden Sprachverlust abwenden und die slowenische Sprache wieder verstärkt in Schule und Alltag integrieren. So habe sie seitdem dank der slowenischen Unterrichtssprache an der HLW ihre Muttersprache wieder, wie sie dies ausdrückt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Verblassen der Slowenischsprachigkeit an Sekundarschulen ohne Slowenisch als Unterrichtssprache verschiedene Ursachen hat. Zum einen spielen formale Aspekte eine Rolle. So wird oftmals die Qualität des Sprachunterrichts bemängelt. Auch sind die Stunden für den Slowenischunterricht häufig auf den späten Nachmittag gelegt, was deren Belegung erschwert und zu weiteren Qualitätsabstrichen führt. Ein grundsätzliches Moment ist jenes, dass die jungen Menschen sehr viel Zeit in den oftmals außerhalb ihrer Wohngemeinde gelegenen Schulen verbringen – und das in einem Alter, in dem Peergroups, Klassenkamerad_innen, Freundeskreisen, Sportvereinen oder anderen Bildungsinstitutionen wie Musikschulen eine wichtige und prägende Rolle zukommt (vgl. Ecarius et al. 2011: S. 69 ff). Zumeist in der Nähe der Schulstandorte in den Bezirkshauptstädten oder in der Landeshauptstadt befindlich, wo nur wenige slowenischsprachige Menschen leben, sind die von ihnen frequentierten Sozialräume in der Regel deutschsprachig geprägt. Neben formalen Aspekten sind auch die Haltungen der Mitschüler_innen von Relevanz. Insbesondere an Hauptschulen und Neuen Mittelschulen sind slowenischsprachige Kinder und Jugendliche oftmals mit einer tendenziell antislowenischen Stimmung konfrontiert. Viele wissen von einer Geringschätzung der slowenischen Sprache und einer Stigmatisierung ihrer Sprecher_innen zu berichten – immer wieder müsse man ethnische Anfeindungen und Hänseleien durch Mitschüler_innen über sich ergehen lassen. Um dem zu entgehen, melden sich viele Schüler_innen mit slowenischsprachiger Familientradition gar nicht erst für den Slowenischunterricht an

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und vermeiden es, vor ihren deutschsprachigen Klassenkamerad_innen slowenisch zu sprechen. Die in dieser Sozialisationsphase einsetzende Verdrängung der slowenischen durch die deutsche Sprache aus dem Alltag – im Zuge des Besuchs einer Schule ohne Slowenisch als Unterrichtssprache – ist in vielen Fällen nachhaltiger Natur, sodass die Entfernung von der slowenischen Sprache gleichsam eine Reise ohne Wiederkehr ist. Ihre Muttersprache sprechen die jungen Menschen dann nur noch in familiären Kontexten und im engsten sozialen Umfeld. Um die eigene slowenischsprachige Tradition im schulischen Kontext wieder aufleben zu lassen, entscheiden sich einige Schüler_innen nach der Hauptschule oder Neuen Mittelschule zum Besuch einer Sekundarschule mit Slowenisch als Unterrichtssprache. Allerdings sind auch diese Schulen nicht vor einer schleichenden, partiellen Verdrängung der Slowenischsprachigkeit gefeit, wie die nachfolgenden Abschnitte zeigen.

7.3 SEKUNDARSCHULEN MIT SLOWENISCH ALS UNTERRICHTSSPRACHE IM VERGLEICH In Kärnten/Koroška gibt es mehrere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen. In den nachfolgenden Kapiteln wird jeweils separat der Umgang mit der Slowenischsprachigkeit an der HLW St. Peter/Šentpeter, der Zweisprachigen HAK in Klagenfurt/Celovec sowie dem slowenischsprachigen BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec untersucht.1 Anhand verschiedener Fallanalysen werden die Differenzen zwischen den Schulen dargestellt. 7.3.1 Die Höhere Lehranstalt für Wirtschaftsberufe St. Peter/ Višja šola za gospodarske poklice Šentpeter Die vom Konvent der Schulschwestern von St. Peter/Šentpeter betriebene HLW ist die älteste der mittleren und höheren Schulen in Kärnten/Koroška mit Slowenisch als Unterrichtssprache. Gegründet wurde sie im Jahr 1908 als slowenischsprachige Volksschule von Ordensschwestern aus Maribor im heutigen Slowenien. Im Jahr

1

Auf eine detaillierte Analyse der einjährigen Wirtschaftsfachschule, der vierten Schule mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen, muss hier verzichtet werden, da mit Schüler_innen dieses Schultyps keine Interviews geführt werden konnten. Da sich die Schule im selben Schulgebäude wie die HLW befindet und der Unterricht von denselben Lehrer_innen abgehalten wird, unterscheiden sich beide Schulen im Umgang mit der Slowenischsprachigkeit nicht wesentlich voneinander. Deren Umgang mit der slowenischen Sprache wird daher in den Ausführungen zur HLW implizit mitbehandelt.

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1989 erfolgte die Transformation der Schule in eine maturaführende berufsbildende höhere Schule mit fünf Jahrgangsstufen (vgl. Konvent der Schulschwestern in St. Peter 2008: S. 9). Bei den Schüler_innen handelt es sich in der Regel um junge Menschen im Alter von ca. 14 bis 19 Jahren. Im Gegensatz zu den beiden anderen maturaführenden Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache befindet sich die HLW nicht in einer urbanen großstädtischen Umgebung, sondern im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet, genauer in der im agrarwirtschaftlich und katholisch geprägten Rosental/Rož unweit der Grenze zu Slowenien gelegenen Hundertseelengemeinde St. Peter/Šentpeter. Abbildung 7: Die HLW St. Peter/Šentpeter und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache

Grafische Darstellung: Jonas Kolb

Trotz dieser Lage müssen Schüler_innen aus dem Südkärntner Raum für den Schulbesuch teilweise lange Wegstrecken zurücklegen. Auch aus diesem Grund wurde im Schulgebäude ein von den Ordensschwestern betreutes Wohnheim eingerichtet (vgl. ebd.: S. 67). Besucht wird die HLW sowohl von slowenischsprachigen Jugendlichen aus Südkärnten und aus Slowenien als auch von Schüler_innen aus deutschsprachigen Elternhäusern mit verblassten slowenischsprachigen Wurzeln. Junge Menschen

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aus Slowenien sind stark vertreten und stellen im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Schüler_innen.2 In der Schulordnung ist festgelegt, dass die beiden Unterrichtssprachen Deutsch und Slowenisch in allen Fächern anzuwenden sind. Abhängig von der Jahrgangsstufe kommt ihnen eine unterschiedliche Rolle zu. So wird in den ersten drei Jahrgangsstufen in beiden Sprachen unterrichtet – mit dem Ziel, dass alle Schüler_innen beide Sprachen soweit beherrschen, dass sie dem Unterricht sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch aktiv folgen können. Ab der vierten Jahrgangsstufe wird abwechselnd ein Monat in Deutsch und einer in Slowenisch unterrichtet. Die Matura Ende der fünften Jahrgangsstufe wird wieder zweisprachig abgehalten. Trotz der elaborierten Unterrichtskonzeption scheint sich der Umgang mit den beiden Unterrichtssprachen im schulischen Alltag nicht problemlos zu gestalten, wie Beobachtungen der Schulklassen am Projekttag in dem zeitgeschichtlichen Museum sowie ethnografische Gespräche zeigten. So weisen zahlreiche Schüler_innen entweder im Deutschen oder im Slowenischen Defizite auf und der Unterrichtsstoff muss häufig in ihren jeweiligen Muttersprachen wiederholt werden. In den nachfolgenden Abschnitten wird der alltagspraktische Umgang mit der slowenischen Sprache im schulischen Kontext anhand der Fallanalysen Nataša K. und Peter E. dargestellt. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den biografischen Hintergründen, der Zusammensetzung ihrer Schulklassen sowie den sprachlichen Umgangsformen mit den Klassenkamerad_innen. Hinsichtlich der Familienkonstellation und des Gebrauchs der slowenischen Sprache weisen die beiden Schüler_innen große Unterschiede auf. Während Nataša K. aus einer homogen slowenischsprachigen Familie kommt und im Alltag an der HLW zwischen ihrer regionalen slowenischen Mundart, der slowenischen Hochsprache und dem Deutschen hin und her wechselt, stammt Peter E. aus einer Familie, in der die slowenische Sprache nur noch rudimentär präsent ist. Im schulischen Kontext gebraucht er teilweise die slowenische Hochsprache, vorrangig aber kommuniziert er auf Deutsch. Eine regionale slowenische Mundart beherrscht er nicht.

2

Maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen hat auch die Wirtschaftskrise im Nachbarland, die seit 2008 viele Familien dazu bewogen hat, nach Österreich zu migrieren (vgl. Ošlak 2014).

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Fallanalyse Nataša K.: Der Einfluss des Schultyps auf den Sprachgebrauch im schulischen Kontext Nataša K. lebt in einer nahe der Grenze zu Slowenien gelegenen, mehrheitlich slowenischsprachigen Gemeinde im Bezirk Völkermarkt. Sie besuchte eine zweisprachige Volksschule, in der sie auch die deutsche Sprache erlernte. Bevor sie auf die HLW in St. Peter/Šentpeter wechselte, besuchte sie eine Hauptschule in der nächstgelegenen Stadt. Ihre Schulwahl begründet sie folgendermaßen: »Ich wollte ja nach der Volksschule ins Gymnasium gehen, ins slowenische. Aber, das war halt eine Stunde Fahrt auf einer Seite, und da ham meine Eltern gesagt, ›Nein, das tun wir uns nicht an!‹ Und eben zur Hauptschule in der Gemeinde im Bezirk Völkermarkt warn’s dann zehn Minuten. Und das war dann halt praktischer, weil sonst würde ich abends ab und zu um sieben Uhr zu Haus sein. Und das wär dann auch nicht gut. Und ja, dann bin ich eben auf die deutsche Schule gegangen. Aber danach wollte ich auf jeden Fall, also meine Eltern auch, dass ich auf eine slowenische Schule, also auf eine zweisprachige Schule gehe. Und dann bin ich hierher [auf die HLW (J. K.)] gekommen. Weil meine Cousine is eben auch auf die Schule gegangen, und ja, die hat sie mir dann empfohln.« (Nataša K.; 19 Jahre)

Die Entscheidung für den Besuch der HLW verdankte sich Natašas Wunsch, eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache zu besuchen, um die Sprache nicht noch weiter aus ihrem schulischen Kontext zu verdrängen, empfohlen wurde ihr die Schule von ihrer Verwandtschaft. Dieser Schritt war jedoch nicht von langer Hand geplant, sondern war eher pragmatischen Überlegungen geschuldet. Da die Schule auch von vielen Schüler_innen aus Slowenien besucht wird, war Nataša gezwungen, ihre gewohnten sprachlichen Umgangsformen zu ändern: »Als ich eben auf die erste Klasse hierherkam, da war ja die Hälfte aus Slowenien. Und da musste ich mit denen halt schriftlich redn. Also am Anfang kam ich damit überhaupt nicht zurecht. Und sie, wenn ich mit meiner Freundin [im regionalen slowenischen Dialekt (J. K.)] redete, sie verstanden kein Wort. Also definitiv ham die gar nichts verstanden. Aber jetzt, ja, jetzt geht’s schon. Also, man gewöhnt sich daran. Aber so zu Hause zu sprechen, würde nicht gehen. Das ist was ganz andres.« (Nataša K.; 19 Jahre)

Da Schüler_innen aus Slowenien nicht mit den regionalen slowenischen Dialekten vertraut sind, gestaltete sich Natašas Kommunikation zu Anfang schwierig, mittlerweile bedient sie sich in Gesprächen mit ihnen einer Form der Umgangssprache, die stark an die slowenische Hochsprache angelehnt ist. Ihren regionalen slowenischen Dialekt spricht sie an der Schule zwar weiterhin, jedoch nur mit ihrer besten Freundin

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Sara R., die aus derselben Ortschaft kommt wie sie selbst. Mit allen anderen einheimischen Schüler_innen aus slowenischsprachigen Elternhäusern kommuniziert Nataša hingegen in deutscher Sprache: »Also mit den andern, die Slowenisch können in der Klasse, also die Kärntner Slowenen, mit denen redn wir [sie und ihre Freundin Sara R. (J. K.)] eigentlich immer deutsch. […] Also, als ich auf die Schule kam, hab ich automatisch auch mit ihnen deutsch gesprochen. Ich hätte von Anfang müssen slowenisch redn, aber das war dann ... keine Ahnung, warum das dann so war.« (Nataša K.; 19 Jahre)

Dass sie mit ihren Mitschüler_innen, die einen anderen slowenischen Dialekt sprechen, in deutscher Sprache kommuniziert, habe sich »automatisch« (Nataša K.; 19 Jahre) ergeben. Ihr Tagesverlauf sei daher grundsätzlich durch Mehrsprachigkeit gekennzeichnet, wobei sich ihre Sprachwahl nach dem Alltagsbereich und dem oder der Gesprächspartner_in richte: »Ich rede eigentlich, jetzt bin ich im Internat mit meiner Freundin im Zimmer, mit ihr spreche ich eigentlich den ganzen Tag slowenisch, also den Dialekt, wenn ich hier bin. Zu Hause und unter Freunden auch. Also in der Klasse, mit den Kärntnern, ja mit denen red ich eigentlich nur deutsch. Aber mit denen aus Slowenien red ich hauptsächlich slowenisch, also schriftslowenisch.« (Nataša K.; 19 Jahre)

So veränderten sich im Laufe ihres Bildungswegs ihre Kommunikationsgewohnheiten von einer monolingualen Slowenischsprachigkeit im Elternhaus und der Volksschulzeit hin zu einer Mehrsprachigkeit: Ihren regionalen slowenischen Dialekt spricht sie ausschließlich mit ihrer besten Freundin, die sie seit der Kindheit kennt. In deutscher Sprache kommuniziert sie mit allen anderen Schüler_innen, die einen Kärntner Hintergrund haben – die also entweder aus deutschsprachigen Familien (mit verblichenen slowenischsprachigen Wurzeln) oder aus slowenischsprachigen Elternhäusern stammen, aber einen anderen regionalen slowenischen Dialekt gebrauchen. Die slowenische Hochsprache wiederum verwendet sie, wenn sie mit ihren Mitschüler_innen aus Slowenien spricht. Abseits des schulischen Kontextes, also im Elternhaus oder in ihrer Wohngemeinde, stellt ihr regionaler slowenischer Dialekt ihr ausschließliches Kommunikationsmedium dar. Generell ist aber ihr Gebrauch der slowenischen Sprache außerhalb des familiären Kontextes seit dem Besuch der Volksschule merklich zurückgegangen. Allerdings spricht sie seit dem Besuch der HLW anders als während ihrer Hauptschulzeit im schulischen Kontext wieder mehr slowenisch, sowohl in als auch außerhalb des Unterrichts.

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Fallanalyse Peter E.: Auf Distanz zum Kärntner Slowenischen Peter E. lebt mit seiner Familie in einer Marktgemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land mit relativ geringem slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil. Er gehört zu der Gruppe von Schüler_innen, die von ihren Eltern nur deutschsprachig erzogen wurden, obwohl die Großeltern noch slowenischsprachig aufgewachsen sind: »Zu Hause ham wir nicht slowenisch gesprochen. Oder kaum. Höchstens mit der Oma, oder teils mit der Verwandtschaft. [...] Zu Hause aber nur wenig bis nichts. […] Den slowenischen Dialekt kann ich aber überhaupt nicht. Ich verstehe ihn zwar. Aber sprechn kann ich ihn überhaupt nicht. Meine Großmutter redet mit mir zwar im Dialekt. Bloß ich rede dann normales Schriftslowenisch zurück. Weil ich’s einfach nicht kann und nie gelernt habe.« (Peter E.; 19 Jahre)

Die Einzige, die in Peters familiärem Kontext über slowenische Sprachkompetenzen verfügt und mit der er slowenisch spricht, ist seine Großmutter – sie im regionalen Dialekt, er in der slowenischen Hochsprache, da er die Mundart nie gelernt hat. In der Generation seiner Eltern verblasste die Sprache. Sein Vater wie auch seine Mutter wurden nur mehr deutschsprachig erzogen, obwohl Slowenisch die Muttersprache seiner Großeltern väter- als auch mütterlicherseits war. Außer mit der Großmutter spricht Peter E. im familiären Rahmen ausschließlich deutsch. Während also der regionale slowenische Dialekt in seiner Familie gerade im Verschwinden begriffen ist, sorgt der Umstand, dass er stets zweisprachige Bildungseinrichtungen durchlief, dafür, dass er zumindest im schulischen Kontext kontinuierlich slowenisch spricht: »Zu Hause hab ich eigentlich nicht Slowenisch gelernt. Ich habe im Kindergarten angefangen mit Slowenisch, zu lernen. Und dann, ja, zweisprachige Volksschul, slowenisches Gymnasium. Und jetzt hier [auf der HLW (J. K.)]. [...] Und sonst ja, gesprochen hab ich slowenisch halt ab dem Kindergarten bis zu jetzt. Die Bildung war halt immer zweisprachig.« (Peter E.; 19 Jahre)

Dass Peter E. eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache besucht, entspricht dem Willen seiner Eltern. Diese waren stets darauf bedacht, dass ihre Kinder eine zweisprachige Schulbildung genießen. Damit versuchten sie, die Slowenischsprachigkeit in die Familientradition zu reintegrieren. Allerdings erwies sich dieses Unterfangen als fruchtlos, da Peter E. weder in seinem Freundeskreis noch in der Familie – außer eben mit seiner Großmutter – in der Sprache kommuniziert. Aus diesem Grund trägt das Slowenische für Peter E. Züge einer erlernten Fremdsprache wie Englisch oder Italienisch. Dies hat auch Auswirkungen auf seine ethnische Selbstverortung:

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»Ich seh mich eigentlich als Kärntner. Und net als Kärntner Slowene, i waß net. I hab mit’m Staat Slowenien net viel zu tun. Ich hab ja nur die Sprache erlernt. Und, natürlich Wurzeln hab i, natürlich, zwasprachige. So wie jeder aus Südkärnten.« (Peter E.; 19 Jahre)

Gegenüber der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen grenzt sich Peter E. ab, daran vermag sein zweisprachiger familiärer Hintergrund nichts zu ändern. Stattdessen schwankt er zwischen einer Selbstwahrnehmung als Zweisprachiger oder als Kärntner, also als Angehöriger der deutschsprachigen ethnischen Mehrheitsbevölkerung. Die Distanzierung gegenüber dem Kärntner Slowenischen begründet er damit, dass er diese Kategorie als eine ausschließlich nationale, auf den Staat Slowenien bezogene, Kategorie versteht. Eine Zugehörigkeit empfinde er nur zur Region Kärnten/Koroška, in der er lebt. Da er die slowenische Sprache als Fremdsprache erlernte und auch als solche wahrnimmt, empfindet er keine emotionale Verbundenheit mit ihr. Sein Zugang ist vielmehr ein nutzenkalkulierender: »Slowenisch is natürlich au a Zukunftssprache. Wenn ma Slowenisch kann, is des für’n ganzen slawischen Raum brauchbar. Es gibt halt ähnliche Sprachen natürlich. Es is ähnlich mit Russisch, ähnlich mit Serbisch, mit Kroatisch mit Bosnisch, mit allem natürlich. Des is für die Zukunft extrem wichtig. Deswegen will ich’s weiter lernen. A Sprache mehr. Ein Pluspunkt mehr. Eine Fähigkeit mehr.« (Peter E.; 19 Jahre)

Peter beurteilt den Wert von slowenischen Sprachkompetenzen also hauptsächlich aus einer ökonomischen Perspektive. Der nutzenkalkulierende Blick in die Zukunft geht damit einher, dass er den Gebrauch der slowenischen Sprache symbolischer Aspekte – wie der Konservierung einer Familientradition – entkleidet und von ethnischen Zugehörigkeiten entkoppelt. Slowenisch zu sprechen habe für ihn keine identitätsstiftende Bedeutung, sondern sei allein seinen Aussichten am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt förderlich. Peters Distanzierung gegenüber der Sprache und der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen hängt auch damit zusammen, dass er das Kärntner Slowenische ausschließlich als etwas Traditionelles, Archaisches ansieht. In seinen Augen sind Kärntner Slowen_innen vor allem »nicht modern und konservativ. Und ja, meist radikal wegen der Ortstafeln möglicherweise. Was man sonst so hört in der Gesellschaft. […] Und die Zweisprachigkeit ist immer stark mit der Kirche verbunden. Oder ham sich immer stark dafür eingsetzt. Und wichtig für Kärntner Slowenen sind sonst Volkslieder, slowenische Volkslieder. Von guten Chören. […] Und sonst vielleicht noch so altes Bauernwerkzeug und so was.« (Peter E.; 19 Jahre)

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Das Kärntner Slowenische betrachtet Peter E. als Relikt vormoderner Zeiten, das einfach nicht mehr in die heutige Zeit passe. Entsprechend begreift er auch Deutsch als ›In‹-Sprache, der ein höheres soziales Prestige zukomme als dem Slowenischen. Dass er keinen emotionalen Bezug zur slowenischen Sprache hat und sich vom Kärntner Slowenischen als ethnischer Kategorie distanziert, versucht er vor den Eltern freilich zu verbergen: »Das hab ich ja nie gesagt zu Hause, also dass ich nicht zweisprachig bin, und mich nicht als Kärntner Slowene sehe. Sagen wir so. Ähm. Das ist trotzdem hier auch noch eine zweisprachige Schule. Bloß, mein Freundeskreis hat sich gewandelt. […] Es würde spannend werden, wie meine Eltern darauf reagieren würden. Weiß ich nicht. Da würdn sie höchstwahrscheinlich überrascht reagieren. Also entsetzt nicht ganz, aber [...] durchaus überrascht auf jeden Fall.« (Peter E.; 19 Jahre)

Grund dafür, dass Peter E. im Elternhaus von seinen ethnischen Selbstverortungen kein Aufheben macht, ist die Vermutung, dass seine Eltern ob dieser Einstellung sehr enttäuscht wären – war es doch stets ihr Bestreben, dass ihr Sohn zweisprachige Bildungsinstitutionen durchläuft und die slowenischsprachige Familientradition zumindest partiell aufrechterhält. Im schulischen Alltag kommuniziert Peter größtenteils in deutscher Sprache – mit der Gruppe von Schüler_innen, die in Kärnten/Koroška aufgewachsen sind, spricht er grundsätzlich deutsch. Gespräche mit seinen Mitschüler_innen aus Slowenien, mit denen er allerdings weniger zu tun hat als mit seinen Kärntner Klassenkamerad_innen, führt er hingegen meist in der slowenischen Schriftsprache. Deren Anwesenheit bietet ihm somit die Möglichkeit, nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb des Unterrichts slowenisch zu sprechen. So trägt der Besuch der zweisprachigen HLW dazu bei, dass Peter E. bis zu seinem Abschluss die Sprache zumindest im schulischen Alltag partiell gebraucht. Zwischenresümee Der Besuch der HLW wird in der Regel nicht über Jahre hinweg vorbereitet und angestrebt. Für einen Großteil der Schüler_innen ist der entscheidende Grund die Aussicht, dass an der Schule der slowenische Sprachgebrauch stabilisiert und verstetigt wird. Die regionalen Hintergründe der Schüler_innen sind sehr unterschiedlich – die Hälfte sind Kärntner_innen, die entweder eine lebendige slowenischsprachige Familientradition aufweisen oder aus einem monolingual deutschsprachigen Elternhaus (mit verblichenen slowenischen Wurzeln) kommen, die andere Hälfte stammt aus Slowenien. Ein Teil begleitete die Eltern, die aus beruflichen Gründen nach Kärnten/Koroška übersiedelten, ein anderer pendelt zwischen St. Peter/Šentpeter und

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dem Wohnort der Familie in Slowenien und ist unter der Woche im schulischen Wohnheim einquartiert. Die Zusammensetzung der Klassen lässt die monolinguale Kommunikation kaum zu und führt unweigerlich zu einer Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext. Die regionalen slowenischen Mundarten sind an der Schule jedoch nur schwach vertreten. Die Umgangssprachen außerhalb des Unterrichts sind in erster Linie Deutsch und die slowenische Hochsprache, nur Schüler_innen mit slowenischsprachiger Familientradition, die aus denselben Gemeinden kommen und die gleiche Mundart sprechen – wie Nataša K. und ihre Freundin Sara R. –, praktizieren an der Schule auch regionale Sprachvariationen des Slowenischen. Doch auch bei diesen setzt der Umstand, dass die Kommunikation zwischen Sprecher_innen verschiedener regionaler slowenischer Mundarten untereinander ausschließlich in deutscher Sprache erfolgt, im Verlauf des Schulbesuchs einen partiellen Verdrängungsprozess des Slowenischen durch die deutsche Sprache in Gang. Für Schüler_innen, die in ihrer Familie nicht oder kaum aktiv slowenisch sprechen – wie Peter E. –, ändert sich diesbezüglich nichts, auf jeden Fall aber bleiben ihre sprachlichen Kompetenzen – zumindest auf einem sehr niedrigen Niveau – erhalten, da sie gezwungen sind, im Unterricht und auch in den Pausen mit ihren Mitschüler_innen aus Slowenien slowenisch zu sprechen. Bei diesen Jugendlichen werden durch den Schulbesuch die Reste der Slowenischsprachigkeit zumindest für die Dauer des Schulbesuchs konserviert. Im mehrsprachigen schulischen Alltag wird in regionalen slowenischen Dialekten, in der slowenischen Hochsprache sowie in deutscher Sprache kommuniziert, wobei dem Deutschen insgesamt eine dominante Rolle zukommt. Die slowenische Sprache gilt an der HLW weniger als Identifikationssymbol als vielmehr als Vorteil am Arbeitsmarkt und als Trumpf bei der Konkurrenz um Ausbildungsplätze. Slowenische Sprachkompetenzen führen bei den Schüler_innen nicht automatisch dazu, dass sie sich als zur ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zugehörig definieren. So besuchen die Schule auch Schüler_innen wie Peter E., der sich vom Kärntner Slowenischen abgrenzt und der sich unschlüssig ist, ob er Zweisprachiger oder deutschsprachiger Kärntner ist. 7.3.2 Die Zweisprachige Bundeshandelsakademie in Klagenfurt/ Dvojezična Zvezna Trgovska Akademija v Celovcu Die Eröffnung der Zweisprachigen HAK in Klagenfurt/Celovec fand im Schuljahr 1990/1991 statt. Sie ist ebenso wie die HLW in St. Peter/Šentpeter eine berufsbildende höhere Schule, die insgesamt fünf Jahrgangsstufen umfasst und mit der Matura abgeschlossen wird. Besucht wird sie hauptsächlich von Schüler_innen im Alter von ca. 14 bis 19 Jahren. Wie jede andere Handelsakademie in Österreich zeichnet sich die Lehranstalt durch ihre betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Lehrinhalte

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aus. Die Besonderheit der Zweisprachigen HAK ist ihr Schwerpunkt auf Interkulturalität. Abbildung 8: Die Zweisprachige HAK in Klagenfurt/Celovec und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache

Grafische Darstellung: Jonas Kolb

Die Zweisprachige HAK ist im selben Schulgebäude untergebracht wie das BG/BRG für Slowen_innen. Dieser Umstand und die räumliche Nähe zum ›Ju3 machen gendheim/Mladinski Dom‹ sowie zum ›Schülerheim/Slomškov Dom‹ die Schule nicht nur für slowenischsprachige Schüler_innen aus dem ländlichen Südkärnten attraktiv, sondern auch für Abgänger_innen des BG/BRG für

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Beide Einrichtungen werden durch slowenische Vereine getragen. Im Fall des dem NSKS nahestehenden Schülerheim/Slomškov Dom ist das der Verein ›Hermagoras/Mohorjeva‹, im Fall des Jugendheims/Mladinski Dom der ›Slowenische Schulverein/Slovensko Šolsko Društvo‹ (SSD), der dem Zentralverband angehört. Ein Teil der slowenischsprachigen Schüler_innen des BG/BRG für Slowen_innen oder der Zweisprachigen HAK ist in den Wohnheimen untergebracht, die jedoch auch Schüler_innen mit deutschsprachigem Familienhintergrund offenstehen. Dieser Umstand rief wiederholt Kritik vonseiten slowenischer Vertretungsorganisationen hervor, die die Befürchtung äußerten, dass dadurch die Präsenz der slowenischen Sprache im alltäglichen Miteinander im Wohnheim gefährdet werde.

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Slowen_innen, da die in mitunter schwer erreichbaren Ortschaften in Südkärnten wohnhaften Schüler_innen sich unter der Woche in einem der Wohnheime einmieten können. Die sprachliche Gestaltung des Unterrichts ist nicht systematisch geregelt. Prinzipiell gilt an der Zweisprachigen HAK die Regel, dass beide Sprachen gleichermaßen als Unterrichtssprachen einzusetzen sind (vgl. HAK/TAK 2014; BGBl. II Nr. 209/2014: Anlage A2: S. 6). Die Maturaprüfungen erfolgen sowohl in Deutsch als auch in Slowenisch. Die Schüler_innen der Schule können in drei Gruppen eingeteilt werden. Eine Gruppe bilden junge Menschen aus dem Südkärntner Raum mit zumindest einem slowenischsprachigen Elternteil. Diese sind in der Regel vom BG/BRG für Slowen_innen abgegangen. Dann gibt es die Gruppe der Schüler_innen aus Slowenien. Deren Anteil ist infolge der Wirtschaftskrise in Slowenien 2008, wie auch bei der HLW in St. Peter/Šentpeter, in den vergangenen Jahren sehr stark angestiegen, mittlerweile machen diese Schüler_innen oft die Hälfte einer Klasse aus. Die dritte Gruppe bilden Jugendliche aus deutschsprachigen Elternhäusern, in denen die Slowenischsprachigkeit zumeist in den vergangenen ein oder zwei Generationen verblasst ist. Schüler_innen ohne jedwede slowenischsprachige familiäre Wurzeln sind an der Zweisprachigen HAK – wie an den anderen Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache auch – die Ausnahme. Hinsichtlich des Umgangs mit der slowenischen Sprache unterscheidet sich die Zweisprachige HAK sowohl von der HLW als auch vom BG/BRG für Slowen_innen. Die Differenzen werden nachfolgend anhand von Einzelfallanalysen der drei Schüler_innen Luka S., Benjamin L. und Tanja S. dargestellt. Der Interviewpartner Luka S. kommt aus einer homogen slowenischsprachigen Familie, die in einer zweisprachigen Gemeinde im Bezirk Völkermarkt, dem Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsraums, wohnt. Im schulischen Kontext kommuniziert er – wie in seiner Zeit am BG/BRG für Slowen_innen – vorrangig in slowenischer Sprache, versteht er sich doch vorbehaltlos als Kärntner Slowene. Der Schüler Benjamin L. wiederum lebt in der Stadt Klagenfurt/Celovec und kommt aus einem Elternhaus, in dem die slowenischsprachige Familientradition verblasst ist. Slowenisch erlernte er als Fremdsprache in der Schule. Dass er mit Klassenkamerad_innen vereinzelt hochslowenisch spricht, macht ihn zu einem slowenischsprachigen Novizen, seine Alltagskommunikation läuft aber fast ausschließlich in deutscher Sprache ab. In diese Falldarstellung fließt auch das Beispiel einer anderen slowenischsprachigen Novizin, Petra M., ein, deren biografischer Hintergrund mit dem von Benjamin L. weitgehend identisch ist. Die dritte im Bunde, Tanja S., wuchs hingegen in einem gemischtsprachigen Elternhaus auf. Ihr Alltag – der schulische ebenso wie der außerschulische – ist vorrangig deutschsprachig geprägt, und trotz ihrer slowenischen Sprachkompetenzen und ihres familiären Hintergrunds betrachtet sie sich nicht als Kärntner Slowenin.

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Fallanalyse Luka S.: Weitgehende Slowenischsprachigkeit im schulischen Kontext Luka S., der aus einer homogen slowenischsprachigen Familie aus einer kleinen Ortschaft im Bezirk Völkermarkt mit einem mittlerweile niedrigen Anteil slowenischsprachiger Einwohner_innen stammt, entschied sich für die Zweisprachige HAK nach Absolvierung der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen. Bereits seine vorherige Bildungslaufbahn orientierte sich am Prinzip der Zweisprachigkeit. Nur in seiner Volksschulzeit in der zweisprachigen Volksschule in seiner Wohngemeinde war er eng befreundet mit Klassenkamerad_innen, die nur Deutsch sprachen, weswegen das Deutsche für ihn damals kurzzeitig eine ›In‹-Sprache darstellte. Mit seinem Eintritt in das BG/BRG für Slowen_innen vereinheitlichte sich jedoch sein sprachliches Umfeld, ab diesem Zeitpunkt bewegte er sich fast ausschließlich im Kreis von Jugendlichen, in deren Elternhaus aktiv slowenisch gesprochen wurde. Dass es sich bei der Slowenischsprachigkeit um ein besonderes Gut handelt, das es zu schützen gilt – so seine heutige Wahrnehmung –, wurde Luka vor allem durch den Besuch des slowenischsprachigen Gymnasiums bewusst: »Vor dem Gymnasium war’s mir halt net so bewusst, no dass es halt so immer weniger wern und dass halt Slowenisch sozusagen in Kärnten scho vom Aussterben bedroht ist, ne. Aber jetzt merk i’s halt immer mehr. […] Jetzt fühl i mi halt immer stärker im Innern als Kärntner Slowene, also. Ja, also im Gymnasium so, da war’s halt nur so nebensächlich. Do warst halt dortn in der Schul, und eigentlich mit denen, mit was du di halt befreundet hast, des warn eh alle Kärntner Slowenen. Und dortn war’s halt eh selbstverständlich. Und jetztan halt, wie gesagt seit der ersten HAK hab ich eigentlich aa mehr Kontakt wieder, zu den Freinden, mit denen i in die Volksschul gangen bin. Und ja, das ist jetzt schon anders, ja.« (Luka S.; 17 Jahre)

Bis zum Besuch des BG/BRG für Slowen_innen war die slowenische Sprache für ihn zwar ein unverzichtbares praktisches Verständigungsmittel, doch kam ihr bei Weitem nicht der hohe symbolische Stellenwert zu, den er ihr heute einräumt. Dass die Slowenischsprachigkeit in seinem Leben einmal verblassen könnte, erschien Luka aufgrund deren damaliger Präsenz nicht als reale Gefahr. Bedeutsam wurde diese Frage erst ab dem Zeitpunkt, als er das BG/BRG für Slowen_innen verließ und auf die Zweisprachige HAK wechselte. Seine Kommunikation im schulischen Kontext gestaltet sich seitdem wie folgt: »Wir beispielsweise in der Klass, wir redn eigentlich immer slowenisch. Also so wie in der Schul, immer, also untereinand red mer immer slowenisch, also im Dialekt. Aber wenn da halt amal aner dazuwi kommt, der halt net Slowenisch kann, schaun mer halt, dass wer deutsch reden. Dass halt er a mitkommt, dass er halt net ausgschlossen is, wenn’s a Freind is.« (Luka S.; 17 Jahre)

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Dass Luka außerhalb des Unterrichts fast ausschließlich seine regionale slowenische Mundart, den Jauntaler Dialekt/Podjunsko narečje, spricht, hängt damit zusammen, dass ein Teil seiner Klasse aus derselben Gegend im zweisprachigen Gebiet in Südkärnten kommt. Mit den Schüler_innen, die einen anderen Dialekt – also den Gailtaler Dialekt/Ziljsko narečje oder den Rosentaler Dialekt/Rožansko narečje – sprechen, redet er jedoch deutsch. Die slowenische Hochsprache gebraucht er außerhalb des Unterrichts nicht. Nach der Schule halte er sich in den Vereinsräumlichkeiten des slowenischsprachigen ›Kärntner Schüler_innenverbands/Koroška dijaška zveza‹ (KDZ) auf, wo er mit Klassenkamerad_innen einen Teil seiner Freizeit verbringt. Demnach bewegt sich Luka S. den ganzen Tag in slowenischsprachigen Kontexten: in der Familie, auf dem Schulweg, in der Schule sowie in den Räumen des KDZ. Nur zeitweise, abseits des schulischen Kontextes, kommuniziert er auch in deutscher Sprache. Seit dem Besuch des BG/BRG für Slowen_innen bestimmen sein Sprachgebrauch und seine familiären Wurzeln auch seine ethnische Selbstverortung – er definiert sich vorbehaltlos als Kärntner Slowene. In dieser unzweideutigen Selbstverortung unterscheidet er sich von den beiden nachfolgend dargestellten Fällen Benjamin L. und Tanja S., die sich einer eindeutigen Zuordnung zu den in Kärnten/Koroška gängigen ethnischen Kategorien verweigern. Abbildung 9: Das Schulgebäude der Zweisprachigen HAK und des BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec

© Paul Ott / Hertl.Architekten

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Fallanalyse Benjamin L.: Ein slowenischsprachiger Novize Im Gegensatz zu Luka S. weist Benjamin L. keine lebendige slowenischsprachige Familientradition auf, auch wenn sich in der Generation seiner Großeltern noch slowenische Wurzeln finden. Unabhängig von diesem familiären Hintergrund durchlief er stets zweisprachige Bildungsinstitutionen: zuerst einen zweisprachigen Kindergarten, dann eine zweisprachige Volksschule in der Landeshauptstadt Klagenfurt/ Celovec, anschließend für wenige Jahre das BG/BRG für Slowen_innen. Nach der Unterstufe am Gymnasium wechselte er auf die Zweisprachige HAK. Seine Familienkonstellation ist nicht untypisch für Südkärntner Verhältnisse. Seine Mutter wurde überhaupt in einem anderen Bundesland geboren, aber auch sein Vater verfügt über keinerlei slowenische Sprachkenntnisse, obwohl seine Großeltern väterlicherseits, die aus einer Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land kommen, noch slowenischsprachig aufgewachsen sind. Über den Vater sagt Benjamin: »Also mei Vater kann gar kein Slowenisch. Der hat des einfach net glernt. Und im Nachhinein würd er’s glaub ich ganz gern können so. Und, es wird immer gsagt, es wär sei Entscheidung gwesen und er wollt net lernen. Aber er sagt im Nachhinein: ›Des wird sicher irgendwer gsagt ham aus der Familie, so: Lern des net!‹ Aber er kann sich halt aa nimmer genau erinnern.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Da der Vater kein Slowenisch erlernt hat – über die Gründe gehen die Meinungen in der Familie auseinander –, sind die einzigen Personen in Benjamins Familie, die die Sprache sprechen, seine Großeltern väterlicherseits. Dies erfuhr er jedoch erst im Alter von 16 Jahren durch einen Zufall, als er einem Telefonat seiner Großmutter beiwohnte. »Also, dass sie ein bissi Slowenisch kann, des weiß ich schon länger. Aber dass sie eigentlich fließend reden kann, des hab i erst mit dem Telefonat erfahrn. Da hat sie auf einmal so fließend slowenisch gredet. […] Und des-, eigentlich da war des erste Mal, wo i gedacht hab: ›Ah, sie kann ja eh Slowenisch reden!‹ Weil sonst hat sie mi’m Opa nur so hin und wieder drei vier Wörter gwechselt, also auf Slowenisch. Ich waß gar net, wieviel er kann. Aber aa a paar Worte auf jeden Fall.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Obwohl ihr Enkel eine durchgehend zweisprachige Schulausbildung durchläuft, zog es Benjamins Großmutter vor, ihre Slowenischsprachigkeit zu verbergen, sogar innerhalb der Familie. Dies liegt daran, dass ihr Bezug zu der Sprache stark distanziert ist – was so weit geht, dass sie sie geringschätzig als Windisch bezeichnet. Der Enkel führt diese Strategie auf ihre Befürchtung zurück, wegen der Slowenischsprachigkeit sozial stigmatisiert zu werden, eine Gefahr, die für Windisch weniger gelte.

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Infolge dieser Erkenntnisse über die eigene Familiengeschichte und die sprachlichen Hintergründe seiner Großeltern entwickelte Benjamin Stück für Stück einen anderen Bezug zur slowenischen Sprache und zur ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen. Während zu Beginn seines Bildungswegs die Befassung mit dem Slowenischen für ihn nur das Erlernen einer weiteren Fremdsprache bedeutete, verwandelte sie sich in der Folge mehr und mehr zu einer Auseinandersetzung mit der Geschichte Südkärntens und seiner eigenen Familie: »Also so in letzter Zeit, in de letztn zwei Jahr hab ich’s halt glernt und irgendwie aa cool gfunden. Und in den letztn zwei Jahrn hab ich da anfangen zu denken: ›Ah, das is ja doch super, und in der Familie gibt’s da auch noch Wurzeln!‹ Des hab ich bis dahin gar net gwusst so. Und weil ich oft so gedacht hab: ›Slowenisch ist ja doch a kleine Sprach und so.‹ Aber es ist ja doch cool, wenn man so an Zugriff hat zu, eben zur Kärntner Geschichte. Was man sonst halt net hätte. Und vielleicht kann ich des ja wieder auffrischn. Also des hab ich halt doch recht spannend gefunden.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Den Besuch der Zweisprachigen HAK sieht Benjamin L. im Lichte seiner neu gewonnenen Einsichten in seine Familiengeschichte auch als Versuch an, die verschüttgegangene slowenischsprachige Tradition seiner Familie wiederzubeleben. So bemüht er sich darum, im Alltag vermehrt slowenisch zu sprechen. Im Laufe seiner Schulbildung hat sich Benjamin exzellente Slowenischkenntnisse angeeignet, weswegen er auch als slowenischsprachiger Novize zu bezeichnen ist. Zudem setzt er sich seitdem intensiv mit seiner ethnischen Zugehörigkeit auseinander. Zwar definiert er sich nicht als Kärntner Slowene, sondern lehnt es grundsätzlich ab, sich entweder für das Deutsche oder für das Slowenische entscheiden zu müssen, seit der Entdeckung seiner slowenischsprachigen Wurzeln erklärt er sich jedoch mit der slowenischsprachigen Bevölkerung und mit der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen solidarisch. Dass er Schulen mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen besucht, bereitete Benjamin zu Beginn durchaus Probleme. Doch obwohl er keine Möglichkeiten hat, mit anderen Familienmitgliedern slowenisch zu sprechen, beherrscht er die Sprache mittlerweile auf hohem Niveau. Dass er im schulischen Kontext abseits des Unterrichts mit seinen Mitschüler_innen slowenisch redet – was er vermehrt versucht, seitdem ihm bewusst ist, dass er selbst slowenischsprachige Wurzeln hat –, hat allerdings ernüchternde Folgen: »Und halt, in der Schule fühl i mi schon sehr als so irgendwie da integriert. Also des total. Aber wenn wer dann anfängt im Dialekt zu reden. Ge, des is dann schwieriger. Ge, da tu i mi dann schon schwer, des is klar. Irgendwie, wenn dann wer anfängt Podjunsko [der Jauntaler Dialekt (J. K.)] zu reden oder so. Ja, da fühl ich mi schon irgendwie so: ›Ah, okay, da gibt’s doch noch

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irgendwie so a andre Ebene. Da bin i dann doch net ganz so Teil von dem.‹ Aber des geht mir halt auch in meiner Familie so, wenn se tiefstes Kärntnerisch redn und so. Und ich red dann net so ganz Tiefes, fühlt man sich aa a bissl ausgeschlossen. Generell isses halt aa so, wenn ich anfang slowenisch zu redn, redn die andern deutsch zrück.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Da ihm niemand in seiner Familie die dialektalen Formen des Slowenischen beigebracht hat, seine sprachlichen Kompetenzen sich daher auf die Hochsprache beschränken, überkommt Benjamin L. bei Gesprächen seiner Mitschüler_innen in einer der slowenischen Mundarten oftmals das Gefühl der Ausgeschlossenheit. Verstärkt wird dieses dadurch, dass seine Versuche, mit slowenischsprachigen Schüler_innen schriftslowenisch zu reden, selten erfolgreich sind – zumeist antworten diese in deutscher Sprache. Als slowenischsprachiger Novize kann er Slowenisch im Unterricht, aber nicht in den Pausen sprechen. Mit diesen kommunikativen Umgangsformen geht das Phänomen einher, dass an der Zweisprachigen HAK (wie auch am BG/BRG für Slowen_innen) sich Gruppen von Schüler_innen bilden, die den gleichen regionalen slowenischen Dialekt sprechen und die Pausen miteinander verbringen. Klassenkamerad_innen ohne diesen sprachlichen Hintergrund sind aus diesem Kreis exkludiert. Diese Erfahrung macht auch Petra M., eine weitere slowenischsprachige Novizin an der Zweisprachigen HAK, die einen ähnlichen biografischen Hintergrund wie Benjamin L. aufweist: »Also es san eher solche Kreise. Also dass die Kärntna Slowenen eher zsammhockn. Also die was den gleichn Dialekt ham. Und dann die, die halt daham net slowenisch redn. Also, kei Ahnung, teilweise is ma schon a bissi so leicht ausgegrenzt. Sag mer so. […] Also wir ham aa Schüler von Slowenien. Die huckn eigentlich immer zsamm dann. Wie die Kärntna Slowenen. Oder zum Beispiel dann die, von denen die Eltern aus Bosnien kummen, aber die da geborn sind. Und dann halt solche, wie i halt, die daham net slowenisch redn.« (Petra M.; 17 Jahre)

Die Schülerin identifiziert drei Gruppen, die sich aus sprachlichen Gründen zusammenfinden und nach außen hin zumindest partiell abschotten: einerseits die »Kärntna Slowenen« (Petra M.; 17 Jahre), die zu Hause einen slowenischen Dialekt sprechen, andererseits Schüler_innen aus deutschsprachigem Elternhaus und schließlich jene aus Slowenien oder aus Bosnien. Bei slowenischsprachigen Noviz_innen – wie eben Petra M. oder Benjamin L. –, also Angehörigen der zweiten Gruppe, hinterlässt die Abgrenzung der Gruppen voneinander entlang sprachlicher Besonderheiten das Gefühl, nicht zur slowenischsprachigen Fraktion dazuzugehören. Wie die Noviz_innen damit umgehen, ist hingegen unterschiedlich. Während Petra ein solches Verhalten nicht nachvollziehen kann und kritisiert, plädiert Benjamin dafür, das Gefühl des Ausgeschlossenseins zu akzeptieren und sich damit abzufinden. Sein Argument dafür lautet wie folgt: Angesichts der Gefahr,

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dass das Deutsche im Begriff sei, die slowenische Sprache zu verdrängen – auch aus dem alltäglichen Miteinander, insbesondere dann, wenn Personen, in deren Familien aktiv slowenisch gesprochen wird, und solche, in denen nur auf Deutsch kommuniziert wird, miteinander reden –, begrüße er es im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit prinzipiell, dass es Situationen gibt, in denen die slowenische Sprache verstärkt präsent ist und bewusst bevorzugt wird. Die Gefahr der Verdrängung des Slowenischen bestünde jedoch auch im Unterricht selbst. Mit Beginn seines Besuchs der Zweisprachigen HAK hätten sich sowohl bei ihm als auch bei seinen Mitschüler_innen – auch aus slowenischsprachigen Familien – Arbeitsweisen, Lernstrategien oder Schreibtechniken verfestigt, bei denen ausschließlich die deutsche Sprache eingesetzt wird – die slowenische erwiese sich dabei geradezu als Hindernis und würde dementsprechend an den Rand gedrängt. So gebe es keine schriftliche Arbeit, die nicht in erster Linie in deutscher Sprache abgehandelt würde, während der slowenischsprachige Part nur eine Übersetzung umfasst und als Anhängsel der eigentlichen Arbeit gilt. Die Idee der Zweisprachigkeit der Unterrichtsgestaltung gemäß dem Prinzip der Gleichwertigkeit der beiden Sprachen ist laut Benjamin immer der Gefahr ausgesetzt, unterlaufen zu werden. In diesem Zusammenhang merkt Benjamin L. an, dass sich der Umgang mit der slowenischen Sprache an der Zweisprachigen HAK eklatant von dem Zugang unterscheide, den die Lehrkräfte am BG/BRG für Slowen_innen zur slowenischen Sprache hätten: »Beim Gymnasium, da hab i hin und wieder aa no des Gefühl, die sind a no a bissi nationaloder identitätsbewusster. […] Im Gymnasium hab i viel öfter ghört, so: ›Redet slowenisch unteranander!‹ Oder: ›Wir dürfen des net vergessen!‹ Und so weiter. So, des hörst in der HAK wirklich praktisch net. Da ist a viel freierer Zugang dazu. Weil im slowenischen Gymnasium wird die Sprache aa viel mehr so als identitätsstiftend gsehn, und in der HAK is des mehr a Instrument so. Also a Instrument im Wirtschaftsraum Slowenien, oder wo aa immer.« (Benjamin L.; 18 Jahre)

Dass am BR/BRG für Slowen_innen der slowenischen Sprache eine zentrale Rolle als Identifikationsobjekt und als Symbol der ethnischen Zugehörigkeit zukommt, zeigt sich laut Benjamin L. daran, dass ihr Gebrauch vonseiten des Lehrpersonals nachdrücklich eingefordert wird. An der Zweisprachigen HAK habe die slowenische Sprache hingegen eine weniger starke identitätsstiftende Funktion, dort gilt sie eher als strategische Kompetenz, als Instrument oder als nützliche Fähigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Die damit verbundene partielle Entethnisierung des Sprachgebrauchs führe jedoch dazu, dass das Slowenische an der Zweisprachigen HAK stärker von der Verdrängung durch die deutsche Sprache betroffen sei als am BG/BRG für Slowen_innen.

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Fallanalyse Tanja S.: Zwischen den Stühlen Einen Fall, der sich von denen der Schüler Benjamin L. und Luka S. deutlich unterscheidet, aber dennoch exemplarisch für viele slowenischsprachige Personen ist, stellt Tanja S. dar. Aufgewachsen im Bezirk Völkermarkt als Kind einer Mutter aus einer deutschsprachigen Familie im Lavanttal außerhalb des traditionell zweisprachigen Siedlungsraums und eines Vaters aus einem slowenischsprachigen Elternhaus, verlief ihre Sozialisation von Kindheit an zweisprachig: »Ich bin zweisprachig aufgewachsen. Mit meiner Mutter habe ich deutsch gsprochn, mit meinem Vater slowenisch. Aber ich bin eher deutschsprachig aufgwachsen. Und so im Umfeld sprech ich eher deutsch, einfach aus Angewohnheit. [...] Aber so zu Hause, wie ich aufgewachsen bin, das war Deutsch oder Slowenisch. Also beides. Ich hab den Vater angschaut und slowenisch gsprochn. Und hab die Mama angschaut und deutsch gsprochn. Aber da muss ich dazu sagn, diese Situationen gab es nicht so oft, also so gemeinsam am Tisch zu sitzn.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Dass Tanja zweisprachig sozialisiert wurde, hieß also nicht, dass beide Sprache gleichrangig nebeneinanderstanden – das Deutsche nahm gegenüber dem Slowenischen eine Vorzugsstellung ein. Tanja zufolge rührt dies daher, dass ihre Großeltern väterlicherseits dem Kärntner Slowenischen kritisch gegenüberstehen. Sie führt dies – ähnlich wie Benjamin L. bei seinen Großeltern – auf den Faktor Angst zurück. Was diese Angst bewirken kann, zeigte sich bei Tanjas Großonkel väterlicherseits. Obwohl dieser bereits vor einigen Jahren verstorben ist, bleibt er der Enkelin durch einen Satz, den er immer wieder wiederholte und der seine ethnische Positionierung auf den Punkt brachte, nachhaltig in Erinnerung: »Der sagte immer: ›Stefan [anonymisierter Familienname von Tanja S. (J. K)] ist ein deutsches Name!‹ Also der [Großonkel (J. K.)] is aus einer Gemeinde im Bezirk Völkermarkt. Der sprach kaum Deutsch, aber den Satz konnte er, also so halb zumindest (lacht). Das ist ein bezeichnender Satz für die Stimmung in der Familie. Aber das ist eigentlich kein Thema, die Sprache, in der Familie. Oder halt nur wenig.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Mit der Beschwörung der deutschen Herkunft seines Familiennamens bekundete Tanjas Verwandter seine Nähe zur deutschsprachigen ethnischen Gruppe und seine Distanz zum Kärntner Slowenischen. Dass er der deutschen Sprache kaum mächtig und der von ihm so häufig wiederholte Satz grammatikalisch falsch war, hielt ihn nicht von dieser ethnischen Selbstverortung ab. In dieser Hinsicht könnte der Gegensatz zur Familie von Tanjas Mutter nicht größer sein:

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»Also man hört von gewissen Aussagen her, dass sie sehr intolerant sind. Und sie meinen, dass Kärntner Slowenen nur eingebildet sind, und ja, dass es unnatürlich ist, dass Österreicher slowenisch sprechn. Und dass die Ortstafeln nicht aufgestellt gehören.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Tanjas Großeltern und weitere Verwandte mütterlicherseits, die alle im Bezirk Wolfsberg, also außerhalb des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets nördlich der Drau/Drava, leben, vertreten also eine radikal antislowenische Haltung sowie eine deutschnationale Überzeugung, derzufolge zweisprachige topografische Beschilderungen und überhaupt die slowenische Sprache in Kärnten/Koroška keinen Platz hätten. Dass ihre Mutter in eine slowenischsprachige Familie einheiratete, ist angesichts dieses familiären Hintergrunds außergewöhnlich. Aufgrund ihrer zweisprachigen Sozialisation und ihrer familiären Hintergründe ist Tanja S. in Fragen der ethnischen Positionierung tief gespalten. Ihr Verhältnis zum Kärntner Slowenischen ist – anders als bei vielen ihrer Klassenkamerad_innen – unterkühlt, dennoch weigert sie sich, sich einer dichotomen Sichtweise auf ethnische Kategorien unterzuordnen: »Also ich würd mich jetzt nicht als Kärntner Slowenerin bezeichnen, oder so. Außer wenn ich merk, dass der andre was gegen die Sprache hat, oder gegen die Kultur. Dann würd ich’s schon sagen, einfach aus Trotz. Aber wenn ich so nachdenk, würd ich mich nicht dadurch definiern, Kärntner Slowenerin zu sein oder Deutschkärntnerin zu sein.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Aufgrund ihrer Zweisprachigkeit widerstrebt es Tanja, sich einem der beiden ethnischen Lager zuzuordnen. Sie fühlt sich weder dem Kärntner Slowenischen noch dem Deutschen zugehörig. Statt für ein Entweder-oder tritt sie für ein Sowohl-als-auch in der Frage des Ethnischen ein. Nur bei antislowenischen Anfeindungen solidarisiere sie sich mit dem Kärntner Slowenischen: »Eben in solchen Situationen, wenn man – wie soll man sagen – wenn man konfrontiert wird damit, dass das Slowenische als schlecht gesehen wird, also so von Deutschkärntnern. Also dass man nicht akzeptiert wird. Dann tret ich schon für die Volksgruppe ein.« (Tanja S.; 17 Jahre)

In bestimmten Situationen definiert sich Tanja S. – trotz ihres ansonsten eher unterkühlten Verhältnisses zur ethnischen Gruppe – als Kärntner Slowenin. Folglich lässt sich ihre Bindung zum Kärntner Slowenischen als Wahloption beschreiben, die dann zum Tragen kommt, wenn dem Kärntner Slowenischen Feindseligkeit entgegenschlägt. Prinzipiell verfügt sie aufgrund ihres familiären Hintergrunds über die Möglichkeit, sich für die deutschsprachige oder für die slowenischsprachige Familienlinie zu entscheiden. Diese Zwischenstellung schlägt sich auch in der Zusammensetzung

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des Kreises ihrer Schulfreund_innen nieder. Diesen beschreibt sie folgendermaßen: »Also ich hab eigentlich hier so einen Bekanntenkreis, dem es ziemlich egal ist, was man ist und in welcher Volksgruppe man ist. Und ich meide solche Personen, denen das sehr wichtig ist.« (Tanja S.; 17 Jahre) Als jemand, für den ethnische Kategorien kein zentrales Thema sind, versucht Tanja, Personen, die ihre ethnische Zugehörigkeit als einen alles andere überlagernden Bestandteil ihres Selbstbildes betrachten, zu meiden: »Mit denen versteh ich mich nicht. Die meinen, weiß nicht, die haben so ein extremes Denken, dass ›Wer Kärntner Slowene ist, der muss slowenisch sprechen, und der muss das machen, und das machen!‹ Und so. Man stößt eigentlich auf beiden Seiten auf Extreme und auf Intoleranz eigentlich. […] Also es gibt bestimmt eine Grauzone, aber von ein paar Familien ist das schon so ein Denken in Oppositionen. Vielleicht in der Stadt nicht mehr so, aber am Land sicher.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Die Ineinssetzung von ethnischer Zugehörigkeit und Sprachgebrauch, dass also von Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund erwartet wird, sich als Kärntner Slowen_innen zu bekennen und ihren Alltag möglichst slowenischsprachig zu gestalten, ist eine Sichtweise, der Tanja sich keinesfalls anschließen mag. Aus dem Umstand, dass die slowenische Sprache eine ihrer beiden Muttersprachen ist, folgt für sie nicht die Verpflichtung, sie besonders häufig zu gebrauchen. Ein derartiger Imperativ ist ihr zuwider. Bei aller Distanz zum Kärntner Slowenischen legt Tanja S. außerordentlich großen Wert darauf, Bildungsinstitutionen zu besuchen, in denen Slowenisch Unterrichtssprache ist. Folglich wechselte sie nach dem zweisprachigen Kindergarten und der zweisprachigen Volksschule in ihrer Wohngemeinde zunächst auf das slowenischsprachige BG/BRG für Slowen_innen und ab der Oberstufe auf die Zweisprachige HAK in Klagenfurt/Celovec. Dennoch spricht sie im schulischen Kontext nur wenig slowenisch: »Dass ich mehr deutsch gesprochn habe war auch schon früher so. Auch vorher im slowenischen Gymnasium. Auch wenn mein Umfeld da noch mehr slowenisch war. Aber ich hab fast immer nur deutsch gesprochn. Auch mit den Freundinnen, die Slowenisch konntn.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Die durchwegs zweisprachig geprägte Schullaufbahn hielt Tanja nicht davon ab, mit ihren zweisprachigen Freund_innen und Bekannten außerhalb des Unterrichts fast immer deutsch zu sprechen. Das begann nicht erst mit dem Besuch der Zweisprachigen HAK, sondern war schon im BG/BRG für Slowen_innen so. Damit beschränkt

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sich ihr Gebrauch der slowenischen Sprache im schulischen Kontext auf den Unterricht. Dass an der Zweisprachigen HAK Slowenisch und Deutsch gleichberechtigte Unterrichtssprachen sind, schätzt Tanja S. sehr. Es stört sie auch nicht, dass die deutsche Sprache im schulischen Kontext – insbesondere außerhalb des Unterrichts – überwiegt, denn gerade dieser Umstand würde die ethnischen Kategorien des Deutschen und des Kärntner Slowenischen partiell aufweichen. Als positives Beispiel führt sie in diesem Zusammenhang ihren Mitschüler Benjamin L. an. Im Gegensatz zu vielen anderen aus homogen slowenischsprachigen Elternhäusern gefällt es ihr, dass sich Benjamin, obwohl monolingual deutschsprachig aufgewachsen, sich mit den Kärntner Slowen_innen solidarisiert und dies wiederholt explizit zum Ausdruck gebracht hat: »Wenn sich Benjamin als Kärntner Slowene sieht, empfind ich das als normal. Ich find’s gut, wenn er das macht und wenn er dafür kämpft. Ich weiß zwar, dass andre Leute es nicht so sehn. Also viele Kärntner Slowenen sehen’s wirklich als Bedrohung, weil sie müssen die Volksgruppe schützn und so. Aber ja. Also das sind jetz weniger Schüler hier an dieser Schule, also als jetz beispielsweise am slowenischen Gymnasium. Aber ich hab’s bei meiner Mama gsehn, die ja auch einsprachig, also deutschsprachig aufgewachsn ist und in meiner Wohngemeinde als ›die Deutsche‹ bezeichnet wurde. Und von vieln wird’s nicht so akzeptiert, dass sie Kärntner Slowenerin ist. ’S is einfach so. Ich sag’s ja, beide Lager sind intolerant, meiner Meinung nach.« (Tanja S.; 17 Jahre)

Den Vorwurf der Intoleranz will Tanja S. nicht auf Deutschkärntner_innen begrenzt wissen, dieser treffe ebenso auf das slowenischsprachige Lager zu – wie etwa an den abfälligen Äußerungen über ihre Mutter, die in der Wohngemeinde als ethnischer Fremdkörper behandelt werde, zu erkennen, etwas, was Tanja besonders missfällt. Und mit einer solchen Haltung sei sie des Öfteren auch am slowenischsprachigen Gymnasium konfrontiert gewesen, das vorrangig von Schüler_innen aus homogen slowenischsprachigen Elternhäusern besucht wird, die bewusst für das Kärntner Slowenische eintreten und »die Volksgruppe schützen« (Tanja S.; 17 Jahre) wollen – sei es vor dem Verschwinden oder vor slowenischsprachigen Noviz_innen. An der Zweisprachigen HAK sei dies nun viel weniger der Fall. Hier seien derartige Bestrebungen und daraus abgeleitete Handlungsverpflichtungen gegenüber dem Kärntner Slowenischen viel weniger Thema als am slowenischsprachigen Gymnasium.

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Zwischenresümee Das Hauptmotiv für den Besuch der Zweisprachigen HAK ist für die meisten Schüler_innen das Interesse an einer Schulausbildung in slowenischer Sprache. Größtenteils Absolventen der Unterstufe des slowenischsprachigen Gymnasiums, verfügen sie in der Regel über hohe Kompetenzen im Slowenischen. Der Besuch der Lehranstalt wird jedoch in der Regel – ebenso wie bei der HLW – nicht von langer Hand geplant und angestrebt. Außerhalb des Schulunterrichts bilden sich oft nach regionaler Herkunft zusammengesetzte Gruppen von Schüler_innen, die zumeist unter sich bleiben. Hier können drei Fraktionen ausgemacht werden. Kärntner Schüler_innen mit lebendigem slowenischsprachigen Familienhintergrund, die einen regionalen Dialekt sprechen, stehen Jugendliche aus Slowenien gegenüber, die naturgemäß exzellente Kenntnisse in der slowenischen Hochsprache aufweisen, aber weder Deutsch noch einen der slowenischen Dialekte beherrschen, sowie slowenischsprachige Noviz_innen mit verblassten slowenischen Wurzeln, die im Elternhaus kein Slowenisch sprechen. Diese Jugendlichen, zu denen etwa auch Benjamin F. und Petra M. gehören, sehen den Besuch der Schule auch als Gelegenheit, um ihre slowenischsprachige Familientradition zu revitalisieren. Hinsichtlich der sprachlichen Umgangsformen gibt es an der Zweisprachigen HAK unterschiedliche Gepflogenheiten. Während im Unterricht die deutsche und die slowenische Sprache gleichberechtigt nebeneinanderstehen, herrscht abseits des Unterrichts ein Sprachgemisch. Südkärntner Schüler_innen, die die gleiche slowenische Mundart sprechen, kommunizieren untereinander auch in dieser – wie zum Beispiel Luka S. mit seinen Mitschüler_innen. Unterhalten sich Sprecher_innen verschiedener slowenischer Dialekte miteinander, wird auf die deutsche Sprache ausgewichen. Die slowenische Hochsprache ist außerhalb des Unterrichts nur in der Kommunikation zwischen einheimischen slowenischsprachigen Schüler_innen und Jugendlichen aus Slowenien sowie natürlich in deren Kommunikation untereinander präsent. Es zeigt sich, dass an der Zweisprachigen HAK die slowenische Sprache gegenüber der deutschen ein Stück weit in den Hintergrund rückt. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie dort eher als instrumentelle Kompetenz, die individuelle Vorteile am Arbeitsmarkt einbringt, betrachtet wird, weniger als ein identitätsstiftendes Merkmal, wie dies am BG/BRG für Slowen_innen der Fall ist. Dieser Umgang mit der slowenischen Sprache ist durchaus dazu angetan, den Abbau von ethnischen Grenzen und in weiterer Folge auch die partielle Entethnisierung des Sprachgebrauchs zu fördern.

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7.3.3 Das Bundesgymnasium/Bundesrealgymnasium für Slowen_innen in Klagenfurt/Zvezna gimnazija in zvezna realna gimnazija za Slovence v Celovcu Als das einzige Gymnasium in Kärnten/Koroška mit Slowenisch als Unterrichtssprache wird das BG/BRG für Slowen_innen vornehmlich von Schüler_innen besucht, die nach der Volksschule auf eine Sekundärschule mit Slowenisch als einer der Unterrichtssprachen wechseln wollen (siehe Abbildung 10). Neben Slowenisch gibt es auch andere Unterrichtssprachen – wie Deutsch, Englisch oder Italienisch –, allerdings nur in den jeweiligen Fächern. Wie andere Gymnasien auch umfasst die Lehranstalt insgesamt acht Jahrgangsstufen. Die Maturaprüfungen erfolgen in erster Linie in slowenischer Sprache. Je nach Unterrichtsgegenstand und belegtem Zweig (beispielsweise in den Julius-Kugy-Klassen oder bei anderen Sprachenschwerpunkten) werden die Maturafächer auch in anderen Sprachen geprüft (vgl. Vrbinc 2002). Abbildung 10: Das BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache

Grafische Darstellung: Jonas Kolb

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Schule liegen generell auf der Situation der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška sowie auf Internationalität – die in ihrem Leitbild formulierten Ziele sind etwa die Förderung einer interkulturellen

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Persönlichkeitsbildung, eines regionalen Geschichtsbewusstseins oder die Friedenserziehung (vgl. BG/BRG für Slowen_innen 2014b). Seit der Gründung der Schule Ende der 1950er Jahre hat die Zahl der Schüler_innen trotz zahlreicher Angriffe und Anfeindungen deutschnationaler Organisationen kontinuierlich zugenommen – heute beläuft sie sich auf durchschnittlich 500 Schüler_innen pro Jahr (vgl. BG/BRG für Slowenen 2014b). In der Unterstufe wird besonderer Wert darauf gelegt, dass sich die Schüler_innen entsprechende Sprachkompetenzen in der slowenischen Schriftsprache aneignen, was sich auch im Stundenausmaß des Slowenischunterrichts niederschlägt. Da das tägliche Pendeln zwischen Wohnort und Schule nur Schüler_innen aus verkehrstechnisch gut angebundenen Ortschaften im Jauntal/Podjuna oder dem Rosental/Rož möglich ist, besteht für Jugendliche aus Ortschaften in der zerklüfteten Gebirgslandschaft der Karawanken die Option, sich unter der Woche in einem der von slowenischen Organisationen getragenen Wohnheime – wie dem Jugendheim/Mladinski Dom oder dem Schülerheim/Slomškov dom – einzumieten und sich so einen zeitintensiven tagtäglichen Schulweg zu ersparen. Der Umgang mit der Slowenischsprachigkeit an der Schule unterscheidet sich je nach Familienkonstellation, Wohnort und Sprachkompetenzen. In den nachfolgenden Abschnitten werden diese Differenzen anhand der Fallanalysen Andrej R. und Stephanie H. dargestellt. Ersterer spricht im familiären Kontext ausschließlich seinen regionalen slowenischen Dialekt, Gespräche mit Mitschüler_innen führt er aber häufig auf Deutsch. Durch den Besuch des BG/BRGs für Slowen_innen wurde ihm bewusst, dass die slowenische Sprache in ihrer Existenz bedroht ist, und seitdem ist es ihm ein Anliegen, sich aktiv für die slowenische Sprache einzusetzen. In diese Fallbeschreibung werden auch Ausführungen zum Schüler Zdravko Š. eingestreut, der einen Andrej R. in vielerlei Hinsicht ähnlichen biografischen Hintergrund aufweist. Eine Ausnahme am BG/BRG für Slowen_innen stellt hingegen die Schülerin Stephanie H. dar, dementsprechend stark unterscheidet sie sich von Andrej R. Sie wohnt zwar in einer Gemeinde mit einem hohen Anteil slowenischsprachiger Personen, aufgewachsen ist sie aber in einem deutschsprachigen Elternhaus. Die slowenische Sprache eignete sie sich im Verlauf ihrer Schulbildung an, außerhalb des Unterrichts, in den Pausen, spricht sie fast ausschließlich deutsch. Um auch eine außenstehende Perspektive auf den Umgang mit der Slowenischsprachigkeit am BG/BRG für Slowen_innen einzubringen, komme ich im Anschluss an die beiden Fallanalysen auf Majda F. zu sprechen, eine Schülerin aus einem gemischtsprachigen Elternhaus, die ein deutschsprachiges Gymnasium in Klagenfurt/ Celovec besucht.

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Fallanalyse Andrej R.: Der partielle Einzug deutschsprachiger Umgangsformen im schulischen Kontexten Andrej R. kommt aus einer homogen slowenischsprachigen Familie, die im zweisprachigen Kerngebiet in der zerklüfteten Gebirgslandschaft der Karawanken nahe der Grenze zu Slowenien lebt. Sein Vater entstammt einer alteingesessenen slowenischsprachigen Familie, seine Mutter ist gebürtige Slowenin, die als junge Frau nach Südkärnten migrierte. Im familiären Rahmen und in der Wohngemeinde spricht Andrej fast ausschließlich seinen slowenischen Dialekt, den Obir-Dialekt/Obirsko narečje, mit vereinzelten deutschen Einsprengseln. Aufgrund der immensen Bedeutung der slowenischen Sprache in seinem Alltag ist er sich sicher, dass er »nicht ohne die slowenische Sprache zurechtkommen« (Andrej R.; 16 Jahre) könne. Entsprechend definiert er sich selbst eindeutig als Kärntner Slowene. Wie viele Schüler_innen aus slowenischsprachigen Elternhäusern gab Andrej R. in der zweisprachigen Volksschule in seiner Wohngemeinde der deutschen Sprache den Vorzug, die auch für ihn in dieser Phase eine Art ›In‹-Sprache darstellte. Nach der Volksschule schickten ihn seine Eltern auf das BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec – zum einen aufgrund seines Notenschnitts, zum anderen aber, weil sie Wert darauf legten, dass ihr Sohn eine slowenischsprachige Schulbildung genießt. Aufgrund des langen Schulwegs, den Andrej hätte zurücklegen müssen, entschieden sie, ihn unter der Woche im Jugendheim/Mladinski Dom, einzumieten. Der Wechsel seiner gewohnten Umgebung hatte starke Auswirkungen auf Andrejs Kommunikationsgewohnheiten. Seine Erfahrungen in den ersten Jahren im Gymnasium beschreibt er folgendermaßen: »Also die, was Slowenisch konnten, also man konnte nicht mit denen so richtig slowenisch reden. Weil ich hatte einen anderen Dialekt, und überhaupt, ja, war es schwer zu kommunizieren. [...] Und, ja also, die erste Klasse [des Gymnasiums (J. K.)] war so eine Phase, wo ich also sehr sehr viel deutsch gesprochen habe, aber sehr wenig slowenisch. Das nur zu Hause.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Da seine vertraute Mundart aufgrund der veränderten sprachlichen Umgebung als Kommunikationsmittel ausschied, sprach Andrej in dieser Phase auch außerhalb des Unterrichts hauptsächlich deutsch. Dieses Phänomen, dass Sprecher_innen unterschiedlicher slowenischer Dialekte untereinander Deutsch als Verkehrssprache verwenden, hat sich auch bei vielen slowenischsprachigen Schüler_innen der Zweisprachigen HAK oder der HLW in St. Peter/Šentpeter gezeigt. Darüber hinaus verdankt sich diese Sprachwahl dem – bereits in den zweisprachigen Volksschulen etablierten – Image der deutschen Sprache als ›In‹-Sprache sowie dem Umstand, dass die meisten Schüler_innen zu diesem Zeitpunkt nur über unzureichende Kenntnisse der slowenischen Hochsprache verfügen.

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Was das BG/BRG für Slowen_innen von anderen Sekundarschulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache abhebt, ist die Intensität des Slowenischunterrichts in den ersten Schuljahren: »Als ich ins Gymnasium gekommen bin, erste Klasse. Da war eigentlich die slowenische Sprache nicht so beliebt. Also man hat sehr viel deutsch gesprochen. Obwohl alle eigentlich Slowenisch konnten. Das war aber nicht so beliebt. Und slowenisch wurde nur wenig gesprochen. […] In den späteren Jahren hat sich das geändert. Da hatten wir halt auch die Unterrichtssprache, also außer in Deutsch, haben wir sonst alle Gegenstände in Slowenisch gehabt. Alle Schüler haben sich dann auf die Sprache dann eingestellt, und haben sie dann auch richtig gesprochn oder zumindest verstandn.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Infolge des zeitintensiven Slowenischunterrichts in der Unterstufe nimmt die deutschsprachige Kommunikation im Unterricht ab, dieser findet mehr und mehr in der slowenischen Hochsprache statt. Nachhaltige Auswirkungen auf den Sprachgebrauch außerhalb des Unterrichts hat der forcierte Sprachunterricht jedoch nicht. Im schulischen Kontext spricht Andrej mit Klassenkamerad_innen nach wie vor deutsch: »Also mit einigen, die ich schon vorher gekannt habe, habe ich natürlich slowenisch gesprochen. Mit jedem Freund, der aus meiner Umgebung kommt, aus meiner Wohngemeinde im Bezirk Völkermarkt, rede ich slowenisch. Und die, die ich neu kennen gelernt habe, mit denen spreche ich deutsch. Also mit meinem Zimmerkollegen [im Jugendheim/Mladinski Dom (J. K.)] rede ich deutsch. […] Wenn die Eltern kommen oder so, reden wir aber immer slowenisch miteinander. Sonst sprechen wir hier nur deutsch. Also wir verarschen uns mehrmals. Und in Deutsch hat man mehr – wie soll ich sagen – hat man mehr Sprüche drauf. Weil man’s immer in der Schule hört, oder keine Ahnung, auf der Straße.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Mit seinen Mitschüler_innen und mit seinem Zimmerkollegen im Wohnheim, die einen anderen slowenischen Dialekt sprechen, verständigt er sich seit jeher in deutscher Sprache, was er vor den Eltern freilich geheim zu halten versucht. Wenn diese auf Besuch kommen, reden die beiden, die sonst immer in deutscher Sprache kommunizieren, nur slowenisch miteinander. Dass Andrej R. seinen Eltern diesbezüglich nicht reinen Wein einschenkt, kommt nicht von ungefähr. Es rührt einerseits daher, dass die beiden Schüler in ihren jeweiligen Familienkontexten ausschließlich slowenisch reden. Andererseits wird Andrej – wie er zugibt – von seinen Eltern angehalten, mit Gleichaltrigen, die ebenfalls einen lebendigen slowenischsprachigen Familienhintergrund haben, vermehrt slowenisch und weniger deutsch zu sprechen.

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»Sie [die Eltern (J. K.)] haben einmal gefragt, wie wir im slowenischen Gymnasium sprechen. Also ich habe gesagt: ›Jetzt in der ersten Klasse ein bisschen mehr deutsch. Und ja, dann haben wir Teile gehabt, wo mer mehr slowenisch gesprochen haben.‹ […] Also anfangs hatten meine Eltern eigentlich kein Problem damit. Also wir haben ja zu Hause slowenisch geredet, sodass ich die Sprache nicht vergessen konnte. Und, ja, aber später einmal hat mir mein Vater gesagt, dass das nicht gut wäre, wenn ich so viel deutsch rede. Und dass ich mit meinen Freunden, die in meiner Klasse sind, slowenisch redn probieren soll. Und, ja, mit einigen spreche ich jetzt slowenisch. Aber mit einigen ist es nicht gelungen.« (Andrej R.; 16 Jahre)

Da die Eltern wissen, dass ihre Kinder am BG/BRG für Slowen_innen in den ersten Schuljahren untereinander vermehrt deutsch sprechen, thematisieren sie die Sprachpraxis – wie das Beispiel Andrejs zeigt – mitunter ganz gezielt. Dies erfolgt nicht immer auf einem konfrontativen Weg, beaufsichtigt wird die Sprachpraxis der Schüler_innen von Elternseite aber allemal – mitunter werden sie ausdrücklich dazu angehalten, mit Gleichaltrigen mehr slowenisch zu sprechen. Dies in die Praxis umzusetzen, ist laut Andrej jedoch alles andere als einfach: »Also mit denen, die ich am Gymnasium neu kennen gelernt habe, mit denen spreche ich deutsch. Und spreche jetzt auch noch immer deutsch. Weil das ist Gewöhnungssache. Ich probier zwar, anstatt deutsch zu sprechen, Slowenisch noch einzusetzen, und mit’m Freund slowenisch zu reden. Jedoch ist es sehr komisch und sehr sehr schwer, wenn man jetzt sechs Jahre zusammen in einer Klasse ist und nur deutsch gesprochen hat und jetzt versucht, slowenisch zu sprechen. Also es ist ziemlich komisch. Aber man muss es versuchen!« (Andrej R.; 16 Jahre)

Diese Passage verdeutlicht die Schwierigkeit, eine eingefahrene Sprachpraxis nach Jahren zu revidieren und zu ändern – für Andrej R. nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Gleichwohl hält er daran fest, dass Schüler_innen aus slowenischsprachigen Elternhäusern dazu verpflichtet seien und dass auch er versuchen »muss« (Andrej R.; 16 Jahre), im Alltag slowenisch zu sprechen, damit die Sprache »nicht verloren gehe« (Andrej R.; 16 Jahre). In diesen Worten spiegeln sich die der slowenischen Sprache zuerkannte symbolische Bedeutung und die sich selbst auferlegte Verantwortung, sich gegen deren Verschwinden einzusetzen. Mit seinem Vorsatz, sich dafür zu engagieren, dass im schulischen Kontext vermehrt auf Slowenisch kommuniziert wird, ist Andrej R. keineswegs alleine. Auch sein Klassenkamerad Zdravko Š. sähe es lieber, wenn die Mitschüler_innen nicht immer wieder ins Deutsche verfallen würden: »Ich will dagegen was machen. Also dass ich manche Leute überrede, dass sie mehr slowenisch redn, weil in unsrer Schule merkt man das auch, dass immer mehr Kärntner Slowenen auch

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deutsch miteinander redn. Und das mag ich nicht. Auch in unsrer Klasse redn fast alle nur mehr deutsch, obwohl sie Kärntner Slowenen sind!« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Für den Weiterbestand der slowenischen Sprache sei eine solche Entwicklung fatal, daher bedürfe es konkreter Taten, um sie hintanzuhalten: »Ja, früher als ich noch jünger war, auch am Gymnasium, da hab ich noch nicht so kapiert, dass ich ein Kärntner Slowene bin. Aber jetz, wo ich ein bisschen älter bin und in die sechste Klasse gehe, hab ich schon kapiert, dass ich einer bin und dass man mehr slowenisch redn muss. Und dass man für die Sprache was tun muss und so! Dass man manche Leute überredet, dass sie Slowenisch lernen.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Zdravko ist fest davon überzeugt, dass das Aufwachsen in einer slowenischsprachigen Familie eine Verantwortung mit sich bringe, namentlich die Pflicht, sich für die Präsenz der slowenischen Sprache und für die Pflege der Sprache aktiv einzusetzen. Daher müssten Kinder und Jugendliche aus slowenischsprachigen Elternhäusern im Alltag vermehrt slowenisch sprechen, nur so ließe sich verhindern, dass die Sprache ausstirbt. Es ist dies eine Haltung, die er sich eindeutig im Zuge des Besuchs des BG/BRG für Slowen_innen angeeignet hat, dort verfestigte sich auch seine ethnische Identität als Angehöriger der Kärntner Slowen_innen. Zdravko Š. stellt in dieser Frage keine Ausnahmeerscheinung dar, sondern teilt diese Position mit vielen seiner Schulkolleg_innen. Dieser Blick auf die slowenische Sprache resultiert sowohl aus der Lehrplan- und Unterrichtsgestaltung als auch aus den Attitüden der Lehrer_innen. So liegt in der Unterstufe der Schwerpunkt auf dem Slowenischunterricht, darüber hinaus bemühen sich Fachlehrer_innen in den ersten Jahrgangsstufen, die Schüler_innen dazu zu befähigen, auch dem Mathematik-, Geografie- oder Biologieunterricht in slowenischer Sprache zu folgen. Mit der Forcierung des slowenischsprachigen Unterrichts schwindet auch das der deutschen Sprache in der zweisprachigen Volksschule und den ersten Klassen des BG/BRG für Slowen_innen anhaftende Image einer ›In‹-Sprache, über die Coolness ausgedrückt wird. Dieses Verhältnis zwischen deutscher und slowenischer Sprache drehe sich im Laufe der Unterstufe regelrecht um, wie Jernej B. bestätigt: »Sobald ma am Gimnasium is, würd i sagen, wird des irgendwie dann umgekehrt wieder. Vierzehn, fünfzehn, da is eher, da spricht ma lieber slowenisch. Weil damit wirkt ma dann cool. Und weil, ... ma muss des ja erhalten irgendwie so. Des war auf jeden Fall der Fall.« (Jernej B.; 20 Jahre)

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Während in den Volksschulen noch Deutsch die ›In‹-Sprache darstellt, kommt nach der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen dieser Status der slowenischen Sprache zu. Infolge des intensiven slowenischsprachigen Unterrichts wird das Slowenische auch in sozialen Interaktionen der Schüler_innen verankert und vermehrt außerhalb des Unterrichts angewendet. Dazu kommt das den Schüler_innen vermittelte Bewusstsein von der Bedrohtheit und dem potenziellen Verschwinden der slowenischen Sprache, das viele Schüler_innen dazu bewegt, sich aktiv für deren Erhalt einzusetzen. Fallanalyse Stephanie L.: Eine Novizin des Kärntner Slowenischen Wie bereits angemerkt, stellt die Schülerin Stephanie L. eine Ausnahme dar – darin nämlich, dass ihre Schullaufbahn von Beginn an zweisprachig verlief, obwohl sie einen deutschsprachigen familiären Hintergrund hat. Dass dem so ist, verdankt sich dem Willen ihrer Eltern, die großen Wert auf die Integration in den zweisprachigen Kontext legen. Daher entschieden sich Stephanie und ihre Eltern trotz vorhergehender anderweitiger Überlegungen dafür, dass sie nach der zweisprachigen Volksschule auf das BG/BRG für Slowen_innen wechselt: »Früher war ich begeistert von dem Instrument, der Querflöte, und wollte unbedingt auf die Viktringer Schule gehen, weil sie dortn Musikunterricht Querflöte hatten. Und des waren dann Mitschüler von meinem Bruder, die das meinen Eltern abgeraten haben, weil sie dortn gegangen sind und gesagt habn, es sei nur der reine Horror. Und daher bin ich hierher raufgekommen [auf das BG/BRG für Slowen_innen (J. K.)]. Und meine Eltern wolltn des auch, wegen der slowenischen Sprache. Und daher bin ich dann hierher auf die Schule gekommen, und hab Querflöte halt extra gelernt in der slowenischen Musikschule. Meine Eltern ham schon darauf viel geachtet, dass die slowenische Sprache so oft wie möglich im Leben vorkommt. Also dass ich die wirklich nach dem Abschluss beherrsche.« (Stephanie L.; 16 Jahre)

Ausschlaggebend dafür, dass Stephanie das slowenischsprachige Gymnasium besucht, war der Wunsch, die slowenische Sprache zu erlernen. Dabei erwies sich der Besuch des BG/BRG für Slowen_innen für die Schülerin von Beginn an als eine Herausforderung, denn sie hatte mit zahlreichen Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen: »Am Anfang konnte ich überhaupt kein Slowenisch. Und da war’s für mich vor allem in der ersten Phase sehr schwer, wenn die Lehrerin was auf Slowenisch erklärt hat, hab ich nur einzelne Worte verstanden, und sie hat des dann immer übersetzen müssen.« (Stephanie L.; 16 Jahre)

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Im Zuge des intensiven Slowenischunterrichts in der Unterstufe sowie durch die gezielte Einzelförderung durch Lehrer_innen eignete sich Stephanie L. sukzessive die slowenische Schriftsprache an und spricht diese mittlerweile fließend. Den lokalen slowenischen Dialekt ihrer Wohngemeinde erlernte die Schülerin jedoch ebenso wenig wie irgendeine andere slowenische Mundart: »Also ich hab einfach in meiner Umgebung keinen, der mit mir jetzt konsequent diesen Dialekt spricht, und jeder, der mit mir spricht, spricht automatisch einfach deutsch mit mir. Weil er weiß, dass ich nur auf Deutsch und ohne Slowenisch aufgewachsen bin. Und jeder spricht mich deswegen auch gleich auf Deutsch an, bis auf die Lehrer. Die meisten Lehrer hier, auch die Deutschlehrerinnen und alle, sprechn meistens die Schüler generell auf Slowenisch an.« (Stephanie L.; 16 Jahre)

Dass sie mit ihren Mitschüler_innen stets auf Deutsch kommuniziert, ist laut Stephanie aber nichts Ungewöhnliches. Abseits des Unterrichts sei die slowenische Sprache im schulischen Kontext nur selten zu hören: »Also die Unterrichtsprache hier is ja in jedem Fach bis auf Deutsch Slowenisch, und daher wird während dem Unterricht mit den Lehrern meistens slowenisch geredet. Aber während den Pausen hörst du in unsrer Klasse nur sehr selten Slowenisch. Also nur bei denen, die das wirklich als Muttersprache haben, und die aus der gleichen Region zum Beispiel kommen und die den gleichn Dialekt ham. Also nur die sprechn schon miteinander slowenisch. Aber ich selber, ich spreche deutsch. Weil ich kann zwar Slowenisch, aber ich würd’s mich jetzt nicht getraun, mit meinen Mitschülern zu sprechen.« (Stephanie L.; 16 Jahre)

Laut Stephanie L. läuft die Kommunikation in den Pausen hauptsächlich in deutscher Sprache ab. Die slowenische Sprache ist einerseits in Form der regionalen Mundarten vertreten – bei jenen Schüler_innen, die aus einem Elternhaus mit lebendiger slowenischsprachiger Familientradition kommen, sowie in Form der slowenischen Hochsprache – bei Schüler_innen aus Slowenien, die an der Schule jedoch zahlenmäßig relativ gering vertreten sind. Stephanie scheut sich nach eigenem Bekunden, mit Klassenkamerad_innen aus zweisprachigen Elternhäusern slowenisch zu sprechen – nicht weil sie die Sprache nicht entsprechend beherrschen würde, sondern weil sie keines slowenischen Dialekts mächtig ist. Zudem würden ihre Klassenkamerad_innen ihr ohnehin in deutscher Sprache antworten. So spricht sie auch mit Mitschüler_innen, die sie bereits aus ihrer Zeit in der zweisprachigen Volksschule kennt – dazu zählt unter anderem Andrej R. – ausnahmslos deutsch: »Ich verwende die slowenische Sprache auch nicht so oft. Ich verwende sie, wenn ich mit den Lehrern rede. Oder wenn ich in Slowenien bin. Aber nicht so oft hier. Also auch nicht mit

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Freunden aus meiner Wohngemeinde, die auch Slowenisch können. Zum Beispiel mit Freundinnen von Volksschulzeitn, Kindergartenzeiten, die sehr gut Slowenisch können, red ich trotzdem deutsch. Weil die des auch von mir gewohnt sind.« (Stephanie L.; 16 Jahre)

Ungeachtet dessen, dass Stephanie keinen slowenischen Familienhintergrund aufweist, dass sie sich die slowenische Hochsprache als Fremdsprache angeeignet hat und keinen der regionalen slowenischen Dialekte spricht, betrachtet sie sich als Kärntner Slowenin – eine Selbstverortung, die von den Mitschüler_innen großteils nicht akzeptiert wird. Auch Stephanie gegenüber macht sich der exklusive Charakter des Kärntner Slowenischen geltend, dessen Zuerkennung durch andere Angehörige der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška mit hohen Hürden verbunden ist.4 Hier zeigt sich wieder, was von verschiedenen Schüler_innen – etwa Tanja S. – bereits wiederholt angesprochen wurde, nämlich die am BG/BRG für Slowen_innen von Schüler_innen vertretene Position, dass die ethnische Gruppe der Kärntner Slowen_innen vor einer Verwässerung von außen beschützt gehört und dass bestehende ethnische Grenzziehungen aufrechterhalten werden müssten. Eine derartige Auffassung wird am BG/BRG für Slowen_innen entschiedener vertreten als an anderen Schulen mit Slowenisch als Umgangssprache. Jemand, der sich als Angehörige oder Angehöriger der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu bezeichnen wagt, ohne einen entsprechenden Familienhintergrund zu haben, gerät dabei natürlich besonders ins Visier der Hüter_innen des Ethnischen. Exkurs: Majda F. und der Blick von außen Komplementär zu den bisherigen Analysen werden nachfolgend die Aussagen einer weiteren slowenischsprachigen Jugendlichen, Majda F. aus Klagenfurt/Celovec, erörtert. Diese entstammt einem gemischtsprachigen Elternhaus, ihr Vater wuchs in einem anderen österreichischen Bundesland auf, ihre Mutter kommt aus einer slowenischsprachigen Familie aus dem Südkärntner Raum. Obwohl Majda ein deutschsprachiges Gymnasium besucht, verbringt sie einen großen Teil ihrer Freizeit mit slowenischsprachigen Gleichaltrigen, darunter auch Schüler_innen des slowenischsprachigen Gymnasiums. Aus diesem Grund wird die Schülerin nicht als detaillierter Einzelfall, sondern im Rahmen eines Exkurses vorgestellt, um den Umgang mit dem Ethnischen am BG/BRG für Slowen_innen durch eine zusätzliche, zweisprachige Perspektive von außen zu beleuchten. Ihre Erfahrungen mit Schüler_innen der Lehranstalt beschreibt sie als gemischt:

4

In Kapitel 5.2 wird detailliert auf den exklusiven Charakter des Kärntner Slowenischen und den Fall der Schülerin Stephanie L. eingegangen.

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»Eine Freundin von mir besuchte das slowenische Gymnasium und ich ging sehr häufig mit ihr fort und so. Da fiel mir immer auf, dass einige Leute vom slowenischen Gymnasium irgendwie abgeschottet fortgehen. Die waren, wie soll ich sagen, immer mehr unter sich. Außerdem kenne ich noch von früher her einige Kärntner Slowenen.« (Majda F.; 18 Jahre)

Majdas Eindruck war, dass sich Schüler_innen des Gymnasiums nach außen hin abgrenzen und gerne »unter sich« (Majda F.; 18 Jahre) bleiben. Neben diesem an und für sich nicht ungewöhnlichen Verhalten kamen bei den Schüler_innen des BG/BRG für Slowen_innen darüber hinaus ein besonders starkes Wir-Gefühl und die Aura einer verschworenen Gemeinschaft zum Vorschein, wie Majda an anderer Stelle des Interviews anmerkt. Dass sie selbst keine Schule mit slowenischer Unterrichtssprache besuchte, lag an ihrer sprachlichen Sozialisation im Elternhaus sowie an ihrem Unwillen, in der Volksschule slowenisch zu sprechen: »Es ist halt so, es war auch die Überlegung meiner Mutter, ob sie uns [Majda F. und ihren Bruder (J. K.)] nicht ins slowenische Gymnasium geben sollte. Vor Kurzem hab ich sie gefragt, warum sie das nicht gemacht hat, weil ich mir heute denke, irgendwie wäre ich gern hingegangen. Aber für mich stand’s nie zur Debatte aufs slowenische Gymnasium zu gehen, weil ich’s als Kind in der Volksschul eher abgelehnt habe, slowenisch zu sprechen. Mein Vater kommt aus dem Norden von Österreich und versteht kein Slowenisch. Meine Mutter wollte uns irgendwie nicht dazu zwingen.« (Majda F.; 18 Jahre)

Da auch Majda in der Volksschule der deutschen Sprache als ›In‹-Sprache den Vorzug gab, hätte es ihre Mutter als Zwang empfunden, ihr Kind auf eine Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache zu schicken. Mittlerweile hat sich Majdas Bezug zur slowenischen Sprache jedoch fundamental geändert: »Heute find ich’s schade, die Sprache als Kind abgelehnt zu haben, vielleicht könnt ich sie ja heute besser. [...] Allgemein sprech ich wenig slowenisch, mit meiner Mutter aber schon manchmal. Aber meistens sagt sie was auf Slowenisch, und ich antworte auf Deutsch. Das ist nicht, weil ich die Sprache ablehne, ich hab mir das von klein auf so angewöhnt. Mit Freunden versuche ich’s immer öfter, aber ich kann nicht soo gut Slowenisch, und deshalb hab ich immer Angst ghabt, was falsch zu sagen oder nicht verstanden zu werden.« (Majda F.; 18 Jahre)

Mehr noch als durch den Umstand, dass ihre Kinder wenig slowenisch sprachen, war die Entscheidung der Mutter, sie nicht auf das BG/BRG für Slowen_innen zu schicken, freilich durch die an der Schule herrschenden engen Bekanntschaftsbeziehungen beeinflusst:

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»Meine Mutter hat zum slowenischen Gymnasium auch gemeint, dass dort jeder unsere Familie, also die Verwandtschaft ihrerseits, kennt. Ein Verwandter von ihr oder von uns besser gesagt, unterrichtet auch dort. Also die meisten Familien kennen sich einfach. Viele, die dort dann acht Jahre in dieselbe Schule gehen, haben schon als Kinder miteinander gespielt, und auch die Eltern kennen sich. Es ist kein absichtliches Abschotten ihrerseits, sondern einfach das, dass sich alle so gut kennen und viele einander schon ewig zu Freunden haben. Ich weiß nicht, so kommt es mir halt vor.« (Majda F.; 18 Jahre)

Majda zufolge konstituieren die Schüler_innen des Gymnasiums, deren Familien und die Lehrer_innen ein engmaschiges soziales Netzwerk – oft bestünden zwischen Eltern und Lehrpersonal freundschaftliche oder sogar verwandtschaftliche Verbindungen. Damit einher geht auch das Wissen darum, wer sich in welcher Weise mit dem Kärntner Slowenischen identifiziert. Daher habe Majdas Mutter, die in diesen Kreis weniger integriert sei und eher eine Außenperspektive einnehme, die gegenüber einer eindeutigen Identifikation als Kärntner Slowenin skeptisch sei und die Weitergabe der Slowenischsprachigkeit an die eigenen Kinder nicht als Verpflichtung ansehe, beschlossen, ihre Kinder nicht auf das slowenischsprachige Gymnasium zu schicken – zu sehr hätten ihr die sozialen Erwartungshaltungen bezüglich des Umgangs mit der Slowenischsprachigkeit widerstrebt. Deutlich wird darin, dass die Beaufsichtigung des Umgangs mit dem Ethnischen an der Schule auf Elternteile, die sich zwar nicht ablehnend, aber kritisch gegenüber dem Kärntner Slowenischen positionieren, durchaus abschreckend wirken kann. Zwischenresümee Hinsichtlich der Praxis des Ethnischen und des Umgangs mit Slowenischsprachigkeit bestehen zwischen dem BG/BRG für Slowen_innen und den anderen beiden mittleren und höheren Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache einige Unterschiede. Da ist zum einen deren große symbolische Bedeutung für die slowenischsprachige Bevölkerung. Dazu meint eine Schülerin: »Wenn mich jemand fragt, welche Schule ich besuche, bin ich immer sehr stolz sagen zu dürfen, dass ich das slowenische Gymnasium besuche. Im Großen und Ganzen bin ich der Meinung, dass jeder einzelne Kärntner Slowene zu seiner Zugehörigkeit stehen sollte, denn es hat nur Vorteile, mehrsprachig zu sein.« (Tina L.; 15 Jahre; BADZ)

Tina L. empfindet zum BG/BRG für Slowen_innen eine enge emotionale Bindung, dass sie ihre schulische Ausbildung am slowenischsprachigen Gymnasium absolvieren kann, erfüllt sie mit Stolz und steigert ihr Selbstwertgefühl und ihre ethnische Positionierung als Kärntner Slowenin.

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Tatsächlich bestätigten mehrere Schüler_innen und Absolvent_innen, dass es die implizite Erwartung gibt, dass Jugendliche mit lebendigem slowenischsprachigem Familienhintergrund aus Südkärnten diese Schule besuchen. So meint ein ehemaliger Schüler, dass »es gar keine richtigen Kärntner Slowenen gibt, die nicht das slowenische Gymnasium besuchen« (Janko R.; 21 Jahre; EG) oder besucht haben. Im Umkehrschluss heißt das freilich, dass junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, die nicht das Gymnasium besuchen, für ihn keine Kärntner Slowen_innen sind. In der Regel wird der Besuch des BG/BRG für Slowen_innen von Eltern von vorneherein anvisiert und von langer Hand geplant, was auch durch die seitens der slowenischsprachigen Organisationen und Verbände in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaute Infrastruktur begünstigt wird. Die Schüler_innen des Gymnasiums lassen sich grundsätzlich in drei Gruppen einteilen. Die größte stellen Schüler_innen aus dem Südkärntner Raum aus Familien, in denen ein slowenischer Dialekt gesprochen wird, dar. Daneben gibt es die kleineren Gruppen der Schüler_innen aus einem deutschsprachigen Elternhaus mit verblasster slowenischsprachiger Familientradition und jener aus Slowenien. In jeder Klasse findet sich in der Regel zumindest eine kleine Zahl von Jugendlichen aus ein und derselben Gemeinde oder Ortschaft, in deren Familien der gleiche Dialekt gesprochen wird. Diese kommunizieren oftmals auch im schulischen Kontext, außerhalb des Unterrichts, in ihrer gewohnten Mundart miteinander. Diesbezüglich sind Sprecher_innen des Jauntaler Dialekts/Podjunsko narečje und des Rosentaler Dialekts/Rožansko narečje begünstigt, da sie aufgrund deren stärkeren Verbreitung eher Gesprächspartner_innen finden, Sprecher_innen des Gailtaler Dialekts/Ziljsko narečje haben hingegen seltener die Möglichkeit, ihre Mundart abseits des Unterrichts zu pflegen. Wenn Schüler_innen, die unterschiedliche Dialekte sprechen, aufeinandertreffen, kommunizieren sie – wie an anderen Sekundarschulen mit Slowenisch als Unterrichtsprache auch – miteinander stets auf Deutsch. Dies hat zur Folge, dass auch am BG/BRG für Slowen_innen die deutsche Sprache vermehrt Einzug in die zwischenmenschliche Kommunikation der Schüler_innen hält. Zwar ist die Schule nach wie vor als Hort des Slowenischen zu sehen (vgl. Wakounig 2008: S. 243), allerdings zeigt sie als Bollwerk erste Risse – in der Form eben, dass die Präsenz des Slowenischen im Alltag der Schüler_innen abnimmt und es zum Teil durch die deutsche Sprache verdrängt wird. Von den Eltern und Lehrer_innen wird das Überhandnehmen deutschsprachiger Kommunikationspraktiken denn auch mit großem Unbehagen zur Kenntnis genommen und gerügt. Was das BG/BRG für Slowen_innen von anderen Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache abhebt, ist der gezielte slowenische Sprachunterricht in der Unterstufe, der weitreichende Folgen hat. Damit wird der Grundstein für die Entwicklung des Slowenischen zu einer Bildungs- oder Kultursprache gelegt. Aber dieses –

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wie es die Schülerin Barbara F. ausdrückt – ›richtige Slowenisch‹ sprechen nur Personen aus Slowenien oder Lehrer_innen: »Es gibt eigentlich niemanden bei uns, der nur nach Schriftslowenisch spricht. Also, an unserer Schule nur die, die was echt aus Slowenien kommen. [...] Nur die sprechen richtig Slowenisch. Also das richtige Slowenisch, die Schriftsprache. Und eben die Professoren5. Aber sonst echt niemand. Deswegen ist der Bezug zur Schriftsprache auch nicht so da.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Der emotionale Bezug zur slowenischen Sprache besteht – trotz des vermehrten Sprachunterrichts – eben nur hinsichtlich des regionalen Dialekts, nicht der Schriftsprache. Darüber hinaus jedoch werden den Schüler_innen nicht nur sehr gute Sprachkenntnisse vermittelt, sondern auch – und dies ist besonders wichtig – das Bewusstsein, dass die slowenische Sprache ein im Verschwinden begriffenes, bedrohtes Gut ist, für das es sich durch aktives Engagement einzusetzen gilt. Schüler_innen sind also angehalten, bewusst slowenisch zu sprechen und die öffentliche Präsenz der slowenischen Sprache außerhalb des Unterrichts sowie abseits des schulischen Kontextes zu fördern. Der intensive slowenische Sprachunterricht und die Betonung der symbolischen Bedeutung der Slowenischsprachigkeit führen während der Unterstufe des BG/BRG für Slowen_innen dazu, dass die slowenische Sprache die deutsche Sprache als ›In‹Sprache ablöst und dass die Schüler_innen – wenn noch nicht bereits geschehen – damit beginnen, sich mit der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen zu identifizieren. Die Slowenischsprachigkeit wird in dieser Phase umgedeutet zu einer Besonderheit und in vielen Fällen auch zu einem Identifikationsgegenstand, der das Selbstwertgefühl der Sprecher_innen steigert. Rückgängig gemacht werden dadurch die Übernahme und Anerkennung des stigmatisierten fremdethnisierenden Bildes der Slowenischsprachigkeit, das in der Volksschule entstanden ist. Damit werden im Verlauf des Schulbesuchs die symbolischen Bedeutungen der Slowenischsprachigkeit schrittweise antrainiert. Aufgrund des Status der Schule und des an ihr gepflegten Umgangs mit Fragen des Slowenischen kann das BG/BRG für Slowen_innen laut Vladimir Wakounig als ethnische ›Identitätsschmiede‹ (vgl. ebd.: S. 238 ff) gelten, in der »[d]ie Identifikation mit dem Slowenischen als heimlicher Lehrplan … in der Hierarchie der Bildungserwartungen an die oberste Stelle« (ebd.: S. 246) rücke. Die Auswirkungen dieses Umgangs mit Fragen des Ethnischen zeigen sich bei zahlreichen Interviewpartner_innen unter anderem in deren ethnischer Identifikation und den von ihnen mit Blick auf das Kärntner Slowenische vorgenommenen Grenzziehungen.

5

In Österreich werden Lehrer_innen an höheren Schulen in der Regel als Professor_innen bezeichnet.

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7.4 DIE PARTIELLE VERDRÄNGUNG DER SLOWENISCHEN SPRACHE IN SCHULISCHEN KONTEXTEN: EINE ZUSAMMENFASSUNG Inhaltlich Im familiären Kontext ist die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung stabil, da die Slowenischsprachigkeit ein bedeutsames familiäres Erbstück darstellt, die Pflege der Familientradition beaufsichtigt wird und die zukünftige intergenerationale Vermittlung der Sprache die Lebensentwürfe junger Menschen nachhaltig schalt. Wie es sich mit der Praxis des Ethnischen außerhalb des familiären Rahmens verhält, steht indes auf einem anderen Blatt. Hier kommt eine zentrale Rolle schulischen Bildungsinstitutionen zu. Denn insbesondere im Verlauf der Schulbildung konstituieren sich ethnische Identitäten, bildet sich der routinisierte alltagspraktische Umgang mit dem ethnischen Alleinstellungsmerkmal, der Slowenischsprachigkeit, abseits des Elternhauses heraus. Wie die empirischen Analysen zeigen, findet die erste Begegnung slowenischsprachiger junger Menschen mit einer deutschsprachigen Umwelt oftmals in der zweisprachigen Volksschule statt. Aufgrund der zumeist geringen Slowenischkenntnisse der Mitschüler_innen, der Deutschsprachigkeit der Peergroup und der medialen Umwelt gewöhnen sich die Kinder im schulischen Kontext deutschsprachige Umgangsformen an. Die deutsche Sprache entwickelt sich in dieser Phase zu einer ›In‹Sprache. Eine wirklich einschneidende Phase beginnt jedoch nach der zweisprachigen Volksschule. Der Entschluss, eine Hauptschule, Neue Mittelschule oder ein Gymnasium ohne Slowenisch als Unterrichtssprache zu besuchen, zieht eine Vernachlässigung der slowenischen Sprache im außerfamiliären Leben der Schüler_innen nach sich. Die gegenteilige Entscheidung, also der Wechsel auf eine mittlere oder höhere Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache, bedeutet zuerst einmal, dass die slowenische Sprache zumindest im Rahmen des Schulunterrichts gepflegt und stabilisiert wird, verhindert jedoch nicht deren zumindest partielle Verdrängung durch das Deutsche. Die Biografien von jungen Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund – egal welchen Schultyp sie besuchen und wie genau ihre Schullaufbahn aussieht – belegen ausnahmslos, dass im Verlauf des Schulbesuchs die deutsche Sprache in der alltäglichen Kommunikation die Oberhand gewinnt. Der Umgang mit dem Ethnischen gestaltet sich an Sekundarschulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache – also der HLW, der Zweisprachigen HAK und dem BG/BRG für Slowen_innen – unterschiedlich. An der HLW wird außerhalb des Unterrichts vor allem Deutsch und Hochslowenisch gesprochen. Aufgrund der Zusammensetzung der Klassen ist die Präsenz der regionalen Mundarten vergleichsweise schwach. Gefördert wird an der Schule vor allem das Prinzip der Zweisprachigkeit.

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Letztendlich aber kommt in den Augen der Schüler_innen der slowenischen Sprache weniger der Status eines ethnischen Identifikationssymbols als vielmehr der eines Vorteils am Arbeitsmarkt und eines Trumpfs in der Konkurrenz um Ausbildungsplätze zu. Der Umgang mit der slowenischen Sprache an der Zweisprachigen HAK unterscheidet sich davon in einigen Facetten. Dort sind die regionalen slowenischen Dialekte aufgrund der räumlichen Nähe zum BG/BRG für Slowen_innen und der Zusammensetzung der Klassen – viele Schüler_innen stammen aus dem Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsraums – auch außerhalb des Unterrichts präsent. Aber auch hier kommunizieren Sprecher_innen unterschiedlicher slowenischer Dialekte miteinander nicht in slowenischer, sondern in deutscher Sprache. Zudem steht das Prinzip der Zweisprachigkeit und der Gleichberechtigung der beiden Sprachen stärker im Vordergrund, was wiederum mit einer teilweisen Entethnisierung des Sprachgebrauchs einhergeht. Und auch an der Zweisprachigen HAK setzt sich mehr und mehr die Wahrnehmung der slowenischen Sprache durch die ökonomische Linse durch – also als eines nützlichen Instruments, das Vorteile und gute Aussichten am Arbeitsmarkt verspricht. Im Gegensatz zu diesen Sekundarschulen ist am BG/BRG für Slowen_innen das herrschende Prinzip das der Slowenischsprachigkeit, nicht der Zweisprachigkeit. Dennoch sprechen auch hier die Schüler_innen im schulischen Kontext keinesfalls ausschließlich slowenisch – Sprecher_innen unterschiedlicher slowenischer Dialekte kommunizieren untereinander auf Deutsch und tragen damit dazu bei, dass auch an dieser Schule die deutsche Sprache vermehrt Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch hält. Somit fungiert das BG/BRG für Slowen_innen zwar als Hort der Slowenischsprachigkeit, der sich ganz der Pflege der Sprache widmet, aber nicht als Bollwerk, in dem ausschließlich in slowenischer Sprache kommuniziert wird. Aufgrund der intensiven Sprachförderung in der Unterstufe wird jedoch den Schüler_innen neben ausgezeichneten Slowenischkenntnissen das Bewusstsein vermittelt, dass sie sich für den Fortbestand der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen und für die Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit im südlichen Kärnten/Koroška aktiv einsetzen müssen, da die slowenische Sprache in ihrer Existenz gefährdet und vom Verschwinden bedroht sei. Durch die permanente Beschwörung dieses für das Kärntner Slowenische so essenziellen Damoklesschwerts erfüllt das slowenischsprachige Gymnasium die Funktion einer ethnischen Identitätsschmiede. Konzeptionell Wie die empirische Analyse der sprachlichen Umgangsformen in schulischen Kontexten zeigt, ist das Ethnische keinesfalls etwas, was die Schüler_innen bei der Einschulung bereits mitbringen und was schon vor der Schullaufbahn – aufgrund des

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familiären Kontextes der Kinder und Jugendlichen – voll ausgeprägt ist. Insbesondere die symbolische Ebene des Ethnischen, das Bewusstsein, dass sie sich für die Slowenischsprachigkeit einsetzen müssen, und dies nicht zwingend über den praktischen Gebrauch der Sprache, verinnerlichen die jungen Menschen erst im Laufe der Schulausbildung. Demnach wäre der primordiale Ansatz für die Erschließung des Kärntner Slowenischen ungeeignet. Ein solches Verständnis geht vollkommen an dem vorbei, was das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung ausmacht. Aus sozialtheoretischer Sicht kommt bei der Ausprägung des Kärntner Slowenischen sowohl strukturierenden Ordnungen als auch den einzelnen Akteuren eine wichtige Rolle zu. Erstere nehmen in Form der rechtlichen Ausgestaltung des Minderheitenschulwesens, der Schulordnungen und der Unterrichtsgestaltung gewichtigen Einfluss auf die Umgangsformen mit der Slowenischsprachigkeit in schulischen Kontexten. Jedoch zeigen die Fallanalysen deutlich, dass die Schullaufbahnen slowenischsprachiger junger Menschen auch bei vergleichbaren familiären Hintergründen mitunter recht unterschiedlich verlaufen. Auch finden sich in ein und derselben Klasse durchaus markante Unterschiede, was den Umgang der Schüler_innen mit dem Ethnischen und dessen Ausprägung angeht. Hierfür sind vorrangig ethnische Wahlentscheidungen und bestehende Handlungsoptionen der Akteure – im Sinne der ›ethnic options‹ von Mary Waters – verantwortlich, die somit in konzeptioneller Hinsicht keinesfalls außer Acht gelassen werden. So kommt der Besuch von mittleren oder höheren Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache letztendlich – auch wenn die zur Auswahl stehenden Alternativen durch das Minderheitenschulgesetz eingeschränkt sind – erst durch die bewusste Entscheidung von Schüler_innen und Eltern zustande. Deutlich wird dies zum Beispiel im Fall von Benjamin F., der versucht, die in seiner Familie für eine Generation vollkommen verblasste slowenische Sprache im Zuge seiner Schullaufbahn wiederzubeleben. Damit steht er exemplarisch für einen jungen Menschen, der, motiviert durch persönliche Erkenntnisse und eine familiäre Sinnsuche, seine Praxis des Ethnischen aktiv und selbstbestimmt modelliert. Auch die konkrete Kommunikationspraxis in schulischen Kontexten ist immer auch die Umsetzung einer individuellen Entscheidung einzelner Akteure. Diese schränken ihre Wahloptionen und Handlungsfähigkeiten jedoch auch selbst ein, indem sie bewährten Routinen folgen oder sich nicht von eingefahrenen Kommunikationsweisen abbringen lassen. Dass sich Kinder aus slowenischsprachigen Familien während der zweisprachigen Volksschule die deutsche Sprache als ›In‹-Sprache aneignen, hat jedoch weniger akteurszentrierte als vielmehr strukturelle Ursachen. Zum einen schlägt sich der Umstand, dass die Wohn- bzw. Schulgemeinden mehrheitlich nicht slowenischsprachig sind, auch in der Zusammensetzung der Schulklassen nieder. Obwohl in der Schule Slowenischunterricht angeboten wird, ist der Anteil der Kinder, die zu Hause slowe-

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nisch sprechen, pro Klasse oftmals gering, und die Sprachkompetenzen der Schüler_innen, die für den Slowenischunterricht angemeldet sind, bewegen sich häufig auf einem sehr niedrigen Niveau. Zudem dominiert in der medialen Umwelt (Filme, Radio, Zeitschriften, Zeitungen und Computerspiele), aber auch bei SmartphoneApps und in fast der gesamten Onlinewelt – also Online-Diensten und Plattformen, Online-Communities oder Instant Messenger Services – das Deutsche (bzw. das Englische), die slowenische Sprache spielt hier keine Rolle. Um in dieser Zeitphase zur Peergroup dazuzugehören, ist die Kommunikation in der deutschen Sprache unumgänglich. Darüber hinaus sind die Kinder und Jugendlichen in diesem Alter wegen ihres slowenischen Sprachgebrauchs (am Schulweg oder bei Sportveranstaltungen) oft mit Diffamierungen konfrontiert, an deutschsprachigen Hauptschulen oder Neuen Mittelschulen erfahren sie Feindseligkeiten oder sind zu einem Außenseiter_innendasein verurteilt. Auf diese Weise werden Schüler_innen aus slowenischsprachigem Elternhaus mit ihrem sprachlichen Minderheitenstatus konfrontiert, welchen sie in dieser Phase verinnerlichen. Dies hat eben auch zur Konsequenz, dass sie sich letzten Endes das strukturell geprägte Wahrnehmungsmuster aneignen, demzufolge die deutsche Sprache – als der Sprache, deren Gebrauch bei den Mitmenschen besser ankommt – über ein höheres soziales Prestige verfügt. Diese Übernahme der deutschen Sprache als ›In‹-Sprache steht weitgehend im Einklang mit dem Konzept der Soziogenese ethnischer Minoritäten von WolfDietrich Bukow und Roberto Llaryora (1988). Dass junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund in dieser Phase der Deutschsprachigkeit zuneigen, resultiert vorrangig aus der Übernahme fremdethnisierender Zuschreibungen – nach Bukow und Llaryora das Schlüsselmoment in der Soziogenese ethnischer Minoritäten. Denn dieser Schritt hat alltagspraktische Folgewirkungen. Er schafft bei Kindern und Jugendlichen aus slowenischsprachigem Elternhaus das Bewusstsein, Angehörige einer ethnischen Minderheit zu sein und lässt sie entsprechende, von der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung konstruierte Blickwinkel übernehmen. Ab diesem Zeitpunkt wird die deutsche Sprache eindeutig als sozial höherwertig und als ›In‹Sprache angesehen, während Slowenisch als Sprache gilt, mit der sich weder in der Peergroup noch in sozialen Medien kommunizieren lässt und die darüber hinaus sehr eng mit der Familie zusammenhängt, von der man sich in diesem Alter ohnehin abzugrenzen versucht. All dies führt, insbesondere außerhalb des Familienkontextes, zu einer strukturell bedingten schrittweisen Verdrängung der Slowenischsprachigkeit. Innerhalb der Familie stellt Slowenisch freilich weiterhin ein unentbehrliches Kommunikationsmedium dar.

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Das Verschwinden der Sprache: Zur Performanz der Slowenischsprachigkeit in der Freizeit

Nach dem Umgang mit der Slowenischsprachigkeit im familiären sowie im schulischen Rahmen steht in diesem Kapitel der Freizeitkontext im Zentrum meiner Betrachtungen. Dieser wurde in der bisherigen Forschung zur slowenischsprachigen Bevölkerung eher stiefmütterlich behandelt und hat erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erfahren. Wenn überhaupt, galt das Interesse ausschließlich Aktivitäten in Kulturvereinen und deren Bedeutung für ethnische Grenzziehungen (z. B. Malle 2014; Rogaunig 2014) oder den Kulturvereinen selbst (z. B. Fantur 1992; Sienčnik 2010). In der vorliegenden Studie weite ich den Blickwinkel aus und widme mich nicht allein Kulturvereinen und in den in diesem Gefüge ablaufenden Tätigkeiten, sondern befasse mich darüber hinaus mit der Praxis des Ethnischen in Freizeitkontexten, also auch mit den Aktivitäten junger slowenischsprachiger Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis, abseits von Vereinsstrukturen. Von besonderer Relevanz erscheint dabei die Art und Weise, wie diese über ihre Wohngemeinden und die Slowenischsprachigkeit im Südkärntner Raum sprechen – sie wird dominiert von der Angst vor dem drohenden Verschwinden der slowenischen Sprache, der die Heranwachsenden denn auch eine düstere Zukunft prophezeien. Für die Praxis des Ethnischen junger slowenischsprachiger Menschen kommt diesem Befund eine entscheidende Rolle zu, da er eine handlungspraktische Wirksamkeit entfaltet und performative Strategien befördert, mit denen sie den Bedrohungsszenarien entgegenwirken wollen. Der Aufbau des Kapitels sieht wie folgt aus: In einem ersten Abschnitt 8.1 widme ich mich den Perspektiven junger Menschen auf die Geschichte ihrer Wohngemeinden und des Südkärntner Raums. In diesem Zusammenhang wird oftmals der Rückgang der Slowenischsprachigkeit bedauert und vor dem Verstummen der Sprache gewarnt. Im Anschluss daran erfolgt in einem zweiten Unterkapitel 8.2 eine Auseinandersetzung mit historischen Mythen, auf die sich slowenischsprachige Personen

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beziehen, um ihren Klageliedern Legitimität und Nachdruck zu verleihen. In den darauffolgenden Abschnitten folgt die Analyse der vor diesem Hintergrund im Freizeitkontext angewandten alltagspraktischen Handlungen und Strategien. So dreht sich Abschnitt 8.3 um die kulturellen Aktivitäten in organisierten Strukturen. Dabei zeigt sich, dass Kulturvereine nicht nur als Instanzen fungieren, mit denen kulturelle Aktivitäten oder kreative, künstlerische Tätigkeiten befördert werden, sondern gleichsam auch dazu dienen, die Präsenz der Slowenischsprachigkeit zu erhöhen und dem drohenden Verschwinden der Sprache Einhalt zu gebieten. Im Unterkapitel 8.4 arbeite ich Performances abseits von Vereinsstrukturen heraus, in deren Zuge Heranwachsende dem drohenden Verschwinden der Sprache etwas entgegenzuhalten versuchen – indem sie sich beispielsweise für zweisprachige Ortstafeln einsetzen, im eigenen Garten ›private‹ Tafeln aufstellen oder T-Shirts mit slowenischsprachigen Aufdrucken tragen. Abschließend führe ich im Abschnitt 8.5 die Aspekte, die die Praxis des Ethnischen in Freizeitkontexten ausmachen, inhaltlich und konzeptionell zusammen. Dabei wird deutlich, dass eben diesen Performances für das Kärntner Slowenische eine herausragende Rolle zukommt, die oftmals unterschätzt wird. Denn gerade diese Strategien, die sich aus dem drohenden Verschwinden der Sprache speisen, sorgen für die Präsenz der Slowenischsprachigkeit.

8.1 KLAGELIEDER UND KASSANDRARUFE Für slowenischsprachige junge Menschen stellt der Rückgang der Slowenischsprachigkeit im Südkärntner Raum ein emotional hoch aufgeladenes und bedrückendes Thema dar. Festgemacht wird das Bedrohungsszenario an demografischen Entwicklungen und statistischen Erhebungen. Wenn Interviewpartner_innen sich zur Zukunftsperspektive Südkärntens äußern, tun sie dies stets in einer resignativen Art und Weise. Mit Klageliedern und Kassandrarufen bedauern sie ein Verstummen der Slowenischsprachigkeit bzw. warnen sie vor einem gänzlichen Verschwinden der Sprache in der gesamten Region. Klagelieder Die Ausführungen der jungen Menschen werden durchwegs in einem klagenden Tonfall vorgetragen. Exemplarisch dafür die Beschreibung der umgangssprachlichen Gewohnheiten in ihrer Wohngemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land im Rosental/Rož durch die Schülerin Lidija H.: »Ich wohn in einer Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land, des is a zweisprachige Gemeinde. Es is halt, des wird eigentlich aa Slowenisch gredt im Dorf. Halt die älteren Personen, aber es is halt hart, weil ziemlich viele es den Kindern soo nicht weitergebn ham. Und von dem her-,

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bei uns in der Volksschul war ma nur drei eigentlich, die Slowenisch kennen und die andern nicht. Obwohl alle Großeltern eigentlich richtige Kärntner Slowenen san. Is ziemlich schad. Das sind eigentlich dann keine mehr. Als Kärntner Slowene muss ma eigentlich die Sproch weitergebn!« (Lidija H.; 16 Jahre)

Die Schülerin beklagt, dass infolge des Umstands, dass viele Familien die slowenische Sprache weder im öffentlichen Leben verwenden noch – was sie als noch viel schlimmer erachtet – an die eigenen Kinder weitergeben, sich die Sprachverhältnisse umgedreht haben und aus einem slowenischsprachigen Ort ein deutschsprachiger mit slowenischsprachiger Minderheit geworden ist. Die Zukunft des Kärntner Slowenischen in ihrer Wohngemeinde sieht sie deswegen sehr pessimistisch. Dabei differenziert sie zwischen sogenannten »richtigen Kärntner Slowenen« (Lidija H.; 16 Jahre) und solchen, die diese Bezeichnung nicht verdienten. Ihre eigenen Großeltern und Eltern zählt sie zu ersterer Kategorie, da in ihrer Familie die slowenische Sprache als sakrosanktes familiäres Erbstück betrachtet wird und auch die jüngste Generation im Alltag mehrheitlich slowenisch spricht. Familien mit slowenischsprachigem Hintergrund hingegen, die die Sprache nicht an ihre Kinder vermitteln, müsse dieser Status abgesprochen werden – als »Kärntner Slowene muss ma eigentlich die Sproch weitergebn« (Lidija H.; 16 Jahre), von Generation zu Generation innerhalb der Familie. Mit dieser Sichtweise steht Lidija H. keineswegs alleine da. Der Wandel der Sprachverhältnisse in der eigenen Wohngemeinde wird vom Großteil der Interviewten mit Unbehagen zur Kenntnis genommen. Auch den Schüler Florian O. überkommt Wehmut, wenn er die umgangssprachlichen Entwicklungen in der Ortschaft im Bezirk Völkermarkt, in der seine Familie seit Generationen wohnhaft ist, beschreibt: »Also das war vor zwanzig, dreißig Jahrn ein rein slowenischer Ort. Also wenn ma sich das anschaut, bei der Volkszählung, wo man auch die Muttersprache angeben muss. Ich glaube, so bei siebzig, achzig Prozent haben Slowenisch angegeben. Und jetzt, wenn ma das vom Jahr zweitausend anschaut, is es schon deutlich weniger. Zwanzig Prozent, dreißig Prozent!« (Florian O.; 17 Jahre)

Der Schüler stimmt ein Klagelied darüber an, dass der Anteil slowenischsprachiger Personen in seiner Wohngemeinde in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen ist, wobei ihn statistische Daten in seinem Pessimismus bestärken. Ein zentrales Thema, das er immer wieder anschneidet, wenn er über die eigene Wohngemeinde spricht, stellt wie bei vielen Interviewpartner_innen die Umkehrung der Sprachverhältnisse dar.

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Eine weitere Schülerin, Maja T., die wie Florian die Zweisprachige HAK in Klagenfurt/Celovec besucht, schätzt, dass in jeder zweiten Familie in ihrer Wohngemeinde im Bezirk Völkermarkt die slowenische Sprache nicht weitergegeben wurde, ein Faktum, das sie fassungslos macht: »Überhaupt im Durf, des is echt gewaltig, was durt passiert is! Echt jedes zweite Haus hat die Sprache nimmer weitergebn!« (Maja T.; 18 Jahre) Dass es zu der Umkehrung der Sprachverhältnisse gekommen ist, sei hauptsächlich auf das lange Zeit schlechte Prestige der slowenischen Sprache zurückzuführen: »I find’s halt schad, dass die Elterngeneration die Sprach net weitergebn hat. Die meistn schätzen des net, dass sie die Sprach können haben. Und i hab aa schon viele [Personen aus slowenischsprachigen Familien (J. K.)] erlebt, die hom gsagt, ›Jo, es is besser, wenn die Kinder zerscht Deitsch lernen, und dann Slowenisch hern se nebenbei.‹ Aber des funktioniert halt nit. Aber es gibt so vüle! […] Also dass da a irgendwie a gewisse Scham da war. Also um des Slowenisch eben weiterzugeben, und sich bewusst als Kärntner Slowene zu sehn.« (Maja T.; 18 Jahre)

Maja T. macht für den Rückgang der Slowenischsprachigkeit die Scham der Träger der Sprache, sich zu ihr zu bekennen und sie auch an die eigenen Nachkommen weiterzugeben, verantwortlich. Für sie stellt die Assimilation an das Deutsche vor allem in der Erziehung der eigenen Kinder einen bewussten Verzicht auf die Slowenischsprachigkeit dar. Ähnlich äußert sich Barbara F. Die Ortschaft im Bezirk Völkermarkt, in der die Schülerin mit ihrer Familie lebt, liegt im Kerngebiet des zweisprachigen Siedlungsgebiets und ist nach Barbaras Auskunft auch heute noch mehrheitlich slowenischsprachig: »Es sprechen alle Slowenisch. Oder, es verstehen alle Slowenisch, aber es reden nicht alle slowenisch. Weil sie’s halt irgendwie unterdrücken wollen. Also mei Mama hat mir erzählt, vorher einmal war das so, dass das ganze Dorf slowenisch gesprochen hat. Und also, es verstehen alle alles. Aber jetzt hat sich’s irgendwie so umdisponiert, keine Ahnung. Sie schämen sich halt dafür, dass sie Slowenisch sprechen.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Obwohl also die Sprache noch von allen Einwohner_innen verstanden würde, sei sie im öffentlichen Raum, im Gespräch mit den Nachbar_innen, beim Einkauf oder im örtlichen Gasthaus nur mehr wenig präsent – eine Tatsache, die auch Barbara mit Wehmut zur Kenntnis nimmt. Ähnliches beschreibt eine weitere Interviewpartnerin, Danijela T., die aus dem Bezirk Villach-Land und damit aus dem westlichen Randgebiet des traditionell zweisprachigen Siedlungsraums kommt: »Die meisten verstehn’s [die slowenische Sprache (J. K.)] noch. Halt über die Hälfte. So zu achzig

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Prozent sicher noch. Weil des is eher die ältere Bevölkerung dort noch. Ja. [...] Und a poar stehen dazu, und a poar tun’s halt auch vertuschen.« (Danijela T.; 18 Jahre) Auch wenn es in ihrer Wohngemeinde heutzutage weniger slowenischsprachige Menschen als früher gibt, verfügt laut Danijela die überwiegende Mehrheit der Bewohner_innen noch über entsprechende Sprachkompetenzen. Was aber den Unterschied zu vergangenen Tagen ausmache, sei, dass die Bereitschaft, für die Sprache einzustehen, stark abgenommen hätte, dass viele Einwohner_innen es vorzögen, ihre slowenischsprachige Herkunft zu »vertuschen« (Danijela T.; 18 Jahre), wie die Schülerin abfällig anmerkt. Die abwertende Wortwahl ist übrigens ein wesentliches Charakteristikum der Ausführungen zahlreicher Interviewpartner_innen, in denen es um den Rückgang der Ausdrucksfähigkeit im regionalen slowenischen Dialekt geht. So würden sich Familien dafür »schämen« (Barbara F.; 18 Jahre), die slowenische Sprache an die eigenen Nachkommen weiterzugeben, weshalb sie den Gebrauch der Sprache gezielt »unterdrückten« (Barbara F.; 18 Jahre). Mit dieser negativen Begrifflichkeit bringen die Heranwachsenden ihre klare Distanz zu einem derartigen Gebaren zum Ausdruck. Sie vergleichen die heutigen Sprachverhältnisse eben stets mit einem nostalgischen, verklärenden, von Eltern, Großeltern oder dem weiteren Verwandtenkreis vermittelten Bild vergangener Zeiten und beklagen, dass die slowenische Sprache gegenüber der deutschen stark ins Hintertreffen geraten sei. Die generellen Klagen der jungen Menschen über den Rückgang der Slowenischsprachigkeit in den Wohngemeinden konkretisieren sich demnach in der Sorge über den Rückgang der Sprachkompetenzen in der lokalen slowenischen Mundart – nur mehr ältere Personen wären derer mächtig und würden sie allenfalls noch im Rahmen der Familie gebrauchen. Als Konsequenz würden die traditionellen slowenischen Mundarten noch stärker als ohnehin schon in familiäre Kontexte verbannt und verschwänden vollkommen aus dem öffentlichen Leben in den Wohngemeinden. Insbesondere bei den jüngeren Generationen sei die Fähigkeit, sich in der lokalen Mundart zu verständigen, zum Teil massiv zurückgegangen, diese würde im besten Fall noch verstanden, doch aktiv beherrscht würde sie von den wenigsten Angehörigen der jungen Generation. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass sie außerhalb des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets wohnten und nur wenig Gelegenheiten hätten, den slowenischen Dialekt regelmäßig zu gebrauchen, auch weil sie sich vorrangig in einem sozialen Umfeld bewegten, in dem ihr Dialekt nicht gesprochen wird. Bei der beschriebenen Entwicklung handelt es sich um soziale Prozesse, die keineswegs die slowenischsprachige Bevölkerung alleine betreffen. Denn dem Rückgang der dialektalen Sprachkompetenzen liegen Entwicklungen zugrunde, mit denen auch andere Bevölkerungsgruppen spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert sind. Zu nennen sind hierbei Tendenzen der Urbanisierung, Verstädterung, Medialisierung oder der Etablierung von überregionalen, breitenwirksamen

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und öffentlichen Kommunikationsformen in westeuropäischen Gesellschaften, die allesamt zur Verdrängung regionaler Dialekte durch eine Standard- bzw. Hochsprache führen (vgl. Moosmüller 1991; von Polenz 1998: S. 48 f). Die Klagen über das drohende Verblassen der lokalen slowenischen Dialekte sind somit nicht nur durch die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška begründet, sie sind ebenso als eine Reaktion auf den generellen Rückgang des dialektalen Sprachgebrauchs in westeuropäischen Gesellschaften zu verstehen. Von diesen Entwicklungen bleibt auch die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung in Kärnten/Koroška nicht verschont. Aber dramatische Auswirkungen haben sie eben vor allem für numerische Minderheiten, für die sprachliche Besonderheiten das ethnische Alleinstellungsmerkmal darstellen. Kassandrarufe Nicht weniger sorgenvoll ist der Blick, den Zdravko Š. auf die sprachliche Situation in seiner Wohngemeinde wirft. Für ihn verheißt die derzeitige Entwicklung nichts Gutes für die Zukunft des Kärntner Slowenischen: »Ich glaub, wenn es so weitergeht so wie jetzt, dann werdn wir Kärntner Slowenen irgendwann einmal aussterben, weil es gibt ja nicht so viel Nachwuchs. Weil fast jedn Monat stirbt ja ein Kärntner Slowene, und das wird sich dann immer mehr verringern. Und na, dann wern’s irgendwann amal ausssterbn. Vielleicht ganz aussterbn nicht, aber es wird’s nicht mehr viele gebn.« (Zdravko Š.; 16 Jahre)

Vor dem Hintergrund einer drohenden Überalterung der slowenischsprachigen Bevölkerung entwirft Zdravko Š. ein zutiefst pessimistisches Zukunftsbild; er warnt vor einem drohenden Ende der Slowenischsprachigkeit, überhaupt vor einem Aussterben der Kärntner Slowen_innen. Schon jetzt sei die Firnis des Kärntner Slowenischen sehr dünn, ihre völlige Auflösung sei nur mehr eine Frage der Zeit. Hört man die Worte des Schülers, fühlt man sich fast an die Seherin Kassandra, eine Figur aus der griechischen Mythologie, erinnert, die die List der Gegner, also das Trojanische Pferd, durchschaute, mit ihren Warnungen vor dem Untergang Trojas jedoch nicht zu ihren Mitmenschen vordringen konnte, was sie ihre Rufe umso inständiger und eindringlicher wiederholen ließ. Im Unterschied zu Kassandra muss sich der vor Unheil warnende slowenischsprachige Rufer Zdravko Š. freilich nicht darum sorgen, kein Gehör zu finden. Vielmehr trifft er mit seinen Warnungen auf offene Ohren. Denn die pessimistischen Szenarien werden von einer Vielzahl Gleichaltriger geäußert. Auch die Interviewpartnerin Marija H. sieht »die slowenische Sprache in Kärnten/Koroška dem Untergang geweiht« (Marija H.; 18 Jahre).

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Sowohl Marija H. als auch Zdravko Š. begründen ihre fatalistische Prognose damit, dass sprachliche Assimilationsprozesse und die rückläufige Zahl slowenischsprachiger Menschen in Kärnten/Koroška zu einem irreversiblen Verschwinden der Slowenischsprachigkeit führen würden. Dabei lassen sie freilich außer Acht, dass sich die Zahl slowenischsprachiger Menschen seit den 1980er stabilisiert hat und dass der Anschein eines Bevölkerungsschwundes im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet auch daher rührt, dass eine Migrationsbewegung aus dem ländlichen Raum im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet in die urbanen Regionen von Kärnten/Koroška, also insbesondere nach Klagenfurt/Celovec und nach Villach/ Beljak, stattfindet. Infolge des Wegzugs – vor allem von jungen Erwachsenen und jungen Familien – in die Kärntner Großstädte nehmen die jüngeren Bevölkerungssegmente im ländlichen Südkärntner Raum ab, was etwa Zdravko Š. in Bezug auf seine Wohngemeinde beklagt. In statistischer Hinsicht ist deswegen auch de facto eine Überalterung der Bevölkerung im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet festzustellen, diese ist aber eben in erster Linie auf eine Verschiebung und Verlagerung des Siedlungsraums zurückzuführen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Anzahl slowenischsprachiger Personen in Kärnten/Koroška auf einem niedrigen Niveau stabilisiert, ein Aussterben der Bevölkerungsgruppe steht – auch wenn deren Quantität zweifelsohne als kritisch zu beurteilen ist – zumindest nicht unmittelbar bevor. Feststellbar sind derartige Migrationsbewegungen innerhalb Kärntens auch bei den Familien der interviewten jungen Menschen. Die aus kleinen Ortschaften im Gailtal/Ziljska dolina im westlichen Grenzgebiet des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets stammenden Eltern der Schülerin Marina R. beispielsweise verlegten ihren Wohnsitz dauerhaft in die Kärntner Landeshauptstadt. Diese Entscheidung fällten sie zum einen aus beruflichen Gründen, zum anderen aber wollten sie, dass ihre Tochter von der Volksschule bis zum Gymnasium eine zweisprachige Schulbildung genießt. Dies war am ehesten durch die Übersiedlung nach Klagenfurt/Celovec zu gewährleisten, wo es sowohl zweisprachige Volksschulen als auch das slowenischsprachige Gymnasium gibt. Derartige Überlegungen sind häufig Motiv für die Migration von slowenischsprachigen Menschen, insbesondere aus den Randgebieten des traditionell zweisprachigen Siedlungsraums in die größeren Städte. Demografische Entwicklungen sind somit keineswegs praxisenthobene Phänomene, sondern resultieren aus praktischen Entscheidungen von individuellen Akteuren.

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8.2 DER RÜCKBEZUG AUF HISTORISCHE MYTHEN Wenn junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund Klagelieder über den Rückgang der Slowenischsprachigkeit anstimmen, mit Kassandrarufen vor dem drohenden Verschwinden der Sprache warnen und zur Begründung demografische Daten heranziehen, bemühen sie sehr häufig nostalgische Vorstellungen und Bilder einer heilen, guten alten Zeit, in der in den agrarisch geprägten Wohngemeinden im privaten wie auch im öffentlichen Raum durchgehend der regionale slowenische Dialekt gesprochen wurde. In einigen Fällen wird die Vergangenheit nicht nur romantisiert, sondern auch dafür benutzt, Ansprüche für die Gegenwart abzuleiten und den Klageliedern Nachdruck zu verleihen. Die Berufung auf die Vergangenheit kann unterschiedliche Formen annehmen. Der Schüler Peter E. beispielsweise geht zur Begründung seiner ethnischen Selbstverortung weit in die Vergangenheit zurück. Er meint: »Wurzeln hab i natürlich zwasprachige. So wie jeder aus Südkärnten, also der was a gebürtiger Südkärntner is, mehr oder weniger. Denn vor hundert Jahrn hat ja hier noch kaum aner Deitsch kennen. Und noch früher ham in Kärntn ja no alle Slowenisch gsprochn.« (Peter E.; 19 Jahre) Was seine ethnische Selbstverortung angeht, ist sich der Schüler dennoch unschlüssig, ob er sich als »Kärntner« oder als »Zweisprachiger« (Peter E.; 19 Jahre) definieren soll. Denn für ihn folge aus dem Umstand, dass alle heutigen Bewohner_innen Südkärntens slowenischsprachige Wurzeln hätten, nicht, dass er sich selbst als Kärntner Slowene sehen müsse. Mit dieser Position stellt Peter E. jedoch eine Ausnahme dar. In der Regel leiten slowenischsprachige junge Menschen aus historischen Bezugspunkten einen Anspruch für die Gegenwart ab. So die Schülerin Maja T., die ihr ethnisches Selbstbild als Kärntner Slowenin auch mit der Geschichte des Landes begründet: »Meine Eltern und Großeltern sagen, dass Anfeindungen gegen Slowenen weniger gworden sin jetzt. Dass es viel mehr akzeptiert wird. Und dass es zum Beispiel net so viel Vandalismus gibt, wie in die Siebziger oder Achtziger. Ja, aber ich krieg persönlich schon mit, dass es noch eine Abstoßung gibt. Also so Ortstafeln beschmiern, und so, also Angriffe gegen Kärntner Slowenen generell. […] Weil die, also die deutschen Kärntner, tun eben immer so, als wärn wir ins Land reinkommen. Was aber net stimmt! […] Weil wir warn die Urgesellschaft da, also im sechsten Jahrhundert.« (Maja T.; 18 Jahre)

Maja T. beharrt darauf, dass die slowenischsprachige Bevölkerung die bereits viel länger in der Region siedelnde und beheimatete Bevölkerungsgruppe, die »Urgesellschaft« (Maja T.; 18 Jahre) des heutigen Kärnten/Koroška darstellt. Dabei bezieht sie

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sich auf das zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert bestehende mittelalterliche Fürstentum Karantanien, dessen Zentrum im heutigen Kärnten/Koroška liegt und dessen Adel und Klerus slawischsprachig waren (vgl. Broman et al. 1988: S. 13 f; Baumgartner 1995: S. 29). Aus diesem Grund weist sie Anfeindungen von deutschsprachiger Seite mit dem Tenor, dass die slowenische Sprache nicht zu Kärnten/Koroška gehöre, dass sie etwas Fremdes sei, entschieden zurück. Dies widerspreche der Geschichte des Landes. Den historischen Bezug zum Karantanierstaat verwendet Maja T. dazu, um den Status der slowenischsprachigen Bevölkerung als seit dem Mittelalter in Kärnten/Koroška beheimatete ethnische Gruppe zu untermauern. Aus dem autochthonen Charakter der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška lässt sich in den Augen der Schülerin ein Machtanspruch ableiten (vgl. Hilgers 2011), der durch Anfeindungen und ethnische Diskriminierungen von deutschsprachiger Seite keinesfalls unterminiert werden dürfe. Aus dem Grund fühlt sie sich verpflichtet, sich für die Sache der slowenischen Bevölkerung im politischen Sinne einzusetzen. Der Schülerin Lidija H. dient der Bezug auf die Vergangenheit dazu, ihr eigenes ethnisches Selbstbild zu bekräftigen, was auch Folgen für die Gegenwart hat. Sie meint, »dass früher ja fast alles slowenisch war in Kärntn. Halt früher war des ganz normal, slowenisch zu sprechen, und deshalb, seh ich eigentlich die Deutschsprachigen als, ka Ahnung. Also i fühl mi da daham. […] Halt die Mama hat mir imma erzählt, früher, also im 19. Jahrhundert, war da eigentlich eh alles slowenisch, aa so in Klagenfurt oder so. Also seit ganz früh im Mittelalter. ‘S ham voll viele, extrem viele Slowenisch kennen und so. Eigentlich alle. […] I waß net, wir war ma scho imma da, wir war ma eigentlich schon immer da. I geh hundertprozentig wetten, dass alle in Klagenfurt noch slowenische Vorfahren haben. Hundertprozentig. Und net nur aner, sondern ziemlich viele.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Bei Lidija H. lassen sich zwei historische Bezugspunkte entdecken: einerseits der mittelalterliche und zum Teil slawischsprachige Karantanierstaat, andererseits die späte Neuzeit bzw. das 19. Jahrhundert. Zentral sind die beiden Referenzen weniger hinsichtlich ihrer historischen Objektivität als vielmehr mit Blick darauf, wofür sie genutzt werden. Lidija H. zieht den autochthonen Charakter der Slowenischsprachigkeit in der Region – wonach die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/ Koroška seit Jahrhunderten beheimatet ist – ja nicht für eine Diskussion historischer Fakten heran, sondern um soziale Bedeutungen in der Gegenwart zu begründen und den Machtanspruch der deutschsprachigen ethnischen Mehrheitsbevölkerung infrage zu stellen. Den ersten historischen Bezugspunkt setzt sie für die Herstellung einer gemeinsamen Abstammungslinie der heutigen deutschsprachigen Bevölkerung und den Karantanier_innen der Vergangenheit ein, aus der sie wiederum ableitet, dass

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Letztere, also slawischsprachige Personen, eigentlich die Väter und Mütter der Kärntner Bevölkerung seien. Zudem konstruiert sie das karantanische Fürstentum als Wiege des Slowenischen. Diesen Blick auf die Geschichte teilt Lidija mit einigen slowenischen Historiker_innen, die den Karantanierstaat gleichfalls als die Keimzelle der slowenischen Nation mystifizieren (vgl. dazu kritisch: Moritsch 1997: S. 16 f; Štih 2009: S. 236 f). Ein zweiter historischer Bezugspunkt, den Lidija bemüht, ist der Verweis darauf, dass Ende des 19. Jahrhunderts Kärntner_innen noch mehrheitlich slowenischsprachig gewesen seien. Hinsichtlich der historischen Faktenlage deckt sich dies jedoch nicht mit den Daten aus den Volkszählungen der Jahre 1846 oder 1880, laut denen 95.544 Personen bzw. 75.579 und damit 30,0% bzw. 23,3% der Kärntner Gesamtbevölkerung slowenischsprachig waren. Zwar bestand in diesem Zeitraum in Südkärnten zweifelsohne noch ein relativ homogenes, zusammenhängendes slowenischsprachiges Siedlungsgebiet, die Aussage der Schülerin, wonach »früher … ja fast alles slowenisch war in Kärntn« auch »so in Klagenfurt« (Lidija H.; 16 Jahre) trifft jedoch nicht zu. Denn die Slowenischsprachigkeit war auch damals etwas, das eine Bevölkerungsminderheit auszeichnete, wenn auch eine sehr große, die eben fast ein Drittel der Einwohner_innen des Bundeslandes umfasste. Abgesehen davon war die Bevölkerung in Klagenfurt/Celovec nie mehrheitlich slowenischsprachig. Zwar stellte die Stadt das ökonomische Zentrum der Bevölkerungsgruppe dar, jedoch lag sie stets außerhalb des zweisprachigen Siedlungsgebiets. Die beiden historischen Bezugspunkte sind in diesem Zusammenhang also als Mythen zu bezeichnen. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die historische Realität einmal so ausgesehen hat und dass die slowenischsprachige Bevölkerung im Südkärntner Raum einmal zahlenmäßig wesentlich größer war. Aber wie gesagt werden die historischen Bezugspunkte von slowenischsprachigen jungen Menschen nicht angeführt, um eine Debatte über historische Ereignisse und Entwicklungen anzuregen, sondern um eine soziale Bedeutung in der Gegenwart zu konstruieren. Mit ihrer Hilfe soll den Klagen und Warnungen, die den Rückgang der slowenischsprachigen Bevölkerung und das drohende Aussterben der Slowenischsprachigkeit zum Inhalt haben, Legitimität verliehen werden. Vor allem aber wird aus dem Rückgriff auf Vergangenes eine Rechtfertigung sowie eine Motivation für persönliche Handlungen, Einstellungen und Orientierungen in der Jetztzeit gewonnen. Darüber hinaus begründen die historischen Mythen auch einen politischen Machtanspruch, der angesichts der Vergangenheit als rechtmäßig erscheint. Als illegitim beurteilt wird hingegen, dass die deutschsprachige Seite in der Geschichte des Landes die politische Herrschaft stets für sich beansprucht(e), während die slowenischsprachige Bevölkerung als etwas Fremdes, Neues und nicht zu Kärnten/Koroška Gehöriges betrachtet wurde bzw. wird. Der ethnischen Gruppe der Deutschen wird in dieser Hinsicht die Rolle der Usurpator_innen zugeschrieben, die für den Niedergang des

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slawischsprachigen Fürstentums verantwortlich seien und seit diesen Tagen die Emanzipation der slowenischsprachigen Bevölkerung unterminierten (vgl. dazu auch: Barker 1984: S. 29). Als Urheber der historischen Mythen treten unterschiedliche Akteure aus den Reihen der slowenischsprachigen Bevölkerung auf. Zu nennen sind hier insbesondere politische Organisationen, die durch die Inanspruchnahme von Identifikationsobjekten – Stichwort Fürstenstein – die gegenwärtige Relevanz der Mythen weiter befördern. Zudem sorgen Historiker_innen, die sich unkritisch mit derartigen nationalen Mythen auseinandersetzen, oftmals dafür, dass die daraus deduzierten sozialen Sinnstiftungen in der Gegenwart und die politischen Machtansprüche noch wissenschaftlich untermauert werden. Besonders wirkungsvoll ist im Kontext der historischen Mythen die Rolle der Eltern und Verwandten, die die Heranwachsenden in der Regel mit den historischen Mythen bekannt machen. Nicht selten werden die jungen Menschen von diesen in ihrem engen sozialen oder familiären Umfeld kursierenden Erzählungen in ihren Bann gezogen. Dabei erweist sich deren sinnstiftender Charakter als derart anschlussfähig und wirkmächtig, dass es den Heranwachsenden schier unmöglich ist, sich dem zu entziehen. So bereiten der Mythos vom Niedergang und der Usurpation der Karantanier_innen durch die deutschsprachige Seite sowie der Rückgang der Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška seit Mitte des 19. Jahrhunderts die jungen Menschen auf einen Einsatz für die slowenische Sprache vor.

8.3 DER PERFORMATIVE EINSATZ GEGEN DAS VERSCHWINDEN DER SPRACHE IN KULTURVEREINEN Für die Praxis des Ethnischen im Freizeitkontext besonders zentral ist die kulturelle Betätigung im Rahmen von Kulturvereinen. Dies hängt auch damit zusammen, dass es im Südkärntner Raum eine Vielzahl von slowenischsprachigen Organisationen gibt, die mit Kulturarbeit zu tun haben – praktisch jede Gemeinde verfügt über einen eigenen Verein. Auch der Organisationsgrad ist außerordentlich hoch – ein großer Anteil der slowenischsprachigen Bevölkerung engagiert sich in kultureller Hinsicht. Die Variationsbreite der Vereine reicht von Einrichtungen, die sich mit Bildungsfragen und Haushaltstätigkeiten befassen, bis zu solchen, die auf künstlerische Aktivitäten fokussiert sind. Zu Letzteren zählen vorrangig Chöre, unterschiedliche Theatergruppen oder Tamburicaensembles. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, ist die Frage der Kulturarbeit und der Betätigung in Kulturorganisationen für das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Denn diese Aktivitäten sind keineswegs nur als künstlerische Selbstverwirklichung oder als Traditionspflege zu sehen, sondern zeigen auch einen aktiven, performativen Einsatz gegen das Verschwinden der slowenischen Sprache an. Als performativ oder

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als Performance bezeichne ich Strategien, mittels derer die Slowenischsprachigkeit sichtbar gemacht und mitunter auch gezielt demonstriert wird. Es handelt sich dabei somit immer um Strategien, die im öffentlichen Raum und nicht in familiären Rahmen stattfinden. Kollektive kulturelle Aktivitäten von Kindesbeinen an Mit dem Kulturschaffen kommen slowenischsprachige Personen nicht erst als Jugendliche oder als junge Erwachsene in Kontakt, vielmehr werden sie darauf bereits von klein auf vorbereitet. Die verschiedenen Kulturorganisationen stellen den Kleinsten ein breites Angebot zur Verfügung, wie die Schülerin Barbara F. aus eigener Erfahrung zu berichten weiß: »Kulturell aktiv zu sein hat mich einfach immer begeistert, so irgendwie. Ich wollt immer unbedingt Klavier spielen. Schon als kleines Kind. Also wir Kärntner Slowenen ham so am Rechberg, da gibt’s jeden Sommer zwei Künstlerwochen und eine Sportwoche. Und irgendwie gehen alle Kinder nach Rechberg in den Sommerferien. Also alle von uns dort unten. Und dort malst du halt die ganze Woche, du singst die ganze Woche. Und beim Singen, da war eben ein Pianist, und das hat mich eben so begeistert, dass er so spielt und so. Und dann hab ich gesagt, ›Mama, ich mag unbedingt Klavier spielen!‹ Und so hab ich dann auch mit dem Puppentheater angefangen. Weil in der Woche spielst du auch Puppentheater. Ich glaub, so hat sich des alles entwickelt. So das Kreative, glaub ich, das war so der Einstieg für mich.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Als Kind hat Barbara F. wiederholt an der sogenannten ›Woche junger Künstler/Teden mladih umetnikov‹ teilgenommen. Diese wird seit Ende der 1970er alljährlich in den Sommermonaten von slowenischsprachigen Kulturorganisationen in der Ortschaft Rechberg/Rebrca inmitten des traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiets veranstaltet (vgl. Varl 2009; Katz-Logar 2009). Die Teilnahme hinterlässt bei den Kindern aus slowenischsprachigen Familien, die in der Regel zwischen sechs und zwölf Jahre alt sind, in mehrerlei Hinsicht bleibenden Eindruck, wie in den Äußerungen der Schülerin deutlich wird. So wird dadurch sowohl das Interesse für künstlerische Aktivitäten geweckt, sei es ein Musikinstrument zu spielen, zu malen oder zu singen, als auch der Grundstein dafür gelegt, diese Tätigkeiten kollektiv auszuführen, also als Gruppe ein Puppentheaterstück zu spielen oder als Chor slowenische Lieder zu singen. Zudem wird die Basis für ein gemeinsames Wir-Gefühl geschaffen (»Und irgendwie gehen alle Kinder nach Rechberg […] alle von uns dort unten.« [Barbara F.; 18 Jahre]). Dies hat oftmals zur Folge, dass Kinder im Anschluss an diese Erfahrungen die neu gewonnenen Interessen vertiefen, indem sie beispielsweise ein Instrument an der slowenischsprachigen ›Kärntner Musikschule/Glasbena Šola na Koroškem‹ in Klagenfurt/Celovec erlernen.

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Abbildung 11: Kulturelle Betätigung von Kindesbeinen an im Rahmen eines slowenischsprachigen Kinderchors

© Dominik Urak

Selbstverständlich beginnen slowenischsprachige Kinder und Jugendliche auch unabhängig vom Besuch der ›Woche junger Künstler/Teden mladih umetnikov‹, in Kulturvereinen aktiv zu sein. In der Regel durchlaufen sie in den Kultureinrichtungen mehrere Stufen, ähnlich wie in einem Sportverein, in dessen Rahmen ein aufsteigendes System von Altersgruppen durchwandert wird. Wie dieser Verlauf in einem Kulturverein aussieht, beschreibt die Schülerin Lidija H. folgendermaßen: »Von klein auf war i bei den Jüngsten [im Chor (J. K.)] dabei. Und dann bei den Mittleren, jetzt bei den Damen sozusagen. Und jetzt eben noch zum gemischten Chor. Wir samma jetzt halt die Jüngsten dort, da bin i jetzt dazu kommen. Hab aa die paar Freundinnen mitgnommen. Des heißt wir samma jetzt fünf oder so samma jetzt dazu kommen zum Damenchor.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Im Kulturverein, in dem Lidija H. gemeinsam mit ihrer Familie aktiv ist, gibt es insgesamt fünf Chöre, die teils nach Alter, teils nach Geschlecht gestaffelt sind. Nach dem Kinderchor und dem ebenso gemischtgeschlechtlichen Jugendchor singt Lidija H. seit Kurzem im Damenchor sowie auch im gemischten Erwachsenenchor. Seit ihrer frühen Kindheit nimmt sie an diesen Aktivitäten teil und tritt mit verschiedenen

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Chören auch bei Veranstaltungen auf. Hinsichtlich der Integration in Kultureinrichtungen von klein auf steht Lidija H. – ebenso wie auch Barbara F. – repräsentativ für eine Vielzahl slowenischsprachiger junger Menschen. Durch die Vermittlung des Reizes kultureller und künstlerischer Tätigkeiten schon von Kindesbeinen an werden sie frühzeitig in der Kulturarbeit geschult. Ethnische Grenzziehungen durch das Kulturschaffen Der Frage des Kulturschaffens kommt eine wichtige Rolle für Grenzziehungen des Ethnischen zu. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der Abgrenzung nach außen und der gemeinschaftsfördernden Wirkung nach innen. Im ersteren Sinne betonen junge slowenischsprachige Menschen, dass es sich bei den vielfältigen kulturellen Tätigkeiten und Veranstaltungen um etwas spezifisch Kärntner Slowenisches handle, um etwas, wodurch sie sich von anderen ethnischen Gruppen in Kärnten/Koroška abheben würden. In diesem Sinne äußert sich beispielsweise der Schüler Florian O.: »Von klein auf irgendwie war das schon so, dass ma im Theater jongliert oder auf Konzerte geht. Und ich glaub, das is bei uns so allgegenwärtig und überall. Ich glaub, bei der deutschsprachigen Bevölkerung in Kärnten is das nicht so. Oder nicht so stark ausgeprägt. Darin besteht der Unterschied zwischen uns.« (Florian O.; 17 Jahre)

Die Omnipräsenz kultureller Tätigkeiten im Leben slowenischsprachiger Personen erweckt bei Florian den Eindruck, dass in der deutschsprachigen Bevölkerung derartige Aktivitäten nicht in diesem Ausmaß gepflegt werden. Für ihn jedenfalls begründet und unterstreicht die kulturelle und künstlerische Betätigung einen wesentlichen Unterschied zwischen der slowenisch- und der deutschsprachigen Bevölkerung. Andere Interviewpartner_innen gehen jedoch auch dazu über, aus dem regen Kulturschaffen ethnische Hierarchien abzuleiten. So meint die Schülerin Marija H.: »Die Deutschen, die Deutschkärntner, [...], die ham ja nicht soo viel Kultur. Und die ham auch nicht so eine Tradition, oder so eine Gruppengemeinschaft. Wir sind da viel reicher.« (Marija H.; 18 Jahre) Marija zieht also kulturelle Tätigkeiten und Aktivitäten dafür heran, um eine Rangordnung zwischen der slowenisch- und der deutschsprachigen Bevölkerung zu konstruieren. So ist nach ihrer Ansicht die slowenischsprachige Bevölkerung aufgrund ihrer großen kulturellen »Tradition« »viel reicher« als die »Deutschkärntner_innen« oder die »Deutschen« (Marija H.; 18 Jahre). Wiederholt werden in diesem Zusammenhang auch Stimmen laut, die meinen, dass die deutschsprachige Bevölkerung ihre Kultur ohnehin den kulturellen Traditionen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška oder aus dem Norden des heutigen Sloweniens zu verdanken habe:

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»Wenn ma jetzt slowenische Kulturvereine sieht, da sind viele Kärntner Slowenen daran beteiligt. Mehr natürlich als Deutschkärntner sag ich jetzt a mal zu ihren Gruppen, weil für die is es normal. Bei uns, zum Beispiel, wenn jemand Kärntner Slowene is, dann singt er einfach, sag ich mal so. Ja, die meistn singen davon, die meistn können singen. Und des is auch ein Teil von unsrer Kultur. Da muss man auch sagn, dass die Kärntner beziehungsweise die Deutschkärntner, die deutschsprachigen Kärntner, dass die unsere Kultur, ja, dass unsere Kultur deren Kultur beeinflusst hat. Wenn ma das vierstimmige Singen zum Beispiel oder irgendwas hernimmt, so was in die Richtung, des kam vorwiegend aus Slowenien und aus unseren Kulturkreisen und die ham das übernommen.« (Marcel B.; 18 Jahre)

In den Augen von Marcel B. markieren kulturelle und künstlerische Tätigkeiten und Traditionen die Grenzlinie zwischen der slowenisch- und der deutschsprachigen Bevölkerung. Darüber hinaus bestehe in dieser Frage ein Gefälle zwischen den beiden ethnischen Gruppen. Während die kulturellen Traditionen der slowenischsprachigen Bevölkerung die originale Variante sei, hätte die deutschsprachige Bevölkerungsgruppe diese übernommen bzw. abgekupfert. Ebenso wie Marija H. vertritt somit auch Marcel B. implizit die Position, dass sich die deutschsprachige Bevölkerung durch eine kulturelle ›Armut‹ auszeichne, während sich die slowenischsprachigen Menschen durch eine ebenso reichhaltige wie eigenständige und authentische Kultur von ihrem nicht ebenbürtigen deutschsprachigen Gegenüber abhebe. Neben der Abgrenzung gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung nach außen entfalten die mannigfaltigen kulturellen Tätigkeiten auch eine gemeinschaftsfördernde Wirkung nach innen. Zum Ausdruck kommt dies in einer Aussage der Interviewpartnerin Barbara F., die die slowenischsprachige Kulturlandschaft wie folgt charakterisiert: »Ich finde, Kärntner Slowenen sind sehr aktiv. Also was die Kultur angeht. Wir haben zahlreiche Chöre, Pupa- ähm Puppentheater, Theater. Und überhaupt, Kulturvereine halt, die jeden Monat drei, vier Veranstaltungen organisieren, wo sich einfach alle treffen. Also ich find, das ist vielmehr ausgeprägt als bei den Deutschsprachigen jetzt so. Also da ist mehr so der Zusammenhalt irgendwie. So eine Gemeinschaft. Und überhaupt, wenn du auf irgendeine Veranstaltung gehst, es begrüßt dich jeder, weil irgendwie kennt dich jeder über wenige Ecken. Wenn du in Klagenfurt irgendwo hingehst, ins Theater, kennt dich niemand. Das ist ein ganz ein anderes Gefühl irgendwie.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Kulturelle Tätigkeiten zieht Barbara zwar auch dafür heran, um die slowenischsprachige Bevölkerung von der deutschsprachigen abzuheben, darüber hinaus macht sie jedoch deutlich, dass die Betätigung in Kulturvereinen oder die Teilnahme an Kulturveranstaltungen das Gefühl bestärkt, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Denn es

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sind vor allem die häufig stattfindenden kulturellen Veranstaltungen, die Kulturschaffenden und Besucher_innen aus dem traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet ein Forum zur Pflege enger freundschaftlicher Kontakte und Bindungen bieten und den Eindruck vermitteln, alle slowenischsprachigen Personen in Kärnten/ Koroška würden sich »über wenige Ecken« (Barbara F.; 18 Jahre) kennen. Auf Basis der kollektiven kulturellen Aktivitäten und Veranstaltungen konstituiert sich somit eine »Gemeinschaft«, ein »Zusammenhalt« (Barbara F.; 18 Jahre) und ein ethnisches Wir-Gefühl der slowenischsprachigen Bevölkerung. Derartige Aktivitäten erlangen ihre Bedeutung freilich nicht vorrangig aufgrund des kulturellen Moments, ihr Wert liegt vor allem darin, dass sie in slowenischer Sprache ablaufen oder dargebracht werden. Mit anderen Worten kommt der slowenischsprachigen Kulturarbeit erst dadurch eine wichtige Rolle für ethnische Grenzziehungen zu, dass der slowenischen Sprache die zentrale Rolle als ethnisches Alleinstellungsmerkmal beigemessen wird. Die Kulturvereine selbst wiederum fungieren in dieser Perspektive als Arenen, die dazu dienen, künstlerische Ausdrucksformen in slowenischer Sprache im öffentlichen Raum zu verankern. Der performative Einsatz gegen das Verschwinden der Sprache in Kulturvereinen Zusätzlich zu ihren Funktionen als Mittel der Abgrenzung nach außen und der Förderung des Gemeinschaftsgefühls nach innen dienen die kulturellen bzw. künstlerischen Aktivitäten – als performative Tätigkeiten ausgeführt – jungen Menschen auch als Vehikel, mit dem sie gegen das drohende Verschwinden der Slowenischsprachigkeit ankämpfen. Ausgangspunkt dafür ist die Selbstwahrnehmung – nachfolgend exemplarisch referiert von der Schülerin Barbara F. –, derzufolge das Kulturelle in slowenischsprachigen Personen in einem primordialen Sinne von Geburt an als »Entwurf schon drin« ist und ihnen »so mitgegeben« (Barbara F.; 18 Jahre) wurde: »Ich finde, Kultur und Sprache und dass wir Kärntner Slowenen sind, das ist bei uns als ein Entwurf schon drin. Ich weiß nicht, das wird uns so mitgegeben. Und auch irgendwie alle Kärntner Slowenen, ja wirklich alle Kärntner Slowenen sind irgendwo kulturell tätig. Entweder spielen sie irgendein Instrument oder sie singen, oder sie spielen Theater. Oder sie spielen bei einem slowenischen Verein Fußball, oder Volleyball oder Basketball. Alle! Ich glaube, ich kenne keinen einzigen Kärntner Slowenen, der was nichts macht.« (Barbara F.; 18 Jahre)

Eine derartige Begründung muss freilich in den Bereich der Mythen verwiesen werden. Kulturarbeit und Sinn für das Kulturelle sind mitnichten angeborene Merkmale, vielmehr handelt es sich dabei um bewusst verfolgte praktische Tätigkeiten im Rahmen von geschaffenen Organisationsstrukturen. Auch slowenischsprachige Personen verfolgen kulturelle Aktivitäten nicht rein individuell nach eigenem Gutdünken oder

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aufgrund einer genetischen Disposition, sondern greifen auf ein über das gesamte traditionell zweisprachige Siedlungsgebiet gespanntes infrastrukturelles Netzwerk von Vereinen und Kultureinrichtungen mit regelmäßigen Veranstaltungen – wie eben die bereits genannte ›Woche junger Künstler/Teden mladih umetnikov‹ – zurück, das die große Bedeutung des Kulturschaffens für die slowenischsprachige Bevölkerung erst begründet. Ein konkretes Beispiel dafür führt die Schülerin Marija H. an: »Wir Kärntner Slowenen ham halt mehr so Kulturvereine, und wir sind halt eine Gruppe in ganz Kärnten. Da kennt halt jeder jeden, und imma wenn was is, zum Beispiel ein Ball oder eine Veranstaltung, da kommen immer alle zusammen. Das is schon sehr wichtig. Zum Beispiel im Jänner ham wir den slowenischen Ball im Casino in Velden. Und da is halt die ganze Politik, halt von die Kärntner Slowenen sind alle durtn. Oder so Theateraufführungen, wo wir unser Musical präsentierten. […] Es versuchn immer alle Kärntner Slowenen zu kommen, und so halt die Kulturvereine zu unterstützen.« (Marija H.; 18 Jahre)

Die hohe Anzahl von Menschen, die sich aktiv als Kulturschaffende oder passiv als Besucher_innen beteiligen, und das große Interesse an der Mitwirkung an Kulturinitiativen verdanken sich laut Marija H. der in der slowenischsprachigen Bevölkerung weitverbreiteten Überzeugung, dass die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen einfach Pflicht sei. Diese resultiert daher, dass Kulturvereine auch als Institutionen wahrgenommen werden, die die Slowenischsprachigkeit aufrechterhalten – durch sie werde, wie es der Schüler Florian O. ausdrückt, »bei uns halt die slowenische Sprache am Leben erhalten. Vor allem durch solche Sachen wie Vereine und so.« (Florian O.; 17 Jahre) Kulturelle Organisationen stellen somit eine wichtige Voraussetzung dafür dar, dass die Präsenz der Slowenischsprachigkeit dauerhaft garantiert und die Sprache vor ihrem drohenden Verschwinden bewahrt wird. Einige Vereine setzen sich dieses Anliegen denn auch als explizites Ziel. Mithilfe einer kulturellen Infrastruktur mit Vereinen, Verbänden, diversen Initiativen und regelmäßigen Veranstaltungen – wie dem alljährlichen ›Slovenski Ples‹ Anfang Januar im Casino Velden in Velden am Wörthersee/Vrba na Koroškem – wird zudem der Zusammenhalt und die Gemeinschaft slowenischsprachiger Personen bestärkt. Eben daran wird deutlich, dass die Mannigfaltigkeit und Präsenz des kulturellen Lebens keineswegs nur auf individuellem Engagement, sondern ebenso auf bestehenden Organisationsstrukturen und regelmäßigen Events fußt. Nach Ansicht des Schülers Marcel B. ist die Betätigung in Kulturvereinen die Bedingung schlechthin, um sich überhaupt als Kärntner Slowen_in bezeichnen zu können:

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»Für uns Kärntner Slowenen ist es schon etwas Besonderes, dass man sich engagiert. Das ist schon fast Grundvoraussetzung. […] Als Kärntner Slowene sollte man sich in einem Verein engagieren und seinen Beitrag leisten. Eben damit die Sprache nicht verlorn geht.« (Marcel B.; 18 Jahre)

So findet der Übergang statt von der kulturellen Betätigung zum Kampf gegen das drohende Verschwinden der Sprache. In einer solchen Einrichtung aktiv zu sein, bedeutet eben vor allem, sich performativ für den Erhalt der slowenischen Sprache einzusetzen. Durch die kulturellen Aktivitäten leisten slowenischsprachige Menschen ihren Beitrag zum Bestand der Bevölkerungsgruppe und der Sprache – etwas, wozu sie nach Ansicht von Marcel B. auch angehalten seien. Und dafür gibt es das dichte Netz an kulturellen Einrichtungen. Aufgrund der Brisanz dieses Anliegens wird dadurch – sozusagen als weiterer positiver Nebeneffekt – auch das zukünftige Bestehen der Organisationen gesichert. Somit kommt der Kulturarbeit in der Vielzahl an Einrichtungen eine immense Bedeutung zu, »denn ohne diese Vereine wär’s um uns ja sowieso schon geschehn« (Stefan W.; 20 Jahre). Aus Sicht des jungen Mannes fungieren die kulturellen Aktivitäten sozusagen als Heilmittel, mit dem der schwerkranke Patient, die slowenische Sprache, am Leben erhalten wird. Die Kulturschaffenden empfinden ihr Engagement ungeachtet der damit einhergehenden impliziten Verantwortung keineswegs als Belastung oder als Bürde. Das zeigt sich etwa am Beispiel der Schülerin Lidija H., die ihre kulturellen Aktivitäten in einer Theatergruppe und deren öffentliche Auftritte geradezu enthusiastisch schildert: »Und letztens hamma a Musical gmacht [in der Theatergruppe der Schülerin (J. K.)]. Also vorigs Jahr. Halt so a halb halb Musical. Ja, des is so cool, des is anfach des coolste Gfühl, wenn bei Veranstaltungen Leute aus ganz Kärnten, halt also die Kärntner Slowenen kommen und du anfach durtn stehst und redest. Anfach spielst, des, was du bist, also. Halt vor zwei Jahr hamma aa so-, wir spieln ma imma schönes Slowenisch […], und vor zwei Jahrn hamma halt aa so Rosentaler Slowenisch gspielt, des war voll super. Des war voll super, des is anfach des Coolste überhaupt. […] Und wir verstehn ma uns alle so gut. Wir samma aa so, wenn du mit deinen Freunden so zsamm’ bist, die ganze Zeit wird nur auf Slowenisch, anfach a super Gfühl.« (Lidija H.; 16 Jahre)

In dieser Passage wird deutlich, welche Bedeutung das Engagement im Rahmen eines Kulturvereins für die jungen Menschen selbst hat – die kulturellen Aktivitäten erfüllen die Schülerin mit Freude, Stolz und Euphorie und stiften eine innige emotionale Beziehung zu den anderen Ensemblemitgliedern. Auch hier rückt wieder einmal die Slowenischsprachigkeit in den Vordergrund. Wenn die Interviewpartnerin die Gefühle schildert, die sie überkommen, wenn sie auf der Bühne steht und das

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spielt, was sie auszeichne (»anfach ... des, was du bist« [Lidija H.; 16 Jahre]), lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie sich vollkommen mit der Sprache – insbesondere mit ihrem Dialekt – identifiziert. Dass die Darbietung des Stücks vor einem slowenischsprachigen Publikum stattfand und sie auf der Bühne ihre Mundart sprechen konnte, machte diese Kulturveranstaltung für sie zu einem prägenden Erlebnis – konnte sie doch ihre Slowenischsprachigkeit über den sonst vorgegebenen familiären oder schulischen Rahmen hinaus im öffentlichen Raum präsentieren. Damit spricht die Schülerin auch die Beziehung zwischen Publikum und Kulturschaffenden an, die bei slowenischsprachigen Kulturveranstaltungen von besonderer Qualität ist. Beide Personengruppen sind Träger derselben Minderheitensprache, weisen biografische Bezüge untereinander auf und kommen in der Regel aus dem traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet. Sowohl die Kulturschaffenden als auch das Publikum fühlen sich durch die Teilnahme an den Veranstaltungen in ihrer Slowenischsprachigkeit und in ihrem Kärntner Slowenischsein bestärkt. Und wie die Euphorie, mit der Lidija H. die gemeinsamen kulturellen Tätigkeiten schildert, zeigt, gelten solche kulturellen Veranstaltungen keinesfalls als bloße Traditionspflege, zu der man sich verpflichtet oder gar gedrängt fühlt, als Rituale, die ihre Bedeutung nur durch den Bezug zu Vergangenem erhalten und als Bürde wirken. Vielmehr handelt es sich bei den kulturellen und künstlerischen Tätigkeiten um Aktivitäten im Hier und Jetzt, die sichtlich Spaß bereiten und spielerisch die empfundene Gemeinschaft und ethnische Zugehörigkeit der slowenischsprachigen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern. Das Ethnische wird dabei nicht zwanghaft oder zielgerichtet eingesetzt und kalkulierend bemüht, sondern lässig und ganz ohne Hintergedanken in Szene gesetzt und unbeschwert kollektiv zelebriert. Kulturelle Inhalte und die Ausrichtung der Kulturorganisationen Es war bereits die Rede davon, dass es sich bei der Kulturarbeit nicht nur um Traditionspflege oder die Förderung kreativer Tätigkeiten handelt, sondern auch um einen Einsatz gegen das drohende Verschwinden der Sprache. So widmen sich zahlreiche Projekte im Bereich der Literatur, der bildenden Kunst oder im Filmschaffen der Zeit des Nationalsozialismus, der historischen Unterdrückung der Sprache, der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Erinnerungsarbeit. Eines davon ist etwa die Buchreihe ›Bücher gegen das Vergessen‹ des in Klagenfurt/Celovec ansässigen zweisprachigen Drava Verlags (vgl. Goetz 2012), in der ehemalige Kärntner Partisan_innen ihre Biografien und Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus und dessen Folgen für die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška schildern. Zu erwähnen sind daneben die Werke des bildenden Künstlers Valentin Oman, die Videoinstallation ›Ende der Erinnerung‹ von Ernst Logar (2011) sowie die Filmprojekte ›Der Kärntner spricht deutsch‹ von Andrina Mračnikar (2008) und ›Schatten der Scham‹ von Sabina Zwitter-Grilc (2015). All die genannten Künstler_innen haben

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slowenischsprachigen Familienhintergrund, und ihre Arbeiten drehen sich entweder um Ereignisse im Südkärntner Raum im Zeitraum zwischen 1938 und 1945 oder um den Umgang der Nachkriegsgenerationen mit Verfolgung, Unterdrückung, Gewalt und Deportation. Eine herausragende Stellung nimmt dabei der Roman ›Engel des Vergessens‹ von Maja Haderlap (2011) ein, mit dem die Autorin, die aus einer mehrheitlich slowenischsprachigen Katastralgemeinde nahe der slowenischen Grenze stammt, im Jahr 2011 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Darin beschreibt sie ihr Aufwachsen in einer traumatisierten Familie nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Großmutter war von Nationalsozialist_innen in ein Konzentrationslager deportiert worden, ihr Großvater, Vater und Onkel hatten aufseiten der Kärntner Partisan_innen gekämpft. Vor dem Hintergrund dieser Familienkonstellation schildert die Autorin in autobiografischer Manier die Situation der nachkommenden Generation, für die auch im Frieden die Erfahrungen des Krieges, wenn sie auch meist unausgesprochen blieben, allgegenwärtig waren. Ihre eigene Zerrissenheit zwischen einem Leben als Studentin in Wien und der heimatlichen, unzugänglichen Gebirgsregion der Karawanken legt sie im Buch eindrücklich dar, indem sie sich als »zwischen einem dunklen, vergessenen Kellerabteil des Hauses Österreich und seinen hellen, reich ausgestatteten Räumlichkeiten hin- und herpendeln[d beschreibt (J. K.)]. Niemand in den hellen Räumen scheint zu ahnen oder vermag es sich vorzustellen, dass es in diesem Gebäude Menschen gibt, die von der Politik in den Vergangenheitskeller gesperrt worden sind, wo sie von ihren eigenen Erinnerungen attackiert und vergiftet werden.« (Ebd.: S. 185 f)

Das Buch fand weithin Beachtung, es erschien in zahlreichen Auflagen und erreichte auch ein großes deutschsprachiges Publikum ›in den hellen Räumen Österreichs‹, um die Worte von Maja Haderlap zu benutzen. Neben künstlerischen Werken, in denen die Geschichte der ethnischen Beziehungen verarbeitet und aktualisiert wird, kreisen auch die Arbeiten von Kulturvereinen – beispielsweise in Form von Ausstellungen, Theaterstücken oder Liedern – oftmals um das Leid, das der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška in der Vergangenheit zugefügt wurde (vgl. dazu auch: Malle 2014). Indem sie die Erinnerung an deren Unterdrückung wachhalten, tragen die Kulturorganisationen dazu bei, dass das kulturelle Engagement slowenischsprachiger Menschen die Form der Erinnerungsarbeit und des durch historische Ereignisse motivierten Einsatzes für die Slowenischsprachigkeit annimmt. Diese Ausrichtung sorgt auch dafür, dass die historische Stigmatisierung und Unterdrückung der slowenischsprachigen Bevölkerung als Themen stets präsent bleiben. Dies führt letzten Endes dazu, dass sich die Auseinan-

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dersetzung mit der Geschichte der ethnischen Beziehungen zu einem wichtigen Bestandteil dessen entwickelt, was als Kultur oder Besonderheit der slowenischsprachigen Bevölkerung angesehen wird. Mitunter wird die Vergegenwärtigung der Vergangenheit der ethnischen Beziehungen in künstlerischer Form jedoch auch kritisch betrachtet. Der Schüler Gregor M. etwa kann dem Erinnern an Diskriminierungen, Stigmatisierungen, Ungleichbehandlungen oder an erfahrene Ungerechtigkeiten im Rahmen von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen wenig abgewinnen: »Ich will auch nicht die ganze Zeit, dass man einfach die ganze Zeit nur über dasselbe spricht. Nie, nie gönnt man sich irgendwann mal eine Pause. Die ganze Zeit heißt’s: ›Ja, was wär, wenn des so warat. Ma, hätt i tatiwari‹. Die ganze Zeit desselbe, immer nur: ›Ja, ma, wir [Kärntner Slowen_innen (J. K.)] samma so oarm, wir samma so oarm!‹. Tu ma’s a bissi streicheln, ma, wie schön, na. Wir versinken anfach olle in Selbstmitleid. Und so wird des nie wos. Du musst auftreten und selbstbewusst sein. Ja. Und des wern wir vielleicht versuchn, im nächsten Stück so a unterschwellige Botschaft rüberzubringen.« (Gregor M.; 18 Jahre)

Dass sich slowenischsprachige Menschen in Kärnten/Koroška darin gefallen, sich aus der passiven Opferrolle heraus, die auch als Grundlage des kulturellen Engagements dient, über die Geschichte der slowenischsprachigen Bevölkerung oder über die politische Landschaft in Kärnten/Koroška zu beklagen, stellt für den Schüler ein Ärgernis dar. Seiner Ansicht nach seien dieses stetige »Selbstmitleid« (Gregor M.; 18 Jahre), diese ständigen Klagelieder bedenklich und führten zu nichts. Statt als Kulturschaffender zur weiteren Vergegenwärtigung des Vergangenen beizutragen, wäre es viel eher angebracht, sich von der Fixierung auf Gestern und von der Opferperspektive zu lösen und sich dem Morgen zuzuwenden. Mit dieser Sicht der Dinge steht Gregor offenbar nicht alleine da. Wie an einer Reihe von slowenischsprachigen Kulturvereinen deutlich wird, setzte in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandlungsprozess ein, im Zuge dessen sich die Ausrichtung der Kulturorganisationen veränderte. Neben der Erinnerungsarbeit stehen nunmehr auch neue Themen im Mittelpunkt – eine Entwicklung, die zumeist damit einhergeht, dass sich der Schwerpunkt der Kultureinrichtungen vom Erhalt der Slowenischsprachigkeit zur Propagierung der Zweisprachigkeit verlagert. Dies zeigt sich beispielsweise an dem in der Gemeinde Bad Eisenkappel/Železna Kapla wirkenden Kulturverein Zarja. Zu dessen Aktivitäten zählen neben slowenisch- oder zweisprachigen Theaterstücken und Musikveranstaltungen auch Ausstellungen, in denen die Vorstellung des Kärntner Slowenischen als einer primordialen, naturgegebenen Ethnizität dekonstruiert und persifliert wird (mit der Ausstellung ›Kovček/Der Koffer‹ im Jahr 2010; siehe dazu: Krištof/Pilgram 2005), oder die das Schicksal jüdischer Menschen im Südkärntner Raum in den Fokus rücken (mit der Ausstellung ›Tu smo bili

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doma…/Wir gehörten hierher…‹; siehe dazu: Koroschitz/Rettl 2008). Der Gedanke der Zweisprachigkeit findet sich auch in den Organisationsstrukturen des Vereins wieder. Mittlerweile sind im ehemals homogen slowenischsprachigen Vorstand auch Personen ohne slowenischsprachigen Familienhintergrund tätig. Diese beginnende Öffnung kultureller Organisationen und Vereine hin zu Foren der Zweisprachigkeit schwächt die Ausrichtung der Kulturinstitutionen als Horte der Slowenischsprachigkeit ab und verändert die Kulturarbeit der slowenischsprachigen Menschen in Kärnten/Koroška. Noch sind deren Auswirkungen nicht absehbar.

8.4 PUNKTUELLE UND MATERIELLE PERFORMANCES DER SLOWENISCHSPRACHIGKEIT ABSEITS VON VEREINEN Dem empfundenen drohenden Verschwinden der Sprache begegnen junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund in der Freizeit auch abseits von Vereinsstrukturen. Sie tun dies in Form von – punktuellen oder materiellen – Performances, mit denen sie die Slowenischsprachigkeit ihrer Wohngemeinde in Szene setzen. Punktuelle Performances der Slowenischsprachigkeit Das erste Beispiel einer punktuellen Performanz der Slowenischsprachigkeit ist die Strategie, die Lidija H. verfolgt und die darin besteht, dass sie ihre Slowenischsprachigkeit mittels eines Kleidungsstücks sichtbar zum Ausdruck bringt: »Es gibt ja so a T-Shirt, wo oben steht ›Kärnten/Koroška‹. Und i hab ja einige Exemplare davon. Und auf jeden Fall hab i halt eins anghabt, und so wie i zwölf, dreizehn war, wo i dann auf die Bushaltestell gangen bin, hab i die Jacke a bissi weiter zugmacht, dass niemand liest. [...] Aber jetzt trag i T-Shirts, wo ganz häufig slowenische Wörter obn stehn. Weil jetzt bin i aa selbstbewusster gwordn. Früher war i a bissi, dass i Angst ghabt hab und so, dass i angsprochn wer und so. Und dass mi jemand blöd anschaut oder so. Aber jetz trag i die ganz offen, so am Weg zur Schule, wenn i mit’m Bus fahr.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Demnach ist es nicht der aktive Sprachgebrauch, mit dem die Schülerin ihre Slowenischsprachigkeit im öffentlichen Raum sichtbar zu machen sucht, sondern ihr äußerliches Erscheinungsbild, das ostentative Tragen von T-Shirts, auf denen slowenischsprachige Wörter oder Aussprüche aufgedruckt sind. Diese für jedermann deutlich wahrnehmbare Inszenierung ihrer Slowenischsprachigkeit macht diese zu einer Performanz des Ethnischen. Was Lidija heute mit großem Selbstbewusstsein praktiziert, hat sie sich wenige Jahre zuvor noch nicht getraut – zu groß war die Angst vor Gegenreaktionen und Anfeindungen seitens deutschsprachiger Personen.

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Dass Lidija für die Performanz der Slowenischsprachigkeit ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Kärnten/Koroška‹ trägt, kommt nicht von ungefähr, symbolisiert dieses doch die Forderung nach Anerkennung der slowenischen Sprache als etwas zu Kärnten/Koroška Gehörigen. Mit dem Tragen des T-Shirts ist somit eine politische Aussage verbunden, die eben nicht verbal, sondern wortlos, am Leib getragen, im öffentlichen Raum artikuliert wird – ein performativer Gebrauch des Kleidungsstücks, der von seinen Schöpfern, slowenischsprachigen Jugendorganisationen, auch intendiert war. Heute werden die T-Shirts von vielen Personen getragen, insbesondere von jungen Menschen, die den Jugendorganisationen nahestehen, was auf Lidija H. jedoch nicht zutrifft. Abbildung 12: Performanz der Slowenischsprachigkeit I: Das Tragen von T-Shirts mit zweisprachigen Aufschriften

© Sara Urak

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Als ähnlich geartete Performanz der Slowenischsprachigkeit kann auch eine Aktion gelten, die Lidija H. regelmäßig gemeinsam mit ihrer Mutter praktiziert: »Und jetzt gehen wir immer in a deutsches Geschäft und i schrei die ganze Zeit mit der Mama, so über alle Regale hinweg auf Slowenisch. Des ist lustig. Des mach ma immer. Und dann is sie eben immer aa stolz auf mi, weil se sagt, ›Super Lidija, genau soo ghert sich’s!‹ Weil uns jeder anschaut. Und i glaub, uns schaut anfach jeder an, weil sie selber wissen, weil sie’s anfach verstehn, was wir redn.« (Lidija H.; 16 Jahre)

Hier wird deutlich, dass die slowenische Sprache Mutter und Tochter nicht bloß als Mittel der Verständigung dient, sondern vielmehr demonstrativ und gezielt dafür eingesetzt wird, um ihre Präsenz in der Wohngemeinde, insbesondere in einem als ›deutsch‹ wahrgenommenen Geschäft, zu erhöhen. Mit der punktuellen und durchaus absichtlich lautstarken Kommunikation in slowenischer Sprache performen Mutter und Tochter einen Umgang miteinander, der in dieser Form im Alltag in der Gemeinde nicht mehr allzu häufig anzutreffen ist, nämlich beim Einkauf ganz selbstverständlich und ohne Vorsatz slowenisch miteinander zu sprechen. Ähnlich wie das ostentative Tragen des T-Shirts hat auch diese Art der Kommunikation den Charakter eines performativen Schauspiels, bei dem es Darstellende und ein rezipierendes Publikum gibt, welches bewusst und aufgrund eines politischen Anliegens mit der Slowenischsprachigkeit konfrontiert werden soll. Ein weiteres Beispiel für die Performanz der Slowenischsprachigkeit liefert die Schülerin Maja T. Wie wir bereits wissen, sind slowenischsprachige Kinder und Jugendliche am Schulweg in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn sie mit ihren Klassenkamerad_innen in ihrer Muttersprache kommunizieren, oftmals mit Anfeindungen und ethnischen Diffamierungen durch deutschsprachige Personen konfrontiert. Als Reaktion auf derartige Erfahrungen entwickeln sie Strategien, damit umzugehen – Maja etwa ging dazu über, ihre Slowenischsprachigkeit sinnfällig zu machen. Wie es dazu kam, beschreibt sie wie folgt: »Also als die, was neben mir am Platz gsessn sind, da abglästert ham über Slowenen und die slowenische Sprache. Und da hab ich mei Mama angrufn und hab absichtlich laut slowenisch gredet. Und die ham bled gschaut ja. Seitdem mach ich des immer, dass ich vor allem im Zug gezielt slowenisch sprech. Und wenn ich allein bin, dann telefonier ich mit meinen Eltern.« (Maja T.; 18 Jahre)

Anders als junge Menschen aus slowenischsprachigen Familien, die einander schon von klein auf kennen und ihren regionalen slowenischen Dialekt als Kommunikationsmittel zur gegenseitigen Verständigung gebrauchen – eben auch auf dem Schulweg –, setzt Maja T. die slowenische Sprache, wenn sie etwa in der Öffentlichkeit

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mit ihren Eltern telefoniert, eher als Element einer punktuellen Performance ein. Denn obwohl sie im familiären Kontext tatsächlich ausschließlich slowenisch spricht – anders als in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis und im schulischen Kontext, wo sie der deutschen Sprache den Vorzug gibt –, ist die beschriebene Aktion eine bewusst herbeigeführte Situation, deren Zweck allein darin besteht, die Umgebung auf ihre Slowenischsprachigkeit aufmerksam zu machen. Mit dieser demonstrativen, durchaus provokativen und politisch motivierten Strategie versucht Maja T., die slowenische Sprache performativ wahrnehmbar zu machen. Materielle Performances der Slowenischsprachigkeit Neben der punktuellen Performance der Slowenischsprachigkeit – in Verkehrsmitteln, beim Warten auf den Bus oder in Geschäften – gibt es noch eine andere Form, in der junge Menschen die Slowenischsprachigkeit ihrer Wohngemeinde performativ unterstreichen: die Repräsentation der Slowenischsprachigkeit mittels materieller Artefakte, genauer gesagt mittels zweisprachiger Ortstafeln. Angesichts der Geschichte der ethnischen Beziehungen und der jahrzehntelangen Nichtaufstellung der Beschilderungen liegt es auf der Hand, dass diesen für die slowenischsprachige Bevölkerung eine besondere Bedeutung zukommt. Abbildung 13: Performanz der Slowenischsprachigkeit II: Der demonstrative performative Einsatz für zweisprachige Ortstafeln

© Zdravko Haderlap

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Die empirische Erhebung, auf der die vorliegende Studie basiert, wurde zur Zeit der Verkündung des sogenannten Ortstafelkompromisses im Sommer 2011 und in den Jahren danach durchgeführt. Für einige junge Menschen hatte sich die Forderung nach zweisprachigen Ortstafeln in ihrer Wohngemeinde erfüllt, andere hatten vergeblich gehofft, da ihre Wohngemeinden es nicht auf den für zweisprachige Beschilderungen notwendigen Mindestanteil an slowenischsprachigen Einwohner_innen von 17,5% brachten. Von den jungen Menschen wird dies zumeist als Ungerechtigkeit empfunden. Luka S. etwa meint: »I waß net, warum se diese kindischen Dingsda gmacht habn mit siebzehnkommafünf Prozent da. Aber so, dass se se aufgstellt hobn is eh guat. Des is fein! I man, des hätten se sowieso machn müssen, weil’s im Staatsvertrag amal steht. I waß net, warum des überhaupt da zur Diskussion gstandn is.« (Luka S.; 17 Jahre)

Der Großteil der Interviewpartner_innen, so auch Luka S., reagierte auf die Einigung über die Aufstellung zweisprachiger topografischer Beschilderungen in 164 Südkärntner Ortschaften grundsätzlich positiv, kritisiert wird jedoch die in dem Kompromiss festgeschriebene prozentuale Hürde. Allerdings waren die zweisprachigen Beschilderungen für junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund vor der Ortstafeleinigung wesentlich präsenter und bedeutsamer. Dies hängt mit ihrer Wahrnehmung zusammen, dass die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/Koroška in erster Linie eine Geschichte der Unterdrückung, Diskriminierung und Stigmatisierung der slowenischen Sprache ist – eine Sichtweise, die durch die Übereinkunft etwas ins Wanken geriet. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass slowenischsprachige Personen mit den geschichtlichen Eckdaten generell bestens vertraut sind, nimmt dieses Thema doch sowohl in Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache als auch in familiären Kontexten eine Schlüsselrolle ein. Dieses Wissen wird von den jungen Menschen aktiv eingesetzt – sie sind um Fakten nicht verlegen, wenn es darum geht zu argumentieren, dass zweisprachige topografische Beschilderungen dem Südkärntner Gebiet seit der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 rechtlich zustehen, jedoch über Jahrzehnte hinweg verweigert wurden. Aus diesem Grund ist die Forderung nach einer angemessenen Repräsentation der Slowenischsprachigkeit in Form zweisprachiger Ortstafeln keineswegs ein bloß vereinzeltes Phänomen, sondern wird von der überwiegenden Mehrheit geteilt. Dass die slowenischsprachige Bevölkerung überhaupt politische Konflikte austragen musste, um zu ihrem Recht zu kommen, ist für die Heranwachsenden nach wie vor unverständlich. So meint Mirko G.: »Auf dem Papier sind wir schon seit vielen Jahren gleichberechtigt. Doch in der Praxis fehlt doch noch einiges, um unsere Rechte zu vervollständigen. Zum Beispiel die zweisprachigen

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Ortstafeln, die uns rechtlich zustehen, die wir aber durch einen Konflikt erkämpfen mussten.« (Mirko G.; 15 Jahre; BADZ)

Für viele Interviewpartner_innen folgt aus solchen Erkenntnissen die Forderung, dass Personen aus slowenischsprachigem Haus sich aktiv für die Erfüllung der gesetzlichen Ansprüche einzusetzen hätten. Wer dies nicht tut, wer nicht für die Aufstellung zweisprachiger Tafeln eintritt oder sich gar dagegen ausspricht, macht sich denn auch oft verdächtig. So etwa berichtet der Schüler Luka S. von einer Mitschülerin, die auf die Beschilderungen nur geringen Wert legt: »Sie is zwar Kärntner Slowenerin, aber i waß net, die steht irgendwie net so dazu. Die hat halt nachher schon, die war irgendwie mehr auf der BZÖ-Seitn und so. […] Was hat’n sie nochmal gsagt? Des woar eigentlich eh, dass sie gegn die zwasprachigen Ortstafeln is, und alles zsammen. ›Wenn ma unbedingt slowenische Aufschriftn haben wollen, dann könnt ma rein theoretisch nach Slowenien aa gehen‹, hat se gsagt.« (Luka S.; 17 Jahre)

Und diese Äußerung, so Luka S. weiter, sorgte in der Klasse für einigen Aufruhr: »Da war halt auf amal a ziemliche Verwunderung, weil des kaner gedacht hat. Und amal, ›Warum?‹, ›Wieso?‹ und alles zsammen. Da woar halt schon ziemlich amal, da ham se halt alle amal kurz a bisserle schief angschaut. Logisch, weil se auf amal so komisch war. […] Und des war ja des Komische. Also die Eltern, bade san echt richtige Kärntner Slowenen, so wie mane Eltern. Aber sie halt net. Waß net, ob sie vielleicht die falschen Freinde mehr so kopiert. Oder ob sie, waß net. Des waß kaner.« (Luka S.; 17 Jahre)

Was das Verhalten der Mitschülerin für Luka S. vollends unbegreiflich macht, ist die Tatsache, dass deren Eltern doch »richtige Kärntner Slowenen« (Luka S.; 17 Jahre) sind – offenbar wird deswegen von ihr erwartet, dass sie sich für die Aufstellung zweisprachiger Tafeln einsetzt. Tatsächlich wurde die Klassenkameradin ob ihres groben Verstoßes gegen diese implizite Verpflichtung von einigen Mitschüler_innen über Wochen hinweg geschnitten. Der Einsatz für zweisprachige Ortstafeln erschöpft sich jedoch nicht in der Forderung nach Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufstellung. Insbesondere in der Zeit vor der Ortstafeleinigung ging dieser Einsatz auch mit der Veranstaltung von materiellen Performances einher. Janez A., ein Absolvent des BG/BRG für Slowen_innen, erzählt, wie eine Reihe von Jugendlichen einmal im Zuge einer symbolischen Aktion an einer Ortseinfahrt zweisprachige Tafeln aufgestellt habe, um auf die traditionelle Slowenischsprachigkeit der Ortschaft aufmerksam zu machen. Was ihnen dabei wiederfuhr, schildert er folgendermaßen:

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»Wir haben organisiert, dass wir dort in dem Ort, in dem keine zweisprachige Ortstafel steht, aber eigentlich stehen sollte, dort haben wir als Symbol eine kleinere zweisprachige Ortstafel gehalten. Da sind wir zehn, fünfzehn Minuten maximal gestanden, und drei Leute haben uns wirklich angemotzt. Einer ist sogar hergekommen und hat sehr aggressiv angefangen, herumzuschreien und hat gesagt: ›Ja, kumm! Hau die Tafel da ins Wasser!‹ Da war ein Bach daneben. ›Hau die Tafel eine! Hau die Tafel eine!‹ Dann ist noch ein Zweiter dazu gekommen. Die haben diskutiert und herumgeschrien und über den Zweiten Weltkrieg philosophiert. Der eine hat gesagt, dass die Partisanen mit den Hoden der Kärntner Fußball gespielt hätten. Das ist kein Scherz, das hat der wirklich so gesagt. Verdreht und erfunden. […] Ich weiß noch, einer hat aus dem Auto rausgeschrien, er würde uns schlagen. Wir haben gesagt, er solle das doch machen, weil fünf Meter weiter war die Polizeistation. Aber er ist dann noch fünf bis zehn Sekunden weiter dort mitten auf der Straße gestanden und hat geschrien, dass er uns schlagen würde. Dann ist er weitergefahren.« (Janez A.; 21 Jahre)

Solche Performances sind mit dem Ortstafelkompromiss von 2011 merklich seltener geworden, doch in Orten, in denen noch immer keine Tafeln stehen, werden diese nach wie vor aktiv eingefordert. Dabei machen slowenischsprachige junge Menschen gemeinsam mit ihren Familien auch über ›private‹ Ortstafeln auf Privatgrundstücken (siehe Abbildung 14) performativ auf die traditionelle Slowenischsprachigkeit ihres Wohnorts aufmerksam, um dessen sprachliche Vergangenheit wie Gegenwart öffentlich sichtbar zu machen. Unterstützt wurde die Aufstellung zweisprachiger Beschilderungen auf Privatgrundstücken durch das Projekt ›Sichtbare Heimat/Vidna Domovina‹, das etwa die Beschriftung der Tafeln übernahm (vgl. Trießnig 2006: S. 4 f). All die verschiedenen performativen Strategien, ob sie nun im Bereich der Kulturarbeit oder abseits von Vereinsstrukturen eingesetzt werden, speisen sich aus der jahrzehntelangen Diffamierung und Stigmatisierung der Slowenischsprachigkeit sowie aus der Nichteinhaltung von Minderheitenrechten. Damit sind die Performances untrennbar verknüpft mit der Warnung vor dem drohenden Verschwinden des ethnischen Alleinstellungsmerkmals Sprache, durch das sie hervorgerufen werden, das sie gleichzeitig aber abzuwenden versuchen. In diesem Zusammenhang wirken die Kassandrarufe und Klagelieder wie eine ›sich selbst zerstörende Prophezeiung‹. Gemäß diesem Konzept, das von dem amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (1968: S. 477) in Anlehnung an das Pendant, die ›sich selbst erfüllende Prophezeiung‹ (ebd.: S. 475) entwickelt wurde, tun Menschen angesichts bedrohlicher Voraussagen alles Erdenkliche dafür, dass das Szenario nicht eintritt. Im Fall der slowenischsprachigen Jugendlichen wären es eben die Performances, mit denen sie die Voraussage des Verschwindens der Sprache ›zu zerstören‹ suchen – und genau dadurch das ethnische Alleinstellungsmerkmal stärken und präsent halten, die bedrohliche Prognose also außer Kraft setzen.

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Abbildung 14: Performanz der Slowenischsprachigkeit III: Eine ›private‹ zweisprachige Ortstafel im Ort Köttmannsdorf/Kotmara vas 1

© Rudolf Kullnig

Folgen des Ortstafelkompromisses Seitens der breiten Öffentlichkeit wird das Beharren der slowenischsprachigen Bevölkerung auf die – auch durch symbolische und materielle Repräsentationen der Slowenischsprachigkeit untermauerte – Forderung nach zweisprachigen Ortstafeln oft abfällig zur Kenntnis genommen. Gleichwohl ist das Eintreten für zweisprachige Beschilderungen zu einem Gutteil eine Reaktion auf erfahrenes Unrecht und die Missachtung garantierter Rechte. Daher wird das Pochen und jahrzehntelange Hinarbeiten slowenischsprachiger Organisationen auf die Einhaltung der Minderheitenschutzbestimmungen vielfach nicht als Fehler, sondern als notwendig erachtet. Dazu Kristian D., ein Absolvent des slowenischsprachigen Gymnasiums:

1

Aufgestellt wurde die ›private‹ Tafel in Eigenregie auf einem Privatgrundstück. Dem Ort Köttmannsdorf/Kotmara vas wurden im Jahr 2011 keine zweisprachigen Beschilderungen zugestanden, da der Anteil der slowenischsprachigen Einwohner_innen mit 6,4% niedriger war als der erforderliche Mindestanteil von 17,5%.

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»Du kannst bei Minderheitenrechten eigentlich keine Kompromisse eingehen mit der Mehrheit. Ich finde, als Minderheit muss man da ein bisschen eine radikalere Einstellung einnehmen. Weil sonst, wenn man sich immer nur assimiliert und unterordnet, irgendwann wird man selber verschluckt.« (Kristian D.; 20 Jahre)

Eine ethnische Gruppe, die eine numerische Minderheit darstellt, hätte in Fragen von Schutzbestimmungen also gar keine andere Wahl, als eine kompromisslose Haltung einzunehmen. Zugeständnisse zu machen könne schnell dazu führen, dass sie »verschluckt« (Kristian D.; 20 Jahre) werde. Dass mit dem Ortstafelkompromiss und dem Aufstellen der Tafeln zentrale politische Forderungen erfüllt wurden, auf die rund sechzig Jahre gewartet werden musste, ist nach dem Dafürhalten des jungen Mannes dennoch nicht nur als positive Entwicklung für die slowenischsprachige Bevölkerung zu sehen: »Das war auch der Fehler der slowenischen Organisationen, dass immer nur das Thema der Ortstafeln, dass immer nur das in den Medien war. Es wurde nie über die Amtssprache gesprochen, es wurde nie über die Finanzierung zweisprachiger Organisationen, wie die zweisprachige Musikschule, über das wurde nie in der Öffentlichkeit gesprochen. Sondern nur über die Wegweiser. Die Tafeln haben eigentlich nur einen symbolischen Wert. Weil wichtiger ist eigentlich die Amtssprache. Aber des is irgendwie schon a bissi untergangen. […] Aber dadurch besteht natürlich die Gefahr, dass wir Kärntner Slowenen nur auf zweisprachige Ortstafeln reduziert werdn, und dass alle anderen Fragen, die weit wichtiger sind, untergehn.« (Kristian D.; 20 Jahre)

Bei aller Genugtuung darüber, dass die der slowenischsprachigen Bevölkerung zuerkannten Minderheitenrechte von staatlicher Seite seit Jahrzehnten erstmals – wenn auch nicht in vollem Umfang – erfüllt wurden, will der Interviewpartner nicht ausschließen, dass sich dies für sie durchaus zum Nachteil entwickeln könnte, seien durch die Fokussierung auf die zweisprachigen Ortstafeln doch andere wichtige Themen wie die Frage der Amtssprachen oder der Finanzierung zweisprachiger Bildungsinstitutionen lange Zeit sträflich vernachlässigt worden. Als Verantwortliche dafür identifiziert er einerseits die Medien, andererseits die slowenischen Vertretungsorganisationen. Kristians Befürchtungen werden von weiten Teile der slowenischsprachigen Bevölkerung und auch von Vertreter_innen der slowenischen Interessensorganisationen geteilt. So konstatierte der Obmann des NSKS zum fünften Jahrestag des Ortstafelkompromisses im April 2016, dass »das Klima […] besser geworden [sei (J. K.)], aber der Volksgruppe geht es schlechter« (Der Standard 2016a). Ähnlich äußert sich der slowenischsprachige Rechtsanwalt Rudi Vouk, der vor dem Verschwinden der

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Sprache warnt. Mit drastischen Worten beklagt er den Rückgang der Zahl slowenischsprachiger Menschen, mit dem er die Befürchtung verbindet, dass »irgendwann […] eine ›kritische Menge‹ erreicht [werde (J. K.)], ab der das Aussterben des slowenischen Sprachgebrauchs in Kärnten nicht mehr aufzuhalten sei« (ebd.). Noch lassen sich die Konsequenzen, die sich aus der Ortstafeleinigung ergeben, nicht abschließend beurteilen. Zweifelsohne birgt der Kompromiss eine Gefahr für die slowenischsprachige Bevölkerung, insbesondere deswegen, weil sich der performative Einsatz für die Präsenz der Slowenischsprachigkeit zu großen Teilen aus der historischen Unterdrückung, Ungleichbehandlung und Stigmatisierung speist. Mit der Aufstellung der Tafeln wird dem zumindest partiell das Wasser abgegraben. Freilich muss dies nicht zwangsläufig negative Folgewirkungen für die slowenischsprachige Bevölkerung haben. Denn die Ortstafelfrage ist nur ein – wenn auch der augenfälligste und medial präsenteste – Ausdruck der historisch gewachsenen Ungleichbehandlung und jahrzehntelangen Stigmatisierung des Slowenischen in Kärnten/Koroška. Die latente Bedrohung der Slowenischsprachigkeit besteht weiterhin fort und wird durch die Ortstafeleinigung keineswegs aufgehoben.

8.5 DIE PERFORMANZ DES ETHNISCHEN IN DER FREIZEIT: EINE ZUSAMMENFASSUNG Inhaltlich Wie die Analyse der Freizeitkontexte zeigt, ist eines der Hauptmotive für die Praxis des Ethnischen slowenischsprachiger junger Menschen die wahrgenommene Gefährdung der Slowenischsprachigkeit. Dabei beziehen sie sich zum einen auf statistische Daten, denen zufolge die Zahl slowenischsprachiger Menschen im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet rückläufig ist, eine Überalterung der Bevölkerungsgruppe stattfindet und die Sprachkompetenzen in den regionalen slowenischen Dialekten zurückgehen. Zum Ausdruck kommen die Befürchtungen der Heranwachsende in Form von Klageliedern, in denen sie den Niedergang der Slowenischsprachigkeit betrauern, sowie von Kassandrarufen, mit denen sie vor dem »Untergang« (Marija H.; 18 Jahre) oder dem »Aussterben« (Zdravko Š.; 16 Jahre) der Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška warnen. Zum anderen bemühen sie oftmals historische Mythen, wie beispielsweise den Karantanierstaat des frühen Mittelalters, die sie aber nostalgisch verklären und verzerren. Verweise auf die Vergangenheit werden denn auch nicht in der Absicht gemacht, historische Entwicklungen zu diskutieren, sondern um die Bedeutung der Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška in der Gegenwart zu unterstreichen und daraus Ansprüche und eine Legitimität in der Jetztzeit abzuleiten, sich gegen das dro-

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hende Verschwinden der Sprache einzusetzen und diesem Prozess Einhalt zu gebieten. Dass es in den vergangenen dreißig Jahren zu einer numerischen Stabilisierung der slowenischsprachigen Bevölkerung kam und dass der Schwund sowie die Überalterung im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet aus der Migration junger Menschen in Kärntner Großstädte resultieren, bleibt dagegen weitgehend unbeachtet. Abgesehen davon liegt die Erklärung für das Verblassen der lokalen slowenischen Dialekte nicht nur in der Geschichte der ethnischen Beziehungen, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Rückgang des dialektalen Sprachgebrauchs (vgl. Scheutz 1982), von dem nicht nur die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška betroffen ist. Nichtsdestotrotz verstärkt die Abnahme der Dialektkenntnisse den bestehenden Eindruck, dass die Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška zu verstummen droht. Es ist daher festzuhalten, dass das Verschwinden der Sprache, obwohl großteils demografischen Entwicklungen geschuldet, durch slowenischsprachige Personen stets aktiv in Szene gesetzt und damit quasi allgegenwärtig gehalten wird. In der Folge gibt das latente Bedrohungsszenario Anlass zu spezifischen Aktionen und performativen Strategien. Eine Form, die das Engagement für die Slowenischsprachigkeit annehmen kann, sind kulturelle Aktivitäten. Das Kulturschaffen in örtlichen Kulturvereinen ist daher weniger als Traditionspflege oder als unbefangene künstlerische Freizeitbetätigung zu verstehen, vielmehr soll durch derartige Aktivitäten die Präsenz der Slowenischsprachigkeit in der Öffentlichkeit gestärkt und die slowenische Sprache in Gestalt der künstlerischen Ausdrucksform der Performance in der außerfamiliären, öffentlichen Sphäre sichtbar in Szene gesetzt werden. Dafür, dass es sich bei der kulturellen Betätigung oftmals um einen Einsatz gegen das Verschwinden der Sprache handelt, spricht auch, dass sich die Themen von Stücken, Liedern oder sonstigen künstlerischen Werken häufig um ethnische Diffamierungen, erfahrenes Unrecht oder Leid drehen. Durch ein engmaschiges Netz an kulturellen Einrichtungen werden Heranwachsende schon von frühester Kindheit an an diese Kulturarbeit herangeführt. Um deutschsprachigen Personen vor Augen zu halten, dass die slowenische Sprache nichts Fremdes in Kärnten/Koroška ist, findet der performative Einsatz für die Slowenischsprachigkeit auch abseits von Vereinen statt, wobei sich der Grad der Intentionalität und Vorsätzlichkeit je nach Performance unterscheidet. Ein solcher Einsatz kann in der Form passieren, dass junge Menschen in Geschäften deutlich vernehmbar in slowenischer Sprache miteinander kommunizieren, dass sie bewusst T-Shirts mit zweisprachigen Aufschriften tragen oder dass sie bei abfälligen Äußerungen über das Slowenische ihren ethnischen Hintergrund erst recht nach außen kehren – siehe das Beispiel der Interviewpartnerin, die anlässlich einer solchen Begebenheit in provokativer Absicht ihre Eltern anrief, um sich mit ihnen auf Slowenisch zu unterhalten. Mit derartigen Aktivitäten soll letzten Endes die Präsenz des

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Slowenischen symbolisch erhöht und dem Verschwinden der Slowenischsprachigkeit Einhalt geboten werden. Eine weitere Variante des performativen Einsatzes für die Slowenischsprachigkeit hängt mit zweisprachigen Ortstafeln zusammen. Vor allem in der Vergangenheit machten slowenischsprachige junge Menschen mit ihrer Forderung nach Anbringung und der fallweisen eigenmächtigen Aufstellung der Beschilderungen auf das jahrzehntelange Versäumnis der Einlösung garantierter Minderheitenrechte aufmerksam. Zwar wurden diese Aktivitäten durch die Ortstafeleinigung von 2011 partiell obsolet, in den Orten, denen keine zweisprachigen Tafeln zuerkannt wurden, ist dieser performative, materielle Einsatz jedoch weiterhin präsent. Um den traditionell slowenischsprachigen Charakter ihrer Wohngemeinde symbolisch zu untermauern, bringen junge Einwohner_innen gemeinsam mit ihren Familien eben ›private‹ zweisprachige Ortstafeln an. Die Fokussierung dieser Strategien auf die Sprachlichkeit bzw. deren symbolische Darstellung ist damit zu erklären, dass sie das einzige ethnisch markierte Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen ist, das sich gezielt performen und in Szene setzen lässt. Konzeptionell Grundsätzlich zeigt sich bei der Analyse des Umgangs mit der Slowenischsprachigkeit im Freizeitkontext, dass das Ethnische in diesem Alltagsbereich weder allein auf die strukturelle noch ausschließlich auf die subjektive Ebene reduziert werden kann. Insbesondere hinsichtlich der kulturellen und künstlerischen Betätigung erschließt sich die Praxis des Ethnischen erst, wenn die strukturierende Ebene sozialer Ordnungen und die Handlungspotenziale der jungen Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden. Da sich das kulturelle Leben der slowenischsprachigen Bevölkerung gerade nicht durch eine Verkettung von vollkommen autonom getroffenen Entscheidungen weniger individueller Akteure konstituiert, lässt es sich nur erklären, wenn auch die bestehende engmaschige Organisationslandschaft slowenischsprachiger Kulturvereine und die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen einbezogen werden. Diese strukturell gegebene Bühne stellt die Voraussetzung dafür dar, dass die jungen Menschen überhaupt kulturell aktiv sein können – mit der Folge, dass kaum eine Person aus slowenischsprachigem Elternhaus im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet nicht in einem Kulturverein oder in einem Sportverein aktiv ist. Die bestehenden Organisationsstrukturen sind darauf ausgerichtet, die einzelnen Akteure von Kindesbeinen an darin zu fördern, dass sie entsprechende Vorlieben und Fertigkeiten für die Ausführung kultureller bzw. künstlerischer Praktiken ausbilden und verinnerlichen. Gleichwohl verfügen die einzelnen Akteure über umfangreiche Freiheiten und Handlungsoptionen So können die jungen Menschen, natürlich abhängig von individuellem Interesse oder dem Wohnort, stets zwischen verschiedenen

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Aktivitäten – Laientheater, Tanz- oder Puppentheatergruppe, Chor, Tamburicaensemble, Musikband etc. – wählen. Und selbstverständlich können sie sich dem Engagement bzw. der Mitwirkung in kulturellen Einrichtungen auch verweigern, dies stellt jedoch die Ausnahme dar. Letztendlich hängt die performative Umsetzung von Theateraufführungen oder Chorauftritten von den individuellen Handlungspotenzialen der einzelnen Akteure ab. Gleiches gilt für die praktische Durchführung und performative Umsetzung der Praxis des Ethnischen in Freizeitkontexten abseits von Vereinen – auch an deren Zustandekommen sind sowohl die akteurszentrierte als auch die strukturelle Ebene beteiligt. Denn wiewohl Praktiken wie das provokative Tragen von T-Shirts mit zweisprachigen Aufschriften, das eigenmächtige Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln oder das laute, provokative Sprechen des Slowenischen in der Öffentlichkeit Sache der einzelnen Individuen sind, erschließen sich ihre Motive und Auslöser erst vor einem strukturellen Hintergrund, etwa der Geschichte der ethnischen Beziehungen. In der Performanz der Slowenischsprachigkeit kommt erneut deutlich zum Ausdruck, dass die symbolische Ebene für das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung von außerordentlicher Bedeutung ist. So konnte bereits gezeigt werden, dass die Sprache als ethnisches Alleinstellungskriterium des Kärntner Slowenischen weniger im Sinne eines Kommunikationsmittels in der alltäglichen Praxis als vielmehr aufgrund ihres Status als identitätsstiftendes Symbol fungiert. In konzeptioneller Hinsicht bedeutet dies, dass das Kärntner Slowenische in seiner praktischen Ausprägung Übereinstimmungen mit dem Verständnis des Ethnischen von Herbert Gans, also mit dessen Konzept der ›symbolic ethnicity‹ (1979, 1994), aufweist. Die Bedeutung des symbolischen Charakters des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung, die Tatsache, dass sich das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung heute mehr und mehr in symbolischen Fragen zeigt und sich zumindest partiell von alltagspraktischen Gebrauchsformen entkoppelt hat, ist darauf zurückzuführen, dass die alltagspraktische Relevanz der Slowenischsprachigkeit in den vergangenen Jahrzehnten weiter zurückging – eine Entwicklung, die zur Folge hat, dass die Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška als vom Verschwinden bedroht dargestellt wird. Wenngleich diese Prognose sich auf Fakten berufen kann, erlangt sie alltagspraktische Wirksamkeit vor allem dadurch, dass das Bedrohungsszenario stets präsent gehalten und von jungen slowenischsprachigen Menschen verinnerlicht wird. Und durch das Anstimmen von Kassandrarufen und Klageliedern mit dem Refrain vom baldigen Aussterben des Kärntner Slowenischen richtet sich die Aufmerksamkeit der Menschen von einer wirkmächtigen Vergangenheit auf Gegenwart und Zukunft der Slowenischsprachigkeit in der Südkärntner Region, was wiederum mit der Beschwörung des Zusammenhalts der slowenischsprachigen Bevölkerung und der ethnischen Solidarität einhergeht. So führt das beständige Thematisieren des Ver-

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schwindens der Slowenischsprachigkeit zu einem vermehrten Einsatz für die slowenische Sprache. Mit anderen Worten befördert die stetige Befürchtung, dass die Slowenischsprachigkeit verstummt, gerade ihre Präsenz. Eine Präsenz durch Verschwinden also. Demnach ist die symbolische Tönung des Ethnischen keineswegs als kognitives, praxisenthobenes Phänomen zu verstehen. Tatsächlich kommen in ihr Mechanismen zum Vorschein, die an das von Robert K. Merton entwickelte Konzept der sich selbst zerstörenden Prophezeiung erinnern. All den performativen Tätigkeiten ist zudem gemein, dass ihnen im Alltag keine konstitutive Rolle zukommt – ihr Hauptanliegen ist es, die Slowenischsprachigkeit im öffentlichen Raum insbesondere für die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung sichtbar zu machen. Dieser performative Gebrauch des ethnischen Alleinstellungsmerkmals, der slowenischen Sprache, macht die Bevölkerungsgruppe so besonders und hebt sie von allen anderen ethnischen Gruppen in Österreich markant ab. Aus diesem Grund ist das Kärntner Slowenische in konzeptioneller Hinsicht als performative Ethnizität zu begreifen. Denn erst infolge der kontinuierlichen performativen Beschwörung des drohenden Sprachverlusts in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen entfaltet das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung seine ganze Tragweite und Tiefe.

Zusammenführung und Perspektiven

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Performative Ethnizität: Die praxistheoretische Dechiffrierung des Kärntner Slowenischen

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der empirischen Analysen zusammengeführt. Nach einer knappen Darstellung der Hauptmerkmale des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška mit Blick auf Familie, Schule und Freizeit (9.1) arbeite ich auf dieser Basis heraus, was das Kärntner Slowenische in ethnizitätstheoretischer Hinsicht kennzeichnet (9.2). Dabei zeigt sich, dass das Ethnische der Bevölkerungsgruppe als performative Ethnizität zu verstehen ist. Dargelegt werden zudem die konzeptionellen Anknüpfungspunkte einer praxistheoretischen Sichtweise auf Ethnizität. Im Abschnitt 9.3 lege ich abschließend dar, welche neuen, bis dato unbeachteten Aspekte eine solche sozialtheoretische Analyseperspektive zum Verständnis des Kärntner Slowenischen beizutragen vermag.

9.1 DIE PRÄSENZ DER SPRACHE DURCH IHR DROHENDES VERSCHWINDEN: INHALTLICHE ECKPFEILER DES KÄRNTNER SLOWENISCHEN Soziale ethnische Identitäten, die slowenische Sprache und die Kategorie des Kärntner Slowenischen Ein zentrales Moment der Praxis des Ethnischen sind ethnische Kategorien. In der empirischen Analyse zeigt sich, dass für slowenischsprachige Menschen die dominante ethnische Identifikationskategorie das Kärntner Slowenische darstellt, wobei soziale ethnische Identitäten im Zuge eines Wechsel- und Zusammenspiels von Selbstverortungen und Fremdzuschreibungen (durch Angehörige der Eigengruppe ebenso wie der Außengruppe) ausgebildet werden. Dementsprechend herrscht be-

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züglich der ethnischen Selbstverortungen – insbesondere, was den Grad der ethnischen Identifikation angeht – eine große Diversität. Während sich eine Gruppe junger slowenischsprachiger Menschen vorbehaltlos mit dem Kärntner Slowenischen identifiziert, ist dies bei einem zweiten Lager nur mit Abstrichen und Einschränkungen der Fall. Bei Letzterem rückt oftmals das Prinzip der Zweisprachigkeit als eigenständige ethnische Kategorie in den Mittelpunkt. Als das ethnische Alleinstellungsmerkmal des Kärntner Slowenischen schlechthin fungiert die slowenische Sprache. Diese wird als Abgrenzungskriterium gegenüber anderen ethnischen Gruppen in Kärnten/Koroška herangezogen, auch deshalb, weil andere kulturelle Aspekte, denen in der alltäglichen Praxis Bedeutung zukommen und der Status eines ethnischen Alleinstellungsmerkmals zugeschrieben werden könnte, nicht zur Verfügung stehen. Ein besonders enger emotionaler Bezug besteht dabei zu den regionalen slowenischen Mundarten, weniger jedoch zur slowenischen Hoch- oder Schriftsprache. Ein wesentliches Merkmal der ethnischen Kategorie des Kärntner Slowenischen ist sein hybrider, ambivalenter Charakter. Denn das Kärntner Slowenische zeigt sich als etwas Unreines, Vermischtes, das zwischen dem slowenischen und dem deutschen ethnischen Lager steht und Elemente beider Seiten in sich vereint. Die Grundvoraussetzung, um von außen als Kärntner Slowen_in anerkannt zu werden, ist die Herkunft aus einer Kärntner Familie, in der zumindest ein Elternteil slowenischsprachig ist. Für die ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowen_in wie auch für die ethnische Zuschreibung von außen ist nicht zwingend das Ausmaß, in dem die slowenische Sprache außerhalb des familiären Kontextes gesprochen wird, ausschlaggebend, im Vordergrund steht vielmehr, ob und inwiefern sich Akteure aktiv für die Präsenz und Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit einsetzen. Die ethnische Kategorie des Kärntner Slowenischen weist zudem strukturelle Aspekte auf, in denen sich die Geschichte der ethnischen Beziehungen in Kärnten/ Koroška spiegelt und die sich gleichfalls in den ethnischen Selbstverortungen der jungen Menschen niederschlagen. Der Umstand, dass in der Geschichte der ethnischen Beziehungen die Selbstverortung als Kärntner Slowen_in in der Regel soziale Stigmatisierung und Abwertung zur Folge hatte, wird bis heute darin fortgeschrieben, dass die ethnische Selbstverortung oftmals im Verteidigungston formuliert wird, gerade so, als handele es sich beim Kärntner Slowenischen um etwas, für das man sich entschuldigen und genieren müsse. Mittlerweile findet diesbezüglich allerdings mehr und mehr eine Umwertung statt, gewinnt die Slowenischsprachigkeit auch für deutschsprachige Personen an Attraktivität und Anschlussfähigkeit. Außer in dieser defensiven Haltung tritt der soziale Charakter des Kärntner Slowenischen auch dadurch in Erscheinung, dass Letzteres als ethnischer Gegenentwurf zur deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung kultiviert wird. In diesem Zusammenhang zeichnen

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junge Menschen oft ein vereinheitlichendes Bild der slowenischsprachigen Bevölkerung als einer engen Gemeinschaft, entweder als (Groß-)Familie oder als Freundeskreis. Diese Vorstellungen erwachsen aus dem geringen numerischen Umfang der Sprachgruppe, aus gemeinsamen Unternehmungen wie dem regelmäßigen Besuch von oder dem Mitwirken an Kulturveranstaltungen sowie aus einem dichten Beziehungsnetz und einem hohen Organisationsgrad. Gleichzeitig verweigern sich Heranwachsende gegenüber einer Nationalisierung des Ethnischen. So geht ihr Selbstverständnis als Kärntner Slowen_in in der Regel damit einher, dass sie sich sowohl gegenüber dem Slowenischen als auch gegenüber dem Österreichischen abgrenzen. Slowenischsprachigkeit als familiäres Erbstück Um sich als Kärntner Slowen_in selbst zu verorten und als solche oder solcher von außen angenommen zu werden, bedarf es also, wie oben angemerkt, eines slowenischsprachigen Familienhintergrunds. Dieser kann jedoch durchaus unterschiedlich geartet sein. Denkbar sind sowohl homogen slowenischsprachige Familienkonstellationen, in denen eine stete, lineare Weitergabe der Sprache stattfand, als auch gemischtsprachige Familien, die sich durch eine Integration, Reintegration oder Wiederaneignung der Slowenischsprachigkeit auszeichnen. Bei der empirischen Analyse zeigt sich, dass der Sozialraum, in dem der slowenischen Sprache die größte alltagspraktische Relevanz als Kommunikationsmedium zukommt, der familiäre Kontext ist. Somit fungiert das familiäre Gefüge als Bastion der Slowenischsprachigkeit, nicht zuletzt deswegen, weil die Sprache im familiären Kontext nicht nur als Verständigungsmittel dient, sondern auch mit sozialen Bedeutungen aufgeladen wird und so den Status eines Erbstücks erlangt. Dieses prägt familiäre Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukunftsperspektiven. Besonders in homogen slowenischsprachigen Familien ist die sprachliche Tradition – angesichts von Märtyrer_innen und Kämpfer_innen, die ihr Leben für die Aufrechterhaltung der Slowenischsprachigkeit eingesetzt haben – ein oftmals sakrosankter, hochheiliger Gegenstand. In solchen Konstellationen identifizieren sich junge Menschen vorbehaltlos mit der sprachlichen Familientradition. Durch den alltäglichen Sprachgebrauch wird in diesen Familien die Vergangenheit der ethnischen Beziehungen und die Geschichte der Gewalt, Vertreibung und Unterdrückung der slowenischen Sprache in Kärnten/Koroška stets vergegenwärtigt und präsent gehalten. Daneben setzen sich junge Menschen – vornehmlich aus gemischtsprachigen Elternhäusern – mitunter durchaus kritisch mit der Slowenischsprachigkeit auseinander. Dabei kann es im Zuge partieller Abnabelungstendenzen vom Elternhaus auch zur Entethnisierung des Sprachgebrauchs kommen. Doch auch in solchen familiären Konstellationen bildet die Slowenischsprachigkeit zumeist einen wesentlichen Bestandteil der Familientradition. Ungeachtet des konkreten familiären Gefüges besteht natürlich stets die Möglichkeit, dass Heranwachsende das Erbstück nicht pflegen

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oder vergessen, sodass es den Eltern oder anderen Familienangehörigen zukommt, das Erbe zu beaufsichtigen und zu wahren. Dergestalt – indem sie deren Lebensentwürfe determiniert oder relativ prägt – nimmt die sprachliche Familientradition Einfluss auf die Schalung der Zukunft der jungen Menschen. Festzustellen ist jedoch in beiden Fällen, dass das familiäre Erbstück, die Slowenischsprachigkeit, dieser unverkennbar seinen Stempel aufdrückt. Die partielle Verdrängung der Sprache in zweisprachigen Bildungsinstitutionen Außerhalb des familiären Rahmens vollzieht sich die Praxis des Ethnischen weitgehend im schulischen Kontext. Bei der Untersuchung zeigt sich, dass die slowenischsprachige Kommunikation im Zuge des Besuchs gleich welcher Schule mit Slowenisch als Unterrichtssprache im außerfamiliären Alltag der Schüler_innen zurückgeht und zumindest partiell durch die deutsche Sprache verdrängt wird. Die Weichen dafür werden bereits im zweisprachigen Kindergarten und in der zweisprachigen Volksschule gestellt. In diesen Einrichtungen verinnerlichen viele Kinder aus slowenischsprachigen Familien die deutsche Sprache als ›In‹-Sprache der außerfamiliären Kommunikation. Die Ursachen dafür variieren. Neben einer deutschsprachig dominierten medialen Umwelt und der tendenziellen Bevorzugung der deutschen Sprache im Unterricht tragen auch der große Anteil von Kindern aus deutschsprachigen Familien in den Klassen sowie die Notwendigkeit für slowenischsprachige Kinder, außerhalb des Unterrichtsgeschehens deutsch zu sprechen, um in der schulischen Peergroup dazuzugehören, zu dieser Entwicklung bei. Oftmals erweist sich der Aufstieg der deutschen Sprache zur ›In‹-Sprache für die Kommunikation außerhalb des familiären Kontextes als irreversibler Prozess – der einzige Ort, an dem dies nicht der Fall ist, ist das BG/BRG für Slowen_innen. Wenn sich Kinder aus slowenischsprachigen Familien hingegen nach der Volksschule entscheiden, eine Schule ohne Slowenisch als Unterrichtssprache zu besuchen, führt dies unweigerlich zu einem Verblassen der Slowenischsprachigkeit – bis hin zu ihrer völligen Verbannung in den familiären Kontext oder den örtlichen Kulturverein. Aber auch die Entscheidung, nach der zweisprachigen Volksschule eine der Sekundarschulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache zu besuchen, hat in der Regel zur Folge, dass die Schüler_innen außerhalb des familiären Kontextes weniger slowenisch sprechen. Der Umgang mit der Sprache unterscheidet sich dabei je nach Schule. So ist an der Zweisprachigen HAK sowie an der HLW eine Ökonomisierung der Slowenischsprachigkeit feststellbar – an diesen Schulen werden Slowenischkenntnisse eher als Konkurrenzvorteil im Berufsleben oder am Arbeitsmarkt gesehen. Gleichzeitig findet dort aber auch eine partielle Entethnisierung des slowenischen Sprachgebrauchs statt. Die slowenische Hochsprache ist in der Regel nur im Unterricht sowie in der Kommunikation zwischen Schüler_innen, die aus Slowenien

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stammen, präsent. Regionale slowenische Dialekte werden indes nur außerhalb des Unterrichts gesprochen, und zwar nur zwischen Sprecher_innen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund, die aus derselben Gemeinde kommen und einander seit der Volksschule kennen. Bei Sprecher_innen unterschiedlicher regionaler slowenischer Dialekte wird hingegen Deutsch als Verkehrssprache gewählt. Etwas anders verhält es sich am slowenischsprachigen Gymnasium. An dieser Schule fungiert die slowenische Sprache als ethnisches Identifikationsobjekt, dessen Bedeutung durch den Lehrplan, insbesondere durch den intensiven slowenischen Sprachunterricht in den ersten Schuljahren und durch Interventionen des Lehrpersonals zusätzlich unterstrichen wird. Im Zuge dessen wächst bei Schüler_innen die Überzeugung, dass die slowenische Sprache vom Verschwinden bedroht ist und dass sie sich für deren Erhalt und deren Präsenz im Südkärntner Raum aktiv einsetzen müssen. Aus diesem Grund stellt das BG/BRG für Slowen_innen eine Art ethnische Identitätsschmiede dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass Heranwachsende, die die Schule besuchen, im schulischen Alltag auch mehrheitlich slowenisch sprechen – wie in anderen Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache trifft das nur auf die Schüler_innen zu, die den gleichen regionalen slowenischen Dialekt sprechen und sich bereits vor der Einschulung kannten. Bei allen anderen ist im Schulhof, in den Pausen, generell außerhalb des Unterrichts sowie auch in den Wohnheimen eher Deutsch die bevorzugte Umgangssprache. Damit stellt das BG/BRG für Slowen_innen zwar kein Bollwerk, aber zumindest einen geschützten Hort der Slowenischsprachigkeit dar. Der performative Sprachgebrauch und der Einsatz gegen das Verschwinden der slowenischen Sprache Nach den Klageliedern und Kassandrarufen der jungen Menschen zu urteilen, ist das Damoklesschwert des Aussterbens der slowenischsprachigen Bevölkerung und des Verstummens der Slowenischsprachigkeit kurz davor – und das ließe sich auch durch statistische Daten belegen –, auf den gesamten Südkärntner Raum herabzustürzen. Um ihren Klageliedern noch mehr Nachdruck zu verleihen und vor allem, um den Nachweis zu führen, dass die slowenische Sprache etwas zu Kärnten/Koroška Gehöriges sei, berufen sie sich gerne auf historische Mythen, denen zufolge alle heutigen slowenischsprachigen Kärntner_innen Nachkommen des mittelalterlichen Staats der Karantanier_innen und demnach die ›erste‹ Bevölkerungsgruppe vor der deutschsprachigen seien. Die Gefahr, dass die Slowenischsprachigkeit in Kärnten/Koroška verblassen oder verschwinden könnte, wirkt handlungsanleitend und setzt performative Strategien in Gang. Zum einen sind es Performances – wie beispielsweise das unüberhörbare, provokative Slowenischsprechen an öffentlichen Plätzen, in Geschäften oder in Verkehrsmitteln, das Tragen von Kleidungsstücken mit zweisprachigen Aufschriften

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oder das eigenmächtige Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln –, mit denen sich junge Menschen als bewusste Kämpfer_innen für den Erhalt und für die Präsenz der Slowenischsprachigkeit im öffentlichen Raum präsentieren. Dieser performative Gebrauch des ethnischen Alleinstellungsmerkmals, der slowenischen Sprache, macht die slowenischsprachige Bevölkerung so besonders und hebt sie von allen anderen ethnischen Gruppen in Österreich markant ab. Zum anderen engagieren sie sich auch im Rahmen von Kulturvereinen und kulturellen Veranstaltungen performativ für den Gebrauch der slowenischen Sprache als eines künstlerischen Ausdrucksmittels und damit für die Präsenz der Slowenischsprachigkeit in der außerfamiliären Sphäre. Abbildung 15: Performanz der Slowenischsprachigkeit IV: Eine ›private‹ zweisprachige Ortstafel in der Stadt Ferlach/Borovlje1

© Franz Wutti

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Auch die Stadt Ferlach/Borovlje blieb von der Aufstellung zweisprachiger Beschilderungen ausgeschlossen, da der Anteil der in ihr lebenden slowenischsprachigen Einwohner_innen mit 8,3% deutlich unter der im Ortstafelkompromiss 2011 festgelegten Untergrenze von 17,5% liegt.

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9.2 KONZEPTIONELLE ANKNÜPFUNGSPUNKTE EINER PRAXISTHEORETISCHEN PERSPEKTIVE AUF ETHNIZITÄT Bisherige Studien haben das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung – auch in Ermangelung adäquater Konzeptionen – nur einseitig betrachtet, dabei lässt es sich in seiner Tragweite und Vielschichtigkeit erst aus einer praxistheoretischen Forschungsperspektive nachvollziehen. Denn – das wird in den empirischen Analysen deutlich – eine praxistheoretische Perspektive kann an verschiedene bestehende Konzeptionen von Ethnizität anknüpfen, die jeweils einen Schlüssel zum Verständnis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung anbieten und damit gleichsam als Eckpfeiler des praxistheoretischen Verständnisses des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung fungieren. Hierbei handelt es sich um folgende Ansätze: (I) das Konzept der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker, (II) die Konstituierung sozialer ethnischer Identitäten, aufbauend auf den Konzeptionen von Richard Jenkins und Stuart Hall, (III) akteurszentrierte Potenziale und Wahloptionen im Sinne der ›ethnic options‹ von Mary Waters, (IV) die Bedeutung strukturierender Ordnungen für die ›Soziogenese einer ethnischen Minorität‹ nach Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora sowie (V) die symbolische und performative Dimension des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung im Anschluss an Herbert Gans. In den nachfolgenden Abschnitten werden diese Ansätze und deren Anschlussfähigkeit für eine praxistheoretische Analyse von Ethnizität nochmals beleuchtet. Konzeptioneller Anknüpfungspunkt I: ›ethnicity without groups‹ Für eine grundsätzliche Annäherung an das Phänomen Ethnizität aus praxistheoretischer Sicht bietet sich eine Orientierung an dem Konzept der ›ethnicity without groups‹ von Rogers Brubaker und dessen Differenzierung in ethnische Kategorien und ethnische Gruppen an. So deckt sich die methodologische Grundposition eines praxistheoretischen Ansatzes mit der Ansicht Brubakers, wonach es zwar keine ethnischen Gruppen im substanziellen Sinne, sehr wohl aber ethnische Kategorien, also bestimmte Vorstellungen von dieser ethnischen Gruppe gibt. Entsprechend sei der empirische Fokus auf ethnische Kategorien zu richten und zu fragen, welche alltagspraktische, handlungsanleitende Wirkung diese haben. Denn diese Klassifizierungen sind keineswegs praxisenthoben, sondern stehen in einer engen Beziehung zur Praxis des Ethnischen. Bezogen auf die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška bedeutet dies Folgendes: Wiewohl die ethnische Gruppe der Kärntner Slowen_innen nicht per se als reale Entität existiert, bestehen durchaus in ethnische Kategorien gegossene, konkrete Vorstellungen davon, was diese Gruppe auszeichnet und von der deutschsprachigen Bevölkerung abhebt. Indem sich junge Menschen an diesen Bildern und

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Imaginationen des Kärntner Slowenischen orientieren, entfaltet sich deren praktische Bedeutung. Beispielsweise in der Form, dass sie sich als Angehörige der ethnischen Gruppe der Kärntner Slowen_innen empfinden, dass sie eine zweisprachige Schullaufbahn einschlagen oder dass sie sich dafür entscheiden, im örtlichen slowenischsprachigen Kulturverein aktiv zu werden. Von Relevanz ist die ethnische Kategorie für junge Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund nicht erst mit dem Eintritt in eine Sekundarschule mit Slowenisch als Unterrichtssprache, sondern selbstverständlich von frühester Kindheit an. Festgemacht wird die ethnische Kategorie an einem kulturellen Merkmal, eben der Slowenischsprachigkeit, der aufgrund ihrer immensen Bedeutung für das alltägliche Miteinander der Status eines ethnischen Alleinstellungsmerkmals zugeschrieben wird. Dass sich slowenischsprachige Menschen mit dem Kärntner Slowenischen identifizieren, dass die ethnische Kategorie essenzieller Bestandteil ihres Selbstbildes ist und sie sich im Alltag dementsprechender Strategien und Gepflogenheiten bedienen, erlaubt also nicht den Umkehrschluss, dass die slowenischsprachige Bevölkerung auch eine tatsächlich existierende ethnische Gruppe darstellt. Denn ungeachtet ihrer praktischen Wirkmächtigkeit und der Relevanz des Ethnischen im Alltag handelt es sich bei ethnische Gruppen um rein kognitive Vorstellungen. Den slowenischsprachigen Menschen ist gemein, dass sie gemeinsame Wünsche, Orientierungen und praktische Handlungsrealitäten teilen. Daher kann – im Sinne Brubakers – ein detailliertes Verständnis des Ethnischen der Bevölkerungsgruppe nur über die Analyse der alltäglichen Praxis, in der Fragen des Ethnischen zur praktischen Anwendung kommen, erlangt werden. Das Brubaker’sche Konzept der ›ethnicity without groups‹ bildet somit das Grundgerüst einer praxistheoretischen Perspektive auf Ethnizität. Offen bleibt in diesem Zusammenhang, wie ethnische Kategorien entstehen und wie diese konkret auf Akteure und deren Aktivitäten wie Orientierungen Einfluss nehmen. In diesen Fragen bietet sich ein Rückgriff auf andere, bereits bestehende Konzeptionen an, um die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung zu entschlüsseln. Konzeptioneller Anknüpfungspunkt II: ›social identity‹ und Identitätspolitiken Eine praxistheoretische Sichtweise auf Ethnizität vertritt die Position, dass einzelne Akteure dazu befähigt sind, ausgehend von bestehenden ethnischen Kategorien im Zuge der sozialen Praxis spezifische kulturelle Aspekte als ethnisch relevant wahrzunehmen und soziale ethnische Identitäten auszubilden. Erschließen lässt sich deren Konstitution mit dem Konzept der ›social identity‹ von Richard Jenkins. Bei der empirischen Analyse wird deutlich, dass die Ausbildung ethnischer Identitäten von jungen Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund nichts ist, was allein auf die individuelle Ebene reduziert werden kann. Vielmehr konstituieren sich

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Identitäten erst im Zuge eines sozialen Zusammenspiels von ethnischen Selbstdefinitionen sowie von Fremdzuschreibungen von außerhalb als auch von innerhalb der Eigengruppe. Aus praxistheoretischer Sicht gilt es bei der Frage ethnischer Identitäten jedoch auch, den sozialen Charakter der ethnischen Kategorien ausreichend zu berücksichtigen, denn deren durch strukturierende Ordnungen bedingte soziale Prägung schlägt sich ebenfalls in den Selbstverortungen sowie auch in der konkreten Alltagspraxis junger Menschen nieder. Entschlüsselt wird die strukturelle Formgebung durch das Konzept der ›Identitätspolitik ersten Grades‹ von Stuart Hall, in dem die Prozesse der Umwertung, Namensgebung, Vereinheitlichung und der Frontbildung bezogen auf ethnische Kategorien untersucht werden. Durch die Verknüpfung der Ansätze von Jenkins und von Hall kann der sozialen Prägung der ethnischen Identitäten durch strukturierende Ordnungen und den Potenzialen wie Konstruktionsleistungen der einzelnen Akteure vertieft nachgegangen werden. Konzeptioneller Anknüpfungspunkt III: ›ethnic options‹ Wie die empirische Analyse zeigt, lässt sich der Umgang mit dem Ethnischen keineswegs allein durch strukturelle Aspekte erschließen, verfügen die einzelnen Akteure doch stets über Handlungspotenziale, beispielsweise um die Grenzen der ethnischen Kategorien zu bestätigen – oder auch um sie auszutesten, zu hinterfragen oder umzudeuten. Anhand der verschiedenen familiären Biografiepfade und intergenerationalen Vermittlungsformen der Slowenischsprachigkeit wird deutlich, dass nicht alle jungen Menschen, die sich als Kärntner Slowen_innen definieren, in einer homogen slowenischsprachigen Familie aufgewachsen sind, sondern oft aus gemischtsprachigen Elternhäusern kommen. Dieser hinsichtlich der Frage des Ethnischen ambivalente Familienhintergrund verlangt den jungen Menschen mitunter die Entscheidung ab, welcher der beiden Seiten – ob der deutschsprachigen oder der slowenischsprachigen – sie sich zuordnen sollen. Heutzutage votieren Heranwachsende in der Regel für die slowenischsprachige Familientradition. In solchen gemischtsprachigen familiären Konstellationen kommt den individuellen Akteuren und deren Handlungspotenzialen eine zentrale Rolle zu. Wie die empirischen Analysen ebenfalls zeigen, weisen diese sozialen Vorgänge starke Übereinstimmungen mit dem auf, was die Soziologin Mary Waters mit ihrem Konzept der ›ethnic options‹ beschreibt, demzufolge die Ausprägung des Ethnischen entscheidend von aktiv getroffenen Wahloptionen und Entscheidungen der einzelnen Akteure abhängt, beispielsweise in der Form, dass eigene Familienstammbäume gezielt nach familiären ethnischen Wurzeln durchforstet und die Alltagspraxis entsprechend angepasst wird. Allerdings sind den ›ethnic options‹ auch Grenzen gesetzt. So mögen junge Menschen aus gemischt- oder deutschsprachigen Elternhäusern sich selbst als Kärntner Slowen_innen wahrnehmen und das auch nach außen tragen, aber anerkannt werden

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diese Selbstverortungen durch ihr soziales Umfeld deswegen noch lange nicht – hier erweist sich der mitunter exklusive Charakter des Kärntner Slowenischen als eine hohe Hürde. So wird die ethnische Selbstverortung als Kärntner Slowen_in durch andere Slowenischsprachige in der Regel erst dann anerkannt und angenommen werden, wenn sie auch mit einer entsprechenden Praxis des Ethnischen einhergeht, das heißt, wenn auch die jungen Menschen aus gemischt- oder deutschsprachigem Elternhaus praktische Performances veranstalten, sich etwa in einem slowenischsprachigen Kulturverein engagieren oder sich abseits von Vereinen für den Erhalt und die Präsenz der Slowenischsprachigkeit einsetzen. Somit handelt es sich bei dem Ethnischen nicht um einen Mantel, der im voluntaristischen Sinne nur zu einem bestimmten Anlass oder in einer spezifischen Situation angezogen und im nächsten Moment wieder abgelegt werden kann. Vielmehr zeigt die empirische Analyse, dass ›ethnic options‹ einzelner Akteure zwar maßgeblich sind für die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung, dass dies aber nur dann zutrifft, wenn die ethnischen Wahlentscheidungen dauerhafter Natur sind. Konzeptioneller Anknüpfungspunkt IV: Soziogenese ethnischer Minoritäten Aus den empirischen Analysen geht außerdem hervor, dass die Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung nicht allein auf individuellen Entscheidungen von voneinander isolierten Akteuren beruht, vielmehr werden die Handlungsoptionen der Akteure durch strukturelle Aspekte geformt. Von Relevanz für die Ausprägung des Ethnischen sind in dem Zusammenhang neben der Geschichte der ethnischen Beziehungen auch demografische Entwicklungen wie die Landflucht und die Migration in Städte sowie die Überalterung der Bewohner_innen des traditionell zweisprachigen Siedlungsraums. Gleichwohl können all diese strukturierenden Einflüsse nicht als mechanischer Determinismus verstanden werden. Denn die Praxis des Ethnischen ist keineswegs ein Epiphänomen ökonomischer Strukturen, dem slowenischsprachige Menschen in einem deterministischen Sinn willenlos ausgeliefert wären. Ein solches Verständnis des Ethnischen – auch das macht die praxistheoretische Analyse deutlich – ginge an der Realität vorbei. Tatsächlich lässt sich die strukturelle Prägung der Praxis des Ethnischen von slowenischsprachigen jungen Menschen zu einem Gutteil mit dem Konzept der ›Soziogenese ethnischer Minoritäten‹ von Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora erklären, in dessen Mittelpunkt die Übernahme von ethnischen Fremdzuschreibungen und die Aneignung von symbolischen Ordnungen stehen. Dies zeigt sich in der empirischen Analyse insbesondere an der partiellen Verdrängung der Slowenischsprachigkeit in zweisprachigen Bildungsinstitutionen. So wird im Zuge der Analyse deutlich, dass die Kärntner Slowen_innen als ethnische Gruppe nicht per se existieren, sondern zu einer solchen erst im Zuge sozialer Prozesse werden. Maßgeblich daran

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beteiligt sind sowohl die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung (und die Medien) als auch slowenischsprachige Personen selbst, indem sie in ihrer schulischen Sozialisation fremdethnisierende Zuschreibungen von außen übernehmen. So eignen sich Kinder aus slowenischsprachigem Elternhaus, wie die empirischen Daten belegen, in der zweisprachigen Volksschulzeit Deutsch als ›In‹-Sprache an, was aber weniger individuelle als vielmehr strukturelle Gründe hat, die von den Sprachkenntnissen ihrer Mitschüler_innen, der Zusammensetzung der Klasse, der Unterrichtsgestaltung bis hin zur Deutschsprachigkeit der medialen Umwelt reichen. Zudem sind slowenischsprachige Kinder und Jugendliche in dieser Sozialisationsphase wegen ihres slowenischen Sprachgebrauchs in der Regel mit ethnischen Anfeindungen, Diffamierungen oder Übergriffen konfrontiert. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass slowenischsprachige Kinder und Jugendliche in diesem Abschnitt ihrer Sozialisation unweigerlich fremdethnisierende Zuschreibungen übernehmen und verinnerlichen. Im Zuge der weiteren Sozialisation werden sich die jungen Menschen sukzessive bewusst, dass sie einer sozialen Minorität angehören, die sich durch ethnische Alleinstellungsmerkmale auszeichnet. Die Übernahme und Aneignung symbolischer Ordnungen stellt das Schlüsselmoment in der Soziogenese der slowenischsprachigen Bevölkerung als ethnischer Minderheit dar. Konzeptioneller Anknüpfungspunkt V: ›symbolic ethnicity‹ Was die empirische Analyse schließlich ebenfalls erkennen lässt ist, dass im Mittelpunkt der Praxis des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung die slowenische Sprache steht. Dieser Befund mag nicht sonderlich überraschend sein, verblüffend ist jedoch die Erkenntnis, dass sie diese Bedeutung vor allem ihrer symbolischen Dimension verdankt. In diesem Zusammenhang zeigen sich Parallelen zum Konzept der ›symbolic ethnicity‹ von Herbert Gans. Demnach steht beim Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung weniger das aktive Sprechen der slowenischen Sprache im Sinne eines gegenseitigen Verständigungsmittels im Mittelpunkt als vielmehr der punktuelle, mitunter gezielte oder bewusst eingesetzte performative Sprachgebrauch sowie der aktive Einsatz für die Präsenz und den Erhalt der Slowenischsprachigkeit. Die symbolische Tönung des Ethnischen ist dabei keineswegs zufällig oder praxisenthoben, vielmehr resultiert sie daraus, dass Menschen mit slowenischsprachigem Familienhintergrund die Sprache beständig als gefährdet, als vom Verschwinden bedroht darstellen. Artikuliert wird dies im Alltag auf unterschiedliche Weise – sei es durch nostalgische Blicke in die Vergangenheit, durch die historische Mythologisierung der slowenischsprachigen Bevölkerung oder durch das Wachhalten der eigenen Familiengeschichte. Das unentwegte Heraufbeschwören des Verschwindens der Sprache wirkt im Alltag handlungsanleitend und gibt Anlass zu performativen

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Aktionen wie dem bewusst lauten, provokativen Slowenischsprechen in der Öffentlichkeit – in Verkehrsmitteln, in deutschen Geschäften –, dem Tragen von T-Shirts mit zweisprachigen Aufschriften, der Forderung nach und der eigenmächtigen Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln oder der kollektiven Verwendung der slowenischen Sprache als künstlerischer Ausdrucksform, in Szene gesetzt im Rahmen von Kulturveranstaltungen. Bei all diesen Performances handelt es sich um einen symbolischen Einsatz, der darauf abzielt, das über der Slowenischsprachigkeit schwebende Damoklesschwert daran zu hindern, herabzufallen. Der Grad der Vorsätzlichkeit und Intentionalität differiert je nach Performance. Angesichts der eminenten Bedeutung, den der symbolische Charakter für das, was die slowenischsprachige Bevölkerung ausmacht und zusammenhält, hat, ist – im Einklang mit den Erkenntnissen der praxistheoretischen Analyse – das Ethnische slowenischsprachiger Menschen in Kärnten/Koroška als performative Ethnizität zu verstehen. Was die Bevölkerungsgruppe von anderen Minoritäten abhebt, erschließt sich erst über diesen Charakter des Kärntner Slowenischen. Zum Abschluss meiner Ausführungen zu den konzeptionellen Anknüpfungspunkten verweise ich noch einmal darauf, dass der von Theodore Schatzki sowie auch von Andreas Reckwitz angestoßene ›practical turn‹ bis dato noch keine entsprechende Übersetzung in die Disziplin der Ethnizitätsforschung erfahren hat. Mit der vorliegenden Arbeit soll auch ein Beitrag zur Entwicklung einer praxistheoretischen Konzeption des Ethnischen geleistet werden. Ein solches Verständnis von Ethnizität kann – wie die empirischen Befunde und konzeptionellen Schlussfolgerungen deutlich machten – auf bereits bestehende Ansätze zurückgreifen. So kann eine praxistheoretische Perspektive Anleihen bei den Konzeptionen von Rogers Brubaker, Richard Jenkins, Stuart Hall, Mary Waters, Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora sowie Herbert Gans nehmen, um auf diesem Weg detaillierte Einblicke in das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung oder anderer ethnischer Gruppen zu erlangen. In der Tat lässt sich erst auf dieser Basis erschließen, was das Ethnische einer Bevölkerungsgruppe ausmacht und wie kulturelle Aspekte, die als ethnische Merkmale angesehen werden, ihre alltagspraktische Wirkung entfalten.

9.3 DIE PRAXISTHEORETISCHE ENTSCHLÜSSELUNG DES ETHNISCHEN In den empirischen Analysen der vorliegenden Studie wurde deutlich, was das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška auszeichnet – zu verdanken ist dies zu einem Großteil der praxistheoretischen Forschungsperspektive, die zu einem vertieften Verständnis des Forschungsgegenstandes beiträgt, neue Erkenntnisse zutage fördert und es ermöglicht, bisher unbeachteten Bestandteilen des

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Ethnischen auf die Spur zu kommen. Die bis dato bei der soziologischen Beforschung der slowenischsprachigen Bevölkerung eingenommenen Sichtweisen – namentlich die strukturelle und die akteurszentrierte – scheitern sowohl an der Ergründung dessen, was das alltägliche Miteinander slowenischsprachiger Menschen auszeichnet als auch an der Klärung der Frage, warum die slowenischsprachige Bevölkerung trotz einer Geschichte der ethnischen Unterdrückung, Stigmatisierung und Assimilation nach wie vor besteht. Was die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška im Innersten zusammenhält und wodurch sich die Fortdauer des Kärntner Slowenischen begründet, erschließt sich eben erst im Zuge einer praxistheoretischen Analyse. So konnte mittels der praxistheoretischen Analyse gezeigt werden, dass das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung keineswegs in einem essenzialistischen Sinne und auch nicht als fixierte und statische oder als stabile, primordiale oder unveränderliche Entität zu verstehen ist – das Ethnische hat keine ›objektiven‹ oder ›naturgegebenen‹ Merkmale. Was auch festzustellen ist, ist, dass für das alltägliche Zusammenleben dem kulturellen Merkmal Slowenischsprachigkeit der Status des ethnischen Alleinstellungsmerkmal zukommt. Indem in der empirischen Analyse sowohl strukturelle Faktoren als auch die Fähigkeiten und Potenziale der einzelnen Akteure gleichermaßen berücksichtigt wurden, konnten die alltagspraktischen Strategien und routinisierten Umgangsweisen der jungen Menschen in den Alltagsbereichen Familie, Schule und Freizeit herausgearbeitet werden, in denen das ethnische Distinktionsmerkmal praktisch angewendet wird. Dabei zeigte sich, dass sich das Kärntner Slowenische nicht allein auf die Sprachkenntnis oder auf den kommunikativen Gebrauch der Sprache zur gegenseitigen Verständigung reduzieren lässt. Von Relevanz ist vielmehr die symbolische Dimension der Slowenischsprachigkeit und der performative Einsatz für die Sprache. Das, was die slowenischsprachige Bevölkerung in Kärnten/Koroška ausmacht und sie von anderen Bevölkerungsgruppen abhebt, manifestiert sich nicht so sehr im alltagssprachlichen Gebrauch der Sprache zur gegenseitigen Verständigung, sondern eher darin, wie die Slowenischsprachigkeit in Szene gesetzt und performt wird. Darüber hinaus zeigt die praxistheoretische Analyse, dass das Ethnische seine alltagspraktische Wirksamkeit gerade über das beständige An-die-Wand-Malen des Verschwindens der slowenischen Sprache entfaltet. So stärkt eben der latent drohende Sprachverlust die Präsenz der Slowenischsprachigkeit und befördert damit auch die Stabilität des Kärntner Slowenischen. Dass die performative Dimension der Slowenischsprachigkeit derart stark in den Vordergrund tritt, ist jedoch ebenso als Produkt einer historischen Entwicklung und von ethnischen Selbst- und Fremdzuschreibungen wie von demografischen Veränderungen und sozialem Wandel zu verstehen. So verdankt sich die zentrale Bedeutung des symbolischen Charakters des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung auch dem Umstand, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Relevanz der

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Sprache weiter zurückgegangen ist und dass das Ethnische bis auf die Sozialräume Familie, Schule und Vereine mittlerweile weitgehend von alltagspraktischen Gebrauchsformen entkoppelt ist. Basierend auf diesen Erkenntnissen der praxistheoretischen empirischen Analyse kann die gegenstandsbegründete Schlussfolgerung gezogen werden, dass das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška als performative Ethnizität zu begreifen ist. Und der performative Charakter des Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung, dessen strukturelle Bedingungen und alltagspraktische Ausprägungen lassen sich erst mittels eines praxistheoretischen Ansatzes verstehen. Darin liegt die Stärke dieser sozialtheoretischen Forschungsperspektive.

Epilog

In der vorliegenden Studie begab ich mich auf die Suche nach dem Ethnischen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten/Koroška. Um mich diesem Phänomen nicht einseitig anzunähern und bei der Analyse des Ethnischen sowohl die strukturelle als auch die akteurszentrierte Ebene gleichermaßen zu berücksichtigen, nahm ich eine praxistheoretische Forschungsperspektive ein. Diese sozialtheoretische Sichtweise stellt keineswegs infrage, dass ethnische Überzeugungen, ethnische Tätigkeiten oder die empfundene Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe etwas sind, was Menschen grundsätzlich zusteht und dem weder etwas Irrationales noch etwas Vormodernes anhaftet. Die praxistheoretische Perspektive sieht – ebenso wie die meisten anderen sozialkonstruktivistischen Ansätze – ihre Aufgabe vielmehr in der Erforschung von deren Ausprägungen und Relevanz im Alltag, deren Konstituierung und Herstellung sowie den sie bedingenden Faktoren im Sinne eines zu erklärenden Phänomens. Sie ist dabei nicht nur hilfreich, um das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung umfassend, ganzheitlich und in all seiner Tiefe zu erfassen, sondern bietet sich ebenso für die Beforschung anderer autochthoner oder allochthoner Bevölkerungsgruppen in Österreich oder in Europa an. Das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung mag bei der empirischen Analyse auf den ersten Blick als kaum wahrnehmbares Randphänomen erscheinen. Dies bedeutet jedoch mitnichten, dass es nicht existieren würde oder für die Bevölkerungsgruppe irrelevant wäre. Unauffällig ist es zum einen deswegen, weil es vorrangig in abgeschlossenen Sphären wie der Familie, Kulturvereinen oder Schulen gelebt wird, in die es bereits vor einigen Jahrzehnten zurückgedrängt wurde und die die letzten Refugien der Slowenischsprachigkeit bilden. Infolgedessen hat das Ethnische an alltagspraktischer Relevanz verloren, während seine symbolische Dimension immer weiter zugenommen hat. Meine empirische Untersuchung widmete sich denn auch vorrangig der symbolischen Dimension der slowenischen Sprache, stellte deren alltagspraktischen Gebrauch in den Familien, Schulen und Kulturvereinen jedoch partiell zurück. Diese Entscheidung ist gegenstandsbegründet, da sich im Ver-

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lauf meiner Feldforschung Erstere als das Entscheidende herausstellte – dafür nämlich, um zu verstehen, was die Bevölkerungsgruppe ausmacht und zusammenhält. Für das Kärntner Slowenische ist weniger der Gebrauch der Sprache als Verständigungsmedium, sondern deren symbolischer Charakter ausschlaggebend. Zum anderen stellt sich die slowenische Sprache, das ethnische Alleinstellungsmerkmal des Ethnischen, auch grundsätzlich als ein Phänomen dar, das weniger sichtbar ist als etwa religiöse Traditionen, kulturelle Bräuche, Kleidungsgewohnheiten oder phänotypische körperliche Kennzeichen und das ohne viel Aufhebens situativ oder dauerhaft abgelegt werden kann. Dies führt eben auch dazu, dass das Ethnische der slowenischsprachigen Bevölkerung nur selten als offenkundiger Unterschied zur deutschsprachigen ethnischen Gruppe in Kärnten/Koroška auftritt. Durch die praxistheoretische Analyse konnte zutage gefördert werden, dass Ethnizität und Sprache keineswegs zwingend deckungsgleich sein müssen. Wer im familiären Kontext slowenisch spricht, muss sich nicht unbedingt selbst als Kärntner Slowen_in betrachten. Bei der empirischen Analyse zeigt sich darüber hinaus auch, dass das Verhältnis von Sprache und Ethnizität im Wandel begriffen ist. Während noch in den 1960er, 1970er Jahren viele slowenischsprachige Menschen ihre Kinder nur deutschsprachig erzogen und sich vom Kärntner Slowenischen abwendeten, nähern sich heutzutage junge Menschen aus gemischt- oder auch aus deutschsprachigem Elternhaus mit verschüttgegangenen slowenischen Wurzeln dieser ethnischen Kategorie wieder an. Die dominante ethnische Kategorie, mit der sich slowenischsprachige Menschen in Kärnten/Koroška identifizieren, ist das Kärntner Slowenische – wenn auch die Identifikation keineswegs in allen Fällen vorbehaltlos ist. Einiges deutet darauf hin, dass sich daran in Zukunft nichts Grundlegendes ändern wird. Weiters wird in den empirischen Analysen deutlich, dass sich auch die Auffassungen darüber, was das Kärntner Slowenische ausmacht, in Bewegung befinden. Hier stellt sich nun eine wichtige Frage: Werden als Kärntner Slowen_innen nur Menschen angesehen, die einen homogen slowenischsprachigen Hintergrund haben, eine lokale slowenische Mundart sprechen, im Südkärntner Raum verankert sind und sich in slowenischsprachigen Kulturvereinen engagieren, oder auch jene, die aus gemischt- oder auch aus monolingual deutschsprachigen Elternhäusern kommen, nur Hochslowenisch sprechen und nicht im traditionell zweisprachigen Siedlungsgebiet wohnhaft sind? Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Meinungen und widerstreitende Positionen. Schließlich ist den empirischen Daten zu entnehmen, dass sich der performative Einsatz für die slowenische Sprache von jungen Menschen vorwiegend aus der historischen Diffamierung und Stigmatisierung der Slowenischsprachigkeit sowie der Nichteinhaltung von Minderheitenrechten speist. Aus diesem Grund wird der im Jahr 2011 ausverhandelte Ortstafelkompromiss nicht nur positiv gesehen, erschüttert er

E PILOG | 287

doch in gewisser Weise das Fundament des Ethnischen. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass er dessen Zukunft gänzlich infrage stellt, dass diese Triebfeder des Ethnischen in Zukunft gänzlich an Dynamik verliert. Denn die latente Bedrohung der Sprache besteht fort und wird auch weiterhin verbal allgegenwärtig gehalten werden. In den Familien ist die Praxis des Ethnischen stabil, auch wird das Wissen über die Gefährdung des Ethnischen in schulischen Kontexten nachhaltig gepflegt. Ebenso bleibt die Institutionalisierung des drohenden Verschwindens der Slowenischsprachigkeit und die Vergegenwärtigung des Vergangenen durch die slowenische Verbandslandschaft – also durch Kulturvereine sowie Jugend- und Vertretungsorganisationen – unangetastet und wirkt dauerhaft weiter. Zudem ist anzunehmen, dass vonseiten deutschsprachiger Heimatorganisationen weiterhin Öl ins Feuer des Konflikts um die ethnischen Beziehungen gegossen wird – so, wie bisher jede Durchsetzung oder Zuerkennung von Minderheitenrechten von deren Widerstand begleitet wurde. Dies führt letztlich dazu, dass die ethnischen Beziehungen angespannt und die latente Bedrohung der Slowenischsprachigkeit aufrechterhalten bleiben, weswegen das Ethnische der Bevölkerungsgruppe fortbesteht.

Anhang

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Dokumente Amt der Kärntner Landesregierung – Landesstelle für Statistik (Hg.) 2014: Kärntner Ortsverzeichnis. Gebietsstand 01.01.2014. Klagenfurt/Celovec: Amt der Kärntner Landesregierung – Landesstelle für Statistik. Bundesamt für Statistik (Hg.) 1935: Statistische Nachrichten 13. Wien: Bundesamt für Statistik. BGBl. Nr. 420/1990: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 420 ausgegeben am 13. Juli 1990: Änderung des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten. BGBl. Nr. 306/1977: Bundesgesetzblatt (BGBl) für die Republik Österreich Nr. 306 ausgegeben am 30. Juli 1977: Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind. BGBl. Nr. 307/1977: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 307 ausgegeben am 30. Juli 1977: Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprachen zugelassen wird. BGBl. Nr. 396/1976: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 396 ausgegeben am 05. August 1976: Bundesgesetz vom 07. Juli 1976 über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich (Volksgruppengesetz). BGBl. Nr. 270/1972: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 270 ausgegeben am 27. Juli 1972: Anbringung von zweisprachigen topographischen Bezeichnungen und Aufschriften in den Gebieten Kärntens mit slowenischer und gemischter Bevölkerungen. BGBl. Nr. 101/1959: Bundesgesetz für die Republik Österreich Nr. 101 ausgegeben am 19. März 1959, womit für das Bundesland Kärnten Vorschriften zur Durchführung der Minderheiten-Schulbestimmungen des Österreichischen Staatsvertrages getroffen werden (Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten). BGBl. Nr. 152/1955: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 152 ausgegeben am 30. Juli 1955: Staatsvertrag, betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich. KLGBl. Nr. 25/2017: Kärntner Landesgesetzblatt Nr. 25 ausgegeben am 29. Juni 2017: Landesgesetz Nr. 25 vom 01. Juni 2017. Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen (Hg.) 2013: Jahresbericht über das Schuljahr 2012/13 (erstellt von Domej, Theodor, Sandrieser, Sabine, Schönherr, Cäcilie und Weinfurter, Martina). Klagenfurt/Celovec: Landesschulrat für Kärnten. Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen (Hg.) 2010: Jahresbericht über das Schuljahr 2009/10 (erstellt von Sandrieser, Sabine, Domej, Theodor und Schönherr, Cäcilie). Klagenfurt/Celovec: Landesschulrat für Kärnten.

318 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

Landesschulrat für Kärnten, Abteilung VII: Minderheitenschulwesen (Hg.) 2004: 1+1=2 / Zweisprachige Erziehung und Bildung in Kärnten. Informationen für Eltern und Interessierte (Broschüre herausgegeben von der Abteilung Minderheitenschulwesen des Landesschulrats für Kärnten). Klagenfurt/Celovec: Landesschulrat für Kärnten. Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.) 1993: Volkszählung 1991. Band 2: Hauptergebnisse I, Kärnten. Wien: Österreichisches Statistisches Zentralamt. Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.) 1984: Volkszählung 1981. Band 3: Hauptergebnisse I, Kärnten. Wien: Österreichisches Statistisches Zentralamt Statistik Austria (Hg.) 2003: Volkszählungen 2001: Hauptergebnisse I – Kärnten. Wien: Verlag Österreich. Statistik Austria (Hg.) 2002: Volkszählungen 1971-2001. Umgangssprache Kärnten, Gemeinden und Ortschaften (Auswahl). Wien: Verlag Österreich. Statistik Austria (Hg.) 2001: Österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger mit Umgangssprache Slowenisch für ausgewählte Kärntner Gemeinden bzw. Ortschaften, 15.05.2001 (nichtveröffentlichter Datensatz). VfGH 2001: Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2001, G213/01-18, V62, 63/01-18. Romane, künstlerische Arbeiten und Filme Haderlap, Maja 2011: Engel des Vergessens (3. Auflage). Wallstein: Göttingen. Logar, Ernst (Hg.) 2011: Das Ende der Erinnerung – Kärntner PartisanInnen. Klagenfurt/Celovec: Drava. Mračnikar, Andrina 2008: Der Kärntner spricht deutsch / Andri 1924-1944. Wien: Hoanzl. Zwitter-Grilc, Sabina 2015: Schatten der Scham. (Eine Produktion des Slowenischen Kulturvereins/Slovensko prosvetno društvo Zila).

VERZEICHNIS DES EMPIRISCHEN DATENMATERIALS

Name

Alter

Schule

Wohnbezirk

Material A: Qualitative Tiefeninterviews mit Schüler_innen und Absolvent_innen Marina R.

15

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Klagenfurt

Tatjana K.

15

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

A NHANG | 319

Lidija H.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Klagenfurt-Land

Zdravko Š.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Klagenfurt-Land

Stephanie L. 16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Sonja V.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Dejan P.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Andrej R.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Petra M.

17

HAK/TAK

Bezirk Klagenfurt-Land

Tanja S.

17

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Luka S.

17

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Florian O.

17

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Benjamin L.

18

HAK/TAK

Bezirk Klagenfurt

Danijela T.

18

HAK/TAK

Bezirk Villach-Land

Marcel B.

18

HAK/TAK

Bezirk Villach-Land

Barbara F.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Gregor M.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Marija H.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Maja T.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Sara R.

18

HLW

Bezirk Völkermarkt

Katja F.

19

HLW

Bezirk Klagenfurt-Land

Peter E.

19

HLW

Bezirk Klagenfurt-Land

Nataša K.

19

HLW

Bezirk Völkermarkt

Majda F.

18

Deutschsprachiges Gymnasium in Klagenfurt/Celovec

Bezirk Klagenfurt

320 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

Stefan W.

20

BG/BRG für Slowen_innen (Absolvent)

Bezirk Völkermarkt

Kristian D.

20

BG/BRG für Slowen_innen (Absolvent)

Bezirk Völkermarkt

Jernej B.

20

BG/BRG für Slowen_innen (Absolvent)

Bezirk Klagenfurt-Land

Janez A.

21

BG/BRG für Slowen_innen (Absolvent)

Bezirk Klagenfurt-Land

Material B: Ethnografische Gespräche (EG) und schriftliche Botschaften an die Zukunft (BADZ) Tina L.

15

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Villach-Land

Mirko G.

15

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Franc P.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Klagenfurt-Land

Sonja V.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Mateja O.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Bogomir B.

16

BG/BRG für Slowen_innen

Bezirk Völkermarkt

Dominik R.

18

HAK/TAK

Bezirk Klagenfurt

Marija H.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Lara G.

18

HAK/TAK

Bezirk Völkermarkt

Janko R.

21

BG/BRG für Slowen_innen (Absolvent)

Bezirk Völkermarkt

Mutter der Schülerin Stephanie L.

Bezirk Völkermarkt

A NHANG | 321

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Ergebnisse von Volkszählungen in Kärnten; Quelle: Rauchberg 1891; Bundesamt für Statistik 1935; Grafenauer 1946; Veiter 1965; Österreichisches Statistisches Zentralamt 1984, 1993; Gamerith 1994; Statistik Austria 2002, 2003; Reiterer 2004; Klemenčič/Klemenčič 2010 | 21 Tabelle 2: Differierende Konzeptionen des Ethnischen entlang zentraler Konfliktlinien und Debatten | 59

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Anteil slowenischsprachiger Personen auf Gemeindeebene 2001; Quelle: Statistik Austria 2003: S. 17; grafische Darstellung: Jörg Koffler | 25 Abbildung 2: Zweisprachige Ortstafel im Jahr 2015 in Sittersdorf/Žitara vas; © Jonas Kolb | 96 Abbildung 3: Auftritt eines Kinderchors im Veranstaltungssaal eines slowenischsprachigen Kulturzentrums; © Dominik Urak | 98 Abbildung 4: Slowenische und eingedeutschte Familiennamen auf einem Friedhof; © Jonas Kolb | 108 Abbildung 5: Eine Veranstaltung im ›Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Kärnten/Klub slovenskih študentk in študentov na Koroškem‹ (KSŠŠK); © Dominik Urak | 170 Abbildung 6: Das Schulwesen im zweisprachigen Siedlungsbereich sowie in Klagenfurt/Celovec; grafische Darstellung: Jonas Kolb | 184 Abbildung 7: Die HLW St. Peter/Šentpeter und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache; grafische Darstellung: Jonas Kolb | 195 Abbildung 8: Die Zweisprachige HAK in Klagenfurt/Celovec und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache; grafische Darstellung: Jonas Kolb | 203 Abbildung 9: Das Schulgebäude der Zweisprachigen HAK und des BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec; © Jonas Kolb | 206 Abbildung 10: Das BG/BRG für Slowen_innen in Klagenfurt/Celovec und andere mittlere und höhere Schulen mit Slowenisch als Unterrichtssprache; grafische Darstellung: Jonas Kolb | 216 Abbildung 11: Kulturelle Betätigung von Kindesbeinen an im Rahmen eines slowenischsprachigen Kinderchors; © Dominik Urak | 245 Abbildung 12: Performanz der Slowenischsprachigkeit I: Das Tragen von T-Shirts mit zweisprachigen Aufschriften; © Sara Urak | 255

322 | P RÄSENZ DURCH V ERSCHWINDEN

Abbildung 13: Performanz der Slowenischsprachigkeit II: Der demonstrative performative Einsatz für zweisprachige Ortstafeln; © Zdravko Haderlap | 257 Abbildung 14: Performanz der Slowenischsprachigkeit III: Eine ›private‹ zweisprachige Ortstafel im Ort Köttmannsdorf/Kotmara vas; © Rudolf Kullnig | 261 Abbildung 15: Performanz der Slowenischsprachigkeit IV: Eine ›private‹ zweisprachige Ortstafel in der Stadt Ferlach/Borovlje; © Franz Wutti | 276 © Die Fotos sind urheberrechtlich seitens der Fotograf_innen geschützt und dürfen nur nach Rücksprache verwendet werden.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS BADZ

Botschaft an die Zukunft (d. h. Texte, die von Schüler_innen in den Nachbereitungen der Schulprojekte bei der empirischen Erhebung verfasst wurden)

BG/BRG für Slowen_innen

Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Slowenen in Klagenfurt/Zvezna gimnazija in zvezna realna gimnazija za Slovence v Celovcu

BZÖ

Bündnis Zukunft Österreich

DSG Zell/Sele

Diözesansportgemeinschaft Zell/Sele

EG

Ethnografische Gespräche

EL

Einheitsliste/Enotna Lista

FPK

Freiheitliche Partei Kärntens

FPÖ

Freiheitliche Partei Österreichs

HAK

Zweisprachige Bundeshandelsakademie in Klagenfurt/ Dvojezična Zvezna Trgovska Akademija v Celovcu

HLW

Höhere Lehranstalt für Wirtschaftsberufe St. Peter/Višja šola za gospodarske poklice Šentpeter

KAB

Kärntner Abwehrkämpferbund

KDZ

Kärntner Schüler_innenverband/Koroška dijaška zveza

KEL

Kärntner Einheitsliste/Koroška Enotna Lista

KHB

Kärntner Heimatbund

KHD

Kärntner Heimatdienst

A NHANG | 323

KKZ

Christlicher Kulturverband/Krščanska kulturna zveza

KLGBL

Kärntner Landesgesetzblatt

KLVG

Landesverfassungsgesetz des Landes Kärnten

KOŠ

Schulbasketballklub Klagenfurt/Košarkarski šolski klub Celovec

KSŠŠD

Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien/Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju

KSŠŠG

Klub slowenischer Studentinnen und Studenten Graz/Klub slovenskih študentk in študentov Gradec

KSŠŠK

Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Kärnten/Klub slovenskih študentk in študentov na Koroškem

Mlada EL

Junge Einheitsliste/Mlada Enotna Lista

NSKS

Rat der Kärntner Slowenen/Narodni svet koroških Slovencev

ÖVP

Österreichische Volkspartei

OF

Befreiungsfront/Osvobodilna Fronta

OFK

Befreiungsfront für Slowenisch Kärnten/Osvobodilna Fronta za Slovensko Koroško

SAK

Slovenski atletski klub/Slowenischer Athletikklub Klagenfurt/Celovec

SGZ

Slowenischer Wirtschaftsverband/Slovenska Gospodarska Zveza

SHS-Staat

Staat der Slowenen, Kroaten und Serben/Država Slovencev, Hrvatov in Srbov

SKS

Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen/ Skupnost koroških slovencev in slovenk

SPÖ

Sozialdemokratische Partei Österreichs

SPZ

Slowenischer Kulturverband/Slovenska prosvetna zveza

SŠD

Slowenischer Schulverein/Slovensko Šolsko Društvo

Zentralverband

Zentralverband slowenischer Organisationen in Kärnten/Zveza slovenskih organizacij na Koroškem

ZSI

Verband der ausgesiedelten Slowenen/Zveza Slovenskih Izseljencev

Soziologie Heidrun Friese

Flüchtlinge: Opfer – Bedrohung – Helden Zur politischen Imagination des Fremden August 2017, 150 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3263-7 E-Book PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3263-1 EPUB: 12,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3263-7

Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.)

Die Welt reparieren Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis 2016, 352 S., kart., zahlr. farb. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3377-1 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3377-5

Carlo Bordoni

Interregnum Beyond Liquid Modernity 2016, 136 p., pb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3515-7 E-Book PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3515-1 EPUB: 17,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3515-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Soziologie Sybille Bauriedl (Hg.)

Wörterbuch Klimadebatte 2015, 332 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3238-5 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3238-9

Silke van Dyk

Soziologie des Alters 2015, 192 S., kart. 13,99 € (DE), 978-3-8376-1632-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-1632-7

Ilker Ataç, Gerda Heck, Sabine Hess, Zeynep Kasli, Philipp Ratfisch, Cavidan Soykan, Bediz Yilmaz (eds.)

movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Vol. 3, Issue 2/2017: Turkey’s Changing Migration Regime and its Global and Regional Dynamics November 2017, 230 p., pb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3719-9

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