Integration durch Sprache - die Sprache der Integration: Eine kritische Diskursanalyse zur Rolle der Sprache in der Schweizer und Basler Integrationspolitik 1998-2008
 9783737002035, 9783847102038, 9783847002031

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Kommunikation im Fokus – Arbeiten zur Angewandten Linguistik

Band 5

Herausgegeben von Florian Menz, Rudolf de Cillia und Helmut Gruber

Wissenschaftlicher Beirat: Gerd Antos, Christiane Dalton-Puffer, Ursula Doleschal, Reinhard Fiehler, Elisabeth Gülich, Heiko Hausendorf, Manfred Kienpointner, Eva Vetter und Ruth Wodak Die Bände dieser Reihe sind peer-reviewed.

Mi-Cha Flubacher

Integration durch Sprache – die Sprache der Integration Eine kritische Diskursanalyse zur Rolle der Sprache in der Schweizer und Basler Integrationspolitik 1998 – 2008

Mit 2 Abbildungen

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0203-8 ISBN 978-3-8470-0203-1 (E-Book) Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: »Das neue Büro«, Ó joexx / photocase.com Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 »Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses. 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Streiflichter der politischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Schweizer Integrations- und Migrationsforschung in den Sozialwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Europäische Integrations- und Migrationsforschung in der Soziolinguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.1 Eckpunkt »Einreise« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.2 Eckpunkt »Integration« . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.3 Sprachprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Potentielle Ergänzungen für die Integrations- und Migrationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Epistemologische Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Forschungsfragen, Daten & Methodologie . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Daten und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2.1 Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2.2 Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Struktur der Publikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2 Theoretischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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3 Datenerhebung und Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Gesetzesdaten für die Analyse . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Zugang zu den Gesetzesdaten . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Gesetze als institutionelle Textsorte . . . . . . . . . 3.1.2.3 Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Das problemzentrierte/ semi-strukturierte Interview . . . . 3.1.3.1 Interviews als kommunikative Ereignisse . . . . . . 3.1.3.2 Erhebung der Interviewdaten . . . . . . . . . . . . . 3.1.3.3 Das Durchführen der Interviews . . . . . . . . . . . 3.2 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die genealogische Analyse der Gesetzesdaten . . . . . . . . 3.2.1.1 Diskursive Ereignisse als Analysemittel . . . . . . . 3.2.1.2 Operationalisierung der diskursiven Ereignisse für die Analyse des Diskurses »Integration durch Sprache« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Analyse der Interviews: die interpretativen Repertoires . . 3.2.2.1 Vom foucaultschen Diskurs zu den interpretativen Repertoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Operationalisierung der interpretativen Repertoires für eine linguistische Diskursanalyse . . . . . . . . .

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2.2 Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Terminologische Ambivalenzen . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Von der Assimilation zur Integration in der Schweizer Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Der »Diskurs« in der Linguistik . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Diskurs, soziale Praktiken und Konstruktion der Realität 2.3.3 Die Regulierung des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Ideologie und Sprachideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Ideologie/ Common Sense . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Sprachideologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 »Integration durch Sprache«: Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die politisch-ökonomische Ausgangslage für eine Neuorientierung der Schweizer Ausländerpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.3 Identifizierung der diskursiven Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik: die Motionen als erstes diskursives Ereignis . . 4.4.1 Die parlamentarische Behandlung der Motionen Simmen und Bircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1.1 Schriftliche Stellungnahme des Bundesrats: ideologische Verdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1.2 Stellungnahme der Motionärin/ des Motionärs in der Ratsbehandlung: die Metapher wird zum Common Sense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1.3 Diskussion im Ständerat: Entextualisierungen . . . . 4.4.1.4 Bericht der Kommission zur Motion Simmen im Nationalrat: die Reproduktion der Metapher . . . . . 4.4.2 Der Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Die parlamentarische Verhandlung des Art. 25a ANAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Debatten und Positionen: Legitimierungsprozesse . . 4.4.3 Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA): Die Umsetzung der Motion . . . . . . . 4.5 Die Erweiterung der Metapher : Der »Sprachartikel« AuG als zweites diskursives Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Das Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer (AuG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1.1 Der Vernehmlassungsprozess: Die Absenz von Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1.2 Diskursive Erneuerungen in der Botschaft AuG: Fordern und Integrationsgrad . . . . . . . . . . . . . 4.5.1.3 Die Kommissions- und Parlamentsdebatten . . . . . . 4.5.1.4 Das Abstimmungsbüchlein zum AuG: Die Forderung wird zur Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Die VIntA-Revision: Die Operationalisierung der erweiterten Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Politisch-ökonomische Bedingungen der Basler Integrationspolitik 5.3 Identifizierung der diskursiven Ereignisse im kantonalen Diskurs .

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Inhalt

5.4 Das Integrationsleitbild als erstes diskursives Ereignis: der Diskurs »Integration durch Sprache« formiert sich . . . . . . . . . 5.4.1 Begleitwort zum Integrationsleitbild . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 »Integrationsleitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2.2 Leitideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2.3 Fakten und Umsetzungsvorschläge . . . . . . . . . . . 5.4.3 Bericht der Kommission und Debatte im Grossen Rat zum Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Der Sprachartikel im Integrationsgesetz als zweites diskursives Ereignis: »Fördern und Fordern« in Verbindung mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Motion/ Anzug Goepfert und Konsorten: Anstoss für ein Integrationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1.1 Umwandlung der Motion in einen Anzug . . . . . . . 5.5.1.2 Berichterstattung der Regierung . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Der Entstehungsprozess des Integrationsgesetzes: Der Sprachartikel steht zur Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2.1 Vernehmlassung zum Integrationsgesetz: Die Debatte zum Sprachartikel beginnt . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2.2 Ratschlag 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2.3 Bericht der JSSK 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2.4 Lesungen GR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Der Sprachartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.1 Verabschiedung des Artikels . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.2 Die Rolle der Sprache im Integrationsgesetz . . . . . . 5.5.3.3 Operationalisierung des Sprachartikels: Die Integrationsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis . . . . . . . . . . . 6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Thematik der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Fördern und Fordern: die interpretativen Repertoires des Diskurses »Integration durch Sprache« . . . . . . . . . . . . . 6.4 Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Das Fördern-Repertoire . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

6.4.1.1 Finanzierung von Fördermassnahmen . . . . . . . 6.4.1.2 Freiwilliger Spracherwerb . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1.3 Kontraproduktiver Druck auf Spracherwerb . . . . 6.4.2 Das Fordern-Repertoire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2.1 Druck auf die Politik . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2.2 Sprachliche Assimilation als Ziel . . . . . . . . . . 6.4.2.3 Notwendigkeit der Verpflichtung . . . . . . . . . . 6.4.3 Die diskursive Kontrarität der beiden Repertoires . . . . 6.5 Die Komplementarität der Repertoires . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Diskurserhaltende Komplementarität . . . . . . . . . . . 6.5.2 Legitimierende Komplementarität . . . . . . . . . . . . . 6.6 Selbst- und Fremdpositionierungen mittels der interpretativen Repertoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Selbst- und Fremdpositionierungen mittels des Fördern-Repertoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Selbst- und Fremdpositionierungen mittels des Fordern-Repertoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Die Grenzen des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die Konsequenzen des Diskurses »Integration durch Sprache«: Diskussion und Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Zusammenfassung der Analysen . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Lücken des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Die Nicht-Spezifizierung von »Sprache« . . . . . . . . 7.2.2 Die Nicht-Thematisierung der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Strukturelle Ungleichheiten . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Grenzen der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Desintegrative Differenzierungsprozesse . . . . . . . . 7.3.2 Politische Begrenztheit des Sprachartikels . . . . . . . 7.4 Diskursive und politische Entwicklungen . . . . . . . . . . 7.5 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Danksagung

Diese Publikation wäre ohne Mitwirkung und Unterstützung einer Vielzahl von Personen und Institutionen nicht möglich gewesen. Mein grösster Dank gilt Prof. Iwar Werlen und Prof. Alexandre DuchÞne für die fachliche und inhaltliche Unterstützung; Prof. Rudolf de Cillia danke ich, dass ich mich als Gast an seinem Institut aufhalten konnte, und für sein Angebot, mein Buch in der Reihe »Kommunikation im Fokus« zu publizieren. Zudem bin ich dem Europäischen FP6-Projekt »Languages In a Network of Excellence« (EC-Vertrag 28388) in Dankbarkeit verbunden, in welchem ich als Doktorandin angestellt war und die in dieser Publikation vorliegende Forschungsarbeit ihren Ursprung fand. Zu Dank verpflichtet bin ich des Weiteren dem Schweizerischen Nationalfonds, der mir einen einjährigen Aufenthalt am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien ermöglicht hatte (Stipendium für angehende Forscher), dem SNF Pro*Doc »Sprache als soziale und kulturelle Praxis«, wo ich als assoziierte Doktorandin im Forschungsmodul »Mehrsprachigkeit im gesellschaftlichen und beruflichen Raum« teilnehmen konnte, und folgenden Institutionen für die Vermittlung wertvoller Informationen: dem Basler Staatsarchiv, »Integration Basel«, dem Migrationsamt Basel, der Staatskanzlei Basel, dem Schweizer Parlamentsdienst und der Bundeskanzlei. Herzlich verdankt seien des Weiteren alle Personen, die mir als ExpertInnen oder InformantInnen bereitwillig Auskunft gegeben haben. Nicht zuletzt möchte ich von Herzen meiner Familie und meinen FreundInnen danken, die mich über all die Jahre auf unterschiedlichste Weise unterstützt und gefördert haben.

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1 Beispiel Leitfaden »Integration« S. 91 Abbildung 2 Chronologie des Legiferierungsprozesses des Bundesgesetzes über S. 144 die Ausländerinnen und Ausländer (Schweizer Parlamentsdienst)

Tabelle 1 Tabelle 2

Terminologische Ambivalenzen des Begriffs der Integration Übersicht über Daten zum ersten nationalen diskursiven Ereignis (Motionen Simmen und Bircher) Tabelle 3 Übersicht über Daten zum zweiten nationalen diskursiven Ereignis (Sprachartikel AuG) Tabelle 4 Übersicht über Daten zum ersten kantonalen diskursiven Ereignis (Integrationsleitbild Basel-Stadt) Tabelle 5 Übersicht über Daten zum zweiten kantonalen diskursiven Ereignis (Sprachartikel Integrationsgesetz Basel-Stadt) Tabelle 6 Übersicht über die erfolgten Interviews Tabelle 7 Übersicht über die Transkriptionskonventionen Tabelle 8 Behandlungen der Motionen Simmen und Bircher Tabelle 9 Verhandlungen Revision ANAG Tabelle 10 Übersicht über Behandlung von Anzug/ Integrationsgesetz Tabelle 11 Vergleich Sprachartikel vor und nach Vernehmlassung 2004 Tabelle 12 Kontrarität der Repertoires Fördern und Fordern

S. 53 S. 76 S. 77 S. 78 S. 78 f. S. 92 S. 94 S. 127 S. 137 S. 185 S. 193 S. 229 f.

Abkürzungsverzeichnis

Gesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer Bundesamt für Migration (früher BFA: Bundesamt für Ausländerfragen) Basel-Landschaft Bundesrat Basel-Stadt Christlichdemokratische Volkspartei Eidgenössische Direktorenkonferenz Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössiche Ausländerkommission European Free Trade Association Europäische Union Freisinning-demokratische Partei Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen Grossrat (Basel-Stadt) Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung; Integrationsgesetz Verordnung zum Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung; Integrationsverordnung JSSK Kommission für Justiz, Sicherheit und Sport (Basel-Stadt) KIP Kantonales Integrationsprogramm NR Nationalrat PdA Partei der Arbeit SD Schweizer Demokraten SFL Systemic Functional Linguistics SID Sicherheitsdepartement Basel-Stadt (heute: Justiz- und Sicherheitsdepartement; früher : Polizei- und Militärdepartement) SP Sozialdemokratische Partei SPK-N Staatspolitischen Kommission des Nationalrats SR Ständerat SVP Schweizer Volkspartei RR Regierungsrat (Basel-Stadt) VIntA Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern WBK-NR Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates

ANAG AuG BFM BL BR BS CVP EDK EJPD EKA EFTA EU FDP GER GR IG IntV

1

»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses Sprache ist nicht das Hauptproblem der Integration, sondern Voraussetzung dafür ; ohne Sprache keine Integration! (Basler Zeitung-Online Kommentar am 10. 10. 2010) Wichtiger Hinweis: Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration! (Information zum Einbürgerungsprozess auf der Webseite der Gemeinde Neuhausen) Sprache ist nicht das Mittel zur Integration, aber es ist der Schlüssel dazu. (Bundesrätin Widmer-Schlumpf in Interview auf swissinfo.ch am 10. 10. 2008)

1.1

Einleitung

Wenn in der Schweizer Politik und Gesellschaft die Integration der ausländischen Bevölkerung thematisiert und über entsprechende Massnahmen oder Voraussetzungen diskutiert wird, wird erfahrungsgemäss früher oder später die »Sprache« ins Spiel gebracht. Die »Sprache« steht hierbei sinngemäss für Kompetenzen in der entsprechenden lokalen Amtssprache (Deutsch, Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch) oder für den Erwerb derartiger Kompetenzen. Besonders oft und gerne wird zum Gesprächsthema, dass Migrantinnen und Migranten eben über keine Kompetenzen in der lokalen Amtssprache verfügen. Wer hat nicht schon einmal eine Anekdote über eine ausländische Person gehört, die zwar seit 30 Jahren in der Deutschschweiz lebe, aber noch immer kein Wort Deutsch könne? Zumeist wird im Rahmen der Anekdote dieser Umstand damit erklärt, dass diese Person einfach nicht gewillt sei, sich zu integrieren und die Sprache zu erlernen. Insbesondere in derartigen Anekdoten und Gesprächen werden fehlende Sprachkompetenzen gerne in Zusammenhang mit fehlender Integration gebracht. Wie weit verbreitet ein derartiges Verständnis des Zusammenhangs zwischen Sprache und Integration nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Politik und in Institutionen ist, illustrieren stellvertretend die obigen drei Zitate.1 Jede Internet- oder Zeitungsartikelsuche zu »Integration durch Sprache« 1 Siehe Basler Zeitung-Online, 2010 (http://bazonline.ch/basel/stadt/Sprache-als-Hauptproblem-fuer-Integration/story/14214791); Gemeinde Neuhausen (http://www.neuhausen.ch/ index.tpl?rubrik=56); Swissinfo, 2008 (http://www.presseportal.ch/fr/pm/100001296/ 100571125/swissinfo) [Letzter Zugriff alle: 02. 12. 2013].

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

generiert etliche Treffer, wobei teilweise auch verwandte Formulierungen zum Tragen kommen können, wie zum Beispiel im ersten Zitat, wo von »Voraussetzung« die Rede ist, oder es wird der Begriff »Schlüssel« verwendet. Im Grunde genommen ist dies jedoch zweitranging, da jeweils dieselbe Botschaft vermittelt wird: Integration kann ohne das Erlernen der lokalen Sprache nicht reüssieren. Dieses Verständnis leitet sich aus dem gesellschaftlich dominanten Diskurs ab, den ich aus diesem Grund »Integration durch Sprache« nenne. Dieser Publikation liegt denn auch die Ergründung des gesellschaftlich und politisch postulierten Zusammenhangs zwischen Sprache und Integration zu Grunde. Das heisst, es soll der Frage nachgegangen werden, unter welchen Bedingungen der Diskurs »Integration durch Sprache« entstanden ist, wie er sich durchgesetzt hat und was seine Konsequenzen sind. Diese Fragen werden gerade darum relevant, weil dieser Zusammenhang oftmals als logisch oder naturgemäss dargestellt wird. Teilweise wird gar von einer Kausalität ausgegangen, bei dem die eine Variable (Sprache) die andere (Integration) bedingt. Dieser kausale Zusammenhang scheint sich jedoch flexibel zu gestalten, je nachdem von wessen Integration gesprochen wird. Die unterschiedliche Anwendung des im Diskurs enthaltetenen Postulats des Spracherwerbs und die damit einhergehende hierarchisierende Kategorisierung der Migrationsbevölkerung werden im Verlauf dieser Studie wiederholt thematisiert. Wie dies bei anderen kollektiven Vorstellungen der Fall ist, wird das Verständnis des Zusammenhangs zwischen Integration und Sprache in der Gesellschaft individuell sowie interpersonell reproduziert und ist gleichzeitig durch Diskussionen, Interaktionen und Aushandlungen geprägt. Dieser Aushandlungsprozess wird auf der einen Seite durch den Diskurs konstituiert, wirkt jedoch andererseits auf den Diskurs. Wenn nun in dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Integration (also die Prämisse »Integration durch Sprache«) diskursiv konstruiert ist, wird gleichermassen konstatiert, dass dieser Zusammenhang in der Gesellschaft im Sprachgebrauch und durch soziale Praxis vermittelt, ausgehandelt und reproduziert wird. Dabei manifestiert sich der Diskurs auf verschiedene Art und Weise, jeweils als Ausdruck von diskursiven Transformationen und Brüchen, so genannten diskursiven Ereignissen (DuchÞne 2008). Im Fall der Emergenz des Diskurses »Integration durch Sprache« stellen spezifische Texte (d. h. zwei Motionen, das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und das Integrationsgesetz Basel-Stadt) die diskursiven Ereignisse dar, die mittels einer historischen und kritischen Perspektive analysiert werden. Anhand der diskursiven Ereignisse werden somit die Bedingungen untersucht, unter welchen sich der Diskurs formierte, welcher wiederum spezifische materielle Konsequenzen nach sich zieht.

Einleitung

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Wenn man sich mit einem derartigen diskursiven Konstrukt näher auseinandersetzt und seine Logik zu verstehen versucht, drängen sich etliche Fragen auf. Für die vorliegende Arbeit sind dies aus einer kritisch soziolinguistischen Perspektive inbesondere folgende: Wie gestaltet sich der gesellschaftliche Diskurs von Integration und Sprache? Was für ein Verständnis von Integration geht mit diesem Diskurs einher? Wer ist von einer unter solchen Vorzeichen geführten Integrationspolitik betroffen? Wie und aufgrund welcher Logik wird die Zielgruppe definiert? Was heisst überhaupt »Sprache«? Welche Sprache wird als Schlüssel verstanden und welche Sprachkompetenzen werden in dieser Sprache für eine erfolgreiche Integration für notwendig erachtet? Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wer sich in Bezug auf diesen Diskurs wie positioniert, ihn (re-)produziert, aus welchen Gründen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Konsequenzen für wen. In Anbetracht solch grundlegender Fragen soll es hier nicht darum gehen, ein Plädoyer entweder für oder gegen den Spracherwerb der fremdsprachigen ausländischen Bevölkerung zu halten, sondern vielmehr darum, die ideologischen Mechanismen eines solchen gesellschaftlichen Diskurses und dessen Konsequenzen zu erfassen.2 Meines Erachtens sollte zu diesem Zweck eine kritische Perspektive (Foucault 1969 & 1971) eingenommen werden, d. h. es muss der Versuch stattfinden, die Prozesse zu verstehen, welche zum momentan dominanten Diskurs geführt haben. Dieser Diskurs, aufgrund seiner hegemonischen Stellung als »natürlich« konzipiert, hat schliesslich reelle und materielle Konsequenzen für einen ganz bestimmten Teil der ausländischen Bevölkerung. Er ist kontextualisiert und prozessual zu verstehen, denn Diskurse befinden sich keineswegs in einem gesellschaftlichen oder politischen Vakuum oder entstehen »einfach so«, sondern sind historische Produkte. Gerade weil ein Diskurs dem Common Sense (Gramsci 1971), also dem sogenannt gesunden Menschenverstand entspricht, stellt er ein ideologisches Konstrukt dar, welches mit konkreten Interessen und Mechanismen verbunden ist. Der Diskurs findet seinen emblematischen Ausdruck in der Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration«. Aus kritischen Perspektiven gibt es vermehrt Untersuchungen zu gesellschaftlichen und ideologischen Auswirkungen von Metaphern im Sprachgebrauch. Charteris-Black (2004), Vertreter der Critical Metaphor Analysis, analysiert in seinen Arbeiten beispielsweise die metaphorische Beschreibung von Immigration in britischen Medien. Er argumentiert, dass spezifische Bilder durch die Verwendung von bestimmten Metaphern hervorgerufen werden, welche die Immigration oder die ausländische Bevölkerung betreffen (ein Beispiel: die Immigration wird metaphorisch als 2 Die Kategorie »ausländisch« verweist auf die statistische Erfassung von Personen, die nicht über die Schweizer Nationalität verfügen.

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Invasion von Ungeziefer dargestellt, womit die ausländische Bevölkerung indirekt als Ungeziefer bezeichnet wird). In der Entstehung und Reproduktion von Metaphern wird dem Diskurs eine tragende Rolle zuteil. Denn gemäss Foucault (1971) folgen Diskurse Regularitäten, die bestimmen, was denk-, sag-, und machbar ist und was wahr und falsch ist. Die Schaffung und Übernahme von Metaphern wie »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« werden durch die Regularitäten des Diskurses somit erst möglich und sind gleichzeitig Ausdruck dieser diskursiven Entwicklung. Umgekehrt fungieren Metaphern als Ausdruck intra- und intertextueller Kohärenz eines Diskurses (Kövecses 2010: 285 – 304) und lassen Rückschlüsse auf die Organisation des Diskurses zu und schliesslich, was zu einem gegebenen Zeitpunkt im Diskurs sag- und denkbar wird. Wenn man das durch die Metapher vermittelte Bild etwas genauer betrachtet, stellt man fest, dass die stereotype Formelhaftigkeit inhaltlich leer zu sein scheint. Dies ist zweifellos des Öftern bei Metaphern der Fall, die phraseologisch auch als Klischee verstanden werden könnten. Burger (2010: 57) versteht vor allem »metaphorische Idiome« als solch klischierte Phraseologismen, d. h. als durch massenhaften und unspezifischen Sprachgebrauch abgenutzte Schlagwörter, die »für eine konkrete politische oder ökonomische Situation als besonders passend empfunden« werden. Interessanterweise gibt es einige weitere solcher metaphorische Idiome, welche »Sprache« schlagwortartig und klischiert transportieren, wie zum Beispiel: Sprache als Brücke zwischen den Kulturen oder die Sprache als Ausdruck/Seele der Kultur oder des Individuums. Es findet in diesen Metaphern eine Essentialisierung der Vorstellung von Sprache statt, die als Abstraktum objektiviert wird. In der Schlüsselmetapher wird die Sprache gar instrumentalisiert. Durch das Klischieren werden etliche Fragestellungen ausgeblendet: Wird die Sprache zum Schlüssel, während die Integration zur eigentlichen Türe wird – oder doch eher zum Schlüssel davon, was sich jenseits der Türe befindet? Ist die Integration das Mittel zum Ziel oder das Ziel selber oder wird sie ihrerseits zum Schlüssel für Einbürgerung, soziale Anerkennung, Chancengleichheit etc.? Darüber hinaus geht es prinzipiell um die Frage, welche Sprache(n) als Schlüssel verstanden werden – im Gegensatz zu welchen anderen Sprache(n), die nicht als Schlüssel dienen können. Vor allem im Dialektumfeld der Deutschen Schweiz gewinnt diese Frage an Prägnanz: Dient Schweizerdeutsch oder das Standarddeutsch als Schlüssel zur Integration? Des Weiteren wirft die Verwendung des undefinierten Terminus »Sprache« die Frage nach den erforderlichen Sprachkompetenzen auf: Wie gut muss man eine Sprache beherrschen, um sich die Integration erschliessen zu können? Reichen mündliche Sprachkenntnisse aus oder werden schriftliche Kompetenzen erwartet? Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wer über diese Fragen resp. ihre Beantwortung bestimmt, d. h. wem die Rolle des »gatekeepers« (Codo 2008: 7 – 8) zuteil wird. In diesem Zusammenhang werden Parallelen mit ideologischen Praktiken

Einleitung

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ersichtlich, insbesondere mit dem bereits erwähnten Common Sense. Wenn ein Phänomen allgemein als »offensichtlich« oder »natürlich« eingeschätzt und aus diesem Grund nicht mehr hinterfragt wird, deutet dies auf eine Ideologisierung hin. Bei einer konkreten Hinterfragung dessen, was durch die Metapher assoziativ impliziert werden könnte, scheinen sich insbesondere unterschiedliche mögliche Interpretationen herauszukristallisieren. Erstens kann ein Schlüssel sowohl auf- als auch abschliessen. In den meisten Fällen wird die Metapher in einem positiven Sinn verwendet (siehe auch Eingangszitate). Es wird verdeutlicht, dass durch den Schlüssel »Sprache« die Türe zur Integration aufgeschlossen wird, d. h. dass sich die ausländische Bevölkerung ihre Integration in die Aufnahmegesellschaft durch die Sprache erschliesst. Gleichzeitig impliziert dies genauso, dass diese Türe durchaus verschlossen bleiben kann. Ein Schlüssel kann nicht nur zum Aufschliessen, sondern auch zum Ab-, Ver- und Ausschliessen verwendet werden. Da die Integrationspolitik als Brennpunkt von Ein- und Ausschluss fungiert, mutet die Verwendung der Metapher fast schon zynisch an. Die Sprache als Schlüssel wird zum entscheidenden Element für den individuellen Ein- und Ausschluss: Ohne Sprache resp. Schlüssel bleibt man vor verschlossener Türe stehen. In Bezug auf die zweite Interpretation der Metapher indexiert das Bild des Schlüssels eine Handlung. Prototypisch gesprochen, geschieht erst etwas, wenn man den Schlüssel ins Schloss steckt und ihn dreht – falls man überhaupt den richtigen Schlüssel besitzt. Die Metapher impliziert die Notwendigkeit individuellen Handelns. Im Hinblick auf die momentane Entwicklung der Integrationspolitik widerspiegelt die Metapher mitsamt den Interpretationen den gesellschaftlichen und politischen Konsens. Im Integrationsprozess wird nicht nur die Sprache (genauer gesagt: der Spracherwerb) gefordert, sondern auch ein Engagement des Individuums. Aus diesem Grund kann die Metapher als emblematische Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache« betrachtet werden. In diesem ersten Kapitel wird nun eine Auslegeordnung der Fragen anvisiert, welche oben aufgeworfen wurden. Um diese historisch und politisch zu kontextualisieren, wird eine kurze Übersicht über die relevanten Entwicklungen der Schweizer Integrationspolitik präsentiert, welche in Kapitel 4 ausführlicher dargelegt werden. Im Anschluss wird ein Überblick über die heutige Forschungsausrichtung und den aktuellen Forschungsstand im Bereich der Migrations- und Integrationsforschung geliefert, sowohl für die Sozialwissenschaften als auch für die Soziolinguistik. Die Grundlage für die vorliegende Publikation sind jedoch vor allem kritisch soziolinguistische Arbeiten, gerade aufgrund der Berücksichtigung und Gewichtung von sozialen Prozessen, sprachlichen Praktiken, Machtausübungen und Ideologien. Somit erfolgt auch die darauf erfolgende vorgenommene epistemologische Positionierung dieser

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Arbeit in der kritischen Soziolinguistik. Die epistemologische Verankerung prägt zum einen die im Weiteren vorgestellten Forschunsfragen und ist zum anderen durch das grundlegende Forschungsinteresse bedingt, welche in der Quaestio zum Ausdruck kommt. Es wird kurz skizziert, welche Daten zur Beantwortung der Forschungsfragen verwendet wurden und welche Methoden Anwendung fanden. Zum Schluss des Kapitels wird die nachfolgende Struktur der Publikation präsentiert.

1.2

Streiflichter der politischen Entwicklung

Seit Ende der 1990er-Jahre wird in der Schweizer Gesellschaft und Politik vermehrt eine explizite Verbindung zwischen Integration und Sprache hergestellt.3 Dies, nachdem sich die Schweiz über Jahrzehnte hinweg konsequent der Einsicht verweigert zu haben scheint, ein Einwanderungsland zu sein, und ihre Politik danach ausgerichtet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde erwartet, dass die ausländische Bevölkerung gemäss dem Rotationsprinzip nach getaner Arbeit (für welche sie von Schweizer Unternehmen rekrutiert worden waren) in ihr Heimatland zurückkehren, sich in der Zwischenzeit aber den »Gebräuchen« der lokalen Bevölkerung anpassen würde (Wicker 2003). Diese ausländischen Arbeitskräfte erhielten somit meistens keinen regulären Aufenthaltsstatus, sondern nur eine saisonale Arbeitserlaubnis (den sogenannten »Saisonnierstatus«). Erst in den 1970er-Jahren wurde dieses Rotationsprinzip zugunsten einer ordentlichen Migrationspolitik aufgegeben (Wanner 2003: 426). Es wurden zwar damals schon sprachliche Hilfeleistungen oder sozio-politische Anstrengungen geleistet, vor allem für die italienischsprachige Arbeitsmigrationsbevölkerung, doch wurde die Integration als solche noch nicht als politisches Konzept verfolgt.4 Falls ein ausländischer Arbeiter eine Niederlassung in Erwägung ziehen sollte, wurde von ihm eine kulturelle, soziale und sprachliche Assimilation erwartet. So lautete die offizielle Linie der schweizerischen »Ausländerpolitik« bis in die 1970er-Jahre. Inoffiziell hatte die Schweizer Regierung jedoch bereits seit den 1970er-Jahren Integrationsbemühungen aufgenommen, parallel neben den bereits laufenden zivilgesellschaftlichen Initiativen. Zum Beispiel wurde ein Vorläufer der 3 Dieser historische Abriss leitet sich aus folgenden Quellen ab: Achermann/Künzli (2011), Cattacin/Chimienti (2009), EKA (1999), Niederberger (2004), Piguet (2005 & 2013), PiÇeiro et al. (2009) und Wicker et al. (2003). 4 Als Beispiel sei hier das Berufs-, Forschungs- und Weiterbildungsinstitut ECAP genannt, welches 1970 von der italienischen Gewerkschaft CGIL gegründet wurde und zum Ziel hatte, die italienischen Arbeiterinnen und Arbeiter sprachlich und fachlich auszubilden (http:// www.ecap.ch [Letzter Zugriff: 29. 11. 2013]).

Streiflichter der politischen Entwicklung

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Eidgenössischen Ausländerkommission, die heutige Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen, bereits 1970 einberufen (EKA 1999). Anscheinend wurden solche Aktionen aufseiten der Regierung »inoffiziell« durchgeführt, weil »der Überfremdungsdiskurs und eine Abwehrhaltung seitens der einheimischen Bevölkerung überwogen« (Wichmann/D’Amato 2010: 29). Dies bedeutet, dass die Schweizer Regierung tatsächlich bereits in den 1970er-Jahren erkannt hatte, dass die Auseinandersetzung mit Fragen zum Umgang mit der ansässigen ausländischen Bevölkerung unvermeidlich war – aufgrund innenpolitischer Bedenken wurde jedoch auf direkte politisch und/ oder legislative Aktionen verzichtet. Erst im Verlauf der 1980/ 90er-Jahre veränderte sich die offizielle Politik der Regierung. Längst war offenkundig, dass die ansässigen ausländischen Personen nicht zwangsläufig in ihre Heimat re-migrierten, sondern sich in der Schweiz niedergelassen (z. B. geheiratet) hatten. Auf lokaler Ebene gab es zu diesem Zeitpunkt v. a. in den Bereichen (Weiter-) Bildung, Sprachförderung oder Dolmetscherdienste bereits diverse Initiativen, doch waren diese Bemühungen jeweils nur zu einem gewissen Grad institutionalisiert, was sich vor allem in eineren unsicheren Finanzierung auswirkte. Die Zwiespältigkeit dieser Situation wurde auf Bundesebene erkannt, woraufhin Ende der 1990er-Jahre das seit 1931 geltende Bundesgesetz über Niederlassung und Aufenthalt der Ausländer (ANAG) einer Revision unterzogen wurde. Die wichtigste Änderung war die Schaffung eines Integrationsartikels (Art. 25a ANAG), in dem die finanzielle Beteiligung des Bundes an Integrationsmassnahmen definiert wurde. Im Kontext dieser Revision wurden im Oktober 1998 im National- und Ständerat an zwei aufeinander folgenden Tagen je eine Motion eingereicht, in welchen die Sprache als Schlüssel zur Integration bezeichnet und aus dieser Logik heraus eine gesetzliche Regelung gefordert wurde für die Finanzierung der sprachlichen Förderung der ausländischen resp. fremdsprachigen Bevölkerung. Nicht nur die Sprachförderung rückte somit in den Vordergrund der Ausländerpolitik, die Integration als solche wurde im Art. 25a ANAG zum ersten Mal gesetzlich als Aufgabe der Bundesregierung verankert. Die Integration wurde somit zur Staatsaufgabe – und die Sprache zum Katalysator der Integration. Trotz der erfolgten ANAG-Revision entstand auf politischer Seite das Bedürfnis nach einem neuen und aktualisierten Gesetz, in dem unterschiedliche Aspekte im Kontext der ausländischen Bevölkerung national geregelt werden sollten – unter anderem deren Integration. So wurde die Schaffung des neuen Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) in Angriff genommen, in welchem ein separates Kapitel zur Integration entstehen sollte. Dieses Integrationskapitel enthält den so genannten »Sprachartikel« (Art. 54 AuG), in welchem festgehalten ist, dass die Kantone die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit der Auflage verbinden können, einen Sprach- oder Integrationskurs zu besuchen. Angesprochen ist

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

hierbei die »ausländische Bevölkerung« sprich jene Personen, die über keinen Schweizer Pass verfügen; dennoch sind gerade in Bezug auf Sprachförderungen oftmals auch Personen »mit Migrationshintergrund« gemeint. Diese können gesetzlich jedoch nicht in die Pflicht genommen werden; ebenso ausgenommen sind EU-/ EFTA-Angehörige und Hochqualifizierte von diesen integrationspolitischen Massnahmen. Das AuG regelt demnach die kantonalen Zuständigkeiten in Belangen der Integration und liefert die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Integration als politisches Agierungsfeld bleibt aber im Hoheitsbereich der Kantone, d. h. für die Finanzierung von Projekten, die Schwerpunktsetzung etc. Einzig die Einsetzung eines/ r kantonalen Integrationsbeauftragten wurde gesetzlich verankert. Ob die Kantone jedoch von der Möglichkeit des Sprachartikels Gebrauch machen wollten, wurde gänzlich ihnen überlassen. Diese Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen hängt mit der föderalistischen Struktur der Schweizer Politik zusammen. Während der Bund fundamentale Aufgaben u. a. im Bereich Infrastruktur (Kommunikation, Mobilität, Transport, etc.), Verteidigung und Sicherheit übernimmt, zeichnen sich die Kantone z. B. verantwortlich für Bildung, Steuer- und Forstwesen. Für die Regulierung der Migration ist der Bund zuständig, für die Integration der Migrationsbevölkerung jedoch sind es die Kantone. Der national geschaffene Sprachartikel wurde im Integrationsgesetz des Kantons Basel-Stadt umgesetzt (Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung). Jener wurde fast wortwörtlich übernommen, wie zu einem späteren Zeitpunkt erläutert wird. Dass gerade der Kanton Basel-Stadt diese Vorlage übernommen hatte, war kein Zufall. Basel konnte zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des AuG bereits auf eine lange Tradition von Integrationspolitik zurückblicken. So wurde bereits 1999 ein Integrationsleitbild umgesetzt, welches schweizweit einen Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik einläutete.

1.3

Forschungsüberblick

Mit den eingangs aufgeworfenen Fragen haben sich etliche Forschungsarbeiten auseinandergesetzt in mehreren Disziplinen, in unterschiedlichen Kontexten und zu verschiedenen Aspekten. Tatsächlich ist es so, dass man aufgrund der Fülle der Arbeiten im Gebiet der Integrations- und Migrationsforschung leicht den Überblick verlieren könnte. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Integration existiert ebenfalls eine Reihe von Artikeln und Studien, da das Thema wie bereits erwähnt in der Schweiz, aber auch europaweit seit den 1990er-Jahren politisch an Relevanz und Brisanz gewonnen hat. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die vorhandene Literatur gegeben. Dabei wird

Forschungsüberblick

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vor allem auf diejenigen Arbeiten verwiesen, welche für die vorliegende Studie relevant erscheinen. Damit ist die Auswahl subjektiv und es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Der Überblick wird in zwei Schritten vorgenommen. Zuerst wird kurz vorgestellt, welche Themen im Bereich der Integrations- und Migrationsforschung in den Sozialwissenschaften primär erforscht werden. Der Fokus liegt hierbei auf Forschung, die sich mit dem Schweizer Kontext befasst. Nach dieser einleitenden thematischen Kontextualisierung wird in einem zweiten Schritt aufgezeigt, wie das Thema von Integration und Migration in Westeuropa soziolinguistisch erforscht wird. Dabei wird vor allem die sprachpolitische Forschung berücksichtigt, die sich eingehend mit den (gesetzlichen) sprachlichen Anforderungen an die ausländischen Bevölkerungsteile befasst. Da andere Länder im europäischen Raum und/ oder in der westlichen Hemisphäre schon längere Zeit einschlägige Erfahrungen mit sprachlichen Regulierungen gemacht haben, wird der Blickwinkel diesbezüglich auf Europa geöffnet. Exemplarisch werden drei Eckpunkte des Themenkomplexes »Integration und Migration« näher beleuchtet, die auf unterschiedliche Weise mit dem Aspekt der Sprache resp. Sprachforderung zusammenhängen: Einreise, Integration und Sprachprüfungen. Diese drei Stationen im Migrations- und Integrationsprozess wurden für diese Übersicht gewählt, weil sie entscheidene biografische Momente darstellen, in denen Sprachkompetenzen zu einem entscheidenden Faktor werden können in Bezug auf den aufenthaltsrechtlichen Status und/ oder Staatsbürgerschaft. Obwohl der »Eckpunkt« Integration für die vorliegende Untersuchung von grösster Relevanz ist, wird er an dieser Stelle nicht am ausführlichsten behandelt. Das liegt daran, dass die dazu vorhandene Literatur wiederholt an unterschiedlichen Stellen der Publikation referenziert wird. Was diesbezüglich explizit thematisiert werden soll, ist der politisch (und teilweise auch wissenschaftlich) postulierte Zusammenhang zwischen Integration und Sprache, wobei vor allem rechtswissenschaftliche und soziologische Arbeiten erfasst werden, da in der Soziolinguistik zu diesem Thema nur wenig vorhanden zu sein scheint.

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

1.3.1 Schweizer Integrations- und Migrationsforschung in den Sozialwissenschaften Die in den Sozialwissenschaften (oder in den verwandten Fächern Humangeographie, Kulturanthropologie oder Geschichtswissenschaften) erfolgten Arbeiten zur Integrations- und Migrationsforschung zeichnen sich m. E. generell durch eine kritische Auseinandersetzung mit der politischen und gesetzlichen Entwicklung aus (siehe z. B. Joppke 2007; Givens 2007). Zur Migration in die Schweiz gibt es einige übergreifende und überblickende Publikationen, welche die unterschiedlichsten vom Phänomen Migration tangierten Sphären des gesellschaftlichen Lebens untersuchen, die teilweise aus Nationalen Forschungsprogrammen hervorgegangen sind. In der Publikation von Wicker et al. (2003) werden so zum Beispiel die Resultate vom Nationalen Forschungsprogrammen (NFP 39) zu »Migration und interkulturelle Beziehungen« präsentiert, wo unterschiedliche Fragestellungen in Zusammenhang mit Migration in der Schweiz untersucht wurden (Mobilität, Bürgerrechte, Städte, Ökonomie und zivilgesellschaftliche Integration).5 Andere relevante Nationale Forschungsprogramme waren zum einen das NFP 51 »Integration und Ausschluss«, zum anderen wurde zu einem späteren Zeitpunkt das NFP 56 »Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz« durchgeführt.6 Während jedoch in NFP 39 und 51 kaum sprachwissenschaftliche Fragen eingeflossen sind, wurden im NFP 56 Migration und Integration wiederum nicht als zentrale Parameter berücksichtigt. Abgesehen von oben erwähnten Studien lassen sich bei den vorhandenen Publikationen drei voneinander abgrenzbare thematische Stränge ausmachen: 1) allgemeine Fragestellungen zur Schweizer Integrations- oder Migrationspolitik, 2) die Integration spezifischer ausländischer Gruppen, 3) die Einbürgerung als ausländerpolitischer Brennpunkt. Im ersten Strand werden zum Beispiel die wichtigsten Eckdaten und Ereignisse der Schweizer »Ausländerpolitik« skizziert und analytisch in der argumentativen Logik eines Landes situiert, das sich während Jahrzehnten gegen ein Selbstverständnis als Einwanderungsland gewehrt und von der ausländischen Bevölkerung im Fall der Niederlassung die komplette Assimilation verlangt hatte (Niederberger 2004; Piguet 2005 & 2013; Virot 1968 als Zeitdokument). Wie im Resten von Europa befinden sich auch in der Schweiz gerade die politischen und gesetzlichen Bereiche der Integration und Migration in einem ständigen und raschen Wandel, weshalb ein Grossteil 5 Nähere Informationen zum NFP 39 sind online verfügbar unter : http://www.snf.ch/D/forschung/Forschungsprogramme/abgeschlossen/Seiten/_xc_nfp39.aspx [Letzter Zugriff: 12. 09. 2013]. 6 Nähere Informationen zum NFP 51 sind online verfügbar unter : http://www.snf.ch/D/forschung/Forschungsprogramme/abgeschlossen/Seiten/_xc_nfp51.aspx; Informationen zum NFP 56: http://www.nfp56.ch/d.cfm?Slanguage=d [Letzter Zugriff beide: 12. 09. 2013].

Forschungsüberblick

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der Literatur bereits nach einigen Jahren veraltet oder überholt zu sein scheint. Dennoch findet man auch in älteren Publikationen interessante soziologische, politologische oder historische Ansätze, welche die damals geltende Gesetzgebung z. B. kritisch nach ideologischen Ausschlussmechanismen beleuchten (Arend 1991; Kreis/Kury 1996). Es werden zudem die den politischen Entscheiden und gesellschaftlichen Debatten zugrunde liegenden Konzepte wie Assimilation, Integration und/ oder soziale Kohäsion diskutiert, dekonstruiert und problematisiert (D’Amato 2010; D’Amato/Fibbi 2006; PiÇeiro 2010). Des Weiteren wird die Integrationspolitik in Städten zum Thema, die in der Schweiz traditionellerweise die Ballungszentren der Migrationsbevölkerung darstellen und deren Regierungen sich bezeichnenderweise früher mit Möglichkeiten der Integrationspolitik auseinander gesetzt haben als der Bund (Cattacin/Chimienti 2009; D’Amato/Gerber 2005 (in diesem Band werden u. a. die städtischen Integrationsleitbilder von Zürich, Basel, Bern, Winterthur, Neuch–tel und Genf thematisiert); PiÇeiro et al. 2009; Wichmann/D’Amato 2010). Dabei werden die Anstrengungen der Städte als post-nationale Möglichkeitsbedingung der Schweizer Integrationspolitik analysiert (Cattacin/Chimienti 2009) und in einen globalisierten und ökonomistischen Diskurs des Standortwettbewerbs (Wichmann/D’Amato 2010) eingeordnet, wie weiter unten am Beispiel Basels illustriert wird (siehe 5.2). Erst seit ein paar Jahren geraten auch die ländlichen Gegenden in den Fokus der Soziolinguistik, da erkannt wurde, dass als Konsequenz erhöhter landwirtschaftlicher Produktion und/ oder im Tourismussektor ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist, der von der lokalen Bevölkerung nicht gedeckt werden kann und somit ausländischer Arbeiterinnen und Arbeiter bedarf. Die Migration in diese Gegenden stellt die lokale Administration vor unerwartete und unbekannte Herausforderungen, die zu ad-hoc Massnahmen im Integrationsbereich geführt haben (Vigers/Tunger 2010). Diesen Studien ist gemeinsam, dass sie die integrationspolitischen Entwicklungen (z. T. anhand von Aspekten wie Fordismus, Neoliberalismus oder Gouvernementalität) kritisch analysieren. Die Schweizer Regierung wird dahingehend kritisiert, die Augen zu lange vor der Tatsache verschlossen zu haben ein Einwanderungsland zu sein und die innenpolitische Untätigkeit im Integrationsbereich von der vorherrschenden Xenophobie abhängig gemacht zu haben. Der zweite Strang der rezipierten Forschungsarbeiten hat insbesondere die Integration von spezifischen Personengruppen zum Thema. So gibt es Studien, die sich mit der Integration von ausländischen Frauen in der Schweiz befassen (hochqualifizierte Frauen: RiaÇo et al. 2008; prekarisierte Frauen: Spescha 2006) oder aber mit der Integration von Jugendlichen, oft auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Zweitgeneration von Einwanderern und Einwanderinnen »Secondos« genannt (Juhasz 2006; Mey 2010). Bei den ausländischen Jugendlichen wurde beispielsweise die schulische Integration diskutiert (Ambühl-

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Christen 2000) oder aber die Diskriminierung Jugendlicher mit ausländisch klingenden Namen bei der Stellensuche (Fibbi et al. 2003; Prikhodkine et al. 2008). Des Weiteren wurden Integrationsfragen in Zusammenhang mit ethnischen oder nationalen Ausländergruppen erforscht (z. B. Spanien: Richter 2006 oder Verdonk 1989). Diesen Arbeiten liegt meistens eine kritische Evaluation zugrunde, so zum Beispiel des mässigen Erfolgs der strukturellen und systemischen Integration dieser ausländischen Personengruppen. Dieser als unbefriedigend deklarierte Befund wird dabei nicht der Migrationsbevölkerung zur Last gelegt. Die Ursachen werden vielmehr in den sozio-politischen Bedingungen des Schweizer Systems und der Institutionen lokalisiert. Defizite werden auf Seiten der »Aufnahmegesellschaft« geortet, so z. B. bezüglich Struktur, Offenheit und Chancengleichheit. Schlussfolgernd wird somit die offiziell kommunizierte Definition von Integration als gleichberechtigendes und gesamtgesellschaftliches Projekt in Frage gestellt. Der dritte Strang beschäftigt sich vor allem mit dem Thema der Einbürgerung als einem in der Schweiz von hoher Brisanz geprägten soziologischen Phänomen. In der Schweiz oszilliert das Verständnis der Einbürgerung denn auch stets zwischen den Polen eines rein administrativen Akts und eines hoch symbolischen politischen Entscheids. Die Einbürgerung ist schliesslich ein stark im Föderalismus verankertes Hoheitsgebiet der Gemeinden, wodurch sich die Einbürgerungsabläufe je nach Gemeinde unterschiedlich gestalten (Steiner 2004; Studer et al. 2008). Was trotz aller munizipaler Unterschiede festgehalten werden kann, ist, dass die Schweiz im europäischen Vergleich über ein restriktives Einbürgerungsgesetz verfügt, was sich vor allem im Bereich der Wartefristen ausdrückt. Die entsprechend hohen Anforderungen, welche die Kandidatinnen und Kandidaten erfüllen müssen, werden von der Forschung darum auch sehr kritisch diskutiert. Diese Anforderungen befinden sich in einem konstanten Spannungsfeld, welches von unterschiedlichen Interessensparteien bespielt wird. Aus diesen Gründen wird die Einbürgerung in der Forschung als Brennpunkt des gesellschaftlichen Verständnisses dessen verstanden, was »wir« zu bedeuten hat, wie und von wem dieses »wir« ausgehandelt wird (D’Amato 2005; Helbling 2008; Perchinig 2008) und was das Konzept des Bürgerrechts beinhaltet resp. die damit einhergehenden Pflichten und Rechte (Keller 2010; Prodolliet 2010). Die politische Partizipation ist ein mit dem Bürgerrecht einhergehendes Recht, welche von wissenschaftlicher Seite als potentiell integrationsfördernde Massnahme deklariert wird, weshalb es nicht vom Erlangen der Staatsbürgerschaft abhängig gemacht werden sollte.7 7 In der Schweiz gab es in unterschiedlichen Kantonen und/ oder Gemeinden politische Initiativen, das (aktive oder passive) Stimm- und/ oder Wahlrecht auf Gemeinde- oder kantonaler Ebene für die Niedergelassenen einzuführen (Basel und Bern 2010, Waadt 2011, Zürich

Forschungsüberblick

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1.3.2 Europäische Integrations- und Migrationsforschung in der Soziolinguistik Innerhalb der Soziolinguistik wird die Analyse der Sprache als gesellschaftlich konstruierter Bedeutungsträger der Integration hauptsächlich dem Gebiet der Sprachpolitik zugeschrieben. Während sich die klassische Forschung der Sprachpolitik (z. B. Baldauf 2008; Cooper 1989; de Cillia/Busch 2006; Haarman 1987; Kaplan/Baldauf 1997; Labrie 1996; Schiffmann 1998; Spolsky 2006) vor allem auf Prozesse der Standardisierung, Korpus- und Statusbildung, Sprachplanung, Bildungspolitik im Hinblick auf Sprachunterricht etc. konzentriert, gehen kritische Ansätze über die Beschreibung, Kontextualisierung und Problematisierung solcher Prozesse hinaus, indem sie diese in einen diskursiv konstruierten (Blommaert 1996, Dorostkar/Flubacher 2010; Studer et al. 2010; Williams 1996) oder ideologisch motivierten Kontext einbetten (Ager 2001; Kroskrity 2000; Plutzar 2010; Shohamy 2006; Tollefson 1991). Es gibt jedoch auch Publikationen, die nicht eindeutig dem Gebiet der Sprachpolitik-Forschung zugeteilt werden kann. Zum Beispiel wird die zunehmende Fokussierung auf Sprache im Bereich der Migration und Integration im Sammelband »Discourses on Language and Integration« (Hogan-Brun et al. 2009) von Linguistinnen und Linguisten aus verschiedenen Teilen der westlichen Welt aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch hinterfragt. Die Herausgeber der Publikation kontextualisieren ihrerseits die Zunahme solcher sprachpolitischer Regelungen als konkrete Reaktion auf die EU-Erweiterung im Jahr 2004 und auf die daraus resultierende freie Mobilität von Personen (welche die Schweiz aufgrund der bilateralen Abkommen mit der EU im Übrigen genauso betrifft). Die neuen Regelungen interpretieren sie als ein wiederholtes sozio-politisches Verhandeln unter geänderten Vorzeichen von »innen« und »aussen« resp. von »uns« und »andern«. Gleichzeitig lokalisieren die Herausgeber eine reelle Verschiebung von Grenzziehungen in den politischen und gesellschaftlichen Prozessen der EU: während man die Mobilität innerhalb der EU fördert, werden die EUAussengrenzen dicht gemacht. Die Entwicklung der Integrationspolitik innerhalb der EU wird laut Horner (2009; die sich vor allem mit der Integrationspolitik Luxemburgs auseinandersetzt) mit einer Politik der Differenz (»politics of difference«) in Verbindung gebacht, was wiederum auf dem Dogma der Homogenität (Blommaert/Verschueren 1998b) beruht. Das Dogma der Homogenität bedingt eine Sichtweise »in which differences are seen as dangerous and centrifugal and in which the ›best‹ society is suggested to be one without in2013). Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden diese Initiativen jedoch jeweils vom Volk verworfen. Zu bestehendem Stimm- und Wahlrecht in Schweizer Gemeinden und Kantonen für die niedergelassene ausländische Bevölkerung siehe z. B. das historische Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D26453.php [Letzter Zugriff: 02. 12. 2013]

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

tergroup differences« (Blommaert/Verschueren 1998b: 195). Die homogene Bevölkerung als politisches und soziales Ideal hat somit auch im ideell postnationalen Konstrukt der EU nicht an Attraktivität eingebüsst; dieses Ideal einer homogenen Bevölkerung steht wiederum in engem Zusammenhang mit der Ideologie der Einsprachigkeit, welche von der romanischen Vorstellung »eine Nation, ein Volk, eine Sprache« herrührt (Blommaert/Verschueren 1998b). Trotz – oder genau wegen? – dieses Dogmas der Homogenität entsteht gemäss Horner (2009) in Politik und Gesellschaft das Bedürfnis, Wege für den Umgang mit ethnischen, sprachlichen, religiösen und sozialen Unterschieden zu finden. Allerdings würden durch die »politics of difference« Unterschiede überhaupt erst als solche »erkannt«, d. h. konstruiert, thematisiert und deswegen akzentuiert. Kritische Arbeiten wie diese (Horner 2009) beleuchten den europäischen oder einen spezifischen nationalen Kontext, können in ihrer Analyse aber auch auf die Entwicklungen in der Schweiz übertragen werden und bieten dadurch informative Perspektiven. Im Folgenden sollen nun ähnlich relevante Forschungsarbeiten unterschiedlicher Ausrichtungen vorgestellt werden. Es ist dabei nicht das Ziel, eine reine Auflistung von Forschungsarbeiten zu erstellen, sondern einzelne Arbeiten gezielt und exemplarisch zu präsentieren. Der Fokus liegt auf Untersuchungen, die über eine soziolinguistische und/ oder diskursanalytische Perspektive verfügen. Wie bereits erwähnt, wird die Übersicht durch die drei Eckpunkte Einreise, Integration und Sprachprüfungen strukturiert. 1.3.2.1 Eckpunkt »Einreise« Der Moment und der Kontext der »Einreise« der ausländischen Bevölkerung gestaltet sich vielfältig (Familiennachzug, Adoption, Flucht, illegale Einreise, »Heirats«-, Arbeits- und Studienmigration, etc.). In den entsprechenden Einreiseverläufen und in ihren amtlichen Anerkennungen spielt die Sprache jeweils eine immens grosse Rolle. So entscheiden Sprachkenntnisse teilweise bereits darüber, ob jemand in ein europäisches Land einreisen kann resp. sich darin aufhalten darf.8 In den Ländern Westeuropas ist für Ehegattennachzug oder Familienzusammenführung meistens das GER-Niveau A1 erforderlich.9 Spracherfordernisse werden somit zu Selektionsmechanismen der Migrations-

8 Für eine kritische Diskussion zu entsprechenden Tendenzen in der Schweizer Rechtsprechung siehe Flubacher (2012). 9 Siehe diesbezüglich z. B. die Webseite des Deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge: http://www.bamf.de/DE/Migration/EhepartnerFamilie/ehepartnerfamilie-node.html [Letzter Zugriff: 13. 09. 2013].

Forschungsüberblick

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politik, wie von diversen Organisationen kritisiert wird, beispielsweise vom Europarat.10 Auch im Rahmen von Aufnahmegesprächen von Flüchtlingen kommt der Sprache resp. Sprachkompetenzen eine tragende Rolle zu. Maryns (2002) beispielsweise beschreibt die Rolle von Sprachkompetenzen im belgischen Asylverfahren. Ihre Studie beleuchtet einen exemplarischen Fall reeller Konsequenzen von Sprachideologien zum Nachteil der betroffenen Akteure. Die bei den Asylbeamtinnen und -beamten vorherrschenden Sprachideologien der Einsprachigkeit werden auf die Einschätzung der Erzählungen und Persönlichkeiten von Migrantinnen und Migranten übertragen: »Discrepancies between what is considered legitimate language production in the procedure and actual communicative behaviour tend to be extended to the domain of assessing credibility« (Maryns 2002: 78) (siehe auch Codo 2008). Multikompetenz und Mehrsprachigkeit, die sich nicht mit sogenannt einsprachigen Kompetenzen vergleichen lassen, Code-Switching, abweichende Sprachkenntnisse von den offiziellen Sprachen eines bestimmten Territoriums, sind alles »verdächtige« Momente, die sich negativ auf die Gesamtbeurteilung der Persönlichkeit des Antragstellers/ der Antragstellerin auswirken. Gleichzeitig wird durch die unterschiedliche Auffassung von Sprachkompetenz und somit durch mangelndes gegenseitiges Verstehen die durch das Machtgefälle ohnehin asymmetrisch gestaltete amtliche Unterredung erschwert – zum Schaden der sich um Einreise oder Aufenthalt bemühenden Person. Das Sprach- und Kommunikationsverhalten der Flüchtlinge wird zu einem entscheidenden Element für das Gewähren oder Verwehren des Flüchtlingsstatus.

1.3.2.2 Eckpunkt »Integration« Der zweite – und für die vorliegende Arbeit wichtigste – Eckpunkt (»Integration«) wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten anhand zahlreicher soziolinguistischer Untersuchungen thematisiert, weshalb hier auf eine ausführliche Darlegung verzichtet wird. Exemplarisch wird wiederum auf die Arbeit von Horner (2009) verwiesen. Sie beleuchtet den luxemburgischen Integrationsdiskurs, der sich durch ähnliche Aspekte auszeichnet wie der schweizerische: Die Kompetenz des Luxemburgischen wird als Integrationsindikator verstanden, wodurch das assimilationistische Ideal einer homogenen Gesellschaft transportiert und reproduziert wird. Soziale Kohäsion wird dahingehend konstruiert, dass sie nur durch Assimilation möglich wird, auch – oder vor allem – auf einer sprachlichen 10 Die generelle Kritik des Europarats an sprachfokusierten Integrationsprüfungen vom 04. 06. 2013 ist online verfügbar unter : http://assembly.coe.int/ASP/NewsManager/EMB_NewsManagerView.asp?ID=8799 [Letzter Zugriff: 13. 09. 2013].

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Ebene. Da soziale Kohäsion zu einem hohen Grad auf dem Willen der Bevölkerung – inländischer wie ausländischer – beruht, trägt die ausländische Bevölkerung durch die Bekundung eines Integrationswillens ihren Teil zur sozialen Kohäsion bei. Der Integrationswille seinerseits drückt sich insbesondere dadurch aus, dass die lokale Sprache gelernt wird. Da man des Weiteren von einem einsprachigen Ideal ausgeht, ist die intra-gesellschaftliche Kommunikation nur in der lokalen Sprache möglich. Durch diese Analyse beschreibt Horner (2009), wie die »Sprache« zum elementaren politischen Bestandteil der sozialen Kohäsion und Integration wird. Zum nationalen Kontext Österreichs liefert z. B. Plutzar (2010) eine Analyse der Metapher »Sprache als Schlüssel der Integration« und beleuchtet kritisch die ideologischen Prämissen sowie die sprachpolitischen Konsequenzen einer derartigen Konzeption von Sprache in Zusammenhang mit Integration (siehe auch de Cillia 2001). Mateos (2009) dekonstruiert den entsprechenden Schweizer Diskurs ebenfalls kritisch. Es werden die politischen Möglichkeitsbedingungen für seine Formierung umrissen und Alternativen resp. Nebenschauplätze des Diskurses skizziert, die für eine zukunftsgerichtete Integrationspolitik berücksichtigt werden müssten. Die Rolle der Sprache als Integrationsvehikel gestaltet sich nicht nur für die Linguistik interessant. Gerade für den spezifischen Schweizer Kontext sind Studien der Rechtswissenschaften relevant, in welchen die rechtlichen Implikationen der neuen Gesetzgebung mit ihrer expliziten Fokussierung auf Sprachkompetenzen im Bereich der Integration analysiert werden (z. B. Wyss 2009). Dabei steht meist die Frage im Vordergrund, ob und inwiefern die Formulierung des neuen Sprachartikels (Art. 54 AuG) ein Eingriff in die Handlungsautonomie des Individuums darstellt (Achermann/Künzli 2011). Ähnliche Fragen stellen sich in Zusammenhang mit dem Instrument der Integrationsvereinbarungen (von Büren/Wyttenbach 2009). Eine weitere juristische Forschungsfrage stellt sich in Bezug auf die rechtliche Einforderung auf muttersprachlichen Unterricht für die Migrationsbevölkerung (Wilson 1999).11 Auch Forschende aus der Sozialwissenschaft befassen sich mit rechtlichen Fragen, welche von der Integrations- und Sprachpolitik aufgeworfen werden. So zum Thema Integration durch Sprache im deutschen Zuwanderungsgesetz (Bommes 2006); oder zu Sprachenrechte und Migrantensprache im Vergleich Grossbritannien und Deutschland (Schneider 2005). In der Sozialwissenschaft gibt es auch die Tendenz, nach Variablen für die Kausalität zwischen Sprachkenntnissen und Integrationserfolg zu forschen. Hierfür ist Essers Studie (2006) exem11 Rechtswissenschaftliche Untersuchungen zur Schweizer Integrations- und Migrationspolitik gibt es natürlich viele. Diese berücksichtigen aber nicht unbedingt den Aspekt der Sprache in Bezug auf Integration, Migration, Einreise und Ausschaffung. Für die Schweiz empfiehlt sich als Überblick die Lektüre des jährlich erscheinenden Jahrbuchs für Migrationsrecht des Stämpfli Verlags.

Forschungsüberblick

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plarisch. Bereits in der Einleitung seiner Publikation führt er denn auch die Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« als Prämisse an. In seiner breit angelegten quantitativen Studie arbeitete er heraus, welche Faktoren den Spracherwerb der »Gastsprache« (in diesem Fall Deutsch) begünstigen und somit die Integration vorantreiben. Den Katalysator des sozialen Aufstiegs erkennt Esser (2006: 11) im Spracherwerb: Dies [sozialer Aufstieg] ist nur über erfolgreiche schulische Karrieren und Bildungsabschlüsse möglich und für die Erbringung der dazu nötigen Leistungen, wie später für die Platzierung auf den Arbeitsmärkten auch unmittelbar, sind wiederum bestimmte sprachliche Kompetenzen von zentraler Bedeutung: die Beherrschung der Sprache des Aufnahmelandes, und zwar unabhängig von anderen Kompetenzen und Fertigkeiten, etwa interkultureller oder multilingualer Art.

Der Zusammenhang zwischen erfolgreichen schulischen Karrieren und Bildungsabschlüssen mit sozialer Mobilität, die im Normalfall als Aufstieg in die Mittelschicht verstanden wird (Gächter 2007) kann kaum in Frage gestellt werden. Die Frage ist jedoch, inwiefern die Sprache hier als Katalysator wirkt oder ob nicht vielleicht andere, systeminhärente und systemwahrende Faktoren eine Rolle spielen könnten. Baba/Dahl-Jorgensen (2013) zum Beispiel sehen in ihrer Arbeit zu polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter in Norwegen die Sprachpolitik, welche auf den Erwerb der lokalen Sprache setzt, als inhärenten Bestandteil der »Migrationsindustrie«, welche eng mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts zusammenhängt. Ausserdem darf nicht vergessen gehen, dass die Schulen in den meisten Ländern Europas prinzipiell auf einem monolingualen Ideal basieren (de Cillia 2001; Gogolin 1994; Melter et al. 2012). In diesem Kontext wird schnell ersichtlich, warum Sprachkenntnisse (in der dominanten Standardsprache) für den Schulerfolg ausschlaggebend sind, wie Esser richtig bemerkt hat. Er verpasst es allerdings, sich kritisch mit den Gründen auseinanderzusetzen, die dazu führen, dass Sprachkenntnisse als entscheidende Variable für den Schulerfolg angesehen werden. Zudem muss man sich, wenn man Bildung weiter fasst als das Volksschulniveau, vor Augen führen, dass der soziale Aufstieg tatsächlich Sprachkenntnisse bedingt, »die weit über dem durch die Integrationskurse angestrebten Niveau liegen« (Plutzar 2010: 136), wo meistens A1 (GER) verlangt wird. Schliesslich geht es bei dem Postulat »Integration durch Sprache« vielmehr um Erwachsene als um schulpflichtige Kinder. Die unbestrittene Relevanz der Sprache für Schule, Beruf und als Folge für einen sozialen Aufstieg in Gesellschaft und Politik ganz allgemein wird mit dem plakativen und unreflektierten Ruf nach »Sprache« im Rahmen eines vage umrissenen Integrationsprojekts vermischt. Esser (2006: 136 – 138) bemerkt diesbezüglich, dass der Nutzen von Sprachkursen für Erwachsene in Studien (die v. a. in den Nie-

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

derlanden und Schweden durchgeführt wurden) bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Essers Versuch, die Sprache als wichtigsten Aspekt der Integration (2010: 23) darzustellen, wirft interessante Fragen auf, die mit gesellschaftlichen Vorstellungen von Mobilität, Aufstieg und Erfolg zusammenhängen aber auch mit Idealen von Spracherwerb, Grad der Sprachkompetenzen etc. Essers Interesse erschöpft sich jedoch leider, sobald es um die ideologischen Konsequenzen der Schlüsselmetapher geht, die von ihm durchgehend als »fait accompli« propagiert wird. Dieses Desinteresse seinerseits wird unter anderem von Mateos (2009: 105) bemängelt, die mittels einer Diskursanalyse die Rolle der Metapher im Kontext des Basler Integrationsgesetzes untersucht. Sie kritisiert Esser dahingehend, dass die Migrationsbevölkerung in seinem kausalen Modell über einen Kamm geschert wird, was »kulturelle Einheitlichkeiten« insinuiert und Möglichkeiten individueller Migrationsverläufe ausblendet. Die Rolle der Sprache im Integrationsprozess gestaltet sich jedoch enorm vielschichtig und beinhaltet unterschiedlichste, die Gesellschaft oder Individuen betreffende Faktoren, die sich nicht in ein monokausales Modell zwängen lassen.

1.3.2.3 Sprachprüfungen Als dritter Eckpunkt stehen Sprachprüfungen im Fokus der Soziolinguistik welche im Kontext von Einreise, Familiennachzug, Aufenthalt und Einbürgerung die Migrations- und Integrationspolitik prägen. Forscher wie beispielsweise in der Publikation von Extra, Spotti und Van Avermaet (2009) versammelt sind, beschäftigen sich schon seit einigen Jahren intensiv mit diesem Themenkomplex. Ihr Band »Language Testing, Migration and Citizenship« beinhaltet kritische Fallstudien einzelner westlicher Länder, in welchen die integrationspolitische Entwicklung zunehmend in Richtung scheinbar quantifizierbarer und messbarer Sprachprüfungen für die Erteilung von Einreiseerlaubnissen, Aufenthaltsbewilligungen und Einbürgerungen geht. Obwohl die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes jeweils unterschiedliche Teilaspekte dieser »language testing regimes« im Fokus haben und sich epistemologisch unterschiedlich positionieren, scheinen sie sich in ihrer Beurteilung der ideologischen Motivation hinter solchen Sprachprüfungen einig zu sein. Sie argumentieren, dass es bei diesen Prüfungen weniger um die tatsächliche Erfassung von Sprachkompetenzen geht, wodurch offiziell erstens die Integration der Geprüften und zweitens die soziale Kohäsion gewährleistet werden soll, als vielmehr darum, ein Instrument zur Kontrolle darüber zu erhalten, wer »hinein«kommen und bleiben darf. Während es also vordergründig um die Förderung von Chancengleichheit geht, werden realiter vielmeher gesellschaftliche Aus-

Forschungsüberblick

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schluss- und Selektionsmechanismen reproduziert (siehe auch Milani 2008; Piller 2001; Plutzar 2010; Van Oers et al. 2010).

1.3.3 Potentielle Ergänzungen für die Integrations- und Migrationsforschung Auf den vorhergehenden Seiten wurde anhand einzelner exemplarisch näher vorgestellten Studien beschrieben, welche Themen in der sozialwissenschaftlichen und linguistischen Integrations- und Migrationsforschung Vorrang haben und problematisiert werden. Diese kritischen Studien bieten eine anregende und informative Grundlage zur Untersuchung des Diskurses »Integration durch Sprache«. Ausserdem liefern sie wertvolle Angaben zu den Entwicklungen der Integrationspolitik in der Schweiz und diversen anderen Ländern, die einem historischen Verständnis und Vergleich dienlich sind. Auch wenn die Bandbreite dieses Überblicks gering gehalten wurde, zeichnet sich ab, dass auf unterschiedlichen Ebenen Möglichkeiten für ergänzende Forschungsansätze bestehen. In den folgenden drei Bereichen versucht diese Arbeit einen Beitrag zu leisten: nämlich inhaltlich, epistemologisch und methodisch. Der erste Punkt bezieht sich auf das sich in der Sozialwissenschaft abzeichnende Desinteresse gegenüber sprachlichen Fragestellungen resp. Sprachpolitik. Wenn in Studien die der Sprache zugeschriebene Rolle als Indikator, Katalysator oder eben Schlüssel der Integration analysiert wird, geschieht das zwar meistens auf einem kritischen Niveau, doch wird »Sprache« als eigenes Konstrukt nicht näher untersucht. Trotz des sprachlich und sprachsoziologisch relevanten diglossischen Kontexts der Deutschschweiz findet in den meisten sozialwissenschaftlichen Arbeiten nur eine geringe Auseinandersetzung mit der Sprachsituation und ihren Auswirkungen auf den Spracherwerb oder auf kommunikative Ereignisse statt, in welche die Fremdsprachigen involviert sind. Die Tatsache, dass selbst in den Gesetzen oder in ihren Verordnungen keine Reflexion zu der – doch ziemlich markierten – Sprachsituation vorhanden ist, wird genauso wenig thematisiert. Kurzum, »Sprache« bleibt ein Abstraktum. Zum Zweiten werden in sprachpolitischen Studien Gesetze oftmals als dekontextualisierte und ahistorische Texte behandelt, ja teilweise sogar als »neutral« taxiert. Nicht nur der ideologische Hintergrund, sondern sowohl Autorenschaft wie auch Entstehungsbedingungen werden ausgeblendet. Aber selbst wenn Forscherinnen und Forscher Aspekte der Textproduktion berücksichtigen, ignorieren sie teilweise den historiographischen Prozess, der die Möglichkeitsbedingungen für die Gesetzgebung geschaffen hat. Diese drei potentiellen Blindstellen einer Gesetzesanalyse (des ideologischen Hintergrundes, des Produktionsprozesses und der Möglichkeitsbedingungen) sollen in dieser Arbeit vermieden werden, damit die wichtigsten diskursiven Ereignisse im Prozess

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

der nationalen und kantonalen Gesetzgebungen (AuG und Integrationsgesetz Basel-Stadt) entsprechend analysiert werden können. Drittens sei auf einen methodischen Punkt verwiesen. In der Soziolinguistik wird zwar oftmals die Verbindung zwischen Gesetzen und Sprachideologien hergestellt, jedoch nicht unbedingt aus einer diskursanalytischen Perspektive. Spezifisch auf die Schweiz bezogen gibt es zum Beispiel kaum (kritische) soziolinguistische Studien, welche methodisch eine Verbindung zwischen Diskursanalyse, Integrations- und Migrationsforschung herstellen. Eine solche Verbindung soll in dieser Arbeit erfolgen, gerade um unter Berücksichtigung historischer Prozess zu verstehen, wie »Sprache« integrations- und migrationspolitisch funktional eingesetzt wird, um bestimmte Interessen zu verfolgen. Wenn sich nun soziolinguistische Studien einer Diskursanalyse bedienen, gehen sie zumeist vor allem sprachpolitischen Fragestellungen nach und konzentrieren sich aus diesem Grund vorzugsweise auf politische Entwicklungen, staatliche Dokumente und Gesetze. Andere hingegen stützen sich für ihre Analyse vor allem auf Medienberichte und politische Reden oder verwenden ausschliesslich Interviews oder Fokusgruppendiskussionen als Analysematerial, wobei die gesetzliche Entwicklung als Hintergrund der narrativen Darstellung eines spezifischen Sachverhalts fungiert. Es findet folglich nur selten eine Verbindung zwischen den sich unterschiedlich manifestierenden Aspekten des Diskurses »Integration durch Sprache« statt, d. h. beispielsweise zwischen narrativen sowie kontextuellen/ historiografischen Daten. Damit eine bestimmte Sprachpolitik allerdings detailliert erfasst werden kann und gleichzeitig auch die damit zusammenhängenden Interpretationen und Debatten, ist die Berücksichtigung beider Perspektiven wichtig. Es gilt denn auch Fragen wie die folgende zu beantworten: Wie gestaltet der Staat die Rechtsprechung und wie interpretieren und setzen Individuen diese Rechtsprechung im täglichen Leben und in der Praxis um? Es ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, eine solche Verbindung herzustellen. Dadurch soll im Kontext der Schweiz und des Kantons Basel-Stadt einerseits die Ausgestaltung des Diskurses und andereseits das Spannungsfeld zwischen Politik und Praxis aus einer diskursiven und kritisch soziolinguistischen Perspektive erfasst werden. Obwohl die vorliegende Publikation geographisch, zeitlich (1998 – 2008) und thematisch (die Rolle der Sprache in der Integrationspolitik der Schweiz und Basels) abgesteckt ist, dient die Analyse einem umfassenderen Verständnis von Diskursen und Ideologien. So wird zum Thema, inwiefern es für eine Gesellschaft grundlegend ist resp. wäre, sich mit scheinbar klar definierten Vorannahmen auseinanderzusetzen und diese dahingehend zu hinterfragen, worum es bei politischen und sozialen Debatten eigentlich geht: Welche Interessen werden verfolgt und was sind dabei die Konsequenzen? Sieht man sich etwa mit sogenannten Stellvertreter-Debatten konfrontiert oder wird gar eine symbolische

Epistemologische Positionierung

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Politik betrieben? Geht es schliesslich bei der verfolgten Politik wirklich um »Integration«, d. h. um das Anliegen einer sozialen Kohäsion? Im Brennpunkt solcher Fragen zeigt die Integrationsdebatte deutlich auf, wie sich eine Gesellschaft konzipiert; mit anderen Worten: wer gehört dazu, von wem wird gedacht, dass sie zugehörig sind, welche Sprache(n) sie sprechen und wie sie aussehen. Wer hingegen gehört nicht dazu – aufgrund welcher Merkmale? Solche Aushandlungen erfahren in der Integrationspolitik im Hinblick auf die Sprachenfrage eine Zuspitzung, welche gerade einer kritischen soziolinguistischen Analyse bedürfen, wie von Codo (2008: 4) prägnant argumentiert wird: Those of us who are concerned with the ways in which social inequalities get produced and reproduced in daily life encounters cannot but see the study of immigration as central to our undertakings. The social transformations brought about by the arrival of migrants cannot obscure the pervasiveness of group boundaries and the operation of old and new mechanisms of social exclusion. To expose the inequalities affecting immigrants and the multiple mechanisms of exclusion to which they are subject (including the fundamental role of language and linguistic practices in this exclusion), it is essential to examine the circumstances their daily lives unfold, the kind of experiences they go through and the ways in which they are (or are not) being incorporated into the host societies.

Es ist darum das Ziel der Arbeit, sowohl einen Beitrag an die Wissenschaft zu leisten als auch eine gesellschaftliche und politische Diskussion anzustossen, in welcher eine Reflexion und kritische Hinterfragung von verwendeten Begriffen, Metaphern und Konzepten möglich ist.

1.4

Epistemologische Positionierung

Die oben präsentierten Fragestellungen und die Forschungsausrichtung dieser Arbeit sowie ihr erwünschter Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft sind ein Ausdruck dafür, welche thematischen, methodischen und epistemologischen Aspekte im Kontext der Arbeit als wesentlich erscheinen. Die Absicht einer Analyse des Diskurses »Integration durch Sprache« unter demVorzeichen einer Historiografie und mit besonderem Interesse an ideologischen Mechanismen führt zu einer epistemologischen Positionierung innerhalb der kritischen Soziolinguistik. Was genau unter Soziolinguistik verstanden wird und was das Attribut »kritisch« zu bedeuten hat, wird auf den nächsten Seiten dargelegt. Die Soziolinguistik bietet der Linguistik eine Alternative zu den traditionellen Strömungen des Strukturalismus (de Saussure 1916) und Generativismus (Chomsky 1965), die von einer Trennung zwischen »langue« und »parole« ausgehen, d. h. zwischen einem abstrakten (idealen) Sprachsystem und dem

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

(fluiden aber oftmals »fehlerhaften«) Sprachgebrauch (siehe auch DuchÞne zu dieser idealtypischen Differenzierung 2008: 5). Sprachwissenschaftler wie Labov (1972), Gumperz/Hymes (1972) hingegen lehnten diese Idee eines statischen und idealen Sprachsystems ab. Sie gingen vielmehr davon aus, dass sich Sprache im tatsächlichen Gebrauch manifestiert; in Interaktionen also, in denen die Sprache zudem nicht als neutrales Medium fungiert, sondern stets unterschiedliche soziale Aspekte transportiert. Dieser Paradigmenwechsel begründete die eigentliche Soziolinguistik, die sich wiederum weiterentwickelte. So lehnte eine spätere soziolinguistische Strömung die durch Labov geprägte Forschung der von sogenannten unabhängigen Variablen (Geschlecht, Alter, soziale Klasse etc.) determinierten Sprachvariation ab. Vielmehr setzte sich diesbezüglich die Vorstellung durch, dass Identitäten (mitsamt den entsprechenden Variablen) in Interaktionen ausgehandelt werden. Solche Aushandlungen finden zwar stets bidirektional statt und sind von Ko-Konstruktionen geprägt, doch haben die identitären Konstruktionen der unterschiedlichen Interaktionspartner nicht unbedingt denselben Einfluss auf die Aushandlungen. Im Rahmen von Interaktionen wird denn auch immer darum gerungen, wer die Definitionsmacht über die andere Person besitzt und Zuschreibungen vollführen kann, was durchaus Konsequenzen für die involvierten Akteure nach sich ziehen kann. Somit kann die Sprache resp. der Sprachgebrauch die Positionen von Personen in einzelnen Interaktionen nachhaltig beeinflussen, was wiederum ihre gesellschaftliche Stellung prägen kann. Die kritische Soziolinguistik kann dieser zweiten, späteren Stömung der Soziolinguistik zugeschrieben werden, befasst sie sich doch explizit mit Fragen der Machtausübung und des Ein-/ Ausschlusses, wie sie durch Sprache und Sprachgebrauch ermöglicht werden (Codo 2008; DuchÞne 2008 & 2009; Heller 2002 & 2003). Derartige Prozesse treten in Bezug auf den Diskurs »Integration durch Sprache« besonders deutlich zu Tage. So steht zum Beispiel in der Schweiz trotz aller Diskussionen zur Rolle der Sprache in Bezug auf die soziale Kohäsion nicht zur Debatte, wessen und welche Sprache als »integrativ« angesehen wird oder ob mehrere Sprachen diese Rolle übernehmen könnten (innerhalb der Schweiz gibt es bekanntlich vier Landessprachen, doch sind die meisten Gemeinden offiziell einsprachig). In Interaktionen manifestiert sich der Diskurs dahingehend, dass Fremdsprachige auf den Willen der lokalen Bevölkerung angewiesen sind, ob man sich ihnen kommunikativ und sprachlich anpasst. Die »fremden« Sprachen werden im lokalen Sprachenmarkt somit hierarchisch der lokalen untergeordnet (Bourdieu 1982), was für einen Grossteil der fremdsprachigen Bevölkerung erhebliche Konsequenzen für den Zugang zu sozialen Positionen und Ressourcen hat. Jedoch gibt es auch innerhalb der »fremden« Sprachen eine Hierarchisierung, wie z. B. dem angelsächsisch geprägten Englisch eine privilegierte Position zuteil wird. Dies beruht wiederum auf den lo-

Forschungsfragen, Daten & Methodologie

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kalen, aber auch globalen politisch-ökonomischen Bedingungen und den damit zusammenhängenden nationalen und marktwirtschaftlichen Machtkonstellationen. Des Weiteren interpretiert die kritische Soziolinguistik soziale Phänomene und Ereignisse als historisch bedingt. Dies bedeutet, dass diese in einem Prozess situiert und kontextualisiert und keineswegs als neutral, willkürlich oder dekontextualisiert verstanden werden. Hierbei knüpft die kritische Soziolinguistik an Foucault (1971) an, der unter »Kritik« die Berücksichtigung der historischen Situierung von Diskursen meint. Um die Historizität des Diskurses »Integration durch Sprache« zu ergründen, wird folglich ein historiographischer und genealogischer Ansatz nach Foucault (1969 & 1971) verwendet. Die epistemologische Positionierung dieser Arbeit erfolgt somit innerhalb der kritischen Soziolinguistik, die einem historiographischen, interaktionellen, konstruktivistischen und diskursiven Paradigma verpflichtet ist. Zusammengefasst hängt dies einerseits mit dem Verständnis von Sprache als Mittel der sozialen Zuschreibung und als Ort der (Re-) Produktion von sozialer Ungleichheit und anderseits mit einem Verständnis von Diskursen als prozessuale historische Produkte zusammen.

1.5

Forschungsfragen, Daten & Methodologie

Im Folgenden sollen die Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung des Diskurses »Integration durch Sprache« dargelegt werden, die sich aus der epistemologischen Positionierung ableiten, diese aber wiederum begründen. Aus den Forschungsfragen leitet sich seinerseits das methodische Vorgehen ab, weshalb die der Analyse zugrunde liegenden Daten und die damit zusammenhängende Methode an dieser Stelle kurz eingeführt werden sollen.

1.5.1 Forschungsfragen Die Forschungsfragen dieser Arbeit gehen zum einen aus der epistemologischen Positionierung hervor, zum anderen leiten sie sich von der Quaestio ab, also vom grundlegenden Forschungsinteresse, welches in folgender Frage zusammengefasst werden kann: Welche Ziele werden durch den Diskurs »Integration durch Sprache« verfolgt? Diese Quaestio beruht auf der kritischen Annahme, dass nicht etwa nur integrationspolitische Ziele einen derartigen Diskurs begründen, sondern vielmehr Ideologien der Integration, der sozialen Mobilität und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit auf dem Terrain der Sprache verhandelt werden. Die Beantwortung dieser Question führt deshalb auch über den Kontext von

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Basel und der Schweiz heraus, da ähnliche Prozesse in ganz Westeuropa zu beobachten sind, wie im Forschungsüberblick konstatiert werden konnte. Aus der Quaestio abgeleitet ergeben sich folgende zwei Fragenkomplexe mit unterschiedlichen Forschungsfragen, die für die Datenerhebung und die Analyse relevant sind. Sie befassen sich mit der Entwicklung des Diskurses (mitsamt Umbrüchen, Materialisierungen und Konsequenzen) und seiner Interpretation (Reproduktion versus Gegenpositionen) in der Gesellschaft. 1. Wie ist es in den Gesetzen zur heutigen Fokussierung auf die Sprache als Indikator und Voraussetzung der Integration gekommen? – Unter welchen Bedingungen sind die Gesetze entstanden? – Welche Interessen wurden von wem verfolgt, welche Positionen wurden dabei von wem eingenommen? – Welche (Sprach-) Ideologien werden in den Dokumenten und Debatten ersichtlich? – Wie haben sich die diskursiven Umbrüche manifestiert? – Wie gestalten sich die Konsequenzen der diskursiven Entwicklung und für wen? – Wie sind die Entwicklungen auf nationaler und kantonaler Stufe verlaufen und welche Divergenzen/ Konvergenzen lassen sich dabei ausmachen? 2. Wie interpretieren Expertinnen und Experten den Diskurs der Praxis, der sich aus dem Sprachartikel ableitet, sowie die damit einhergehenden Konsequenzen und wie positionieren sie sich darin/ dazu? – Welche Interessen verfolgen die Akteure durch ihre Positionierung? – Welche Strategien werden dafür angewendet? – Welche (Sprach-) Ideologien emergieren in den Positionierungen und Interpretationen? – Welche (Gegen-) Positionen sind zum Diskurs »Integration durch Sprache« möglich? Der erste Fragenkomplex beleuchtet den Entstehungsprozess der Gesetze auf nationaler und kantonaler Ebene, d. h. des AuG und des Basler Integrationsgesetzes. Eine solche zweistufige Perspektive bietet sich an, da sich im föderal strukturierten politischen System der Schweiz die lokalen sozio-politischen Möglichkeitsbedingungen des integrationspolitischen Diskurses von den nationalen unterscheiden. Anhand dieser Fragen soll aufgezeigt werden, inwiefern sich einerseits die Emergenz des Diskurses auf den zwei politischen Stufen unterscheidet, und andererseits unter welchen Bedingungen sich eine diskursive Konvergenz herauskristallisiert. Die Analyse des Gesetzentstehungsprozesses des Kantons Basel-Stadt eignet sich für dieses Unterfangen besonders, weil der Entstehungsprozess des kantonalen Integrationsgesetzes mit dem nationalen

Forschungsfragen, Daten & Methodologie

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verflochten ist, was sich beispielsweise aufgrund von intertextuellen Bezügen materialisiert. Der zweite Fragenkomplex ergründet die Reproduktion und Zirkulation des Diskurses in der Gesellschaft. In Interviews nehmen Expertinnen und Experten (v. a. aus dem Raum Basel) Positionierungen und Interpretationen von den diskursiven Entwicklungen und von der diskursiven Materialisierung (in Form des Sprachartikels) vor. Gleichzeitig wird ersichtlich, ob resp. wie (Sprach-) Ideologien reproduziert werden, die dem Diskurs »Integration durch Sprache« inhärent sind. Schliesslich wird der Frage nachgegangen, ob der Diskurs Räume für Gegenpositionen beinhaltet oder gar Gegendiskurse zulässt. Für die Beantwortung der beiden Fragenkomplexe werden zwei unterschiedliche Datensätze und entsprechend angepasste Analysemethoden herangezogen, was im Folgenden kurz umrissen werden soll (eine ausführliche Beschreibung folgt in Kapitel 3). Die Komplementarität, welche die beiden Datensätze erlauben, führt zu einem umfassenden Verständnis davon, unter welchen Bedingungen ein bestimmter Diskurs entsteht, zu welchen materiellen Konsequenzen er führt und ob resp. wie er durch Akteure reproduziert wird.

1.5.2 Daten und Methode 1.5.2.1 Gesetze Der erste Fragenkomplex befasst sich mit den Gesetzen resp. mit den jeweiligen Gesetzesartikeln (»Sprachartikel«), in denen die Möglichkeit geregelt ist, den Besuch von Sprach- resp. Integrationskursen als Auflage für die Erteilung/ Verlängerung von Aufenthaltsbewilligung im Rahmen von Integrationsvereinbarungen festzulegen. Bei den Gesetzen handelt es sich zum einen um das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), zum anderen um das Basler Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz; IG). Es stehen allerdings nicht nur diese zwei Gesetze als Produkt eines diskursiven Prozesses und die damit zusammenhängenden Dokumente und Debatten im Fokus der Analyse, sondern auch die politisch-ökonomischen Möglichkeitsbedingungen, unter denen der Diskurs »Integration durch Sprache« entstehen konnte. Die Analyse leitet sich vom historiographischen Diskursansatz Foucaults (1971) ab, wie er z. B. von DuchÞne (2008) in seiner Analyse operationalisiert wurde. Dies bedeutet, dass man einen Diskurs in seiner Entstehung und prozessual anhand von spezifischen diskursiven Ereignissen nachverfolgt, die als Materialisierung der Umbrüche und Transformationen eines Diskurses verstanden werden. Für die Analyse des Diskurses in Zusammenhang mit den Gesetzentste-

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

hungsprozessen kommt der Zeitabschnitt 1998 – 2008 zum Tragen. Die Eckpunkte dieses Abschnittes gestalten sich folgendermassen: Zu Beginn stehen zwei Motionen, die am 7. und 8. Oktober 1998 im Stände- sowie im Nationalrat eingereicht wurden. Dieses diskursive Ereignis bildet eine erste Möglichkeitsbedingung dafür, dass der Diskurs »Integration durch Sprache« emergieren und dominant werden konnte. Das Ende des Zeitabschnitts stellt das Inkrafttreten der beiden Gesetze am 1. Januar 2008 dar. Um die Emergenz und die Konsequenzen des Diskurses »Integration durch Sprache« zu verstehen, fliessen jedoch auch diskursive Umbrüche und Entwicklungen in die Analyse ein, welche über diesen Zeitraum hinausführen. Was die Gesetzesdaten beinhaltet, werden zum einen die beiden Motionen und Gesetze, in denen vor allem der jeweilige Sprachartikel gewichtet wird, zum anderen die Verordnungen der beiden Gesetze berücksichtigt, in welchen explizit dargelegt wird, wie die einzelnen Paragraphen zu verstehen und umzusetzen sind. Für das AuG liefert das Bundesgesetz über Niederlassung und Aufenthalt der Ausländer (ANAG), welches 1931 – 2007 in Kraft war, eine erste Ausgangslage. Dessen Revision bildet den Rahmen für die bereits erwähnten Motionen, welche auf die Ausarbeitung des Integrationsartikels 25a ANAG abzielten. Offizielle Stellungnahmen sowie die öffentlich zugänglichen Protokolle der parlamentarischen Debatten in Zusammenhang mit der parlamentarischen Behandlung der Motionen, des Integrationsartikels 25a ANAG und des Sprachartikels (Art. 54 AUG) dienen als primäre Datensätze für die Analyse. Nicht zuletzt, weil die kantonale Gesetzgebung durch die nationale bis zu einem bestimmten Grad determiniert wird, bilden die Entwicklungen auf Bundesebene gleichzeitig auch den gesetzlichen und politischen Hintergrund für die Analyse des Basler Integrationsgesetzes. Dennoch lassen sich im Kanton Basel-Stadt eigene spezifische diskursive Ereignisse für die lokale Ausgestaltung des Diskurses festmachen, die in das Blickfeld der Analyse rücken: Das Integrationsleitbild von 1999 und der Sprachartikel im Integrationsgesetz (Art. 5). Auch hier werden offizielle Schreiben und parlamentarische Debatten resp. ihre Protokolle für die Datenanalyse beigezogen. 1.5.2.2 Interviews Der zweite Fragenkomplex ist auf Einschätzungen von Expertinnen und Experten zur generellen Entwicklung der integrationspolitischen Gesetzgebung ausgerichtet; spezifisch zur wachsenden Rolle, die der Sprache zuerkannt wurde. Mit diesen Fragen werden Rezeption, Interpretation und Umsetzung des gesetzlichen Diskurses im gesellschaftlichen Raum und in der Praxis ins Blickfeld gerückt. Um den verschiedenen Unterfragen nachzugehen, werden qualitative semi-standardisierte Interviews mit 14 Experten und Praktikerinnen analysiert,

Struktur der Publikation

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die bei ihrer Arbeit im Migrations- und Integrationsbereich direkt von den gesetzlichen Änderungen betroffen sind. Die meisten der interviewten Personen sind im Kanton Basel-Stadt tätig, doch wurden einige der Interviews auch mit national tätigen Personen durchgeführt. Es geht bei den Interviews nicht nur darum, einen Einblick in Einschätzungen zur Entwicklung des Diskurses zu bekommen, sondern auch, wie diese Einschätzungen formuliert werden. Folglich soll in Erfahrung gebracht werden, welche sprachlichen Formulierungen der Diskurs »Integration durch Sprache« ermöglicht und wie die Personen sich und andere innerhalb des Diskurses positionieren. Aus diesem Grund wird auch für die Interviews eine Diskursanalyse angewendet, auch wenn es sich bei den Interviews im Vergleich zur historiografischen Analyse um eine andere Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache« handelt. Um die Positionierungen und Interpretationen der Expertinnen und Experten zu erfassen, wird auf das Konzept der interpretativen Repertoires zurückgegriffen, welches in der diskursiven Sozialpsychologie von Potter/Wetherell (2007 [1987]) entwickelt wurde. Die beiden Ansätze unterscheiden sich jedoch nicht grundlegend, da auch die sozialpsychologische Ausrichtung auf einem foucaultschen Diskursverständnis beruht und sich somit mit der epistemologischen Verankerung vereinbaren lässt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die unterschiedlichen Schwerpunkte der Fragenkomplexe ein komplementäres Verfahren bedingen, um die Emergenz und Konsequenz des Diskurses »Integration durch Sprache« zu erfassen. Dadurch kann eruiert werden, wie ein bestimmter Diskurs emergiert, wie er sich in einem Gesetzesartikel materialisiert und schliesslich, wie er in der Gesellschaft zirkuliert. An dieser Stelle soll Erwähnung finden, dass die Materialität des Diskurses (Sprachartikel) konkrete Konsequenzen nach sich zieht, welche dem Diskurs neue Impulse geben können. Die Kombination der beiden Datensätze und ihrer Analysen zeichnet diesen zirkulären Prozess nach und bringt uns zur Ausgangslage der Quaestio zurück. Ohne die Verbindung der beiden Ansätze wäre die »Beantwortung« dieser Quaestio schlichtweg nicht möglich, weil einer der beiden Ansätze jeweils nur oberflächlich einbezogen werden könnte. Unter anderem liefert die vorliegende Arbeit durch die Kombination der beiden Ansaätze und Daten einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Diskursanalyse im Sinne einer kritischen Soziolinguistik.

1.6

Struktur der Publikation

Die Struktur der Publikation präsentiert sich folgendermassen: Im nachfolgenden Kapitel wird der theoretische Rahmen umrissen. Dabei werden die drei wichtigsten theoretischen Konzepte diskutiert: Integration, Diskurs, und

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»Integration durch Sprache«: Die Bestandesaufnahme eines Diskurses

Ideologie resp. Sprachideologie. Die drei Konzepte bewegen sich auf unterschiedlichen theoretischen Ebenen, doch bilden sie gemeinsam ein Gerüst, welches in direktem Zusammenhang mit der epistemologischen Verankerung steht und ihrerseits die Methode zur Datenerhebung und -analyse bedingt. Das dritte Kapitel widmet sich diesen zwei Punkten. Erstens wird beschrieben, wie sich die Erhebung der Gesetzesdaten gestaltet hat sowie die Vorbereitung, Durchführung und Bearbeitung der Interviews. Ergänzt werden diese Ausführungen durch theoretische Reflektionen dazu, inwiefern sich Gesetzestexte und Interviews für eine kritische soziolinguistische Diskursanalyse als Daten anbieten. Zweitens wird in Kapitel 3 dargelegt, anhand welcher Methoden die Gesetzesdaten und Interviews analysiert wurden. Für die Gesetzesdaten wird die Diskursanalyse nach Foucault (v. a. 1969 & 1971) resp. deren Operationalisierung mittels diskursiver Ereignisse (DuchÞne 2008) für die Analyse der Gesetzesdaten vorgestellt; bezüglich der Interviews wird das Analyseinstrument der »interpretativen Repertoires« beschrieben, welches aus der diskursiven Sozialpsychologie stammt (Potter/Wetherell 2007[1987]). Die Analysen der beiden Datensätze erfolgt schliesslich in den Kapiteln 4 – 6. Wird in Kapitel 4 die Entstehung, Verschiebung und Verdichtung des Diskurses »Integration durch Sprache« mittels zweier diskursiver Ereignisse (Motionen Simmen/ Bircher 1998; Sprachartikel AuG 2008) auf nationaler Ebene nachverfolgt, geschieht dasselbe auf kantonaler Ebene in Kapitel 5. Im Kontext der Integrationspolitik Basel-Stadts dienen die beiden diskursiven Ereignisse Integrationsleitbild (1999) und der Sprachartikel IG (2008) zur Nachverfolgung dieses Diskurses. In Kapitel 6 wiederum wird die Analyse der Interviews mit im politischen oder sozialen Bereich der Integration tätigen Akteuren präsentiert. Im Schlusskapitel (Kapitel 7) werden die Ergebnisse der drei Analysen zusammengeführt. Als Schlussfolgerungen werden u. a. die diskursiven Lücken und die dadurch ersichtlichen (Sprach-) Ideologien kritisch diskutiert sowie die Konsequenzen und Weiterentwicklungen des Diskurses aufgezeigt.

2

Theoretischer Rahmen

2.1

Einleitung

Wenn man sich mit dem Begriff Integration näher befasst, wird rasch ersichtlich, dass er in Politik und Gesellschaft auf verschiedentliche Art und Weise angewendet wird. Dies bedeutet, dass »Integration« als politischer Begriff je nach Interpretationen und Interessen unterschiedlich, wenn nicht sogar gegensätzlich konzeptualisiert werden kann. Aus diesem Grund wird »Integration« in dieser Publikation als a) diskursives und als b) ideologisches Konstrukt mit unterschiedlichen resp. flexiblen Bedeutungen behandelt. In Zusammenang mit der Analyse des Diskurses »Integration duch Sprache« stellt es deshalb kein eigentliches theoretisches Konzept der Soziolinguistik oder Sozialwissenschaft dar wie z. B. »Ideologie«. Vielmehr präsentiert sich »Integration« als ein durch Diskurse und Ideologien konstituiertes Konzept, welches variabel und je nach Interessen unterschiedlich verwendet wird. Im ersten Teil des Kapitels wird deshalb auf semantische und terminologische Ambivalenzen des Begriffs »Integration« verwiesen, woraus unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten resultieren. Da »Integration« häufig vom Begriff der Assimilation diskursiv abgegrenzt wird, soll aufgezeigt werden, mittels welcher Merkmale diese Abgrenzung in der Schweizer Politik geschieht. Eine weitere Abgrenzung findet zunehmend in Bezug auf den Begriff »soziale Kohäsion« statt, welcher als neues politisches Konzept gilt. Bei der Auseinandersetzung mit »Integration« als politischem Konzept wird es folglich nicht darum gehen, eine Definition festzulegen. Es ist vielmehr das Ziel des Kapitels darzulegen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Interessen »Integration« in der Schweizer Politik diskursiv und ideologisch unterschiedlich konstruiert wird. Wie die Begriffe »diskursiv« und »ideologisch« im Rahmen dieser Arbeit verstanden werden, soll im zweiten und dritten Teil dieses Kapitels behandelt werden. »Diskurs« und »Ideologie« bilden denn auch die primären Bestandteile des theoretischen Rahmens, sind jedoch nicht nur aus einer theoretischen, sondern auch grundsätzlichen epistemologischen Perspektive relevant.

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Theoretischer Rahmen

Die Auseinandersetzung mit dem Diskursbegriff wird Divergenzen sowie Konvergenzen in Bezug auf Verständnis und Anwendung aufzeigen und das Verhältnis von Diskurs und sozialer Praxis darlegen. Zuletzt wird das der Arbeit zugrundeliegende Diskursverständnis in einer foucaultschen Tradition verankert. Das Konzept der Ideologie wird in einem ähnlichen Verfahren eingeführt: Es werden die aufgrund unterschiedlicher Ontologien und Epistemologien basierenden divergente Auffassungen und Interpretation umrissen, bevor das für diese Arbeit geltende Ideologieverständnis dargelegt wird. Da es im Kontext dieser Arbeit resp. in Zusammenhang mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« vor allem um Ideologien der Sprache, d. h. Sprachideologien geht, wird dieses als eigenes theoretisches Konzept präsentiert. Den Schluss des Kapitels bildet eine Art Zusammenfassung, in welcher »Integration« mit den beiden theoretischen Konzepten »Diskurs« und »Ideologie« in Beziehung gesetzt wird.

2.2

Integration

Integration ist ein Politikum, welches zum Inhalt oder zum Ziel von politischen Bemühungen, Programmen und Gesetzen geworden ist. Die damit zusammenhängenden funktionalen Anwendungen des Begriffs gestalten sich als zentraler Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen. Nach einer kurzen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff wird versucht, sich diesem in seiner Operationalisierung anzunähern. Den Hintergrund bildet dabei die Schweizer Integrationspolitik des 20. Jahrhunderts. Nach einer kurzen Einleitung, die sich mit der soziologischen Perspektive und mit der Dehnbarkeit des Begriffs befasst, werden Ambivalenzen beleuchtet, welche dem Konzept inhärent zu sein scheinen. Der Begriff der Integration wird laut Cattacin/Chimienti (2006) schon seit den Anfängen der Soziologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts diskutiert (Durkheim 1930; Parsons 1937; Simmel 1900; Tönnies 1887). Zu jener Zeit stand noch die Gesellschaft als Ganzes im Zentrum des Interesses, d. h. die Wahrung der gesellschaftlichen Einheit und die Rolle(n) des Individuums. Im Vordergrund der soziologischen Ausführungen standen zunächst die sich im Auseinanderbrechen befindenden traditionellen ländlichen Gemeinschaften aufgrund der massiven Landflucht in die industrialisierten Städte und die damit zusammenhängenden Prozesse der Vergesellschaftung. Im Unterschied zur heutigen Integrationsdiskussion lag der Fokus nicht auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, sondern auf allgemeinen gesellschaftlichen Phänomenen und Prozessen, die als (für das Individuum und die Gesellschaft) desintegrierend und destabilisierend verstanden wurden.

Integration

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Die Integration wird erst ab den 1960er-Jahren als Folgeerscheinung der Migration thematisiert (Lockwood 1992 [1964]). Gleichzeitig führt Lockwood die Unterscheidung zwischen systemischer und sozialer gesellschaftlicher Integration ein, welche die Migrationsforschung bis heute prägt (siehe auch Gordon 1964). Die systemische (oder strukturelle) Integration beinhaltet drei Aspekte: die politische, zivile und ökonomische Integration. Einerseits betrifft sie den Zugang zu lokalen Institutionen und Märkten, der jedoch oftmals erst durch Kenntnisse in der/ (n) lokalen Sprache(n) möglich wird, andererseits die Einhaltung von lokalen Gesetzen und Regelwerken (Cattacin/Chiementi 2006: 36). Die soziale Integration hingegen hängt mit Fragen der Identität und des Kontakts zu anderen zusammen. Auch in diesem Zusammenhang wird bereits bei Lockwood die Sprache als Bedingung für die Kommunikation mit der einheimischen Bevölkerung präsentiert. Diese von Lockwood propagierte Unterscheidung von verschiedenen Formen der Integration in den 1960er und 1970er-Jahren erfolgt nicht etwa zufällig, sondern hängt zusammen »avec l’entr¦e dans une soci¦t¦ plurielle« (Cattacin/ Chimienti 2006: 35) der westlichen Industrieländer. Dies war eine Folge des Kollapses des Wirtschaftssystems der Nachkriegszeit, nachdem man zuvor die Arbeiter sozial und systemisch »sur un modÀle culturel d’h¦g¦monie industrielle« (Cattacin/Chimienti 2006: 34) zu integrieren versucht hatte. Die sich in den 60er und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts etablierende Arbeitswelt und die Arbeitsmärkte der Spätmoderne (Giddens 1991) präsentierten sich hingegen flexibler, dynamischer und, in Folge, aus der Perspektive der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer unsicherer (siehe dazu z. B. Sennett 1998). In der Schweiz bekamen vor allem ausländische Personen mit geringen Qualifikationen und temporären Aufenthaltsbewilligungen die Wirtschaftskrisen und die damit einhergehenden Veränderungen der politischen Ökonomie empfindlich zu spüren. Viele von ihnen verloren ihre Arbeitsstellen und wurden wegen ihres prekären Aufenthaltsstatus zur Remigration in ihre Herkunftsländer gezwungen. Wenn zuvor davon ausgegangen worden war, dass sich Formen der systemischen und sozialen Integration gegenseitig bedingten, wurde nun klar, dass auf diese Prämisse kein Verlass war. Die einseitige Fokussierung der Politik auf die systemische Integration schien angesichts der politisch-ökonomischen und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Umwälzungen nicht mehr zu genügen. Die Verdrängung der ausländischen Arbeitnehmer im Verlauf der Wirtschaftskrisen zeigte zudem auf, dass selbst die systemische Integration nur unzulänglich erfolgt war. Erst im Zuge der politischen Reorientierung formierte sich eine eigenständige Schweizer Integrationspolitik unter Einbezug sozialer Integrationsmassnahmen, wie im einleitenden Kapitel beschrieben. Aufgrund der Erkenntnis, dass die soziale Integration nicht unbedingt mit der systemischen einhergeht, wurde die Integrationsförderung gesetzlich gere-

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Theoretischer Rahmen

gelt. Jedoch scheint es nach wie vor weder in Politik noch Gesellschaft einen Konsens darüber zu geben, wofür »Integration« eigentlich steht. Auch wenn allgemein davon ausgegangen wird, dass die »Integration« der ausländischen Bevölkerung nötig sei, gestalten sich die Definitionen und Verwendungen im alltäglichen aber auch politischen Gebrauch als divergent. Die unterschiedlich geprägten Assoziationen resultieren aus unterschiedlichen ideologischen Annahmen. Als mögliche Erklärung für die Widersprüchlichkeit der Verwendungen des Begriffs »Integration« dient bei Richter (2006) das Konzept der Plastikwörter (Pörksen 2004), die in der Linguistik als konnotative Stereotypen bezeichnet würden (Pörksen 2004: 11).12 Plastikwörter sind leere Worthülsen, die mit beliebigen Inhalten angereichert werden können, wie dies von Richter (2006: 47) dargelegt wird: Zu diesen Plastikwörtern zählen Begriffe, die zumeist in der Wissenschaft geprägt und mit Bedeutung aufgeladen und von dort schliesslich in die Alltagssprache übernommen wurden. Aus dieser Herkunft leiten sie einen Nimbus uneingeschränkter Gültigkeit und allumfassenden Erklärungspotenzials ab. Wenn mit der Modernisierung, der Informationsgesellschaft, der Kommunikation oder dem Fortschritt argumentiert wird, so schwingt in diesen Begriffen einerseits ein Stereotyp mit: Sie scheinen jeder und jedem bekannt. Gleichzeitig sind sie beliebig form- und dehnbar und auf jeden erdenklichen Kontext anwendbar.

Es ist nun gerade der letzte im Zitat erwähnte Punkt (»auf jeden erdenklichen Kontext anwendbar«), der ein konkretes und eindeutiges Umreissen des Begriffs »Integration« erschwert; so wird er in den unterschiedlichsten Zusammenhängen der Gesellschaftspolitik aufgeführt: von der europäischen Integration über die schulische und gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderung bis hin zur beruflichen Integration. Daneben fungiert »Integration« als spezifischer Begriff in Linguistik, Informatik, Technologie etc. Am dehnbarsten scheint der Integrationsbegriff aber tatsächlich im migrationspolitischen Kontext verwendet zu werden, d. h. wenn es um die Integration der ausländischen Bevölkerung geht, wobei unterschiedliche Inhalte transportiert werden: Assimilation, Multikulturalismus oder Integration im Sinne einer gegenseitigen Annäherung. Unterschiedlichste Diskurse werden in das Korsett eines einzelnen Begriffs gezwungen, welcher dadurch »auf jeden erdenklichen Kontext anwendbar« wird.

12 Integration wird von Pörksen nicht explizit als Plastikwort aufgeführt, kann gemäss den gelisteten Kriterien (Pörksen 2004: 37 f/ 118 f) jedoch klar dazu gezählt werden.

Integration

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2.2.1 Terminologische Ambivalenzen Angelehnt an die von Blommaert/Verschueren (1998a: 111 – 116) diskutierte »semantic vagueness« des Begriffs der Integration, sollen im Folgenden die terminologischen Ambivalenzen thematisiert werden, die dem Gebrauch des Begriffs inhärent erscheinen. Diese Ambivalenzen stellen entscheidende ideologische Unterschiede in der Konzeptualisierung von Integration als gesellschaftspolitischems Phänomen dar, die sich diskursiv äussern und den Diskurs ihrerseits mitbestimmen. Um den Unterschieden und den damit einhergehenden Ideologien auf den Grund zu gehen, werden die in der Auseinandersetzung mit der Schweizer Integrationspolitik zu Tage tretenden Ambivalenzen in Form von grundsätzlichen Fragen zum Integrationsverständnis formuliert. Trotz unterschiedlicher Auslegungen des Integrationsbegriffs erfolgen diese ausschliesslich aus der Perspektive der so genannten Aufnahmegesellschaft. Dies erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Integrationspolitik zu einem grossen Teil durch die Aufnahmegesellschaft fomuliert wird. Impliziert Integration Ziel oder Prozesshaftigkeit? Falls man Integration als Ziel betrachtet, geht man von einem klar definierten Ideal für die Erhaltung der sozialen Kohäsion aus. Integration kann »objektiv« gemessen werden – beispielsweise werden vermehrt Sprachkompetenzen getestet, um den Erfolg von Integrationsbemühungen festzustellen. In dieser Logik spricht man von gelungener (oder nicht-gelungener) Integration, wobei die Definition der gelungenen Integration durch die Bedürfnisse und die Perspektive der Aufnahmegesellschaft bestimmt wird. Das unterschiedliche Verständnis von Integration schlägt sich in Debatten über die Einbürgerung nieder : Stellt das Bürgerrecht einen Meilenstein im Prozess der Integration dar oder soll es quasi als Belohnung für eine gelungene erfolgte Integration erteilt werden? Wenn Integration prozessual verstanden wird, machen scheinbar klar definierte Indikatoren wenig Sinn, die entwickelt wurden, um den Stand der individuellen Integration zu messen. Ein auf Indikatoren und Messungen basierendes Integrationsverständis ist einem prozessualen denn auch gegenläufig, da sich die entsprechenden Umstände dynamisch gestalten und laufend verändern. Nicht nur das Individuum, auch das gesellschaftliche System und ihre Interaktionen sind gekennzeichnet von Dynamik(en), Fort- und Rückschritten, Umwegen etc. Man sieht sich also mit einem Kontinuum der Entwicklung und des sozialen Wandels konfrontiert, so dass weder die Aufnahmegesellschaft noch die Integration als fixe Entitäten verstanden werden können. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass aufgrund der Tatsache, dass sich auch die Aufnahmegesellschaft konstant verändert, eine »erfolgreiche« definitive Integration gar nicht realisierbar und somit auch nicht messbar wird.

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Theoretischer Rahmen

Kann Integration gesteuert werden? Die Frage, ob Integration gesteuert werden kann, nimmt im Diskurs »Integration durch Sprache« eine zentrale Rolle ein. Wiederum spielen hier Sprachkenntnisse eine wichtige Rolle – nicht nur als Indikator von Integration, sondern auch als ihr Katalysator. Es herrscht in Politik und Gesellschaft die Meinung vor, dass die Integration der ausländischen Bevölkerung mit der Aneignung der lokalen Amtssprache auf dem besten Weg sei. Die Steuerung betrifft in diesem spezifischen Fall die sprachliche Kompetenz der »zu integrierenden« Individuen und nicht die Gesellschaft als Ganzes. Abgesehen von Massnahmen der Sprachförderung können sich sogenannte Integrationsmassnahmen folgendermassen gestalten: Einführung in die zentralen Institutionen des Wohnortes (Ämter, soziale Institutionen etc.), sprachliche und schulische Frühförderung, kultureller Austausch und interkulturelle Mediation, berufliche Eingliederungshilfe etc. Die Erstellung von Integrationsindikatoren gestaltet sich in den meisten dieser Bereiche jedoch sehr komplex, weshalb vor allem die sprachliche Kompetenz und die berufliche Entwicklung als Massstäbe gehandelt werden. Es darf gesagt werden, dass die Grenze zwischen verpflichtenden Förderungsmassnahmen und Paternalismus sehr eng verläuft (Dorostkar 2012a). Wann entspricht eine Fördermassnahme den tatsächlichen Bedürfnissen der betroffenen (zu fördernden) Personen/ Familien/ Gruppen und wann den Vorstellungen und dem Weltbild der fördernden Akteure/ Institutionen? Ansätze der Steuerung basieren auf der Hypothese, dass Individuen in ihrer Integration gezielter Unterstützung bedürfen. Es handelt sich somit um die Behebung persönlicher Defizite. Dabei wird nicht die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass es sich bei der Integration um einen gesamtgesellschaftlichen, strukturellen oder gar systemischen Prozess handeln könnte. Wenn es z. B. um das Phänomen von Schulerfolg geht, rücken meistens die ausländischen Kinder in den Fokus der Bemühungen, wobei ihre »Defizite« abgebaut werden sollen. Wie nun aber Terkessidis (2010) argumentiert, wären tiefergreifende strukturelle Veränderungen des Schulsystems angebracht, um den veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden. Aus diesem Grund sind Formen individueller Steuerung im Bereich der Integration nur bedingt sinnvoll, da sie an der Oberfläche haften bleiben. Betrifft Integration den kulturellen, sozialen oder beruflichen Bereich? Werden für die Integration kausale Zusammenhänge zwischen diesen Bereichen hergestellt? Im Diskurs »Integration durch Sprache« wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Sprachkenntnissen und der sozialen sowie beruflichen Integration hergestellt. Während andere Aspekte (von anderssprachlicher Integration bis hin zu Diskriminierungsmechanismen) dabei tendenziell ausgeblendet werden,

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besteht auch die Möglichkeit, dass sich je nach Diskurs die gesellschaftliche Konstruktion solcher Korrelationen und Zusammenhänge verschieben. Früher wurde in der Schweiz bekanntermassen vor allem auf die Karte der beruflichen Integration gesetzt, da erwartet wurde, dass die soziale und kulturelle Integration (inklusive Sprachkenntnisse) als Folge beruflicher Tätigkeiten automatisch erfolgen würde. Trotz dieser forcierten Umorientierung hin zur Sprache als Integrationsbeschleuniger lässt sich auf politischer Seite kaum eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Facetten der Integration und somit variierenden Bedürfnissen feststellen. Wird der Begriff normativ oder deskriptiv verwendet? Bei einer normativen Verwendung des Begriffs beruft man sich normalerweise auf einen Soll-Zustand, was dem Verständnis von Integration als Ziel entspricht. Es liegt dabei die Annahme zugrunde, dass Integration (in ihren Komponenten durch die Aufnahmegesellschaft definiert) nicht nur erfolgreich gesteuert und erreicht werden kann, sondern auch als Ideal verfolgt werden muss. Dies beinhaltet in einem normativen Sinn »eine implizite oder explizite Vorstellung von ›gelingender‹ oder ›misslingender‹ Vergesellschaftung« (D’Amato/Fibbi 2006: 77). Sie basiert des Weiteren auf der Vorstellung eines idealen gesellschaftlichen Soll-Zustands, der durch eine erfolgreiche Integration der ausländischen Bevölkerung erreicht werden kann/ soll. Die ausländische Bevölkerung muss dabei dasselbe Integrationsziel verfolgen und Initiative und Einsatz zeigen, wie beispielsweise durch das Erlernen der lokalen Sprache. In der Aktivierung eines Leistungsdiskurses, der an Foucaults »Technologien des Selbst« (1982) mahnt, werden Musterbeispiele der Integration medial präsentiert und inszeniert. Ein Fussballer, eine Ärztin, eine Künstlerin – sie alle werden hochgehalten als normative und nachzuahmende Paradebeispiele für den Erfolgs des angestrebten integrativen Konzepts.13 Ein deskriptives Verständnis von Integration ist mit der prozessualen Verwendung des Begriffs verwandt. Hierbei stehen der individuelle und situative Ist-Zustand und die Positionierung im Kontinuum des Prozesses an, wobei nicht von einer linearen Entwicklung oder der Notwendigkeit resp. Möglichkeit eines Soll-Zustandes ausgegangen wird. Dennoch stellt auch die deskriptive Perspektive das Selbstverständnis der Integrationsgesellschaft nicht in Frage. Dies bedeutet, dass beide Perspektiven von der Prämisse ausgehen, dass die Integration der ausländischen Bevölkerung notwendig ist, so wie sie von der Aufnahmegesellschaft festgelegt wird. 13 Siehe z. B. die mediale Kampagne »Zusammen Österreich«: http://www.zusammen-oesterreich.at [Letzter Zugriff: 16. 09. 2013]. Ich danke Rudolf de Cillia, Niku Dorostkar und Alexander Preisinger für diesen Hinweis.

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Theoretischer Rahmen

Wird die Mikro- (Individuum) oder Makroebene (Gesellschaft) angesprochen? Bei dieser Unterscheidung handelt es sich um die Fragestellung, ob man die gesamte Gesellschaft als integriert/ integrativ betrachtet (Makroperspektive) oder aber nur das Individuum (Mikroperspektive). Der Fokus hängt hier mit der Verortung der Integrationsverantwortung zusammen: Während sie im Makroansatz nicht beim Individuum angesetzt wird, versteht ein Mikroansatz die ausländische Bevölkerung als individuelle soziale Akteure, die sich um ihre eigene Integration bemühen müssen und die Abnahme dieser Aufgabe nicht von der Gesellschaft erwarten dürfen. Des Weiteren impliziert die Übertragung der Verantwortung auf das Individuum, dass die Integration vor allem in den Händen der Migrationsbevölkerung liegt. Die Integration, d. h. die Überwindung schulischer/ beruflicher Probleme, wird somit möglich, sobald die »fehlenden« Sprachkenntnisse angeeignet wurden. Ist Integration ein aktiver oder passiver Vorgang: Wird man integriert oder integriert man sich? Anders formuliert: ist das Verb »integrieren« transitiv (A integriert B) oder reflexiv (A integriert sich) zu verstehen? Die Verwendung des Verbs »integrieren« scheint mit den oben erwähnten Makro- und Mikroperspektiven einherzugehen. Die Makroperspektive bedingt das Verständnis einer Gesellschaft, die ihre Mitglieder integriert (aktive, transitive Verbform). Die Mitglieder ihrerseits werden von der Gesellschaft oder dem politischen System integriert (passive, transitive Form). In einer Mikroperspektive hingegen scheint sich nicht nur die Verbform, sondern auch die Verantwortungszuschreibung zu verschieben. Die Verschiebung bedingt, dass sich die Individuen selber integrieren – durch entsprechende institutionell postulierte Massnahmen. Die reflexive Realisierung des Verbs kann auch als »empowerment« dargestellt werden, weil Migrantinnen und Migranten nicht mehr als »Empfänger« dargestellt werden sondern als Akteure.14 Interessanterweise lässt sich zusätzlich eine dritte Form des Verbs »integrieren« festmachen, nämlich die intransitive. Da der Begriff »Entwicklung« eine ähnliche semantische Erweiterung zu durchlaufen scheint, wird auf Pörksens (2004: 35) Beschreibung verwiesen: Der verhältnismässige junge Intransitiv, die als Entwicklung zusammengefasste Geschichte, hat die Neigung, in einen neuen Transitiv überzugehen, zum handelnden Subjekt zu werden. Die Entwicklung entwickelt. Die Vorstellung von einem geschichtlichen Prozess, in dem ausgespart bleibt, wer hier an wem handelt, wird fast unmerklich selbst zu der eines Urhebers, welcher handelnd auf Gegenstände einwirkt.

14 Für eine Kritik an der »Hilfe zur Selbsthilfe« und deren ideologischen Ursprünge resp. Konsequenzen siehe z. B. Aumair (2012).

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Eine ebensolche Tendenz scheint sich in der Schweizer Integrationspolitik zu etablieren. Überspitzt formuliert heisst dies, die Integration (als Sammelbegriff von politischen und sozialen Initiativen und Massnahmen) wird zum Katalysator der Integration. Dies verdeutlicht, wie viele Bedeutungsschichten dem Begriff »Integration« anhaften. Die Ambivalenz der semantischen Erweiterung offenbart sich des Weiteren in Genitivkonstruktionen, wie z. B. bei folgender Konstruktion: »Integration der ausländischen Bevölkerung«. In Anlehnung an Pörksen (2004: 35), stellt sich hierzu die Frage, ob es sich dabei um einen »genitivus subjectivus« oder »genitivus objectivus« handelt – möglich wäre beides, sowohl semantisch wie auch ideologisch. Die aufgeworfenen Fragen zeigen ideologische Unterschiede auf, die trotz allem eines gemeinsam haben: Integration wird für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Aufnahmegesellschaft sowie des (ausländischen) Individuums als unerlässlich betrachtet. Der Sprache wird in allen Interpretationsvarianten eine zentrale Rolle zugeteilt. Unterschiede manifestieren sich in der grundsätzlichen Frage, wie und ob man die Integration steuert (z. B. gesetzlich verordnet) oder wem die Verantwortung dafür übergeben wird (Staat versus ausländisches Individuum). Folgende Tabelle illustriert die Ausgestaltung der jeweils gegensätzlichen Auslegungen: Tabelle 1: Terminologische Ambivalenzen des Begriffs der Integration Integration als Prozess Dynamisch Steuerung bedingt möglich Bedingte kausalen Zusammenhänge Deskriptives Verständnis (Ist-Zustand) Makro (Verantwortung bei der Gesellschaft) Transitives Verb (integrieren)

Integration als Ziel Statisch Steuerung möglich Kausale Zusammenhänge Normatives Verständnis (Soll-Zustand) Mikro (Verantwortung beim Individuum) Reflexives Verb (sich integrieren)

Es besteht nicht die Absicht, ein Urteil über die »Richtigkeit« der jeweiligen Ansicht zu fällen; vielmehr soll aufgezeigt werden, inwiefern bei der Verwendung des Integrationsbegriffs unterschiedliche Interpretationen mitschwingen können. Von Interesse ist, welche Ideologien vermittelt werden und wie diese mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« zusammenhängen. Den unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Integration begegnet man auch in der Schweizer Integrationspolitik. Am explizitesten tritt dies im Kontext der basel-städtischen Integrationspolitik zu Tage. Im Rahmen des Integrationsleitbildes und des nachfolgenden Integrationsgesetzes in Basel wurde das Konzept des Förderns und Forderns eingeführt, welches genau diese gegensätzlich erscheinenden Pole zu vereinbaren sucht. Bevor jedoch die von der Bundesverwaltung und Basler Regierung operationalisierten Definitionen ge-

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Theoretischer Rahmen

nauer untersucht werden, soll im Folgenden erörtert werden, wie sich in der Schweiz die Politik der »Assimilation« zu einer Politik der »Integration« entwickelt hat.

2.2.2 Von der Assimilation zur Integration in der Schweizer Politik Politische und gesellschaftliche Schlagworte sollten jeweils nicht isoliert sondern kontextuell betrachtet werden, wie der am Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft interessierte marxistische Kritiker Williams (1983) eindrücklich darlegte. So stellte er in seiner Analyse der britischen Nachkriegsgesellschaft einen direkten Bezug zwischen den sozialen und ökonomischen Transformationen und der Verwendung von bestimmten Schlagworten (»keywords«) her. Die Verwendung von Schlagworten widerspiegelt laut Williams die (hegemonische) soziale und ideologische Interpretation sowie Konstitution von politisch-ökonomischen Transformationen. Aus diesem Grund sei es auch kein Zufall, wann und wie ein bestimmtes Schlagwort auftrete und verwendet würde, resp. mit welchen anderen es in Zusammenhang gesetzt oder aber von welchen anderen es abgegrenzt würde (siehe dazu auch Holborow 2012; Urcioli 2008). Das Schlagwort »Integration« findet denn auch nicht in einem politisch neutralen Vakuum Verwendung. Vielmehr ist es ein historisches Produkt, welches ideologisch geprägt und diskursiv konstituiert resp. konstituierend ist. In der Schweizer Politik wurde durch die Einführung des Begriffs ein regelrechter Paradigmenwechsel deklariert, was die Integrationspolitik in seiner heutigen Form erst ermöglichte. Als Konsequenz der Proklamierung des Paradigmenwechsels wurde der Begriff der Assimilation als Anachronismus aus der Politik verbannt, der die »Tendenz zur Homogenisierung aller Menschen in der Gesellschaft wohl am treffendsten ausdrückt: Das Individuum soll sich kulturell der Mehrheit angleichen« (D’Amato/Gerber 2005: 14 f). Assimilation ist somit zu stark mit einer einseitigen, der ausländischen Bevölkerung auferlegten Anpassung verbunden, die mit einer zunehmend pluralistischen Konzeptualisierung der Gesellschaft nicht mehr zu vereinbaren schien (Cattacin/Chiementi 2006: 35). Durch die soziopolitischen Transformationen wurde nicht nur der Assimilationsbegriff obsolet, sondern es musste auch ein neuer Begriff gefunden werden, der diesen Veränderungen gerecht würde. Bis in die 1970er-Jahre war Assimilation noch kein negativ konnotiertes politisches Programm wie zu heutiger Zeit. Der Begriff wurde mit Selbstverständlichkeit verwendet, um Erwartungen an die ausländische Bevölkerung zu umschreiben, wie Publikationen aus jener Zeit mit Titeln wie »Vom Anderssein zur Assimilation. Merkmale zur Beurteilung der Assimilationsreife der Aus-

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länder in der Schweiz« (Virot 1968) illustrieren. Die Assimilation der ausländischen Bevölkerung war denn auch das offizielle Ziel der Schweizer Migrationspolitik (siehe das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, kurz: ANAG), dies allerdings nur im (unvorhergesehenen und ungern gesehenen) Fall, dass sich Ausländerinnen und Ausländer längerfristig in der Schweiz niederliessen, entgegen dem von offizieller Seite verfolgten Rotationsprinzip (D’Amato/Gerber 2005: 18). Denn die Schweiz betrachtete sich lange nicht als Einwanderungsland, weshalb Integrationsmassnahmen für die ausländische Bevölkerung von offizieller Seite nicht realisiert wurden. Man könnte folglich argumentieren, dass die Schweiz für den grössten Teil des 20. Jahrhunderts weder Immigrations- noch Integrationspolitik, sondern primär eine segregierende Assimilationspolitik betrieb (Haug 2003b: 25). Im Kontext der gesetzlichen und konzeptuellen Transformationen der Schweizer Politik veränderte sich allmählich die Zulässigkeit der Schlagworte. Die Assimilation wurde als Relikt der politischen und sozialen Vergangenheit abgeschrieben, währenddessen die Integration diskursbestimmend wurde. Ob das bewusste Ersetzen von Schlagworten ausreicht, um einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel zu vollziehen, kann in Frage gestellt werden. Trotz des an der Oberfläche vorgenommenen diskursiven Bruchs (von Assimilation zu Integration) haben sich ideologische Kontinuitäten weitergezogen, die sich nun lediglich unter neuer Bezeichnung präsentieren. Aus diesem Grund zweifelt zum Beispiel Kleger (2005: 58) an der konzeptuellen Schärfe des Begriffs Integration. Indem sich theoretisch alle für und keiner gegen Integration ausspricht, ist nicht zufällig eine Vielfalt von Konzeptionen insbesondere mit dem Begriff Integration verbunden – von der Assimilation als »zweite Kindheit« bis hin zum losen Zusammenleben verschiedener Gruppen.

Tatsächlich ist bei der Verwendung des Begriffs in der Schweizer Politik nicht immer ersichtlich, was unter Integration verstanden wird. Integration scheint, als Plastikwort, allumfassend zu sein – nicht nur in Bezug auf die inhaltliche Bedeutung, sondern auch auf die politische Konzeption, so dass mitunter assimilative Tendenzen darunter subsumiert werden können (Brubaker 2001: 540). Dies würde bedeuten, dass Elemente des Assimilationsdiskurses unter dem begrifflichen »Deckmantel« der Integration nach wie vor präsent sind und reproduziert werden. Der in der sozialwissenschaftlichen Diskussion teilweise sehr stark kritisierte Begriff Assimilation wird zwar inzwischen von offizieller Seite kaum mehr verwendet, hat sich aber dennoch weiterhin in den Köpfen der Teilnehmer an politischen Debatten halten können und kommt immer wieder in den unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs Integration zum Ausdruck. (D’Amato/Fibbi 2006: 77)

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Perregaux (2003: 50) wirft aus diesem Grund folgende Frage auf: »Ne pensezvous pas parfois que l’int¦gration n’est finalement qu’une forme politiquement correcte de l’assimilation?« Aufgrund dieser begrifflichen und konzeptuellen Verwirrungen scheint es darum sinnvoll, Assimilation und Integration nicht als zwei isolierte und klar definierte Konzepte, sondern als zwei Punkte in einem begrifflichen Kontinuum zu begreifen, zu dem weitere verwandte Begriffe (wie Akkulturation, Anpassung, Adaptation etc.) gezählt werden können.15 Die Interpretation und Verwendung dieser Begriffe hängt im Endeffekt stärker mit der jeweiligen diskursiven Konstruktion zusammen als mit dem Begriff an sich, wodurch dominante Ideologien ersichtlich werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Einführung des Integrationsbegriffs als politisch motiviert verstehen und zwar insofern als dass »damit die Denkwende auch begrifflich« signalisiert wurde (Richter 2006: 60). Das Schlagwort »Integration« wird zum Symbol eines öffentlich inszenierten Paradigmenwechsels und des diskursiven Bruchs mit der als überholt betrachteten Assimilationspolitik. Des Öfteren wurde nun darauf hingewiesen, dass der Begriff Integration sowohl diskursiv als auch ideologisch verstanden werden muss. Aus diesem Grund werden im Folgenden diese beiden theoretischen Konzepte näher betrachtet und als soziolinguistische ontologische Perspektiven präsentiert, die epistemologische Konsequenzen nach sich ziehen.

2.3

Diskurs

Der Diskursbegriff wird von diversen wissenschaftlichen Disziplinen auf unterschiedliche Weise verwendet, »selbst innerhalb einer Disziplin existiert eine grosse Uneinigkeit im Hinblick darauf, worauf der Begriff ›Diskurs‹ zielt« (Mills 2007: 3; Hervorhebung im Original). Es ist das Ziel dieses Unterkapitels, den Begriff in dem für diese Studie relevanten Fachgebiet, d. h. der soziolinguistischen Diskursanalyse, zu umreissen und das theoretische Diskursverständnis zu verdeutlichen. Zu diesem Zweck wird auf die soziale Konstruktion von Diskursen resp. auf die diskursive Konstruktion von sozialen Praktiken eingegangen, wobei vornehmlich auf die frühen Arbeiten Foucaults (1969 & 1971) Bezug genommen wird. Die methodische Operationalisierung wird im Folgenden dargelegt.

15 Eine kurze, übersichtliche Aufstellung dieser Begriffe findet sich zum Beispiel bei Richter (2006: 48 – 62).

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2.3.1 Der »Diskurs« in der Linguistik In der Linguistik basieren sowohl Verständnis wie auch Anwendung des Begriffs »Diskurs« auf unterschiedlichen Ontologien welche über den Diskursbegriff hinausgehen. So unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Ausrichtungen der Linguistik: Auf der einen Seite präsentieren sich die Formalisten/ Strukturalisten, auf der anderen die Funktionalisten (siehe zu dieser Typisierung Blommaert 2005; Cameron 2001; Schiffrin 1994). Die Formalisten/ Strukturalisten sehen den Diskurs als eine dem (Glied-) Satz übergeordnete Einheit (z. B. beschrieben in Schiffrin 1994: 23; Stubbs 1983: 1). Im Fokus der Analyse steht meist eine bestimmte (geschriebene) Spracheinheit, wobei diese ins Verhältnis zu anderen Einheiten und zum übergeordneten Diskurs gesetzt wird. Formalisten wie Harris (1951) versuchten zum Beispiel, einen Text als Zusammensetzungen von Beziehungen der unteren Bestandteile (Äquivalenz, Substitution) zu begreifen und nach Systematiken in diesen Beziehungen zu suchen (beschrieben in Pak 1972: 27). Das Ziel Harris’ war es, die Sprache systematisch mittels einer »wissenschaftlichen« (Englisch: »scientific«, sprich der Naturwissenschaft angelehnten) formalistischen Vorgehensweise in ihrer Form zu erfassen und zu verstehen. Die Verwendung wie auch die Funktion der Sprache, also »language-in-use« (Blommaert 2005; Cameron 2001), gerät bei einer solch formalistischen Prämisse aus dem Blickfeld, womit Kontext, soziale Praktiken und/ oder die Zuschreibung von Bedeutung in dieser Perspektive eine untergeordnete Rolle spielen. Im Gegensatz zum Formalismus beschränkt sich die Diskursanalyse des funktionalen Forschungsparadigmas nicht auf die Form der Sprache, sondern räumt ihrem Gebrauch einen wichtigen Stellenwert ein. Aus diesem Grund werden jegliche Varianten und Manifestierungen des Sprachgebrauchs für die Analyse berücksichtigt, d. h. sowohl mündliche als auch schriftliche Texte (siehe Fasold 1990: 65; Hervorhebung im Original: »the study of discourse is the study of any aspect of language use«). Es kann des Weiteren eine Verbindung von Form und Funktion angestrebt werden, wie dies von Cameron (2001: 13) in ihrem Einführungswerk zur Diskursanalyse formuliert wird: »They are interested in how the two are connected, suggesting that language has a certain kind of formal organization because of the purpose it is designed to serve«. Funktionalisten gehen also von der Vorstellung aus, dass die Funktion einer Aussage in ihrer Form widerspiegelt wird. Dies bedeutet, dass die Form einer Aussage eine direkte Auswirkung auf ihre Funktion hat bzw. auf die Rezeption dieser Aussage (wird sie als Frage, Aufforderung, Drohung etc. rezipiert?). In Hallidays (1973 oder Halliday/Hasan 1989) systemisch-funktionaler Linguistik (systemic functional linguistics, kurz SFL) wird die Sprache als System verstanden, welches durch ihren Gebrauch geformt wird. In einem solch funktionalen Verständnis

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wird die Sprache als sozial organisiertes System wahrgenommen, in dem bestimmte Funktionen realisiert werden (siehe Schiffrins [1994: 32] Erläuterungen zur SFL). Um diese Funktionen analysieren zu können, werden der Kontext und die erfolgten Bedeutungszuschreibungen relevant. Des Weiteren gibt es Forschende, die sich in ihrem funktionalen Verständnis zwar explizit auf Halliday resp. SFL beziehen (siehe dazu Blommaerts [2005: 21 – 22] Ausführungen), den Diskurs aber nicht nur als Sprache im Gebrauch verstehen sondern vielmehr als unmittelbar mit sozialen Praktiken verbunden. Als Beispiel für ein solches Verständnis bietet sich Fairclough an, der den Diskurs als »language use conceived as social practice« (1995: 135) versteht. In seinen Augen kann man soziale und linguistische Phänomene nicht voneinander trennen, weil sie sich gewissermassen gegenseitig bedingen und konstituieren (Fairclough 1989: 23). Er beschreibt diese Beziehung zwischen sprachlich und sozial folgendermassen: »Linguistic phenomena are social in the sense that whenever people speak or listen or write or read, they do so in ways which are determined socially and have social effects«. Es geht bei dieser Form der funktionalen Diskursanalyse also nicht mehr nur um »language-in-use«, sondern um Sprache als soziale Praxis.

2.3.2 Diskurs, soziale Praktiken und Konstruktion der Realität Jenseits dieser Zweiteilung in formale und funktionale Diskursanalyse manifestiert sich eine dritte Positionierung, die sich weder auf den Diskurs als sprachliche Einheit noch als (sozial konstituierten) Sprachgebrauch beschränkt. Diskurse werden vielmehr als konstituierende und konstruierende Elemente der Realität konzipiert – wobei der Sprache für Beschreibungen und Zuschreibungen eine tragende Rolle zukommt. Wir bewegen uns somit auf einer Verständnisebene von Diskurs, die sich mit der Konstruktion der Realität befasst. Soziale Praktiken gewinnen an Bedeutung, indem sie auf der einen Seite die Realität der Menschen ausmachen und auf der anderen Seite durch Diskurse konstituiert werden, diese jedoch auch selber konstituieren. Es wird daher von einer dialektalen und wechselseitig konstituierenden Beziehung zwischen spezifischen diskursiven Ereignissen (als exemplarische Manifestationen eines Diskurses) und spezifischen Situationen, Institutionen und sozialen Strukturen ausgegangen (Dorostkar/Flubacher 2010; Wodak/Meyer 2009: 5). In der Tradition der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit (Berger/Luckmann 1966) wird angenommen, dass es keine objektive, soziale Wahrheit oder Realität gibt, sondern dass ein bestimmtes Ereignis von den Beteiligten aufgrund ihrer individuellen Erfahrungen unterschiedlich erlebt und eingeschätzt wird. In Folge der individualisierten Interpretationen kann ein Ereignis entsprechend auch sprachlich

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unterschiedlich beschrieben werden. Bewertungen, Zuschreibungen und Interpretationen eines Ereignisses, Phänomens oder einer Person werden aufgrund des Sprachgebrauchs in solchen Rekonstruktionen mitgeliefert – womit diese Ereignisse, Phänomene oder Personen gleichzeitig diskursiv konstruiert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ähnliche sprachliche Ressourcen verwendet werden, um das Erlebte resp. ein Phänomen auf unterschiedliche Art zu beschreiben. Die Prämisse der sozialen und diskursiven Konstruktion der Wirklichkeit hat weitreichende Folgen. Grundsätzlich bedeutet sie, dass sich eine klare ontologische Trennung zwischen Beschreibung und beschriebenem Objekt nicht aufrecht halten lässt (Potter/Wetherell 2007 [1987]: 51). Das Objekt ist ein Bedeutungsträger, welcher kontextualisiert und von persönlichen Erfahrungen geprägt wird. Es wird »formulated and constructed in discourse in the course of doing evaluation« (Potter/Wetherell 2007 [1987]: 51). Folglich handelt es sich bei Beschreibungen und Interpretationen immer um eine spezifische »version of the object«, welche das Objekt mitkonstituiert (Potter/Wetherell 2007 [1987]: 51). Bezogen auf das Thema der vorliegenden Studie bedeutet dies, dass nicht nur der Begriff der Integration sozial konstruiert und konstituierend ist, sondern auch der Diskurs »Integration durch Sprache«. Die Konstitution und Konstruktion werden nicht zuletzt in den materiellen Konsequenzen des Diskurses ersichtlich. Somit kann man Diskurse nicht als unabhängig und von sozialen Realitäten losgelöst betrachten. Die Frage bleibt jedoch offen, ob im Gegenzug davon ausgegangen werden kann, dass soziale Praktiken stets diskursiv sind, es also ausserhalb von Diskursen keine soziale Praxis gibt. Coates/Wade (2007) verstehen einen solch diskursiven Determinismus als totale Regulierung des individuellen Verhaltens, wo Erfahrungen nur zu Effekten eines Diskurses werden. Der Diskurs »constructs reality, marks the limit of thought (Bourdieu 1977), forms and incarcerates the subject (e. g., Foucault 1972 & 1980), and ultimately drives individual conduct (Eagleton 1991)« (Coates/Wade 2007: 520 – 521). Ein derartiger diskursiver Determinismus wird nicht nur in sozialkonstruktivistischen, sondern auch in poststrukturalistischen und postmodernen Positionen rezipiert. Es ist von besonderer analytischer Relevanz, welche Beschreibungen und Interpretationen von bestimmten Ereignissen überhaupt gemacht werden können, so dass sie als zulässig resp. legitim gelten. Insbesondere in diesem Zusammenhang treten die gegenseitigen Konstituierungsprozesse von sozialer Praktik und Diskurs zu Tage. Wenn sich soziale Praktik und Diskurse also gegenseitig konstituieren, drängt sich die in der Diskursanalyse umstrittene Frage nach der Möglichkeit des Nicht-Diskursiven oder der nicht-diskursiven sozialen Praxis auf. Sobald man eine Praxis oder ein Phänomen versprachlicht/ thematisiert, konstruiert man es

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diskursiv mit, womit man ihm automatisch eine bestimmte Bedeutung zuschreibt. Nicht-diskursive Phänomene und Handlungen scheinen somit nur prädiskursiv möglich zu sein, denn erst durch die Thematisierung, d. h. durch die Zuschreibung einer Bedeutung wird eine beliebige Handlung, ein körperlicher Akt oder eine Empfindung diskursiv (siehe Wrana/Langer 2007 für eine ausführlichere Behandlung). Blommaert (2005: 4) beschreibt diesen Prozess der Bedeutungszuschreibung, indem er meint, dass »discourse is what transforms our environment into a socially and culturally meaningful one«. Darüber zu entscheiden, ob der Diskurs das Umfeld in etwas sozial und kulturell Bedeutendes umwandelt oder ob etwas diskursiv wird, sobald ihm eine derartige Bedeutung zugesprochen wird, gerät dabei zur Spitzfindigkeit. Relevant ist in diesem Zusammenhang vielmehr die Einsicht, dass ein Diskurs nicht isoliert vom Sozialen verstanden oder analysiert werden kann. Die Unterscheidung zwischen diskursiv und nicht-diskursiv ist folglich für eine Analyse nicht wegweisend.16 Schliesslich sind »Praktiken vielmehr nicht einfach diskursiv oder nicht-diskursiv, sondern enthalten […] das Diskursive in unterschiedlicher Weise« (Wrana/Langer 2007: Absatz 6117). Somit gilt es herauszuschälen, wie sich bestimmte Diskurse in Bezug auf die soziale Praxis konstitutiv auswirken. Es kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass diskursive und nicht-diskursive Praktiken »zwei Wirklichkeitsbereiche [sind], die zunächst voneinander getrennt untersucht werden können, um anschliessend zu fragen, wie das eine auf das andere wirkt« – im Prinzip sind die beiden »in der gesellschaftlichen Praxis untrennbar verbunden« (Wrana/Langer 2007: Absatz. 62). Wie Wrana/Langer (2007: Absatz 13) konstatieren, ist es die »theoretische Reflexivität, die die Diskursanalyse ausmacht, und mit der sie den Moment des Diskursiven in allen gesellschaftlichen Objekten und Handlungen untersucht, ohne zugleich zu behaupten, dass es kein Aussen des Diskurses gebe«, auch wenn nun dieses »Aussen des Diskurses« nicht definiert werden kann und sich in einem dynamischen Verschiebungsprozess befindet. Wenn in dieser Arbeit nun davon ausgegangen wird, dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Integration diskursiv konstruiert ist, heisst dies, dass der Diskurs (»Integration durch Sprache«) in der Gesellschaft durch Sprache und soziale Praxis vermittelt, perpetuiert und ausgehandelt wird. Dieser Diskurs kann demnach im Sprachgebrauch ausgemacht werden. Er manifestiert sich im Text, wobei Text nicht im engeren Sinne nur als schriftliche, sondern auch mündliche Materialität verstanden wird. Schlussfolgernd könnte man sagen, 16 Diese Unterscheidung wird z. B. im Diskurs-Historischen Ansatz zu einem zentralen Analysegegenstand (Reisigl/Wodak 2009: 89). 17 Da es sich bei Wrana/Langer (2007) um eine Online-Publikation handelt, fehlen Seitenangaben, nummeriert sind die Absätze.

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dass der Text eine spezifische und einzigartige Realisierung eines Diskurses darstellt (Wodak 2008: 6). Wir können also festhalten, dass Diskurse und soziale Praktiken nicht voneinander zu trennen sind. Erzählungen, Objekte und Phänomene sind allesamt diskursive und soziale Konstruktionen.

2.3.3 Die Regulierung des Diskurses Die in dieser Studie angestrebte Diskursanalyse setzt sich vor allem mit der Frage auseinander, inwiefern, unter welchen Bedingungen und mit welchen Konsequenzen ein Diskurs reguliert wird, welche Aussagen möglich (und des Weiteren sinnvoll resp. rational) sind und welche Ideologien durch potentielle Aussagen transportiert werden. Ausgehend von derartigen Fragestellungen bietet sich eine nähere Auseinandersetzung mit Foucaults Diskursverständnis an. Dabei lassen sich bei Foucault (1969) drei unterschiedliche Formen der Theoretisierung von Diskursen festmachen (Mills 2007: 6 – 7). Die erste beinhaltet die Konzipierung jener Aussagen als »Diskurs«, die über eine Bedeutung verfügen und Konsequenzen nach sich ziehen können (Mills 2007: 7). Die zweite Form wird ersichtlich, wenn er Diskurse (hier im Plural möglich) als eine regulierte Gruppe von Aussagen denkt. Mills (ebd.) interpretiert diese zweite Konzipierung als die innere kohärente und regulierte Struktur von Diskursen. Die dritte Form der Theoretisierung des Diskurses, im Übrigen die von Theoretikern am häufigsten rezipierte, wird von Mills (ebd.) beschrieben als »Regeln und Strukturen, die Äusserungen und Texte produzieren«, also als diejenige Ebene, auf welcher die Aussagen und ihre innere Kohärenz reguliert werden. Alle drei Formen sind nicht unabhängig voneinander denkbar, bedingen sich gegenseitig: Der Diskurs fungiert als regulierendes Moment und verfügt über eine innere Struktur, die bedingt, welche spezifische Aussage in einem spezifischen Moment gemacht wird. Aus diesem Verständnis leitet sich Foucaults grundlegende Frage ab, wieso in einem spezifischen Kontext eine ganz bestimmte Aussage erfolgt – und nicht etwa eine andere. Er geht davon aus, dass die Regulierung des Diskurses ist, dass in einem spezifischen Moment eine spezifische Aussage gemacht wird. Foucaults Diskurstheorie impliziert weiter, dass Diskurse nicht nur Aussagen regulieren (Was wird wie, wann und unter welchen Bedingungen sagbar?), sondern durch Aussagen selbst überhaupt erst ihre regulative Wirkung entfalten. In folgendem Ausschnitt (Emmerich 2006: 78) wird beschrieben, inwiefern die diskursive Regulierung der Produktion legitimer Aussagen schliesslich mit der Wahrheits- und Wissensproduktion zusammenhängt:

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Die Diskursanalyse beansprucht nicht, entscheiden zu können, ob das Wissen, das durch Verfahren der Ein- und Ausschliessung […] hervorgebracht wird, »wahr« oder »falsch« ist. Denn für Foucault kann nicht ausserhalb von Diskursen über die Wahrheit oder Falschheit entschieden werden. Aussagen gelten in der Perspektive der Diskursanalyse nicht deshalb als objektiv oder rational, weil sie Wirklichkeit sprachlich abbilden, sondern weil es diskursive Regeln gibt, nach denen Aussageordnungen produziert werden, die als objektiv und rational gelten.

Emmerich (ebd.) verweist in diesem Zusammenhang auf die Ordnung des Diskurses (Foucault 1971), welche den Sprachgebrauch und die Aussagen durch die Konstruktion von Sag- und Nichtsagbaren reguliert und somit die »Wahrheit« produziert bzw. bestimmt. Diskursive Regulierungen werden bei Foucault (z. B. 1975) des Weiteren nicht lediglich sprachlich verstanden, sondern durchaus auch materiell, beispielsweise in Form von Sanktionen resp. Bestrafungen. Regulierungen und diskursive Ordnungen deuten zwangsläufig immer auch auf Machtverhältnisse hin, weshalb Foucaults Diskursverständnis ganz besonders für die Ergründung des Themenkomplexes Integration und Sprache interessant ist; nicht zuletzt im Hinblick auf die Definitionsmacht eines Begriffes, der damit zusammenhängenden Kategorisierungsprozesse der Bevölkerung, etc. Foucaults Verständnis von Macht beschränkt sich allerdings nicht etwa auf die Vorstellungen, dass diejenigen, welche gesellschaftliche Machtpositionen innehaben, einen Diskurs bestimmen können, auch wenn ein Diskurs jeweils eng mit bestimmten Interessen und oftmals mit der Reproduktion bestehender (Macht-) Verhältnisse zusammenhängt. Vielmehr geht es ihm darum, dass sich die Machtinhaber und Entscheidungsträger im Diskurs besser zu positionieren vermögen, wodurch sie ihren Aussagen Gehör verschaffen und somit ihre Interessen verfolgen können. Der Diskurs wird dadurch zum »place of emergence, crystallization and materialization of the positioning of actors and institutions« (DuchÞne 2008: 30). Die Machtverhältnisse, welche einem spezifischen Diskurs inhärent sind, werden jedoch nicht von Anfang an ersichtlich, sondern erst »through the kinds of authors or subjects it creates« (Wetherell/Potter 1992: 80). Im Hinblick auf den Diskurs »Integration durch Sprache« werden die darin produzierten Autoren- und Subjektpositionen sowie Objektpositionen später näher beschrieben. Auch in Zusammenhang mit der Wissensproduktion spielt Macht eine zentrale Rolle. Was gesagt wird und am Schluss als Wissen, d. h. als einzig »Wahres«, angenommen wird, hängt mit den jeweiligen Machtverhältnissen und Ideologisierungsprozessen zusammen und ist niemals rein zufällig entstanden, wie dies auch bei Emmerich (2006: 78) angedeutet wird. Dies ist ein weiterer Punkt, der gegen eine »neutrale« Wahrnehmung von Diskursen spricht. Wahrheiten (produziertes Wissen) sind immer von partikularistischen Interessen geprägt

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(siehe hierzu Beispiele von Heller 1999 und Jaffe 1999) und durch den dominanten Diskurs reguliert. Die Regulierung durch den Diskurs übt Einfluss aus »on the construction of future knowledge and that it provides the context for the interpretation of action, as well as allowing this interpretation« (DuchÞne 2008: 25 f). Die diskursiven Regulierungen haben nicht nur unmittelbare, sondern durchaus auch längerfristige Konsequenzen für die Wissensproduktion. Was heute als Wissen und als »wahr« gilt, wird für nachfolgende Diskurse und Wissen eine der Möglichkeitsbedingungen darstellen. Foucaults Diskursverständnis spricht nicht nur die Regulierungsmechanismen des Diskurses und die damit einhergehenden resp. zusammenhängenden Machtverhältnisse an, sondern auch dessen historische Beschaffenheit. Somit kann man sich bei Foucault den Diskurs nicht in einem zeitlichen, kontextuellen oder politisch-ökonomischen »Vakuum« denken. Jeder Diskurs emergiert emergiert unter bestimmten (ermöglichenden sowie einschränkenden resp. regulierenden) Möglichkeitsbedingungen, während seine Entwicklung durch diskursive Ereignisse gekennzeichnet wird (dazu mehr in Kapitel 3; siehe auch DuchÞne 2008). Sein historizistisches Verständnis und das daraus resultierende genealogische Vorgehen für die Analyse von Diskursen legt Foucault in seinem Werk »L’arch¦ologie du savoir« (1969) dar. Ein Diskurs wird dabei behandelt als »the trace of a social practice that is institutionally, historically and ideologically situated« (DuchÞne 2008: 30; im Original nicht hervorgehoben). Die Diskursbildung und -entwicklung wird dabei weder linear noch kausal, sondern als dynamischer Prozess verstanden, der durch Brüche, Verschiebungen und Veränderungen gekennzeichnet ist (DuchÞne 2008: 25). Was im Endeffekt von Foucaults Diskurstheorie erinnert werden soll, ist zum einen die mehrfach geschichtete Auslegung von Diskurs als Ordnung. Dies beinhaltet zum einen den diskursiven Regulierungsmechanismus und zum anderen die durch solche Regulierungen determinierte Aussagen, die nicht zuletzt über eine innere Kohärenz und Struktur verfügen. Zum anderen wird deutlich, dass diese drei Ebenen des Diskurses weder unabhängig von Machtprozessen noch losgelöst von ihren historischen Entstehungsbedingungen betrachtet werden sollten. Im Hinblick auf die Analyse des Diskusrs »Integration durch Sprache« können somit bereits folgende Aussagen gemacht werden: Inwiefern Integration begrifflich definiert wird, ist immer auch durch die Regulierung des Diskurses determiniert. Dies bedeutet, dass Definitionen keineswegs zufällig entstehen, sondern vielmehr historische Produkte sind, welche durch bestimmte Bedingungen ermöglicht werden. Genauso ist zum Gegenstand der Integration produziertes Wissen weder dekontextualisiert noch neutral. Schliesslich geht es gemäss Foucault nicht nur darum, was in einem Diskurs gesagt wird, sondern auch wie etwas gesagt wird resp. wieso etwas auf eine bestimmte Weise formuliert wird – oder was eben nicht gesagt wird.

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Ideologie und Sprachideologie

Gerade die Foucaultsche Annahme der diskursiven Regulierung von Aussagen resp. die Regulierung des Sagbaren und Nicht-Sagbaren legt eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Ideologie nahe. Genauso wie »Diskurs« wird »Ideologie« in Wissenschaft und Gesellschaft auf unterschiedliche Weise verstanden und operationalisiert. Die hat mit der jeweiligen epistemologischen und ontologischen Positionierung zu tun. Aus diesem Grund soll als Erstes eruiert werden, inwiefern die Ideologie als theoretisches Konzept dem epistemologischen Verständnis dieser Studie entspricht. Hierfür wird insbesondere auf das Konzept des Common Sense (Gramsci 1971) zurückgegriffen, welches über ein besonders grosses Erklärungspotenzial für Ideologisierungsprozesse verfügt. In einem zweiten Schritt wird das theoretisch und epistemologisch verwandte Konzept der Sprachideologie und seine Bedeutung für die Analyse des Diskurses »Integration durch Sprache« erörtert.

2.4.1 Ideologie/ Common Sense Ideologie ist somit ein ähnliches diffuses Konzept wie Integration und Diskurs und ein durch die beliebige Anwendbarkeit in seiner Schärfe strapazierter Terminus, der zum Sammelbegriff für divergierende Ansichten geworden ist (siehe dazu Eagleton 1991; Silverstein 1998: 123; Williams 1983: 153 f). Dies lässt sich sowohl im wissenschaftlichen wie auch allgemeinsprachlichen Gebrauch feststellen. Im Folgenden soll jedoch lediglich die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs betrachtet werden. In den Sozial- und Geisteswissenschaften zum Beispiel kristallisieren sich vor allem zwei konträre Interpretationen heraus, wie von Blommaert (2005: 158) im Folgenden treffend beschrieben wird. [T]here are, on the one hand, authors who define ideology as a specific set of symbolic representations – discourses, terms, arguments, images, stereotypes – serving a specific purpose, and operated by specific groups or actors, recognisable precisely by their usage of such ideologies. On the other hand, there are authors who would define ideology as a general phenomenon characterizing the totality of a particular system or political system, and operated by every member or actor in that system […]. (Hervorhebung im Original)

Die erste Interpretation verweist auf die Weltanschauung einzelner Gruppen oder Akteure, wobei dies häufig negativ assoziiert ist, d. h. Ideologie wird mit einer »counterfactual, biased, partisan« (Blommaert 2005: 159) Auffassung gleichgesetzt. Die zweite Interpretation befasst sich weniger mit einzelnen Akteuren und/ oder Gruppem, vielmehr wird hier die Idee des gesellschaftlichen/

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politischen Systems als einheitliches ideologisches Konstrukt aufgegriffen. Dieses System reproduziert sich mittels der ideologischen »›grand narratives‹ characterizing its existence, structure, and historical development« (Blommaert 2005: 159). Da diese »grand narratives« (Meistererzählungen) immer auch einen exklusiven Anspruch auf die Wahrheitsbeschreibung haben, werden Prozesse der Neutralisierung und »Naturalisierung« von Phänomenen und Auffassungen als direkter Effekt von Ideologien verstanden.18 Ideologie wird so zum systemerhaltenden Common Sense, welcher sich als Wahrheit oder Wirklichkeit präsentiert, eigentlich aber ebenfalls historisch bedingt ist (Gramsci in Hall 1989: 80). In dieser zweiten Theoretisierung von Ideologie sehen wir denn auch eine klare Verbindung zu Diskursen, welche die »grand narratives« einer Gesellschaft und eines Systems regulieren und deshalb ahistorisch erscheinen. Genau wie die dynamischen und fluiden Diskurse entwickeln sich Ideologien stets weiter und kreieren neue, auf dem Common Sense basierende Annahmen, die sich ablösen oder gar verdrängen können, wobei der interdiskursive Charakter von Ideologien deutlich zu Tage tritt (Gramsci in Hall 1989: 85). Auch zeigt sich der Common Sense durchaus fähig, neue Erkenntnisse aufzunehmen und sich dem Zeitgeist anzupassen, so dass auch er sich ständig verändert (Gramsci 1971: 326). Die Untermauerung des Ideologiekonzepts mit demjenigen des Common Sense zieht zwei Konsequenzen nach sich. Erstens impliziert der Common Sense, dass sich Aushandlungen und Erörterungen einer bestimmten Annahme aufgrund ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit erübrigen (Eagleton 1994: 13). Solche als a priori akzeptierte Wahrheiten sind darum gerade Indiz für ideologische Konstruktionen. Als ideologisch konstruiert zu verstehen sind deshalb eigentlich alle » normal perceptions we have of the world as a system, the naturalised activities that sustain social relations and power structures, and the patterns of power that reinforce such common sense« (Blommaert 2005: 159). Die Frage, ob es auch gute Ideologien gibt, welche bei Blommaerts (2005) erster Interpretation der Ideologie impliziert mitschwingt, verliert somit an Relevanz. Umso relevanter wird die Erkenntnis, dass Ideologien, sich im Common Sense manifestierend, eng mit Machtprozessen verbunden sind; ein Beispiel hierfür ist z. B. die Legitimation von politischen Aktionen auf der argumentativen Grundlage von Common Sense (DuchÞne 2008: 27). Blommaert (2005: 158) schlägt diesbezüglich eine Gleichung zur Darstellung von Ideologie als Summe von Diskurs und Macht vor [Ideologie = Diskurs + Macht]. In zweiter Konsequenz entstehen durch die absoluten Wahrheitsansprüche des Common Sense 18 »Naturalisierung« nicht im Sinne von Einbürgerung, sondern von »natürlich«-machen, d. h. eine Begebenheit oder eine Auffassung wird als »ursprünglich«, »natürlich« oder »unumstösslich« präsentiert.

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Leerstellen, da solche Wahrheitsansprüche zwangsläufig den Ausschluss anderer Ideen nach sich ziehen, die mit der Wahrheit konkurrieren könnten. Aufgrund der Potenz solcher Ausschlussmechanismen problematisiert Bakhtin (in Morris 1994: 97) Ideologie als die Transformation einer einförmigen Lebensform in einen monologischen Diskurs, wodurch alternativen Ideen und Lebensformen kein Platz zugestanden und kein Gehör geschenkt wird. Den Ausschluss von Ideen, Konzepten und Phänomenen in Zusammenhang mit Sprachen beschreibt Irvine (2002; Irvine/Gal 2000) ihrerseit als »erasure«, d. h. als aktiven Prozess des Ausradierens oder Auslöschens »in which an ideology simplifies the sociolinguistic field« (Irvine 2002: 33; Hervorhebung im Original). Der Prozess der »erasure« kommt somit einer Reduktion der Berücksichtigung von potentiell relevanten Elementen, Akteuren oder Auffassungen gleich. Dies wiederum erinnert an die Diskurskonzeption Foucaults, dass Diskurse einerseits reguliert sind, andererseits aber auch selber eine regulierende Wirkung ausüben. Die beiden Konsequenzen (Naturalisierungen von Phänomenen als Common Sense, d. h. Ideologisierungen einerseits und Prozesse der »erasure« andrerseits) sind bezüglich Bedingungen und Auswirkungen miteinander verflochten. Erst durch ihr Wechselspiel wird die ideologische Wirkung der universellen oder zeitlosen Gültigkeit bestimmter Ansichten entfaltet (Woolard 1998: 10). Ideologien werden denn auch gerade nur mittels einer historischen und spezifischen Kontextualisierung ersichtlich, da dadurch ihre scheinbare Universalität konkret in Frage gestellt wird. In Zusammenhang mit Ideologien, »Wahrheiten« und Realitäten drängt sich nun eines der grössten Dilemmata der Ideologieforschung auf: Besteht überhaupt die Möglichkeit eines Jenseits von ideologischen Repräsentationen und Ideologisierungen? Es scheint zumindest möglich, scheinbar »Natürliches« zu problematisieren. Dies, indem man sich fragt, wieso etwas als natürlich/ universell/ zeitlos angesehen wird; wie, wieso und unter welchen Umständen es zu dieser spezifischen Ideologisierung gekommen ist; was im Gegenzug ausgeklammert und nicht thematisiert wird; und welche Interessen durch eine bestimmte Ideologisierung verfolgt werden, wer davon profitiert, wer hingegen nicht. Wie solche Prozesse im Hinblick auf Sprache(n), Sprachgebrauch, Spracheinstellungen und Sprachpolitik erfolgen und welche Konsequenzen nach sich ziehen können, soll im folgenden Abschnitt erörtert werden.

2.4.2 Sprachideologien Sprache fungiert in vielen Gesellschaften als nationales Emblem. Dies wird meistens auf Herders Ideal einer Nation und einer Sprache zurückgeführt, was in einer monokulturellen und einsprachigen Konzeption des Nationalstaates re-

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sultiert (Codo 2008: 7; Moyer/Martin Rojo 2007; Silverstein 1996). In der Schweiz gestaltet sich diese Identifikation der Nation mit einer Sprache etwas anders, da vier Sprachen als Nationalsprachen anerkannt sind (wobei nur drei davon als Amtssprachen: Deutsch, Französisch und Italienisch). Innerhalb der Sprachregionen dominieren dennoch einsprachige Ideale, wobei in Deutschschweizer Orten jeweils der Dialekt über ein enormes Identifikationspotenzial verfügt. Der Dialekt wird von der Deutschschweizer Bevölkerung als Emblem ihrer »Swissness« und als direkter Ausdruck derselben verstanden (Werlen 2005b; Watts 1999: 75). Diese Bedeutungszuschreibung hat jedoch nicht direkt mit sprachinhärenten Merkmalen zu tun, sondern ist das Resultat einer sprachideologischen Konstruktion. Als Sprachideologien bezeichnet man die Schnittstellen zwischen Ideologie(n), Sprache(n) und sozialen Praktiken (siehe auch Woolard 1998). Dabei formieren sich gesellschaftliche Vorstellungen über Sprachen im Allgemeinen und über Menschen im Hinblick auf Sprachzugehörigkeit, Sprachkenntnisse oder Sprachgebrauch, wie am Beispiel des Deutschschweizer Dialekts oben kurz umrissen wurde. Ideologien der Sprache beinhalten des Weiteren Rationalisierungs- oder Rechtfertigungsprozesse von solchen Vorstellungen (Silverstein 1979: 193), wie dies in Zusammenhang mit Ideologien im Allgemeinen bereits ausgeführt wurde. Auch in der Einleitung der Publikation wurde dargelegt, wie Sprache in einer homogenen und sprachlich definierten Gesellschaftskonzeption als regulierendes Instrument eingesetzt werden kann resp. wird. Für die Studie bietet nun das Konzept der Sprachideologie eine theoretische Perspektive, welche für die analytische Auseinandersetzung mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« einen Erkenntnisgewinn verspricht und das Konzept der Integration komplexer angehen lässt. Unter anderem werden durch die Thematisierung von Sprachideologien Fragestellungen produktiv, wie sie im Folgenden aufgelistet sind und in dieser Studie angesprochen werden: – Wie definiert sich eine Gesellschaft in Bezug auf die eigene Sprache? Werden andere Sprachen überhaupt zugelassen, anerkannt oder gar gefördert? – Ist eine Hierarchie unter den vorhandenen Sprachen festzustellen? Hat die Hierarchie sozio-politische Auswirkungen und wenn ja, welche? Wie sind Sprachkenntnisse beispielsweise mit Möglichkeiten sozialer Mobilität verbunden? – Was wird als Sprache gehandelt, was als Dialekt? Was sind die sozialen, ökonomischen und politischen Funktionen von Sprachen resp. Dialekten? – Wie definiert man eine Sprache in Bezug auf den Standard und/ oder vom Standard »abweichende« Varietäten? – Welche Sprache oder welcher Dialekt ist legitim? Und wer wird als legitim anzusehen, diese Sprache oder diesen Dialekt zu sprechen bzw. zu lernen?

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– Wieso spricht man im Kontext der Deutschschweiz von Diglossie und nicht etwa von Zweisprachigkeit? Was sind die Konsequenzen der jeweiligen Bennenungen der Sprachsituation (Diglossie versus Zweisprachigkeit) für Sprecherinnen und Sprecher der Sprachen, aber auch für den Erwerb derselben? Es wurde bereits angedeutet, dass sich solche Fragen für die vorliegende Studie in Zusammenhang mit der Deutschschweizer Sprachsituation anbieten. Dieses Beispiel soll nochmals kurz elaboriert werden, wobei die Integrationspolitik gleichfalls berücksichtigt werden soll. Meines Erachtens lassen sich Sprachideologien und ihre sozio-politischen resp. politisch-ökonomischen Konsequenzen im Kontext von Migration und Integration besonders gut herausschälen, weil sie teilweise explizit verbalisiert werden, sich in Praktiken materialisieren oder aber bestimmte Elemente verschwiegen werden (im Sinne der »erasure«). Personen »mit Migrationshintergrund« bieten denn auch eine Projektionsfläche für eine Vielzahl von Sprachideologien, die sich ausdrückt in Vorstellungen über Sprachkompetenzen und ähnliches. Schlagworte wie folgende illustrieren derartige sprachideologischen Vorstellungen: Sprachlosigkeit, Balkan-Slang, Gastarbeiterdeutsch, Sprachloyalität, Sprachlern(un)bereitschaft etc.). Es sind also nicht nur Vorstellungen zur Sprache oder zu Sprachen an und für sich, die in Sprachideologien enthalten sind, sondern auch – oder insbesondere – Vorstellungen über deren Sprecherinnen und Sprecher. So konstatieren Irvine/Gal (2000), dass Sprachideologien über die Beziehung zwischen bestimmten Personen und ihrer Sprache(n) etwas darüber aussagen, wie diese Personen generell und unabhängig von ihrem Sprachgebrauch eingeschätzt werden. Sie verweisen dabei auf die potentielle Variabilität im Sprachgebrauch, die von einem (imaginären) Standard abweichen kann: Participants’ ideologies about language locate linguistic phenomena as part of, and evidence for, what they believe to be systematic behavioral, aesthetic, affective, and moral contrasts among the social groups indexed. That is, people have, and act in relation to, ideologically constructed representations of linguistic differences. (Irvine/ Gal 2000: 37)

Sprachliche Vorstellungen gehen somit Hand in Hand mit Vorstellungen zu »behavioral, aesthetic, affective, and moral« Eigenheiten bestimmter Gruppen. Gerade im diglossischen Kontext der Deutschschweiz sind die oben aufgeführten Fragen zentral.19 Das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von Dialektkompetenzen entscheidet unter bestimmten Umständen über den sozialen Ein- oder Ausschluss, was unter anderem auch materielle Konsequenzen 19 Für eine detailliertere Besprechung der folgenden Ausführungen siehe Flubacher (2013).

Ideologie und Sprachideologie

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nach sich ziehen kann. Der Dialekt ist nicht nur Ausdruck einer Schweizer Identität, er wird auch als »natürliche« Sprache konzipiert, die nicht gelernt resp. gelehrt werden kann (Werlen 2004: 26). Aus dieser Ideologisierung resultiert die Vorstellung, dass man in das Sprachumfeld hinein geboren werden müsse, um sich den spezifischen lokalen Dialekt aneignen zu können. Der Dialekt wird somit zu einem sozialen Marker der geographischen Zugehörigkeit (Werlen 2005b), was sich des Weiteren in die soziale Akzeptanz übertragen lässt. Dass nun diese soziale Funktion der lokalen Dialekte in der neueren Gesetzgebung nicht reflektiert wird, wie zu einem späteren Zeitpunk im Detail dargelegt wird, deutet auf eine diskursive Leerstelle im ideologischen Sinn hin. Die Analyse von sprachideologischen Vorstellungen der Diglossie zeigt des Weiteren auf, dass der parallele Einsatz und Gebrauch von zwei Varietäten nicht (ausschliesslich) aufgrund linguistischer Umstände erklärt werden kann. Auch die im Deutschschweizer Kontext als mediale Diglossie beschriebene komplementäre Aufteilung der Verwendung von Dialekt (Mündlichkeit) und Standard (Schriftlichkeit) ist einem Wandel unterworfen. Dieser Wandel rührt nicht etwa von den sprachlichen Qualitäten der beiden Varietäten her, sondern hängt vielmehr mit sozialpolitischen Transformationen zusammen (siehe hierzu Schläpfer 1994; Werlen 2004). Ganz grundsätzlich wird durch die Linse der Sprachideologie die »neutrale« Konzeptualisierung der Diglossie nach Ferguson (1959) infrage gestellt. Laut Woolard/Schieffelin (1994: 96; siehe auch MartinJones 1989; Ricento 2000) handle es sich bei Fergusons Beschreibung nämlich schon um eine »ideological naturalization of sociolinguistic arrangements«. Eine Veranschaulichung was damit gemeint sein könnte, lieferten Blom/ Gumperz (1972) in ihrer Studie des »diglossischen« Sprachgebrauchs in einer norwegischen Ortschaft. Dabei stellten sie fest, dass der duale Gebrauch von zwei Varietäten nicht rein sprachlich erklärt werden könne. Anfänglich hatten sie die Vermutung, dass die Beibehaltung der beiden Varietäten in einer diglossischen Konstellation das Resultat von ungleich verteilten Sprachkenntnissen sei. Diesen »Verdacht« konnten sie in ihrem Feld allerdings nicht bestätigen, da die erwachsene Bevölkerung Zugang zu beiden Varietäten hatten. Ihre Schlussfolgerung lautete deshalb: »the explanation must lie in the social meaning of the two« (Blom/Gumperz 1972: 408). Die Aufrechterhaltung des als diglossisch bezeichneten komplementären Sprachgebrauchs in der Deutschschweiz beruht somit eher auf sozialpolitischen Bedingungen denn auf sprachlichen. Man könnte sich z. B. vorstellen, dass der Dialekt als identitätsstiftendes Gruppenmerkmal in Abgrenzung zu Deutschland beibehalten wird, während die ökonomische Anbindung an den deutschsprachigen Raum durch den Standard und die Schriftsprache gewährleistet wird. Aus diesen Gründen würde es sinnvoll erscheinen, über die sozialen Funktionen des Dialekts und des Standards zu reflektieren; insbesondere an-

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Theoretischer Rahmen

gesichts der »sprachlich« zu integrierenden fremdsprachigen Bevölkerung. Die Diglossie wird jedoch als »natürlicher« Sprachgebrauch angesehen, so dass die komplementäre Existenz von Dialekt und Standard scheinbar keiner weiteren Erklärung bedarf. Die Annahme dieser »Natürlichkeit« scheint sich nicht zuletzt darin niederzuschlagen, dass weder im nationalen Ausländergesetz noch im kantonalen Integrationsgesetz solche Aspekte thematisiert werden, obwohl dies zu erwarten wäre, gerade wenn darin die sprachliche Anpassung der ausländischen Bevölkerung reguliert wird. Die diglossische Sprachsituation der Deutschschweiz zieht nicht nur ideologische Konsequenzen nach sich, die in unterschiedlichen Formen des Ein- und Ausschlusses münden können, aufgrund der sozialen Funktion des Dialekts und des formellen Werts des Standards. Selbst die komplementäre Verwendung beinhaltet reelle Konsequenzen für Fremdsprachige, die mit den beiden Varietäten nicht vertraut sind. Der diglossisch sozialisierten Schweizer Bevölkerung erscheint der situative Wechsel zwischen den beiden Varietäten als »natürlich«. Für sie ist es z. B. selbstverständlich (also natürlich), dass zuhause Dialekt gesprochen, die Tagesschau am Fernsehen jedoch im Standard präsentiert wird. Für Fremdsprachige wird die sprachliche und pragmatische Anpassung an solch situative Wechsel durch die »Natürlichkeit« (im Sinne einer nicht explizit deklarierten Selbstverständlichkeit im Gebrauch der Varietäten) erschwert. Hinzu kommt, dass die Sprachwahl nicht nur auf der pragmatischen Einschätzung von spezifischen Situationen (formell: eher Standard; informell: eher Dialekt) und der daraus erfolgenden sprachlichen Ausführung beruht. Die Sprachsituation kann nämlich erst durch die Sprachwahl hinsichtlich der Formalität etabliert werden (Stevenson 1997: 38). Für Stevenson (1997: 38; Hervorhebung im Original) bedeutet dies: »this implicit negotiation is only possible where both participants share the same set of norms« und falls sie beide Varietäten beherrschen. Es ist gerade der implizite Charakter der diglossischen Sprachpraktik, welcher es Fremdsprachigen erschwert, die durch die Sprachwahl entstandenen Nuancen zu verstehen, geschweige denn zu reproduzieren. Dies kann der sozialen Akzeptanz Fremdsprachiger abträglich sein, aber auch Konsequenzen materieller Art nach sich ziehen. Sprachideologien bezüglich sprachlicher und pragmatischer Legitimität spielen in Situationen wie Vorstellungsgesprächen, Wohnungsbesichtigungen oder Bildungsinteraktionen eine nicht zu unterschätzende Rolle. In dem Sinne würde es sich anbieten, die Auswirkungen von Sprachideologien auf die Integration zu untersuchen, statt einseitig den Fokus auf die (fehlenden) Sprachkenntnisse der ausländischen Bevölkerung zu legen, wie das in der heutigen Integrationspolitik in der Schweiz und Basel praktiziert wird. Die Auswirkungen von Ideologien und Sprachideologien sind somit gerade im Gebiet der Integration zu berücksichtigen. Es gilt diejenigen Vorstellungen zu

Zusammenfassung

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hinterfragen, die mit Common Sense begründet und nicht näher erklärt werden. Der für diese Arbeit zentrale Common Sense lässt sich in der Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« lokalisieren, da der Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeiten und Integrationserfolg nicht mehr hinterfragt wird. Des Weiteren zeigt das Beispiel der diglossischen Sprachideologie auf, inwiefern die ausländische Bevölkerung an zweifache Grenzen stösst: Erstens wird der Dialekt im Allgemeinen nicht gelehrt, weil er für die Deutschschweizer Bevölkerung eine »natürliche« Sprache darstellt, die nicht institutionell vermittelt resp. erworben werden kann. Gleichzeitig ist der Dialekt das identitätsstiftende Idiom, welches nur bedingt mit Aussenseitern geteilt werden sollte. Zweitens birgt die sprachideologische Natürlichkeit der Diglossie Schwierigkeiten für Fremdsprachige, die sich mit der funktionalen Aufteilung der beiden Varietäten nicht zurechtfinden. Sprachideologien in Zusammenhang mit Fragen der Integration treten des Weiteren auf, wenn es um Sprachideale der Nation oder eines Kantons geht (siehe auch de Cillia 2001). (Sprach-) Ideologie als kritisches Konzept kann somit helfen, sich mit den Konsequenzen der Sprach- und Integrationspolitik auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, was als Common Sense in Debatten nicht mehr reflektiert wird und welche Leerstellen Konsequenzen (reelle und materielle) nach sich ziehen. Welche Sprachideologien in den Debatten über die Gesetze zu Tage treten, wird zu einem späteren Zeitpunkt deutlich werden (siehe Kapitel 4, 5 und 6).

2.5

Zusammenfassung

Nachdem Diskurs und Ideologie sowohl als theoretische als auch epistemologische Konzepte behandelt wurden, bietet es sich an, zum politischen Konzept der Integration zurückzukehren. Ausgangspunkt dafür ist die von Basel-Stadt in ihrem Integrationsgesetz präsentierte Definition von Integration. Diese Definition unterscheidet sich im Grossen und Ganzen nicht von derjenigen der Schweizer Regierung und gilt in dieser Arbeit als Basis für die Auseinandersetzung mit dem Konzept. Begriffe, Integrationsgesetz Basel-Stadt § 2. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, welcher sowohl die Einheimischen wie die Migrationsbevölkerung einschliesst. Integrationsmassnahmen beziehen sich auf das Individuum.

Diese Definition ist als operationalisierbare Handlungsanleitung (wen betreffen welche Massnahmen?) zu verstehen, wodurch gleichzeitig eine Positionierung zum Ausdruck gebracht wird. Diese besagt, dass Integration zwar als Prozess verstanden wird, jedoch als ein steuerbarer. In Anbetracht der vorhergehenden

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Theoretischer Rahmen

Diskussion wird somit ersichtlich, dass es sich bei dieser spezifischen Definition um eine diskursive Konstruktion handelt, die gewisse Ideologien in sich birgt. Bis in die 1990er-Jahren war es der Schweizer Bundesregierung z. B. gar nicht möglich, offiziell von Integrationspolitik zu sprechen; aus Angst, den Unmut der sich xenophobisch gebärdenden Bevölkerung auf sich zu ziehen. Die Integration als »gesamtgesellschaftlichen Prozess« zu beschreiben, wäre zu jenem Zeitpunkt unvorstellbar gewesen. In der Formulierung »Integrationsmassnahmen beziehen sich auf das Individuum« sind im Weiteren ideologische Formulieren erkennbar, die der (neoliberalen) Leistungsaktivierung und dem Prinzip des Gebens und Nehmens verpflichtet sind. Wie sich diese Definition präsentiert, entspricht somit den heutigen Vorstellungen und Konzeptionen in Bezug auf Integration und auf die ausländische Bevölkerung. Durch die neutrale und faktuelle Formulierung verschleiert diese Definition gerade diese Historizität und beansprucht vielmehr eine universelle Gültigkeit. Die Definition ist jedoch als historische Interpretation zu verstehen, die auf der einen Seite von spezifischen politisch-ökonomischen Bedigungen reguliert ist und auf der anderen Seite diskursiv zulässigen Aussagen entspricht. Eine derartige Perspektive hilft, den Diskurs »Integration durch Sprache« zu verstehen. Auch trägt es zur Analyse bei, wenn man sich den Hintergrund der Definitionsfindung ideologisch denkt. Das heisst, dass beispielsweise Ideologien zum Tragen kommen, die eine Sprache als Bestandteil und Voraussetzung der sozialen Kohäsion vorsehen. Das Zusammenspiel von Diskursen und Ideologien im Kontext von Integration gestaltet sich somit vielschichtig und in verschiedene Richtungen. Diskurs und Ideologie beeinflussen politische Prozesse und die Entstehung von Gesetzestexten aber auch deren Rezeption, Umsetzung und Reproduktion. Eine diskursive und ideologische Annäherung an das Konzept der Integration zeigt somit auf, inwiefern dieses kontextuell betrachtet werden muss. Wie sich eine Analyse in dieser Komplexität gestaltet, wird im nächsten Kapitel vorgestellt.

3

Datenerhebung und Datenanalyse

3.1

Datenerhebung

Für die Analyse des Diskurses liegen zwei Datensätze vor: Auf der einen Seite wurden diverse Gesetzestexte und die zu den Gesetzentstehungsprozessen gehörenden relevanten Dokumente zusammengetragen, auf der anderen Seite wurden Interviews mit Expertinnen und Praktikern im Bereich der Migration/ Integration durchgeführt. Diese beiden Datensätze werden im Folgenden getrennt voneinander behandelt, sowohl in Bezug auf ihre Erhebung wie auch auf die Analyse. Dieses zweigleisige Verfahren hängt mit den zwei übergreifenden Forschungsfragen zusammen: Wie ist es in den Gesetzen zur heutigen Fokussierung auf die Sprache als Indikator und Voraussetzung der Integration gekommen? Wie interpretieren Expertinnen und Experten den Diskurs der Praxis, der sich aus dem Sprachartikel ableitet, sowie die damit einhergehenden Konsequenzen und wie positionieren sie sich darin/ dazu? Auch wenn sich Erhebung und Analyse der Daten unterscheiden, bleibt die Analyse beider Datensätze einem foucaultschen Verständnis verpflichtet. Dies bedeutet, dass in beiden Fällen Aussagen, Texte und diskursive Ereignisse kritisch hinterfragt und historisch betrachtet und nicht als zufällige Produkte hingenommen werden. Im Gegenteil, es wird davon ausgegangen, dass es eine diskursive Logik gibt, welche Möglichkeitsbedingungen schafft, aber auch darüber entscheidet, welche Aussagen realisiert werden und welche nicht. Im Folgenden soll zunächst beschrieben werden, welche Daten für die Annäherung an die Quaestio erhoben wurden und wieso. Dabei soll jeweils berücksichtigt werden, 1) in welchem Kontext die Daten erhoben wurden, 2) wie sie erhoben wurden resp. wie sich der Zugang zu den Daten (oder im Kontext der Interviews der Zugang zu den interviewten Personen) gestaltet hat und 3) wieso sie relevant sind resp. welche Aussagen darüber gemacht werden können. In einem weiteren Schritt wird ausgeführt, wie die Analyse dieser Daten realisiert wurde, d. h. aufgrund welcher Methoden und mit welchen Analysekonzepten.

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Datenerhebung und Datenanalyse

Bei dieser Gelegenheit soll kurz erläutert werden, weshalb im Rahmen dieser Publikation nicht von »Sammlung« sondern vielmehr von »Erhebung« von Daten gesprochen wird. »Sammeln« ist m. E. mit der positivistischen Vorstellung assoziiert, dass Daten den Forscherinnen und Forschern quasi zur Verfügung stehen. Dem gegenüber vermittelt der Terminus »Erheben« einen aktiveren Part aufseiten der forschenden Person. Im epistemologischen Rahmen dieser Publikation wird die Erhebung von Daten als interaktiver und von KoKonstruktion abhängender Prozess konzipiert – vor allem in Zusammenhang mit Interviews, wie weiter unten näher beleuchtet wird. Zudem werden Daten nicht als a priori definierte Einheit verstanden, da jegliche Art von Text oder Interaktion Relevanz und Gültigkeit für die Beantwortung der Forschungsfragen haben könnte. Forschungsfragen, Datenerhebung und Analyse hängen somit eng zusammen, bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Die epistemologische Verankerung durchdringt alle drei Elemente und bringt sie in einen diskursiven Zusammenhang.

3.1.2 Die Gesetzesdaten für die Analyse Dem Entstehungsprozess der Gesetze kommt bei der Analyse des Diskurses »Integration durch Sprache« eine zentrale Rolle zu. Zu diesem Zweck werden nicht nur die entsprechenden Gesetze resp. Artikel berücksichtigt, sondern auch die für den Gesetzentstehungsprozess relevanten Dokumente, Debatten etc., dies aufgrund der Erkenntnis, dass ein Gesetzestext stets in einen diskursiven politischen und gesetzgeberischen Prozess eingebettet ist. Die Ausgangslage für die Erhebung der Daten bietet die Forschungsfrage nach der Emergenz des Diskurses »Integration durch Sprache« und seiner Materialisierung in den Gesetzen. Mittels der erhobenen Daten sollen folgende Fragen beantwortet werden können: Unter welchen Bedingungen sind die Gesetze entstanden? Welche Interessen wurden von wem verfolgt, welche Positionen wurden dabei von wem eingenommen? Welche (Sprach-) Ideologien werden in den Dokumenten und Debatten ersichtlich? Wie haben sich die diskursiven Umbrüche manifestiert? Wie gestalten sich die Konsequenzen der diskursiven Entwicklung und für wen? Wie sind die Entwicklungen auf nationaler und kantonaler Stufe verlaufen und welche Divergenzen/ Konvergenzen lassen sich dabei ausmachen? Die Datenerhebung und die Analyse beruhen auf der Prämisse, dass sich der Diskurs »Integration durch Sprache« in den Gesetzen resp. in spezifischen Artikeln materialisiert, wobei gleichzeitig ganz bestimmte politische Ziele und ideologische Interessen verfolgt und umgesetzt werden. Die Analyse soll ermöglichen herauszufinden, ob die Gesetze tatsächlich auf die Sprachkompetenzen resp. die Integration der ausländischen Bevölkerung abzielen – oder ob es

Datenerhebung

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vielleicht um etwas anderes geht? Deshalb steht, gemäss der Diskursanalyse Foucaults, nicht nur der Versuch an zu beschreiben, was sich zugetragen hat, sondern vielmehr, »unter welchen Umständen, Bedingungen und Voraussetzungen, nach welchen Regeln, Vorlieben und Verfahrensweisen« (Konersmann 2010 [1991]: 87) sich dieser Diskurs hervorgetan und etabliert hat. Es wird somit zugleich eine kritische wie auch genealogische Analyse von Gesetzesdaten angestrebt. Welcher Zeitraum für die Analyse eines bestimmten Diskurses der entscheidende ist, wird einerseits durch das spezifische Forschungsinteresse dieser Studie determiniert, andererseits durch den Zeitpunkt der für die Entwicklung des Diskurses relevanten diskursiven Ereignisse. Diese weisen eine innere Kohärenz auf, indem sie eben die diskursive Entwicklung (inkl. Umbrüche oder Verfestigungen) und somit deren Möglichkeitsbedingungen illustrieren. In Anbetracht der diskursiven Ereignisse, die zur gesetzlichen Materialisierung des Diskurses geführt haben, erscheint die zeitliche Eingrenzung zwischen 1998 und 2008 sinnvoll. Nach einer ersten Auseinandersetzung mit der Thematik Sprachförderung/ -forderung im Kontext der Integrationspolitik sind die entsprechenden diskursiven Ereignisse (Vorstösse, Debatten, etc.) in dieser Dekade erfolgt. 1998 wurden die Motionen eingereicht, in denen Sprache als Schlüssel zur Integration betitelt wurde; 2008 wurden das AuG und das Basler Integrationsgesetz verabschiedet. In beiden Gesetzen ist ein Artikel vorhanden, der den Behörden die Möglichkeit eröffnet, die Erteilung oder Verlängerung der Kurz-/ Aufenthaltsbewilligung an die Bedingung oder Auflage zu koppeln, einen Sprach- oder Integrationskurs zu besuchen. Der aus diesem Grunde »Sprachartikel« genannte Passus verknüpft die Konzeptualisierung von Sprachkenntnissen als Integrationskatalysator mit rechtlichen Auflagen, die in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden. Obwohl sich die Möglichkeitsbedingungen für den Diskurs bereits vor 1998 gebildet haben, wird jeweils nur fallweise auf entsprechende Entwicklungen verwiesen. In beiden Instanzen, national sowie kantonal, gibt es entsprechende gesetzliche oder institutionelle wegbereitende »Vorläufer«-Texte, die als Daten zu berücksichtigen sind. Auf nationaler Ebene ist dies das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, kurz ANAG genannt, aus dem Jahr 1931, welches mehrmals, so z. B. 1998, revidiert wurde. Auf kantonaler Ebene ist es das 1999 veröffentliche offizielle Basler Integrationsleitbild, welches zwar über keine gesetzliche Konsequenz verfügte, aber im Integrationsgesetz in bedeutendem Umfang umgesetzt wurde. Im Kontext der beiden »Vorläufer« gab es wiederum entsprechende parlamentarische Vorstösse (Motionen im Ständeund Nationalrat; Anzug/ Motion im basel-städtischen Grossen Rat), worin die gesetzliche Förderung von Sprachkenntnissen oder aber die gesetzliche Verankerung von Integration gefordert wurde. Dieser lange Weg von Kommissions-

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Datenerhebung und Datenanalyse

arbeiten, Vernehmlassungen und Abnahmeverfahren, welchen Leitbilder, Verordnungen und Gesetzestexte bis zu ihrer Umsetzung durchlaufen, darf nicht unterschätzt und sollte für eine Analyse entsprechend berücksichtigt werden (Sancar-Flückiger 1999). Folgende Tabellen liefern eine Übersicht der für die Analyse als Daten hinzugezogenen Unterlagen, Dokumente, Gesetzestexte, Protokolle und Aufnahmen. Da sich die Diskursentwicklung jeweils in zwei Ereignissen materialisiert, wurde für jedes diskursive Ereignis auf nationaler wie kantonaler Ebene eine separate Tabelle erstellt. Die Folgende Tabelle 2 illustriert den nationalen Datensatz für die Analyse der Motionen als erstes diskursives Ereignis, in welchem die Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« erscheint und der Diskurs quasi begründet wird. Hervorgehoben werden in den nachfolgenden Tabellen jeweils diejenigen Daten, welche über eine besondere Relevanz für die diskursive Entwicklung zu verfügen scheinen und deshalb im Folgenden vertiefter behandelt werden. Tabelle 2: Übersicht über Daten zum ersten nationalen diskursiven Ereignis (Motionen Simmen und Bircher) Bedeutung für Analyse Vorläufer des AuG; beinhaltet den »Integrationsartikel« 25a Enthält Kernaussagen zur Bedeutung des Integrationsartikels (Art. 25a ANAG) 17. 06. 1997 – Fokus der Analyse liegt auf Wort26. 06. 1998 meldungen, welche Art. 25a betreffen Motion Simmen (Ständerat): Förde- 07. 10. 1998 Erster expliziter Verweis auf die Sprache als Schlüssel zur Integration rung landesüblicher Sprachkenntnisse bei der ausländischen Bevölkerung 08. 10. 1998 Fast identischer Wortlaut wie Motion Motion Bircher (Nationalrat): AusSimmen ländische Wohnbevölkerung. Förderung der Sprachkenntnisse Behandlung der Motionen im 30. 11. 1998 – Schriftliche Stellungnahme des BunSchweizer Parlament (Stände- und 14. 06. 2000 desrates zu den Motionen Simmen und Bircher; Wortprotokolle von Nationalrat) Stände- und Nationalrat Zusammenfassung der Erledigung 1998 Überblick über die parlamentarische des Geschäfts »Asylgesetz und ANAG. Behandlung der Revision ANAG in beiden Räten Änderung« Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) 01. 10. 1999 Regelt die Bundesbeteiligung in der Integrationspolitik Verordnung über die Integration von 13. 09. 2000 Regelt die Implementierung des Integrationsartikels (gestützt auf Ausländerinnen und Ausländern Art. 25 Abs. 1 lit. i und Art. 25a (VIntA) ANAG)

Titel Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des ANAG Wortprotokolle der Parlamentssitzungen (Stände- und Nationalrat)

Datum 26. 03. 1931 – 31. 12. 2007 04. 12. 1995

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Datenerhebung

Beim zweiten diskursiven Ereignis auf nationaler Ebene wurde der Gesetzentstehungsprozess in möglichst vollem Umfang beleuchtet. Da sich dieser jedoch enorm langwierig und vielschichtig gestaltete, musste für die Analyse eine Einschränkung vorgenommen werden: Es wurden vornehmlich diejenigen Unterlagen oder Momente berücksichtigt, in denen die Sprache als Bestandteil der Integrationspolitik thematisiert wurde. Gleichzeitig stand der Versuch an, die diskursive Entwicklung der Gesetzgebung insgesamt nicht ausser Acht zu lassen. Welche Daten für die genealogische Analyse des Sprachartikels des AuG beigezogen wurden, zeigt die folgende tabellarische Übersicht 3: Tabelle 3: Übersicht über Daten zum zweiten nationalen diskursiven Ereignis (Sprachartikel AuG) Titel Begleitbericht zum Entwurf für ein Bundesgesetz für Ausländerinnen und Ausländer Entwurf Bundesgesetz für Ausländerinnen und Ausländer Vernehmlassungsergebnis

Datum Juni 2000

Bedeutung für Analyse Argumentarium der Regierung für den Vernehmlassungsprozess

Juni 2000

Entwurf für die Vernehmlassung

15. 06. 2001

Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer Wortprotokolle der Parlamentssitzungen Abstimmungsbüchlein zur Volksabstimmung über das AuG

08. 03. 2002

Medienmitteilung des EJPD mit einer Zusammenfassung der Vernehmlassung Argumentarium des Bundesrats und der verantwortlichen Bundesstelle (BFM) zum Gesetzesentwurf Wortmeldungen in welchen die Sprache thematisiert wird Stellungnahmen für und gegen Annahme des Gesetzes

05. 05. 2004 – 16. 12. 2005 24. 06. 2006 (Datum Abstimmung) Bundesetz über die Ausländerin- 01. 01. 2008 nen und Ausländer : Sprachartikel (Art. 54 AuG) Verordnung über die Integration 13. 09. 2000 von Ausländerinnen und Auslän- (Stand am 25. 10. 2005) dern (VIntA) Bericht Integrationsmassnahmen 30. 06. 2007 Verordnung über die Integration 24. 10. 2007 (Stand am von Ausländerinnen und 01. 01. 2008) Ausländern (VIntA)

Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache« Seit 2000 revidierte Fassung der VIntA Wegweisend für die Revision der VIntA In Übereinstimmung mit dem AuG revidierte VIntA

Auf kantonaler Ebene gestalten sich die Daten bezüglich Form und Funktion ähnlich. Diesbezüglich unterscheidet sich die kantonale Ebene nicht von der nationalen, um die Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache« im Sprachartikel des Basler Integrationsgesetzes zu analysieren. Die Unter-

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Datenerhebung und Datenanalyse

schiede sind teilweise strukturell bedingt (durch die föderalistische Struktur des Schweizer Politsystems), doch drücken sie sich vor allem inhaltlich aus. Die folgende Tabelle 4 führt auf, welche Dokumente und Unterlagen zur Beleuchtung des ersten kantonalen diskursiven Ereignisses gedient haben: Tabelle 4: Übersicht über Daten zum ersten kantonalen diskursiven Ereignis (Integrationsleitbild Basel-Stadt) Titel Anzug Goepfert und Konsorten betreffend Massnahmen für eine bessere Integration der ausländischen Wohnbevölkerung Begleitwort zum Integrationsleitbild Integrationsleitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt Anzug Bochsler und Konsorten zur Einsetzung einer Spezialkommission zur Prüfung des Leitbildes Bericht der »Spezialkommission Integrationsleitbild« Tonaufnahmen der Grossratssitzung

Datum Bedeutung für Analyse 26. 06. 1997 Parlamentarischer Anstoss für die Regelung der Integrationspolitik 24. 08. 1999 Offizielles Begleitwort des damaligen Departementsvorstehers 24. 08. 1999 Offizielles Leitbild der Basler Regierung zur Integrationspolitik 16. 12. 1999 Der Grosse Rat wurde bei der Verfassung des Leitbildes übergangen 14. 12. 2000 Das Leitbild wird geprüft 17. 01. 2001 Diskussion des Berichts; Fokus der Analyse liegt auf Wortmeldungen, die »Sprache« thematisieren

Das zweite diskursive Ereignis auf kantonaler Ebene wird im Sprachartikel des Basler Integrationsgesetzes festgemacht. Dabei wurde auf folgende Dokumente, Aufnahmen und Unterlagen zurückgegriffen (Tabelle 5): Tabelle 5: Übersicht über Daten zum zweiten kantonalen diskursiven Ereignis (Sprachartikel Integrationsgesetz Basel-Stadt) Titel Motion Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern Behandlung des Anzugs im Grossen Rat

Datum 20. 09. 2000

Bedeutung für Analyse Parlamentarischer Anstoss für ein Integrationsgesetz – in Anzug umgewandelt

18. 10. 2000 – 18. 04. 2007

Stellungnahmen, Überweisungen, Berichte, Ratschläge zum Gesetzesentwurf, Lesungen von Entwürfen des Integrationsgesetzes; Wortprotokolle Nachfolgekonzept des Integrationsleitbildes

Aktionsplan 2004 – 2007 Integrati- 24. 11. 2003 onsmassnahmen Basel-Stadt

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Datenerhebung

(Fortsetzung) Titel Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz): Sprachartikel (Art. 5) Verordnung zum Gesetz u¨ ber die Integration der Migrationsbevo¨ lkerung (Integrationsverordnung, IntV)

Datum In Kraft ab 01. 01. 2008

Bedeutung für Analyse Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

18. 12. 2007 (in Kraft ab 01. 01. 2008)

Reglementiert die Implementierung des Integrationsgesetzes

Die Gesetzesentstehungsprozesse des AuG und des Integrationsgesetzes bilden somit den Kern der Datenerhebung, wobei der Fokus der Analyse jeweils auf diejenige Momente gerichtet bleibt, in denen die Sprache als Element der Integrationspolitik oder des Integrationsprozesses thematisiert wird. 3.1.2.1 Zugang zu den Gesetzesdaten Bei institutionellen Daten wie denjenigen eines Gesetzentstehungprozeses, ist der Zugang ein entscheidendes Selektionskriterium. Für den Zugang zu den oben aufgeführten Gesetzesdaten erwiesen sich die Webportale der nationalen und kantonalen Verwaltungen und Parlamente als nützliche und zuverlässige Datenquellen. Die Webportale bieten Zugriff auf Gesetze, Verordnungen, Protokolle und weitere dazugehörige Dokumente. Auf Bundesebene lassen sich diese Texte auf der Webseite des Schweizer Parlaments finden.20 Auf dieser Seite sind für die einzelnen »Geschäfte« (Initiativen, Motionen, Vorstösse etc.) in den meisten Fällen zudem Wortprotokolle der parlamentarischen Debatten, Illustrationen zum Ablauf des Gesetzentstehungsprozesses, Botschaften des Bundesrates, Zusammenfassungen von Verhandlungen u. ä. zu finden. Kurzum, das Schweizer Parlament veröffentlicht seine Geschäfte, Verhandlungen und Debatten – zumindest des bei Goffman (1956) als »front stage« bezeichneten Bereichs der Schweizer Parlamentspolitik. Was sich im »back stage« oder hinter geschlossenen Kommissionstüren abspielt, kann auf diesem Weg selbstverständlich nicht erschlossen werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Zugang zu den kantonalen Gesetzesdaten über die Webseite des kantonalen Parlaments (Grosser Rat des Kantons BaselStadt), wobei die Informationen zu den Basler Regierungsgeschäften spärlicher ausfallen, vor allem bei Geschäften älteren Datums.21 Oftmals lassen sich zu den einzelnen Parlamentsgeschäften nur Gesetz und Verordnung finden, eventuell 20 http://www.parlament.ch [Letzter Zugriff: 04. 10. 2013]. 21 http://www.grosserrat.bs.ch/de/geschaefte-dokumente [Letzter Zugriff: 04. 10. 2013].

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Datenerhebung und Datenanalyse

ein Schreiben der Regierung oder ein Kommissionsbericht. Schriftliche Protokolle und Tonaufnahmen von älteren Grossratsdebatten sind jedoch nur im Basler Staatsarchiv öffentlich zugänglich. Besonders bei älteren Debatten sind die Tonprotokolle hilfreich, weil sich oftmals in den schriftlichen Protokollen lediglich Verweise auf die Reihenfolge der Sprecherinnen und Sprecher finden lassen. Dies bedeutet, dass ältere Dokumente noch nicht digitalisiert vorhanden sind und schriftlich in Kopie bestellt werden müssen. Die Beschränkung der Daten auf die »front stage« des Gesetzentstehungsprozesses entspricht einerseits der Zugänglichkeit, anderseits respektiert dies Foucaults Regel der Äusserlichkeit (1969), die besagt, dass man vor allem den äusseren Möglichkeitsbedingungen des Diskurses Beachtung schenken sollte. Das heisst, dass vor allem die äussere Erscheinung und die Regelhaftigkeit eines Diskurses (Foucault 1969) in Gesellschaft und Politik emergiert, operiert, sich manifestiert und entwickelt. »Innere« Möglichkeitsbedingungen treten in den offiziellen Berichten und Parlamentsdebatten dennoch zu Tage, zum Beispiel in Form von verbalisierten Ideologien oder von sich in geäusserten Formulierungen manifestierenden Interessen. Natürlich sind die inneren Bedingungen mit der »äusseren« Erscheinung des Diskurses verbunden, da diese determiniert, wie sich der diskursive Raum gestaltet, was oder wer darin Platz zugesprochen bekommt und was möglich und denkbar wird. 3.1.2.2 Gesetze als institutionelle Textsorte Gesetze sind eine spezifische Textsorte, die über eine spezifische Funktion verfügen (siehe z. B. Gansel/Jürgens 2007 für Textlinguistik). Es handelt sich um einen institutionell definierten Text (Grosse 1976), der normativ und präskriptiv zugleich ist, da er für seine Adressaten rechtliche Konsequenzen haben kann, so bei Nichtbeachtung oder Übertreten des im Gesetz festgehaltenen Inhalts. Die in einem Text verwendete Sprache stellt in der Textlinguistik ein weiteres definierendes Charakteristikum für eine Textsorte dar. Bei Gesetzen lässt sich feststellen, dass keine alltägliche Sprache verwendet wird, sondern ein juristisches Register. Hierzu gehören juristische Termini wie »Artikel«, »Paragraph« etc.; genauso wie bestimmte Formulierungen oder aber Referenzen auf andere Rechtstexte wie z B. die Bundesverfassung, Bundesgesetze. Aufgrund von Funktion und Sprache wird das Gesetz der juristischen Textsorte zugeordnet (Busse 2000). Durch die Normativität des Textes ist die Sprache somit nicht nur in ihrer Form juristisch, sondern auch in ihrer Funktion. Dies äussert sich darin, dass die Verwendung von bestimmten Formulierungen spezifische Auslegungsmöglichkeiten der Gesetze bewirken kann. So macht es einen Unterschied, ob im Sprachartikel des AuG ausformuliert wird, dass die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung mit einer Bedingung verbunden werden kann, aber nicht

Datenerhebung

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soll oder muss. Da die Gesetzestexte in ihrer Entstehung und bis ins letzte Detail geregelt sind, handelt es sich bei ihnen auch um institutionelle Texte. Die Normativität der Gesetze leitet sich denn auch im Endeffekt vom institutionellen Charakter des Textes ab und nicht vom verwendeten juristischen Register, wie Busse (2000) in seinem Artikel zu »Textsorten des Bereichs Rechtswesen und der Justiz« argumentiert. Er dekonstruiert die gängige Typisierung der juristischen Textsorte, wie sie oben angedeutet wurde (juristische Sprache, Referenzen etc.). Vielmehr verweist er auf die Funktion juristischer Texte (so auch Gesetz und Verordnungen), die nicht primär aufgrund ihrer Sprache erkannt werden können. Im Gegenteil, es werden Kenntnisse des institutionellen Charakters eines bestimmten Textes vorausgesetzt, um ihn als normativ zu erkennen (Busse 2000: 660): Offenbar bedarf es einer vorgängigen Kenntnis der zu erwartenden Funktion eines normativen Textes in einer institutionell vorgeprägten Handelssituation, um die Funktion der Gesetzestexte überhaupt näher bestimmen zu können. Nicht durch den sprachlichen Charakter, sondern durch ihre Rolle in einem institutionellen Handlungszusammenhang bekommen Gesetzestexte ihre ›normative Funktion‹.

Somit beschreibt Busse den institutionellen Charakter der Texte als Voraussetzung, die mit dem Text verbundene Funktion überhaupt zu erkennen. Ein bestimmter Text wird folglich nicht aus sprachinhärenten Merkmalen als Gesetz erkennbar, sondern auf Grund seiner institutionellen Einbettung und den (durch Institutionalisierungs- und Konventionalisierungsprozessen) mit Gesetzen assoziierten Merkmalen. So verfügt ein Gesetz über typische sprachliche und typographische Merkmale wie Layout, die Verwendung von Paragraphenzeichen oder ähnlichen Markern, die Kennzeichnung von Abschnitten als Artikel und Absätze etc. Busse merkt diesbezüglich an, dass beispielsweise die Statuten eines Vereins über ähnliche Merkmale verfügen ohne dass sie den Gesetzestexten zugeordnet werden könnten. Seine Argumentation problematisiert somit zirkuläre Erklärungsmuster von Textsorten, mit ihren Funktionen und Charakteristiken. Gleichzeitig plädiert er dafür, Gesetze als kontextualisierte und institutionell verankerte Texte zu verstehen. Dies bedeutet wiederum, dass Gesetzestexte historische Produkte nicht nur diskursiver Entwicklungen sind, die durch Ideologien und Praktiken genährt werden, sondern auch mit institutionellen Praktiken und Interessen verbunden sind. Der Gesetzestext ist dadurch als sozial kodiertes Produkt zu lesen und nicht als neutrales Produkt eines abstrakten, zeitlosen Entstehungsprozesses.

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Datenerhebung und Datenanalyse

3.1.2.3 Gesetzgebungsverfahren Ein Gesetzestext ist somit das Resultat einer institutionalisierten Textproduktion, welche die Normativität des Textes erst bedingt. Bis die Normativität des Textes seine Geltung entfalten kann, durchläuft ein Gesetz von seiner Konzipierung bis zur Inkraftsetzung mehrere institutionelle Stationen, bis es in der textbasierten Schweizer Rechtsprechung seine Gültigkeit hat. Auf nationaler Ebene ist dieses Gesetzgebungsverfahren klar definiert, wie im Internet auf der Webseite des Parlaments schematisch abgebildet ist (siehe auch Keller 2008: 39 – 69).22 Anhand des Schemas des Gesetzgebungsverfahrens wird ersichtlich, dass nach einem Anstoss (sei dies durch eine Volks-, Standes- oder parlamentarische Initiative oder Motion) das Anliegen zum Bundesrat gelangt (nach Vorabklärung und Ämterkonsultation; siehe Bundesamt für Justiz 2000). Der Bundesrat gibt dem entsprechenden Bundesamt den Auftrag, einen Vorentwurf des Gesetzes zu erstellen. Danach wird dieser Entwurf im Rahmen eines Vernehmlassungsprozesses besprochen, kritisiert, modifiziert etc. (siehe dazu Zogg 1988). Zur Vernehmlassung eingeladen sind beispielsweise die Schweizer Parteien, Interessensverbände, vom Gesetzerlass betroffene Organisationen (z. B. NGOs) sowie mit der Materie vertraute Expertinnen und Experten. Die im Vernehmlassungsprozess entstandenen Impulse oder geäusserten Kritikpunkte können in eine neue Version des Gesetzes einfliessen, müssen aber nicht. Welche und wessen Impulse rezipiert werden und welche hingegen nicht, kann die Bundesverwaltung resp. das für das Gesetzgebungsverfahren verantwortliche Amt entscheiden. Der zweite Gesetzesentwurf wird mittels einer Botschaft des Bundesrats an das Schweizer Parlament übergeben, wo er in beiden Räten (National- und Ständerat) besprochen wird: zuerst in den zuständigen Kommissionen der Räte, danach im Plenum. Bei allfälligen Differenzen zwischen den Räten über Annahme oder Ablehnung des Gesetzes oder bei Modifikationswünschen und Änderungsanträgen wird ein Kompromiss gesucht, um den Gesetzestext in einer Schlussabstimmung in beiden Räten verabschieden zu können. Über diese letzte Version wird schliesslich bei einer allfälligen Volksabstimmung abgestimmt. Eine Volksabstimmung kann aus zwei Gründen erfolgen: Entweder aufgrund des obligatorischen Referendums oder aufgrund eines fakultativen. Das obligatorische Referendum kommt zum Tragen, wenn in der Bundesverfassung eine Änderung vorgenommen wird (BV, Art. 140). Das fakultative Referendum kommt dann zustande, wenn »50’000 Stimmberechtigte oder acht Kantone in-

22 http://www.parlament.ch/d/dokumentation/dossiers/Documents/Schema-d.pdf [Letzter Zugriff: 04. 10.2013].

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nerhalb von 100 Tagen seit der amtlichen Veröffentlichung des Erlasses« (BV, Art. 141) eine Volksabstimmung zum verabschiedeten Gesetz verlangen. Diese Beschreibung des Gesetzentstehungsprozesses ist schematisch und stark simplifiziert, wie auch im erläuternden Gesetzgebungsleitfaden des Bundesamts für Justiz (2008: 4 – 11) dargelegt wird. Anhand eines Entscheidungsdiagramms werden im Leitfaden mögliche Gesetzgebungsprozesse mit ihren unterschiedlichen Phasen dargestellt, was besonders die Bundesämter (auch Fachämter) und Departemente betrifft. In dieser Darstellung rücken Arbeitsgruppen und Kommissionen ins Zentrum des Ausarbeitungsverfahrens. Trotz der institutionalisierten Regulierung des Vorgehens hängt die Ausarbeitung des Gesetzes und der darin verwendeten Formulierungen somit stark von den involvierten Akteuren und den von ihnen verfolgten Interessen ab. Diese Akteure verfassen die Vorlage, aufgrund derer die Parlamentarierinnen und Parlamentarier debattieren. Von den Parlamentsmitgliedern werden auch ideologisch motivierte Partikularinteressen verfolgt und vertreten. Es ist gerade die Art und Weise, wie diese »front stage«-Interessen formuliert werden und welche Ideologien dabei zu Tage treten, die für die vorliegende Studie von analystischem Interesse ist, was wiederum mit den äusserlichen Möglichkeitsbedingungen des Diskurses zusammenhängt (Foucault 1969). Die Motion ist ein möglicher Auslöser für die Revision oder Schaffung eines Gesetzes. So wurden auch für die Ausformulierung des Integrationsartikels (25a ANAG) zwei Motionen eingereicht. 1998 wurden je in National- und Ständerat auf Bundesebene eine Motion eingereicht, welche beide für die Ausgestaltung des Diskurses »Integration durch Sprache« prägend waren. Aus diesem Grund soll im Folgenden die institutionelle Besonderheit der Motion kurz erläutert werden. Die Motion als Auslöser des Gesetzgebungsprozesses ist ein klar definiertes politisches Instrument der nationalen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, wie dies im Bundegesetz über die Bundesversammlung (kurz: Parlamentsgesetz oder ParlG, Art. 120 – 122) dargelegt wird. Mittels einer Motion wird der Bundesrat beauftragt, »einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen« (Art. 120 ParlG). Nach der Einreichung der Motion wird dem Bundesrat eine Zeitspanne zur Erledigung des Geschäfts bis zur nächsten ordentlichen Session zugestanden. Danach muss der Bundesrat in der Kammer, in der die Motion vorgelegt wurde (Erstrat), einen Antrag auf Annahme oder Ablehnung der Motion stellen (Art. 121 ParlG). Wenn die Motion durch den Erstrat angenommen wird, wird sie der anderen Kammer (Zweitrat) unterbreitet, die ebenfalls über Annahme oder Ablehnung entscheidet. Falls die Motion beide Kammern passiert, sollte ihr innerhalb von zwei Jahren Folge geleistet werden (Art. 122 ParlG). Im Kanton Basel-Stadt durchläuft ein Gesetzesentstehungsprozess ähnliche institutionelle Stationen. Ein bedeutender Unterschied liegt darin, dass das

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Basler Parlament nur aus einer Kammer besteht, welche als Grosser Rat bezeichnet wird. Als Auslöser eines Gesetzgebungsverfahrens können eine Motion oder ein Anzug dienen, wie dies auch beim Integrationsgesetz der Fall war. Ein Anzug kann (gemäss Geschäftsordnung des Grossen Rats (kurz: GO), Par. 44) von jedem Mitglied des Grossen Rates zuhanden des Regierungsrats (Exekutive) oder des Grossen Rats vorgelegt werden. Das Instrument des Anzugs dient dazu, »Anregungen zur Änderung der Verfassung, zu Gesetzes- oder Beschlussentwürfen oder zu Massnahmen der Verwaltung« vorzulegen. Im Gegensatz dazu liefert eine Motion (Par. 42 GO) nicht nur eine Anregung, sondern eine konkrete Vorlage zur Gesetzes- oder Verfassungsänderung. Was den Anzug betrifft, muss der Grosse Rat darüber abstimmen, ob auf den eingereichten Anzug einzutreten ist und ihn zur Prüfung, Berichterstattung und Antragstellung an den Regierungsrat, an das Ratsbüro oder an eine spezifische Grossratskommission zu überweisen. Innerhalb zweier Jahre wird vom entsprechenden Gremium ein Bericht zur Sachlage erstellt, welcher wiederum dem Grossen Rat zur Begutachtung vorgelegt werden muss. Wenn die im Bericht beschriebenen politischen Bemühungen als hinreichend beurteilt werden, wird der Anzug abgeschrieben, d. h. als erledigt betrachtet. Entweder wurde dem Anliegen des Anzugs seit der Einreichung in gewünschter Form Folge geleistet, z. B. durch eine entsprechende Gesetzesänderung oder aber das geforderte Anliegen wird nicht mehr als dringlich betrachtet. Falls zusätzlicher Handlungsbedarf besteht, wird der Anzug »stehen gelassen«. Dies beinhaltet, dass nach zwei Jahren ein neuer Bericht fällig wird. Das Gesetzgebungsverfahren, die darin definierten politischen Instrumente und die vorgegebenen Zeiträume bilden den Hintergrund für die Datenanalyse von Gesetzesdaten. Für diese Studie werden dabei folgende Fragestellungen bedeutsam: Welche inhaltlichen und ideologischen Änderungen wurden im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses angebracht? Wie sind die gesetzlichen Formulierungen zu verstehen? Was sind die Konsequenzen von bestimmten Formulierungen? Wer sind die Adressaten des Gesetzes? Was ist die »offizielle« Meinung der Regierung und wie gestalten sich konträre Meinungen? Wie wird die Rolle der Sprache konzipiert? Schliesslich ist es das Ziel der Analyse herauszufinden, wie, wieso und unter welchen Bedingungen es in den Gesetzen zum Sprachartikel und seiner Formulierung gekommen ist, welche Diskussionen geführt wurden, welche Spannungsfelder sich dabei ausgebreitet haben, die bestimmte Aus- und Verhandlungen nach sich gezogen haben. Entsprechende Diskussionen, Aus- und Verhandlungen begleiten jedoch nicht nur Vorbereitung und Produktion eines Gesetzes, sondern auch seine Umsetzung und Rezeption. Des Weiteren befindet sich ein Parlament nicht in einem Vakuum, sondern ist Teil einer gesellschaftlichen Dynamik, die sich ihrerseits aus Ideologien und sozialen Praktiken nährt. Um dieses Zusammenspiel näher zu ver-

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stehen, wurden problemzentrierte Interviews mit Expertinnen und Experten durchgeführt, die sich im Entstehungsprozess des Basler Integrationsgesetzes auskennen oder direkt von dessen Konsequenzen betroffen sind. Der folgende Abschnitt legt die Methode dieser Interviews näher dar.

3.1.3 Das problemzentrierte/ semi-strukturierte Interview Auf die Methode der qualitativen Interviews wurde zurückgegriffen, um verstehen zu können, wie sich der Diskurs »Integration durch Sprache« in Zusammenhang mit den Gesetzen resp. den Sprachartikeln in der Praxis manifestiert. Dieses Analyseziel wird in der zweiten Forschungsfrage deutlich (Wie interpretieren Expertinnen und Experten den Diskurs der Praxis, der sich aus dem Sprachartikel ableitet, sowie die damit einhergehenden Konsequenzen und wie positionieren sie sich darin/ dazu?), welche anhand darauf abzielt, die Interpretationen und Positionierungen in Bezug auf den Diskurs zu erörtern. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zusätzliche Unterfragen formuliert: Welche Interessen verfolgen die Akteure durch ihre Positionierung? Welche Strategien werden dafür angewendet? Welche (Sprach-) Ideologien emergieren in den Positionierungen und Interpretationen? Welche (Gegen-) Positionen sind zum Diskurs »Integration durch Sprache« möglich? Genau für solche Fragen, bei denen es um »explanation or understanding of social phenomena and their contexts« (Snape/Spencer 2003: 5) geht, bieten sich qualitative Methoden an. Aufgrund der Dauer und Flexibilität des Gespräches sollte es möglich sein, zu tieferen, dichteren und umfangreicheren Argumentationsstrukturen zu gelangen, als dies über quantitative Umfragen möglich wäre. Das heisst, Informantinnen und Informanten werden durch offene Fragen Möglichkeit, Zeit und Raum geboten, zu einem bestimmten Phänomen Stellung zu nehmen. Die unbestrittenen Vorteile der qualitativen Forschung (Flexibilität, Tiefe und Datendichte), die sich auch für die Soziolinguistik und Diskursanalyse anbieten, sollen jedoch nicht über das darin enthaltene Machtgefälle zwischen den involvierten Parteien (Forscherin/ Interviewerin und interviewte Personen) hinwegtäuschen. So wird zum qualitativen Interview gerne angeführt, dass sie sich wie quasi-natürliche Gespräche entwickeln würden. Doch sind Interviews eben gerade nicht ungezwungene Unterhaltungen, wie dies von Briggs (1986: 27) treffend beschrieben wird: »Even in the most ›unstructured‹, ›open-ended‹ interviews, the interviewer has a great deal more control over the development of the discourse, and the respondent is primarily confined to answering the question« – abgesehen davon, dass in den meisten Unterhaltungen ein spezifisches Machtverhältnis zu Tage tritt. Die Asymmetrie in der Gesprächsführung zwischen Forscherin und interviewter Person widerspiegelt sich erstens in der

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Datenerhebung und Datenanalyse

klaren Rollenverteilung in Bezug auf die Möglichkeit Fragen zu stellen und Themen zu bestimmen, zweitens in der diskursiven Relevanz von Rückmeldungen (»back channel behaviour«) und drittens im »Zurückbringen« oder Korrigieren von abschweifenden Erzählsträngen.23 Die Interviewerin bringt zudem normalerweise nur bedingt persönliche Einschätzungen und Erfahrungen in das »Gespräch« ein – höchstens auf Anfrage durch die interviewten Personen. Die interviewte Person kann im Übrigen ihre Aussagen anpassen entsprechend des Bildes das sie sich von der Interviewerin macht, um sich in einem guten Licht zu präsentieren. Diese durch die Interviewsituation bedingten Interaktionsverhältnisse dürfen während der Interviews und der Analyse der Interviews keinesfalls ausgeblendet werden. Dieser Fallstricke sollte man sich stets bewusst sein. Trotzdem bietet das problemzentrierte, auch semi-strukturiert genannte, Interview anhand eines Leitfadens für die Befragung einer oder mehrerer Personen zu bestimmten Erfahrungen oder Einschätzungen eine unentbehrliche Hilfe. Der Leitfaden dient zur Strukturierung des Interviews, sollte aber eine flexible Handhabung der Reihenfolge der Fragen und Themen ermöglichen. Aus diesem Grund variieren die einzelnen Interviews in ihrer thematischen Sequenz und auch in der Tiefe zu den einzelnen Fragestellungen. Das Erstellen des Leitfadens gründet auf einer vorgängigen theoretischen Analyse des Themas (Mayring 2002: 76). Nach der (theoretischen) Problemanalyse und Leitfadenerstellung folgt die Pilotphase, in welcher der Leitfaden getestet wird. Es wird vor allem überprüft, inwiefern sich das »Problem« als »Gesprächsstoff« eignet, welche Fragen sich als Einstieg in das Thema anbieten oder als »Generator« von Antworten eignen. Da sich gewisse Fragestellungen möglicherweise erst im Lauf der Datenerhebung verändern resp. neue auftauchen, kann der Leitfaden den neuen Bedürfnissen angepasst werden. Die Flexibilität des Leitfadens ist schliesslich auch dadurch bedingt, dass die qualitative Forschung weder auf Repräsentativität noch auf direkte Vergleichbarkeit der Daten abzielt. Im Endeffekt wäre selbst ein identisch angewendeter Leitfaden kein Garant für Vergleichbarkeit, da Interviews immer dialogisch und kontextualisiert entstehen (Briggs 1986: 13). Bevor wir uns nun der konkreten Ausgestaltung des qualitativen Interviews zuwenden, welche in dieser Studie Anwendung fand, wird zuerst erläutert, wie das Interview kon-

23 Rückmeldeverhalten (back channel behaviour), wie ›mhm‹, ›ja‹, ›okay‹ etc., haben spezifische kommunikative Funktionen, zum Beispiel als Füllwörter oder als Zeichen der Empathie. Gemäss Briggs (1986: 109) besitzen sie allerdings noch eine weitere Funktion, nämlich »they provide the person who dominates the floor with a great deal of feedback with respect to the manner in which her or his interpretations of the interaction are shared by the other participants«. Ob man diesen »great deal of feedback« einsetzt oder nicht, ist eine andere methodologische Frage: Äussert man als Forscherin eine gegenteilige Meinung oder nicht?

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zeptuell zu verstehen ist. Dabei spielen die unterschiedlich konstruierten Kontexte (siehe auch Bauman/Briggs 1990: 68) eine grosse Rolle. 3.1.3.1 Interviews als kommunikative Ereignisse Um Interviews als Interaktion zu beschreiben, erscheint es sinnvoll, auf das Konzept des kommunikativen Ereignisses nach Hymes zu verweisen. Hymes (1974) und später Saville-Troike (2003), schlagen für die Analyse von kommunikativen Interaktionen eine Kategorisierung anhand dreier Einheiten vor : kommunikative Situation (»situation«), kommunikatives Ereignis (»event«), und kommunikativer Akt (»act«) (Saville-Troike 2003: 23). Die kommunikative Situation stellt den sogenannten Kontext dar, in dem die Kommunikation stattfindet (ein Gottesdienst, eine Klassenfahrt, eine Feier, etc.). Hier stehen bei Hymes (1974) und Saville-Troike (2003) vor allem aussersprachliche Faktoren im Vordergrund. Der Kontext wird nicht als neutral und gegeben konzipiert, sondern als Ko-Konstruktion der involvierten Parteien: »Contexts are interpretive frames that are constructed by the participants in the course of the discourse« (Briggs 1986: 12; im Original nicht hervorgehoben; siehe dazu auch Cook-Gumperz/Gumperz 1976). Bauman/Briggs (1990: 68) warnen in diesem Zusammenhang vor »false objectivity«, da ein Kontext nie objektiv gegeben und eine Beschreibung darum immer subjektiv, selektiv und konstruiert sei. Das heisst konkret, dass eine bestimmte kommunikative Situation anhand verschiedener Merkmale als Interview indexiert wird. Diese Indizes spielen erstens bereits bei der Kontaktaufnahme von potentiellen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern eine definierende Rolle, zweitens bei der Gesprächseröffnung, wo die Erwartungen der Interviewerin explizit dargelegt werden und drittens bei der Durchführung des Interviews. Dennoch kann man nicht davon ausgehen, dass alle interviewten Personen über a) Erfahrung resp. Wissen über Interviews als kommunikative Situation verfügen, noch, dass b) alle dieselben Vorstellungen davon haben, was ein Interview als Interaktion resp. kommunikatives Ereignis auszeichnet und was von ihnen als Interaktionspartner verlangt resp. erwartet wird. Eine kommunikative Situation verfügt über drei weitere Komponenten: Hier geht es zum einen um den Ort, wo sich das Interview abspielt, was auch einen Einfluss auf die empfundene Formalität der Interaktion ausüben kann. Die soziale Ebene betrifft zum anderen die Abgrenzung der Interaktion. Bei Lucius-Höne/Deppermann (2002: 84) wird dies z. B. »geschützter Raum« genannt, da sich die möglichst anonymisierten Informantinnen und Informanten idealiter frei und ohne Widerrede äussern können. Gleichermassen müssen sie keine allfälligen Konsequenzen des Geäusserten fürchten. Als Gegensatz führen Lucius-Höne/Deppermann (2002: 84) klinische Explorationen, gerichtliche Befragungen oder Bewerbungsgespräche

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auf. Die dritte, zeitliche Dimension des Interviews ist dahingehend definiert, dass meistens ein (oder mehrere) Interview(s) die einzige Interaktion zwischen den involvierten Parteien darstellt, was den Zeitrahmen der kommunikativen Situation klar eingrenzt. Das kommunikative Ereignis, die zweite Komponente einer jeden Interaktion, ist laut Saville-Troike (2003: 23) »the basic unit for descriptive purposes«. Es handelt sich dabei um ein in sich geschlossenes Ereignis mit spezifischen Verhaltensregeln darstellt, wie von Saville-Troike (2003: 23) beschrieben: A single event is defined by a unified set of components throughout, beginning with the same general purpose of communication, the same general topic, and involving the same participants, generally using the same language variety, maintaining the same tone or key and the same rules for interaction, in the same setting.

Interviews kann man somit als spezifische kommunikative Ereignisse konzipieren (siehe dazu Lucius-Hoene/Deppermann 2002: 81 – 86), denn sie weisen interne Konsistenzen sowie Kohärenzen bezüglich Form und Funktion auf. Die Interviewsituation wird von den Interviewten individuell als kommunikatives Ereignis interpretiert. Zudem hat man als Interviewerin nur geringe Kontrolle darüber, wie die in der Interaktion verteilten Funktionen und Rollen ausgehandelt werden, da dies oft implizit geschieht und von der Persönlichkeit der Beteiligten bzw. ihrer Wahrnehmung beeinflusst wird. Persönliche Faktoren der Interviewerin wirken somit auf die interviewten Personen ein, was schliesslich auf den Verlauf des Interviews Einfluss ausüben kann. Durch das Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Kleidung, Tagesform etc. der Interviewerin kann eine Beeinflussung/ Verzerrung des Interviews und seines Verlaufs stattfinden. Dies bedeutet jedoch, dass es die Möglichkeit einer »neutralen« Interviewerin gar nicht geben kann. Gerade wenn man bedenkt, dass a) immer eine Konstruktion der Situation und des Gegenübers stattfindet und b) die Art und die Auswirkung der Konstruktion nicht antizipiert werden können, verkommt die Idee der »neutralen« Interviewerin zur Illusion. Auch wenn diese Elemente der Konstruktionen oder Verzerrungen somit weder vermieden noch nachvollzogen werden können, soll ein Bewusstsein für diese Effekte vorhanden sein. Weder die Interviewerin noch der generelle Kontext des Interviews als kommunikative Situation oder kommunikatives Ereignis können somit »neutral« gestaltet oder gedacht werden. Aus diesem Grund lassen Interviews durch ihre interaktionsbedingte Situierung und ko-konstruierte Kontextualisierung keine »objektiven« und »neutralen« Befragungen zu, weshalb eine Trennung von Interview und seiner (örtlichen, sozialen und zeitlichen) Situation unmöglich wird (siehe auch Mason 2002: 65). Genau wie bei den Gesetzestexten gibt es keine isolierte Betrachtung des »Produktes«, sondern die Produktionsbedingungen müssen berücksichtigt werden (siehe dazu auch Bauman/Briggs 1990:

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73 – 74). Die von den Interviewten dargebotenen Äusserungen werden in Folge als kontextualisierte, d. h. situierte Erzählungen konzipiert (Heller 2008: 255), die auch immer »situated performances« sind, anders ausgedrückt: »what a certain kind of person tells another certain kind of person, in certain ways, under certain conditions« (Heller 2008: 256). Erzählungen sind somit nicht als statische oder allgemeingültige Meinung von Interviewten zu betrachten, sondern als situativ produzierte Aussagen. Mason (2002: 65) spricht in diesem Zusammenhang auch von »situated knowlegde«, das sich durch die Interviewdaten erschliesst. Ein Wissen, das nicht nur von der Situation und dem Kontext, sondern eben auch mit der Person der Forscherin zusammenhängt. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Interviews als kommunikative Ereignisse konzipiert werden. Dies liefert ein Rahmenwerk für die Analyse, da die Interviews dadurch als situierte Erzählungen betrachtet werden können. Es gibt keine »neutralen« Aspekte bei der Durchführung von Interviews. Zusätzlich gelten die in den Interviews produzierten Aussagen als situierte »performances«, die stets in Zusammenhang mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« verstanden werden müssen. Es wird somit nicht von der Möglichkeit einer objektiven »Wahrheit« ausgegangen, die durch bestimmte, quasi besonders »wahrheitsgetreue« Erzählungen in Interviews erschlossen werden könnte. Mit dieser Prämisse werden individuelle Erzählungen und sprachliche Äusserungen nicht nach Motivationen, Überzeugungen oder Einstellungen untersucht, sondern nach Interpretationen (»making sense«) der interviewten Personen zu Erfahrungen und Phänomenen (Heller 2008: 255). Inwieweit diese theoretischen Überlegungen in die Konzipierung und Durchführung der Interviews eingeflossen sind, soll im Folgenden beschrieben werden. 3.1.3.2 Erhebung der Interviewdaten Erstellung des Leitfadens Wie von qualitativ arbeitenden Sozialwissenschaftlern (siehe z. B. Mayring 2002: 76) empfohlen, wurde vor Erstellung des Leitfadens eine intensive Literaturrecherche betrieben. Es war das Ziel der Recherche, sich mit dem für die Befragung im Zentrum stehenden Forschungsobjekt und der dazu erfolgten Forschung vertraut zu machen und herauszufinden, welche Aspekte für die eigene Forschungsarbeit relevant sind. In Bezug auf die vorliegende Studie bildeten sich übergreifende Fragestellungen heraus, so z. B.: Wie entwickelte sich die Integrationspolitik in Basel resp. in der Schweiz in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten? Wie werden diese Entwicklungen eingeschätzt? Wie wurde in diesem Prozess die Rolle der Sprache wahrgenommen resp. welche Rolle wurde

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der Sprache zugeteilt? In welchen Zusammenhang werden Integration und Sprachkenntnisse gebracht? In einem Folgeschritt mussten diese breit gefassten Fragen ausdifferenziert werden und es galt zu eruieren, wer für die Beantwortung solcher Fragen geeignet wäre. Wünschenswert waren Personen, die ihre (informierte und informative) Meinung zum Politikum des Integrationsgesetzes, zur Schweizer Entwicklung in der Integrationspolitik und zur Rolle der Sprache mitteilen würden. Um diese beiden Facetten abzudecken, wurden zweierlei Fragen kreiert. Einerseits wurden Fragen zum Berufsfeld der interviewten Personen formuliert, um das diskursive Feld der Integration in Politik und Gesellschaft in Basel abzustecken: Wer sind die involvierten Akteure, was »tun« sie, mit wem interagieren sie, was sind ihre Aufgaben etc.? Diesen sogenannt informativen Fragen waren interpretative Fragestellungen gegenübergestellt, die darauf abzielten, die subjektive Positionierungen der interviewten Personen zu eruieren: Wie schätzen die Informantinnen und Informanten die Rolle der Sprache im Integrationsprozess ein, wie gut kennen sie das neue Integrationsgesetz, wie beurteilen sie es etc.? Beide Arten von Fragen wurden thematisch gebündelt und vorformuliert (siehe das folgende Beispiel des Leitfadens: Arbeitsfeld, Begrifflichkeiten, Sprache und Integration, Integrationsgesetz). Unter- oder Nachfragen wurden vorgängig nicht ausformuliert, sondern spontan im Gespräch artikuliert. Auch bei den vorformulierten Fragen handelt es sich eher um Vorschläge als um fixe Vorgaben, da eine grosse Flexibilität in der Gesprächsführung erlaubt sein sollte. Der Einstieg in die Interviews verlief zumeist über das Arbeitsfeld der Interviewten. Wie bereits erwähnt, sind Variabilität und Anpassungen im qualitativen Forschungsparadigma möglich und so wurden auch in den Leitfäden dieser Studie einige Änderungen vorgenommen: Einerseits in Bezug auf die Fragestellungen, welche auf die Tätigkeit der Informantinnen und Informanten ausgerichtet sind, andererseits auf die Struktur und Ausrichtung der Leitfäden. Während die Quaestio und Forschungsfragen gleich blieben, veränderte sich die Modalität des Interviews gemäss den jeweils neuen Anforderungen. Auf die Art der Erhebung (oder Analyse) des Interview-Datensatzes hatten diese Änderungen im Endeffekt jedoch nur einen geringen Einfluss.

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Fragenkatalog Arbeitsfeld – Was ist genau das Arbeitsfeld? – Inwiefern betrifft die Integration die eigene Arbeit? – Wie beeinflusst die eigene Arbeit die Auffassung von Integration? Begrifflichkeiten – Was ist Integration? – Was ist Assimilation? – Was wird in Basel, in der Schweiz »praktiziert«? – Wie ist die Einschätzung der Praxis? – Gibt es heute eine gelungene Integration? Sprache und Integration – Welche Rolle kommt der Sprache bei der Integration zu? – Was ist der Zusammenhang zwischen Sprache und Integration? – Zwang – Motivation – Freiwilligkeit? – Einschätzung von neuen Trends: Sprachprüfung für Einbürgerung, evtl. sogar Aufenthaltsbewilligung; Fahrprüfung nur noch in D,I,F, etc. Integrationsgesetz – Ist das Integrationsgesetzt von Basel bekannt? – Wie schätzt man es ein? – Was wären andere Ansätze im Gebiet der Integration? – Was wurde bis jetzt falsch oder nicht gemacht? Abbildung 1: Beispiel Leitfaden »Integration«

3.1.3.3 Das Durchführen der Interviews Die Informantinnen und Informanten Der Zugang zum Feld resp. zu potentiellen Informantinnen und Informanten wurde durch das Konsultieren von Fachliteratur und mittels Recherche über den Standort Basel im Bereich der Integrationsarbeit vorbereitet. Nach einer ersten Sondierung stand fest, wer kontaktiert werden müsste: – Sprachlehrpersonen, da sie direkt mit Migrantinnen und Migranten arbeiten, die (freiwillig oder unfreiwillig) einen Sprachkurs besuchen. Teilweise werden Migrantinnen und Migranten vom RAV (Regionales Arbeitsvermittlungszentrum) zwecks Verbesserung von Arbeitsvermittlungschancen in

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Deutschkurse geschickt. Die Lehrpersonen sind zudem von der neuen Auflage unmittelbar in ihrer Arbeit betroffen, da Migrantinnen und Migranten in gewissen Fällen einen Sprach- oder Integrationskurs besuchen müssen, wenn ihre Aufenthaltsbewilligung erteilt oder verlängert werden soll. Mitglieder der Einbürgerungskommission, um ein Bild davon zu gewinnen, wie Integration auf offizieller Seite konzeptualisiert wird resp. wann sie als erfolgt betrachtet wird. Welche Rolle der Sprache in diesem Prozess zugesprochen wird, ist ebenfalls von Interesse. Vertreterinnen und Vertreter der Integrationsarbeit in Basel, da auch sie in ihrer Arbeit konkret von den jüngsten politischen Entscheidungen betroffen sind – auf finanzieller, personeller und inhaltlicher Ebene. Politisch aktive Personen, weil sie über einen unmittelbaren Einblick oder Einfluss auf das politische Geschehen der Stadt Basel verfügen und Entwicklungen im Bereich der Integrationspolitik einordnen können. Ausserdem sind sie selber Akteure auf dem Gebiet der Integrationspolitik und verfolgen persönliche Interessen. Offizielle Vertreterinnen und Vertreter der Integrationspolitik in Basel, da sie massgeblich an der Entwicklung der Integrationspolitik und des Integrationsgesetzes beteiligt waren und bei der Umsetzung involviert sind.

Um die gewünschten Interviewpartnerinnen und -partner zu finden, wurde als erstes das persönliche Netzwerk aktiviert. Auf diese Art und Weise konnten entsprechende Schlüsselpersonen angeschrieben oder angesprochen werden, die für die Kontaktaufnahme mit weiteren Informantinnen und Informanten behilflich waren. Nach ersten Interviews mit Schlüsselpersonen oder mit von ihnen empfohlenen Expertinnen und Experten ergaben sich weitere Kontakte, weshalb man von einem gesteuerten Schneeballeffekt sprechen könnte. In einzelnen Fällen weitete sich das Feld aus, da mir vereinzelte Personen in Bern als Interviewpartnerinnen und -partner empfohlen wurden. Folgende Tabelle liefert eine Übersicht zu den stattgefundenen Interviews: Tabelle 6: Übersicht über die erfolgten Interviews Interviewte Personen

Dauer der Interviews Total

– Integrationsarbeit Basel: 7 – Sprachlehrpersonen: 3 – Mitglied Einbürgerungskommission: 1 – Politisch aktive Personen Basel: 3 – Integrationsexperten/ -innen Bern: 2 – Sprachpolitiker Bern: 1 40 – 129 Minuten 15 Interviews (eines mit 3 Personen) 18.30 Stunden

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Ablauf der Interviews Sowohl im Pilotinterview wie auch in den eigentlichen Interviews erfolgte der Ablauf nach folgendem Muster : Nach der Begrüssung wurde eine geeignete Lokalität für das Interview bezogen – egal, ob es sich dabei um öffentliche (Caf¦, Restaurant, etc.), berufliche (Büro, Arbeitsräume etc.) oder private (Wohnung) Räumlichkeiten handelte. Nachdem sich beide Parteien eingerichtet hatten (Bereitlegen der Unterlagen und des Aufnahmegeräts, Offerieren von Getränken o. ä.), wurde – mit expliziter Zustimmung der zu interviewenden Person – das Aufnahmegerät eingeschaltet und die Fragestellung der Studie kurz vorgestellt. Der Informantin oder dem Informanten wurde dafür gedankt, sich für ein Interview zur Verfügung zu stellen und es wurde versichert, dass die Daten möglichst anonymisiert verwendet würden. Während des Interviews wurde dem Leitfaden flexibel Folge geleistet. Die Interviewten erwiesen sich als interessierte und informierte Gesprächspartnerinnen und -partner, die sich bereitwillig auf die gestellten Fragen einliessen. Natürlich tauchten immer wieder Fragen oder Missverständnisse auf. Einzelne Informationen oder Personennamen wurden bereits während des Gesprächs auf dem Leitfaden vermerkt. Ansonsten wurde darauf verzichtet, begleitende Notizen zu erstellen, um den Kontakt zwischen Interviewerin und interviewter Person nicht abzubrechen. Nachdem alle Fragen im Grossen und Ganzen beantwortet und die einzelnen Themen angesprochen waren, wurde nach einer letzten abrundenden Frage das Interview beendet. Meistens trat dieser Moment nach etwa einer Stunde ein. In einzelnen Fällen ergaben sich zum Schluss zusätzliche interessante Ausführungen. Nach dem »offiziellen« Beenden des Interviews wurde denn auch das Aufnahmegerät abgeschaltet. In einzelnen Fällen fand das Gespräch dennoch eine Fortsetzung. Die Verabschiedung war im Normalfall von beiden Seiten herzlich und wohlwollend. Im Nachhinein wurde jeweils eine Dankes-E-Mail an die Interviewten verschickt. In ein paar Fällen reagierten die interviewten Personen mit zusätzlichen Informationen, versprochenen Angaben oder Überlegungen, die sie sich aufgrund des Interviews gemacht hatten. In keinem Fall kam es zu negativen Rückmeldungen. Aufnahme und Transkription Die Interviews wurden mit einem digitalen Aufnahmegerät von kleiner Grösse registriert. Die Interviews aufzunehmen basierte auf folgenden Annahmen: Erstens würde es den Fluss des Interviews stören, wenn man sich konstant Notizen zum Gespräch machen müsste; zweitens ermöglichen die Aufnahmen, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form des Gesagten erhalten bleibt, was für eine Diskursanalyse im Endeffekt unerlässlich ist. Vor den Interviews wurde jeweils mit den interviewten Personen geklärt, ob sie mit der Aufnahme einverstanden waren; auf schriftliche Einverständniserklärungen wurde ver-

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zichtet. Mit der Aufnahme erklärten sich alle Interviewten einverstanden. In einem Fall jedoch versagte das Aufnahmegerät, weshalb zu diesem Gespräch nur retrospektiv verfasste schriftliche Notizen bestehen. Obwohl die Gesprächspartnerinnen und -partner sich mit der Aufnahme einverstanden erklärten, kam es zu einzelnen Momenten von »Zensur«. So wurde zum Beispiel während einiger Interviews explizit darauf hingewiesen, dass das nachfolgend Gesagte nicht veröffentlicht werden dürfte. Andere bestanden darauf, das Gerät wegen einer in ihren Augen heiklen Aussage kurz auszuschalten. Es lassen sich jeweils entsprechende Vermerke in den Transkriptionen finden. Die Transkription der Interviews verwendete folgende Konventionen, die teilweise dem GAT-System (Selting et al. 1998) entsprechen: Tabelle 7: Übersicht über die Transkriptionskonventionen Symbol [] () ((xxx)) = (.) (..) (…) (5 Sek) (.h) (h.) / \

{}

Bedeutung Einschub der Interviewerin Beispiel: »und denn [mhm]« Extralinguistische Handlung des Sprechers/ der Sprecherin Beispiel: »und denn (lacht)« unverständliche Aussage Beispiel: »es het sich ((xxx)) dass es« gleichzeitige Rede Beispiel: »und denn [=mhm]« kurze Pause längere Pause lange Pause ab fünf Sekunden wird die Dauer der Pause notiert einatmen ausatmen steigende Intonation sinkende Intonation abgebrochene Aussage Beispiel: »ent- entwickelt« Aussage wird in der angezeigten Sprache wiedergegeben; hier Standard Deutsch, z. B. in einem Interview das im Schweizer Dialekt geführt wurde Anonymisierte Angabe

Die Interviews wurden in derjenigen Sprache transkribiert, in der sie durchgeführt wurden. Die meisten Gespräche fanden auf Schweizerdeutsch statt. Die Transkription erfolgte in diesen Fällen in Anlehnung an die standardisierte Orthographie der deutschen Sprache, womit die phonetische Realisierung nur bis zu einem gewissen Grad berücksichtigt wurde. Diese Entscheidung rührt daher, die Lesbarkeit der Transkripte zu erleichtern, weshalb auch auf die DiethSchreibung (Dieth 1986) verzichtet wurde, die sonst oftmals für dialektale

Datenanalyse

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Transkription als Vorlage dient. Sie schien im Vergleich zur Orientierung an der Standardorthographie keinen erkennbaren Vorteil zu bieten. Bevor zur Beschreibung der Datenanalyse übergegangen wird, soll kurz dargelegt werden, in welchem Verhältnis die beiden Datensätze zueinander stehen. Wie bereits erwähnt, können weder die Interviews resp. deren Transkription noch die Gesetze als dekontextualisierte und somit »neutrale« Produkte betrachtet werden. Beide sind unter bestimmten sozio-ökonomischen, politischen, aber auch individuellen und situierten Bedingungen entstanden, die es bei der Analyse zu berücksichtigen gilt. Ausserdem sind sowohl Gesetze wie auch Interviews in den öffentlichen Diskurs und in soziale Praktiken eingebettet – und resultieren gleichzeitig daraus. Gesetze sind somit auch unmittelbar mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« verbunden. Die Analyse der Interviews mit politischen und sozialen Akteuren im Gebiet der Integrationspolitik von Basel und der Schweiz soll aufzeigen, welche interpretativen Repertoires diese Akteure verwenden, um sich im Bezug auf die Gesetze und den dominanten Diskurs »Integration durch Sprache« zu positionieren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Interpretationen und Positionierungen in einem ko-konstruierten Kontext produziert wurden.

3.2

Datenanalyse

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Materialität werden für die zwei Datensätze unterschiedliche Analysemethoden herangezogen, welche jedoch beide auf dem Diskursverständnis Foucaults (1969 & 1971) beruhen. Für die Analyse der Gesetzestexte resp. ihrer Entstehung wird ein genealogisches Vorgehen nach Foucault angewendet, um zu verstehen, wie die Möglichkeitsbedingungen geschaffen werden konnten, dass der Diskurs »Integration durch Sprache« entstehen und so ein entscheidendes Regulativ werden konnte. Der Fokus liegt auf der Genealogie und somit in der Vergangenheit. Die diskursive Analyse der Interviews hingegen verlangt aufgrund ihres materiellen Charakters nach einem anderen Vorgehen. Die Analyse befasst sich mit der heutigen Bewertung des Diskurses und seinen (bereits erfolgten oder noch möglichen) Konsequenzen. Hierfür bietet sich das Konzept der interpretativen Repertoires an, welches sich wiederum explizit auf Foucault bezieht. Beide Analysen befassen sich mit Fragen der diskursiven Regulierung und der daraus entstehenden Konsequenzen. Die Methoden werden im Folgenden jeweils theoretisch umrissen, bevor in einem zweiten Schritt ihre Operationalisierung bezüglich der für die vorliegende Arbeit vorhandenen Daten vorgestellt wird.

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3.2.1 Die genealogische Analyse der Gesetzesdaten Als erstes soll der genealogische Ansatz Foucaults (1969 & 1971) vorgestellt werden. Nach einer kurzen Darstellung der für die genealogische Analyse zentralen Ideen wird auf ihr wichtigstes analytisches Instrument eingegangen: die diskursiven Ereignisse. Schliesslich wird der genealogische Ansatz in Bezug auf die Gesetzesdaten operationalisiert. Der genealogische Ansatz wurde von Foucault in seinem 1969 erschienenen Buch »L’arch¦ologie du savoir« als »archäologisches« Vorgehen beschrieben. In seinem 1975 erschienenen Werk »Surveiller et punir« ersetzte er (gemäss Sarasin 2006: 126) das Konzept der Archäologie durch jenes der Genealogie, was er mit einer Weiterentwicklung von Methodologie und Theorie begründete. Seine diskursanalytischen Prämissen blieben sich jedoch trotz der begrifflichen Veränderung gleich. Da »Genealogie« den Entstehungs- und Produktionsprozess von Diskursen treffender umschreibt als der Begriff der Archäologie, soll in der vorliegenden Arbeit der Begriff »Genealogie« verwendet werden. Wie 1963 in seinem Werk »Naissance de la clinique« angedeutet (siehe Sarasin 2006: 63 – 69), war Foucault bereits zu einem frühen Zeitpunkt bestrebt, die Entstehung eines Diskurses und seine Möglichkeitsbedingungen zu analysieren. Schon damals wollte er untersuchen, weshalb ein Diskurs gerade die Form angenommen hat, über die er verfügt und keine andere. Er interessierte sich dafür, »how the conditions for knowledge, including historical knowledge, become produced« (Wetherell/Potter 1992: 81); und fragte warum und unter welchen Bedingungen solches Wissen produziert wird. Foucault geht davon aus, dass Wissen aus diskursiven Formationen besteht, welche historisch situierte und situierbare Produkte darstellen, die in ihrer Entstehung eng mit den jeweiligen Machtstrukturen verwoben sind. In seinem Werk »L’Ordre du discours« (1971) umreisst Foucault die zwei miteinander verbundenen Grundpfeiler seiner Diskursanalyse: Kritik und Genealogie. »La critique analyse les processus de rar¦faction, mais aussi de regroupement et d’unification des discours; la g¦n¦alogie ¦tudie leur formation — la fois dispers¦e, discontinue et r¦guliÀre« (Foucault 1971: 67). Er geht davon aus, dass es kein spontanes Auftauchen von diskursiven Selektionsprozessen geben kann und schlussfolgert, dass »toute t–che critique, mettant en question les instances du contrúle, doit bien analyser en mÞme temps les r¦gularit¦s discursives — travers lesquelles elles se forment; et toute description g¦n¦alogique doit prendre en compte les limites qui jouent dans les formations r¦elles« (Foucault 1971: 68). Daraus folgert, dass eine kritische Analyse bei Foucault immer auch die historische Situierung berücksichtigen und »Produkte« und/ oder Phänomene als historisch bedingt betrachten wird; dies im Gegensatz zu anderen kritischen Ansätzen wie z. B. der kritischen Diskursanalyse, in welcher die Produktions-

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bedingungen eines Diskurses oder aber eines Texts oftmals nur marginal berücksichtigt werden (siehe dazu z. B. Faircloughs Erklärung [1995: 19]). Dieses Diskursverständnis bleibt bei Foucault (1969, 1971 & 1975) als Leitmotiv bestehen, egal ob er von Archäologie oder später von Genealogie spricht. Aufgrund seiner historischen Bedingtheit kann ein Diskurs zwar als kohärentes Aussagesystem (Sarasin 2006: 103), jedoch nicht als statische Formation einer bestimmten Menge an möglichen Aussagen und/ oder Texten zu einem bestimmten Thema verstanden werden. In seiner spezifischen Ausgestaltung stellt er jeweils vielmehr einen bestimmten Moment eines dynamischen, aber historisch bedingten Prozesses der Wissens-, Macht- und Meinungsbildung dar. Dieser Prozess verläuft gemäss Foucault (1971) jedoch nicht zwingend linear, kausal oder reibungslos, sondern kann durchaus von Konflikten und Verschiebungen, ja von Diskontinuitäten geprägt sein. DuchÞne (2008: 25) beschreibt aus diesem Grund die Analysearbeit eines bestimmten Diskurses folgendermassen: »The analyst’s work is therefore not only to point out the coherent systems that compose the history of a notion, but also to indicate the ruptures, the cuts and ties«. Erst aufgrund dieser Prämisse wird ein Verständnis von Diskurs als ein sich veränderndes Archiv von Wissen möglich. Dies erklärt, weshalb als Wahrheiten formulierte Aussagen an Legitimation gewinnen resp. verlieren. Brüche in der Wissensproduktion bedingen beispielsweise Paradigmenwechsel, wissenschaftlichen und/ oder gesellschaftlichen Wandel. Es treten neue Positionen und Phänomene auf, die mit alten Denkmustern nicht mehr erfasst werden können (siehe dazu Sarasin 2006: 78). So kommt es zu Diskontinuitäten, welche direkte Folgen für die soziale Praxis haben, indem sie die bestehende Praxis verändern oder aber eine neue Praxis konstituieren (Foucault 1969 & 1971). Diese potentiell diskontinuierlichen Entwicklungen eines Diskurses erfolgen nicht ungesteuert, sondern sind durch Akteure beeinflusst. Diese Akteure positionieren sich ihren Interessen entsprechend und anhand von Aussagen innerhalb des Diskurses oder in Opposition dazu. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Akteure sich in der Ausrichtung des Diskurses durchzusetzen vermögen und dass dies die Möglichkeit von Aussagen fortan neu strukturieren kann. Es sind somit die Aushandlungen von Aussagen, Interessen und damit implizierten Positionen, welche die Entwicklung eines Diskurses bestimmen. Die Möglichkeit wird durch das Regulativ der Diskursordnung bedingt (siehe Kapitel 2), das zu einem bestimmten Zeitpunkt das Sag- und Denkbare umfasst. Positionen und Aussagen treten in Momenten des Aushandelns am deutlichsten hervor, wenn es also zu Verfestigungen oder Verschiebungen im Diskurs kommt. Diese »idealtypischen Punkte« (Sarasin 2006: 31) materialisieren sich als diskursive Ereignisse. Sie werden im nächsten Abschnitt als Analysemittel eingeführt.

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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich ein genealogisches Vorgehen damit auseinandersetzt, wie ein Diskurs seine heutige Form erhalten halten hat, wie das darin reproduzierte und dominante Wissen entstanden ist, welche Brüche der Diskurs durchlaufen hat und welche Aussagen und Positionen in diesem Diskurs möglich sind. In Bezug auf den Diskurs »Integration durch Sprache« sollte man aufgrund einer genealogischen Analyse verstehen können, welche Interessen, Bedingungen und Umbrüche dazu geführt haben, dass Sprache in der öffentlichen Wahrnehmung als Integrationsfaktor per se konstruiert wird – und dies in einer Weise, die keine rationelle Alternative mehr zulässt. Ausserdem soll aufgezeigt werden, wie die explizite Forderung an die ausländische Bevölkerung, »die Sprache« zu lernen, denk- und (vor allem) sagbar geworden ist: Forderungen, die früher nur von gewissen Akteuren mit bestimmten Interessen formuliert wurden, werden mittlerweile auch von der breiten Masse reproduziert ohne dass dies einem Tabubruch gleichkommt.

3.2.1.1 Diskursive Ereignisse als Analysemittel Diskursive Ereignisse wurden von Foucault (1971: 37) als zentraler Bestandteil der Diskursanalyse umschrieben. Er plädiert dafür, dass »les discours doivent Þtre trait¦s d’abord comme des ensembles d’¦v¦nements discursifs« (Foucault 1971: 59), gerade weil sich in solchen Momenten der Diskurs durch Aushandlungen verfestigt oder verschiebt und sich diesbezüglich materialisiert. Die Spannung zwischen Diskurs, materieller Form und Praxis wird von Foucault (1971: 59) folgendermassen beschrieben: Bien s˜r l’¦v¦nement n’est ni substance ni accident, ni qualit¦ ni processus; l’¦v¦nement n’est pas de l’ordre des corps. Et pourtant il n’est point immat¦riel; c’est toujours au niveau de la mat¦rialit¦ qu’il prend effet, qu’il est effet; il a son lieu et il consiste dans la relation, la coexistence, la dispersion, le recoupement, l’accumulation, la s¦lection d’¦l¦ments mat¦riels; il n’est point l’acte ni la propri¦t¦ d’un corps; il se produit comme effet de et dans une dispersion mat¦rielle.

Ein Ereignis ist somit weder ausschliesslich materiell noch ideell zu verstehen. Foucault spricht in diesem Zusammenhang von einem »mat¦rialisme de l’incorporel« (1971: 60) und verweist auf die materiellen Effekte, die ein (ideelles oder diskursives) Ereignis verursachen kann. Diese Effekte resp. Konsequenzen können physischer, aber auch sozialer Art sein. Auf jeden Fall definiert jedes diskursive Ereignis von Neuem, welche Aussagen und Positionen (nicht) zum Diskurs gehören, es wird eine »s¦lection d’¦lements mat¦riels« (Foucault 1971: 59) vollzogen. Diese Einsicht motiviert Foucault zu seiner grundlegenden Fragestellung: Wenn im Verlauf eines diskursiven Ereignisses eine Aussage gemacht wurde, »comment se fait-il que tel ¦nonc¦ soit apparu et nul autre — sa place?«

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(Foucault 1969: 42). Diskursive Ereignisse werden des Weiteren als in Serie(n) auftretend beschrieben (Foucault 1971: 57 – 58), welche es zu rekonstruieren gilt. Zu Beginn der Analyse muss somit die Serie »definiert« werden, d. h. Anfangsund Endpunkt der Analyse festgelegt werden (Foucault 1969), wie dies zu Beginn dieses Kapitels beschrieben wurde. In einem nächsten Schritt werden dann die diskursiven Ereignisse innerhalb der Serie als analytische Einheiten isoliert. Ein Beispiel für die Operationalisierung dieser eher theoretischen Ausführungen findet sich bei DuchÞne (2008). Er versteht diskursive Ereignisse als »key moments in history that materialize via specific documents/ texts/ interactions« (DuchÞne 2008: 39). In seiner Studie untersucht er den Prozess der Institutionalisierung des Schutzes von sprachlichen und regionalen Minderheiten innerhalb der Vereinten Nationen. Um diesen Prozess nachzuvollziehen, begreift er die Debatten rund um die einzelnen Beschlüsse der diversen Kommissionen und Arbeitsgruppen, die Diskussionen der Kommissionen über das Verfassen oder die Verabschiedung von Artikeln, Resolutionen etc. als in bestimmten institutionellen Räumen situierte diskursive Ereignisse, die gegebenenfalls bestimmte diskursive Produktionen von Wissen erlauben. Somit wird es ihm möglich darzustellen, welche Positionen mit welchen ideologischen und geopolitischen Interessen verbunden waren, durch welche Aussagen diese zum Ausdruck kamen und welche sich im Endeffekt durchsetzen konnten. Anhand einer soziolinguistischen Analyse der diskursiven Ereignisse zeigt DuchÞne auf, wie, unter welchen Bedingungen und mit welchen Interessen sich der Diskurs entwickeln und formieren konnte. 3.2.1.2 Operationalisierung der diskursiven Ereignisse für die Analyse des Diskurses »Integration durch Sprache« Der Diskurs »Integration durch Sprache« zeichnet sich dadurch aus, dass neben dem Erwerb der lokalen Sprache keine rationellen Alternativen mehr in Bezug auf die erfolgreiche Gestaltung der Integration bestehen. In der Vergangenheit gab es verschiedene Momente, sprich diskursive Ereignisse, in denen sich dieser diskursive Fokus der Integrationspolitik verengte, so dass es schliesslich zur gesetzlichen Materialisierung kam. Doch was hat die Ereignisse ermöglicht resp. bedingt und was waren ihre Effekte? Welche Aussagen wurden im Rahmen der Ereignisse gemacht und wieso gerade jene und nicht andere? Was sind die Effekte resp. Konsequenzen der einzelnen Ereignisse und des Diskurses? Der Diskurs beschränkt sich längst nicht mehr auf den von ihm ursprünglich besetzten Raum (die Integrationspolitik), sondern hat die meisten gesellschaftlichen Räume durchdrungen. Ein Diskurs wirkt nicht nur über unterschiedliche Räume hinaus, sondern auch über Kantons- und Landesgrenzen hinaus und wird auch über diese Grenzen hinweg beeinflusst, womit seine Analyse in einem

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weitläufigeren Kontext betrachten werden könnte. Dennoch gibt es innerhalb von politischen Einheiten (Staaten, Kantone etc.) spezifische Ausprägungen von Diskursen. Diese Einheiten der politischen Organisation können wiederum nicht losgelöst von diskursiven Räumen und sozialer Praxis gedacht werden, gründen doch die Möglichkeitsbedingungen der Diskurse darin. Analyse-Achsen des Diskurses Die Analyse beruht auf der Annahme, dass Akteure in einem Diskurs Positionierungsstrategien entwickeln, um bestimmte Interessen zu wahren und Ziele zu verfolgen. Die eingenommenen Interessens- und Aussagepositionen sind durch für den Diskurs emblematische sprachliche Formeln geprägt. Die von einzelnen Akteuren unterschiedlich eingenommenen Positionen materialisieren sich auf spezifische Art und Weise. Ausgehend davon werden folgende Analyse-Achsen berücksichtigt: Akteure, Positionen und Materialität des Diskurses. Es sind dies die zentralen Bestandteile eines Diskurses, der darin möglichen Positionen und daraus entstehenden Materialitäten. Soziale Praxis und Machtverhältnisse stehen zwar in engem Zusammenhang mit den Möglichkeitsbedingungen und Konsequenzen von Diskursen, stellen jedoch keine eigenen Analyse-Achsen dar. Die Bezeichnung »diskursives Ereignis« mag an Hymes’ kommunikative Ereignisse erinnern, doch auch wenn die beiden analytischen Konzepte darin übereinstimmen, dass sie über interne Konsistenzen und Kohärenzen verfügen, unterscheiden sie sich doch auf mehreren Ebenen grundlegend. So sind die diskursiven Ereignisse nicht auf einzelne Interaktionen beschränkte Analyseeinheiten. Zeitlich, sozial wie auch räumlich sind sie breiter zu verstehen als die kommunikativen Ereignisse. Die einzelnen Achsen zur Analyse der diskursiven Ereignisse werden nachfolgend erläutert: Zunächst die Akteure, danach die Positionen und am Schluss die Materialität. In Foucaults Ansatz, der sich auf die Äusserlichkeit des Diskurses bezieht, werden diejenigen Akteure berücksichtigt, die »front stage« agieren (siehe Kapitel 3). »Akteur« ist darum nicht unbedingt auf ein Individuum bezogen, sondern bezeichnet diejenige Person oder Organisation, die hinter einer Aussage im Kontext der diskursiven Ereignisse eruiert werden kann. »Akteure« sind somit vor allem Redner/ Rednerinnen im Parlament, eine Verwaltung, eine Kommission etc. Die Positionierungen der Akteure erfolgen dann auch mittels Aussagen: Sie positionieren sich und andere im Diskurs und nehmen Zuweisungen vor. Der Erfolg von Positionierungsversuchen wie auch die ursprüngliche Position des Akteurs im Diskurs hängen mit den Machtverhältnissen zusammen, die den jeweiligen Diskurs strukturieren. Während der Diskurs selber eine bestimmte Wertposition darstellt, gibt es zwei Arten von Positionen, die in der Analyse differenziert werden: Interessensund Aussagepositionen. Grundsätzlich liegt der Unterschied in der Möglichkeit,

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welche die Besetzung der Positionen den Akteuren offeriert. Die Interessensposition bezieht sich ganz generell auf diejenigen Positionen, die hinsichtlich eines bestimmten Diskurses möglich sind. Beispielsweise wird die genealogische Analyse der diskursiven Ereignisse zeigen, inwiefern/ ob im Diskurs »Integration durch Sprache« eine andere Interessensposition möglich ist als diejenige des Sprachkurs-Obligatoriums, d. h. ob die Möglichkeit einer Gegenposition dazu innerhalb des Diskurses besteht. Grundsätzlich ist bei jedem diskursiven Ereignis zu berücksichtigen, welche Interessenspositionen an Dominanz gewinnen oder aber verlieren. Mit Aussagepositionen werden jene Bereiche des Sagbaren innerhalb des Diskurses bezeichnet, die sich inhaltlich möglicherweise voneinander unterscheiden, dennoch aber über eine innere ideologische Kohärenz verfügen. Die Aussagepositionen hängen insofern mit den Interessenspositionen zusammen, als jede Interessensposition über eine bestimmte Anzahl von Aussagen verfügt. Sie sollen analytisch jedoch getrennt behandelt werden. Im Endeffekt geht es darum aufzuzeigen, wie sich diese Aussagepositionen gestalten – auch in Bezug auf die Interessenspositionen –, wie sie im Kontext der diskursiven Ereignisse verhandelt werden und welche Selbst- und Fremdpositionierungen dadurch überhaupt vollzogen werden. Strategien der Selbst- und Fremdpositionierungen werden ihrerseits vor allem im Hinblick auf die Interviewanalyse relevant. Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Achsen um eine Argumentenanalyse, die sich an Foucaults Idee des Sagbaren orientiert. Dabei werden wiederkehrende sprachliche Formeln relevant, welche die Aussagen speisen und oftmals von sich unterschiedlich positionierenden Sprecherinnen/ Sprechern wortwörtlich wiederholt werden. Beispiele für solche Formeln wären die Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« oder das Prinzip »Fördern und Fordern« – zwei formelhafte Phrasen, die im spezifischen Diskurs »Integration durch Sprache« funktional werden. Wenn also Positionierungsstrategien als kompetitive Diskurselemente konzipiert werden können, mittels derer sich Akteure einen Vorteil in Bezug auf die Durchsetzung ihrer Interessen verschaffen wollen, erscheinen die Formeln als kooperative Elemente. Sie ermöglichen den Akteuren, sich innerhalb des Diskurses erfolgreich zu positionieren und sich diesen anzueignen. Sie strukturieren somit den Diskurs und widerspiegeln gleichzeitig die Dimension des diskursiv Sagbaren. Durch die Analyse der diskursiven Ereignisse soll deshalb ersichtlich werden, wann welche Formeln erscheinen, an Bedeutung gewinnen, sprich »gültig« werden (durchaus auch in einem ideologischen Sinn), oder aber an Bedeutung verlieren und über welche Funktionen sie verfügen. In diesem Kontext soll kurz auf die diskursiven Ideologisierungsprozesse im Sprachgebrauch hingewiesen werden. Mit Ideologisierungsprozess ist Folgendes gemeint: Eine Common Sense-Formulierung muss ab einem bestimmten

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Moment nicht mehr erklärt werden, da sie als akzeptiert gehandelt wird und ihr Inhalt resp. ihre Bedeutung nicht mehr verhandelt werden muss. Anhand der Etablierung einer bestimmten Formulierung kann somit ein Rückschluss auf ihren ideologischen Gehalt gezogen werden. Eine Formulierung, die sich hingegen noch nicht als klischierte Phrase etablieren konnte, mag anfänglich noch verdeutlicht und definiert werden. Oftmals ist dies bei Paradigmenwechseln der Fall, wo neue Begriffe und Formeln eingeführt werden, die noch nicht allgemein »verständlich« sind. Diese können somit in ihrer Bedeutung noch ausgehandelt werden. Dieser Prozess der Ideologisierung (der zunehmende Grad an implizitem Common Sense) wird komplementiert durch andere Formen von sprachlichen Ideologisierungsstrategien, was wiederum mit dem Versuch von Positionierungen der Legitimation zusammenhängt. Beispielsweise deuten Formulierungen, die dem (vermeintlich) Allgemeingültigen Ausdruck verleihen, auf Ideologisierungen hin: »wie Sie wissen«; »es ist ja so, dass«, etc. Derartige Formulierungen zielen darauf ab, bei den Adressaten Zustimmung zu insinuieren und auf kooperativer Weise eine gemeinsame Position zu etablieren. Auch hier finden in den meisten Fällen keine Spezifizierungen statt und/ oder es wird impliziert, dass die erfolgte Aussage allgemeingültig ist. Ob dem wirklich so ist oder ob es sich dabei vielmehr um Ideologisierungen auf Ebene der Gesamtgesellschaft oder nur einer spezifischen »community of practice« (Wenger 1998) handelt sei dahingestellt. Zentral ist, dass durch ideologisierende Formulierungen ein allgemeingültiges Verständnis auf Seiten der involvierten Akteure evoziert wird. Als exemplarische Materialität des Diskurses werden die unterschiedlichen Daten angesehen, anhand welcher die einzelnen diskursiven Ereignisse analysiert werden. Dabei kann es sich um schriftliche Dokumente handeln oder aber um mündliche Debatten. Weder Medium (geschriebene oder gesprochene Sprache, Bilder, etc.) noch Eigenschaften wie Dauer, offizielle Relevanz etc. definieren a priori die Materialität des Diskurses. Bei der Analyse der Materialität werden deshalb Fragen der Produktion, Zirkulation und Konsumtion relevant: von wem wurde etwas produziert, für wen, mit welchen Zielen und welchen Konsequenzen? Interdiskursivität, Intertextualität und Entextualisierung Zwei für die Analyse produktive diskursive Phänomene sollen an dieser Stelle erwähnt werden: Interdiskursivität und Intertextualität. Sie umfassen die (diskursiven und textuellen) Verbindungen, Beeinflussungen, Rezeptionen, Reproduktionen etc. zwischen den auf unterschiedlichen politischen Ebenen angesiedelten Diskursen. Sie verdeutlichen, inwiefern ein Diskurs sich zu bestimmten Zeitpunkt niemals in einem Vakuum, sondern in einer diachronen und synchronen Serie diskursiver Ereignisse befindet. So bezeichnet Blommaert

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(2005: 253) Interdiskursivität als »[c]onnections between discourses across time as well as synchronically within repertoires«. Als Beispiel führt er den politischen Diskurs an: »Contemporary political discourse, for instance, shows interdiscursive connections with earlier political discourse as well with contemporary commercial advertisement discourse« (Blommaert 2005: 253). Besonders im Hinblick auf synchrone interdiskursive Einflüsse oder Überlappungen lassen sich die diskursiven Ereignisse und die damit verbundenen Konsequenzen besser kontextualisieren und verstehen. Die diachrone Interdiskursivität hingegen beleuchtet die diskursive Serie aus einer umfassenden Perspektive. Im Gegenzug bezeichnet Intertexualität die diachronen und/ oder synchronen Verbindungen zwischen (schriftlichen und/ oder mündlichen) Texten. Blommaert (2005: 253) meint diesbezüglich: »Every text displays intertextual links with previous (similar or related) texts as well as synchronically with related texts«. Somit verweist Intertextualität explizit auf die textuelle und materielle Ebene des Diskurses. Bei der Analyse der Konsequenzen der nationalen und kantonalen Diskurse »Integration durch Sprache« liegt das Interesse auf konkreten Verbindungen zwischen den Texten, wie sie auf den zwei politischen Ebenen (Bund und Kanton) produziert werden, zirkulieren und aufeinander verweisen. Durch diese beiden diskursiven Phänomene wird die Analyse der Materialität um weitere Dimensionen angereichert. Diesbezüglich werden allerdings auch Fragen der Entextualisierung (Bauman/Briggs 1990) aufgeworfen: Welche Elemente eines Diskurses werden unter welchen Umständen und mit welchen Interessen in einen neuen Text re-integriert? Durch Entextualisierungen gewinnen sowohl die diskursiven Versatzstücke wie auch die dadurch angereicherten Texte an Legitimation und »Wahrheit« (Urban 1996). Somit werden anhand entextualisierter Materialitäten Prozesse der Wissensproduktion erkennbar. Gleichzeitig widerspiegeln sie die Entwicklung eines Diskurses und die Rolle seiner materiellen Formen (Silverstein/Urban 1996). Im vorliegenden Fall sind Entextualisierungen von besonderem Interesse, weil sie im Gesetzgebungsverfahren Hinweise darauf geben können, auf welchen Positionen das fortschreitende Regulativ des Diskurses »Integration durch Sprache« beruht, d. h. welche Argumente wiederholt verwendet werden, um zu argumentieren, dass die Sprachförderung für den Integrationsprozess notwendig sei. Sie sind somit eng mit Prozessen der Ideologisierung verbunden. Positionierungsstrategien Strategien der Positionierung sind diejenigen Strategien, die von Akteuren angewendet werden, um die jeweils gewünschten Interessens- und Aussagepositionen zu realisieren. Je nach Analysefokus können unterschiedliche Strategien beleuchtet werden. Für die vorliegende Arbeit erscheinen besonders zwei Strategien relevant: Personalisierung und Distanzierung. Dies aus dem Grund,

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dass jede Positionierung relational erfolgt, d. h. in Bezug auf das Gesagte, auf Anwesende sowie Abwesende und auf den Diskurs selber (siehe Davies/Harr¦ 1990 und Lucius-Höne/Deppermann 2002 & 2004 zur Positionierungstheorie). Welche Positionen in einem Diskurs zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich sind oder von den Akteuren selber als möglich betrachtet werden, kann durch die Analyse von Aussagen im Kontext von diskursiven Ereignissen ebenfalls nachvollzogen werden. Durch die Personalisierungsstrategie tritt zutage, welche Positionen den Sprecherinnen und Sprechern als »genehm« erscheinen und mit welchen sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen (z. B. durch das Verwenden der ersten Person Singular/ Plural) oder aber von welchen Positionen sie sich lieber distanziert sehen. Die Strategie funktioniert über diverse sprachliche Konstruktionen, so z. B. über aktive Satzkonstruktionen, in denen im Gegensatz zu passiven Konstruktionen das Agens explizit genannt wird und/ oder über das Verwenden von Personalpronomen mittels derer die eigene Rolle hervorgehoben wird. Ganz grundsätzlich funktionieren auch Personalisierungsstrategien relational und stehen im Gegensatz zur Verwendung von Distanzierungen (siehe unten). Bei der Analyse der diskursiven Ereignisse muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Akteure sich in einem institutionellen Kontext befinden, in dem »persönliche« Meinungen möglicherweise von den »offiziellen« überlagert werden (siehe dazu z. B. Studer et al. 2010). Bei einer »front stage« Analyse des Diskurses stellen solche Überlagerungen kein Problem dar, weil es um den offiziellen Diskurs geht und um die darin möglichen resp. ermöglichten Positionen, wobei offizielle und persönliche beinhaltet sind. Dennoch müssen die unterschiedlichen Funktionen der Akteure berücksichtigt werden – die Tatsache, ob ein Akteur der offizielle Vertreter der Bundespolitik ist oder aber Vertreterin der Opposition, wird auf die sprachliche Formulierung und somit auf die Positionierungsstrategie einen unterschiedlichen Einfluss ausüben. Distanzierungen (als diskursive Positionierungsstrategie) zielen darauf ab, dass Akteure sich nicht mit einer Aussage oder einer Position identifizieren resp. identifiziert werden möchten. Realisiert wird dies durch neutrale Satzkonstruktionen, beispielsweise durch das Verwenden von Passivformen ohne Agens (»es wird verlangt«), indirekten Konstruktionen (»man sagt«) oder Expletiven (»es muss«). Wenn sich der Sprecher/ die Sprecherin von bestimmten Diskursen distanzieren möchte, werden zudem oftmals Abschwächungen, z. B. »Hedges« (Abschwächungen durch Modalverben, relativierende Adverbien oder Adjektive) oder »Shields« (Bonilla-Silva/Forman 2000; Caffi 1999) verwendet. Im Fall von »Shields« wird die mit dem dominanten Diskurs widersprüchlich erscheinende Aussage durch eine diskursive Strategie der Distanzierung abgeschwächt. Ein klassisches Beispiel für diese Strategie bietet die »aber«-Konstruktion (Bsp.: »Eigentlich bin ich tolerant, aber …«).

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Wenn sich Akteure von bestimmten Positionen distanzieren, kann dies ein Indiz dafür sein, dass sie grundsätzlich eine andere Interessensposition innerhalb des Diskurses einnehmen möchten. So weit muss es aber gar nicht kommen. Distanzierungsstrategien erfolgen denn auch häufig in Bezug auf Aussagen, die man selber vorgenommen hat, so z. B. beim Zusammentreffen resp. Aushandeln von unterschiedlichen Diskursen. Bonilla-Silva/Forman (2000) illustrieren diese Art von diskursiven Distanzierungsmanövern in ihrer Publikation am Beispiel »I am not a racist but« (was auch der Titel der Publikation ist), wo prinzipiell unterschiedlich strukturierte Diskurse von Rassismus und Toleranz aufeinander treffen (siehe auch Wetherell/Potter 1992 für ein weiteres Beispiel). In einem solchen Fall wird der in einem spezifischen Kontext negativ konnotierte Diskurs als kontrastierendes und distanzierendes Moment zur Untermauerung der eigenen Position eingesetzt. Zur Realisierung dieser Strategie wird gleichzeitig jedoch ein Ausweg aus dem potentiell diskursiven Dilemma gebraucht, welches gerade erst aufgrund der zu erfolgenden Vereinbarung von widersprüchlichen Wertepositionen entsteht. Durch eine derartige »yes-no« Struktur (Caffi 1999: 896), wie im Beispiel »I am not a racist but« erkenntlich, distanziert man sich »through a process of contrast with the unmarked, expected, preferred choice« (Caffi 1999: 896) und weist so die Verantwortung über die Verwendung eines negativ konnotierten Diskurses zurück. Auch wenn nun diese Distanzierungen zum Teil oftmals vor allem nur formell erkennbar sind, liefern sie einen Hinweis darauf, wie der Diskurs funktioniert resp. welche Positionen (Interessen und Aussagen) in einem Diskurs zugelassen sind. Denn wenn eine bestimmte Aussage ursprünglich mit, später aber ohne »Shield« (siehe oben) wiederkehrt, kann dies eine Verschiebung im Diskurs indexieren: Neue Positionen sind möglich geworden, so dass man sich nicht mehr von ihnen distanzieren muss. Die Analyse beider Positionierungsstrategien beruht somit auf sprachlichen Formulierungen, die Personalisierungen und Distanzierungen von Akteuren in Bezug auf ihre eigenen Aussagen, aber auch auf Aussagen anderer bewirken. Sie werden für die Analyse der Interviews ebenfalls herangezogen und in dem Zusammenhang nochmals thematisiert. Diese beiden Bestandteile (Analyse-Achsen und Positionierungsstrategien) ermöglichen die Analyse des nationalen und kantonalen Diskurses »Integration durch Sprache« anhand von diskursiven Ereignissen. Produktion, Reproduktion und Zirkulation des Diskurses lassen sich jedoch nicht nur auf politischer resp. legiferierender Ebene ausmachen, sondern auch in Interviews mit Expertinnen und Experten. Diese Interviews bedingen aufgrund ihrer spezifischen Materialität dennoch einen leicht anders gestalteten analytischen Ansatz, der im Folgenden vorgestellt werden soll.

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3.2.2 Analyse der Interviews: die interpretativen Repertoires Interviews als Daten unterscheiden sich von den Gesetzesdaten dadurch, dass sie durchgängig mündlich und interaktionell entstanden sind. Zusätzlich steht nicht die Entstehung und Etablierung des Diskurses »Integration durch Sprache« im Vordergrund, sondern vielmehr a) die Aushandlung und Reproduktion des Diskurses und b) die Positionierung der interviewten Personen innerhalb und in Bezug auf den Diskurs. Aus diesem Grund musste ein analytisches Vorgehen gefunden werden, welches der Form der Interviews sowie der Forschungsfrage gerecht wird. Ein solches Vorgehen wird nun in diesem Abschnitt vorgestellt. Es handelt sich dabei um das Konzept der »interpretativen Repertoires«. Dieses stammt ursprünglich aus der diskursiven und konstruktivistischen Sozialpsychologie und wurde als Instrument der Diskursanalyse auf Basis von Gilbert/Mulkays (1984) soziologischer Methode von Potter/Wetherell (2007 [1987]) weiterentwickelt. Wetherell (1998: 400) beschreibt das Konzept folgendermassen: »An interpretative repertoire is a culturally familiar and habitual line of argument comprised of recognizable themes, common places, and tropes«. Wetherell/Potter (1992) nennen diese interpretativen Repertoires auch interpretative, rhetorische oder argumentative Ressourcen; Coates et al. (1994) ihrerseits sprechen von »interpretive repertoires« (in der vorliegenden Arbeit wird jedoch durchgehend ausschliesslich von interpretativen Repertoires die Rede sein). Folglich dienen die »interpretativen Repertoires« dazu, die Hauptargumente eines Diskurses in durch Interviews erhobenen Aussagen zu erfassen. Im Gebiet der Diskursanalyse gibt es aber etliche Ansätze die nicht primär für die Analyse von Interviews gedacht sind. Analysiert werden dabei vielmehr Medienberichte (z. B. Johnson/Milani 2010; Fairclough 2008) oder politische Reden und Schriften (z. B. Charteris-Black 2005; Chilton 2008). Vertreterinnen und Vertreter der kritischen oder historischen Diskursanalyse interessieren sich wiederum eher für schriftliche Texte und/ oder Fokusgruppen (Wodak et al. 2009) als für die Analyse von Interviews. Ein zweiter zentraler Grund für die Anwendung der interpretativen Repertoires liegt in ihrer epistemologischen Verankerung in der foucaultschen Diskursanalyse. Dieser Zusammenhang soll im Folgenden etwas näher erläutert werden. Des Weiteren wird der sozialpsychologische Ursprung der Analysemethode umrissen, und dargelegt, wie eine kritische Diskursanalyse mittels der interpretativen Repertoires durchgeführt werden kann. Hierbei wird nochmals auf die Positionierungstheorie und auf die im Kontext der genealogischen Analyse bereits erwähnten Positionierungsstrategien eingegangen.

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3.2.2.1 Vom foucaultschen Diskurs zu den interpretativen Repertoires Diskurse werden somit auch von den Begründern des Konzepts der interpretativen Repertoires, Potter/Wetherell (2007[1987]), als historisch situiert resp. bedingt verstanden. Diskurse, so argumentieren sie, »are seen as historically evolved, making up an important part of the common sense of a culture as well as providing the structure for the operation of institutions such as human sciences, education and the law« (Wetherell/Potter 1992: 89 – 90). Des Weiteren teilen sie die Ansicht Foucaults, dass Diskurse, eng mit Ideologien und Machtprozessen zusammenhängend, sich in Common Sense sowie Wissensproduktion manifestieren. Wetherell/Potter (1992) verbinden dieses genealogische und kritische Verständnis von Diskurs mit ihrer Analyse von Interviews mittels interpretativer Repertoires. So sind auch sie der Auffassung, dass Interviews nicht als dekontextualisierte Texte verstanden werden sollen, sondern vielmehr als sozial situierte, interaktionistische und ko-konstruierte kommunikative Ereignisse. Interviews gelten darum als historische Produkte, die immer auch konstituiert werden durch Formen der Interdiskursivität und der Intertextualität. Der Bezug zu Foucault und seinen kritischen und geneaologischen Arbeiten wird von Wetherell/Potter (1992: 58 – 87) explizit ausgeführt; der Einfluss Foucaults wird besonders in ihrem Werk »Mapping the Language of Racism: Discourse and the Legimitation of Exploitation« (1992) deutlich. Dort beschreiben die Autoren (1992: 86; im Original nicht hervorgehoben), inwiefern sie sich in Foucaults epistemologischen und ontologischen Positionen wiedererkennen: »Our account must examine, as Foucault and others suggest, the specification of reality and the social in discourse – how agents and subjects are formed, how the social world is grouped and categorized, how material interests and the nature of relevant objects are determined«. Es sind dies Spezifizierungen von »Realität« (reality) und des »Gesellschaftlichen« (the social) durch Interviewpersonen, die sich als interpretative Repertoires materialisieren. Sie bewirken gleichzeitig Positionierungen, die Akteure von sich und anderen im diskursiv abgesteckten sozialen Feld vornehmen, welches wiederum durch argumentative Vektoren gekennzeichnet ist. Wie Foucault gehen Wetherell/Potter (1992) davon aus, dass es nicht nur eine partielle diskursive Konstituierung des sozialen Feldes durch den Diskurs geben kann, sondern dass die Konstituierung eine ganzheitliche sein muss. Die Sprache wird in diesem Verständnis nicht etwa zur reinen Ausstülpung des Diskurses, sondern zum funktionalen Instrument der Selbst- und Fremdpositionierungen, Personalisierungen und Distanzierungen innerhalb des Diskurses – z. B. zur artikulierten Auseinandersetzung mit argumentativen und ideologischen Dilemmata, die den Diskurs prägen. Die interpretativen Repertoires als Analysemittel zielen denn auch explizit auf den Sprachgebrauch ab, auf kommunikative Funktionen und auf die durch »inter-

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pretative Ressourcen« realisierten kommunikativen Strategien (Wetherell/Potter 1992: 90 – 91). Bevor vertiefter auf die linguistische Analyse der Interviews eingegangen wird, soll kurz dargelegt werden, inwiefern interpretative Repertoires als diskursive Argumentationsstrukturen verstanden werden. Grundlegend hierbei ist die Auffassung, dass ein diskursives Feld argumentativ durch unterschiedliche Aussage- und Interessenspositionen strukturiert wird. 3.2.2.2 Operationalisierung der interpretativen Repertoires für eine linguistische Diskursanalyse Ausgehend von der Prämisse, dass jeglicher Sprachgebrauch diskursiv bestimmt ist, analysieren Potter/Wetherell (2007[1987]) allfällige Regelmässigkeiten im Sprachgebrauch ihrer Interviewpartner und Interviewpartnerinnen. Hierbei beleuchten sie nicht etwa nur die Regelmässigkeiten im Sprachgebrauch eines Individuums, sondern vielmehr diejenigen sprachlichen Konsistenzen, die bei unterschiedlichen Sprecherinnen und Sprechern in ähnlicher Form auftauchen. Anhand dieser intern konsistenten und gebundenen Spracheinheiten (Potter/ Wetherell 2007[1987]: 146) kann die diskursive Organisation von Phänomenen systematisch erfasst werden. Die interpretativen Repertoires beziehen sich als Analyseinstrument auf die sprachliche Ebene von Interviews, während Ordnung und Strukturierung des Diskurses als den Sprachgebrauch bestimmende Elemente die Analyse anleiten. Dieser Ansatz entspricht somit dem empirischen und epistemologischen Anspruch der vorliegenden Arbeit, d. h. die Positionierungen der interviewten Expertinnen und Experten zu untersuchen, aufgrund derer die Bereiche des Möglichen innerhalb des Diskurses »Integration durch Sprache« ersichtlich werden. Der Fokus der Analyse ist dabei doppelt ausgerichtet. Er liegt auf der inhaltlichen Ebene sowie auf dem Sprachgebrauch. Nicht nur was gesagt wird, ist darum von Interesse, sondern auch, wie etwas formuliert wird – erst dieses wie lässt Rückschlüsse auf die Ordnung des Diskurses und die darin enthaltenen möglichen Positionen zu. Organisiert sind die Repertoires »through a limited range of terms used in particular stylistic and grammatical constructions« (Potter/Wetherell 2007 [1987]: 149). Allerdings gibt es nicht nur Regelmässigkeiten bezüglich dieser Konstruktionen, sondern auch die Möglichkeit von Variation und Variabilität (Potter/Mulkay 1985; Gilbert/Mulkay 1984). Die scheinbare Gegensätzlichkeit von Konsistenz und Variabilität widerspiegelt das für diese Arbeit grundlegende Diskursverständnis. Weder Konsistenz noch Variabilität treten zufällig oder willkürlich auf; vielmehr strukturieren und begrenzen sie auf komplementäre Weise das Feld des Sagbaren (in Form von regelmässig in der Verwendung auftauchenden interpretativen Repertoires) und die Möglichkeiten von Positionierungen innerhalb eines bestimmten Diskurses. In diesem Sinne schreiben

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Wetherell/Potter (1992: 102; siehe auch Potter/Mulkay 1985: 257): »Patterns of variation and consistency in the form and content of accounts help the analyst to map out the pattern of interpretative repertoires that the participants are drawing on«. Es wäre jedoch verkürzt zu sagen, dass die potentielle Variabilität in Aussagen durch den Diskurs bestimmt ist, sie hängt vielmehr mit kontextuellen diskursiven Strategien zusammen, z. B. mit derjenigen der Positionierung. Widersprüchliche Aussagen einer einzigen Person werden somit nicht als Anzeichen »wirklicher« resp. »vorgetäuschter« Einstellungen gehandelt, aber auch nicht als Ausdruck von instabiler Persönlichkeit, wie dies in einigen sozialpsychologischen Traditionen geschlussfolgert wurde. Variabilität hängt im diskursiven Ansatz weniger von der Sprecherin/ dem Sprecher ab, sondern vielmehr von den spezifischen Eigenschaften eines kommunikativen Ereignisses. In einer solchen Perspektive erscheint Variabilität als »a product of the way actions and beliefs are flexibly characterised in terms of different accounting systems in differing interpretative contexts« (Potter/Mulkay 1985: 265). Für die Analyse der Interviews wird genau aus diesem Grund interessant, wie versucht wird, Widersprüche und Dilemmata diskursiv zu vereinbaren und auf welche Repertoires dabei zurückgegriffen wird. Für die Sprecherinnen/ Sprecher liegt denn auch die Hauptfunktion von interpretativen Repertoires in der Strukturierung und Konstruktion von Erzählungen und Evaluationen, von Handlungen und Geschehnissen (Potter/Wetherell 2007[1987]: 138; siehe auch Wood/Kroger 2000: 43). Diese wiederum sind durch die diskursive Logik und die soziale und historische Situierung des Diskurses bedingt. Kurzum, die Repertoires werden verwendet, um den eigenen persönlichen Zugang zu einem bestimmten Phänomen zu beschreiben und um sich oder andere in diesem Zusammenhang zu positionieren. Für die Analyse werden somit wiederkehrende Formulierungen, Redewendungen und Strategien nach einer ersten Sichtung der Daten (d. h. die Interviews resp. ihre Transkriptionen) markiert und kategorisiert, dies bezüglich ihrer diskursiven Funktionen, aber auch im Kontext von inhaltlichen Äusserungen. Während bei Potter/Wetherell (2007[1987]: 149) insbesondere Metaphern und »figures of speech (tropes)«, sprich Redewendungen, als Grundlage für die Analyse gelten, sollen in der vorliegenden Arbeit insbesondere zwei Arten sprachlicher Realisierungen im Vordergrund der Analyse stehen. Erstens werden spezifische Phraseologismen und feste Mehrworteinheiten (vgl. Burger 2010) gesucht, die dem Diskurs »Integration durch Sprache« inhärent erscheinen. Zweitens wird der analytische Fokus auf Positionierungsstrategien gelegt. Wie sich diese in Verbindung mit interpretativen Repertoires ausgestalten, soll als nächstes erläutert werden.

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Datenerhebung und Datenanalyse

Positionierungsstrategien in Verbindung mit interpretativen Repertoires Wie bereits erwähnt, sind Positionierungsstrategien sprachliche Handlungen, mittels derer bestimmte Positionierungen der eigenen Person und/ oder anderer im Diskurs erreicht werden. Die Strategien reichen dabei von Personalisierungen über Distanzierungen bis hin zu Ideologisierungen. Sie werden anhand sprachlicher Konstruktionen realisiert, die z. B. aus Nominalisierungen, PassivKonstruktionen, Einsatz von Modalverben und »Shields« bestehen. Um Positionierungen als kommunikative Strategie theoretisch zu beschreiben, wird der Ansatz von Davies/Harr¦ (1990) herbeigezogen, ebenso wie derjenige von Lucius-Hoene/Deppermann (2002). Davies/Harr¦ (1990) werden als eigentliche Begründer der »positioning theory« angesehen. Obwohl sie nicht dem Fachgebiet der Linguistik entstammen, interessieren sie sich stark für Sprache als »concrete occasions of language in use« (1990: 44), sprich für Sprache als sozial situiert und als soziale Praxis.24 Individuen werden durch jede diskursive Praxis positioniert, wodurch ihre Subjektivitäten, d. h. ihre Identitäten konstruiert werden. Jedes Individuum positioniert sich somit qua diskursiver Praxis in einem »interaktiven sozialen Raum« und setzt sich »in Relation zu anderen sozialen Positionen, zu Werthaltungen und Normen« (Lucius-Hoene/Deppermann 2002: 62), um damit die eigene Identität zu entwerfen. Gleichzeitig positioniert sich ein Individuum aber nicht nur im sozialen Raum, d. h. in Beziehung zu anderen und der Gesellschaft, sondern auch im diskursiven Feld, das durch interpretative Repertoires strukturiert ist, d. h. in Bezug auf Objekte, Phänomene, Wissen und Common Sense. Diskursive Praxis entsteht durch und in Interaktionen (Davies/Harr¦ 1990), ob es sich bei diesen Interaktionen nun um ein alltägliches Gespräch handelt oder aber um ein qualitatives Interview. Jegliche Formen kommunikativer Ereignisse bieten sich somit für die Analyse von Positionierungen an. LuciusHoene/Deppermann (2002) ihrerseits wenden diesen Ansatz für die Analyse narrativer Interviews an. Sie sehen im Format derartiger Interviews grosse Möglichkeiten für die Erfassung diskursiver Positionierungen, die von den interviewten Personen im Verlauf der Erzählung vorgenommen werden. In qualitativen Interviews wie den semi-strukturierten, äussern sich die Interviewten zwar nicht derart ausführlich zu bestimmten Fragestellungen wie in narrativen Interviews, doch stehen sie auch hier in einem konstanten Dialog mit sich selber, der anwesenden Interviewerin und anderen An- oder Abwesenden, und positionieren sich entsprechend im derart gezeichneten sozialen Raum. Wenn man sich und andere im sozialen Raum verortet und gleichzeitig im diskursiven Feld positioniert, wird der soziale Raum durch die Positionierungen mit dem diskursiven Feld verknüpft. 24 Bronwyn Davies ist Erziehungswissenschaftlerin, Rom Harr¦ Philosoph und Psychologe.

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Die Positionierung von sich und anderen wird von Davies/Harr¦ (1990: 48; im Original nicht hervorgehoben) als reflexive und interaktive Positionierung beschrieben: »There can be interactive positioning in which what one person says positions another. And there can be reflexive positioning in which one positions oneself«. Lucius-Hoene/Deppermann verwenden in diesem Zusammenhang die Terminologie der Selbst- und Fremdpositionierung (anstelle von reflexive resp. interactive positioning), die auch in der vorliegenden Studie verwendet wird. Ihre Beschreibung der Selbst- und Fremdpositionierung (Lucius-Hoene/Deppermann 2002: 62; im Original nicht hervorgehoben) lautet wie folgt: »Positionierung« beschreibt, wie sich ein Sprecher in der Interaktion mit sprachlichen Handlungen zu einer sozial bestimmbaren Person macht, eben eine »Position« für sich herstellt und beansprucht und dem Interaktionspartner damit zu verstehen gibt, wie er gesehen werden möchte (Selbstpositionierung). Ebenso weist er mit seinen sprachlichen Handlungen dem Interaktionspartner eine soziale Position zu und gibt ihm damit zu verstehen, wie er ihn sieht (Fremdpositionierung).

Die Aushandlung der eigenen Position steht somit stets in engem Zusammenhang mit der Positionierung von anderen. Die andere Person ist in einem Interview zunächst die Interviewerin, da das Interview ein dialogisches kommunikatives Ereignis darstellt. Andererseits können auch abwesende (imaginäre oder reale) Andere angedeutet werden, von denen man sich diskursiv entweder abgrenzen oder aber sich mit ihnen solidarisieren möchte. Diese Abgrenzungen und/ oder Solidarisierungen geschehen häufig implizit (Davies/Harr¦s 1999: 48), so zum Beispiel mit der Verwendung von interpretativen Repertoires. Wie sich diese Selbst- und Fremdpositionierungen in den Interviews gestalten, welche interpretativen Repertoires dabei herangezogen werden und mittels welcher sprachlichen Strategien dies realisiert wird, wird sich bei der Analyse der Interviews zeigen. Realisiert werden diese Aushandlungen durch unterschiedliche sprachliche Strategien, wobei in Bezug auf die Analyse der Interviews insbesondere die Strategien der Personalisierung und Distanzierung fokussiert werden. Die Vermutung liegt nahe, dass gerade bei einem Thema, welches stark mit Fragen zu gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion verbunden ist, Positionierungen stark ausgeprägt sind – und sich somit konkret und explizit in den Aussagen der interviewten Personen herausschälen werden. Besonders Strategien der Ideologisierungen werden hierbei von Interesse sein, da sich in ihnen die Limitierung der argumentativen Möglichkeiten innerhalb des Diskurses herauskristallisieren. Für die Selbst- und Fremdpositionierung im Kontext eines Interviews kann z. B. folgende Formulierung fungieren: »Wissen Sie, ich bin nicht so…«. Hier wird auf der einen Seite eine Selbsteinschätzung und Selbstpositionierung dargeboten, auf der anderen Seite wird durch Einschübe wie »wissen Sie…« die

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Datenerhebung und Datenanalyse

Interviewerin kollaborativ in diesen Prozess eingebunden. Gleichzeitig impliziert die Formulierung »ich bin nicht so« kontrastierend, dass andere durchaus »so« sind – was auch immer dies beinhaltet. Dieser kurze Teilsatz bewirkt eine dreifache Positionierung: erstens von der erzählenden Person, zweitens gegenüber der Interviewerin und drittens in Bezug auf andere (imaginäre oder reale) Akteure. Diese Positionierungen erfolgen nicht zufällig, sondern beruhen auf diskursiven Interessen, die mit der Legitimierung der eigenen Aussagen/ Position und mit der Identitätskonstruktion zu tun haben. Fremdpositionierungen hängen aber nicht nur mit der diskursiven Zuweisung von Dritten, sondern auch mit Kategorisierungsprozessen zusammen: Wie sieht man sich selber, wie nimmt man andere wahr, wie beschreibt man diese, wie gruppiert man andere (und sich in Relation dazu) aufgrund welcher Merkmale etc.? Gerade die ausländische Bevölkerung sieht sich oftmals Kategorisierungen ausgesetzt. Im Prinzip ist ja bereits die Bezeichnung »ausländische Bevölkerung« eine Kategorisierung, welche aufgrund eines einzelnen Merkmals erfolgt, namentlich der Staatsbürgerschaft. Diese Art von Kategorisierungen wird von Wetherell/Potter (1992: 14) als »constitutive as well as reflexive« beschrieben: »the discursive act creates groups, interests, emotions, similiarities and differences«, wie auch das obige Beispiel mit der Kategorie »ausländische Bevölkerung« darlegt. Oftmals werden solche Kategorisierungen nicht hinterfragt, sondern als »natürlich« angesehen, sprich als Common Sense gehandelt. Aus diesem Grund ist eine kritische Begutachtung nicht nur von Positionierungsakten sondern auch von Kategorisierungen angebracht. Ein interessanter Prozess der Fremdpositionierung mittels Repertoires lässt sich bei Gilbert/Mulkay (1984) nachlesen, die in ihrer Studie über den Wissenschaftsdiskurs bei Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern auf zwei Repertoires gestossen sind. Die »empiricist« und »contingent« Repertoires diente den wissenschaftlichen Akteuren dazu, ihre eigene Arbeit und diejenige von anderen (d. h. prinzipiell die Arbeit der Konkurrenz) nach einer bestimmten Logik zu beurteilen. Während die Akteure das »empiricist repertoire« verwendeten, um die eigene Arbeit als von individuellen und subjektiven Faktoren unbeeinflusst präsentieren zu können, konstruierten sie die Arbeit der Konkurrenz anhand des »contingent repertoires« als durch persönliches Bias, politische Motivation oder andere nicht-wissenschaftliche Faktoren beeinflusst. Obwohl die interviewten Akteure klar den zwei unterschiedlichen, in Konkurrenz stehenden wissenschaftlichen Lagern zugeteilt werden konnten, benutzten alle beide Repertoires. Die Benutzung der Repertoires half somit zur Legitimierung der eigenen Arbeit und zur klaren Delegitimierung der Arbeit des anderen Lagers. Zusammenfassend sind Selbst- und Fremdpositionierungen als dynamische und funktionale Prozesse zu verstehen, die in einem interaktiven Kontext an-

Datenanalyse

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gesiedelt sind. Ausserdem sind Positionierungen in Bezug auf den sozialen Raum oder das diskursive Feld situativ und kontextualisiert, so dass es möglich wird, multiple Positionierungen vorzunehmen – analog zu der widersprüchlichen Verwendung von interpretativen Repertoires. Diskursive Verschiebungen mögen durchaus innerhalb eines Interviews erfolgen, so dass man von »inconsistent choices people make in relation to different discursive practices« (Studer et al. 2010: 254) sprechen könnte. Gerade bei Experten und Expertinnen kann es anhand multipler Positionierungen zu entsprechenden diskursiven Aushandlungen kommen, die zwischen privaten und offiziellen Positionierungen oszillieren (Studer et al. 2010: 255). In ihrer Studie untersuchen Studer et al. (2010) derartige (artikulierte und nicht-artikulierte) Konflikte, die durch ein Auseinanderklaffen von privaten und beruflichen Meinungen verursacht wurden. Auch in den Interviews mit Expertinnen/ Experten der Migrations- und Integrationspolitik in Basel könnte es zu solchen diskursiven Verschiebungen und ideologischen Konflikten kommen; dies beispielsweise, wenn sich die Interviewten zu einer bestimmten institutionellen Praxis äussern, die sie mitgestaltet haben oder aber nach aussen rechtfertigen müssen. Die daraus resultierende Variabilität von Positionierungen und Repertoires widerspiegelt den komplexen Prozess von Sinnzuschreibung und Sinngebung. Welche Repertoires in den Interviews mit den Expertinnen und Experten überhaupt zu Tage treten, auf was sie sich beziehen und mit welchen diskursiven Funktionen sie versehen sind, wird sich im Verlauf der Analyse zeigen (Kapitel 6). Zunächst soll in den folgenden zwei Kapiteln jedoch anhand der oben vorgestellten genealogischen Analyse herausgearbeitet werden, wie sich der Diskurs auf nationaler Ebene (Kapitel 4) und im Kontext des Kantons BaselStadt (Kapitel 5) entwickelt hat, welche Rolle der Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« in dieser Entwicklung zuteil wurde und welche diskursiven Ereignisse sich für eine Analyse dieser Punkte anbieten.

4

»Integration durch Sprache«: Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

4.1

Einleitung

Integration ist in der heutigen Schweizer Migrationspolitik zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Konzept geworden, welches etliche Massnahmen, Bemühungen und Forderungen umfasst. In diesem Zusammenhang wird Sprache zum Entscheidungskriterium von erfolgter resp. nicht erfolgter Integration hochstilisiert. Sie ist nicht mehr aus dem Integrationsdiskurs wegzudenken, was sich emblematisch in der häufigen Verwendung der Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Kapitel analysiert werden, wie sich dieser Diskurs auf der nationalen Ebene formiert und, in Folge, nur noch bestimmte Interessenspositionen zulässt. Gleichzeitig wird nachgezeichnet, wie die Schlüsselmetapher im Verlauf der Jahre um eine Dimension erweitert wurde, so dass die Sprache als Indikator der Integration konzipiert wurde. Zu diesem Zweck werden die relevanten diskursiven Ereignisse identifiziert und analysiert. Der Diskurs »Integration durch Sprache« entstand jedoch nicht etwa in einem gesellschaftlichen und/ oder politischen Vakuum, sondern wurde durch ganz bestimmte politisch-ökonomische und gesellschaftliche Bedingungen ermöglicht. Um diesen Diskurs genealogisch zu analysieren, müssen als erstes die Möglichkeitsbedingungen erfasst werden. Aus diesem Grund soll im Folgenden zunächst eine kurze Rekonstruktion der politischen und ökonomischen Situation der Schweiz in den 1980er und 1990er-Jahren erfolgen.

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4.2

Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

Die politisch-ökonomische Ausgangslage für eine Neuorientierung der Schweizer Ausländerpolitik

Das Bundesgesetz über Niederlassung und Aufenthalt der Ausländer (ANAG) war bereits ein halbes Jahrhundert in Kraft (seit 1931), als sich in den 1980erJahren ein gesellschaftliches wie politisches Bedürfnis nach einer neuen, den veränderten Realitäten angepassten Rechtsprechung zu formieren begann. Diverse parlamentarische Vorstösse wurden in regelmässigen Abständen sowohl im Stände- wie auch im Nationalrat (SR resp. NR) eingereicht; Ende der 1990erJahre begannen sich diese Vorstösse zu häufen. Entweder wurde die Revision des bestehenden Gesetzes (ANAG) verlangt, z. B. das Überarbeiten gewisser rechtlicher Teilaspekte, oder aber eine vollkommen neue Gesetzgebung.25 Nachdem das ANAG zuerst einer Teilrevision unterzogen wurde, begann man bald mit der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes die ausländische Bevölkerung der Schweiz betreffend. Das Produkt dieser Ausarbeitung ist das heutige Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG). Wie sich die Realitäten und die politischen resp. gesetzlichen Bedürfnissen verändert haben, soll im Folgenden skizziert werden. Das wachsende Gefühl einer politischen resp. gesetzlichen Unzulänglichkeit ist mit der Transformation der politischen Ökonomie (Gal 1998) verbunden, welche ab den 1970er-Jahren die industrialisierte Welt erfasste, somit auch die Schweiz. Die internationale Ölkrise von 1973 machte auch vor der Schweiz nicht halt, was in einer massiven Arbeitslosigkeit resultierte: Etwa jeder zehnte Arbeitsplatz ging verloren. Besonders die ausländischen Arbeitskräfte waren von der Wirtschaftskrise betroffen. Während Prozesse der Tertiarisierung die Zusammensetzung und Bedürfnisse des Arbeitsmarkts veränderten (für ein konkretes Beispiel der Transformationen siehe Flubacher/DuchÞne 2012 zur Stadt Biel/Bienne), stellten die fortschreitende Neoliberalisierung und damit einhergehende Inter- und Transnationalisierung (Harvey 2005) die Arbeitnehmer- wie auch Arbeitgeberseite vor neue Herausforderungen. In Folge des industriellen Abbaus und der nachfolgenden Verlagerung zur Dienstleistungsgesellschaft verloren nämlich nicht nur professionelle Qualifikationen an Wert, viele ausländische Arbeitskräfte büssten auch ihr Aufenthaltsrecht ein, welches an die Bedingung einer Anstellung geknüpft war. Die ausländische Arbeiterschaft war somit ungleich stärker von der Krise betroffen, was die staatliche Verwaltung vor 25 In der Botschaft zum ersten Entwurf des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) des Bundesrats vom 08. 03. 2002 findet sich eine Auflistung der parlamentarischen Vorstösse (Motionen und Postulate), die der Erarbeitung des neuen Gesetzes den Anstoss gegeben haben. (Online einsehbar unter : http://www.bfm.admin.ch/content/ dam/data/migration/buergerrecht/auslaendergesetz/revision_auslaendergesetz/ 020308a_bot-d.pdf [Letzter Zugriff: 08. 10. 2013]).

Die politisch-ökonomische Ausgangslage für eine Neuorientierung

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etliche finanzielle und strukturelle Probleme stellte. Es darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die (freiwillige oder erzwungene) Rückkehr ins Heimatland zahlreicher Arbeitsloser regelrecht als Konjunkturpuffer diente (vgl. »Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer« 2002: 7 – 9). Die mit den Wirtschaftskrisen zusammenhängenden Transformationen der politisch-ökonomischen Bedingungen übten einen massgeblichen Einfluss auf das politische Umschwenken auf die Integration als politisches Konzept hin. Doch darf nicht vergessen werden, dass zusätzliche Faktoren der gesellschaftspolitischen Entwicklung von Bedeutung waren.26 Die Frage, weshalb gerade zu diesem Zeitpunkt derartige politische und diskursive Verschiebungen stattgefunden haben (mit entsprechenden gesetzlichen, gesellschaftlichen und sozialen Konsequenzen für die Betroffenen, d. h. die ausländische Bevölkerung und die Schweizer Behörden) bleibt somit zentral. Ein weiterer, von der Schweizer Migrationswissenschaft als relevant markierter Punkt stellt die sich verändernde Zusammensetzung der Migrationsbevölkerung dar (siehe z. B. Haug 2003a). Sind vor der Ölkrise der 1970er-Jahre vor allem temporäre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Italien und Spanien wegen der günstigen hiesigen Arbeitsmarktsituation in die Schweiz gekommen – und nach Ablauf des Arbeitsvertrags oft tatsächlich in ihr Heimatland zurückgekehrt –, änderte sich die Zusammensetzung der Immigrationsbevölkerung ab den 1980er-Jahren. Gemäss Haug (2003a: 7) ist die demographische Veränderung der Einwanderung das Resultat von unterschiedlichen wirtschaftlichen und globalpolitischen Entwicklungen. Erstens kamen die Arbeitsmigranten ab den 1980er-Jahren häufig nicht mehr primär als Einzelpersonen in die Schweiz, sondern in Begleitung ihrer Familien. Zweitens stammten die neuen Arbeitsmigranten und -migrantinnen nicht mehr nur aus den traditionellen südeuropäischen Rekrutierungsländern Italien und Spanien, sondern wurden neuerdings auch im ehemaligen Jugoslawien, in der Türkei oder in Portugal rekrutiert. Drittens trugen Flüchtlinge aus Asien (insbesondere aus Indonesien und Sri Lanka) und dem Mittleren Osten zu einer zunehmend sichtbaren Diversifizierung der ausländischen Bevölkerung bei. Als vierten Punkt verweist Haug (2003a: 7) auf den Kollaps des Ostblocks, wonach die Einwanderung aus jenen Regionen ebenfalls zunahm. Die 1990er-Jahren waren dann in Bezug auf Migration besonders von zwei spezifischen wirtschaftlichen resp. politischen Ereignissen geprägt: Erstens wurde die Schweiz erneut von einer Rezession getroffen, zu deren Beruhigung diesmal die Arbeitslosigkeit nicht mehr »exportiert« werden konnte. Dies auf26 Für eine ausführlichere Behandlung des Zusammenhangs zwischen politisch-ökonomischen Transformationen und der Schweizer Migrations-/ Integrationspolitik siehe Piguet (2013).

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

grund der veränderten aufenthaltsrechtlichen Situation eines Teils der (ursprünglich) ausländischen Arbeitskräfte, die in der Zwischenzeit das Schweizer Bürgerecht erworben hatten und der seit 1982 obligatorischen Arbeitslosenversicherung (als Reaktion auf die Krise von 1973). Trotz der aufenthaltsrechtlichen Besserstellung waren diese Arbeitskräfte ungleich mehr von der Krise betroffen, da sie oftmals die präkarisierten unqualifizierten Arbeitsstellen innehatten. Das zweite politische Ereignis war der so genannte Balkankonflikt. Er brachte aus den in den Konflikt involvierten Ländern eine grosse Anzahl Flüchtlinge in die Schweiz, die nur bedingt vom Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Vor dem Hintergrund der Ölkrise der 1970er, der nachfolgenden Wirtschaftskrisen der 1980er und 1990er-Jahre und dem prekären Status der ausländischen Arbeitskräfte, machte sich auf Seiten der Regierung vermehrt die Einsicht breit, dass sich die bis anhin verfolgte Laisser-faire-Politik in Bezug auf die »Integration« resp. »Assimilation« der ausländischen Bevölkerung nicht bewährt hatte. In diesem Zug wurde schliesslich auch die langjährig betriebene Rotationspolitik aufgegeben, da sie nicht die gewünschten Resultate brachte (Piguet 2005). Denn obwohl etliche ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Zuge der diversen wirtschaftlichen Krisen remigrierten, war ein beträchtlicher Anteil der ursprünglich temporär rekrutierten Arbeitskräfte in der Schweiz sesshaft geworden. Nachdem einst diesen ansässigen Ausländerinnen und Ausländern eine sprachliche, kulturelle und politische Assimilation abverlangt wurde, verloren im Kontext der Krise und der nachfolgenden ungleichen Auswirkungen auf die ausländische Bevölkerung allerdings nicht nur die Rotations-, sondern auch die Assimilationspolitik an politischer wie gesellschaftlicher Legitimation. Gleichzeitig wurde die kulturelle und sprachliche Heterogenisierung der Zugewanderten von einem wachsenden Teil der lokalen Bevölkerung und Verwaltung als gesellschaftliches und politisches Problem wahrgenommen. So wurde gezwungenermassen nach neuen politischen Lösungsansätzen gesucht. Ersetzt wurden die mittlerweile als untauglich deklarierten Ansätze der Migrationspolitik durch das gesellschaftspolitische Konzept der Integration (vgl. EKA 1999: 4 – 5; Mateo 2009; PiÇeiro et al. 2009; Wicker 2003).27 Konkret bedeutete der konzeptuelle Umschwung (weg von der Rotations- und Assimilationspolitik hin zu einer Integrationspolitik), dass die Revision des ANAG auf nationaler Ebene mit dem Ziel in Angriff genommen wurde, die Integrationspolitik des Bundes mittels einer entsprechenden Legiferierung offiziell zu lancieren. Weshalb wohl die Sprache zum zentralen Ele27 Parallele Entwicklungen in Deutschland werden z. B. von Terkessidis (2010) beleuchtet. Eine Besprechung zu anderen EU-Ländern und der EU selber findet sich in Achermann/Künzli (2011).

Identifizierung der diskursiven Ereignisse

119

ment der Integrationsförderung der wirtschaftlich marginalisierten und kulturell heterogenen, ausländischen Bevölkerung auserkoren wurde, soll nachfolgend aufgezeigt und analysiert werden.

4.3

Identifizierung der diskursiven Ereignisse

Die für die Analyse vorgesehene Serie von diskursiven Ereignissen wird auf das Jahrzehnt 1998 – 2008 eingegrenzt. Die in dieser Zeitspanne als relevant erachteten diskursiven Ereignisse (erstens die Motionen Bircher und Simmen (1998) und zweitens der Sprachartikel im AuG (2008)) sowie die dazu führenden Möglichkeitsbedingungen markieren diejenigen Umbrüche und Veränderungen, welche der Festigung des Diskurses überhaupt erst Vorschub geleistet haben. Obwohl in diesem Zeitrahmen (1998 – 2008) andere gesetzliche Vorstösse, Revisionen und Veränderungen im Bereich der nationalen Integrations- oder Sprachpolitik erfolgt sind, verfügen diese beiden Ereignisse über die grösste Aussagekraft hinsichtlich der Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache«. Anhand der oben erwähnten Ereignisse soll die sich ideologisch verdichtende diskursive Konstruktion der Rolle aufgezeigt werden, welche der Sprache im Integrationsprozess zugesprochen wird. Dies manifestiert sich unter anderem in schriftlichen Texten, die als diskursive Produktion von Wissen in spezifischen diskursiven und institutionellen Räumen kontextualisiert und als Materialisierung von sozio-politischen diskursiven Prozessen verstanden werden. Zu diesem Zweck werden die in Kapitel 3 vorgestellten Gesetzesdaten auf nationaler Ebene einer genealogischen Analyse nach Foucault unterzogen, was ihre Historizität ins Zentrum der Analyse rückt. An dieser Stelle soll kurz darauf hingewiesen werden, dass diese Arbeit weder einen juristischen Hintegrund hat, noch juristische Fragestellungen verfolgt. Obwohl diverse Gesetze resp. Gesetzesartikel und die damit zusammenhängenden Debatten und Dokumente die Grundlage der Analyse darstellen, werden sie nicht per se als juristische Texte behandelt, sondern als sozial konstruierte Materialität betrachtet, die aufgrund ihres Ereignischarakters in einer Diskursserie lokalisiert und somit analysiert werden können. Für die Analyse wird zwar der globale Gesetzesentwicklungsprozess von der ANAG-Revision bis hin zum AuG berücksichtigt, doch liegt der Fokus hier vor allem auf der Thematisierung der Sprache als Bestandteil der Integrationspolitik. Zu diesem Zweck rückt die Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« ins Zentrum der Aufmerksamkeit, denn im Zeitraum von 1998 – 2008 zeigt sich, inwiefern diese Metapher in die Integrationspolitik eingeführt, von ihr inkorporiert, unhinterfragt reproduziert und schliesslich um eine zusätzliche Funktion erweitert wird. Die Sprache wird zuletzt nicht mehr

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

nur als Schlüssel zur Integration, sondern auch zum Indikator der Integration konstruiert. Des Weiteren wird sich die Analyse darauf beziehen, welche Aussagepositionen in den diskursiven Ereignissen zum Ausdruck kommen und wie Interessenspositionen und Zuweisungen derselben verhandelt werden. Wie bereits erwähnt, stellen die Motionen Bircher und Simmen das erste diskursive Ereignis dar, in welchem die Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« verwendet wurde. Diese Motionen werden in Achermann/Künzli (2011) und Steiner (2007b) als das Moment beschrieben, in dem die Sprache zum ersten Mal explizit in die Integrationspolitik eingeführt wurde. Die wissenschaftliche Rezeption dieses Moments unterstreicht die Relevanz der Motionen für die Rekonstruktion der integrationspolitischen Entwicklung der Schweiz. Das diskursive Ereignis beinhaltet aber nicht nur die Motionen, sondern auch die damit zusammenhängenden politischen Debatten, Beschlüsse und Gesetzgebungen, so die Revision des ANAG, die Schaffung des Integrationsartikels (Art. 25a ANAG) und der neuen, auf dem Integrationsartikel basierenden Integrationsverordnung (VIntA), wie in 3.1.2 beschrieben wurde. Obwohl im Kontext des Integrationsartikels, d h. im Vorfeld der Motionen, die Frage der Sprache in Zusammenhang mit Integration diskutiert wurde, beginnt die Analyse mit dem Moment der Einreichung der Motionen, weil in diesen eine gesetzliche Fixierung des diskutierten und postulierten Zusammenhangs zwischen Sprache und Integration angestrebt wurden. Es werden aber auch in einem weiteren Schritt die vorgängigen Diskussionen und Debatten nachgezeichnet, um darzulegen, zu welchem diskursiven Zeitpunkt die Motionen eingereicht worden waren und welche Positionen in dem Zusammenhang möglich wurden. Das zweite diskursive Ereignis umfasst den Sprachartikel (Art. 54 AuG), der die Erteilung resp. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung mit dem Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses verbindet. Diese gesetzliche Auflage wird in dieser Studie als unhinterfragte Reproduktion der Metapher konzipiert, gleichzeitig aber auch als ihre funktionale Erweiterung, da die Sprache nun zusätzlich als Schlüssel zum Messen der Integration verstanden wird. Auch in Bezug auf dieses zweite diskursive Ereignis müssen vorhergehende resp. parallele politische, administrative oder aber gesetzliche Prozesse einbezogen werden, so z. B. der Gesetzentstehungsprozess des AuG mit entsprechenden Parlamentsdebatten oder die Revision der VIntA in Entsprechung zum AuG.

Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik

4.4

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Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik: die Motionen als erstes diskursives Ereignis

In den beiden Motionen wurde gemäss unterschiedlichen Quellen (z. B. Achermann/Künzli 2011; Steiner 2007b) die Sprache anhand der Metapher »Schlüssel der Integration« zum ersten Mal explizit als elementarer Bestandteil der Integrationspolitik bezeichnet. Die beiden Motionen wurden Anfang Oktober 1998 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in den beiden Schweizer Räten eingereicht: am 7. Oktober die Motion Simmen im SR, am 8. Oktober die Motion Bircher im NR. Es liegt auf der Hand, dass die terminliche und inhaltliche Überschneidung kein Zufall war, wie weiter unten expliziert wird. Motionärin Rosemarie Simmen äusserte sich dazu folgendermassen: Der Grund, aus einer Motion sozusagen ein NR/ SR-Zwillingspärchen zu machen, ist einerseits der Wunsch, das Thema möglichst breit in beiden Parlamentskammern zu lancieren und ihm anderseits damit gleichzeitig auch in den Medien eine gute Präsenz zu verschaffen. Ferner erhöhen sich die Chancen, dass eine Motion angenommen wird. (E-Mail vom 19. 03. 2012)

Es geht folglich grundsätzlich darum, dem eigenen Anliegen ein grösseres politisches Gewicht zu verleihen, die eigene Position zu stärken, um schliesslich die eigenen Interessen erfolgreicher durchsetzen zu können. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Koalitionen gebildet und im anderen Rat ein Mitstreiter oder eine Mitstreiterin gefunden werden. Kaum zufällig stammten Simmen und Bircher aus derselben Partei (CVP). Es kann trotz solcher Bemühungen jedoch nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass eine Motion in den zwei Räten angenommen wird. Ähnlich sieht dies auch ein Mitarbeiter der Parlamentsdienste, wie er per E-Mail (am 13. 03. 2012) auf die Frage antwortete, ob die zeitgleiche Einreichung von Motionen in beiden Räten ein gebräuchliches Verfahren darstelle: Die Einreichung identischer Motionen in beiden Räten kommt selten vor. Da eine Motion zwingend in beiden Räten angenommen werden muss, kann auch kein direkter Vorteil abgeleitet werden. Die Motivation bei einer identischen Motion dürfte also eher in der politischen Symbolik liegen.

In seinen Augen liegt die Hauptbedeutung einer doppelten Einreichung folglich weniger in der pragmatischen Zielverfolgung als im symbolischen politischen Akt. In Bezug auf den Inhalt sind die Überschneidungen zwischen den beiden Motionen offensichtlich, wie in den unten abgedruckten Texten ersichtlich wird (beide Motionen sind in ihrem Volltext dargestellt). Dennoch gibt es zwischen

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den beiden Motionen etliche Abweichungen, die auf persönliche Argumentationsstrategien oder Partikularinteressen hinweisen. Sie indexieren, je nach interdiskursiven oder intertextuellen Verweisen, wie sich die Motionäre positionieren (möchten). Gleichzeitig verdeutlichen sie, in welchen diskursiven Grenzen die Positionierungen erfolgen können, welche Verweise als produktiv und zulässig erachtet werden. Die Motionen (siehe unten) sind folgendermassen strukturiert: Unter der offiziellen Bezeichnung (Geschäftsnummer, »Motion« mit Namen des Motionärs/ der Motionärin: z. B. »98.3465 Motion Bircher Peter«; der sich bei Motion Bircher in Klammern gesetzte zweite Name indexiert die Übernahme der Motion durch einen anderen Parlamentarier zu einem späteren Zeitpunkt) folgt der eigentliche Titel der Motion. Danach wird auf ein paar Zeilen zusammengefasst, welche Forderungen an den Bundesrat gestellt werden. Im Anschluss daran kommt die »Begründung« dafür, wieso diese Forderungen überhaupt formuliert werden. Um die Chronologie der Einreichung zu respektieren, folgt hier als erstes die Motion Simmen, danach diejenige von Bircher (beide sind auf der Webseite des Schweizer Parlaments online einsehbar28). Die als relevant erachteten Unterschiede werden in beiden Motionen visuell hervorgehoben (unterstrichen), wobei der Fokus auf den inhaltlichen Abweichungen liegt. Formulierungen, die für die Erfassung des Diskurses von Interesse sind, werden zusätzlich kursiv markiert. Strukturelle Verschiebungen mögen zwar einen Einfluss auf die Argumentationsstruktur haben, werden aber nicht im gleichen Ausmass berücksichtigt, da sich die diskursive Ausgestaltung dadurch nicht massgeblich verändert (als Beispiel: Birchers zweite Forderung an den Bundesrat erscheint bei Simmen erst im letzten Abschnitt der Motion). 98.3445 – Motion Rosemarie Simmen Förderung landesüblicher Sprachkenntnisse bei der ausländischen Wohnbevölkerung Der Bundesrat wird aufgefordert, die Expertenkommission für die Totalrevision des Anag zu beauftragen, die rechtlichen Möglichkeiten des Bundes zur Förderung der Sprachschulung für in der Schweiz dauerhaft zugelassene Ausländer zu schaffen. Begründung Die Sprache ist der Schlüssel zu jeder Integration. Ohne ausreichende Kenntnisse der ortsüblichen Sprache haben Ausländer nur geringen Zugang zur schweizerischen Umwelt. Sie sind kaum in der Lage, sich ohne Umweg über Drittpersonen über das kulturelle, soziale, berufliche und politische Leben in der Schweiz zu informieren. Der Erwerb von Sprachkenntnissen ist der erste Schritt aus einem Randgruppendasein heraus. Er ermöglicht Kontakte mit den Einheimischen und Teilnahme am gesell28 Motion Simmen: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=19983445; Motion Bircher: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_ id=19983465 [Letzter Zugriff beide: 08. 10. 2013].

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schaftlichen Leben; er vermindert Ängste sowohl auf seiten der Einheimischen wie der Neuhinzugekommenen. Die Gefahr von Ausgrenzung und Ghettoisierung und damit die Anfälligkeit für radikale politische und fundamentalistisch-religiöse Beeinflussung werden verkleinert. Damit verringert sich auch der Einfluss krimineller Kreise. Sprachkompetenz erhöht ferner die Berufschancen, indem sie berufliche Mobilität und Weiterbildung erst ermöglicht. Damit reduziert sich die Gefahr, dass Ausländer aus dem Arbeitsprozess herausfallen, mit allen negativen Konsequenzen, welche dies mit sich bringt. Es liegt im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, von Schweizern so gut wie Ausländern, wenn letztere sich möglichst schnell und gut in unserem Land zurechtfinden. Dies betrifft nicht nur die Neuankommenden, sondern auch Personen, welche schon längere Zeit in der Schweiz sind. Auch ist es äusserst wichtig, dass neben den Erwerbstätigen auch die Ehepartner, meistens die Frauen, und die Jugendlichen sich mit der lokalen Sprache vertraut machen können. Da die Einsicht in die Notwendigkeit des Spracherwerbes nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann, ist es entscheidend, dass bei der Umsetzung von Artikel 25a Anag darauf geachtet wird, dass ein qualitativ und quantitativ ausreichendes Angebot an Sprachkursen vorhanden ist und dass Anreize zum Besuch dieser Kurse geschaffen werden, z. B. durch Abgabe allgemein anerkannter Zertifikate oder als Bedingung für eine aufenthaltsrechtliche Besserstellung.

Grundsätzlich ist die Motion Birchers ausführlicher gehalten als diejenige Simmens und enthält dichtere interdiskursive Verweise, die eine argumentative Funktion einnehmen: 98.3465 Motion Bircher Peter (Heim Alex). Ausländische Wohnbevölkerung. Förderung der Sprachkenntnisse Der Bundesrat wird aufgefordert: – die Expertenkommission zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag) zu beauftragen, die rechtlichen Möglichkeiten des Bundes zur Förderung der Sprachschulung für in der Schweiz dauerhaft zugelassene Ausländer zu überprüfen; – bei der Umsetzung des Integrationsartikels 25a Anag dafür zu sorgen, dass Sprachkursangebote für dauerhaft in der Schweiz zugelassene Ausländer und parallel dazu Anreize zum Besuch dieser Kurse geschaffen werden, z. B. durch die Abgabe allgemein anerkannter Zertifikate oder als Bedingung für eine aufenthaltsrechtliche Besserstellung. Begründung Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Ohne ausreichende Kenntnisse der ortsüblichen Sprache haben Ausländer nur geringen Zugang zur schweizerischen Umwelt. Sie sind kaum in der Lage, sich selber ohne Umweg über Drittpersonen über das kulturelle, berufliche, soziale und politische Geschehen im Aufenthaltsland zu informieren und damit ihre Interessen geltend zu machen. Der Erwerb von Sprachkenntnissen ist daher der erste Schritt, um aus einem Randgruppendasein herauszukommen.

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Im Vordergrund steht dabei nicht nur die Integration der neu dauerhaft zugelassenen, sondern auch der bereits weitgehend hier sesshaften Ausländer in den Arbeitsprozess. Dabei ist insbesondere auch an die im Familiennachzug eingereisten Ehepartner und Jugendlichen zu denken. Die Sprache erhöht die Berufschancen und die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Sie stellt die Voraussetzung für die berufliche Mobilität und die Weiterbildung dar. Ohne diese besteht eine weit grössere Gefahr, aus dem Arbeitsprozess herauszufallen, was letztlich zu einer Belastung des Sozialsystems führt. Es liegt daher im eigenen Interesse der Schweiz, den hier ansässigen ausländischen Mitbürgern die Chancen zum Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess zuzubilligen und sie zu befähigen, den allgemein wachsenden Herausforderungen begegnen zu können. Die Kenntnis der ortsüblichen Sprache ermöglicht ein besseres Verständnis der Umwelt, Kontakte mit den Einheimischen, Teilnahme am Gesellschaftsleben und dessen Mitgestaltung. Damit werden Missverständnisse, Ängste und Spannungen zwischen Einheimischen und Zugewanderten besser abgebaut. Es geht letztlich um die Verhinderung von Ausgrenzung und Ghettoisierung von einzelnen oder Ausländergruppen. Erfahrungsgemäss ist die Gefahr einer Beeinflussung oder gar Vereinnahmung durch radikale politische oder religiöse fundamentalistische Bewegungen oder kriminelle Kreise um so grösser, je mehr ein Mensch aus der Gesellschaft des Aufenthaltslandes ausgeklammert und an den Rand gedrängt wird. In solchen Gruppen steigt die Gefahr der Delinquenz erfahrungsgemäss erheblich. Damit stellt die Sprache als Schlüssel zur Integration auch einen unabdingbaren Beitrag zur inneren Sicherheit dar.

Zu keinem Zeitpunkt wurden in den Motionen sprachliche Abschwächungen wie »Hedges« oder »Shields« (Caffi 1999) eingesetzt. Im Gegenteil, alle Aussagen die darauf abzielten, den Schlüsselcharakter der Kenntnisse der ortsüblichen Sprache hervorzuheben, wurden in einem faktischen Stil verfasst (d. h. es findet auch kein Einsatz von Modalverben statt). Dies vermittelt den Eindruck, dass es eine rein rhetorische Frage sei, ob die Sprache den Schlüssel zur Integration darstelle. Die einzige Abweichung von diesem derart insinuierten Common Sense lässt sich in folgender Formulierung erkennen: »Da die Einsicht in die Notwendigkeit des Spracherwerbs nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann«, Motion Simmen. Dies lässt verstehen, dass eventuell die ausländische Bevölkerung den ansonsten allgemeingültigen Common Sense noch nicht inkorporiert hat. Man könnte diese Motionen folglich als Versuch interpretieren, einen bestimmten Ideologisierungsprozesses anzustossen: Die Metapher wurde im Rahmen der Motion eingeführt und obwohl Simmen und Bircher davon auszugehen schienen, dass die anderen Ratsmitglieder ihre Meinung teilten (im Gegensatz zur Migrationsbevölkerung), hielten sie es für notwendig, die politische Tragweite der Bedeutung der Metapher darzulegen. Es handelte sich hier somit gewissermassen um einen Moment der Aushandlung über die Definitionsmacht darüber, was Integration bedeutet resp. welche Probleme durch Integration vermieden werden könnten und welche Rolle die Sprache darin zu spielen hätte. Die »ortsübliche Sprache« wurde

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dabei als Schlüssel zu den unterschiedlichsten Facetten der sozialen Integration verstanden. Auf der einen Seite wurde die Sprache zum Schlüssel zur Schweizer Umwelt: Kenntnisse in der lokalen Sprache sollten den Zugang zum Schweizer Leben, der »einheimischen« Bevölkerung und zu Informationen ermöglichen. Auf der anderen Seite wurden die Sprachkenntnisse als Schlüssel für den sozialen Aufstieg verstanden: Das potentielle Risiko eines »Randgruppendasein« könne vermieden werden, Berufschancen würden erhöht. Durch die Vermittlung von Sprachkenntnissen könnte zudem Ängsten entgegengewirkt werden – und zwar auch denjenigen der lokalen, »einheimischen« Bevölkerung. Diese Ängste können damit zusammenhängen, dass Fremdsprachigkeit als Bedrohung wahrgenommen werden kann, wenn z. B. keine Kontrolle über das Gesagte ausgeübt werden kann (siehe Dorostkar 2012b). Motionärin Simmen selber brachte derartige Ängste in Zusammenhang mit »fundamentalistisch-religiöser Beeinflussung« und dem »Einfluss krimineller Kreise«, welche durch das Risiko fehlender Sprachkenntnisse (gemeint ist damit jeweils »in der lokalen Sprache«) erhöht würde. In einer derartigen defizitorientierten Perspektive wurde die Migrationsbevölkerung somit durchgehend als potentielles Problem konstruiert, die ohne politisches Eingreifen ein Randgruppendasein friste, der religiösen oder kriminellen Vereinnahmung ausgesetzt wäre und sich in einer spannungsreichen Beziehung mit der Aufnahmegesellschaft befände. Auf die berufliche Integration wurde in beiden Motionen besonderes Augenmerk gelegt. Interdiskursive Verbindungen mit dem ökonomischen Diskurs wurden jedoch vor allem in Birchers Motion ersichtlich. Wiederholt bezog er sich auf Begriffe wie »Arbeitsprozess«, »Berufschancen«, »berufliche Mobilität«, »Weiterbildung«, »Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess«, welche schon fast in eine kausale Beziehung zu Sprachkenntnissen gesetzt wurden. Wenn jemand »aus dem Arbeitsprozess herausfallen« sollte, könnte er laut Bircher nämlich zu »einer Belastung des Sozialsystems« werden oder aber in die »Delinquenz« rutschen. Aus diesen Gründen, so folgerte er, »stellt die Sprache als Schlüssel zur Integration auch einen unabdingbaren Beitrag zur inneren Sicherheit dar«. Er argumentierte, dass die Schweiz »im eigenen Interesse« eine Investition in die Sprachförderung der ausländischen Bevölkerung leisten sollte; eben um diese negativ dargestellten Szenarien zu vermeiden. Es ist diese ökonomische Aussageposition Birchers (quasi eine Kosten-Nutzen-Analyse), die den grössten Unterschied zur derjenigen von Simmen darstellt (siehe unterstrichene Sequenzen). Bircher betonte den ökonomischen Vorteil, den sich die Schweiz verschaffen könne, wenn sie die Integrationsförderung gesetzlich regle, während Simmen den gesellschaftlichen Vorteil in den Vordergrund rückte. Obwohl auch Simmen darauf hinwies, dass Sprachkompetenzen mit Berufschancen zusammenhängen und die Gefahr verringern, dass Ausländer aus dem Arbeitsprozess herausfallen, zeichnete sie die Konsequenzen nur implizit auf (»mit allen negativen Konse-

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quenzen, welche dies mit sich bringt«). Ihr Argument für die gesetzliche Festlegung der Sprachförderung ging vielmehr in die Richtung, dass »die Einsicht in die Notwendigkeit des Spracherwerbes nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann«. Somit schien sich bei ihr vielmehr ein paternalistischer Diskurs (Dorostkar 2012a) abzuzeichnen, indem sie die Förderlichkeit des Spracherwerbs für die ausländische Bevölkerung betonte, während Bircher eher aus der ökonomischen Perspektive des Staates argumentierte. Es lässt sich trotz dieser argumentativen Gegensätze eine Überlappung der Aussagepositionen feststellen, die etwa so lautet: Falls sich die ausländische Bevölkerung sozial und ökonomisch etabliert, d. h. integriert, profitiert schliesslich auch der Staat. Über den Grund, weshalb Simmen und Bircher zwar dieselbe Interessensposition einnahmen, dafür jedoch zwei unterschiedliche Aussagepositionen bezogen, kann nur spekuliert werden. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass dies mit strategischen Überlegungen zusammenhing. Je nach Zusammensetzung und diskursiver Prägung der Kammern waren vermutlich unterschiedliche Argumentationsstrategien angebracht, um bestimmte politische Interessen durchzusetzen. Die jeweilige Aussageposition kann jedoch auch auf eine grundsätzlich andere individuelle Positionierung zurückzuführen sein. Auf alle Fälle zeigen die Unterschiede zwischen den beiden Motionen auf, welche Aussagepositionen in diesem Moment möglich waren, um die Interessensposition zu besetzen: Die Förderung der Sprachkurse musste derart argumentativ eingerahmt werden, dass sie zum Nutzen der Aufnahmegesellschaft gedeiht. Dies ist auch vor dem oben erläuterten volkwirtschaftlichen Hintergrund zu verstehen. Die Migrationsbevölkerung war in den Krisen ungleich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen und verfügte über geringeren Zugang zu Arbeitsmarkt und Institutionen, was sich in der schlechteren Vermittelbarkeit der ausländischen Arbeitskräfte ausdrückte. Die Motionäre versuchten somit, dieser Tendenz entgegen zu wirken und konkrete Lösungsvorschläge anzubieten. Gleichzeitig wurde die Sprache als das (einzige) Mittel präsentiert, anhand dessen die reellen und allfälligen Probleme der Migrationsbevölkerung behoben werden können. Die Aneignung lokaler Sprachkenntnisse implizierte denn auch, dass zur Vermeidung solcher Probleme bei der Migrationsbevölkerung direkt angesetzt werden müsste (mittels staatlicher Unterstützung), nicht etwa bei der »Aufnahmegesellschaft« oder beim arbeitsmarktpolitischen resp. gesellschaftspolitischen System an sich. Aufgrund beider Aussagepositionen, auch wenn sie leicht unterschiedlich ausfallen, ist es durchaus schlüssig, dass Simmen und Bircher in ihren Motionen dafür plädierten, die Finanzierung der Sprachförderung auf Seiten des Bundes im neu zu schaffenden Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) resp. in der entsprechend zu erlassenden Verordnung zu verankern. Gleichzeitig forderten sie nicht nur die Finanzierung von Kursen, sondern auch die Schaffung von spezifischen Anreizen für den Erwerb der »ortsüblichen« Sprache. Ein Vorschlag ihrerseits war des

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Weiteren, dass der Besuch von Sprachkursen zur »Bedingung für aufenthaltsrechtliche Besserstellung« würde, womit die Idee des Anreizes andeutungsweise bereits zur eigentlichen Möglichkeitsbedingung von Sanktionen und die Erweiterung der Metapher (Sprache als Schlüsselindikator der Integration) antizipiert wurde. Es kann zusammengefasst werden, dass die Sprache in diesen Motionen als Schlüssel zur Integration der ausländischen Bevölkerung präsentiert wurde; gleichzeitig jedoch auch als einheitliches Mittel zur Überwindung unterschiedlicher sozialer, politischer und ökonomischer Herausforderungen, mit denen sich der Schweizer Einwanderungsstaat konfrontiert sieht. Diese doppelte Zuschreibung wurde in beiden Motionen in den gewählten Formulierungen als unumstrittene Tatsache präsentiert. Die diskursive Materialität der Motion basierte somit in ihrer gesamten Argumentation auf der Logik der Metapher und verlieh ihr dadurch zusätzliche Legitimation. Inwiefern sich die von Simmen und Bircher gemeinsam eingenommene Interessensposition (Sprachkurse müssen gefördert werden; wenngleich durch die implizierte Möglichkeit von Sanktionen bereits ein Fordern-Moment auftaucht) mit ihren dennoch unterschiedlichen Aussagepositionen (ökonomischer versus gesellschaftlicher Vorteil) durchsetzen konnte, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

4.4.1 Die parlamentarische Behandlung der Motionen Simmen und Bircher Zur Übersicht seien hier die parlamentarischen Behandlungen der Motionen Simmen und Bircher tabellarisch aufgeführt: Tabelle 8: Behandlungen der Motionen Simmen und Bircher Motion Simmen Datum Rat Titel 07. 10. 1998 SR Einreichung Motion 30. 11. 1998 BR Stellungnahme des Bundesrats: BR beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln 15. 12. 1998 SR Annahme 17. 06. 1999 NR Erwägungen der Kommission/ Annahme

Datum 08. 10. 1998 30. 11. 1998

18. 12. 1998 16. 12. 1999 14. 06. 2000

Motion Bircher Rat Titel NR Einreichung Motion BR Stellungnahme des Bundesrats: BR beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln NR Bekämpft; Diskussion verschoben NR Der Vorstoss wird von Alex Heim übernommen NR Die Motion wird in Form eines Postulates überwiesen

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4.4.1.1 Schriftliche Stellungnahme des Bundesrats: ideologische Verdichtung Die schriftliche Stellungnahme des Bundesrats zu den Motionen Simmen und Bircher vom 30. 11. 1998 fiel in beiden Fällen identisch aus, weshalb hier die Wiedergabe der Antwort auf die Motion Bircher ausreichen soll (diskursiv besonders relevante Passagen/ Formulierungen sind unterstrichen).29 Generell fiel die Botschaft zwar zustimmend aus, doch wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sich entsprechende Anstrengungen im Kontext des Integrationsartikels 25a ANAG schon in Vorbereitung befänden. Aufgrund der erfolgten sowie geplanten Anstrengungen zur Integrationspolitik schlug der Bundesrat die Umwandlung der Motion in ein Postulat vor. 98.3465 Motion Bircher Peter (Heim Alex). Stellungnahme des Bundesrates vom 30. 11. 1998 Der Bundesrat ist sich bewusst, dass dem Erwerb von Sprachkenntnissen eine zentrale Bedeutung zukommt. In seiner Botschaft zum neuen Artikel 25a Anag über die Ausrichtung von finanziellen Beiträgen des Bundes zur Förderung der sozialen Integration von Ausländerinnen und Ausländern weist er darauf hin, dass hier ein grösseres Engagement auch auf gesamtschweizerischer Ebene erforderlich ist (BBl 1996 II 125). Zurzeit werden die Ausführungsbestimmungen zu diesem Artikel ausgearbeitet. Der Sprachschulung wird dabei eine hohe Aufmerksamkeit gewidmet. Die Durchführung und Ausgestaltung des obligatorischen Schulunterrichts liegt in der Kompetenz der Kantone. Eine gute Schulung der fremdsprachigen Kinder ist denn auch schon seit längerer Zeit ein grosses Anliegen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Sie hat in diesem Bereich Empfehlungen und Grundsätze beschlossen. Eine Unterstützung von zusätzlichen ausserschulischen Massnahmen kann im Rahmen von Artikel 25a Anag geprüft werden. In der Expertenkommission Totalrevision Anag wird zudem auch die Frage behandelt, wie die Bereitschaft der betroffenen Personen zum Spracherwerb – beispielsweise durch ein Anreizsystem – erhöht werden könnte. Auch beim Zulassungsentscheid soll zukünftig den Sprachkenntnissen eine wichtigere Bedeutung zukommen. Die Anliegen der vorliegenden Motion sowie der Motion Simmen vom 7. Oktober 1998 (98.3445) zum gleichen Thema werden bereits im Rahmen laufender Arbeiten geprüft.

In seiner Antwort auf die Motionen schien der Bundesrat folglich die von Motionärin und Motionär in der Metapher konzentrierte und im Anschluss ausformulierte Funktion der Sprache zu akzeptieren: Die Sprache leiste gesellschaftliche, politische und ökonomische Schlüsseldienste (»Der Bundesrat ist sich bewusst, dass dem Erwerb von Sprachkenntnissen eine zentrale Bedeutung zukommt«). Diese Zuschreibung wurde vom Bundesrat somit nicht in ihrer 29 Die schriftlichen Stellungnahmen des Bundesrats zu den Motionen sind online verfügbar. Motion Simmen: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4516/185698/d_s_4516_ 185698_ 185767.htm; Motion Bircher : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4603/ 14301/d_n_4603_14301_14416.htm [Letzter Zugriff beide: 07. 10. 2013].

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ideologischen Konstruktion hinterfragt. Es lassen sich vielmehr Instanzen von Entextualisierungen finden, die auf eine diskursive Verdichtung schliessen lassen. So wurden vor allem im dritten Abschnitt Elemente der Motionen übernommen, welche im Grunde genommen die Umsetzung der Metapher resp. die Erreichung der erwünschten Ziele betrafen: Um die »Bereitschaft der betroffenen Personen zum Spracherwerb« zu erhöhen, wurde die Möglichkeit eines »Anreizsystems« in Erwägung gezogen. Doch sollte dieses nicht nur positiv als Anreiz, sondern auch bei Nichtbefolgung als Sanktion wirken können. Hier ging der Bundesrat noch einen Schritt weiter ; sogar der »Zulassungsentscheid« sollte in Zukunft mit Sprachkenntnissen verknüpft werden (was später z. B. in Art. 23 Abs. 2, AuG realisiert wurde). Die Ideologisierung und gleichzeitige Erweiterung der Metapher fand hier somit eine Fortsetzung, denn ganz generell sollte »zukünftig den Sprachkenntnissen eine wichtigere Bedeutung zukommen«. Es wird in dieser Antwort des Bundesrats ersichtlich, inwiefern sich der Diskurs »Integration durch Sprache« politisch etabliert hatte: Die Aushandlungen der Interessenspositionen betrafen nunmehr nur noch das Ausgestalten der Rahmenbedingungen für die politische Umsetzung der Metapher. 4.4.1.2 Stellungnahme der Motionärin/ des Motionärs in der Ratsbehandlung: die Metapher wird zum Common Sense Während im Ständerat die Motion bereits am 15. 12. 1998 diskutiert wurde, geschah dies im Nationalrat erst am 14. 06. 2000. In der vorhergehenden Wintersession wurde der Vorstoss bekämpft (Sitzung vom 18. 12. 1999), weshalb die parlamentarische Behandlung der Motion verschoben werden musste. Da Bircher im Übrigen am 05. 12. 1999 aus seinem Amt als NR schied und die Motion am 16. 12. 1999 durch NR Alex Heim (CVP) übernommen wurde, präsentierte dieser die Antwort auf die bundesrätliche Stellungnahme.30 SR Simmen nahm in ihrem im Ständerat vorgetragenen Statement (schriftlich festgehalten auf zwei Seiten) an diversen Stellen direkt Bezug auf die Motion und bildete somit intertexuelle Verknüpfungen (die relevantesten Formulierungen sind dabei kursiv gehalten). Um ihrer generellen Sorge um das »Verhältnis zwischen Schweizern und Ausländern« Ausdruck zu geben, wiederholte sie die prägnantesten Punkte der Motion: Sprache als probates Mittel gegen gesellschaftliche Isolation, die für die innere Sicherheit des Landes zum Problem 30 Die Stellungnahmen der Motionärin/ des Motionärs sind in der Form von Wortprotokollen online verfügbar auf der Webseite des Schweizer Parlaments. Motion Simmen und nachfolgende Voten von SR Iten und BR Koller : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4516/ 185698/d_s_4516_185698_185767.htm; Motion Bircher (Heim): http://www.parlament.ch/ ab/frameset/d/n/4603/14301/d_n_4603_14301_14416.htm [Letzter Zugriff beide: 08. 10. 2013].

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werden könnte (»Menschen, die in permanenter Angst und Spannung leben, sind die bevorzugten Klientelen von Leuten, die sie mit radikal-politischen, mit religiös-fundamentalistischen Ansichten zu beeinflussen versuchen und die damit das Zusammenleben aller, die hier sind, gefährden«). Andererseits sollte »Sprache« präventiv gegen Arbeitslosigkeit wirken, die ihrerseits negative Folgen für den Staat und seine Sozialsysteme nach sich ziehe. Interessanterweise lassen sich in Simmens Stellungnahme etliche Entextualisierungen feststellen, die von Birchers Motion herrühren. Ihre Aussageposition näherte sich dadurch einem ökonomischen Kosten-Nutzen Diskurs an, so dass schliesslich eine ähnliche Argumentation verwendet wurde (beipielsweise Szenarien von »Arbeitslosigkeit« und »schwerwiegenden Folgen für uns, für den Staat«). Im Rahmen einer solchen ökonomistischen Argumentation schlussfolgerte Simmen: »Deshalb ist es sicher im wohlverstandenen Interesse von uns allen, wenn wir versuchen, die Integration für diejenigen, die hier bleiben dürfen, so gut und effizient wie möglich zu gestalten«. Um dieses Ziel zu erreichen, plädierte Simmen für einen ganz bestimmten Ansatz, d. h. für den Gedanken, »der lange etwas verpönt war, nämlich, dass man auch Anreize und einen gewissen sanften Zwang schaffen müsse, um die Leute dazu zu bringen, die Sprachkenntnisse zu erwerben«. In einer Weiterentwicklung der Idee, dass »die Einsicht in die Notwendigkeit des Spracherwerbes nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann«, kam hier zum Ausdruck, dass dieser Einsicht mit »sanftem Zwang« nachgeholfen werden sollte/ könne, ganz in der Tradition des staatlichen Paternalismus. Bereits hier zeichnete sich die für die Integrationspolitik zukünftig zentrale Formel »Fördern und Fordern« ab (vgl. Steiner 2007b). Die Legitimation für die Ausübung eines »sanften Zwanges« lag dabei in der (unhinterfragten und unhinterfragbaren) Tatsache, dass die Sprache den Schlüssel zur Integration darstelle. Des Weiteren zeigt sich an diesem Beispiel, wie sich die Grenzen des Diskurses im Laufe der Zeit verschieben. Zum einen wurde anerkannt, dass mittlerweile Positionen erlaubt waren, die »lange etwas verpönt« waren; zum anderen wurde offen ausgesprochen, inwiefern die diskursiven Grenzen zwischen sag- und unsagbar auch mit »sanftem Zwang« verschoben werden konnten. Dieses Beispiel verweist auf das regulative Moment eines dominanten (in diesem Fall mit nötiger staatlicher Autorität und Sanktionsmöglichkeiten ausgestatteten) Diskurses, der keine Aussen- resp. Gegenpositionen erlaubt. Eine leichte argumentative Infragestellung des sich etablierenden Diskurses scheint sich in der Antwort von NR Alex Heim zu finden (schriftlich festgehalten umfasst diese etwas mehr als eine Seite). So sagte Heim, dass die Sprache »nicht der einzige, aber ein wichtiger Schlüssel zur Integration« sei. Jedoch wurden von ihm keine anderen möglichen Schlüssel erwähnt. Alternativen wurden somit keine aufgezeigt, und damit auch keine Möglichkeit eines alternativen Diskurses

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oder aber Gegendiskurses. Ob das Parlament dieser argumentativen Logik des Diskurses folgte, wird sich im nächsten Abschnitt zeigen. 4.4.1.3 Diskussion im Ständerat: Entextualisierungen Wie vom Bundesrat vorgeschlagen, wurde die Motion Bircher mit dem Einverständnis von Alex Heim im Sommer 2000 in ein Postulat umgewandelt, welches über einen politisch weniger zwingenden Charakter verfügt.31 Wahrscheinlich erfolgten aus diesem Grund keine Wortmeldungen von anderen NR-Mitgliedern. Aufgrund der Umwandlung der Motion Bircher wird von nun an im Rahmen dieser Studie auf die Motion Simmen fokussiert, die circa 18 Monate zuvor (SR-Sitzung vom 15. 12. 1998) als Motion vom Ständerat überwiesen wurde. 23 SR-Mitglieder stimmten für die Überweisung der Motion, so dass die »Integration« politisch und diskursiv immer enger an Sprachkompetenzen gekoppelt wurde. Wortmeldungen gab es vor der Ratsabstimmung zwei, von SR Andreas Iten (FDP) und Bundesrat (BR) Arnold Koller (CVP), unter dessen Zuständigkeit die Motion Simmen fiel. Anhand von Itens Votum kann aufgezeigt werden, wie die in der Motion ausformulierten Interessens- und Aussagepositionen des Diskurses »Integration durch Sprache« durch einen Politiker aus einer anderen Partei übernommen werden (Entextualisierungen sind fortan in Zitaten und Ausschnitten unterstrichen, während diskursiv relevante Stellen kursiv markiert werden).32 Votum Iten 15. 12. 1998 Die Stossrichtung der Motion Simmen ist richtig. Die Sprache ist der Integrationsfaktor par excellence. Wir haben alles Interesse, die jungen Ausländer in der Schweiz zu integrieren. Ohne diese Integration ist die Diskussion über die Identität der Schweiz auf Dauer leeres Gerede. Es werden sich immer mehr Randgruppen bilden; die Segregation zwischen den Schweizern und den Ausländern nimmt zu; eine Tendenz ist bereits sichtbar. Die zahlreichen jugendlichen Ausländer können für unser Land einen Vitalschub bedeuten, wenn sie die Sitten, Bräuche und Sprache übernehmen. Wir stellen – zu meinem Leidwesen – fest, dass immer weniger, auch assimilierte Ausländer unser Bürgerrecht 31 »Das Postulat beauftragt den Bundesrat zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob der Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei. Mit einem Postulat kann ein Ratsmitglied auch einen Bericht über einen anderen Gegenstand verlangen. Zur Überweisung eines Postulats an den Bundesrat ist die Zustimmung des anderen Rates nicht erforderlich.« Webseite des Schweizer Parlaments: http://www.parlament.ch/d/wissen/parlamentswoerterbuch/seiten/postulat.aspx [Letzter Zugriff: 08. 10. 2013]. 32 Das Votum Itens lässt sich auf der Webseite zur Behandlung der Motion Simmen finden: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4516/185698/d_s_4516_185698_185767.htm [Letzter Zugriff: 08. 10. 2013].

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anbegehren. Sprachlich assimilierte junge Leute sollten unbedingt erleichtert eingebürgert werden. Ich bitte den Bundesrat, einen neuen Anlauf für die erleichterte Einbürgerung zu nehmen. Wir haben in diesem Saal anlässlich des Sprachenartikels lange und ausführlich über Sprachprobleme gesprochen. Wiederholt wurde auf das Territorialprinzip der Minderheitensprachen hingewiesen. Für die Einheit unseres Landes scheint mir die territoriale Eingliederung der ausländischen Wohnbevölkerung sehr zentral. Ich habe mich zwanzig Jahre lang als Regierungsrat mit der Einbürgerung beschäftigt und feststellen müssen, dass nicht überall der zentrale Wert der landesüblichen Sprachkenntnisse erkannt wird. Möglichkeiten der Sprachförderung im Anag zu postulieren scheint mir unter staatspolitischen Gesichtspunkten ein vorrangiges Ziel. Ein solcher Förderungsartikel kann auch zur Bewusstseinsbildung der Kantone und ihrer Verantwortlichen führen. Ich unterstütze die Motion Simmen.

Entextualisierungen, sprich Reproduktionen und intertextuelle Bezüge zur Motion, erfolgten in diesem Votum diverse. So wies auch Iten auf die potentielle Gefahr von Randgruppenbildung und Segregation hin, die aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen (so genannte »Sprachprobleme«) erfolgen könnten und betonte seinerseits den »zentralen Wert der landesüblichen Sprachkenntnisse«, so dass die Sprachförderung ein »vorrangiges Ziel« darstelle. Ausserdem hätte selbst Iten »feststellen müssen, dass nicht überall der zentrale Wert der landesüblichen Sprachkenntnisse erkannt wird« und auf eine »Bewusstseinsbildung der Kantone und ihrer Verantwortlichen« gehofft. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Zirkulation und Reproduktion des Diskurses ausserhalb des Schweizer Parlaments noch als begrenzt wahrgenommen wurde. Dass jedoch seine im Diskurs »Integration durch Sprache« verankerte Position (und diejenige seiner Ratskollegen und -kolleginnen) »wahr« sei, begründete und legitimierte SR Iten anhand von Expertise (»Ich habe mich zwanzig Jahre lang als Regierungsrat mit der Einbürgerung beschäftigt«). Es stellt sich nun die Frage, ob die Rekurrenz dieser spezifischen diskursiven Assoziationen von Sprachkenntnissen auf das Regulativ des Diskurses zurückzuführen ist oder aber vielmehr durch die Verdichtung des Diskurses, die auf genau solchen Praktiken der Intertextualität und Entextualisierung beruht. Auch wenn die unterstrichenen Formulierungen keine wortwörtlichen Entextualisierungen aus den vorherigen diskursiven Materialitäten darstellten, so nahmen sie dennoch klare inhaltliche Bezüge auf, die in den Aussagepositionen reproduziert wurden. In Itens Stellungnahme wird dadurch die Variabilität von möglichen Aussagen ersichtlich, die sich im Verlauf der diskursiven Entwicklung ergeben kann. Zu diesem Zeitpunkt betraf dies vor allem die semantische Verschiebung, die sich anhand der erlaubten Verwendung von Schlagwörtern ausdrückte. Wie bereits erwähnt, befand man sich Ende der 1990er-Jahre in den

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Zeiten eines politischen und konzeptuellen Umbruchs, was sich hier deutlich abzeichnete. Während Iten der Integration (insbesondere) der jungen Ausländer eine zentrale Rolle zuwies, propagierte er gleichsam deren Assimilation (»wenn sie die Sitten, Bräuche und Sprache übernehmen«). Diese begrifflich explizite Verwendung von »Assimilation« würde jedoch schon bald nicht mehr möglich sein, da »Assimilation« gänzlich aus dem Diskurs verschwinden wird, ersetzt durch den Begriff der Integration. Bundesrat Arnold Koller seinerseits äusserte sich in seinem Votum (protokolliert umfasst sein Votum auf etwas mehr als eine Seite) wohlwollend gegenüber der Motion Simmen wie auch gegenüber seinem Vorredner Iten.33 Er begann mit folgenden Worten: »Auch der Bundesrat teilt die Stossrichtung der Motion Simmen vollständig«. Es fällt auf, dass in Kollers Votum die inhaltliche Ausrichtung des Vorstosses nicht zur Diskussion stand. Denn er nahm eher Stellung zu Fragen der politischen Ausgestaltung der Metapher (Verantwortlichkeit der Kantone resp. des Bundes) und der finanziellen Konsequenzen (für den Bund) als zu ihrer Bedeutung. Es lässt sich somit schlussfolgern, dass die Metapher zwar von Simmen und Bircher in ihren Motionen neu eingeführt wurde, konzeptuell jedoch bereits dominant war. Der Diskurs verfügte also bereits über ein bestimmtes Regulativ, wie auch die Besprechung der zu diesem Zeitpunkt geführten Diskussionen um den Integrationsartikel aufzeigen wird (siehe 4.4.2). Diesem Umstand ist es somit auch zu verdanken, dass es keine konträren Voten im Ständerat gab und die Motion ohne Gegenstimme überwiesen wurde.

4.4.1.4 Bericht der Kommission zur Motion Simmen im Nationalrat: die Reproduktion der Metapher Gemäss Parlamentsgesetz wird eine Motion nach ihrer Annahme im Erstrat (im Fall der Motion Simmen ist dies der SR) dem Zweitrat (NR) zur Abstimmung unterbreitet, was am 17. 06. 1999 erfolgte.34 Zum Auftakt der Debatte legte die Präsidentin (NR Brigitta Gadient) der für die Umsetzung der Motion zuständigen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-NR) einen schriftlichen Bericht vor. Nach einer kurzen Rekapitulation der bisherigen Behandlung der Motion wurden folgende Erwägungen verlesen 33 Das Votum von BR Koller lässt sich ebenfalls auf der Webseite zur Motion Simmen finden: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4516/185698/d_s_4516_185698_185767.htm [Letzter Zugriff: 08. 10. 2013]. 34 Wortprotokoll und Bericht der Kommission der Nationalratssitzung vom 17. 06. 1999 sind online verfügbar: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4519/193297/d_n_4519_193297_ 193339.htm [Letzter Zugriff: 08. 10. 2013].

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

(wiederum sind intertextuelle Bezüge unterstrichen, diskursiv relevante Stellen kursiv): Erwägungen der Kommission Es geht in der Motion um den Grundsatz, dem Bund die rechtliche Möglichkeit zur Unterstützung von Sprachausbildungen zu geben. Die Bedeutung der Sprache als Integrationsfaktor blieb dabei unbestritten. Die Bedenken, wonach der Bund die Kantone und Gemeinden nach der Kompetenzerteilung zwingen könnte, Ausbildungen durchzuführen, sind unbegründet. Der Bund soll lediglich Anstrengungen, die Kantone und Gemeinden unternehmen, unterstützen. Mit der Aufnahme eines Integrationsartikels in das Anag hat der Bund bereits deutlich gemacht, dass er sich bei der Integrationsaufgabe in Zukunft vermehrt engagieren will. Dies verdient um so grössere Beachtung, als die theoretische Möglichkeit, bei der Anstellung ausländischer Arbeitskräfte darauf zu achten, dass diese über Kenntnisse einer Landessprache verfügen, mit dem Inkrafttreten der bilateralen Verträge ohnehin dahinfallen wird. Nach Auffassung einer Minderheit handelt es sich hier um eine Aufgabe der Kantone und nicht des Bundes, weshalb es angezeigt ist, den Vorstoss als Postulat zu überweisen.

Somit wurde auch im Kommissionsbericht die in den Motionen Simmen/ Bircher präsentierte metaphorische Konzeptualisierung von Sprache als Integrationsfaktor zur eigentlichen Wahrheit. Entextualisiert wurde hier des Weiteren der Vorschlag des Bundesrates (vom 30. 11. 1998), bei Zulassungsentscheiden vermehrt auf Sprachkenntnisse zu achten, wobei die Umsetzbarkeit dieser Möglichkeit durch die Antizipation der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Frage gestellt wurde. Auch in diesem Bericht zeichnete sich die Formel des Förderns und Forderns ab. Im Bericht wurden lediglich die Verantwortlichkeit und die Kompetenzverteilung im Bereich der Integrationspolitik zur Debatte gestellt. Eine Minderheit sah diese als alleinige »Aufgabe der Kantone«, womit sich jedoch die Mehrheit der Kommission nicht einverstanden erklärte und mit 16 zu 3 Stimmen dem Antrag der Überweisung als Motion zustimmte. In der nachfolgenden NR-Abstimmung wurde dem Vorschlag der Kommission Folge geleistet und die Motion im Endeffekt mit 121 zu 21 Stimmen überwiesen. Grundsätzlich befasste man sich in den Räten und auf Seiten des Bundesrates (soweit ersichtlich) vor allem auf einer finanziellen, politisch-organisatorischen sowie administrativen Ebene mit den beiden Motionen, während Inhalte, ideologische Implikationen und Konsequenzen kaum diskutiert wurden. Gleichermassen wurde die Metapher von Anfang an sinngemäss übernommen, wie die Entextualisierungsbeispiele illustriert haben. Unterschiedliche Akteure verwendeten in unterschiedlichen Texten (Motionen, schriftliche und mündli-

Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik

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che Stellungnahmen, Kommissionsberichte etc.) dieselben diskursiven Versatzstücke für die Verfolgung ihrer Interessen. Nicht nur liessen sich dadurch intertextuelle Verbindungen herstellen, sondern es wird die Produktion und »Geschichte« (Silverstein/Urban 1996) eines Diskurses – und somit der damit verbundenen Wissens- und Wahrheitsproduktion – ersichtlich. Des Weiteren liess sich im Kontext der Motionen bereits das Aufkommen einer ganz bestimmten Binarität erkennen: Nicht nur eine gesetzliche Regulierung der Sprachförderung wurde angestrebt, sondern auch die Möglichkeit, Sanktionen und Druck auszuüben, falls eine entsprechende Bereitschaft zum Spracherwerb nicht vorhanden wäre. Es bildeten sich somit schon früh zwei Interessenspositionen heraus. Auch wenn »Fördern und Fordern« noch nicht als Schlagworte zur Verfügung standen, wurden die bereits existierenden Möglichkeitsbedingungen für ihre diskursive Inkorporation ersichtlich.

4.4.2 Der Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) Der Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) trat am 1. 10. 2000 in Kraft und bildete die Grundlage für die am 13. 09. 2000 implementierte Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA). Durch diesen Artikel war es dem Bund möglich, Integration als nationales Politikum zu lancieren, sich als Akteur in diesem Feld zu positionieren und somit seine Einflussnahme auf die kantonale Integrationspolitik zu vergrössern (im Rahmen von finanzieller Unterstützung von kantonalen Integrationsprojekten). Dem fünften Teil (»Schlussbestimmungen«) des ANAG zugeordnet, lautete der Integrationsartikel wie folgt:35 Art. 25a 1 Der Bund kann für die soziale Integration von Ausländern finanzielle Beiträge ausrichten; diese werden in der Regel nur gewährt, wenn sich die Kantone, Gemeinden oder Dritte angemessen an den Kosten beteiligen. Der Bundesrat regelt das Verfahren. 2 Die vom Bundesrat nach Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe i eingesetzte beratende Kommission ist berechtigt, die Ausrichtung von Beiträgen zu beantragen und zu eingegangenen Beitragsgesuchen Stellung zu nehmen. 3 Die Bundesversammlung setzt mit dem Budget den jährlichen Höchstbetrag fest.

35 Abs. 2 betrifft die Eidgenössische Ausländerkommission, die 29 Jahren nach ihrer ersten Einberufung im Rahmen von Art. 25a gesetzlich verankert wurde. Zur Geschichte der EKA, die am 01. 01. 2008 mit der Eidgenössischen Flüchtlingskommission (EKF) zur Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen (EKM) zusammengeschlossen wurde, siehe Steiner (2007a).

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

Da die Motionen Simmen/ Bircher nicht zuletzt im Rahmen der ANAG-Revision zur Ausarbeitung dieses Integrationsartikels eingereicht wurden, soll kurz darauf eingegangen werden, wie dieser Artikel zustande gekommen ist, wie sich seine diskursive »Geschichte« (Silverstein/Urban 1996) gestaltet, und inwiefern dieser Gesetzesentstehungsprozess die durch die Motionen eingeführte Metapher in Form von diskursiv regulierten Positionen antizipiert hatte. Als erstes muss dafür auf die Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des ANAG vom 04. 12. 1995 zurückgegriffen werden (nicht zu verwechseln mit der Totalrevision des ANAG), deren Kernaussagen z. B. in Achermann/ Künzli (2011: 32 – 33) zusammengefasst wird. In dieser Botschaft wurde festgehalten, dass das Ziel der Integrationsförderung das Zusammenleben der einheimischen mit der ausländischen Bevölkerung sei. Die »Fremden« müssten integriert werden, um sie vor »der Gefahr einer wachsenden Einflussnahme radikaler und fundamentalistischer Bewegungen« (zitiert in Achermann/Künzli 2011: 33) zu schützen. Die Integrationsförderung hätte »damit wesentlich zur Abwehr von Fremdenangst, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus« beizutragen (Achermann/Künzli 2011: 33). Es waren frappant ähnliche Aussagepositionen, die drei Jahre später in den Motionen Simmen/ Bircher auftauchten, wobei dort nicht mehr von Integrationsförderung per se die Rede war. Vielmehr versprach dort die Förderung der ortsüblichen Sprachkenntnisse solch drohende Szenarien abzuwehren. Diese argumentative Verschiebung (von Integrations- zur Sprachförderung) deutete auf das Resultat eines Entextualisierungsprozesses hin, wo durch die Dekontextualisierung eines bestimmten Arguments und seiner Rekontextualisierung in einem anderen Zusammenhang eine neue Wahrheit produziert wird (Silverstein/Urban 1996; Blommaert 2005), gleichzeitig aber auch eine Verbindung zwischen verschiedenen Diskursen hergestellt werden kann. Während also die in der Botschaft aufgeführten Argumente, Szenarien und Ansätze in den Motionen gleichblieben, wurde »Integrationsförderung« als primärer Lösungsansatz durch »Sprachförderung« ersetzt. Der Diskurs »Integration durch Sprache« konsolidierte sich folglich erst zum Zeitpunkt der Motionen. Welche Debatten jedoch bis zur Inkraftsetzung des Integrationsartikels geführt wurden, soll im Folgenden skizziert werden.

4.4.2.1 Die parlamentarische Verhandlung des Art. 25a ANAG Um auf den Gesetzentstehungsprozesses des Integrationsartikels genauer einzugehen, soll die diskursive Entwicklung kurz weiter zurückverfolgt werden. 1993 wurde von Ständerätin Simmen eine Motion (»Migrationsgesetz«, 92.3049) eingereicht, welche die Ausarbeitung eines eigenständigen Migrationsgesetzes verlangte (siehe Botschaft zum Bundesgesetz über die Auslände-

Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik

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rinnen und Ausländer vom 8. März 2002).36 Aufgrund dieser Motion wurde ein allgemeiner Bericht über die Schweizerische Migrationspolitik in Auftrag gegeben, welcher wiederum die im Anschluss erfolgte Totalrevision des ANAG einleitete, wie in der Botschaft rekonstruiert wurde. Die Botschaft von 1995 bezog sich auf die Totalrevision des Asylgesetzes, was vor der Totalrevision des ANAG erfolgte. Die Revision des ANAG und die damit einhergehende Schaffung des Integrationsartikels geschahen somit im Kontext eines ersten Andenkens eines neuen Ausländergesetzes. Die Chronologie des Revisionsprozesses wird in folgender Tabelle ersichtlich:37 Tabelle 9: Verhandlungen Revision ANAG Verhandlungen Revision ANAG Datum Rat Titel 17. 06. 1997 NR Beschluss abweichend vom Entwurf des Bundesrates 10./19.12. SR Abweichend 1997 12. 03. 1998 NR Abweichend 30. 04. 1998 SR Abweichend 10. 06. 1998 NR Abweichend 17. 06. 1998 SR Abweichend 25. 06. 1998 NR Beschluss gemäss Antrag der Einigungskonferenz 25. 06. 1998 SR Beschluss gemäss Antrag der Einigungskonferenz 26. 06. 1998 NR Das Bundesgesetz wird in der Schlussabstimmung angenommen 26. 06. 1998 SR Das Bundesgesetz wird in der Schlussabstimmung angenommen

Unterschiedliche Interessen der involvierten Akteure im Bereich der Integrationspolitik führten zu einem einjährigen parlamentarischen Aushandlungsprozess, bis innerhalb sowie zwischen den Räten eine Einigung gefunden werden konnte. Im Ständerat fehlte es oftmals am nötigen Quorum (die notwendige Anzahl von Stimmen für die Gültigkeit des Abstimmungsresultats) aufgrund der Abwesenheit von Mitgliedern. Die Abweichungen zwischen den Räten bezüglich ihren Beschlüssen betrafen jedoch weniger den Inhalt der Revision oder den Integrationsartikel per se, sondern vor allem finanzielle Bedenken, welche in den 1990er-Jahren stark von der staatlichen »Ausgabenbremse« beeinflusst waren. 36 Informationen zur Motion Simmen (»Migrationsgesetz«, 92.3049) aus dem Jahr 1993 sind unter : http://www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/1992/d_gesch_ online verfügbar 19923049.htm#DocSection_5 [Letzter Zugriff: 01. 10. 2013]. Die Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 08. 03. 2002 ist online verfügbar unter : http:// www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2002/3709.pdf [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013]. 37 Zusammenfassung der Erledigung des Geschäfts »Asylgesetz und ANAG. Änderung« (95.088) siehe Webseite des Schweizer Parlaments: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/legislaturrueckblick.aspx?rb_id=19950088 [Letzter Zugriff: 01. 10. 2013].

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

Die Bundesfinanzierung von Integrationsprojekten und Sprachförderungsprogrammen wurde im Nationalrat angesichts der finanziellen Situation des Bundes von diversen Seiten als problematisch taxiert, obwohl sich kein Widerstand gegen den Inhalt formiert hatte. Erst in der dritten Besprechung stimmte der Nationalrat der Finanzierung schliesslich zu. Der Ständerat hingegen stimmte nach einigen vorgenommenen Korrekturen dem Gesetz sowie der Revision einstimmig zu. In einer späteren Sitzung beantragte SR Maximilian Reimann (SVP), dass der Integrationsartikel nochmals unter dem Blickwinkel der Ausgabenbremse behandelt werden sollte. Dieser Antrag blieb jedoch chancenlos.38 Die Vorlagen zum neuen Asylgesetz und zur Revision des ANAG wurden schliesslich in der Volksabstimmung vom 13. 06. 1999 mit grosser Mehrheit angenommen (70,5 % Ja-Stimmen).39 4.4.2.2 Debatten und Positionen: Legitimierungsprozesse Während sich die obigen Ausführungen vor allem auf den politischen Prozess zur Verabschiedung des revidierten ANAG inkl. Integrationsartikel konzentrierten, verlagert sich der Fokus auf den kommenden Seiten auf die inhaltliche Ebene. Generell kann dazu festgehalten werden, dass die Integrationsförderung zwar von Anfang an diskutiert wurde, die Rolle der Sprache allerdings lange gar kein Thema war. So wurden z. B. in den Voten der ersten Nationalrat-Sitzung (vom 17. 06. 1997) diverse Überlegungen angestellt, wieso Integration zu fördern sei und welche gesellschaftlichen Aspekte zu einer Integrationspolitik gehörten, ohne dass dabei jedoch die Rede auf die Sprachförderung gekommen wäre.40 Die Argumente für eine gesetzlich verankerte Integrationspolitik variierten so zwischen gesellschaftlicher Kohäsion (NR/ EKA-Präsident (1991 – 2000) Fulvio Caccia (CVP): »une action politique pour un meilleur fonctionnement de la soci¦t¦ civile«; NR Angeline Fankhauser (SP): »Der Bund hat aber die Pflicht, für die Kohäsion der Gesellschaft zu sorgen«), Teilnahme und Bildungszugang (NR C¦cile Bühlmann (Grüne)) und/ oder Prävention (BR Koller (CVP): »Ich bin überzeugt, dass es uns billiger kommt, wenn wir für die bessere Integration der Ausländerinnen und Ausländer etwas tun, als wenn wir die Sache treiben las-

38 Zusammenfassung der Erledigung des Geschäfts »Asylgesetz und ANAG. Änderung« (95.088) siehe Webseite des Schweizer Parlaments: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/legislaturrueckblick.aspx?rb_id=19950088 [Letzter Zugriff: 01. 10. 2013]. 39 Der Abstimmungstext ist online verfügbar unter : http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/ 19990613/explic/d-pp1247.pdf [Letzter Zugriff: 01. 10. 2013]. 40 Das Wortprotokoll der Nationalratssitzung vom 17. 06. 1997 zum Asylgesetz und ANAG ist online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4508/154231/d_n_ 4508_154231_237668.htm [Letzter Zugriff: 02. 10. 2013].

Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik

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sen«; und nochmals NR Angeline Fankhauser (SP): »Wer in Integration investiert, spart, weil man schlussendlich bei der Repression sparen kann«). Auch wenn somit von den Akteurinnen und Akteuren unterschiedliche Ziele deklariert wurden, bestand in den Voten des NR und SR ein breiter Konsens von links nach rechts über die Notwendigkeit, die Integrationspolitik und ihre Bundesfinanzierung gesetzlich zu verankern. Es scheint, als ob sich eine Gegenposition einzig durch das Argument der Ausgabenbremse legitimieren liess. Eine solche Position wurde in der NR-Sitzung vom 17. 06. 1997 durch NR Theo Fischer (SVP) eingenommen. Fischer beharrte darauf, dass zwar »die Integrationsbestrebungen vor allem bezüglich der zweiten Generation der Ausländer in den Gemeinden und Kantonen zu fördern sind«, aber eben nicht durch den Bund. Er beantragte die Streichung des Integrationsartikels, weil es ihm, »in erster Linie um finanzpolitische Überlegungen und um staatspolitische Überlegungen zur Entflechtung von Aufgaben« ginge. Als ihm von NR Vreni Hubmann (SP) die Frage gestellt wurde, wie er sich die Integration der zweiten Generation vorstellte, betonte er, dass er sich seinerzeit für die erleichterte Einbürgerung eingesetzt hätte: »Hier kann man mir keinen Vorwurf machen«. Er legitimierte somit seine Position gegen den Integrationsartikel rein aufgrund finanzieller Überlegungen, die keinesfalls gegen die Idee einer gesellschaftlichen Integrationsaufgabe gerichtet wären. Dieser Argumentationsstil wurde durch die gesamte NR-Sitzung fortgesetzt: Die SP-Fraktion, die »voll und ganz hinter diesem Integrationsartikel« stand (NR Peter Vollmer), griff Fischer wegen Fremdenfeindlichkeit an, während sich dieser auf finanzpolitische Argumente berief. Im Ständerat übernahm Maximilian Reimann (SVP) Fischers Rolle des Gegners von Integrationsförderung aufgrund ökonomischer Überlegungen. Er beantragte wie bereits erwähnt ein »Rückkommen auf die Abstimmung über die Ausgabenbremse« – ohne Erfolg (siehe oben). Die SVP positionierte sich durch diesen expliziten finanzpolitischen Bezug bewusst ausserhalb des integrationspolitischen Diskurses und verweigerte so eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Politikum. Ihre Strategie der interdiskursiven Verflechtung ihres gegnerischen Standpunktes mit ökonomischen Argumenten diente zu diesem Zeitpunkt folglich noch der Verhinderung einer staatlichen Integrationspolitik. Die Interdiskursivität von Integrations- und Finanzdiskursen wurde jedoch auch andernorts ersichtlich. SP und Grüne übernahmen in ihrer Argumentation für den Integrationsartikel teilweise eine utilitaristische und kapitalistische Logik: Die Investition in Integration sei profitabel, weil danach weniger für Repressionsmassnahmen ausgegeben werden müsse. Die argumentative Funktion solcher interdiskursiven Verweise zeigte sich somit variabel. Als einzig mögliche Wertposition hatte sich jedoch die Ansicht etabliert, dass Integrationsförderung die Aufgabe des Staates sei. Trotz der sich in den Voten abzeichnenden Einhelligkeit bezüglich der Re-

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

levanz von staatlich geförderten Integrationsbemühungen scheiterte der Artikel in dieser ersten NR-Sitzung vorerst tatsächlich an der sogenannten Ausgabenbremse. Die Frage bleibt offen, ob die übrigen Mitglieder des Nationalrats eine andere Meinung vertraten als die Rednerinnen und Redner oder ob am Schluss tatsächlich finanzpolitische Überlegungen den Ausschlag gaben. Aufgrund der vorhandenen Unterlagen (Wortprotokolle) kann dies nicht eruiert werden. Es wird dennoch ersichtlich, dass die Integrationspolitik nicht den prioritären Stellenwert einnahm, wie aufgrund diverser Voten hätte erwartet werden können. Die Voten könnten somit auch als Appelle an die Ratsmitglieder verstanden werden, die Dringlichkeit eines solchen spezifischen Integrationsartikels zu erkennen. »Sprache« wurde als Bestandteil der Integrationspolitik schliesslich erst in der SR-Sitzung vom 10. 12. 1997 durch SR Simmen zum Thema: »Ausgaben für Sprach- und Weiterbildungskurse helfen mit, weitaus grössere Ausgaben für Arbeitslosengelder, Fürsorge und Strafverfolgung zu vermindern«.41 Abgesehen von zwei zusätzlichen Voten in der NR-Sitzung vom 10. 06. 1998 wurde die Sprachförderung ansonsten während der Verhandlung zur ANAG-Revision mit keinem Wort erwähnt. Somit wird klar, wieso SR Simmen und NR Bircher ihre Motionen einreichten: gerade weil Sprache für SR Simmen ein zentrales aber noch zu wenig gewichtetes Thema für die Integration zu sein schien. Nicht zuletzt war es SR Simmen, die ein Migrationsgesetz gefordert hatte und explizit auf die Frage der Sprachförderung zu sprechen gekommen ist.

4.4.3 Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA): Die Umsetzung der Motion Die VIntA, am 13. 09. 2000 in Kraft getreten, stellt die Umsetzung der Art. 25 Abs. 1 und 25a (Integrationsartikel) des revidierten ANAG dar.42 In 24 Artikeln legt die VIntA u. a. fest, wie die Integrationspolitik des Bundes geregelt wird (Art. 1), wen sie betrifft (gemäss Art. 2 Abs. 1 Ausländerinnen und Ausländer mit einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung oder einer Niederlassungsbewil-

41 Das Wortprotokoll der Ständeratssitzung vom 10. 12. 1997 zu Asylgesetz und ANAG ist online unter : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4510/164431/d_s_4510_ verfügbar 164431_ 164514.htm [Letzter Zugriff: 03. 10. 2013]. In der obigen Tabelle ist der 19. 12. 1997 aufgeführt, weil die Sitzung am 10. 12. 1997 wegen Zeitmangel unterbrochen werden musste. 42 Die »Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern« (VIntA) vom 13. 09. 2000 (Stand am 25. Oktober 2005) ist online verfügbar unter : http://www.admin.ch/ opc/de/classified-compilation/20001861/200602010000/142.205.pdf [Letzter Zugriff: 12. 10. 2013].

Das Aufkommen der Metapher in der Schweizer Integrationspolitik

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ligung) und was ihre Grundsätze und Ziele sind (Art. 3). In Art. 16 Abs. a VIntA kommt Art. 25a ANAG schliesslich zur Anwendung: Art. 16 Finanzhilfen können insbesondere gewährt werden, um: a) die Allgemeinbildung der Ausländerinnen und Ausländer und ihre Kenntnisse der Landessprache zu fördern […]

Es ist dieser Absatz, welcher dem Vorschlag der Motionen Simmen und Bircher entspricht, die Möglichkeiten des Bundes zur Förderung der Sprachschulung der ausländischen Bevölkerung (mit einer dauerhaften Niederlassungs- oder einer Aufenthaltsbewilligung) zu prüfen und umzusetzen. Die Motion und ihre Metapher fanden hier ansatzweise bereits Anwendung, wobei der Sanktionsgedanke noch nicht auformuliert wurde. Während es in den Debatten und Stellungnahmen bereits zu Ideologisierung gekommen ist, verstärkte sich die explizite politische Fokussierung auf die Sprachkenntnisse der ausländischen Bevölkerung noch, wie gezeigt werden soll. Mit dem Integrationsartikel 25a ergab sich dafür eine Möglichkeit. Zusätzlich wurden bereits in den Debatten zukünftige Ansätze erkennbar. So war nicht nur die spätere Fokussierung auf Sprachkenntnisse zu antizipieren, sondern auch diejenige auf individuelle Kompetenzen. Diese letztere Tendenz bedeutete, dass bereits Ende der 1990erJahre das Individuum in den Fokus von politischen Massnahmen rückte, während nur bedingt über vorhandene potentiell diskriminierende gesellschaftliche Strukturen oder Ausschliessungsmechanismen diskutiert wurde. Die Integrationspolitik wurde somit bereits zu diesem Zeitpunkt mit Vorstellungen verknüpft, die sich zum einen in Förderungsmassnahmen, zum anderen aber in Sanktionen ergingen. In diesem Zusammenhang erschienen Kenntnisse in der lokalen Sprache als Paradebeispiel dieser doppelten Schiene der Integrationspolitik, die zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Schlagwort »Fördern und Fordern« Einzug halten würde (vgl. dazu Steiner 2007b). Da nun für den Besuch von Sprachkursen finanzielle Unterstützung gewährleistet werden sollte, wurde der Besuch solcher Kurse resp. der Erwerb der ortsüblichen Sprache verlangt und als Integrationsanstrengung klassifiziert. Sprache wurde durch diese Verschiebung zudem nicht mehr nur als Schlüssel zur Integration, sondern als deren Indikator konzeptualisiert, wie auch in folgendem Zitat ersichtlich wird: »Sprachkenntnisse und die Fähigkeit, sich gesellschaftlich zu orientieren, sind eine der allgemein anerkannten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Inte-

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

gration« (EKA Bericht 2001).43 Wie sich diese Position im Verlauf der Jahre verhärtete, wird die Analyse des nächsten diskursiven Ereignisses zeigen.

4.5

Die Erweiterung der Metapher: Der »Sprachartikel« AuG als zweites diskursives Ereignis

Während in Art. 25a ANAG und im entsprechenden Verordnungsartikel (Art. 16 VIntA) noch die Förderung von Spracherwerb im Vordergrund stand, kam im »Sprachartikel« (Art. 54 des AuG, am 01. 01. 2008 in Kraft getreten) der Sanktionsgedanke stärker zum Tragen (diskursiv relevante Stellen sind kursiv markiert). Die Bezeichnung des Art. 54 AuG als »Sprachartikel« in vorliegender Arbeit rührt daher, dass der von Art 54 abgeleitete Art. 5 des Basler Integrationsgesetzes im Basler Parlament explizit als »Sprachartikel« betitelt wurde. Art. 54 Berücksichtigung der Integration bei Entscheiden 1 Die Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung kann mit der Bedingung verbunden werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird. Dies gilt auch für die Bewilligungserteilung im Rahmen des Familiennachzugs (Art. 43 – 45). Die Verpflichtung zum Kursbesuch kann in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden. 2 Der Grad der Integration wird bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Art. 34 Abs. 4) und bei der Ausübung des Ermessens durch die Behörden, insbesondere bei Weg- und Ausweisungen sowie Einreiseverboten, berücksichtigt (Art. 96).

Es wird sogleich offensichtlich, was sich seit der Umsetzung der Motion verändert hatte: Der Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses wurde in Art. 54 Abs. 1 als Zeichen der Integrationsbereitschaft ausgelegt, was wiederum als Voraussetzung für die Erteilung einer (Kurz-) Aufenthaltsbewilligung fungierte. In Art. 54 Abs. 2 wurde Bezug auf Art. 34 Abs. 4 genommen, wo definiert wurde, dass die Niederlassungsbewilligung »bei erfolgreicher Integration, namentlich wenn die betroffene Person über gute Kenntnisse einer Landessprache verfügt, nach ununterbrochenem Aufenthalt mit Aufenthaltsbewilligung während der letzten fünf Jahre erteilt werden« könne.44 »Gute Kenntnisse einer Landessprache« wurden somit offiziell als »Grad der Integration« und als »erfolgreiche Integration« indexiert. Es scheint, als ob sich die Funktion von Sprachkenntnissen um die Dimension der Messbarkeit von Integration oder Integrations43 Der Bericht ist online verfügbar unter : http://www.ekm.admin.ch/content/dam/data/ekm/ projekte/bericht_if01_d.pdf [Letzter Zugriff: 04. 12. 2013]. 44 Dieser Artikel wurde in der Nationalratssitzung vom 06. 04. 2004 trotz zweier Änderungsanträgen ohne Diskussion angenommen (im Gesetzesentwurf als Art. 33); siehe Wortprotokoll, online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4703/103363/ d_n_4703_103363_103364.htm?DisplayTextOid= 103365 [Letzter Zugriff: 07. 10. 2013].

Die Erweiterung der Metapher

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bereitschaft nicht nur im Diskursiven, sondern auch im Politischen resp. Gesetzlichen erweitert hatte. Sprache – zunächst als Schlüssel zur Integration konzipiert – wurde so zum Schlüssel des Messens von Integration.

4.5.1 Das Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer (AuG) Es soll nun der nationale Sprachartikel (Art. 54 AuG) als zweites diskursives Ereignis kontextualisiert und in seiner Historizität verstanden werden. Dazu werden die Entwicklungen der Integrationspolitik seit dem Inkrafttreten der VIntA umrissen. Es soll ersichtlich werden, unter welchen Bedingungen die in Art. 54 reflektierte semantische und ideologische Erweiterung stattgefunden hat und wie sich die Konsequenzen für die ausländische Bevölkerung gestalten. Für die Analyse des zweiten diskursiven Ereignisses werden die öffentlich zugänglichen Unterlagen zum Vernehmlassungsprozess, die Botschaft des Bundesrats, die Protokolle der Kommissions- und Parlamentsdebatten und das Abstimmungsbüchlein als Formen diskursiver Materialität herangezogen. Der Legiferierungsprozess des AuG dauerte insgesamt über 15 Jahre, wenn man die Motion Simmen (»Migrationsgesetz«, 92.3049) als Ausgangspunkt nimmt, welche im Jahr 1992 im Ständerat eingereicht und 1993 vom Nationalrat verabschiedet wurde (siehe Botschaft zum AuG 2002). Die Arbeiten für ein neues Gesetz wurden am 10. 09. 1998 in Angriff genommen, nachdem bereits 1998 eine umfassende Revision durchgeführt und u. a. der Integrationsartikel (Art. 25a ANAG) eingefügt worden war, der am 01. 10. 1999 in Kraft trat. Abgeschlossen wurde der Gesetzgebungsprozess des AuG am 01. 01. 2008 mit der Inkraftsetzung des Gesetzes nach der Abstimmung, welche das (fakultative) Referendum verlangte. Bereits ein Jahr danach (am 14. 01. 2009) wurde ein nächstes Vernehmlassungsverfahren eröffnet, um spezifische Punkte des Gesetzes zu revidieren. Ein Gesetz kann nie als abgeschlossenes oder statisches Produkt betrachtet werden. Es unterliegt vielmehr einem konstanten sozialen und politischen Wandel.45 Dennoch soll das AuG in der Form analysiert werden, in welcher es ursprünglich umgesetzt wurde; nicht zuletzt, weil der Sprachartikel, dem der Fokus der Studie gilt, seit 2008 keine Veränderung mehr erfahren hat. Der Entstehungsprozess des AuG war nicht nur zeitlich sondern auch inhaltlich umfangreich, denn das Verfahren gestaltete sich als äusserst komplex. Unterschiedlichste Akteure verfolgten Partikularinteressen, die in den verschiedenen Phasen des Prozesses eingebracht wurden. Die Meinungen nicht45 Siehe hierzu die Chronologie von unterschiedlichen Fassungen mit entsprechenden Modifikationen: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20020232/history.html [Letzter Zugriff am 15. 10. 2013].

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

staatlicher Akteure wurden im Vernehmlassungsprozess angehört, politische Akteure debattierten in den Ratssitzungen, während die Verwaltung (Bundesamt für Migration) für die Verfassung der Botschaft (2002) zuständig war und ausserdem einen Integrationsbericht (2007) und den Gesetzentwurf ausarbeitete, etc. Zuletzt lag es dann am Schweizer Volk, über die Gesetzesvorlage abzustimmen, wobei wieder etliche Akteure in den Abstimmungskampf involviert waren, die ihre partiellen Interessen verteidigten. Die Chronologie und Komplexität des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Vielzahl der schon rein auf Verwaltungsseite involvierten Akteure werden auf folgender Abbildung illustriert. Es wird der generelle Ablauf des Gesetzgebungsprozesses mit all seinen unterschiedlichen institutionellen Stufen dargestellt. Der spezifische Verlauf des AuG wird des Weiteren mittels Fettdruck indiziert.

Abbildung 2: Chronologie des Legiferierungsprozesses des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Schweizer Parlamentsdienst).46

46 Diese chronologische Darstellung ist derjenigen des Parlamentsdienstes nachempfunden, siehe online: http://www.parlament.ch/d/dokumentation/dossiers/dossiers-archiv/auslaendergesetz/Seiten/default.aspx [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013].

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In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, dass die hier abgebildete Rekonstruktion des AuG-Legiferierungsprozesses durch den Bund selber erfolgt und somit von institutionellen Diskursen und Logiken durchdrungen ist, welche auf die Gesetzgebung wie auch auf offizielle Interpretationen Einfluss ausüben (können). Diese institutionelle Verankerung und Determinierung wird nicht zuletzt im Vernehmlassungsprozess sichtbar, in dem »die Öffentlichkeit« zwar dazu aufgerufen wird, ihre Meinung zum Gesetzesentwurf kundzutun, die Selektion der anzunehmenden Vorschläge jedoch ausschliesslich der Verwaltung vorbehalten ist. 4.5.1.1 Der Vernehmlassungsprozess: Die Absenz von Sprache Die Totalrevision des ANAG, die schliesslich im Verfassen eines neuen Gesetzes (AuG) mündete, begann bereits im September 1998. Die Arbeit der Expertenkommission war ihrerseits im Frühjahr 1999 beendet, doch wurde der im Anschluss vom BFM (damals »Bundesamt für Ausländerfragen«) ausgearbeitete Gesetzentwurf (AuG) erst nach der erfolgreichen Volksabstimmung zu den bilateralen Verträgen mit der Europäischen Union (21. 06. 2000) in die Vernehmlassung gegeben, weil eine Ablehnung dieser Verträge eine fundamentale Revision des Gesetzesentwurfs zur Folge gehabt hätte.47 Die Vernehmlassung zum Entwurf des neuen AuG dauerte von Juli bis November 2000 (siehe Pressemitteilung EJPD vom 15. 06. 2001).48 Für die Vernehmlassung wurde ein Begleitbericht erstellt, der zum grössten Teil auch für die Botschaft verwendet wurde.49 Darin wurde die historische Entwicklung der Schweizer Migration und die Migrationspolitik skizziert, die aktuelle gesetzliche Ausgangslage beschrieben und dargelegt, wieso es zwar kein eigentliches Migrationsgesetz brauche, wie in der Motion Simmen (1993) gefordert, das ANAG aber dennoch den jüngsten politischen Entwicklungen nicht mehr gerecht würde. Hier wurde die diskursive Entwicklung der Integrations- und Migrationspolitik als faktuelle »Geschichte« dargestellt, in der jedoch etliche Beispiele von Entextualisierungen und Ideologisierungen auftauchten, wie bereits im Rahmen des ersten diskursiven Ereignisses beschrieben. Der grösste Teil des Begleitberichts bestand aus Aus47 Der in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf des AuG lässt sich online finden: http:// www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/migration/buergerrecht/auslaendergesetz/_auslaendergesetz/000705d_ges-d.pdf [Letzter Zugriff: 04. 03. 2012]. 48 Die Zusammenfassung des EJPD zum Ergebnis der AuG-Vernehmlassung ist online verfügbar : https://www.bfm.admin.ch//content/dam/data/migration/buergerrecht/auslaendergesetz/zusammenfassung_derergebnissed.pdf [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013]. 49 Der »Begleitbericht zum Entwurf für ein Bundesgesetz für Ausländerinnen und Ausländer« online verfügbar : http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/migration/buergerrecht/ auslaendergesetz/revision_auslaendergesetz/000705d_ber-d.pdf [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013].

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führungen und Erläuterungen zum Gesetzesvorentwurf. So wurde beispielsweise das separate Kapitel zur Integration (Kapitel 8) umrissen, in welchem jedoch der spätere Sprachartikel (Art. 54 Abs.1) noch nicht enthalten war. In diesem in der Botschaft beschriebenen ersten Gesetzesentwurf bestand das »8. Kapitel: Integration« noch aus bloss drei Artikeln (Art. 53 – 55) – im heutigen Kapitel sind sechs Artikel aufgeführt (Art. 53 – 58). Art. 53 »Förderung der Integration« basierte auf den in Art. 25a ANAG geregelten Einzelheiten und führte diese weiter aus. Sprachförderung wurde auch in diesem Zusammenhang (noch) nicht explizit erwähnt. Art. 54 war der gesetzlichen Regelung der EKA gewidmet und Art. 55 dem Informationsauftrag der Bundesbehörden gegenüber der ausländischen und einheimischen Bevölkerung. Wie bereits erwähnt, wurde die Sprachförderung im Integrationskapitel des Vorentwurfs nicht thematisiert. Hingegen wurde im Begleitbericht dargelegt, wie die Verwaltung die im ANAG und in der VIntA umgesetzten Tendenzen im Kontext des neuen Gesetzes beibehalten wollte. Folgendes Zitat aus dem Begleitbericht (2000: 12; im Original nicht hervorgehoben) ist hierfür symptomatisch: Die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung ist nur möglich, wenn die berufliche und auch die gesellschaftliche Integration gewährleistet ist. Dies war bisher in der Schweiz weitgehend über den Beruf der Fall; heute sind hier vermehrte Anstrengungen notwendig. Dies gilt insbesondere mit Bezug auf die Aus- und Weiterbildung sowie die generelle Förderung der Sprachkenntnisse.

Die Sprachförderung wurde, neben Aus- und Weiterbildung, neu als zentrale Voraussetzung für die soziale Integration verstanden. Die erwähnten notwendigen »Anstrengungen« bezogen sich auf Bundesebene vor allem auf die Finanzierung von Sprach- und Integrationskursen. Sprachkurse wurden für die ausländische Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt somit noch als Recht verstanden und nicht als Pflicht. In diesem Ausschnitt wurde zudem explizit auf das ausgediente Konzept »Integration über den Beruf« Bezug genommen. Diese Argumentation (früher : Beruf; heute: vermehrte Anstrengungen, z. B. Sprachkurse) weist auf einen diskursiven Umbruch hin, in dem sich die Wertposition entscheidend verändert hatte. Es wurde nicht mehr der Beruf als Schlüssel für die Integration präsentiert, sondern die Sprache. Informationen zum Vernehmlassungsprozess lassen sich auf der Webseite des Parlamentsdienstes nur spärlich finden, weshalb die einzelnen Aussagen der unterschiedlichen Akteure nicht berücksichtigt werden können.50 Es liegt hingegen eine Zusammenfassung der Vernehmlassung als Pressekommunikation 50 Die Webseite des Schweizer Parlamentsdienstes zur Vernehmlassung des AuG ist online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/d/dokumentation/dossiers/dossiers-archiv/auslaendergesetz/Seiten/auslaendergesetz-vernehmlassung.aspx [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013].

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vor, welche vom EJPD verfasst wurde.51 Gemäss dieser Zusammenfassung wurde das Gesetz generell ziemlich ambivalent und eher konträr beurteilt. Während die eine Seite bemängelte, dass im Entwurf des neuen Gesetzes Ausländerinnen und Ausländern aus Drittstaaten »zu viele neue, ungerechtfertigte Rechtsansprüche« erhalten würden, unterstellte die andere Seite dem Entwurf, dass er »nach wie vor von einer ›Überfremdungsangst‹ geprägt« sei (Vernehmlassung 2001: 2). Die Migrationspolitik wurde demnach durch zwei konträre und in Opposition stehende Interessenspositionen besetzt, die miteinander unvereinbar erschienen. Die bürgerlichen Parteien unterstützten den Entwurf, der SVP ging er hingegen zu wenig weit, wohingegen ihn die linken Parteien (SP, Grüne, PdA), Hilfswerke, Frauen- und Migrantenorganisationen als zu restriktiv beurteilten. In Bezug auf den Entwurf des Integrationskapitels wurde generell kritisiert, dass das Kapitel zu kurz sei (nur aus drei Artikeln bestehend) und dass es keine Definition von Integration enthalte. Eine weitere Kritik richtete sich gegen die anscheinende Einseitigkeit des Kapitels, da darin nicht ausdrücklich verlangt werde, »dass Ausländerinnen und Ausländer zur Integration verpflichtet sind« (Vernehmlassung 2001: 6). Die Integrationsbereitschaft der ausländischen Bevölkerung wurde bereits in der Vernehmlassung von einigen Arbeitgeberverbänden und von den bürgerlichen Parteien gefordert (CVP und FDP). In der Zusammenfassung der Vernehmlassung hiess es diesbezüglich: »der Entwurf [des Gesetzes] sei einer langfristig ausgerichteten Migrationspolitik verpflichtet«, wobei »der Integrationsfähigkeit und der Integrationsbereitschaft auch der schweizerischen Bevölkerung eine zentrale Bedeutung zu[komme]« (Vernehmlassung 2001: 2). Es sei jedoch schwierig, die Integrationsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung gesetzlich einzufordern. Dass hier somit nur ausländische Personen aus Drittstaaten (d. h. weder aus EU- noch EFTA-Staaten) ins Visier der Gesetzgebung geraten, wurde im Kontext des AuG ziemlich schnell klar. Wie diese Integrationsfähigkeit und Integrationsbereitschaft definiert, konzeptualisiert, erhoben oder gemessen werden sollte, wurde jedoch nicht ausgeführt. Der Aspekt der Sprache resp. Sprachförderung wurde in der Zusammenfassung der Vernehmlassung nicht erwähnt, was aber nicht heissen muss, dass dieser Punkt von niemandem aufgenommen worden wäre. Was dennoch festgehalten werden kann, ist folgendes: Die beiden diskursbestimmenden Pole schälten sich bereits zu diesem Zeitpunkt heraus und würden sich später auf die Sprachenfrage übertragen lassen. 51 Der Presserohstoff »Neues Ausländergesetz: Ergebnis der Vernehmlassung (Zusammenfassung)« des EJPD ist online verfügbar unter : http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/ data/migration/buergerrecht/auslaendergesetz/ 010615j_roh-d.pdf [Letzter Zugriff: 14. 10. 2013].

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4.5.1.2 Diskursive Erneuerungen in der Botschaft AuG: Fordern und Integrationsgrad In der Botschaft zum AuG wurden diese beiden Interessenspositionen (»Rechte« vs »Pflichten«) noch stärker betont und erstmals direkt mit dem Prinzip des »Förderns und Forderns« in Verbindung gebracht. Ausserdem wurde in der Botschaft die Verbindung des binären Prinzips mit Sprache explizit gemacht. Während im ersten diskursiven Ereignis nur die Förder-Seite gesetzlich geregelt wurde, zeichnete sich hier die doppelte Umsetzung der Metapher ab. Die Botschaft zum AuG wurde am 08. 03. 2002 vom Bundesrat verabschiedet und der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N) vorgelegt. Sie umfasste 142 Seiten und beinhaltete den gemäss Vernehmlassungsprozess überarbeiteten Entwurf des Gesetzes (ab Seite 62).52 Äusserlich unterschied sich die Botschaft nicht von dem entsprechenden Gesetzestext. Teilweise wurden für die Botschaft sogar dieselben Textbausteine verwendet wie für den Begleitbericht der Vernehmlassung (so die folgenden: Überblick über die Schweizer Migrationsgeschichte, Auslegeordnung der aktuellen migrationspolitischen Situation, Gründe für die Totalrevision, Ziele der Expertenkommission). Die intertexuellen Verbindungen zwischen den einzelnen institutionellen Texten (Botschaft, Begleitbericht, Gesetz) lassen sich auf diese Weise nachverfolgen. Sie sind ein Abbild davon, wie sich der Diskurs veränderte und entwickelte, was an Sagbarem wegfiel, was hingegen dazukam. Auch in diesem Fall wurden spezielle Aspekte eingefügt, wie zum Beispiel die Rekapitulation der schweizerischen demographischen Entwicklung oder das ausführliche Kapitel zu den »Elementen der Migrationspolitik«, worin die grössten gesetzlichen Veränderungen umrissen werden. Ferner wurden internationale Abkommen und ihre Auswirkungen auf die neue Gesetzgebung dargelegt: die bilateralen Verträge mit der EU, aufgrund derer EU-/ EFTA-Angehörige von spezifische ausländerrechtlichen Bestimmungen ausgenommen sind, wie bereits in der ANAG-Revision antizipiert worden war. Hierbei wird ersichtlich, wie sich diskursiv die Binarität der Interessenspositionen verdichtete. So wurde etwa explizit festgehalten, dass das Gesetz »hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Ausländerinnen und Ausländer […] ausgewogen« sei (Botschaft 2002: 4). Im Begleitbericht zur Vernehmlassung (2001) war diese binär gehaltene gesetzliche Regulierung noch nicht derart deutlich. Dort hiess es zwar auch, das »neue Gesetz soll allgemeine Grundsätze der schweizerischen Migrationspolitik enthalten sowie die Rechte und Pflichten der Ausländerinnen und Ausländer bezüglich Einreise, Aufenthalt, Erwerbstä52 Der Entwurf des AuG (2002) ist online verfügbar unter : http://www.admin.ch/ch/d/ff/2002/ 3851.pdf [Letzter Zugriff: 15. 10. 2013].

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tigkeit und Ausreise regeln« (Begleitbericht Vernehmlassung 2001: 6), doch liess sich im Bericht keine Gewichtung der Rechte oder Pflichten feststellen. Die explizite Formulierung des erforderlichen Gleichgewichts zwischen den beiden Polen lässt die Vermutung zu, dass versucht wurde, der im Vernehmlassungsprozess geäusserten Kritik entgegen zu treten, wonach das eine oder aber das andere zu stark berücksichtigt werde. Obwohl Rechte und Pflichten also explizit angesprochen wurden, wurde in der Übersicht der Botschaft noch kein Wort über Sprache/ Sprachförderung verloren (2002: 4 – 6). Nach der Überarbeitung umfasste das Integrationskapitel nun nicht mehr nur drei, sondern ganze sieben Artikel (Botschaft 2002: 88 – 97). Es wurde die Möglichkeit eines »beschränkten Anreiz- und Sanktionsmechanismus« in Bezug auf Integration (Botschaft 2002: 90) diskutiert, wobei davon ausgegangen wurde, dass »die Einführung einer verbindlichen Rechtspflicht zur ›Integration‹ im Ausländergesetz […] verschiedene Probleme auf[wirft]« (Botschaft 2002: 90), insbesondere bezüglich des individuellen Integrationsbedarfs, der Schaffung eines entsprechenden Angebots und der Durchsetzbarkeit einer derartigen Integrationspflicht. Trotz der als schwierig empfundenen Umsetzung dieser Punkte wäre das Gesetz auf der Prämisse aufgebaut, dass Migrantinnen und Migranten einen »Migrationsvertrag« mit der Aufnahmegesellschaft eingehen (sollten), dass also die Pflichten gesetzlich eingefordert werden können. Die Idee des Migrationsvertrags kam laut Botschaft (2002: 91) »im Leitsatz ›Fordern und Fördern‹ zum Ausdruck, welcher Eingang in verschiedene kantonale und kommunale Leitbilder zur Integrationspolitik gefunden hat«. Dies ist nicht zuletzt ein Hinweis darauf, inwiefern »Fordern und Fördern« (resp. »Fördern und Fordern«, wie z. B. die Reihenfolge in Basel gebräuchlich ist) als restriktiveres und durchschlagenderes politisches Konzept gehandhabt wurde als dasjenige von »Rechten und Pflichten«. Die Übertragung dieser Binarität auf die Sprachfrage kam in den Ausführungen zu Art. 52 »Grundsätze« zum Tragen. Nicht nur zeichnete sich hier deutlich ab, was später im Sprachartikel ausformuliert wurde, sondern es sind hier auch dieselben Aussagepositionen anzutreffen, wie sie schon im Kontext des ersten diskursiven Ereignisses ausgehandelt wurden. Dies wird in den Erklärungen der Botschaft zu Art. 52 Abs. 2 ersichtlich (Entextualisierungen sind unterstrichen): Insbesondere muss erwartet werden können, dass die betreffende Person sich nach Kräften bemüht, die am Aufenthaltsort gesprochene Landessprache zu erlernen. Die Möglichkeit, sich mit seiner Umwelt verständigen zu können, bildet die erste Voraussetzung einer gelungenen beruflichen und sozialen Integration und verhindert eine gesellschaftlich unerwünschte Segregation. (Botschaft 2002: 91)

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Kenntnisse der (ortsüblichen resp. »am Aufenthaltsort gesprochenen«) Landessprache waren somit Voraussetzung für die Integration resp. gegen Segregation der ausländischen Bevölkerung, wie bereits in den Motionen Simmen/ Bircher und den darauf folgenden diskursiven Materialitäten postuliert wurde. Auch hier wurde dieser Zusammenhang zur eigentlichen argumentativen Wahrheit. Dies führte gleichzeitig argumentativ zum Rückschluss, dass eine Sprachlernverweigerung im Bewusstsein erfolge, den Schlüssel zur Integration nicht zu nutzen, sprich sich nicht integrieren zu wollen. Somit konnte der NichtBesuch eines Sprachkurses letztlich zum Indikator der Nicht-Integrationsbereitschaft werden. Gerade die Integrationsbereitschaft würde aber von der ausländischen Bevölkerung explizit verlangt, wie in der Botschaft zum AuG ausgeführt wurde (Botschaft 2002: 91; Betonung nicht im Orginal): »Gemäss [Art. 52] Absatz 3 soll der Grad der Integration neu bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung sowie im Rahmen der Ermessensausübung bei der Anordnung von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen berücksichtigt werden«. Ein paar Zeilen weiter wurde erläutert, wie der »Grad der Integration« gemessen werden soll: »Dabei kommt den Kenntnissen einer Landessprache eine zentrale Bedeutung zu« (Botschaft 2002: 91). Somit wurde der Sprache bereits hier eine doppelte Funktion zugesprochen: Für die ausländische Bevölkerung sei sie Schlüssel zur Integration, für die Behörden aber auch Schlüssel zum Messen der Integration. Individuelle Positionierungen von Akteuren wurden weder in der Zusammenfassung der Vernehmlassung noch in der Botschaft ersichtlich. Prinzipiell liegt dies daran, dass diese von der Verwaltung verfasst worden ist, d. h. vom damaligen Bundesamt für Ausländerfragen (BFA), dem heutigen Bundesamt für Migration (BFM). Somit wird die offizielle Position der Verwaltung sehr deutlich, welche in letzter Instanz darüber entschied, welche Kritikpunkte der Vernehmlassung aufgenommen wurden. Es war denn auch diese offizielle und institutionelle Position welche schliesslich den Diskurs bestimmte. Durch die Praxis der wiederholten Entextualisierung konnte die Verwaltung die diskursive Entwicklung tatsächlich beeinflussen und die darin legitimierten Aussagemöglichkeiten bestimmen. Des Weiteren trat in den Ausführungen zur Vernehmlassung und der Botschaft zu Tage, inwiefern die beiden scheinbar oppositionären Interessenspositionen (Fördern versus Fordern) den integrationspolitischen Diskurs gemeinsam umspannten und auf Gesetzesebene zu Kompromissversuchen führten. Auch wenn im AuG nicht nur die Sprachenfrage eine Rolle spielte, sondern generell die Rechtsprechung über Zulassung und Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, so liessen sich, wie gezeigt werden konnte, diese beiden Interessenspositionen auch auf den Diskurs »Integration durch Sprache« übertragen. Wie diese Positionen von individuellen Akteuren in

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den Parlamentsdebatten eingenommen und welche Ideologisierungen dabei vorgenommen wurden, wird sich im nächsten Abschnitt zeigen. 4.5.1.3 Die Kommissions- und Parlamentsdebatten Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) beschäftigte sich von Anfang November 2002 bis Mitte 2003 mit dem Geschäft des AuG. Bis zur Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten und zur Annahme des Bundesgesetzes in Stände- und Nationalrat sollte es bis 2005 andauern. Über 210 Änderungsanträge wurden alleine im Nationalrat eingereicht, wo der Gesetzeserlass nach stundenlangen Beratungen schliesslich mit 106 zu 66 Stimmen angenommen wurde; im Ständerat mit 33 zu 8 (bei 4 Enthaltungen).53 Die Kommissions- und Parlamentsdebatten waren enorm intensiv, vielschichtig und langwierig.54 Es würde den Rahmen sprengen, diesen Behandlungsprozess und all seine Debatten im Detail nachzuzeichnen, so wie es in Bezug auf das erste diskursive Ereignis noch möglich gewesen war. Es soll nun vielmehr der Versuch anstehen, diejenigen diskursiven Positionen zu eruieren, die sich explizit auf die Sprachförderung und -forderungen beziehen. Es sind diesbezüglich einige erläuternde Informationen nötig, welche den Entstehungsprozess des AuG betreffen: BR Christoph Blocher (SVP) wurde am 01. 01. 2004 zum Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) ernannt, worauf umgehend eine restriktivere Gesetzesversion veranlasst wurde.55 Generell zeichneten sich die Behandlungen des Gesetzes durch etliche Verschärfungen aus, vor allem hinsichtlich der Zulassungspolitik. Des Weiteren wurde parallel zur parlamentarischen Behandlung des AuG die VIntA einer Revision unterzogen und am 25. 10. 2005 erneut in Kraft gesetzt. Im Folgenden werden nun einzelne Etappen des Gesetzentstehungsprozesses herausgegriffen, die zwar unterschiedliche diskursive Materialitäten aufweisen, jedoch die Rolle der Sprache thematisierten. Als erstes wird die Zusammen53 Siehe Schlussabstimmung Nationalrat vom 16. 12. 2005, online verfügbar unter : http:// www.parlament.ch/ ab/frameset/d/n/4710/214284/d_n_4710_214284_214446.htm; Schlussabstimmung Ständerat vom 16. 12. 2005: http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4710/ 214276/d_s_4710_214276_214291.htm?DisplayTextOid=214292 [Letzter Zugriff beide: 16. 10. 2013]. 54 Siehe Dossier »02.024 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG)« zur Behandlung des Gesetzentwurfs in den Kommissionen und Räten auf der Webseite des Schweizer Parlamentsdienstes: http://www.parlament.ch/d/dokumentation/dossiers/dossiers-archiv/auslaendergesetz/Seiten/auslaendergesetz-schlussabstimmung-erstrat.aspx [Letzter Zugriff: 16. 10. 2013]. 55 Siehe Medienmitteilung vom 17. 08. 2004: »Ausländergesetz. Ständeratskommission wartet auf Bundesrat«. Online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/d/mm/2004/seiten/ mm_2004 – 08 – 17_999_03.aspx [Letzter Zugriff: 16. 10. 2013].

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fassung des Parlamentsdienstes zu den Entscheiden des Nationalrats (05. 05. 2004 – 16. 12. 2005) herangezogen. Bezüglich Sprache resp. Sprachkursen hiess es darin: »Auf Antrag seiner Kommission beschloss der Nationalrat, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an den Besuch eines Integrationskurses geknüpft werden kann«.56 Dieser Beschluss wurde im Anschluss durch die Mehrheit des Ständerats bestätigt: »Wie der Nationalrat legte auch der Ständerat bei der Niederlassungsbewilligung mehr Gewicht auf das Integrationskriterium. So können die Behörden von Ausländerinnen und Ausländern verlangen, an Sprach- und Integrationskursen teilzunehmen«. Von beiden Räten gutgeheissen, stellte dies grundsätzlich das Fundament des Sprachartikels im AuG dar. Der Mehrheitsantrag der SPK-N lautete wie folgt [im Original nicht hervorgehoben]: Art. 52 AuG (Antrag) 2 bis Die Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung kann mit der Bedingung verbunden werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird. Dies gilt auch für die Bewilligungserteilung im Rahmen des Familiennachzuges (Art. 42 – 44). Die Verpflichtung zum Kursbesuch kann in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden.57

Die Kommissionsminderheit positionierte sich gegen diesen Absatz (2bis) und wurde darin von einigen Ratskollegen unterstützt, so z. B. von NR Hess Bernhard (SD) oder NR Ulrich Schlüer (SVP). NR Toni Bertoluzzi (SVP) stellte seinerseits den Antrag, das Integrationskapitel in seiner Gesamtheit zu streichen, da Integration primär Sache der Ausländer sei und nur sekundär der Kantone und Gemeinden, auf alle Fälle aber nicht durch den Staat reguliert werden solle. Zudem gab es zwei individuelle Änderungsanträge, den Satz zur Integrationsvereinbarung zu streichen, die jedoch beide vom Nationalrat abgelehnt wurden. Da die Protokolle der Kommissionssitzungen nicht öffentlich zugänglich sind, kann nicht nachvollzogen werden, wie der Vorschlag zu Art. 52 2bis zustande gekommen ist. Eine Rekonstruktion wurde jedoch von Kommissionsmitglied NR Doris Leuthard (CVP) offeriert. Sie erklärte, aufgrund welcher Motivation die Kommission diesen Artikel verfasst hatte [im Original nicht hervorgehoben].58 Zum neuen Absatz 2bis in Artikel 52, den die Mehrheit eingefügt hat: Hier möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um eine Kann-Bestimmung handelt, eine Bestimmung, wonach die kantonalen Behörden eine Bewilligung mit einer Bedingung verknüpfen 56 Die Zusammenfassung der Beratungen und Ratsabstimmungen zum AuG (Stand Mai 2005) sind online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/legislaturrueckblick.aspx?rb_id=20020024 [Letzter Zugriff: 06. 03. 2012]. 57 Art. 54 Abs. 3 AuG. 58 Siehe Wortprotokoll der Nationalratssitzung vom 15. 06. 2004, online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4704/106706/ d_n_4704_106706_106727.htm?DisplayTextOid=106728 [Letzter Zugriff: 06. 03. 2012].

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können. Diese Bedingung wäre der Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses. Wir haben lange über diese Bedingung diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass das ein sehr guter Mechanismus wäre. Man kann über die Formulierung streiten, aber das Instrument dieser Bedingung möchten wir den Kantonen offerieren, damit bei Bedarf gezielt eine Bewilligung damit verknüpft werden kann.

NR Leuthard rekonstruierte das Argument dahingehend, dass zwar lange über die Bedingungsklausel debattiert geworden wäre, danach aber praktische Gründe den Ausschlag zugunsten der Klausel gegeben hätten. Somit schien sie an die pragmatische Seite des Parlaments zu appellieren, sich nicht an der eventuell restriktiv wirkenden Formulierung zu stossen, sondern den grösseren Zusammenhang zu sehen und den Kantonen diese Möglichkeit zu »offerieren«, d. h. ihnen in solchen Fragen Autonomie zuzugestehen. Angaben zum Inhalt des Absatzes oder zu den Diskussionspunkten wurden von NR Leuthard keine gemacht. Die von ihr gewählte neutrale Formulierung kaschierte so potentiell polarisierende Interpretationen der in diesem Artikel enthaltenen Bedingung und unterband dadurch das Entfachen einer entsprechenden Diskussion im Nationalrat. Zudem lenkte sie die Debatte dadurch in eine ganz bestimmte Richtung: Es stand nur noch die Entscheidung darüber an, ob die Klausel ein für die Kantone adäquates Instrument darstellt oder nicht – und nicht etwa, welche Konsequenzen dies für die ausländische Bevölkerung haben könnte. Dennoch wurde der Kommissions-Mehrheitsantrag im Nationalrat konträr diskutiert. Es wurde zwar einhellig – und keineswegs überraschend – davon ausgegangen, dass Sprache »ein wichtiger Integrationsfaktor« (NR C¦cile Bühlmann, Grüne) resp. »eines der wichtigsten Mittel der Integration« (NR Gerhard Pfister, CVP) sei. Uneins schien man lediglich in der Frage zu sein, ob der Spracherwerb erzwungen werden könne/ soll. In dieser Diskussion widerspiegelte sich einmal mehr das Regulativ des Diskurses »Integration durch Sprache«: Mit der Grundprämisse ging man einig, doch blieben zwei mögliche Interessenspositionen erhalten. Diejenigen, die gegen einen Sprachlernzwang waren, entstammten mehrheitlich dem rot-grünen Lager, erhielten jedoch auch Unterstützung vonseiten der SVP (u. a. von BR Blocher). Zwei Zitate aus dem Wortprotokoll der Debatte veranschaulichen die vorhandenen Vorbehalte dem Erzwingen von Integration und deren Massnahmen gegenüber. Das erste Votum stammt von NR Adrian Amstutz (SVP): »Wir sind überzeugt, dass Integration nicht staatlich verordnet, das heisst zwangsweise übergestülpt werden kann«. Marianne Huguenin (PdA) argumentierte erstaunlich ähnlich: »L’int¦gration ne peut se decr¦ter en haut«. Diese zwei Voten sind sich, sprachlich gesehen, zwar extrem ähnlich, vermittelten sie doch dieselbe Botschaft. Wenn man sie jedoch kontextualisiert und mit den Voten anderer NR der entsprechenden Lager vergleicht, schienen dennoch zwei unterschiedliche Aussagepositionen aufzutauchen. Zum einen diejenige

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der SVP, die vor allem aus zwei Gründen gegen einen Integrationszwang gewesen zu sein scheint. Erstens sei die Integration die Sache der ausländischen Bevölkerung. Falls diese sich jedoch nicht integrieren, sondern untereinander bleiben wolle, sei diese Entscheidung auch zu akzeptieren. Wenn man sich nun aber politisch/ administrativ überhaupt mit der Integration befassen sollte, dann auf der Ebene der Kantone oder Gemeinden. Damit argumentierten sie gegen einen zu starken Staat. Der zweite Grund hing auch mit der Staatskonzeption zusammen: Durch die Aufnahme der Integration in die Bundespolitik würde die Bürokratisierung ins Unermessliche ansteigen. NR Hans Fehr (SVP) befürchtete das Entstehen einer regelrechten »Integrationsbürokratie«, ganz zu schweigen von einer »Integrationsindustrie«. Die staatliche Regulation der Integration verlief somit konträr zu der neoliberalen Staatskonzeption der SVP. Aus diesem Grund positionierte sich die SVP mittels der Interessensposition gegen eine staatliche Verordnung; dadurch wurde ihr jedoch eine Gegenposition zugewiesen, die sie automatisch aus dem Diskurs ausschloss. Da sie nicht bereit war, sich mit der kolportierten »Wahrheit« einverstanden zu erklären, dass Integration durch den Staat geregelt und gefördert resp. gefordert werden sollte, wurde sie als illegitimer Akteur wahrgenommen und behandelt (die Änderungsvorschläge der SVP im Rahmen der AuG-Verhandlungen wurden regelmässig abgelehnt). Während also die SVP die gesamte Integrationspolitik hinterfragte, unterstützte ein Teil der Linken die prinzipielle Stossrichtung des AuG. So waren auch einige linke NR-Mitglieder der Meinung, dass die Integration von beiden Seiten, vom Staat und von der ausländischen Bevölkerung Anstrengungen voraussetze und somit auf Rechten und Pflichten beruhe. Die Aussageposition der rotgrünen Minderheit beinhaltete somit andere Überlegungen. Ihr ging es bezüglich des Lernzwanges vielmehr um gesellschaftspolitische und ethische Bedenken. NR Ruth-Gaby Vermot-Mangold (SP) sprach denn auch von einer »harschen Forderung«; NR Marianna Huguenin (PdA) ihrerseits befürchtete, dass ein Lernzwang es verunmöglichen würde, auf individuelle Lebensläufe und Bedingungen entsprechend eingehen zu können. Das Votum von NR C¦cile Bühlmann (Grüne) fasste diese Aussageposition prägnant zusammen: »Man soll Anreize schaffen, Unterstützung anbieten, aber man soll nicht zwingend formulieren«. Es wurde aus diesem Grund der Versuch unternommen, einseitigem oder starkem Fordern entgegenzuwirken, wie dies z. B. von NR Ruth-Gaby Vermot-Mangold (SP) formuliert wurde: »Dem legitimen Anspruch der Gesellschaft, von den Individuen Integrationswilligkeit einzufordern, steht die Pflicht gegenüber, Integration zu ermöglichen und zu unterstützen«. Es kann der Schluss gezogen werden, dass die Sprache in der Debatte über Rechte und Pflichten/ Fördern und Fordern als Kristallisationspunkt auftauchte, anhand dessen die Spielräume des Zwangs ausgetestet wurden. So wurde

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Sprache, im Common Sense als Integrationsschlüssel und (mittlerweile auch) Integrationsindikator konzipiert. Zum Politikum par excellence wurde, wie die Idee des Zwangs umgesetzt werden könne. Sprachenlernen war darum nicht mehr nur Recht (Art. 55: Sprachkurse werden gefördert; Art. 34 Abs. 4: das Sprachenlernen wurde mit Anreizsystemen versehen, so zum Beispiel durch die Aussicht auf eine frühzeitige Erteilung der Niederlassungsbewilligung), sondern mittlerweile auch Pflicht (Art. 54 AuG). Die vorübergehend in Art. 23 Abs. 2 (»Persönliche Voraussetzungen«) vorgeschlagene Verknüpfung von Sprachkenntnissen und Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen wurde in der NR-Sitzung vom 06. 05. 2004 diskutiert. Im Entwurf wurde dies folgendermassen formuliert: »Bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen müssen zusätzlich die berufliche Qualifikation, die berufliche Anpassungsfähigkeit, die Sprachkenntnisse und das Alter eine nachhaltige Integration in den schweizerischen Arbeitsmarkt und das soziale Umfeld erwarten lassen«.59 Diese Formulierung erinnert an die Diskussionen im Rahmen des ersten diskursiven Ereignisses, wo der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 30. 11. 1998 auf die Motionen Simmen/ Bircher Sprachkenntnissen bei Zulassungsentscheiden in Zukunft eine wichtigere Rolle zukommen lassen wollte. Man sieht an diesem Beispiel, wie sich der Diskurs zwar veränderte (z. B. durch das Ermöglichen von zuvor tabuisierten Aussagepositionen), gewisse Bestandteile jedoch über Kontinuität verfügten und sich sogar verfestigten (z. B. in Gesetzesartikeln). Die Abstimmung über den Vorschlag der Kommissionsmehrheit zur Ergänzung des Art. 52 um Abs. 2bis im Entwurf des AuG fiel schliesslich positiv aus.

4.5.1.4 Das Abstimmungsbüchlein zum AuG: Die Forderung wird zur Förderung Gegen die verabschiedete Gesetzesvorlage wurde von mehreren Komitees das Referendum ergriffen, bestehend aus kirchlichen Kreisen, Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerken, Gewerkschaften, Wirtschaftskreisen, Jugend- und Frauenorganisationen, SP, Grünen und zahlreichen bürgerlichen Politikerinnen und Politikern (siehe Abstimmungsbüchlein 2006: 17).60 Das Gesetz wurde dennoch am 24. September 2006 mit 68 % vom Schweizer Stimmvolk ange59 Art. 23 Abs. 2 AuG: »Bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen müssen zusätzlich die berufliche Qualifikation, die berufliche und soziale Anpassungsfähigkeit, die Sprachkenntnisse und das Alter eine nachhaltige Integration in den schweizerischen Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Umfeld erwarten lassen«. 60 Das Abstimmungsbüchlein zu den Vorlagen vom 24. 09. 2006, von der Bundeskanzlei (BK) herausgegeben, ist online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/d/wahlen-abstimmungen/volksabstimmungen/fruehere-volksabstimmungen/abstimmungen2006/ 21052006/Documents/Abstimmungsbuechlein_240906_d.pdf [Letzter Zugriff: 17. 10. 2013].

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nommen; ebenso das zur Abstimmung stehende Asylgesetz. Das Abstimmungsbüchlein wird als diskursive Materialität für die Analyse herangezogen, weil in ihm die grundlegenden Positionen der involvierten Akteure festgehalten sind. Da die Volksinitiative »Nationalbankgewinne für die AHV« zur selben Zeit zur Abstimmung gelangt war, enthielt das Büchlein, von der Bundeskanzlei produziert, auch dazu Abstimmungsinformationen und nicht nur zum AuG und Asylgesetz. Total umfasste es 103 Seiten, wobei 58 Seiten dem AuG gewidmet waren (Informationen zur Vorlage: 12 – 19; Abstimmungstext: 28 – 77). Auf Seite 12 wurde die Abstimmung zum AuG eingeleitet mit der eigentlichen Abstimmungsfrage: »Wollen Sie das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) annehmen?« Darauf folgte die Wahlempfehlung des Bundesrats und Parlaments, »das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer anzunehmen. »Der Nationalrat hat die Vorlage mit 106 zu 66 Stimmen bei 10 Enthaltungen gutgeheissen, der Ständerat mit 33 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen« (Abstimmungsbüchlein 2006: 12). Die restliche Struktur der »Informationen zur Vorlage« sah folgendermassen aus: »Das Wichtigste in Kürze« (1 Seite), »Die Vorlage im Detail« (2,5 Seiten), »Argumente des Referendumskomitees« (1 Seite), »Die Argumente des Bundesrats« (1,5 Seiten). Im Abstimmungsbüchlein zum AuG wurden insbesondere zwei Positionen ersichtlich: Die politisch Rechte, allen voran die SVP, führte Argumente gegen Missbrauch im Asyl- und Migrationswesen ins Feld, während die Linke eher moralische Bedenken gegen die Gesetzesrevisionen (unnötige Verschärfungen, diskriminierend etc.) anbrachte. Eines der Hauptanliegen des Referendumskomitees war denn auch die in ihren Augen diskriminierende Gesetzgebung gegenüber Nicht-EU-/ EFTA-Angehörigen. Da das AuG etliche Bereiche der Migrationspolitik umfasste, stellte die Integrationspolitik nur einen Bruchteil der neuen Regelungen dar. So wurde im Abstimmungsbüchlein nur ein Satz zur Integration der ausländischen Bevölkerung abgedruckt – in Zusammenhang mit ebenerwähntem Vorwurf der Diskriminierung: »Wir wollen gleiche Rechte und Pflichten für alle in der Schweiz lebenden MigrantInnen – unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Integration statt Ausgrenzung schafft Sicherheit für alle« (Abstimmungbüchlein 2006: 17). Diese Aussage reflektierte den bereits zuvor angetroffenen politischen Konsens, dass a) Integration ausschlaggebend für die innere Sicherheit sei und dass b) die ausländische Bevölkerung Rechte habe, aber auch an Pflichten gebunden sei – auch wenn die Sprache in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde, wäre ihre Einbindung in diese Argumentation keine Überraschung gewesen. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass ausserhalb dieser ideologisierenden Position keine Möglichkeit zu argumentieren mehr existierte. Die Frage, ob sich das Referendumskomitee diese Ideologisierungen argumentativ nur aus taktischen Gründen angeeignet hatte, um

Die Erweiterung der Metapher

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innerhalb des Diskurses gehört zu werden oder ob es diese tatsächlich verinnerlicht hatte, kann aufgrund der vohandenen Daten nicht beantwortet werden. Das offizielle Argumentarium zugunsten der Gesetzesvorlage ist im Abstimmungsbüchlein (2006) auf den Seiten vor jenen des Referendumskomitees zu finden. Die als Vorteile konzipierten Änderungen im Rahmen des neuen Gesetzes waren im Abschnitt »Die Vorlage im Detail« als Überschriften markiert (Abstimmungsbüchlein 2006: 14 – 16). So hiess es: »Zulassungsbeschränkung«, »einfachere Verfahren«, »Verbesserungen im Familiennachzug«, »Die Integration wird gefördert«, »Die Rückkehrhilfe wird ausgedehnt«, »Der Missbrauch wird mit neuen Massnahmen konsequenter bekämpft«. Interessant ist aber vor allem der Textabschnitt, der sich unter der Überschrift »Die Integration wird gefördert« finden lässt (Abstimmungsbüchlein 2006: 15; Betonung nicht im Original). Ausländerinnen und Ausländer sollen sich vermehrt um ihre Integration bemühen: – Die Behörden können die Aufenthaltsbewilligung mit der Bedingung verknüpfen, dass Ausländerinnen und Ausländer einen Sprach- oder Integrationskurs besuchen. – Im Interesse einer frühen Einschulung müssen die Eltern ihre ausländischen Kinder neu innerhalb von fünf Jahren nach der Einreise nachziehen, ab dem 12. Altersjahr innerhalb eines Jahres. Ein späterer Nachzug ist nur in Ausnahmefällen möglich.

Der Bundesrat erklärte diese Massnahme in seiner Stellungnahme im Anschluss an die Aussagen des Referendumskomitees (Abstimmungsbüchlein 2006: 18 – 19): »So wird erreicht, dass sich Ausländerinnen und Ausländer aktiver um ihre Integration bemühen. Dadurch verringere sich das Risiko der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfeabhängigkeit sowie die Gefahr, in die Kriminalität abzugleiten«. Die Argumentation und Legitimation der gesetzlichen Verschärfung blieb sich somit seit den Tagen der Motionen treu, in denen eigentlich die Unterstützung der Sprachförderung im Zentrum der Bemühungen stand. Gleich blieb sich auch, dass dieser Zusammenhang nicht erklärt wurde/ werden musste. Nach wie vor wurden die Korrelationen zwischen Integration, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeabhängigkeit und Kriminalität als gegeben vorausgesetzt – wie im obigen Beispiel wurde »Sprache« nicht erwähnt, könnte aber ebenso gut anstelle von »Integration« gesetzt werden. Der erste Absatz des Textabschnitts zur »Förderung der Integration« stellte eine Paraphrasierung des Sprachartikels (Art. 54 Abs. 1) dar, in welchem die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung geregelt wurde. Dies wurde im Kontext der Abstimmung als die integrationsfördernde Massnahme präsentiert. In Anbetracht dessen, dass mit diesem Artikel Sanktionsmechanismen von kantonalen Behörden ermöglicht würden, ist erheblich, dass er als Integrationsförderung deklariert wurde. Die Überschrift hätte, aufgrund der potentiellen Sanktionsmechanismen, grundsätzlich auch lauten können: »Die Integration wird ge-

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

fordert«. Man könnte daraus schliessen, dass mittlerweile selbst Forderungen als Fördermassnahmen betrachtet wurden. Integration wurde somit nicht mehr ausschliesslich als gegenseitiger und dynamischer Prozess betrachtet, sondern als ein mit sanftem Druck (oder aufenthaltsrechtlichen Sanktionen) steuerbarer Gegenstand der Politik, wobei der Sprache eine Schlüsselfunktion zugekommen ist. Denn durch den Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses (wo nebst Informationen zum lokalen, gesellschaftlichen und institutionellen Umfeld auch Sprachkenntnisse vermittelt werden) könnten, laut Bundesrat, soziale Risiken (Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeabhängigkeit und Kriminalität) minimiert werden. Im Kontext der sich im Abstimmungsbüchlein befindenden Positionen lässt sich feststellen, dass sich die über die beiden diskursiven Ereignisse hinweg verdichtenden Interessenspositionen reproduzierten. Ein Unterschied liess sich in der Argumentationsführung und im Besetzen der Interessensposition nicht ausmachen. Die Sprache als Schlüssel zur Integration, die gleichsam vor sozialer Anomie schützt, hatte sich somit auf nationaler Ebene etabliert, genau wie auch der Diskurs »Integration durch Sprache« sein Regulativ entfalten konnte.

4.5.2 Die VIntA-Revision: Die Operationalisierung der erweiterten Metapher Nachdem das Schweizer Stimmvolk dem Gesetz zugestimmt hatte, wurde die Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA) revidiert und den veränderten gesetzlichen Vorzeichen angepasst. Offenbar fungierte dabei das Basler Integrationsleitbild (siehe nächstes Kapitel) als Vorbild für die Ausformulierungen (siehe Ratschlag 2005) – womit intertextuelle Verschränkungen und Entextualisierungen zwischen dem nationalen und dem kantonalen Diskurs erneut erkennbar und offensichtlich werden. Wie bereits erwähnt, hatte man die VIntA bereits parallel zum Gesetzgebungsprozess des AuG revidiert und am 25. 10. 2005 in Kraft gesetzt (VIntA 2005; einzelne Artikel wurden zudem in der Zwischenzeit verändert oder beigefügt).61 Die Revision in Zusammenhang mit dem AuG wurde am 24. 10. 2007 beendet, aber erst am 01. 01. 2008 in Kraft gesetzt – zeitgleich mit dem AuG und dem Asylgesetz, auf welches sich die VIntA zwar auch bezog, jedoch in einem viel geringerem Ausmass.62 Seit der VIntA aus dem Jahr 2000 (VIntA 2000) und der VIntA 2005 wurden zur Sprachförderung und, vor allem, zur Sprachforderung zum Zeitpunkt der 61 Die VIntA 2005 vom 13. 09. 2000 (Stand am 25. 10. 2005) ist online verfügbar unter : http:// www.bfm.admin.ch/content/dam/data/migration/buergerrecht/auslaendergesetz/ anag_und_vollzugsverordnungen/deutsch/142_205_de.pdf [Letzter Zugriff: 18. 10. 2013]. 62 Die VIntAvom 24. 10. 2007, in Kraft gesetzt am 01. 01. 2008, ist online verfügbar unter : http:// www.admin.ch/ch/d/sr/142_205/index.html [Letzter Zugriff: 18. 10. 2013].

Die Erweiterung der Metapher

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zweiten Revision einige Modifikationen angebracht. Seit 2005 gab es zudem spezifische Regelungen zu den von der ausländischen Bevölkerung auszurichtenden Beiträge. Während in der VIntA 2005 noch von »Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zur Integration« (Art. 3a) die Rede war, hiess es in der VIntA 2008 nun explizit: »2. Kapitel: Beitrag und Pflichten der Ausländerinnen und Ausländer«. Die entsprechenden Artikel lauteten »Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zur Integration« (Art. 4), »Integrationsvereinbarung« (Art. 5), »Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationsmassnahmen« (Art. 6) und »Betreuungs- oder Lehrtätigkeit« (Art. 7). In diesen Artikeln lassen sich Positionierungen anhand von Beispielen festmachen, die den verstärkten Forderungscharakter der neuen Gesetzgebung unterstrichen. Als Illustration soll Art. 4 dienen [im Original nicht hervorgehoben]: Art. 4 Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zur Integration (VIntA) Der Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zu ihrer Integration zeigt sich namentlich: a. in der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesverfassung; b. im Erlernen der am Wohnort gesprochenen Landessprache; c. in der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in der Schweiz; d. im Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung.

Hier wurden die Integrationsbereitschaft und der Integrationserfolg der Ausländerinnen und Ausländer mit den vier Faktoren (a bis d) korreliert, obwohl sich am Schluss nur die Sprachkenntnisse und die Arbeitsintegration als mutmasslich verlässliche Indikatoren anboten: Die Respektierung der Rechtsordnung lässt sich generell nur bei ihrer Übertretung ex negativo bewerten, während die »Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen« kaum systematisch überprüft werden kann. Auch der Sprachartikel (Art. 54 AuG) und seine Umsetzung wurden in der VIntA thematisiert. Diesbezüglich wurde der Fokus auf die Integrationsvereinbarungen gelegt, die für die Behörden ein potentielles Instrumentarium darstellten, die Integrationsbereitschaft bei »problematischen« Ausländerinnen und Ausländern einzufordern. Falls der Vereinbarung nicht Folge geleistet würde, könne die Aufenthaltsbewilligung verweigert oder zurückgezogen werden, wie in Art. 5 ausgeführt wurde [im Original nicht hervorgehoben]: Art. 5 Integrationsvereinbarungen 1 Bei der Erteilung oder Verlängerung der Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung können die zuständigen Behörden mit Ausländerinnen und Ausländern Integrationsvereinbarungen abschliessen. 2 Die Integrationsvereinbarung hält nach Prüfung des Einzelfalles die Ziele, die vereinbarten Massnahmen sowie die möglichen Folgen im Falle einer Nichterfüllung fest. 3 Ziel der Integrationsvereinbarung ist insbesondere die Förderung des Erwerbs der am

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Die Materialisierung einer Metapher im nationalen Gesetz

Wohnort gesprochenen Landessprache sowie von Kenntnissen über : a. die gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen in der Schweiz; b. das schweizerische Rechtssystem; c. die grundlegenden Normen und Regeln, deren Befolgung eine unerlässliche Voraussetzung für ein geordnetes Zusammenleben ist.

In diesem Artikel wurde die der Sprache zugewiesene Integrationsfunktion besonders deutlich. In Abs. 3 wurde als Ziel der Integrationsvereinbarung »insbesondere die Förderung des Erwerbs der am Wohnort gesprochenen Landessprache sowie von Kenntnissen über […]« betont. Aufgrund der Wichtigkeit der Sprache für die Integration wurde wiederum die Legitimation abgeleitet, ihr Erwerb einem Teil der ausländischen Bevölkerung aufzuzwingen. Die VIntA war auf Bundesebene die letzte Station in diesem Ausschnitt der diskursiven Entwicklung, da sie die praktische Umsetzung des sich im AuG materialisierten Diskurses darstellt. In ihr widerspiegelte sich, inwiefern die 1998 eingeführte Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« weiterentwickelt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass die Metapher zum Common Sense wurde und nur noch die Optionen der beiden Interessenspositionen Fördern oder Fordern zuliess, wurde sie funktional erweitert. Sprache wurde somit auch zum Indikator von Integration, was sich gerade auch in Art. 4 manifestierte, in dem der Beitrag der Migrationsbevölkerung über das Erlernen der lokalen Sprache definiert wurde. Die VIntA stellte somit die Ausgangslage für die praktische Reproduktion der Metapher sowie für die reellen und materiellen Konsequenzen des Diskurses dar.

5

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

5.1

Einleitung

Die Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« ist nicht nur auf Bundesebene für den integrationspolitischen Diskurs emblematisch. Auch auf kantonaler Ebene gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Metapher und dem dominanten integrationspolitischen Diskurs »Integration durch Sprache«, so z. B. in Basel-Stadt (kurz: BS), ein in der Deutschschweiz gelegener Stadtkanton. Im Zeitraum 1998 – 2008 wird der Sprache zunehmend die Funktion eines Integrationsindikators zugesprochen, wie dies auch auf Bundesebene erfolgt ist. So wird seit 2008 Sprache im baselstädtischen Integrationsgesetz gesetzlich als Schlüssel zur Integration und gleichzeitg als deren Indikator definiert. Zudem ist die Integrationspolitik in Basel-Stadt seit Längerem fester Bestandteil der kantonalen gesellschaftspolitischen Anstrengungen, weshalb sich dieser Kanton für die komplementäre Analyse der gesetzlichen Umsetzung des Diskurses besonders gut eignet. Der baselstädtische Kontext gestaltet sich auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich vom nationalen. Ganz grundsätzlich sieht sich eine Kantons-/ Stadtregierung anderen politischen Herausforderungen ausgesetzt als die Regierung des ganzen Landes und verfügt über direktere Einfluss- und Umsetzungsmöglichkeiten. In Zusammenhang mit integrationspolitischen Fragen schälen sich Unterschiede im Vergleich zur nationalen Integrationspolitik heraus, die ihrerseits durch lokalspezifische politisch-ökonomische Bedingungen bedingt sind, die eine bestimmte Ausgestaltung des Diskurses ermöglichen. Andererseits setzen sich in Basel die involvierten Akteure anders zusammen, deren Interessen sich zudem durch ihren lokalen Bezug vom nationalen Kontext unterscheiden. Die Materialisierungen des Diskurses und deren Konsequenzen gestalten sich ebenfalls anders als diejenigen auf Bundesebene, obwohl die politischen und gesetzlichen Instrumente auf kantonaler Ebene bis zu einem gewissen Grad durch die nationale Gesetzgebung determiniert sind. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass die kantonalen diskursiven Ereignisse und das in diesem

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Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

Rahmen produzierte Wissen einen beträchtlichen Einfluss auf die nationale diskursive Entwicklung ausübten (so wurde z. B. in der Botschaft des Bundesrats 2002 auf das »Fördern und Fordern« verwiesen, wie es in diversen kantonalen Leitbildern Verwendung fand). Die nationale Form des Diskurses wiederum floss (durch das im Fall der Integrationspolitik vorhandene Rahmenwerk der nationalen Gesetzgebung) in die kantonalen Aushandlungen ein. Die Diskurse auf Bundesebene sind somit intertextuell mit den Diskursen verbunden, die in den Kantonen erscheinen und zirkulieren, wie dies zum Beispiel für Basel-Stadt zutrifft. Es lassen sich unterschiedliche Fälle von Entextualisierungen feststellen, in denen entweder Elemente eines kantonalen Diskurses Eingang in denjenigen auf Bundesebene fanden und reproduziert wurden oder umgekehrt, wo Materialisierungen des nationalen Diskurses auf kantonaler Ebene aufgenommen wurden. Dies veranschaulicht nicht zuletzt, inwiefern sich ein Diskurs im Kontext von politisch-ökonomischen Bedingungen unterschiedlicher Ebenen formiert, entwickelt und reproduziert. Aufgrund dieser Umstände verfolgt dieses Kapitel folgendes Ziel: Es soll dargelegt werden, wie die Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« die Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt durchdringen konnte, so dass der Diskurs »Integration durch Sprache« auch hier sein Regulativ entfalten konnte. Wie im vorhergehenden Kapitel legt die Analyse von zwei diskursiven Ereignissen dar, wie dieser Diskurs in der Basler Politik emergiert, in Fragen zur Integration sukzessive zur einzig möglichen Realität wird, um sich schliesslich in spezifischen Gesetzestexten zu materialisieren. Es werden Entextualisierungsprozesse und intertextuelle Verbindungen zwischen den unterschiedlichen diskursiven Materialitäten aufgezeigt. Zunächst soll jedoch kurz auf die politisch-ökonomischen Bedingungen eingegangen werden, welche den Diskurs ermöglicht haben. Hierfür wird vor allem die Ausgangslage der 1990er-Jahren umrissen. Im Anschluss werden die diskursiven Ereignisse identifiziert.

5.2

Politisch-ökonomische Bedingungen der Basler Integrationspolitik

Wie im vorherigen Kapitel erläutert wurde, begann sich die offizielle Bundespolitik der Schweiz erst in den 1990er-Jahren mit der Idee einer kohärenten Integrationspolitik auseinanderzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits von diversen Stadtregierungen Integrationsbemühungen in Angriff genommen worden, die jeweils auf städtespezifische Herausforderungen zugeschnitten waren. Obwohl einige Städte der französischen Schweiz in diesem Bereich sehr aktiv waren, wurde speziell der Stadt Basel (in der Schweiz wie auch im Ausland)

Politisch-ökonomische Bedingungen der Basler Integrationspolitik

163

eine Pionierrolle zuteil. Die in Basel propagierte Integrationspolitik wurde in den 1990er/ 2000er-Jahren schliesslich auch auf Bundesebene rezipiert. Im Bereich der Integrationspolitik gab es in den 1990er-Jahren kaum Impulse von Seiten der Bundesregierung. Zudem blieben die Verantwortlichkeiten von Bund resp. Kantonen im Integrationsbereich bis zur ANAG-Revision undefiniert (siehe Kapitel 4), weshalb die Basler Regierung in dieser Hinsicht eine Eigeninitiative entwickelte. Das Bedürfnis nach einer eigenständigen Integrationspolitik entstand aufgrund des in Basel traditionell hohen Anteils von Ausländerinnen und Ausländern, was mit der frühen Industrialisierung und mit der Transitfunktion der Stadt zusammenhängt, da sie sich an der Grenze zu Deutschland und Frankreich befindet. Noch heute wird ein grosser Prozentsatz der Arbeitskräfte jenseits der Grenzen rekrutiert. 1999, zu der Zeit als die Integrationspolitik ihren Anfang nahm, pendelten täglich etwa 25’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Frankreich oder Deutschland nach Basel (2011 waren es 34’000), bei einer Wohnbevölkerung von knapp 200’000.63 Für die gesellschaftspolitische Stadtentwicklung bedeutender war jedoch die ständige ausländische Wohnbevölkerung dieser drittgrössten Schweizer Stadt. Wie andere Städte im deutschsprachigen Raum mit einem ähnlichen Bruttosozialprodukt – der damalige Integrationsdelegierte Kessler (2001: 28; 2005: 105) nannte Zürich und Frankfurt als vergleichbare Grössen – verzeichnete Basel Mitte der 1990er-Jahre einen ausgeprägt hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung, d. h. an Einwohnern ohne Schweizer Pass: »›Ausländer‹ machen in Basel-Stadt rund 27 % der Bevölkerung aus, bei den Jugendlichen sind es fast 45 % und in einzelnen Quartieren, wie im Matthäus, über 50 %« (Kessler 2001: 28; vgl. Kessler 2005: 104). Diese hohen Prozentzahlen sind, wie generell in der Schweiz, bis zu einem gewissen Grad durch das langwierige, kostspielige und komplizierte Einbürgerungsverfahren bedingt. In einem Referat über das 1999 eingeführte neuen Integrationsbild relativierte Kessler (2001: 30) denn auch diese Zahlen: »Rund 60 % der Migrationsbevölkerung kommt aus dem EU- und EFTA-Raum, über 50 % sind in der Schweiz geboren oder seit über 15 Jahren hier. Ein Viertel der statistisch erfassten ›Ausländer‹ ist hier geboren und hier aufgewachsen […]«. Das Insistieren auf derartigen statistischen Berichtigungen resp. Erläuterungen verdeutlichte das Bestreben der Basler Regierung, die ausländerpolitische Debatte zu versachlichen, da sie in den 1990er-Jahren durch ausländerfeindliche (oder zumindest ausländerkritische) Initiativen, Medienberichte etc. aufgeheizt wurde. Kessler (2001: 29) schrieb in diesem Zusammenhang, dass die »Wahrnehmung der Ausländerpolitik (…) aufgrund des vergangenen Wahlkampfes und der Berichterstattung über die tatsächlichen Ausländerprobleme, 63 Siehe Zahlen vom Statistischen Amt Basel zu Grenzgängerinnen und Grenzgängern unter : http://www.statistik-bs.ch/tabellen/t03/5/#t03.5.01.xls [Letzter Zugriff: 22. 10. 2013].

164

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

zum Beispiel in der Asylpolitik, derart verzerrt [ist], dass die wirklichen Verhältnisse kaum noch bekannt sind«. Die städtische Integrationsarbeit wurde somit als Mittel verstanden, die entstandene Polemik zu entschärfen und eine neue sachliche Grundlage zu schaffen, wobei Integration als Chance gesehen und als solche genutzt werden sollte. Ein Paradigmenwechsel wurde zudem ganz prinzipiell als nötig erachtet, da die Stadt eruieren musste, »ob der hohe Ausländeranteil sich als Bereicherung für Gesellschaft und Wirtschaft erweisen wird, oder ob die bekannten negativen Aspekte von Migration und Integration zu schwerwiegenden Problemen führen werden« (Kessler 2005: 105). Die anhin verfolgte Ausländerpolitik wurde negativ bewertet und als defizitorientierte Politik beschrieben, die auf Symptombekämpfung ausgerichtet gewesen sei und erst angesichts bereits bestehender Probleme Massnahmen ergriffen habe. Die Einschätzung Kesslers, dass sich die Stadt in Bezug auf die Integration oder Desintegration der ausländischen Bevölkerung an einem Scheideweg befinde, begründete die unternommenen Anstrengungen der Regierung und bildete die Ausgangslage für einen Paradigmawechsel. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die im vorherigen Kapitel geschilderten globalen Veränderungen der Schweizer Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Um den angestrebten Paradigmenwechsel zu vollziehen, wurden Ende der 1990er-Jahre Koordinationsmassnahmen getroffen, die an die als erfolgreich verbuchte Basler Drogenpolitik anknüpfen sollten. Als erstes wurde eine klare Aufgabenverteilung umgesetzt: Das Ressort »Integration« wurde im Polizeiund Militärdepartement angesiedelt, gleichzeitig wurde die interdepartementale Zusammenarbeit institutionalisiert und eine beratende Fachkommission für Migrations- und Integrationsfragen eingesetzt (vgl. Kessler 2001: 33; Kessler 2005: 107).64 Im Regierungsprogramm 1997 – 2001 wurde als Schwerpunkt die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung mit geregeltem Aufenthaltsverhältnis aufgeführt. Nicht zuletzt wurde mit Thomas Kessler, dem ehemaligen »Drogendelegierten« (1991 – 1998), am 01. 03. 1998 ein kantonaler Integrationsbeauftragter eingesetzt und die Ausarbeitung eines Integrationsleitbildes in Auftrag gegeben. Im Endeffekt wurde von offizieller Seite diese Neuausrichtung der Basler Integrationspolitik als Versuch dargestellt, das Potenzial der ausländischen Bevölkerung zu fördern. Damit sollte den oben aufgeführten Problemen die mit nicht-erfolgter Integration in Zusammenhang gebracht wurden, von nun an prophylaktisch begegnet werden.

64 Diese Massnahmen greifen noch heute; siehe die Webseiten des Interdepartementalen Netzwerks Integration (http://www.welcome-to-basel.bs.ch/partner-ini.htm) und der Kommission für Migrations- und Integrationsfragen (http://www.welcome-to-basel.bs.ch/ partner-mik.htm) [Letzter Zugriff beide: 23. 10. 2013].

Politisch-ökonomische Bedingungen der Basler Integrationspolitik

165

Die baselstädtischen Bemühungen im Integrationsbereich können jedoch auch auf eine andere Art und Weise interpretiert werden, wie beispielweise von Wichmann/D’Amato (2010) beschrieben wird. Sie sehen nicht die humanitäre Tradition der Stadt als primäre Motivation für das Erstellen eines Integrationsleitbildes, wie dies z. B. von Regierungsrat Schild präsentiert wurde (Schild 1999), sondern vielmehr wirtschaftspolitische Interessen. So bringen sie die integrationspolitischen Bemühungen der Stadt mit dem globalisierten Wettbewerb der Standortattraktivität in Zusammenhang, in welchem man um Investoren, Unternehmen und Arbeitskräfte buhlt. Die Forderung nach vermehrtem Engagement im Bereich der Stadtentwicklung wurde vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Standortwettbewerbs gestellt, an dem sich auch die Schweizer Städte beteiligten. Aus diesem Grund ist es nicht weiter erstaunlich, dass der Impuls zur Konzipierung einer Integrationspolitik dann auch von den schweizerischen Städten ausging: Sie engagierten sich in den 90er Jahren auf Bundesebene für die Einführung einer Integrationspolitik. (Wichmann/D’Amato 2010: 30 [Betonung nicht im Original])

Wichmann/D’Amato (2010) bringen die Bemühungen der Schweizer Städte somit zentral nicht mit der Sorge um die ausländische Bevölkerung und ihrer gesellschaftlichen und strukturellen Eingliederung in Verbindung, sondern vielmehr mit volkswirtschaftlich-strategischen Überlegungen. Primär geht es um die Frage, wie man für internationale Firmen ein attraktives Umfeld schaffen kann, welches zudem für internationale Arbeitnehmerinnen und -nehmer als Wohnort attraktiv genug ist. Gemäss Wichmann/D’Amato (2010) habe sich die Basler Regierung in diesem Zusammenhang damit auseinandergesetzt, ob und wie man das Potenzial der bereits ansässigen ausländischen Bevölkerung volkswirtschaftlich besser nutzen könnte – wiederum insbesondere im Hinblick auf die sprachlichen und kulturellen Bedürfnisse international ausgerichteter Firmen.65 In diesem Sinne könnte man vom Versuch einer regulierten Diversität sprechen: Damit die erwünschten Arbeitskräfte Basel als potentiellen Arbeitsort überhaupt in Erwägung ziehen, müssen sich die als problematisch kategorisierten Ausländerinnen und Ausländer den lokalen Bedürfnissen anpassen. Folglich lassen sich zwischen der offiziellen Integrationspolitik der Stadt und ihren gleichzeitig verfolgten volkswirtschaftlichen Interessen Interdiskursivitäten ausmachen. Von diesem Beispiel ausgehend, kann der Einschätzung zugestimmt werden, dass »[e]in Integrationsleitbild […] mehr aus[sagt] über die diskursive Positionierung als über die konkrete Integrationspolitik« (SancarFlückiger 1999: 37). Während also Potenzialansätze diskursiv in den Vorder65 Siehe zu diesem Thema das SNF-Projekt »Performing Swissness: Institutionen, Diskurse und Soziale Transformationen« (129885): http://p3.snf.ch/Project-129885 [Letzter Zugriff: 13. 10. 2013].

166

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

grund gerückt werden, sieht man darin den Versuch, die in der Stadt entstandene Diversität und den Umgang damit in einem positiven Licht zu präsentieren. Wie sich die diskursive Positionierung Basels bezüglich der Rolle der Sprache im Integrationsprozess vor diesem politisch-ökonomischen Hintergrund formiert und entwickelt hat, soll im Folgenden aufgezeigt werden. Dazu werden als erstes die beiden relevanten diskursiven Ereignisse beschrieben.

5.3

Identifizierung der diskursiven Ereignisse im kantonalen Diskurs

Im Hinblick auf die Analyse des Diskurses auf Kantonsebene kann auf die nationale Ebene Bezug genommen werden (für die Zeitspanne von 1998 – 2008). Der Diskurs »Integration durch Sprache« formiert sich in Basel zum Zeitpunkt, wo der Sprache auf verschiedenen Gebieten eine zunehmend wichtige Rolle zuteil wird: diskursiv, politisch und schliesslich gesetzlich. Nicht zuletzt verdeutlicht das Übernehmen dieser Zeitspanne, dass sich gewisse nationale integrationspolitische Ereignisse für den Gesetzgebungsprozess des Kanton BaselStadt als relevant erweisen, so z. B. die sich verändernden Finanzierungsmöglichkeiten von Integrationsmassnahmen (Revision ANAG/ Integrationsartikel 25a) und als Folge davon die neue rahmengebende Gesetzgebung (AuG). Zwei diskursive Ereignisse zeichnen sich in Basel ebenfalls ab, die sich in mehreren Aspekten parallel mit denjenigen auf Bundesebene zu materialisieren scheinen. Das erste diskursive Ereignis umfasst das 1999 erlassene Integrationsleitbild und Handlungskonzept, in welchem sich die »Basler Integrationspolitik« erstmals materialisierte, so wie sie später über die Landesgrenzen hinweg bekannt wurde.66 Der angestrebte Paradigmenwechsel wurde darin präsentiert und das handlungsleitende Prinzip »Fördern und Fordern« als Ausgangslage für die neue Politik eingeführt. Spracherwerb wurde zu diesem Zeitpunkt noch ausschliesslich mit Sprachförderung auf Volksschulstufe in Verbindung gebracht, wodurch die ausländischen Kinder und Jugendlichen in ihrer schulischen und beruflichen Integration unterstützt werden sollten. Obwohl die Metapher gleichfalls noch nicht explizit Erwähnung fand, wurde doch die in der Methapher enthaltene Idee bereits verfolgt: Sprachförderung verhilft zur Integration. Man kann somit sagen, dass der Diskurs »Integration durch Sprache« bereits zu diesem Zeitpunkt in der Basler Politik auftauchte. Für die Analyse des ersten diskursiven Ereignisses werden nebst dem Leitbild vor allem die Ausführungen des Inte66 »Leitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt«; online verfügbar unter : http://www.welcome-to-basel.bs.ch/leitbild_original.pdf [Letzter Zugriff: 16. 10. 2013].

Identifizierung der diskursiven Ereignisse im kantonalen Diskurs

167

grationsdelegierten als diskursive Materialität berücksichtigt (Kessler 2001 & 2005). Sie verdeutlichten die Umsetzung und die institutionellen Interpretationen des Leitbilds. Beim ersten diskursiven Ereignis wird somit weniger auf die diskursive Produktion als auf institutionelle Bedeutungszuschreibungen eingegangen. Das zweite diskursive Ereignis auf kantonaler Ebene ist der Sprachartikel (Art. 5) im Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (kurz: Integrationsgesetz), welches 2008 in Kraft getreten ist.67 Relevant ist die Analyse des Sprachartikels nicht nur in Bezug auf die sich gesetzlich materialisierte Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration«, sondern gerade auch aufgrund seiner intertextuellen Beschaffenheit. So stellte der Sprachartikel die Übernahme resp. die Umsetzung von Art. 54 AuG dar. Von der Analyse des zweiten Ereignisses wird der Hauptteil dieses Kapitels handeln, denn die Materialität des zweiten diskursiven Ereignis umfasst nicht nur den Sprachartikel resp. das Integrationsgesetz, sondern auch den Anzug, der zum Gesetz geführt hat und die politischen Debatten, welche über das Thema Integration und Sprache geführt wurden. Dazu gehört des Weiteren der Aktionsplan 2004 – 2007, der das Handlungskonzept von 1999 ersetzte. Da das Parlament nur in die Ausarbeitung des Gesetzes involviert wurde, vorher aber nicht in diejenige des Leitbildes, traten die möglichen Aussagen- und Interessenspositionen im zweiten Ereignis deutlicher zu Tage, so dass die diskursive Ausrichtung von »Integration durch Sprache« resp. die diskursiven Umbrüche die dazu geführt haben, genauer erfasst werden können. In diesem zweiten Ereignis wurde die Metapher zudem explizit verwendet, wobei ein doppeltes Verständnis von der Rolle der Sprache für die Integration erkennbar wurde, was sich nicht zuletzt in der Rechtsprechung manifestierte: Die Sprache als Voraussetzung von Integration, aber auch als ihr Indikator. Analog zum vorhergehenden Kapitel wird es im folgenden darum gehen, die Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache« nachzuzeichnen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie er sich im Verlauf von zwei diskursiven Ereignissen als einzig mögliche Wertposition der kantonalen Integrationspolitik etablierte. Die Fokussierung auf die Metapher liegt in ihrer Deutung als emblematische sprachliche Realisierung begründet, die auf die regulative Wirkung des Diskurses verweist.

67 Das Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz) ist online verfügbar unter : http://www.welcome-to-basel.bs.ch/integrationsgesetz_publiziert-2.pdf [Letzter Zugriff: 16. 10. 2013].

168

5.4

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

Das Integrationsleitbild als erstes diskursives Ereignis: der Diskurs »Integration durch Sprache« formiert sich

Das Integrationsleitbild wurde am 24. 08. 1999 vom Basler Regierungsrat verabschiedet. Es kann auf einer diskursiven und materiellen Ebene als direkte Grundlage der nachfolgenden Integrationspolitik Basels sowie der Schweiz betrachtet werden. Im Gegensatz zum später nachfolgenden Integrationsgesetz wurde das Leitbild nicht im Grossen Rat, dem Basler Parlament, behandelt. Dies ist darin begründet, dass es sich dabei nicht um einen eigentlichen Gesetzestext handelt, der konkrete Beschlüsse nach sich zieht (z. B. Bewilligungen oder Finanzierungskredite von Projekten). Parlamentarische Unterlagen oder Protokolle zu diesem begleitenden Entstehungsprozess liegen somit keine vor. Es wurde zwar »eine breite Vernehmlassung in Fachkreisen und -organisationen durchgeführt« und es wurden »themenspezifische Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung der Massnahmenvorschläge« gegründet (Schild 1999: 4 – 5), doch wurde das Parlament nicht konsultiert. Diese »Blindstelle« im Entstehungsprozess des Leitbilds ist gerade deshalb frappant, da der Anstoss für ein solches Leitbild eigentlich aus dem Parlament erfolgt war : Jan Goepfert (SP) und Konsorten reichten am 26. 06. 1997 den Anzug »betreffend Massnahmen für eine bessere Integration der ausländischen Wohnbevölkerung« ein. Der Anzug war politisch breit abgestützt (d. h. er war unterzeichnet von linken sowie rechten Grossrätinnen und Grossräten). Im Grossen Rat wurde der Anzug wahrscheinlich aufgrund dieser Tatsache nicht kontrovers diskutiert, wie dies der Anzugsteller in einem Interview erklärte. Am 12. 09. 2001 wurde der Anzug als erledigt abgeschrieben, da die darin geforderten Punkte eben durch das 1999 erschienene Leitbild abgedeckt würden.68 Der Anzug zielte vor allem auf die institutionelle Verpflichtung des Kantons im Integrationsbereich, wie im Volltext ersichtlich wird (fortan sind die fettgedruckten Betonungen im Text jeweils übernommen, während kursive Markierungen hinzugefügt sind; Untersteichungen indexieren Entextualisierungen oder Intertextualitäten): Anzug betreffend Massnahmen für eine bessere Integration der ausländischen Wohnbevölkerung Eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die in der Ausländerpolitik bestehende Polarisierung abzubauen und zu einer umfassenden und kohärenten Migrationspolitik zu finden. Wenn dies nicht gelingt, wird uns dieses Thema noch über Jahre hinaus innen- wie aussenpolitisch blockieren. 68 Die Detailansicht zum »Anzug Jan Goepfert und Konsorten betreffend Massnahmen für eine bessere Integration der ausländischen Wohnbevölkerung« vom 26. 06. 1997 ist online verfügbar unter : http://www.grosserrat.bs.ch/suche/geschaefte/details/?idurl=97.5560 [Letzter Zugriff: 21. 10. 2013].

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Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es zur Lösung dieser Aufgabe – neben einer klaren Regelung der Zuwanderung – einer wesentlichen Verstärkung der Bemühungen um die Integration von Ausländerinnen und Ausländern bedarf. Auf Bundesebene soll die Eingliederung der ausländischen Wohnbevölkerung bei der anstehenden Revision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) als gesellschaftspolitischer Auftrag festgeschrieben und gesetzlich verankert werden. Auf kantonaler Ebene wurde durch die Schaffung einer Kommission für Migrations- und Integrationsfragen ebenfalls die Absicht bekundet, in diese Richtung tätig zu werden. Wichtig ist, dass nun weitere konkrete Schritte folgen. Die Unterzeichneten ersuchen deshalb den Regierungsrat, zu prüfen und zu berichten, – ob er bereit ist, die Aufgabe der Integration der ausländischen Wohnbevölkerung in der laufenden Legislaturperiode mit hoher Priorität und zielgerichtet anzugehen, – ob er bereit ist, die notwendigen rechtlichen Grundlagen zur Wahrnehmung dieser Aufgaben auszuarbeiten, – ob ein Büro für Integrationsfragen geschaffen werden kann, welches die fachliche Verantwortung für die kantonale Integrationspolitik übernimmt und die kantonalen Integrationsbemühungen koordiniert, – ob in den Departementen Beauftragte für Integrationsfragen bezeichnet werden können, welche dafür verantwortlich sind, dass ämterspezifische Integrationsziele formuliert und umgesetzt werden.

Die Anzugsteller beurteilten die bereits erfolgten Anstrengungen zur Institutionalisierung der Integrationsarbeit in Basel positiv (z. B. »die Schaffung einer Kommission«), doch bewerteten sie diese als ungenügend. Um die bestehende politische Polarisierung in diesem Gebiet zu überwinden, schlugen sie diverse Massnahmen vor, die zu einer »umfassenden und kohärenten Migrationspolitik« führen würden. Der Anzug nahm somit die in 5.2 beschriebene Einschätzung Kesslers auf, dass sich die Integrationspolitik Basels an einem entscheidenden Wendepunkt befinde. Des Weiteren bezogen sie sich in ihren Formulierungen explizit auf die Entwicklungen auf Bundesebene (ANAG-Revision). Obwohl diese Referenzen keine wortwörtlichen Entextualisierungen darstellten, so verwiesen sie auf eine Verschränkung der diskursiven und gesetzlichen Praxis. Dadurch wurden die einzelnen diskursiven Bestandteile zu gegenseitigen Bedingungen, die bestimmte Common Sense-Argumentationsführungen ermöglichten (z. B. »Es besteht weitgehend Einigkeit darüber…«). Zunächst soll nun das Leitbild näher vorgestellt und in seiner diskursiven Materialität analysiert werden. Dabei liegt das Hauptinteresse nach wie vor auf der Forschungsfrage, wie es in den Gesetzen zur heutigen Fokussierung auf die Sprache als Voraussetzung und Indikator der Integration gekommen ist. Da es sich, wie bereits erwähnt, beim Leitbild nicht um einen Gesetzestext handelt, übte es auf die juristische Ebene nur indirekt Einfluss aus. Dennoch sind die

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Konsequenzen materiell zu verstehen, nicht zuletzt weil das Leitbild die kantonalen und nationalen Aussage- und Interessenspositionen des Diskurses »Integration durch Sprache« geprägt hat (das Leitbild wurde von Regierungen im In- und Ausland in den nachfolgenden Jahren über 6’000 Mal bestellt). So kann die spätere Gesetzgebung als materielle Konsequenz des Integrationsleitbildes betrachtet werden.

5.4.1 Begleitwort zum Integrationsleitbild Als Einleitung dient für das Integrationsleitbild ein »Begleitwort« des damaligen Regierungsrats (RR) Jörg Schild, Vorsteher des Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt, dem verantwortungszeichnenden Departement. In diesem offiziellen Begleitwort wird die diskursive Positionierung Basels in der integrationspolitischen Landschaft der Schweiz ersichtlich. Es erstreckt sich über fünf Seiten und verbindet persönliche (z. B. »Ich wünsche dem Leitbild, dass es rasch Früchte trägt« [Schild 1999: 5]) mit offiziellen Aussagen. Es handelt es sich somit um eine hybride Form von verschiedenen Genres: Einleitung, offizielle Stellungnahme und eine von Glückwünschen begleitete Einweihung. Gemäss RR Schild entsprach das Leitbild den Vorstellungen des Regierungsrates für ein »schlankes, auf wenige Punkte beschränktes Grundlagenpapier«, in welchem die Aspekte Bildung, Arbeit und Quartierentwicklung in den Vordergrund gerückt und »Information und Partizipation als eigenständige Themen sowie als Querschnittaufgabe implizit mitgedacht« (Schild 1999: 2 – 3) werden. Das Leitbild wurde des Weiteren eingebettet »in eine umfassende kantonale Migrations- und Integrationspolitik, die sowohl sogenannt ›harte‹ wie ›weiche‹ Massnahmen beinhaltet« (Schild 1999: 1). Konzeptuell beschrieb Schild (1999: 1 – 2) das Leitbild folgendermassen: Das Leitbild ist logisch aufgebaut, zukunftsgerichtet und setzt konkrete Schwerpunkte dort, wo Änderungen zur bisherigen Politik am dringendsten sind. Es will nicht alles sofort und jetzt, sondern das Wichtigste zuerst. Das Leitbild begründet gleichzeitig einen eigentlichen Paradigmawechsel – vom Defizitansatz zum Potenzialansatz: Inskünftig soll in den konkreten Massnahmen das vorhandene menschliche Potenzial an Errungenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen im Vordergrund stehen und die Integration als gesamtgesellschaftliches Anliegen, das heisst gleichermassen von Einheimischen und Zugezogenen, verstanden werden. Das Prinzip ›Geben und Nehmen‹ zum gemeinsamen Nutzen aller Beteiligten wird im Leitbild konsequent in alle Politikbereiche übertragen. An die offensive Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt ist inskünftig die Erwartungen an die Immigrantinnen und Immigranten gekoppelt, sich ebenfalls engagiert für eine erfolgreiche Integration einzusetzen […].

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In Schilds Beschreibung des Leitbilds traten einige Beispiele von Ideologisierungen zu Tage, die darauf hinweisen, welche Interessenspositionen in Zukunft möglich sind. Zunächst einmal verschaffte Schild dem Leitbild Legitimität, in dem er die im Leitbild skizzierten Massnahmen als logisch taxierte (»Das Leitbild ist logisch aufgebaut«), sie also dem Common Sense zuschrieb. Dieser »logische Aufbau« verlieh jedoch nicht nur dem Leitbild eine diskursive Legitimität, sondern determinierte gleichzeitig, was zu einer »logischen« Integrationspolitik dazugehöre, die sich zudem »zukunftsgerichtet« gestalte. Gemäss der von Foucault (1969 & 1971) beschriebenen diskursiven Logik wurden gegenteilige Meinungen als konservativ, gar rückständig oder als in einem Defizitansatz verharrend deklassiert. Das Leitbild wurde dadurch zum einzigen legitimen materiellen Resultat der diskursiven Wissensproduktion im Bereich der gesellschaftspolitischen Regulierung von Integration. Weitere Beispiele dieses Auszugs weisen in dieselbe Richtung. So sei der angestrebte Paradigmenwechsel laut Schild durchaus realistisch und nicht etwa überambitioniert. Man wisse, klare Prioritäten zu setzen (»das Wichtigste zuerst«), die »zum gemeinsamen Nutzen aller Beteiligten« seien. Die Definitionsmacht darüber, was »das Wichtigste« oder den »gemeinsamen Nutzen« darstelle und welche die damit verbundenen nötigen Anstrengungen seien, wurde in diesem Kontext eindeutig der Regierung zugewiesen. Diese Vision würde des Weiteren »konsequent« und »offensiv« umgesetzt, was allerdings von allen Beteiligten ein Umdenken erfordere (»Paradigmawechsel«). Ein solches Umdenken wurde nicht zuletzt mit dem zentralen Prinzip »Geben und Nehmen« in Verbindung gebracht. Die Erwähnung dieses Prinzips wies nebst Aussagen wie »Erwartungen an die Immigrantinnen und Immigranten […], sich ebenfalls engagiert für eine erfolgreiche Integration einzusetzen« einen hohen Grad an Intertextualität mit dem auf der Bundesebene analysierten Diskurs (siehe Kapitel 4) auf. Dies verdeutlicht, dass Diskurse nicht zufällig oder willkürlich entstehen, sondern dass die diskursiven Möglichkeitsbedingungen aus politisch-ökonomischen Transformationen hervorgehen. Der wichtigste Grundsatz der »neuen« Basler Integrationspolitik war somit der Paradigmawechsel von einem Defizit- zu einem Potenzialansatz. Wie RR Schild jedoch ausführte, könne Potenzial nicht nur gefördert, sondern auch eingefordert werden und zwar von der einheimischen wie von der ausländischen Bevölkerung: »Jeder Mensch hat das elementare Recht, nach seinen Fähigkeiten und Neigungen gefördert – und gefordert – zu werden« (Schild 1999: 3). Der Potenzialansatz und seine fördernden und fordernden Konsequenzen wurden in einen Grundrechtsdiskurs eingebettet, der dadurch dem Prinzip »Fördern und Fordern« zusätzliche Legitimation verlieh. Die Verbindung des Prinzips mit der neoliberalen Idee der Leistungsaktivierung, welche im Verlauf der 1990er-Jahren in der westeuropäischen Politik Einzug gehalten hatte, wurde in diesem Zu-

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sammenhang explizit: »Die in diesem Leitbild definierte Migrations- und Integrationspolitik ist ausdrücklich leistungs- und aufstiegsorientiert« (Schild 1999: 3). Der »gemeinsame soziale Aufstieg« (Schild 1999: 2) wurde im offiziellen Diskurs als das ultimative Ziel der Basler Integrationspolitik konstruiert. Wenn man sich an den nationalen Diskurs erinnert, wo just zu diesem Zeitpunkt in den Motionen die Sprache als Schlüssel zur Integration konzipiert wurde, fällt auf, dass RR Schild den Kenntnissen in der lokalen Sprache für Integrationszwecke anscheinend keine Bedeutung beimass. Er erwähnte »Sprache« dennoch im Kontext von geplanten Anstrengungen, Migrantinnen und Migranten »inskünftig vom ersten Tag an durch freundliche Begrüssung, solide Information, Sprachschulung, soziale Vernetzung im Quartier und durch eine eigentliche Integrationsplanung« einzubinden (Schild 1999: 3). Somit wurde zu diesem Zeitpunkt Sprachförderung als eine integrationsfördernde Massnahme unter vielen angesehen. Ob sich dieser Eindruck durch die nähere Auseinandersetzung mit dem Integrationsleitbild bestätigen wird, zeigt sich im folgenden Abschnitt.

5.4.2 »Integrationsleitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt« Das Leitbild soll in einem nächsten Schritt in seinem Originalwortlaut näher betrachtet werden, insbesondere hinsichtlich der Rolle, die der Sprache zugeteilt wird. In seiner diskursiven Materialität handelt es sich um ein offizielles Dokument des Basler Regierungsrats, anhand dessen sich der Stadtkanton integrationspolitisch positionierte. Es wurde der Ethnologin Rebekka Ehret, Universität Basel, in Auftrag gegeben. Sein Umfang umfasst auf 27 Seiten sechs Kapitel. Der Handlungsbezug des Leitbildes wird aufgrund der Seitenaufteilung und des (»logischen«) Aufbaus schnell ersichtlich. 1. Einleitung (1,5 Seiten), 2. Leitideen (3 Seiten), 3. Fakten (6 Seiten), 4. Umsetzungsvorschläge (13 Seiten), 5. Evaluation und Kontrolle (0,5 Seite), 6. Zusammenfassung (2 Seiten); die erste Seite enthält ein Inhaltsverzeichnis. Bestimmte Schlagworte oder Formulierungen werden im Leitbild durch Fettdruck betont; die kursiven Betonungen in den Ausschnitten werden jeweils für die Analyse hinzugefügt. Um der Rolle der Sprache nachzugehen, sollen die einzelnen Kapitel inhaltlich kurz vorgestellt werden, wobei insbesondere Einleitung und Leitideen genauer behandelt werden, da bereits auf diesen ersten Seiten die Positionierung ersichtlich wird.

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5.4.2.1 Einleitung Integration wurde im Leitbild als gesamtgesellschaftlicher, dynamischer Prozess deklariert. Die 1,5-seitige Einleitung verdeutlicht jedoch gleich, wessen Integration anhand des Leitbilds überhaupt gefördert werden sollte: Nämlich diejenige der dauerhaft zugelassenen Ausländerinnen und Ausländer. Dieser Widerspruch (gesamtgesellschaftlich versus Zielgruppe) schien der damaligen Basler Integrationspolitik inhärent zu sein. Zwar wurde die Gesamtbevölkerung aufgefordert, sich »in gegenseitigem Nehmen und Geben mitverantwortlich« (Leitbild 1999: 2) zu zeigen, doch adressierten Leitbild und Handlungskonzept (sowie später das Integrationsgesetz) ausschliesslich die dauerhaft zugelassene ausländische Bevölkerung. Ob es sich dabei um einen (bewusst nicht aufgelösten?) Widerspruch handelte oder lediglich um eine Konsequenz der Rechtsprechung, kann nicht eruiert werden. Es kann lediglich festgestellt werden, dass obschon im Leitbild nicht auf die unterschiedlichen Verpflichtungsmöglichkeiten eingegangen wurde, diese die Spannungsfelder aufzeigen, in denen sich die Basler Integrationspolitik bewegte. Es soll an dieser Stelle kurz auf den Anspruch des Leitbilds/ Kantons zurückgekommen werden, dass Integration ein gesamtgesellschaftlicher, dynamischer Prozess darstelle. »Gesamtgesellschaftlich« bedeutete in diesem Zusammenhang, dass sich alle für eine nachhaltige Integration einsetzten, die sich durch »gegenseitiges Geben und Nehmen« und »Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten« (Leitbild 1999: 2) auszeichne, nicht aber zur positiven Diskriminierung der ausländischen Bevölkerung führen oder »auf Kosten der schweizerischen Bevölkerung in vergleichbarer sozialer Position« erfolgen solle (Leitbild 1999: 2). Es wurde weiter auf »strukturelle Barrieren« verwiesen, »welche zu sozialer Ungleichheit führen, ungeachtet der nationalen Zugehörigkeit« (Leitbild 1999: 2) – eine Feststellung, die es im Auge zu behalten gilt, gerade im Hinblick auf die wachsende Tendenz der Politik, das Individuum für die Integration resp. soziale Mobilität verantwortlich zu machen. Der »dynamische Prozess« bezog sich auf die sich im stetigen Umbruch befindende Konzeptualisierung von Integration und Integrationspolitik, die »bei der Umsetzung der Leitideen einer gewissen Flexibilität im Umgang mit bestehenden Werten bedarf«, sodass die Leitideen »nach den Erfahrungen mit ihrer Realisierung in einigen Jahren grundsätzlich überdacht werden« sollten (Leitbild 1999: 2). Die gesellschaftliche Dynamik des sozialen Wandels wurde somit zwar berücksichtigt, die individuelle Dynamik von Migrations- und Integrationsverläufen jedoch komplett ausgeblendet oder zumindest nicht explizit erwähnt. Abgeschlossen wurde die Einleitung mit folgender »These«: »Wir gehen davon aus, dass das in eine emanzipatorische Integrationspolitik investierte Kapital sich volkswirtschaftlich auszahlen und Kosten auf der Symptomebene

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reduzieren wird« (Leitbild 1999: 3). Dadurch wurde eine Interdiskursivität zu volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Diskursen hergestellt. Eine derartige Argumentation diente der Legitimierung von zukünftigen finanziellen Aufwendungen im Integrationsbereich. So schien dieser volkswirtschaftliche Diskurs nötig zu sein, um die im Leitbild vorgeschlagenen Massnahmen umsetzen zu können. 5.4.2.2 Leitideen Das Leitbild basierte auf drei essentiellen Ideen, die als Grundpfeiler der »neuen« Basler Integrationspolitik präsentiert wurden: 1. Nutzung des Potenzials, 2. Integration als gesamtgesellschaftliches und gesamtstädtischen Anliegen und 3. bewusster Umgang mit Differenz. Diese drei Ideen wurden zu Beginn des Kapitels zentral positioniert, optisch durch einen Rahmen hervorgehoben und jeweils mit einem Satz umschrieben (Leitbild 1999: 3): Das Fundament, auf dem die zukünftige Integrationspolitik aufbaut, wird von dem vorhandenen Potenzial, also den Errungenschaften, Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen der Beteiligten, gebildet. Integration wird als gesamtgesellschaftliches und gesamtstädtisches Anliegen verstanden, d. h. die Gesamtheit aller Gesellschaftsmitglieder rückt ins Blickfeld der Beobachtungen und Bemühungen. Die erwünschte Tiefe und Verbindlichkeit erlangt eine Integrationspolitik nur dann, wenn ein bewusster und sorgsamer Umgang mit Differenz garantiert ist. Weder sollen soziale oder strukturell bedingte Probleme oberflächlich durch Hervorhebung von kultureller und ethnischer Zugehörigkeit erklärt und angegangen (›Kulturalisierung‹ und ›Ethnisierung‹) noch dürfen geschlechter-spezifische Aspekte ignoriert oder neutralisiert werden.

Die drei Ideen wurden in dieser ersten Skizzierung als Abkehr von der »alten« Integrationspolitik präsentiert und als Grundlage beschrieben, aufgrund derer sich Basel als Stadt mit »neuem« Ansatz positionierte. Dies wird in folgenden Formulierungen ersichtlich: »[d]as Fundament, auf dem die zukünftige Integrationspolitik aufbaut« oder »d. h. die Gesamtheit aller Gesellschaftsmitglieder rückt ins Blickfeld«. Diese diskursive Strategie grenzte die neue Integrationspolitik von der anhin verfolgten reaktiven Migrationspolitik ab, wodurch der Anspruch eines Paradigmawechsels nachvollziehbar wurde. Nicht zuletzt sollte die Umsetzung der drei Leitideen »zur Versachlichung der Integrationsthematik beitragen« (Leitbild 1999: 6). Im Leitbild wurden die drei Ideen je auf knapp einer Seite als Unterkapitel vorgestellt. Diese Unterkapitel wurden derart dicht geschrieben, so dass in fast jedem Satz eine diskursive Positionierung enthalten ist. Das heisst, es wurden konzeptuelle und theoretische Verbindungen herge-

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stellt, ohne dass diese weiter erklärt oder begründet würden. Vielmehr wurden beispielsweise diskursiv widersprüchliche Aussagen in einem Argument vereint. Allfällige oder tatsächlich emergierende Widersprüchlichkeiten wurden dabei jedoch nicht adressiert, sondern ignoriert. Dies resultierte in etliche diskursiven Leerstellen, wodurch eine Ideologisierung stattfand, sodass die auf diese Weise hergestellten Bezüge als »wahr« konstruiert wurden. Die erste Leitidee, der Potenzialansatz (»Nutzung des Potenzials«), wurde als »Neuorientierung« beschrieben, als »allmähliche, konsequente Verabschiedung von der seit den siebziger Jahren vorherrschenden Idee des allgemeinen Nachholbedarfs von Migrantinnen und Migranten (Defizitansatz), die sowohl in der Forschung als auch im Massnahmenbereich bestimmend war« (Leitbild 1999: 4). Bisherige Massnahmen hatten auf die Behebung dieser Defizite gezielt, was vorhandene strukturelle Barrieren in den Hintergrund gerückt hätte. Dem sollte der Potenzialansatz durch »neue, konstruktive integrationspolitische Massnahmen« entgegenwirken; zum einen sollen »[d]ie Erwartungen der Behörden an die Migrantinnen und Migranten […] klar kommuniziert werden« (Leitbild 1999: 4), zum andern sei die »positive ökonomische Positionierung« der Migrationsbevölkerung durch Massnahmen in Arbeit, Schul- und Berufsbildung »absolut prioritär zu behandeln« (Leitbild 1999: 4). Obwohl aber die Behörden dazu aufgefordert wurden, ihre Bedürfnisse klarer zu kommunizieren, wurden keine tiefgründigeren institutionellen Reformen angestrebt oder aber umfassendere Debatten zur sozialen Ungleichheit geführt. Der Hauptfokus der Bemühungen lag nach wie vor auf der Migrationsbevölkerung resp. darauf, in welchen Bereichen ihr Potenzial gefördert werden könnte. Die angedeuteten Reformen schienen sich somit vor allem auf einer symbolisch diskursiven Ebene vom vergangenen Defizitansatz zu unterscheiden, was an die diskursive Repositionierung der Schweizer Politik von Assimilation zu Integration erinnert. Die zweite Leitidee, Integration als gesamtgesellschaftliches und gesamtstädtisches Anliegen, wurde mit dem neuen Prinzip »Fördern und Fordern« assoziiert. Bereits zu diesem Zeitpunkt rückte eher die (Ein-) Forderung der Leistungsbereitschaft als die Förderung von vorhandenem Potenzial in den Vordergrund (vgl. Leitbild 1999: 5), Sprache wurde (noch) nicht erwähnt. Dies beruhte auf dem »demokratischen« Verständnis von Integration, »dass jedes einzelne Gesellschaftsmitglied sowohl am Gesellschaftssystem als auch am Alltagsleben teilhat«. Ein solches Ziel könnte wiederum nur durch »eigene Mitarbeit« und »Verantwortung« (Leitbild 1999: 5) erreicht werden. Die dritte und letzte Leitidee stellte den bewussten Umgang mit Differenz dar, der sich dadurch auszeichne, dass »die gesellschaftliche Position jedes einzelnen Gemeinschaftsmitglieds durch seine Begabungen und individuell erworbenen Fähigkeiten bestimmt wird« und nicht etwa durch seine Herkunft (Leitbild 1999: 5). Eine solch neue Politik sei durch den Willen der »Beseitigung von sozialer

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Ungleichheit« (Leitbild 1999: 6) geprägt. Ein »bewusster Umgang mit Differenz« bedinge weiter, dass »hierarchische Ungleichheiten im spezifischen Umgang mit Migranten« weder kulturalisiert noch verdrängt, sondern »benannt und längerfristig beseitigt werden« (Leitbild 1999: 6). Dadurch entstand hier eine Spannung zwischen individualisierten und sozialsystemischen Ansätzen. Auf der einen Seite wurden gesellschaftliche Positionen als durch individuelle Begabungen und Fähigkeiten determiniert präsentiert; auf der anderen Seite wurde die Existenz sozialer Ungleichheiten nicht negiert. In der Logik des Leitbilds erscheint dieses Spannungsfeld letzten Endes jedoch nicht als eigentlicher Widerspruch, da dadurch der sich auf individuelle Fähigkeiten konzentrierende Potenzialansatz legitimiert wurde. Schliesslich könnten alle Individuen diese sozialen Ungleichheiten überwinden, sofern sie nur nötig gefördert würden, und ihren eigenen Willen unter Beweis stellten, ihr Potenzial zu nützen.69 5.4.2.3 Fakten und Umsetzungsvorschläge In weiteren zwei Kapiteln des Leitbildes, »Fakten« (Kapitel 3) und »Umsetzungsvorschläge« (Kapitel 4), wurden aktuelle Zahlen und Statistiken aufgeführt bezüglich unterschiedlicher Bereiche der Integrationspolitik (Bevölkerungsentwicklung, sozio-professionelle Stellung, Wohnen, Schulbildung, Berufs- und Erwachsenenbildung und politische Partizipation). Des Weiteren wurden diverse Umsetzungsvorschläge vorgestellt, die sich aus den Leitideen ableiteten und diejenigen Bereiche betraffen, die im Leitbild explizit als verbesserungswürdig gekennzeichnet wurden. Grundsätzlich war es das Ziel des Kapitels (Kapitel 3 »Fakten«), anhand von statistischen Daten die in jener Zeit emotional geführten Debatten zu Migration und Integration anhand von sachlichen Ziffern zu beruhigen. So wurde im Abschnitt »Bevölkerungsentwicklung« die statistische Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung nicht etwa nur nach Staatszugehörigkeit (in- versus ausländisch), sondern nach Aufenthaltsdauer, Geburtsort, Herkunft (EU/ EFTA, Europa oder andere Drittstaaten) etc. (siehe 5.2) ausdifferenziert. Dadurch wurde verdeutlicht, dass in der Tat ein Grossteil der sogenannten Migrationsbevölkerung schon seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnhaft, wenn nicht sogar in der Schweiz geboren wurde. Ferner wurden zwischen Staatsangehörigkeit, sozio-professioneller Stellung, Wohnmöglichkeiten, Schulbildungsstand und Zugang zur Berufs- und Erwachsenenbildung Korrelationen hergestellt, die indexierten, dass die (gering qualifizierte) ausländische Bevölkerung nicht über dieselben Ressourcen verfüge wie die einheimische. In Bezug auf den erschwerten Zugang zur Berufs- und Er69 Eine pronocierte Kritik dieser meritokratischen Ideologie liefert z. B. Michaels (2006).

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wachsenenbildung wurden als Ursachen geringe Qualifikationen resp. nichtanerkannte Schulabschlüsse jedoch auch fehlende Sprachkenntnisse in Erwägung gezogen (Leitbild 1999: 11). Man konstatierte in diesem Zusammenhang, dass »unzureichende Deutschkenntnisse« (ebd.) ein berufliches Hinderniss darstellen könnten. Die »Umsetzungsvorschläge« (Kapitel 4) beruhten auf der Operationalisierung der drei Leitideen (Nutzung des Potenzials, Integration als gesamtgesellschaftliches und gesamtstädtischen Anliegen und bewusster Umgang mit Differenz), wobei thematische Schwerpunkte gesetzt wurden. Während der Potenzialansatz auf die schulische/ ausserschulische Bildung und Erwerbsarbeit gerichtet war, strebte man durch gezielte Quartierentwicklung die »Integration als gesamtgesellschaftliches Anliegen« an und den »bewusste[n] Umgang mit Differenz« durch die Schwerpunkte Öffentlichkeitsarbeit und politische Partizipation. Statt diese Umsetzungsvorschläge im Detail aufzulisten, soll vielmehr beschrieben werden, ob und welche Rolle der Sprache diesbezüglich im Integrationsprozess zugesprochen wurde. Primär wurde die Sprachförderung im Bildungskontext (Erst- und Zweitsprachenförderung) thematisiert, wobei die auf Bundesebene bereits präsente Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« vorerst keinen Eingang fand. Bezüglich der Volksschule wurde die Sprachförderung vor allem im Kontext der Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) und eines neu aufgegleisten Projekts zur Förderung der Mehrsprachigkeit (»Sprach- und Kulturbrücke«) angesiedelt. Die Erwachsenenbildung wurde mit der Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in Verbindung gebracht, welche gemäss Leitbild berufsspezifisch erfolgen sollte, auch in Bezug auf die Berufsausbildung von Jugendlichen: »Damit nicht von vornherein Deutschdefizite mit mangelnder beruflicher Qualifikation gleichgesetzt werden, wird im Rahmen des oben genannten ausserschulischen Betreuungsangebotes ein Vertrag für die berufszentrierte Sprachbildung ausgehandelt« (Leitbild 1999: 19). Obwohl die Metapher in diesen Kontexten nicht wörtlich verwendet wurde, lassen sich aufgrund der programmatischen Operationalisierung von Sprachförderung dieselben Prämissen ausmachen: »Sprache« resp. Deutschkenntnisse wurden als Voraussetzung für den schulischen und beruflichen Erfolg betrachtet, was in einem weiteren Schritt mit erfolgreicher Integration gleichgesetzt wurde. Als potentielle (soziale und ökonomische) Ressource für den Stadtkanton wurden die bereits vorhandenen mehr- und anderssprachigen Kenntnisse von erwachsenen Ausländerinnen und Ausländern gehandelt; dies hinsichtlich der Besetzung von Stellen wie z. B. ganz generell als Angestellte bei staatlichen Ämtern oder Institutionen oder aber für (interkulturelle) Mediation. Wo hingegen der Diskurs durchdrang, war in Bezug auf ein geplantes »Integrationsbildungsprogramm für Neuzugezogene«. Dieses Programm (Deutschkurse, Staatskunde

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und soziale Orientierung) sollte zunächst auf freiwilliger Basis besucht werden, später jedoch durchaus zu einem Obligatorium werden (Leitbild 1999: 18). In den letzten beiden Kapiteln des Leitbildes, »Evaluation und Kontrolle« (Kapitel 5) und »Zusammenfassung« (Kapitel 6), wurden die drei Leitideen und Ziele des Leitbilds rekapituliert. Es wurde die an Leistung und Aufstieg erfolgende Orientierung der Basler Integrationspolitik unterstrichen, wobei die Sprache allerdings nicht mehr explizit zum Thema wurde. Es wurde zusammengefasst, dass die Basler Regierung mit dem Leitbild bewusst einen diskursiven Paradigmawechsel herbeizuführen gesucht hat, der zum einen die Debatte über Migrationsthemen versachlichen und zum anderen die drei Leitideen mittels diverser Umsetzungsvorschläge implementieren sollte. Sich selber resp. die Stadt Basel positionierte die Basler Regierung als progressiven und innovativen Akteur im Bereich der Integrationspolitik. Auch wenn die Sprachförderung zu diesem Zeitpunkt vornehmlich dem Schulwesen zugeschrieben wurde, spielte die Sprache auch schon im Leitbild eine zentrale Rolle. Ein entscheidendes Moment, das die zukünftige diskursive und gesetzliche Entwicklung in Bezug auf Sprachforderungen vorwegnahm, stellte das geplante Schulungsobligatorium für Neuzugezogene dar.

5.4.3 Bericht der Kommission und Debatte im Grossen Rat zum Leitbild In die Ausarbeitung des Leitbilds wurde der Grosse Rat nicht involviert. Es wurde seinen Mitgliedern im September 1999 in ausgearbeiteter Form zugestellt. Aufgrund der Einschätzung, dass der Grosse Rat bei der Vernehmlassung vergessen worden sei, reichte Grossrat (GR) Peter Bochsler (EVP) am 16. 12. 1999 einen Anzug ein, der die Einsetzung einer Spezialkommission zur Prüfung des Integrationsbilds und anschliessender Berichterstattung verlangte. Der Grosse Rat hiess den Anzug seinerseits am 09. 02. 2000 gut und setzte in Folge die »Spezialkommission Integrationsleitbild« (fortan GR-Kommission) ein. Die GRKommission publizierte am 14. 12. 2000 ihren Bericht, in dem auf 32 Seiten die Resultate von 18 Sitzungen präsentiert wurden, in denen unter Einbezug von Experten das Leitbild und seine vier Schwerpunkte (Quartierentwicklung, Bildung, Erwerbsarbeit und Partizipation) diskutiert wurden.70 Die Struktur des Berichts war folgendermassen aufgebaut: Nach einer einleitenden Beschreibung des Auftrags an die GR-Kommission, ihrer Zusammensetzung und ihres Vor70 Der »Bericht der Grossratskommission Integrationsleitbild (Anzug P. Bochsler und Konsorten) zum Leitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt vom August 1999« ist online verfügbar unter : http://www.welcome-tobasel.bs.ch/abschlussbericht.pdf [Letzter Zugriff: 26. 10. 2013].

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gehens wurden die Grundlagen und Leitideen des Leitbildes rekapituliert. Danach wurden bezüglich allfälligen Handlungsbedarfs die Themenschwerpunkte des Leitbildes (auf der Basis der in den Sitzungen erfolgten Diskussionen) behandelt. Die GR-Kommission beantragte am Ende des Berichts, dass der Grosse Rat »in zustimmende[m] Sinne Kenntnis« (Bericht GR-Kommission 2000: 32) von ihrem Bericht nehme. Auf eine Zusammenfassung des Berichts wird an dieser Stelle verzichtet. Vielmehr ist von Interesse, wie die GR-Kommission die Rolle der Sprache im Integrationsprozess gewichtete. Im Bericht ist eine explizitere Gewichtung der Sprachförderung als im Leitbild auszumachen. So hiess es zum »Schwerpunkt Sprachkompetenz« (Bericht GR-Kommission 2000: 16): Der Förderung der Sprachkompetenz kommt innerhalb des Schulbereichs Priorität zu. So führt schon das Regierungsprogramm 1997 – 2001 die Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache als Vorbedingung und Massnahme für eine erfolgreiche Integration auf. Das Integrationsleitbild verpflichtet sich dem Prinzip der Mehrsprachigkeit. Im Vordergrund steht dabei eine auf Chancengleichheit beruhende Förderung der Kinder unter Berücksichtigung ihrer jeweils individuellen Fähigkeiten. Dies bedingt die Berücksichtigung und Förderung nicht nur der Fremdsprache, sondern auch der Erstsprache. Den Fokus auf die Mehrsprachigkeit und somit auch auf Kenntnisse in der Erstsprache fremdsprachiger Kinder zu richten, ist ganz im Sinne des Potenzialansatzes.

Die Passage »die Förderung der deutschen Sprache als Vorbedingung und Massnahme für eine erfolgreiche Integration« schien zentral, da sie sowohl mit dem Ziel der Chancengleichheit sowie mit dem Potenzialansatz in Verbindung gebracht wurde. Die Unterstreichung indexierte hier des Weiteren eine Intertextualität, da es sich bei dieser Formulierung um die Reproduktion eines Elements des nationalen Diskurses handelte. Wie auf Bundesebene erfolgte die Herleitung des Zusammenhangs zwischen Sprache und Integration ohne Erklärung oder Spezifizierung, wodurch dieser zum Common Sense wurde. Dieses Beispiel illustriert somit, dass sich der Diskurs in Basel-Stadt nicht etwa zufällig formierte, sondern in einer diskursiven Logik zu verstehen ist, welche ausserdem spezifische Interessens- und Aussagepositionen zuliess. Auch wenn sich der kantonale Diskurs hier noch auf den schulischen Kontext beschränkte, kann man von seiner Verdichtung ausgehen, in welcher die Integration und Sprache unweigerlich korreliert wurden. Die Förderung der Mehrsprachigkeit resp. von »Kenntnissen in der Erstsprache« wurden in diesem Zusammenhang dadurch legitimiert, die Integration der Kinder/ Jugendlichen (qua Fremdsprache: Deutsch) erleichtern zu wollen. Es kann konstatiert werden, dass der Kommissions-Bericht die integrationsfördernde Rolle der Sprache expliziter thematisierte als seinerzeit das eigentliche Leitbild. Wie sich diese anscheinend dis-

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kursive Verdichtung in den Parlamentsdebatten fortsetzte, wird sich im Folgenden zeigen. Der Bericht wurde am 14. 12. 2000 von der GR-Kommission verabschiedet und am 17. 01. 2001 anlässlich des Antrags »von ihrem Bericht zustimmend Kenntnis zu nehmen und den Anzug P. Bochsler und Konsorten vom 9. Februar 2000 als erledigt abzuschreiben« (siehe Protokoll der Sitzung vom 17. 01. 2001) im Grossen Rat debattiert.71 Die Behandlung dauerte vier Stunden und beinhaltete 30 Voten (Fraktionssprecher und Einzelsprecherinnen). Einleitend wurde der Bericht von Dr. Andrea Büchler Grünseis, Präsidentin der Grossratskommission zusammenfassend präsentiert. Die Rolle der Sprache wurde nur in zwölf von 30 Voten angesprochen, so dass dieses Thema nicht von allen Sprecherinnen und Sprechern gleich stark gewichtet zu werden schien. Wenn aber die Sprache bzw. die Sprachförderung in Voten zum Thema wurde, geschah dies in unterschiedlichem Ausmass und mit variierenden Schwerpunkten. Diese Variationen deuten darauf hin, dass von den Akteuren unterschiedliche Ziele verfolgt wurden. Zum einen wurden die HSKKurse thematisiert, wobei hierbei die Positionen von ablehnend (aufgrund potentieller Politisierung der Kinder durch die Lehrpersonen) bis zustimmend (wenn Kenntnisse in der Muttersprache für den Erwerb der deutschen Sprache als zentral angesehen werden) variierten. Hingegen wurden die Deutschkenntnisse der Erwachsenen als erforderlich angesehen, ohne dass dabei spezifiziert worden wäre, wofür diese Sprachkenntnisse wichtig seien; falls jedoch ein spezifischer Zusammenhang mit Sprachkenntnissen hergestellt wurde, dann derjenige mit Bildungserfolg. Ebenso gingen die Meinungen auseinander, ob ein Deutschkurs-Zwang sinnvoll sei. In vereinzelten Voten wurde ein Obligatorium von Sprachkursen als durchaus wünschenswert erklärt. GR Kurt Bachmann (SVP) positionierte sich in seinem Votum zwar prinzipiell gegen ein kantonales Integrationsleitbild, doch entwickelte er u. a. die Idee, das Erteilen der Aufenthaltsbewilligung sowie den Erhalt von Sozialleistungen vom erfolgreichen Besuch eines obligatorischen Deutsch- oder Integrationskurses abhängig zu machen; die Niederlassungsbewilligung ihrerseits sei mit noch höheren sprachlichen Anforderungen zu verbinden. Bachmann war der einzige Votant, der derartige Forderungen stellte und ernsthaft in Erwägung zog, obwohl ein Sprachkurs-Obligatorium von mehreren (politischen) Seiten als mögliche Massnahme diskutiert wurde. Vorwegnehmend kann an dieser Stelle konstatiert 71 Im Staatsarchiv Basel-Stadt sind die Tonprotokolle der Grossratsdebatten öffentlich zugänglich, ebenso die gedruckten Grossratsprotokolle (lediglich Beschlussprotokolle) in der Drucksachensammlung des Archivs. Wortprotokolle der Debatten liegen erst ab 2007 vor, weshalb nur ein Teil der Debatten rund um das Integrationsgesetz als Wortprotokoll abrufbar ist. Aus Ressourcengründen konnten die Debatten vor 2007 nicht transkribiert werden, wodurch der Wortlaut hier nur approximativ wiedergegeben wird.

Das Integrationsleitbild als erstes diskursives Ereignis

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werden, dass später genau ein solches Obligatorium im Sprachenartikel des Integrationsgesetzes Eingang finden wird. Dieses Beispiel illustriert somit, inwiefern eine zunächst extrem erscheinende (d. h. ausserhalb des dominanten Diskurses positionierte) Aussageposition zu einer zentralen und legitimen Interessensposition werden kann. In engem Zusammenhang mit der Thematisierung von Sprachkompetenzen stand das im Leitbild offiziell neu eingeführte Prinzip von »Fördern und Fordern«, welches (wie auf Bundesebene) mit konzeptuell verwandten Wortpaaren wie »Geben und Nehmen« oder »Rechte und Pflichten« gleichgesetzt wurde. Dieses Prinzip wurde zum ideologisierten, d. h. unhinterfragten Bestandteil der Integrationspolitik, welches nicht mehr in Frage gestellt wurde – weder von Links noch von Rechts. Bloss vereinzelte rechte Politikerinnen und Politiker bemängelten, dass mit der Umsetzung dieses Prinzips das »Fordern« zu kurz komme. Das Lernen der »deutschen Sprache« seitens der Migrationsbevölkerung wurde in der Debatte als Pflicht und als »Geben« der einzelnen Personen konstruiert. Diese Pflicht werde nicht nur erwartet, sondern solle von der Politik auch eingefordert werden können, was in der soeben beschriebenen GrossratsDebatte deutlich wurde. Und unmissverständlich wurde die Vermittlung von Sprachkompetenzen zur Erreichung der integrationspolitischen Ziele vom Prinzip des »Fördern und Fordern« vereinnahmt. Grundsätzlich wurde im ersten diskursiven Ereignis die Basler Integrationspolitik durch das Leitbild institutionalisiert, wobei der Sprache eine wichtige Rolle zugewiesen wurde. Auch wenn die Schlüsselmetapher zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwendet wurde, lassen sich Indizien dafür finden, dass sich der Diskurs »Integration durch Sprache« bereits auf Kantonsebene formiert hatte – im Kontext Basels geprägt von den beiden Interessenspositionen »Fördern und Fordern«. Sprachförderung wurde in diesem Zusammenhang bereits als Voraussetzung für Integration gehandelt, wenn auch noch vor allem im schulischen Kontext (in Leitbild, Bericht und Debatte). Somit wurden in diesem ersten diskursiven Ereignis noch folgende Fragen ausgehandelt: die Gewichtung der Sprache im Integrationsprozess wie auch die möglichen Forderungen an Ausländerinnen und Ausländer in Bezug auf ihre Sprachkompetenzen. Der Bericht der GR-Kommission wurde am Ende der langwierigen Debatte mit 77 gegen 34 Stimmen zustimmend zur Kenntnis genommen. Damit wurde signalisiert, dass sich der Grosse Rat mit der durch die Regierung eingeschlagenen Richtung der Integrationspolitik einverstanden erklärte und die entsprechenden Schwerpunktsetzungen unterstützte. Die Konsequenzen des Berichts und der anschliessend erfolgten Debatte sind aus diesem Grund vor allem diskursiv zu verstehen. Somit ist auch in Basel das erste diskursive Ereignis als Möglichkeitsbedingung für die gesetzliche Konsolidierung der staatlichen Integrationspolitik zu sehen, die sich in Bezug auf die Sprache fokal verengt.

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5.5

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

Der Sprachartikel im Integrationsgesetz als zweites diskursives Ereignis: »Fördern und Fordern« in Verbindung mit dem Diskurs »Integration durch Sprache«

In Kapitel 4 wurde die Schaffung des Sprachartikels im AuG (Art. 54) auf nationaler Ebene nachgezeichnet und analysiert. Dabei zeigt sich, dass schon in den späten 1990er-Jahren die Sprache in den nationalen parlamentarischen Debatten als zentraler Integrationsfaktor und -indikator ideologisiert wurde, sodass keine alternative Wertposition mehr möglich wurde. Die Formulierung des Artikels stellte eine diskursive Verdichtung der Metapher um die Funktion des Integrationsindikators dar, was konkrete gesetzliche Konsequenzen nach sich zog. Diese nationale Entwicklung soll nun mit dem kantonalen Kontext der Basler Integrationspolitik der späten 1990er-Jahre verglichen werden. Wie erwähnt, wurde die Sprache im Leitbild zwar bereits als Voraussetzung für die Integration beschrieben, jedoch vor allem bezüglich schulischer Sprachförderung. Obwohl das Fordern durch die Diskussion der Einführung eines Sprachkurs-Obligatoriums antizipiert wurde, war dieser Aspekt noch nicht derart diskursbestimmend wie früher im nationalen Parlament. Selbst im Aktionsplan 2004 – 2007 »Integrationsmassnahmen Basel-Stadt«, dem Nachfolgekonzept des Leitbilds, rangierte der Spracherwerb nur als einer unter vielen förderungswürdigen Punkten.72 Dies würde sich in der Ausarbeitung des kantonalen Integrationsgesetzes (Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung, kurz: IG, seit dem 01. 01. 2008 in Kraft) ändern. Der kantonale Sprachartikel stellt somit das zweite diskursive Ereignis dar. Es gilt zu erfassen, wie es auf kantonaler Ebene bei der Ausarbeitung des Integrationsgesetzes zu einer diskursiven Verdichtung gekommen ist. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, wieso und unter welchen Umständen eine solche diskursive Verdichtung möglich wurde, die sich in der entextualisierten Übernahme des Sprachenartikels vom AuG ins kantonale IG manifestierte, sprich in der vom Bund offerierten Verknüpfung von Aufenthaltsbewilligungen mit Kursbesuch-Auflagen. Zu diesem Zweck werden die Entstehung des IG und des Sprachartikels nachgezeichnet, wobei als erstes die Motion Goepfert und Konsorten zum Erlass eines Integrationsgesetzes und ihre Behandlung im Grossen Rat resp. im Regierungsrat von Basel besprochen wird, zweitens der Entstehungsprozesses des Integrationsgesetzes und drittens der eigentliche Sprachartikel.

72 Der 2003 vom Interdepartementalen Netzwerk Integration (INI) verfasste Aktionsplan 2004 – 2007 »Integrationsmassnahmen Basel-Stadt« ist online verfügbar unter : http:// www.welcome-to-basel.bs.ch/aktionsplan_2004 – 11.pdf [Letzter Zugriff: 25. 10. 2013].

Der Sprachartikel im Integrationsgesetz als zweites diskursives Ereignis

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5.5.1 Motion/ Anzug Goepfert und Konsorten: Anstoss für ein Integrationsgesetz Der von Jan Goepfert und Konsorten am 26. 06. 1997 eingereichte Anzug »betreffend Massnahmen für eine bessere Integration der ausländischen Wohnbevölkerung« wurde am 12. 09. 2001 aufgrund der 1999 erfolgten Implementierung des Integrationsleitbilds als erledigt erklärt. Dem Anzugsteller, einem Juristen, gingen die umgesetzten Massnahmen jedoch zu wenig weit, wie er in einem eigens mit ihm geführten Forschungsinterview erklärte. Denn in seinen Augen fehlte es an einem spezifischen Gesetz, mittels dessen die Massnahmen zur Integration reguliert und die Regierung zur Finanzierung und Umsetzung dieser Massnahmen verpflichtet würde. Ausserdem müsste den bereits umgesetzten Strukturen eine rechtliche bzw. gesetzliche Verankerung gewährt werden. Aufgrund solcher Überlegungen reichten Goepfert und Konsorten am 20. 09. 2000 (d. h. noch vor der offiziellen Abschreibung des ersten Anzugs) die folgende Motion ein, welche später in einen Anzug umgewandelt wurde. Motion Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern Der Regierungsrat hat der Migrations- und Integrationspolitik in den letzten Jahren einen neuen Stellenwert gegeben. Namentlich hat er Mitte 1999 ein vielbeachtetes Leitbild und Handlungskonzept zur Integrationspolitik des Kantons Basel-Stadt verabschiedet. Gleichzeitig wurden verschiedene Massnahmen in die Wege geleitet, welche eine Integration der ausländischen Wohnbevölkerung fördern sollen. Für die Zukunft unseres Kantons ist es entscheidend, dass wir zu einer konstruktiven und ergebnisorientierten Migrations- und Integrationspolitik finden. Die diesbezüglichen Bemühungen der Regierung sind zu begrüssen. Die Neuausrichtung der Politik in diesem Bereich ist nicht zuletzt ein wichtiger Standortfaktor für Basel-Stadt. Eine aktive und innovative Integrationspolitik sollte sinnvollerweise durch ein Integrationsgesetz abgestützt sein. Die entsprechenden Erfahrungen im Kanton Neuenburg sind gut. Die Unterzeichneten ersuchen deshalb den Grossen Rat, den Regierungsrat zu beauftragen, ein Gesetz über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern auszuarbeiten. Das Gesetz soll folgende Inhalte regeln: – es soll die Integration von Ausländerinnen und Ausländern als staatliche Aufgabe festschreiben – es soll die Organisation der kantonalen Integrationspolitik in ihren Grundzügen festlegen – es soll die Leitideen und die wichtigsten Umsetzungsbereiche der kantonalen Integrationspolitik umschreiben – es soll die Regierung beauftragen, einmal pro Legislatur umfassend über den Stand und die Zielsetzungen der kantonalen Integrationspolitik zu berichten.

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Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

Ähnlich wie der Anzug ein paar Jahre zuvor zielte die Motion die Integrationsbemühungen aufseiten der Verwaltung und Behörden und verlangte die gesetzliche Verankerung ebensolcher Bemühungen. Im Kontext der Motion wurde die Migrationsbevölkerung (»Ausländerinnen und Ausländer«) vorerst nicht als Verantwortungsträger von (nicht-) gelungener Integration konzipiert; und sie wurde als Akteur gar nicht erst erwähnt. Inhaltliche Vorschläge zur Integrationspolitik waren in der Motion nicht enthalten. Es hiess lediglich, dass ein Integrationsgesetz die Grundzüge der Basler Integrationspolitik, die Leitideen und wichtigsten Umsetzungsbereiche definieren solle. Es wurde von Goepfert und Konsorten auch kein Richtungswechsel propagiert, was durch diverse Entextualisierungen markiert ist, die an die im ersten diskursiven Ereignis verwendeten Aussagepositionen und ideologisierenden Argumentationsführungen erinnern, wie z. B.: »Für die Zukunft unseres Kantons ist es entscheidend, dass wir zu einer konstruktiven und ergebnisorientierten Migrations- und Integrationspolitik finden«. Dies wurde als Anliegen der Allgemeinheit verstanden, zu der sich Motionär und Konsorten zählten, ergo »wir«. Ausgehend von dieser Prämisse wurden die bisher erfolgten Bemühungen begrüsst. Die bis anhin erfolgte Integrationspolitik wurde gleichzeitig als »vielbeachtet« gelobt. Die Motion verfolgte somit nicht nur die Kontinuität der eingeschlagenen Richtung, sondern auch deren Konsolidierung durch eine entsprechende und gezielte Gesetzgebung. Dem in der Motion vorgetragenen Anliegen wurde durch einen bereits bekannten interdiskursiven sozio-ökonomischen Bezug Nachdruck resp. Legitimation verliehen: Die Integrationspolitik sei als »Standortfaktor« elementar im globalen Wettstreit mit anderen Städten. Wie die Motion von Regierung und Parlament behandelt wurde und welche Positionen dabei eingenommen wurden, soll im Folgenden aufgezeigt werden. Der Fokus wird auf den Gesetzentstehungsprozess gerichtet, damit die institutionellen Möglichkeitsbedingungen des Sprachartikels nachvollzogen werden können. Dies bedeutet, dass der Fokus auf die Sprache am Anfang der Ausführungen etwas in den Hintergrund rückt. Die Analyse orientiert sich an der Chronologie des Gesetzgebungsprozesses, wobei die institutionelle und parlamentarische Behandlung des Anzugs Goepfert nachgezeichnet wird. Unterlagen zur Kommissionsarbeit (die für die Legiferierung zuständige kantonale Kommission war diejenige für Justiz, Sicherheit und Sport; kurz JSSK) oder zum Vernehmlassungsprozess sind im Staatsarchiv Basel-Stadt nicht öffentlich zugänglich und können somit nicht berücksichtigt werden. Zur Arbeit der Kommission liegen die offiziellen Berichte vor, in denen das Vorgehen und die Behandlung des Geschäfts in der Kommission dargelegt wurde (z. B. im Bericht der JSSSK »zum Ratschlag 04.1309.01 betreffend Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung« vom 07. 02.

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2007).73 Dennoch kann der zentralen Fragestellung nachgegangen werden, wie die Rolle der Sprache im Integrationsprozess diskursiv konstruiert wurde, wie sich die verschiedenen Akteure diesbezüglich positionierten und welche Interessen sie dabei verfolgten. Nachfolgende Tabelle illustriert den Prozess der Umwandlung der Motion in einen Anzug und die Ausarbeitung des Gesetzes. Die kursiv markierten Sitzungen, Berichte etc. werden a) in ihrer Relevanz für den Gesetzentstehungsprozess und b) als Momente der diskursiven Entwicklung für die Schaffung des Sprachartikels näher betrachtet; die in Klammern aufgeführten Ziffern bezeichnen die jeweiligen Unterkapitel. Tabelle 10: Übersicht über Behandlung von Anzug/ Integrationsgesetz Verhandlungen Anzug (Motion) Goepfert und Integrationsgesetz74 Datum Rat/ Titel Akteur 20. 09. 2000 Goepfert Einreichung als Motion 18. 10. 2000 GR Entgegennahme der Motion als Geschäft 08. 11. 2000 GR Überweisung an RR zur Stellungnahme 06. 02. 2001 RR Stellungnahme: Antrag Umwandlung in Anzug 25. 04. 2001 GR Überweisung als Anzug an den Regierungsrat (5.5.1.1) 25. 03. 2003 RR Beschluss/ Bericht. Antrag stehen lassen (5.5.1.2) 14. 05. 2003 GR Stehen lassen 21. 06. 2005 RR/SID Ratschlag betreffend Integrationsgesetz (5.5.2.1/ 5.5.2.2) 07. 09. 2005 GR Überweisung an JSSK (Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission) 07. 02. 2007 JSSK Bericht JSSK zum Ratschlag betreffend Integrationsgesetz (5.5.2.3) 14. 03. 2007 GR Erste Lesung Integrationsgesetz (Ratschlag JSSK) (5.5.2.4) 23. 03. 2007 JSSK Bericht JSSK 2. Lesung (5.5.2.4) 18. 04. 2007 GR Zweite Lesung. Abschreibung Anzug als erledigt. (5.5.2.4)

73 Bericht 2007: »Bericht der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission zum Ratschlag 04.1309.01 betreffend Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz) sowie Anzug Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern«, Nr. 04.1309.03 / 00.6638.05. Online verfügbar unter : http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100236/ 000000236080.pdf [Letzter Zugriff: 29. 10. 2013]. 74 Die Daten der Dokumente/ Ereignisse können teilweise in den Dokumenten variieren oder sich von der »Detailansicht zum Geschäft Nummer 00.6638« unterscheiden, welche online verfügbar ist unter : http://www.grosserrat.bs.ch/suche/geschaefte/details/?idurl=00.6638 [Letzter Zugriff: 28. 10. 2013].

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5.5.1.1 Umwandlung der Motion in einen Anzug Nach der Einreichung und Entgegennahme der Motion im Grossen Rat wurde sie in einer ersten Behandlung am 08. 11. 2000 »stillschweigend« (d. h. ohne Gegenstimme resp. parlamentarische Debatte) an den Regierungsrat überwiesen. Auf dessen Antrag wurde die Motion in einen Anzug umgewandelt. Die Umwandlung in einen Anzug wurde durch den Regierungsrat (RR) in einer Stellungnahme vom 06. 02. 2001 gefordert. Er argumentierte, dass die in der Motion geforderten Bemühungen zu einem grossen Teil bereits umgesetzt worden seien. Die »eingeschlagene Integrationspolitik«, welche »nicht nur regional, sondern auch gesamtschweizerisch grosse Beachtung erzielt« (RR-Beschluss Nr. 0693), solle erst realisiert und evaluiert werden. (Denn während eine Motion eine verpflichtende Aufforderung zu einer gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Änderung beinhaltet, die innerhalb von 4 Jahren umgesetzt werden muss, verpflichtet ein Anzug die Regierung lediglich zu einer schriftlichen Stellungnahme bezüglich des spezifischen Anliegens, siehe auch Kapitel 3.) Berücksichtigt werden müsse die Tatsache, dass auf Bundesebene eine Totalrevision des ANAG im Gange sei. Ein Gesetz wäre somit zu diesem Zeitpunkt verfrüht und würde die momentan mögliche Flexibilität behindern, welche die »fortschrittliche« Politik der Regierung auszeichne. Die Empfehlung des Regierungsrats lautete somit, die Motion in einen Anzug umzuwandeln, damit man zu einem späteren bzw. geeigneteren Zeitpunkt gegebenenfalls wieder auf das Anliegen eintreten könne (siehe Regierungsratsbeschluss Nr. 0693). Die Umwandlung der Motion in einen Anzug durch den Grossen Rat im Sinne des RR erfolgte am 25. 04. 2001.75 Zwischen Departementsvorsteher RR Schild und Motionär Goepfert kam es in dieser GR-Sitzung zu einer Debatte über die Form des Vorstosses und den geeigneten Zeitpunkt für ein Integrationsgesetz. Es ging dabei weniger um den Inhalt der Motion oder des antizipierten Gesetzes, sondern um diese formellen Punkte der Legiferierung. Auch die GR-Votantinnen und Votanten unterschiedlicher Parteien äusserten sich eher zum formellen und juristischen Sinn oder Unsinn eines Integrationsgesetzes als zum allfälligen Inhalt eines solchen. Während diverse Akteure aus dem rechts-bürgerlichen Lager die Umwandlung der Motion in einen Anzug befürworteten, weil sie einem Integrationsgesetz skeptisch gegenüberstanden, argumentierte die Linke zugunsten der Beibehaltung der Motion. Obwohl die prinzipielle Zweckmässigkeit eines Gesetzes in Frage gestellt wurde, gab es keine Kritik zu Integrationspolitik, Leitbild oder den erfolgten/ zu erfolgenden Massnahmen. Einzig aus dem Rechtsaussen-Lager wurde inhaltliche Kritik angebracht, die sich ganz grund75 Auch für diese Debatte liegt im Staatsarchiv Basel-Stadt kein Wort-, sondern nur ein Tonprotokoll vor, welches nicht transkribiert wurde.

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sätzlich auf die im Leitbild initiierte und in einem Gesetz geplante Fortführung der kantonalen Integrationspolitik bezog. So kritisierte GR Angela Zanolari (SVP), dass das Leitbild einem Forderungskatalog an den Staat gleichkomme und somit keine Voraussetzung für ein Gesetz biete: Integration sei in erster Linie die Pflicht der Migrationsbevölkerung, während der Staat die Pflicht hätte, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die solche Bemühungen nicht behindern. Wie ihre Kollegen auf Bundeseben verweigerte sie sich dem Diskurs und versuchte sich und ihre Partei in einem Gegendiskurs zu positionieren – jedoch ohne Erfolg. Die Sprache wurde in einem einzigen Votum thematisiert; dies von rechtsaussen GR Markus Borner (SD). Er verlangte, dass ein Integrationsgesetz klare Richtlinien beinhalten müsse, die zum einen das Deutschlernen regulierten und zum anderen Sanktionen vorsähen für Ausländer, die nicht bereit wären sich zu integrieren. Wiederum kam diese Forderung von einer Rechtsaussen-Position, die sich an den Rändern des Diskurses bewegte. Dass aber Konsens herrschte über die Integrationspolitik Basels widerspiegelt sich im Resultat der Abstimmungen. Obwohl der Anzug der Motion vorgezogen wurde (53 zu 49 Stimmen), wurde der Vorstoss klar überwiesen (78 zu 10 Stimmen), was einer Konsolidierung der bereits eingeschlagenen Richtung in der Integrationspolitik gleichkam. Diese knappe Darlegung der Debatte zeigt auf, dass es weniger um Inhaltliches ging als vielmehr um die Frage, ob ein gesellschaftlicher Prozess wie Integration überhaupt gesetzlich festgelegt werden soll und welche (politische, gesellschaftliche, aber auch finanzielle) Konsequenzen dies mit sich bringen würde. Das Integrationsleitbild und die damit zusammenhängenden inhaltlichen Fragestellungen wurden bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausführlich debattiert (GR-Sitzung vom 17. 01. 2001; siehe 5.4.3), doch fällt auf, dass dies inzwischen nicht (mehr) geschah. Wahrscheinlich weil ein potentielles Integrationsgesetz inhaltlich und konzeptuell mit dem Integrationsleitbild gleichgesetzt wurde, weshalb die integrationspolitischen Vorstellungen der einzelnen Akteure nur mehr begrenzt in die Debatten einflossen. Dennoch wurde ersichtlich, wie die politischen Positionen besetzt waren. Vor allem die Linke, insbesondere die SP, beharrte auf der Schaffung eines Integrationsgesetzes und beanspruchte diesen diskursiven Raum somit klar für sich; dabei ging sie eher von der Verpflichtung der Behörden als der ausländischen Bevölkerung aus, konzentrierte sich also auf das »Fördern«. Sowohl SVP wie SD befürworteten ein Gesetz nur aufgrund des Interesses, die Migrationsbevölkerung gesetzlich verpflichten zu können und verlangten in dieser Logik nach einem gesetzlich definierten »Fordern«. Die Bürgerlichen erschienen in ihren Voten gegenüber einer integrationspolitischen Gesetzgebung eher kritisch eingestellt. Dies könnte auch auf parteipolitischen Interessen beruhen, eine eigene Position im

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Bereich der Integrationspolitik zwischen den Polen der SP (Fördern) und SVP (Fordern) noch klarer zu definieren. Dem Prinzip »Fördern und Fordern« kam in diesem Sinn eine wichtige Bedeutung zu, da es nicht nur die beiden prononcierten Interessenspositionen (Fördern versus Fordern) vereinte, sondern auch die zwischen den beiden Polen oszillierende Position der Bürgerlichen zu integrieren vermochte. Welche Rolle der Sprache resp. dem Sprachartikel in diesem Positionierungsprozess zugekommen ist, wird sich zeigen. 5.5.1.2 Berichterstattung der Regierung Der Regierungsrat war zwei Jahre nach Überweisung des Anzugs verpflichtet, Bericht über die Basler Integrationspolitik zu erstatten. Im zweiseitigen RRBeschluss vom 25. 03. 2003 wurde zum einen die bisherige Behandlung des Anzugs rekapituliert; zum anderen wurden (auf 14 Zeilen) »erste Erfahrungswerte zur Wirkung der Integrationsmassnahmen im Kanton Basel-Stadt« (RRBeschluss Nr. 0367) umrissen, die das weitere Vorgehen bestimmen sollten. Die bereits getroffenen Massnamen wurden grundsätzlich positiv evaluiert; so z. B. wurde als positive Entwicklung gesehen, dass die Nachfrage nach Deutsch- und Integrationskursen gestiegen sei. Weitere Hinweise auf sprachliche Massnahmen resp. ihrer Politisierung gab es in diesem Beschluss keine. Im RR-Beschluss wurden des Weiteren zwei parallel stattfindende Entwicklungen erwähnt. Erstens wurde im Kanton Basel-Landschaft (kurz: BL), dem Nachbarskanton von Basel-Stadt (beides Halbkantone), am 20. 09. 2001 eine Motion für ein Integrationsgesetz an die Regierung überwiesen. Aufgrund der bisherigen engen Zusammenarbeit im Integrationsbereich sollte die gemeinsame Erarbeitung eines Integrationsgesetzes an die Hand genommen werden. Tatsächlich fand die Erarbeitung des Baslers Integrationsgesetzes ursprünglich als partnerschaftliches Geschäft mit dem Kanton Basel-Landschaft statt. Dieser verzichtete schliesslich jedoch auf ein eigenes Integrationsgesetz, nachdem das AuG vom Volk angenommen worden war. Dieser anfänglich verfolgten Zusammenarbeit wird im Rahmen dieser Analyse keine grosse Aufmerksamkeit geschenkt, auch wenn sie allenfalls Einfluss auf intertextuelle Bezüge und diskursive Entwicklung hatte. Die in Basel-Stadt relevanten Möglichkeitsbedingungen für die Formierung des Diskurses »Integration durch Sprache« veränderten sich durch die anfängliche Kooperation jedoch nicht grundlegend. Die zweite Entwicklung, auf die der RR von Basel-Stadt verweist, betraf die Ausarbeitung des AuG: »Es ist mit kontroversen Debatten und auch mit einem Referendum zu rechnen« (RR-Beschluss Nr. 0367). Aus diesem Grund sei »weiterhin ein schrittweises, pragmatisches Vorgehen angezeigt«, weshalb der Anzug um weitere zwei Jahre stehen gelassen werden sollte. Diesem RR-Antrag wurde in der GR-Sitzung vom 14. 05. 2003 stillschweigend zugestimmt. Das damalige

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Polizei- und Militärdepartement erhielt den Auftrag, nach zwei Jahren erneut einen entsprechenden Bericht zu verfassen. Dieser wird im Folgenden näher betrachtet.

5.5.2 Der Entstehungsprozess des Integrationsgesetzes: Der Sprachartikel steht zur Debatte Seit 2003 gab es auf kantonaler Ebene nennenswerte Entwicklungen: Erstens wurde der Aktionsplan 2004 – 2007 als Konsequenz des Integrationsleitbilds implementiert, womit die bereits eingeschlagene Richtung verfolgt wurde.76 Inhaltliche oder diskursive Verschiebungen erfolgten kaum. Die Ausgangslage des fünfseitigen Aktionsplans wurde folgendermassen umschrieben: »Die seit 1998 neu definierte kantonale Integrationspolitik hat die Pionierzeit hinter sich und soll in den nächsten vier Jahren nachhaltig konsolidiert werden. Derzeit werden in den Kantonen BS und BL gemeinsam Integrationsgesetze erarbeitet« (Aktionsplan 2004: 2). Dieser letzte Punkt stellt die andere relevante integrationspolitische Entwicklung dar. Von der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSS-Kommission) wurde anfänglich, wie oben bereits erwähnt, das Integrationsgesetzes im partnerschaftlichen Geschäft mit dem Kanton BaselLandschaft entworfen, aufgrund eines Beschlusses durch die Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements BS und der Justiz-, Polizei-, und Militärdirektion BL im Jahr 2003.77 Am 11. 08. 2004 wurde anlässlich einer Medienorientierung der gemeinsam erarbeitete Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit präsentiert. Dieser Entwurf war stark von der Basler Integrationspolitik gekennzeichnet, berücksichtigte anscheinend aber ebenso »den neuesten Wissensstand aus Forschung und Praxis, die Beratungen in ›Bundesbern‹ zur Schaffung eines Ausländergesetzes und die Anforderungen an ein modernes Gesetz in Bezug auf Kürze, ökonomische Grundsätze und Transparenz« (Ratschlag 2005: 21 – 22). Der Entwurf wurde somit als legitimes Element der Wissensproduktion konstruiert. Auf folgenden Seiten werden die wichtigsten Etappen des Gesetzentstehungsprozesses skizziert, wobei die Aufmerksamkeit vor allem auf die Entwicklung des Sprachartikels gerichtet sein wird. Dadurch soll aufgezeigt werden, wie die Rolle der Sprache im Integrationsdiskurs ausgehandelt wurde, welche 76 Der »Aktionsplan 2004 – 2007: Integrationsmassnahmen Basel-Stadt« ist online verfügbar unter : http://www.welcome-to-basel.bs.ch/aktionsplan_2004 – 11.pdf [Letzter Zugriff: 26. 10. 2013]. 77 Die Übersicht über das Geschäft des Ratschlags (Geschäftsnummer 04.1309) ist online verfügbar unter : http://www.grosserrat.bs.ch/suche/geschaefte/details/?idurl=04.1309 [Letzter Zugriff: 26. 10. 2013].

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Ideologisierungsprozesse dabei Anwendung fanden und inwiefern die beiden Positionen Fördern und Fordern im/ mittels Sprachartikel artikuliert wurden. Diese Vorgehensweise vermag Hinweise darauf zu liefern, wie Vorstellungen der Integration, der sozialen Mobilität und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit auf dem Terrain der Sprache verhandelt werden. 5.5.2.1 Vernehmlassung zum Integrationsgesetz : Die Debatte zum Sprachartikel beginnt Der Entwurf des Integrationsgesetzes wurde in die gemeinsame Vernehmlassung gegeben, welche offiziell von August bis November 2004 dauerte, aber um zwei Monate verlängert wurde, da nicht alle Parteien und Verbände rechtzeitig Stellung bezogen hatten (siehe Ratschlag 2005: 28 – 29). Es sind vor allem diejenige Stellungnahmen interessant, die sich auf den späteren Sprachartikel (später Art. 5, zu diesem Zeitpunkt Art. 4 Abs. 5) bezogen, der in diesem ersten Entwurf wortwörtlich aus dem damaligen AuG-Entwurf übernommen wurde. Etliche der rund 40 eingegangenen Stellungnahmen nahmen auf diesen Absatz Bezug, wobei die Reaktionen sehr unterschiedlich waren: 8 Antworten lehnen die Kompetenz des Kantons, die Aufenthaltsbewilligung mit der Bedingung eines Kursbesuchs zu verknu¨ pfen (neu § 5), ab, 9 begru¨ ssen diese Bestimmung und fordern z. T. pra¨ zisere Aussagen zu den mo¨ glichen Sanktionen, 7 mo¨ chten dazu mehr Einzelheiten wissen und eine Sicherheit gegenu¨ ber Willku¨ r haben, 6 mo¨ chten, dass eine solche Bestimmung die perso¨ nliche Situation der Gesuchsteller/innen beru¨ cksichtigt, 13 mo¨ chten diese Bestimmung mit rein motivierendem Vorgehen, ohne Pflicht und ohne Sanktionen umsetzen, 6 sehen die Mo¨ glichkeit, mit Kursen im direkten Lebensumfeld gute Resultate zu erreichen, 11 stellen Fragen nach dem konkreten Verfahren und der Kontrolle der Resultate, 18 fragen nach der Finanzierung der Sprachkurse. (Ratschlag 2005: 29)

Unter andem führte die schiere Fülle der Reaktionen dazu, dass aus dem Absatz (Art. 4 Abs. 5) ein eigenständiger Artikel gemacht wurde. Wie der Artikel sonst verändert wurde und inwiefern allgemein Sprachförderung und -forderung im Ratschlag thematisiert wurde, soll im Folgenden beleuchtet werden.

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5.5.2.2 Ratschlag 2005 Der gemäss Vernehmlassung überarbeitete Gesetzesentwurf wurde dem Parlament am 01. 07. 2005 in Form eines RR-Ratschlags (das kantonale Pendant zur Botschaft des Bundesrats) vorgelegt.78 Der Ratschlag, datiert vom 21. 06. 2005, umfasste auf 52 Seiten eine Rekapitulation des Integrationsverständnisses Basels, eine Beschreibung der Integrationspolitik des Bundes sowie der Schweizer Kantone im Allgemeinen und derjenigen Basels im Spezifischen (u. a. die politische Ausgangslage und Entwicklung, die Integrationsförderung (Aktionsplan 2004 – 2007), die Rolle der Landgemeinden), Informationen zum Vernehmlassungsverfahren, Allgemeines zum Entwurf eines Gesetzes über die Integration der Migrationsbevölkerung, Erläuterungen zu den Gesetzesbestimmungen und zwei Anhänge: 1. eine Gegenüberstellung der Gesetzesentwürfe gemäss der Fassung der Vernehmlassung mit dem aktualisierten Entwurf; 2. der Basler Gesetzesentwurf. So lieferte der Ratschlag eine prägnante Übersicht zu den Entwicklungen der Integrationspolitik in Basel-Stadt sowie auf nationaler Ebene, wenn auch die Übersicht ab den 1990er-Jahren weniger detailliert aufiel. Für die kantonale diskursive Entwicklung scheint folgende Aussage des Ratschlags zentral zu sein, die sich in der einleitenden Zusammenfassung finden lässt: »Es [das Integrationsgesetz] ist konsequent auf das Prinzip Fördern und Fordern ausgerichtet; dabei steht der Spracherwerb im Vordergrund« (Ratschlag 2005: 5). Die Regierungen beider Basel (BS und BL) deklarierten dadurch die Sprache offiziell und definitiv zum Schlüssel der Integration. Da der Sprachartikel in der Vernehmlassung jedoch äusserst widersprüchlich kommentiert worden war, wurde er für den neuen Entwurf durch die beiden verantwortlichen Departemente in Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowohl inhaltlich wie formell überarbeitet. Die erfolgten Veränderungen wurden im Ratschlag des Regierungsrats folgendermassen erklärt: Der umstrittene Art. 4 Abs. 5, neu Art. 5, ist nun präziser und wird im Ratschlag detailliert beschrieben, um klar aufzuzeigen, dass es sich nicht um eine Bestimmung mit Schikane- oder Willkürcharakter handelt, sondern im Gegenteil um eine differenzierte Bestimmung, die sorgfältig und in einem klaren Verfahren individuell den Zugang zu Kursen und damit die tatsächliche Herstellung der Chancengleichheit sichern soll. (Ratschlag 2005: 29)

Abgesehen davon, dass für den neuen Entwurf eine »präzisere« Formulierung von Art. 5 angestrebt wurde, lässt sich feststellen, dass hinsichtlich der vorge78 Ratschlag 2005: »Ratschlag betreffend Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz) sowie Anzug Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern«, Nr. 04.1309.01/ 00.6638.04. Online verfügbar unter : http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100184/ 000000184355.pdf [Letzter Zugriff: 29. 10. 2013].

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schlagenen Verknüpfung von Sprachkurs-Obligatorien und Aufenthaltsbewilligungen der Artikel mit dem Argument der »tatsächlichen Herstellung der Chancengleichheit« legitimiert wurde. Da die meisten Integrationsbemühungen mit diesem Argument legitimiert wurden, lässt sich hier zum wiederholten Mal nebst einer Entextualisierung eine konkrete diskursive Konvergenz zwischen Sprachförderung und sozialer Mobilität resp. Chancengleichheit feststellen: Sprachförderung wurde zur Integrationsmassnahme per se und in diesem Sinne zum Schlüssel der Integration. Dies hatte zur Folge, dass der Diskurs »Integration durch Sprache« endgültig eine hegemoniale Stellung einnehmen konnte, welche die Formierung von Gegenpositionen erschwerte. Zusätzlich wurden die im Integrationsgesetz verankerten (Art. 3, Art. 4. IG) sowie nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen dargelegt (Ratschlag 2005: 38 – 39). Es wurde rekonstruiert, wieso Sprachkenntnisse für die Integration zentral seien: Die Migrantinnen und Migranten sollen am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilhaben können, damit sie persönlich zu Erfolg kommen und möglichst ohne fremde Hilfe leben können. Die Voraussetzungen dafür sind eine ausreichende Kommunikationsbasis und Kenntnisse über die hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen. Deshalb verpflichtet § 3 Absatz 3 alle Migrantinnen und Migranten, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status, sich damit auseinanderzusetzen und sich die dafür notwendigen Sprachkenntnisse anzueignen. Die vorliegende Bestimmung stützt sich auf Bundesrecht, wonach eine Aufenthaltsbewilligung gemäss Artikel 5 Absatz 1 ANAG mit einer Bedingung verknüpft werden kann. (Ratschlag 2005: 38)

Dieser Abschnitt fügte sich aufgrund der diversen (wiederkehrenden) Entextualisierungen in die diskursive Entwicklung auf Bundesebene ein. Er brachte zwar keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf die ideologische Zusammensetzung des Diskurses oder die auf Legitimierung abzielenden Ideologisierungsprozesse in der Argumentation, doch soll er gerade die Kontinuität der Entextualisierung illustrieren, die selber einen Prozess der Ideologisierung darstellt: Durch die Aufnahme von bereits produziertem Wissen legitimiert man zum einen den referenzierten Text, zum anderen verleiht man aufgrund der Referenzierung dem neuen Text Legitimität. Untenstehende Tabelle zeigt nun beide Versionen des Sprachartikels (d. h. vor und nach der Vernehmlassung). In der neuen Formulierung sind die geänderten resp. hinzugefügten Passagen kursiv markiert.

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Tabelle 11: Vergleich Sprachartikel vor und nach Vernehmlassung 2004 § 4 Absatz 5 (Förderung der Integration) Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann mit der Bedingung verbunden werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird. Dies gilt auch für Bewilligungsverfahren im Rahmen des Familiennachzuges. Die Verpflichtung zum Kursbesuch kann in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden.

§ 5 Sprach- und Integrationskurse Die Erteilung und die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung kann zur Erreichung der Integrationsziele mit der Bedingung verbunden werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs erfolgreich absolviert wird. Dies gilt auch für Bewilligungsverfahren im Rahmen des Familiennachzuges. Die Einzelheiten zum Kursbesuch werden in einer Integrationsvereinbarung festgehalten.

Der Artikel wurde gemäss Ratschlag (2005: 39) spezifiziert und erweitert. Spezifiziert wurde beispielsweise das Ziel dieser Massnahme durch die Formulierung »zur Erreichung der Integrationsziele«. Damit war die individuelle Integration gemeint, aber auch die in den obigen Ausführungen erwähnte globalere Chancengleichheit. Dieser inhaltlichen Erweiterung kam jedoch nicht nur die Funktion der Spezifizierung zu, sondern sie ermöglichte, dem in der Vernehmlassung geäusserten Vorwurf entgegentreten zu können, beim Artikel handle es sich um reine Schikane der ausländischen Bevölkerung. Durch diese Formulierung wurde aufgezeigt, dass sowohl die individuellen Betroffenen als auch die Gesamtgesellschaft von derartigen Massnahmen profitierten. In ähnlicher Weise kann die ergänzende Formulierung »Einzelheiten zum Kursbesuch« verstanden werden, die den intendierten personalisierten und auf individuelle Integrationsverläufe abgestimmten Ansatz akzentuieren sollte (Art. 3 und Art. 4. IG bildeten hierfür die Ausgangslage). Spezifiziert wurde hier, dass die Massnahme des Kursbesuchs resp. der Integrationsvereinbarung lediglich bei »erheblichen Integrationsdefiziten« Anwendung finde, wie z. B. bei »offensichtlicher Unkenntnis der hiesigen Lebensverhältnisse, fehlender Kommunikationskompetenz oder schulischer/ beruflicher Perspektivenlosigkeit« (Ratschlag 2005: 38). Dabei ginge es der Regierung nicht um eine breit angelegte Massnahme, sondern man wollte »gezielt nur jene Personen erreichen, welche tatsächlich einer besonderen Förderung bedürfen« (Ratschlag 2005: 38). Diese besondere Förderung konzentrierte sich somit vornehmlich auf die Vermittlung der deutschen Sprache. In der GR-Sitzung vom 07. 09. 2005 wurde das Geschäft an die entsprechende Sachkommission überwiesen, sprich an die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSSK).

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5.5.2.3 Bericht der JSSK 2007 Die JSSK wurde mit der Behandlung des Entwurfs des Integrationsgesetzes beauftragt und begann ihre Arbeit am 10. 01. 2006 in partnerschaftlichem Geschäft mit der Justiz- und Polizeikommission der Basel-Landschaft, JPK-BL. Am 09. 02. 2007 legte die JSSK dem Grossen Rat ihren Bericht vor (datiert vom 07. 02. 2007).79 Für die Behandlung des Geschäfts führte die Kommission nicht nur Diskussionen, sondern lud auch Expertinnen und Experten ein, pflegte intensiven partnerschaftlichen Austausch mit der basellandschaftlichen Kommission und verfolgte die Entwicklungen bezüglich des AuG auf Bundesebene mit (so z. B. die Annahme des AuG in der Volksabstimmung 2006). Im Bericht wird auf 37 Seiten Folgendes abgehandelt: die Ausgangslage des Geschäfts, das Vorgehen und die Behandlung des Geschäfts in der Kommission (dieser Teil ist das Kernstück des Berichts und umfasst 13 Seiten), die Partnerschaftlichkeit des Geschäfts mit BL, das Integrationsgesetz BS (inkl. Darstellung der Abweichungen vom Ratschlag und von Beschlüssen der Kommission). Im Anhang des Berichts befinden sich schliesslich die Beschreibung der Aufhebung der partnerschaftlichen Behandlung des Integrationsgesetzes und der Entwurf des BL-Gesetzes. Der Sprachartikel gab gemäss Bericht (2007: 7) nebst potentieller Verpflichtung der Arbeitgeber (Art. 4) am meisten Anlass zu Diskussionen. Im Verlauf der eineinhalb-jährigen Kommissionsarbeit wurden somit einige Neu- und Umformulierungen von Art. 5 vorgenommen. Nebst alternativen Formulierungsvorschlägen gab es gar einen Streichungsantrag, zu welchem im Bericht allerdings keine näheren Informationen gegeben werden (Bericht 2007: 10). Expertinnen und Experten wurden eingeladen, um sich zu den im Rahmen des Sprachartikels geplanten Massnahmen zu äussern. Sehr kritisch äusserte sich z. B. die Vertreterin der Gewerkschaft UNIA oder die Präsidentin der Eidgenössischen Ausländerkommission. In Frage gestellt wurden von ihnen die pädagogische Wirksamkeit von Lernverpflichtungen, da dies in ihren Augen eine verkürzte Gleichsetzung von Integration mit Spracherwerb sei. Genauso zweifelten sie die Messbarkeit von Spracherwerb an. Dies obwohl die beiden Integrationsbeauftragten (BL und BS) zu Beginn des ersten Hearings vom 10. 01. 2006 betont hatten, dass »die Sprachkurse nicht unter dem Aspekt des Zwanges, sondern als eine Massnahme zur Herstellung der Chancengleichheit zu verstehen seien und dass Art. 5 dementsprechend als Förderartikel zu verstehen sei« (Bericht 2007: 7). Fördermassnah79 Bericht 2007: »Bericht der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission zum Ratschlag 04.1309.01 betreffend Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz) sowie Anzug Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern«, Nr. 04.1309.03/ 00.6638.05. Online verfügbar : http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100236/000000236079.pdf [27. 10. 2013].

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men würden somit nicht erzwungen, könnten aber durch entsprechende gesetzliche Erlasse durchaus eingefordert werden. Dies resultierte in einer fundamentalen diskursiven Verschiebung, die bereits auf Bundesebene nachgezeichnet worden ist (siehe 4.5.1.4 zum Abstimmungsbüchlein AuG): Das Fördern wurde zum Fordern. Einen Widerspruch stellt die bereits erwähnte rechtliche Kategorisierung der ausländischen Bevölkerung dar, wodurch EU-Angehörige von allfälligen Massnahmen und Sanktionen befreit wären, genauso wie die hochqualifizierten Eingewanderten. Somit wären in BS nur rund 2’000 Personen potentiell durch diese Massnahme betroffen (Bericht 2007: 9). Hier zeichnete sich die begrenzte Wirksamkeit der im Sprachartikel umgesetzten Massnahmen ab, weshalb sich die Frage aufdrängt, wieso ein so grosser Wirbel um die gesetzliche Verankerung des Artikels veranstaltet wurde. Nach Annahme des AuG am 26. 10. 2006 wurde darüber diskutiert, ob Art. 5 durch die Formulierung des entsprechenden AuG-Artikels (Art. 54 AuG) ersetzt werden sollte (Bericht 2007: 14). Dabei wurde nicht nur Art. 5 in Frage gestellt, sondern die Notwendigkeit und der Nutzen eines kantonalen Integrationsgesetztes überhaupt, da durch das Integrationskapitel AuG diverse Punkte bereits geregelt würden. Während die JSSK (BS) auf der Idee eines eigenen Gesetzes beharrte, entschloss sich die JKP-BL, eine inhaltlich dem AuG nähere Version auszuarbeiten. Infolgedessen wurde die Partnerschaftlichkeit zwischen beiden Kantonen in Bezug auf dieses Geschäft aufgehoben. Die Gründe der JSSK, an einem eigenen Integrationsgesetz festzuhalten, wurden im Bericht (2007: 15) aufgeführt. So hiess es, »dass nur ein kompaktes und umfassendes Integrationsgesetz der Bedeutung der Integration entsprechen würde und es auch für die Bürgerinnen und Bürger viel einfacher sei, wenn sie die gesamte Materie in einem Gesetz nachschlagen können« (ebd.). Zusätzlich sei selbst vom BFM die Empfehlung gekommen, »am Integrationsgesetz festzuhalten, da dieses viel konkreter sei und dem aktuellen Wissensstand entspräche, wohingegen das 8. Kapitel des AuG einen helvetischen Kompromiss auf bescheidenem Niveau darstellen würde« (ebd.). Die Empfehlung des BFM bestätigte die Regierung in ihrer Ausrichtung der Integrationsarbeit sowie in ihrem Anspruch, eine innovative Integrationspolitik zu verfolgen. Dem Grossen Rat wurde im Bericht (2007: 20) schliesslich folgende Version des Sprachartikels vorgelegt: § 5 Sprach- und Integrationskurse 1 Für die Erreichung der Integrationsziele im Sinne von § 1 und für die Verpflichtung im Sinne von § 3 Absatz 3 kann der Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses im Rahmen einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden. 2 Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung kann von einem erfolgreichen Kursbesuch abhängig gemacht werden. Dies gilt auch für das Bewilligungsverfahren im Rahmen des Familiennachzuges.

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Die seit Vernehmlassung und Ratschlag vorgenommenen Veränderungen wurden durch das Bedürfnis begründet, »das Fordern und Fördern klarer hervorzuheben«, ohne dass dabei eine »materielle Änderung des Gesetzestextes« erfolgt wäre (Bericht 2007: 20). Die Tatsache, dass es mehrere Umformulierungen gab, die im Bericht rekonstruiert werden, lässt darauf schliessen, dass die Aushandlung der sich zwischen Fördern und Fordern bewegenden Interessenspositionen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Dennoch wurde an der grundsätzlichen Materialität des Artikels nicht »gerüttelt«, d. h. dass Einigkeit darüber zu herrschen schien, die Verbindlichkeit des Spracherwerbs gesetzlich festzuschreiben. Diese politische Einigkeit lässt sich schliesslich auf die Logik des Diskurses »Integration durch Sprache« zurückführen. 5.5.2.4 Lesungen GR Am 14. 03. 2007 behandelte der Grosse Rat den von der JSSK vorgelegten Gesetzesentwurf. Die Debatte, transkribiert auf 27 Seiten (Protokoll 2. Sitzung, Amtsjahr 2007/2008: 73 – 100), dauerte fast den ganzen Tag (von 9:20 – 16:30). Zum Schluss der Debatte wurde darüber abgestimmt, ob eine zweite Lesung des Gesetzes durchgeführt werden sollte, wofür sich 56 zu 55 Stimmen aussprachen. Aufgrund des Umfanges der Debatte und des Fokus dieser Analyse ist es weder möglich noch sinnvoll, auf alle Details einzugehen. Die Eröffnung der Lesung soll jedoch kurz besprochen werden, auch wenn sie sich nicht direkt auf den Sprachartikel bezog. GR Ernst Jost (SP), Präsident der JSSK, führte nämlich aus, wie der vorgelegte Entwurf entstanden sei und inwiefern er sich von der Version der JPK-BL und dem AuG unterscheide: Das Basler Integrationsgesetz sei im Vergleich zum entsprechenden Integrationskapitel AuG um einiges moderner. Letzteres »bezieht sich auf Überlegungen anfangs der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts und es regelt in seiner heutigen Form unbestrittenermassen einen rudimentären Minimalkonsens unter 26 Kantonen« (Protokoll 2007: 74). Diese Ausführungen basierten auf einer strategischen Entextualisierung, insofern als die oben erwähnten Empfehlungen des BFM den Basler Gesetzentwurf als modern und umfassender resp. weiterführender gepriesen haben als das entsprechende Bundesgesetz. Somit konstruierte GR Jost den Entwurf als legitimes Produkt der diskursiven Wissensproduktion, ergänzt durch die Anmerkung, die Qualität und Innovativität der Basler Integrationspolitik würde national rezipiert, so dass sogar »heute zur gleichen Zeit im Ständerat eine Motion auf der Tagesordnung steht, die inhaltlich nichts anderes will, als den Erlass eines Gesetzes nach dem Basler Modell auf Bundesebene« (ebd.).80 Den Sprachartikel

80 Die im SR diskutierte Motion Fritz Schiesser : »Integration als gesellschaftliche und staat-

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situierte er im Kern der neuen Politik, sodass er zum Erreichen der Chancengleichheit und der weiteren definierten Ziele der Integrationspolitik dienen solle. Die Aussagen GR Josts entsprachen dabei den Ausführungen auf Bundessowie Kantonsebene, womit durchgehend Fälle von Intertextualität resp. Entextualisierung anzutreffen waren. Auch er oszillierte zwischen den beiden Polen des Förderns und Forders, welche im Integrationsgesetz tatsächlich zusammengeführt würden. Diese Fusion wurde insbesondere in Art. 5 ersichtlich, da das Aushandeln der beiden sich dort am Beispiel des Spracherwerbs materialisierte. Folgendes Zitat GR Josts illustrierte dies: »Damit die Förderung erfolgreich sein kann, gestalten wir sie verbindlich aus« (ebd.). Die im Sprachartikel geregelte Verbindlichkeit des Kursbesuchs stelle somit eine Hilfeleistung dar und der Vorwurf sei nicht haltbar, dass er im Vergleich zu Art. 54 AuG eine Verschärfung darstelle. Aber, auch hier wurde das Fördern gefordert. Obwohl die Debatten zum vorgelegten Integrationsgesetz insgesamt umfassend und ausführlich ausfielen, konzentrierten sie sich wiederum vornehmlich auf den Sprachartikel und auf die in Art. 4 Abs. 6 vorgeschlagene Klausel, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu verpflichten, ihre Angestellten beim Besuch von Sprachkursen »im Rahmen ihrer Möglichkeiten« zu unterstützen. Zur unsagbaren Position wurde mittlerweile diejenige, das Gesetz per se abzulehnen, wie dies von der SVP verlangt wurde. Hier hatte sich folglich nicht nur ein Konsens, sondern auch ein Common Sense darüber gebildet, dass die Integrationspolitik gesetzlich geregelt werden sollte. Punkto Common Sense wurde in dieser ersten GR-Lesung zudem das Regulativ des Diskurses »Integration durch Sprache« deutlich. Sowohl Linke wie rechte GR-Mitglieder, mit und ohne Migrationshintergrund, vertraten die Meinung, dass Sprache der Schlüssel zur Integration darstelle (Grosser Rat 2007: 73 – 100). Dieser Zusammenhang wurde in einzelnen Voten als Tatsache präsentiert, d. h. ideologisiert: »Für die Integration in Basel-Stadt sind ausreichende Kommunikationskompetenzen […] unabdingbar« (RR Hanspeter Gass, FDP) oder »Es ist klar, dass die Sprache für die Integration sehr wichtig ist« (GR Mustafa Atici, SP). Ausgehend von einer derart allgemeingültigen Prämisse, wurden zur Verfolgung individueller Interessen unterschiedliche Anliegen vorgebracht. JSSK-Präsident Jost war nicht der einzige, der sich in seiner Beurteilung des Sprachenartikels an den zwei Polen des Förderns und Forderns orientierte und in diesem Artikel gleichzeitig die Kristallisation ebendieser Politik sah. Der Sprachartikel wurde dadurch zum eigentlichen »Schicksalsparagraphen« (GR Angelika Zanolari, SVP) resp. zum »zentralen Artikel« (GR Emmanuel Ullmann, FDP) hochstilisiert. Vor allem bürgerliche GR-Mitglieder befürworteten die liche Kernaufgabe« (06.3445). Online verfügbar unter : http://www.parlament.ch/D/Suche/ Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20063445 [Letzter Zugriff: 31. 10. 2013].

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Verknüpfung von Aufenthaltsbewilligung und Sprachkursbesuch und sahen im vorgeschlagenen Artikel die Realisierung des Prinzips Fördern und Fordern resp. Geben und Nehmen. Die Linke ihrerseits kritisierte vornehmlich die Formulierung des »erfolgreich« erfolgten Kursbesuchs, da sie darin eine Verschärfung des Bundesrechts zu erkennen glaubte. Ganz generell wurde von den linken GR-Mitgliedern der Aspekt des Zwangs problematisiert; so berichteten auch GR-Mitglieder mit türkischem Hintergrund von Gesprächen in Migrantenorganisationen, wo das Integrationsgesetz positiv aufgenommen worden sei – mit Ausnahme des Sprachartikels, da dieser mit Zwang, Überforderung und Verunsicherung assoziiert würde. Interessant war diesbezüglich die Reaktion des bürgerlichen GR Hansjörg Wirz (DSP), da sie illustriert, wie im Diskurs über Positionen verfügt wurde und wie entsprechende Positionierungen vorgenommen wurden. GR Wirz versuchte, die durch Grossräte und Grossrätinnen mit Migrationshintergrund geäusserte Kritik zu desavourien, indem er sie als unerlaubte Aussageposition konstruierte; so fragte er : »Wessen Interessen vertreten Sie hier? Wir gehen davon aus, dass Sie Schweizer Bürger sind, sonst wären Sie nicht in diesem Rat« (Protokoll 2007: 85 – 86). Er mahnte die entsprechenden GR-Mitglieder, ihre »Landsleute« nicht zu vergessen, die keinen Zugang zu Sprachkursen hätten. Seine Aussage zog eindeutig folgende diskursive Konsequenzen nach sich; abgesehen davon, dass er gar grundsätzlich die Legitimation dieser Grossräte und Grossrätinnen attackierte. Zum einen knüpfte er die politische Legitimität eines GR-Mitglieds an das Anerkennen der verpflichtenden Massnahme; und falls ein GR-Mitglied diese ablehne, geschehe dies entweder aufgrund egoistischer Ausgrenzung gegenüber »Landsleuten« oder aber infolge zu enger Indentifikation mit denselben, was sich nicht in Einklang bringen lassen könne mit der Vertretung schweizerischer Interessen. Somit wurden selbst in der Diskussion über das Integrationsgesetz zwischen Ratsmitgliedern Grenzen gezogen, indem Indexe wie »Schweizer Bürger« und »Landsleute« benutzt wurden.

5.5.3 Der Sprachartikel 5.5.3.1 Verabschiedung des Artikels Bei der Abstimmung zum Sprachartikel gab vor allem die Formulierung »erfolgreich absolviert« Grund zu Diskussionen; aufgrund des impliziten Zwangs, aber auch aufgrund von Bedenken, dass die Beurteilung von »erfolgreich« willkürlich geschehen könne. Um diesem Vorbehalt entgegen zu kommen, schlug GR Andreas Albrecht (LDP) vor, diesen Passus mit der Formulierung »mit ernsthaftem Engagement« zu ersetzen (Protokoll 2007: 87). Die anschlies-

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sende Abstimmung zum Sprachartikel war mehrstufig, da zu jedem Absatz unterschiedliche Anträge vorlagen (Protokoll 2007: 95 – 96). Folgende Version wurde schliesslich angenommen und im verabschiedeten Gesetz verankert: Sprach- und Integrationskurse § 5 Der Kanton stellt eine bedarfsgerechte Vielfalt an Sprach- und Integrationskursen sicher. 2 Die Erteilung und die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung kann zur Erreichung der Integrationsziele mit der Auflage verbunden werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs mit ernsthaftem Engagement absolviert wird. Dies gilt auch für Bewilligungsverfahren im Rahmen des Familiennachzuges. Die Einzelheiten zum Kursbesuch werden in einer Integrationsvereinbarung festgehalten. 3 Die Niederlassungsbewilligung kann bei erfolgreicher Integration, namentlich wenn die betroffene Person über gute Kenntnisse einer Landessprache verfügt, nach ununterbrochenem Aufenthalt mit Aufenthaltsbewilligung während der letzten fünf Jahre erteilt werden.

Wie im nationalen Sprachartikel wurde auch hier sichtbar, dass die Sprache nicht mehr nur als Bedingung für eine gelungene Integration konstruiert wurde, sondern mittlerweile auch als ihr Indikator. Zur Erläuterung: Die erste Konstruktion (Sprache als Voraussetzung für die Integration) wird in der Verknüpfung der Bewilligung mit einem Kursbesuch ersichtlich: Die Integration sollte nach dem Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses (wo ebenfalls Sprachkenntnisse vermittelt werden) einfacher erfolgen. Der Besuch eines solchen Kurses könnte zudem (Art. 5 Abs. 2) in einer Integrationsvereinbarung formuliert und festgehalten werden. Integrationsvereinbarungen würden mit Personen getroffen, die auf unterschiedlichen Ebenen »Probleme« mit der gesellschaftlichen Integration hätten (Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeabhängigkeit oder Delinquenz).81 Die zweite Konstruktion (Sprachkompetenz als Indikator von Integration) wird in Art. 5 Abs. 3 ersichtlich. In diesem Absatz wurde eine Integration dann als erfolgreich taxiert, »wenn die betroffene Person über gute Kenntnisse einer Landessprache verfügt«. Hier fällt aus, dass von »Landessprache« und nicht generell von »Sprache« (wie sonst üblich) die Rede ist. Dies hängt damit zusammen, dass eine genaue Übernahme des Art. 54 AuG angestrebt wurde, worin generell von »Landessprache« die Rede ist (siehe Art. 34 Abs. 4 AuG).82 Auf alle Fälle lässt sich in Art. 5 des Basler Integrationsgesetzes eine direkte Entextualisierung der erweiterten Metapher feststellen, wie sie in Art. 54 AuG als diskursive Materialität festgehalten ist. Diese Erweiterung hat stattgefunden, ohne dass die Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« in den offiziellen Dokumenten des ersten kantonalen 81 Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Instrument der Integrationsvereinbarung aus juristischer Sicht siehe von Büren/Wyttenbach (2009). 82 Information aus Interview mit Anzugsteller Goepfert.

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diskursiven Ereignisses überhaupt in einer Aussageposition oder gar Interessensposition reproduziert worden wäre, wie dies auf nationaler Ebene der Fall gewesen war. Dies deutet auf das regulative Wirken des Diskurses hin, welcher auf der kantonalen Ebene stärker vom Prinzip Fördern und Fordern durchdrungen war als von dieser Metapher. Genau dieses Prinzip war denn auch in diesem Sprachartikel enthalten, sodass die Forderung der Förderung möglich wurde. Da sich das Abstimmungsverfahren mehrstufig, komplex und potentiell verwirrend gestaltete, wurde ein Antrag auf eine zweite Lesung gestellt, damit sich die GR-Mitglieder nochmals mit den verabschiedeten Artikeln auseinandersetzen könnten und keine überstürzten Entscheidungen gefällt würden. Diesem Antrag wurde entsprochen. Die JSSK erhielt ihrerseits den Auftrag, die verabschiedeten Formulierungen des Sprachartikels sowie des restlichen Gesetzes gemäss ihrer Rechtmässigkeit zu überprüfen. Die Prüfung der JSSK ergab, dass die in der ersten Lesung gefallenen Änderungsentscheide der Verfassung entsprachen (Bericht vom 23. 03. 2007).83 Die JSSK stimmte dem Gesetz mit sechs zu zwei Stimmen (bei zwei Enthaltungen) zu und beantragte, den Anzug Goepfert als erledigt abzuschreiben. Der Bericht wurde am 30. 03. 2007 dem Grossen Rat zugestellt; die zweite Lesung fand am 18. 04. 2007 statt (Protokoll 2007: 179 – 180). In dieser Lesung wurden die Ratsmitglieder angehalten, sich nur noch in Detailberatung, d. h. in Bezug auf einzelne Artikel zu äussern. Die einzige Wortmeldung erfolgte zum Sprachartikel. GR Sibel Arslan (Grünes Bündnis) bemängelte, dass dieser Artikel trotz der neuen Formulierung »mit ernsthaftem Engagement« im Vergleich zu Art. 54 AuG nach wie vor eine gesetzliche Verschärfung darstelle. Die neue Formulierung sei denn auch nur das Resultat eines Kompromisses, der nicht alle Bedenken und Ängste aus dem Weg zu räumen geschafft hätte; trotz gespaltener Gefühle würden sie und das Grüne Bündnis aber für das Gesetz stimmen, nicht zuletzt »um ein Zeichen zu setzen, dass wir an einer guten Lösung interessiert sind« (Protokoll 2007: 180). Die Zustimmung zu Art. 5 und zum Integrationsgesetz wurde somit zur einzigen möglichen Wertposition – die Ablehnung des Gesetzes würde signalisieren, dass man die Basler Integrationspolitik ablehne und nicht an einer guten Lösung interessiert sei. Am Ende stimmte der Grosse Rat mit grossem Mehr für die Verabschiedung des Gesetzes. Der Anzug Goepfert und Konsorten konnte somit als erledigt abgeschrieben werden. Der Beschluss wurde im Kantonsblatt (Nr. 31, 21. 04. 2007) publiziert, da das Integrationsgesetz dem fakultativen Referendum 83 »Bericht der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission zur 2. Lesung zum Ratschlag 04.1309.01 betreffend Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung (Integrationsgesetz) sowie Anzug Jan Goepfert und Konsorten betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern«, Nr. 04.1309.04. Online verfügbar unter : http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100240/000000240343.pdf [Letzter Zugriff: 31. 10. 2013].

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unterstand. Nachdem jedoch kein Referendum ergriffen wurde, trat das Integrationsgesetz am 01. 01. 2008 in Kraft – zeitgleich mit dem AuG. 5.5.3.2 Die Rolle der Sprache im Integrationsgesetz Im Integrationsgesetz gibt es zwei weitere Artikel (Art. 3 und Art. 4), in welchen die Sprache in Zusammenhang mit der Integration thematisiert wurde. Auch in diesen Artikeln wurde »die Sprache« als integrationsfördernd beschrieben und als dem Integrationsprozess inhärent verstanden. Diese Interpretation wird insbesondere in Art. 3 Abs. 3 ersichtlich: Grundsätze § 3. Die Integrationsförderung setzt mit dem Zuzug ein. 2 Die Integration setzt sowohl den Willen und das Engagement der Migrantinnen und Migranten zur Eingliederung in die Gesellschaft als auch die Offenheit der Einheimischen voraus. 3 Die Migrantinnen und Migranten sind verpflichtet, sich mit den hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen auseinanderzusetzen und sich die dafür notwendigen Sprachkenntnisse anzueignen.

Die für Art. 3 verwendete Formulierung impliziert eine Kausalität zwischen Spracherwerb und Integration, die wie so oft ideologisiert hergeleitet wurde: Die »hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse« könnten nur aufgrund von »dafür notwendigen« Sprachkenntnissen vermittelt und angeeignet werden. Ohne vorhandene Kenntnisse in der lokalen Sprache sei eine Auseinandersetzung mit der lokalen Gesellschaft folglich nicht möglich – was wiederum bedeute, dass eine Integration ohne Sprachkenntnisse kaum realisierbar sei. Dies impliziert, dass von den Migrantinnen und Migranten eine sprachliche Anpassung erwartet wird. Sie müssten zudem »den Willen und das Engagement« (Abs. 2) für ihre eigene Integration entwickeln, damit sich ihre Eingliederung für die Aufnahmegesellschaft als unproblematisch gestaltet. Der zweite Artikel, in welchem die Sprache thematisiert wurde (Art. 4 »Förderung der Integration«), baute auf dieser in Art. 3 etablierten Prämisse auf. So wurden die Fördermassnahmen von Kanton und Einwohnergemeinden (Basel, Riehen und Bettingen) in mehreren Absätzen (Abs. 1, 3, 6 und 7) ausformuliert, wobei der Sprachförderung ein besonderes Gewicht beigemessen wurde. Im Ratschlag (2005: 36), in welchem ein erster Entwurf des Artikels dem Grossen Rat vorgelegt wurde, hatte man die Sprache in Zusammenhang mit diesem Artikel denn auch als »Schlüsselkompetenz« beschrieben.

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Förderung der Integration § 4 Kanton und Einwohnergemeinden berücksichtigen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Integrationsziele. Sie schaffen günstige Rahmenbedingungen für die Chancengleichheit, die Teilnahme und Mitverantwortung der Migrantinnen und Migranten am gesellschaftlichen Leben und für die Mitsprache der Migrantinnen und Migranten bei der Umsetzung der Integrationsförderung. […] 3 Sie fördern insbesondere den Spracherwerb, das berufliche Fortkommen, die Gesundheitsvorsorge sowie Massnahmen, welche das gegenseitige Verständnis zwischen den Einheimischen und der Migrationsbevölkerung verbessern und ein gedeihliches Zusammenleben zum Ziel haben. […] 6 Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber informieren ihre ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Angebote zur Integrationsförderung. Sie unterstützen den Besuch von Sprach- und Integrationskursen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. 7 Nichterwerbstätige, insbesondere Frauen, werden vom Kanton über die Angebote zur Integrationsförderung informiert und beim Spracherwerb unterstützt. [Betonung nicht im Original]

Insbesondere in Art. 4 wird deutlich, inwiefern sich seit dem ersten diskursiven Ereignis eine Verschiebung vollzogen hat, sodass der Sprache in der Zwischenzeit eine prioritäre Bedeutung im Massnahmenkatalog der Integrationsförderung zuteil wurde, welche sich nicht nur auf den schulischen Kontext beschränkt. Mittlerweile wird vor allem die Sprachförderung der erwachsenen Ausländerinnen und Ausländer gefordert. Der Sprachartikel kann somit als emblematisch für diesen Diskurs verstanden werden, da in ihm die Korrelation zwischen Sprache und Integration am klarsten zu Tage tritt. 5.5.3.3 Operationalisierung des Sprachartikels: Die Integrationsverordnung Die Umsetzung des Integrationsgesetzes wird anhand der »Verordnung zum Gesetz über die Integration der Migrationsbevölkerung« (kurz Integrationsverordnung oder IntV) geregelt. Ein spezieller Sachverhalt ist in dieser Verordnung von besonderem Interesse: Es wird näher dargelegt, wofür »die Sprache« steht. In Art. 5 Abs. 3 heisst es, dass »gute Kenntnisse einer Landessprache« für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung berücksichtigt werden können. Wie bereits dargelegt, wurde diese Formulierung vorgezogen, um eine sprachliche Übereinstimmung mit Art. 54 AuG zu signalisieren (andere Vorschläge waren z. B. »gute Sprachkenntnisse«, siehe Protokoll 2007: 95). In der IntV wird ausgeführt, dass diese Übereinstimmung tatsächlich nur oberflächlich gemeint ist. Die Basler Behörden meinen damit de facto die Beherrschung der lokalen

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Amtssprache, ergo Deutsch. In Art. 1 heisst es explizit, dass eine Person dann als integriert gilt, »wenn sie die deutsche Sprache in einem Ausmass beherrscht…«: Integration § 1. Eine Person gilt im Sinne von §§ 1 und 3 Abs. 3 Integrationsgesetz als integriert, wenn sie: a) die schweizerische Rechtsordnung, insbesondere deren Grundwerte, respektiert, b) die deutsche Sprache in einem Ausmass beherrscht, dass sie in der Lage ist, selbständig in den Angelegenheiten des täglichen Lebens zu handeln und c) sich mit den hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen auseinandersetzt, um am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilnehmen zu können.

Ob es sich bei der »deutschen Sprache« um die Standardsprache oder aber um den Dialekt (Schweizerdeutsch) handelt, wurde nicht ausgeführt, obwohl dies eine der einzigen Stellen in der gesamten Integrationsrechtsprechung des Kantons Basel-Stadt ist, wo »die Sprache« spezifiziert wird. Es wurde verpasst, sich tiefgründig mit dieser Materie auseinanderzusetzen. Der VerordnungsArtikel zeigt viemehr auf, dass die Sprache nicht mehr nur als Schlüssel zur Integration gehandelt, sondern auf Gesetzesebene mittlerweile auch als Indikator der Integration definiert wurde. Es wurde in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit den »gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen« als Integrationsziel formuliert, wie dies bereits in den Motionen Simmen/ Bircher der Fall gewesen ist (»Zugang zur schweizerischen Umwelt«; siehe 5.4). Die Verordnung regelt des Weiteren die Umsetzung des Sprachartikels mittels des Instruments der Integrationsvereinbarungen. In Art. 7 Abs. 2 der Verordnung wurden die für die Integrationsvereinbarungen erforderlichen Sprachniveaus ausformuliert: § 7 Integrationsvereinbarung (§ 5 Integrationsgesetz) […] 2 Die in der Integrationsvereinbarung festzuhaltenden Einzelheiten können umfassen: a) den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache: Alphabetisierung, Niveau A1, A2 oder B1 gemäss Europäischem Referenzrahmen; nachzuweisen durch Vorlegen einer Bestätigung eines mit ernsthaftem Engagement absolvierten Kurses und/oder eines Zertifikats über die Absolvierung eines anerkannten Sprachkurses mit bestandener Prüfung innert festgelegter Frist.

Diesbezüglich fällt auf, dass die erwarteten Niveaus nicht allzu hoch sind (»Alphabetisierung«, A1, A2 oder B1). Das könnte die Fragen aufwerfen, ob die sich auf einem solchen Niveau bewegenden Sprachkenntnisse als der Schlüssel für schulischen/ beruflichen Erfolg, strukturelle Integration und soziale Mobilität verstanden werden können oder ob sich diese Integrationsmassnahme tatsächlich auf das in Art. 1 IntV formulierte Ziel beschränkt: »die deutsche

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Sprache in einem Ausmass beherrscht, dass sie in der Lage ist, selbständig in den Angelegenheiten des täglichen Lebens zu handeln«; wobei wiederum nicht erklärt wird, wofür die Bezeichnung »tägliches Leben« de facto steht. Obwohl also in der IntV diverse Spezifizierungen in Bezug auf die Sprache und die für die Integrationsverordnung gedachten Niveaus angebracht worden sind, brechen diese die ideologische und ideologisierte Verschachtelung von Sprache und Integration keineswegs auf. Die diskursive Wertposition, dass Integration durch Sprache erfolge, wurde lediglich in ihrer politischen Implementierung weitergeführt. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da eine Verordnung per definitionem ein Gesetz in seiner Umsetzung definiert. Und wenn man sich den regulativen Charakter des Diskurses vor Augen führt, realisiert man, dass die Verschleierung bestimmter Aspekte durchaus funktional sind. Zu detaillierte Spezifizierungen würden die Common Sense-Ansprüche des Diskurses und der damit zusammenhängenden Ideologien in Frage stellen.

5.6

Schlussfolgerungen

Wenn man die Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache« auf der Ebene des Kantons Basel-Stadt noch einmal kurz Revue passieren lässt, kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen: Im Basler Kontext stand die Schlüsselmetapher seit Beginn in enger Verbindung mit dem Prinzip des »Förderns und Forderns«. Diese Verbindung trat im ersten diskursiven Ereignis (Integrationsleitbild) noch nicht so deutlich zum Vorschein, weil die Sprache primär im Kontext der obligatorischen Schule betrachtet wurde. Dennoch wurde die Sprache bereits hier als Voraussetzung für schulische und berufliche Integration gehandelt, womit die Metapher implizit ohnehin durchschimmerte und die Positionen, welche die beiden Elemente des Förderns und Forderns antizipierten, im Diskurs bereits eingenommen worden waren. Obwohl in diesem ersten diskursiven Ereignis das Fördern noch merklich im Vordergrund stand, wurde auch schon die Möglichkeit eines Sprachkurs-Obligatoriums andiskutiert. Das Fordern zeichnete sich dadurch bereits ab; allerdings auch die Idee, dass Sprachkenntnisse Auskunft über den Stand der Integration einer ausländischen Person geben könnten. Gleichermassen wurde im Integrationsleitbild der Sprache noch nicht ein derartiges Gewicht eingeräumt, wie dies später im Rahmen des zweiten diskursiven Ereignisses, dem Integrationsgesetz, geschehen sollte. Im Vordergrund stand vielmehr die Neuausrichtung der Basler Integrationspolitik, in welcher der neue Potenzialansatz prominent figurierte. Mit der Neuorientierung war die Idee verbunden, die Chancengleichheit als gemeinsames Ziel zu deklarieren. Chancengleichheit wurde als gesamtgesellschaftliches Phänomen gefasst (siehe z. B. Terkessidis 2010), doch wird anhand

Schlussfolgerungen

205

des Artikels und der dazu gehörigen Erläuterung ersichtlich, dass nach wie vor eine Defizitbehebung im Vordergrund stand, welche programmatisch aufs Individuum abzielte und die »Defizite« nicht systembedingt verstand resp. sie in einen grösseren Zusammenhang setzte. Als Massnahme wurde nicht zuletzt auf die Sprachförderung gesetzt. Der als kausal konstruierte Zusammenhang zwischen Spracherwerb, Integration, sozialer Mobilität und Chancengleichheit unterfütterte diese politische Stossrichtung. Im Rahmen des zweiten diskursiven Ereignisses änderten sich die diskursiven Vorzeichen nur marginal. Tatsächlich kam es zu einer Verdichtung des Diskurses. Im Basler Integrationsgesetz wurde das Prinzip des »Fördern und Forderns« zentraler Bestandteil des Inhaltes und der Massnahmen, wobei dem Sprachartikel (Art. 5) eine besondere Rolle zuteil wurde. Man kann durchaus argumentieren, dass dieser Sprachartikel die emblematische Ausgestaltung des Prinzips darstellt. Er wurde deshalb gar zum »Schicksalsparagraphen« des Integrationsgesetzes hochstilisiert; dies jedoch auch, weil er den umstrittensten Punkt der Debatte darstellte. Dies deutet darauf hin, dass die Interessenspositionen stark umkämpft waren. Dennoch konnten in einem Kompromiss beide Positionen in diesem Artikel vereinigt werden: Zum einen wurde die Sprachförderung explizit als Mittel zur Erreichung der Integrationsziele definiert, zum anderen sollte die Befolgung dieser Förderung gesetzlich eingefordert werden – zumindest von einem bestimmten Teil der ausländischen Bevölkerung. Das Fordern rückte in den Vordergrund, womit auch die Sprache immer stärker zum Indikator der Integration und der Integrationsbereitschaft wurde. Im Rahmen dieses Ereignisses lässt sich jedoch nicht nur ein Prononcieren der beiden Positionen wahrnehmen, sondern auch die Vermengung unterschiedlicher Argumente, was als diskursive Verkürzung fungiert. Während der Integration im ersten diskursiven Ereignis die Funktion zugesprochen wurde, Chancengleichheit zu realisieren, wurde diese Rolle im zweiten Ereignis vornehmlich der Sprache zugeordnet. Gleichzeitig fällt auf, wie Chancengleichheit beinahe schon zu einem assoziativen Schlagwort von Integration geworden war. Eine derartige Assoziierung erfolgte jedoch kaum zufällig, indexierte diese doch die diskursive Positionierung der baselstädtischen Integrationspolitik. Somit kann auch auf kantonaler Ebene die gesetzliche Manifestierung des Diskurses »Integration durch Sprache« festgestellt werden. Ebenso emergiert die Common Sense-Annahme, dass Sprache nicht nur Schlüssel, sondern auch Indikator der Integration sei. Darauf leitet sich schliesslich ab, dass der Spracherwerb nicht nur zu fördern, sondern auch einzufordern sei. In beiden Ereignissen lassen sich des Weiteren etliche Beispiele von Entextualisierungen finden, welche die intertextuellen Verbindungen zwischen Bund und Kanton verdeutlichen. Dies hat zum einen mit der politischen Struktur der Schweizer Demokratie zu tun, zum anderen mit den politisch-ökonomischen

206

Die kantonale Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«

Bedingungen, welche Ende der 1990er-Jahre in der Schweiz herrschten. Diese krisenbedingten Transformationen haben in der Ausländerpolitik einen Umschwung veranlasst, so dass man sich nicht nur von Rotation und Assimilation verabschiedete, sondern in der stattdessen lancierten Integrationspolitik den Fokus von der beruflichen Anstellung als Integrationsmotor auf die Sprache – auf Bundes-, aber auch auf Kantonsebene. Die Entextualisierungen zeigen jedoch nicht nur auf, dass sich ein Diskurs nicht losgelöst von den (politischökonomischen) Möglichkeitsbedingungen und sozialer Praxis betrachtet lässt; sie illustrieren auch, wie Ideologisierungsprozesse funktionieren. So sind die in den Motionen Simmen/ Bircher eingebrachten Formulierungen teilweise aus vorhergehenden Texten entnommen, bilden aber gleichzeitig die Grundlage für weitere Entnahmen. Die Entextualisierungen verlaufen zudem nicht rein linear, sondern auch zirkulär : Nicht nur werden national produzierte Texte in den Kantonen rezipiert und entextuell reproduziert, auch kantonale Texte werden für Gesetzentstehungsprozesse auf nationaler Ebene als Wissen konsultiert. Dadurch werden nicht nur die Herkunftstexte zu legitimen Produkten der Wissensproduktion; die durch Entextualisierungen gefütterten Texte gewinnen an Legitimität, indem sie sich in die Reihe dieser Wissensproduktion einfügen (Urban 1996). Diese Prozesse fügen sich nahtlos in die Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache« ein, unterstützen diesen, werden gleichzeitig aber auch durch ihn gesteuert, so dass es im Endeffekt keine mögliche Gegenposition mehr geben kann, wie die Analyse der beiden Ebenen aufgezeigt hat. Ob bzw. inwiefern sich der Diskurs ausserhalb des politischen resp. legiferierenden Feldes reproduziert, welche Positionen er zulässt und welche Positionen von Akteuren eingenommen oder ihnen zugewiesen werden, wird im nächsten Kapitel geklärt.

6

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

6.1

Einleitung

Die Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache« auf nationaler und kantonaler Ebene (siehe Kapitel 4 resp. 5) zeichnet sich durch die Wertposition aus, dass Sprachkenntnisse für die Integration die wichtigste Voraussetzung darstellen. Aufgrund dieser Prämisse kann die Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« als emblematische Versprachlichung des Diskurses betrachtet werden. Besonders im nationalen Kontext wurde diese Metapher im politischen Feld von diversen Akteuren reproduziert und in ihre Aussagen inkorporiert. Auch wenn die Reproduktion auf kantonaler Ebene nicht identisch ausgefallen ist und sich anfänglich auf den schulischen Kontext beschränkte, hatte der Diskurs seine Wirkung im Sinne einer argumentativen Logik bereits entfaltet. Sowohl auf der politischen wie auch auf der diskursiven Ebene hat sich gezeigt, dass die Metapher (oder sinngemäss verwandte Formulierungen/ Aussagen) zur Verfolgung unterschiedlicher Ziele eingesetzt wurde, die sich zum einen durch einen fördernden Ansatz zu Fragen der Integration auszeichneten, zum anderen vor allem auf das Fordern ausgerichtet waren (insbesondere bezüglich des Spracherwerbs). Der Diskurs »Integration durch Sprache« ist somit durch zwei mögliche Interessenspositionen strukturiert, die als Fördern und Fordern bezeichnet werden können; Positionen welche die Integrationspolitik als Ganzes und/ oder die Integrationsfunktion der Sprache infrage stellen, werden hingegen nicht akzeptiert (d. h. sie werden im Gesetzentstehungsprozess nicht berücksichtigt). Die zwei legitimen Positionen sind im integrationspolitischen Prinzip »Fördern und Fordern« nicht nur nominell, sondern auch ideologisch enthalten: Das Prinzip widerspiegelt die offizielle Haltung, wonach Integration eine bidirektionale und gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, welche aus Geben und Nehmen resp. Rechten und Pflichten besteht. Der Staat verpflichtet sich dazu, Integrationsmassnahmen finanziell zu unterstützen und strukturelle Barrieren abzubauen. Gleichzeitig wird von der ausländischen Bevölkerung verlangt, im Be-

208

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

mühen um ihre Integration einen entsprechenden Willen und Eigeninitiative zu zeigen; so z. B. die ortsübliche Sprache zu lernen (siehe Kapitel 6). Wenn nötig könnte dieser Forderung durch aufenthaltsrechtliche Sanktionen Nachdruck verliehen werden, wie dies in den Sprachartikeln artikuliert wird. Das Prinzip »Fördern und Fordern« ist dadurch zu einer Formel mit spezifischer diskursiver Funktion geworden – in Bezug auf den Diskurs »Integration durch Sprache«, aber auch im gesamten integrationspolitischen Gefüge des Bundes sowie des Kantons Basel-Stadt. Da Fördern und Fordern von den einzelnen Akteuren und Parteien mit ihren jeweiligen Interessen unterschiedlich gewichtet werden, versinnbildlicht das Prinzip den Versuch, potentiell divergente politische Positionen zu vereinen. Es bietet einen politischen und sozialen Kompromiss in einem Feld, das aufgrund unterschiedlicher ideologischer Ansichten und Interessen auseinanderzubrechen droht. Obwohl also die Positionen des Förderns und des Forderns auf den ersten Blick konträr wirken, bedingen sie einander im Endeffekt. Die einseitige Betonung der einen Position findet in der Schweiz im aktuellen politischen Feld der Integration kein Gehör und wird in die Aussengebiete des Diskurses relegiert. Die beiden Positionen sind gerade in ihrer diskursiv hergeleiteten Kontrarität als binäre Opposition komplementär. Die binäre Oppostion wird (z. B. durch L¦vyStrauss 1962) als Denksystem beschrieben, welches Sinnherstellungen durch universelle Gegensatzpaare ermöglicht. Aus diesem Grund bedingen sich die Bestandteile eines solchen Paares und existieren gerade in und durch die Abgrenzung voneinander. Genauso wenig wie die beiden Positionen eigentlich konträr sind, bilden sie auch keine Gegenposition zum Diskurs, da sie die dem Diskurs zugrunde liegende Prämisse nicht in Frage stellen (die Sprache als Schlüssel/ Indikator einer erfolgreichen Integration). Die diskursive und ideologische Anwendung des Prinzips »Fördern und Fordern« hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Politik (z. B. in der Artikulation von Gesetzen), sondern auch auf die Praxis der Integrationsarbeit. Da die Integrationspolitik in den Kantonen umgesetzt wird, soll die kantonale Praxis betrachtet werden. In Basel wurde diese Praxis durch das Integrationsgesetz zum einen neu ausgerichtet, zum anderen stark thematisiert, so dass hier ein hoher Reflexionsgrad bei Expertinnen und Experten aber auch bei Praktikerinnen und Praktikern zu erwarten ist. Es stehen bei der Analyse insbesondere zwei Fragen im Zentrum: Erstens, wie Fördern und Fordern als handlungsanleitende Prinzipien in die Praxis integriert resp. umgesetzt werden; zweitens, wie praxisbezogene Akteure das »Fördern und Fordern« interpretieren, wie sie es in Bezug zu ihrer persönlichen Arbeit setzen und welche Bedeutung sie dem Prinzip zuweisen. In dieser Hinsicht ist der Zusammenhang zwischen »Fördern und Fordern« mit dem Diskurs »Integration durch Sprache« von besonders grossem Interesse, denn wie im vorherigen Kapitel ersichtlich, haben sich gerade

Einleitung

209

in Basel die Diskussionen zum Integrationsgesetz am Sprachartikel entzündet, womit die Förderdung resp. Einforderung des Spracherwerbs zum Kristallisationspunkt der Debatte geworden ist. Um diesen Fragen nachzugehen, werden 15 Interviews mit Expertinnen und Experten mittels interpretativer Repertoires analysiert, die in unterschiedlichen Positionen im Gebiet der Integrations- oder Migrationsarbeit tätig sind und sich von den Entwicklungen des Diskurses in Bezug auf Inhalt, Aufgaben oder rechtlichen Rahmen getroffen sehen. Die meisten dieser Expertinnen und Experten sind in Basel-Stadt tätig.84 Die Analyse zielt darauf ab, diskursive Muster zu finden, um aufgrund solcher intern konsistenter und gebundener Spracheinheiten die Organisation eines bestimmten Diskurses zu eruieren (Potter/ Wetherell 2007[1987]; siehe 3.3). Dies zeigt auf, welche Positionen und Aussagen in einem Diskurs möglich sind, wie diese Positionen diskursiv zugewiesen und wie Aussagen sprachlich realisiert werden. Damit soll untersucht werden, wie der Diskurs »Integration durch Sprache« innerhalb des praktischen Feldes zirkuliert, ausgehandelt und (re)produziert wird, sprich wie sich der Diskurs der Praxis gestaltet. Des Weiteren wird der Fokus darauf gelegt, welche Bedeutung die interviewten Akteure dem Sprachartikel zuschreiben und wie sie sich diesbezüglich positionieren. Zur Einbettung der Analyse wird zunächst kurz zusammengefasst, welche Themen und inhaltlichen Punkte in den Interviews angesprochen wurden. Danach werden die beiden interpretativen Repertoires »Fördern« und »Fordern«, welche von den Akteuren herangezogen werden, in ihrer Beschaffenheit beschrieben und voneinander unterschieden. In einem weiteren Schritt werden die diskursiven Funktionen der Repertoires dargelegt, die wiederum Selbst- und Fremdpositionierungen bedingen. Dadurch wird ersichtlich, wie sich die Grenzen des Diskurses gestalten, d. h. inwiefern und ob die Repertoires das Feld des Sagbaren umspannen oder ob es eine Möglichkeit für Gegenpositionen gibt. Dieser Schritt erlaubt seinerseits, etwaige Lücken im Diskurs aufzudecken: Was wird nicht gesagt und was bedeutet dies in Bezug auf die Effekte resp. Konsequenzen des Diskurses gerade in Bezug auf die Praxis? Dieser letzte Punkt wird im folgenden Schlusskapitel vertieft diskutiert, wo der Diskurs der Praxis mit demjenigen der Gesetzgebungsprozesse bezüglich Lücken und Konsequenzen verglichen wird. Im Endeffekt ermöglicht die Analyse der Interviews einen komplementären und weiterführenden Blick auf das diskursive Regulativ »Integration durch Sprache« und die Konsequenzen seiner Reproduktion.

84 Für eine Übersicht und Beschreibung der interviewten Personen siehe 3.1.3.3.

210

6.2

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

Thematik der Interviews

Die Interviews weisen aufgrund der unterschiedlichen Hintergründe, Tätigkeiten und Persönlichkeiten der interviewten Expertinnen und Experten Variabilitäten in Dauer, Themen und Tiefe auf. Grundsätzlich wurde in allen Interviews die Entwicklung der Schweizer/ Basler Integrationspolitik und ihr zunehmender Fokus auf die Sprache als Integrationsfaktor primär thematisiert. Diesbezüglich gilt zu erwähnen, dass der Grossteil der Interviews in der Umsetzungsphase der Gesetze (AuG und IG) durchgeführt wurde, d. h. kurz vor resp. nach Inkraftsetzung beider Gesetze (2007 – 2008). Aufgrund ihrer direkten Relevanz und Konsequenz für die Praxisfelder der interviewten Akteure wurden das Basler Integrationsgesetz und der Sprachartikel prominent behandelt. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Interviews zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurden, als das Gesetz noch nicht oder erst seit Kurzem in Kraft war, konnten die tatsächlichen reellen und materiellen Konsequenzen von den interviewten Akteuren nicht immer eingeschätzt werden. Potentielle Effekte auf die eigene Tätigkeit wurden dennoch (oder gerade deswegen) zu einem viel diskutierten Thema. Mutmassungen gab es so z. B. bei den interviewten Sprachlehrpersonen über die im Sprachartikel eingefügte »Engagement«-Formulierung und deren Auswirkungen auf ihre Lehrtätigkeit. Es stand die Frage im Raum, ob sie eine »Polizei-Funktion« übernehmen müssten. Unter den Interviewten war eine generelle Skepsis gegenüber diesem Artikel hinsichtlich seiner Wirksamkeit spürbar. Der Artikel wurde gar als der Lernmotivation abträglich rezipiert. Auch die der ausländischen Bevölkerung vermittelte Botschaft von Sanktion und Zwang wurde problematisiert. Zustimmung erhielt jedoch die prinzipielle Ausrichtung der Integrationspolitik, die sich im Prinzip des Förderns und Forderns ausdrückt. Zentrale Schlagworte, die in den Interviews vorkamen, waren denn auch Fördern und Fordern, genauso wie Geben und Nehmen resp. Rechte und Pflichten. Ein weiteres wesentliches Thema der Interviews war der integrationsspezifische Tätigkeitsbereich der einzelnen Akteure. So wurde besprochen, worin diese Tätigkeit (ob »Beruf«, Ausbildung oder politisches Engagement) bestand, inwiefern diese mit der Integrationspolitik Basels zusammenhing und ob/ inwiefern sie mit dem (damals neuen) Integrationsgesetz verbunden war (in Bezug auf Konsequenzen des Gesetzes, Mitwirkung im Gesetzgebungsprozess etc.). Schliesslich übt die persönliche Tätigkeit im Bereich der Integration und/ oder Integrationspolitik eine gewichtige Rolle auf das Verständnis der eigenen Position, der politischen Situation und des Handlungsbedarfs aus. Wobei auch die Gestaltung des Tätigkeitsbereiches von persönlichen politischen Überzeugungen beeinflusst wird. Grundsätzlich könnte alleine die Tatsache, dass sich jemand in diesem Bereich engagiert, auf eine bestimmte politische Positionierung

Fördern und Fordern

211

hinweisen. Aus diesem Grund wurde in jedem Interview nach einer persönlichen »Definition« von Integration gefragt, um das Verständnis der einzelnen Akteure zu diesem Schlagwort und die interpersonellen Unterschiede sowie Überschneidungen zu erfassen. Im Allgemeinen sind allfällige Muster in Reproduktion resp. Variation jedoch nicht etwa nur auf persönliche Präferenzen oder Interpretationen zurückzuführen, sondern verweisen vielmehr auf den Diskurs, die darin möglichen Aussagen und Positionen. Die Aussagen werden somit als Positionierungsstrategien gelesen, die anhand bestimmter interpretativer Repertoires erfolgen. In Zusammenhang mit der Basler Integrationspolitik und dem Fokus auf Sprache wurden von den interviewten Personen und von mir als Interviewerin somit unterschiedliche Punkte angesprochen. In der Analyse wird es jedoch weniger darum gehen, aufzuzeigen, was die interviewten Expertinnen/ Experten zu den einzelnen Themen geäussert haben, sondern wie sie sich mittels der interpretaitven Repertoires Fördern und Fordern im bzw. zum Diskurs positionieren.

6.3

Fördern und Fordern: die interpretativen Repertoires des Diskurses »Integration durch Sprache«

Bereits während der Interviews wurde ersichtlich, dass die Akteure sich vor allem zweier interpretativer Repertoires bedienten, anhand derer sie sich innerhalb des Diskurses »Integration durch Sprache« positionierten und die diskursiven Ereignisse interpretierten: die Repertoires des Förderns und des Forderns. Dieser erste Eindruck wurde durch das wiederholte Anhören der Aufnahmen und Lesen der Transkriptionen bestätigt. Die Verwendung genau dieser beiden Repertoires in den Aussagen ist durch die oben ausgeführten politischen und diskursiven Entwicklungen (Kapitel 4 und 5) bedingt und hängt mit der regulativen Struktur des Diskurses zusammen. Die interpretativen Repertoires des Förderns und Forderns ermöglichen den Akteuren, sich auf eine bestimmte Art und Weise zum Phänomen der lokalen und nationalen Integrationspolitik zu äussern, sodass ihre Aussagen von anderen (realen oder imaginären) Diskursteilnehmern adäquat rezipiert und interpretiert werden. Ferner vermögen Akteure anhand der Repertoires die Ereignisse und Entwicklungen der Integrationspolitik zu interpretieren und analog zu ihrem »Weltbild« ideologisch zu situieren. Nicht zuletzt ermöglichen die Repertoires eine Interpretation der sich in der Praxis entfaltenden Umsetzungen des Fördern resp. Fordern. Gerade weil sich also die Integrationspolitik in zwei konträre, vor allem aber auch komplementäre Lager aufteilt, verfügen die beiden Repertoires über eine Funktion der Sinnherstellung. Dies hängt damit zusammen, dass sie ganz

212

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

grundsätzlich die im Diskurs möglichen Positionen und Aussagen darstellen. Bei der Illustration einzelner Repertoires, Strategien oder Ähnlichem soll im Übrigen nicht eine Repräsentativität insinuiert oder eine Rekurrenz markiert werden. Das Ziel ist vielmehr, die Relevanz der Repertoires in Bezug auf das Wirken des Diskurses aufzuzeigen. Das Typische und nicht das Allgemeine steht somit im Fokus der Analyse, wodurch die Besonderheit der Repertoires hervorgehoben wird. Aus diesem Grund wird auch nicht eine Unmenge von Ausschnitten aus allen Interviews vorgestellt. Es steht vielmehr der Versuch an, spezifische Ausschnitte im Detail in ihren diskursiven Funktionen zu analysieren. Die Bezeichnung der sich zu interpretativen Repertoires herausschälenden Muster als »Fördern« resp. »Fordern« bietet sich aufgrund der Relevanz der beiden Begriffe an, die im politischen Prinzip »Fördern und Fordern« zusammengefasst werden – für die nationale, aber vor allem für die kantonale Integrationspolitik. Mit anderen Worten wird durch die Wahl dieser Bezeichnung die Bedeutung der lokalen Bedingungen hervorgehoben. Gleichzeitig beziehen sich die interviewten Akteure explizit auf dieses Prinzip des »Förderns und Forderns« und positionieren sich entsprechend. Die Bezeichnung ist somit etisch (externe Analysekategorie) wie auch emisch (in der Interaktion emergierend). So werden in den Interviews die beiden Bestandteile des Prinzips auf der einen Seite als konträr, auf der anderen aber auch als komplementär konstruiert, wie im folgenden Ausschnitt ersichtlich wird. Bevor dieser präsentiert wird, soll noch kurz erläutert werden, dass nach Möglichkeit jeweils die Fragen der Interviewerin oder die einleitenden Äusserungen der interviewten Person in den Ausschnitten mitberücksichtigt werden, um die präsentierten Aussagen zu kontextualisieren. Wie zuvor werden in den folgenden Ausschnitten die diskursiv relevanten Stellen kursiv markiert; Stellen, welche augenfällige Instanzen von Reproduktion, Zirkulation und Entextualisierung von in Kapiteln 4 und 5 präsentierten resp. besprochenen Diskurselementen enthalten, werden unterstrichen. Die Übertragungen ins Standarddeutsch erfolgen im Anschluss an das Zitat. Die in den Ausschnitten enthaltenen Einschübe (z. B. [mhm] oder Pausen) werden in der Besprechung der einzelnen Interviews nicht abgebildet.85 MF =mhm / aso me het sone defizitärs- sone defizitäre zuegang zu däm thema I08 mhm [mhm] und ich mein jetzt mit dem neue- mit de neue asyl und usländer gsetzaso em revidierte asylgsetz (.h) isch ja (.) öbbis wo wo jetzt würklech wo me müessti nutze isch das d integration als priorität wird / das isch s einte und s ander das es drum gaht das ebe sowohl d ufnahmegseuschaft wiä die ufgnoh- ufgnohne an dem prozäss teilnämmet [mhm] odr und wenn me das ernscht nimmt denn hätt das

85 Für Informationen zur Transkription siehe 3.1.3.3.

Fördern und Fordern

213

eigentlech sehr en grosse ifluss [mhm mhm] / das heisst es gaht nid numme um (.) um (.) fordere sondern es gaht würklich aso vo mir här gseh gahts drum das me denn au würklech zum könne fördere au alles zur verfüegig stellt was es brucht [mhm] / segs jetzt sprachkurs segs integrationskürs (.h) ähm segs zum bischpiu das me würklech migrantinne und migrante meh als ernschthafti akteurinne und akteure (.) i verschidnig beriche und verschiedne stufe au in kaderstuefe ibezieht [mhm] damit s würklech das mitenand so quasi immer au uf glicher ebeni cha statt finge

Standarddeutsche Version: MF =mhm / also man hat so einen defizitärs- so einen defizitären zugang zu dem thema I08 mhm [mhm] und ich meine jetzt mit dem neuen- mit dem neuen asyl und ausländer gesetz- also dem revidierten asylgesetz (.h) ist ja (.) etwas was was jetzt wirklich was man nutzen müsste ist dass die integration als priorität wird / das ist das eine und dass andere dass es darum geht dass eben sowohl die aufnahmegesellschaft wie die aufgenomm- aufgenommenen an dem prozess teilnehmen [mhm] oder und wenn man das ernst nimmt dann hätte das eigentlich einen sehr grossen einfluss [mhm mhm] / das heisst es geht nicht nur um (.) um (.) fordern sondern es geht wirklich also von mir her gesehen gehts darum dass man dann auch wirklich um fördern zu können auch alles zur verfügung stellt was es braucht [mhm] / sei dies jetzt sprachkurs sei dies integrationskurse (.h) ähm sei dies zum beispiel dass man wirklich migrantinnen und migranten mehr als ernsthafte akteurinnen und akteure (.) in verschiedenen bereichen und verschiedenen stufen auch in kaderstufen einbezieht [mhm] damit das wirklich das miteinander so quasi immer auch auf gleicher ebene statt finden kann Ausschnitt 1: Fordern versus Fördern

Dieser erste Ausschnitt ist dem Interview mit einer Informantin entnommen, die in Bern als Verantwortliche für Bildungs- und Sprachenfragen einer NGO arbeitet, die sich mit der Schweizer Flüchtlings- und Migrationspolitik auseinandersetzt. Ihre Verantwortlichkeit umfasst u. a. Projektkoordination, Beratungen und Medienarbeit. Durch ihre Funktion ist die Informantin primär mit dem integrationspolitischen Geschehen auf Bundesebene verbunden, doch ist sie auch über kantonale Entwicklungen informiert. So ist ihr gerade die Integrationspolitik Basels vertraut; nicht zuletzt weil Basel-Stadt in diesem Bereich eine Pionierrolle zukommt und die baseldstädtische Politik schweizweit diskutiert wird. Ihre Aussagen beziehen sich nicht ausschliesslich auf den Basler Kontext, sondern allgemeiner auf die Entwicklung der Schweizer Integrationspolitik. In ihrer Aussage oben bezieht sich die Informantin nun explizit auf den Diskurs »Integration durch Sprache« (»segs jetzt sprachkurs segs integrationskürs«) indem sie die beiden Begriffe »fordere« und »fördere« derart kontrastiert, dass aus diesen Begriffen vollumfänglich oppositionelle politische

214

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

Konzepte resp. Positionen werden, die entsprechend unterschiedliche integrationspolitische Konsequenzen nach sich ziehen. Die Integration wird von ihr als eigentliches Ziel deklariert, wobei ihre persönliche Intepretation lautet, dass es dazu eine tatsächliche Förderung (»das me denn au würklech zum könne fördere au alles zur verfüegig stellt was es brucht«) mit entsprechendem Angebot brauche (»alles zur verfüegig stellt was es brucht«) und nicht nur ein Fordern (»es gaht nid numme um fordere«). Das Fordern wird nicht näher erläutert, steht hier diskursiv aber klar in Abgrenzung zum Fördern. Aufgrund dieser diskursiv vollzogenen Binarisierung der in der Integrationspolitik vorhandenen Positionen emergieren Fördern und Fordern denn auch als interpretative Repertoires. Die Informantin braucht die beiden Repertoires um aufzuzeigen, welche Positionen und damit verbundenen Vorstellungen von der Umsetzung der Integrationspolitik ihrem Empfinden nach vorhanden sind. Durch die Kontrastierung kann sie zudem eine persönliche Wertung einfliessen lassen. Das Fördern streicht sie positiv heraus und positioniert sich dadurch im politischen Feld. Die Repertoires erlauben der Informantin somit, explizite und im diskursiven Feld erkennbare Zuweisungen vorzunehmen, die in diesem Kontext mit bestimmten Vorstellungen und Intepretationen verbunden sind und die offensichtlich keiner zusätzlichen Spezifizierung oder Erklärung benötigen. Weder »fordere« noch »fördere« wird im obigen Ausschnitt näher dargelegt, sondern anscheinend sowohl von Informantin wie Interviewerin als legitime konzeptuelle, praktische und vielleicht sogar ideologische Opposition akzeptiert. Diese fast schon ideologisierende Wiedergabe von Fördern und Fordern (d. h. ohne Erklärungen) verweist auf den in der Schweizer Integrationspolitik dominanten Diskurs, wie er in den Gesetzentstehungsprozessen anzutreffen war. Die Informantin verweist auf bestimmte Elemente dieses sich in unterschiedlichen Texten (Asyl- und Ausländergesetz) materialisierenden Diskurses, um ihn hinsichtlich der Gewichtung von Fördern und Fordern infrage zu stellen. Diese intertextuellen Bezüge unterscheiden sich somit von Entextualisierungen, die sowohl dem Ursprungs- wie Zieltext Autorität verleihen, insofern als sie als Legitimierung für die Verfolgung der eigenen Interessen dienen. So führt die Informantin auf, dass es ein bestimmtes Fördern brauche (z. B. hinsichtlich der Punkte »alles zur verfüegig stellt was es brucht« und »migrantinne und migrante meh als ernschthafti akteurinne und akteure […] ibezieht«), damit »integration als priorität wird« und »würklech das mitenand« realisiert werden könne. Diese beiden Verweise auf die offiziellen Ziele der Schweizer (und Basler) Integrationspolitik weisen die Informantin denn auch als Expertin aus, da sie dadurch ihre Sachkenntnisse kommunizieren kann. Aus diesem Grund sind die hier erfolgten intertextuellen Bezüge im Endeffekt ebenfalls als AutorisierungsStrategien zu verstehen.

Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern

215

Dieser Ausschnitt wurde detailliert und auf verschiedenen Ebenen betrachtet, damit zum einen ersichtlich wird, wie die interpretativen Repertoires von den Akteuren verwendet werden und in den Interviews zu Tage treten; zum anderen sollte gezeigt werden, inwiefern diese Repertoires sowohl mit Legitimierungsstrategien als auch mit Positionierungen verbunden sind. Diskursive Prozesse und kommunikative Strategien dieser Art erfolgten denn auch nicht nur an dieser bestimmten Stelle im Interview oder ausschliesslich bei dieser Informantin, sondern durchwegs in allen Interviews. Die beiden Repertoires sind also untrennbar mit Positionierungsakten verbunden. Bevor jedoch konkreter auf Positionierungen und auf weitere Strategien eingegangen wird, sollen die Repertoires zuerst in ihrer Beschaffenheit skizziert werden.

6.4

Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern

Wie bereits im obigen Ausschnitt angesprochen, erscheinen die Repertoires nicht etwa zufällig. In den unterschiedlichen Interviews erfolgen denn auch ähnliche wenn nicht gar identische Zuschreibungen. Konkret bedeutet dies, dass mit den beiden Repertoires spezifische Interpretationen der Integrationspolitik assoziiert werden, die von anderen Akteuren geteilt werden. Diese Assoziationen werden von den Akteuren selbst vielleicht ihrem persönlichen Empfinden zugeschrieben (oder werden zumindest als persönliche Einschätzungen deklariert), sind aber offensichtlich auf die diskursiv strukturierten Grenzen des Sagund Denkbaren zurückzuführen. Wie diese Assoziationen und Interpretationen formuliert werden, kann dagegen individueller Variabilität unterliegen, ebenso in welcher Kombination oder für welche Strategien sie eingesetzt werden. Grundsätzlich steht bei beiden Repertoires jeweils eine spezifische ideologische Prämisse im Vordergrund, ein »basic principle« nach Gilbert/Mulkay (1984), welches die davon abgeleiteten Zuschreibungen und Assoziationen bedingt. In Bezug auf das Feld der Integrationspolitik zeichnen sich nun zwei oppositionelle »principles« ab, die den Repertoires zu Grunde liegen. Diese scheinen einem unterschiedlichen Staatsverständnis zu entspringen, welches die Verantwortung primär entweder beim Staat oder aber beim Individuum ansiedelt. Das jeweilige Verständnis lässt sich auch auf den Begriff der »Integration« übertragen, wo darüber debattiert wird, ob sich z. B. die Regierung finanziell an Integrationsmassnahmen beteiligen soll oder ob die ausländische Bevölkerung zu ihrer eigenen Integration verpflichtet werden kann. In diesem Zusammenhang kommen zum Beispiel die in 2.2.1 beschriebenen unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Integration zum Tragen. Es scheint vor

216

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

allem dieser Gegensatz zu sein, der die Akteure im Bereich der Integrationspolitik in oppositionelle Lager aufteilt, wie sich bereits in den beiden letzten Kapiteln im Rahmen der Debatten zu den Gesetzen und den Sprachartikeln feststellen liess. Es ist diese fundamentale Opposition, die dazu führt, dass zwei Repertoires den Diskurs zur Integrationspolitik und der damit assoziierten Rolle der Sprache bedienen. Die unterschiedlichen »principles« und die daraus resultierenden Repertoires manifestieren sich primär auf der semantischen Ebene und in den (Selbst- und Fremd-) Positionierungen der Akteure. Wie sich dies im Detail ausgestaltet, soll im Folgenden erläutert werden. Ausgehend vom jeweiligen »basic principle« soll zuerst das Fördern-Repertoire und anschliessend das Fordern-Repertoire in seiner jeweiligen Beschaffenheit umrissen werden. Es wird versucht, die mit dem entsprechenden Repertoire zusammenhängenden Interpretationen und emblematischen Formulierungen symptomatisch herauszugreifen. In einem ersten Schritt werden die beiden Repertoires somit zunächst in ihrer diskursiv markierten Kontrarität erfasst.

6.4.1 Das Fördern-Repertoire Das »basic principle« des Fördern-Repertoires gestaltet sich folgendermassen: Der Staat bietet durch das Bereitstellen einer Infrastruktur (Finanzierung, Projektkoordination, Rechtsprechung etc.) eine Grundlage für die Integration der ausländischen Bevölkerung und fördert individuelle Integrationsbemühungen. Aus dieser Vorstellung leiten sich Einschätzungen der Verantwortlichkeiten ab, die sich auf den Diskurs »Integration durch Sprache« beziehen. Drei solcher Einschätzungen sollen etwas näher beleuchtet werden, wobei im Anschluss die oppositionelle Interpretation in Zusammenhang mit dem Fordern-Repertoire thematisiert wird. Die drei Einschätzungen lauten: – Da Sprache die Voraussetzung für die Integration darstellt, müssen entsprechende Fördermassnahmen angeboten (und ggf. finanziert) werden. – Die meisten der Betroffenen wollen die Sprache lernen. – Zwang/ Druck von Seiten des Staates kann sich kontraproduktiv auf den Lernprozess auswirken. Diese drei Interpretationen fokussieren primär die Interessen der ausländischen Bevölkerung resp. der ausländischen Individuen die vom Sprachartikel betroffen sind. Sie werden etwas näher betrachtet und durch einzelne InterviewAusschnitten illustriert.

Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern

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6.4.1.1 Finanzierung von Fördermassnahmen Dieser Punkt betrifft die Idee, dass sich die Regierung zu einer finanziellen Beteiligung an den Integrationsmassnahmen verpflichtet. Dies beruht einerseits auf der Überzeugung, dass die Integration ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist und nicht nur die ausländischen Individuen betrifft, weshalb ein Engagement der Regierung der Allgemeinheit diene. Andererseits habe die Regierung eine gewisse Verantwortung für die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes oder aber des Kantons wahrzunehmen, weshalb ein (finanzielles oder aber politisches) Engagement angemessen sei, das der Integration der ausländischen Bevölkerung dienlich sei. Im folgenden Ausschnitt spielen beide Punkte zusammen: MF mhm mhm \ aber das das me e grossi verantwortig denn bim STAAT denn asidelt odr (.) odr / I08 jä ich dänkch au dört isch widr es ZÄMMEspiele \ aso bim staat findi gahts vor allem drum- odr in dr politik- muess vilich nid staat säge sondern politIK (.) gahts drum das me wirkchlich au die finanzielli mittel zur verfüegig stellt [mhm] \ das me de RAHme zur verfüegig stellt [mhm] / und nachher isch s zämmespiel vo de (.) quasi staatliche akteurinne und nöd staatliche akteure isch natürlech sehr wichtig und es isch ganz wichtig au das me (.) dr staat aso würklich zur känntnis nimmt das ou zum bischpiu migrante migrantinne organisatione [mhm] oder netzwerkch \ odr das das ganz wichtigi partner sin wil das sin DIE organisatione oder die gruppierige wo diräkte zuegang händ zu migrantinne und zu migrante / und eigentlich als integrationsakteure (.) JA e perfäkti rolle chönnt übernäh [so ne brugge (.) funktion] mhm / und öb jetzt das freiwilligearbet isch oder e finanzierti arbet das isch uf jede fall en arbet wo me muess ernscht neh und ibezieh [mhm] \ und das isch sicher öbbis wo bis hüt no viel z wenig gmacht wird […] aso ich dänk in däm ganze integrationsberich odr / (.) wird sprach jetzt als quasi (.) die wichtigsti komponente agluegt (.) und ich bi insofern iverstande das ich find me muess e grosses agebot mache [mhm] und es agebot muemer mache würklech für ganz verschiedeni niveaus [mhm] wil es git viel lüt wo (.) analphabetinne sin \ es git lüt wo äh (.) nid e rein sprachlichi förderig bruchet sondern e sprach müen chönne eso lehre das si si in ihrem umfäld chönnt nutze [mhm] \ es git lüt wo ÜBerhaupt (.) muess massnahme ergriffe werde damit si de zuegang hän überhaupt zum in e sprachkurs z gah \ es git ganz verschiedeni ebene (.h)

Standarddeutsche Version: MF mhm mhm \ aber dass dass man eine grosse verantwortung dann beim STAAT dann ansiedelt oder (.) oder / I08 ja ich denke auch dort ist wieder ein ZUSAMMENspielen \ also beim staat find ich gehts vor allem darum- oder in der politik- muss vielleicht nicht staat sagen sondern politIK (.) gehts darum dass man wirklich auch die finanziellen mittel zur verfügung stellt [mhm] \ dass man den RAHmen zur verfügung stellt [mhm] / und nachher ist das zusammenspiel von den (.) quasi staatliche akteurinnen und nicht staatliche akteure ist natürlich sehr wichtig und es isch ganz wichtig auch dass man (.) der staat also wirklich

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

zur kenntnis nimmt dass auch zum beispiel migranten migrantinnen organisationen [mhm] oder netzwerk \ odr dass das ganz wichtige partner sind weil das sind DIE organisationen oder die gruppierungen die direkten zugang haben zu migrantinnen und zu migranten / und eigentlich als integrationsakteure (.) JA eine perfekte rolle übernehmen können [so ne brücken (.) funktion] mhm / und ob jetzt das freiwilligenarbeit ist oder eine finanzierte arbeit das ist auf jeden fall eine arbeit die man ernst nehmen muss und einbeziehen [mhm] \ und das ist sicher etwas was bis heute noch viel zu wenig gemacht wird […] also ich denk in dem ganzen integrationsbereich oder / (.) wird sprache jetzt als quasi (.) die wichtigste komponente angeschaut (.) und ich bin insofern einverstanden dass ich finde man muss ein grosses angebot machen [mhm] und ein angebot muss man machen wirklich für ganz verschiedene niveaus [mhm] weil es gibt viele leute die (.) analphabetinnen sind \ es gibt leute die äh (.) nicht eine rein sprachliche förderung brauchen sondern eine sprache so lernen können müssen dass sie sie in ihrem umfeld nutzen können [mhm] \ es gibt leute wo ÜBerhaupt (.) massnahmen ergriffen werden müssen damit sie den zugang überhaupt haben um in einen sprachkurs zu gehen \ es gibt ganz verschiedene ebenen (.h) Ausschnitt 2: Finanzierung von Fördermassnahmen

In der zweiten Hälfte des Ausschnitts bezieht sich die Informantin (verantwortlich für Sprachfragen bei einer NGO; siehe Ausschnitt 1: Fordern versus Fördern) explizit auf die integrationspolitische Gewichtung der Sprache (»in däm ganze integrationsberich odr wird sprach jetzt als quasi die wichtigsti komponente agluegt«), wodurch sie eine intertextuelle Verbindung zu den im Rahmen der diskursiven Entwicklung produzierten Gesetzen, Berichte etc. herstellt. Das Referenzieren erlaubt ihr in einem weiteren Schritt, die oben angeführten Forderungen an die Regierung zu legitimieren: Wenn schon die Sprache als wichtigste Komponente im Integrationsbereich betrachtet wird, sollte man auch ein grosses Angebot (»grosses agebot«) schaffen für die unterschiedlichen Niveaus (»ganz verschiedeni niveaus«) der Personen, die der Sprachförderungen bedürfen und dadurch den Zugang zu Sprachkursen gewährleisten. Im Endeffekt werden in diesem Ausschnitt nur diejenigen Bereiche angesprochen, in denen der Staat Massnahmen ergreifen müsste, um eine ideale Förderung zu gewährleisten.

6.4.1.2 Freiwilliger Spracherwerb Der zweite Punkt, in dem sich das Fördern-Repertoire kristallisiert, betrifft einen ganz bestimmten Aspekt des Spracherwerbs, nämlich denjenigen der Verpflichtung resp. Freiwilligkeit. Nicht nur wird der Lernzwang kritisch diskutiert (siehe 6.4.1.3), sondern auch die darin enthaltene Implikation, dass Zwang nötig sei, um die Migrationsbevölkerung zum Spracherwerb zu motivieren. Auch wenn die im Fördern-Repertoire enthaltene Interpretation des Diskurses ebenfalls von der

Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern

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Notwendigkeit des Spracherwerbs ausgeht, basiert dies auf der Vorstellung dass aufseiten der ausländischen Bevölkerung Motivation besteht. Dies wird im folgenden Ausschnitt, wiederum Informantin I08, dargelegt. I08 was mir (.) was jetzt jo au so chli in dr schwiz zur diskussion staht odr gross au so chli populistisch ufzoge worde isch isch die ganzi slogan fordern und fördern [mhm genau] das d sprach muess könne gmässe wärde und denn je nach dem bekunnt me e bessere ufenthaltsstatus über odr nid / (.) persönlich dänk ich das isch völlig die falschi (.) ähm die falschi spur und zwar nur scho dänn wil me wie äh e chli suggeriert das vieli migrantinne migrante gar nid wän [mhm] (.) sprach (.) lerne [mhm] oder sich integriere [mhm] (.) mir hän bi dr {NAME NGO} bi de integrationsprojäkt wo mir jo numme koordiniere odr die füehre mir nid sälber dure (.) was mir vo eusne projäkte ghört hen isch eigentlich eher s gägäteil \ es git sehr viel lüt wo sehr gern sehr froh sin um (.) integrationsmassnahme / gern teilnämmet \ es git viel z wenig vo däne massnahme [mhm]

Standarddeutsche Version: I08 was mir (.) was jetzt ja auch schon ein bisschen in der schweiz zur diskussion steht oder gross auch so ein bisschen populistisch aufgezogen worden ist ist die ganze slogan fordern und fördern [mhm genau] dass die sprache muss gemessen werden können und dann je nach dem bekommt man einen besseren aufenthaltsstatus oder nicht / (.) persönlich denk ich das ist völlig die falsche (.) ähm die falsche spur und zwar nur schon dann weil man wie äh ein bisschen suggeriert dass viele migrantinnen migranten gar nicht wollen [mhm] (.) sprache (.) lernen [mhm] oder sich integrieren [mhm] (.) wir haben bei der {NAME NGO} bei den integrationsprojekten die wir ja nur koordinieren oder die führen wir nicht selber durch (.) was wir von unseren projekten gehört haben ist eigentlich eher das gegenteil \ es gibt sehr viele leute die sehr gern sehr froh sind um (.) integrationsmassnahmen / gern teilnehmen \ es gibt viel zu wenige von diesen massnahmen [mhm] Ausschnitt 3: Freiwilliger Spracherwerb

Sie führt das in ihren Auge falsche Klischee, dass viele Migrantinnen und Migranten weder die Sprache lernen noch sich integrieren wollen (»das vieli migrantinne migrante gar nid wän sprach lerne oder sich integriere«) auf die populistische Inszenierung des »Fördern und Fordern« zurück. Sie weist auf eine intertextuelle Verbindung dieser vorherrschenden Vorstellungen mit dem offiziellen Diskurs und mit der gesetzlichen Umsetzung hin (»das d sprach muess könne gmässe wärde und denn je nach dem bekunnt me e bessere ufenthaltsstatus über odr nid«), doch stellt sie die Legitimität der Konstruktion als Ganzes in Frage. Ihre persönlichen Erfahrungen, die auf den von ihnen geleiteten Integrationsprojekten beruhen, würden denn auch eher darauf hinweisen, dass

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

es sehr viele Leute gebe, die um die vorhandenen Integrationsmassnahmen froh seien, von denen es schon fast zu wenig gebe (»es git sehr viel lüt wo sehr gern sehr froh sin um integrationsmassnahme gern teilnämmet es git viel z wenig vo däne massnahme«). Es liegt die Vermutung nahe, dass eine populistische Inszenierung mitsamt der (falschen) Vorstellung einer gezielten diskursiven Konstruktion dienlich wäre, welche einen bestimmten Teil der ausländischen Bevölkerung als unmotiviert und unintegriert repräsentieren würde. Auf alle Fälle wäre das direkte Resultat einer solchen Repräsentation der real wachsende gesellschaftliche, mediale und politische (u. a. gesetzliche) Druck auf die Migrationsbevölkerung, sich anzupassen und die lokale Sprache zu lernen. Dieser Druck wurde in vielen Interviews kritisch beurteilt, wie sich beispielsweise im folgenden Ausschnitt zeigt (dieses Interview fand auf Deutsch statt): ich finde diese äh deutsche sprache zu lernen [((xxx)) gut (I03b)] ist gut ja aber ist wie ein MUss [mhm] und da ich finde ist kein respekt vor die freiheit von einer person der selber entscheiden soll ja äh ist besser wenn ich deutsch spreche hm und jo ich finde wirklich eine SCHANde hm äh wie eine 50 jährige frau das wo die primarschule besucht hat für putzfrau zu sein in einer schule äh [mh] dann nicht genommen wird weil sie deutsch nicht spricht eh [mhm] ja wäre besser wenn sie deutsch für sich selber [mhm] sie könnte mehr kontakte haben und so aber heutzutage passiert wie viele fälle KEine sie werden nicht ein arbeitsplatz finden weil sie nicht deutsch sprechen und für arbeit wo deutsche sprache nicht nötig ist und ich finde wirklich eine eine (..) zuviel ja ich finde nicht (.) in ordnung MF mhm I03b sowieso wenn sie auch alle sprache gut könnten (.) ich glaube mit diesem druck von schweiz migration sie sprechen so ((hart)) über diese migration dann können sie sich auch nicht so wohl fühlen und integrieren von ihnen integrieren zu lassen man kann auch eine sprache auch kennen / (.) aber wenn man immer wieder druck gegenüber ausländer [mhm] so die schweiz ist ((xxx)) gegenüber ausländer auf jeder ebene I03

Ausschnitt 4: Druck auf Migrationsbevölkerung

Die zwei Informantinnen, beide in einer multikulturellen Beratungsstelle in Baselt tätig und mit »Migrationshintergrund«, problematisieren zwei unterschiedliche Formen des Integrationsdrucks. Obwohl erstere Informantin (I03) es befürwortet, die deutsche Sprache zu lernen (ihre Formulierung und Argumentation gleicht einer Reproduktion des offiziellen Diskurses), führt sie die Bedenken an, dass ein »Muss« die persönliche Freiheiten der Betroffenen einschränkt – jedoch ist nicht nur die Freiheit von Zwang oder Druck tangiert, sondern auch der Respekt gegenüber diesen Personen und ihrer Freiheit (im Kontext des von ihr elaborierten Beispiels spricht sie gar von »schande«). Die zweite Informantin (I03b) relativiert die Relevanz der Sprachkenntnisse im

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Hinblick auf die Integration (»man kann auch eine sprache auch kennen«). Der Druck hängt in ihren Augen auch nicht nur mit dem Spracherwerb zusammen, sondern werde in der Schweiz allgemein auf Ausländerinnen und Ausländern ausgeübt. Dass Druck von den beiden Informantinnen negativ verstanden und kontextualisiert wird, indexiert bei ihnen die Verwendung des Fördern-Repertoires. Sie zeigen sich mit der Logik des Diskurses einverstanden, dass der Spracherwerb die Integration erleichtert, doch widersprechen sie dem FordernAspekt.

6.4.1.3 Kontraproduktiver Druck auf Spracherwerb Durch das Fördern-Repertoire wird nicht nur der allgemeine Druck auf die Migrationsbevölkerung negativ beurteilt; es wird auch die Frage aufgeworfen, ob sich Lernzwang positiv auf den Lernprozess auswirken könne. Eine Informantin, die in Basel in einer Dokumentationsstelle im Bereich der Integration angestellt ist, formuliert ihre Bedenken folgendermassen: I04 mhm (..) und ob- aso äh sprochkursobligatorium (.) .h es git wirklich gueti obligatORie imene prozÄss abr sproche lehre weiss i nid aso ((xxx)) wenn d emotione nid positiv sin chasch nid so chasch nid so effektiv e sproch lehre MF (.) wenn de kei motivation hesch meinsch I04 jä / odr jä wil wenn du ((öbbis nid positiv)) willsch e sproch lehre odr [mhm] (.) isch logisch (..) isch dr lärneffäkt natürlich tiefer [mhm]

Standarddeutsche Version: I04 mhm (..) und ob- also äh sprachkursobligatorium (.) .h es gibt wirklich gute obligatORien in einem prozEss aber sprachen lernen weiss ich nicht also ((xxx)) wenn die emotionen nicht positiv sind kannst nicht so kannst nicht so effektiv eine sprache lernen MF (.) wenn du keine motivation hast meinst du I04 ja / oder ja weil wenn du ((etwas nicht positiv)) willst eine sprache lernen oder [mhm] (.) ist logisch (..) ist der lerneffekt natürlich tiefer [mhm] Ausschnitt 5: Kontraproduktiver Druck auf Spracherwerb

Wie man sieht, zweifelt die Informantin am Sinn von Sprachkursobligatorien: Wenn die Emotionen negativ besetzt seien, wäre der Lerneffekt tiefer. Sie vertritt die Ansicht, dass der Spracherwerb somit nicht gesetzlich verordnet werden kann/ sollte. An diesem letzten Punkt des Fördern-Repertoires lässt sich die kommunikative Strategie der Ideologisierung nachzeichnen, die zur Legitimierung der eigenen Aussage und Position dient. Da die Informantin ihre An-

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sicht als die richtige kommunizieren möchte, schiebt sie das Wort »natürlich« in den Teilsatz ein (»isch dr lärneffekt natürlich tiefer«), was eine Form der Ideologisierung darstellt. Durch den Einschub dieses Adverbs präsentiert sie ihre Intepretation des Spracherwerb-Prozesses als »Wahrheit«. Dies hat zwei Effekte: Zum einen gewinnt ihre Argumentation an Legitimation, zum anderen muss sie sich nicht noch zusätzlich erklären. Die Annahme, dass Spracherwerb nur aufgrund positiver Einstellungen und aus eigener Motivation erfolgen kann, ist sprachideologisch (oder vielmehr spracherwerbsideologisch) und sprachwissenschaftlich denn auch weit verbreitet. Die soeben umrissenen drei Aspekte umfassen die grundlegenden Positionen des Fördern-Repertoires: Ausgehend von ihnen wird entweder die aktuelle Integrationspolitik oder aber spezifischer die zu starke Gewichtung des Forderns kritisiert, insbesondere in Zusammenhang mit dem Spracherwerb. Auch wenn die Begriffe Fördern oder Fordern nicht immer explizit genannt werden, zeigt sich anhand der Ausgangslage, wie sich jemand im integrationspolitischen Feld positioniert.

6.4.2 Das Fordern-Repertoire Das »basic principle« des Fordern-Repertoires seinerseits lautet, dass das Individuum für seine Integration selbst verantwortlich sei. Die Politik hingegen sei zuständig dafür, diesen Anspruch gesetzlich zu verankern und, wenn nötig, mittels Sanktion(en) durchzusetzen. Hinsichtlich des Diskurses »Integration durch Sprache« wirkt sich dieses »basic principle« folgendermassen auf die inhaltliche Beschaffenheit des Repertoires aus: – Die Sprache ist die Voraussetzung für die Integration. Aus dieser Prämisse leitet sich ab, dass die Politik in die Pflicht genommen werden muss, um entsprechende Massnahmen zu treffen. – Ziel ist die sprachliche Assimilation; diese darf grundsätzlich erwartet werden, da die ausländischen Personen ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten sollten. – Die Betroffenen müssen die Sprache lernen. Eine Verpflichtung (oder sanfter Zwang) ist legitim und hat keine negativen Konsequenzen; weder für den Lernprozess noch für die betroffenen Personen. Das »principle« beruht somit darauf, dass der Spracherwerb von der ausländischen Bevölkerung vollumfänglich verlangt resp. eingefordert werden kann, um dem Staat zwei Aspekte zu erleichtern: Erstens die Kommunikation mit seinen Einwohnerinnen und Einwohnern und zweitens die Vermeidung von finanziellen Aufwendungen im Bereich der Sozialversicherungen (Arbeitslosenent-

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schädigung, Sozialhilfe etc.). Somit stehen die Interessen des Staates und der Aufnahmegesellschaft im Vordergrund und nicht diejenigen der ausländischen Bevölkerung, wie dies im Fördern-Repertoire eher der Fall ist. Die drei einzelnen Aspekte werden nun etwas näher betrachtet und mit Interview-Ausschnitten belegt. 6.4.2.1 Druck auf die Politik Zwang resp. Druck wird nicht mehr nur auf die Migrationsbevölkerung ausgeübt, wie in 6.4.1.3 erläutert wurde, sondern auch auf die Politik und insbesondere die Gesetzgebung. Unterschiedliche Akteure haben in den Interviews angeführt, dass speziell der Sprachartikel auf Druck »von rechts« entstanden sei. Dies aufgrund der breiten Einschätzung, dass in der einheimischen Bevölkerung Verunsicherungen in Bezug auf die ausländische Bevölkerung vorhanden seien. Ob diese Verunsicherung mit der primär negativen Berichterstattung in den Medien zu Themen der (fehlenden) Integration, Kriminalität etc. von Ausländerinnen und Ausländern zurückzuführen ist oder auf persönlichen Erfahrungen beruht, sei dahingestellt. Vor allem populistisch agierende Parteien haben teilweise vorhandene Verunsicherungen und Ängste aufgenommen, wenn nicht gar gezielt geschürt, und in entsprechende politische Forderungen übertragen. So können sie der einheimischen Bevölkerung demonstrieren, dass sie »etwas« unternehmen. Diese Formulierung (etwas unternehmen/ machen) findet auch in die Ausführungen der interviewten Akteure Eingang. Dabei scheint es sich um eine standardisierte und konsistente Formulierung zu handeln, wie die folgenden drei Ausschnitte belegen. Dies weist zum einen darauf hin, dass es sich um eine Konsistenz, wie sie in Zusammenhang mit dem Fordern-Repertoire erscheint, handelt; zum anderen indexiert die Formulierung eine bestimmte diskursive Rekonstruktion des Legiferierungsprozesses, der von unterschiedlichen Akteuren geteilt wird und mit der Verfolgung von spezifischen Interessen in Verbindung gebracht wird. MF mhm mhm \ und wieso dänke si das das gsetz jetzte ko isch / aso (.) es isch jo scho im entst- au äh im entstoh gsi vorem usländergsetz \ aso das isch jo e langjöhrige prozäss gsi I06 das isch e langjöhrige prozäss gsi \ ich mein ich ka das aber nid äh belege aber ich mein [mhm] das me eigentlich (.) das ursprünglich mol gmacht het zum die rächti e bitz z beruhige MF mhm aso me macht öbbis quasi I06 me macht öbbis (..) interessant isch dass die rächti sich denn (lacht) gege das gsetz denn gwehrt het [mhm] aso [wil s ihne z wenig wit gange isch] genau \ aber ich glaub das isch emol zum (.) ufnäh zum eifach au gwüssi engscht ufnäh / ich dänk me ka me das ganze migrationsthema isch e politikum (.h) und (.) do dänk ich muess d engscht

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vo de lüt scho ufneh [mhm] au wenn sie konfus und und und vilicht unklar sin abr (.) ich dänk für das het me au das gsetz ((ane))gstellt [mhm] das me mol ka sage lueget mir mache do öbbis [mhm] und do sind sich jo eigentlich alli einig links und rächts \ d sproch muess me könne [mhm] odr \ und denn isch es relativ e dankbare ufhänger zum so öbbis äh z lanciere

Standarddeutsche Version: MF mhm mhm \ und wieso denken sie dass das gesetz jetzt gekommen ist / also (.) es ist ja schon im entst- auch äh im entstehen gewesen vor dem ausländergesetz \ also das ist ja ein langjähriger prozess gewesen I06 das ist ein langjähriger prozess gewesen \ ich meine ich kann das aber nicht äh belegen aber ich meine [mhm] dass man eigentlich (.) das ursprünglich mal gemacht hat um die rechte ein bisschen zu beruhigen MF mhm also man macht etwas quasi I06 man macht etwas (..) interessant ist dass die rechte sich dann (lacht) gegen das gesetz dann gewehrt hat [mhm] also [weil es ihnen zu wenig weit gegangen ist] genau \ aber ich glaube das ist mal zum (.) aufnehmen um einfach auch gewisse ängste aufzunehmen / ich denke man kann man das ganze migrationsthema ist ein politikum (.h) und (.) da denke ich muss die ängste von den leuten schon aufnehmen [mhm] auch wenn sie konfus und und und vielleicht unklar sind aber (.) ich denke für das hat man auch das gesetz ((hin))gestellt [mhm] dass man mal sagen kann schaut wir machen da was [mhm] und da sind sich ja eigentlich alle einig links und rechts \ die sprache muss man können [mhm] oder \ und dann ist es relativ ein dankbarer aufhänger um so etwas äh zu lancieren Ausschnitt 6: Druck auf die Politik

Als langjährige Beraterin einer NGO tätig, die sich in Basel im Bereich der Migration und Integration engagiert, meint die Information, man habe »das« (Gesetz, aber vor allem die Verpflichtung zum Spracherwerb) geschaffen, um die »rächti e bitz z beruhige« und die Ängste der Leute aufzunehmen (»gwüssi engscht ufneh«; »engscht vo de lüt scho ufneh«): man macht also etwas (»me macht öbbis«; »mir mache do öbbis«). Die »Rechte« wird zudem als politische Kraft hinter der Verschärfung rekonstruiert. Dass dem Druck nachgegeben wurde, wird von der Informantin auf die allgemeine Zustimmung (Commen Sense) zur Notwendigkeit des Spracherwerbs zurückgeführt (»alli einig links und rächts d sproch muess me könne«). Diese Formulierung, durch die Unterstreichung als intertextuelle Verbindung markiert, indexiert eine Reproduktion des dominanten Diskurses. So bildet die »Tatsache«, dass man die Sprache lernen muss, die Diskussionsgrundlage und wird zum Aufhänger (»ufhänger«) einer entsprechenden Gesetzgebung. Im zweiten Ausschnitt wird von einer weiteren Informantin eine gewisse

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Verunsicherung aufseiten der Politik ausgemacht, welche zur Schaffung des Artikels den Antrieb gegeben hätte. I04 mhm (.h) ähm ich glaub es zügt e chli vonere hilflosigkeit [mhm] in däm berich \ es het au keini ((xxx)) [(lacht) nei eifach beurteile] beurteile [mhm] abr ähm (.) ich dänk das isch z stand ko ufeme rächte (.) ähm druck uf [mhm] (.) uf s integrations- uf integrationsbüro vom kessler [mhm] ähm druf öbbis z unternäh odr z zeige das me au in die richtig (..) e latte setzt (.h)

Standarddeutsche Version: I04 mhm (.h) ähm ich glaube es zeugt ein bisschen von einer hilflosigkeit [mhm] in dem bereich \ es hat auch keine ((xxx)) [(lacht) nein einfach beurteilen] beurteilen [mhm] aber ähm (.) ich denke das ist zu stande gekommen auf einen rechten (.) ähm druck auf [mhm] (.) auf das integrations- auf integrationsbüro von kessler [mhm] ähm darauf etwas zu unternehmen oder zu zeigen dass man auch in die richtung (..) eine latte setzt (.h) Ausschnitt 7: Druck auf Politik 2

Auch in den Augen dieser Informantin hätte also die »Rechte« Druck ausgeübt, damit etwas unternommen wird (»öbbis z unternäh«). Diese Rekonstruktion ändert sich im jedoch im folgenden Ausschnitt wieder ein wenig. Auch diese Informantin, eine politische Aktivistin, früher in der Bildung im Integrationsbereich tätig, verwendet die Formulierung »es wird ebbis gmacht«. Hier bekommt dies aber eine leicht andere Färbung: MF ebe es isch jo fördere und fordere oder I01 ja wo äu verständlich isch es isch verständlich \ es isch abr äu eso das (.) ich mein integration isch öbbis wo sit 10 15 jahr erscht in dr de köpf hockt vo de lüt [jä jä] und effektiv öbbis mache düen sehr wenig nach wie vor äu integrationsdelegierti hen wo e integrationsstell hei im kanton (.) ähm und die letscht 50 jahr als schwiz nix mache odr [mhm] ich ha nix gmacht und jetzt hani problem und jetzt will i FORdere (lacht) [mhm] isch einersits verständlich und es gurkt mi a das es problem git odr \ und glichziti muess i säge hey e grossteil vo de problem hani sälber gschaffe odr / [mhm] wo problem und wie ka ich präventiv [mhm] und wenn ich denn eifach nur chumme und säge und jetzt und jetzt isch DISziplin und jetzt isch sanktIONE (.) das sin das sin erziehungsmethode wo nimme funktionierend \ [mhm] odr die funktionierend nid und das isch abr äu äu en haltig und e mänschebild wo drhinter steckt wo usere ANdere ecke chunnt [mh] und DA und DA probiere en güeti mischig z finde zum däne wie dr wind us de sägle näh und säge hey und es wird ebbis gmacht odr / und es wird äu gforderet das isch denn in dem artikel unglücklich vereint [jä jä] und glichziti gläub ich abr het s doch potenzial das no öbbis güets ka drus entstah

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Standarddeutsche Version: MF eben es ist ja fördern und fordern oder I01 ja was auch verständlich ist es ist verständlich \ es ist aber auch so dass (.) ich meine integration ist etwas was seit 10 15 jahren erst in der den köpfen hockt von den leuten [ja ja] und effektiv etwas machen tun sehr wenige nach wie vor auch integrationsdelegierte haben die eine integrationsstelle haben im kanton (.) ähm und die letzten 50 jahre als schweiz nix machen oder [mhm] ich habe nix gemacht und jetzt hab ich probleme und jetzt will ich FORdern (lacht) [mhm] ist einerseits verständlich und es gurkt mich an dass es probleme gibt oder \ und gleichzeitig muss ich sagen hey ein grossteil von den problemen habe ich selber geschaffen oder / [mhm] wo probleme und wie kann ich präventiv [mhm] und wenn ich denn einfach nur komme und sage und jetzt und jetzt ist DISziplin und jetzt ist sanktIONEN (.) das sind das sind erziehungsmethoden die nicht mehr funktionieren \ [mhm] oder die funktionieren nicht und das ist aber auch auch eine haltung und ein menschenbild das dahinter steckt das aus einer ANderen ecke kommt [mh] und DA und DA probieren eine gute mischung zu finden um denen wie den wind aus den segeln zu nehmen und sagen hey und es wird etwas gemacht oder / und es wird auch geforderet das ist dann in dem artikel unglücklich vereint [ja ja] und gleichzitig glaub ich aber hat s doch potenzial dass noch etwas gutes daraus entstehen kann Ausschnitt 8: Druck auf Politik 3

Die Informantin kontextualisiert das Erstarken des Fordern-Repertoires, welches auf Erziehungsmethoden (»erziehigsmethode«) basiert, die von Disziplin und Sanktionen Gebrauch machen. So wird es von ihr als überstürzte Reaktion auf die Konsequenzen des langjährigen »Laisser-faire«-Prinzips der Schweizer Migrationspolitik konstruiert (»jetzt hani problem und jetzt will i fordere«; »jetzt isch disziplin und jetzt isch sanktione«). Diese Rekonstruktion ist ihre persönliche Intepretation und indexiert somit bis zu einem gewissen Grad, wie der Diskurs in der Praxis aufgenommen wird. Die Informantin verurteilt ihrerseits diese Reaktion als »unglücklich« und vor allem als Versuch, die »andere ecke« zu besänftigen: »zum däne wie dr wind us de sägle näh und säge hey und es wird ebbis gmacht odr und es wird äu gforderet«. Gemäss ihrer Interpretation ist somit ein Druck auf die Politik entstanden, sich dem Fordern-Prinzip zu beugen. 6.4.2.2 Sprachliche Assimilation als Ziel Der zweite Punkt des Fordern-Repertoires betrifft die Auffassung, dass sprachliche Assimilation ein legitimes Ziel darstelle. Dies aufgrund der Forderung, dass man ohne staatliche Hilfe resp. finanzielle Unterstützung seinen Lebensweg finden solle. Informantin I06 (siehe auch Ausschnitt 6: Druck auf die Politik) formuliert diesen Ansatz folgendermassen:

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I06 aso mitem dütsch lehre / [mhm] ich dänk äh (.) das isch eigentlich gar kei frog [mhm] abr das wär- ich ich sag immer umgekehrt wenn ich wenn ich jetzt nach bulgarisch würd migriere isch doch ganz klar das ich bulgarisch würd lehre sunscht kumm ich dört- find ich mi nid zrächt au wenns viel schwizer het [mhm] ich will doch mi entWIckle ich will doch als selbständigi person könne läbe ((xxx)) und mir e job sueche karriere mache \ vo däm här isch das eifach e vorussetzig [mhm] wo ich find wo wo eifach in- INdiskutabel isch [mhm] aso es git kei KEI einzig grund worum as me nid söll d sproch lehre

Standarddeutsche Version: I06 also mit dem deutsch lernen / [mhm] ich denke äh (.) das ist eigentlich gar keine frage [mhm] aber das wär- ich ich sag immer umgekehrt wenn ich wenn ich jetzt nach bulgarisch migrieren würde ist doch ganz klar dass ich bulgarisch lernen würde sonst komm ich dort- find ich mich nicht zurecht auch wenns viele schweizer hat [mhm] ich will doch mich entWIckeln ich will doch als selbständige person leben können ((xxx)) und mir einen job suchen karriere machen \ von dem her ist das einfach eine voraussetzung [mhm] die ich finde die die einfach in- INdiskutabel ist [mhm] also es gibt keinen KEINen einzigen grund warum dass man nicht die sprache lernen soll Ausschnitt 9: Sprachliche Assimilation als Ziel

Spracherwerb nennt sie explizit als die Voraussetzung (»vorussetzig«), um sich zu entwickeln, als selbständige Person leben zu können und einen Job zu suchen resp. Karriere zu machen (»ich will doch mi entwickle ich will doch als selbständigi person könne läbe ((xxx)) und mir e job sueche karriere mache«). Aus diesem Grund sei es indiskutabel, ja es gebe keinen einzigen Grund, weshalb man die Sprache nicht lernen sollte (»indiskutabel isch aso es git kei kei einzig grund worum as me nid söll d sproch lehre«). Die Quintessenz dieser Aussage ist, dass die sprachliche Assimilation für die persönliche und berufliche Entwicklung, d. h. für den sozialen Aufstieg, unerlässlich sei. Nicht nur das persönliche Fortkommen hängt jedoch mit dem Spracherwerb zusammen, sondern auch das (finanzielle) Wohlergehen des Staates. Diese Argumentationslinie wurde im obigen Abschnitt zwar nicht explizit verfolgt, doch liess sich diese Verbindung im Kontext der nationalen Gesetzgebung des Öfteren herstellen (finanzielle Aufwendungen des Staates aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und Arbeitslosigkeit; siehe Kapitel 4).

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

6.4.2.3 Notwendigkeit der Verpflichtung Im Fordern-Repertoire wird im Gegensatz zum Fördern-Repertoire nicht davon ausgegangen, dass (sanfter) Zwang dem Sprachlernprozess abträglich sei. Ein Lernzwang wird vielmehr als notwendig betrachtet, damit die entsprechenden Sprachkenntnisse erworben werden – wiederum um gewisse Fähigkeiten und Informationen überhaupt vermitteln zu können. Das »Müssen« wird dadurch positiv konnotiert, wie sich im folgenden Ausschnitt zeigt. Informantin I02 ist zum Zeitpunkt des Interviews (Sommer 2007) seit Jahren Mitglied der Einbürgerungskommission der Gemeinde Basel und als bürgerliche Politikerin im Basler Parlament vertreten. Hier äussert sie sich zur Nützlichkeit der verbindlichen Verpflichtung der ausländischen Bevölkerung zu Sprach- resp. Integrationskursen: I02 ich dänk do miesste eifach alli miesste das miesse [mhm] das me das ich hoff jetzt mitem neue integrationsgsetz das das obligatorisch gnUE isch MF mhm (.) für d integrationskürs I02 für d kürs das si eifach öbbis mien go mache

Standarddeutsche Version: I02 ich denke da müssten einfach alle müssten das müssen [mhm] dass man das ich hoffe jetzt mit dem neuen integrationsgesetz dass das obligatorisch genUG ist MF mhm (.) für die integrationskurse I02 für die kurse dass sie einfach etwas machen müssen Ausschnitt 10: Notwendigkeit der Verpflichtung

Generell wünscht sich diese Informantin, dass der Besuch der Kurse obligatorisch gestaltet sein müsste. In diesem Kontext wird das Müssen (»alli miesste das miesse«; »mien«) zwar schon auch als Zwang resp. Druck auf die ausländische Bevölkerung verstanden. Vielmehr konstruiert sie den Zwang als positive und willkommene Möglichkeit des neuen Integrationsgesetzes. In diesem Sinne legitimiert die Informantin das »Müssen«, sprich Obligatorium, als probates Mittel, damit die Ziele der Integrationspolitik erreicht werden können. Der explizite Bezug zum Integrationsgesetz zeigt des Weiteren aber auch, dass zum Zeitpunkt des Interviews die tatsächlichen Konsequenzen des Gesetzes noch nicht klar abzuschätzen sind und deshalb mit den gesetzlich neu festgelegten Verbindlichkeiten unterschiedliche Erwartungen verbunden werden. Diese drei Punkte strukturieren also das Fordern-Repertoire: Druck auf Politik, sprachliche Assimilation als Ziel und Notwendigkeit der Verpflichtung. Schlussfolgernd kann konstatiert werden, dass die Ausführungen zum Fördern-

Die Beschaffenheit der interpretativen Repertoires Fördern und Fordern

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und Fordern-Repertoire über deskriptive Bestandesaufnahmen hinausgehen. Sie legen nicht nur dar, welche Positionen mit den Repertoires in Verbindung gesetzt werden, sondern indexieren des Weiteren die möglichen Interessensund Aussagepositionen, welche auftauchen, wenn sich der Diskurs in der Praxis manifestiert. Auch wenn beide Repertoires ausschliesslich die Perspektiven der Aufnahmegesellschaft reproduzieren und nicht etwa der betroffenen ausländischen Bevölkerung, wird ihnen eine binäre Opposition zu Grunde gelegt, welche in folgendem Abschnitt zusammengefasst wird.

6.4.3 Die diskursive Kontrarität der beiden Repertoires Die beiden Repertoires wurden von den Akteuren in den bisher präsentierten Ausschnitten als konträr konstruiert. Dies bedeutet, dass in diesen Aussagen eine Binarität zwischen Fördern und Fordern insinuiert wurde. Dies widerspiegelt auch die in Kapitel 4 und 5 beschriebene Polarisierung der Integrationspolitik mit den Positionen des Förderns und Forderns. Die Repertoires werden schliesslich als sprachliche Realisierung dieser Polarisierung angesehen. In nachfolgender Tabelle werden die grundlegendsten Unterschiede zwischen den beiden Repertoires stichwortartig rekapituliert. Die Unterschiede bewegen sich auf mehreren Ebenen (konzeptuell, lexikalisch und kontextuell), materialisieren sich jedoch alle in spezifischen sprachlichen Formulierungen. Die sprachliche Form weist somit auf eines der beiden Repertoires hin, was aber jeweils durch den Kontext determiniert werden muss und nicht etwa sprachinhärent ist. Dass der Kontext durchaus eine Rolle spielt, wurde nicht zuletzt in Abschnitt 6.4.2.1 ersichtlich, wo ein und dieselbe Formulierung (etwas machen/ unternehmen) jeweils eine leicht andere Bedeutung hatte. Dasselbe betrifft den Einsatz von Modalverben, da dasselbe Modalverb je nach Kontext/ Repertoire für gegensätzliche Aussagen eingesetzt werden kann (siehe nachfolgend das Beispiel »müssen«). Die folgende Tabelle bezieht sich zum grössten Teil auf die oben aufgeführten Ausschnitte, erinnert jedoch auch an die in 2.2.1 angeführten Unterschiede im Integrationsverständnis. Tabelle 12: Kontrarität der Repertoires Fördern und Fordern

Bei wem liegt die Verantwortung für Integration? Konsequenz der Verantwortung? Wer integriert wen?

Fördern-Repertoire Staat

Fordern-Repertoire Individuum

Staat muss Fördermassnahmen Staat muss Sanktionen gesetzfinanzieren. lich festlegen. Gesellschaft integriert. AusländerInnen integrieren sich.

230

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

(Fortsetzung)

Rolle der Sprache für Integration?

Fördern-Repertoire Voraussetzung für Integration – Sprachunterricht muss also gefördert werden. Nein, Spracherwerb erfolgt freiwillig. Abträglich für Spracherwerb; Eingriff in Privatsphäre Man wird gezwungen.

Notwendigkeit von Zwang? Konsequenz von Zwang? Verständnis von »müssen« Vorstellung von der Geht zu weit. Gesetzgebung?

Fordern-Repertoire Voraussetzung für Integration – Spracherwerb darf also eingefordert werden. Ja, Assimilation ist das Ziel. (Sanfter) Zwang schadet nicht, ist wünschenswert. Es bleibt nichts anderes übrig. Geht zu wenig weit.

Die konträre Konstruktion der interpretativen Repertoires des Förderns und Forderns wird auch von der Basler Politik diskursiv konstruiert. Es wird von einer zunehmenden Polarisierung der beiden Positionen ausgegangen, obwohl in Basel im Rahmen des Integrationsleitbildes – und vor allem des Integrationsgesetzes – ein politischer und gesetzlicher Kompromiss zwischen beiden Positionen angestrebt wurde, der im Integrationsgesetz gemäss dem Prinzip Fördern und Fordern umgesetzt wurde. Die Positionen seien jedoch zunehmend konträr geworden, was eine Vereinbarung zwischen den beiden Positionen verunmöglichen würde. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es zu einer derartig starken und starren Polarisierung der Positionen kommen könnte, dass sich die Interessenspositionen sogar zu unterschiedlichen Wertpositionen entwickelten, was schliesslich den Kompromiss sprengen und zu zwei eigenen Diskursen führen würde. Dies würde für Basel (und die Schweiz?) das Ende der als pragmatisch entworfenen Integrationspolitik bedeuten. Es drängt sich vielmehr die Frage auf, wie »real« diese binäre Opposition tatsächlich ist. Die Konstruktion der Kontrarität zwischen Fördern und Fordern hat nicht zuletzt eine spezifische diskursive und kommunikative Funktion, wie in den obigen Ausschnitten deutlich wurde. Die eigenen persönlichen, politischen und praktischen Positionierungen gewinnen durch die Abgrenzung vom »anderen« Repertoire an Prägnanz und Legitimation, wodurch die beabsichtige Positionierung im integrationspolitischen Feld klarer erfolgen solle. Folglich legitimiert eine derartige Kontrarität die eigenen Aussagen, die einem der beiden Repertoires zugeteilt werden. Kurzum: die Positionierung und die Artikulation derselben werden durch die Kontrarität erleichtert. Genau diese kommunikative und diskursive Funktion der Kontrarität weist darauf hin, dass die Beziehung zwischen den beiden Repertoires komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Und gerade die Tatsache, dass die Repertoires in bzw. zur Abgrenzung voneinander funktionieren, indexiert schliesslich Komplementarität.

Die Komplementarität der Repertoires

6.5

231

Die Komplementarität der Repertoires

Die Komplementarität der Repertoires drückt sich in einer gegenseitigen Abhängigkeit aus. Dies bedeutet, dass die beiden Repertoires einander bedingen. So funktioniert die Positionierung mittels eines der Repertoires nur aufgrund der Existenz des anderen und in der Abgrenzung desselben. Die diskursiven Grenzen zwischen den Repertoires sind zwar durch die oben aufgeführten Bestandteile markiert, gestalten sich aber bis zu einem gewissen Grad fluid. Die Akteure können sich je nach Situation, Interesse oder Positionierung durchaus beider Repertoires bedienen. Dies kann zur Folge haben, dass sich gewisse Akteure einem diskursiven Dilemma ausgesetzt sehen, wenn sie sich mit bestimmten Elementen beider Repertoires einverstanden erklären. So dient die Kontrarität der Legitimierung der eigenen Position, wodurch die Existenz einer Komplementarität erkennbar wird. Gleichzeitig hat diese Komplementarität aber auch spezifische Funktionen, die zum Erhalt des Diskurses beitragen, wie im Folgenden ausgeführt werden soll.

6.5.1 Diskurserhaltende Komplementarität Im Kontext des Diskurses »Integration durch Sprache« bekommen die beiden Pole des Förderns und Forderns, welche in den interpretativen Repertoires enthalten sind, eigene Funktionen. Der Sprachartikel und die damit verbundene Politik (Sanktionen/ Zwang versus zu wenig griffig) werden von beiden Seiten als kritisch beurteilt (z. B. wurde der Artikel als missglückter Versuch eines Kompromisses dargestellt resp. als missglückter Versuch der Akkommodation gegenüber der Fordern-Seite, siehe Ausschnitt 8: Druck auf Politik 3). Dennoch wird in beiden Repertoires vom Konsens ausgegangen, dass Sprache der Schlüssel für die Integration sei. Dies bedeutet einerseits, dass die Komplementarität der beiden Repertoires den Diskurs erhält: Denn durch diese gegenseitige Bedingtheit bleibt die Polarisierung als solche bestehen, sodass es zu keinem Bruch kommt oder aber der Diskurs sich nur in die eine Richtung entwickelt. Auch wenn sich die Aussagen und Interpretationen zu den jeweiligen Repertoires verändern mögen, so stehen sie innerhalb des Diskurses stets diametral zueinander. Andererseits bedingt der Diskurs seinerseits den Fortbestand der Repertoires und der damit verbundenen Positionen. Denn trotz aller Polarisierung stützen sich beide auf die Prämisse, dass der Spracherwerb eine notwendige Integrationsmassnahme darstellt. Diese Prämisse, verdichtet in der Metapher, bildet somit den Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Interpretationen der Ausgestaltung und Umsetzung in der Politik, vor allem aber in der Praxis. Wenn man nun den Diskurs der Praxis in den Interviews näher be-

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

trachtet, bestätigt sich diese Annahme: In den meisten Interviews wurde der Anspruch unterstützt, dass man sich die Sprache des Wohnortes aneignen solle/ müsse. Gleichzeitig wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass der Spracherwerb durchaus verlangt resp. eingefordert werden könne, wie folgender Ausschnitt illustriert: MF und denn gäbts e chance wenn dä agno würdi grad wägeme sone artikel mehr chance dass er agnoh wird I01 uf jede fall wil ich deich e grosse teil het sich und ich deich es isch äu legitim e verbindlechkeit izfordere d frag isch müess mes uf DIE art mache \ [jä] abr ich deich als ganzes müesst me s integrationsgsetz unterstütze

Standarddeutsche Version: MF und dann gäbe es eine chance wenn der angenommen würde gerade wegen eines solchen artikels mehr chancen dass er angenommen wird I01 auf jeden fall weil ich denke ein grosser teil hat sich und ich denke es ist auch legitim eine verbindlichkeit einzufordern die frage ist muss man es auf DIE art machen \ [ja] aber ich denke als ganzes müsste man das integrationsgesetz unterstützen Ausschnitt 11: Diskurserhaltende Komplementarität

Die Informantin, siehe zu ihr Ausschnitt 8: Druck auf Politik 3, spricht der Einforderung von Verbindlichkeit eine Legitimation zu, wenn diese z. B. auf Integrationsmassnahmen und Spracherwerb ausgerichtet ist (»es isch äu legitim e verbindlechkeit izfordere«). Somit bekundet sie nicht grundsätzlich Mühe mit dem Fordern (in Form von Verbindlichkeit), sondern vielmehr mit der Art und Weise, wie diesem Fordern im Sprachartikel Ausdruck verliehen wird. Sie verweigert sich dabei keineswegs der grösseren Vision der Basler Integrationspolitik, sondern unterstützt das Integrationsgesetz (»als ganzes müesst me s integrationsgsetz unterstütze«). Während also die beiden Repertoires Fördern resp. Fordern Basler Politikerinnen und Politiker die Möglichkeit bieten, sich als gegensätzliche Akteure mit divergenten Interessen zu positionieren, vereint der Diskurs »Integration durch Sprache« diese beiden potentiell divergierenden Positionen wieder unter dem gemeinsamen Dach des Förderns und Forderns. Dies wird im folgenden Ausschnitt aus dem Interview mit einer DaF/DaZLehrperson argumentativ nochmals rekonstruiert: I12 aso ebe das ähm \ (.) das so- also grundsetzlich mol das me findet / wenn me sich integriere will muess me die sproch afo lerne [mhm] aber denn äh het me ähm het me sich drüber gstritte ob me obs oder öb das ähm en ufforderig isch und wie das ghandhabt wird \ (.h) schwierig wirds eifach si für die wo zum bischpil nid KÖNNE wil sie müen schaffe damit sie d famILIE chönne ernähre \

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oder wo wos nid könne ZAHle oder sunscht irgendwie / das es DENN schwierig isch \ aso das es denn scho widr diskriminierend ka wirke wenn me seit me MUESS das mache (.h) grundsetzlich isch me sich aber einig das es äh dütsch ähm dütsch z lerne in dr schwiz ähm total wichtig isch \

Standarddeutsche Version: I12 also eben das ähm \ (.) das so- also grundsätzlich mal dass man findet / wenn man sich integrieren will muss man die sprache anfangen zu lernen [mhm] aber dann äh hat man ähm hat man sich darüber gestritten ob man ob es oder ob das ähm eine aufforderung ist und wie das gehandhabt wird \ (.h) schwierig wirds einfach sein für die welche zum beispiel nicht KÖNNEN weil sie arbeiten müssen damit sie die famILIE ernähren können \ oder die dies nicht ZAHlen können oder sonst irgendwie / dass es DANN schwierig ist \ also dass es dann schon wieder diskriminierend wirken kann wenn man sagt man MUSS das machen (.h) grundsätzlich ist man sich aber einig dass es äh deutsch ähm deutsch zu lernen in der schweiz ähm total wichtig ist \ Ausschnitt 12: Diskurserhaltende Komplementarität 2

Die Informantin, eine Sprachlehrerin, bezieht sich in diesem Ausschnitt auf die politische Debatte zum Sprachartikel in Basel, wo es um den gesetzlich festzulegenden Grad der Verpflichtung zum Spracherwerb geht (Muss versus Aufforderung). Trotz den mit einem Muss verbundenen Problemen (Schwierigkeiten, Zeit oder Finanzierung aufzuwenden) und der eventuell daraus resultierenden Diskriminierung, sei man sich grundsätzlich einig, dass DeutschLernen in der Schweiz unerlässlich sei (»grundsetzlich isch me sich aber einig das es äh dütsch ähm dütsch z lerne in dr schwiz ähm total wichtig isch«). Dieses »grundsetzlich« bildet eine Ausgangslage, welche politische Kompromisse und Konsens möglich macht. Zugunsten dieser grundsätzlichen Überzeugung werden denn auch die in den Repertoires auftauchenden Polarisierungen überwunden.

6.5.2 Legitimierende Komplementarität Wie bereits erwähnt wurde, fungiert die Komplementarität der Repertoires als Legitimierung der eigenen Aussagen. Diese Funktion soll anhand eines bestimmten Beispiels herausgearbeitet werden, namentlich im Kontext derjenigen Aussageposition, dass Sprachkurse eine Investition darstellen. In der diskursiven Entwicklung sowohl auf Bundes- wie Kantonsebene wie auch in den Interviews wurde ein Zusammenhang zwischen Spracherwerb, Investition und

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

Emanzipation hergeleitet. An einem Beispiel wird dargelegt, inwiefern die diskursiv konstruierte Kontrarität zwischen den Repertoires des Förderns und Forderns zu einer Komplementarität wird, welche den postulierten Zusammenhang zwischen Fordern, Investition und Empowerment im Hinblick auf den Spracherwerb legitimiert. MF mhm \ aber die veribarige sin au e bitz äh (.) üsserschts mittel denn odr / [jä] wirklich wenn öbber bitz an dr kippi stoht [jä] mhm \ und wie schätze si das jetzt sunscht allgemein i in dr schwiz / aso me redet jo immer vo integration assimilation etcetera etcetera wie gsehn si die richtig wo jetzt d schwiz und vor allem au basel ischloht / aso hets do irgendwie e wandel gä und in welli richtig odr \ I06 ich dänk es het scho ne wandel gä \ ebe einersits dä wie ich wie ich scho agsproche ha das e wandel im äh soziale umfäld statt gfunde het \ ebe meh richtig empowerment wäg vo betreuig begleitig [mh hm] äh (.) aso widr mehr fördere und fordere eigentlich [mhm] das das das isch wie salonfähig worde [mhm] / wil wenn ich mängisch vorträg halt denn seit me (.) das hätt me vor vor drei johr gar nonig dörfte sage / odr e dütsche het mir kürzlich ((bi de studente)) wenn sie das in dütschland würde sage (.) hätte si grossi problem / und ich ha numme gseit ebe au es isch au um investition in bildig [jä] gange /

Standarddeutsche Version: MF mhm \ aber die vereinbarungen sind auch ein bischen äh (.) aüsserstes mittel dann oder / [ja] wirklich wenn jemand bisschen auf der kippe steht [ja] mhm \ und wie schätzen sie das jetzt sonst allgemein ein in der schweiz / also man redet ja immer von integration assimilation etcetera etcetera wie sehen sie die richtung welche jetzt die schweiz und vor allem auch basel einschlägt / also hat’s da irgendwie einen wandel gegeben und in welche richtung oder \ I06 ich denke es hat schon einen wandel gegeben \ eben einerseits den wie ich wie ich schon angesprochen habe dass ein wandel im äh sozialen umfeld statt gefunden hat \ eben mehr richtung empowerment weg von betreuung begleitung [mh hm] äh (.) also wieder mehr fördern und fordern eigentlich [mhm] dass das das ist wie salonfähig geworden [mhm] / weil wenn ich manchmal vorträge halte dann sagt man (.) das hätte man vor vor drei jahren gar noch nicht sagen dürfen / oder ein deutscher hat mir kürzlich ((bei den studenten)) wenn sie das in deutschland sagen würden (.) hätten sie grosse probleme / und ich habe nur gesagt eben auch es ist auch um investition in bildung [ja] gegangen / Ausschnitt 13: Legitimierende Komplementarität

Exemplarisch werden von der Informantin (NGO-Integrationsberaterin; siehe Ausschnitt 6: Druck auf die Politik und Ausschnitt 9: Sprachliche Assimilation als Ziel) Bezüge zwischen Spracherwerb, Empowerment und Investition hergestellt, die den persönlichen und ökonomischen Nutzen des Spracherwerbs

Die Komplementarität der Repertoires

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betonen. Es zeigt sich in diesem Ausschnitt deutlich, wie eng die Repertoires des Förderns und Fordern interdiskursiv verbunden sind: Empowerment kann nämlich eingefordert werden, indem man die Betroffenen per Gesetz dazu zwingt. Dies erinnert an den paternalistischen Diskurs, wie er bereits auf nationaler und kantonaler Ebene anzutreffen war und wo das Fördern zum Fordern wurde. Somit wird eine Betonung auf Empowerment gelegt, wobei die Verschiebungen des Sagbaren vonseiten der Informantin explizit thematisiert werden: »wenn ich mängisch vorträg halt denn seit me das hätt me vor vor drei johr gar nonig dörfte sage«. Sie ist sich somit bewusst, dass das aktuelle »Wissen« ein paar Jahre zuvor noch nicht »salonfähig« gewesen wäre. Diesen Moment im Interview könnte man als ein diskursives Dilemma betrachten (Potter/Wetherell 2007[1987]: 149), aus welchem sich die Informantin lösen muss. Die Möglichkeit, als extrem zu gelten oder ausserhalb des Diskurses positioniert zu werden, ist ihr durchaus bewusst, wie ihr Einschub mit der Aussage des Deutschen signalisiert (»odr e dütsche het mir kürzlich ((bi de studente)) wenn sie das in dütschland würde sage hätte si grossi problem«). Durch Abschwächungsstrategien legitimiert sie ihre potentiell polarisierende Ansicht. So fügt sie an, dass sie nur (»numme«) gesagt hätte, dass es um die Investition in Bildung gegangen sei (»au um investition in bildig gange«). Gerade das von den beiden konträren Repertoires eröffnete Spannungsfeld wird von ihr somit als komplementäre Einheit in die Praxis getragen und bildet die Legitimationsgrundlage ihrer paternalistischen Interpretation von Investition in den Spracherwerb. Dieses Beispiel widerspiegelt somit nicht nur die Flexibilität der Zuschreibungen und Verwendungen der Repertoires durch die Akteure, die zwischen den beiden Repertoires oszillieren können, sondern auch flexible Verschiebungsmöglichkeiten innerhalb der Repertoires in Bezug auf Inhalte und Ideologien. Des Weiteren zeichnet sich in diesem Abschnitt ab, inwiefern die Komplementarität der Repertoires gezielt dafür verwendet wird, die eigene Position zu legitimieren. Informantin I06 zum Beispiel positioniert sich als langjährige Praktikerin im Gebiet der Integration, was sich in ihren Beobachtungen zum erfolgten Wandel der Praxis äussert. Das Fördern und Fordern wird in diesem Ausschnitt als Einheit präsentiert, wobei das eine das andere ergänzt. Fördern ohne Fordern resp. Fordern ohne Fördern entspricht somit nicht mehr der Realität der integrationspolitischen Praxis. Der Hinweis, dass ihre Aussagen vor drei Jahren noch nicht salonfähig gewesen wären, lässt jedoch darauf schliessen, dass vor allem das Fordern an Terrain gewonnen hat. So wird das Fordern dadurch legitimiert, dass es dem Förden dienlich ist. Die beiden Repertoires werden je nach Interesse und Strategie als konträr oder komplementär konstruiert und sind somit stets in einem spezifischen Verhältnis zueinander zu betrachten. Ähnliche Tendenzen werden im Folgenden in Bezug auf Positionierungsstrategien ersichtlich.

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6.6

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

Selbst- und Fremdpositionierungen mittels der interpretativen Repertoires

Wie bereits mehrmals angesprochen wurde, werden interpretative Repertoires auch dazu verwendet, sich selbst und andere im diskursiven Feld von »Integration durch Sprache« zu positionieren. Diese soll nun etwas näher erläutert werden. Positionierungen müssen somit nicht immer direkt und explizit erfolgen, sondern können durchaus auch indirekt und implizit über Abgrenzungen und Distanzierungen vollzogen werden. Man nimmt so ex negativo von einem der beiden Repertoires Abstand und bringt sich dadurch mit dem eigentlich favorisierten Repertoire in Verbindung. Die Erfassung der Fremd- und Selbstpositionierungen anhand der interpretativen Repertoires des Förderns und des Forderns steht denn auch in engem Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Repertoires. Es ist daher relevant zu verstehen, mittels welcher Strategien diese Positionierungen erfolgen, so dass wiederum die Strukturierung des Diskurses besser begriffen werden kann – sowie seine Grenzen, die nicht nur diskursiv, sondern durchaus auch sozial und politisch gezogen werden. Das heisst, es steht zur Debatte, wie sich die interviewten Akteure in Bezug auf die Repertoires positionieren, um weiterführend zu verstehen, wie sich das praktische Feld der Integrationspolitik gestaltet.

6.6.1 Selbst- und Fremdpositionierungen mittels des Fördern-Repertoires Bereits in Bezug auf die Beschaffenheit der Repertoires wurden einige Besonderheiten des Fördern-Repertoires thematisiert. Dabei ist aufgefallen, dass ein Grossteil der Fördern-Positionierungen über Abgrenzung realisiert wird, d. h. eigentlich nichts anderes als durch die Ablehnung von Formen des zumeist als zu strengen und einseitig beurteilten Forderns. Im folgenden Ausschnitt erfolgt jedoch eine explizite Selbstpositionierung anhand des Fördern-Repertoires. I03 ja weil für eine RIchtige integration zu erreichen \ und dann man soll auch dann mh weil heutzutage man sagt zum beispiel \ die italiener hm die italiener sind die ältesten migranten [mhm] und äh viele politiker sagen beide seiten auch auf italienische seite sagen sie und der schweizer seite / oh die italiener spanier hm haben keine probleme mit der integration [mhm] äh integration eine komplette integration ist eine strukturelle integration und eine INNerliche integration \ [mhm] und zum beispiel die spanier und italiener ja auch die äh die äh (.) die strukturelle integration erreicht das heisst sie haben weniger probleme am arbeitsplatz sie kennen besser äh sind besser informiert wie funktioniert die schule die spitäler die gesundheits und so weiter \ (.) aber die äh psychologische integration das heisst ein angehörigkeitsgefühl zu haben hier zu gehören dies viel zu machen deswegen auch das heisst das integrationsgesetz

Selbst- und Fremdpositionierungen mittels der interpretativen Repertoires

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von basel stadt das sehr gut ist [mhm] äh äh ist ein sehr progressiv ja / aber dies ist zu viel nur die sprache \ selbstverständlich die sprache ist sehr wichtig und äh \ ich finde toll dass endlich die möglichkeit gegeben deutsch zu lernen mh weil man kann nicht sich integrieren wenn man nicht versteht und ich nicht verstehen äh [mhm] kann \ äh (.) aber sind auch andere mh andere sache zu zu machen noch Ausschnitt 14: Positionierung Fördern

Die Informantin, ehemalige Leiterin einer interkulturellen Beratungsinstitution (siehe auch Ausschnitt 4: Druck auf Migrationsbevölkerung) findet es also »toll«, dass endlich die Möglichkeit gegeben wird, Deutsch zu lernen, d. h. dass der Spracherwerb gefördert wird. Sie tut hier die Ansicht kund, dass man sich nicht integrieren kann, wenn man die Sprache nicht versteht (»ich finde toll dass endlich die möglichkeit gegeben deutsch zu lernen mh weil man kann nicht sich integrieren wenn man nicht versteht«). Sie bejaht dadurch nicht nur die neueren Fördermassnahmen, sondern positioniert sich gleichzeitig innerhalb des Diskurses »Integration durch Sprache«. Für die Selbstpositionierung bildet die »Möglichkeit« des Spracherwerbs somit das zentrale Schlagwort. Gleichzeitig distanziert sie sich vom Fordern-Repertoire. Sie bemängelt nämlich, dass der Fokus des neuen Basler Integrationsgesetzes zu einseitig auf die Sprache ausgerichtet sei (»zu viel nur die Sprache«). Diese intertextuellen Bezüge zum Integrationsgesetz legitimieren auf der einen Seite ihre eigene Position, da sie indexieren, dass sie sich mit der Materie auskennt. Auf der anderen Seite verleiht sie dem Gesetz Legitimation, wenn sie es als »progressiv« bezeichnet. Nicht zuletzt weil sich diese Bezeichnung mit dem offiziellen Diskurs der Verwaltung deckt (siehe Kapitel 5), lassen sich hier Spuren der Zirkulation des Diskurses und seiner materiellen Formen feststellen. Bei Fremdpositionierungen hingegen gestalten sich die Strategien unterschiedlich. Hier geht es oftmals primär darum, die andere Position zu delegitimieren und als unwahr (unrealistisch, weltfremd) oder extrem darzustellen. Aus diesem Grund finden somit eher Strategien der Distanzierung Anwendung, gekoppelt an Strategien der Ideologisierung. Im folgenden Beispiel wird ein solcher Delegitimationsversuch in einer »imaginären« Fremdpositionierung zum Thema (man könnte von einer Selbst-Fremdpositionierung sprechen). I04 (..) .h ähm ja / aso ich bi eigentlich ich ha scho (.) s gfühl gha (.) als {STUDIENGANG} irgendwie han ich scho gmeint gha ich ha ((xxx)) (lacht) [(lacht)] weisch so super / und denne so in däm berich (.) mit mine partnerinne hani so gmerkt höri rächt so anderi anderi sache [mhm] und bi denn so bitz in e dilemma inecho au [mhm] und ähm es isch mir scho klar das praxis und theorie immer so chli nid unbedingt [mhm] uf dr gliche schiene laufe (.) und äh ich ha au kei rezept oder so oder wirklich so e antwort

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

MF mhm aso wenn du seisch anderi sache wo denn I04 =wo nid so erwünscht sin mit däm aso (h.) leitbild ((xxx)) wo im integrationsgsetz stoht \ und ich das lies denn dänk ich amme denn dänk ich immer jo das stimmt doch abr gar nid so [jä] (..) und ähm (.) jo / [mhm] das isch so (lacht) [mhm \] das het mi ufgwüehlt [=((xxx))] und bin i völlig naiv und irgendwie e odr so (lacht) MF mh \ mhm bisch wahrschinlich scho in de auge vo gwüssne (.) jä \ I04 =schlimm eigentlich [jä] aso ich hoff zwar eigentlich nid das ich das bi (.) und (..) ich aso ich find sicher nid alli migrante toll und so witer [mhm] (.h) ähm (h.) jo und vilicht es isch au eifach e sehr e schwierigs terrain [mhm] wo d lüt abghärtet sind odr [mhm] abr irgendwie hani bitz s gfühl mir sind ufere schiene wo bitzli (.) (.h) äh ((gsamt)) isch es foht widr a e anderi ((xxx))

Standarddeutsche Version: I04 (..) .h ähm ja / also ich bin eigentlich ich habe schon (.) das gefühl gehabt (.) als {STUDIENGANG} irgendwie habe ich schon gemeint ich habe ((xxx)) (lacht) [(lacht)] weisst so super / und dann so in dem bereich (.) mit meinen partnerinnen hab ich so gemerkt hör ich recht so andere andere sachen [mhm] und bin dann so bisschen in ein dilemma gekommen auch [mhm] und ähm es ist mir schon klar dass praxis und theorie immer so bisschen nicht unbedingt [mhm] auf der gleichen schiene laufen (.) und äh ich habe auch kein rezept oder so oder wirklich so eine antwort MF mhm also wenn du sagst andere sache die dann I04 =die nicht so erwünscht sind mit dem also (h.) leitbild ((xxx)) die im integrationsgesetz stehen \ und ich das lese dann denk ich manchmal dann denk ich immer ja das stimmt doch aber gar nicht so [jä] (..) und ähm (.) jo / [mhm] das ist so (lacht) [mhm \] das hat mich aufgewühlt [=((xxx))] und bin ich völlig naiv und irgendwie ein oder so (lacht) MF mh \ mhm bist wahrscheinlich schon in den augen von gewissen (.) jä \ I04 =schlimm eigentlich [jä] also ich hoff zwar eigentlich nicht dass ich das bin (.) und (..) ich also ich find sicher nicht alle migranten toll und so weiter [mhm] (.h) ähm (h.) ja und vielleicht es ist auch einfach ein sehr ein schwieriges terrain [mhm] wo die leute abgehärtet sind oder [mhm] aber irgendwie hab ich ein bisschen das gefühl wir sind auf einer schiene die ein bisschen (.) (.h) äh ((gesammt)) ist es fängt wieder an eine andere ((xxx)) Ausschnitt 15: Fremdpositionierung Fördern

Dieser Ausschnitt beinhaltet einige diskursiv interessante Elemente. Die Informantin (siehe Ausschnitt 5: Kontraproduktiver Druck auf Spracherwerb) rekonstruiert so zum einen, wie sie beruflich nach dem Studium im Integrationsbereich eingestiegen ist und sich unversehens mit ihr ungewohnten Realitätskonstruktionen konfrontiert sah. Sie fand sich in Folge in einem Dilemma

Selbst- und Fremdpositionierungen mittels der interpretativen Repertoires

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wieder (»bi denn so bitz in e dilemma inecho«), weil sie Theorie und Praxis nicht miteinander vereinbaren konnte; gerade auch weil sie mit dem Diskurs der Praxis (»anderi Sache«; »wo d lüt abghärtet sind«) Mühe bekundete. Dies ist nicht zuletzt ein Hinweis darauf, dass die soziale Praxis diskursiv anders ausgestaltet sein kann als das wissenschaftliche Feld zum Beispiel. Interessanterweise wurde das Integrationsleitbild damals von einer Ethnologin der Universität Basel, Rebekka Ehret, verfasst. Die Informantin verweist in ihren Ausführungen weiter auf direkte intertextuelle Bezüge zwischen Praxis, Wissenschaft und Politik, indem sie den Inhalt des Leitbilds und des Integrationsgesetzes als Rahmen ihrer Arbeit konstruiert. So rekonstruiert sie Parallelen zwischen dem Inhalt der diskursiven Materialitäten und den Meinungen der im (»schwierigen«) Terrain der Integrationsarbeit tätigen Personen. Doch wird dabei eine in ihren Augen schwierigen Richtung eingeschlagen (»mir sind ufere schiene«), der sie sich in ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin der Informationsstelle nicht entziehen kann. Ein weiteres diskursiv relevantes Element ist die hier erfolgende Fremdpositionierung. Aufgrund des Dilemmas, in dem sich die Informantin nach Studium und Arbeitsbeginn wiederfand, stellte sie sich bezüglich Naivität und »Gutmenschentum« offenbar selbst infrage. Diese eigentliche Selbstpositionierung wird in diesem Kontext als Fremdpositionierung bezeichnet, weil sie durch den Umgang mit anderen evoziert wurde, wobei als abwesende Dritte ihre Arbeitskolleginnen (»partnerinne«) figurieren. Die zwei Attribute (»naiv«, »Gutmensch«) positionieren die Informantin denn auch fast an den Rand des praktischen Diskurses, indem sie sie als realitätsfremd abstempeln. In ihrer Reaktion widersetzt sie sich diesem als Vorwurf anmutenden Positionierungsversuch (»schlimm eigentlich aso ich hoff zwar eigentlich nid das ich das bi«) und fügt an, dass sie nicht alle Migranten toll fände (»ich find sicher nid alli migrante toll«). Die Vehemenz, mit der sie sich gegen diese Zuschreibung wehrt sowie der letzte Zusatz lassen darauf schliessen, dass auch sie die beiden Attribute (»naiv«; »Gutmensch«) negativ konnotiert und im Endeffekt als blauäugig, unrealistisch und weltfremd konzipiert. In eine derartige Zuschreibung gedrängt, befürchtet sie, ihre Legitimation als ernstzunehmende Akteurin in diesem Feld zu verlieren. Das Extremisieren der Positionen von »anderen« ist eine erprobte Strategie, die zur Delegitimierung verwendet wird. Gerade aus diesem Grund scheint die Informantin besonders darauf bedacht, sich im als realistisch und pragmatisch konstruierten Mittelfeld zu positionieren.

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

6.6.2 Selbst- und Fremdpositionierungen mittels des Fordern-Repertoires Obwohl in den vorliegenden Daten eher spärlich vorhanden, lassen sich doch einige Selbstpositionierungen mittels des Fordern-Repertoires finden. In nachfolgendem Ausschnitt präsentiert sich beispielsweise Informantin I02, eine kantonale Politikerin (siehe Ausschnitt 10: Notwendigkeit der Verpflichtung), die darauf erpicht ist, politische Instrumente zu finden, um das Integrationsprojekt voran zu treiben. MF abr isch das e thema in dr kommission also het me das au besproche (.) das integrationsgsetz odr (..) isch es eifach zur kenntnis gno worde I02 das isch eifach im grosse rot gsi [mhm] das isch natürlich für uns klar gsi das es isch das öbbis verbindlichers isch me hets jo sehr abgschwächt wel [mhm] die linki het jo unbedingt die abhängigkeit vo (.) vo [jä jä] und das isch natürlich au e ermässensspilrum was isch erfolgrich und was nid / [vor allem bi analphabet-] eifach mit mit irgendöbbis [=] ich wär no froh gsi me hät e dütsches wort gfunde für s wort [lacht] odr so

Standarddeutsche Version: MF aber ist das ein thema in der kommission also hat man das auch besprochen (.) das integrationsgesetz oder (..) ist es einfach zur kenntnis genommen worden I02 das ist einfach im grossen rat gewesen [mhm] das ist natürlich für uns klar gewesen dass es ist dass etwas verbindlicheres ist man hats ja sehr abgeschwächt weil [mhm] die linke hat ja unbedingt die abhängigkeit von (.) von [ja ja] und das ist natürlich auch ein ermessensspielraum was ist erfolgreich und was nicht / [vor allem bei analphabet-] einfach mit mit irgendetwas [=] ich wär noch froh gewesen man hät ein deutsches wort gefunden fürs wort [lacht] oder so Ausschnitt 16: Selbstpositionierung Fordern

So sagt sie, dass es ihnen (»für uns«) klar gewesen sei, dass es etwas Verbindlicheres sei resp. sein sollte. Wer mit »uns« gemeint ist, führt sie nicht weiter aus, doch da sie kurz danach die Linke (»die linki«) anspricht, wird deutlich, dass sie mit »uns« sehr wahrscheinlich eben nicht die Linke, sondern vielmehr die Rechte resp. die Bürgerlichen meint. Insofern nimmt sie zwei Positionierungen vor: Sie kritisiert zum einen die Linke dahingehend, dass diese das Instrument »abgeschwächt« hätte, weil sie »unbedingt« das ursprünglich im Sprachartikel vorgesehene »erfolgreich absolvieren« blockiert hätte (siehe dazu 6.5.3). Das »unbedingt« wird in diesem Kontext als Zwängerei dargestellt, was die Linke gleichzeitig

Selbst- und Fremdpositionierungen mittels der interpretativen Repertoires

241

als unpragmatisch und ideologisch präsentiert. Implizit positioniert sie in einem zweiten Schritt die Gegenposition, d. h. ihre eigene, als die pragmatische. Die Selbstpositionierung anhand des Fordern-Repertoires zeichnet sich somit durch Selbstzuschreibungen von pragmatischem Aktionismus (man unternimmt etwas, macht vorwärts), Realismus und Menschenverstand aus. Gleichzeitig wird hierbei der Vorstellung Folge geleistet, dass die Sprache Schlüssel und Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration darstellt. Dafür kann allerdings – im Unterschied zur Prämisse des Fördern-Repertoires – eine Verbindlichkeit eingefordert werden. Inwiefern Personalisierungs- und Ideologisierungsstrategien hierfür eingesetzt werden, kann ebenfalls mittels des obigen Ausschnitts illustriert werden. So sagt I02: »das isch natürlich für uns klar gsi das es isch das öbbis verbindlichers isch«. »Für uns« personalisiert diese Aussage, stellt ihre Seite in das Zentrum der Aufmerksamkeit, während die Gegenseite pauschal als »die linki« beschrieben wird. Des Weiteren impliziert »das isch natürlich für uns klar gsi« eine Anrufung an den Common Sense und präsentiert die von »uns« geforderte Massnahme als Wahrheit. Generell werden Fremdpositionierungen mit dem Fordern-Repertoire in den Daten mit Schlagworten wie Zwang, Sanktionen, Bevormundung und Assimilation indexiert. Die mit dem Fordern-Repertoire verbundene (fremde) Position wird somit als zu fordernd, assimilationistisch, diskriminierend und in extremis gar als rassistisch bezeichnet. Dies wird in folgendem Ausschnitt erkennbar: I01 es isch ganz unglücklich find ich \ und ich deich ähm (.) motivation müess für d integrationskürs müess vo uns e areiz stattfinde / [jä] und ich deich / da isch dr gedanke mir welle sanktione [jä] das isch jo klar vo wellere politische richtung das das kunnt und mir welle ebbis ifordere

Standarddeutsche Version: I01 es ist ganz unglücklich finde ich \ und ich denke ähm (.) motivation müsste für die integrationskurse müsste von uns ein anreiz stattfinden / [ja] und ich denke / das ist der gedanke wir wollen sanktionen [ja] das ist ja klar von welcher politischen richtung dass das kommt und wir wollen etwas einfordern Ausschnitt 17: Fordern

Die in ihren Augen auf Angst und Sanktion beruhende integrationspolitische Entwicklung findet die politisch aktive Informantin (auch in Ausschnitt 8: Druck auf Politik 3 und Ausschnitt 11: Diskurserhaltende Komplementarität) »ganz unglücklich« und delegitimiert in diesem Zusammenhang auch gleich die entsprechende »politische richtung«. Sanktionen und Forderungen im Kontext des Diskurses »Integration durch Sprache« erscheinen somit als politisch leicht

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Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

zu positionieren, wie dieser und vorheriger Ausschnitt illustrieren. Es wird demnach nicht nur eine Binarität zwischen Fördern und Fordern beibehalten, sondern auch eine entsprechende Binarität zwischen »Links« und »Rechts«, welche diskursiv wiederum eng mit den zwei Repertoires rekonstruiert wird (Links – Fördern; Rechts – Fordern). Die oben erfolgten Erläuterungen der Selbst- und Fremdpositionierungen mit Rückgriffen auf das Fördern- oder Fordern-Repertoire sind somit nicht nur eine praktische Übung. Sie illustrieren, wie die beiden Positionen besetzt sind und was ihre Funktion ausmacht: Nebst dem Versuch der Sinnherstellung und Rekonstruktion der diskursiven Entwicklung geht es primär darum, die eigenen Interessen als legitimer Akteur im politischen Feld der Integration durchzusetzen. Dieses Vorhaben gelingt besser, wenn man es schafft, Wahrheit, Realismus und Rationalismus für sich zu beanspruchen und im Gegenzug die Gegenseite zu delegitimieren. Das kann durch extreme Zuschreibungen geschehen, aber auch durch subtilere Formen der Personalisierung und Ideologisierung, wie z. B. in Ausschnitt 16: Selbstpositionierung Fordern ersichtlich wurde. In diesem Sinne dienen die Repertoires als kommunikative Ressourcen, da komplexe Zusammenhänge reduziert werden (das Paradebeispiel hierfür wäre die reduktionistische Formel »Fördern und Fordern«) und gleichzeitig den Akteuren die Möglichkeit bieten, sich selbst und anderen eine Position zuzuweisen.

6.7

Die Grenzen des Diskurses

Die interpretativen Repertoires und die damit zusammenhängenden Positionen begrenzen den Diskurs und die Möglichkeiten des Sagbaren. Wie sich diese Grenzen des Diskurses gestalten, d. h. ob sich Möglichkeiten eines Gegendiskurses ergeben, war denn auch die zentrale Frage dieses Kapitels. Gegendiskurse werden im Sinne Gramscis (1971) als »counter-hegemonic discourses« verstanden, welche Möglichkeiten für die Entstehung neuer Formen von Diskursen bieten, die althergebrachte überwerfen. Gemäss Gramsci (1971) werden Gegendiskurse die sich manifestierenden Austragungsorte ideologischer Kämpfe. In den Interviews finden sich jedoch kaum Aussagen oder Positionen, die sich als Gegendiskurse qualifizieren lassen, welche den hegemonialen Diskurs fundamental infrage stellen würden. Es gibt zwar kritische Stimmen, die entweder die Nützlichkeit oder aber die Motivation des Sprachartikels bezweifeln, oder aber allgemeiner die in der Politik erfolgte Verengung des Fokus auf Sprache als Voraussetzung für die Integration als zu simpel betrachten. Allzu prononciertes Infragestellen des politisch postulierten Zusammenhangs zwischen Sprache und Integration scheint jedoch bereits an die Grenzen des Diskurses relegiert. Als Illustration dafür dient folgender Ausschnitt. Es ist die diskursive Rekonstruk-

Die Grenzen des Diskurses

243

tion durch die Informantin, als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer beratenden Einheit der nationalen Migrationspolitik tätig, die berichtet, wie ihrer Einheit das Mandat für Fragen der Migration/ Integration weggenommen wurde. I09 abr i muess ou säge das (.){ABKÜRZUNG EINHEIT} [lachen] d [mhm] immer e sehr e (.) e kritischi hautig het gha [mhm] dere ganze entwicklig gägeüber [vo /] insbesondere- nei insbesondere mit dr verkopplig vo integration und sprach (.h) aso i weiss nid das merkt me hoffentlich wenn me das {PUBLIKATION} [mhm] s bitz aluegt das mir dr meinig si das äh die wo immer predige sprach sig dr schlüssu zur integration das geit so ir richtig vo däm zitat (.) das mir däm immer (.) sehr distanziert si [mhm] (..) gägenüber gstaute / mir hei wöue das lüt wo- wo cheu dänkche wo kritisch si quasi ihri netzwärk cheu biude [mhm] (.) so das wenn d verwautig (.) äh (.) d verwautig wott äh (..) ä unidirektionali entwicklig äh quasi astrebe das es dört lüt het wo cheu sage achtung me muess no das berücksichtige [mhm] aso mir hei eigentlech wöue das die kompetänze wo do si wenn s denn einisch so wit isch cheu gnutzt wärde vo dr verwautig odr […] mir hei e sehr kritischi hautig gha \ mir gö drvo us das es wenn me das wott aso die ganzi s thema geit ja ir richtig standardisierig [mhm] qualitätständerd [mhm] und mir sin dr asicht gsi das d ständerds (.) im bezug uf s agebot (.) im bezug uf curricula und im bezug uf uf äh (.) die lern- die lehrende [mhm] und prüefende [mhm] wenn die- wenn die da si odr wenn me so qualität förderet denn cha me när afoh u säge jetzt jetzt düemer si ou no fordere die ständerds [mhm] / (.h) im politische diskurs geits abr umgekehrt [mhm] do forderet me zerscht ständerds vo irgendwelchne lüt (.) möglichst vo söttigne wo politisch eh nüt z säge hei bevor me när dänkcht wie chönnt me d qualität vo de agebot [mhm] oder vo de abietende [mhm] fördere (.) so / aber wie gseit das isch üsi haltig gsi mir hei probiert die z kommuniziere sig das im {PUBLIKATION} (.) sig das ähm (.) mit dä (.) {KOMMUNIKATION} [mhm] zur ibürgerig [((xxx))] ja und äh izt isch es nüm üses [mhm] es isch vo üs wäg me hets wäggno odr [mhm] das isch jetzt organisatorisch isch das nüm bi üs / wäg däm bin ig wahrschinlich wirklich nid [mhm] die richtig person

Standarddeutsche Version: I09 aber ich muss auch sagen dass (.){ABKÜRZUNG EINHEIT} [lachen] die [mhm] immer eine sehr eine (.) e kritische haltung gehabt hat [mhm] der ganzen entwicklung gegenüber [von /] insbesondere- nein insbesondere mit der verkopplung von integration und sprache (.h) also ich weiss nicht das merkt man hoffentlich wenn man das {PUBLIKATION} [mhm] ein bisschen anschaut dass wir der meinung sind dass äh die die immer predigen sprache sei der schlüssel zur integration das geht so in richtung von dem zitat (.) das wir dem immer (.) sehr distanziert waren [mhm] (..) gegenüber gestalten / wir wollten dass leute die- die denken können die kritisch sind quasi ihre netzwerke bilden können [mhm] (.) so dass wenn die verwaltung (.) äh (.) die verwaltung will äh (..) eine unidirektionale entwicklung äh quasi anstreben dass es dört leute hat die sagen können achtung man muss noch

244

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

das berücksichtigen [mhm] also wir wollten eigentlich dass die kompetenzen die da sind wenn’s denn einmal so weit ist genutzt werden können von der verwaltung oder […] wir haben eine sehr kritische haltung gehabt \ wir gehen davon aus dass es wenn man das will also die ganze das thema geht ja in richtung standardisierung [mhm] qualitätstandards [mhm] und wir sind der ansicht gewesen dass die standards (.) in bezug uf das angebot (.) in bezug auf curricula und in bezug auf auf äh (.) die lern- die lehrenden [mhm] und prüfenden [mhm] wenn die- wenn die da sind oder wenn man so qualität fördert dann kann man nachher anfangen und sagen jetzt jetzt tun wir sie auch noch fordern die standards [mhm] / (.h) im politischen diskurs geht es aber umgekehrt [mhm] da fordert man zuerst standards von irgendwelchen leuten (.) möglichst von solchen die politisch eh nichts zu sagen haben bevor man nachher denkt wie könnte man die qualität von dem angebot [mhm] oder von den anbietenden [mhm] fördern (.) so / aber wie gesagt das ist unsere haltung gewesen wir haben probiert die zu kommunizieren sei das im {PUBLIKATION} (.) sei das ähm (.) mit dem (.) {KOMMUNIKATION} [mhm] zur einbürgerung [((xxx))] ja und äh jetzt ist es nicht mehr unsers [mhm] es ist von uns weg man hats weggenommen oder [mhm] das ist jetzt organisatorisch ist das nicht mehr bei uns / wegen dem bin ich wahrscheinlich wirklich nicht [mhm] die richtige person Ausschnitt 18: Grenzen des Diskurses

Sie sieht die offiziell erfolgte Relegation der Aufgabenverteilung an die Ränder des Diskurses in der kritischen Haltung ihrer Einheit den politischen und gesetzlichen Entwicklungen auf Bundesebene gegenüber begründet. Sie kritisiert, dass im politischen Diskurs zuerst Standards von den Leuten eingefordert würden, bevor man sich überhaupt überlege, wie man die Qualität des Angebots fördern könne (»do forderet me zerscht ständerds vo irgendwelchne lüt möglichst vo söttigne wo politisch eh nüt z säge hei bevor me när dänkcht wie chönnt me d qualität vo de agebot oder vo de abietende fördere«). Nicht nur in diesem Kontext kommt es zu expliziten Personalisierungen (z. B. »die wo immer predige sprach sig dr schlüssu zur integration«), die einer kritischen Perspektive entsprechen und die dabei intertextuell herangezogene Metapher in Frage stellen, indem sie in einem konditionellen Modus reproduziert wird (die Sprache sei der Schlüssel zur Integration). Weiter unten führt die Informantin aus: »äh izt isch es nüm üses es isch vo üs wäg me hets wäggno«. Ihre persönliche Identifikation mit ihrer Organisationseinheit, aber auch mit dem Verlust des Mandats ist spürbar. Auch wenn sie selbst keinen Kausalzusammenhang zwischen der sehr kritischen Haltung (»sehr kritischi hautig«) ihrer Einheit und dem Verlust des früheren Auftrags herstellt, so wird dies dennoch impliziert. Dabei zeigt sich etwas Wichtiges: Eine Einheit, die sich sehr kritisch äussert, wird eines Auftrags entledigt, sodass die Einheit de facto nichts mehr zu diesem Thema zu sagen hat resp. zum Schweigen gebracht wird. Als Resultat zweifelt sie selber an der Legitmität ihrer Meinung (»wäg däm bin ig wahrschinlich wirklich nid [mhm] die

Die Grenzen des Diskurses

245

richtig person«). Es liegen keine zusätzlichen Informationen vor, ob die Umstrukturierung/ Relegierung tatsächlich aufgrund der kritischen Haltung ihrer Einheit erfolgte. Eine direkte und reelle Konsequenz dieser Restrukturierung ist jedoch, dass die kritische Haltung dieser Einheit in der Bundesverwaltung über keinen offiziellen Kommunikationskanal mehr verfügt. Es zeigt sich wiederum, wie durch institutionelles Handeln die Grenzen des Diskurses nicht nur sichtbar, sondern auch verstärkt werden. Ein zweites Beispiel zu den diskursiven Grenzen liefert der folgende Ausschnitt, der einem Gruppeninterview mit drei Mitarbeiterinnen (zwei Mitarbeiterinnen und die kurz vor der Pensionierung stehende Leiterin) einer kantonalen interkulturellen Beratungsstelle entstammt (siehe Ausschnitt 4: Druck auf Migrationsbevölkerung). Dieser Aussage ging eine Diskussion über das neue Integrationsgesetz voran, worin die darin gebotenen Möglichkeiten besprochen wurden. Von Informantin I03b, die Deutsch spricht, wurde das Integrationsgesetz und auch die Schweizer Integrationspolitik insgesamt kritisch beurteilt. So verwendete sie in mehreren Zusammenhängen das Wort »Druck«, welcher ihrer Meinung nach auf die ausländische Bevölkerung allgemein, besonders aber auf die ausländischen Jugendlichen ausgeübt würde. Diese kritische Haltung kommt im folgenden Ausschnitt zum Ausdruck: I03b man sollte nur einfach (.) den leuten ((die hand)) geben \ wir sollen ihnen das so ((xxx)) das ist doch krankhaft oder diese integration / damit schaffen sie doch keinedas bringt kein resultat \ [((hustet))] ((sagen sie mir was sie denken)) man soll anbieten okay aber nicht jeden tag in den medien stehen (.h) MIgration Integration MIgration ausländer / das ist ein druck von von medien von von (.) überhaupt von ganze gesellschaft [mhm] Ausschnitt 19: Grenzen des Diskurses 2

Die Informantin konstatiert, dass diese Integration krankhaft sei (»krankhaft oder diese integration«), wobei das politische Programm gemeint ist. Sie stellt somit die gesamte nationale und kantonale Integrationspolitik in Frage: Nicht, dass etwas angeboten wird, sondern wie dies politisch und gesellschaftlich angegangen wird, was sich in einem massiven medialen und gesellschaftlichen Druck äussere. Im Verlauf des Interviews beteiligte sie sich nur teilweise am Gespräch, da es vornehmlich von Informantin I03 (mit welcher eigentlich ein Einzelinterview geplant war) bestritten wurde. In ihren Aussagen bezieht I03b keine Stellung zur Prämisse des Diskurses, wonach alle die in Basel wohnen, die lokale Sprache lernen müssten. Dagegen dekonstruiert sie die Erwartungshaltung der Schweizer Bevölkerung und Politik an die ausländische Bevölkerung. Es könnte also

246

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

tatsächlich sein, dass sich hier eine Art Gegendiskurs abzeichnet, der sich grundsätzlich durch eine Verweigerung der durch den Diskurs stipulierten Prämissen definieren würde. Interessanterweise wurden ihre Aussagen jedoch von den anderen beiden Informantinnen im Verlauf des Interviews nicht rezipiert. Ob dies mit einer bestimmten Dynamik des Arbeitsteams zu tun hat oder mit dem Regulativ des Diskurses, lässt sich nicht eruieren. Tatsache ist, dass auch dieser potentielle Gegendiskurs aussen vor bleibt, weil ihm kein (individuelles oder aber institutionelles) Gehör geschenkt wird. Beiden Beispielen ist somit die Relegation an die Grenzen des Diskurses und die Aussenerfahrung gemein.

6.8

Schlussfolgerungen

Durch die enge Definition vom Innen und Aussen des Diskurses entstehen diskursive Lücken, die wiederum eng mit spezifischen Ideologien verbunden sind, wie im nachfolgenden Kapitel ausgeführt werden soll. In den Interviews haben sich auf jeden Fall in Bezug auf Sprache und Integration ähnliche Ideologien und Ideologisierungen manifestiert, wie sie auch in den politischen Debatten festzustellen waren. Dies zeigt sich darin, dass einzelne spezifische Konzepte oder Vorstellungen als Common Sense vorausgesetzt werden. Konzepte wie »Fördern und Fordern« oder eine Methapher wie »Sprache als Schlüssel zur Integration« werden somit als allgemein gültige »Wahrheit« akzeptiert. Eine Frage, die auch in Zusammenhang mit den interpretativen Repertoires und ihrer Beschaffenheit gestreift wurde, betrifft die diskursive Perspektive auf die Integrationspolitik. Genauer gesagt, geht es im Diskurs immer nur um die Sicht der »Gastgesellschaft« oder des Staates. Auch bei den interpretativen Repertoires des Förderns und des Forderns stehen die Forderungen der/ Förderungen durch die »Ausländer« nicht im Vordergrund. Ausländerinnen und Ausländer werden dadurch als Rezipienten der Integrationspolitik konzipiert: Sie werden gefördert, gleichzeitig wird von ihnen etwas (ein) gefordert. Die Übernahme des Prinzips »Fördern und Fordern« unterstützt diese einseitige Herangehensweise – im Gegensatz zu früheren Begriffspaaren wie etwa »Rechte und Pflichten«, welche Staat und Individuum zu gleichen Stücken in die Verantwortung zu ziehen scheinen. Auch bei »Geben und Nehmen« werden beide involvierten Partien gleichermassen angesprochen. Bei »Fördern und Fordern« geht dies jedoch völlig verloren, da sich dabei nur ein einziges Objekt herausschält, obwohl sich die Basler Politik die Reziprozität auf die Fahne der Integrationspolitik geschrieben hat. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die Akteure, die sich in der integrationspolitischen Praxis situieren, in ihren Interpretationen und Positionierungen sowohl auf nationaler wie kantonaler Ebene innerhalb der dis-

Schlussfolgerungen

247

kursiven Grenzen bewegen. Sie verschreiben sich der binären Polarisierung, die durch die Positionen des Förderns und Fordern zum Ausdruck kommt. Es konnte gezeigt werden, inwiefern diese Positionen durch interpretative Repertoires eingenommen resp. zugewiesen werden und wie diese Repertoires beschaffen sind. Für die erfolgreiche Selbst- oder Fremdpositionierung mit den entsprechenden Repertoires wurden unterschiedliche Strategien angewendet. Dies hat wiederum mit dem Legitimierungsanspruch der Akteure zu tun. In den Interviews war denn auch die Legitimierung der eigenen Person resp. der Aussagen das Ziel. Zwischen den interpretativen Repertoires resp. den damit zusammenhängenden Ideologien können konstant Aushandlungen ausgemacht werden. Die beiden Repertoires unterscheiden sich auf inhaltlicher und referentieller Ebene, vor allem aber in ihrer diskursiven Funktion bezüglich Positionierungen. Sie werden je nach Bedarf als konträr konstruiert oder als komplementär eingesetzt. Dadurch vermengen sich die beiden Repertoires in ihren Funktionen, sodass im Endeffekt die Praxis des Forderns durch das Fördern-Repertoire legitimiert werden kann. Das Fördern wird somit zum Fordern – und umgekehrt. Dies wird auch in den Selbst- und Fremdpositionierungen ersichtlich. Eine zu einseitige Gewichtung des Forderns oder aber Förderns wird nicht gebilligt. Während mit dem expliziten Fordern-Repertoire die Funktion einer exkludierenden Grenzziehung und assimilativen Politik assoziiert wird, wird dem Fördern-Repertoire das Gutmenschen-Etikett angeheftet, das sich durch Realitätsferne auszeichnet. Gerade durch die Komplementarität der beiden Repertoires erreicht man eine Selbstpositionierung im politisch pragmatischen Mittelfeld, das in der Praxis je nach Bedürfnis beiden Positionen Rechnung trägt. Gegendiskurse sind in den Interviews nur in einem sehr geringen Ausmass und ansatzweise vorhanden. Die regulative Ordnung des Diskurses »Integration durch Sprache« scheint somit auch im semi-öffentlichen Bereich der Praxis von Integrationsexpertinnen und -experten ihre Wirkung entfaltet zu haben. Die Reproduktion resp. Zirkulation des Diskurses konnte mittels der diversen intertextuellen Bezüge aufgezeigt werden. Auch wenn kritische Fragen gestellt werden, die z. T. direkt mit der praktischen Umsetzung (z. B. Sprachkurse) und den praktischen Konsequenzen des Sprachartikels (z. B. Sanktionen) zusammenhängen, ist es doch auffällig, wie sich die grosse Mehrheit darin einig ist, dass der Spracherwerb für die Integration unerlässlich sei. Der Unterschied zwischen den Repertoires des Förderns und Forderns besteht schliesslich lediglich darin, ob man den Spracherwerb fördern oder (ein) fordern soll. Die Existenz dieser zwei spezifischen Repertoires ist untrennbar mit der Formierung und Entwicklung des Diskurses »Integration durch Sprache« verbunden. Sie sind als historische Erklärungsmuster zu verstehen, die auch wieder an Bedeutung verlieren können – analog zu den im Diskurs möglichen Posi-

248

Fördern und Fordern – der Diskurs der Praxis

tionen, die auch einer stetigen Variabilität unterliegen. Die Repertoires widerspiegeln folglich, welche Positionen zu einem bestimmten Zeitpunkt sag- und denkbar sind; sie lassen aber auch erkennen, welche Aushandlungen, Positionierungs- und Zuschreibungskämpfe darin vorkommen. Solche Aushandlungen, Positionierungen und Zuschreibungen bewegen sich innerhalb des diskursiven Feldes, das wiederum durch die beiden Repertoires Fördern und Fordern eingegrenzt wird. Durch die Verwendung der Repertoires wird somit die Reproduktion des Diskurses »Integration durch Sprache« realisiert.

7

Die Konsequenzen des Diskurses »Integration durch Sprache«: Diskussion und Schlusswort

7.1

Zusammenfassung der Analysen

In dieser Untersuchung bin ich der grundlegenden Quaestio nachgegangen, welche soziopolitischen Ziele und Interessen durch den Diskurs »Integration durch Sprache« verfolgt werden. Mit anderen Worten: Ich stellte mir die Frage, weshalb, wie und unter welchen Bedingungen der Sprache in der Schweizer Integrationspolitik und entsprechenden Gesetzen seit 1998 ein derart grosses Gewicht zuteil wurde, und wie sich die Konsequenzen dieser diskursiven und gesetzlichen Entwicklungen für einen bestimmten Teil der Bevölkerung ausgestalten. Folgende zwei Fragestellungen haben die Erforschung dieser Quaestio angeleitet: 1) Wie ist es in diversen integrationspolitischen Gesetzen (im Besonderen das Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer (AuG) und das Gesetz zur Integration der Migrationsbevölkerung von Basel-Stadt, beide in Kraft seit 2008) zur Fokussierung auf die Sprache als Voraussetzung und Indikator der individuellen Integration gekommen? 2) Wie interpretieren Expertinnen und Experten den Diskurs der Praxis, der sich aus dem Sprachartikel ableitet, sowie die damit einhergehenden Konsequenzen und wie positionieren sie sich darin/ dazu? Diese eher generell gefassten Forschungsfragen wurden durch konkreter formulierte Fragen ergänzt. Darin wurden z. B. auch die Interessen angesprochen, welche von den Akteuren verfolgt werden, die sich im Diskurs positionieren und ebenfalls wurde den Konsequenzen Aufmerksamkeit geschenkt (siehe 1.6.1). Die beiden Forschungsfragen ergänzen sich dahingehend, dass sie ein umfängliches Verständnis davon zulassen, wie und unter welchen Bedingungen der Diskurs »Integration durch Sprache« entstand, sich transformierte, reproduzierte, zirkulierte und die soziale Praxis dahingehend regulierte, dass schlussendlich keine Gegenposition mehr zum Diskurs zulässig war/ ist. Das Regulativ des Diskurses zeigte sich in diskursiven Ereignissen, welche Momente von Transformationen, Verdichtungen oder Umbrüchen darstellen, in denen sich der Diskurs materialisiert (z. B. in Debatten, Texten, Gesetzen). So

250

Konsequenzen des Diskurses

liess sich durch die Beleuchtung einzelner diskursiver Ereignisse feststellen, welche Positionen durch die involvierten Akteure eingenommen wurden, welche akzeptiert und schliesslich reproduziert wurden, sodass der Diskurs in der heutigen Form existiert. Auf Bundesebene wurden zur Nachverfolgung der Entstehung, Verfestigung und Erweiterung des Diskurses folgende diskursive Ereignisse analysiert: 1) die Motionen Simmen und Bircher (im Jahr 1998) zur Sprachförderung der ausländischen Bevölkerung mittels des zur Debatte stehenden Integrationsartikels 25a ANAG; 2) die Schaffung des Sprachartikels Art. 54 im neuen Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer (im Jahr 2008). Im ersten diskursiven Ereignis wurde die Metapher »Sprache als Schlüssel zur Integration« als Ausgangsidee der Motionen in die Schweizer Politik eingeführt. Diese Formulierung wurde von Anfang an in den entsprechenden Debatten weder vom Parlament noch vom Bundesrat hinterfragt oder zur Diskussion gestellt, sondern als Common Sense akzeptiert. Dies indexiert eine bereits bestehende Akzeptanz des Diskurses und vorangehende diskursive Entwicklungen. In den Debatten wurde ganz grundsätzlich darum gerungen, inwiefern der Staat für die Integration der ausländischen Bevölkerung verantwortlich sei – vor allem auch in finanzieller Hinsicht. Im so genannten Integrationsartikel 25a ANAG wurde die Integration 1999 schliesslich als staatliche Aufgabe verankert, wobei Subventionen vor allem für Sprachkurse vorgesehen waren (siehe Art. 16 VIntA). Ausgehend von diesem breit abgestützten Konsens wurde die Metapher im Verlauf des Entstehungsprozesses des AuG in ihrer Funktion gesetzlich erweitert: Sie wurde nicht mehr nur als Schlüssel zur Integration betrachtet, sondern nun auch als deren Indikator, wie in Art. 54 AuG festgehalten. Darin wird somit nicht nur die Integrationsbereitschaft einer Person aufgrund des Besuchs eines Sprach- oder Integrationskurses erkennbar, sondern auch der Grad der Integration aufgrund vorhandener Kenntnisse der Ortssprache. Im Kontext beider diskursiver Ereignisse wurden Gegenpositionen zum in der Metapher emblematisch verdichteten Diskurs »Integration durch Sprache« weder ersichtlich (in Dokumenten wie z. B. in Botschaften zu den Gesetzen, Verwaltungsberichten, Stellungnahmen im Vernehmlassungsprozess) noch geäussert (in parlamentarischen Debatten). Im kantonalen Kontext von Basel-Stadt gestaltete sich der Verlauf des Diskurses ähnlich. Die beiden analysierten diskursiven Ereignisse waren hier : 1) das Integrationsleitbild der Basler Regierung (im Jahr 1999) und 2) der Sprachartikel (Art. 5) im Integrationsgesetz des Kantons Basel-Stadt (im Jahr 2008). Die eingenommenen Positionen und die Reproduktion des Diskurses erfolgten gewissermassen parallel zu den Debatten des Schweizer Parlaments; das bedeutet, dass die Sprache zwar sehr früh als Schlüssel zur Integration (und später als Indikator für Integration) konzipiert wurde, jedoch keine weiterfüh-

Zusammenfassung der Analysen

251

renden Überlegungen dazu formuliert oder ausgesprochen wurden. In diesem Zusammenhang erstaunt, dass nicht die Ko-existenz des Dialekts und der Standardprache nicht zum Thema wurde, doch dazu später. Die Diskussionen drehten sich vielmehr um das Prinzip des »Förderns und Forderns« als Ausgestaltungsform des Diskurses, welches bereits im Integrationsleitbild figurierte, dann aber vor allem dem Integrationsgesetz als eigentliche Ausgangslage diente (analog dazu wurden teilweise die binären resp. reziproken Konzepte »Geben und Nehmen« oder »Rechte und Pflichten« verwendet). Wiederum bedeutet dies, dass es in den Diskussionen um das Austarieren der zulässigen politischen Pole ging. Im Kontext der diskursiven Ereignisse ist besonders augenfällig, dass die möglichen Interessenspositionen mit diesen Polen besetzt wurden. Während die eine Seite primär Sprachkenntnisse fördern wollte, forderte die Gegenseite die Aneignung der Sprachkenntnisse ein (z. B. durch eine entsprechende Gesetzgebung). Ein politischer Konsens liess sich dennoch finden, nämlich gerade im Verständnis der Sprache als Schlüssel zur Integration. Dem Prinzip »Fördern und Fordern« kam in dem Moment somit eine diskursive Funktion zu, welche das Fortbestehen einer konsensuellen Integrationspolitik garantierte und potentiell divergierende Positionen vereinte. In den Interviews wurde die diskursive Funktion des Prinzips ebenfalls ersichtlich. Die 14 interviewten Akteure positionierten sich mit nur einer Ausnahme innerhalb des Diskurses, wodurch wiederum das Regulative des Diskurses durchschimmerte. Auch hier wurde dem Fördern und Fordern eine eigene diskursive Funktion zuteil. Beide Komponenten wurden durch unterschiedliche interpretative Repertoires manifest, auf welche die Informantinnen und Informanten im Verlauf des Interviews wiederholt zurückgriffen, um sich selbst und andere zu positionieren. Selbstpositionierungen zeichneten sich dabei durch Zuschreibungen von Mässigung und Realismus aus, Fremdpositionierungen durch Extremismus und unrealistische Vorstellungen. Gleichsam wurde davon ausgegangen, dass Sprache der Schlüssel zur Integration darstelle. Die beiden Repertoires Fördern und Fordern wurden zudem je nach Interesse als konträr (binäre Opposition) oder komplementär konstruiert. Die Kontrarität diente zur expliziten Abgrenzung der eigenen Position, wodurch die Komplementarität eigentlich erst ersichtlich wurde. Die Komplementarität der Repertoires konnte hingegen zur Legitimierung einer potentiell ambivalent erscheinenden Selbstpositionierung angedeutet werden; dies durch das Verweisen auf das Zusammen- und Zwischenspiel der beiden Repertoires und der damit verbundenen Positionen. Schliesslich wurde dadurch das Fördern-Repertoire in Abhängigkeit mit dem Fordern-Repertoire konstruiert – und umgekehrt. Dies hatte nicht nur diskursive, sondern durchaus auch praktische Konsequenzen: Das eine bezieht durch die Abgrenzung vom anderen seine eigentliche Legitimation. Als weitere Konsequenz wurde das Fordern diskursiv zum Fördern, wie

252

Konsequenzen des Diskurses

dies auch in der diskursiven Entwicklung auf Bundes- und Kantonsebene deutlich wurde.

7.2

Lücken des Diskurses

Diese dreifache Diskursanalyse (1. Genealogie des nationalen Diskurses, 2. Genealogie des kantonalen Diskurses, 3. Analyse von Interviews zur Reproduktion des Diskurses) zeigte somit auf, inwiefern der Diskurs reproduziert wurde und reelle Konsequenzen mit sich brachte. Gleichzeitig zeigte sie, welche Lücken im Diskurs bestehen. Es bietet sich nun an, derartige diskursive Lücken nach durchgeführter Analyse zusammenführend zu besprechen und sie hinsichtlich der im Diskurs investierten Interessen und daraus resultierenden Konsequenzen zu problematisieren. Als diskursive Lücke oder Leerstelle werden Sachverhalte, Themen oder Fragestellungen verstanden, die innerhalb eines Diskurses kaum oder gar nicht problematisiert werden. Dies kann davon herrühren, dass eine bestimmte Fragestellung vermieden wird, da sie den Diskurs und die darin enthaltenen (Sprach-) Ideologien destabilisieren könnte. Ideologien und Vorstellungen von Common Sense begründen ihre scheinbar zeitlose und universelle Wahrheit ja gerade dadurch, dass sie Spezifizierungen oder Kontextualisierungen zu entbehren scheinen. Im Gegenteil, sowohl Spezifizierungen wie Kontextualisierungen würden die Universalität der Ideologie und des Common Sense gerade infrage stellen (Gramsi in Hall 1989; Irvine 2002; Irvine/Gal 2000; Woolard 1998; siehe auch 2.4). Ein zweiter Grund für die Nicht-Thematisierung eines bestimmten Sachverhaltes kann jedoch darin liegen, dass die »Realität« dadurch in ihrer Komplexität reduziert wird. Dies hat zur Folge, dass zusätzliche, potentiell unangenehme Fragen nicht angegangen werden müssen, welche diese »Realität« um einiges komplexer – und schwieriger zu handhaben – erscheinen liessen. Man könnte hinsichtlich diskursiver Lücken somit von der Reduktion von Komplexitäten von Zusammenhängen sprechen. Eine dritte Möglichkeit für die Entstehung von diskursiven Lücken scheint mit den Interessen der Akteure verbunden zu sein: Vordergründig wird durch den Diskurs ein bestimmtes Ziel deklariert, doch erweckt das Vorhandensein bestimmter diskursiver Lücken den Eindruck, dass mit aller Wahrscheinlichkeit zusätzliche resp. andere Interessen verfolgt werden. Die Nicht-Thematisierung dieser Interessen stellt auch eine Art diskursiver Lücke dar, doch leitet sie sich gerade daraus ab, dass bestimmte Zusammenhänge diskursiv systematisch unterschlagen werden. Diese drei unterschiedlichen Ursachen für diskursive Lücken, die natürlich auch miteinander verwoben sind, verweisen schliesslich auf das von Foucault beschriebene diskursive Regulativ, worüber erschlossen werden kann, was sag-/ denkbar ist (und

Lücken des Diskurses

253

was nicht), wo die Grenzen des Diskurses verlaufen und welche Interessen mit entsprechenden Grenzziehungen verbunden sind (Foucault 1969 & 1971). Es wird somit klar, dass die foucaultsche Diskursanalyse zwar von einem diskursiven Regulativ ausgeht, dieses aber durchaus mit reellen Interessen von bestimmten Akteuren verbindet und nicht etwa von einem abstrakten und losgelösten Diskurs ausgeht. Hinsichtlich der Quaestio dieser Untersuchung erscheinen vor allem drei Lücken relevant. Diese haben erstens mit der Nicht-Spezifizierung der »Sprache« zu tun, wie sie als Schlüssel zur Integration gehandelt wird; zweitens mit der Absenz der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit im Diskurs; drittens mit der Reduktion von Zusammenhängen zwischen »Sprache« und sozialer Mobilität. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Analysen gezeigt haben, dass nicht nur »Sprache« reduziert und verkürzt behandelt wird, sondern auch »Integration«. Während in den Interviews die Möglichkeit bestand, diesen Begriff differenziert und kontextualisiert zu thematisieren, wurden in den analysierten diskursiven Ereignissen nur bedingt Hinweise auf ähnlich detaillierte konzeptuelle Auseinandersetzungen gefunden. Vielmehr trat zu Tage, dass der Begriff unterschiedlich gehandhabt wurde und unterschwellig mit verschiedenen Inhalten, Interpretationen und Ideologien besetzt war, wie dies im Abschnitt zu den »terminologischen Ambivalenzen« (2.2.1) antizipiert wurde.

7.2.1 Die Nicht-Spezifizierung von »Sprache« Die potentiell konträre Konzeptualisierung von Integration erstaunt somit kaum; in diesem Zusammenhang fällt jedoch auf, dass weder auf nationalem noch auf kantonalem Niveau darauf eingegangen wird, wie »Sprache« gehandelt wird. Auch in den Interviews wird dieser Punkt nur marginal thematisiert. Diskursive Lücken sind somit in Bezug auf folgende Fragestellungen festzustellen: Welche Sprachkompetenzen für welche Integration? Für Formen der sozialen, institutionellen und beruflichen Integration werden unterschiedliche Sprachniveaus benötigt. Während die soziale Integration auch unabhängig davon erfolgen kann, ob jemand der ortsüblichen Sprache mächtig ist, sind für die institutionelle oder berufliche Integration unter Umständen bessere Kenntnisse nötig. Auch hier hängt dies jedoch davon ab, ob Institutionen gewillt sind, fremdsprachigen Personen Sprachangebote zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich sind im beruflichen Umfeld jeweils unterschiedliche Sprachkompetenzen gefragt, die nicht immer dem Ideal der Ortssprache ent-

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Konsequenzen des Diskurses

sprechen. Unternehmen können unter Umständen gezielt Kapital aus den anders-/ mehrsprachigen Kompetenzen ihrer gering qualifizierten Arbeiterinnen und Arbeiter schlagen (DuchÞne 2011), während es als normal angesehen wird, dass hochqualifizierte Personen tagtäglich in einer internationalen Lingua Franca wie Englisch kommunizieren. Des Weiteren gibt es die sogenannte »ethnische Wirtschaft«, d. h. Unternehmen, die von Migrantinnen und Migranten gegründet und geführt werden, in denen ggf. spezifische Sprachkompetenzen vorausgesetzt werden, die nicht der lokalen Sprache entsprechen. Die Zusammenhänge zwischen Sprachkompetenzen und den unterschiedlichen Formen der Integration werden somit nicht ihrer Komplexität entsprechend problematisiert, sondern durch die emblematische Verwendung der Metapher »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« formelhaft reduziert resp. reproduziert. Selbst wenn die von der ausländischen Bevölkerung gewünschten oder geforderten sprachlichen Niveaus Thema werden, dann lediglich in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER). Die GERNiveaustufen (A1-C2) wurden ursprünglich zur einheitlichen Beschreibung von individuellen Sprachkompetenzen konzipiert, um flexible Formen der Mehrsprachigkeit und unterschiedliche Stufen bezüglich mündlicher resp. schriftlicher Kompetenzen adäquat zu widerspiegeln. Das Verwenden des GER war somit ursprünglich keineswegs dafür vorgesehen, normative Spracherhebung bei Migrantinnen und Migranten durchzuführen, die potentiell negative Konsequenzen wie Sanktionen im Aufenthaltsrecht nach sich ziehen könnten (Plutzar 2010: 133). Welche Sprachvarietät für welche Integration? Zu keinem Zeitpunkt wurde diese Frage in den Entstehungsprozessen des AuG und des IG aufgeworfen, was besonders im zweiten Fall aufgrund der diglossischen Bedingungen frappant ist. Eines der markanten sprachlichen Merkmale der Deutschschweiz ist nicht zuletzt genau die diglossische Verteilung der Sprachvarietäten (Dialekt und Standardsprache), wie dies in Abschnitt 2.4.2 dargelegt wurde. Diese Nicht-Thematisierung wiederum gibt zu folgender Überlegung Anlass: Ist die Diglossie zu einem solchen Grad im Bewusstsein der Basler Politikerinnen und Politiker naturalisiert, dass sie nicht mehr explizit erwähnt werden muss? Wenn jedoch in der Deutschschweiz dem Dialekt die Funktion zukommt, über die gesellschaftliche Zugehörigkeit und Legitmität zu entscheiden (Werlen 2005b), zieht die Nicht-Thematisierung dieser Sprachsituation konkrete Konsequenzen nach sich. Gesetzlich und politisch wird meist nur implizit, teilweise aber auch explizit (siehe Art. 1 IntV: »deutsche Sprache«), auf den Erwerb der Standardsprache verwiesen ohne dass dafür eine Erklärung offeriert würde. Sprach- und Integrationskurse werden somit durchgehend in der Standardsprache angeboten. Das Beharren auf dem Erwerb der Standard-

Lücken des Diskurses

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sprache basiert zum einen vermutlich auf der Ideologie, dass der Dialekt nicht formal lernbar ist; zum anderen auf der Vorstellung, dass (schriftliche) Kompetenzen in der Standardsprache für die institutionelle und berufliche Integration nötig seien. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, dass fremdsprachigen Ausländerinnen und Ausländern eine Sprache vermittelt wird, die erstens »draussen« nicht gesprochen wird und zweitens im persönlichen und mündlichen Umgang mit der ansässigen Bevölkerung nur bedingt auf Akzeptanz stösst. Die soziale Integration wird dadurch gewiss nicht erleichtert und der Dialekt wird in seiner Funktion als Index der Herkunft und Zugehörigkeit noch verstärkt. In den Interviews wurden etliche Beispiele zu den Schwierigkeiten von Fremdsprachigen mit beiden Varietäten angeführt, was sich gemäss der Informantinnen und Informanten nicht nur sozial auswirkte, sondern teilweise durchaus den Spracherwerb erschwerte. Wenn nun aber integrationspolitisch die angebliche Schlüsselfunktion der Sprache beschworen wird, müsste eine Reflexion darüber stattfinden, was die Funktionen der beiden Varietäten im täglichen Schweizer Leben sind und inwiefern diese mit »Integration« zusammenhängen (Flubacher 2013). Anders ausgedrückt: Durch die Naturalisierung resp. Nicht-Thematisierung kann in diesem diglossischen Kontext ein Dogma der sprachlichen Homogenität ausgemacht werden, welches die binäre funktionale Zuschreibung der beiden Varietäten nicht infrage stellt. Durch dieses Dogma werden vielmehr konkrete Zuweisungen vorgenommen, die auf die Sprecherinnen und Sprecher der Varietäten übertragen werden können und somit über »Innen« und »Aussen« bestimmen. Es ist nicht zuletzt die Aufnahmegesellschaft, die darüber entscheidet, welche Varietät die fremdsprachige Bevölkerung lernen soll/ muss, welche Sprachkurse somit finanziert werden und welche Formen der Integration ihr zustehen. Welche Sprachen für die Integration? Fragen zum Zusammenhang von »Sprache« und »Integration« zielen jedoch nicht nur auf die »lokale(n)« Sprache(n) (Dialekt und/ oder Standardsprache), sondern auch auf andere Sprachkenntnisse, welche in der Gesellschaft bestehen, angewendet und benötigt werden – sozial, institutionell und wirtschaftlich. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass tendenziell ausschliesslich von »fehlenden Sprachkompetenzen« als Ursache von ungenügender Integration die Rede ist (vgl. z. B. Bericht Integrationsmassnahmen 2007). Dies impliziert zum einen, dass die bestehenden Kompetenzen in der Ortssprache als ungenügend bewertet werden; zum anderen, dass Kenntnissen in anderen Sprachen politisch-ökonomisch keine relevante Rolle zukommt. Während die potentielle Nutzung dieser Ressourcen für die Gesellschaft zwar bereits andiskutiert wird, werden die Fremdsprachenkenntisse für das persönliche Fortkommen resp. die soziale Mobilität kaum in Betracht gezogen. Diesbezüglich figurieren alleine die

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Konsequenzen des Diskurses

lokalen Sprachen in der Schweiz – und, gegenbenfalls, Englisch. Diese Aspekte sollen im Kontext der nächsten diskursiven Lücke näher betrachtet werden.

7.2.2 Die Nicht-Thematisierung der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit In Anbetracht der offiziellen Mehrsprachigkeit der Schweiz, der hohen Anzahl Fremdsprachiger in der Schweiz und der ausgeprägten mehrsprachigen Kompetenzen der Schweizer Erwachsenen (Werlen 2009) scheint die Frage legitim, wieso diesen Aspekten in Zusammenhang mit Integration und Sprache keine Rechnung getragen wird. Weder auf nationaler noch kantonaler Ebene wurde je wirklich die Existenz oder der legitime Gebrauch anderer Sprachen ausser der offiziellen lokalen diskutiert. Auch in den Interviews wurde lediglich die Ideologie des Diskurses reproduziert, dass in Basel die »Sprache«, d. h. die nicht weiter definierte deutsche Sprache, gelernt werden müsse. Diese spezifische Nicht-Thematisierung scheint vor allem durch ein monolinguales Gesellschaftsideal geprägt zu sein, welches vom als fundamental schweizerisch betrachteten Territorialitätsprinzip herrührt. Gerade die Schweizer Mehrsprachigkeit beruht auf einer Ko-Existenz der vier (primär) einsprachigen Sprachregionen (Werlen 2005a), sodass eine reell gelebte Mehrsprachigkeit im Sinne der Nationalsprachen weder Ideal noch Tatsache darstellt. Aufgrund von Binnen- und Immigration gibt es durchaus eine Durchmischung der Sprachgebiete (siehe Lüdi/Werlen 2005), wobei Kompetenzen in den Nationalsprachen von Politik und Verwaltung als »Integrationspotenzial« jedoch komplett ignoriert werden. Man hört zwar oft, dass z. B. spanische Bauarbeiter bei der Arbeit Italienisch gelernt hätten. Solche Ausführungen werden jedoch oftmals mit dem Vermerk versehen: auch wenn dies eine Form der Integration darstelle, genüge dies nicht. Dass der Integrationspolitik grundsätzlich die Sprachideologie der gesellschaftlichen Einsprachigkeit inhärent ist, lässt sich eigentlich bereits aus der Metapher ableiten, dass »die« Sprache »der« Schlüssel zur Integration sei, wobei sowohl Sprache wie auch Schlüssel im Singular gehalten werden. Angesichts der reell vorhandenen gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit, könnte die Metapher auch heissen: »Mehrsprachigkeit/ Sprachen als Schlüssel zur Integration«. Die fundamentale Konsequenz dieser einsprachig geprägten Integrationspolitik ist schliesslich, dass der Sprachförderung im Zuge von Integrationsfördermassnahmen eine zentrale Rolle zugesprochen wird, wie dies auch vom BFM im Bericht über die Integrationsmassnahmen (2007) vorgeschlagen wurde. Der Bericht, vor der Umsetzung des AuG verfasst, beschreibt die grössten Aufgabenfelder der Integrationspolitik im Hinblick auf die Erstellung der VIntA. An etlichen Stellen wird im Bericht darauf hingewiesen, dass Sprache prioritär zu

Lücken des Diskurses

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behandeln sei, da »Integrationsprobleme in anderen Bereichen (Bildung, Arbeit, Zusammenleben, etc.) sich namentlich auch auf fehlende Sprachkenntnisse zurückführen lassen« (Bericht Integrationsmassnahmen 2007: 10). Auch in Bezug auf Schulerfolg werden die »fehlenden« Sprachkenntnisse problematisiert, weshalb insbesondere dem Bildungssystem eine »monolinguale Orientierung« (de Cillia 2001) attestiert werden kann. An dieser Stelle gilt es zu betonen, dass »fehlende Sprachkenntnisse« allerdings nur dann ein Problem darstellen, wenn von einer einsprachigen Gesellschaft ausgegangen wird. Diesbezüglich bietet sich ein kleines Experiment an. Wenn von »fehlenden Sprachkenntnissen« und den damit verbundenen Integrationsproblemen die Rede ist, füge man jeweils folgende Phrase ein: »in einer einsprachigen Gesellschaft«. Als Beispiel soll folgender Satz dienen: »Da der Integrationserfolg im Bereich der Sprache sowie in Bildung und Arbeit eng mit Mitwirkungs- und Kontaktmöglichkeiten im lokalen Umfeld sowie mit der Anwendung der Sprache zusammenhängt […]« (Bericht Integrationsmassnahmen 2007: 19), der dann lauten würde: »Da der Integrationserfolg in einer einsprachigen Gesellschaft im Bereich der Sprache sowie in Bildung und Arbeit eng mit Mitwirkungs- und Kontaktmöglichkeiten im lokalen Umfeld sowie mit der Anwendung der Sprache zusammenhängt […]«. Die ideologische Argumentationsgrundlage der Sprachförderungen wird nun klar ersichtlich. In diesem Sinne wäre auch in dieser Hinsicht eine öffentliche und politische Auseinandersetzung mit der Rolle der gesellschaftlichen und individuellen Mehrsprachigkeit in Bezug auf die Integration angebracht.

7.2.3 Strukturelle Ungleichheiten Die Ideologie einer einsprachigen Gesellschaft und der daraus resultierende Fokus auf die »fehlenden« Sprachkenntnisse hat weiterführende Konsequenzen: Fremdsprachige ausländische Personen werden aufgrund ihres (fehlenden?) sprachlichen Repertoires als defizitär erachtet. Vor allem aber wird ihr (mangelhaftes) Repertoire als Ursache für die nicht erfolgte Integration und den verhinderten sozialen Aufstieg herangezogen. Wie bereits mehrfach erwähnt, stehen solche Erklärungsmuster in engem Zusammenhang mit einem neoliberalen Leistungsdiskurs, der insbesondere in der Integrationspolitik auf ein grosses Echo gestossen ist. In Österreich beispielsweise wurde 2011 eine Kampagne gestartet (»Zusammen Österreich)«, in der sogenannte Integrationsbotschafter (Migrantinnen und Migranten) in Vorbildfunktion ihre persönlichen

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Konsequenzen des Diskurses

»Erfolgsgeschichten« preisgeben; auf der Webseite, aber auch »live on tour«.86 Solche Kampagnen appellieren an den individuellen Unternehmergeist und preisen die Investition in Sprachkenntnisse und Bildung an, da diese scheinbar die Voraussetzung für die vertikale soziale Mobilität darstellen. Die in diesem Zusammenhang auftretende Frage ist nun, ob sich diese Vorstellung von sozialer Mobilität tatsächlich realisieren lässt. Was genau wird hier versprochen resp. tritt dies ein? Die durch die Metapher symbolisierte Integrationspolitik und die entsprechenden Berichte, Massnahmen und Gesetze insinuieren, dass durch den Erwerb der Ortssprache die Chancengleichheit gesamtgesellschaftlich angestrebt und individuelle soziale Mobilität dadurch ermöglicht wird. Grundsätzlich vermisst man im Kontext der Schweizer wie auch Basler Integrationspolitik eine gründliche Auseinandersetzung mit der Komplexität des Zusammenhangs zwischen Sprachkompetenzen und Wirtschaftserfolg. So erfolgt keine Antwort auf die Frage, welche Sprachkompetenzen erwünscht resp. benötigt sind für berufliche Integration, wobei zusätzlich je nach Position oder Branche systematisch differenziert werden müsste. Es fehlt zudem eine vertiefte Reflexion zu systeminhärenten Barrieren und Ungleichheiten der neoliberalen und spätkapitalistischen Schweizer Gesellschaft. So liegt es nahe, die »Integrationsprobleme« der ausländischen Bevölkerung (u. a. werden diesbezüglich Arbeitslosigkeit und Schulmisserfolg erwähnt) mit fehlenden Sprachkenntnissen und nicht etwa strukturellen Schwächen zu erklären. Ansonsten gäbe es beispielsweise keine Erklärung dafür, weshalb eine einheimische Unterschicht existiert, deren Muttersprache die lokale Sprache ist. Eine kritische Interpretation dieser Situation wäre, dass es gerade für die neoliberale Gesellschaft verschiedene soziale Schichten braucht, um den erreichten Wohlstand und Lebensstandard zu wahren (Harvey 2005; Michaels 2006). Weiterführend liesse sich (etwas provokativ) prognostizieren, dass Ausländerinnen und Ausländern systematisch Defizite zugeschrieben werden. Wenn nicht die fehlenden Sprachkenntnisse, könnten »falsche« Bräuche und Sitten, andere Kommunikationsstile, die Religion, etc. als Ursache für eine erfolglose Integration interpretiert werden. Im Endeffekt reproduziert und bewahrt sich das bestehende System durch eine derartige Politik. Ungeachtet dessen, ob die Integrationspolitik tatsächlich dahingehend interpretiert werden kann, dass sie auf Kosten der ausländischen Bevölkerung den Fortbestand eines neoliberalen Systems gewährt oder nicht, erscheinen die drei diskutierten Lücken im Diskurs »Integration durch Sprache« zu frappant als dass sie zufällig sind. Einige Konsequenzen dieser Lücken wurden bereits skizziert, doch soll im Folgenden nochmals etwas näher darauf eingegangen werden, was dies für die Gesellschaft, 86 Die Kampagne ist online einsehbar unter : http://www.zusammen-oesterreich.at [Letzter Zugriff: 27. 11. 2012].

Grenzen der Integration

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die einheimische wie die ausländische, beinhaltet und wie sich dabei die Grenzen der Integration resp. der Integrationspolitik gestalten.

7.3

Grenzen der Integration

Die Frage bleibt somit offen, was der Sprachartikel (AuG und IG) eigentlich bezwecken soll. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei vor allem um ein Instrument handelt, welches der Schweizer Bevölkerung zeigen soll, dass man die anscheinend vorhandenen Verunsicherungen und Ängste gegenüber der ausländischen Bevölkerung ernst nimmt und die Probleme in den Griff bekommt, die als Folge der Migration interpretiert werden. Es handelt sich somit um primär symbolische Politik, wie in den vorhergehenden Kapiteln argumentiert wurde. Trotz diesem primär symbolischen politischen Akt entstehen materielle Konsequenzen, die sich nicht nur in Angebot und Nachfrage von Kursen manifestieren, sondern auch in dem sozialen, politischen und medialen Druck des Spracherwerbs, der sich im Diskurs »Integration durch Sprache« äussert. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Integrationspolitik tatsächlich integriert resp. integrieren soll – insbesondere mit dem Fokus auf Sprache, der eine immer wichtigere Rolle in Prozessen der Zuweisungen von Zugehörigkeit, Loyalität und Abgrenzung zukommt.

7.3.1 Desintegrative Differenzierungsprozesse Es liegt in der ethnozentrischen Natur von Gruppen, sich gegenüber anderen abzugrenzen. Die eigene Gruppenzugehörigkeit wird normalerweise dadurch gestärkt, dass Differenzen zu anderen Gruppen markiert werden, während Gruppen-interne Charakteristika positiv hervorgehoben werden. Solche Prozesse spielen sich zwar vor allem auf der psychologischen Ebene ab und manifestieren sich zum Beispiel in Vorurteilen oder gar rassistischen Äusserungen, können aber durchaus auch reale und materielle Konsequenzen nach sich ziehen.87 Solche Prozesse kann man momentan in der Schweiz und im restlichen Europa beobachten: Während man sich auf die eigenen Werte und Normen beruft (oder wie in Deutschland auf eine so genannte »Leitkultur«), verstärkt sich der differenzierende Blick auf die zugewanderte Bevölkerung. Dieser Dif87 Wie die Theorie der sozialen Identität mit Vorurteilsforschung verbunden werden kann, wird von Wetherell/Potter (1992) dargestellt. Ethnozentrismus wird von Tajfel und Turner als Resultat verstanden »of perceiving social reality in group terms and as a phenomenon produced through aligning oneself to a group or being aligned in this way by others« (Wetherell/Potter 1992: 43).

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Konsequenzen des Diskurses

ferenzierung wird durch die aktuelle Gesetzgebung politisch Nachdruck verliehen, weshalb Blommaert/Verschueren (1998) von einer »politics of difference« ausgehen, die sich vielmals hinter einem Diskurs der Toleranz und des »diversity managements« verbirgt, welcher wiederum mit einer ethnozentrischen Sichtweise kompatibel ist (siehe auch Abschnitt 1.4.2). In der Schweizer Gesellschaftspolitik sind ähnliche Prozesse der Differenzierung resp. Grenzziehung festzustellen. Bis in die 1990er-Jahre schien ein funktionales gesellschaftliches Modell der sozialen Kohäsion die Ausländerpolitik zu prägen. Dies schlug sich in der bisherigen Ausländerpolitik in der offiziellen Hypothese nieder, dass Arbeit Integration ermögliche (Guibet Lafaye 2009: 397). Integration war nicht das eigentliche Ziel, sondern Mittel zum Zweck der sozialen Kohäsion der Gesamtgesellschaft. Obwohl die Arbeit nach den Wirtschaftskrisen der 1990er-Jahre als alleinige Integrationsmassnahme ausgedient hatte, prägte gemäss Guibet Lafaye (2009: 397) das funktionale Verständnis der sozialen Kohäsion die Ausländer- resp. Integrationspolitik nachhaltig: »Cette interpr¦tation fonctionnaliste, fond¦e sur le rúle du travail, demeure — l’horizon des plus r¦cents projets linguistiques relatifs — la coh¦sion sociale«. In der Schweiz stellten ironischerweise gerade die vorherrschenden Vorstellungen von sozialer Kohäsion bzw. wie diese zu erreichen sei, lange Zeit ein Problem für die soziale und strukturelle Integration der arbeitenden ausländischen Bevölkerung dar : Im 20. Jahrhundert schaffte insbesondere die soziale Integration der Arbeiter und die damit einhergehende Ausschliessung der Fremdarbeiter die nötige kohäsive Klammer : Differenzierte zivile, politische und soziale Rechte ordneten die Rangordnung der Bevölkerung. (D’Amato/Fibbi 2006: 79)

Nur durch die soziale und politische Ausgrenzung der »anderen« schaffte man intern ein Zusammengehörigkeitsgefühl (mit der einheimischen Arbeiterschicht) und eine soziale Kohäsion zu kreieren, was bis heute Spuren hinterlassen hat. So ermittelte Gould (2006) in seiner Untersuchung von diskursiven Praktiken in der Schweizer Politik im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine klar formulierte Gegenüberstellung von »uns« und den »andern«, wobei Immigration vor allem aus ökonomischen (und evtl. humanitären) Überlegungen toleriert wurde. Aus diesen Gründen müsse, laut Gould, eine Integration wie sie heute konzipiert ist, gesamtgesellschaftlich desintegrierend wirken, da sie Grenzen zieht und zentral ist für »the process of constructing an in-group and an out-group« (2006: 169). In dieser Sichtweise ermöglicht die Integration zwar auf der einen Seite die Einbindung der ausländischen Bevölkerung, auf der anderen Seite wird durch die Definition, wer als zu integrieren gilt, überhaupt erst eine »out-group« definiert. Die »in-« und »out-group« orientiert sich dabei nicht nur am (Schweizer und ausländischen) Pass, sondern auch an den unterschiedli-

Grenzen der Integration

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chen, der ausländischen Bevölkerung attestierten Zugehörigkeit: EU/ EFTABürgerschaft versus Drittstaatenzugehörigkeit; hochqualifizierte versus niedrig qualifizierte Arbeiterschaft. Die Wechselwirkungen zwischen Integration und sozialer Kohäsion gestalten sich demnach im politischen Feld als komplex und diskursiv widersprüchlich. In Ergänzung zu den oben ausgeführten diskursiven Lücken, die durch die Analyse der diskursiven Ereignisse auf nationaler und kantonaler Ebene und der Interviews zu Tage getreten sind, legt der soeben illustrierte komplexe Zusammenhang zwischen sozialer Kohäsion, Differenzierungsprozessen und Integrationspolitik die Grenzen der Integration als politischen Tätigkeitsbereich offen. Die Zuspitzung solcher Differenzierungsprozesse macht sich nicht zuletzt in der stetigen Verschärfung der Migrations- und Integrationspolitik bemerkbar (in der entsprechenden Gesetzgebung, eingereichten Volksinitiativen etc.). Mit anderen Worten: Die Zielgruppe, welche integriert werden soll, wird durch entsprechende Massnahmen überhaupt erst als »unterschiedlich« und »anders« konstruiert.

7.3.2 Politische Begrenztheit des Sprachartikels In Bezug auf den Sprachartikel stellt sich zusätzlich die Frage, wie sich dessen Grenzen gestalten. Wie bereits erwähnt, wären in Basel-Stadt tatsächlich nur etwa 2’000 Personen von diesen Massnahmen betroffen. Schweizweit wären es 63’000 Personen resp. 7 % der Arbeitstätigen die für die im Sprachartikel AuG vorgesehenen Massnahmen in Frage kämen. Diese Anzahl Personen erscheint bemerkenswert niedrig, wenn man sich das Aufsehen vor Augen führt, welches dieser Artikel erregt hatte – besonders im Basler Grossen Rat. Mit einer solchermassen begrenzten Umsetzungsfunktion ausgestattet, wird nicht ersichtlich, wieso der Artikel national geschaffen und in Basel umgesetzt wurde, abgesehen von den Aussagen in den Interviews, in denen dieser Artikel oftmals als Versuch beschrieben wurde, die politisch »Rechte« und die verunsicherte Bevölkerung mit handfesten Massnahmen zu beruhigen. Nicht nur die Funktion des Artikels steht jedoch zur Debatte, sondern auch die Bedeutung des Artikels im Kontext der angestrebten Förderung der Integration. Die Sprache wurde zwar wiederholt als Voraussetzung für oder Schlüssel zur Integration beschworen, jedoch findet diese Metapher in einem Artikel Ausdruck, der lediglich 1 % der Bevölkerung tangiert. Dieses Ungleichgewicht zwischen politischem und medialem Echo und der zahlenmässig geringen Umsetzung erstaunt zum einen; zum anderen lässt sie die Integrationspolitik mit ihrem Fokus auf die Sprache als symbolische Politik erscheinen. Diesbezüglich lässt sich darum die Frage stellen, wer überhaupt als Adressat der Gesetzgebung gedacht ist: Die politisch Rechte

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Konsequenzen des Diskurses

und/ oder die anscheinend verunsicherte Bevölkerung oder aber die betroffene Migrationsbevölkerung? Trotz des Symbolcharakters des Sprachartikels des IG kann das Gesetz für die 2’000 potentiell betroffenen Personen dennoch reelle und materielle Konsequenzen nach sich ziehen, was sich im äussersten Fall auf ihre Aufenthalts- resp. Niederlassungsbewilligung auswirkt. Seit der Inkraftsetzung des Artikels wurde gemäss Auskunft der Verwaltung in Basel-Stadt jedoch keine Bewilligung aufgrund (fehlender) Sprachkenntnisse entzogen oder verweigert. Folgende Informationen wurden diesbezüglich vom Leiter des Migrationsamts Basel-Stadt per E-Mail (30. 08. 2012) kommuniziert: Seit Juli 2008 wurden in Basel-Stadt insgesamt 217 Integrationsvereinbarungen abgeschlossen. Davon wurden 101 Integrationsvereinbarungen bei Personen mit Sprachdefiziten abgeschlossen. In 5 Fällen konnte die Vereinbarung nicht eingehalten werden, weshalb wir Verwarnungen ausgesprochen haben. Diese Fälle bleiben weiterhin in unserer Kontrolle. In zahlreichen anderen Fällen konnten die Anforderungen teilweise oder gar ganz erfüllt werden. Allerdings gibt es – und höchstwahrscheinlich auch in Zukunft nicht – keinen Wegweisung- oder Nichtverlängerungsfall, bei welchem nur Sprachdefizite festgestellt worden sind. Bis dato ist mir Schweizweit kein einziger Fall bekannt. In vielleicht 5 – 10 Fällen wurde die Bewilligung nicht mehr verlängert. Allerdings waren die Gründe hierbei vielschichtig, auch wenn vorgängig eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen wurde.

Obwohl also die im Sprachartikel formulierte Sanktion als ultima ratio noch keine Anwendung gefunden hat und dies wahrscheinlich auch in Zukunft nicht der Fall sein wird, scheint hingegen das Instrument der Integrationsvereinbarungen häufig eingesetzt zu werden (im Schnitt 50 pro Jahr für den Zeitraum Juli 2008 bis August 2012). Jedoch zielt nur etwa die Hälfte der getroffenen Integrationsvereinbarungen darauf ab, allfällige »Sprachdefizite« zu beheben. Auch hier handelt es sich somit um eine geringe Anzahl von Anwendungen des Instruments zugunsten der Sprachförderung. Dennoch wird, wie bereits erwähnt, durch solche (symbolischen) politischen Akte der soziale, mediale und politische Druck auf die Migrationsbevölkerung massiv erhöht. Fremdsprachigkeit kann in einem solch politischen Klima gar als Integrationsunwilligkeit oder als absichtliche Abgrenzung interpretiert werden.

Diskursive und politische Entwicklungen

7.4

263

Diskursive und politische Entwicklungen

Als reelle und materielle Konsequenzen der beschriebenen Gesetzentstehungsprozesse und der Zirkulation des Diskurses (in) der Praxis können des Weiteren die Einrichtung der kantonalen Integrationsstellen betrachtet werden. Im AuG (Art. 57 Abs. 3) wurde denn auch definiert, dass die Kantone für das BFM konkrete Ansprechpartner zu Integrationsfragen designieren müssen, was in den meisten Fällen durch die Einrichtung eben solcher Integrationsstellen oder durch die Ernennung von Integrationsdelegierten realisiert wurde. Bereits seit 2010 befinden sich diese Stellen jedoch im Umbruch. Seit einigen Jahren ist die Umsetztung eines kantonalen Integrationsprogramms (KIP) durch das BFM im Gange, in dem die Integrationsförderung umstrukturiert werden sollte.88 Laut mündlichen Informationen der Integrationsdelegierten eines Deutschschweizer Kantons beinhaltet dieses KIP diverse Verschärfungen, die ab 2014 greifen sollen. Dies habe zur Folge, dass bei den Stellen und in der Politik selber ein Umbruch bevorstehe; zum Beispiel würden deswegen mehrere Integrationsdelegierte ihre Stellen kündigen. Wie sich der Fokus auf die Sprache im KIP manifestierten wird, ist noch nicht erkennbar. Gegenwärtig werden die Sprachkompetenzen darin nicht als erstrangige Massnahmen aufgeführt, sondern vielmehr Aspekte von »Information und Beratung (Erstinformation, Beratung, Diskriminierungsschutz)«. Bereits der zweite Punkte heisst jedoch: »Bildung und Arbeit (Sprache, frühe Förderung, Arbeitsmarktfähigkeit)«. Ein Hinweis darauf, dass die Sprache jedoch nichts von ihrem Status als Schlüssel zur Integration verloren hat, ist im Rahmen der bevorstehenden Revision des AuG anzutreffen. Auch in diesem Zusammenhang stehen diverse Verschärfungen zur Debatte, die als erstes durch die beiden Kammern des Parlaments abgesegnet werden müssen. Ein relevanter Punkt ist beispielsweise die Frage, ob für den Familiennachzug Sprachkenntnisse erbracht werden müssen (Flubacher 2012). Diese bewegen sich für die einreisewilligen Familienmitglieder laut Vorschlag auf A1-Niveau (GER). Dass ein solcher Passus nur bedingt für die Integration der betroffenen Person dienlich ist, vielmehr aber die Regierung mit einem adäquaten Instrument versieht, mit dem die Einwanderung reguliert werden kann, wurde schon an diversen Stellen diskutiert. Sprache wird hier somit zur Voraussetzung der Einreise (für geringqualifizierte Drittstaaten-Angehörige, die im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz einreisen möchten) – womit die Integrationsbereitschaft quasi bereits vor Einreise aufgrund von Sprachkenntnissen getestet wird, während weder finanzielle noch 88 Informationen des BFM zum KIP sind online einsehbar unter : https://www.bfm.admin.ch/ content/bfm/de/home/themen/integration/foerderung/spezifisch.html [Letzter Zugriff: 04. 12. 2013]

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Konsequenzen des Diskurses

institutionelle Förderungsmassnahmen geleistet werden. In dieselbe Vernehmlassung, in welche die Revision des AuG geschickt wurde, gelangte auch ein erster Entwurf für ein nationales Integrationsgesetz, welcher wiederum stark vom kantonalen Integrationsgesetz von Basel-Stadt geprägt war.89 In Basel-Stadt wurde die Schlüsselfunktion der Sprache in der Zwischenzeit gesetzlich ebenfalls verfestigt, wenn nicht sogar erweitert. Am 08. 06. 2011 wurde so über die kantonale Initiative »für eine faire Einbürgerung (Sprachinitiative)« abgestimmt. Der Initiativtext beginnt mit folgender Aussage: »Gute Sprachkenntnisse stellen als Kriterium für eine erfolgreiche Integration eine wichtige Einbürgerungsvoraussetzung dar« (Abstimmungsbüchlein 2011: 14). Gefordert werden Deutschkenntnisse auf B2-Niveau (mündlich und schriftlich) für die Zulassung zum Einbürgerungsverfahren. Die Begründung für dieses Anliegen steht in Zusammenhang mit der durch die Einbürgerung ermöglichten politischen Partizipation, die nur mit entsprechenden Sprachkenntnissen tatsächlich wahrgenommen werden könne. Die GER-Niveaus seien zudem Ausdruck eines fairen Messens der Sprachkenntnisse, sodass Einbürgerungswillige nicht der Willkür von Beamten ausgesetzt seien. Angenommen wurde der Gegenvorschlag, welcher die sprachlichen Erwartungen auf mündlich B1 und schriftlich A2 reduzierte. Auf den Abstimmungstext und die vorgebrachten Argumente kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Dieses Beispiel illustriert jedoch die kontinuierliche diskursive Entwicklung. So ist die Sprache inzwischen nicht mehr nur Voraussetzung für die Einreise und Integration, sondern ist sie auch für die Einbürgerung geworden – abgeleitet aus dem Verständnis, dass Sprache den Grad der Integration indexiert. Im migrationspolitischen Bereich selbst ist es seit der Einsetzung des AuG zu diversen Verschärfungen gekommen, wie bereits erwähnt wurde. So wurde beispielsweise die völkerrechtlich höchst umstrittene eidgenössische Volksinitiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer am 28. 11. 2010 schweizweit angenommen.90 Gerade diese Abstimmung löste eine mediale und gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit der Migrationsbevölkerung aus, wobei Ideologien der Zugehörigkeit (d. h. ab wann wird man als zugehörig betrachtet?) und der Definition ebendieser Zugehörigkeit eine zentrale Rolle spielten. Als Reaktion auf das positive Abstimmungsresultat forderte der in Migrationsfragen engagierte Verein »Second@s Plus« denn auch empört das »Ende der Integration«: »Die Integration der Migrationsbevölkerung ist aus Sicht der 89 Medienmitteilung des EJPD zur Vernehmlassung sich in Planung befindenden AuG-Revision und Integrationsgesetz: http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2011/ 2011 – 11 – 232.html [Letzter Zugriff: 27. 11. 2013]. 90 Für weiterführende Informationen zu Initiative und Abstimmung siehe Webseite der Schweizer Bundeskanzlei: http://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis357.html [Letzter Zugriff: 27. 11. 2013].

Schlusswort

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Mehrheit der Einheimischen weder anstrebenswert noch möglich«.91 Die »Integration« als sozio-politischer Lösungsansatz hat jedoch nicht nur in politisch aktiven Migrantenkreisen an Legitimität verloren. Auch in der »Praxis« hätte sich eine begriffliche Verschiebung ergeben, wie dies eine Sprachlehrperson im Bereich Integrationskurse in Basel formulierte. So wolle in ihrer Sprachschule niemand mehr von »Integrationskursen« sprechen, da diese mittlerweile stigmatisiert seien. Es würde vorgezogen, die Kurse z. B. als »Deutsch 2« zu bezeichnen, weil die Sprachvermittlung konzeptuell dann wieder im Zentrum stünde. Diese zwei Beispiele von Formen des Widerstands gegenüber dem Begriff der Integration können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass auch diese Akteure dem Diskurs der Integration durch Sprache an und für sich nichts entgegensetzen. Man beobachtet hier vielleicht eher die diskursive Abschleifung eines Begriffs, der zu gegebener Zeit durch einen anderen ersetzt werden wird, so wie es beim damaligen konzeptuellen Paradigmawechsel von Assimilation zu Integration geschehen ist. Auf der politischen Bühne kann konstatiert werden, dass der als zwischen Links und Rechts konzipierte Kompromiss des Prinzips »Fördern und Fordern« grundlegend infrage gestellt wird. Die Divergenzen zwischen den beiden Positionen treten je länger desto ausgeprägter in den Vordergrund und drohen in ihren Differenzen unüberbrückbar zu werden. Wenn dieses Szenario eintreten sollte und sich der Kompromiss in der tatsächlichen Umsetzung der Integrationspolitik und deren Gesetzgebung als untragbar erweist, wird es erneut zu Aushandlungen und diskursiven Brüchen kommen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Schweiz und in Europa ist zu erwarten, dass der Diskurs »Integration durch Sprache« in Zukunft stärker vom Fordern geprägt sein wird und dass dieses Repertoire somit eventuell zur einzigen Interessensposition wird. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass die Komplementarität der beiden Positionen im Sinne einer binären Opposition erhalten bleibt und die eine Position die andere weiterhin bedingt.

7.5

Schlusswort

Aufgrund der Erfassung der diskursiven Lücken und der politischen Entwicklung seit der Inkraftsetzung des Sprachartikels sind zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen möglich. Erstes kann aufgrund der eruierten sprachideologischen Komponenten der Gesellschaftskonzeption von einer einsprachigen Gesellschaft ausgegangen werden. Gerade im Kontext der Deutschschweiz re91 Der Webeintrag »Das Ende der Integration« ist auf der Webseite des Vereins online verfügbar : http://www.secondos-plus.ch/index.php?id=209 [27. 11. 2013].

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Konsequenzen des Diskurses

produzieren resp. definieren Sprachideologien, die mit dem Dialekt zusammenhängen, die inneren Grenzen der Gesellschaft und relegieren Fremdsprachige an die Ränder der dialektal dominierten Sozialsphäre. Die diversen Lücken des Diskurses »Integration durch Sprache« werfen die Frage auf, welche Ziele und Interessen eigentlich verfolgt werden. Es kann gemutmasst werden, dass quasi auf dem Rücken der Sprache Grenzziehungen vollzogen werden, die eigentlich eher mit Fragen der Zugehörigkeit zu tun hätten; was im Endeffekt also »ethnisch« aber auch sozial/ politisch-ökonomisch zu verstehen ist. Gerade in der Schweiz stellt der »Boden« resp. das topographische »Land« eine zentrale Rolle in der Identitätskonstruktion dar. Da die Bürgerschaft (im Gegensatz zum ius solis) prinzipiell vererbt wird (ius sanguis) und deren Erwerb in der Schweiz nicht leicht gemacht wird, sind dies komplexe Zusammenhänge die durch Verbindungen mit Schicht und Klasse noch verdichtet werden. Gerade im Rahmen einer ernsthaften Integrationspolitik wäre es produktiv, dies im Detail zu beleuchten. Da dies nicht geschieht, liegt die Vermutung nahe, dass das Durchdringen und Aufbrechen dieser Zusammenhänge eventuell gar nicht erwünscht ist oder aber kein weit verbreitetes Bewusstsein für das Vorhandensein solcher Zusammenhänge besteht. Zweitens deuten die phraseologische Beschaffenheit der Metapher und ihre formelhafte resp. sinngemässe Reproduktion in Politik und Praxis darauf hin, dass der Diskurs zum Selbstläufer der Wahrheitsproduktion geworden ist, ebenso wie die unzähligen Beispiele von Entextualisierungen (v. .a. Gesetzentstehungsprozesse) und intertextuellen Verbindungen (v. a. Interviews), welche die Reproduktion und Zirkulation eines Diskurs manifestieren. Dies hat sich des Weiteren darin materialisiert, dass im Rahmen der kantonalen Sprachinitiative die Metapher als Grundlage für weiterführende politische Massnahmen benutzt wird, die ihrerseits wiederum in einem Gesetz resultieren. Diese Entextualisierung im Rahmen der Sprachinitiative hat den Diskurs »Integration durch Sprache« somit endgültig zur autoritativen Wahrheit erhoben. Dadurch wird der Diskurs überhaupt zur Möglichkeitsbedingung für neue diskursive Formen und für die Transformation von sozialer Praxis. Wenn in einer weiterführenden Arbeit einzelnen Punkten noch nähere Aufmerksamkeit geschenkt werden könnte, liessen sich diese – ausgehend von demselben epistemologischen Ansatz – auf folgenden Ebenen ansiedeln: Ergänzend zur Analyse des öffentlichen Diskurses auf Bundes- und Kantonsebene könnte der Versuch anstehen, die Debatten und Diskussionen der relevanten Kommissionen zu eruieren, die hinter verschlossenen Türen geführt worden sind. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dadurch zusätzliche resp. grundsätzlich verschiedene Informationen zu Interessen und Positionierungen von Akteuren, zur Reproduktion und Entextualisierung des Diskurses und zu Formen der Ideologisierung gewonnen würden. Eine weitere Ergänzung könnte zu den in

Schlusswort

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anderen europäischen Ländern stattfindenden diskursiven Entwicklungen Parallelen ziehen oder Unterschiede herausarbeiten, welche die lokalen (Schweizer resp. Basler) Möglichkeitsbedingungen womöglich klarer zu Tage treten liessen oder zusätzliche intertextuelle Verbindungen resp. Wege der Entextualisierung aufzeigen würden. Die dritte Ergänzung könnte darin bestehen, die momentane diskursive Entwicklung stärker ins Auge zu fassen, d. h. nicht Entstehung, Formierung und Verdichtung des Diskurses, sondern seine Ausgestaltung zu einem Zeitpunkt, wo er über ein Regulativ verfügt, das keine Gegenpositionen toleriert. Dabei wäre z. B. ethnographisch zu erforschen, ob sich dieses Regulativ wirklich behaupten kann oder ob sich eine Veränderung abzeichnet, die hegemoniale Kämpfe antizipiert – aufgrund von veränderten Interessen, Positionen und Bedingungen. Mit der vorliegenden Studie konnte somit eine Grundlage für weiterführende Arbeiten, wie beispielsweise die soeben skizzierten, geschaffen werden. Der empirische und theoretische Beitrag lässt sich zu guter Letzt folgendermassen zusammenfassen: Es konnten nicht nur Ambivalenzen des Integrationsbegriffs empirisch in ihrer Auswirkung auf die Praxis erfasst werden, sondern auch die Auswirkungen einer Metapher als emblematische Materialisierung des Diskurses »Integration durch Sprache«. Durch die Verbindung zweier Analysemethoden konnte zudem aufgezeigt werden, inwiefern ein diskursives Regulativ seine Wirkung entfaltet, gleichzeitig aber auch je nach Interessen der Variabilität unterworfen ist und massgeblich durch die Positionen des Förderns und Forderns als komplementäre Opposition bestimmt wird. Mit dieser detaillierten kritischen Analyse zur Rolle der Sprache in der Schweizer und Basler Integrationspolitik (1998 – 2008) im Diskurs »Integration durch Sprache« konnte somit erfasst werden, was in Bezug auf Integration sag- und denkbar wurde.

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Namensregister

Achermann, Alberto 136

22, 32, 118, 120 f.,

Bauman, Richard 87 f., 103 Bircher, Peter 44, 76, 119 – 130, 133 f., 136, 140 f., 150, 155, 203, 206, 250 Blommaert, Jan 29 f., 49, 57 f., 60, 64 f., 102 f., 136, 260 Bourdieu, Pierre 38, 59 Briggs, Charles 85 – 88, 103 Chomsky, Noam 37 Codo, Eva 20, 31, 37 f., 67 D’Amato, Gianni 23, 27 f., 51, 54 f., 165, 260 Davies, Bronwyn 104, 110 f. de Cillia, Rudolf 29, 32 f., 51, 71, 257 de Saussure, Ferdinand 37 Deppermann, Arnulf 87 f., 104, 110 f. Dorostkar, Niku 29, 50 f., 58, 125 f. DuchÞne, Alexandre 18, 38, 41, 44, 62 f., 65, 97, 99, 116, 254 Eagleton, Terry 59, 64 f. Ehret, Rebekka 172, 239 Esser, Hartmut 32 – 34 Fairclough, Norman 58, 97, 106 Foucault, Michel 19 f., 39, 41, 43, 44, 46, 51, 56, 59, 61 – 64, 66, 73, 75, 80, 83, 95 – 101, 106 f., 119, 171, 252 f.

Gal, Susan 66, 68, 116, 252 Goepfert, Jan 78, 168, 182 – 186, 191, 194, 199 f. Goffman, Erving 79 Gramsci, Antonio 19, 64 f., 242 Gumperz, John 38, 69, 87 Halliday, Michael 57 f. Harr¦, Rom 104, 110 f. Harvey, David 116, 258 Haug, Werner 55, 117 Heim, Alex 123, 127 – 131 Heller, Monica 38, 63, 89 Horner, Kristine 29 – 32 Hymes, Dell 38, 87, 100 Irvine, Judith

66, 68, 252

Kessler, Thomas 163 f., 167, 169, 225 Koller, Arnold 129, 131, 133, 138 Künzli, Jürg 22, 32, 118, 120 f., 136 Labov, William 38 Langer, Anja 60 Leuthard, Doris 152 f. L¦vy-Strauss, Claude 208 Lockwood, David 47 Lucius-Hoene, Gabriele 87 f., 104, 110 f. Maryns, Katrijn 31 Mateos, Ines 32, 34 Mills, Sara 56, 61

284 Piguet, Etienne 22, 26, 117 f. Plutzar, Verena 29, 32 f., 35, 254 Potter, Jonathan 43 f., 59, 62, 96, 105 – 109, 112, 209, 235, 259 Saville-Troike, Muriel 87 f. Schieffelin, Bambi B. 69 Schild, Jörg 165, 168, 170 – 172, 186 Silverstein, Michael 64, 67, 103, 135 f. Simmen, Rosemarie 119 – 134, 136 f., 140 f., 143, 145, 150, 155, 203, 206, 250 Steiner, Pascale 28, 120 f., 130, 135, 141

Namensregister

Urban, Greg 103, 135 f., 206 Verschueren, Jef 29 f., 49, 260 Virot, Marc 26, 55 Werlen, Iwar 67, 69, 254, 256 Wetherell, Margaret 43 f., 59, 62, 96, 105 – 109, 112, 209, 235, 259 Wichmann, Nicole 23, 27, 165 Wicker, Hans-Rudolf 22, 26, 118 Williams, Raymond 54, 64 Wodak, Ruth 58, 60 f., 106 Woolard, Kathryn 66 f., 69, 252 Wrana, Daniel 60

Sachregister

Abstimmung – siehe Schweiz Aktivierung 51, 72, 171 Alternative 32, 66, 98 f., 130, 182, 194 Amtssprache 17, 50, 67, 203 Archäologie 96 f. Argumentation 81, 127, 130, 139, 146, 156 f., 174, 192, 220, 222 – Argumentationsführung 158, 169, 184 – Argumentationsstrategie 122, 126 – Argumentationsstruktur 85, 108, 122 Assimilation 22, 26 f., 31, 45, 48, 54 – 56, 91, 118, 133, 175, 206, 222, 226 – 228, 230, 234, 241, 265 Aufenthalt 23, 31, 34, 42, 142, 148, 150, 199 – Aufenthaltsbewilligung 23, 34, 41, 47, 75, 80, 91 f., 120, 140 – 142, 152, 155, 157, 159, 180, 182, 190, 192 f., 195, 198 f., 262 – Aufenthaltsrecht 25, 116, 118, 123, 127, 158, 208, 254 – Aufenthaltsstatus 22, 47, 219 Aufnahmegesellschaft 21, 28, 49, 51, 53, 125 f., 149, 201, 213, 223, 229, 255 Aushandlung 18, 37 f., 65, 97 f., 106, 111, 113, 124, 129, 162, 196, 247 f., 265 Ausländergesetz – siehe Schweiz Ausländerpolitik 22 f., 26, 116, 163 f., 168, 206, 260 Aussageposition – siehe Position

Ausschluss

21, 26 f., 35, 38, 66, 68, 70

Basel – Aktionsplan 78, 167, 182, 189, 191 – Anzug 75, 78, 84, 167 – 169, 178, 180, 183 – 188, 191, 194, 200 – Anzugsteller 168 f., 183, 199 – Grosser Rat 75, 78 f., 84, 168, 178 – 183, 186, 194 f., 196, 197, 200, 240, 261 – Grossrat 78, 80, 84, 168, 178, 180 f., 198 – Integrationsdelegierter 163, 167, 225 f., 263 – Integrationsgesetz 18, 24, 34, 36, 40 – 42, 53, 70 f., 75, 77 – 79, 84 f., 90 – 92, 142, 161, 167 f., 173, 180 – 192, 194 – 205, 208 – 210, 228, 230, 232, 236 – 240, 245, 250 f., 264 – Integrationsleitbild 24, 27, 42, 44, 53, 75, 78, 158, 164 – 183, 186 f., 189, 204, 230, 238 f., 250 f. – Integrationsvereinbarung 32, 41, 75, 142, 152, 159 f., 193, 195, 199, 203, 262 – Integrationsverordnung 79, 202, 204 – Regierungsrat 78, 84, 132, 165 f., 168 – 172, 178, 182 f., 185 f., 188, 191 Basel-Landschaft 188 f., 191, 194 basic principle 215 f., 222 Bedeutungszuschreibung 58, 60, 67, 167 Belgien 31 Bewilligung – Aufenthaltsbewilligung 23, 34, 41, 47, 75, 80, 91 f., 120, 140 – 142, 152, 155,

286 157, 159, 180, 182, 190, 192 f., 195, 198 f., 262 – Niederlassungsbewilligung 140 – 142, 150, 152, 155, 180, 199, 202, 262 binäre Opposition 208, 229 f., 247, 251, 265 Bundesamt für Ausländerfragen 145, 150 Bundesamt für Migration 30, 77, 144 f., 150, 195 f., 263 Bundesrat 76 f., 79, 82 f., 116, 122 f., 127 – 129, 131 – 135, 137, 143, 148, 151, 155 – 158, 162, 191, 250 Chancengleichheit 20, 28, 34, 179, 191 – 194, 197, 202, 204 f., 258 Common Sense 19, 21, 64 – 66, 71, 101 f., 107, 110, 112, 124, 129, 155, 160, 169, 171, 179, 197, 204 f., 241, 246, 250, 252 Critical Metaphor Analysis 19 Defizitansatz 170 f., 175 denkbar 20, 61, 80, 97, 215, 248, 252, 267 Deutschland 32, 69, 118, 163, 234, 259 Deutschschweiz 17, 35, 67 – 71, 161, 254, 263, 265 Dialekt 20, 58, 67, 69 – 71, 94, 203, 251, 254 f., 266 Differenzierung 38, 259 – 261 Diglossie 68 – 71, 254 – mediale Diglossie 69 Diskriminierung 28, 50, 156, 173, 233 Diskurs – Aussen 60, 130, 208, 246 – Diskursanalyse 34, 36, 43 f., 56 – 62, 75, 85, 93, 96, 98, 106, 108, 252 f. – diskursive Entwicklung 20, 40 – 44, 63, 74 – 77, 81, 97, 103, 110, 132, 136, 145, 150, 160, 162, 167, 178185, 188, 191 f., 204, 206 f., 209, 211, 218, 233, 242, 247, 249 f., 252, 264, 267 – diskursive Grenze 122, 130, 209, 215, 231, 236, 242, 244 – 247, 253 – diskursive Lücke 44, 246, 252 f., 256, 261, 265 – diskursive Leerstelle 66, 69, 71, 175, 252

Sachregister

– Nicht-Thematisierung 252, 254 – 256 – diskursives Dilemma 105, 107, 109, 231, 235 – diskursives Ereignis 18, 35, 41 f., 44, 58, 63, 73, 75 f., 96 – 105, 113, 115, 119 – 121, 145, 148 f., 151, 155, 158, 161 f., 166 – 168, 181 f., 184, 200, 202, 204 f., 211, 249 – 251, 253, 261 – diskursive Sozialpsychologie 43 f., 106 – diskursive Umbrüche 40 – 42, 74 f., 119, 167, 249 – Gegendiskurs 41, 131, 187, 242, 246 f. – Rand des Diskurses 187, 239, 244 – Regel der Äusserlichkeit 80, 100 – Regulativ 61, 95, 97, 103, 130, 132 f., 153, 158, 162, 167, 197, 200, 204, 209, 211, 246 f., 249, 251 – 253 Distanzierungsstrategie – siehe Position Diversität 166 – regulierte Diversität 165 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement 77, 145, 147, 151 Einbürgerung 20, 26, 28, 34, 49, 65, 91, 132, 139, 163, 244, 264 Einreise 25, 30 – 32, 34, 142, 148, 157, 263 f. Einsprachigkeit 30 f., 256 Einwanderungsland 22, 26 f., 55 Entextualisierung 102 f., 129 – 132, 134, 136, 145, 149 f., 158, 162, 168 f., 184, 192, 196 f., 199, 205 f., 212, 214, 266 f. Epistemologie 21 f., 34 f., 37, 39, 43 – 46, 56, 64, 71, 74, 106 – 108, 66 Europa 24 – 26, 29 – 31, 33, 40, 48, 176, 259, 265, 267 Europäische Union (EU) 15, 24, 134, 145, 147 f., 156, 163, 176, 261 European Free Trade Area (EFTA) 24, 147 f., 156, 163, 176, 261 Familiennachzug 30, 34, 124, 142, 152, 157, 193, 195, 199, 263

Sachregister

Föderalismus 24, 28, 78 Fördermassnahme 50, 158, 201, 216 – 218, 229, 237, 256 »Fördern und Fordern« 53, 101, 130, 134 f., 141, 148 – 150, 155, 162, 166, 171, 175, 181, 188, 190 f., 196 – 198, 200, 204 f., 207 – 212, 214, 219, 226, 229 – 231, 233, 236, 242, 246 – 248, 251, 265 – Fordern-Repertoire 211 – 216, 222 f., 226, 228 – 230, 237, 240 – 242, 247, 251 211 – 216, 218, – Fördern-Repertoire 221 – 223, 228 – 230, 236, 241, 247, 251 Formalismus 57 Fremdsprachig 19, 23, 35, 38, 70 f., 125, 128, 179, 253, 255 – 257, 262 Funktionalismus 57 »gatekeeper« 20 »Geben und Nehmen« 72, 170 f., 173, 181, 198, 207, 210, 247, 251 Gegendiskurs 41, 131, 187, 242, 246 f. Gegenposition 40 f., 101, 130, 139, 154, 192, 206, 208 f., 241, 249 f., 267 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen 30, 33, 203, 254, 263 f. Genealogie 95 – 97, 252 Generativismus 37 »Grand narrative« 65 Grossbritannien 19, 32, 54 Grosser Rat – siehe Basel Gutmensch 238 f., 247 Hedge 104, 124 Hegemonie 19, 54, 192, 242, 267 – counter hegemonic discourse 242 Hierarchisierung 38, 67 Historiographie 35 – 37, 39, 41, 43 Historizität 39, 63, 72, 119, 143 Homogenität 29 – 31, 54, 67, 255 HSK 177, 180 Identität 38, 47, 69, 110, 112, 131, 259, 266 – identitätsstiftend 69, 71 Ideologie 21, 30, 36, 39 – 41, 44 – 46, 49, 53, 56, 61, 64 – 68, 70 – 72, 74, 80 f., 85,

287 107, 176, 204, 235, 246 f., 252 f., 255 – 257, 264 – Ideologisierung 21, 62, 64, 66, 69, 101 – 103, 110 f., 124, 129, 141, 145, 151, 156, 171, 175, 181 f., 190, 192, 197, 201, 204, 206, 214, 221 f., 237, 241 f., 246, 266 Individuum 20 f., 32, 46, 49, 52 – 54, 71 f., 100, 108, 110, 141, 173, 205, 215, 222, 229, 246 Institution 17, 28, 47, 50, 58, 62, 79 – 83, 99, 107, 119, 126, 144 f., 165, 177, 253 Integration – Definition 28, 45, 48 f., 53, 63, 71 f., 147, 211, 260 – Integrationsbereitschaft 142 f., 147, 150, 159, 205, 250, 263 – Integrationsdelegierte – siehe Basel – Integrationsfaktor 98, 131, 134, 153, 182, 210 – Integrationsgesetz – siehe Basel – Integrationsgrad 148 – Integrationskurs 23, 33, 41, 75, 92, 120, 142, 146, 152 f., 157 f., 180, 188, 193, 195, 199, 202, 213, 228, 241, 250, 254, 265 – Integrationsleitbild – siehe Basel – Integrationsmassnahme 23, 47, 50, 55, 71 f., 77 f., 159, 166, 182, 188 f., 192, 203, 207, 215, 217, 219 f., 231 f., 255 – 257, 260 – Integrationsvereinbarung – siehe Basel – Integrationswille 32, 159, 201, 208 – soziale Integration 47, 125, 128, 135, 146, 149, 253, 255, 260 – strukturelle Integration 47, 203, 236, 260 – systemische Integration 28, 47 – Verantwortung 52 f., 104 f., 169, 173, 175, 184, 202, 215, 217, 222, 229, 246 Interaktionen 18, 38, 49, 87, 100, 106, 110 interaktionistisch 39, 107

288 Interdiskursivität 65, 102 f., 107, 123, 125, 139, 165, 174, 184, 235 Interessensposition – siehe Position interkulturell 26, 33, 50, 177, 237, 245 Interpretative Repertoires 43 f., 95, 106 – 111, 113, 209, 211 f., 214 f., 230 f., 236, 242, 246 f., 251 – Komplementarität 41, 230 – 235, 241, 247, 251, 265 – Konsistenz 88, 100, 108, 223 – Kontrarität 13, 208, 216, 229 – 231, 234, 251 – Variabilität 108 f., 113, 132, 215, 248, 267 Intertextualität 20, 41, 102 f., 107, 122, 132, 134 f., 158, 162, 167 f., 171, 179, 188, 197, 205, 214, 218 f., 224, 237, 239, 244, 266 f. Kantonales Integrationsprogramm 263 Klasse 38, 266 Kommunikatives Ereignis – Kommunikativer Akt 87 – Kommunikatives Ereignis 35, 87 – 89, 100, 107, 109 – 111 – Kommunikative Situation 87 f. Komplementarität – siehe interpretative Repertoires Konsistenz – siehe interpretative Repertoires Konstruktivismus 38 f., 59, 74, 87, 106 Kontrarität – siehe interpretative Repertoires kritische Soziolinguistik 22, 36 – 39, 43 Kulturalisierung 175, 176 Landessprache 38, 134, 141 f., 149 f., 159 f., 199, 202 Legiferierungsprozess 143 – 145, 223 Leistungsaktivierung 72, 171 Leistungsdiskurs 51, 257 Linguistik 32, 35, 37, 48, 57 f., 68 f., 108, 110, 260 Luxemburg 29, 31

Sachregister

Macht 31, 38 f., 62, 65, 80, 85 f., 96 f., 100, 124, 171 Machtprozesse 63, 65, 107 Materialisierung 21, 40 f., 43, 57, 74 f., 77, 79, 99, 115, 119, 161 f., 267 Materialität 43, 60, 95, 100, 102 f., 105, 119, 127, 132, 143, 150 f., 156, 162, 167, 169, 172, 196, 199, 239 mediale Diglossie 69 Mehrsprachigkeit 31, 177, 179, 253 f., 256 f. Metapher 19 – 21, 32 – 34, 37, 71, 76, 101, 109, 113, 115, 119 – 121, 124, 127 – 129, 133 f., 136, 141 f., 148, 158, 160 – 162, 166 f., 177, 181 f., 199 f., 204, 207, 231, 244, 250, 254, 256, 258, 261, 266 f. Migrantenorganisation 147, 198 Migrationspolitik 22, 26, 32, 55, 115, 118, 137, 145, 147 f., 156, 168 f., 174, 213, 226, 243 Migrationsvertrag 149 Monolingualismus 33, 257 Motion 18, 23, 42, 75 f., 78 f., 82 – 84, 116, 119 – 137, 140 – 143, 145, 150, 155, 157, 172, 182 – 188, 196, 203, 206, 250 – Motion Bircher 44, 76, 119 – 131, 133 f., 136, 140 f., 150, 155, 203, 206, 250 – Motion Simmen 13, 44, 76, 119 – 134, 136 f., 141, 143, 145, 150, 155, 203, 206, 250 Multikulturalismus 48 Muttersprache 180, 258 Nation 30, 66 f., 71 Nationalrat – siehe Schweiz Nationalsprache 67, 256 Naturalisierung 65 f., 254 f. Neoliberalismus 27 Nicht-Thematisierung – siehe Diskurs Ontologie 46, 56 f., 64, 107 Österreich 32, 51, 257

Sachregister

Paradigmenwechsel 24, 38, 54 – 56, 97, 102, 164, 166, 171 Parteien – CVP 121, 129, 131, 138, 147, 152 f. – FDP 131, 147, 197 – Grüne 138 f., 147, 153 – 155, 200 – LDP 198 – PdA 147, 153 f. – SD 152, 187 – SP 138 f., 147, 154 f., 168, 187 f., 196 f. – SVP 138 f., 147, 151 – 154, 156, 180, 187 f., 197 Paternalismus 50, 126, 130, 235 Personalisierungsstrategie – siehe Position Plastikwort 48, 55 Polarisierung 168 f., 229 – 231, 233, 247 politics of difference 29 f., 260 politische Ökonomie 47, 116 Position – Aussageposition 100 f., 103, 120, 125 – 127, 130 – 132, 136, 149, 153 – 155, 179, 181, 184, 198, 200, 229, 233 – Fremdpositionierung 101, 107, 111 f., 209, 236 – 242, 247, 251 – Interessensposition 100 f., 103, 105, 108, 115, 120, 126 f., 129, 131, 135, 147 f., 150, 153 f., 158, 160, 167, 170 f., 179, 181, 188, 196, 200, 205, 207, 229, 230, 251, 265 – Positionierungsstrategie 101, 103 – 106, 109 f., 211, 235 – Distanzierung 103 – 105, 107, 110 f., 236 f. – Personalisierung 103 – 105, 107, 110 f., 241 f., 244 – Positionierungstheorie 104, 106 – Positionierungsversuch 100, 239 – Selbstpositionierung 111, 236 f., 239 – 242, 247, 251 – Wertposition 100, 139, 146, 167, 182, 200, 204, 207, 230 Potenzialansatz 165, 170 f., 175 – 177, 179, 204 Quaestio

22, 39 f., 43, 73, 90, 249, 253

289 Rassismus 105, 136 »Rechte und Pflichten« 28, 148 f., 154, 156, 173, 181, 207, 210, 246, 251 Referendum 82, 143, 155, 188, 200 f. Regel der Äusserlichkeit – siehe Diskurs Regulativ – siehe Diskurs Rekurrenz 132, 212 Repräsentativität 86, 212 Rotationspolitik 22, 55, 118, 206 sagbar 61 f., 64, 98, 101, 108, 130, 148, 209, 235, 242 Saisonnierstatus 22 sanfter Zwang 130, 222, 228, 230 Sanktion 62, 127, 129 f., 135, 141, 149, 157 f., 187, 190, 195, 208, 210, 222, 226, 229, 231, 241, 247, 254, 262 Schicht 33, 258, 260, 266 Schule 27, 33, 48, 50, 52, 128, 157, 166, 175 – 179, 181 f., 193, 202 – 204, 207, 220, 236 – Schulerfolg 33, 50, 257 f. Schweiz – Abstimmung 77, 82 f., 138, 143 – 145, 155 – 158, 194 f. – Bundesrat 76 f., 79, 82 f., 116, 122 f., 127 – 129, 131 – 135, 137, 143, 148, 151, 155 – 158, 162, 191, 250 – Gesetz – Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer 18, 23 f., 32, 36, 40 – 42., 44, 75 – 77, 79 f., 116 f., 119 f., 129, 137, 142 – 148, 150 – 152, 154 – 156, 158 – 160, 166 f., 182, 188, 190, 194 – 197, 199 – 201, 210, 249 f., 254, 256, 259, 261, 263 f. – Bundesgesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern 23, 42, 55, 75 f., 83, 116, 118 – 120, 126, 128, 135 – 138, 140 – 143, 145 f., 148, 163, 166, 169, 186, 192, 250 – Integrationsartikel 23, 42, 76, 83, 120, 123, 126, 128, 133 – 141, 143, 166, 250

290 – Nationalrat 42, 75 f., 116, 121, 127, 129 – 131, 133 f., 137 – 140, 143, 148, 151 – 156 – Ständerat 23, 76, 82 f., 129, 131, 133, 137 – 139, 143, 151 f., 156, 196 – Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern 76 f., 120, 135, 140 – 143, 146, 151, 158 – 160, 250, 256 Secondos 27, 265 »semantic vagueness« 49 Shield 104 f., 110, 124 soziale Kohäsion 27, 31 f., 34, 37 f., 45, 49, 72, 138, 260 f. soziale Mobilität 33 f., 39, 67, 173, 190, 192, 203, 205, 253, 255, 258 soziale Praxis 18, 46, 56 – 61, 67, 84, 95, 97, 100, 110, 206, 239, 249, 266 soziale Ungleichheit 39, 173, 175 f. Soziolinguistik 21, 25, 27, 29 – 31, 34, 36 – 38, 45, 56, 85 Sprache – »Sprache als Schlüssel zur Integration« 17 – 21, 23,, 32 – 35, 71, 75 f., 101, 113, 115, 119 – 125, 127, 130, 141, 143, 146, 150, 158, 160 – 162, 167, 172, 177, 181, 191 f., 197, 199, 203 – 205, 207 f., 231, 241, 243 f., 246, 250 f., 253 – 256, 261, 263 – Sprachenmarkt 38 – Spracherwerb 18 f., 21, 33 – 35, 123 f., 126, 128 – 130, 135, 142, 153, 166, 182, 191, 194, 196 f., 201 f., 205, 207, 209, 218 f., 221 f., 224, 227, 230 – 235, 237 f., 247, 255, 259 – Sprachförderung 23 f., 50, 75, 103, 125 f., 132, 135 f., 138, 140, 146 f., 149, 151, 157, 159, 166, 172, 177 – 182, 190, 192, 201 f., 205, 218, 250, 256 f., 262 – Sprachgebrauch 18 – 20, 38, 57 – 60, 62, 66 – 70, 101, 107 f. – Sprachideologie 31, 36, 40 f., 44, 46, 64, 66 – 71, 74, 85, 252, 256, 266 – Sprachkenntnisse 20, 30 – 33, 50 – 52, 67, 69 f., 75 f., 90, 122 f., 125 f., 128 – 130, 132, 134, 136, 141 f., 146, 155,

Sachregister

158 f., 177, 180, 192, 199, 201 – 204, 207, 220, 227 f., 251, 255, 257 f., 262 – 264 – Sprachkompetenzen 17, 19 f., 25, 31 f., 34, 49, 68, 74, 123, 125, 131, 179, 181, 199, 253 – 255, 258, 263 – Sprachkurs 23, 33, 41, 75, 91 f., 101, 120, 123, 126 f., 141 f., 146, 150, 152 f., 155, 157 f., 180, 182, 190, 192 – 195, 197 – 199, 202 – 204, 213, 217 f., 233, 247, 250, 254 f. – Sprachpolitik 29, 32 f., 35 f., 66, 119 – Sprachprüfung 25, 30, 34, 91 – Sprachregionen 67, 256 – Sprachsituation 35, 68, 70, 254 – Sprachwahl 70 Staat 36, 53, 100, 126, 130, 139, 147, 152, 154, 187, 207, 215 – 218, 222 f., 227, 229, 246, 250 Standardsprache 33, 67 – 70, 94, 203, 244, 254 f. Ständerat – siehe Schweiz Standort 91 – Standortattraktivität 165 – Standortwettbewerb 27, 165 Strukturalismus 37, 57 Swissness 67, 165 symbolische Politik 36 f., 121,, 259, 261 f. System 28, 33, 40, 47, 49, 52, 57 f., 64 f., 78, 97, 109, 126, 258 Textsorte

80 f.

Universalität

66, 72, 252

Variabilität – siehe interpretative Repertoires Verbindlichkeit 174, 196 f., 228, 232, 241 Vernehmlassung 76 f., 82, 143 – 150, 168, 178, 184, 190 – 193, 196, 250, 264 Wahrheit 58, 61 f., 65 f., 89, 97, 103, 134 – 136, 150, 154, 222, 241 f., 246, 252, 266 Wertposition – siehe Position Wissen 61 – 63, 87, 89, 96 – 99, 103, 107,

Sachregister

110, 119,, 135, 162, 171, 189, 192, 195 f., 206 Wissensproduktion 61 – 63, 97, 103, 107, 171, 189, 196, 206

291 Zugehörigkeit 27, 39, 67, 69, 173 f., 190, 254 f., 259, 261, 264, 266 Zwang 91, 130, 153 – 155, 180, 194, 198, 210, 216, 218, 220 – 223, 228, 230 f., 241 Zweisprachigkeit 68 Zweitgeneration 27