Ursprung und Wachstum der Sprache 9783486742169, 9783486742152


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German Pages 159 [160] Year 2019

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel. Begriff, Stufen und Arten der Sprache
Zweites Kapitel. Verschiedene Ansichten über den Ursprung der Sprache
Drittes Kapitel. Auszug aus der Psychologie
Viertes Kapitel. Ursprung und Wachstum der Sprache
Fünftes Kapitel. Die Schrift
Sechstes Kapitel. Die Kunst
Siebentes Kapitel. Das Problem einer internationalen stimmlautlichen Begriffsprache
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Ursprung und Wachstum der Sprache
 9783486742169, 9783486742152

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Ursprung und Ulschstum der Sprache Uon

Dr. Guttao löanmanm

„Warum willst du weiter schweifen? Sieh, die Wahrheit liegt so nah!" (Frei nach Goethe.)

tvünchrn und Seriin Druck und Urrlag von K- Gidrndourg 1913

Vorwort. Inhalt vorliegenden Buches ist der Versuch des Beweises folgen­ der zwei Behauptungen:

1. Alle Sprachzeichen sind aus willentlicher Nachahmung entsprungen. 2. Betreffs Form, Bedeutung und Aneinanderreihung der einzelnen Sprachzeichen gestattete sich eine gewisse Auswahl. Indem jede

Stammesgenossenschaft bei dieser Auswahl eine andere Verein­ barung traf, so entwickelten sich verschiedene Sprachen.

Der Beweis dieser zwei Behauptungen ist auf der Psychologie aufzu­ bauen. Wir schicken deshalb der eigentlichen Beweisfühmng einen gedrängten

Auszug aus der Psychologie voraus. Wegen der hervorragenden Wichtig­ keit der begrifflichen Lautsprache werden wir das diese behandelnde Ka-

pitel mit einem Auszug aus der Ssimmlehre einleiten. Die Schrift ist befestigte, mittelbare, an den Gesichtssinn — beim Blinden an den Tastsinn — sich wendende Sprache. Es obliegt uns also der Nachweis, daß auch die Schriftzeichen aus Nachahmung entsprungen

sind, und daß die Schrift durch Vereinbamng sich in mehrere Schriftarten geschieden hat.

Die Kunst — im Sinne des lateinischen ars — ist Sprache, welche

durch besondere Übung ihren Inhalt klarer und eindrucksvoller gestaltet.

Sie beruht offenbar auf Nachahmung und liefert damit für den gleichen

Ursprung der Sprachzeichen überhaupt einen untrüglichen Beweis. Auch bei der Kunst zeigt sich unverkennbar eine auf Vereinbamng zurückzu­

führende Scheidung in mehrere Kunstweisen (Stilarten).

IV

Borwvrt. Die von dem Berfasser hauptsächlich benützten Werke sind folgende:

Grundriß der physiologischen Psychologie von W. Wundt; Physiologie

der Stimme und Sprache von P. Grützner; Die Wissenschaft der Sprache

von Max Müller; Das Denken im Lichte der Sprache von Max Müller; Die Hauptprobleme der Sprachwissenschaft von A. Gießwein; Prinzipien der Sprachgeschichte von H. Paul; Geschichte der Schrift von H. Wuttke.

München, im Sommer 1913.

Dr. Gustav Baumann.

Inhaltsverzeichnis.

Erstes Kapitel.

Seite

Begriff, Stufe« rmd Arten der Sprache

1—3

zweites Kapitel. Verschiedene Ansichten über den Ursprung der Sprache

4—12

Drittes Kapitel. Auszug and der Psychologie

13-42 13—14

Einleitung A. Empfinden. Sinne.

Die Verschiedenheit der Sinne.

Die inneren Sinne.

Die äußeren

Die

Die Empsindungsgefühle.

14—31

Empfindungsreflexe B. Denken.

Das Gedächtnis.

Die Vorstellungen.

Die Denkgefühle.

Die Denkresiexe

31—37

Die Willensgefühle.

Die Willensreflexe

38—42

Die Begriffe. d Wollen.

Die Gedanken.

viertes Kapitel. Ursprung und Wachstum der Sprache

43—130

43

Einleitung

44—50

A. Ursprung und Wachstum der Willensprache

B. Ursprung und Wachstum der Begriffsprache.

.

.

. 50—130

50—54

Einleitung 1. Auszug aus der Stimmlehre,

a) Die Verschlußlaute,

b) Die

Engenlaute

2. Die stimmlautliche Begriffsprache

a) Nachahmung und Vereinbarung

54—63 63—130

63—66

b) Beispiele von unmittelbarer Nachahmung lauthafter Vor­ gänge

67—76

Die Übertragung von Namen

76—83

Inhaltsverzeichnis.

VI

Seite 83—109

Die Redteile Weitere Zeispiele von Übertragungen lautnachahmender Ur­

109—122

wörter

Der Satz

122—124

Die Red. Wahrhafte und trügerische Rede. und ernstafte Rede

Scherzhafte

3. Die mittelbaen Arten der Begrisfsprache

125—129

129—130

Fünftes Kapitel. Die Schrift.

Begriffest.

Buchstabenschrift

131—142

Sechstes Kapitel. Die Kunst

143-144

Siebentes Kapitel. DaS Pröble« einer inernationalen stimmlautlichen Begrisfsprache

. . 145—153

1

Erstes Kapitel.

Begriff, Stufen und Arten der Sprache. I. Begriff der Sprache. Die Natur hat dem Menschen und den Tieren zum Zwecke der Erhal­ tung des Ich und der Gattung körperliche und seelische Kräfte verliehen. Die letzteren ermöglichen ein bewußtes Erkennen der Zwecke und den Mllen,

die erkannten Zwecke durch körperliche Tätigkeiten zu verfolgen. Die be­

wußten Wesen, Menschen wie Tiere, werden durch die Erfahrung belehrt, daß sie viele erkannte Zwecke nicht einzig durch eigene Tätigkeit erreichen können, sondem zur Erreichung derselben die Hilfe seitens verwandter Wesen bedürfen. In solchen Fällen wird in dem hilfebedürftigen Wesen

der Wille entstehen, jener Hilfe teilhaftig zu werden.

Das verwandte

Wesen kann aber die letztere erst dann leisten, wenn der Hilfebedürftige ihm die besondere Art der benötigten Hilfe m i t g e t e i l t hat. Diese Mtteilung muß in irgendwelchen äußeren Tätigkeiten bestehen, welche

von dem Hilfesuchenden den äußeren Sinnen des verwandten Wesens vorgesührt werden.

Demgemäß unterscheiden sich mit Rücksicht auf die

zwei Hauptwege, auf welchen ein bewußter Endzweck erreichbar ist, zwei Hauptarten von willentlichen äußeren Tätigkeiten, nämlich: 1. Werk­

tätigkeiten, welche den Endzweck durch eigene Kraft des Tätigen — unmittelbar — verfolgen, und 2. Sprachtätigkeiten, auch Sprachzeichen genannt, welche den Endzweck durch Mtteilung eben­ desselben an ein verwandtes Wesen — mittelbar — zu erreichen

suchen. Durch die Mannigfaltigkeit der Zwecke bedingt sich auch eine Mannig­ faltigkeit der vom Geiste zu ersinnenden und vom Willen auszuführenden

Sprachzeichen.

Jedes einzelne Sprachzeichen muß also aus einer Wahl

hervorgehen — es

muß willentlich sein.

Unwillentliche Reflex­

bewegungen sowie auch willentliche, ohne Mitteilungsabsicht vollzogene Baumann, Ursprung und Wachstum der Sprache.

I

2 Werktätigkeiten sind keine Sprachzeichen und werden zu solchen auch da­ durch nicht, daß sie, von einem verwandten Wesen zufällig wahrgenommen,

dieses zu einer HUfe veranlassen. — Demgemäß ist die Sprache im wei­ testen, die Sprache des Menschen und der Tiere umfassenden Sinne be­ grifflich zu

eines

zur

bestimmen als „willentliche,

Selbsterhaltungszweckes

die

Erreichung Hilfe

eines

verwandten Wesens an streden de, durch äußere Zeichen ausgeführte Mitteilung jenes Zweckes an das verwandte Wesen".

II Stufen der Sprache. Man hat zwei Hauptstufen der Sprache zu unterscheiden, nämlich die Stufe der Willensprache und jene der Begrisfsprache. Die Willensprache teilt nur den fertigen Willen mit, die Begriffsprache

aber die Reihe der Gedanken, aus welchen sich der Mlle gebildet hatte. Die Bezeichnung „Begriffsprache" statt „Gedankensprache" wird gebraucht, weil man unter „Begriff" die Zusammenfassung mehrerer im wesent­ lichen einander gleicher Gedanken oder Gedankenteile versteht. Die Be­

griffsprache erweitert gegenüber der Willensprache den Kreis der Sprach­ inhalte und erfordert deshalb auch eine größere Zahl von Sprachzeichen.

Somit erweist sich die Willensprache als die niedere,

frühere,

die Begriffsprache als die höhere, spätere Stufe der Sprache. Die Tiere sind wohl aus den ausschließlichen Gebrauch der Willensprache beschränkt, der Mensch vereint den Gebrauch der Willensprache mit jenem der Begriffsprache.

III. Arten der Sprache. Der Hilfesuchende kann sich mit Sprachzeichen an jeden der äußeren Sinne des verwandten Wesens wenden. Da die zwei äußeren Sinne des Dmckes und der Temperatur eine gemeinsame Ausnahmefläche — die äußere Haut nebst den äußeren Schleimhäuten — besitzen und deshalb gemeinhin als äußerer Tastsinn zusammengefaßt werden, so

bezeichnet man die an diesen Sinn sich wendende Sprache als Getastsprache

und zählt fünf Arten von Sprache, nämlich die G e t a st -, Gehör-,

Gesicht-,

Geschmack-

und

Geruchsprache.

Der Mensch

gebraucht die Getast-, Gehör- und Gesichtsprache bei jeder der zwei Sprach­ stufen, und zwar sowohl unmittelbar — bloß durch körperliche Eigen-

3 Bewegungen —, als auch mittelbar — durch solche Bewegungen unter

gleichzeitiger Benützung von äußeren Gegenständen.

Die Geschmack-

und Geruchsprache Werden vom Menschen nur bei der zweiten Stufe und nur mittelbar angewendet. Die der Stimme sich bedienende, also unmittel­

bare und an den Gehörsinn sich wendende Sprache heißt Lautsprache. Sie überwiegt alle andem Spracharten so sehr an Bedeutung, daß man

unter „Sprach e" häufig ohne weiteres die Lautsprache, und zwar die begriffliche, versteht. — Die Schrift ist befestigte, an den Gesichtsinn

sich wendende, mittelbare Begriffsprache. Der Blinde erfaßt erhaben oder vertieft dargestellte Schriftzeichen durch den Tastsinn. — Die Kunst

betätigt sich aus beiden Sprachstufen und bei den verschiedenen Sprach­ arten in der oben genannten Ausdehnung.

4

Zweites Kapitel.

Verschiedene Ansichten über den Ursprung der Sprache. Die alten Philosophen haben bei ihren Forschungen über den Ur-

sprung der Sprache ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich den begriff­ lichen Lautsprachzeichen — den Wörtern — zugewendet. Vier wesentlich voneinander verschiedene Theorien waren es, welche von ihnen

über den Ursprung der Wörter aufgestellt wurden, nämlich:

1. Die Lautnachahmungstheorie.

Diese führt den Ur»

spmng der Wörter auf willentliche Nachahmung von Lauten aller Art

zurück. Schon Plato drückt sich in dieser Hinsicht sehr bestimmt aus, indem er in seinem Kratylus, Kap. 37, den Sokrates sagen läßt: „Der Namen­ geber habe mit r in rhein (strömen), trein (zittern), thrauein (reiben), trachys (rauh) usw., indem hiebei die Zunge zittere, eine treibende Kraft

nachgeahmt, für alles Feine habe er i gebraucht, für Luftartiges f, s; da­ gegen habe er das d und t, wobei die Zunge angedrückt werde, für brauch­ bar zur Nachahmung des Bindens (desmein) und Stillestehens (hestanai)

gehalten. Dem Gleitenden, Glatten habe er einen mit 1 gebildeten Namen

gegeben, weil die Zunge hiebei gleite, usw. — Demokrit bezeichnet die

Wörter als „agalmata phoneenta“ — Klangstatuen."

Da Statuen dem

Gesichtsinn vorgesührte Nachahmungen von Körpem sind, so erklärt Demo­

krit mit seinem Vergleich die Wörter als dem Gehörsinn vorgeführte Laut­ nachahmungen. — Aristoteles nennt die Wörter ausdrücklich mimemata — Nachahmungen. Heraklit sagt: „Wörter sind wie Schatten von Dingen,

wie die Bilder von Bäumen und Bergen, die sich im Strome spiegeln, wie unsere eigenen Bilder, wenn wir in einen Spiegel blicken." Dies heißt nichts anderes, als daß der Schatten die Umrisse der Erscheinung,

5 die spiegelnde Fläche aber die ihr zugewandte Fläche der ganzen Erschei­ nung wiedergibt, nachahmt. — Die Lautnachahmungstheorie wird ge­

wöhnlich als die onomatopoetische — namenbildende bezeichnet.

Diese

Bezeichnung ist jedoch nicht glücklich gewählt, indem sie über das wesent­ liche Merkmal des Begriffes — über die Nachahmung — nichts aussagt.

Nach dieser Theorie, als deren hauptsächlichster Vertreter Epikur gelten kann, sind die Menschen 2. Die Interjektionaltheorie.

bei der ersten Bildung der Sprache unbewußt, unwillkürlich, von der Natur angetrieben, verfahren, wie beim Husten, Nießen und bei den Gefühl­ schreien. — Alle diese subjektiven Laute sind jedoch, wenn unwillkürlich

als Reflexe geäußert, noch keine Sprachzeichen. Zu solchen werden sie erst, wenn man sie willentlich nachahmt; sie stellen dann eben einen Teil der gesamten zur Nachahmung verfügbaren Naturlaute dar, und zwar

den subjektiven Teil. Nach diesen beiden genannten Theorien wäre die Sprache „physei“

— durch Natur — entstanden, in dem Sinne, daß die Natur bei der ersten Theorie als willentlich nachgeahmtes Objekt, bei der zweiten als un­

willkürlich tätiges Subjekt gemeint ist. 3. Die Vereinbarungstheorie.

Diese läßt die Sprache

„thesei“ = durch (vereinbarte) Satzung entstehen. Bei jeder Stammes­ genossenschaft wären angesehene weise Männer zusammengetreten und hätten ausgemacht, daß der eine Begriff so, der andere anders genannt werden sollte. — Diese Theorie für sich allein läßt dahingestellt, aus wel­

chem Gmnde in jedem einzelnen Falle gerade diese oder jene Namens­

form vorgeschlagen und angenommen worden sein sollte.

Femer setzt

jede Vereinbarung eine Beratung und damit eine Sprache, zum min­ desten eine Willensprache durch Gebärden, Menen oder Gefühlschreie,

schon voraus. Mithin bezieht sich die Bereinbarungstheorie überhaupt gar nicht auf den Ursprung, sondern auf das W a ch s t u m der Sprache. 4. Die traditionalistische Theorie.

Nach dieser hätte

Gott selbst dem Menschen die Sprache geoffenbart. Hier wird also an die

Stelle der Forschung der Glaube gesetzt. Durch mannigfaltige Verändemng und Verbindung dieser vier Haupt­

theorien entwickelten sich int Laufe der Zeit zahlreiche neue Theorien. Da die Sprachwissenschaft noch bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht genügend vorgeschritten war, um in das Dunkel dieser Theorien

hineinzuleuchten, so wurden die Gelehrten allmählich der Forschung nach

dem Ursprung der Sprache überdrüssig, und fast nur Schöngeister be-

6 schäftigten sich noch damit. Bon der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

an änderte sich jedoch die Sachlage, indem die vergleichende Sprach­ forschung außerordentliche Fortschritte machte, und infolge davon nicht nur Philologen, sondem auch Philosophen und Psychologen sich wieder dem Studium jener Frage zuwandten. Es seien nun bezügliche Äußerungen einiger Forscher der neueren Zeit angeführt. I. I. Rousseau sagt in seinem „Discours sur l’inegalite des conditions“: „Die erste Sprache der Menschen sei der Naturschrei gewesen; später hätten sie die sichtbaren und beweglichen Gegenstände mit Gebärden,

die tönenden mit Schallnachahmungen bezeichnet.

Da man aber mit

Gebärden nur gegenwärtige oder leicht darzustellende Gegenstände und

sichtbare Wirksamkeit zu bezeichnen vermöge, und ihr Gebrauch durch Finstemis oder Dazwischenkunft eines Körpers vereitelt werden könne, so sei man auf den Gedanken verfallen, dieselben durch Laute zu ersetzen." —

Rousseau gibt aber nicht an, welches Prinzip bei dieser Ersetzung maß gebend war, und auf welche Weise man auch geistige Tätigkeiten, abstrakte Begriffe usw. zu benennen lernte. Kant spricht sich gegen die Lautnachahmungstheorie aus. Er sagt (Pragmatische Anthropologie I, 1, §16): „Durchs Gehör wird nicht die

Gestalt des Gegenstandes gegeben, und die Sprachlaute führen nicht un­

mittelbar zur Vorstellung desselben, sind aber ebendamm, und weil sie

an sich nichts, sondem allenfalls nur innere Gefühle bedeuten, die geschick­

testen Mttel zur Bezeichnung der Begriffe." — Es ist nicht einzusehen, wieso die Sprachlaute gerade deshalb, weil sie „an sich nichts" bedeuten, jene geschicktesten Mttel sein sollten. Femer bedeuten die Sprachlaute

durchaus nicht „an sich nichts". Vielmehr gestattet jeder gehörte Laut einen mehr minder bestimmten Schluß auf die Qualitäts-, Stärke-,

Dauer-, Raum- und Zahlverhältnisse seiner Entstehung.

Die sprachliche

Nachahmung von Lauten erweckt deshalb in dem hörenden Genossen die Begriffe mannigfaltiger Verhältnisse der Lautquellen, d. h. der Sprach­

laut bedeutet diese Verhältnisse. Schopenhauer gedenkt der Lautnachahmungstheorie mit keinem einzigen Worte. Seine bemerkenswertesten Außemngen über den Sprach-

urspmng lauten: „Die tterische Stimme dient allein dem Ausdmck des Willens in seinen Erregungen und Bewegungen, die menschliche aber

auch dem der Erkenntnis. Doch sind beim Entstehen der menschlichen Sprache ganz gewiß das erste die Interjektionen gewesen, als welche

nicht Begriffe, sondem, gleich den Lauten der Tiere, Gefühle — MUens-

7 Bewegungen — ausdrücken." (Parerga, II, S. 599.) Femer ebenda: „Das Plausibelste scheint die Annahme, daß der Mensch die Sprache in­ stinktiv erfunden hat, indem ursprünglich in ihm ein Instinkt liege, vermöge dessen er das zum Gebrauche seiner Vernunft unentbehrliche Werkzeug und Organ derselben ohne Reflexion und bewußte Absicht hervorbringt, welcher Instinkt sich nachher, wenn die Sprache einmal da ist, und er nicht mehr zur Anwendung kommt, verliert." — Demgemäß hätte ein reflexionsloser, unbewußter Instinkt die Sprache, den Ausdmck reflektierender, bewußter Vernunft her­ vorgebracht! Wäre es nicht natürlicher, anzunehmen, daß die Vernunft selbst sich, wie ihre mannigfaltigen Begriffe, so auch den Ausdruck der­ selben — die mannigfaltigen Sprachzeichen — erdacht habe? Damit entfiele auch die Notwendigkeit der irrigen Annahme, daß jener Instinkt durch Nichtmehrgebrauch verloren gegangen sei. Denn tatsächlich ist die Fädigkeit zur Sprachbildung dem heutigen Geschlecht noch ebenso eigen, wie sie es dem Urmenschen gewesen sein muß. Unsere Dichter und Ge­ lehrten, ja oft die einfachsten Leute, ersinnen neue Begriffe und Metaphern und den sprachlichen Ausdmck derselben durch Bildung von Wortwurzeln und von zusammengesetzten Wörtern in der nämlichen Weise wie die alten Sprachbildner. W. v. Humboldt sagt (Über die Verschiedenheit des mensch­ lichen Sprachbaues, S. 74): „Die Worte entquellen freiwillig, ohne Not und Absicht, der Bmst...., denn der Mensch als Tier­ gattung ist ein singendes Geschöpf, aber Gedanken mit Tönen verbin­ dend." — „Freiwillig" und zugleich „ohne Absicht" ist ein vollkommener Widerspruch. Heyse äußert sich (s. Steinthals Ursprung der Sprache, S. 91): „Die Sprache ist heworgebracht vom bewußten, freien Geiste, auf dem Wege natürlicher Entwicklung seines ersten Wesens selbst. Die Sprache ist ein Naturerzeugnis des menschlichen Geistes, chre Erzeugung geschieht mit Notwendigkeit ohne besonnene Absicht und klares Bewußtsein, aus innerem Instinkte des Geistes, also in Form einer organischen Tätigkeit." — Die Sprache, hervorge­ bracht vom „bewußten freien Geiste" und zugleich „ohne besonnene Absicht und klares Bewußtsein", welche Widersprüche! Allgemein drückt sich R e n a n ans (Origine du langage, S. 8): „Der Mensch ist von Natur aus sprechend, wie er von Natur aus denkend ist."

8

Bleeck, der Forscher der südafrikanischen Sprachen, behauptet (Über den Urspmng der Sprache, S. 51): „Daß das Wort seiner Natur

nach als bloß einfacher Laut schon zweifachen Ursprungs sei.

Einesteils

konnte es bei gewissen Gefühlserregungen als unmittelbare Wirkung der

Organe eintreten, anderseits mußte der Nachahmungstrieb sich auf die Nachahmung der das Gehör am auffallendsten treffenden Töne werfen. Beide aber, der Empfindungslaut nicht nur, sondem auch der Nachahmungs­ laut, sind doch ihrer Natur nach bloß unwillkürliche Gefühlsäuße-

rungen." — Dem entgegen ist zweierlei zu sagen: Zum ersten ist ein unwlllkürlicher Empfindungslaut noch keine Sprachäußerung.

Zu einer

solchen, zu einem Wort, wird er erst, wenn man ihn in Gegenwart eines Genossen willkürlich nachahmt, um dem Genossen das betreffende Ge­ fühl zu verstehen zu geben. Zum zweiten ist auch die Nachahmung

äußerer Naturlaute stets eine willkürliche. Niemand ahmt etwas nach ohne einen bestimmten Zweck, wäre dieser auch bloß die Übung der eigenen Muskeln. Jeder Nachahmung muß ein Willensakt, nämlich eine

willkürliche Beaufmerkung des gegenwärtigen oder erinnerten Vorbildes sogar schon vorhergehen, weil ohne solche Beaufmerkung die einzelnen Teile des Vorbildes nicht unterschieden und somit auch nicht wiederge­

geben werden könnten. Auch der Papagei plappert Laute, die er mit willkürlicher Aufmerksamkeit erfaßt hat, nur willkürlich nach. Der Psychologe W. W u n d t äußert sich (Gmndriß der Psychologie, 1897, S. 351): „Die ursprüngliche Entwicklung der Lautsprache läßt sich

nicht wohl anders als nach Analogie der Entstehung der natürlichen Ge­ bärdensprache denken, nur daß die Hörfähigkeit zu den mimischen und pantomimischen Gebärden noch als eine dritte Form die Lautgebärden

hinzufügen wird, die, weil sie nicht bloß leichter wahmehmbar sind, sondern auch ungleich reichere Modifikationen zulassen, bald den Vorzug vor jenen

gewinnen müssen."

Offenbar versteht W. Wundt unter der Benützung

der (unwillkürlichen) Lautgebärden zum Sprachzwecke die willkürliche

Nachahmung derselben, wenn er dies auch nicht ausdrücklich sagt. Er unter­

läßt jedoch die naheliegende wichtige Folgerung, daß der Geist die Nach­ ahmung äußerer

objektiver

Naturlaute ebenfalls als ein ge­

eignetes Sprachmittel erkennen mußte.

Diese Unterlassung ist bei W.

Wundt um so auffallender, als er kurz vorher (S. 350) dargelegt hat, daß taubstumme, ohne absichtlichen Unterricht aufwachsende Kinder bei ihrem gegenseitigen Verkehr chre Vorstellungen auch durch malende Ge­

bärden

ausdrücken, mittete welcher ohngeführe Bilder der Borstel-

9 Jungen, d. h. Nachahmungen sichtbarer äußerer Objekte, in die Lust gezeichnet werden. Wenn taubstumme Kinder es fertig bringen, von der Nachahmung ihrer eigenen unwillkürlichen Geberden zu der Nachahmung äußerer Objekte fvrtzuschreiten, so darf man den gleichen Schritt wohl auch vollsinnigen Urmenschen zutrauen. Je ältere Sprachschichten durch das Bekanntwerden des Sanskrit sowie durch die Erklärung der ägyptischen Hieroglyphenschrift und der babylonischen Keilschrift aufgedeckt wurden, desto weniger Gnade fand die Lautnachahmungstheorie gerade vor den Augen der Philologen selbst. Diese wollten nämlich gefunden haben, daß die sogenannten Wortwurzeln, welche als die Ur Wörter einer jeden Sprache erklärt wur­ den, keine Spur von Lautnachahmung verraten. Die Neigungen wandten sich deshalb verschiedenen Gestaltungen der interjektionalen Theorie zu. Besonderes Aufsehen erregte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die „synergastische" Theorie L. Noires. Nach dieser Theorie hätte der Urmensch bei jeder Tätigkeit, insbesondere bei jeder gemeinsam mit seinen Genossen ausgeführten, unwillkürlich einen Laut ausgestoßen, der dann, lange Zeit sich mit dieser Tätigkeit verbindend, allmählich der Urname derselben, also eine Wortwurzel, geworden sei. Dieser die gemeinsame Tätigkeit begleitende Laut — clamor concomitans — sei Ausdruck des erhöhten Gemeingefühls gewesen. — Leider gibt diese Theorie gerade über die Hauptsache keinen Aufschluß, nämlich darüber, warum der Ur­ mensch die eine Tätigkeit, z. B. das Reißen, mit diesem Laute, eine andere, z. B. das Graben, mit jenem Laute begleitet haben sollte. Ferner führt der „clamor concomitans“ überhaupt eine fragwürdige Existenz. Zwar preßt uns anstrengende körperliche Arbeit manchen Seufzer ab. Aber niemand verspürt heutzutage den Trieb, jede einsame oder gemeinsame Tätigkeit kürzere oder längere Zeit hindurch mit einem besonderen Stimm laut zu begleiten. Doch hierüber trösteten sich die Anhänger der Noireschen Theorie, Schopenhauer folgend, mit der Annahme, daß jener Trieb, nachdem er mit Hervorbringung der Wortwurzeln seine Schuldigkeit getan, unnötig geworden und durch Nichtmehrgebrauch allmälich verloren ge­ gangen sei. Der Einwand, daß der doch bei allen Bölkem ursprüngilch gleiche Trieb auch in allen Sprachen die gleichen Wortwurzeln von einer bestimmten Bedeutung hätte bedingen müssen, wird damit abgefertigt, daß die Verschiedenheit der ein Gleiches bedeutenden Wortwurzeln in den verschiedenen Sprachen von dem im Laufe der Zeit eingetretenen Laut- und Bedeutungswandel herrühre. Die Wortwurzeln werden also

10 wenn ihre angebliche Unähnlichkeit mit den äußeren Naturlauten und

mit den Lauten der eigenen Tätigkeiten die Unrichtigkeit der Lautnach­ ahmungstheorie beweisen soll, als U r w ö r t e r erklärt.

Wenn man

eben diese Verschiedenheit aber der synergastischen Theorie entgegenhält,

so sind diese nämlichen Wortwurzeln auf einmal keine Urwörter mehr, sondem haben im Laufe der Zeit Laut- und Bedeutungswandel erlitten. Bon der ganzen Noireschen Theorie bleiben sonach als wahr nur die schon

längst bekannt gewesenen Tatsachen übrig, daß

ein

großer Teil der

Wortwurzeln menschliche Tätigkeiten bezeichnet und daß gerade diese Wortwurzeln sich als sehr fmchtbar erwiesen haben, indem

aus ihnen zahlreiche bildliche Ausdrücke abgeleitet worden sind.

Trotz­

dem war es kein geringerer, als der hochangesehene Max Müller, welcher die nichts erklärende und den alltäglichsten Beobachtungen widersprechende Noiresche Theorie mit den begeisterten Worten begrüßte: „.... Heurekas,

heureka! Eines der ältesten Rätsel der Welt scheint mir gelöst!" (M. Müller, Die Wissenschaft der Sprache, 1892, Band I, S. VIII.) M. Müller war denn auch, seitdem jene Theorie es ihm angetan hatte, ein gar grimmiger

Gegner der Lautnachahmungstheorie. In seinem soeben genannten Werke, Band I, S. VI, nennt er die Theorie der Nachahmung äußerer Natur­ laute — nach dem Hundegebell — die „Bauwautheorie" und die Theorie

der Nachahmung unserer eigenen Gefühlsschreie die „Puhpuhtheone". Er hält diese beiden Theorien für bereits derart abgetan, daß er, ihrer Widerlegung ein paar Seiten opsemd, sich förmlich entschuldigt, weil er

„die Erschlagenen noch einmal erschlage". In seinem Werke „Das Denken im Lichte der Sprache", S. 167, beteuert er, die Lautnachahmungstheorie nicht ironisch, sondern einfach anschaulich „Bauwautheorie" bzw.

„Puhpuhtheone" genannt zu haben. Er hat also, um sich möglichst an­ schaulich, d. h. verständlich , auszudrücken, selbst von einer Lautnachahmung

Gebrauch gemacht und damit seine eigenen Angüsse auf die Lautnach-

ahmungstheorie widerlegt.

Viele Sprachforscher gestehen zwar zu, daß gewisse neuere Wörter, wie z. B. die deutschen Wörter puffen, quetschen, schmettern, matsch, bum-bum, pifs-paff, töff-töff usw. auf Lautnachahmung bemhen. Sie verschließen sich aber der doch so nahe liegenden Folgemng, daß der näm­

liche Nachahmungstüeb, der diese neueren Wörter schuf, auch den Ur­ menschen eigen gewesen sein und die Urwörter geschaffen haben muß. Diese Forscher sind also zu der Annahme gezwungen, daß der sprachbildende

Instinkt der Urmenschen auf einer anderen Grundlage bemht habe, als

11 der des jetzigen Geschlechtes, und sie geraten, diese andere Gmndlage suchend, auf die abenteuerlichsten Irrwege.

Viele Philosophen und Sprachforscher verhalten sich in ihren An­ sichten über den Sprachurspmng äußerst schwankend. So sagt Darwin

in seinem Werke „Descent of man“, I, S. 57, „er könne nicht daran zwei­ feln, daß die Sprache ihren Ursprung der Nachahmung und den durch Zeichen und Gesten unterstützten Modifikationen verschiedener natür­

licher Laute, den Stimmen anderer Tiere und den eigenen instinktiven Ausmfen des Menschen verdanke". Diese seine Außemng nahm Darwin späterhin (Expression of the emotions, S. 93) gewissermaßen wieder

zurück mit den Worten: „Aber das ganze Thema von den Verschieden­ heiten der unter verschiedenen Seelenzuständen hervorgebrachten Laute

ist so dunkel, daß es mir kaum gelungen ist, irgendwelches Licht darauf zu werfen, und die Bemerkungen, welche ich hier gemacht habe, haben

nur wenig Bedeutung." Wahrscheinlich hat Darwin, der sich mit eingehen­ den sprachlichen Forschungen nicht befassen konnte, den Versichemngen

der Gegner der Lautnachahmungstheorie, daß die Wortwurzeln keine Spur von Lautnachahmung zeigten, Glauben geschenkt und sich in wissen­ schaftlicher Aufrichtigkeit zu einer Art Mdermfung seiner früheren Be­

hauptung entschlossen.

Unter neueren Sprachforschern, welche sich zur unbedingten Aner­

kennung der Lautnachahmungstheorie nicht durchringen können, seien

A. G i e ß w e i n und H. Paul genannt. A. Gießwein sagt in seinem Werke „Die Hauptprobleme der Sprachwissenschaft", S. 176: „.... Es erscheint ganz natürlich, daß der Mensch die hörbaren Dinge und Tätig­ keiten nach den ihnen anhaftenden Lauten bezeichnet."

Gemäß dieser

Stelle sollte man meinen, A. Gießwein als einen Anhänger der Lautnach­

ahmungstheorie in Anspruch nehmen zu dürfen. Mit Nichten! In dem nämlichen Werke, S. 168, bespricht er die (auch von uns schon angeführ­ ten) Worte, welche Plato in seinem Kratylus dem die obige Theorie aus­ einander setzenden Sokrates in den Mund legt, folgendermaßen: „Solche Ausführungen hat man sich zur Zeit Platos gefallen lassen, heute haben sie gewiß keinen wissenschaftlichen Wert." Hermann Paul sagt in seinem Werke „Prinzipien der Sprachge­ schichte", 1909, S. 175—176: „....SBir dürfen die Ansicht nicht gelten lassen als seien in der Entwicklung der Sprache zwei Perioden zu unter­

scheiden, die eine, in welcher der ursprüngliche Sprachstoff, die sogenannten Wurzeln, geschaffen wurde, und eine zweite, in welcher man sich begnügt

12 hätte, aus dem vorhandenen Stoffe Kombinationen zu gestalten. In der Entwicklung der Volksprache gibt es keinen Zeitpunkt, in welchem die Ur­

schöpfung abgeschlossen wäre." Sodann führt er, S. 177—179, mehr als 200 neuere deutsche Wörter an, welche „auf Angemessenheit der Bezeich­

nung, auf innerer Beziehung zwischen Klang und Bedeutung" bemhen. Er bemerkt dazu, daß man ebenso aus älteren germanischen Dialekten, sowie aus dem Griechischen und Lateinischen, eine reichliche Liste derartiger Wörter zusammenbringen könnte, „die auf dem eigentlichen Gebiete der sprachlichen Urschöpfung liegen". Bald darauf, S. 182, sagt er aber, eine den Ursprung der Sprache aus Lautnachahmung ablehnende Äußemng

W. Wundts besprechend, „er möchte sich darüber kein Urteil erlauben". Aus dem Gesagten erhellt, daß viele Sprachforscher und Philosophen

die Lautnachahmungstheorie mit Entschiedenheit bekämpfen, manche sich

zweifelnd und schwankend verhalten. Es fehlt jedoch auch nicht an tüch­ tigen Forschem, welche mit Wärme für diese Theorie eintreten. Mr nennen G. Voigtmann, Th. Curti, Winteler, Wackernagel, Preyer, Wed­

gwood, Whitney, Goddes-Liancourt und Farrar.

Me uns nun scheint,

ziehen diese Forscher bald die Psychologie, bald die Stimmlehre zur Be-

weisfühmng nicht genügend heran. Femer ist in vielen der betreffenden Werke fast nur von der menschlichen begrifflichen Lautsprache die Rede. Der Urspmng der Sprache aus willentlicher Nachahmung erweist sich aber auch bei der Mllensprache der Tiere, bei der gleichen Sprachstufe

des Menschen, bei allen fünf Arten der menschlichen Begriffsprache, ferner bei der Schrift und bei der Kunst. Endlich ist nicht bloß der Urspmng,

sondem auch das Wachstum der Sprache darzulegen, und insbesondere

die Scheidung der begrifflichen Lautsprache in mehrere Sprachen als durch verschiedene Vereinbamng entstanden zu erklären.

Mr werden

deshalb trachten, die verschiedenen Teile des Beweises unserer beiden

eingangs

aufgestellten

Behauptungen

möglichst zusammenzusassen. —

Zunächst folge ein Auszug aus der Psychologie.

13

Drittes Kapitel.

Auszug aus der Psychologie. Einleitung. Die Organisation aller Lebewesen ist auf die Selbsterhaltung des

Individuums und der Gattung angelegt. Die Erreichung dieses Doppel­

zweckes vollzieht sich bei den Pflanzen lediglich durch vegetative Vorgänge, beim Menschen und bei den Tieren hingegen durch das Zusammenwirken von vegetativen und von seelischen Vorgängen, welch letztere ein be­

wußtes Erkennen und Verfolgen des Selbsterhaltungszweckes ermöglichen. Tie vegetativen und die seelischen Vorgänge stehen beim Menschen und bei den Tieren unter der Herrschaft des Nervensystems. Wir besitzen

zwei Nervensysteme, das v e g e t a t i v e und das Gehirn-Rücken-

marksnervensystem.

Diese beiden Nervensysteme hängen durch

zahlreiche Nervenfäden niiteinander zusammen und beeinflussen sich da­

durch gegenseitig.

Das vegetative Nervensystem regelt die Vorgänge in

den Eingeweiden, Drüsen und Gesäßen und von letzteren aus die Emährung aller Körperteile. Wir werden in dem Folgenden dieses System

nur insoferne in Betracht ziehen, als es durch Nervenfäden mit dem Ge­

hirn-Rückenmarksnervensystem zusammenhangt.

Das Gehim-Rückenmarksnervensystem zeigt drei Empfindungs-

das

(Sinnes-)

Gehirn — und

Nerven,

ein

Bewegungsnerven.

Teile,

nämlich

Zentrum —

Die Empfin­

dungsnerven leiten dem Gehim Reize zu, welche in der Umwelt oder auch im Innern des Körpers selbst entstanden sind. Im Gehirn erzeugen die Empfindungsreize, indem sie sich mit Blutkräften verbinden und zeitlich sowie räumlich miteinander Zusammenhängen, das Bewußt­ sei n des eigenen Ich (Selb st bewußtsein) und des Verhält-

14 nisses des Ich zur Umwelt.

Die Bewegungsnerven

nehmen

Reize auf, welche ihnen entweder unmittelbar von Empfindungsnewen

oder mittelbar vom Gehim aus zugekommen sind, leiten dieselben musku­

lären Elementen zu und lösen dadurch mechanische und chemische Bewe­ gungen in verschiedenen Körperteilen aus. — Der Name „Gehirn-Rückenmarksnewensyem" rührt davon her, daß zahlreiche Empfindungsnewen,

ehe sie in das Gehim eintreten, und zahlreiche Bewegungsnewen, ehe

sie zu den muskulären Elementen gelangen, erst einen kleineren oder grö­ ßeren Teil ihrer Bahn im Rückenmark zurücklegen. — Die Gehimvorgänge werden als seelische bezeichnet.

Die seelischen Vorgänge lassen sich, obwohl sie fortwährend ineinander

fließen, mittels der aufmerkenden Selbstbeobachtung als E m p f i n d e n, Wollen unterscheiden. Bei jedem dieser drei Vor­

Denken und

gänge werden wir uns mit einer gewissen, oft ziffermäßigen Bestimmt­ heit der o b j e k t i v e n äußeren und inneren Ursachen bewußt, durch

welche eben jene Vorgänge heworgemfen worden sind. Femer ist jeder der drei Vorgänge von einem Gefühle begleitet, welches die günstige oder ungünstige Bedeutung anzeigt, die jene objektiven Ursachen für unsere Selbsterhultung — für das subjektive Ich — besitzen.

Man hat

also Empfindungs-, Denk- und Willensgesühle zu unterscheiden.

End­

lich kann jeder der drei Vorgänge als Reiz auf Ursprünge von Bewe­

gungsnewen übergehen und mechanische oder auch chemische, die Selbst­ erhaltung fördernde Bewegungen auslösen. Die dem Empfinden und Denken folgenden Bewegungen heißen Reflexe, die demnach als Empfindungs- und Denkreflexe zu unterscheiden sind, während die vom Willen ausgelösten Bewegungen als willkürliche bezeichnet werden.

A. Empfinden. Wenn zwei Körper aufeinanderstoßen, so geraten deren Atome und

Moleküle in Hin- und Herschwingungen, die sich nach allen Raumrich­ tungen wellenförmig sortpflanzen. Die Zahl der in einer Sekunde erfol­

genden Hin- und

Herschwingungen (Doppelschwingungen)

Schwingungszahl.

heißt

die

Die Zeitgröße der einzelnen Doppelschwin­

gung wird wegen ihrer Kleinheit als Kleinzeit — intensiveZeit —

bezeichnet, die Raumgröße derselben aus dem gleichen Gmnde als Klein­ raum — intensiver Raum.

Die intensiven Zeiten und Räume

sind bei den Awmen viele Billionen mal kleiner als bei den Molekülen.

15 Jedes gestoßene Atom und Molekül vollzieht seine Hin- und Her­

schwingungen zunächst pendelförmig,

d. h. es bewegt sich, von

einem der zwei Endpunkte seiner Schwingungsbahn aus betrachtet, mit

gleichmäßig zunehmender Geschwindigkeit nach dem Punkte seiner Gleich­ gewichtslage, und von hier aus mit gleichmäßig abnehmender Geschwindig­

keit nach dem entgegengesetzten Endpunkte.

Bei der Fortpflanzung der

Schwingungsketten (Wellen) durch gleichförmige Mttel, d. h. durch Büttel von gleicher Dichtigkeit und von gleicher Spannung ihrer

kleinsten Teilchen, behalten die Schwingungen ihre Pendelform. Pflanzen sich aber die Schwingungen durch ungleichförmige Mttel fort, so verwandeln sich die Schwingungen durch die Reflexionen und Kreuzungen der Wellen in nicht pendelförmige, gemischte. Da die meisten Wittel mehr minder ungleichförmig sind, so sind auch die meisten Schwin­ gungen mehr «rinder genrischt. Je nach Grad und Art ihrer Mischung

besitzen die Schwingungen, und danüt auch deren Wellen, verschiedene Formen. Eine gemischte Schwingung, in welcher eine einzelne Teilschivingung durch ihre Stärke bedeutend vorherrscht, wird annähemd die

Pendelform bewahren. Herrscht in der gemischten Schwingung eine b e messene Mehrzahl von Teilschwingungen durch ihre Stärke vor,

so macht sich jede dieser Teilschwingungen in der Gesamtform der ge«lischten Schwingung mehr minder deutlich bemerkbar. Eine gemischte Schwingung, die aus zahlreichen, an Stärke annähemd gleichen Teil­ schwingungen besteht, »vird als eine wirre bezeichnet. Schwingung, desto unregelmäßiger ihre Form.

Je wirrer eine

Wenn nun Atom- oder Molekulschwingungen die in verschiedener Tiefe liegenden peripheren Ursprünge von Sinnesnerven getroffen haben, so pflanzen sie sich zu den zentralen, in den Sinnesherden des Gehirns liegenden Enden dieser Nerven fort und werden als S i n n e s -

empfindungen bewußt. Die intensive Zeitgröße der Schwingungen ergibt die Qualität, die intensive Raum­ größe der Schwingungen die Stärke der Empfindung. Außerdem besitzt aber jede Empfindung auch eine extensive Zeitgröße

und eine extensive Raumgröße. Die extensive Zeitgröße ent­ spricht der Zeitdauer, während welcher die Schwingungen auf die Nervenursprünge einwirken.

Die extensive Raumgröße entspricht der

Zahl der von den Schwingungen gleichzeitig getroffenen, nebeneinander

liegenden Nervenursprünge und damit der Raumgröße und Rauniform der Fläche, in welcher sich diese Ursprünge ausbreiten. Jede einzelne.

16 die genannten vier Stärke,

Dauer

Bestimmungsstücke

der

Qualität,

und Raumgröße enthaltende Empfindung

heißt eine elementare, und bildet ein seelisches Ganzes, eine Ein­ zahl. Elementar ist z. B. die Empfindung eines Tones oder Geräusches,

eines farbigen oder farblosen Fleckes, eines Stoßes auf die Haut, irgend­ eines

besonderen Geschmackes,

einer Muskelzuckung. — Wir schildern

zunächst die elementaren Empfindungen.

Die Verschiedenheit der Sinne. Unter Sinn versteht man eine Ordnung von Empfindungsnerven,

welche dem Gehim eine auf einem besonderen Qualitätssystem, d. h. auf einer besonderen Gruppe von Schwingungszahlen, bemhende Emp­

findungsgattung zuführen. Jeder Sinn ist paarig — rechtsunb linksseitig — eingerichtet und besitzt in jeder der zwei Gehirnhälften einen bestimmten Bezirk — Sinnesherd.

Man unterscheidet mit Rück­

sicht auf den Körperteil, in welchem die Schwingungen auf die Nerven­ ursprünge einwirken, äußere und innere Sinne.

A. Die äußeren Sinne. Wir besitzen sechs äußere Sinne, nämlich den äußeren Temperatur­ sinn, den äußeren Dmcksinn, den Gesicht-, Gehör-, Geschmack- und Ge-

mchsinn. Der äußere Temperatursinn und der äußere Dmcksinn werden von der Sprache häufig unter dem Namen des äußeren Tastsinnes zu­

sammengefaßt, weil sie eine gemeinsame Aufnahmefläche — die äußere Haut nebst den angrenzenden Schleimhäuten — besitzen.

In neuerer

Zeit wurde jedoch nachgewiesen, daß jedem der zwei Sinne eine besondere

Art von Nervenursprüngen eignet und deren Unterscheidung gebietet.

1. Der äußere Temperatursinn. Die Nerven dieses Sinnes entspringen in der äußeren Haut und in den äußeren Schleim­ häuten und nehmen nur atomische Schwingungen auf, diese aber von Schwingungszahlen aller Größen. In kleinen Aufnahmeorganen, welche die Ursprünge der Nerven bedecken, erleiden die anlangenden atomischen Schwingungen eine wirre Mschung, so daß die Qualität

der TemperaMrempfindung eine völlig gleichförmige wird. — Die Stärke der TemperaMrempfindungen scheidet sich in eine posi­ tive und eine negative. Das Körperinnere besitzt nämlich normal

eine Temperatur von etwa 37,0° C. Dies besagt, daß die Atome des Körper­ inneren, also auch des Gehirns, normal mit einer dem genannten Grade

17 entsprechenden Weite schwingen. Nullpunkt

der

Diese Schwingungsweite bildet den

Temperaturempfindungsstärke

und

bleibt

unbe­

wußt, richtiger: sie trägt zur Erzeugung einer gleichgültigen Empfindungs­ stärke bei. Erst von diesem Nullpunkte aus wird eine größere Weite der

von außen her einwirkenden Atomschwingungen als Wärme, eine geringere solche Weite als Kälte empfunden. Wärmeempfindung kann somit als positive,

Kälteempfindung als negative Stärke der

Temperaturempfindung bezeichnet werden. Die Empfindung der Wärme

sowie der Kälte besitzt aber auch Grade ihrer Stärke. Je mehr die ein­ wirkende äußere Temperatur über 37,0" steigt, desto stärker die Wärme­

empfindung, je mehr sie unter 37,0" sinkt, desto stärker die Kälteempfin­ dung. — Wenn bei irgendeinem Sinne die auf Nervenursprünge ein­ wirkenden Schwingungen eine derartige Stärke erreichen, daß sie das Nervengewebe cheniisch oder mechanisch verletzen, so geht die Empfindung

unter völligem Unkenntlichwerden der betreffenden Qualität in S ch m e r z über. Dieser Übergang kann mithin beim Temperatursinn nach zwei einander entgegengesetzten Richtungen erfolgen, indem überstarke Wärme-

wie Kälteempfindung sich in den gleichen Schmerz verwandelt. — Eine Dauer irgendeiner Temperaturempsindung von etwa 0,1 bis 2,0 Sek.

>vird annähemd b e st i m m t bewußt, jede größere sowie kleinere Dauer

nur u n b e st i m m t. Das Nämliche ist bei der Dauer allerübrigen Sinnesempfindungen der Fall.

Die extensive

Raumgröße der Temperatur- sowie auch

der Druckempfindungen wird von vielen Psychologen durch sogenannte

„L o k a l z e i ch e n der Reizaufnahmepunkte" zu erklären versucht.

So

sagt z. B. W. Wundt (Grundriß der Psychologie, 1897, S. 123): „daß jedem Punkt des Tastorgans eine eigentümliche qualitative Färbung der Tastempfindung zukomme, die unabhängig von der Qualität des äußeren Eindmcks sei und wahrscheinlich von den von Punkt zu Punkt wechselnden

und an zwei entfernten Stellen niemals völlig übereinstimmenden Struktur-

eigentümlichkeiten der Haut herrühre".

Hiegegen ist zu sagen, daß die

Lokalisiemng auch bestehen bleibt, wenn die Haut durch Entzündung, Verschwärung usw. wesentlich verändert, ja sogar, wenn eine Hautpartie gänzlich zerstört worden ist. Amputierte empfinden jede Berührung ihrer

Stumpfnarbe so, als ob eine bestimmte Stelle ihres abgesetzten Gliedes

berührt worden wäre. Femer setzt sich der Schmerz an die Stelle aller Qualitäten, müßte also auch die keinen Qualitätsunterschiede aufheben, denen man die Rolle der Lokalzeichen zuteilt. Wir lokalisieren aber auch Baumann, Ursprung und Wachstum der Sprache.

2

18 jeden schmerzhaft, z. B. durch einen Nadelstich, gereizten Hautpunkt. Bei

diesem^Versagen qualitativer Lokalzeichen erklärt sich die Lokalisiemng der Temperaturempfindungen am einfachsten durch die Annahme, daß die

Nerven das räumliche Nebeneinander, in welchem sich ihre Ursprünge in

der Haut befinden, bis zu chren Gehimenden bewahren. Es würde dann im Gehim ein verkleinerter, in irgendeiner flächigen Raumform und

Raumgröße ausgedehnter Abdruck der peripheren Einwirkung entstehen. — Der äußere Temperatursinn erfaßt die extensive Raumgröße je nach der Körperstelle mit sehr verschiedenem Grade von Schärfe, mit größter Schärfe an den Fingerspitzen, mit geringster Schärfe am Rücken. Dieses

muß auf dem verschiedenen Abstand bemhen, in welchem sich die Nerven­ ursprünge auf der Haut befinden.

2. Der äußere Drucksinn.

Schwingungen.

Dieser erfaßt nur molekulare

Seine Nervenursprünge liegen in dichtem Neben- und

Durcheinander mit jenen des äußeren Temperatursinnes.

Wegen dieser

Gemeinsamkeit der Reizaufnahmesläche Pflegt man jene zwei Sinne als

äußeren Tastsinn zusammenzufassen. — Das betreffs der Qualität, Dauer und extensiven Raumgröße der äußeren Temperaturempftndungen Gesagte gilt auch für die äußeren Druckempfindungen.

Die Stärke scheidet sich bei den letzteren ebenfalls in eine

positive

und eine

negative.

Es stehen nämlich alle Körper­

gewebe normal unter dem Atmosphärendruck, so daß deren Moleküle mit einer diesem Druck entsprechenden Weite schwingen.

Diese Weite bildet

den Nullpunkt der Druckempfindungsstärke und bleibt in dem bei der Temperaturempfindung

genannten

Sinne

unbewußt.

Erst von

diesem Nullpunkte aus wird mit Steigerung des äußeren Druckes ü b e r den Atmosphärendmck, z. B. bei jedem mechanischen Stoß, eine dem

Grade dieser Steigerung entsprechende positive Druckstärke bewußt. Beim Sinken unter den Atmosphärendmck, z. B. beim Aufsetzen

von Schröpsköpfen aus die Haut, tritt die der Dmckempsindung gegen­ sätzliche Empfindung der S p a n n u n g auf, deren Stärke — negative

Dmckstärke — mit dem Sinkungsgrade wächst.

3. Der Gesichtsinn. Dieser nimmt nur atomische Schwingungen auf.

Von jedem äußeren Lichtpunkte gehen divergierende, mehr minder

gemischte atomische Schwingungsstrahlen aus.

Jene Strahlen, welche die

Homhaut treffen und sodann durch die Pupille dringen, pflanzen sich durch die Linse und den Glaskörper zu der Netzhaut, von dieser zu den Ursprüngen

(peripheren Enden) der Sehnerven, und durch die letzteren zum Gehirn fort.

19 Die Qualitäten der Lichtempfindung.

Man unterscheidet zwei

Hauptqualitäten dieser Empfindung, nämlich eine Mehrzahl von differenzierten farbigen Qualitäten und eine einzige undifferenzierte farb­ lose Qualität. Diese zwei Hauptarten können sich in den verschiedensten

Verhältnissen miteinander mischen. Das Farbige bemht auf pendelförmi­ gen, das Farblose auf wirren Schwingungen des Lichtäthers. Im Auge kommen die Qualitäten auf folgende Art zustande: Die Netzhaut ist mit Z a p s e n und Stäbchen besetzt. Die Mtte

der Netzhaut enthält nur Zapfen, während auf den Seitenteilen die Stäb­

chen überwiegen. Jeder Zapfen besteht aus einem Bündel von Fäserchen, deren jedes auf eine besondere Farbe „abgestimmt" ist, also bei Anlangen einer Farbenmischung nur diese Farbe aufnimmt, ebenso wie ein auf einen bestimmten Ton abgestimmter Resonator bei Anlangen eines Klanges

nur diesen Ton. In jedem Fäserchen verbindet sich der eingetretene Licht­ strahl in noch unerforschter Weise mit Blutkräften. An jedes Fäserchen schließt sich der Ursprung eines Nervenfadens, der die besondere farbige

Erregung aufnimmt und im Gehim zur Empfindung bringt.

Enthält ein

einen Zapfen treffender Strahl nur eine einzige Farbe, so erzeugt er im

Gehim einen entsprechend farbigen Punkt. Enthält ein solcher Strahl eine mäßige Zahl von verschiedenen Farben, so wird ein gemischtfarbiger Punkt empfunden.

Bei weiterem Ansteigen der im Strahl enthaltenen

Farbenzahl entsteht im Gehim ein aus Farbigem und Farblosem ge­ mischter Lichtpunkt und schließlich, bei Wirrheit der im Strahl enthaltenen Lichtschivingungen, ein völlig farbloser Punkt. Immer also ist die Emp­ findung, die von einem einen Zapfen treffenden Strahl erzeugt wird, eine punktförmige.

Wir unterscheiden die drei Hauptfarben Rot, Gelb und Blau, die sich in verschiedenen Verhältnissen mischen können. Die kleinste Schwin­

gungszahl, etwa 450 Billionen, eignet dem Scharlachrot. Bon diesem aus steigt die Schwingungszahl durch Orange, Gelb, Grün und Blau nach

Violett, welch letzteres die Schwingungszahl von 790 Billionen erreicht. Der Umfang der genannten Farben beschränkt sich also auf etwa8/, einer einzigen Oktave. Da jedoch das im Sonnenspektmm fehlende, aber vielen Objekten eigene Purpurrot in der Empfindung den Übergang von Violett

zu Scharlachrot bildet, so kann man annehmen, daß mit diesem Übergang

auch die Schwingungszahl ansteigt und dadurch die Farbenoktave voll­

ständig wird.

Die Unterscheidung des Scharlachrot mit 450 Billionen

Schwingungen von seiner anzunehmenden Oktave mit 900 Billionen

2*

20 Schwingungen ist nicht möglich. In der Empfindung bilden also die Farben

eine in sich zurückkehrende Linie, einen Kreis, durch ihre Schwingungs­

zahlen aber, gleich einer Tonoktave, die vollständige Windung einer Schrau­ benlinie. — Die drei Hauptfarben und die Mischungen von je zweien derselben heißen satte Farben. Jeder satten Farbe ist ejne den größten

Empfindungsgegensatz zu ihr bildende andere satte Farbe, eine Gegen­ farbe, zugeordnet. Notiert man auf dem Umfang des Farbenkreises die Farben nach ihren Schwingungszahlen, so findet man je zwei einander zugehörige Gegenfarben an den entgegengesetzten Endpunkten eines und desselben Kreisdurchmessers.

Gegenfarben sind z. B. Himmelblau und

Orange, Scharlachrot und Grün, Purpurrot und Hellgrün, Chromgelb und Violett. Je zwei Gegenfarben enthalten zusammen stets alle drei

Hauptsarben, heißen deshalb auch Ergänzungsfarben. Farben­ mischungen, in welchen alle drei Hauptsarben vertreten sind, ergeben

u n s a t t e Farben.

Jede unsatte Farbe nähert sich dem Farblosen —

einem Weiß oder Grau — um so mehr, je mehr in ihr die drei Haupt­ farben zu gleichen Teilen enthalten sind, mit anderen Worten, je wirrer

die den Lichtstrahl zusammensetzende Mschung der Schwingungen ist. Die S t ä b ch e n der Netzhaut besitzen ein ungleichförmiges Gewebe. Damit erfährt in jedem Stäbchen der ihn treffende Lichtstrahl eine wirre Mschung der ihn zusammensetzenden Schwingungen, wie etwa beim

Durchgang durch ein Mlchglas. Der Lichtstrahl verbindet sich auch im Stäbchen mit Blutkräften und erzeugt dadurch einen farblosen Lichtpunkt.

An jedes Stäbchen schließt sich nur ein einziger Nervenfaden. Die Stärke der Lichtempfindung. Sie beruht auf der Weite der Lichtätherschwingungen. Man bezeichnet ihren Grad als H e l l i g k e i t s grad. Nullstärke des Lichtes wird als Schwarz empfunden. Farb­

loses erscheint bei mittlerer Helligkeit als Grau, bei großer Helligkeit als W e i ß. Schwarz, Grau und Weiß können sich mit jeder satten Farbe verbinden und diese in eine unsatte verwandeln. Die Stärke des Lichtes

nimmt vom Nullpunkte des Schwarz aus nur positiv zu. Die Dauer der Lichtempfindung. Eine solche von etwa 0,1 bis 2,0 Sekunden wird annähernd bestimmt, jede kleinere und größere

Dauer nur u n b e st i m m t erfaßt. Die extensive Raumgröße

der Lichtempfindung.

Ge­

sichtsobjekte, welche durch ihre Sinnesstärke oder durch ihren Borstellungs­ wert die (später zu schildernde) Aufmerksamkeit erregen, lösen in zwei

Bezirken Muskelkontraktionen aus.

Einerseits stellt sich aus jedem der

21 beiden Augen der Augapfel derart ein, daß seine Längsachse und dessen

nach außen fortgesetzt gedachte Verlängerung eine gerade Linie, die B l i ckl i n i e, bilden, welche sich von der Mitte der Netzhaut dis zur Mtte des Sehobjekts — zum Blickpunkt — erstreckt. (Diese Bewegung wird oft auch durch Bewegungen des Kopfes sowie des ganzen Körpers unter­ stützt.) Anderseits gewinnt die Linse durch Kontraktionen der Ziliarmus­

keln eine derartige Konvexität, daß die je von einem einzelnen Objekt­ punkte aus divergierenden Strahlen konvergent werden und sich auf der

Netzhaut in einem Punkte sammeln, so daß die Gesamtheit der Objekt­ punkte auf jeder der beiden Netzhäute ein verkehrtes und verkleinertes Flächenbild der zugewendeten Seite des betrachteten Objektes entwirft. Dieses Flächenbild — die extensive, in einer Fläche sich ausdehnende Raumgröße und Raumform der Lichtempfindung — gelangt in jedem der beiden Lichtsinnesherde des Gehims zur Empfindung, indem die Seh-

nervensäden der Zapfen und der Stäbchen das räumliche Nebeneinander,

in welchem sich ihre Ursprünge in der Netzhaut befinden, bis zu ihren nahen Gehimenden bewahren.

Die Annahme von „Lokalzeichen der Nerven­

ursprünge" ist also auch beim Gesichtssinne ganz unnötig. — Die Rich­ tung, aus welcher die Lichtstrahlen einfallen, die Entfemung, die körper­ lichen Verhältnisse und die wirkliche Größe des Sehobjekts werden erkannt durch die äußeren und inneren Tastempfindungen bei verschiedent-

licher Betastung und Betrachtung desselben. Unter allen Sinnen eignet dem Gesichtsinn die schärfste Erfassung der extensiven Raumgröße. Er vermag zwei Lichtpunkte zu unterscheiden, welche in einem linearen Abstande von etwa Vzoo mm die Mitte der Netz­

haut treffen, indem diese Größe jener eines Zapfenquerdurchmessers ent­ spricht, und an jeden Zapfen sich ein Bündel von Nervensäden schließt,

welches einen einzigen Lichtpunkt erregt. 4. Der Gehörsinn. Mehr minder gemischte Luftschwingungen

gelangen durch das Trommelfell, die Gehörknöchelchen und das eimnde Fenster zum Labyrinthwasser des in das Felsenbein eingebetteten Innen­ ohres. Desgleichen pflanzen sich Erschüttemngen der Kopfknochen als

wirre Molekülschwingungen zum Labyrinthwasser fort.

Die auf diesen

zwei Wegen zugeleiteten Schwingungen setzen sodann ihren Weg auf gemeinsamer Bahn zum Gehirn fort und werden dort als Laute (Schälle)

empfunden. Die Qualität

der Gehörempfindungen.

Vom Labyrinthwasser

aus erschüttem die Wellen die in der Schnecke ausgespannte Gmndmem-

22 Kran, welche aus etwa 30 000 starren, verschieden langen, gleich den Saiten

eines Klaviers nebeneinanderliegenden Fasem besteht. Jede dieser Fasem

ist gemäß ihrer Länge auf eine bestimmte Schwingungszahl abgestimmt, erfaßt also aus der gemischten Welle jene einfache Teilwelle, mit welcher

sie betreffs der Schwingungszahl übereinstimmt, mit voller Stärke, alle übrigen Teilwellen aber mit verminderter Stärke.

An jede

Gmndmembranfaser schließt sich der Ursprung einer Gehörnervenfaser.

Gelangt zum Labyrinthwasser eine wirre Welle von annähemd gleicher Stärke der einzelnen Teilwellen, so wird sie auch alle Grundmembranfasem und damit auch alle Nervenfasem mit annähemd gleicher Stärke

erregen und im Gehim als ein annähernd gleichfömriges Geräusch empfunden werden. Herrschen aber in der angelangten Welle einzelne Teilwellen von verschiedener Schwingungszahl durch ihre Stärke vor, so werden diese mit entsprechender Stärke an gesonderten Gehirnpunkten als verschiedene Qualitäten — als verschieden hohe Töne — zur Emp­

findung gebracht.

Je kürzer eine Grundmembranfaser, desto höher der

durch sie der Empfindung vermittelte Ton.

Die Schwingungszahl des

tiefsten empfindbaren Tones ist etwa zehn, jene des höchsten Tones etwa 30000. Da man unter einer Oktave eine fortlaufende Reihe von Tönen versteht, deren höchster in der Sekunde zweimal so oft schwingt, als deren

tiefster, so umfaßt das menschliche Gehör 11 bis 12 Oktaven. Eine von einer einzelnen Lautquelle ausgehende Lautmasse, welche neben einem

stärksten und tiefsten Ton, dem G r u n d t o n, eine Anzahl von schwä­ cheren und höheren, durch Reflexionen entstandenen Tönen, von O b e r tönen, empfinden läßt, heißt ein Klang. Der von vielen Obertönen begleitete Klang heißt ein v o l l e r, der von wenigen Obertönen begleitete

ein leerer. Jeden Klang begleitet ferner ein Geräusch, das durch

die wirren Reflexionen der Obertöne entsteht.

Ein von einem starken

Geräusch begleiteter Klang heißt ein d u m p f e r, ein von einem schwachen Geräusch begleiteter ein h e l l e r.

Je höher ein Ton, desto leerer und

Heller unter sonst gleichen Umständen sein Klang. Die Stärke der Gehörempfindungen.

Die Schwin­

gungsweite der Moleküle zweier aufeinander stoßender Körper wächst mit der Geschwindigkeit, der Dichtigkeit und der Masse

dieser Körper. Der alsdann im Gehim entstehende Laut gestattet einen Schluß auf den Anteil, der jedem dieser drei Faktoren an der Stärke des

Lautes zukommt. Man bezeichnet die durch geschwinde Stöße erzeugten Laute als h e f t i g e, die durch langsame Stöße erzeugten als s a n f t e.

23 Der Aufeinanderstoß von dichten Körpem ergibt harte, jener von un­ dichten Körpern weiche Laute. Die Härte der Laute kennzeichnet sich durch rasches Eintreten der größten Stärke. Durch Zusammenstoß von

großen Körpern entstehen mächtige, durch jenen von kleinen Körpem geringe Laute. Bei sofortigem Übergang der Schwingungen in un­ gleichförmige Mttel verliert sich die Stärke rasch durch die eintretenden

Reflexionen und Interferenzen. Bei allseitiger Ausbreitung der Schwin­ gungen in einem gleichförmigen Mttel nimmt die Stärke ab, wie das Quadrat der Entfernung zuninnnt. Schwingungen, welche in einen von resonierenden Oberflächen umgebenen, mit gleichförmiger Luft erfüllten Raum übergegangen sind, verlieren ihre Stärke (verklingen) am lang­

samsten. Die dem Atmosphärendruck entsprechende Schwingungsstärke der Moleküle wird vom Gehörsinn als S t i l l e empfunden, bildet den Null­

punkt der Lautstärke. Bon diesem Nullpunkte aus wächst die Laut­ stärke unter gewöhnlichen Verhältnissen nur nach der positiven Richtung. Die Dauer der Gehörempfindungen.

Entstehen Laut­

schwingungen durch einmaligen Zusammenstoß zweier Körper, so bedingt sich die Dauer ihrer Einwirkung auf das Gehörorgan durch die Dauer

ihres äußeren Berklingens, mit welcher die Dauer der Empfindung über­ einstimmt. Letztere wird vom Bewußtsein als eine elmentare erfaßt, weil

die Stärkeabnahme ohne Absetzung erfolgt. Wiederholen sich Zusammen­ stöße gleicher Art in Zeitpausen von weniger als etwa 0,02 Sekunden, z. B. beim Streichen einer Violinsaite, beim Singen eines Tones, so hängt die Dauer der Lautempfindung von der Dauer der Wiederholungen ab. —

Auch der Gehörsinn erfaßt eine Dauer von etwa 0,1 bis 2,0 Sekunden

annähernd bestimmt, jede kleinere oder größere Dauer nur unbestimmt. Die

extensive Raumgröße der Gehörempfin­ Diese wird gemäß des anatomischen Aufbaues des Gehör­

dungen.

organs nur u n b e st i m m t erfaßt.

Die räumliche Ordnung nämlich,

in welcher die Gehörnervenfasern von der Gmndmembran abgehen, ent­ spricht in keiner Weise der Ordnung der äußeren Lautpunkte. Wenn also

auch die Gehörnervenfasern, wie anzunehmen ist, ihr Nebeneinander bis zu ihren Gehirnenden bewahren, so wird doch der Schluß, den das Be­

wußtsein auf ein entsprechendes Nebeneinander der äußeren Lautpunkte ziehen kann, durch den Gesichtsinn und den äußeren wie inneren Tastsinn fortwährend berichtigt und unterbleibt allmählich.

24 Für sich allein, ohne Zuhilfenahme eines anderen Sinnes, gibt der

Gehörsinn vermöge seiner Paarigkeit annähemd die Richtung zu erkennen, aus welcher die Laute einwirken, jedoch nur bei nahen Lautquellen. Hören

wir z. B. einen Laut auf dem rechten Ohre stärker als auf dem linken, so schließen wir auf eine rechtsseitige Lage der Lautquelle. Entfemung,

Größe und Form der Lautquelle können, mäßig bestimmt, nur dadurch

erkannt werden, daß wir Qualität, Stärke und Dauer der Lautempfindung mit Empfindungen der den Raum gut lokalisierenden Sinne, insbesondere

des Gesichtsinnes, vergleichen. Erst diese Sinne sagen uns, daß z. B. ein p - artiger Laut einen Zusammenstoß zweier breiter Flächen anzeigt, daß bei einem k - artigen Laut einer der beiden Körper mit einer Kante, bei einem t - artigen Laut mit einer Spitze ausgestoßen ist, daß Resonanz in

einem allerseits weiten Hohlraum einen a - artigen, Resonanz in einer

Röhre mit rundlich engem Ein- und Ausgang einen «- artigen, Resonanz in einer Röhre mit in einer Richtung engem, in der anderen Richtung aber weitem Querdurchmesser einen i-artigen Laut erzeugt. 5. Der Geschmacksinn. Bei diesem sind die an gewissen Stellen

des Gaumens und der Zunge befindlichen Nervenursprünge von Schmeckbechem und Papillen bedeckt. In diesen Aufnahmeorganen verbinden

sich die mehr minder gemischten a t o m i s ch e n Wellen, und zwar nur von flüssigen Stoffen aus, mit Blutkräften und gehen auf die Ur­ sprünge von Nervenfasern über, welch letztere dem Gehim mannigfaltige,

auf Verschiedenheit von Schwingungszahlen bemhende Geschmacksqualitäten zuführen. Wir unterscheiden die drei Hauptqualitäten süß, sauer und bitter. 6. Der G e r u ch s i n n.

Seine Nervenursprünge breiten sich auf der

Nasenschleimhaut aus und sind mit Riechzellen, Mitralzellen, Knäueln usw.

bedeckt. In diesen Aufnahmeorganen verbinden sich die mehr minder gemischten a t o m i s ch e n Schwingungen, und zwar nur von l ust

förmigen Stoffen aus, mit Blutkräften, woraus die Nerven dem Ge­ him mannigfaltige, auf Verschiedenheit der Schwingungszahlen bemhende

Qualitäten zuführen. Wir unterscheiden einen ätherischen, brenzlichen, balsamischen, aromatischen usw. Gemch. Beim Geschmacksinn und beim Gemchsinn ist die extensive Raumgrößenerfassungs eine sehr unbestimmte

B. Die inneren Sinne. Man unterscheidet den inneren tativen Sinne.

Tastsinn

und die vege­

25 1. Der innere Tastsinn.

Durch die — später zu beschreiben­

den — unwillkürlichen und willkürlichen Zusammenziehungen der Mus­ keln des Kopfes, des Halses, des Rumpfes und der Glieder und durch die hieran sich schließenden Bewegungen von Sehnen, Bändern, Knorpeln, Knochen usw. eben jener Körperteile entstehen Molekül- und Atomschwin­

gungen, welche von den Ursprüngen der Sinnesnewen genannter Gewebs­ arten ausgenommen und dem Gehirn zugeleitet werden, woselbst sie als

innere Tastempfindungen zum Bewußtsein gelangen.

sJnnere

Tastempfindungen entstehen ferner durch stärkere äußere molekulare und awmische Einwirkungen, welche ihre Schwingungen nach innen fort­ pflanzen oder nach Verletzung der Haut auch innere Teile unmittelbar

verletzen.j

Im Gegensatz zu den äußeren Tastempfindungen lassen sich

die inneren als Temperatur- und als Dmckempfindungen nicht gut von­ einander unterscheiden. Diese Tatsache erklärt sich wohl dadurch, daß hier mit Ausnahme einiger „Baterscher Körperchen" keinerlei Ausnahmeorgane

die Nervenursprünge bedecken. Die Qualität. Diese ist bei allen inneren Tastempfindungen annähernd die gleiche, nämlich eine aus wirren Molekül- und wirren Atom­ schwingungen gemischte.

Die S t ä r k e.

Die genannten Gewebsarten besitzen im Ruhezu­

stände einen gewissen Spannungsgrad, der als Nullstärke der

Empfindung unbewußt bleibt. Jede Zusammenziehung der Muskeln, jede Dehnung der Sehnen und Bänder und jeder gegenseitige Druck der

Gelenkknorpeln wird als p o s i t i v e Empfindungsstärke bewußt. Höherer

Grad der letzteren heißt Anstrengung. Mit dieser verbindet sich die als nega tive Empfindungsstärke aufzufassende Ermüdung, welche durch den Aufbrauch des arteriellen Blutes in den Muskeln der Blutge­

fäße entsteht und damit den alsbald zu beschreibenden vegetativen Emp­

findungen zuzurechnen ist.

Während die Empfindung der Anstrengung

mit dem Aufhören der Tätigkeit sofort verschwindet, verliert sich die Emp­ findung der Ermüdung erst mit dem allmählichen Zufließen frischen arteri­

ellen Blutes zu den Gefäßen. — Bei Einwirkung äußerer Gewalten auf jene inneren Gewebe, z. B. bei Bmch von Knochen, verwandelt sich auch die innere Tastempfindung in Schmerz. Die Dauer.

Diese wird bestimmt oder unbestimmt empfunden,

wie bei den äußeren Sinnen angegeben.

Die extensive Raumgröße.

In den freien Gelenknorpel-

flächen entspringen sehr zahlreiche Nerven, durch welche denn auch die

26 extensiven Raumverhältnisse dem Bewußtsein sehr bestimmt zugeführt werden, indem auch diese Newen ihr ursprüngliches Nebeneinander bis

zu ihren Gehimenden bewahren.

2. Die v e g e t a t i v e n Sinne.

Betreffs dieser ist bis jetzt noch

weniges erforscht und kann nicht einmal deren Zahl angegeben werden.

Das vegetative, die Vorgänge in den Gefäßen, Drüsen und in den Eingeweiden der Brust und des Unterleibes regelnde Nervensystem besteht

aus Ganglien (Zentralorganen) und aus Nerven.

Die

Ganglien liegen in den verschiedenen vegetativen Organen teils einzeln,

teils zu Haufen zusammengedrängt. Die Newen führen Reize den Ganglien teils zu, teils von denselben ab. Die reizzuführenden Nerven entspringen teils im Gehirn, teils in den verschiedenen vegetativen Organen.

Ein Teil der reizabführenden Nerven zieht zum Gehirn und bringt in diesem die Reize als vegetative Sinnesempsindungen zum Be­ wußtsein. Ein anderer Teil der reizabführenden Nerven verbreitet sich

in den vegetativen Organen selbst und löst in denselben molekulare und

atomische Bewegungen aus. Die Qualitäten.

Während die Qualität der inneren Tast­

empfindung bei den Muskeln, Sehnen, Bändem us>v. annähernd die gleiche ist, läßt sich eine Anzahl voneinander verschiedener, bewußt werdender vegetativer Erregungen erkennen, die zweifellos als verschiedene Empsindungsqualitäten zu deuten sind. Wir nennen z. B. die Empfin­

dungen des Hungers, des Durstes, der Atemnot und der geschlechtlichen

Erregung (Wollust). Die Stärke.

Innerhalb einer ziemlich breiten Zone bleiben die

vegetativen Erregungen in dem schon öfters genannten Sinne unbewußt. Bon dieser Nullzone der Empfindungsstärke aus kann letztere positiv und

negativ ansteigen. Hunger und Durst sind Qualitäten von negativer Empsindungsstärke, bedingt durch Mangel an fester Nahmng bzw. an Wasser. Die Atemnot kann als positive Empfindungsstärke, bedingt durch Über­

füllung des Lungenblutes mit Kohlensäure, und als negative Empfin­ dungsstärke, bedingt durch Mangel an Sauerstoff in diesem Blute, gedeutet werden. Die Wollust ist positive Empfindungsstärke.

Die Dauer.

Sie ist meist eine längere, unbestimmte.

Die extensive Raumgröße. Auch sie ist meist eine unbe­ stimmte, indem die einzelnen vegetativen Erregungen sich gewöhnlich gleichmäßig über ein ganzes Organ oder über mehrere Organe verbreiten.

27 Nur die Durstempfindung geht — in noch unerklärbarer Weise — von einer ziemlich eng umgrenzten Stelle des weichen Gaumens aus.

Die Empfindungsgebilde. In jedem Augenblick wirken mehrere gleichsinnliche oder verschieden­ sinnliche elementare Empfindungen auf uns ein. Unter diesen werden

aber nur jene bewußt, denen sich die Aufmerksamkeit zuwendet.

Das

unter dem Einfluß der Aufmerksamkeit erfolgende Bewußtwerden der Empfindungen heißt Wahrnehmen. Die aufmerkende Wahrnehntung kann nun eine Mehrzahl von Empfindungen in ihre Teile zer­ legen, oder sie kann dieselbe zu einem relativ selbständigen Ganzen,

zu einem Empfindungsgebilde zusammenfassen, verbinden.

Ein gleichsinnliches

Empfindungsgebilde ergibt sich z. B. durch

das wahrnehmende Hören eines musikalischen Akkordes, ein ungleich­ sinnliches Gebilde durch das gleichzeitige wahrnehmende Anblicken einer

Person und Anhören ihrer Bede.

Wenn mehrere elementare Empfin­

dungen einander so rasch folgen, daß die erste Empfindung beim Eintritt der letzten noch bewußt ist, so kann diese zeitliche Reihe von Empfindungen

ebenfalls durch die Wahrnehniung entweder in ihre Teile zerlegt oder zu einem Empfindungsgebilde verbunden werden.

Die Wahrnehmung zieht als Objekte bloß gegenwärtige Empfin­ dungen, das Denken hingegen aber auch Erinnerungen in Betracht. Im

übrigen sind die beiden seelischen Vorgänge die gleichen und werden wir dieselben, um Wiederholungen zu vermeiden, beim Denken näher schildern.

Die Empfindungsgefühle. Jede Empfindung erzeugt sofort ein Gefühl, Empfindung s-

oder auch Sinnesgefühl genannt, welches sich von der Empfindung selbst mehr minder deutlich abhebt. Während die Empfindungen uns äußere oder innere Vorgänge, also Objektives, bewußt machen,

zeigen die Empfindungsgefühle und die Bedeutung an, welche den Empfindungen für die Selbsterhaltung, für das subjektive Ich, zu­ kommt. Diese Bedeutung kann eine g ü n st i g e oder eine ungünstige oder eine zwischen diesen zwei Gegensätzen in unbestimmter Breite schwan­ kende sein. Günstige Bedeutung erzeugt ein l u st h a f t e s, ungünstige

Bedeutung ein u n l u st h a f t e s Ge f ü h l. Zwischen diesen beiden Zonen liegt eine verschieden breite Zone schwankendenGefühles. Zunächst seien die Gefühle der Elementarempfindungen geschildert.

28 Jedes der vier Bestimmungsstücke der Empfindung zeigt sich auch

im Gefühle an, jedoch bei den verschiedenen Sinnen in sehr verschiedenem

Gmde von Deutlichkeit. Die Qualität der

Gefühle.

Sehr tiefe Töne erwecken

ein qualitativ zu deutendes unlusthastes Gefühl, das von der Sprache

als ein e r n st e s bezeichnet wird. Mit dem Ansteigen der Tonhöhe wird

das begleitende Gefühl erst schwankend, dann allmählich lusthaft, heiter. Bei weiterem Ansteigen zu sehr hohen Tönen geht das Gefühl, nachdem es wieder eine Zone des Schwankens passiert hat, in eine Zone reiner Unlust über. — Gelb erzeugt eine lusthaft heitere, Blau eine unlusthaft

ernste, Rot eine schwankende Gesühlsqualität. — Dem Qualitätsgesühl des Süßen eignet etwas lusthaft Heiteres, Angenehmes, jenem des Bit­ teren etwas Unlusthastes, Mderliches, während jenes des Sauern zwischen

den zwei Gegensätzen schwankt. — Unter den zahlreichen Geruchsquali-

täten besitzt das Gefühl des Aromatischen und des Balsamischen etwas lusthaft Heiteres, Angenehmes, jenes des Brenzlichen etwas unlusthaft Mderliches. Das Gefühl des Atherischen kann als ein schwankendes gelten.

Die

Stärke

der

Gefühle.

Mäßige

Empfindungsstärke

erzeugt ein lusthastes Gefühl, das beim Anwachsen dieser Stärke erst in ein schwankendes und dann in ein unlusthastes übergeht,

welches bei

schmerzhafter Empfindungsstärke den höchsten Grad erreicht.

Bei den äußeren und inneren Tastempfindungen, deren Stärke vom Nullpunkte

aus nach zwei einander entgegengesetzten Richtungen, nämlich nach einer positiven und einer negativen Richtung, ansteigt, zeigen sich ebendieselben

zwei Richtungen des Ansteigens auch bei der Gefühlsstärke. Es wird z. B. mäßige Wärme von einem lusthaft-heiteren Gefühle begleitet, das bei höheren Wärmegraden schwankend und weiterhin rein unlusthaft wird. Mäßige Kälte erzeugt ebenfalls ein lusthastes, aber den Charakter des

Emstes an sich tragendes Gefühl, das beim Anwachsen der Empfindungs­ stärke erst in ein schwankendes und schließlich in ein rein unlusthastes über­

geht. — Bei allen äußeren Sinnen, und wohl auch bei den inneren, läßt sich durch Gewöhnung an stärkere Reize die Zone, innerhalb welcher das

Gefühl noch als ein lusthastes bewußt bleibt, beträchlich erweitern. Die Dauer

der Gefühle.

Jedes durch Vorherrschen einer

und derselben Empfindung erzeugte lusthafte Gefühl verwandelt sich bei

längerer Dauer in ein unlusthastes, das von der Sprache als Langweile bezeichnet wird.

2g Die extensive Raumgröße der Gefühle.

Die exten­

sive Raumgröße der Empfindung macht sich auch im Gefühle bemerkbar, namentlich beim Gesicht- und Gehörsinn. Geringe Raumgröße erzeugt ein geringes, bedeutende Raumgröße ein m ä ch t i g e s Gefühl. Demnach setzt sich schon das Gefühl jeder Elementarempfindung —

gleich letzterer selbst — aus vier Bestimmungsstücken zusammen, welche aber zu einem einheitlichen, elementaren Gefühle verschmelzen, dessen Bedeutung für das Ich — günstig, schwankend oder ungünstig — die Resultante eben dieser vier Bestimmungsstücke ist. Unter den vier Bestim­

mungsstücken der Empfindung gibt die Stärke den Hauptausschlag für die Bedeutung des Gefühles. Die Gefühle der Empfindungsgebilde. Die Eleinentargesühle, welche die verschiedenen Teile eines gleichzeitigen Empfindungsgebildes begleiten, verstärken oder schwächen einander und

verschmelzen zu einem einheitlichen Gefühle, das als G e s a m t g e f ü h l (Totalgefühl)

bezeichnet

wird und gleich dem Elementargesühl

lusthaft, schwankend oder unlusthaft sein kann. Schmerzhafte Stärke auch nur eines einzigen Teiles eines solchen Empfindungsgebildes erzeugt ein unlusthaftes Gesamtgefühl. Empsindungsgebilde, die aus einer zeit­

lichen Folge von Empfindungen bestehen, können eine Folge von Gefühlen auslösen, welche entweder in einer und derselben Bedeutungs­ zone bleibt oder in eine andere Bedeutungszone übergeht. Eine in der

lusthaften Zone an Stärke zunehmendes Gefühl heißt ein spannen­ de s, ein in der nämlichen Zone abnehmendes ein l ö s e n d e s. Ein von der lusthaften Zone in der Richtung nach der schwankenden oder von dieser

nach der unlusthaften sich bewegendes oder in der letzteren an Stärke zu­ nehmendes Gefühl heißt ein erregendes, ein in der entgegenge­ setzten Richtung sich bewegendes ein beruhigendes.

Die sogenannten ästhetischen Gefühle werden bei den Willensg e f ü h l e n ihre Besprechung finden.

Die Empfindungsreflexe. Außerhalb und innerhalb des Gehims sind in die Bahnen der Sinnes­

nerven Ganglien (Nervenknoten) eingestreut, in welchen Bewegungs ­ nerven entspringen. Ein Teil der zentripetal strömenden Empfin­ dungsstärke geht auf die Ganglien und von diesen auf die Bewegungs­

nerven über, in welch letzteren er sich mit daselbst aufgehäusten Spann­ kräften zu einem Bewegungsreiz verbindet. Die Bewegungsnerven enden

30 in Muskeln. In diesen löst der Bewegungsreiz Zusammenziehungen aus und damit Bewegungen verschiedener Körperteile.

Diese Zusammen­

ziehungen und Bewegungen heißen Empfindungs-

oder

auch

Sinnesreflexe. Me Sinnesreflexe entstehen unabhängig vom Bewußtsein, also auch während des Schlafes. Sfnnesreflexe können durch

nichtvegetative und durch vegetative Reize ausgelöst werden. Jeder Sinnes­

reflex dient einem Selbsterhaltungszweck, indem er den auslösenden Reiz entweder fördert oder hemmt. Schwache Reize veranlassen reiz-

fördemde, d. h. die Reizaufnahme begünstigende, hingegen starke Reize reizhemmende, d. h. die Reize abwehrende oder auch die bereits eingedmngenen Reize ganz oder teilweise wieder entfemende Reflexe. Reiz-

fördernde Reflexe sind z. B. die Erweiterung der Pupillen bei schwachem Licht, die Annähemng von Gliedern an einen schwachen Druck- oder Tem­ peraturreiz, die Erweiterung der Nasenlöcher bei schwachem Geruch. Übergroßer Stärke der soeben genannten Sinnesreize folgen entgegen­ gesetzte, hemmende Reflexe.

Husten, Würgen und Erbrechen hemmen

einen starken Reiz, indem sie die Ursache desselben entfernen. Die reflek­

torischen Schreie sind hemmender Art, indem sie einen Teil eines über­

starken Sinnesreizes nach außen ableiten. Bei allen reflektorischen Menen und Gebärden läßt sich, wenn man ihnen auf den Gmnd sieht, die Richtung

nach einer Reizfördemng oder Reizhemmung mehr minder deutlich erkennen. Jeder Bewegungsnerv teilt sich in zahlreiche Zweige und hängt ferner durch verbindende Fäden mit anderen Bewegungsnerven zusammen, so daß ein Sinnesreiz von einem einzigen Ganglion aus zahlreiche Bewegungsnerven beeinflussen und mannigfach zusammengesetzte Bewegungen

auslösen kann. ihrem

Mäßig starke Sinnesreize erzeugen Reflexe bloß in den

eigenen Sinnesgebiet zugeordneten Muskeln, z. B. ein mäßig

starker Lichtreiz bloß eine Bewegung von Augenmuskeln. Hingegen kann ein starker Sinnesreiz auch nach anderen Muskelgebieten ausstrahlen. Der Verletzung eines Gliedes z. B. kann außer der Zurückziehung des

selben auch ein Schmerzensschrei folgen. Entstehen Sinnesreflexe bei Bewußtsein, so erzeugen sie äußere und innere Tastempfindungen, durch welche dann auch der Selbsterhaltungs­ zweck der Reflexe erkannt wird. Zieht sich z. B. der Finger reflektorisch

von einem berührten heißen Gegenstand zurück, so verspüren wir sowohl diese Tastbewegung, als auch die Abnahme der Hitze am Finger.

reiz

Als Sinnesreflex ist auch jede einem stärkeren Empfindungs folgende unwillkürliche Ausmerksamkeitsbewe-

31 gung zu erachten. Man muß annehmen, daß in die i n n e r g e h i r n liche

Bahn einer jeden Sinnesnervenfaser ein Ganglion eingestreut

ist, in welchem ein Bewegungsnerv entspringt, dessen Verzweigungen in Muskeln der Blutgefäße des Gehirns enden. Der

auf diesen Bewegungsnerven übergehende Teil der Sinnesstärke ver­ wandelt sich in einen Bewegungsreiz, welcher stärkere Pulsationen der Blutgefäße dieser oder jener Gehimstellen auslöst. Infolge davon füllen sich die betreffenden Stellen stärker mit Blut, werden gewissermaßen

wie durch einen Scheinwerfer stärker beleuchtet — das Bewußtsein wird auf diese Stellen versammelt. Die Aufmerksamkeitsbewegungen erzeugen

— gleich allen anderen Muskelzusammenziehungen — bei längerer Dauer und größerer Stärke die Empfindung von Anstrengung und Ermüdung und dienen, die Wahrnehmung fördernd, einem Selbsterhaltungszwecke.

B. Denken. Denken ist das unter dem Einfluß der Aufmerksamkeit erfolgende

Erforschen des Verhältnisses sowohl von Empfin

zu Erinnerungen, als auch von Erinne­ rungen zueinander. Man bezeichnet das Vermögen der Er

düngen

iunemngsbildung als

Gedächtnis,

das Vermögen der zwei eben

genannten Arten von Erforschung als G e i st. Denken unter Verbindung

von Empfindungen mit Erinnemngen heißt A n s ch a u e n, unter bloßer gegenseitiger

Verbindung

von Erinnemngen Nachdenken. — Wir

schildern zunächst das Vermögen des Gedächtnisses.

Das Gedächtnis. Unbewußt gewordene Empfindungen können als Erinnerungen

wieder in das Bewußtsein zurückkehren.

Diese Tatsache zwingt zu der

Annahme, daß jeder Empfindungsreiz an irgendeiner Stelle feines Sinnes­ herdes eine Spur hinterlasse. Die Erinnemng bleibt normal an Stärke weit hinter der schwächsten Empfindung zurück, enthält jedoch die sämt­ lichen vier Bestimmungsstücke, das Gefühl und die allenfallsigen Reflexe der Empfindung. Zur Entstehung jeder Erinnemng bedarf es eines die

Spur weckenden Reizes.

Diesen kann eine Empfindung oder eine

Erinnemng selbst bilden. Je häufiger eine Empfindung oder Erinnemng wiederkehrt und je mehr die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist, desto mehr

b e f e st i g t

sich die betreffende Spur und ein desto schwächerer Reiz

32 genügt, um sie zu wecken.

Bei gleicher Festigkeit der Spuren und bei

gleicher Stärke der Reize wird eine Erinnemng um so leichter geweckt, je ä h n l i ch e r der neue Reiz der ursprünglichen Empfindung ist und je

näher er zeitlich oder r ä u m l i ch mit der letzteren zusammen­ hängt. Mt Rücksicht hierauf unterscheidet man zwei Hauptarten von Erinnemngen, nämlich: 1. Erinnerungen durch Ähnlichkeit und 2. Erinne-

rungen durch zeitlichen oder auch räumlichen Zusammenhang. 1. Erinnemngen durch Ähnlichkeit. Mehrere in Zeitabständen einander

folgende

gleichsinnliche

Elementarempfindungen

sind

selten einander völlig gleich, sondem zumeist einander nur mehr minder ähnlich. Es werden z. B. zeitliche Wederholungen von Scharlachrot

Unterschiede bald der Stärke, bald der Dauer oder der Raumgröße zeigen und damit einander nur ähnlich sein.

Bei mehreren zeitlich voneinander

abstehenden verschieden sinnlichen Elementarempsindungen schließt allein schon die Verschiedenheit der Qualität die Gleichheit aus und läßt nur eine durch irgendwelche andere Bestimmungsstücke bedingte Ähnlichkeit zustande kommen. Ein gellender Schrei ähnelt z. B. durch seine Stärke und kurze Dauer dem Blitze. Jeder elementare Empfindungs­

oder Erinnemngsreiz erinnert nun sofort an die ihm gleichengleich ­ sinnlichen Reize und kann femer auch an andere, dem gleichen oder einem anderen Sinne zugehörige Reize um so leichter erinnern, je mehr er solchen durch irgend welche Bestimmungsstücke ä h n l i ch ist. Man faßt alle diese Erinnemngen unter der Bezeichnung „Erinnerungen durchÄhnlichkeit" zusammen.

2. Erinnemngen durch zeitlichen und räumlichen Zu­ sammenhang.

Hat ein Elementarreiz an einen andem ihm ähn­

lichen erinnert, welcher einen Teil eines räumlichen oder zeitlichen, gleich­

sinnlichen oder ungleichsinnlichen Gebildes darstellt, so können durch räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang aller Teile des Gebildes auch die jenem Elementarreiz unähnlichen Teile des Gebildes mit-

erinnert werden.

Es kann z. B. wahrgenommenes oder erinnertes

Rosenrot an das räumliche Gebilde eines Rosenstrauches erinnern und von

diesem aus weiter an das zeitliche Gebilde eines Vorfalles, der sich an den erinnerten Anblick des Rosenstrauches gereiht hatte.

Je mehr Teile ein

wahrgenommenes oder erinnertes Gebilde enthält, durch welche es einem andem ähnlich ist, desto leichter erfolgt die Erinnemng an dieses andere. Es kann z. B. der Anblick eines Hundes durch räumlichen Zusammenhang aller Teile der Erscheinung je nach der Zahl der ähnlichen Merkmale an

33 diesen oder jenen Hund irgendeiner Rasse erinnern. — Zu den Erinne­ rungen durch zeitlichen Zusammenhang gehört auch die Erinnemng an ein

Ding durch seinen Namen und umgekehrt, indem Name und Ding durch ihre häufige gegenseitige Zuordnung sich zu einem zeitlich zusammen­ hängenden Gebilde vereinigt haben.

Gebilde kehren, wenn erinnert, in dem ursprünglichen räumlichen Nebeneinander und zeitlichen Nacheinander ihrer Elemente wieder. Wurde

ein Element oder Gebilde in zeitlich getrennten Abständen wiederholt wahrgenommen, so werden mit verschiedenem Grade von Bestimmtheit auch diese Zeitabstände erinnert. Wir erinnern uns z. B., daß wir eine Person vor Tagen, Monaten, Jahren schon einmal gesehen haben. Dem­

gemäß ist anzunehinen, daß jede Wiederholung einer Elementarempfindung

eine neue Spur hinterläßt und daß jede Spur durch verbindende Nervenfäden mit anderen Spuren sowohl des nämlichen Sinnes

als auch anderer Sinne zusammenhängt.

Die Spuren einer jeden Ele­

mentarempfindung dürften in ihrem Sinnesherd derart gelagert sein,

daß die neuesten sich an der Eintrittsstelle der Nervenfaser in den Sinnes­ herd — an der Basis des Großhims — und die ältesten an der entgegen­

gesetzten Stelle — an den äußeren Teilen des Großhirns — befinden. In jedem Individuum gelangen, je nach dessen besonderen Lebens­

verhältnissen,

andere Elementarempfindungen und Empfindungsge­

bilde zu häufigerer Einwirkung und werden sich damit auch andere Spuren und Verbindungsfäden stärker befestigen. Indem nun neuere Reize sich in diesen durch Spuren und Berbindungsfäden befestig­

ten Bahnen fortpflanzen, so kann irgendein Reiz bei einem Indi­ Die be­ festigten Bahnen vererben sich als angeborene Anlagen zu Vorstellungen

viduum diese, bei einem andern jene Erinnemngen auslösen.

und Begriffen von den Eltern auf die Kinder und werden im individuellen Leben der letzteren weiter ausgebaut. Die Gedanken.

Jeder einzelne vollständige Denkvorgang zeigt drei zeitlich aufeinan­ der folgende Teile, nämlich 1. die Beziehung, 2. die Vergleichung und

3. die Erkennung.

1. Die Beziehung. Diese, auch Assozion genannt, ist die Versammlung der Aufmerksamkeit auf zwei oder mehrere Denkobjekte zum

Zwecke

ihres

gegenseitigen

2. Die Vergleichung.

Bei dieser verweilt

der Erforschung

Verhältnisses.

Baumann, Ursprung und Wachstum der Sprache.

3

34 die Aufmerksamkeit aus den zu genanntem Zwecke aufeinander bezogenen

Objekten. 3. Die E r k e n n u n g. Diese ist der Abschluß der Vergleichung, nämlich das bestimmte Bewußtwerden des gegenseitigen Verhältnisses der beaufmerkten Objekte. Häufig wird schon vor vollständiger Erkennung

die Aufmerksamkeit durch einen neuen starken Sinnes- oder Denkreiz aus

eine neue Gruppe von Objekten abgelenkt und dadurch ein neuer Denk­ vorgang eingeleitet.

Man bezeichnet das Ergebnis eines vollständigen

Denkvorgangs als einen Gedanken und unterscheidet die Gedanken als Vorstellungen und als Begriffe. a) Die Vorstellungen. Man versteht unter Vorstellung ein einzelnes, aus mehreren, irgendwie verschiedenen Teilen zu einem geistigen Ganzen zusammengefaßtes Denkobjekt.

Die Vorstel­

lung unterscheidet sich von der Wahmehmung nur dadurch, daß sie auch

Erinnemngen mit heranzieht oder letztere ausschließlich beachtet, während die Wahmehmung sich auf Empfindungen beschränkt. Die Wahmehmung

wird, wenn sie sich durch Hinzutritt von Erinnemngen in eine Vorstellung

verwandelt, wesentlich berichtigt und ergänzt. Es ergibt z. B. der wahr­ nehmende Anblick einer Gestalt nur das Bild einer verschieden beleuch­

teten Fläche.

Dieses Bild wird sodann durch hinzutretende Erinne­

mngen an frühere, von anderen Standpunkten aus erfolgte Anblicke der

nämlichen Gestalt und an frühere Betastungen derselben in die richtige Vorstellung der Körperlichkeit der Gestalt verwandelt. Insbesondere vermag die bloße Wahmehmung zeitfolgende Vorgänge nur in sehr beschränktem Maße zu ersassen, weil die Empfindungen schon

binnen kurzer Zeit aus dem Bewußtsein verschwinden.

Die Begriffe.

Erkennt der Geist, daß mehrere räumlich neben­

einander befindliche oder zeitlich einander gefolgte Vorstellungen irgend­

welche ihrer Bestandteile gemeinsam besitzen und dadurch einander

ähnlich sind, so kann er alle diese Vorstellungen zu einem geistigen Ganzen, zu einem Begriff verbinden. Die Bestandteile, welche die Ähnlichkeit von mehreren Vorstellungen begründen, heißen die Merk­

male des Begriffes.

Die Ähnlichkeit mehrerer Elementarvorstellungen

bedingt sich durch die Gemeinsamkeit irgendwelcher Bestimmungsstücke, die Ähnlichkeit mehrerer Gebildevorstellungen auch durch die Gemeinsam-

keit der räumlichen oder auch zeitlichen Ordnung, in welcher sich die ähn­ lichen Elemente befinden. Die Aufmerksamkeit kann bei der Begriffbildung

bald diese, bald jene gemeinsamen Teile mehrerer Vorstellungen als Merk­ male erfassen, aus den Vorstellungsganzen abziehen (abstrahieren) und

35 demnach eine und dieselbe Mehrzahl von Vorstellungen unter sehr ver­

schiedene Begriffe bringen.

Je wenigere Merkmale abstrahiert werden,

desto allgemeiner und umfangreicher ist der Begriff, mit jeder Hinzunahme

von Merkmalen wird der Begriff besonderer und umfangärmer. Es können z. B. mehrere vorgestellte Aschanti-Neger bei bloßer Abstrahierung ihres

stofflichen Wesens zu dem Begriffe „Stoff", unter allmählicher Hinzunahme von anderen Merkmalen zu den Begriffen „Lebewesen", „selbstbewußtes Lebewesen", „Mensch", „schwarzhäutiger Mensch" („Neger"), schließlich „Aschanti-Neger" verbunden werden.

Ebenso lassen sich mehrere vorge­

stellte Kriege begrifflich durch allmähliche Hinzunahme von Merkmalen erst als „Kraftäußemng", dann als „Kampf" und schließlich als „Völker­ kampf" zusammenfassen. — Durch Zerlegung der Vorstellungen in immer einfachere Be­

standteile gewinnen »vir die Erkenntnis, daß schon jede einfache Vorstellung aus einer Kraftäußerung besteht, die von einem Stoffe aus­ geht, sich in der Z e i t und im Raume vollzieht und nach Zahlen

abstuft. Indem wir nun jeden dieser fünf Urbestandteile einer Vorstellung mit dem entsprechenden Urbestandteil jeder anderen Vorstellung zu einem Begriffe verbinden, so ergeben sich die fünf Urbegriffe Kraft, Stoff, Zeit,

Raum und Zahl, welche denn auch in jedem Satze, als in dem sprach­

lichen Ausdmck einer Vorstellung, enthalten sind.

Sagt man z. B. „ich

bin", so enthält „ich" die Angabe einer Zahl (der Einzahl), eines Stoffes (der Person) und eines Raumes (hier), sodann „bin" die Angabe einer Kraft (Sein) und einer Zeit (Gegenwart). Ein einfaches „Ja", als Ab­ kürzung von „es ist so", — „ita est“, vereinigt ebenfalls die fünf Urbe­ griffe. Endlich sind diese auch in jedem Gefühlschrei sowie in jeder Miene

und Gebärde enthalten, worauf wir später noch zurückkommen werden. — Diese Fünfheit der Urbegriffe ist jedem Menschen bewußt, und insofeme angeboren, als das Kind schon im Mutterleibe durch seine eigenen und

seiner Mutter Bewegungen ein wenn auch unklares Bewußtsein dieser Fünfheit erwerben muß.

Die seelische Tätigkeit sowohl bei der Wahmehmung als auch beim Denken, sowohl bei der Borstellungsbildung als auch bei der Begriffs­ bildung ist nach dem Gesagten ein fortwährender Wechsel von Zerlegen

und Verbinden, ein Zerlegen einer Zusammengesetztheit in ihre einzelnen Teile, ein Verbinden mehrerer Einzelheiten zu einem zusammengesetzten Ganzen. Das Ergebnis des Zerlegens wird auch als U r t e i l, das Er­

gebnis des Verbindens als Schluß bezeichnet.

36 Man pflegt zwei Grade des geistigen Vermögens zu unterscheiden und den niederen Grad als Verstand, den höheren Grad als Ver­

nunft zu bezeichnen.

Viele behaupten, die Vernunft eigne nur dem

Menschen und beruhe auf der Fähigkeit zur Begriffsbildung, während den Tieren diese Fähigkeit fehle und deshalb chr geistiges Vermögen sich auf den Verstand beschränke. Abgesehen nun davon, daß man sich das Denken

ohne

Begriffbildung gar nicht denken kann, so

zeigt die alltägliche Beobachtung, daß viele einfache wie mannigfaltige äußere Vorgänge bei den Tieren die nämlichen Tätigkeiten heworrufen

wie beim Menschen. Ein Hund z. B. springt ebenso wie der Mensch vor einem rasch auf ihn zufahrenden Wagen zur Seite. Im Hunde und im Menschen muß also dem Willensentschluß zum Springen die gleiche, aus mannigfaltigen Vorstellungen und Begriffen sich zusammensetzende Ge­

dankenreihe vorausgegangen sein. Der geringere Grad des geistigen Ver­ mögens der Tiere beruht, wie später dargelegt werden wird, auf deren Unfähigkeit zur Begriffsprache.

Die Denkgefühle. Auch das Denken wird von Gefühlen begleitet, die sich in den genannten

drei Bedeutungen für die Selbsterhaltung abstufen. Wie bei den Sinnes­ gefühlen, so schwächen oder verstärken auch bei den Denkgefühlen die ein­

zelnen Teilgefühle einander. Bei der Anschauung ist es bald ein Sinnes-, bald ein Denkgefühl, welches die Bedeutung des Gesamtgefühls bestimmt. Der durch längere Dauer eines Denkgefühls erzeugte Gefühlszustand heißt

Gemüt st immun g.

Lusthafte

Arten

von

Gemütstimmung

sind z. B. Heiterkeit, Zufriedenheit, Hoffnung usw., unlusthafte Arten sind Emst, Unzufriedenheit, Wehmut, Kummer, Sorge usw. Stärkere, zumeist nur kürzere Zeit dauernde Denkgefühle heißen Wallungen (Affekte). Lusthafte Wallungen sind z. B. Freude, Begeisterung, Ent­

zücken; unlusthafte Wallungen sind Schrecken, Zom, Entrüstung, Angst.

Das Schwindelgefühl ist eine der Angst verwandte Wallung.

Ferner

wiederholen sich bei den Denkgefühlen die Bedeutungen, welche bei den Sinnesgefühlen mit'den Bezeichnungen „spannende und lösende, erregende und bemhigende Gefühle" verbunden sind.

Die Denkgefühle können sich gleich den Vorstellungen und Begriffen, welchen sie entspringen, auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft

beziehen. Es bezieht sich z. B. die Reue auf die Vergangenheit, die Niedergeschlagenheit auf die Gegenwart, die Angst auf die Zukunft.

37 Da irgendeine Empfindung,

je nach den besonderen Erlebnissen

eines Menschen, sehr verschiedene Erinnerungen und damit Vorstellungen

und Begriffe erwecken kann, so wird sie auch entsprechend verschiedene Denkgefühle erzeugen. Es kann z. B. ein und dasselbe Wort, ein und derselbe Anblick den einen völlig gleichgültig lassen, einen andem erfreuen, einen Dritten erschrecken.

Die DenLreflexe. In den Spuren der Sinnesnerven entspringen, wie in den Gang­

lien, Bewegungsnerven, welche einen Teil der bei der Weckung der Spuren frei werdenden Kräfte aufnehmen und zu verschiedenen Muskeln fort­ pflanzen. Die hiedurch ausgelösten Bewegungen heißen Denkreflexe.

Man hat zwei Arten des Verlaufes der in den Spuren entspringenden Bewegungsnerven zu unterscheiden.

1. Der größere Teil dieser Bewegungsnerven vereinigt sich mit den

in den Gehirnganglien der Sinnesnerven entspringenden Bewegungs­

nerven.

Die von diesem Teil ausgelösten Denkreflexe stimmen

also völlig überein mit jenen Sinnesreflexen, welche von den in den Gehirnganglien der Sinnesnerven entspringenden Bewegungs­

nerven ausgelöst werden. Es können z. B. kombinierte Bewegungen der Glieder, Mienenspiele, Aufmerksamkeitsbewegungen, Gefühlsschreie usw. sowohl durch Sinnesreize als auch durch Denkreize entstehen.

2. Der kleinere Teil der in den Spuren entspringenden Bewegungs­

nerven vereinigt sich zunächst in gewissen Nervenbündeln, hauptsächlich im Hemmschweifenden Nerven (nervus vagus) und leitet sodann die von ihm aufgenommenen Denkreize verschiedenen vegetativen Organen zu, in diesen mannigfache Denkreflexe hervormfend. Solche Denkreflexe sind

z. B. Beschleunigung oder Verlangsamung, Verstärkung oder Abschwä­

chung der Herzschläge, Schwinden des Appetits, Erbrechen, Durchfall, Zunahme oder Abnahme der Drüsenabsonderung, Erröten oder Erblassen. Sämtliche Denkreflexe verfolgen gleich den Sinnesreflexen einen

fördemden oder hemmenden Selbsterhaltungszweck und können sowohl in bewußtem als auch in unbewußtem Zustande, z. B. im Traum, entstehen. Alle in bewußtem Zustande entstandenen Denkreflexe erzeugen wieder Empfindungen, und deren Gefühle können die

Aufmerksamkeit auf sich lenken und damit wieder neue Denkvorgänge auslösen.

38

C. Dollen. Das Denken befähigt uns, eine zeitliche Reihe von Vorstellungen

Wir gewöhnen uns dadurch allmählich daran, die Vorstellungen miteinander in k a u s a l e n Zusammen­ an unserem Geiste vorüberziehen zu lassen.

hang zu bringen, d. h. ein jedes Glied des Zusammenhangs auf seine Ur­ sache und seine Wirkung zu prüfen.

Mr erkennen insbesondere,

daß allen stärkeren Empfindungen und Vorstellungen Reflexe folgen, die unserer Selbsterhaltung günstig sind. Diese Erkenntnis erregt in uns den bewußt werdenden Drang — auch Trieb, Streben — bei den Tieren „Instinkt" — genannt —, den Eintritt vorausgesehener Reflexe

nicht erst abzuwarten, sondern dieselben selbsttätig auszuführen und dabei

nach Art und Aufeinanderfolge zu ordnen, einzelne unter Umständen sogar ganz hintanzuhalten. Das Vermögen hiezu heißt Wille, die einzelne, eine Vorstellungsreihe abschließende Erkenntnis der Zweckmäßig­ keit eines selbsttätig auszuführenden Reflexes ein Entschluß (-End-

Schluß), der dem Entschluß folgende Reflex eine willkürliche Tätigkeit.

Die Willensgefühle. Auch das Wollen ist von Gefühlen, den Willensgefühlen,

begleitet, welche sich nach den drei Zonen der Lust, des Schwankens und der U n l u st unterscheiden und sich stets auf die Zukunft beziehen. Starke Mllensgefühle der Lust wie der Unlust heißen ebenfalls Wallungen

(Affekte). Die Liebe z. B. ist eine lusthafte, der Haß eine unlusthafte solche Wallung. Unrichtig ist die Behauptung vieler Psychologen (siehe z. B. W. Wundt,

Gmndriß der Psychologie, 1897, S. 215), „daß alle Willensentschlüsse

aus Affekten hervorgehen".

Die alltägliche Selbstbeobachtung zeigt viel­

mehr, daß die meisten Entschlüsse in schwachem, kaum betvußt werdendem Mllensgefühlszustande gefaßt werden. Wenn wir uns aber auch durch einen Affekt zu einem Entschluß hinreißen lassen, so gibt dieser doch bloß

unbestimmt die allgemeine Willensrichtung an, während die räumliche und zeitliche Ordnung der verschiedenen Tätigkeiten stets durch besondere, aus bestimmten Vorstellungen hervorgehende Entschlüsse ausgelöst werden muß. Die Sprache bezeichnet denn auch Menschen, welche den Wallungen

rasche Folge leisten, als willensschwach, hingegen Menschen, welche trotz starker Wallungen ihre Erwägungen fortsetzen und ihre Entschlüsse

nur aus Karen Vorstellungen hervorgehen lassen, als Wille ns stark.

39

Die Willensreflexe (willkürlichen Tätigkeiten). Man kann sich das Zustandekommen derselben etwa folgendermaßen

vorstellen: In der grauen Gehimrinde liegt ein System von Ganglien (Willensganglien) und von Berbindungsfäden derselben. Zu diesen Willens­ ganglien werden von den Ganglien und Spuren der Sinnesnerven aus

durch verbindende Nervenfäden Sinnes- und Denkreize geleitet, welche

sich mit den Kräften des Selbsterhaltungstriebes zu Willenskräften vereinen. Die Willenskräfte übertragen sich auf Nervenfäden, welche zu den die

Sinnes- und Denkreflexe auslösenden Bewegungsnerven ziehen, und will­ kürliche Tätigkeiten auslösen. Die Selbstbeobachtung zeigt jedoch, daß die vegetativen Vorgänge in den Brust- und Unterleibseingeweiden sowie in den Drüsen der unmittelbaren Herrschaft des Willens nicht

unterworfen sind. Wir können z. B. durch den Willen abnorme Herzund Darmvorgänge, Schweißerguß usw. unmittelbar weder hervorrufen

noch unterdrücken. Man muß also annehmen, daß von den Willensganglien zu gewissen, jene vegetativen Vorgänge beeinflussenden Gehirnnerven,

z. B. zum nervus vagus, keine verbindenden Nervenfäden ziehen. Die unmittelbare Herrschaft des Willens beschränkt sich deshalb auf die Zusammenziehungen der Muskeln des Kopfes, des Halses, des Rumpfes

und der Glieder sowie auch auf die Aufmerksamkeitsbewegungen. Mittel­

bar jedoch können wir durch diese unmittelbaren willkürlichen Tätig­ keiten mehr minder auch jene vegetativen Vorgänge beeinflussen.

Hiezu

gehört z. B. die Stillung des Hungers und Durstes durch Essen und Trinken,

die Einstellung des Schweißergusses durch Beenden anstrengender körper­

licher Tätigkeit oder durch Begeben in kühlere Räume, die Bemhigung der aus Angstgefühl entstandenen Herzerregung durch Ablenkung der Aufmerksamkeit. Der Wille vermag in der Regel die Sinnes- und Denkreflexe hintan­

zuhalten oder, wenn sie bereits entstanden find, zu beenden. Nur gegen­

über sehr starken (schmerzhaften) Sinnes- und Denkreizen bleibt er häufig

ohnmächtig. Die willkürlichen Tätigkeiten erzeugen gleich den ihnen entsprechenden Sinnes- und Denkreflexen wieder Empfindungen nebst begleitenden Ge­ fühlen und hinterlassen weckbare Spuren. Ist im Verlaufe einer will­ kürlichen Tätigkeit ein ihre Fortsetzung behindemder Umstand eingetreten, oder hat sich irgendwie die Aufmerksamkeit von ihr abgewendet, so kann

der auf sie gerichtet gewesene Willensentschluß als Vorhaben, Vorsatz, Absicht, Plan im Gedächtmis niedergelegt und die Ausfühmng auf spätere

40 Zeit verschoben werden. Auch jede willkürliche Tätigkeit verfolgt, gleich jedem Sinnes- und Denkreflex, entweder einen fördernden oder einen

hemmenden Selbsterhaltungszweck. Wenn willkürliche Tätigkeiten gewissen Vorstellungen rasch folgen, z. B. zusammengesetzte Fluchtbewegungen dem Erkennen einer Gefahr, so erscheinen sie uns oft fälschlich als unwillkürliche Reflexe. Zumeist jedoch

werden wir uns eines den willkürlichen Tätigkeiten vorhergehenden, sie als solche kennzeichnenden Schwankens des Willens bewußt, welches aus dem eine verschieden lange Zeit dauemden Kampf mehrerer Beweggründe (Motive) entspringt und den Eindruck der Freiheit

des Willens macht. Die häufige Wiederholung (Einübung) von irgendwelchen zusammen­

gesetzten willkürlichen Tätigkeiten, z. B. beim Klavierspielen, beim Aus­ wendiglernen von Wortreihen, erleichtert deren Ausführung. Dies erllärt

sich durch die beschriebene Befestigung von Spuren und von Verbindungs­ fäden derselben. Diese Befestigung muß die Bildung von Assozionsmechanismen und damit auch von äußeren Muskelmechanismen und von Auf­

merksamkeitsmechanismen zur Folge haben. Unter Phantasietätigkeit versteht man die willkürliche Er­ dichtung von Vorstellungsreihen, mit Vorliebe von solchen, welche einen

eingebildeten eigenen lusthaften Lebensverlauf ergeben und wobei man vielfach unlogisch verfährt, d. h. die natürlichen Zeit-, Raum- und

Zahlenverhältnisse der Kräfte und der Stoffe nicht beachtet.

Auch die

Phantasietätigkeit dient einem Selbsterhaltungszweck, bald nur, indem sie

uns die Zeit vertreibt, bald, indem sie die Aufmerksamkeit von unlusthaften

Vorstellungen auf lusthafte ablenkt. Die meisten literarischen, bildlichen usw. Kunstwerke sind sprachliche Darstellungen einer Mischung von Phan­ tastischem mit wirklich Erlebtem. Mr besprechen nunmehr die sogenannten ästhetischen Ge­

fühle, indem deren Erörterung vor der Schilderung des Mllens nicht möglich war. Diese Gefühle sind Gesamtgefühle, welche aus der Ver­ bindung von Gefühlen des Gehör-, Gesicht- oder Tastsinnes mit dem Ge­ fühle der willkürlichen Aufmerksamkeit entstehen. Betrachten wir zunächst die ästhetischen Geftihle des Gehörsinnes. Ein mäßig starker harmonischer

Zusammenllang erzeugt ein Gesamtgefühl lusthaften Gefallens, indem das gegenseitige VerhÄtnis der Schwingungszahlen der verschiedenen Töne

schon durch geringe Anstrengung der willkürlichen Aufmerksamkeit erkannt

wiü>. Auch schon ein einzelner voller Klang erzeugt Gefallen, weil die

41 Obertöne des Klanges in einem einfachen, leicht erkennbaren Verhältnis

zum Grundtone stehen. Hingegen erregt jeder unharmonische Zusammen­

hang ein Gefühl unlusthaften Mißfallens, weil hier trotz Anstren­ gung der Aufmerksamkeit die gegenseitigen Zahlenverhältnisse der Töne

unerkannt bleiben. Bei Geräuschen, deren jedes einzelne schon aus einem unerkennbaren Gewirre von verschiedenen Tönen besteht, unternimmt die Aufmerksamkeit gar keine nähere Prüfung der gegenseitigen Verhältnisse

der Teiltöne, weswegen sich auch kein ästhetisches Mßfallen bildet.

entsprechender Weise entsteht bei rhythmischen

In

Lautfolgen

lusthaftes Gefallen, bei unrhythmischen unlusthaftes Mßfallen.

Wirres

Gepolter wird wieder gar nicht geprüft. Ist eine gleichzeitige oder zeit­ folgende Lautmasse sehr stark, so erzeugt sie, wenn auch durch die Aufmerk­

samkeit als harmonisch oder rhythmisch erkannt, durch ihre sinnliche Stärke

ein unlusthaftes Gesamtgefühl. — Das Gesagte gilt auch für die ästheti­

schen Gefühle des Gesichtsinnes und des Tastsinnes, jedoch mit dem Unter« ichiede, daß beim Gesichtsinn auch die gegenseitigen Verhältnisse der Raum­ größen geprüft werden, und daß beim Tastsinn, z. B. beim Tanzen, Mar­ schieren, Schaukeln, die Prüfung sich auf den Rhythmus beschränkt. Die Aufmerksamkeit, durch deren Mitwirkung die ästhetischen Gesamt­

gefühle entstehen, ist stets die willkürliche, die Entwicklung dieser Gefühle erfolgt allmählich und hängt mit der Entwicklung der Vernunft beim ein­

zelnen Menschen und mit der Entwicklung der Kultur bei ganzen Völker schäften aufs engste zusammen. Bei Kulturvölkem erben die Kinder die Anlage zu ästhetischem Genießen schon von ihren Eltern.

Diese Kinder

äußern ästhetische Lustgefühle zuerst bei den groben rhythmischen Eigen bewegungen, später beim Anhören rhythmischer Laute, noch später beim

Anhören von harmonischen Zusammenklängen und bei Betrachtung sym­ metrischer Formen. Endlich, mit reiferen Jahren' bilden sich solche Ge­

fühle auch bei Betrachtung sich ergänzender Farben.

Hingegen bleiben

Angehörigr wilder Völkerschaften zeitlebens, wie auf anderen niederen Bildungsstufen, so auch auf dieser oder jener Entwicklungsstufe der ästhe­ tischen Gefühle stehen. Sie äußern wohl starke ästhetische Gefühle bei rhythmischen Eigenbewegungen und Lauten, während ihnen für die Har­

monie der Töne und Farben zumeist das Verständnis fehlt, weil sie eben den qualitativen Verhältnissen der Töne und der Farben ihre willkürliche Aufmerksamkeit nicht zuwenden. —

Der in die Zukunft eingreifende Wille ist der Gipfelpunkt aller seeli­ schen Vermögen, indem er uns die Verwertung unserer Körperkräfte zur



42



Erreichung des Selbsterhaltungszweckes ermöglicht.

Ohne den bewußten

Willen wären Menschen und Tiere in den meisten Fällen dem blinden Wüten der äußeren Naturkräfte wehrlos preisgegeben. Der Selbsterhal­

tungszweck ist ein zweifacher, nämlich die Selbsterhaltung unseres eigenen persönlichen Ich und von der Zeit der Geschlechtsreife an auch die Er­ haltung unserer Gattung. Demnach verfolgen wir mit allen unseren Willensentschlüssen und wilMrlichen Tätigkeiten selbstsüchtige (egoistische)

Zwecke. Häufig bezeichnet man nur die auf Erhaltung des Ich und etwa auch der Familie gerichteten Zwecke als selbstsüchtige und stellt diesen die edlen (idealen) Zwecke gegenüber, welche man als patriotische, auf das Wohl des eigenen Volkes, und als humanitäre, auf das Wohl der ganzen Menschheit gerichtete, unterscheidet.

Jedoch beruhen alle diese Unter­

schiede nur auf einem niederen oder höheren Grade von Einsicht in die Selbsterhaltungsbedingungen. Sehen wir z. B. jemand Unrecht erleiden,

so erschreckt uns der Gedanke, daß wir selbst einmal Unrecht erleiden könnten. Wir werden deshalb trachten, sowohl selbst immer recht zu handeln, als auch für den Grundsatz des Rechtes einzutreten. Auch die Entschlüsse und

willkürlichen Tätigkeiten, welche aus dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele entspringen, sind selbstsüchtige, indem wir hoffen, im Jenseits dereinst für gute Handlungen belohnt, und fürchten, für böse Handlungen

bestraft zu werden.

Durch Naturanlage sowie durch falsche Erziehung

und Bildung kann die Verfolgung der genannten edlen Zwecke in Rassen­ haß, Fanatismus, Ehrgeiz, Unduldsamkeit usw. ausarten und für weite

Kreise verderblichere willkürliche Tätigkeiten zeitigen als die Verfolgung

rein selbstsüchtiger Zwecke.

43

viertes Kapitel.

Ursprung und Wachstum der Sprache. Einleitung. Der Entschluß zur Sprachtätigkeit entsteht — wie schon bei der Darlegung des Begriffes der Sprache gesagt wurde — durch die Erkennt­ nis, daß ein Selbsterhaltungszweck nicht allein mittels eigener Werktätig­

keiten erreicht werden kann, sondem daß hiezu die Hilfe seitens verwandter, selbstbewußter Wesen nötig ist. Selbstbewußte Wesen der nämlichen Gat­

tung heißen Genossen, die Verwandtschaft von Wesen verschiedener

Gattung ist eine mehr minder entfernte. Dem Menschen sind alle anderen Menschen Genossen, alle Tiere mehr minder verwandte Wesen. Des­

gleichen sind z. B. dem Hunde alle anderen Hunde Genossen, alle anderen Tiere — sowie auch die Menschen — mehr minder verwandte Wesen. Als Hauptmerkmal des Begriffes „Genosse" erscheint die Fähigkeit des letzteren, die Bedeutung der ihm von dem Hilfebedürftigen vorgeführten

Sprachzeichen zu verstehen. Ohne diese Fähigkeit des Genossen wäre die

Sprache — trotz Erkennung der in jedem Einzelfalle benötigten Hilfe — gar nicht zustande gekommen. Welches Prinzip liegt nun der Auswahl der Sprachzeichen zu-

gmnde?

Mit der richtigen Beantwortung dieser Frage ist das Rätsel

des Ursprungs der Sprache gelöst. Die tägliche Beobachtung zeigt zwei

wesentlich

voneinander ver­

schiedene Stufen von Sprache, nämlich die zeitlich frühere, an Wert niedere Stufe der Willensprache, und die zeitlich spätere, an Wert

höhere Stufe der B e g r i f f s p r a ch e. zuerst die W i l l e n s p r a ch e zu schildern.

Mr haben also naturgemäß



ZA



A. Ursprung und Wachstum der Willensprache. Die Mllensprache teilt nur den fertigen, diese oder jene Hilfe anstre­ benden Stollen mit und überläßt den Schluß auf die Gedanken (Beweg­

gründe, Motive), welche den Stollen erzeugt hatten, dem angesprochenen Wesen. In dem Ausdruck „Mllensprache" bedeutet also „Stollen" das mit­

zuteilende Objekt der Sprache. Die Mllensprachzeichen sind aber — gleich den Begriffsprachzeichen — auch aus einem Stollen, einer Wahl

hervorgegangen, sie sind willentlich. — Die Sprache der Tiere beschränkt sich, wie anzunehmen ist, auf den ausschließlichen Gebrauch der Mllensprache, der Mensch vereint den Gebrauch der Mllensprache mit

jenem der Begriffsprache. Die Mllensprachzeichen

sind

sprachabsichtliche

Nach­

ahmungen von Werktätigkeiten und von begleiten­

den Reflexen der letzteren. diene der nachstehende Abschnitt.

Dem Beweise dieser Behauptung

Die Willensprachzeichen als Nachahmungen.

Indem die Mutter dem Kinde die Bmst reicht und dessen Nahmngsbedürfnis befriedigt, so gewinnt das Kind schon von seinen ersten Lebens­

tagen an den Begriff der Mutter zunächst als eines ihm freundlichgesinnten Wesens. Häufig nun empfindet das Kind Nahrungsbedürfnis, ohne daß die Mutter diesem sofort entgegenkommt. In diesen Fällen wird das Kind, vom Stollen nach Nahrung getrieben und vom Gerüche der Muttermilch

angelockt, mit den Händchen nach der Mutterbmst greifen und seinen Mund derselben nähern. Mese Bewegungen des Kindes sind in der ersten Zeit reine Werktätigkeiten und werden von reflektorischen Schreien be­

gleitet.

Die Mutter, die Bewegungen und Schreie des Kindes richtig

erfassend, bietet dem Kinde alsbald die Brust. Indem dieser Vorgang sich öfters wiederholte, so erkannte das Kind, daß seine Bewegungen von der

Mutter verstanden wurden, und die letzteren verwandelten sich aus Werktätigkeiten in Mllensprachzeichen. Diese sind somit nichts anderes als die Werktätigkeiten selbst, jedoch erzeugt in sprachlicher Absicht, mit anderen

Worten die Mllensprachzeichen sind aus sprachabsichtlicher Nachahmung

der eigenen Werktätigkeiten und der sie begleitenden Reflexe entspmngen. Durch den Erfolg seiner Mllensprachzeichen erkennt das Kind seine Mutter

auch als eine seine Sprachzeichen verstehende Genossin. Das Kind bedurfte und erlangte außer der Spendung von Nahmng

auch noch mannigfaltige andere Hilfen, so den Schutz gegen Nässe, Kälte

45 und andere äußere Gewalten. Diese Hilfen wurden ihm nicht bloß von der Mutter, sondem auch vom Vater, von älteren Geschwistem und anderen Personen geleistet. In allen diesen Fällen wiederholte sich der geschilderte Übergang von Werktätigkeiten des Kindes zu nachahmenden Willen sprachzeichen und vermehrte sich die Zahl der als Genossen erkannten

Wesen. Das Kind sucht durch seine Willensprachzeichen bald eine aktive, bald eine passive Hilfe seitens der Genossen zu erlangen. Der Genosse leistet aktive Hilfe durch eigene dem Verlangen des Kindes entgegen -

kommende Werktätigkeit, hingegen passive Hilfe, wenn er sich darauf be­ schränkt, dem Verlangen des Kindes nicht zu widerstehen. — Das Kind in seinen ersten Lebensjahren ist stets nur das der Hilfe bedürftige und solche nachsuchende Wesen. Erst mit Zunahme der Lebensjahre wird der Mensch befähigt, Hilfe zu l e i st e n. Häufig wird er das Nachsuchen

um Hilfe gar nicht abwarten, sondern solche von freien Stücken a n b i e t e n,

ivas durch sprachabsichtliche Nachahmung der ersten Teilakte der Hilfe­

leistung geschieht. Der Mensch machte sehr bald die Erfahrung, daß Genossen ihm häufig nicht mit freundlicher, sondem mit feindlicher Gesin­

nung

gegenüberstanden.

Bei

anzunehmender freundlicher

Ge­

sinnung des Genossen mußte der Hilfesuchende trachten, durch seine Willen­

sprachzeichen sich das Wohlwollen des Genossen zu bewahren. Zu diesem

Zwecke milderte er die Stärke seiner Tastzeichen ab und begleitete dieselben mit einschmeichelnden, in ihrer Stärke ebenfalls abgemilderten Gehörzeichen und mit freundlichen Gebärden und Menen (Ge-

s i ch t z e i ch e n). Als freundliche Mene stand ihm das Lächeln zu Ge­ bote.

Bei anzunehmender feindlicher Gesinnung des Genossen galt

es zumeist, denselben zurückzuschrecken, zur Unterlassung eines Angriffs zu bewegen. Zu diesem Behufe ahmte der Mensch die ersten Akte seiner

eigenen Verteidigungs- oder auch Angriffsbewegungen nach, indem er Stoß oder Schlag andeutete, dem Genossen die Zähne wies usw. Diese Bewe­

gungen waren von finsterer Mene und von heftigen, rauhen Schreien begleitet.

Mt der Geschlechtsreife tritt zum Trieb nach Erhaltung des eigenen

Ich auch der Trieb nach Erhaltung der Gattung, und zwar zunächst durch

Vollziehung des Begattungsaktes. Der erste Teilakt desselben, die gegen­ seitige Annähemng der zwei Geschlechter, bildet nebst den begleitenden Schreien ebenfalls einen Übergang von der Werktätigkeit zu der Willen-

46 sprachtätigkeit. Die in letzterer Absicht nachgeahmten Reflexschreie heißen Lockrufe.

Mcht selten befand sich ein befreundeter Genosse in einer dem Hilfe­ suchenden abgewendeten Stellung, andere Male auch in größerer Entfemung oder sogar außerhalb des Gesichtskreises.

In solchen Fällen mußte der

Hilfesuchende vor allem die Aufmerksamkeit des Genossen auf sich ziehen, sei es durch ein T a st z e i ch e n (im Volksmund „Deute r")

oder

durch

ein

Gesichtzeichen — einen

Wink —oder

durch

ein Gehörzeichen — einen Anruf. Auch alle diese Aufmerksam-

machungszeichen waren Willensprachzeichen, nämlich sprach­ absichtliche Nachahmungen von Werktätigkeiten oder von begleitenden Reflexen derselben. So ist z. B. der W i n k eine Abkürzung des Herbei­

ziehens des Genossen.

Wenn man die verschiedenen Willensprachzeichen in die begriffliche Lautsprache übersetzt, so sagt der Mensch zu seinem Genossen mittels der

nachgeahmten Werktätigkeiten: „Ich will an diesem, jenem Objekte diese,

jene Tätigkeit vollführen", mittels der nachgeahmten reflektorischen Mienen, Gebärden und Schreie: „Ich bin dir freundlich, feindlich gesinnt", mittels der einleitenden Aufmerksammachungszeichen: „Merke aus mich, ich will

mit dir sprechen". Jedes einzelne Willensprachzeichen drückte also nicht einen einzelnen Begriff, sondem einen ganzen Satz aus, der einen Willen

des Sprechenden zum Inhalte hatte. Das Wachstum der Willensprachzeichen. Die meisten Werktätigkeiten setzen sich aus mehreren, teils gleichzeitigen, teils zeit­ folgenden Teiltätigkeiten zusammen. Der Mensch brauchte nun bei willen­

sprachlicher Absicht nicht die ganze Reihe dieser Teiltätigkeiten nachzu­

ahmen, vielmehr konnte zur Verständigung des Genossen die Nachahmung der einen oder anderen Teiltätigkeit genügen. Handelte es sich z. B. um

Erlangung der Beihilfe des Genossen zur Fortschaffung einer schweren Last, so konnte der Hilfebedürftige das Anqacken der Last durch Betastung derselben oder auch nur durch Fingerhinweis oder Blick auf die Last, das Emporheben der Last durch Emporheben der geschlossenen Hand, das Fort­ schaffen durch Hindeuten nach der betreffenden Richtung, mit oder ohne Voranschreiten nach der letzteren, zu verstehen geben. Je häufiger eine bestimmte, zusammengesetzte Hilfe beansprucht wurde, desto mehr Teile

derselben konnten int Streben nach Ersparung von Zeit und Kraft als selbstverständlich weggelassen werden, so daß schließlich eine einzige Sprach­ bewegung eine vielfach zusammengesetzte Werktätigkeit nachahmte und

47 von dem Genossen richtig verstanden wurde. Die leicht ausführbaren Sprach­ bewegungen wurden hiebei bevorzugt, insbesondere der Fingerhinweis — das Zeigen.

Bei vielen arischen Völkem ist deshalb der Begriff des

Sprechens, Sagens aus dem Begriff des Zeigens hervorgegangen, was sich durch die Ähnlichkeit der Namen der zwei Begriffe erweist, z. B. deutsch: zeigen — sagen, lateinisch: signare — dicere.

Derartige Abkürzungen

geben sich, indem sie Zeit und Kraft ersparen, als ein Fortschritt, Wachstum der Willensprache zu erkennen. Da aber die einen Volk­

stämme diese, die anderen jene Abkürzungen bevorzugten, so gewannen

durch Vereinbarung einzelne Willensprachzeichen bei verschiedenen Volkstämmen eine verschiedene Bedeutung. So war z. B. das Ineinander­ schlagen der Hände, das Klatschen, ursprünglich wohl nur ein Zeichen,

welches in sprachabsichtlicher Nachahnmng des Nehmens eines Gegen­

standes eine Bitte um denselben ausdrückte. Bei vielen Völkern wurde nun dieses Klatschen ein Aufmerksammachungszeichen, nämlich ein Befehl für in der Nähe befindliche Diener, sofort zu erscheinen.

Bei anderen

Völkem wurde es eine die Reflexschreie ersetzende oder begleitende Beifallsäußemng.

Gleichwohl ist die Verschiedlichung der Gebärden, soweit

sie Willensprachzeichen sind, beim Menschen eine mäßige geblieben. Eine Verschiedlichung der Mienen und der Gefühlschreie hat fast gar nicht statt gesunden. Die Willensprachzeichen lassen sich deshalb als eine wenn auch unvollkommene internationale Sprache verwenden.

Ein Genosse wird eine Hilfeleistung meistens verweigem, wenn sie ihn selbst gefährden oder ihm auch nur größere Mühe vemrsachen würde. Dies erkennend, wird der Hilfebedürftige häufig den Genossen dadurch zu

täuschen versuchen, daß er diesem statt wahrhaftiger, seinen wirk­ lichen Zweck darstellender Willensprachzeichen, trügerische, einen anderen Zweck vorgebende vorführt. Er kann z. B. durch trügerische Zei­

chen die Werktätigkeit oder auch nur die Aufmerksamkeit des Genossen

nach irgendeiner Richtung ablenken und so vielleicht seinen wahren, den Genossen schädigenden Zweck erreichen. Da aber die Täuschung durch trügerische begriffsprachliche Äußemngen leichter erreicht wird, so werden bloße trügerische Willensprachzeichen nur selten benützt.

Die Willensprachzeichen können zweierlei Sinn haben, einen ern st haften und einen scherzhaften. Wir werden, um Wieder­ holungen zu vermeiden, das Wesen des Emstes und des Scherzes bei der Begriffsprache darlegen und bemerken hier nur, daß das Spiel zweier Ge­ nossen, soweit es bloß mittels Willensprachzeichen ausgeführt wird, aus

48 einem Wechsel von scherzhaften Angriffs- und Berteidigungsbewegungen besteht zu dem Zwecke sowohl des Zeitvertreibs als auch der Muskel­ übung.

Die Willensprachzeichen der Tiere. Die Tiere sind, soviel wir zu beurteilen vermögen, sprachlich aus den ausschließlichen Gebrauch von Willenzeichen beschränkt, und zwar sowohl im Verkehr mit Genossen als auch mit verwandten Wesen, zu welch letzteren auch die Menschen gehören. Die Willensprachzeichen der Tiere stimmen in allem Wesentlicheü mit jenen der Menschen überein. Sie entspringen aus sprachabsichtlicher Nachahmung von Werktätigkeiten und von beglei­ tenden Reflexen derselben, wenden sich an verschiedene äußere Sinne, bieten bald eine Hilfe an, bald verlangen sie eine solche, und zwar bald eine aktive, bald nur eine passive, verraten bald eine freundliche, bald eine feindliche Gesinnung gegenüber dem Genossen oder verwandten Wesen, werden bald in wahrhaftiger, bald in trügerischer Sprachabsicht ausgesührt und können endlich einen ernsthaften oder einen scherzhaften Sinn haben. Mr lassen nunmehr einige Beispiele von tierischem Sprechen folgen, vermeiden aber hiebei Oberförstergeschichten vom gescheiten Dackel sowie auch unkontrolierbare Berichte von Globetrottem. Vielmehr schildem wir nur Szenen, wie sie tagtäglich beobachtet werden können. Mrd eine Katze von einem großen Hunde bedroht, so streckt sie sich auf den Beinen möglichst empor, krümmt den Rücken und sträubt die Haare. Zugleich richtet sie den Blick drohend auf den Feind, fletscht die Zähne und läßt ein rauhes Fauchen vernehmen. Diese ganze Zeichen­ reihe ist eine willensprachliche Nachahmung der Kampfbereitschaft. Über­

setzt man die Zeichen in unsere lautliche Begrisfsprache, so sagt die Katze zu dem Hunde: „Ich bin, groß und stark; meine Zähne sind scharf; ich bin zu verzweifeltem Kampfe entschlossen; wage nicht, mich anzugreifen!" Mrd eine Katze von einem kleinen Hunde gestellt, so gewahrt man an ihr offenbare Zeichen von Mllensschwankung. Sie weiß eine Zeitlang nicht, ob sie es der Mühe wert finden soll, ihren Schreckungsapparat in Bewegung zu setzen, und erst, wenn der Feind fortgesetzt Kampflust zeigt, produziert sie die geschilderten Bewegungen, und zwar nunmehr in deut­ lich abgemindertem Grade.

Kommt ein Hund herzu, während wir bei der Mahlzeit sitzen, so nimmt er dicht vor uns Stellung, richtet seinen Blick bald auf uns, bald aus die

49 Speisen, und wedelt mit dem Schweife.

Bon Zeit zu Zeit berührt er

mit der Pfote sanft eines unserer beiden Beine und stößt ein halblautes Mnseln aus. Er setzt dieses Gebühren fort, bis wir ihm einige Brocken

zuwerfen oder ihn davonjagen. Die ganze Zeichenreihe ist die sprachliche Nachahmung andemfalls werktätiger Bewegungen und der Reflexe der­

selben. Dicht vor uns Stellung nehmend, will der Hund unsere Aufmerk­ samkeit erregen. Die Richtung des Blickes weist bald auf den Geben­ sollenden, bald auf die erbetene Speise hin. Das Mnseln gibt dem Hunger­ gefühl Ausdmck, das Wedeln des Schweifes zeigt die Unterwürfigkeit an.

Auch mit dem sanften, streichelnden Berühren unseres Beines will der Hund uns seine Zuneigung zu erkennen geben und sich bei uns einschmeicheln. Mit dem Ganzen sagt der Hund: „Ich bin hungrig; gib mir Speise, mir,

dem treuen Diener der Menschen!" Die Szene, welche sich abspielt, wenn das Junge eines Säugetieres von der Mutter gefüllt wird, gleicht ganz und gar der Szene beim Stillen

des menschlichen Kindes. Nicht selten kommt es vor, daß ein Hund uns auf einen in der Ferne befindlichen, von ihm entdeckten Gegenstand, den er nicht herbeizuschleppen

vermag, aufmerksam machen will. In biejent Falle richtet er seinen fun­ kelnden Blick bald auf uns, bald nach dem Orte des Gegenstandes, wedelt lebhaft mit dem Schweife, stößt ein klägliches Geheul aus, faßt uns mit

den Zähnen am Beine und sucht uns in der Richtung nach dem Gegen­ stände fortzuziehen. Von Zeit zu Zeit springt er in der nämlichen Richtung

eine Strecke weit fort, wendet sich dann nach uns uni, — offenbar uns auffordernd, ihm zu folgen —, kehrt wieder zu uns zurück und faßt uns abermals am Beine. — Auch diese vom Hunde geäußerte Zeichenreihe

ist sprachliche Nachahmung andemfalls werktätiger Bewegungen und be­ gleitender Reflexe. Mit dem Ganzen bietet der Hund eine Hilfe an. —

Die geschilderte Szene gibt auch eine gute Vorstellung von der Art, auf welche ein Tier seinen Genossen ohne Begriffszeichen eine Mitteilung

über eine von ihm aufgefundene Futterstelle zu machen vermag. Die in vorstehenden Beispielen aufgeführten üerischen Willensprachzeichen sind sämtlich wahrhaftige.

Die Tiere können aber je nach

dem verfolgten Zweck auch trügerische Zeichen äußern. Hiefür ein

einziges Beispiel: Mnn man eine munter umherspringende Katze fängt, auf einen

Tisch setzt und festhält, so wird sie zunächst einige energische Fluchtversuche machen. Mißlingen diese, so verhält sie sich eine Weile ganz mhig, schließt Baumann, Uifprun# und Wachstum bet Sprache.

4

50 die Augen, als ob sie im Einschlafen begriffen wäre, und fängt wohl auch

zu schnurren an. Nach einiger Zeit streckt sie sachte die eine oder andere Pfote nach vorne, um eine sprunggerechte Stellung zu gewinnen.

Hie

und da blinzelt sie, um den Spmng richtig abzumessen, sowie auch, um zu

erkunden, ob nicht etwa unsere Aufmerksamkeit auf sie nachgelassen habe. Hält sie endlich den günstigen Augenblick für die Flucht gekommen, so

versucht sie, durch einen plötzlichen Spmng sich aus unseren Händen zu

befreien. Die bei dieser ganzen Szene von der Katze vollführten Bewe­ gungen sind von zweierlei Art, nämlich teils werktätige, teils willen­ sprachlich nachahmende. Werktätige, aus eigener Kraft den Zweck

der Flucht verfolgende Bewegungen sind der anfängliche und der schließ­ liche Fluchtversuch, desgleichen das vorbereitende Borstrecken einer Pfote

und das Blinzeln. Hingegen erweisen sich die übrigen Teile der Szene

als

trügerische

Sprachäußerungen.

Mt

dem

mhigen

Liegenbleiben, dem Schließen der Augen und dem Schnurren will uns die

Katze die Mitteilung machen, daß sie sich behaglich fühle, im Einschlafen begriffen sei und an keinen Fluchtversuch mehr denke, daß es also nicht

nötig sei, sie länger festzuhalten. Sie ahmt damit das Mld eines Zustandes nach, in welchem sie sich zurzeit nicht befindet, ihre Sprachzeichen sind

also trügerische, auf unsere Täuschung berechnete. — Sie verlangt von uns eine passive Hilfe, indem sie bewirken will, daß wir uns ihrer Flucht nicht länger widersetzen.

B. Ursprung und Wachstum der Degriffsprache.

Einleitung. Der Urmensch befriedigte sich nicht mit den Willensprachzeichen, indem

chn die Erfahmng über die Unzulänglichkeit derselben belehrte.

Zuni

ersten nämlich ist jeder Wille auf eine an einem Objekte vorzunehmende Tätigkeit gerichtet. Befand sich nun das Objekt neben andem Objekten

in größerer Entfemung oder ging es m i t anderen Objekten rasch vorüber oder war es gar nicht mehr sichtbar, so konnte das Willenzeichen das ge­ meinte Objekt dem Genossen häufig nicht zu verstehen geben. Hatte aber auch trotz dieser Schwierigkeiten der Genosse das gemeinte Objekt richtig erfaßt, so gewann er doch keine Gewißheit über die dem Willen des Spre­ chenden vorausgegangenen Gedanken (Beweggründe) und über dessen

letzte Absichten. Er verweigerte deshalb oft schon eine leichte Hilfe, noch öfter eine ihm mühsam oder gar gefährlich erscheinende. Diese häufigen

51 Mißerfolge seiner Willenzeichen drängten den Urmenschen dazu, vor allem

die einzelnen von ihm gemeinten Objekte seinem Genossen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu erkennen zu geben. Auch heutzutage erfahren wir solche Mißerfolge, wenn wir beim Verkehr mit fremdsprach­ lichen Personen auf den ausschließlichen Gebrauch von Willensprachzeichen angewiesen sind. Man kann annehmen, daß die steten Gefahren, welche dem Urmenschen

von stimmhaften Raubtieren drohten, ihn eines Tages auf den Gedanken brachten, den Schrei eines solchen gerade in der Nähe befindlichen Tieres

nachzuahmen und dadurch in dem Genossen Empfindung und Be­ griff dieses Schreies und den sich sofort daran schließenden Begriff des schreienden Tieres selbst zu erregen. Demnach wäre die erste, und zwar stimmlautliche Nachahmung einer Empfindung — die e r st e Begriffdarstellung — ein Warnungsruf gewesen. Der Warnungsruf konnte anwesende Genossen zu gemeinsamem Kampfe gegen das Raub­

tier oder zu gemeinsamer Flucht vor demselben veranlassen.

Der Erfolg

der lautnachahmenden Wamungsmfe mußte den Urmenschen anspornen,

auch die Schreie anderer, etwa jagdbarer oder sonstiger Tiere, weiter­

hin auch andere äußere Laute aller Art, noch später Gesichtempfindungen usw. begrifffprachlich nachzuahmen.

Die B e g r i f f s p r a ch e ist somit

aus Empfindungsnachahmung entsprungen.

Während das Tier, nur der Willensprache mächtig, sein ganzes Leben lang auf seine angeborenen Instinkte und auf seine eigenen, individuellen Erfahmngen angewiesen bleibt, befähigte die Begriffsprache die Menschen,

sich gegenseitig ihre Gedanken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mitzuteilen, so daß jeder Mensch sich die Erfahmngen sowohl

seiner Zeitgenossen als auch früherer Geschlechter zunutze machen konnte.

Durch die Begriffsprache erhob sich also der Urmensch über die Tiere, wurde er erst Mensch.

Mit der Vervollkommnung der Begriffsprache

bildete sich die ungeheure Kluft, welche den Menschen von den Tieren trennt, der Mensch wurde der Herr der Erde und umspannte mit seinem Geiste

die ganze Natur. Würde irgendeine Tiergattung, und wäre es auch nur jene eines Beinen Insekts, sich zur Begriffsprache erheben, so müßte der Mensch mit diesem Tiere um die Herrschaft über die Erde ringen. — Die

Willensprache wurde vom Menschen neben der Begriffsprache ständig im Gebrauch behalten. Der Schritt von der sprachlichen Nachahmung des Willens zu jener

der Empfindung erscheint so selbstverständlich, daß wir uns weniger über 4*

52 die Unternehmung dieses Schrittes durch den Urmenschen, als über die Unterlassung desselben durch die an Verstand uns nächststehenden höheren Tiergattungen wundem müssen.

Zweifellos beruht diese Unterlassung

aus einer geringeren Entwicklung des tierischen Gehirns, denn mit Organen,

die zur Nachahmung von Empfindungen befähigen, sind viele Tiergat­ tungen, insbesondere manche Bogelarten mit Stimmorganen zur Nach­ ahmung von Lauten, vortrefflich ausgerüstet.

Vielleicht wird die ver­

gleichende Anawmie und Physiologie des Gehirns dereinst die besonderen,

zur Begrisfsprache befähigenden Faserzüge entdecken, welche das mensch­

liche Gehim vor dem tierischen voraus hat. Frellich würde dann sogleich die Frage entstehen, wamm diese Faserzüge sich nicht auch bei den höheren Tieren entwickelt haben. Einstweilen muß man sich mit der Tatsache be­ gnügen, daß das menschliche Gehim an relativer Größe und an Zahl der

Randwülste das Gehim aller Tiere weitaus übertrifft.

Zweifellos vollführte der Urmensch die sprachliche Nachahmung von Empfindungen anfänglich nur unmittelbar, nämlich nur durch eigene Bewegungen, ohne Benützung von äußeren Gegenständen. Hiebei gewahrte er alsbald, daß das Maß seiner Fähigkeit zur Ansprechung der verschiedenen Sinne seines Genossen ein sehr verschiedenes

war.

Eine unmittelbare Ansprechung des Geschmack- und Gemchsinnes

kommt überhaupt nicht in Betracht.

Die unmittelbare Ansprechung des

äußeren Tastsinnes ist bei räumlichem Entferntsein des Genossen unaus­

führbar. Da ferner sowohl der Druck- als auch der Temperatursinn die einwirkende Qualität als eine gleichförmige erfaßt, so kann die sprachliche Einwirkung aus den äußeren Tastsinn Unterschiede lediglich betreffs der Stärke, Dauer, Raumform und Zahl ausdrücken. Es läßt sich z. B. eine

Einzahl oder eine Heine Mehrzahl des gemeinten Objekts durch ein- oder mehrmalige Betastung des Genossen andeuten.

Da jedoch das Nämliche

durch Gesicht- und Gehörzeichen leichter und sicherer verständlich gemacht werden kann, so werden unmittelbare Tastzeichen zur Darstellung von

Begriffen nur selten benützt.

Der vollkommenste aller Sinne ist der Gesichtsinn. Mit größter Schärfe

erfaßt er differenzierte Qualitäten — die Farben — und eine undiffe­ renzierte Qualität — die farblose, sowie auch alle andem Bestimmungs­ stücke der Empfindung und deren Ganze — die Einzahl oder Mehrzahl.

Aber die unmittelbare Ansprechung dieses Sinnes erleidet durch zwei Umstände eine bedeutende Einschränkung. Zum e r st e n wird diese Ansprechung unmöglich gemacht durch Finsternis und durch

53 die meisten festen Körper, welche sich zwischen dem Sprechenden und dem

Auge des Genossen befinden, somit auch durch abgewendete Stellung des letzteren. Zum zweiten vermag der Mensch durch unmittelbare Gesichtzeichen keine beliebigen Lichtqualitäten und Lichtstärken, sondem

nur Dauer, Raumform und Zahl der gemeinten Objekte darzustellen. Meinte der Sprechende z. B. eine Schlange, so konnte er deren Gestalt

und Bewegungsart mittels malender

Gebärden in die Luft

zeichnen. Solche Zeichnungen erfordem jedoch, wenn sie verwickeltere Gestalten wiederzugeben haben, eine gewisse Kunstfertigkeit des Darstellers

und erschweren das Verständnis seitens des Genossen auch dadurch, daß sie ein räumliches gleichzeitiges Nebeneinander in einem zeitlichen Nach­ einander ausdrücken müssen.

Betrachten wir nun die unmittelbare Verwendung von G e Hör­ zeichen.

Der Gehörsinn erfaßt differenzierte Qualitäten — Töne —

und eine undifferenzierte Qualität — das Geräusch —, ferner Stärke, Dauer und Zahl der Empfindungen ebenso scharf wie der Gesichtsinn,

steht diesem jedoch an Schärfe der Erfassung von N a u m f o r m e n weit nach. Gleichwohl ist auch die Erfassung dieser letzteren nicht unbedeutend. Mr vermögen

punkt-,

linien- und

flächenförmige Lautquellen

von

einander zu unterscheiden sowie auch Richtung und Entfemung, aus welchen Laute zu unserem Ohr gelangen, annähemd abzuschätzen. Trotz dieser immerhin geringeren Schärfe der Raumerfassung ist nun der Ge­

hörsinn betreffs seiner Ansprechbarkeit dem Gesichtsinn durch zwei Umstände weit überlegen. Erstens. Steht die Luft, in welche ein Laut übergegangen ist, in ununterbrochenem Zusammenhang mit der unser Ohr berührenden Luft, so vernehmen wir einen genügend starken

Laut auch dann, wenn ein fester Körper sich in gerader Linie zwischen der Lautquelle und unserem Ohr befindet. Mr können um die Ecke deut­

lich hören, aber nur einen Schimmer sehen.

Ferner dringen

alle Teile eines Lautes auch durch mäßig dicke Schichten eines festen Kör­ pers. Zweitens. In bedeutend höherem Grade noch als durch die soeben genannten Verhältnisse der Lautfortpflanzung wird die unmittel­

bare Anwendung von Gehörzeichen begünstigt durch unser Stimmorgan, indem dieses uns befähigt, alle in der Natur vorkommenden Laute getreu nachzuahmen. Dabei erfordert diese Nachahmung viel weniger Zeit, Kraft und Geschicklichkeit als die Äußemng der oft komplizierten und weit ausgreifenden Gesichtzeichen. Somit wies die Natur den Menschen darauf hin, sich bei der unmittelbaren Begriffsprache vorzugsweise der

54 Lautsprache zu bedienen. Aus diesem Grunde werden wir uns zunächst mit der begrifflichen

Laut spräche beschäftigen, ihren Ur-

sprung aus unmittelbarer Lautnachahmung mit zahlreichen Beispielen beweisen und ihr Wachstum verfolgen.

Der Erfüllung dieser Aufgabe

müssen wir aber unerläßlich einen Auszug aus der Stimmlehre voraus­ schicken, weil nur eine gewisse Kenntnis dieser Wissenschaft die Art und

Weise verständlich macht, auf welche der Mensch die Einzellaute und Laut­ gebilde als Namen mannigfaltiger Begriffe verwendete und die gewon­

nenen Namen allmählich veränderte und verschiedentlich aneinander reihte.

I. Auszug aus der Stimmlehre. Die Ausatmungsluft strömt aus den Lungen durch die Luftröhren­ äste und die Luftröhre in den Kehlkopf, drängt sich in diesem durch die

Stimmritze, tritt sodann in die Rachenhöhle und verfolgt von hier aus ihren Weg nach außen teils durch die Mundhöhle, teils durch die beiden Nasenhöhlen. Belassen wir die Atmungswege in der von ihnen bei nor­

malem Atmen eingenommenen Lage und Form, so erzeugt das Ausatmen durch die Reibung der Luft an den Wänden der Atmungswege ein weiches H a u ch g e r ä u s ch, den Konsonanten h, welcher einer deutlichen Ton­

höhe entbehrt und in verschiedener Dauer und Stärke ausgesprochen werden kann.

Die Raumform des h bedingt sich durch die bei norinalem Aus­

atmen gegebene Weite aller Teile des Ausatmungsweges. Wir vermögen nun die Atmungswege beim Ausatmen an verschie­

denen Stellen entweder ganz zu verschließen oder nur mehr minder zu verengern. Hiedurch entstehen verschiedene Laute (Lautbilder), die man also zunächst als Verschlußlaute und als

Engenlaute zu unterscheiden hat. a) Die Verschlußlaute.

An fünf Stellen läßt sich ein völliger Verschluß des Ausatmungsweges

bilden, nämlich: 1. An der Stimmritze; 2. am hinteren Nasenhöhleneingang; 3. am hinteren Teile der Zunge; 4. am vorderen Teile der Zunge; 5. an

den Lippen. 1. Der Stimmritzenverschluß.

Wir beginnen jedes selb­

ständige Wort entweder mit dem Hauchlaute h oder damit, daß wir durch

Stimmritzenverschluß den Atemstrom erst ein wenig zusammenpressen und sodann durch Sprengung des Verschlusses den: Atemstrom wieder

freien Paß geben. Der Verschluß erfolgt, indem die freien, inneren Ränder

55 der zwei Stimmbänder sich aneinander legen, die Sprengung, indem diese Ränder sich wieder voneinander entfernen. Der Verschluß sowohl wie die

Sprengung ergibt einen schwachen, g - artigen Kantenstoßlaut. Der Ver­ schlußlaut wird auch als K l a p p l a u t, der Sprengungslaut als Knall-

l a u t bezeichnet.

Wenn wir, wie beim Sprechen gewöhnlich geschieht,

den Knallaut dem Klapplaut sofort folgen lassen, so fließen die beiden

Laute in einen momentanen Doppellaut zusammen. Dieser Doppellaut bleibt in unserer Schrift unbezeichnet. Bon den Arabern wird er „Hamze“ genannt. Die altgriechische Schrift gibt ihn, tvenn er ein Wort anlautet

und ihm ein Vokal folgt, durch das auf den Vokalbuchstaben gesetzte Zeichen 3 (Spiritus lenis). 2. Der Hintere Nasenhöhlenverschluß. Durch Rück­

wärtshebung des Gaumensegels können wir den Hinteren Nasenhöhlen eingang verschließen. Jedoch ergibt wegen der Weichheit der betreffenden Gewebe weder die Bildung noch die Sprengung dieses Verschlusses einen

vernehmbaren Laut. 3. Der Hintere Zungenverschluß.

Senken wir den wei­

chen Gaumen derart, daß er mit seinem zugeschärften unteren Rande auf den sich emporkrümmenden Hinteren Teil des Zungenrückens stößt, so sperrt sich die Mundhöhle von der Rachenhöhle völlig ab.

Verschließen

wir gleichzeitig den Hinteren Nasenhöhleneingang, so tvird der Ausatmungs­

strom gänzlich unterbrochen. Die Bildung des Hinteren Zungenverschlusses erzeugt dann einen momentanen Klapplaut, den Kanten st oß-

l a u t g. Belassen wir die beiden Verschlüsse eine Zeitlang, so entsteht eine entsprechend lange Atem- und Lautpause. Folgt aber der Bildung

des Zungenverschlusses sofort die Sprengung desselben unter Belassung des Hinteren Nasenhöhlenverschlusses, so fließt der Klapplaut mit dem Knallaut in einen einzigen Laut zusammen. Wir können aber die Spren­ gung des Hinteren Zungenverschlusses auf zwei Arten vomehmen, nämlich ohne oder m i t Einsetzung des Ausatmungsstromes.

Im ersten Falle

folgt dem Knallaut g ein Resonanzton der Mund- und Rachenhöhle. Im zweiten Falle hingegen tvird durch den Ausatmungsstrom nicht nur der Verschluß mit größerer Gewalt gesprengt und ergibt deshalb einen stärkeren

Knallaut, sondem es folgt letztere mauch ein kräftiges, den Resonanzton verdeckeitdes h, wodurch sich das g in k verwandelt. 4. Der vordere Zungenverschluß.

Stoßen

wir den

vorderen Rand der Zunge gegen den vordersten Teil des harten Gaumens oder gegen die Hintere Wand der oberen Schneidezähne und verschließen

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wir gleichzeitig den Hinteren Nasenhöhleneingang, so wird der Ausatmungs­ strom wieder abgeschnitten, und der Zungenstoß erzeugt einen momentanen

Klapplaut, den Spitzenstoßlaut d, welcher einen folgenden Reso­ nanzton nicht vernehmen läßt. Hingegen wird ein solcher, wenn auch nur schwach,

beim

knallenden

d hörbar.

Sprengen

wir den

Verschluß

sofort ohne Ausatmung, so fließen das Lappende und das knallende d in ein d zusammen. Setzen wir aber mit der Sprengung des Verschlusses den Atem ein, so verwandelt sich der Knallaut aus d in der bei g—k beschrie­

benen Weise in t. 5. Der Lippenverschluß.

Stoßen

wir bei gleichzeitigem

Hinteren Nasenhöhlenverschluß die Lippen zusammen, so ergibt sich als Klapplaut der Flächen st oßlautb.

Sprengen wir den Verschluß

bloß durch Senkung des UnterLefers, so bleibt b auch als Knallaut und wird von einem Resonanzton der Mundhöhle gefolgt. Setzen wir aber bei der Verschlußsprengung auch den Atem ein, so verwandelt sich b, wie bei

g—k und d—t geschildert, in p. Man bezeichnet g, d und b als weiche, k, t und p als harte Ver­ schlußlaute. Da diese zwei Lautarten beträchtlich voneinander abweichen, so rechtfertigt sich auch deren Unterscheidung in der Schrift. Die Klapp­

laute sind stets weich, die Knallaute können weich oder hart sein. Beim Zusammenfließen des Klapp- und Knallauts richtet sich die schriftliche Bezeichnung des Gesamtlautes nach dem Knallaut, man gibt z. B. bb mit b, bp mit p. Die sechs vorstehend geschilderten Laute sind Doppelverschluß­ laute und momentane Geräuschlaute (Konsonanten).

Wir können nun an jeder der drei genannten Stellen die Mundhöhle verschließen und dabei den Hinteren Nasenhöhleneingang offen lassen, so

daß die Ausatmungsluft durch die Nasenhöhlen entweicht.

Die hiebei

entstehenden Laute heißen nasalierte Verschlußlaute. Nasa­ lieren wir einen Verschlußlaut, so bilben und sprengen wir den Verschluß

derart sanft, daß weder ein Klapp- noch ein Knallaut hörbar wird, sondern

nur ein gleichmäßiger Dauerlaut.

Dieser ist bei Hinterem Zungenver­

schluß ng, bei vorderem Zungenverschluß n, bei Lippenverschluß m. Diese drei Laute sind bei flüstemdem, nichttönendem Ausatmen sehr schwach und kaum voneinander zu unterscheiden, weil das Ausatmungsgeräusch durch die wirren Reflexionen, die in den weichwandigen und vielfach aus­ gebuchteten Nasenhöhlen entstehen, bedeutend abgeschwächt wird.

Wir

setzen deshalb bei der Nasaliemng der Verschlußlaute stets die tönende

57 Stimme ein, wodurch erst die Unterschiede jener drei Laute hervortreten. Die mit tönender Stimme nasalierten Verschlußlaute heißen auch Halb­

vokale, indem bei ihnen Geräuschelemente und Tonelemente einander annähemd die Wage halten. b) Die Kngenlaute.

Die nämlichen fünf Stellen, an welchen die geschilderten Verschlüsse gebildet werden können, lassen sich auch nur mehr minder verengern. Die

dann durch die Ausatmung entstehenden Lautbilder heißen Engenlaute. 1. Die Verengerung der Stimmritze.

Wird die Stimmritze während des Ausatmens durch gegenseitige

Annähemng der elastischen und ein gleichförmiges Gewebe besitzenden

Stimmbänder verengert, so geraten die letzteren durch den Anprall des Ausatmungsstromes in regelmäßige Hin- und Herschwingungen, welche

sich der nach außen abströmenden Luft mitteilen und einen tönenden S t i m m l a u t erzeugen. Die Schwingungszahl und damit die Höhe des tönenden Stimmlautes wächst mit der Spannung und der Verkürzung

der Stimmbänder in deren Längsrichtung, mit der Verdünnung und der Verschmälerung des schwingenden inneren Teiles der Stimmbänder und mit der mechanischen Kraft der Ausatmung.

Die Hin- und Herschwin­

gungen der Stimmbänder verzehren einen Teil dieser mechanischen Kraft

und verwandeln ihn in S t i m m st ä r k e. Unter sonst gleichen Umstän­ den dringt also der durch Verengemng der Stimmritze erzeugte tönende

Stimmlaut in bedeutend größere Feme, als der bei normal geöffneter

Stimmritze entstehende „g e f l ü st e r t e" Stimmlaut.

Wir setzen des­

halb beim Sprechen gewöhnlich die tönende Stimme ein. Die Stärke

des aus der Stimmritze tretenden tönenden wie geflüsterten Stimmlautes wächst mit der Kraft der Ausatmung und vermindert sich sodann auf dem

Wege durch die Rachenhöhle, die Nasenhöhlen und die Mundhöhle einer­ seits mit dem Grade der Verengerung dieser Höhlen und anderseits mit

dem Grade der Weichheit und Ungleichsörmigkeit des Gewebes der Höhlen­ wandungen, indem ein diesen Graden entsprechender Teil der regelmäßigen Schwingungen durch wirre Reflexionen verloren geht.

2. Die Verengerung der Hintern Nasenhöhleneingänge. Diese kann bei gleichzeitiger Mundhöhlenverengemng stattfinden und

bedingt dann, indem ein Heiner Teil der Luft durch die Nasenhöhlen ab­ strömt, eine leichte Nasaliemng der betreffenden Mundengenlaute.

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3. 4. 5. Die Mundhöhlenverengerungen.

Die bei den Mundhöhlenverschlüssen beschriebenen drei Stellen (Arti­ kulationsstellen) lassen sich auch mehr minder bloß verengern.

Die

daselbst durch den Ausatmungsstrom erzeugten Mundengenlaute können sowohl mit tönender als auch mit flüstemder Stimme und semer sowohl unnasaliert (rein) als auch nasaliert ausgesprochen werden. Jeder Mund­ engenlaut setzt sich zum mindesten aus drei Teilen zusammen, nämlich

aus dem tönenden oder geflüsterten Kehlkopflaut, aus einem durch die

Erschüttemng der Artikulationsstelle erzeugten Reibungsgeräusch und aus Bei nasalierten Mundengenlauten tritt

Resonanztönen der Mundhöhle.

hiezu noch das Nasalierungsgeräusch. In der Gesamtheit des Lautes können Tonelemente oder Geräusch­

elemente vorherrschen. Mundengenlaute mit vorherrschenden Tonele­ menten heißen K l a n g l a u t e (Vokale), mit vorherrschenden Ge­ räuschelementen Geräuschlaute (Konsonanten).

a) Vokale. Zur Entstehung von Vokalen erfordert sich, daß weder die Mund­ höhle

Ein

selbst an irgendeiner Stelle, noch bereu und Ausgang hochgradig verengt ist. Reibungs­

geräusche sind dann nur schwach hörbar, während Tonelemente, und zwar

bei tönender Stimme der Stimmton nebst Resonanztönen, beim Flüstem nur Resonanztöne, deutlich hervortreten.

Die Verschiedenheit der Laut­

bilder der Vokale bedingt sich lediglich durch die von der Gestalt der Mundhöhle

töne.

abhängige

Verschiedenheit

der

Resonanz­

Der jeweilige Stimmton verstärkt gegenüber der Flüsterstimme

die Resonanztöne, ohne die Besonderheit der Vokale zu verändern.

Alle Sprachen bilden die drei Grundvokale », i und u, die meisten Sprachen auch die sechs Zwischenvokale e, o, 3, ao, ö und ü.

A erlautet, wenn beim Ausatmen die Zunge platt auf dem Boden

der Mundhöhle liegt und sich etwas nach hinten schiebt, so daß der Hintere Mundhöhleneingang sich mäßig verengert, während alle übrigen Teile der Mundhöhle, einschließlich des vorderen Mundhöhleneingangs weit offen bleiben.

Lautlich kennzeichnet sich »durch zahlreiche

mittel­

hohe Resonanztöne — es klingt voll.

Um I zu bilden, rücken wir den Hinteren Teil der Zunge etwas nach vome, nähern ihren mittleren Teil dem harten Gaunren, stemmen ihre

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Spitze an die mittleren Unterzähne und erweitern die Lippenöffnung nach der Quere. Gemäß dieser Bewegungen bildet die Mundhöhle eine Röhre von geringer Höhe, aber von beträchtlicher Breite.

nur ein paar sehr hohe,

stärker

Das I besitzt

vernehmbare Resonanz­

töne, es klingt leer. Um U zu bilden, verengern wir den hinteren Mundhöhleneingang durch Aufwärtswölbung des hinteren Teiles der Zunge zu einer kleinen rundlichen Öffnung, belassen die Mundhöhle groß und geräumig und bewegen die Lippen so nach vorwärts, daß auch hier nur eine kleine mndliche Öffnung bestehen bleibt. Diese Gestalt der Mundhöhle läßt nur e i n i g e

tiefe Resonanztöne hörbar werden — der Klang des u ist ein dumpfer.

Gemäß Artikulation und Lautbild steht e zwischen a und i, o zwischen a und u, sodann ä zwischen a und e, ab zwischen a und o, ö zwischen o und e, ü zwischen u und i.

b) Konsonanten. Mrd die Mundhöhle an irgendeiner Stelle hochgradig ver­ engt, so erzeugt die Ausatmungsluft daselbst einen Geräuschlaut