Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro: Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung 9783515101516

Die in Luserna im Trentino gesprochene Varietät Cimbro ist das letzte Überbleibsel der sogenannten zimbrischen Dialekte.

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German Pages 253 [258] Year 2012

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VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
1 FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE EINBETTUNG UND DATENGRUNDLAGE
1.1 EINENGUNG DER FRAGESTELLUNG UND ERKENNTNISZIEL
1.2 SPRACHKONTAKT UND SPRACHWANDEL
1.3 KONTAKTINDUZIERTER GRAMMATISCHER WANDEL
1.4 VERGLEICHENDE SPRACHINSELFORSCHUNG DES DEUTSCHEN
1.5 VORARBEITEN ZUM ZIMBRISCHEN
1.6 DATENGRUNDLAGE
2 DAS CIMBRO ALS SPRACHE EINER MINDERHEIT IN ROMANISCHER UMGEBUNG: ENTSTEHUNG, BEWAHRUNG, BEEINFLUSSUNG UND BEDROHTHEIT
2.1 DER ORT LUSERNA
2.2 DIE ENTSTEHUNG DES ORTES LUSERNA
2.3 DAS CIMBRO ALS ZIMBRISCHER DIALEKT
2.4 DIE DEMOGRAPHISCHE ENTWICKLUNG VON LUSERNA AB DEM 18. JAHRHUNDERT
2.5 SPRACHERHALTUNG UND SPRACHKONTAKT
2.6 PHASEN DES SPRACHKONTAKTS MIT DEM ROMANISCHEN
2.7 DAS CIMBRO ALS BEDROHTE SPRACHE
3 STUDIEN ZUR MORPHOLOGIE UND WORTSTELLUNG DER PRONOMINALKLITIKA
3.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG
3.2 MORPHOLOGIE DER PRONOMINALEN FORMEN
3.3 DIE BASIS DER KLITISIERUNG
3.4 UNTERSUCHUNGEN ZUR WORTSTELLUNG DER PRONOMINALKLITIKA
4 PRONOMINALKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER
4.1 EINFÜHRUNG
4.2 SUBJEKTKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER
4.3 OBJEKTKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER
5 VON SECOND POSITION CLITICS ZU VERBAL CLITICS?
ZUSAMMENFASSUNG
ANHANG
BIBLIOGRAPHIE
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Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro: Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung
 9783515101516

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BEIHEFTE

Agnes Kolmer

Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung

Germanistik

ZDL

Franz Steiner Verlag

zeitschrift für dialektologie und linguistik

beihefte

150

Agnes Kolmer Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro

zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt

band 150

Agnes Kolmer

Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung

Franz Steiner Verlag

Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Sommersemester 2007 auf Antrag von Prof. Dr. Elvira Glaser und Prof. Dr. Hans-Jürgen Sasse als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10151-6

VORWORT – Vergelt’s Gott Viele Menschen haben an dem Prozess der Buchwerdung mitgewirkt. Meinen Kolleginnen aus Kölner Studienzeiten, Dagmar Jung und Ulrike Wrobel, danke ich für erste Anregungen. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs „Dynamik von Substandardvarietäten“ (Universitäten Heidelberg und Mannheim) ermöglichte den Anfang der Arbeit. Für seine Unterstützung und sein Interesse während meiner Heidelberger Zeit (20002002) danke ich Prof. Dr. Klaus J. Mattheier. Eine Assistentenstelle am Deutschen Seminar der Universität Zürich ab Juli 2005 erleichterte die Weiterführung und den Abschluss der Arbeit. Sie wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Sommersemester 2007 auf Antrag von Prof. Dr. Elvira Glaser und Prof. Dr. Hans-Jürgen Sasse als Dissertation angenommen. Dass die Arbeit nun veröffentlicht werden kann, dafür danke ich allen voran Elvira Glaser, die dieses Projekt mit stetem Interesse, einer Fülle von Hinweisen und unendlicher Geduld begleitet hat. Herzlich danken möchte ich auch Prof. Dr. Jürgen Erich Schmidt für die Aufnahme dieses Buches in die Reihe ZDL Beihefte. Allen, die mich auf irgendeinem Stück des Weges unterstützt haben, danke ich für ihre Hilfs- und Diskussionsbereitschaft. Vielen Dank Ermenegildo Bidese, Silvia Dal Negro, Jürg Fleischer, Ingeborg Geyer, Ursula Götz, Rüdiger Harnisch, Mark Louden, Agatha Merk, Rita Morandi, Anthony Rowley, Wilfried Schabus, Dieter Wanner und Peter Zürrer. Bedanken möchte ich mich auch bei Gisella Ferraresi, eine der Initiantinnen des „Netzwerkes Historische Syntax“, für die gebotenen Möglichkeiten des Austauschs innerhalb einer sehr anregend wirkenden Gruppe. Katja Kanzler und Anja Hasse danke ich für ihre Hilfe beim Korrekturlesen, Eva Moser und Marius Merle für ihre Hilfe bei der Herstellung der Druckvorlage. Gerne erinnere ich mich an die Monate, die ich in Luserna verbrachte. Ohne die Offenheit und Hilfsbereitschaft vieler Dorfbewohner wäre es nicht zu den Begegnungen, Befragungen und Gesprächen gekommen, die die Grundlage für die vorliegende linguistische Studie bilden. Ein herzliches Dankeschön an Fiorenzo Nicolussi Castellan, Marialuisa Nicolussi Golo, Ferdi und Hilda Gasperi, Adelia Nicolussi Baiz, Urbano Nicolussi Castellan, an die Familie Nicolussi Galeno, an meine Gewährspersonen Ada Nicolussi Giacomaz, Adelia Nicolussi Baiz, Cesarina, Claudia Nicolussi Moz, Fiorenzo Nicolussi Castellan, Gianfranco Nicolussi Galeno, Gisella Nicolussi Castellan, Ida Nicolussi Castellan Galeno, Iolanda Nicolussi Moz und Sara Nicolussi Paolaz. Vielen Dank sage ich auch denjenigen, die mir halfen, zunächst Unverständliches zu verstehen. Neben Adelia, Claudia, Marialuisa und Sara halfen mir bei der Ergänzung meiner Transkriptionen Elisa Nicolussi Paolaz, Gemma Nicolussi Paolaz und Loredana Nicolussi Castellan Galeno, wofür ich ihnen allen sehr dankbar bin.

6

Vorwort

Meinen Eltern danke ich für ihre Unterstützung und dass sie am Gelingen dieses Unternehmens und meines Weges nur selten (offen) zweifelten. Die tiefste Dankbarkeit empfinde ich gegenüber meinem geliebten Freund und Gefährten Hendrik Coersmeyer, dessen Langmut und Hoffnung nie nachließ. Robert, schau mal bei Fußnote 215. Zürich, im März 2012

Agnes Kolmer

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ............................................................................................................ 5 TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................ 11 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ......................................................................... 12 EINLEITUNG ...................................................................................................... 13 1 FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE EINBETTUNG UND DATENGRUNDLAGE ................................................................................... 19 1.1 Einengung der Fragestellung und Erkenntnisziel ..................................... 19 1.2 Sprachkontakt und Sprachwandel ............................................................ 21 2.3 Kontaktinduzierter grammatischer Wandel ............................................. 24 1.3.1 Zur Beschreibung von Phänomenen grammatischen Wandels im Sprachkontakt............................................................. 25 1.3.1.1 BREU (1996) ..................................................................... 25 1.3.1.2 JOHANSON (1998, 1999) ................................................... 26 1.3.1.3 AIKHENVALD (2007) ........................................................ 26 1.3.2 Ansätze zur Erklärung kontaktinduzierten grammatischen Wandels .......................................................................................... 28 1.3.2.1 KING (2000) ...................................................................... 28 1.3.2.2 MATRAS (2007)................................................................. 28 1.4 Vergleichende Sprachinselforschung des Deutschen................................ 30 1.5 Vorarbeiten zum Zimbrischen .................................................................. 31 1.6 Datengrundlage ......................................................................................... 32 4.3.1 Datengewinnungsmethoden ........................................................... 33 4.3.2 Auswahl der Gewährspersonen ...................................................... 34 4.3.3 Datenpräsentation ........................................................................... 36 4.3.4 Weitere benutzte Textquellen zum Zimbrischen ........................... 38 2 DAS CIMBRO ALS SPRACHE EINER MINDERHEIT IN ROMANISCHER UMGEBUNG: ENTSTEHUNG, BEWAHRUNG, BEEINFLUSSUNG UND BEDROHTHEIT.................................................... 41 2.1 2.2 2.3 2.4

Der Ort Luserna ........................................................................................ 41 Die Entstehung des Ortes Luserna ............................................................ 42 Das Cimbro als zimbrischer Dialekt ......................................................... 45 Die demographische Entwicklung von Luserna ab dem 18. Jahrhundert ...................................................................................................... 56

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Inhaltsverzeichnis

2.5 Spracherhalt und Sprachkontakt ............................................................... 58 2.6 Phasen des Sprachkontakts mit dem Romanischen .................................. 63 2.7 Das Cimbro als bedrohte Sprache ............................................................. 65 3 STUDIEN ZUR MORPHOLOGIE UND WORTSTELLUNG DER PRONOMINALKLITIKA ....................................................................... 71 3.1 Allgemeine Einführung ............................................................................. 71 3.1.1 Simple clitics und special clitics..................................................... 74 3.1.2 Second position clitics und verbal clitics ....................................... 76 3.1.3 Pronominalklitika und Sprachwandel ............................................ 79 3.2 Morphologie der pronominalen Formen ................................................... 81 3.2.1 Die mit -and(ə)r erweiterten Formen ............................................. 82 3.2.2 Oppositionsstruktur ........................................................................ 83 3.2.2.1 Die Formen [iːmən] und [=ən] ......................................... 84 3.2.2.2 Die Form [=ɐs] ................................................................. 85 3.2.2.3 Die Formen [dɐr] und [=ɐr] .............................................. 86 3.2.2.4 Resümee ........................................................................... 89 3.2.3 Beobachtungen zur Allomorphie ................................................... 90 2.2.2.1 Subjektpronomen der 2. Pers. Sg. Nom ........................... 90 2.2.2.2 Subjektpronomen der 1. Pers. Sg. Nom ........................... 91 2.2.2.3 Zur pronominalen Form ‚esʻ ............................................ 95 3.2.4 Der morphologische Ausdruck von Partitivität und Reflexivität ..................................................................................... 97 3.2.4.1 Partitivpronomen .............................................................. 97 3.2.4.2 Reflexivpronomen ............................................................ 98 3.2.5 Weitere Besonderheiten ............................................................... 101 3.2.5.1 Ausfall von [ç] nach [i]................................................... 101 3.2.5.2 Anlaut [b] bei der 1. Pers. Pl. Nom. ............................... 102 3.2.5.3 Nasalausfall bei den Objektpronomen der 1. Pers. Pl. ....................................................................... 102 3.2.5.4 Die Formen iɐ̯r ‚ihrʻ und ay̯x ‚euchʻ der 2. Pers. Pl. ....................................................................... 104 3.3.2 Zusammenfassung ........................................................................ 106 3.3 Die Basis der Klitisierung ....................................................................... 107 3.3.1 Finite verbale Formen .................................................................. 108 3.3.2 Infinite verbale Formen ................................................................ 113 3.3.2.1 Einfache Infinitivform .................................................... 113 3.3.2.2 Abhängige Infinitivform ................................................. 114 3.3.2.3 Partizip-Präteritum-Form ............................................... 114 3.3.2.4 Partizip-Präsens-Form .................................................... 115 3.3.3 Konjunktionen .............................................................................. 115 3.3.4 Die klitische Kette ........................................................................ 118 3.3.5 Zusammenfassung ........................................................................ 122 3.4 Untersuchungen zur Wortstellung der Pronominalklitika ...................... 122

Inhaltsverzeichnis

9

3.4.1 Zur Topologie des Haupt- und Nebensatzes ................................ 122 3.4.1.1 Subjekt-Verb-Inversion und Klammerkonstruktionen im Cimbro .............................................. 123 3.4.1.2 Exkurs: Zur Wortstellung des Cimbro in arealtypologischer Perspektive ............................................... 127 3.4.1.3 Zum Abbau der Asymmetrie zwischen Hauptund Nebensatzwortfolge ................................................. 131 3.4.2 Klitisierung an infinite Verbformen ............................................. 140 3.4.2.1 Die zwei Infinitivformen im Zimbrischen ...................... 141 3.4.2.2 Zur Stellung der Objektklitika in Infinitivkonstruktionen ................................................................ 148 3.4.3 Zusammenfassung ........................................................................ 156 4 PRONOMINALKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER .................... 159 4.1 Einführung .............................................................................................. 161 4.2 Subjektklitika als Kongruenzmarkierer .................................................. 169 4.2.1 Zum Status der Subjektklitika in den das Cimbro umgebenden norditalienischen Dialekten .................................... 170 4.2.2 Subjektklitika im Cimbro ............................................................. 181 4.2.2.1 Möglichkeiten und Beschränkungen der Auslassung ...................................................................... 181 4.2.2.2 Unerwartete Inversionsstellung des Subjektpronomens ...................................................................... 183 4.2.2.3 Subject doubling im Cimbro ........................................... 185 4.2.3 Ähnlichkeit zu rätoromanischen Varietäten mit V2-Beschränkung ......................................................................... 194 4.2.4 Ein Vergleich mit walserdeutschen Dialekten ............................. 197 4.2.5 Zusammenfassung ........................................................................ 202 4.3 Objektklitika als Kongruenzmarkierer .................................................... 203 4.3.1 Gibt es im Bairischen clitic doubling? ......................................... 204 4.3.2 Clitic doubling im Cimbro ........................................................... 207 4.3.2.1 Personalpronomen und clitic doubling ........................... 207 4.3.2.2 Direktes nominales Objekt ............................................. 210 4.3.2.2.1 Linksversetzung ............................................. 210 4.3.2.2.2 Topikalisierung .............................................. 213 4.3.2.3 Partitivkonstruktionen und clitic doubling ..................... 215 4.3.2.4 Indirektes nominales Objekt ........................................... 217 4.3.2.5 Rechtsversetzung ............................................................ 219 4.3.3 Zusammenfassung ........................................................................ 221 5 VON SECOND POSITION CLITICS ZU VERBAL CLITICS? ...................... 223 ZUSAMMENFASSUNG .................................................................................... 227

10

Inhaltsverzeichnis

ANHANG ........................................................................................................... 233 BIBLIOGRAPHIE ............................................................................................... 235

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle I: Die Grundtypen des grammatischen Wandels nach BREU (1996, 24) ........................................................................................ 25 Tabelle II: Entwicklung der Bevölkerung von Luserna vom 18. Jh. bis 1920 (EZ = Einwohnerzahl) ................................................................ 56 Tabelle III: Entwicklung der Bevölkerung von Luserna ab 1929 (EZ = Einwohnerzahl) ............................................................................... 57 Tabelle IV: Ethnische Zugehörigkeit der anwesenden Bevölkerung in Luserna (nach BECKER 1974, 65).......................................................... 60 Tabelle V: Morphologisch-phonologische Darstellung der Personalpronomen im Cimbro .................................................................. 81 Tabelle VI: Die Formen [iːmən] und [=ən] im Vergleich ................................. 84 Tabelle VII: Objektpronomen in Südwalser Dialekten und im Mòcheno.................................................................................................... 85 Tabelle VIII: Die Form [=ɐs] im Vergleich ...................................................... 86 Tabelle IX: Partitivpronomen im Vergleich ..................................................... 97 Tabelle X: Die Entsprechungen von ‚michʻ, ‚dichʻ und ‚sichʻ im Zimbrischen und im Mòcheno ........................................................... 101 Tabelle XI: Objektpronomen und Possessivpronomen der 1. Pers. Pl. in südbairischen Dialekten ...................................................................... 102 Tabelle XII: Die Personalpronomen der 2. Pers. Pl. in verschiedenen bairischen Varietäten ............................................................................... 105 Tabelle XIII: Beispiele zur Bildung der reinen und abhängigen Infinitivform im Cimbro ......................................................................... 142 Tabelle XIV: Die Infinitivformen und -flexive im Cimbro und Althochdeutschen .................................................................................... 143 Tabelle XV: Historischer Vergleich der Infinitivflexive ................................ 144 Tabelle XVI: Verbparadigma von ‚sprechenʻ im Friaulischen (vgl. FAGGIN 1997, 111) ......................................................................... 171 Tabelle XVII: Präverbale Subjektklitika in verschiedenen norditalienischen Varietäten ........................................................................... 175 Tabelle XVIII: Variierende Position der sekundären Kongruenzmarkierer in Abhängigkeit des Satzmodus ............................................. 178

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 1st, 2nd, 3rd 2D 2ND 2W

first, second, third (person) second daughter second position clitic placement second word

ahd. ALD

althochdeutsch Atlant linguistich dl ladin dolomitich y di dialec vejins Akkusativ Artikel Atlante Sintattico d’Italia Settentrionale

Akk. / Acc. Art. ASIS

Bsp.

Beispiel

C / COMP cl. / clit.

complementizer clitic

Dat. def.

Dativ definit

engl. enkl.

englisch enklitisch

f. / fem. fin. Fn. friaul. frz. Fut.

feminin finit Fußnote friaulisch französisch Futur

Gem. Gen. germ.

Gemeinden Genitiv germanisch

HT

Hiatustilger

impers. Ind. interrog. ital.

impersonal Indikativ interrogativ italienisch

Jh.

Jahrhundert

Kl.

Klitikon

Loc.

locative

m./mask. mhd.

maskulin mittelhochdeutsch

n./neutr. Neg. nhd. Nom. NP

neutrum Negation / Negationsspartikel neuhochdeutsch Nominativ Nominalphrase

O / Obj. o. J.

Objekt ohne Jahr

Part. Pers. Pl. /Plur. Präp. Präs. prokl.

Partitiv Person Plural Präposition Präsens proklitisch

Quest

Questionario

refl.

reflexiv

S / Subj. Sg./Sing. Std. SDS

Subjekt Singular Standard Sprachatlas der Deutschen Schweiz

trent.

trentinisch

V V2 VB ven.

Verb Verbzweit verb based clitic placement venetisch

WALS

The World Atlas of Language Structures

EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zur Erforschung grammatischen Wandels im Sprachkontakt. Ihr liegt folgende Fragestellung zugrunde: Wie hat sich der seit Gründung der deutschsprachigen Siedlungen in Nordostitalien bestehende Sprachkontakt mit dem Italienischen bzw. den dort gesprochenen italienischen Dialekten auf die Morphologie, Syntax und Funktion der Pronomen und insbesondere der Pronominalklitika des Cimbro ausgewirkt? Cimbro ist der italienische Name des deutschen Dialekts, der in dem kleinen Bergdorf Luserna im Nordosten Italiens ca. 60 km südlich der deutschitalienischen Sprachgrenze gesprochen wird. Die Bezeichnung Cimbro begegnet in italienischsprachigen Veröffentlichungen oft als Äquivalent zu dem deutschen Wort Zimbrisch. Dabei handelt es sich nicht nur um eine zusammenfassende Bezeichnung aller zimbrischen Dialekte, sondern meist ist damit eine bestimmte zimbrische Varietät gemeint, häufig diejenige der Sieben Gemeinden wie z. B. in BENINCÀ / RENZI (2000a; 2000b) und POLETTO / TOMASELLI (2000). Der Name Cimbro bezieht sich in dieser Arbeit ausschließlich auf den deutschen Dialekt, der in Luserna gesprochen wird. Die übrigen zimbrischen Dialekte werden explizit bezeichnet, also als Zimbrisch der Sieben Gemeinden bzw. Zimbrisch der Dreizehn Gemeinden. Das Cimbro von Luserna zählt zu einer Gruppe von deutschen Dialekten, die als zimbrische Dialekte bezeichnet werden. Diese Dialekte sind eng mit dem Südbairischen nördlich der deutsch-italienischen Sprachgrenze verwandt. Sie wurden und werden zum Teil noch in verschiedenen Ortschaften des Gebiets zwischen den Städten Trient, Verona und Vicenza gesprochen. Seit ihrer Gründung im Spätmittelalter, die auf gelenkte Siedlungsmaßnahmen zurückzuführen ist, sind diese bairischen Dialekte in Norditalien dem Einfluss des Italienischen und der nordostitalienischen Dialekte ausgesetzt. Welche Veränderungen der seit langem bestehende stabile Bilingualismus im Zimbrischen hervorgerufen hat, ist bisher nur in Teilbereichen erfasst und beschrieben. Die Entdeckung und Beschreibung von Archaismen, die Aufschluss über den Sprachstand zur Zeit der Besiedlung und damit auch über die mögliche Herkunft der Siedler geben, stand lange im Vordergrund. Welche Eigenschaften sprachlicher Elemente und Strukturen können entlehnt werden? Das anything goes-Diktum von THOMASON / KAUFMAN (1988, 91) mag entmutigen oder auch diejenigen herausfordern, die der Überzeugung sind, es gebe linguistische Einheiten oder Merkmale, die gegen die äußere Beeinflussung in Form von Kontakt mit einer als verschieden einzustufenden Sprache oder Varietät1 beinahe immun seien. Auch in jüngster Zeit forschen Linguisten nach Be1

Für eine Definition des Begriffs Varietät vgl. SCHMIDT (2005, 69).

14

Einleitung

schränkungen, die sich allein auf die Hierarchisierung von Entlehnungsprozessen konzentrieren, deren Vorgang und Ergebnis traditionell als materielle oder lexikalische Entlehnung (im Gegensatz zur Lehnbedeutung) bezeichnet werden.2 Die Hierarchisierung ergibt sich dabei aus einer Korrelation der Art des Sprachkontakts (z. B. zeitliche Dauer und Intensität des Kontakts gemessen am Anteil bilingualer Sprecher innerhalb der Gemeinschaft) mit der Zugehörigkeit der materiellen Entlehnung zu einer bestimmten (z. B. morphosyntaktischen oder phonologischen) Kategorie, wobei sekundär auch der typologische Unterschied der in Kontakt stehenden Sprachen berücksichtigt wird. Dass z. B. das Inventar der Pronomen und Pronominalklitika des Cimbro (als Nehmer- oder Replikasprache) nicht gekennzeichnet ist durch den Ersatz von ererbten deutschen bzw. bairischen Formen durch italienische bzw. trentinisch-venetische Formen (also der Geberoder Modellsprache), passt zu der schon seit WEINREICH (21963) bekannten Einsicht, dass die Wahrscheinlichkeit der Entlehnung eines sprachlichen Elements geringer wird, je gebundener bzw. integrierter es in struktureller Hinsicht ist (vgl. auch THOMASON 2001a, 69). Dies trifft nicht nur auf gebundene Morpheme zu, sondern auch auf freie grammatische Wörter, wie es die Formen der geschlossenen Klasse (Personal-)Pronomen sind. Dieses Detail der schon seit WHITNEY (1881) existierenden und bis heute immer wieder verfeinerten sogenannten Entlehnungshierarchie gilt also auch für das Cimbro. Für das Entlehnungsszenario ist es weiterhin typisch, dass kontaktinduzierten Veränderungen auf der grammatischen Ebene der Replikasprache massive Wortschatzentlehnung vorausgeht (vgl. THOMASON 2001a, 69). Trotz des hohen Anteils an materiellen Entlehnungen wäre es verfehlt, das Cimbro als relexifizierte Sprache zu klassifizieren. Ein Charakteristikum des Relexifizierungsszenarios ist es, dass die Replikasprache viele materielle Entlehnungen aus dem Bereich der freien Inhalts- und Funktionswörter vornimmt. Relexifizierung unterscheidet sich aber grundlegend von Entlehnung dadurch, dass die entlehnten Formen mit wenig Rücksicht auf die modellsprachliche Inhaltsseite in die Replikasprache integriert werden (vgl. MUYSKEN 1981; 1996). Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen Veränderungen der grammatischen Struktur des Cimbro. Bei extern motivierten Veränderungen der Grammatik einer Sprache wird typischerweise ein vorangegangener Sprachwechsel vermutet. Die Auswirkungen dieses Sprachwechsels sind Folgen von imperfect learning und werden traditionell als Substratwirkung bezeichnet (bei COETSEM (2000) source language agentivity genannt). Dass die Eigentümlichkeiten, die im Cimbro in Bezug auf die Stellung der Pronominalklitika festzustellen sind, auf Substratwirkung zurückzuführen sind, ist einerseits nicht einfach zu widerlegen, andererseits auch nicht einfach nachzuweisen. Dagegen spricht, dass die meisten Phänomene, auf die in dieser Arbeit eingegangen wird, auch schon in den vor über hundert Jahren von JOSEF BACHER in Luserna gesammelten Texten nachzuweisen sind. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts kann von einem Sprachwechsel in Luserna noch 2

Zur terminologischen Differenzierung in diesem Bereich vgl. HAUGEN (1950), BETZ (1974, 135–138) und MUNSKE (2004).

Einleitung

15

nicht die Rede sein. Für die Gewährspersonen, deren von mir Anfang des 21. Jahrhunderts aufgezeichnete Texte die hauptsächliche Datengrundlage darstellen, gilt jedenfalls, dass sie keine Lerner und Lernerinnen des Cimbro mit Italienisch oder Trentinisch-Venetisch als Erstsprache sind, sondern Muttersprachler und Muttersprachlerinnen des Cimbro, die sukkzessive, meist erst bei Eintritt in die Grundschule mit dem Italienischen intensiv in Berührung gekommen sind. Diese Berührung führte bei allen Muttersprachlern des Cimbro allmählich zur Zweisprachigkeit. Da dieser Erwerb der Zweisprachigkeit wohl schon seit etlichen Generationen – zumindest seit Einführung der Schulpflicht – zu einer typischen Sprachbiographie fast eines jeden Mitglieds der Sprachgemeinschaft von Luserna gehört, kann berechtigterweise von einem stabilen, kollektiven Bilingualismus gesprochen werden. Die Frage, ob über die Jahrhunderte hinweg bestimmte Sprechergruppen, ob z. B. Männer und Frauen über verschiedene Sprachbiographien verfügten, ist schwierig zu beantworten. Es kann auch nicht mehr rekonstruiert werden, welchen Anteil eventuell in früherer Zeit Lerner und Lernerinnen, die z. B. durch Heirat zu der Gemeinschaft stießen und Cimbro lernten, an diesen Prozessen hatten. Die hier zugrunde gelegte Annahme ist die, dass es sich bei den Auswirkungen des Sprachkontakts auf das Cimbro nicht um Folgen von imperfect learning handelt, sondern um Veränderungen, die allmählich und von Generation zu Generation die Sprechweise der Zimbrischsprecher und die Struktur des Cimbro verändert haben. Solche Veränderungen der Grammatik sind nicht in gleicher Weise auffällig wie materielle Entlehnungen oder Code-switching oder -mixing und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie lange Zeit nicht im Fokus der Untersuchungen von Sprachkontaktphänomenen standen. Um so erfreulicher ist es, dass gerade in den letzten Jahren ein intensiviertes Interesse am übereinzelsprachlichen Vergleich kontaktinduzierten grammatischen Wandels zu verzeichnen ist, der die Theoriebildung auf diesem Gebiet voranbringt (vgl. HEINE / KUTEVA 2005; AIKHENVALD / DIXON (Hg.) 2007; MATRAS / SAKEL (Hg.) 2007). Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage, wie weit die Anpassung der internen Strukturiertheit und Funktionsweise des deutschen Sprachinseldialekts unter dem Einfluss des Italienischen bzw. der italienischen Dialekte vor allem in Bezug auf die klitische Realisierung der Pronomen geht. Klitika im Allgemeinen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie immer in Verbindung mit einer Basis auftreten, an die sie sich phonologisch anlehnen. Klitisierung kann entweder nur phonologischer Natur sein oder aber darüber hinaus besondere syntaktische Eigenschaften aufweisen. Sowohl in bairischen als auch in norditalienischen Dialekten (und im Standarditalienischen) liegt eine Art der Klitisierung von Pronominalformen vor, die eine spezielle Beschreibung verlangt und nicht allein mit phonologischen Regeln erfasst werden kann. Die darin involvierten Pronominalklitika weisen verschiedene Eigenschaften auf, u. a. diejenige, für eine bestimmte syntaktische Kategorie oder eine bestimmte syntaktische Position spezialisiert zu sein. Bei den Klitika in den Varietäten beidseits der Sprachgrenze handelt es sich jeweils um sehr spezifische Eigenschaften von relativ abstrakter Natur. Ausgangspunkt der Untersuchungen ist die Annahme, dass mit dem Cimbro ein Dialekt mit einem für einige deutsche Varietäten typischen Klitisierungssystem für Pronomen

16

Einleitung

vorliegt. Dabei handelt es sich um eine besondere Ausprägung von second position cliticization mit Klitisierung der Personalpronomen an die Konstituente, die die linke Satzklammer repräsentiert. Dieses System ist dem massiven Einfluss romanischer Varietäten ausgesetzt, die sich durch ein Klitisierungssystem mit verbal clitics auszeichnen. Die Beschreibung des heute gesprochenen Cimbro in den relevanten Domänen steht im Vordergrund. Sie stellt die Grundlage dar für Vergleiche. Dabei geht es u. a. um die typologische Einordnung des Cimbro zwischen dem germanischen und romanischen (Klitisierungs-)System. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Fragen, die den folgenden drei Aufgabenbereichen zugeordnet werden können. Erstens konzentriert sie sich auf die möglichen Auswirkungen von Sprachkontakt auf einen bestimmten grammatischen Teilbereich. Die Beschreibung der Form, Distribution und Funktion von Pronominalformen und insbesondere der Pronominalklitika im Cimbro dient als Ausgangspunkt zur Erfassung der Auswirkungen des Sprachkontakts, die mit den klitischen Pronomen, diesen Elementen zwischen Morphologie und Syntax, in Zusammenhang stehen. Das Ziel in diesem Aufgabenbereich besteht darin, sowohl zum Verständnis kontaktinduzierten grammatischen Wandels im Zimbrischen als auch zur Erforschung der Veränderlichkeit der sprachlichen Kategorie Pronominalklitikon durch Sprachkontakt beizutragen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Arbeit zu einer ganz spezifischen Kontaktsituation mit jeweils bestimmten Eigenschaften von pronominalen Klitika in der Nehmer- und Gebersprache bis hin zu theoriegeleiteten Generalisierungen ist noch ein weiter Weg. Der letztgenannte Punkt greift in den zweiten Aufgabenbereich hinein, der, soweit ich die Forschungsliteratur zu Klitika überblicke, im Kontext der Theoriebildung sehr viel seltener diskutiert wird. Es handelt sich dabei um den Bereich, der um die Bedingungen des Wandels von Klitisierungssystemen kreist. Zwar trifft man in Arbeiten wie z. B. WANNER (1987) und PANCHEVA (2005) auf Hinweise, unter welchen Bedingungen aus einer Sprache mit second position clitics wie Lateinisch (laut WANNER 1987) oder Altbulgarisch eine Sprache – oder im Fall der romanischen Sprachen eine ganze Sprachfamilie – mit verbal clitics wird, jedoch wird selbst in der neueren Literatur, die den Anspruch erhebt, eine Theorie der Klitisierung darzustellen, dem Aspekt des Sprachwandels so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. ANDERSON 2005; RIEMSDIJK (Hg.) 1999). Der dritte Aufgabenbereich ist mit dem Anspruch verknüpft, die konkrete Kontaktsituation in einen größeren arealen und sprachhistorischen Kontext einzubetten. Daraus ergeben sich die verschiedenen Vergleichsebenen, auf die im Lauf der Darstellung Bezug genommen wird. Grundlegend ist z. B. die Berücksichtigung der norditalienischen Dialekte. Die nordostitalienischen Dialekte werden für die Zeitspanne, in der die grammatische Struktur des heutigen Cimbro geprägt wurde, als die primären Kontaktvarietäten des Cimbro im Medium der Mündlichkeit betrachtet. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang auch die komplexe romanischgermanische Kontaktzone des Alpenraums. Dies hat den Einbezug der rätoromanischen Varietäten in die sprachvergleichende Perspektive zur Folge. Die rätoromanischen Varietäten können in mancher Hinsicht als konservative norditalienische Varietäten angesehen werden (vgl. HAIMAN / BENINCÀ 1992, 23–25). In an-

Einleitung

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derer Hinsicht sind gerade einige rätoromanische Varietäten dadurch gekennzeichnet, dass sie kontinuierlich bis heute durch das Deutsche beeinflusst werden. Ein Vergleich des Cimbro mit den letztgenannten trägt zum Verständnis der Entstehung von konvergenten Strukturen bei. Als wichtig wird auch der Vergleich der zimbrischen Dialekte mit dem im Fersental gesprochenen Mòcheno und den in Nordwestitalien angesiedelten walserdeutschen Dialekten betrachtet. Auf dieser Vergleichsebene spielt nicht nur die Gemeinsamkeit der Beeinflussung durch das Italienische bzw. seine Dialekte eine Rolle, sondern auch der Rückbezug auf die deutsche Sprachgeschichte. Da die letzten Zimbern von Luserna als einzige zimbrische Sprachgemeinschaft bis heute den Sprachwechsel noch nicht vollständig vollzogen haben, konnte die Untersuchung auf direkt erhobenem Material aufbauen. Während mehrerer Feldforschungsaufenthalte wurden Daten elizitiert, sowohl in Form von Einzelsatzübersetzungen als auch in Form von längeren, frei erzählten Texten. Letztere bilden neben den von BACHER (1900; 1901; 1905) herausgegebenen Texten die hauptsächliche Materialbasis. Das Buch umfasst 5 Kapitel. Kapitel 1 dient der forschungsgeschichtlichen Einordnung der Untersuchungen, deren Ergebnisse ab Kapitel 3 präsentiert werden. Es wird die Fragestellung der vorliegenden Arbeit eingeengt, ein kurzer Überblick über aktuelle Ansätze zur Beschreibung und Erklärung grammatischen Wandels im Sprachkontakt geboten, die gegenwärtigen Tendenzen der vergleichenden Sprachinselforschung des Deutschen vorgestellt, die wichtigsten Vorarbeiten zum Zimbrischen erwähnt und die Datengrundlage für die Untersuchungen zum grammatischen Wandel im Cimbro beschrieben. Kapitel 2 bietet einen sozio-historischen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Sprachinsel Luserna. Dabei geht es neben der Charakterisierung des Cimbro als zimbrischer Dialekt auch um die Gründe für die überaus lange Aufrechterhaltung der Sprachkontaktsituation und die Verzögerung des Sprachwechsels. Das Kapitel 3 umfasst Studien zu den morphologischen und syntaktischen Eigenschaften der Pronominalklitika des Cimbro. Neben der paradigmatischen Struktur der untersuchten Pronominalformen und der Darstellung ihrer morphosyntaktischen Eigenschaften geht es dabei auch um die mögliche Positionierung der Pronominalklitika in verschiedenen Konstruktionen. Pronominalklitika sind dabei zum einen Indikator und zum anderen Motor für sich vollziehende bzw. bereits vollzogene Erscheinungen grammatischen Wandels. In einem Exkurs wird das Cimbro hinsichtlich einiger Wortstellungseigenschaften mit romanischen Varietäten im Alpenraum verglichen und damit in einen arealtypologischen Kontext eingebettet. In Kapitel 4 erfolgt eine Konzentration auf die Funktion der Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer. In Anlehnung an CORBETT (2003; 2006) wird dabei eine sehr weite Konzeption von Kongruenz zugrunde gelegt, die auch satzübergreifende Koreferenz einschließt, die gemeinhin als anaphorischer Bezug bezeichnet wird. Insbesondere das Vorkommen von so genannten clitic doubling-

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Konstruktionen wirft Fragen auf, die in Zusammenhang mit der Veränderung von Kongruenzsystemen stehen. In Kapitel 5 wird eine der Fragen, die sich aus den Darstellungen der vorangegangen Kapiteln aufdrängt, aufgegriffen. Es handelt sich dabei um die Frage, ob sich im Cimbro ein Wandel von einem (speziellen) second position clitic-System zu einem verbal clitic-System vollzieht. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.

1 FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE EINBETTUNG UND DATENGRUNDLAGE 1.1 EINENGUNG DER FRAGESTELLUNG UND ERKENNTNISZIEL In dieser Arbeit geht es um das Ausmaß der Auswirkungen des Sprachkontakts mit dem Italienischen als Modellsprache auf die grammatische Struktur des Cimbro als Replikasprache. Der Gegenstandsbereich der Untersuchungen wird dadurch eingeengt, dass diejenigen Veränderungen verfolgt werden, die mit Pronomen und insbesondere mit den Pronominalklitika des Cimbro in Zusammenhang stehen. Damit wird auf die Veränderung und Veränderbarkeit einer bestimmten sprachlichen Kategorie durch Sprachkontakt fokussiert. Es ist eine triviale Feststellung, dass dies im Kontext Sprachwandel und Sprachkontakt erst dann eine interessante Frage ist, wenn zwei Sprachen aufeinanderstoßen, die zwar jeweils über diese Kategorie verfügen, jedoch mit jeweils unterschiedlichen Regularitäten. Die zugrunde gelegte Arbeitshypothese lautet: Die zu erwartenden Sprachwandelerscheinungen im Cimbro führen zu einer größeren Übereinstimmung zwischen Replika- und Modellsprache. Dies betrifft sowohl das Kategorieninventar und die Eigenschaften bzw. interne Strukturierung ihrer Einheiten als auch reine Wortstellungsregularitäten. Die einzelnen Veränderungen können aufgefasst werden als eine Herstellung größerer Ähnlichkeit durch den Abbau von Unterschieden. Der hypothetische Endpunkt einer solchen Entwicklung ist erreicht, wenn eine 1:1-Entsprechung hinsichtlich des Sprachbaus von Replika- und Modellsprache besteht, so wie SASSE (1992, 61) dies formuliert: „The ideal goal over the long term in [cases of long-term collective bilingualism] is a total isomorphism of the two languages.“ Die Isomorphismus-Idee spielt auch in dieser Arbeit eine wesentliche Rolle. Die globale Umschreibung „Abbau von Unterschieden“ dient dabei der Charakterisierung des Trends. Für die historische Darstellung einer solchen Angleichung prägt SASSE (1985) den Begriff Konvergenzgeschichte. Der Terminus Konvergenz wird in erster Linie mit der Untersuchung von Sprachbundphänomenen gebraucht (engl. convergence area). MATTHEIER (1996, 34) schlägt – in Analogie zu Adstrat – den Begriff Advergenz vor, um Entwicklungen zu charakterisieren, die u. a. in Sprachinseldialekten zu beobachten sind. Aufgrund der Tatsache, dass sich das Deutsche und Italienische hinsichtlich Pronominalmorphologie und -syntax wesentlich unterscheiden, nimmt es nicht wunder, dass schon sehr früh Besonderheiten des Zimbrischen in diesem Bereich aufgefallen sind. SCHMELLER (1838, 699–700) äußert sich in diesem Zusammenhang dahingehend, dass z. B. das gleichzeitige Auftreten von enklitischem Personalpronomen und referenzidentischem Subjekt bzw. Objekt auf den Einfluss der umliegenden italienischen Dialekte, also im weitesten Sinne der Dialekte im

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Nordosten Italiens (Trentinisch, Venetisch) zurückzuführen sei.3 Das von SCHMELLER (1838) für das Zimbrische beschriebene Phänomen kommt auch in den alemannischen Sprachinseldialekten im Nordwesten Italiens vor. Es zieht schon seit längerem die Aufmerksamkeit von Sprachwissenschaftlern auf sich. Der glückliche Umstand, dass mit der Existenz der ebenfalls seit dem Spätmittelalter4 bestehenden walserdeutschen Siedlungen aufgrund der ähnlichen Kontaktsituation eine Vergleichsmöglichkeit zu den bairischen Sprachinseldialekten besteht, macht es möglich, Analysen dazu als eine Quelle für Vorannahmen über die Ursachen der Sprachwandelphänomene im Bereich der Pronominalklitika heranzuziehen. In den Analysen von BAUEN (1978, 65–66), GIACALONE RAMAT (1992, 327), ZÜRRER (1999, Kapitel 5.7), DAL NEGRO (2000, 36–40) und zuletzt FUSS (2005, 175–177) werden die enklitischen Subjektpronomen als reanalysierte Flexionsendungen behandelt. In der vorliegenden Arbeit ist die Frage nach dem morpho-syntaktischen Status der klitischen Subjektpronomen in einen größeren Kontext eingebettet, der auch den Objektbereich mit einschließt. Mit dem Phänomen des sogenannten clitic doubling im Cimbro, in weiteren deutschen und auch in norditalienischen Varietäten, liegen Abweichungen von den jeweils zugrunde liegenden Kongruenzsystemen vor. Das Kongruenzsystem des Cimbro wird in einen größeren, areallinguistischen und typologischen Rahmen eingeordnet. Dass sich Pronominalformen zu (personenkennzeichnenden) Kongruenzmarkierern und sogar Flexionsendungen entwickeln können, ist seit langem bekannt. Nicht bekannt ist jedoch, welche Bedingungen genau diesem Phänomen im Cimbro zugrunde liegen, wie fortgeschritten die Grammatikalisierung der Pronominalklitika zu Kongruenzmarkierern im Cimbro ist (z. B. im Vergleich zu den Südwalser Dialekten) und welche Rolle in diesem Prozess die umgebenden italienischen Dialekte spielen. In Studien, die eine bestimmte Kontaktsituation in den Mittelpunkt stellen, trifft man mitunter auf Aussagen, die sich auf die Veränderlichkeit von Morphologie und Syntax von (Personal-)Pronomen beziehen. SILVA-CORVALÁN (1994, 130) kommt im Zusammenhang ihrer Untersuchung des Spanischen in Los Angeles, das im Einflussbereich des Englischen steht, zu dem Ergebnis, dass die Syntax von gebundenen Pronominalformen zu denjenigen Aspekten einer Sprache gehört, die ziemlich resistent gegenüber externen Einflüssen sind. Die primäre Fragestellung „Wie ist die Morphologie und Syntax der Pronominalklitika des Cimbro strukturiert?“ ist dem Erkenntnisziel „Wie veränderlich sind sprachliche Kategorien durch Sprachkontakt?“ untergeordnet. Die Fokussierung auf die Pronominalklitika involviert viele Bereiche der Grammatik, denn neben Aspekten des morphologischen Wandels z. B. im Paradigma der Pronominalformen geht es vor allem auch um syntaktischen Wandel, z. B. hinsichtlich des 3 4

Auch SCHUCHARDT ([1883] 1971, 124) geht im Zusammenhang seiner Ausführungen zu Phänomenen der „inneren Sprachmischung“ auf das Zimbrische ein. Die Ursprünge der Walsersiedlungen in der oberitalienischen Region Piemont werden je nach Gegend bzw. Ortschaft auf den Anfang bzw. die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert (vgl. WIESINGER 1983b, 903, ZÜRRER 1999, 24–25 und DAL NEGRO 2004, 48).

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unterschiedlichen Verhaltens nominaler und pronominaler Satzglieder und der Wortstellung im Haupt- und Nebensatz. Die Untersuchungen umfassen dabei verschiedene Konstruktionen, in denen die Pronominalklitika des Cimbro ein im Vergleich zu bairischen Dialekten im geschlossenen deutschen Sprachraum unterschiedliches Verhalten aufweisen, wie z. B. in Infinitivkonstruktionen (vgl. Kapitel 3.4.2.2). Ziel ist letztlich die Entdeckung, wie weit die Entwicklung der allmählichen Angleichung auf dem Gebiet der Pronominalmorphologie und -syntax geht, ob eventuell Phasen, bestimmte Spezifika auf diesem Weg identifiziert werden können, die von der konkreten Kontaktsituation abhängen. Über die Beschreibung des Verhaltens einer sprachlichen Kategorie in einem konkreten Sprachkontaktfall hinaus stellt sich die Frage, inwiefern die Veränderlichkeit und Veränderbarkeit sprachlicher Kategorien durch Sprachkontakt etwas aussagt über die Natur der im Mittelpunkt stehenden Kategorie. Im Folgenden werden, nach einer allgemeinen Einführung zum Phänomenbereich Sprachkontakt und Sprachwandel, einige aktuelle Ansätze zur Beschreibung und Erklärung kontaktinduzierten grammatischen Wandels vorgestellt. 1.2 SPRACHKONTAKT UND SPRACHWANDEL Im Zuge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprachverwandtschaft und Sprachgeschichte wird schon früh zur Erklärung bestimmter Phänomene die Auswirkung von Sprachkontakt angeführt. Die Vorstellung von Sprachkontakt dient dabei lediglich als Argumentationshilfe. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die nicht überprüfbare Hypothese, die den Akzentwechsel vom freien Wortakzent im Indoeuropäischen zur Initialbetonung im Germanischen aufgrund von Substratwirkung erklärt, d. h. aufgrund des Einflusses jener Sprecher nicht-indoeuropäischer Sprachen, mit denen germanische Völker in früher Zeit Kontakt gehabt haben müssen. Mit der systematischen Erforschung von Entlehnungen und der Entdeckung von Kontaktsprachen wird Sprachkontakt zu einem eigenen Interessensfeld sprachwissenschaftlicher Tätigkeit. Gewöhnlich wird HUGO SCHUCHARDT mit seinen 1882 und 1883 veröffentlichten „Kreolischen Studien“ als Pionier der Kontaktlinguistik angesehen. Mit HAUGEN (1950) und WEINREICH ([1953] 21963) wird der Beginn der theoretisch fundierten Sprachkontaktforschung angesetzt. Diese Werke sind die Initialzündung für Untersuchungen, die die entdeckten Auswirkungen von Sprachkontakt auf die verschiedenen Ebenen sprachlicher Ausdrücke systematisieren. Der unter dem Einfluss der experimentellen Naturwissenschaften auch in der Sprachwissenschaft aufgekommene Anspruch, nicht nur zu systematisieren und klassifizieren, sondern auch Voraussagen über das Verhalten des Forschungsgegenstandes treffen zu können, führte bei den Forschern, die sich für die sprachlichen Auswirkungen von Sprachkontakt interessierten, schon früh zur Postulierung von Entlehnungshierarchien. Sprachkontaktforscher stellten Überlegungen an, ob und welche Hierarchien der Entlehnbarkeit von fremdsprachlichen Einheiten existieren. Bei den vorgeschlagenen Hierarchien steht zunächst die Entlehnbarkeit von

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Formelementen und nicht von strukturellen Mustern im Vordergrund. WEINREICH (21963) schätzt den Erkenntniswert solcher Hierarchisierungen gering ein: „All the cited opinions on relative amounts of borrowing are rather superficial and premature, if they are meaningful at all.“ WEINREICH (21963, 67) Die meisten Hierarchisierungen stellen dar, in welcher relativen Abfolge ein formales Element entsprechend seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wortart übernommen werden kann.5 Die Voraussage, die in diesem Zusammenhang nach wie vor generelle Gültigkeit zu haben scheint, betrifft die Priorität von Wortentlehnungen gegenüber struktureller Entlehnung (vgl. THOMASON 2001a, 69). Die Monographie von WEINREICH (21963) gilt als die erste umfassende kontaktlinguistische Darstellung mit theoretischem Anspruch, die nicht nur die verschiedenen Auswirkungen von Sprachkontakt in den Bereichen Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexikon ausführlich behandelt, sondern auch die Bedingungen der Mehrsprachigkeit, der sozialen und historischen Gegebenheiten einer Sprachkontaktsituation systematisiert. Ein bedeutender Meilenstein in der Sprachkontaktforschung nach WEINREICH (21963) ist die Arbeit von THOMASON / KAUFMAN (1988). Sie legen dar, dass das Verstehen der verschiedenen Sprachwandelphänomene das Wissen über die soziolinguistische Geschichte der Sprecher bzw. Sprachgemeinschaften, die in Kontakt stehen, voraussetzt. Sie behaupten sogar: „it is the sociolinguistic history of the speakers, and not the structure of their language, that is the primary determinant of the linguistic outcome of language contact.“ (THOMASON / KAUFMAN 1988, 35) Sie schlagen deshalb eine Art der Hierarchisierung vor, bei der die soziale Dimension einer von Sprachkontakt geprägten Sprechergemeinschaft hinsichtlich der Voraussagbarkeit der zu erwartenden und extern motivierten Auswirkungen auf die Sprache eine entscheidende Rolle spielt. Ähnlich wie in THOMASON / KAUFMAN (1988) integriert auch THOMASON (2001) materielle und strukturelle Entlehnungsphänomene in einer einzigen Hierarchie. In THOMASON (2001a, 60) werden folgende drei soziale Faktoren, die Art und Ausmaß des extern motivierten Sprachwandels bestimmen, genannt: Intensität des Kontakts, An- vs. Abwesenheit unvollständigen Spracherwerbs und Sprechereinstellung. In THOMASON / KAUFMAN (1988) wird eine Differenzierung nicht unter dem Gesichtspunkt beeinflussender Faktoren vorgenommen, sondern unter demjenigen der Auswirkungen. Dementsprechend unterscheiden sie zwischen borrowing und interference through language shift. Letzteres wird gemeinhin auch als Substratwirkung bezeichnet. Die schon bei WEINREICH (21963) hervorgehobene Abhängigkeit zwischen der Funktion und Gebundenheit eines Morphems und der Wahrscheinlichkeit seiner Entlehnung wird auch bei THOMASON (2001a, 69) als eine sprachliche Determinante des Sprachwandels im Sprachkontakt angeführt. Als weitere sprachliche Determinante, die Entlehnungsprozesse beeinflusst, führt THOMASON (2001a, 71) 5

Man vgl. WILKINS (1996, 114) für einen Überblick über einige bisher postulierte Entlehnungshierarchien. Die in RIEHL (2004, 29) präsentierte Entlehnungshierarchie ist an diejenige von THOMASON / KAUFMAN (1988) angelehnt.

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die typologische Distanz bzw. Nähe der in Kontakt stehenden Sprachen an. Sprachliche Universalien in Form von Markiertheitshierarchien (vgl. universal markedness) nennt THOMASON (2001a, 76) als dritten sprachlichen Faktor, anhand dessen Voraussagen über die Art des Sprachwandels gemacht werden können. Hinsichtlich der Effekte, die kontaktinduzierter Sprachwandel auf die Struktur der Replikasprache ausübt, nennt THOMASON (2001a, 60) den Verlust (loss), die Hinzufügung (addition) und den Ersatz (replacement) von Eigenschaften (features). Der Terminus structural borrowing ist in THOMASONS Gebrauch ein sehr weiter Überbegriff, der nicht in systematischer Weise näher bestimmt wird. Man erfährt nur indirekt im Zusammenhang ihrer Charakterisierung der auftretenden Phänomene im vierten Stadium – intensiver Kontakt (intense contact) – der von ihr konzipierten vierstufigen borrowing scale etwas darüber, was dieser Begriff ungefähr abdeckt: „Lexicon: Heavy borrowing. Structure: Anything goes, including structural borrowing that results in major typological changes in the borrowing language. [...] In syntax, sweeping changes in such features as word order, relative clauses, negation, coordination, subordination, comparison, and quantification. In morphology, typologically disruptive changes such as the replacement of flexional by agglutinative morphology or vice versa, the addition or loss of morphological categories that do not match in source and borrowing languages, and the wholesale loss or addition of agreement patterns.“ THOMASON (2001a, 71)

Die Sprachkontaktsituation, in der sich die Sprecher des Cimbro befinden, hat dieses Stadium des intensiven Kontakts schon erreicht. Dies kann z. B. damit begründet werden, dass alle heutigen Sprecher des Cimbro bilingual sind. Die Charakterisierung der Kontaktsituation in Luserna als (sehr) intensiver Sprachkontakt drückt gleichzeitig aus, dass in der vorliegenden Untersuchung die in Luserna ebenfalls zu beobachtenden Sprachtod- bzw. Sprachwechselphänomene ausgeblendet werden. Exakter ausgedrückt ist es also nicht das Cimbro, das untersucht wird, sondern das Cimbro derjenigen Sprecher, die für diese Untersuchung ausgewählt wurden. Und bei diesen handelt es sich weder um sogenannte rusty speakers, noch um sogenannte semi-speakers (vgl. SASSE 1992, 61–62, THOMASON 2001a, 275 und DAL NEGRO 2004, 28–3). Vielmehr sind es normale bilinguale Sprecher, die das Cimbro im familiären Kontext erworben haben und es als Kommunikationsmittel mit anderen Cimbrosprechern täglich verwenden. Es steht außer Frage, dass es unter denjenigen, die sich als Sprecher des Cimbro verstehen, auch semi-speakers gibt. Der unterschiedliche Sprachgebrauch des Cimbro in Luserna in Abhängigkeit von Spracherwerbskontext, sozial-familiärer Einbindung, Geschlecht und Alter der Sprecher wurde meines Wissens bisher noch nicht gründlich untersucht. Hinter THOMASONS Feststellung „anything goes“ verbirgt sich die mittlerweile gewonnene Erkenntnis, dass keine Eigenschaft eines sprachlichen Zeichens, keine Strukturebene, in der diese Eigenschaften eine Rolle spielen, und keine Regeln, die die Strukturierung dieser Eigenschaften bestimmen, von der Beeinfluss-

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barkeit durch externe Faktoren ausgeschlossen werden kann.6 Die im Zusammenhang der Beschränkungen (constraints) von kontaktinduziertem Sprachwandel interessante Frage lautet also nicht: Welche Eigenschaften einer Sprache sind nicht durch externe Faktoren veränderlich? Die interessante Frage lautet vielmehr: Welche Regularitäten lassen sich bei extern motivierten Sprachwandelprozessen beobachten, z. B. in ihrer Abfolge? Diese Regularitäten werden – wie oben erwähnt – oft in implikationalen Hierarchien ausgedrückt, wobei lange Zeit die Hierarchisierung von materiellen Entlehnungen im Vordergrund stand (man vgl. hierzu etwa WINFORD 2003, 51). THOMASON (2001a) schwächt die Absolutheit der von ihr aufgestellten Hierarchisierung ab. Sie räumt ein, dass es sich dabei um eine Vereinfachung handelt. CURNOW (2001), der einen kurzgefassten Forschungsüberblick gibt, bezweifelt, dass die Suche nach universal gültigen Entlehnungshierarchien überhaupt eine sinnvolle Forschungsaufgabe darstellt und fasst deshalb eher resigniert zusammen: „the attempt to develop any universal hierarchy of borrowing should perhaps be abandoned.“ CURNOW (2001, 434) In Kapitel 1.3.2.2 wird ein Ansatz zur Erklärung kontaktinduzierten grammatischen Wandels vorgestellt, in dem Hierarchisierungen für jeweils einen ganz bestimmten Ausschnitt der Grammatik vorgenommen werden. Was die Hierarchiebildung betrifft, die auf einer breiten Basis des übereinzelsprachlichen Vergleichs gründen soll und meist mit einem Anspruch der Generalisierbarkeit verknüpft ist, stellt sich im Zusammenhang des kontaktbedingten Sprachwandels also die Frage, auf welcher Ebene sie sinnvollerweise angesetzt wird. In der vorliegenden Arbeit steht ein ganz konkreter Sprachkontaktfall im Mittelpunkt und es geht um Sprachwandelprozesse in einem deutschen Dialekt, der von Sprechern einer fassbaren Gemeinschaft gesprochen wird, in der Bilingualismus die Regel ist. Die Sprachwandelprozesse lassen sich nach THOMASON (2001a) modellieren als ein Zusammenspiel von (a) sprachinternen und sprachexternen Faktoren, von (b) der genetischen und typologischen Nähe der in Kontakt stehenden Sprachen (bzw. Varietäten einer Sprache) und von (c) der soziolinguistischen bzw. sozio-historischen Geprägtheit der Sprachkontaktsituation, die z. B. über die Dauer und die Intensität des Sprachkontakts abgeleitet werden kann. 1.3 KONTAKTINDUZIERTER GRAMMATISCHER WANDEL Die terminologischen Vorschläge zur Benennung des Fremdeinflusses, der die grammatische Struktur einer Sprache betrifft, sind vielfältig: grammatical calquing, loanshift (HAUGEN 1950), grammatical interference (WEINREICH 1963), grammar ʻborrowing’ (SEBBA 1997), grammatical borrowing (KING 2000; MATRAS / SAKEL (Hg.) 2007), structural borrowing (THOMASON 2001a; WINFORD 2003), grammatical replication/restructuring (HEINE / KUTEVA 2005). In der vorliegenden Arbeit werde ich in Anlehnung an MATRAS / SAKEL (Hg.) (2007) den Terminus grammatische Entlehnung gebrauchen. Als Überbegriff be6

Diese Meinung vertritt z. B. auch JOHANSON (1999, 60).

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nennt er sowohl die Entlehnung von Funktionswörtern und -morphemen, die einer geschlossenen Klasse angehören, als auch die Veränderung von Strukturen, die auf der morphologischen und synaktischen Ebene angesiedelt sind. Kontaktinduzierter Wandel, der die Strategien der Abbildung der informationsstrukturellen Gliederung einer Äußerung auf die Satzform erfasst und damit auch die diskurspragmatische Ebene einer Sprache betrifft, fasse ich ebenfalls unter den Terminus grammatische Entlehnung. Im folgenden Abschnitt werde ich drei Ansätze vorstellen, die Phänomene kontaktinduzierten grammatischen Wandels systematisieren. Sie stammen von BREU (1996), JOHANSON (1998; 1999) und AIKHENVALD (2007). 1.3.1 Zur Beschreibung von Phänomenen grammatischen Wandels im Sprachkontakt 1.3.1.1 BREU (1996) BREUS (1996) Klassifikationssystem von möglichen Typen kontaktinduzierten grammatischen Wandels beruht auf einer Kreuzklassifikation der Merkmale ± Formentlehnung, ± Oppositionsvermehrung und ± Oppositionsverminderung. Es werden insgesamt sechs verschiedene Typen des kontaktinduzierten grammatischen Wandels unterschieden (vgl. Tabelle I).

Formentlehnung Oppositionsvermehrung Oppositionsverminderung

Typ 1 Typ 2 Nulltyp Abbautyp -

Typ 3 Aufbautyp +

Typ 4 Umbautyp +

Typ 5 Nulltyp (Form) + -

Typ 6 Aufbautyp (Form) + +

-

-

+

-

-

+

Tabelle I: Die Grundtypen des grammatischen Wandels nach BREU (1996, 24)

Die Klassifikation ist vor allem mit Blick auf den Bereich des kontaktinduzierten morphologischen Wandels konzipiert worden. Das Raster berücksichtigt in erster Linie die „Entlehnung von Ausdrucksformen und den Auf- und Abbau grammatischer Oppositionen“ (BREU 1996, 37). Bei den angeführten Beispielen aus slavischen Kontaktfällen steht die extern motivierte Veränderung der internen Strukturierung der lexikalischen Kategorien Nomen (z. B. Kasus und Numerus), Verb (z. B. Tempus und Aspekt) und Adjektiv (z. B. Komparation) im Mittelpunkt. Auf das BREUSCHE Klassifikationssystem werde ich mich bei der Darstellung von Veränderungen der paradigmatischen Struktur von Pronomen beziehen (vgl. Kapitel 3.2.2).

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1.3.1.2 JOHANSON (1998; 1999) JOHANSON (1998; 1999) schlägt mit seinem code copying framework eine neue terminologische Systematisierung des Phänomenbereichs vor, die als Basis für eine kohärente Analyse von Kontaktphänomenen im Allgemeinen dienen soll. Code-copying wird dabei bestimmt als ein Prozess, bei dem Elemente eines Codes kopiert und in einen anderen Code eingefügt werden. Bei den Elementen handelt es sich entweder um Einheiten (units), d. h. um freie oder gebundene Morpheme bzw. Morphemsequenzen oder um Eigenschaften (properties), die die Kombination, Bedeutung oder Frequenz einer Einheit betreffen. JOHANSON (1998; 1999) unterscheidet drei Arten von code-copying: 1) die globale Kopie (global copying), 2) die selektive Kopie (selective copying) und 3) die gemischte Kopie (mixed copying). Werden Einheiten kopiert, handelt es sich um eine globale Kopie, werden Eigenschaften kopiert, handelt es sich um eine selektive Kopie. Zunächst erscheint die Einführung dieser neuen Bezeichnungen wie eine nur die Terminologie betreffende Umbenennung gegenüber der traditionellen Begrifflichkeit lexikalische vs. strukturelle Entlehnung. Zu den reinen Typen globale Kopie und selektive Kopie stellt JOHANSON jedoch auf gleicher Hierarchiestufe den Typ der gemischten Kopie. Hierbei handelt es sich um eine selektive Kopie, die mindestens eine globale Kopie in Form einer lexikalischen Einheit enthält.7 Dass die Postulierung des Typs gemischte Kopie gerechtfertigt ist, kann untermauert werden mit Besonderheiten, die sowohl die Entlehnung lexikalischer Einheiten als auch die Übernahme modellsprachlicher Abfolgeregularitäten innerhalb syntaktischer Konstituenten, die mehr als nur eine Wortform umfassen, betreffen: „[…] a whole clause pattern may be copied together with a globally copied subjunctor“ (JOHANSON 1999, 45). In Kapitel 3.3.3 werden im Zusammenhang der Eigenschaften der entlehnten Konjunktion ke im Cimbro (ital. che) Beispiele dafür vorgestellt. 1.3.1.3 AIKHENVALD (2007) Die neueste Klassifikation von Phänomenen grammatischen Wandels im Sprachkontakt, die ich anführen möchte, ist die von AIKHENVALD (2007). Mit AIKHENVALD / DIXON (Hg.) (2007) und MATRAS / SAKEL (Hg.) (2007) sind Forschungsergebnisse zum grammatischen Wandel in ganz verschiedenen Sprachkontaktsituationen zusammengeführt. Die Zielvorstellungen, die mit dem Vergleich der Ergebnisse verbunden werden, unterscheiden sich jeweils, wie man den Synopseartikeln AIKHENVALD (2007) und MATRAS (2007) entnehmen kann. AIKHENVALD (2007) interessiert sich vor allem dafür, wie es zur Verbreitung (diffusion) von Mustern (patterns) und zu sprachlicher Konvergenz kommt. Die Einsichten, die AIKHENVALD (2007) aus dem Vergleich der Studien gewinnt, sind davon geprägt, dass ihre Hauptfrage lautet: „How come languages to share aspects of their 7

Bezogen auf den Bereich des Lexikons wird dieser Typ von HAUGEN (1950, 47) als loan blend bezeichnet.

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grammar?“ Sie differenziert sieben Prozesse, die dafür verantwortlich gemacht werden können, dass fremde Formen und Muster in eine Sprache aufgenommen werden. Die einzelnen Prozesse werden hier aufgelistet und zum Teil mit selbst gewählten Beispielen illustriert: 1. „ENHANCEMENT OF AN ALREADY EXISTING FEATURE: If languages in contact share a category or a construction, language contact may increase its frequency or its productivity.“ (AIKHENVALD 2007, 22) Als Beispiel aus dem Bereich der deutschen Sprachminderheiten kann hier die Grammatikalisierung des so genannten am-Progressivs im Pennsylvaniadeutschen angeführt werden (vgl. HEINE / KUTEVA 2005, 65–66). 2. „EXTENSION BY ANALOGY: An existing structure can develop additional meanings, matching the ones in a contact language.“ (AIKHENVALD 2007, 23) In verschiedenen deutschen Minderheitensprachen wurde in Anlehnung an die jeweilige Modellsprache der Ausdruck von Reflexivität auf die Bedeutung Impersonalität ausgedehnt, so z. B. in russlanddeutschen Varietäten, die in Sibirien gesprochen werden (vgl. BLANKENHORN 2008, 63) und im Zimbrischen der Sieben Gemeinden (vgl. KOLMER 2009). 3. „REINTERPRETATION AND REANALYSIS: These may involve borrowing words and reanalysing the morphemes.“ (AIKHENVALD 2007, 23) 4. „AREALLY INDUCED GRAMMATICALIZATION: This is a process whereby a lexical item is grammaticalized to expresss a category or a meaning in a target language.“ (AIKHENVALD 2007, 23) Als Beispiel sei hier die Grammatikalisierung des indefiniten Artikels aus dem Zahlwort jena ‚ein-ʻ im Moliseslavischen angeführt (vgl. BREU 2005). 5. „GRAMMATICAL ACCOMODATION: This process involves a change in meaning of a morphological marker or a syntactic construction based on superficial segmental similarity with a marker or a construction in a different language.“ (AIKHENVALD 2007, 24) Im walserdeutschen Dialekt von Rimella hat sich wohl u. a. aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit mit der als Impersonalpronomen gebrauchten Form as im Piemontesischen das neutrale Pronomen ‚esʻ als Äquivalent zu standarddeutsch ‚manʻ etabliert (vgl. BAUEN 1978, 50; KOLMER 2009). 6. „LOAN TRANSLATION: These involve mostly adhoc word-for-word or morpheme-per-morpheme translations from one language into another […]“ (AIKHENVALD 2007, 24). 7. „LEXICAL/GRAMMATICAL PARALLELISM: This involves native and borrowed grammatical forms appearing together […].“ (AIKHENVALD 2007, 25) Im Cimbro dient z. B. die Phrase lo stesso als Basis zur Ableitung eines Adjektivs mit der Bedeutung ‚gleichʻ (Beispiel: herta di lo stessegen laüt ‚immer die gleichen Leuteʻ). Es erscheinen sowohl der deutsche als auch der italienische definite Artikel, wobei der italienische sich mehr wie eine Art Präfix verhält. Es stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um eine exhaustive Liste handelt.

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Die Zusammenstellung ist ausgerichtet auf die Charakterisierung von Phänomenen kontaktinduzierten grammatischen Wandels, der sich auf einzelne grammatische Morpheme bezieht. Wortstellungsveränderungen werden dabei nicht thematisiert. Im folgenden Abschnitt geht es um die Erklärung kontaktinduzierten grammatischen Wandels. Zwei neuere Ansätze werden vorgestellt. 1.3.2 Ansätze zur Erklärung kontaktinduzierten grammatischen Wandels 1.3.2.1 KING (2000) Die Idee, die KING (2000) in ihrer Untersuchung zum grammatischen Wandel von französischen Varietäten in Kanada verfolgt, knüpft an die Beobachtung an, dass die grundlegendste Art der Beeinflussung einer Sprache durch eine andere auf der Ebene des Lexikons beginnt. KING (2000) konzentriert sich auf eine Auswahl von Phänomenen in der französischen Varietät der Prince Edward Insel und findet z. B. für die Konstruktionen mit Preposition Stranding (Beispiel: le gars que j’ai parlé à ʻthe guy I spoke to’) keinen Nachweis dafür, dass es eine direkte Beeinflussung der Struktur überhaupt gibt. KING (2000) kommt zu dem Ergebnis, dass Prozesse grammatischen Wandels im Sprachkontakt anfänglich immer mit lexikalischer Entlehnung zu tun haben und erst in der weiteren Entwicklung Reanalyseprozesse und analogische Ausweitungen stattfinden (vgl. KING 2000, 175–176 und auch WINFORD 2003, 61). Diese Überzeugung ist eine, die schon seit den Anfängen der Sprachkontaktforschung vertreten wird (man vgl. z. B. WHITNEYS (1881, 21) Ausführungen, wie man sich den extern motivierten Wandel einer suffigierenden zu einer präfigierenden Sprache vorstellen kann). 1.3.2.2 MATRAS (2007) Die von MATRAS (2007) vorgenommenen Generalisierungen gründen auf einem breiten übereinzelsprachlichen Vergleich. Er sieht das Ziel der vergleichenden Studien darin, universal gültige Hierarchien der Entlehnbarkeit formulieren zu können, sowohl für grammatische Einheiten wie gebundene Morpheme und Funktionswörter als auch für grammatische Strukturen. Die Hierarchisierungen bilden dabei die Voraussetzung für das Verständnis der dem Angleichungsprozess zugrunde liegenden Kräfte, die MATRAS (2007, 68) zum einen in der Funktionalität der betroffenen sprachlichen Kategorien und zum anderen in der Sprachverarbeitung begründet sieht. Demnach führt die Zweisprachigkeit unter bestimmten Bedingungen zu der Notwendigkeit, „to reduce the cognitive load when handling a complex linguistic repertoire.“ (MATRAS 2007, 67) Für den Bereich der materiellen Entlehnung ist es seit langem üblich, generelle Aussagen über die Entlehnbarkeit in Form einer Häufigkeits- oder einer implikationalen Hierarchie zu formulieren. Im Bereich des kontaktinduzierten grammatischen Wandels, bei dem materielle Entlehnung keine oder kaum eine Rolle spielt

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(z. B. bei Wortstellungsveränderungen), konzentriert man sich auf das Verständnis der jeweils zugrunde liegenden Mechanismen und beteiligten Faktoren. In dem erstgenannten Bereich handelt es sich um Aussagen, die darüber Auskunft geben, welche Mitglieder einer Klasse von grammatischen Elementen anfälliger für die Übernahme bzw. Ersetzung sind. Eine implikationale Anordnung der Elemente oder Häufigkeitshierarchie gilt demnach für eine bestimmte Klasse von funktionalen Elementen, z. B. für Konjunktionen oder Fokuspartikeln (vgl. MATRAS 2007, 54–57). MATRAS’ Verdienst ist es nicht nur, Aussagen über die Entlehnungsanfälligkeit einzelner Funktionsklassenmitglieder zu machen, sondern er liefert gleichzeitig eine Erklärung dafür, warum bestimmte Elemente besonders anfällig für kontaktbedingten Wandel sind. Als Beispiel sei hier seine Erklärung für die Tatsache angeführt, dass innerhalb der Klasse der Konnektoren eher die Entsprechung zu adversativem BUT als zu disjunktivem OR oder additivem AND entlehnt wird; oder dass es innerhalb der Klasse der Fokuspartikeln eher zur Übernahme der restriktiven Partikeln (Entsprechung zu ONLY) als der additiven Partikeln (Entsprechung zu TOO) kommt. Bi- und multilinguale Sprecher unterscheiden sich von einsprachigen dahingehend, dass ihnen ein größeres Repertoire an sprachlichen Einheiten und Strukturen zur Verfügung steht. Kontaktbedingter Sprachwandel hat viel damit zu tun, mit diesem größeren Repertoire zurecht zu kommen. Für die mentale Sprachverarbeitung ist es eine gewisse Last, während der sprachlichen Interaktion die Abgrenzung zwischen den Repertoirekomponenten aufrecht zu erhalten (vgl. MATRAS 2007, 66). Nach MATRAS neigen Sprecher dazu, bei der Handhabung der Kontrollmechanismen, die für die Auswahl einzelner, sprachspezifischer Strukturen in bestimmten Interaktionsabläufen verantwortlich sind, Prioritäten zu setzen. Unter bestimmten Bedingungen kommt es zu einer zusätzlichen Belastung, die letztlich zu einer Aufhebung der Repertoiregrenzen führt. Die zusätzliche Belastung sei dafür verantwortlich, dass es nicht mehr oberstes Prinzip ist, die Repertoires auseinander zu halten. Die Bedingungen, unter denen eine solche zusätzliche Belastung auftritt, fasst MATRAS (2007) folgendermaßen zusammen: „When the speaker’s assertive authority is at stake a special effort is needed in order to win over the hearer’s confidence: When expressing unexpected chains of arguments, when contradicting or challenging presuppositions, when assuming responsibility for propositional content that lies beyond the domain of secure knowledge […]“ MATRAS (2007, 67).

Hiervon ausgehend scheinen Methoden der Psycholinguistik gefordert, um die durch induktives Verfahren gewonnene Erklärung von MATRAS (2007) mit außersprachlichen Faktoren in Zusammenhang bringen und verifizieren zu können. Es ist auffällig, dass sich die meisten der 24 von MATRAS (2007) vorgenommenen Hierarchisierungen auf Einheiten und nicht auf Strukturen beziehen. Es stellt sich also nach wie vor die Frage, wie Hierarchisierungen in diesem Bereich aussehen könnten. In diesem Bereich spielt unleugbar die spezifische Struktur der an der Kontaktsituation beteiligten Sprachen eine wesentliche Rolle. Die präsentierten Studien zum Cimbro können nutzbar gemacht werden für einen Vergleich mit anderen Sprachkontaktfällen, in denen z. B. Wortstellungsveränderungen eine

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prominente Rolle spielen. In einem ersten Schritt bietet es sich an, das Cimbro mit anderen deutschen Minderheitensprachen zu vergleichen. 1.4 VERGLEICHENDE SPRACHINSELFORSCHUNG DES DEUTSCHEN Die vorliegende Arbeit versteht sich auch als Beitrag zur vergleichenden Sprachinselforschung des Deutschen. Interessant erscheint z. B. die Frage nach der Beeinflussung bzw. Beeinflussbarkeit der replikasprachlichen Wortstellung. Konkret geht es dabei um einen Vergleich deutscher Minderheitensprachen, die in verschiedenen Kontaktsituationen unter extremem Einfluss einer SVO-Sprache (Subjekt-Verb-Objekt-Sprache) stehen. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Unterschiede im Angleichungsprozess mit außersprachlichen oder innersprachlichen Faktoren korrelieren oder ob es sich dabei um die Ausprägung eines typological drift handelt, der dem Deutschen eigen ist und in Sprachinseldialekten, die nicht vom Standarddeutschen überdacht werden, eher hervortritt. Dies schlägt z. B. RIEHL (2004, 95–96) vor, wenn es um die Erklärung der Übergeneralisierung der Verbzweitstellung und damit der Abschaffung der Verbendstellung im Nebensatz in verschiedenen deutschen Minderheitensprachen geht. Es ist jedoch fraglich, ob das Deutsche tatsächlich eine starke Tendenz zur VO-Stellung (Verb-ObjektStellung) hat. RIEHL (2004, 95–98) führt neben der typologischen Konvergenz als Ursache für Sprachkontaktphänomene in deutschsprachigen Minderheiten, mit der z. B. auch der Kasusabbau erklärt wird, weitere Erklärungsansätze an. Demnach führen zugrunde liegende kognitive Prinzipien der Sprachverarbeitung z. B. zum Abbau der für das Deutsche charakteristischen Verb- und Nebensatzklammer; Grammatikalisierungsprozesse sind verantwortlich für den Ausbau einer im Deutschen latent vorhandenen Kategorie. Weiterhin gibt es diejenigen Sprachwandelprozesse, die ausschließlich aufgrund externer Faktoren erklärbar sind. Schließlich ist das Ökonomieprinzip dafür verantwortlich, dass einerseits Unterschiede zwischen Modell- und Replikasprache abgebaut und Gemeinsamkeiten ausgebaut werden und andererseits morphologische Formen vereinfacht und der Formenreichtum reduziert wird. Die in RIEHL (2004) präsentierte, auf die Sprachebenen bezogene Zusammenstellung von Sprachkontaktphänomenen in deutschsprachigen Minderheiten ist meines Wissens der jüngste und differenzierteste Versuch, die vergleichende Sprachinselforschung des Deutschen voranzutreiben. Die Arbeiten von ROSENBERG (1994, 2003) haben dafür den Grundstein gelegt. Der Vergleich bairischer Sprachinseldialekte im Nordosten Italiens mit alemannischen Sprachinseldialekten im Nordwesten Italiens (vgl. Kap. 3.4.2.2 und Kapitel 4.2.4) kann auf der Basis der dabei festzustellenden Ähnlichkeiten und Unterschiede nutzbar gemacht werden für daran anschließende Fragestellungen.8 Zum einen geht es um die Frage, inwiefern der Sprachkontakt mit dem Italienischen zu ähnlichen Ergebnissen geführt hat. Und zum anderen sind vor allem die 8

Umfangreiche und detaillierte Beschreibungen einiger alemannischer Sprachinseldialekte liegen uns mit BAUEN (1978), ZÜRRER (1999) und DAL NEGRO (2004) vor.

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Unterschiede interessant, weil sie eventuell Hinweise darauf geben, dass für sie entweder unterschiedliche Einflüsse (Unterschiede zwischen Piemontesisch und Trentinisch-Venetisch) oder unterschiedliche Voraussetzungen (Unterschiede zwischen Alemannisch und Bairisch) verantwortlich sind. Bei dieser Konzentration auf das Profil der linguistischen Faktoren darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch Unterschiede hinsichtlich sozialer Faktoren Erklärungsmuster für divergierende Entwicklungen abgeben können. 1.5 VORARBEITEN ZUM ZIMBRISCHEN MATZEL (1982, 82) stellt Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts fest: „Daß die jahrhundertelange Nachbarschaft zum Italienischen sich auf alle Bereiche der Grammatik und Lexik dieser Mundarten sehr nachhaltig ausgewirkt hat, ist [...] wohlbekannt, aber längst noch nicht in allen Einzelheiten genau untersucht worden.“ Dies trifft fast dreißig Jahre später zum Teil ebenfalls noch zu, wenn auch in der Zwischenzeit vieles geleistet wurde (vgl. hierzu auch BIDESE 2008, 20–23). In den grammatischen Werken, die z. T. den Anspruch auf eine möglichst vollständige Beschreibung haben, steht die Diskussion der Auswirkungen des Sprachkontakts nicht im Vordergrund; man vgl. zum Zimbrischen der Sieben Gemeinden SCHMELLER (1838), zum Zimbrischen der Sieben und Dreizehn Gemeinden KRANZMAYER (1981) und für alle zimbrischen Dialekte die 2008 von JAMES DOW herausgegebene Zimbrische Gesamtgrammatik von BRUNO SCHWEIZER. Speziell zum Cimbro von Luserna existieren die grammatischen Werke von BACHER (1905, 153–210), TYROLLER (2003) und PANIERI et al. (2006). An lexikographischen Arbeiten ist für den Dialekt der Sieben Gemeinden das Wörterbuch von JOHANN ANDREAS SCHMELLER zu nennen, das 1855 von JOSEPH BERGMANN herausgegeben wurde und für das Zimbrische von Luserna die Wörterbücher von ZINGERLE (1869), BACHER (1905, 211–432) und BERTOLDI / NICOLUSSI CASTELLAN / NICOLUSSI ZAIGA (o. J.). Eine Monographie, die sich mit lexikalischen Interferenzen im Cimbro beschäftigt, ist TYROLLER (1990). Ebenfalls von HANS TYROLLER stammen einige Aufsätze über den Einfluss des Italienischen auf das Cimbro von Luserna (man vgl. auch GAMILLSCHEG 1912). Sprachkontaktphänomene zimbrischer Varietäten, die die Lautebene betreffen, werden in MEID / HELLER (1979) und auch in TYROLLER (1998a; 1998b) und KOLMER (2005a) behandelt. Gerade in jüngerer und jüngster Zeit ist ein vermehrtes Interesse an der syntaktischen Struktur des Zimbrischen zu verzeichnen. Nach der Studie von HELLER (1975) sind vor allem seit Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts einige Aufsätze erschienen, die sich (zum Teil unter anderem) mit der syntaktischen Struktur zimbrischer Varietäten beschäftigen: RENZI / MARX (1998), BENINCÀ / RENZI (2000a; 2000b), POLETTO / TOMASELLI (2002; 2004; 2008), BIDESE / TOMASELLI (2007), BIDESE / POLETTO / TOMASELLI (2006), TOMASELLI (2004), BIDESE (2008) und KOLMER (2005b; 2005c; 2007; 2009a; 2009b; 2009c). Das Interesse der jüngeren Arbeiten gilt dabei sowohl der Umgestaltung des Kon-

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gruenzsystems (vgl. FUSS 2005, 172–174; KOLMER 2005c) als auch der kontaktbedingten Veränderung der Wortstellung. Zum letztgenannten Bereich sind hier die Untersuchungen von POLETTO / TOMASELLI (2000), BIDESE (2004a; 2005) und BIDESE / TOMASELLI (2005) zum Verlust der Verbzweit-Beschränkung zu nennen, diejenige von GREWENDORF / POLETTO (2005) zur Bewertung der Reste einer OVStellung. Den Versuch einer Darstellung der sprachgeschichtlichen Entwicklung der zimbrischen Dialekte nimmt FERRERO (1981) in Angriff. Die von MATZEL (1982, 85) als Fernziel bezeichnete Lösung dieser Aufgabe ist heute um einiges näher gerückt, da im Vergleich zu damals mehr Quellen in verlässlichen Editionen vorliegen, wie etwa die beiden von MEID (1985a; 1985b) edierten zimbrischen Katechismen. Dies machte es z. B. BIDESE (2008) möglich, eine „Diachronische Syntax des Zimbrischen“ zu schreiben, in der einige Kernbereiche der zimbrischen Syntax sprachgeschichtlich dargelegt und analysiert werden. Mechanismen des kontaktinduzierten Sprachwandels (wie z. B. Codeswitching und Code-alternation) werden in Bezug auf das Zimbrische von Luserna in der im akademischen Jahr 1996/97 entstandenen Tesi di Laurea (Univerisità di Trento) von NICOLUSSI PAOLAZ (1997) und in PALUMBO (1993) thematisiert. Die Dissertation von RITA MORANDI (2008), die Sprachwandelphänomene im Zimbrischen von Luserna behandelt, berücksichtigt ausgewählte phonologische, morphologische und syntaktische Phänomene, wobei die Variation zwischen älteren und jüngeren Sprechern und Sprecherinnen berücksichtigt und die Entwicklungen z. T. als Anzeichen für den Sprachwechselprozess interpretiert werden. Eine weitere Tesi di Laurea (Università di Trento), die u. a. die Subjektklitika des Cimbro analysiert, wurde im akademischen Jahr 1992/93 von ROSARIA VICENTINI (1993) verfasst. Die zuletzt erwähnten Arbeiten sind auch deshalb von besonderem Wert, da darin von den Verfasserinnen selbst erhobene Daten des Zimbrischen von Luserna präsentiert werden. Während PALUMBO (1993), NICOLUSSI PAOLAZ (1997) und MORANDI (2008) vor allen Dingen spontan gesprochene Sprache enthalten, basiert die Analyse von VICENTINI (1993) ausschließlich auf Übersetzungen von Einzelsätzen aus dem Italienischen. Im nächsten Abschnitt wird dargelegt, auf welcher Art Daten die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit basieren. 1.6 DATENGRUNDLAGE In diesem Abschnitt wird das von mir erstellte Korpus gesprochener Sprache des Cimbro beschrieben. Auch werde ich auf weitere Quellen sowohl zum Cimbro als auch zu den anderen zimbrischen Varietäten eingehen. Der Hauptanspruch, der im Hinblick auf die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit an die Datengrundlage gestellt werden muss, betrifft die Vergleichbarkeit. Übereinzelsprachlich bzw. interdialektal vergleichbar sind Aussagen über die Sprachwandelphänomene im Bereich der Pronominalmorphologie und -syntax des Cimbro nur dann, wenn man mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass die

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empirische Datenbasis, auf der sie gründen, gewissen Bedingungen genügen. Die wichtigste Bedingung sehe ich darin, ein Durcheinander von Phänomenen, die normalem kontaktinduzierten Wandel zuzuschreiben sind, mit solchen, die eher als Erscheinungen des Sprachwechsels anzusehen sind, zu vermeiden. Die diesbezüglich einfachste Lösung wäre z. B., die von BACHER (1900; 1901; 1905) herausgegebenen Texte als Referenzpunkt des Cimbro von Luserna zu nehmen, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Anzeichen einer Bedrohtheit durch Sprachwechsel beobachtet werden konnten (man vgl. hierzu BACHER 1905, 153 und Kapitel 2.5). 1.6.1 Datengewinnungsmethoden Die von BACHER herausgegebenen Texte dienen vorwiegend als Vergleichsfolie und Ergänzung, nicht jedoch als primäre Belegquelle. Die Datengrundlage für die sprachliche Analyse ist ein Korpus gesprochener Sprache, das während Feldforschungsaufenthalten in den Jahren 2000–2001 entstand. Die Tatsache, dass u. a. die Funktion von Pronominalformen als Kongruenzmarkierer den Untersuchungsgegenstand darstellen, macht es notwendig, als Analyseeinheit längere, zusammenhängende und frei gesprochene Texte zugrunde zu legen, da bestimmte Funktionen von pronominalen Formen nur anhand von Daten, die über den Satz hinausgehen, sichtbar werden. Deshalb wurde als primäre Datengewinnungsmethode das Interview gewählt. Diese Art der Elizitierung lässt den Gewährspersonen relativ viel Gestaltungsfreiraum, wobei man gleichzeitig davon ausgehen kann, dass „die Sprecher tatsächlich die für sie gewöhnlichen Strukturen benutzen“ (GLASER 2000, 260). Der Phase, in der ich die Interviews führte (September 2001), ging ein mehrtägiger Feldforschungsaufenthalt voraus (Jahreswende 2000/2001), in dem ich mit einer Gewährsperson eine umfangreiche gezielte Befragung in Form von Übersetzungsaufgaben durchführte, wobei ein Teil davon aus den Questionnaires des ASIS-Projektes bestand (ASIS = Atlante Sintattico d'Italia Settentrionale).9 Diese Erfahrung und v. a. die Gelegenheit, das Cimbro im August 2001 im Rahmen einer speziellen Absprache10 zu erlernen, versetzte mich in die Lage, die Interviews auf Cimbro zu führen. Die in den Interviews gelegentlich auftretenden Akkomodationsbemühungen der Gewährspersonen wirkten sich in zweierlei Hinsicht aus. Bei den Gewährspersonen der älteren und mittleren Generation, die auf9

Für seine Hilfsbereitschaft und Geduld bei der Arbeit mit dem Fragebogen bedanke ich mich ganz herzlich bei FIORENZO NICOLUSSI CASTELLAN. Das Projekt ASIS (Universität Padua; Projektleitung PAOLA BENINCÀ und CECILIA POLETTO) ist mittlerweile integriert in das ebenfalls an der Universität Padua angesiedelte Projekt ASIt, Atlante Sintattico d’Italia, das von PAOLA BENINCÀ koordiniert wird; vgl. die Internetseite [‹http://asis-cnr.unipd.it/›]. Für eine Einführung in die Methoden des ASIS-Projekts vgl. BENINCÀ / POLETTO (2007), eine Einführung in die Datenbank des ASIt liefern PESCARINI / DI NUNZIO (2010). 10 MARISA NICOLUSSI GALENO danke ich für ihre beherzte Art, mir eine auf Tauschhandel basierende Arbeit in ihrem Gasthaus anzubieten. Diese Teilzeittätigkeit ermöglichte mir nicht nur einen dreimonatigen Aufenthalt in Luserna, sondern gab mir auch die Gelegenheit, u. a. von meiner lieben Kollegin HILDA GASPERI zo lirna zo reda asbibiar.

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grund von Auslandserfahrungen bzw. aufgrund von familiären Beziehungen Erfahrung im Sprachgebrauch des Standarddeutschen haben, ist eine gelegentliche Paraphrasierung von einzelnen lexikalischen Ausdrücken in einer standardnahen Varietät des Deutschen zu beobachten. Die jüngeren Gewährspersonen hingegen, die das Standarddeutsche lediglich vom Schulunterricht her kennen, bevorzugen die Paraphrasierung auf Italienisch.11 Die Interviews liefen nicht immer gleich ab, vielmehr stellte ich mich auf die Gewährspersonen ein. Bei einigen, v. a. jüngeren Gewährspersonen wandte ich eine Art Aufwärmtechnik an, indem ich ihnen den berühmten Birnen-Film von WALLACE CHAFE vorspielte und nacherzählen ließ. Auch einige der „Vater und Sohn“-Geschichten von E. O. PLAUEN ([1949] 1994) und die längere Bildergeschichte „Frog, where are you?“ von MERCER MAYER kamen bei einigen Gewährspersonen als Anregung zur Textproduktion zum Einsatz, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Vor allem bei den älteren Gewährspersonen richtete sich der Interviewleitfaden danach, Beschreibungen über die Lebensverhältnisse in Luserna in der Vergangenheit und Begebenheiten in ihrem Leben, v. a. aus der Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg, zu evozieren. Die Aufnahmen (auf MiniDisc, ca. 10 Stunden Rohmaterial) wurden noch vor Ort transkribiert. Die transkribierten Texte wurden mit Hilfe von Muttersprachlern, die nicht mit den Sprechern der jeweiligen Aufnahme identisch waren, auf Fehler bzw. Unsicherheiten und Lücken überprüft.12 1.6.2 Auswahl der Gewährspersonen Die Auswahl der Gewährspersonen erfolgte nicht nach zufälligen Gesichtspunkten wie z. B. der momentanen Verfügbarkeit. Vielmehr bilden die Gewährspersonen in verschiedener Hinsicht eine relativ homogene Gruppe. Ziel war es, Sprecher derjenigen Gruppe auszuwählen, deren Sprachgebrauch der konservativen Norm am nächsten kommt. Deshalb sollten die Gewährspersonen einigen Anforderungen genügen. Primäre Anforderungen in Bezug auf die Auswahl der Gewährspersonen waren: 1. Kompetenz: Die Fähigkeit zur flüssigen, freien Rede auch längerer Texte diente als ein Kriterium zur Beurteilung der Kompetenz. Weiterhin waren die Abwesenheit von auffallenden Wortfindungsstörungen und das Fehlen von spürbaren Anzeichen von Sprachwechselphänomenen wie z. B. extreme phonologische Variation ausschlaggebend. Das Studium und die Analyse der von BACHER (1900; 1901; 1905) herausgegebenen Texte vor meinem längeren Feldforschungsaufenthalt halfen mir bei der Einschätzung der Sprecher hinsichtlich dieses Kriteriums. 11 Man vgl. hierzu auch die Erfahrungen von DAL NEGRO (2004, 105). 12 Für die Zeit, die sie mir schenkten, und die Mühe, die sie sich machten, bedanke ich mich sehr herzlich bei Loredana, Gemma, Adelia, Sara, Marialuisa, Claudia und Elisa.

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2. Erstspracherwerb: Alle neun Gewährspersonen erwarben das Cimbro in einem Elternhaus, in dem sowohl Mutter als auch Vater aus Luserna stammen und Cimbro sprechen bzw. sprachen. 3. Sehr häufiger Sprachgebrauch: Alle Gewährspersonen geben an, das Cimbro täglich sowohl innerhalb als auch außerhalb des familiären Bereichs mit anderen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft zu gebrauchen. 4. Sprachloyalität: Alle Gewährspersonen haben eine positive Einstellung zu ihrem deutschen Dialekt. Zu einer ausgeprägten Sprachloyalität zähle ich auch die Bereitschaft, sich mit lernwilligen Fremden in ihrem deutschen Dialekt zu unterhalten und darüber bereitwillig Auskunft zu geben. Die Kriterien permanente Ortsansässigkeit, Alter und Geschlecht spielten eine weniger wichtige Rolle. Die v. a. in dialektgeographischen Projekten als Ausschlusskriterium angeführte Eigenschaft der permanenten Ortsansässigkeit ist in Luserna schwer zu erfüllen. Dies liegt bei der älteren Generation (ab 70 Jahre) an der Tradition der über Jahre (und bei Männern sogar Jahrzehnte) betriebenen Saisonarbeit im Ausland und bei der mittleren Generation (ab 40 Jahre) an der Tatsache, dass diese nach ihrer Schulzeit Luserna vielfach aus beruflichen Gründen den Rücken gekehrt hat und den Ort nur noch in der Freizeit, d. h. an den Wochenenden und während der Ferien aufsucht. Von den neun Gewährspersonen gehören jedoch nur zwei zu jeweils einer dieser Gruppen. Eine Gewährsperson (Ada) aus der älteren Generation (von insgesamt vier) verbrachte zwischen den fünfziger und sechziger Jahren insgesamt zehn Jahre in der Schweiz, und eine Gewährsperson aus der mittleren Generation (Gisella) war zu der Zeit eine klassische Freizeitheimkehrerin, die in Luserna stark verwurzelt ist, jedoch in Rovereto lebt und arbeitet. Die Gewährspersonen aus der jüngeren Generation haben Luserna nie für längere Zeit verlassen. Es wird nicht der Anspruch erhoben, die hier präsentierten Daten des Cimbro bildeten die gesamte zimbrische Sprachgemeinschaft von Luserna ab. Die qualitativ erfassbare Variation innerhalb der Sprachgemeinschaft spielt in der vorliegenden Arbeit nur am Rande eine Rolle. Die quantitativ messbare Variation spielt überhaupt keine Rolle. Im Zuge meiner Suche nach geeigneten Gewährspersonen stieß ich auf Phänomene bzw. Merkmale, die meines Erachtens eine variationslinguistische Untersuchung bei dem Versuch, verschiedene Sprechergruppen zu identifizieren, berücksichtigen sollte. Dazu zählen z. B. auf der phonetischphonologischen Ebene der Ersatz von anlautendem [g] durch [d] (un hat disek ‚und hat gesehen‘; un hat odeheft ‚und hat angefangen‘; divalt di zuma ‚gefallen der Korb‘), der Ersatz von [ŋ] durch [n] und die Alternation der Vokale bei Präfigierungen (bi-/be-/bo-drum ‚zurückʻ). Mir ist bewusst, dass aufgrund der Zusammenstellung der Informantengruppe sprachliche Muster und Strukturen als konservative Norm angesehen werden, die im Zuge eines quantitativen, variationslinguistischen Projekts eventuell nur einer bestimmten Untergruppe von Cimbro-Sprechern zugeordnet werden können. Aufgrund der Kennzeichnung der Belege hinsichtlich ihrer Herkunft (vgl. hierzu Ta-

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belle B im Anhang) dürfte die Integrierbarkeit der hier präsentierten Daten in eine (zukünftige) variationslinguistische Untersuchung keine Schwierigkeiten bereiten. 1.6.3 Datenpräsentation Die Präsentation der Daten erfolgt nur in den Kontexten in phonetischer Transkription, in denen phonetisch-phonologische Genauigkeit erforderlich ist. Ansonsten werden die Beispiele in einer Umschrift wiedergegeben, die spezielle Symbole und Diakritika vermeidet und sich in weiten Teilen an die orthographische Schreibung von TYROLLER (2003) anlehnt. Allerdings gibt es einige wenige notorische Problempunkte der zimbrischen Orthographie. Beim Umgang damit spielten folgende Faktoren eine wesentliche Rolle: Zum einen sollten die Wortformen so präsentiert sein, dass die Zuordnung zu den Lexemen und damit die Wiederauffindbarkeit in den bisher veröffentlichten Wörterbüchern und grammatischen Beschreibungen möglichst leicht fällt. Zum anderen wollte ich einige der einfach repräsentierbaren Unterschiede hinsichtlich der phonetisch variierenden Realisation dokumentieren. Zu diesen gehören: 1) die allophonische Variation zwischen einem [a]-ähnlichen und einem [ɔ]-ähnlichen Laut des Phonems /a/ vor Nasal, 2) die Variation zwischen einem [b]-ähnlichen und einem []-ähnlichen Laut des Phonems /b/ (vgl. TYROLLER 2003, 62–63), und 3) die allophonische Variation zwischen einem [ʃ]-ähnlichen und einem [s]-ähnlichen Laut vor [t]. Das Graphem < å > wird vielerorts benutzt und repräsentiert die Verdumpfung von /a/ vor Nasal, d. h. die Verlagerung der Artikulationsbasis nach hinten mit einer Tendenz zur Rundung; sie tritt auch auf bei phonologisch distinktiver Nasalität des Vokals /a/, die Resultat der Verlagerung des Merkmals Nasalität in den Bereich der Suprasegmentalia ist. Die Verdumpfung hat in einigen Fällen eine [ɔ]-artige Realisation des /a/ zur Folge, die insbesondere im Kontext von Diphthongen z. T. extrem durchgeführt ist (vgl. [mãi̯ ] vs. [mɔ̃i̯] ‚meinʻ). Die Verdumpfung ist weder bei allen in Frage kommenden Lexemen (oder Wortformen der entsprechenden Lexeme) noch bei allen Sprecherinnen und Sprechern in allen Kontexten immer gleich durchgeführt. Eine Negierung dieser Unterschiede durch Festlegung auf eine orthographische Repräsentation erscheint mir unnötig, so dass [a]-ähnliche Realisationen als < a > wiedergegeben werden, und [ɔ]ähnliche Realisationen als < o >. Die Hilfsverbform ‚sindʻ (3. Person Plural Präsens Indikativ von ‚seinʻ) kann also sowohl als < sain > als auch als < soin > erscheinen, entsprechend ihrer Realisierung als [zai̯ n] bzw. [zɔi̯ n].13 Eine zweite Variation, die die hier verwendete orthographische Darstellung berücksichtigt, ist diejenige zwischen einer [b]-ähnlichen Realisation, die als

13 Man vgl. hierzu auch TYROLLER (2003, 287).

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< b > wiedergegeben wird, und einer []-ähnlichen Realisation, die als < w > wiedergegeben wird.14 Schließlich wird bei den s-Lauten unterschieden, ob es sich um eine eher palato-alveolare, [ʃ]-artige Artikulation handelt, die als < sch > wiedergegeben wird, oder um eine eher alveolare, [s]-artige Artikulation, die mit dem Graphem < s > repräsentiert wird. Eine Variation tritt insbesondere bei dem Sibilanten auf, den BACHER (1905, 163) als „weiches stimmloses sch, wie das s der it[alienischen] M[undarten] Südtirols“, und TYROLLER (2003, 42) als „zurückgezogene[n] stimmlose[n]“ s-Laut beschreiben. TYROLLER (2003, 42) benutzt für die phonetische Repräsentation dieses s-Lautes das IPA-Symbol für den stimmlosen retroflexen Frikativ [ȿ], für die graphemische Repräsentation das Zeichen < s >.15 Die Qualität dieses s-Lautes hat meines Erachtens weniger etwas mit einer retroflexen Artikulationsstellung der Zunge zu tun als damit, dass bei der Artikulation dieses Lautes – im Gegensatz zu [ʃ] – die von der Zunge hervorgerufene Friktionsfläche kleiner und im Mund weiter nach vorne gelagert ist und damit auch eher [s]-artig klingt.16 In meinem Korpus taucht die erwähnte Variation häufig bei dem Lexem ‚jetztʻ auf, d. h. die Aussprache schwankt zwischen [e̞ːʃt], wiedergegeben als < escht >, und [e̞ːs̙ t], wiedergegeben als < est >. Die Präsentation der s-Laute betreffend ist noch anzumerken, dass die Variation zwischen einer stimmhaften und einer stimmlosen Realisation nicht wiedergegeben wird. Weitere graphematische Festlegungen sind für die Affrikaten [t͡ʃ], [d͡ʒ] und [t͡s] notwendig. Die stimmlose postalveolare Affrikate [t͡ʃ] wird v. a. in Veröffentlichungen von Muttersprachlern mit dem Graphem < č > wiedergegeben. TYROLLER (2003) schlägt dafür die Buchstabenkombination < tx > vor. Ich folge der Konvention von BACHER (1905), der die Affrikate [t͡ʃ] graphemisch mit der Buchstabenfolge < tsch > notiert (vgl. auch BELLOTTO 1978). Für die orthographische Repräsentation der stimmhaften postalveolaren Affrikate [d͡ʒ] wurden bisher die Grapheme < y > (BACHER 1905), < j > bzw. < ĵ > (BERTOLDI / NICOLUSSI CASTELLAN / NICOLUSSI ZAIGA o. J. bzw. BELLOTTO 1978) und < dj > (TYROLLER 2003) vorgeschlagen. Ich folge hierin der Konvention von BERTOLDI / NICOLUSSI CASTELLAN / NICOLUSSI ZAIGA (o. J.).17 Die alveolare Affrikate [t͡s] wird graphemisch als < z > wiedergegeben, wenn ihre Bestandteile zum gleichen Morphem gehören. Ein phonologisches Wort wie 14 Diese Variation betrifft die Entwicklung von germ. /*w/ zu /b/, die in allen zimbrischen Varietäten zu belegen ist (vgl. MEID / HELLER 1979, 61–64). Man vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3. 15 In BACHER (1900) wird dieser Laut in einer phonetisch orientierten Umschrift mit einem < ş >-ähnlichen Symbol repräsentiert, in BACHER (1905) hingegen mit dem Symbol < š >. 16 Hinsichtlich der phonetischen Repräsentation dieses Lautes entscheide ich mich für eine Perspektive vom [s]-Laut aus. So gesehen handelt es sich um eine „Rückverlagerung“ der Zungenstellung (vgl. auch TYROLLER 2003, 42) und die Repräsentation mit dem Symbol [s̙], das für einen stimmlosen alveolaren Frikativ mit „retracted tongue root“ steht, liegt nahe. 17 Mit dieser Entscheidung geht einher, dass die in bestimmten Kontexten noch wahrzunehmende Variation zwischen einer [j]- und einer [d͡ʒ]-Realisation (z. B. bei ‚Jahrʻ) nicht notiert wird. Das Graphem < j > repräsentiert hier also auch den palatalen Approximanten [j]. Man vgl. hierzu die ausführliche Behandlung dieses Phänomens in MORANDI (2008).

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[hats], das als Verbform (3. Pers. Sg. Präs. von ‚haben‘) plus Subjektenklitikon (3. Pers. Sg. n.) analysiert wird, wird nicht als < haz >, sondern als < hats > bzw. mit Angabe der Morphemgrenze als < hat=s > symbolisiert. Doppelkonsonanten werden eingesetzt, um entweder die Kürze des vorangehenden Vokals oder die Länge des betreffenden Konsonanten anzuzeigen. Ich richte mich hierbei nach der Präsentation in den Wörterbüchern von BACHER (1905) und BERTOLDI / NICOLUSSI CASTELLAN / NICOLUSSI ZAIGA (o. J.).18 Was die Kennzeichnung von Morphemgrenzen angeht, beschränke ich mich weitestgehend auf die Anzeige von Klitisierungen, und zwar mit dem Gleichheitszeichen < = >. Satzabbrüche werden mit dem Symbol < | > angezeigt. Handelt es sich lediglich um Teilkorrekturen, wird dies durch das Symbol < / > gekennzeichnet. Auch mit Füllseln lautlich gekennzeichnete Sprechpausen wie < eh > werden angezeigt. Beispiele, die nicht meinem Korpus entstammen, sind nicht den hier dargelegten graphemischen Konventionen angepasst. Hierzu ist noch anzumerken, dass es in der vorliegenden Arbeit lediglich zwei Typen von Belegdaten gibt, die nicht mit Quellenangaben versehen sind. Das sind zum einen die Daten zum Cimbro aus dem von mir erstellten Korpus und zum anderen Beispiele des Binnenbairischen, die meiner muttersprachlichen Kompetenz des Mittelbairischen entspringen, genauer dem bairischen Dialekt des oberen Bayerischen Waldes, der in sprachgeographischer Hinsicht als Übergangsgebiet zwischen dem Mittel- und Nordbairischen anzusehen ist. Die Abkürzung Quest steht für ʻQuestionario’. Bei den so gekennzeichneten Belegen handelt es sich um solche, die auf der Basis von Einzelsatzübersetzungen elizitiert wurden; Gewährsperson war in diesem Fall FIORENZO NICOLUSSI CASTELLAN. 1.6.4 Weitere benutzte Textquellen zum Zimbrischen Die bereits erwähnte Textsammlung von JOSEF BACHER (1864-1935) ist nach wie vor die umfangreichste, die bisher zum Cimbro von Luserna veröffentlicht wurde. JOSEF BACHER war zwischen 1893 und 1899 als Pfarrer von Luserna tätig.19 Die sprachwissenschaftlichen Kenntnisse zur Dokumentation und Beschreibung des südbairischen Sprachinseldialekts eignete sich BACHER wohl im Selbststudium an. Insbesondere hinsichtlich der Präsentation seiner gesammelten Daten in einer geeigneten phonetischen Umschrift suchte er sich Unterstützung bei JOSEF SCHATZ (vgl. BACHER 1905, viii). BACHERS Dokumentation, die neben der Sammlung von Texten eine kurze Beschreibung der Lautgeschichte (ausgehend vom Mittelhochdeutschen), der Flexionsmorphologie und Syntax, ein umfangreiches Wörterbuch und viele ethnographische Beschreibungen über die Lebensweise der Luserner 18 Hinsichtlich des Phänomens der Doppelkonsonanz im Cimbro (z. B. von [ss] in basser ‚Wasserʻ und [mm] in momma ‚Mamaʻ) verweise ich auf MORANDI (2008), die Geminaten im Cimbro untersucht. 19 Eine knappe Skizze von JOSEF BACHERS Lebensweg liefert NICOLUSSI CASTELLAN (1997).

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enthält, entspricht in ihrer Art derjenigen der „anthropologischen Linguistik“ dieser Zeit. Seine Textsammlung und sein Wörterbuch sind immer noch die besten primären Quellen zum Studium der konservativen Norm des Cimbro. Insbesondere für Untersuchungen der seither stattgefundenen bzw. sich vollziehenden phonologischen Sprachwandelerscheinungen ist seine Beschreibung der Referenzpunkt.20 Mit BELLOTTO (1978) liegt uns eine Neuherausgabe der meisten von BACHER gesammelten Texte vor. Die Neuherausgabe hatte das Ziel, den Menschen vor Ort diese Texte zugänglich zu machen, indem eine orthographische statt einer phonetischen Umschrift gewählt wurde. ALFONSO BELLOTTO suchte sich für sein Unternehmen Hilfe bei Muttersprachlern. Das Ergebnis ist insofern von Interesse, als er Varianten zu den um 1900 aufgezeichneten Texten notiert und im Text in Klammern angibt. Diese Varianten geben Aufschluss über potentielle Veränderungen des Sprachgebrauchs. Als Beispiele seien hier exemplarisch zwei Fälle herausgegriffen. Der erste betrifft die Variation zwischen Distanz- und Kontaktstellung zur Partizip-Perfekt-Form des trennbaren Teils eines Partikelverbs, wie in ‚anlachenʻ, vgl. Beispiel (1). Der zweite Fall weist auf die variable Stellung eines Objektklitikons (hier 3. Pers. Sg. Akk. n. ‚esʻ) in subordinierten Syntagmen hin, vgl. (2). Weiterhin ist sowohl lautliche Variation (z. B. in (1) die Realisation von germ. /*w/ als Anlaut der Relativpartikel wo/bo) als auch lexikalische Variation (man vgl. in (2) as und bal in der Funktion einer konditionalen Konjunktion) und morphologische Variation (man vgl. in (2) die Verbformen wil und billst) festzustellen. (1)

a. [...] diza kin, wo d’ ən a so ā̃ hat gəlat (BACHER 1900, 313) b. [...] ditza khinn, bo-d’en asó hat ã-ghelacht (BELLOTTO 1978, 284) ‚dieses Kind, das [wörtl. ‚wo daʻ] ihn so anlachte...ʻ

(2)

(BACHER 1901, 170) a. [...] un aş-do-‘s wil máan şter’m b. [...] un bal do billst machan’s stèrbm (BELLOTTO 1978, 190) ‚und wenn du es zum Sterben bringen willst...ʻ

Das Material für den Vergleich mit dem Zimbrischen der Sieben Gemeinden besteht im Wesentlichen aus den beiden von WOLFGANG MEID herausgegebenen zimbrischen Katechismen von 1602 bzw. 1813/1842 (vgl. MEID 1985a, 1985b), den in SCHMELLER (1838) abgedruckten Texten und für das 20. Jahrhundert aus den vom Landesverband für Heimatpflege in Südtirol herausgegebenen „Erinnerungen der COSTANTINA ZOTTI (1904–1980)“ (vgl. ZOTTI 1986). Vor allem die Brauchbarkeit des ersten zimbrischen Katechismus von 1602 für eine vergleichende Studie könnte angezweifelt werden, da sich dieser „in der Tat meist sehr 20 Ein Bindeglied zwischen dem Lautstand um 1900 und heute stellen die unveröffentlichten Aufnahmen dar, die im Phonogrammarchiv der Universität Wien lagern [B 2591–2596, B 16852-16869, B 22963-22966, B 24370-24378, B 27981-27983, B 27729-27735], vgl. den Online-Katalog auf der Internetseite [‹http://catalog.pha.oeaw.ac.at/›].

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eng an seine italienische Vorlage“ hält (vgl. MEID 1985a, 12). Der zweite zimbrische Katechismus von 1813 hingegen ist „volkstümlicher im Ausdruck und seiner italienischen Vorlage weniger eng verhaftet [...] als sein Vorgänger von 1602“ (vgl. MEID 1985b, 14). Wird dieses Material herangezogen, z. B. im Zusammenhang der Rekonstruktion des allmählichen Abbaus der Wortstellungsasymmetrie zwischen Hauptsatz und konjunktional eingeleitetem Nebensatz, wird auch immer die entsprechende italienische Vorlage zitiert. Interessant sind in dem vorgenannten Kontext natürlich vor allen Dingen die Belege, in denen eine gewisse Distanzierung der Übersetzer von der Vorlage spürbar wird. Vergleiche mit dem Zimbrischen der Dreizehn Gemeinden basieren auf den von BRUNO SCHWEIZER (1939) herausgegebenen „Texten aus Giazza“.

2 DAS CIMBRO ALS SPRACHE EINER MINDERHEIT IN ROMANISCHER UMGEBUNG: ENTSTEHUNG, BEWAHRUNG, BEEINFLUSSUNG UND BEDROHTHEIT Dieses Kapitel ist der Beschreibung der Entstehung und Entwicklung der Sprachgemeinschaft von Luserna gewidmet und dient der näheren Charakterisierung des Cimbro als Sprache einer Minderheit. Die Sichtweise, dass das Cimbro bzw. das Zimbrische eine eigene, mit dem Deutschen nicht gleichzusetzende Minderheitensprache Italiens darstellt, entspricht sowohl dem Empfinden der Sprecher selbst (vgl. ROWLEY 2000, 216) als auch ihrer rechtlichen Anerkennung (vgl. Kapitel 2.7).21 Es geht in diesem zweiten Kapitel um die Darstellung der historischen Fakten und Bedingungen, die zur Entstehung der Sprachinsel Luserna bzw. dieser zweisprachigen Minderheitsgesellschaft südlich der deutsch-italienischen Sprachgrenze geführt haben und die ihre Entwicklung bis heute maßgeblich geprägt haben. Dabei wird auch versucht, die Geschichte des äußeren Sprachkontakts zu rekonstruieren. Schließlich wird das heutige Ausmaß der Bedrohtheit dieser Minderheitensprache skizziert. 2.1 DER ORT LUSERNA Die Ortschaft Luserna liegt 1333 m ü. M. am südlichen Rand einer Hochebene, die sich von den Orten Folgaria und Lavarone im Westen bis zum Pass von Vezzena (1402 m ü. M.) erstreckt. Dieser Pass stellt die Verbindung zur östlich gelegenen Hochebene der Sieben Gemeinden (Altopiano dei Sette Comuni, Altopiano di Asiago) dar. Eine verkehrstechnische Anbindung gibt es auch ins nördlich gelegene Valsugana (z. B. zu den Ortschaften Levico und Caldonazzo) und in die westlich gelegenen Täler Valle dell’Adige (z. B. zu der Stadt Trient) und Val Lagarina (z. B. zu der Stadt Rovereto). Ins südlich gelegene Val d’Astico (z. B. zum Ort Brancafora) gelangt man direkt nur zu Fuß über einen steil abfallenden Weg, andernfalls über einen Umweg Richtung Westen, der über die nächstgelegene größere Ortschaft Lavarone führt, die ca. 10 km von Luserna entfernt ist.22 Luserna ist heute eine geschlossene Dorfsiedlung mit einem zentralen Dorfplatz. Oberflächlich sichtbare Spuren der Siedlungsentwicklung von Luserna sind 21 Auch im Ethnologue wird das Zimbrische als Minderheitensprache Italiens aufgeführt, vgl. LEWIS (Hrsg.) (2009) bzw. in der Online-Version des Ethnologue auf der Internetseite [‹www.ethnologue.com›], Language Code [cim] für Cimbrian. 22 Für eine ausführliche geographische Beschreibung von Luserna vgl. BECKER (1968), BACHER (1905, 1–5) und PREZZI (2001, 23–27).

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heute nicht mehr zu finden, da 1911 durch ein Großfeuer nahezu alle Gebäude vernichtet und während des Ersten Weltkrieges durch Beschuss Häuser zerstört wurden.23 Die Siedlung besteht aus den Ortsteilen Tezze und Luserna. Im Ort gibt es fast alle institutionellen Einrichtungen, die eine Gemeinde mit eigener Verwaltung ausmachen, wie z. B. ein Postamt, einen Kindergarten, eine öffentliche Bücherei, eine (regelmäßig besetzte) Arztpraxis, eine Kirche mit eigenem Pfarramt, mehrere Gasthäuser, Lebensmittelläden, Restaurants, Bars und auch Hotels. Die Grundschule von Luserna wurde 2006 in diejenige von Lavarone integriert, da im Schuljahr 2005 nur noch zwei Grundschüler in Luserna eingeschrieben waren. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2001 betrug die Zahl der in Luserna wohnhaften Einwohner 259, am Ort gemeldet waren zu diesem Zeitpunkt 297 Personen (vgl. NICOLUSSI CASTELLAN 2004, 171). Im Jahr 2002 sind in Luserna 320 Einwohner gemeldet, „von denen nicht alle ständig in der zimbrischen Gemeinde wohnhaft sind“ (PREZZI 2004, 133).24 Über die Herleitung des Ortsnamens Luserna gibt es mehrere Theorien. Es wurde z. B. versucht, den Namen von dem Wort lās ‚Runst, baumlose Schlucht im Waldʻ abzuleiten (vgl. SCHMELLER 1855, 203, ZINGERLE 1869, 40, BACHER 1905, 305, SCHÖPF 1866, 369 und SCHATZ 1955, 374), denn lās bezeichnet den Weg, über den man von Luserna ins Valsugana gelangt bzw. der von Monterovere nach Caldonazzo führt (vgl. NICOLUSSI CASTELLAN [1953] 1979, 14, PREZZI 2001, 32). TYROLLER leitet den Ortsnamen von „romanische[m] liz bzw. lis“ für die Bezeichnung hochgelegener Almböden ab (TYROLLER 1982a, 86; 2003, 6). Diese Interpretation wird gestützt durch die Tatsache, dass in etlichen venezianischen Dokumenten als Benennung für den fraglichen Berg Liserna auftaucht (vgl. hierzu auch BAUM 1983, 21). TYROLLER (2003) nimmt an, dass es sich bei dem (im Ahd. in unbetonten Silben belegbaren) Lautwechsel von /i/ zu /u/ um einen „durch die altbairisch sprechenden Siedler der Hochebene erfolgt[en]“ Lautwandel handelt (TYROLLER 2003, 6). Nach TYROLLERS Analyse liegt also eine romanische Ortsnamenbezeichnung zugrunde, auf deren erste Silbe ein im Ahd. sporadisch auftretender Vokalwechsel gewirkt hat. 2.2 DIE ENTSTEHUNG DES ORTES LUSERNA Bis zum Jahr 1780 gehörte Luserna zur Gemeinde Lavarone (vgl. BACHER 1905, 26). Die Entstehung des Ortes Luserna als Tochtersiedlung von Lavarone beschreibt MASTRELLI-ANZILOTTI (1994) als „Besiedlung [...] durch drei Familien aus Lavarone [am] Ende des 16. Jahrhunderts“ (MASTRELLI-ANZILOTTI 1994, 95). 23 Man vgl. hierzu BECKER (1968, 212), auch zu Informationen über das Dorfbild vor diesen Ereignissen. 24 Hinsichtlich der schwankenden Einwohnerzahl, die seit Jahren bei knapp über bzw. unter 300 liegt, vgl. man auch den Artikel „Luserna sta morendo“ in der Zeitung Trentino vom 10.9.2002, der auf der Internetseite des Dokumentationszentrums Lusern [‹www.lusern.it›] archiviert ist unter der Rubrik ARTICOLI: stampa. Bezüglich aktueller Entwicklungen vgl. man auch die Angaben auf der Internetseite [‹www.comuni-italiani.it/022/109/statistiche›].

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Laut anderen Quellen wird die feste, d. h. nicht nur saisonale Ansiedlung von Pächtern der Weideflächen schon auf die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert (vgl. CAROTTA 1997, zitiert nach PREZZI 2001, 208; man vgl. auch BAUM 1983, 46– 47)25. Wie WURZER (1983) bemerkt, ist die „älteste Dorfgeschichte Luserns [...] infolge Mangels an Archivalien sehr dürftig“ (WURZER 1983, 77). Vor allem die in Luserna weit verbreiteten Familiennamen Nicolussi und Gasperi weisen aufgrund von Übereinstimmungen auf Lavarone als Abstammungsort hin (vgl. BACHER 1905, 24). In Bezug auf die Herkunftsbestimmung der deutschsprachigen Siedler der Hochebene von Folgaria und Lavarone wird die Zuordnung des Ortsnamens Posena als wichtig erachtet. Es ist eine Urkunde vom 16.2.1216 erhalten, in der die Übergabe der Hochebene von Folgaria aus dem Besitz des Bistums von Trient, vertreten durch Friedrich von Wangen, deutschstämmiger Bischof von Trient in den Jahren zwischen 1207 und 121826, an die beiden Ritter Odericus und Heinrich von Posena dokumentiert ist (vgl. BAUM 1983, 20). Posena wird mit dem Ort Posina, der in der Provinz Vicenza westlich von Arsiero liegt, identifiziert (vgl. MASTRELLI-ANZILOTTI 1994, 89 und BAUM 1983, 20). Obwohl dieser Ort nicht zu den sogenannten Sieben Gemeinden gehört, sondern westlich des Val d’Astico liegt27, schließt MASTRELLI-ANZILOTTI: „Sicher scheint, dass die Siedler [von Folgaria] aus den VII Gemeinden kamen, es wird nämlich ein gewisser Enrico de Posena genannt, und Posena ist zweifellos Posina in der Provinz Vicenza“ (MASTRELLI-ANZILOTTI 1994, 89). Sie geht weiter davon aus, dass die Hochebene von Lavarone „gleichzeitig mit der von Folgaria, mit der sie durch den Sattel von Carbonare verbunden ist“, besiedelt wurde (MASTRELLI-ANZILOTTI 1994, 93). BAUM (1983) vertritt, was die Herkunft der Siedler der Hochebene von Lavarone und Folgaria angeht, die gleiche These, führt als Argument jedoch die sprachliche Ähnlichkeit an: „Da man in Filgreit [= Folgaria, A.K.] noch im 19. Jahrhundert zimbrisch sprach, liegt es natürlich nahe, eine Besiedlung von den 7 Gemeinden aus anzunehmen“ (BAUM 1983, 20). Für eine überblicksartige Darstellung der sprachlichen Ähnlichkeiten und Unterschiede der zimbrischen Varietäten sei auf TYROLLER (1999; 2003, 8–18) verwiesen (vgl. auch Kapitel 2.3 und Tabelle A im Anhang). Mit der von JAMES DOW im Jahr 2008 herausgegebenen „Gesamtgrammatik der Zimbrischen Sprache“ von BRUNO SCHWEIZER, die 1953 fertiggestellt wurde, steht ein umfassendes Werk zum Studium der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der zimbrischen Varietäten zur Verfügung. Es kann teilweise mit der 1981 von MARIA HORNUNG herausgegebenen „Laut- und Flexionslehre der deutschen zimbrischen Mundart“ von EBERHARD KRANZMAYER, die 25 Man vgl. BECKER (1968, 211) für eine Diskussion der Argumente, die für bzw. gegen die Existenz einer Dauersiedlung in Luserna im 16. Jahrhundert angeführt werden können. 26 Das kirchliche Fürstentum Trient war im Spätmittelalter eines der größten territorialen Herrschaftsgebiete in den Ostalpen (vgl. CAMMAROSANO 1996, 54), und die „Bischöfe von Trient waren damals fast ausschließlich deutsch“ (BAUM 1983, 17). 27 Man vgl. hierzu die Karte des zimbrischen Sprachgebiets, die KRANZMAYER (1981) beiliegt. Der Ort Pòsina ist über den Passo D. Borcolà mit der nordwestlich gelegenen Gemeinde Terragnolo verbunden.

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1923 fertiggestellt wurde, verglichen werden. KRANZMAYERS Material beruht – im Gegensatz zu demjenigen von SCHWEIZER – nicht auf im zimbrischen Sprachgebiet durchgeführten Erhebungen, sondern er befragte Sprecher, die während des Ersten Weltkriegs in Kriegsgefangenen- und Flüchtlingslagern in Österreich interniert waren. Auch KRANZMAYER (1956, 5) geht davon aus, dass die Besiedlung der Hochebene von Folgaria und Lavarone von den Sieben Gemeinden aus stattfand, jedoch „mit neuem Zuzug aus Tirol“, was ihn dazu veranlasste, für die in diesem Gebiet gesprochenen Dialekte die Bezeichnung „Zimbrisch-Tirol(isch)“ zu verwenden. Letztlich sind es – aufgrund der fehlenden urkundlichen Zeugnisse – sprachliche Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Dialekten von Luserna, Folgaria, Lavarone, San Sebastiano, Carbonare und Terragnolo einerseits und dem Zimbrischen der Sieben und Dreizehn Gemeinden andererseits, die das Verwandtschaftsverhältnis der Dialekte der erstgenannten Gruppe mit dem Zimbrischen der Sieben und Dreizehn Gemeinden nachweisen können.28 Terragnolo stellte in der Mitte des 19. Jahrhunderts das am südlichsten gelegene deutsche Sprachgebiet in der Provinz Trentino dar. DE TECINI (1860, zitiert nach MASTRELLI-ANZILOTTI 1994, 87) zählt 1821 noch 1433 Sprecher des sogenannten Slambròt, d. h. des deutschen Dialekts dieser Gegend. SCHMELLER (1838) führt den Ausdruck Slápero als die Bezeichnung an, die zu seiner Zeit Italiener den für sie eine „unverständliche Sprache redenden Nachbarn [...] im Roveretanischen, Veronesischen und Vicentinischen Gebiete“ gaben (SCHMELLER 1838, 565). Erstaunlicherweise trifft SCHMELLER 1844, auf seiner zweiten Reise zu den Zimbern, in Terragnolo nur noch „ein paar deutsch redende Personen“ an (vgl. BERGMANN 1855, 70). FILZI (1909) bietet eine sehr kurz gefasste Analyse der äußerst wenigen sprachlichen Zeugnisse, die von diesem Dialekt überliefert sind. SCHWEIZER (2008) betrachtet den Dialekt von Luserna als Bindeglied zwischen Zimbrisch und Slambròt (SCHWEIZER 2008, 6). Die genaue Zusammensetzung der Siedler der Hochebene von Lavarone und Folgaria kann wohl kaum in Erfahrung gebracht werden, d. h. ob anfangs nur Siedler von den Sieben Gemeinden kamen oder ob die Besiedlung unter Beteiligung von Siedlern aus dem Gebiet nördlich der deutsch-italienischen Sprachgrenze stattfand. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entdeckung von FILZI (1909), dass es in Terragnolo im 17. Jahrhundert Eheschließungen gab mit Männern aus Bayern und Österreich: „Un contributo non piccolo ci è dato da soldati bavaresi ed austriaci che durante il secolo XVII disertarono la loro bandiera e si rifugiarono lassù“ (FILZI 1909, 203). Auch verzeichnet er in dieser Zeit deutsche Zuzüger aus Böhmen. Es könnte sein, dass für andere Orte mit zimbrischsprachiger Bevölkerung ähnliche Verhältnisse angenommen werden dürfen. Auch wenn es sich bei Luserna lediglich um eine Tochtersiedlung einer Tochtersiedlung handelt, kann doch behauptet werden, dass es die jüngste der sogenannten zimbrischen Siedlungen ist. Heute werden unter dieser Bezeichnung neben den Sieben Gemeinden um den Hauptort Asiago und den Dreizehn Gemein28 Zum Verwandtschaftsverhältnis vgl. man KRANZMAYER (1981, 16–20).

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den um den Hauptort Giazza auch die bereits erwähnten Siedlungen in Lavarone, Folgaria, Terragnolo und Luserna zusammengefasst. TYROLLER (1982a, 80; 1999, 172) weist darauf hin, dass die Bezeichnung Zimbrisch, die lange nur die Sprache der deutschsprachigen Bewohner der Sieben und Dreizehn Gemeinden des Veneto meinte, erst seit KRANZMAYER (1981) auch auf die deutschen Dialekte der Hochebene von Folgaria-Lavarone-Luserna erweitert wurde. Aber schon FILZI (1909) gebraucht den Namen Cimbri sehr allgemein „per denotare le popolazione abitanti le oasi tedesche in Italia“ (FILZI 1909, 200, Fußnote 1). Luserna ist dabei die einzige zimbrische Siedlung, die den Sprachwechsel zum Italienischen noch nicht vollzogen hat. Zwar gab und gibt es Bemühungen der Revitalisierung in Giazza und Roana in Form von Sprachunterricht in der Primarschule, aber der deutsche Dialekt ist hier in keiner Generation mehr alltägliches Kommunikationsmedium. Als gesprochene Sprache ist das Zimbrische in den Sieben und Dreizehn Gemeinden schon lange nicht mehr in Gebrauch (vgl. HORNUNG 1994, 34; BIDESE 2008, 14). 2.3 DAS CIMBRO ALS ZIMBRISCHER DIALEKT Die Bezeichnung Zimbrisch ist eine Reminiszenz der Legendenbildung über den Ursprung der deutschsprachigen Siedler auf den Hochebenen östlich des Flusses Adige und südlich des Flusses Brenta. Laut TYROLLER (1982, 81) tauchen die Bezeichnungen Cimbro bzw. Zimber bereits im 12. Jahrhundert in den Werken italienischer Dichter auf. Die Benennung Cimbri für die Siedler der Sieben und Dreizehn Gemeinden kommt im 14. Jahrhundert unter venezianischen Humanisten auf (vgl. TYROLLER 1999, 171). FERRERO (1981, 13–14) hingegen geht davon aus, dass es sich bei dem Ausdruck Cimbro um eine Uminterpretation handelt, deren Ausgangspunkt die Wurzel zimmer- (wie in Zimmermann bzw. zimmern) bildet (vgl. hierzu auch MATZEL 1982, 81, Fußnote 1). Dass es sich bei diesen Siedlern nicht etwa um Nachfahren verstreuter Kimbern, die 101 v. Chr. bei Vercelli von Marius geschlagen wurden, handelt, setzte sich im sprachwissenschaftlichen Diskurs des deutschen Sprachraums v. a. aufgrund der Arbeit von SCHMELLER (1838) durch.29 SCHMELLER (1838) ist es, der die Grundlagen für eine sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit der zimbrischen Grammatik im deutschsprachigen Raum schafft. Dabei konnte er u. a. auf der lexikographischen Arbeit von D. Agostino dal Pozzo, die 1820 gedruckt wurde, aufbauen (vgl. MATZEL 1989, 71, Fußnote 6).30 Das Entstehungsszenario der zimbrischen Sprachinseln, das SCHMELLER zeichnet, unterscheidet sich von demjenigen, das KRANZMAYER (1981) für wahrscheinlich hält. Für SCHMELLER (1838) kam es zum Inseldasein durch die sich durchsetzende und schließlich vollendete Romanisierung der umliegenden Täler und er geht relativ allgemein von einem 29 Für eine Zusammenfassung der in früherer Zeit aufgestellten Theorien zur Herkunft der Siedler vgl. man FERRERO (1981, 14–15) und BIDESE (2004). 30 Für einen Überblick über einige ältere Quellen zum Zimbrischen vgl. MATZEL (1982, 88–93).

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alten Lautstand des Hochdeutschen des 12. bis 13. Jahrhunderts aus: „So sind im XII.-XIII. Jahrhundert die VII und XIII Communen der venedischen Alpen durch vollendete Romanisierung der sie umgebenden Thallande von der deutschen Gesamtmasse abgeschnitten worden“ (SCHMELLER 1838, 708). SCHMELLER legt die damaligen Erkenntnisse der Ortsnamenforschung zugrunde, wenn er zu dem Schluss kommt, „dass in solcher Zeit der jetzt bei Salúrn abbrechende deutsche Keil durch die Thäler der Etsch, der Brenta u. s. w. bis an die dichtere italienische Bevölkerungsmasse der Ebene hinabgereicht habe“ (SCHMELLER 1838, 705). KRANZMAYER (1981) hingegen gibt sich nicht damit zufrieden, dass man „mit Sicherheit sagen [kann], dass die Zimbern wenigstens vorwiegend Baiern sind“ (KRANZMAYER 1981, 10), sondern er möchte möglichst genau das Herkunftsgebiet der ersten Siedler bestimmen. Dass nach Gründung der Siedlungen weiterhin Deutschsprachige nachzogen, nimmt sowohl SCHMELLER als auch KRANZMAYER an. Nur gibt es in Bezug auf die genaue Zusammensetzung der Zuzüger verschiedene Meinungen. Während SCHMELLER (1838, 706, Fn. *) vom möglichen Zuzug von „Bergleuten […] vom Niederrhein, aus dem sächsischen Erzgebirge her“ spricht, geht KRANZMAYER (1981, 12–13) insbesondere bei den Dreizehn Gemeinden und den Orten Folgaria und Lavarone von einer Zuwanderung von Alemannen aus, und zwar sehr präzise von Appenzellern (nach Orten der Dreizehn Gemeinden) und Wallisern (nach Folgaria). KRANZMAYERS Rekonstruktion der Herkunft stützt sich vor allem auf lautliche Übereinstimmungen zwischen den zimbrischen Dialekten einerseits und rezenten Dialekten im geschlossenen deutschen Sprachraum andererseits. Als eines der primären Kennzeichen des Südbairischen gilt die Weiterentwicklung der mhd. Langvokale /e/, /o/, // zu den fallenden Diphthongen /eɐ̯/ bzw. /oɐ̯/. Da neben lexikalischen Übereinstimmungen mit dem (Süd-)Bairischen31 das Cimbro von Luserna und das Zimbrische der Sieben und Dreizehn Gemeinden diese lautlichen Merkmale (zumindest teilweise) teilen, steht die Klassifizierung dieser Dialekte als südbairische Dialekte außer Frage. Innerhalb des Südbairischen grenzt KRANZMAYER das Herkunftsgebiet der ersten zimbrischen Siedler auf Westtirol ein (vgl. KRANZMAYER 1981, 10; 1960, 166). Der südbairische Sprachraum in Tirol kann anhand von Isoglossenverläufen in mehrere sprachliche Räume gegliedert werden. Die Gebiete, die sich voneinander abheben, sind gekennzeichnet durch folgende Gegensätze: „1. Westtirol/Osttirol, d. h. die Gebiete westlich und östlich der ungefähren Achse InnsbruckBozen, 2. Zentraltirol/Randtirol, d. h. die Tiroler Hochtäler Pitztal, Oetztal, Sellrain, Passeier, Wipptal, Zillertal, Pustertal mit seinen Nebentälern und die diese Gebirgslandschaften umgebenden Gebiete des Inn, der Etsch, des oberen Lechlaufes und der Kitzbühelergegend, 3. die Gebiete im Umkreis der bedeutenden Kultur-, Handels- und Verkehrszentren: Bozen, Brixen,

31 Man vgl. hierzu KRANZMAYER (1981, 9) und TYROLLER (2003, 10, 172). Als Besonderheiten des Südbairischen im Bereich der Lexik gelten u. a. die Wörter wispeln ‚pfeifenʻ und lei ‚nurʻ (vgl. WIESINGER 1979, 27), die im Cimbro von Luserna vorkommen (vgl. BACHER 1905, 418, 303), im Zimbrischen der Sieben Gemeinden jedoch nicht (vgl. faifen und kauma in SCHMELLER 1985, 369).

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Meran, Innsbruck, Marienberg, Innichen u. a., 4. Haupt- und Nebentäler.“ (KÜHEBACHER 1962, 153–154)32

Unter Westtirol versteht man in dialektologisch-sprachgeographischer Hinsicht den nördlichen Teil des Raumes, der sich westlich der Achse Innsbruck-Bozen erstreckt, d. h. der Vintschgau gehört nicht zu Westtirol. Mehrere Isoglossen grenzen diesen Raum ab, u. a. die „Grenze der Diminutivendung auf -lə gegenüber silbischem -l̥ im Osten und Süden“ (SCHATZ 1928, 92). Eine prominente Isoglosse, die auch im Kontext der Grenzziehung zwischen dem Alemannischen und Bairischen eine Rolle spielt, betrifft die Fortsetzung von mhd. /ou/.33 Die Dialekte, die im Oberinntal, Ötztal, an der oberen Loisach, der Ammer und am Lech gelegen sind, weisen für den mhd. Diphthong /ou/ den Monophthong /o/ auf.34 Dass das Gebiet, in dem die Monophthongierung von mhd. /ou/ zu /o/ (und von mhd. /u/ zu //) durchgeführt ist, auch das alemannisch-bairische Übergangsgebiet des schwäbischen und bayrischen Lechrains einschließt, bemerkt KRANZMAYER (1956) sehr wohl: „Nun reichen diese alemannischen Lautungen über den Lech und den Arlberg nach unserer Karte [17] nach Osten auf bairischen Boden herüber, sowohl ins westliche Oberbayern als auch nach Westtirol. Die Lautformen selbst sind wie im Alemannischen nicht einheitlich. Im Staudengebiet gilt vom Norden herunter bis knapp vor Landsberg am Lech und bis vor Inning am Ammersee das gleiche ō wie im angrenzenden Nordschwaben […]; südlich davon spricht man mit dem schwäbischen auch am bayr. Lechrain bis zum Starnbergersee und im obersten Loisachtal ō.“ (KRANZMAYER 1956, 66)

TYROLLER (2003) schwächt seine Schlussfolgerung aus diesem Befund, die Herkunft der Zimbern betreffend, selbst ab: „Damit weist der Zustand der zimbrischen Sprachinselmundarten aus dialektgeographischer Sicht deutlich in die Gegend zwischen Lech und Ammer bzw. Ammersee, womit aber nicht behauptet werden soll, dass die damaligen Zuwanderer auch tatsächlich genau aus diesem Gebiet gekommen sind.“ (TYROLLER 2003, 11)

Im Grunde ist es allein die Tatsache, dass das Zimbrische der Sieben und Dreizehn Gemeinden bezüglich der Monophthongierung von mhd. /ou/ und /u/ mit den Dialekten Westtirols konform geht, die KRANZMAYER dazu veranlasst anzunehmen, dass es genau diese Gebiete sind, die „für die Heimat der Zimbern in Betracht“ kommen (KRANZMAYER 1981, 10). Dieses Herkunftsgebiet passt sehr gut zu dem Bild, das auch die alemannischen Kennzeichen des Zimbrischen suggerieren.35 Auffällig ist in diesem Zusammenhang z. B. der n-Ausfall bei den Akk./Dat.-Formen des Personalpronomens der 1. Pers. Pl. üs. Man vgl. hierzu auch folgende Beobachtung von MATZEL (1982), mit der die Gültigkeit von KRANZMAYERS These (Westtirol als Urheimat der ersten Siedler) in Frage gestellt wird: „Im Lechtalerischen finden wir die alemannischen Pronominalformen us 32 33 34 35

Man vgl. hierzu auch die Karte in SCHATZ (1928), die einen Überblick vermittelt. Man vgl. hierzu die Karte 47.5 zum Alemannischen in WIESINGER (1983a, 831). Man vgl. im Tirolischen Sprachatlas, Band 1, Karte 47 ‚Baumʻ und Karte 48 ‚taufenʻ. Man vgl. KRANZMAYER (1981, 11), der in Bezug auf die Dreizehn Gemeinden einige alemannische Wörter anführt.

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und üs und die […] Formen mit Schwund des Nasals vor Reibelaut nicht“ (MATZEL 1982, 101). Zuletzt hat MATZEL (1989) darauf hingewiesen, dass die Alemannismen im Zimbrischen noch kaum untersucht sind (vgl. auch MATZEL 1982, 100–102 und FERRERO 1981, 99–100). Westtirol ist auch das Gebiet, in dem – in Übereinstimmung mit dem Alemannischen – die Endung -en als nasaliertes -ẽ realisiert wird. Östlich und südlich davon ist hingegen der Nasal als Segment -n oder -en erhalten.36 Um seine These von der Westtiroler Urheimat tatsächlich belegen zu können, hätte KRANZMAYER also nachweisen müssen, dass der Schwund des n in jenen Gebieten erst nach der Abwanderung der ersten Siedler stattgefunden hat, und dass auch der von KRANZMAYER angenommene stetige Zuzug aus Westtirol nichts an der Tatsache ändern konnte, dass im Zimbrischen z. B. die Endung des (reinen) Infinitivs weiterhin (e/a)n lautet.37 Die These von Westtirol als Ursprungsgebiet der ersten Siedler müsste in Hinblick auf dieses Merkmal noch genauer untersucht werden. Westtirol ist heute in lautgeographischer Hinsicht ein Übergangsgebiet zwischen dem alemannischen und (süd-)bairischen Sprachgebiet (vgl. KÜHEBACHER 1962, 157).38 KRANZMAYER führt nicht nur die Charakteristika des Zimbrischen an, die auf eine genetische Verwandtschaft mit den Dialekten Westtirols schließen lassen, sondern er weist auch auf die Existenz einiger Wörter bzw. Lautungen hin, die er als Alemannismen identifiziert. Dies veranlasst ihn zu der Annahme, dass „später Schweizer“ zuwanderten (vgl. KRANZMAYER 1981, 11–12). Für HORNUNG (1988) erklären sich die Alemannismen im Zimbrischen dadurch, dass die Siedler aus einem Gebiet „am Rande des Alemannischen“ stammen (HORNUNG 1988, 166). MATZEL hingegen geht – wie auch schon KRANZMAYER – von einer Beteiligung von Alemannen bei der Besiedlung aus. Solchen differenzierenden Fragen (Alemannen neben Baiern vs. Alemannismen des Bairischen in Westtirol) ist bisher m. W. niemand eingehender nachgegangen. In diesem Zusammenhang müsste auch untersucht werden, welche Merkmale in welchem zimbrischen Dialekt als Alemannismen identifiziert werden können. Vor allem in Bezug auf das Cimbro von Luserna muss jedoch berücksichtigt werden, dass Alemannismen hier jüngeren Datums sein können. Sie könnten sich als Folge der im 20. Jahrhundert stark verbreiteten saisonalen Arbeitsmigration in die Schweiz herausstellen. Ob es sich bei den alemannischen Kennzeichen im Zimbrischen tatsächlich um solche handelt, die Siedler von westlich dieses Gebietes mitbrachten, oder um solche, die auf alemannische Kennzeichen Westtiroler Dialekte zur Zeit der Abwanderung der Siedler zurückzuführen sind, kann zum jetzigen Stand der Forschung nicht befriedigend erörtert werden. Von der Sprachgeographie des Deutschen aus betrachtet, bietet sich, wie KRANZMAYER (1960) zeigt, folgendes Bild39: Die zimbrischen Dialekte gehören 36 Man vgl. hierzu Karte 63 ‚(stell)enʻ und Karte 59 ‚(mach)en‘ im Tirolischen Sprachatlas, Band 1. 37 Man vgl. hierzu auch FERRERO (1981, 49). 38 Zur historischen Erklärung der alemannisch-bairischen Grenze vgl. man WIESINGER (1999, 301–307). 39 Vgl. hierzu auch die Karte, die KRANZMAYER (1960) beigegeben ist.

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zur „zweite[n] Gruppe altertümlicher Tiroler Reliktlandschaften“ (KRANZMAYER 1960, 165). Die erste Gruppe stellen die Tiroler Hochtäler im geschlossenen deutschen Sprachgebiet dar.40 Die zimbrischen Dialekte weisen Archaismen des Südbairischen auf. Zu den Archaismen gehört z. B. auch die Bewahrung des Präfixes ge- und die Bewahrung von auslautendem -e.41 Ein im Zusammenhang der Archaismen-Diskussion bisher weniger beachtetes Merkmal ist die Bewahrung von alten Geminaten.42 Als ein weiteres archaisches Merkmal des Zimbrischen im phonetisch-phonologischen Bereich wird die Tatsache angesehen, dass die zimbrischen Dialekte die für das Bairische typische sogenannte Verdumpfung von mhd. /a/ und /a/ zu /ɔ/ bzw. /ɔ/ nicht aufweist, sondern wie das Alemannische helles /a/ bewahrt (vgl. KRANZMAYER 1956, 22).43 Als eine Eigenentwicklung des Cimbro (innerhalb der Gruppe der zimbrischen Dialekte) betrachtet TYROLLER (1999, 181–182; 2003, 16) die Hebung von [a] / [a] zu [ɔ] / [ɔ] vor Nasal. TYROLLER (2003) stellt unter Berufung auf ZAMBONI (1974, 64) die Hypothese auf, dass diese Lautentwicklung letztlich auf ladinischen Einfluss zurückzuführen sei: „Dieses Phänomen dürfte aus dem älteren Trentiner Dialekt, der noch stark ladinisch geprägt war, ins Lusernische gelangt sein. Auch das Ladinische zeigt eine Verdumpfung des a [...]“ (TYROLLER 2003, 16). Meines Erachtens geht TYROLLER hier sowohl von falschen Fakten als auch von einer falschen Chronologie aus. Laut GARTNER (1910) ist die Verdumpfung von a vor Nasalen innerhalb der Gruppe der rätoromanischen Dialekte „fast ganz auf Graubünden beschränkt“44 (GARTNER 1910, 132). Und anders als bei der Hebung von [ɔ] zu [u] und von [ɛ] zu [i] vor Nasalen, die TYROLLER (1998b, 332; 1999, 181; 2003, 16) in den gleichen Kontext stellt und die auch JOSEF BACHER (1905) z. B. bei den Diphthongen [ɔɐ] und [ɛɐ] feststellt (vgl. BACHER 1905, 167 zu o̜a und BACHER 1905, 166 zu ea) und die auch in den südbairischen Gebieten der Tiroler Hochtäler verbreitet ist (vgl. KÜHEBACHER 1962, 162–168), ist Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts von einer Verdumpfung von [a] im Erbwortschatz des Cimbro nichts verzeichnet (vgl. die Wörterbucheinträge vaŋən und man in BACHER 1905, 415 bzw. 314).45 Dass BACHER diesen Unterschied wahrnahm, beweist die Tatsache, dass er spätere Entlehnungen aus dem Südbairischen (in Tirol) mit verdumpftem mhd. a wie to̜lar ‚Talerʻ, schno̜l ‚Schnalleʻ aufführt (BACHER 1905, 156).46 Interessanterweise findet 40 Man vgl. KRANZMAYER (1960, 163) für eine Aufzählung dieser Tiroler Hochtäler. 41 Zur Bewahrung der Vorsilbe ge- vgl. man KRANZMAYER (1960, 171–12), KÜHEBACHER (1962, 158–159), die Karte 67 im Tirolischen Sprachatlas, Band 1 und SCHATZ (1928, 56– 57). Zur Bewahrung von auslautendem -e vgl. man KRANZMAYER (1960, 172–173). 42 Zu Geminaten im Cimbro vgl. MORANDI (2008, 104–113). 43 Man vgl. hierzu etwa Karte 3 (mhd. blâwe) im Tirolischen Sprachatlas, Band 1. 44 Man vgl. hierzu auch HAIMAN (1988, 354). 45 Man vgl. jedoch die Karte 5 ‚Mondʻ, mhd. mâne im Tirolischen Sprachatlas, Band 1. Für die zimbrischen Dialekte sind folgende Formen aufgeführt: Sieben Gemeinden māno, Dreizehn Gemeinden mã̄, Lusern mōne. Sowohl ZINGERLE (1869, 42) als auch BACHER (1905, 313) führen andere Formen an: ma, mân (ZINGERLE) bzw. mã (BACHER). 46 Man vgl. hierzu auch KRANZMAYER (1981, 82).

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man für das Lexem ‚Mannʻ bei ZINGERLE (1869) zwei Einträge, einmal die Form man, und ein andermal die Form mo͂ (vgl. ZINGERLE 1869, 42 bzw. 43). Dies wäre somit einer der ersten Belege für die sogenannte Verdumpfung von [a] / [a] zu [ɔ] / [ɔ] vor Nasalen. Ob diese (und evt. noch weitere) Entwicklungen im Vokalismus des Cimbro, die mit Nasalität in Zusammenhang stehen,47 tatsächlich auf die frühesten romanischen Einflüsse in Form des Sprachkontakts mit dem Ladinischen zurückzuführen sind, ist eher zu bezweifeln, bisher jedoch zu wenig untersucht, um davon ein zusammenhängendes Bild zeichnen zu können. Die sprachliche Gemeinsamkeit der zimbrischen Dialekte, die sie als Gruppe von anderen bairischen Sprachinseldialekten in Nordostitalien abgrenzen, beschränkt sich in phonetisch-phonologischer Hinsicht auf die Beibehaltung der Rundung in den Vokalen, die mhd. /œ/ und /ʏ/ (bzw. // und /y/) entsprechen. Beispiele hierfür aus dem Cimbro sind rökh [rœk] ‚Röckeʻ und hüt [hʏt] ‚Hütteʻ. Die Umlautentrundung und somit der in allen anderen bairischen Dialekten zu verzeichnende Zusammenfall von mhd. ö und ü mit mhd. e und i fand im Zimbrischen also nicht statt.48 Die Entwicklung von mhd. w zu b ist zwar ein die zimbrischen Dialekte als Gruppe vereinigendes Merkmal, sie ist aber nicht auf das Zimbrische beschränkt. Diese Eigenheit ist nicht nur, wie TYROLLER (1999, 176; 2003, 14) meint, in allen bairischen Sprachinseldialekten Norditaliens verbreitet, sondern kommt, wie schon KRANZMAYER (1956, 74) feststellt, quasi in allen bairischen Sprachinseldialekten vor, also auch in denjenigen, die in slavischem Sprachgebiet liegen; dazu gehören Zarz (Sorica) und Deutschruth (Nemški Rut) in Slowenien und die deutschen Sprachinseldialekte in der Slowakei. KRANZMAYER vermerkt zudem, dass „auch einige unmittelbar an der Sprachgrenze liegende Mundartlandschaften [...] dieser b-Aussprache wegen dem Binnenländer auf[fallen]“ KRANZMAYER (1956, 74). Sowohl TYROLLER (1999, 178; 2003, 14) als auch MEID / HELLER (1979, 61– 64) konzentrieren sich in Bezug auf die Erklärung der Entwicklung von mhd. w zu b auf die germanisch-romanische Kontaktsituation. TYROLLER geht davon aus, dass der Lautwandel in den deutschen Dialekten einseitig auf romanischen Einfluss zurückzuführen ist. Seine Erklärung gründet auf der Annahme, dass im Altbairischen (zeitlich gesehen „vor der mittelbairischen Konsonantenerweichung“) im konsonantischen Phonemsystem „der Platz der Lenis b frei war“ (TYROLLER 2003, 14): „Da der italienische stimmhafte labiodentale Reibelaut v dem mittelhochdeutschen stimmlosen labio-dentalen Reibelaut v näher stand als dem bilabialen Reibelaut w, fiel letzterer mit dem stimmhaften bilabialen italienischen Verschlusslaut b zusammen.“ (TYROLLER 2003, 14)

MEID / HELLER (1979) konstruieren ein kompliziertes Szenario, in dem die Lautverhältnisse in den romanischen Dialekten, die auf das Zimbrische gewirkt haben, 47 Hier ist z. B. die Segmentalisierung der nasalierten Diphthonge [u͂ɐ̯͂ ] und [y͂ɐ̯͂ ] zu [ʊmɐ] bzw. [ʏmɐ] im Cimbro von Luserna zu nennen, die in KOLMER (2005a) beschrieben wird. 48 Die zimbrischen Varietäten der Dreizehn Gemeinden und der Hochebene von Lavarone weichen in dieser Hinsicht ab (man vgl. KRANZMAYER 1956, 43).

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ursprünglich auf germanische Interferenz zurückzuführen sind. Nach MEID / HEL(1979) ist die Realisierung von /v/ als w oder b (wie wacca für ‚vacca‘ oder boce für ‚voce‘) zumindest in den altitalienischen Dialekten Nord- und Mittelitaliens Ergebnis germanischen Superstrateinflusses. Nach „völliger Integrierung des germanischen Elements“ konnte die „Aussprache von /v/ als w“ und die „dadurch ausgelöste Aussprache als b“ als romanischer Einfluss „wieder auf das Zimbrische zurückwirken“ (MEID / HELLER 1979, 61). Die Versuche, dieses Phänomen zu erklären, konzentrieren sich also zum einen auf die Verhältnisse in den altitalienischen Dialekten und ihre mögliche Rolle als Einflussgröße, und zum anderen auf die Verhältnisse im Phonemsystem49 des Mittelhochdeutschen. Auch das Graphiesystem spielt eine gewisse Rolle (vgl. TYROLLER 2003, 14 in Anlehnung an KRANZMAYER 1956, 74), da in bairischen Urkunden ab 1300 für an- und inlautendes w die Schreibung b aufscheint. MEID / HELLER (1979, 62) argumentieren gegen KRANZMAYERS Auffassung, es handle sich dabei um „bloße Graphien“, d. h. um Graphien ohne phonetische Realität. Keine Beachtung findet bisher die Tatsache, dass es vereinzelt in den rezenten Dialekten des oberdeutschen Sprachraums zu ähnlichen Entwicklungen gekommen ist. Schon BOHNENBERGER (1928, 31) stellt z. B. fest, dass in gewissen schwäbischen Dialekten inlautendes mhd. w als [b] realisiert wird, wie etwa in ruibə ‚reuenʻ, mhd. riuwen.50 Auch im hoch- und höchstalemannischen Raum kommt es vereinzelt in inlautender Position zum Zusammenfall von mhd. w und b (vgl. RUSS 1982, 53).51 Auch unter einem anderen Gesichtspunkt ist es von Interesse, den Lautwandel von mhd. w zu b im Zimbrischen mit den parallelen Fällen im geschlossenen deutschen Sprachraum in Beziehung zu setzen: Es geht dabei um die allmähliche Verbreitung der b-Lautung auf verschiedene Positionen im Wort. In den alemannischen Dialekten scheint die Entwicklung auf die inlautende Position beschränkt zu sein. In den von GRIFFEN (1992, 153) untersuchten schwäbischen Dialekten blieb wort-initiales [w] erhalten. Im (Süd-)Bairischen hingegen erscheint [b] für mhd. w nicht nur in- und auslautend (also z. B. plōb ‚blau‘ als Entsprechung zu mhd. blâwe sowohl im Defereggental (Osttirol) als auch in Westtirol)52, sondern vereinzelt auch anlautend53. Für das Cimbro verzeichnet BACHER (1905, 174–175) noch am Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts einen Unterschied der Realisierung von mhd. w abhängig von der Position im Wort. Während inlautend die Ersetzung durch b abgeschlossen zu sein scheint, ist dafür in anlautender Position sowohl w als auch b belegt. Uneinheitlich sind in dieser Hinsicht jedoch die Angaben, die den Karten 71 ‚blauʻ und 77 ‚Heu; heuenʻ im Tirolischen Sprachatlas, Band 2 zu entnehmen sind. Während für Luserna und LER

49 Man vgl. hierzu auch PAUL (241998, § 116, Anm. 3, S. 140). 50 Zum Schwäbischen vgl. man auch GRIFFEN (1992). 51 Die Karte 157 ‚blaue (Augen)ʻ im SDS II zeigt die Verbreitung der b-Lautung für mhd. /w/ anhand der dialektalen Entsprechungen von mhd. â+w. 52 Man vgl. Karte 71 ‚blauʻ im Tirolischen Sprachatlas, Band 2. 53 In dem Hörstück ID 13 (St. Veit im Defereggental, Osttirol) der CD „Dazähl’n“, herausgegeben vom Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ist z. B. die Tendenz, anlautendes /w-/ durch den Verschlusslaut /b-/ zu ersetzen, deutlich hörbar.

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die Sieben Gemeinden auf Karte 71 (mhd. blâ-wes ‚blau-‘) die Form plāwe verzeichnet ist (man vgl. dazu: plbə bei BACHER 1905, 175), lautet die entsprechende Form für die Dreizehn Gemeinden pi̯ bə. Auf Karte 77 (mhd. höüwe ‚Heu‘) lauten die Formen für Luserna und die Sieben Gemeinden hȫbe, hȫban, in den Dreizehn Gemeinden hingegen houwe, houwan. Diese Daten lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass im Zimbrischen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch inlautend nicht jedem mhd. w ein b entspricht. Wie TYROLLER (1999, 175) feststellt, zeigen sich die Gemeinsamkeiten der zimbrischen Dialekte vor allem in der Bewahrung von Lexemen, die im Bairischen des geschlossenen deutschen Sprachraums längst nicht mehr verbreitet sind, wie z. B. die Fortsetzung von mhd. ouwe ‚Schafʻ, bîten ‚wartenʻ, bruoch ‚Hoseʻ. Was die in den überlieferten Daten feststellbaren (phonetisch-phonologischen) Unterschiede zwischen den zimbrischen Dialekten betrifft, scheint es mir zu vereinfachend, die Behauptung aufzustellen, dass sie ausschließlich „durch eigenständige Weiterentwicklungen bedingt“ seien (TYROLLER 2003, 14). Vereinfachend ist diese Sicht schon allein deshalb, weil nur wenige weit zurückreichende Sprachdaten vorhanden sind. Zudem ist das uns Überlieferte nicht gleichmäßig auf die einzelnen Dialekte verteilt, sondern es konzentriert sich für ältere Quellen auf die Sieben Gemeinden. Und davon abgesehen ist noch nicht einmal das vorhandene Material systematisch daraufhin untersucht worden, ob die Rekonstruktion einer mitgebrachten gemeinsamen Basis möglich ist. Die übliche Darstellung suggeriert den Eindruck einer ehemaligen Homogenität der zimbrischen Dialekte, die eventuell nie bestanden hat. Mir erscheint es daher angebracht, etwas vorsichtiger davon auszugehen, dass es neben den gemeinsamen Archaismen insbesondere Gemeinsamkeiten der historischen und territorialen Rahmenbedingungen ihrer Entstehung sind, die es rechtfertigen, von der Gruppe der zimbrischen Dialekte zu sprechen. Diese Tatsache sollte man insbesondere bei Überlegungen und Erklärungen zum Sprachwandel im Auge behalten. Denn es handelt sich z. B. bei den ältesten Quellen zum Zimbrischen, den Katechismen von 1602 und 1813 nicht etwa um unmittelbare Vorstufen des Cimbro von Luserna, sondern um die ältesten Zeugnisse des zimbrischen Dialekts der Sieben Gemeinden, der unter ähnlichen Bedingungen entstanden ist und sich unter ähnlichen Bedingungen weiterentwickelt hat wie das Cimbro. Hinsichtlich der Chronologie der Besiedlungsgeschichte, die zur Verbreitung der zimbrischen Dialekte auf den Hochebenen südlich der Brenta und östlich der Etsch geführt haben, gibt es zwei verschiedene Meinungen. Unter anderem aus der Kategorisierung von einigen lautlichen Erscheinungen in den zimbrischen Dialekten der Dreizehn Gemeinden und der Hochebene von Folgaria und Lavarone als „Neuerungen“ schließt KRANZMAYER, dass es sich bei den Sieben Gemeinden um die „Muttergründung“ handelt, wobei „ihre ersten Siedler [...] ungefähr um 1100 aus dem westlichen Nordtirol“ kamen (KRANZMAYER 1981, 19 und 1960, 166). Die weitere Verbreitung auf den Höhen südlich der Brenta und östlich der Etsch rekonstruiert KRANZMAYER (1960) folgendermaßen:

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„Von hier aus werden folgende Tochtergründungen, stets mit erneutem Zuzug aus Westtirol, angelegt: ugf. um 1200 Vielgeréit (Folgaria) [...], zur selben Zeit Lafráun (Lavarone) [...]. Um 1280 wurden von den Sieben Gemeinden aus die Dreizehn Gemeinden (Tredici Communi) kolonisiert [...].“ (KRANZMAYER 1960, 166)

An dieser Stelle wird nicht klar, welcher Quelle KRANZMAYER die Information entnimmt, dass 1280 das Gründungsjahr der Dreizehn Gemeinden ist. Diese Datierung bezieht sich auf eine Urkunde über einen Vertrag zwischen dem Bischof Bartolomeo della Scala von Verona mit Oldericus von Altissimo, welche „eindeutig die Existenz deutscher Siedler in Rovere di Velo in den Dreizehn Gemeinden bezeugt“ (BAUM 1983, 23). Entsprechend der Besiedlungsrekonstruktion von BAUM (1983) muss dieses Dokument nicht als erste Siedlung innerhalb der Dreizehn Gemeinden gewertet werden. BAUM (1983, 28), der sich in erster Linie auf Urkunden und die Zusammenhänge der lokalen Besitz- und Herrschaftsverhältnisse vom 11. bis zum 13. Jahrhundert stützt, vertritt – wenn auch sehr vorsichtig – die These, dass die Dreizehn Gemeinden die ältesten der zimbrischen Siedlungen seien: „Um 1055 siedelten Bauern aus dem Bereich des Klosters Benediktbeuern im Gebiet von Verona, wahrscheinlich auf den Besitzungen des Klosters S. Maria in Organo in Verona in der Lessinia. Hier entstanden nun allmählich im 11. und 12. Jahrhundert die Siedlungen, die später den Namen „13 Gemeinden“ trugen. Auch die Besiedlung der „7 Gemeinden“ begann um diese Zeit, möglicherweise durch die Fürstbischöfe von Freising in Godego und Chogno oder durch die 1036 von Deutschland nach Italien übersiedelten Ezzelini, die möglicherweise ihre Untertanen mitbrachten. Die neuen Siedlungen gediehen so gut, dass der Trienter Fürstbischof Friedrich von Wangen 1216 bei Beginn seines Siedlungsprogramms für die unbesiedelten Höhen östlich der Etsch bereits Siedler aus dem Gebiet der 7 und 13 Gemeinden nach Lafraun [= Lavarone], Filgreit [=Folgaria], Lusern, dem Brand-, Raut- und Laimtal holen konnte. Wir haben somit zwei „zimbrische“ Siedlungsgebiete: eines im Westen in der Tiroler und Trienter Einflußsphäre und eines im Osten im Einflußbereich von Verona, Vicenza, Padua und Venedig.“

Die im Zitat angeführte Herkunft der ersten Siedler aus dem Einflussbereich des Klosters Benediktbeuern kann urkundlich belegt werden. HEIGL (1974, 11) macht darauf aufmerksam, dass es eine Verbindung zwischen dem damaligen Abt von Benediktbeuern und dem Bischof Walther von Verona gab. Letzterer ließ 1040 eine Burg in der Nähe von Giazza errichten. Die Urkunde ist die letzte Seite des Codex latinus 4547 der Bayerischen Staatsbibliothek München. Darin befindet sich eine Aufzählung von Familien (insgesamt ca. 250 Personen), die wegen einer Hungersnot von Benediktbeuern auswanderten (vgl. BAUM 1983, 12; HEIGL 1974, 11). Die „angegebenen Herkunftsorte der Siedler liegen [...] in der Gegend um Kochelsee, Starnberger See, Ammersee und in der Nähe der Amper zwischen Fürstenfeldbruck, Dachau und München“ (TYROLLER 2003, 12). Diese Herkunftsorte passen weder zu der Version von Westtirol als der Urheimat der Zimbern, noch zu der von TYROLLER (2003) vertretenen Ansicht, dass (rein theoretisch) die sprachlichen Übereinstimmungen auf das Lechrainer Dialektgebiet als Herkunftsgegend deuten. Es wurde auch schon bezweifelt, dass „dieses Dokument als Beleg für die Zuwanderung aus dem darin genannten Gebiet gelten darf [...]“

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(TYROLLER 2003, 12). Was die Chronologie der Siedlungsgründungen betrifft, d. h. die Frage, ob nun die Sieben oder die Dreizehn Gemeinden die älteren sind, ist schwer einzuschätzen, welche der beiden präsentierten Versionen die wahrscheinlichere ist. Hinsichtlich des einstigen sprachgeographischen Zusammenhangs der zimbrischen Siedlungen vertritt KRANZMAYER (1981) die Meinung, dass bis zum 17. Jahrhundert das gesamte Gebiet zwischen den Hochebenen von Folgaria und Lavarone, der Sieben Gemeinden und der Dreizehn Gemeinden ein zusammenhängendes zimbrisches Sprachgebiet war, das „sogar im unmittelbaren Zusammenhange mit dem geschlossenen deutschen Sprachgebiet“ stand (KRANZMAYER 1981, 3–4). Einige Jahrzehnte später vertritt KRANZMAYER (1960) diese These noch deutlicher: „Das Zimbrische hat vor vier Jahrhunderten sämtliche Täler zu beiden Seiten des Kammes der Lessinischen Alpen von den Sieben bis zu den Dreizehn Gemeinden zu einem Raum vereinigt und hat im Hochmittelalter streckenweise in die Vicentinische Ebene ausgegriffen, [...].“ (KRANZMAYER 1960, 168)

Dabei schließt sich KRANZMAYER in gewisser Weise der Darstellung SCHMELLERS (1838) an. Jedoch setzt letzterer die spürbare Romanisierung der Täler, die zur Unterbrechung des Zusammenhangs zum „grossen deutschen Gesamtkörper“ geführt hat, schon im 13. Jahrhundert an: „Um diese Zeit muss in dem Striche südlich von Salurn das romanische Element das Deutsche endlich vollends überwältigt und in sich aufgenommen haben. Der Schnee nordischer Rede schmolz in den mildern, verkehrreichern, bevölkertern Thalgegenden; er hat sich nur auf den Höhen, in dem Maasse, als sie abgelegener, unwirthlicher waren, und so denn auf einigen wenigen bis auf unsere Tage, zu erhalten vermocht. Und dieses Schmelzen, das wir vor unsern Augen unaufhörlich fortgesetzt sehen, wird nach einigen Generationen auch noch die letzten Reste unrettbar dahingenommen haben.“ (SCHMELLER 1838, 707–708)

Weiterhin geht SCHMELLER davon aus, dass im 17. Jahrhundert die Romanisierung der „umgebenden Thallande“ vollendet war. KRANZMAYER (1960) hingegen meint, dass bis zum 17. Jahrhundert eine gewisse sprachgeographische Kontinuität zwischen dem Südbairischen in Tirol und den südbairischen Siedlungen im Trentino und Veneto bestand. Insbesondere die letztgenannte Behauptung findet heute wohl keine Anhänger mehr. So stellt z. B. BRANDSTÄTTER (1996) fest, dass es „in der Valsugana [...] vom 15. bis zum 17. Jahrhundert eine stellenweise beträchtliche deutsche Minderheit mit Zentren in Pergine und in der Umgebung von Caldonazzo, in Roncegno, Borgo, Levico und Novaledo“ gab (BRANDSTÄTTER 1996, 363–364). Die Tatsache, dass das erste Buch, das in Trient 1475 gedruckt wurde, eines in deutscher Sprache war (vgl. BAMPI 1883, 6), kann vielleicht als Beleg für einen relativ hohen Anteil an Deutschsprachigen noch im 15. Jahrhundert in dieser norditalienischen Stadt herangezogen werden. Die sprachlichen Verhältnisse im Trentino zu dieser Zeit und früher schätzt BRANDSTÄTTER anders ein als KRANZMAYER: „Wenn also im Mittelalter die deutsche Sprache im Trentino weit verbreitet war und zum Teil Zweisprachigkeit anzunehmen ist, so darf freilich nicht vergessen werden, daß ein guter Teil

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der Bevölkerung die deutsche Sprache nicht oder nur unzulänglich gesprochen haben wird.“ (BRANDSTÄTTER 1996, 365)

SCHMELLER (1838) vertritt, was die Koexistenz von deutsch- und italienischsprachiger Bevölkerung angeht, eine ähnliche Meinung: „Dass indessen dieser also auslaufende Sprachkeil ein durch und durch deutscher gewesen, ist wenig wahrscheinlich. Die frühere italienische Bevölkerung wird, besonders in den grösseren Ortschaften, mit deutscher nur vermengt gewesen seyn [...]“ (SCHMELLER 1838, 705).

Zusammenfassend ist also davon auszugehen, dass die das zimbrische Sprachgebiet umgebenden Täler durch romanische Altbesiedlung geprägt sind, die Hochebenen südlich der Brenta und östlich der Etsch hingegen ein Jungsiedelgebiet darstellen, „das in oder nach dem 11. Jahrhundert von deutschen Siedlern kolonisiert wurde“ (ROWLEY 1996, 270). Wie schon oben erwähnt, sind es vor allem die historischen und territorialen Rahmenbedingungen ihrer Entstehung, die es rechtfertigen, von der Gruppe der zimbrischen Dialekte zu sprechen. Italienische Forscher bezeichnen die zimbrischen Dialekte mitunter als germanische Mundarten (vgl. BIDESE / TOMASELLI 2005). Vor dem Hintergrund, dass die zweisprachigen Luserner selbst ihr Asbebiar (wörtl. ‚als wie wirʻ) als eigene Sprache und nicht als deutschen Dialekt empfinden (vgl. ROWLEY 2000, 216), stellt sich die Frage, ob der sprachliche Abstand des Zimbrischen vom Kontinuum der benachbarten deutschen (bzw. bairischen) Dialekte so groß ist, um, wie das z. B. für das Pennsylvaniadeutsche von HUTTERER (1999, 343) und LOUDEN (2004) vorgeschlagen wird, von einem eigenständigen Idiom bzw. von einer germanischen Abstandsprache sprechen zu können. Meines Erachtens sind die Unterschiede auf fast allen sprachlichen Ebenen zu bairischen Varietäten im geschlossenen deutschen Sprachgebiet so weitreichend, dass das Cimbro von Luserna – und das gilt auch für die übrigen zimbrischen Dialekte – sich nicht in das Kontinuum der bairischen Dialekte integrieren lässt. Ein Hinweis darauf, dass schon im 15. Jahrhundert ein gewisser Abstand bestand, liefert die wohl in Bezug auf das Zimbrische der Sieben Gemeinden 1477 gemachte Beobachtung von Francesco Corna, dass sich „die Deutschen [...] nicht gut mit den Zimbern verständigen [könnten]“ (BAUM 1983, 49). Und auch die Tatsache, dass die in den Sieben Gemeinden für den Religionsunterricht verfassten Katechismen von 1602 und 1813 nicht in Anlehnung an die sich herausbildende deutsche Schriftsprache verfasst wurden, sondern eine auf der Mündlichkeit basierende Literatursprache geschaffen wurde, zeugt von einem deutlichen Abstand zu den Entwicklungen, die zur deutschen (Schrift-)Sprache im geschlossenen deutschen Sprachgebiet geführt haben. Auch KLOSS (1978, 140–145) beschreibt das Zimbrische als Abstandsprache (zum Deutschen). Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem erheblich später entstandenen Pennsylvaniadeutschen, dessen Entstehung nicht weiter zurückreicht als ins 17. Jahrhundert (vgl. HUTTERER 1999, 342), und dem Zimbrischen besteht darin, dass die Anzahl der Sprecher des Pennsylvaniadeutschen aufgrund des Bevölkerungswachstums und der religiös basierten gesellschaftlichen Absonderung, die wesentlich zur Spracherhaltung beitragen, ständig zunimmt (vgl. LOUDEN 2004),

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während das Zimbrische in den Sieben und Dreizehn Gemeinden seit Jahrzehnten nicht mehr lebendig ist.54 Nur in Luserna hat sich der zimbrische Dialekt bis heute erhalten, wenn auch Anzeichen und Auswirkungen eines allmählichen Sprachwechsels wahrzunehmen sind. 2.4 DIE DEMOGRAPHISCHE ENTWICKLUNG VON LUSERNA AB DEM 18. JAHRHUNDERT Die Entwicklung des Ortes Luserna ist im 18. und 19. Jahrhundert und auch noch am Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt von einer steten Bevölkerungszunahme. Dies zeigen die Einwohnerzahlen in den folgenden Aufzählungen, die auf den von PREZZI (2001, 57, 113, 174) präsentierten Daten basieren. Sie zeichnen das Wachstum der Bevölkerung von Luserna vom Anfang des 18. Jahrhunderts bis 1920 nach. 18. Jahrhundert

Jahr 1701 1715 1753 EZ 139 159 238

19. Jahrhundert

Jahr 1826 1840 1850 1860 1870 1880 1890 EZ 306 451 509 588 660 775 836

20. Jahrhundert bis 1920 Jahr 1900 1910 1920 EZ 926 941 1055 Tabelle II: Entwicklung der Bevölkerung von Luserna vom 18. Jh. bis 1920 (EZ = Einwohnerzahl)

Die Menschen kamen also zurecht mit dem, was ihnen ihre Lebensgrundlage, die hochgelegenen Almwiesen und Wälder, bot. Als Bergbauern betrieben sie Viehzucht und Milchwirtschaft, kultivierten Früchte für den Eigenbedarf. Das traditionelle Leben, von dem die älteste Generation heute noch erzählen kann, war bestimmt von der Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. Während die Frauen für die meisten der eben genannten Wirtschaftsbereiche vor Ort und für die Versorgung der Familien zuständig waren, verdienten die Männer vom Frühjahr bis zum Herbst Geld (v. a. als Bauarbeiter) in Oberitalien (Wildbachverbauung) oder im deutschsprachigen Ausland.55 Die Einwohner von Luserna stel54 Man vgl. hierzu die Übersicht zur Entwicklung des Bevölkerungsanteils der Sprecher des zimbrischen Dialekts in den Sieben und Dreizehn Gemeinden in ROWLEY (1996, 272) und auch die Aussage von BIDESE / TOMASELLI (2005, 71, Fn. 1), dass das Zimbrische in diesen Gegenden nur als Erinnerungssprache erhalten ist. Man vgl. hierzu auch GEISER (2005), der die These vertritt, die nach wie vor vereinzelt zu verzeichnende schriftliche Textproduktion in zimbrischer Sprache in den Sieben Gemeinden sei als eine Entwicklung des Zimbrischen zur lingua sacra zu verstehen. 55 Zur Verbreitung dieses Phänomens in Luserna vgl. man BECKER (1968, 202–206). Man vgl. hierzu auch die im Winter betriebene Hausierertätigkeit der Fersentaler (vgl. ROWLEY 1996, 268).

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len, was die saisonale Abwanderung betrifft, keine Ausnahme dar. Im ganzen Trentino war bei der männlichen Bevölkerung der höheren Lagen die zeitweilige Auswanderung ein verbreitetes Phänomen (vgl. BECKER 1968, 206 und GROSSELLI 1998). Eine detaillierte Untersuchung dieses Aspekts der Geschichte Lusernas stellt PREZZI (2001) dar. Er liefert eine umfangreiche und reich dokumentierte Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung von Luserna seit Anfang des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine entscheidende Wende in der demographischen Entwicklung des Dorfes findet in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg statt (vgl. Tabelle III, zusammengestellt aus Daten, die hauptsächlich aus NICOLUSSI CASTELLAN 2001, 32 und PREZZI 2001, 174 stammen). Jahr 1929 EZ 971

1942 1950 1960 1970 1980 1990 2000 200156 200257 760 830 658 608 480 396 322 297 296

Tabelle III: Entwicklung der Bevölkerung von Luserna ab 1929 (EZ = Einwohnerzahl)

Die allmähliche Bevölkerungsabnahme wird unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg verursacht durch eine erhöhte Sterblichkeit, hervorgerufen durch Krankheiten und Mangelernährung (vgl. PREZZI 2001, 161). In den Jahren zwischen 1920 und 1935 sank die Zahl der Eheschließungen um 67 %58 (vgl. PREZZI 2001, 168) und diejenige der Geburten um 61 %59 (vgl. PREZZI 2001, 176). Die stetige Abnahme der Bevölkerung seit den fünfziger Jahren ist als Folge der Anpassung an die Anforderungen der modernen Lebensbedingungen zu verstehen. Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit fand die Nachkriegsgeneration vermehrt in den umliegenden Tälern. Diese Tatsache lässt sich z. T. belegen anhand der Ergebnisse der Volkszählung im Jahr 2001, die auch die Erfassung der in der Provinz Trient gesprochenen Minderheitensprachen zum Gegenstand hatte. Demnach bekennen sich im Jahre 2001 in der Provinz Trient insgesamt 882 Personen zur zimbrischen Identität, wovon 267 auf die Ortschaft Luserna entfallen und sich die restlichen wie folgt verteilen: 367 im oberen Valsugana, 319 im Etschtal (davon 233 innerhalb der Gemeinde Trient) und 127 im Val Lagarina (davon 64 in Rovereto).60 Geht man von der Zahl der gemeldeten Einwohner in Luserna im

56 Die Information für das Jahr 2001 stammt aus NICOLUSSI CASTELLAN (2004, 172). 57 Die Information für das Jahr 2002 stammt aus dem Zeitungsartikel „Luserna sta morendo“ in der Tageszeitung Trentino vom 10.9.2002, verfügbar auf der Internetseite: [‹www.lusern.it›], Rubrik ARTICOLI: stampa. 58 In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das ein Absinken von 43 Eheschließungen in den Jahren zwischen 1920–24 auf 14 in den Jahren zwischen 1930–34. 59 In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das ein Absinken von 202 Geburten in den Jahren zwischen 1920–24 auf 78 Geburten in den Jahren zwischen 1930–34. 60 Die Angaben entstammen dem Artikel „Dellai ha presentato i dati sulle minoranze linguistiche“, der am 31.8.2002 in der Tageszeitung Trentino erschien; verfügbar auf der Internetseite [‹www.lusern.it›], Rubrik ARTICOLI: stampa.

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Jahr 2001 aus, also von 297 Personen, kann daraus geschlossen werden, dass sich ca. 90 % der Einwohner Luserns zur zimbrischen Identität bekennen. Die Abwanderung in die umliegenden Täler hat zur Folge, dass für viele dieser Menschen Luserna nur noch ein Wochenend- und Feriendomizil darstellt. Eine unmittelbare Folge davon ist die verstärkte sprachliche Integration in die Umgebungsgesellschaft, etwa in Trient, Rovereto oder Pergine. Auch die kontinuierliche Abnahme der Geburtenrate, die bis heute anhält, steht im Einklang mit der Entwicklung der Umgebungsgesellschaft. Am 31.12.2000 waren in Luserna 322 Menschen gemeldet, von denen jedoch nur ca. 220 ständig am Ort leben (vgl. NICOLUSSI CASTELLAN 2001). Unter den 322 gemeldeten Personen waren 25 Kinder bis 14 Jahre, 174 Erwachsene (95 Männer und 79 Frauen) zwischen 15 und 60 Jahren, und 123 Personen (39 Männer und 84 Frauen), die über 60 Jahre alt waren (vgl. NICOLUSSI CASTELLAN 2001). Auch hinsichtlich der Altersstruktur des Dorfes zeichnet sich in den letzten Jahren keine Trendwende ab. Luserna ist im Jahre 2000 mit 50,51 die Gemeinde mit dem höchsten Durchschnittsalter im Trentino (vgl. NICOLUSSI CASTELLAN 2001), und der prozentuale Bevölkerungsanteil der Kinder unter 14 Jahren sinkt kontinuierlich, von ca. 8 % im Jahr 2000 auf 6 % im Jahr 2002.61 Zu diesem Zeitpunkt sind 96 der 296 Einwohner über 65 Jahre und nur 18 unter 14 Jahre alt. 2.5 SPRACHERHALTUNG UND SPRACHKONTAKT Spracherhaltend wirkten in Luserna über viele Generationen v. a. drei Faktoren: erstens die geographische Randlage und die daraus resultierende verkehrstechnisch schlechte bzw. zeitaufwändige und mühsame Anbindung, zweitens die zum großen Teil auf Selbstversorgung ausgelegte Wirtschaftsform, die aufgrund der saisonalen Abwanderung des Großteils der erwachsenen männlichen Bevölkerung lange aufrecht erhalten werden konnte, und drittens ein endogamisch ausgerichtetes Heiratsverhalten. In neuerer Zeit war für die Spracherhaltung die für das 20. Jahrhundert belegte saisonale Abwanderung in deutschsprachige Gebiete förderlich. Eine Momentaufnahme aus den Jahren 1961 und 1963 zeichnet BECKER (1968, 203). Von den rund 150 Personen, die 1963 auf Wanderarbeit gingen, zogen 109 Personen in die Schweiz, 31 nach Südtirol, acht nach Deutschland und nur zwei in die nähere Umgebung des Trentino. In Bezug auf das Heiratsverhalten liegen uns für Luserna Daten zum endogamischen und exogamischen Heiratsverhalten nur für den Anfang des 20. Jahrhunderts vor (PREZZI 2001, 177–178). In diesem Zusammenhang ist ein Vergleich mit dem Fersental interessant, dessen Entwicklung MIRTES (1996) beschreibt. Auch im Fersental wird die Erhaltung des deutschen Sprachinseldialekts zum Teil auf das endogamische Heiratsverhalten zurückgeführt (vgl. auch ROWLEY 1996, 269). Auch MATZEL (1989, 85) erwähnt als eine Ursache für den 61 Die Angaben entstammen dem in Fn. 60 zitierten Zeitungsartikel.

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Sprachwechsel in den Sieben und Dreizehn Gemeinden die Aufhebung der sogenannten Sbarra ‚Schrankeʻ, die zuvor exogamische Partnerwahl unter Strafe stellte. Die gerade genannten drei Hauptfaktoren wirkten zusammen mit der eigenen Sprache identitätsstiftend. Und die Tatsache, dass die Dorfgemeinschaft mit dieser Art von Lebensführung bis ins 20. Jahrhundert hinein Erfolge wie eine wachsende Bevölkerungszahl und einen steigenden Lebensstandard vorweisen konnte, trugen sicher zu einer positiven Einstellung gegenüber der sie von der Umgebungsgesellschaft unterscheidenden Identität bei. Insbesondere das Heiratsverhalten von Angehörigen einer bilingualen Sprachgemeinschaft hat Auswirkungen auf die Weitergabe und die Sprachkompetenz nachfolgender Generationen. Bislang fehlen entsprechende soziolinguistische Untersuchungen, die diesen Zusammenhang für den Ort Luserna belegen könnten. Die Ergebnisse von FRANCESCATO / FRANCESCATO SOLARI (1994) zu den Verhältnissen in der südbairischen Sprachinsel Timau (auf deutsch Tischlwang), die am Fuß des Plöckenpasses in der Provinz Udine liegt, zeigen auf, dass dort die Wahrscheinlichkeit, den deutschen Dialekt als Erstsprache zu erwerben, am höchsten ist (nämlich 81,8 %), wenn beide Elternteile aus Timau stammen. Ist der Vater von auswärts, liegt der Prozentsatz dafür, Tischlwangerisch als Erstsprache zu erlernen, nur noch bei 19,5 %. Stammt die Mutter nicht aus Timau, ist die Erstsprache des Kindes zu einem hohen Prozentsatz entweder Friaulisch (40,7 %) oder Italienisch (44,2 %) (vgl. FRANCESCATO / FRANCESCATO SOLARI 1994, 97). Eine Geschichte der Sprachkontaktsituation von Luserna, die sich anhand von absoluten Zahlen bzw. prozentualen Anteilen der bilingualen, passiv bilingualen und monolingualen Sprecher im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung von Luserna ablesen ließe, kann zum jetzigen Stand der Forschung nicht geschrieben werden. Die Zeit, in der es noch monolinguale Cimbrosprecher gab, liegt sicher einige Generationen zurück. Handelsbeziehungen mit der italienischsprachigen Bevölkerung in den Tälern bestanden wohl schon sehr früh, denn auf der Hochebene von Luserna wurde und wird z. B. kein Getreide angebaut. Wie ausgeprägt und verbreitet die Italienischkenntnisse unter den Bewohnern von Luserna in früheren Jahrhunderten waren, ist schwer abzuschätzen. Informativ ist in dieser Hinsicht der Vergleich mit den Verhältnissen in den Sieben Gemeinden und in Lavarone. BAUM (1983, 44) schätzt den Beginn des Rückgangs der zimbrischen Sprache im Gebiet der Sieben Gemeinden auf das 16. Jahrhundert und zwar als Folge der Auswirkungen der Gegenreformation. Von einem Beginn eines kollektiven Sprachwechsels zu diesem Zeitpunkt kann wohl noch nicht die Rede sein, denn zur Zeit der Abfassung des ersten zimbrischen Katechismus, also Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts, stellt MARCO CORNARO, damaliger Bischof von Padua, im Vorwort des Katechismus fest: „Ritrovandosi nella nostra diocese li Setti Communi, ed altre Ville circonvicine, gli habitatori delle quali parlano la lingua Thedesca; sì che le donne, i fanciulli, e molti huomini ancora non hanno punto di cognitione del parlare Italiano.“ (zitiert nach MEID 1985a, 47)

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Kaum anders fällt das Urteil von FRANCESCO SCIPIONE, Bischof von Padua am Anfang des 19. Jahrhunderts, also zur Zeit der Abfassung des zweiten zimbrischen Katechismus von 1812, aus, wenn er im Vorwort auf die weitverbreitete Unkenntnis der italienischen Sprache bei der Mehrheit der Bewohner der Sieben Gemeinden zu sprechen kommt: „Nella visita, che con grande nostra soddisfazione abbiamo fatta alle Chiese de’ Sette Comuni, trovando che la massima parte de’ fanciulli di quei paesi, non che molte donne, ed anche qualche uomo, o nulla, o poco intendono la lingua italiana [...].“ (zitiert nach MEID 1985b, 35)

Der Bedarf an in Zimbrisch verfassten religiösen Unterrichtsmaterialen war auch noch Mitte des 19. Jahrhunderts so groß, dass es 1842 zu einer Neuauflage des zweiten zimbrischen Katechismus kam.62 Hinsichtlich der sprachlichen Situation bei den Bewohnern der Hochebene von Lavarone und Folgaria sind die Beobachtungen von SCHMELLER (1838) interessant. Während seiner Reise, die ihn 1833 auf seinem Weg zu seinem Hauptziel, den Sieben Gemeinden, auch an Lavarone vorbeiführt, stellt er fest, dass in diesem Ort mit damals ca. 1000 Einwohnern, „wo noch bei Menschengedenken Deutsch die herrschende Sprache gewesen seyn soll, jetzt nur ältere Leute sie noch verstehen, jüngere aber so viel als nichts mehr von ihr wissen.“ (SCHMELLER 1838, 591) In Lavarone ist also Mitte des 19. Jahrhunderts der Sprachwechsel bereits in vollem Gange. Für die Zeit ab 1880 liegen die ersten Daten vor, die als Basis für Überlegungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Bevölkerung in Luserna aus bilingualen und monolingualen Sprechern dienen können. Die bisher einzigen Versuche, in die Präsentation der demographischen Entwicklung Lusernas auch den Aspekt der ethnischen Selbstzuschreibung zu integrieren, stellen meines Wissens die Arbeiten von BECKER (1968; 1974) dar (vgl. Tabelle IV).

„Deutsch“ „Italienisch“

1880 1890 1900/01 66,6 % 96,6 % 98,2 % 33,4 % 3,4 % 1,8 %

1910/11 87,3 % 12,7 %

1921 79,2 % 20,8 %

1961 ca. 92,5 % ca. 7,5 %

Tabelle IV: Ethnische Zugehörigkeit der anwesenden Bevölkerung in Luserna (nach BECKER 1974, 65)

Ob sich hinter den in Tabelle IV angeführten Zahlen tatsächlich die Verteilung von bilingualen (die „Deutschen“) und monolingualen (die „Italiener“) Sprechern verbirgt, steht zur Debatte. Der niedrige prozentuale Anteil um 1900/01 stimmt in etwa überein mit der Darstellung von BACHER (1905, 3). Dieser gibt an, dass bei der Volkszählung im Jahr 1900 754 „Deutsche“ und 14 „Italiener“ anwesend waren, bei insgesamt 915 „heimatberechtigte[n] Einwohner[n]“. Es ist zu vermuten, 62 Die Beobachtungen, die SCHMELLER bei seinen Exkursionen 1833 und 1844 gemacht hat und in seinen Tagebüchern festhält, ergänzen und bestätigen diese Einschätzung (man vgl. RUF 1956, 160–190, 376–402).

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dass diese 14 „Italiener“ mit den Mitgliedern der einzigen monolingual italienischsprachigen Familie in Luserna identisch sind, von der er an anderer Stelle erzählt: „[...] in Luserna [wird] ausschließlich der deutsche Dialekt gesprochen; in einer einzigen Familie ist seit etwa zwei Dezennien das Italienische als Familiensprache eingeführt, ohne daß dies Beispiel Nachahmung gefunden hätte.“ (BACHER 1905, 153) Der hohe Anteil (33,4 %) derjenigen, die sich 1880 als „Italiener“ definieren, ist wahrscheinlich eine Auswirkung des damals in Tirol schwelenden Nationalitätenkonflikts (vgl. RIEDMANN 1983, 187–200), der in Luserna nachweislich in Form einer heftigen Debatte über die Unterrichtssprache an der Schule entbrannte (vgl. BACHER 1905, 28–35). 1866 wurde in Luserna die bestehende italienische Schule in eine deutsche umgewandelt, um die sich wohl auch hier der Deutsche Schulverein im Zuge seiner Bemühungen „um die Erhaltung der deutschen Minderheit in Welschtirol“ kümmerte (RIEDMANN 1983, 187).63 Ca. 20 Jahre später, im Jahr 1884, stellt die Gemeinde bei der zuständigen Behörde einen Antrag, wieder Italienisch als Unterrichtssprache einführen zu dürfen (vgl. BACHER 1905, 29). Weitere zehn Jahre zog sich der Streit hin, bis es in Luserna 1893 zur Gründung einer italienischen Privatschule kam. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Anzahl der Schüler je Einrichtung. BACHER (1905, 35, 34) berichtet, dass 1904 über 120 Schüler die deutsche Schule besuchen, jedoch nur 24 die italienische, was einem Verhältnis von 83 % gegenüber 17 % entspricht. Schwierig zu bewerten ist die Abnahme des sich als „deutsch“ bezeichnenden Bevölkerungsanteils zwischen 1900 und 1920 von 98,2 % auf 79,2 %. Ob sich hinter der erfassten ethnischen Selbstzuschreibung tatsächlich eine gravierende Veränderung der soziolinguistischen Verhältnisse in Luserna verbirgt, oder ob auch bzw. vorwiegend politische Motive dafür verantwortlich gemacht werden können, ist zum jetzigen Stand der Forschung nicht entscheidbar. Im Rahmen der Volksbefragung von 2001 bekennen sich über 80 % der Bevölkerung von Luserna zur zimbrischen Identität. Daraus kann geschlossen werden, dass der Anteil der monolingualen Italienischsprecher heute bei ca. 20 % liegt. Wie es jedoch um das Sprachverhalten und die Sprachkompetenz der „Zimbern von Luserna“ bestellt ist, wurde bisher nicht untersucht, so dass verlässliche Daten hierüber nicht vorliegen. Die Geschichte des Sprachkontakts, die in der vorliegenden Arbeit versucht wird zu erzählen, beschränkt sich auf die Präsentation der Spuren, die der langanhaltende Sprachkontakt in den morphologischen und syntaktischen Strukturen des Cimbro hinterlassen hat. Die empirische Basis stellen in erster Linie gesprochene Texte des Cimbro von Luserna dar, so wie der Dialekt heute von kompetenten Sprechern und Sprecherinnen verwendet wird. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die aktuelle sprachliche Situation und das Varietätenspektrum in Luserna eingehen. Da es bisher für Luserna keine soziolinguistischen Untersuchungen, wie sie etwa mit der ausführlichen und oben bereits erwähnten Arbeit von FRANCESCATO / 63 Ab 1893 gab es in Luserna auch einen deutschsprachigen Kindergarten (vgl. BACHER 1905, 35).

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FRANCESCATO SOLARI (1994) für Timau/ Tischlwang vorliegen,64 gibt, müssen an dieser Stelle Beobachtungen über die sozialen Situationstypen der in Luserna verbreiteten Varietäten und Sprachen genügen. Entsprechend der Definition von SCHMIDT (2005, 69), der von einer individuell-kognitiven Perspektive ausgeht, sind Varietäten Ausschnitte des sprachlichen Wissens eines Individuums. Auf soziologischer Ebene kann festgestellt werden, dass verschiedene Varietäten mit verschiedenen sozialen Situationstypen assoziiert werden. Bezogen auf die Sprachsituation in Luserna stellt sich die Frage, inwiefern Korrelationen zwischen einzelnen Situationstypen und dem Sprachgebrauch, d. h. der Sprachen- und Varietätenwahl, festgestellt werden können. Betrachtet man zunächst das außerfamiliäre Umfeld, also die Kommunikation innerhalb des Dorfes, so ist festzustellen, dass das Cimbro der Symbolisierung der Zugehörigkeit zur ingroup dient. Dies ist sowohl auf privater als auch auf offizieller, d. h. auf der die Kommune betreffenden Ebene, zu beobachten. Wie weitreichend bei individuellen Sprechern und Sprecherinnen die Kompetenz des Cimbro ist, entscheidet in erster Linie die Struktur und der Sprachgebrauch innerhalb der Familie. Bringt z. B. die Mutter keine muttersprachlichen Kenntnisse des Cimbro mit, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Kinder Cimbro vom Vater lernen, sehr gering, selbst wenn dieser aus Luserna und aus einer cimbrosprechenden Familie stammt. Ebenfalls gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder Cimbro auf der Dorfstraße im Spiel mit anderen Kindern lernen. Ihre Muttersprache und bevorzugte Kommunikationssprache wird in diesem Fall Italienisch sein. Neben dem Cimbro sind bei den Einwohnern von Luserna noch Kenntnisse weiterer Varietäten des Deutschen verbreitet. Da ist zum einen das Schweizerdeutsche zu nennen, das zu einem gewissen Grad diejenigen beherrschen, die über Jahre in der Schweiz gearbeitet haben. Dies betrifft vorwiegend Männer. Frauen begleiteten mitunter ihre Männer ins Ausland, solange keine Kinder zu versorgen waren. Auch das Bairische ist bei denjenigen verbreitet, die über Jahre in Südtirol, Nordtirol oder Bayern gearbeitet haben. Vereinzelt sind es auch familiäre Beziehungen wie etwa ein aus Südtirol stammender Ehemann bzw. eine aus Bayern stammende Ehefrau, mit der die passive und gegebenenfalls aktive Kompetenz des Binnenbairischen erklärt werden kann. Die deutsche Standardsprache wird über die Schule vermittelt und hat insbesondere in den regelmäßig erscheinenden Veröffentlichungen des lokalen Kulturinstituts, das seine Aufgabe in der Förderung der zimbrischen Kultur und Sprache in Luserna sieht, einen großen Stellenwert.65 Im lexikalischen Bereich sind im Cimbro nach der Einschätzung von HANS TYROLLER „Einflüsse aus der deutschen Standardsprache [nur] in äußerst geringem Maße vorhanden.“ (TYROLLER 2003, 21) 64 Neben der Untersuchung von FRANCESCATO / FRANCESCATO SOLARI (1994) zu Timau wurden in einem soziolinguistischen Projekt Ende der siebziger Jahre, das sich mit den Minderheitensprachen in der Region Friaul-Julisch Venetien befasste, auch die deutschsprachigen Minderheiten von Timau, Sauris und Valcanale integriert (vgl. DE MARCHI 1982). 65 Man vgl. z. B. die Zeitschrift Dar Foldjo, die zwischen August 2001 und Dezember 2009 in insgesamt 18 Ausgaben zweisprachig (Italienisch/Deutsch) erschienen ist.

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Auf der Ebene der gesprochenen Sprache ist das Cimbro als deutscher Dialekt eindeutig eine dachsprachenlose Minderheitensprache Italiens, denn es gibt – außer im schulischen Deutschunterricht und in vereinzelten Gesprächen mit deutschsprachigen Touristen – keine Situationen, in denen der Gebrauch der deutschen Standardsprache oder anderer Varietäten des Deutschen als angemessen angesehen wird. Was die Verbreitung von Varietäten des Deutschen bei den Einwohnern von Luserna angeht, ist jeweils individuell zu berücksichtigen, welche sprachbiographischen Bezüge bestehen. In keiner Weise besteht ein kontinuierliches Varietätenspektrum vom Basisdialekt bis zum Standard, wie das weitgehend auf die Sprachwirklichkeit im deutschen Sprachraum nördlich der deutschitalienischen Sprachgrenze zutrifft. Gerade die Tatsache, dass das Cimbro über Jahrhunderte nicht von der deutschen Standardsprache überdacht wurde, hatte zur Folge, dass sich auf der einen Seite viele als archaisch einzustufenden Merkmale erhalten haben und auf der anderen Seite Eigenentwicklungen – ob nun bedingt durch den Sprachkontakt mit den italienischen Varietäten oder nicht – durchsetzen konnten. Ebenfalls nicht untersucht ist bisher die in Luserna festzustellende Variation im Sprachgebrauch zwischen (Standard-)Italienisch, den italienischen Dialekten Trentinisch und Venetisch und dem Cimbro bei den mehrsprachigen Sprechern.66 Auch die Beantwortung von Fragen zum Sprachwechsel, d. h. zur Aufgabe der natürlichen Transmission des deutschen Dialekts, ist bisher nur in Ausschnitten untersucht (vgl. MORANDI 2008). Nach dieser skizzenhaften Momentaufnahme zu Aspekten der Spracherhaltung und des Sprachkontakts in Luserna wird im nächsten Abschnitt zusammengefasst, was über den Sprachkontakt mit romanischen Varietäten in historischer Perspektive bekannt ist. 2.6 PHASEN DES SPRACHKONTAKTS MIT DEM ROMANISCHEN GAMILLSCHEG (1912) unterscheidet aufgrund seiner Untersuchungsergebnisse zum romanischen Lehnwortschatz „in der deutschen Mundart von Lusern“ vier Phasen der romanischen Beeinflussung: 1. „Die ursprüngliche romanische Mundart der Umgebung Luserns im 13. Jahrhundert entsprach [...] einem Typus, den wir in seinen Hauptzügen als rätoromanisch zu bezeichnen gewöhnt sind.“ (GAMILLSCHEG 1912, 52)67 2. „Dann kam Lusern unter den Einfluß der lombardisierenden Strömung, wie Nonsberg und Sulzberg“ (GAMILLSCHEG 1912, 1) 66 Man vgl. die Bemerkungen zu den in Luserna den Sprachgebrauch regelnden Faktoren, die ROWLEY (1996, 279–280) anführt. 67 Man vgl. auch TYROLLER (2003, 18–19), der – wie schon GAMILLSCHEG (1912, 52) vor ihm – die Erhaltung des Nexus Konsonant + l in romanischen Lehnwörtern als rätoromanisches Kennzeichen erwähnt.

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3. „Später [...], als die sieben Gemeinden unter die Herrschaft Venedigs kamen, wurde auch das Venezianische die vorbildliche Sprache der romanischen Umgebung Luserns.“ (GAMILLSCHEG 1912, 1) 4. „Schließlich wurde Südtirol vom Norden des Königreichs abgetrennt und künftighin ist die Sprache Trients, des neuen politischen Zentrums, die vorbildliche Verkehrssprache.“ (GAMILLSCHEG 1912, 1–2) Diese Einteilung basiert auf der Zuordnung einzelner phonetisch-phonologischer Phänomene zu Kennzeichen italienischer bzw. rätoromanischer Dialekte. Die eindeutige Zuordnung der einzelnen Merkmale zu der einen oder anderen Beeinflussungsperiode gestaltet sich jedoch mitunter schwierig. Historische Belege, die eine Verschiebung der Orientierung bzw. Beeinflussung bestätigen würden, können durchaus angeführt werden. So galt laut BAUM (1983, 46) die Hochebene von Luserna lange als „territorialer Zankapfel“ zwischen den Ländern Tirol und Venedig. Zwischen 1487 und 1508 war sie unter venezianischer Besatzung. Die Grenzstreitigkeiten, d. h. der Streit darüber, wo genau die Grenze zwischen Tirol und Venedig zu verlaufen habe, zog sich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert hin. 1524 kam es zur Vereinigung von Luserna mit der tirolischen Gemeinde Lavarone. Dieses Hin und Her zwischen einer „Ausrichtung nach Norden (bzw. Nord-Westen)“ und einer „Ausrichtung nach Süden (bzw. Süd-Osten)“ spiegelt sich nicht nur in den territorialen Machtkämpfen zwischen den Ländern Tirol und Venedig, an deren Grenze die Hochebene von Lavarone liegt, sondern auch in den Geschäften, die die Bewohner Lusernas einmal nach Norden und einmal nach Süden führten. Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit bestand seit frühester Zeit eine Beziehung zum Norden, nämlich nach Caldonazzo (vgl. BAUM 1983, 46). Die lange bestehende kirchliche Zugehörigkeit Lusernas zur Pfarrei Brancafora im Val d’Astico, welche bis 1785 zur Diözese Padua gehörte, führte die Bewohner regelmäßig nach Süden, in vom Venetischen geprägte Gebiete. Inwieweit die von GAMILLSCHEG (1912) aufgestellte Phaseneinteilung in dieser Form tatsächlich Bestand hat, bleibt zukünftiger Forschung überlassen. Mit dem von HANS GOEBL herausgegebenen Atlant linguistich dl ladin dolomitich y di dialec vejins / Atlante linguistico del ladino dolomitico e dei dialetti limitrofi (=ALD, Sprachatlas des Dolomitenladinischen und angrenzender Dialekte) liegt seit 1998 ein wichtiges Forschungsinstrument zur Beantwortung eines Teils dieser Frage vor. Im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit steht die Zuschreibung bestimmter Sprachwandelprozesse zu verschiedenen Phasen des Sprachkontakts mit dem Romanischen nicht im Vordergrund. Wenn also im Zusammenhang der Darstellung der Pronominalmorphologie und -syntax des Cimbro Vergleiche mit rätoromanischen Dialekten angestellt werden, geschieht dies primär aus der typologisch-vergleichenden Perspektive und daher nicht mit der Intention, feststellbare Ähnlichkeiten als Beleg für eine rätoromanische Beeinflussungsphase anzuführen. Sprachkontakt bestand jedoch nicht nur mit norditalienischen und eventuell mit rätoromanischen, sondern auch – wie schon erwähnt – mit deutschen Varietäten. Die lang gepflegte Tradition der saisonalen Wanderarbeit führten v. a. erwachsene

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Männer, nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt auch Frauen, vorwiegend in deutschsprachige Länder, allen voran in die Schweiz. TYROLLER (2003, 21) schätzt die Einflüsse aus dem deutschen Sprachraum auf das Cimbro als relativ gering ein, und solche aus der deutschen Standardsprache seien nur in äußerst geringem Maße vorhanden. Letzteres erklärt sich v. a. durch die jahrhundertelange, im Grunde seit der Abwanderung aus dem deutschen Sprachgebiet bestehende Isolierung des Zimbrischen aus der Sphäre, in der die deutsche Standardsprache als Dachsprache hätte fungieren können. Außer in der Zeitspanne von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, in der Deutsch Schul- und Amtssprache in Luserna war, gab es keine Periode, in der in einem gesellschaftlich relevanten Bereich die deutsche Standardsprache als vorbildlich angesehen wurde. Und auf der Ebene der gesprochenen Sprache sind die Unterschiede zwischen dem Cimbro und den deutschen Varietäten, die die Menschen während ihrer Arbeitsaufenthalte in der Schweiz, in Deutschland oder Südtirol kennen und z. T. sprechen lernten, zu groß bzw. groß genug, als dass deren Erlernung eine Angleichung zur Folge gehabt hätte, wie sie im Zusammenhang des Kontinuums zwischen Dialekt und lokaler Umgangssprache in bestimmten Räumen des geschlossenen deutschen Sprachgebietes zu beobachten ist. Die Sprachkontaktsituation in Luserna war sehr lange geprägt von einer Situation des stabilen Bilingualismus, gestützt von den im Kapitel 2.5 geschilderten spracherhaltenden Faktoren. Und auch heute ist das Cimbro nach wie vor der Code in Luserna, der im Umgang der Menschen untereinander eingesetzt wird, um die Zugehörigkeit zur ingroup, d. h. zur zweisprachigen Mehrheit, zu symbolisieren. Hinsichtlich der äußeren Geschichte des Sprachkontakts in Luserna sind auch Informationen über das sprachliche Verhalten von Zuwanderern interessant. Eine Informantin erzählte mir von der spachlichen Integration der Kinder eines italienischsprachigen Dorfschullehrers in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Dessen Kinder lernten Cimbro auf muttersprachlichem Niveau zu sprechen. Und auch noch Jahrzehnte später, lange nachdem sie Luserna verlassen hatten, benutzten sie das Cimbro als eine Art Geheimsprache unter sich (vgl. hierzu auch DAL NEGRO 2004, 54, die Ähnliches in Bezug auf italienischsprachige Zuwanderer nach Formazza berichtet). Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass es seit einigen Jahrzehnten eine Entwicklung gibt, die vielleicht in einer nicht fernen Zukunft die bilingualen Sprecher in Luserna zu einer Minderheit werden lassen. 2.7 DAS CIMBRO ALS BEDROHTE SPRACHE Entsprechend der Einteilung von TSUNODA (2005, 5) handelt es sich beim Cimbro um einen bedrohten Dialekt bzw. eine bedrohte Sprachenklave. Einen wesentlichen Unterschied zwischen der Bedrohtheit von Varietäten in Enklaven, also Sprachinseln, und Sprachen sieht TSUNODA (2005, 6) darin, dass eine Sprachinsel in Bezug zu einer Herkunftssprache steht und die Sprache an sich nicht ausstirbt,

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auch wenn die Sprachinselvarietät verloren geht. Dieser Unterscheidung liegt die Unterscheidung zwischen locally endangered und globally endangered zugrunde. Wenn man auf der Ebene von Sprachfamilien argumentiert, leuchtet diese Unterscheidung ein. Letztlich steht dahinter eine wertende Haltung, entsprechend der die Bedrohtheit einer aboriginal language, über die eventuell wenig geforscht und veröffentlicht wurde, als ein größerer Verlust der Sprachenvielfalt angesehen wird als die Bedrohtheit eines Dialekts, von dem noch viele relativ nah verwandte Varietäten existieren. Die Bedrohtheit des Cimbro ist eng verknüpft mit der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes Luserna. Es gibt immer weniger Menschen, die permanent in Luserna leben. Daran ändert auch die vereinzelt zu verzeichnende Rückkehr von Jugendlichen nichts, „che hanno scelto di lasciare la città e di ritornare nel paese dei nonni, di cercare quassù l’enigma esistenziale“.68 Die Erwerbsmöglichkeiten vor Ort sind begrenzt, so dass die Menschen im arbeitsfähigen Alter, die nicht im Tourismus, in der Gemeindeverwaltung oder in der Kulturarbeit tätig sind, gezwungen sind, das Dorf zu verlassen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen (vgl. TRENTI 1986). Das Tourismusgeschäft ist in Luserna nicht sehr stark ausgebaut und zudem beschränkt auf einige Wochen im Jahr. Der landwirtschaftliche Sektor spielt schon seit Jahren kaum mehr eine Rolle (vgl. ANONYMUS 1993). Da für den Lebensunterhalt einer Familie meist nicht nur eine Person, sondern beide Partner einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen, kommt die traditionelle Lösung, die bis zum Zweiten Weltkrieg in Luserna praktiziert wurde, praktisch seitdem nicht mehr zur Anwendung. Für viele Nachkriegsgeborene, insbesondere die Verheirateten mit Kindern, ist Luserna nur noch ein Wochenend- und Feriendomizil. Die Bedrohtheit des Cimbro wird also in erster Linie bestimmt von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, die spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg umwälzend wirkten. Die geographische Abgeschiedenheit, die lange Zeit als bewahrender Faktor für die Spracherhaltung gewirkt hat, verkehrt sich ins Gegenteil, da tägliches Pendeln zur Arbeit in die umliegenden Täler vor allem im langen Winter als eine zu große Belastung und Gefahr angesehen wird. Das negative Bevölkerungswachstum, das eine Folge nicht nur der Abwanderung sondern auch der sinkenden Geburtenzahlen ist, führt nicht nur zur Überalterung des Dorfes, sondern auch zu einer Umorientierung der ortsansässigen Heiratsfähigen und -willigen, die ihre Partner und Partnerinnen außerhalb der Dorfgrenzen finden.69 Diese Entwicklungsbedingungen des Ortes, die den Sprachwechsel fördern, können durch die rechtliche Anerkennung als Sprachminderheit wahrscheinlich nur indirekt und langsam beeinflusst werden. Im Rahmen der italienischen Verfassung genießen die sprachlichen Minderheiten Italiens einen allgemeinen 68 Zitiert aus der Zeitung L'Adige vom 5.9.2001, verfügbar auf der Internetseite [‹www.lusern.it›], Rubrik ARTICOLI: stampa. 69 Zum Zusammenhang zwischen Exogamie und Sprachwechsel vgl. auch DAL NEGRO (2004, 56), die die Situation in Formazza beschreibt.

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Schutz. Gemeint ist damit Artikel 6 der italienischen Verfassung vom 22.12.1947 (vgl. TRIFUNOVSKA 2001, 500) und die Änderung, die am 25.11.1999 in Kraft trat (vgl. PALERMO 2001). Die in der autonomen Region Trentino-Alto Adige gelegenen Sprachminderheiten (d. h. die Ladiner, Mòcheni und Cimbri) sind darüber hinaus durch den Schutz der Rechte der Minderheiten der Provinzen Bozen und Trient erfasst. 1987 wurden in einem Gesetz für die germanophonen Minderheiten in der Provinz Trient die Rahmenbedingungen für Maßnahmen zur Aufwertung und zum Schutz der kulturellen Eigenheiten der Bevölkerung des Fersentals und Lusernas geschaffen. Die Maßnahmen umfassen z. B. die Einrichtung von Kulturinstituten und Bestimmungen zum Status des deutschen Dialekts in Kindergarten und Volksschule (vgl. ROWLEY 1996, 277). Darüber hinaus wird gleichzeitig in Artikel 102 der Unterricht der jeweiligen Minderheitensprache und die Vermittlung der jeweiligen Kultur in der Schule garantiert. Diese Gesetzesänderung umfasst auch die Verwendung der Minderheitensprachen in den Medien (Funk, Fernsehen und Presse) (vgl. TOLLER 2001): „Le popolazioni ladine e quelle mòchene e cimbre dei comuni di Fierozzo, Frassilongo, Palù del Fersina e Luserna hanno diritto alla valorizzazione delle proprie iniziative ed attività culturali, di stampa e ricreative, nonché al rispetto della toponomastica e delle tradizioni delle popolazioni stesse. Nelle scuole dei comuni della provincia di Trento ove è parlato il ladino, il mòcheno o il cimbro è garantito l’insegnamento della lingua e della cultura ladina o tedesca“ (Artikel 102 des Autonomiestatuts der Region Trentino-Alto Adige, zitiert nach TOLLER 2001, 11)

Die Umsetzung dieses rechtlich zugesicherten Minderheitenschutzes wirkt sich z. B. in der Finanzierung von Projekten wie etwa der Einrichtung des Centro Documentazione Luserna 1996 aus. Neben Projekten, die die Geschichte des Ortes und der Dorfgemeinschaft zum Gegenstand haben und z. T. in Form von Ausstellungen durchgeführt werden, werden auch Aktivitäten gefördert, die mit der Dokumentation und Vermittlung der Minderheitensprache zu tun haben. Die Sprachdokumentation umfasst bisher die Erstellung von Grammatiken (TYROLLER 2003; PANIERI et al. 2006) und Wörterbüchern. Auch sehr ansprechende Kinderbücher wurden verfasst. Auf Aktivitäten der seit 1972 bestehenden Associazione culturale „Kulturverein Lusern“ geht u. a. die Publikation der Reihe „Lusérn kontart“, des Wörterbuchs „ünsarne börtar in cimbro“ (bearbeitet von MARIA BEATRICE BERTOLDI, URBANO NICOLUSSI CASTELLAN und GABRIELLA NICOLUSSI ZAIGA), und des 2005 erschienenen Wörterbuchs „Di belesan börtar in cimbro“ (bearbeitet von URBANO NICOLUSSI CASTELLAN, GABRIELLA NICOLUSSI MOZ ZAIGA und ILENIA PEDRAZZA) zurück. Zimbrischer Sprachunterricht konzentrierte sich zunächst auf die Arbeit mit Kindern in der Schule. Zwischen Mitte der siebziger und Ende der neunziger Jahre vermittelte die aus Luserna stammende und in Luserna lebende Grundschullehrerin ADELIA NICOLUSSI BAIZ im Rahmen des Unterrichts in der Primarschule Kenntnisse des Cimbro. Die Vermittlung bestand v. a. im Lesen der von ALFONSO BELLOTTO (1978) neu herausgegebenen „Racconti di Luserna“, die von JOSEF BACHER am Anfang des 20. Jahrhunderts gesammelt und aufgezeichnet worden waren. Nach der Pensionierung der Lehrerin beschränken sich die sprach-

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vermittelnden Angebote für Kinder auf die Freizeitgestaltung, z. B. im Rahmen der regelmäßig im Sommer stattfindenden Colonia cimbra.70 In diesem Rahmen entstehen auch von Kindern verfasste Texte auf Cimbro, die z. T. in der Zeitschrift des Istituto Culturale Mòcheno-Cimbro (vormals Identità, zwischenzeitlich Lem Bersntol-Lusérn, schließlich Dar Foldjo) veröffentlicht wurden. Neuerdings werden auch Sprachkurse für Erwachsene angeboten. All diese Aktivitäten sind Ausdruck des Bewusstseins, dass etwas getan werden muss, um den Sprachwechsel zu verhindern. Nach Schätzungen von RITA MORANDI, die zum Phänomen der Spracherhaltung und des Sprachwechsels in Luserna geforscht hat, hat die überwiegende Mehrzahl der heute unter 25-jährigen Italienisch als Erstsprache erworben. Demnach kann die Unterbrechung der natürlichen Transmission auf die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts geschätzt werden. Die Einordnung der gegenwärtigen sprachlichen Situation in Luserna in das von MATTHEIER (2003) entworfene „Sprachinsel-Lebenslaufmodell“ ergibt, dass die zweisprachige Bevölkerung von Luserna sich in der Assimilationsphase befindet. Der beschriebene soziokulturelle Wandel, der nach MATTHEIER (2003) in einem „Umschlagpunkt“ kulminiert, hat sich in Luserna nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen. Eine intensiver betriebene soziolinguistisch ausgerichtete Forschung könnte Genaueres über diesen Umschlagpunkt herausfinden und die zeitliche und soziale Strukturiertheit des Assimilationsprozesses in Luserna präzise beschreiben. Die Beschreibung der Auswirkungen dieses Assimilationsprozesses bzw. des Sprachwechsels auf das Sprachverhalten einzelner Sprechergruppen und der Sprachgemeinschaft bleibt zukünftiger Forschung überlassen. Mir ist bewusst, dass eine Krise selbst bei den heute kompetentesten Sprechern des Cimbro aufgespürt werden kann, z. B. in Form von gelegentlich auftretenden Wortfindungsstörungen. SASSE (1992, 69) betrachtet den Zusammenbruch von ererbten, produktiven Wortbildungsmechanismen im Arvanitika, einer albanischen Minderheitensprache in Griechenland, als alarmierendes Zeichen, das möglicherweise den Beginn einer Phase des allmählichen Sprachwechsels bzw. Sprachtods andeutet. Der Ersatz von ererbten Wortbildungsmechanismen durch ein System der Lehnwortintegration bewirkt, dass ab diesem Zeitpunkt quasi alle lexikalischen Innovationen in der Replikasprache unter Rückgriff auf das Lexikon der Modellsprache entstehen. Auch für das Cimbro gilt, dass fast alle Innovationen, die das Lexikon erweitern, aus der Modellsprache kommen. TYROLLER (2003) stellt fest, dass die Zahl der Wortbildungsmorpheme, die im Cimbro noch produktiv sind, sehr klein ist: „Insbesondere Substantive können kaum noch durch Derivation, sondern allenfalls durch Wortzusammensetzung gebildet werden.“ TYROLLER (2003, 183) Die übernommenen lexikalischen Einheiten werden dann in das morphologische System der Replikasprache integriert. Ein Beispiel für die reguläre Integration einer italienischen lexikalischen Einheit in das Cimbro ist z. B. das Verb lugarn [lʊgaʀn] ‚versteckenʻ, ital. locare, in dem Satz: un alora lugart=s in untar s pet a segle ‚und dann versteckt es [= s püable ‚das Bübleinʻ] 70 Man vgl. hierzu z. B. den Bericht über die Colonia cimbra im Sommer 2000 in der Zeitschrift Lem Nr. 23 vom Oktober 2000.

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unter dem Bett [wörtl.: ‚hinein unter das Bettʻ] ein Sägleinʻ. Der integrierten lexikalischen Einheit kann jedoch in der Modellsprache auch eine phrasale Einheit entsprechen. Ein Beispiel hierfür ist die Gleichsetzung des Adjektivs gelaich [glai̯ ç] ‚gleichʻ mit der modellsprachigen Phrase lo stesso; vgl. herta di lo stessegen laüt ‚immer die gleichen Leuteʻ. Die Einbindung von ital. lo stesso als Adjektiv, das gelaich ersetzen kann, erfolgt nicht nur durch den Ersatz der vokalischen Endung durch das im Cimbro für die Ableitung von Adjektiven u. a. verwendete Suffix -ig, sondern darüber hinaus durch die enge Verbindung von lo, das von manchen Cimbrosprechern als eine Art Präfix – analog zu dem Präfix ge- in gelaich – analysiert wurde. Der Erstellung einer Datensammlung für die vorliegende Untersuchung ging eine Analyse der von BACHER (1900; 1901; 1905) publizierten Texte voraus. Der Vergleich der von mir gesammelten Daten mit Hilfe von Gewährspersonen, die durchweg Cimbro als Muttersprache erwarben und es alltäglich innerhalb der Familie und der Dorfgemeinschaft sprechen, mit denjenigen von BACHER ergibt, dass die Texte im Bereich der Pronominalmorphologie und -syntax keine Unterschiede aufweisen, die von SASSE (1992) als sprachliche Korrelate von Sprachtod interpretiert werden, wie z. B. eine extreme phonologische Variation bis hin zur Verwechslung oder ein Zusammenbruch von morphologischen Systemen, der bei manchen Sprechern bis hin zur Erfindung einer „Fantasiemorphologie“ führen kann (vgl. SASSE 1992, 70–72).71 Eine wichtige Sprecherkategorie in diesem Zusammenhang ist der sogenannte semi-speaker. Auch in der Sprachgemeinschaft von Luserna gibt es Sprecher und Sprecherinnen, die als semi-speaker einzustufen sind. Vor allem für die Generation der nach 1980 Geborenen gilt, dass sie zwar über Cimbrokenntnisse verfügen, den Dialekt aber oft in eingeschränkter Weise gebrauchen. In ihrem Sprachgebrauch sind durchaus Erscheinungen festzustellen, die – im Vergleich zur konservativen Norm – Regelverletzungen oder Innovationen darstellen und eventuell als sprachliche Korrelate der Sprachwechselsituation gewertet werden können (vgl. MORANDI 2008). Die Beschreibung von Form, Distribution und Funktion der Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro basiert zum größten Teil auf Texten, deren Sprecher und Sprecherinnen einer hinsichtlich der Merkmale Sprachkompetenz, -gebrauch und -einstellung ziemlich einheitlichen Gruppe angehören (vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1.6.2).

71 Man vgl. hierzu die kritische Diskussion zum Forschungsstand einer „Theorie des Sprachtods“ in DAL NEGRO (2004, 17–38).

3 STUDIEN ZUR MORPHOLOGIE UND WORTSTELLUNG DER PRONOMINALKLITIKA 3.1 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG Das Phänomen der Klitisierung von pronominalen Formen z. B. an finite Verbformen kommt sowohl in oberdeutschen Dialekten wie etwa im Bairischen und Alemannischen (vgl. (3a) und (3b)) als auch in norditalienischen Dialekten wie etwa im Venetischen und Piemontesischen vor (vgl. (3c) und (3d)), also in den gesprochenen Varietäten auf beiden Seiten der germanisch-romanischen Sprachgrenze entlang des Alpenbogens. (3)

a. [dɔ hɑn=ɐ=mɐ=n ɔɡʃnid] (Bairisch) ‚da habe ich ihn mir abgeschnittenʻ [wörtlich: ‚da habe=ich=mir=ihn abgeschnittenʻ] b. Jétz het=er=mer=s gseit (Alemannisch) ‚Jetzt hat er es mir gesagt.ʻ (NÜBLING 1992, 283) c. [lu el=ne=lo=ga doná.] (Venetisch: Portogruaro)72 ‚Er hat es uns geschenktʻ (GARTNER 1910, 34) [wörtlich: ‚er er=uns=es=hat geschenktʻ] d. I=mongia=lu (Piemontesisch: Borgomanero) ‚Ich esse es.ʻ (PENELLO o. J.: 67)73 [wörtlich: ‚ich=esse=esʻ]

Es ist ein Kennzeichen der (meisten) romanischen Sprachen, über zwei Paradigmen von Objektpronomen zu verfügen, über ein Paradigma von Objektklitika und ein Paradigma von betonten Objektpronomen mit jeweils unterschiedlichem syntaktischen Verhalten. Die Eigenschaft, zwei Reihen von Subjektpronomen aufzuweisen, ist in Bezug auf das Italienische ein Kennzeichen der norditalienischen Dialekte.74 Für eine Reihe dialektaler Varietäten des Deutschen wird die Existenz von Subjekt- und Objektklitika angenommen, die sich in phonetischer und z. T. in

72 Falls die Quelle neben der Zuschreibung zu einem großräumigen Dialekt auch Aufschluss gibt über den Ortsdialekt, dem das zitierte Beispiel entstammt, wird dieser Ort der Quellenangabe hinzugefügt. 73 PENELLO (o. J.) stellt für den piemontesischen Dialekt von Borgomanero fest, dass alle direkten und indirekten Objektpronomen, wenn sie klitisch realisiert sind, enklitisch zur verbalen Basis stehen. 74 Man vgl. BLASCO FERRER (1990), BENINCÀ (1986; 1996), VANELLI / RENZI (1997) und VANELLI (1998, 23–89) als Einstieg in diese Materie, zu der es eine Fülle an Forschungsliteratur gibt.

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morphologischer und syntaktischer Hinsicht von den entsprechenden starken bzw. schwachen Personalpronomen unterscheiden.75 Klitisierung oder Klise (als Überbegriff zu Proklise und Enklise) benennt in der traditionellen Terminologie den Prozess, durch den sich ein Klitikon an (s)eine Basis (engl. host) phonetisch anlehnt und eine phonologische Einheit mit ihr bildet. Es ist die grundlegendste Eigenschaft der sprachlichen Einheit Klitikon, dass sie auf der einen Seite bestimmte Eigenschaften von Wörtern aufweist, auf der anderen Seite nicht über die Unabhängigkeit eines selbstständigen Wortes verfügt. Diese Eigenschaft äußert sich darin, dass Klitika nicht alleine stehen können, sondern eine Basis benötigen, mit der zusammen sie erst eine prosodische Einheit bilden (vgl. HALPERN 1998, 101). Dementsprechend sind z. B. die unbetonten Objektpronomen im Französischen, die immer zusammen mit einer Verbform auftreten, als Klitika identifizierbar, die sich nicht nur in phonetischer, sondern auch in morphosyntaktischer Hinsicht von den entsprechenden betonten Objektpronomen abgrenzen lassen (vgl. KAYNE 1975, 83) (vgl. (4c) vs. (4b)).76 (4)

a. Qui as=tu vu? ‚Wen hast du gesehen?ʻ b. Lui/elle/eux. c. *Le/la/les. ‚Ihn/sie (fem. Sg.)/sie (Pl.)ʻ

Die Einheiten, die als klitische Elemente auftreten, bilden eine relativ heterogene Gruppe. Klitika sind meist unbetonte Formen funktionaler Elemente wie Pronomen, Determinierer, Auxiliare, Negationspartikeln und Fragepartikeln (vgl. GERLACH / GRIJZENHOUT 2000, 1). Ich werde in diesem einführenden Kapitel nicht referieren, inwieweit es möglich ist, Klitika als eigene morphosyntaktische Kategorie zu etablieren, die sich von Wörtern auf der einen Seite und von morphologisch gebundenen Affixen auf der anderen Seite unterscheiden.77 In der vorliegenden Untersuchung wird der Terminus Klitikon, wenn nicht anders spezifiziert (z. B. als special clitic, second position clitic oder verbal clitic), als beschreibender, theorieneutraler Überbegriff verwendet für Elemente, die die eben angeführten grundlegenden Eigenschaften aufweisen. Hier sollen vor allem diejenigen Merkmale angesprochen werden, die im Zusammenhang der Beschreibung der morpho75 Man vgl. für das Alemannische, insbesondere für das Berndeutsche, NÜBLING (1992, 251– 300) und PENNER (1991), für das Zürichdeutsche COOPER (1999), für das Bairische SCHMELLER (1821, 186–200), ALTMANN (1984) und WEISS (1998). 76 Man vgl. RIEMSDIJK (1999a, 2–5) für eine Zusammenfassung weiterer Eigenschaften von (speziellen) Klitika (anhand von Beispielen aus dem Französischen), die insbesondere in der generativen Linguistik seit KAYNE (1975) immer wieder diskutiert werden. 77 Ausgehend von der Beobachtung, dass Klitika einen Status zwischen (unabhängigen) Wörtern und morphologisch gebundenen Affixen einnehmen, werden in der einschlägigen Literatur immer wieder die verschiedenen Eigenschaften, die Klitika entweder mit der erstgenannten oder mit der letztgenannten Kategorie gemeinsam haben, diskutiert (vgl. ZWICKY / PULLUM 1983; NEVIS 2000, 389–392; SPENCER 1991, 350–392; NÜBLING 1992, 56–86).

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syntaktischen Eigenschaften der Pronominalklitika im Cimbro relevant werden. Die Ausführungen dienen dazu, die Veränderlichkeit der Eigenschaften, die im Cimbro zu beobachten sind, in bisherige Typologisierungen einordnen zu können. Im Vorfeld gehe ich auf die von CARDINALETTI / STARKE (1996; 1999), STARKE (1996) und CARDINALETTI (1999) entworfene Typologisierung von Personalpronomen ein. CARDINALETTI / STARKE (1996) entwickeln die Einteilung in klitische, schwache und starke Personalpronomen anhand der Gegenüberstellung des romanischen und germanischen Pronominalsystems. Sie sprechen sich für eine Aufgabe der traditionellen dichotomischen Trennung zwischen betonten/unbetonten bzw. klitischen/vollen Personalpronomen aus. Die traditionell als Vollformen klassifizierten Personalpronomen sind in ihrem Dreiersystem strong pronouns. Entsprechend der generativen Ausrichtung ihrer Analyse weisen sie diesen den syntaktischen Status von maximalen Projektionen (= XP-Projektionen) zu, d. h. es handelt sich um Phrasen; demnach haben die starken Pronomen keine Subkategorisierungsmerkmale, die – entsprechend der generativen Theorie – überprüft werden müssen. Probleme der Kategorisierung sehen CARDINALETTI und STARKE bei den sogenannten schwachen Pronomen. Die Ergebnisse verschiedener Tests veranlassen sie zu der Annahme, dass z. B. das in syntaktischer Hinsicht defiziente Pronomen ‚esʻ im Standarddeutschen ein schwaches Pronomen ist, d. h. eine defiziente maximale Projektion. Als schwaches Pronomen teilt es gewisse Merkmale mit „echten Klitika“, z. B. die Eigenschaften der NichtKoordinierbarkeit und Nicht-Modifizierbarkeit; man vgl. hierzu die folgenden Beispiele aus STARKE (1996, 406): (5)

a. Dieses Buch/ *Es und diese Zeitungen sind sehr schön. b. Sogar dieses Buch/*es ist auf den Boden gefallen.

„Echte Klitika“ hingegen sind Köpfe, d. h. X0-Projektionen: „Klitika verhalten sich wie Köpfe: wenn das Verb, d. h. ein Kopf, zu dem sie adjazent sind, wegbewegt wird, dann bewegen sie sich mit ihm [...]. Dies ist ein Indiz dafür, daß das Klitikon buchstäblich an das Verb angeklebt ist, woraus wiederum folgt, daß es selbst ein Kopf ist.“ (STARKE 1996, 415–416)

STARKE (1996, 416) führt in diesem Zusammenhang folgendes Beispielpaar aus dem Italienischen an: (6)

a. Se Gianni l’avesse organizzato con un certo anticipo, ... ‚Wenn Gianni es im Voraus organisiert hätte ...ʻ b. L’avesse Gianni organizzato con un certo anticipo, ... ‚Hätte es Gianni im Voraus organisiert, ...ʻ

Schwache Pronomen dagegen „verschmelzen [...] nicht mit dem dazugehörigen Verb“ (STARKE 1996, 417). Aus der Koordinationsasymmetrie zwischen unbetonten Subjekt- und Objektpronomen im Französischen schliesst STARKE (1996), dass es sich bei den unbetonten Subjektpronomen im Französischen um schwache

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Pronomen handelt und nicht um Klitika, da das Subjektpronomen im Gegensatz zum Objektpronomen nicht wiederholt werden muss (vgl. (7a) mit (7b/c)). Der Koordinationstest ist auch ein zentrales Instrument, um z. B. den syntaktischen Status der defizienten Subjektpronomen in norditalienischen Dialekten nachzuweisen (vgl. (8a/b)). Es ist jedoch stark zu bezweifeln, ob dieser Test ebenso für die Kategorisierung von Objektpronomen nutzbar gemacht werden kann. Im Deutschen z. B. kann das Objektpronomen in Koordinationskonstruktionen nur dann weggelassen werden, wenn es sich um eine periphrastische Verbalform handelt, da in diesem Fall die finite Verbform nicht wiederholt werden muss (vgl. die deutsche Übersetzung in (7c) mit (9)). (7)

a. Il travaille à son article et - - pense à ses problèmes. ‚Er arbeitet an seinem Aufsatz und denkt an seine Probleme.ʻ b. *Jean le lavera soigneusement et - - remettra en place. c. Jean le lavera soigneusement et le remettra en place. ‚Jean wird {ihn, sie, es} sorgsam waschen und ({ihn, sie, es}) wieder an seinen Platz legen.ʻ

(8)

a. Egli canta e - - balla benissimo. ‚Er singt und tanzt sehr gut.ʻ b. *La canta e - - balla./ La canta e la balla. ‚Sie singt und tanzt.ʻ

(9)

(Standarditalienisch) (Trentinisch)

Hans wäscht/wusch sie/es sorgsam und legt/legte *(sie/es) wieder zurück.

Im Folgenden wird die Einteilung der Klitika in simple clitics und special clitics dargelegt. 3.1.1 Simple clitics und special clitics Die Unterteilung zwischen simple clitics (einfachen Klitika) und special clitics (speziellen Klitika) führt ZWICKY (1977) ein. Bei einem einfachen Klitikon handelt es sich im einfachsten Fall um die unbetonte oder phonetisch-phonologisch reduzierte Version einer Vollform. Ein spezielles Klitikon unterscheidet sich von seiner entsprechenden Vollform, falls eine existiert, nicht nur in phonetischphonologischer, sondern auch in syntaktisch-distributioneller Hinsicht. ZWICKY / PULLUM (1983) beschreiben den grundlegenden Unterschied folgendermaßen: “simple clitics are optional variants of full forms […] and occur in the same positions in sentences as the corresponding full forms” (ZWICKY / PULLUM (1983, 503). “The basic property of simple clitics is that their distribution in sentences is exactly the same as that of associated full forms; all other clitics are special clitics […]. [For them] either no corresponding full form exists […]; or else the clitics do not have the same distribution as the corresponding full forms“ (ZWICKY / PULLUM 1983, 510).

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Als Beispiel für einfache Klitika werden häufig die phonetisch reduzierten Hilfsverben und Pronomen im Englischen angeführt (vgl. HALPERN 1998, 102–103). Sie sind unbetont und bilden mit dem vorausgehenden Wort eine prosodische Einheit. Anders jedoch als die Hilfsverbformen is und has, die tatsächlich relativ unbeschränkt als einfache Klitika vorkommen, ist z. B. die Klitisierung der Hilfsverbform have verschiedentlich beschränkt. Die Klitisierung ist möglich nach einem Subjektpronomen, jedoch nicht nach einem nicht-pronominalen Subjekt (vgl. Beispiele (10a) und (10b) aus KAISSE 1985, 55). (10)

a. They’ve gone. b. *The Sioux’ve gone.

Die Hilfsverbform have im Englischen unterliegt in seiner reduzierten Form, d. h. als einfaches Klitikon, gewissen Beschränkungen; sie befolgt „eine Teilmenge der Distributionsregeln seiner Vollform“ (vgl. NÜBLING 1992, 23). Die Klitisierung von Elementen, die als einfache Klitika eingestuft werden, ist also nicht immer nur eine Sache der Phrasenphonologie, sondern es handelt sich dabei mitunter um einen Prozess, bei dem eine gewisse Sensibilität für die Zugehörigkeit der Basis zu einer bestimmten Kategorie oder für die Struktur der Phrase, die als Basis des einfachen Klitikons dient, festgestellt werden kann. SPENCER (1991) fasst in seinem Definitionsversuch zu Klitika die Bandbreite ihrer Eigenschaften allgemein zusammen: „They may or may not have a corresponding phonologically similar, full form with similar meaning or function; they may or may not be restricted to a particular position in the sentence or to a particular lexical category; and they may or may not undergo/trigger phonologically irregular allomorphy.“ SPENCER (1991, 375)

In der vorliegenden Untersuchung stehen die klitischen Personalpronomen des Cimbro im Mittelpunkt. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sie hinsichtlich ihrer Eigenschaften mehr den romanischen Pronominalklitika oder den klitischen Personalpronomen deutscher Varietäten im geschlossenen deutschen Sprachraum ähneln. Die Pronominalklitika in den romanischen Sprachen dienen immer wieder als Paradebeispiel für spezielle Klitika (vgl. HALPERN 1998, 104–108; RIEMSDIJK 1999a). Auch klitische Personalpronomen des Bairischen und Alemannischen werden als spezielle Klitika analysiert (vgl. WEISS 1998, Kap. III; 2005; NÜBLING 1992, 31, 281). WEISS (1998, 105) differenziert für das Bairische zwischen den speziellen Klitika, die nur über Zusatzregeln in die sogenannte WackernagelPosition, die für klitische Elemente reserviert ist, gelangen können und den einfachen Klitika, wie z. B. ‚esʻ, die sich allein durch ihre prosodische Defizienz auszeichnen. Der Nachweis, dass ein zu klassifizierendes Klitikon ein spezielles und kein einfaches ist, ist dann erbracht, wenn gezeigt werden kann, dass das Klitikon eine spezielle syntaktische Position einnimmt, die nicht vorhergesagt werden kann aufgrund der „normalen“ syntaktischen Regeln der betreffenden Sprache: „In contrast with simple clitics, a special clitic is one whose position within some

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phrasal unit is determined by principles other than those of the non-clitic syntax“ (ANDERSON 1992, 201–202). Die syntaktische Distribution von speziellen Klitika kann also nicht mehr aufgefasst werden als eine Teilmenge der Regularitäten, die für die entsprechende Vollform gelten. NÜBLING (1992, 26–34) unterteilt die speziellen Klitika in syntaktisch distribuierte Klitika (S-Klitika) und morphologisch distribuierte Klitika (M-Klitika). Bei einem morphologisch distribuierten Klitikon beruht „die besondere Position des Klitikons auf erhöhter morphologischer Selektivität [...], d. h. es [bevorzugt] die Bindung an eine bestimmte Wortart [...]“ (NÜBLING 1992, 31). Im Gegensatz dazu trifft diese Bindung an eine ganz bestimmte Wortart auf syntaktisch distribuierte Klitika nicht zu (vgl. NÜBLING 1992, 26). NÜBLING (1992, 28–29) führt in diesem Zusammenhang u. a. das grammatische Subjekt ‚esʻ im Alemannischen und das Genitiv- oder Possessiv-s im Englischen an. Zu den syntaktisch distribuierten Klitika zählt NÜBLING (1992, 29) auch die second position clitics, die im Folgenden besprochen werden. 3.1.2 Second position clitics und verbal clitics Die Pronominalklitika des Italienischen entsprechen nach NÜBLINGS Einteilung den morphologisch distribuierten Klitika, da sie immer an eine verbale Basis gebunden sind. HALPERN (1998, 104–109) spricht in diesem Fall von verbal clitics (verbalen Klitika). Klitische Personalpronomen im Bairischen und Alemannischen analysieren WEISS (1998; 2005) und PENNER (1991) als second position clitics. Ein Indiz dafür, die klitischen Personalpronomen im Bairischen als spezielle Klitika zu klassifizieren, liegt u. a. in den für die klitische Kette geltenden Abfolgeregularitäten begründet, die von der Abfolge der betonten Objektpronomen abweichen (vgl. WEISS 1998, 88–91).78 Auch NÜBLING (1992) kommt in Bezug auf das Alemannische (Berndeutsch) zu dem Schluss, dass die klitischen Pronomen zwar als syntaktisch distribuierte spezielle Klitika zu klassifizieren sind, jedoch „in großer Nähe“ zu den morphologisch distribuierten Klitika (NÜB79 LING 1992, 281). Im Zusammenhang von second position clitics wird oft auf WACKERNAGEL (1892) Bezug genommen. In dem klassischen und in der Klitikaforschung vielzitierten Aufsatz von JACOB WACKERNAGEL geht es zu einem großen Teil um den Nachweis, dass die von DELBRÜCK und BARTHOLOMAE für das Altindische gemachten Beobachtungen hinsichtlich der Stellung von enklitischen Wortformen auch auf das Altgriechische zutreffen (vgl. WACKERNAGEL 1892, 333–402). WACKERNAGEL selbst spricht sehr allgemein von einer „Stellungsregel“ und nur indirekt ist seinen Ausführungen zu entnehmen, dass das Kriterium der „Positionierung an zweiter Stelle“ relativ unterschiedliche Phänomene umfasst. Zum einen 78 Kritisch äußern sich hierzu FISCHER / SIMON (2004). 79 Man vgl. hierzu COOPER (1999), die annimmt, dass es sich bei den Objektklitika im Zürichdeutschen lediglich um phonologische, d. h. um einfache Klitika handelt.

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charakterisiert er den Unterschied zwischen „an zweiter Stelle“ und „möglichst nahe bei der zweiten Stelle“ (WACKERNAGEL 1892, 343) nicht, und zum anderen ist die „zweite Stelle“ nicht eindeutig festgelegt, d. h. WACKERNAGEL legt mit dem Ausdruck „zweite Stelle“ nicht fest, ob damit z. B. „hinter dem ersten (betonten) Wort“ oder „hinter dem ersten betonten Wortteil“ gemeint ist. Letzteres ist insbesondere in Zusammenhang der von ihm zitierten Beispiele aus dem Gotischen zu schließen. WACKERNAGEL selbst zitiert lediglich einzelne Verbformen, bei denen unmittelbar an ein betontes Präfix (z. B. us- ‚ausʻ oder ga- ‚ge-ʻ) verschiedene Elemente enklitisch angeschlossen sind. Bei dem enklitischen Element kann es sich z. B. um das Adverb nu (vgl. (11a)) oder die Fragepartikel u 80 und das Interrogativpronomen ƕa (vgl. (11b)) handeln. Wie in den angeführten Beispielen zu sehen ist, stehen die finiten Verbformen jeweils satzinitial und die Basis der Klitisierung bildet jeweils eine trennbare Partikel eines Verbalkompositums (vgl. dazu auch STREITBERG 1920, 161). Die folgenden Beispiele sind der Gotischen Bibel entnommen (STREITBERG 72000, 161 und 193). (11)

a. iþ is qaþuh du im: us~nu~gibiþ þo kaisaris kaisara jah þo gudis guda. [aus-nun-gebt] ‚Aber er sagte zu ihnen: nun gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!ʻ (Lukas 20, 25) b. jah fairgreipands handu þis blindins ustauh ina utana weihsis jah speiwands in augona is, atlagjands ana handuns seinos frah ina ga~u~hva~sēhvi? [ge-Fragepartikel-Pronomen-sehe] ‚Und die Hand des Blinden ergreifend, führte (er) ihn aus dem Dorf hinaus, und in seine Augen speiend, ihm seine Hände auflegend fragte (er) ihn (ob) (er) etwas seheʻ (Markus 8, 23)

In der neueren Forschungsliteratur wird nur selten thematisiert, dass mit zweiter Position oder Wackernagel-Position mitunter ganz verschiedene Sachverhalte umschrieben werden. Zweite Position wird vielfach als abgekürzte Formel für zweite Position in der relevanten Domäne verwendet. HALPERN (1998, 109–113) legt dar, dass die relevante Domäne für zweite Position meist der Satz darstellt. Es ist jedoch ein wesentlicher Unterschied, ob „Stellung des Klitikons in zweiter Position“ identifiziert wird mit „das Klitikon folgt dem ersten (phonologischen) Wort des Satzes“ oder mit „das Klitikon folgt der ersten syntaktischen Tochter (in Bezug auf die Baumstruktur einer syntaktischen generativen Analyse)“. HALPERN (1998) differenziert dementsprechend zwischen der Position eines Klitikons als second word (2W) und der Position als second daughter (2D). Wenn WEISS (1998; 2005) in Bezug auf das Bairische (oder auch PENNER 1991 in Bezug auf das Berndeutsche) behauptet, die klitischen Personalpronomen 80 Im Fall der gotischen Fragepartikel u existiert keine betonte Variante, d. h. es handelt sich, in NÜBLINGS (1992) Terminologie gesprochen, um ein typisches „S[yntaktisch distribuiertes]Klitikon“, das „in der Regel […] keine Vollform“ hat (NÜBLING 1992, 26).

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

seien auf die Wackernagel-Position festgelegt, dann ist damit nicht die Position 2W gemeint, sondern die Position 2D, die in den generativ ausgerichteten Beschreibungen des Deutschen identifiziert wird mit einer Position, die unmittelbar auf C0 (auch COMP0 genannt) folgt bzw. im Strukturbaum deren Schwesterknoten darstellt (C bzw. COMP steht für complementizer, womit meist eine nebensatzeinleitende Konjunktion gemeint ist, die einen Komplementsatz einleitet). Unter dieser Annahme trifft es für den eingebetteten Nebensatz tatsächlich zu, dass sich die Klitika in der zweiten Position befinden, unmittelbar adjazent zur Konjunktion. Im Hauptsatz hingegen befinden sich Klitika im Bairischen (oder in anderen deutschen Varietäten) nur bei Verberst (V1)-Sätzen in zweiter Position, in Verbzweit (V2)-Sätzen folgen sie vielmehr der zweiten Position, die vom finiten Verb eingenommen wird. In der Standardtheorie der generativen Grammatik geht man für die germanischen Sprachen davon aus, dass im Hauptsatz das finite Verb von der Position V0 zur Position C0 (der 1. Verbklammer im topologischen Satzmodell) bewegt wird. Die Position vor C0, die Specifier-Position (bzw. das Vorfeld im topologischen Satzmodell), kann ohne weiteres besetzt sein, ohne dass sich dadurch eine Veränderung hinsichtlich der Positionierung der Klitika ergeben würde. Im Bairischen ist die Klitisierung also insofern syntaktisch distribuiert, als sie auf die syntaktische Position C° bezogen ist. Im Berndeutschen kann im eingeleiteten Nebensatz das Objektpronomen auch an ein nominales Subjekt klitisieren: i weiss dass dr Vater-s gmacht het (vgl. PENNER 1991, 257). Hierzu ist jedoch anzumerken, dass das Pronomen ‚esʻ auch im Bairischen Besonderheiten aufweist, aus denen WEISS (1998, 101–106) den Schluss zieht, es handele sich hierbei um ein einfaches Klitikon. Für das Berndeutsche gilt darüber hinaus, dass auch Präpositionen (P0) Basis für Pronominalklitika sein können: i ga hüt zue-ne ‚ich gehe heute zu ihnenʻ (vgl. PENNER 1991, 253). Für das Bairische ist mir das letztgenannte Phänomen nicht bekannt. Aufgrund der engen genetischen Verwandtschaft zwischen dem Zimbrischen und dem Bairischen im geschlossenen deutschen Sprachgebiet liegt die Vermutung nahe, auch für die Pronominalklitika des Cimbro zunächst davon auszugehen, dass es sich dabei um spezielle Klitika handelt, die in syntaktischer Hinsicht mit der Position assoziiert sind, die im konjunktional eingeleiteten finiten Nebensatz von der Konjunktion und im Hauptsatz vom finiten Verb eingenommen wird und bei der es sich um die Position 2D handelt. Weiterhin gehe ich davon aus, dass es sich bei den Pronominalklitika in den norditalienischen Dialekten des Trentino und Veneto um verbal clitics handelt, was allgemein für die klitischen Pronomen der romanischen Sprachen gilt. Allerdings gibt es in norditalienischen Dialekten ein Phänomen, das POLETTO (2000, 21–22) clustering with the complementizer nennt. POLETTO führt Beispiele aus dem venetischen Dialekt von Loreo an. Subjektklitika verhalten sich dabei unterschiedlich je nach ihrer phonetischen Struktur. Handelt es sich um vokalische Klitika, ist das clustering obligatorisch, vgl. Ara ch’a vegno vs. *Ara che a vegno ‚Schau, ich komme.‘ Bei konsonantischen Klitika, die POLETTO number and person subject clitics nennt (im Gegensatz zu den vokalischen, die entweder invariable oder deiktische Subjektklitika sein können), ist das clustering optional, vgl. Ara

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

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che el vien/Ara ch’el vien ‚Schau, er kommt.ʻ Die Bedingung der Adjazenz zwischen präverbalem Klitikon und finiter Verbform scheint dabei jedoch bewahrt zu bleiben, d. h. es kommt zu keiner Interpolation zwischen Klitikon und finitem Verb.81 Es liegt also das Phänomen vor, das NÜBLING (1992) in Anlehnung an KLAVANS (1985) dual citizenship nennt. Dies betrifft die Tatsache, dass „[d]ie strukturelle Basis, das Vollverb, [...] nicht gleichzeitig auch die phonetische Basis [bildet]“ NÜBLING (1992, 287). Der Unterschied zwischen den auf die Kategorie Verb festgelegten verbal clitics und den auf eine bestimmte syntaktische Position im Satz festgelegten second position clitics ist wohl der grundlegendste, der in Bezug auf die klitischen Personalpronomen zwischen den norditalienischen Dialekten auf der einen Seite und den oberdeutschen Varietäten auf der anderen Seite festgestellt werden kann. In dieser Einführung wurden bereits Hinweise darauf gegeben, dass mit einigen grundlegenden Unterschieden zwischen den modellsprachlichen und den replikasprachlichen Ausprägungen der Eigenschaften von Pronominalklitika zu rechnen ist. Diese betreffen 1) die Basis der Klitisierung (eine bestimmte Position im Satz oder eine bestimmte lexikalische Kategorie), 2) die Positionierung der Klitika (proklitisch und/oder enklitisch), 3) die Abfolge der Klitika innerhalb der klitischen Kette, 4) spezielle Eigenschaften wie z. B. clitic climbing und clitic doubling. Auf diese Eigenschaften wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit eingegangen. 3.1.3 Pronominalklitika und Sprachwandel Im Zusammenhang der diachronen Entwicklung der Pronominalklitika im Cimbro sind v. a. zwei Aspekte von Bedeutung. Zum einen betrifft dies die Entwicklung von lediglich phonologisch gebundenen Elementen wie Pronominalklitika zu morphologisch gebundenen Affixen. Zum anderen geht es um die Kategorisierung der Pronominalklitika im Cimbro als second position clitics oder als verbal clitics. Diesem Aspekt der Diachronie von Pronominalklitika wurde bisher weit weniger Beachtung geschenkt als dem erstgenannten. Es gibt einige Untersuchungen, die diese Entwicklung entweder anhand einer konkreten Sprachgeschichte oder in theoretischer Hinsicht beleuchten.82 WANNER (1987) geht genau dieser Fragestellung in einer umfangreichen Untersuchung nach. Dabei geht es auch um die Frage, wie es zur Veränderung der Domäne der Klitisierung vom Lateinischen, das 81 Es handelt sich dabei also nicht um sogenannte Interpolationsstrukturen, die insbesondere im Altportugiesischen vorkommen und in denen im eingeleiteten Nebensatz ein unbetontes Objektpronomen adjazent zur Konjunktion steht und eine Konstituente zwischen Objektpronomen und regierendes Verb eingeschoben ist, wie z. B. das Subjektpronomen in dem folgenden Beispiel aus dem Altportugiesischen, das HINZELIN (2007) entnommen ist: que lhes ele entregou as cartas ‚dass er ihnen die Briefe übergabʻ (zitiert nach HINZELIN 2007, 204). 82 PANCHEVA (2005) führt in Bezug auf den Wandel von second position clitics zu verbal clitics die Arbeiten von TAYLER (1990) zum (Alt-)Griechischen und von FONTANA (1993) zum (Alt-) Spanischen an. Man vgl. auch HINZELIN (2007) zu einigen romanischen Sprachen.

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

WANNER als eine Sprache mit second position clitics betrachtet, zu den romanischen Sprachen, in denen Pronominalklitika verbal clitics sind, gekommen ist. Die Voraussetzung für die Reanalyse, die letztlich dazu geführt hat, dass die Domäne der Klitisierung nicht mehr der Satz bzw. eine bestimmte syntaktische Position darstellt (demnach second position based clitic placement, abgekürzt als 2ND), sondern die lexikalische Kategorie Verb (demnach verb based clitic placement, abgekürzt als VB), ist das häufige Vorkommen von Syntagmen, die beide Analysen zulassen. WANNER (1987, 233) nennt diese „neutral placement cases“: „The essential area of transition into Romance from the Latin conditions is the contingent of neutral placement cases equally acceptable under [verb based clitic placement] and [second position based clitic placement].“ Für die Texte, die WANNER der präromanischen Textgruppe zuordnet, stellt er fest: „The overwhelming majority of applicable pronoun cases from typical text collections responds to a double placement hypothesis of VB and 2ND“ WANNER (1987, 234). WANNER sieht die Entwicklung von second position based clitic placement zu verb based clitic placement in einem sehr engen Zusammenhang zur Veränderung der Grundwortstellung von SOV zu SVO (vgl. WANNER 1987, 428). Als nichtrigide SOV-Sprache sei im Lateinischen schon von Anfang an die Satzanfangsposition und Mittelstellung des Verbs beobachtbar (vgl. WANNER 1987, 381). Dass in der weiteren Entwicklung verbinitiale Satzkonstruktionen ihren Markiertheitsstatus eingebüsst haben, sieht WANNER als einen Grund für den typologischen Wandel von SOV zu SVO (vgl. WANNER 1987, 381–382). Diese Voranstellung des Verbs, die für die adjazente Positionierung zwischen (klitischem Objekt-) Pronomen und Verb verantwortlich ist, ist laut WANNER ein spezifischer Prozess, der mit einer bestimmten Häufigkeit in den eher spontansprachlichen Texten auftritt (vgl. WANNER 1987, 236). Verbinitialstellung kommt dabei insbesondere in folgenden Kontexten vor: „imperatives, quotatives, presentatives, verb focus, and emotively marked utterances“ (WANNER 1987, 236). Hinsichtlich der weiteren Entwicklung, ausgehend von der adjazenten Stellung von Pronomen und finitem Verb, stellt WANNER (1987) folgende Überlegungen an: „[...] the pronoun can undergo rhythmical adjustments at the surface level, becoming prosodically attached in principle to a preceding and/or following, more highly stressed lexical item. Starting from this prosodically codetermined clitic(-like) position, the pronoun can be reinterpreted as also belonging syntactically/functionally to a meaningfully related head element. In the case of our object/oblique pronouns, the obvious choice for a head element is the verb, which defines the internal argument positions represented by the pronouns. This cliticoïd can thus become a true clitic element with stable status, fixed placement, and fixed linearization after sufficient accumulation of potential cases to cross the threshold of catastrophistic crystallization into a new pattern, categorical VB [...]: High frequency of juxtaposition activates systematic association of cl and V from latency to the status of a syntactic principle.“ (WANNER 1987, 236)

Für das Cimbro stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen für eine Reanalyse der Pronominalklitika zu verbal clitics vorhanden sind. In Kapitel 5 werde ich auf diese Frage zurückkommen. In den folgenden Abschnitten geht es zunächst vor allem um die morphologischen Eigenschaften der pronominalen Formen und die

81

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

Frage, ob bestimmte dieser Eigenschaften auf kontaktbedingte Veränderungen zurückzuführen sind. 3.2 MORPHOLOGIE DER PRONOMINALEN FORMEN Die pronominalen Formen des Cimbro, die im Fokus der vorliegenden Untersuchungen stehen, sind die Personalpronomen (Subjekt- und Objektpronomen). Dabei werden auch die Partitivpronomen beleuchtet. Im Folgenden werden die pronominalen Formen präsentiert und einige besondere Merkmale genauer besprochen. Die paradigmatische Darstellung in Tabelle V unten gibt einen Überblick über die Formen der Personalpronomen im Cimbro. NOMINATIV

betont

1.Sg. 2.Sg.

i du

3.Sg.f. si 3.Sg.m. ɛr 3.Sg.n. is 1.Pl.

biɐ̯r

klitisch prokl.

i dʊ si dɐr s (əs) bɐr

iɐ̯r

=ə =dɔ (=) =sə =ɐr =s (=əs) =bɐr

se səˈandrə

miɐ̯r diɐ̯r

=mɐr mi =dɐr di

iɐ̯r

=ɐr

imən

=ən

AKKUSATIV

si imən is

ys

y s

ysˈandərn

ysˈandrə

=ɐs dɐr

=ɐr

iɐ̯rˈandrə ɛrˈandrə

3.Pl.

DATIV enkl. betont

sɐ dɐ

enkl.

enkl.

biɐ̯rˈandrə bɛrˈandrə

2.Pl.

betont

=sɐ

ayx

ayxˈandərn

ayxˈandrə

=ən

=sə =ən =s (=əs)

=ɐs

ayx imən

=mə =də

se

=sə

imənˈandərn səˈandrə PARTITIV (SG.MASK./NEUTR.)

=sɐn/ =sən PARTITIV (SG.FEM. und PL.FEM./MASK./NEUTR.) =ɐr Tabelle V: Morphologisch-phonologische Darstellung der Personalpronomen im Cimbro

Die Formen sind unterschieden nach betonten bzw. betonbaren Formen und klitischen Formen. Bei letzteren wird weiterhin differenziert zwischen proklitischen und enklitischen Formen, wobei nur die enklitischen Formen entsprechend der Darstellung in den Beispielen mit dem Zeichen =Kl. versehen sind. Die klitischen Formen zeichnen sich dadurch aus, dass sie phonetisch reduziert und abhängig von einer phonologischen Basis sind. Die klitische Form steht unmittel-

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

bar adjazent zu ihrer Basis. Die in Klammern gesetzten Allomorphe haben marginalen Status (mehr dazu in Kapitel 3.2.3). Es ist festzustellen, dass es im Cimbro vollständige Paradigmen von klitischen Pronominalformen gibt. Während bei den Objektpronomen die unbetonten Formen stets enklitisch stehen, gibt es bei den Subjektpronomen auch präverbal stehende unbetonte Formen. In dieser Position stehen sie notwendigerweise adjazent zu einer finiten Verbalform. Diese Eigenschaft unterscheidet sie, neben der Differenz hinsichtlich Quantität und Qualität des Vokals, von den betonten Subjektformen, die nicht adjazent zur finiten Verbform stehen müssen. Nicht in Tabelle V aufgeführt ist das indefinite Subjektpronomen ‚manʻ, von dem keine betonte Form existiert. Es lautet sowohl in seiner proklitischen als auch in seiner enklitischen Form mɐ. Die mit diesem Pronomen in Zusammenhang stehenden Eigentümlichkeiten im Bereich der verbalen Kongruenz wurden bereits an anderer Stelle besprochen (vgl. KOLMER 2009). Dort werden die Besonderheiten, die im Cimbro bei Impersonalkonstruktionen mit dem Pronomen ‚manʻ zu beobachten sind, verglichen mit Veränderungen in anderen deutschen Minderheitensprachen. Im Cimbro gibt es die Partitivpronomen =sɐn/=sən ‚seinerʻ (3. Pers. Sg. m./n.) und =ɐr ‚ihrerʻ (3. Pers. Sg. f. und 3. Pers. Pl.), die als Fortsetzung der mhd. pronominalen Genitivformen ir(e) und sîn anzusehen sind. Erwähnt sei an dieser Stelle noch das Reflexivpronomen =sə, das ebenfalls nur enklitisch vorkommt und im Cimbro keine Entsprechung als betonte Vollform hat. Das Pronomen =sə repräsentiert die Akkusativformen der 3. Person. Die Dativformen stimmen – wie im Mhd. und heute noch in konservativen oberdeutschen Dialekten – mit den Objektformen des Personalpronomens überein. Kontaktbedingte Veränderungen im Cimbro, die in Zusammenhang stehen mit Reflexivkonstruktionen (genauer: mit der Wahl des Hilfsverbs zur Bildung der periphrastischen Vergangenheitsformen reflexiver Verben), werden in KOLMER (2010a) besprochen. In den folgenden Unterabschnitten werden zum einen Besonderheiten thematisiert, die die formale Ausprägung der Personalpronomen im Cimbro betreffen, und zum anderen charakteristische Gebrauchsweisen aufgezeigt. Da die Frage, inwieweit im vorgestellten Paradigma der pronominalen Formen Auswirkungen des Sprachkontakts identifiziert werden können, im Vordergrund steht, werde ich zunächst auf die Formen eingehen, bei denen eindeutig modellsprachlicher Einfluss vorliegt. 3.2.1 Die mit -and(ə)r erweiterten Formen Eindeutig auf externen Einfluss sind die mit dem Adjektiv -and(ə)r- erweiterten Personalpronomen im Plural zurückzuführen. Es handelt sich dabei um Lehnübersetzungen. Modell standen entsprechende Formen in den dialektalen italienischen Kontaktvarietäten. VANELLI (1997) führt folgende Formen aus dem Venetischen an: [no’altri] ‚wirʻ, [vo’altri] ‚ihrʻ. Zudem stellt sie fest, dass in norditalienischen

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Dialekten diese Langformen absolut üblich sind und manchmal nur diese existieren (vgl. VANELLI 1997, 107). Im Unterschied zu den modellbildenden italienischen Dialekten wurde im Cimbro die Erweiterung mit dem Adjektiv -and(ə)rzur Bildung betonter Personalpronomen auf die Formen der 3. Pers. Pl. (mit Referenz auf Personen) übertragen. Damit wird die Opposition zwischen Singular und Plural durch das (Nicht-)Vorhandensein dieses kompositionellen Verfahrens unterstrichen.83 Die erweiterten Formen bilden zudem ein vollständiges Paradigma, da es auch zu den Akkusativ- und Dativ-Formen jeweils (mit -and(ə)r-) erweiterte Formen gibt. Auch in dieser Hinsicht baut das Cimbro das modellsprachliche Muster eigenständig aus.84 In den norditalienischen Dialekten sind die erweiterten Formen nämlich beschränkt auf die Subjektformen. Für das Cimbro gilt jedoch die Einschränkung, dass im Sprachgebrauch die erweiterten Formen der 1. Pers. Pl. nicht in gleichem Maße häufig vorkommen wie die erweiterten Formen der 2. und 3. Pers. Pl. So führt z. B. BACHER (1905, 188) im Paradigma der Personalpronomen bei der 1. Pers. Pl. gar keine erweiterten Formen an. Die phonetische Repräsentation der erweiterten Pluralformen in TYROLLER (2003) kann zu der Annahme verleiten, die zusammengesetzten Formen seien grundsätzlich auf dem ersten Glied betont, man vgl. die Form [biɐːrandrə] in TYROLLER (2003, 158) mit dem Nebenakzent auf der zweiten Silbe. Die Hauptbetonung liegt jedoch meiner Beobachtung nach meist auf der zweiten Konstituente: [biɐ̯randrə], d. h. es sind jeweils die aus dem Personalpronomen bestehenden ersten Bestandteile in phonetischer Hinsicht abgeschwächt: [bɛrandrə], [səandrə].85 Das Betonungsmuster stimmt also in der Regel mit demjenigen der modellbildenden Formen überein. 3.2.2 Oppositionsstruktur In diesem Abschnitt geht es um einige Besonderheiten im Paradigma der Personalpronomen des Cimbro, die mit dem Abbau von formalen Oppositionen zu tun haben, also mit dem „Abbautyp“ (Typ 2) im Klassifikationssystem von BREU (1996). Folgende drei Fälle von Synkretismus werden der Reihe nach besprochen: (a) Die formale Identität der betonten und unbetonten Objektpronomen der 3. Pers. Sg. Akk./Dat. m., 3. Pers. Sg. Dat. n. und der 3. Pers. Pl. Dat. mit den Formen [imən] bzw. [=ən].

83 Für das Mòcheno verzeichnet ROWLEY (2003) diese Generalisierung nicht. Er vermerkt, dass lediglich die „Personalpronomina 1. und 2. Person Plur. [...] durch das Adjektiv òndera verstärkt werden [können] zu bir òndera, enkh òndera [...]“ ROWLEY (2003, 181). 84 Dies trifft in gleicher Weise auf den walserdeutschen Dialekt von Issime zu (vgl. ZÜRRER 1999, 207–208). Man vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung in ZÜRRER (1999, 213– 244) zur Verwendung der einfachen und zusammengesetzten pluralischen Personalpronomen im Dialekt von Issime. 85 Man vgl. hierzu die Parallele in den walserdeutschen Dialekten (vgl. ZÜRRER 1999, 222).

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

(b) Der Zusammenfall der Akkusativ- und Dativ-Formen bei den enklitischen Pronomen der 1. und 2. Pers. Pl. in [=ɐs]. (c) Die formale Identität der klitischen Subjektpronomen der 3. Pers. Sg. m. und der 2. Pers. Pl. mit den Formen [dɐr] bzw. [=ɐr]. 3.2.2.1 Die Formen [imən] und [=ən] Die Form [imən] und die entsprechende enklitische Form [=ən] sind im Cimbro funktional relativ schwer belastet, weil sie als Personalpronomen die Funktionen der 3. Pers. Pl. Dat., der 3. Pers. Sg. Akk. m., der 3. Pers. Sg. Dat. m./n. übernehmen. Ein Vergleich mit den entsprechenden Formen im Zimbrischen der 7 Gemeinden (nach SCHMELLER 1838, 670) und in den Vorstufen der deutschen Standardsprache illustriert, wie weit fortgeschritten der Synkretismus im Cimbro ist; man vgl. die folgende Tabelle, in der die unbetonten, enklitischen Formen der zimbrischen Varietäten in geschweiften Klammern stehen: Nhd. Ahd.

Mhd.

3. Pl. Dat.

ihnen im

in (inen)

3. Sg. Akk. m. 3. Sg. Dat. m./ 3. Sg. Dat. n.

ihn ihm

inan, in imo

ime, im

Zimbrisch Sieben Cimbro Gemeinden86 in, inn {=en} imən {=ən} {=an, =en} ime {=´me}

Tabelle VI: Die Formen [imən] und [=ən] im Vergleich

Wir haben es hier mit einer Vereinfachung bzw. einer Reduktion des Formenreichtums zu tun, was nach RIEHL (2004, 98) mit Hilfe des Ökonomieprinzips erklärt werden könnte. Bei der betonten Form [imən] mag die auch in anderen bairischen Varietäten zu beobachtende Neigung, die ehemalige Opposition der Kasusmarkierung (Akkusativ vs. Dativ) zugunsten der [m]-haltigen Formen auszugleichen (vgl. eam im Mittelbairischen), eine gewisse Rolle gespielt haben. So führt z. B. KOLLMANN (2000, 173) für südbairische Varietäten die Form [ĩmanən] für die 3. Pers. Pl. Dat. und [ĩm] für die 3. Pers. Sg. Akk. m. und die 3. Pers. Sg. Dat. m./n. an. Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, wie und warum es zu dem formalen Zusammenfall sowohl der betonten als auch der unbetonten Formen im Cimbro gekommen ist. Sucht man nach Übereinstimmungen in den Kontaktvarietäten, gehen diese nur so weit, dass es z. B. im Venetischen zu einem Formenzusammenfall bei den klitischen Dativpronomen der 3. Person gekommen ist; hier 86 Das Zimbrische der Sieben Gemeinden betreffend kann anhand von jüngeren Texten nachgewiesen werden, dass es auch nach SCHMELLERS (1838) Bestandsaufnahme zu keinem Formenzusammenfall wie im Cimbro gekommen ist (vgl. BIDESE 2008, 135 und die Texte von ZOTTI 1986).

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gilt die Einheitsform ghe für die 3. Pers. Sg./Pl. m./f. (vgl. BENINCÀ / VANELLI 1984, 168). Dieser Tatsache modellbildende Funktion zuschreiben zu wollen und sie als die Grundlage für die weitergehenden Ausgleichsprozesse im Cimbro anzusehen, scheint spekulativ. Zieht man in den Vergleich auch das Mòcheno und Südwalser Dialekte mit ein, rückt eine andere Komponente in den Blick. Betrachtet man in der folgenden Tabelle die Paradigmenausschnitte aus dem walserdeutschen Dialekt von Formazza und aus dem Mòcheno, wird erkennbar, dass die Ausgleichsprozesse bei den betonten und enklitischen Objektpronomen unabhängig voneinander verlaufen. Im walserdeutschen Dialekt von Formazza wird bei den betonten Formen des Personalpronomens der 3. Pers. Sg. m. die Opposition zwischen Akkusativ und Nominativ aufgegeben, die Form lautet är. Die enklitische Form des Personalpronomens der 3. Pers. Sg. Akk. m. lautet aber nicht -er (wie im Nominativ), sondern -ne.

3.Pl.Dat. 3.Sg.Akk.m. 3.Sg.Dat.m./n.

Walserdeutsche Dialekte von Issime und Gressoney87 betont enklitisch iine ne in im mu, em

Walserdeutscher Dialekt von Formazza88

Mòcheno89

betont enklitisch betont enklitisch ine -ne sei, sein =(e)n, är =nen im imu -mu

Tabelle VII: Objektpronomen in Südwalser Dialekten und im Mòcheno

Vergleichbares gilt für das Mòcheno. Hier lautet die betonte Form des Personalpronomens der 3. Pers. Pl. Dat. gleich wie die Nominativ/Akkusativ-Form (sei ‚sieʻ), die enklitische Form lautet jedoch nicht sa (wie im Nominativ/Akkusativ), sondern =(e)n bzw. =nen. In beiden Dialekten kann in dem jeweils dargestellten Fall die Variation zwischen betonter und entsprechender unbetonter Form nicht allein mit phonologischen Regeln beschrieben werden. 3.2.2.2 Die Form [=ɐs] In einem anderen Teil des Paradigmas ist auch im Cimbro diese Art von Unabhängigkeit der Entwicklung zu beobachten. Sie betrifft den Zusammenfall der Akkusativ- und Dativ-Formen bei den enklitischen Pronomen der 1. und 87 Die Formen stammen aus ZÜRRER (1999, 208). Es handelt sich dabei um die Formen des Dialekts von Gressoney. Diejenigen des Issimer Dialekts weichen nur dahingehend ab, dass bei den enklitischen Formen der 3. Pers. Pl. Dat. eine Variation zwischen den Formen {ne} und {en} besteht. 88 Die Daten stammen aus DAL NEGRO (2004, 90). 89 Man vgl. ROWLEY (2003, 181).

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2. Pers. Pl. zu der Form =ɐs. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der genannten Formen: Ahd.

Mhd.

Akk. Dat. Akk. 1.Pl. unsih uns uns 2.Pl. iuwih iu iuch

Zimbrisch Sieben Gemeinden Dat. Akk./Dat. üz iu eüch, ach

Cimbro Akk./Dat.bet. Akk./Dat.enkl. ys =ɐs ayx

Tabelle VIII: Die Form [=ɐs] im Vergleich

Es ist nicht klar, ob man im Cimbro von einem Kontaminationsprozess ausgehen kann und wie dieser zu rekonstruieren ist. Es wäre z. B. denkbar, Kriterien festzulegen, die bestimmen, welche der beiden Formen (d. h. der unbetonten Formen von ys und ayx vor dem Zusammenfall) bei dem Kontaminationsprozess als die dominantere angesehen werden soll. Der reduzierte Vokal [ɐ] des Synkretismusergebnisses =ɐs scheint auf den ersten Blick unmittelbar von einer Form wie zimbrisch ach (als unbetonte Form von eüch) abgeleitet zu sein. Gewichtet man die Kontinuität von konsonantischen Bestandteilen höher, wäre die Form der 1. Pers. Pl. die dominante. 3.2.2.3 Die Formen [dɐr] und [=ɐr] Im Cimbro besteht bei den unbetonten Subjektpronomen der 2. Pers. Pl. eine formale Differenzierung zwischen der präverbal vorkommenden Form [dɐr] und der enklitischen Form [ɐr]; man vgl. (12a) und (12b).90 Ähnliches trifft auf die unbetonte Subjektform der 3. Pers. Sg. m. zu, die mit der unbetonten Subjektform der 2. Pers. Pl. homonym ist; man vgl. die Beispiele in (13). (12)

a. dar sait=as gevärbet s haar (Quest) ‚ihr habt euch die Haare [wörtl.‚das Haarʻ] gefärbtʻ (Vi siete tinti i capelli.) b. as=ar böllt in dizionario, ... (Quest) ‚wenn ihr das Wörterbuch wollt, ...ʻ (Se volete il dizionario, ...)

90 Da weder BACHER (1905, 188) noch TYROLLER (2003, 158) in ihren paradigmatischen Darstellungen bei den unbetonten Formen der Personalpronomen zwischen diesen beiden syntaktischen Positionen unterscheiden, entsteht hier ein widersprüchlicher Eindruck: Während BACHER (1905, 188) als unbetonte Form der 2. Person Plural Nominativ nur dɒr anführt, ist bei TYROLLER (2003, 158) an der entsprechenden Stelle im Paradigma nur ar [ɐr] zu finden. PANIERI et al. (2006, 171) führen die unbetonten Formen dar/-(d)ar an.

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(13)

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a. dar is partirt vo Roma (Quest) ‚er ist von Rom abgefahrenʻ (È partito da Roma.) b. i halt, as=ar sei geriift pa zaitn (Quest) ‚ich hoffe, dass er rechtzeitig angekommen istʻ [wörtl. ‚dass er sei angekommen beizeitenʻ] (Spero sia arrivato in tempo.)

Diese Homonymie zwischen der unbetonten Subjektform der 3. Pers. Sg. m. und der 2. Pers. Pl. besteht auch im Zimbrischen der Sieben Gemeinden, wie die Beispiele unter (14) und (15) zeigen. Im Unterschied zum Cimbro sind jedoch hier die unbetonten Formen in präverbaler und enklitischer Position identisch. (14)

(15)

a. Ar habet recht iart òch, baip ‚Frau, auch ihr habt recht.ʻ [wörtl. ‚Ihr habt recht ihr auch, Frauʻ] b. Habat-ar gaziighet an snuar ...? ‚Habt ihr eine Schnur gezogen, ...?ʻ

(ZOTTI 1986, 24)

(ZOTTI 1986, 24)

a. Ar is-sich fermaart ... (ZOTTI 1986, 23) ‚Er blieb ... stehen.ʻ [wörtl. ‚er ist sich angehaltenʻ] b. Az abasen iś-ar saldo khent èerśinkh kan ośándarn. (ZOTTI 1986, 32) ‚Abends ist er aber immer zu uns zurück gekommen.ʻ

Ein Grund, der für die Entwicklung des d-Anlautes bei der Form des proklitischen Subjektpronomens der 3. Pers. Sg. m. eine Rolle gespielt haben mag, ist die Homonymie mit dem definiten Artikel, der für dieselben Merkmale spezifiziert ist. Eine sehr häufige Verwendung des definiten Artikels statt des Personalpronomens ist bei dem proklitischen Subjektpronomen der 3. Pers. Pl. zu beobachten, d. h. in zusammenhängender Rede herrscht in präverbaler Position die Form da (statt sa ‚sieʻ) vor. (16)

a. per fortuna han=sa gevuntet arbat da [daː]. da [dɐ] sain nemear gont in auslont (Ada) ‚zum Glück haben sie [= die jüngere Generation] hier Arbeit gefunden. sie sind nicht mehr ins Ausland gegangenʻ b. un alora han=sa herta gemöcht gian vort. da han gemöcht gian atti arbat. (Ada) ‚und so mussten sie immer fortgehen. sie mussten arbeiten gehenʻ [wörtl. ‚sie haben gemusst gehen auf=die Arbeitʻ]

Vor diesem Hintergrund scheint es nicht unplausibel, dass beim unbetonten präverbalen Subjektpronomen der 3. Pers. Sg. m. [dɐr] eine Generalisierung der Arti-

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kelform im Rahmen einer ehemals ähnlichen variablen Verwendung – also zwischen [ɐr] und [dɐr] – vorliegt. Der d-Anlaut könnte aber auch das Ergebnis einer Reanalyse von Sequenzen aus finitem Verb und Subjektpronomen sein. Der Auslaut der finiten Verbform wurde demnach beim Reanalyseprozess auch dem Anlaut des Pronomens zugewiesen. Grundlage für eine solche Neusegmentierung, die sich in diesem Fall nicht auf die Verbalform auswirkt, stellt eine gewisse Häufigkeit von VerbSubjekt-Sequenzen dar. Ein d-Anlaut bei der Subjektform der 2. Pers. Pl. ist ein in verschiedenen oberdeutschen Dialekten nachgewiesenes Phänomen. SCHIRMUNSKI (1962, 455-456) führt v. a. solche Dialekte an, in denen der dAnlaut nicht nur die unbetonten Formen auszeichnet, sondern auch die betonten Formen, wie z. B. im Elsässischen (Zornthal) mit den Formen dēr - dr̥. SCHIRMUNSKI (1962, 455–456) sieht die Erklärung für diese Formen in einem Zusammenspiel der zwei Komponenten „Verschiebung der Silbengrenze in der Enklise“ und „grammatischer Ausgleich nach dem Typ der Kasus obliqui des Singulars dir, dich“.91 NÜBLING (1992, 263–264) weist im Zusammenhang der Diskussion der berndeutschen Formen di(e)r/=der die Relevanz der letzten Komponente zurück, und sieht, ähnlich wie SCHMELLER (1821, 190) für die Formen tîr bzw. tîß in einigen bairischen Dialekten, in dem plosiven Anlaut allein einen zum Personalpronomen gezogenen Teil der Verbalendung.92 Unter diesen Bedingungen würde man im Cimbro sowohl für die unbetonte präverbale Subjektform der 3. Pers. Sg. m. als auch für diejenige der 2. Pers. Pl. eher eine Form wie [tɐr] erwarten, da die Personalendung der 2. Pers. Pl. und 3. Pers. Sg. bei der überwiegenden Anzahl der Verben auf den stimmlosen Plosiv [t] auslautet (vgl. TYROLLER 2003, 91). Es gibt einen Kontext, in dem regelmäßig der stimmhafte Plosiv [d] vor vokalisch anlautende enklitische Subjektpronomen wie z. B. dasjenige der 3. Pers. Sg. m. tritt. Das ist zum einen dann der Fall, wenn es sich um vokalisch auslautende Konjunktionen wie z. B. die Relativpartikel bo ‚woʻ handelt.93 Zum anderen trifft das auch auf Konjunktionen zu, die auf die Liquide [l] oder [r] auslauten. Dass die Realisierung dieses [d] zwischen Konjunktion und vokalisch anlautendem enklitischen Subjektpronomen genau unter diesen Bedingungen auftritt, zeigen die Beispiele unter (17) (mit dem enklitischen Subjektpronomen der 3. Pers. Sg. m.) und (18) (mit dem enklitischen Subjektpronomen der 1. Pers. Sg.). Der Einschub ist repräsentiert als +d=, um deutlich zu machen, dass der Laut [d] nicht als Anlaut der enklitischen Subjektpronomen analysiert wird. Man vergleiche insbesondere die Beispiele unter (17) mit dem Beispiel unter (13b). Dabei wird deutlich, dass der Einschub des [d] bedingt ist durch den Auslaut der Konjunktion. 91 KOLLMANN (2000, 171) vermutet, dass es sich bei dem Anlaut [d] beim Subjektpronomen für die 2. Pers. Pl. [des] in einigen südbairischen Dialekten im Pustertal um eine Erweiterung handelt, die sich in Analogie zur 2. Pers. Sg. entwickelt hat. 92 Zur Verbreitung der Formen dier, dir ‚ihrʻ im Hoch- und Höchstalemannischen vgl. man NÜBLING (1992, 264). 93 Die entlehnte Konjunktion ke ‚dassʻ stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar (vgl. Kap. 3.3.3).

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(17)

(18)

a. di pirn bo+d=ar hat drin gehat (Claudia) ‚die Birnen, die er drinnen hatteʻ b. vor+d=ar vort is gont (Ada) ‚bevor er fortgegangen istʻ c. Bal d'ar is gəwēst sē(w)m ‚(so)bald er dort gewesen istʻ

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(BACHER 1900, 307)

a. alora pitn visan da [da], bo+d=e [bodə] han gehat da [da] (Ida) ‚also mit=den Wiesen hier, die ich hier hatteʻ b. vor+d=e=me [vɔrdəmə] bin boratet (Ida) ‚bevor ich geheiratet habeʻ [wörtl. ‚bevor ich mich bin verheiratetʻ] c. on pal-d'-ə pin gəwēst əntšlāft (BACHER 1901, 175) ‚und (so)bald ich eingeschlafen warʻ

Zur Annahme, dass dieser phonetisch bedingte Einschub zur Reanalyse der hier zur Diskussion stehenden Formen beigetragen hat, ist jedoch einschränkend festzustellen, dass die d-anlautenden Formen gerade in der syntaktischen Position adjazent zur Konjunktion nicht generalisiert wurden (man vgl. (12b) und (13b)), sondern sich nur in präverbaler Position zu den einzig möglichen Formen entwickelt haben. 3.2.2.4 Resümee Die Fälle von Synkretismus im Paradigma der Personalpronomen, auf die hier eingegangen wurde, stellen uns vor die Aufgabe zu entscheiden, unter welchen Bedingungen man bei diesem Typ des grammatischen Wandels, den BREU (1996) als Oppositionsminderung ohne Formentlehnung klassifiziert, externe Beeinflussung annehmen kann. Dies ist eventuell nur in Fällen extremer Vereinheitlichung der paradigmatischen Muster in der Replikasprache nach dem Vorbild der Modellsprache überzeugend. Im vorliegenden Fall gibt es für die Annahme externer Faktoren keine Anhaltspunkte, da modellsprachlich jeweils klar differenziert wird.94

94 Man vgl. z. B. die Formen der 3. Pers. Sg. Nom. m. el/=lo und der 2. Pers. Pl. Nom a/=o, der 3. Pers. Sg. Dat. (/Akk.) m. a lù (/lù) und der 3. Pers. Pl. Dat. a lori (m.)/a lore (f.) und der 1. Pers. Pl. Akk./Dat. ne und der 2. Pers. Pl. Akk./Dat. ve im venetischen Dialekt von Vicenza (vgl. WEGMÜLLER 1993, 48, 55 und 44).

90

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3.2.3 Beobachtungen zur Allomorphie 3.2.3.1 Subjektpronomen der 2. Pers. Sg. Nom. Vereinzelt taucht für die enklitische Form der 2. Pers. Sg. Nom. ein NullAllomorph auf, vgl. (19): (19)

bist nicht gest nidar ka dar Lisa ka dar tetsch? (Ida) ‚bist (du) nicht unten gewesen bei der Lisa in der (Fraktion) Tezze?ʻ

Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine systematische Lücke im Paradigma der enklitischen Subjektpronomen wie sie z. B. im (Mittel-)Bairischen vorliegt. Im Kontext des oben angeführten Beispiels lautet die regelhafte Sequenz bist=(d)o, d. h. finite Verbform plus Subjektenklitikon, dessen Anlaut sich total an den alveolar-plosiven Auslaut der Personalendung assimiliert. Dies belegen insbesondere die Ergebnisse von Befragungen in Form von Übersetzungsaufgaben. Das NullAllomorph taucht dabei nicht auf; man vgl. z. B. (20b). (20)

a. i hon vil öpfl ‚Ich habe viele Äpfelʻ

b. bill=do uman? ‚Willst du einen?ʻ

Dennoch kommt die Nicht-Realisierung des enklitischen Subjektpronomens der 2. Pers. Sg. in der gesprochenen Sprache des Cimbro sporadisch vor. Ich weise deshalb explizit darauf hin, da diese Fälle nicht verwechselt werden dürfen mit denjenigen, in denen die Nicht-Segmentierbarkeit eines enklitischen Subjektpronomens der 2. Pers. Sg. aus einer allgemeineren Regel erklärt werden kann, die auf alle vokalisch auslautenden enklitischen Personalpronomen innerhalb einer klitischen Kette zutreffen. Entsprechend dieser Regel wird der vokalische Auslaut eines Enklitikons synkopiert, wenn ihm ein Enklitikon folgt, das auf Vokal anlautet. Die Sequenz gen s en bestehend aus finitem Verb + Enklitika in dem Satz in (21a) wird dementsprechend als gen=s(a)=en analysiert (mit Assimilation des bilabialen Auslauts der Verbform gem ‚gebenʻ (3. Pers. Pl. Präs. Ind.) an den folgenden alveolaren Anlaut des Subjektklitikons). Und der Sequenz bi d en in (21b) liegt gemäß dieser Regel die Abfolge Konjunktion=Subjektenklitikon 2. Pers. Sg.=Objektklitikon 3. Pers. Sg. Dat. m. zugrunde, also bi=d(o)=en. (21)

a. est almeno gen=s=en a stroach in kopf a bota vor=sa=se abestechan (Ida) ‚jetzt geben sie ihnen wenigstens einmal einen Schlag auf den Kopf, bevor sie sie abstechenʻ {Schweine} b. dopo magare hat=(d)e gevorscht apara arbatar z’sega bi=d=en bescht epa a foat (Iolanda) ‚dann hat dich vielleicht irgendein Arbeiter gefragt, ob du ihm etwa ein Hemd wäschstʻ

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91

c. hast=en nicht gesek in Flavio? (Iolanda) [hast=(du)=ihn nicht gesehen den Flavio] ‚Hast du Flavio nicht gesehen?ʻ Aus der oben formulierten allgemeinen Regel und der erwartbaren Assimilation von [d] an [t] ist ableitbar, dass in (21c) der Sequenz finites Verb + Enklitika die Struktur hast=(d)(o)=en zugrunde liegt. Das Null-Allomorph, das in der paradigmatischen Darstellung in Tabelle V bei der 2. Pers. Sg. der Subjektpronomen in Klammern angeführt ist, ist im Cimbro also ein sehr beschränkt vorkommendes Allomorph. 3.2.3.2 Subjektpronomen der 1. Pers. Sg. Nom. Bei einer oberflächlichen Betrachtung könnte man auch auf die Idee kommen, für das Subjektenklitikon der 1. Pers. Sg. ein Null-Allomorph zu regulärem =e anzunehmen. Bei einer Teilklasse von Verben treten in bestimmten Kontexten Segmentierungsschwierigkeiten bei den Wortformen der 1. Pers. Sg. (Präs., Ind.) auf. Die Segmentierungsschwierigkeit, die bei einer Form wie sige in (22) aufscheint, besteht darin, dass ohne systematischen Vergleich nicht ohne weiteres entscheidbar ist, ob wir es mit einer verbalen Wortform (mit auslautendem -e als Personenkennzeichnung der 1. Pers. Sg.) oder mit einer Verbindung aus Verbstamm plus enklitischem Subjektpronomen, also sig=e, zu tun haben. (22)

un dopo hat=ar köt, »sige bia s ista la situaziong« (Ida) ‚und dann hat er gesagt, »(ich) schaue, wie die Situation ist«ʻ

Die betreffende Teilklasse im Cimbro, zu der auch das Verb seng ‚sehenʻ gehört, ist dadurch charakterisiert, dass der Stamm der Wortform der 1. Pers. Sg. systematisch variiert. Vergleicht man die für die 1. Pers. Sg. (Präs., Ind.) spezifizierten Wortformen von ‚gebenʻ (wie in (23c)) und ‚kommenʻ (wie in (28a)) miteinander, fällt auf, dass im Vergleich zu den mhd. Entsprechungen bei ersterer keine Apokope des auslautenden -e stattgefunden hat. Dies trifft nicht nur auf die Verben mit zugrunde liegend stammauslautendem b zu, sondern auch auf diejenigen mit zugrunde liegend stammauslautendem g (z. B. bei möng/mang ‚könnenʻ, vgl. (ver)mögen) und d (z. B. kön ‚sagenʻ, vgl. ahd. quedan).95 Der stammauslautende Konsonant in den betreffenden Verben und Verbformen hat sich im Cimbro in ganz bestimmten Kontexten erhalten. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn das pronominale Subjekt präverbal steht und an die Verbform der 1. Pers. Sg. kein enklitisches Objektpronomen angefügt ist (vgl. die Beispiele in (23)).

95 Man vgl. TYROLLER (2003, 100–102) für weitere Ausführungen zu dieser Teilklasse der sogenannten kontrahierenden Verben.

92 (23)

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a. i sige abekemen di laüt (Quest) ‚ich sehe die Leute herunterkommenʻ b. i mage net kemen (Quest) ‚ich kann nicht kommenʻ c. i gibe s geschenk in Mario (Quest) ‚ich gebe Mario das Geschenkʻ

Das gilt übrigens nicht nur für die Abfolge in Hauptsätzen (wie unter (23)), sondern auch für diejenige in Nebensätzen (vgl. (28b) unten). Jedoch verhalten sich in dieser Hinsicht nicht alle Verben dieser Teilklasse gleich. Bei dem Verb kön [køn] ‚sagenʻ z. B. ist eine Variation zu beobachten: Während im Nebensatz auch heute noch durchweg die Verbform mit stammauslautendem Konsonant + auslautendem e vorherrscht (vgl. (24a/b)), ist im Hauptsatz die Kurzform kü ‚sageʻ auch dann möglich, wenn kein Objektklitikon folgt (vgl. (25)). Für die Verben seng ‚sehenʻ, mögn ‚könnenʻ und gem ‚gebenʻ konnte eine solche Variation nicht festgestellt werden. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Belege unter (26), die von einem Sprecher stammen, der erst spät Cimbro gelernt hat und nicht zu meinen Gewährspersonen zählt. In dieser Lernervarietät erscheint die Langform auch in den Kontexten, in denen eigentlich die Kurzform zu erwarten wäre. (24)

a. bo+d=e=dar küde (Iolanda) ‚von dem [wörtl. ‚woʻ] ich dir sageʻ b. was ə dɒr khüdə (BACHER 1905, 98) ‚was ich dir sageʻ

(25)

i kü herta (Ada) ‚ich sage immerʻ

(26)

a. i mage=s lesan (statt: i ma=s) (Christian) ‚ich kann es lesenʻ b. i mage=dar=se laing (statt: i ma=dar=se) (Christian) ‚ich kann dir sie leihenʻ

TYROLLER (2003) vermutet, dass Emphase für die Variation verantwortlich ist: „Nur wenn eine Aussage mit besonderem Nachdruck erfolgt, bleiben in der 1. Person Singular die Endung -e sowie der auslautende Konsonant des Wortstamms erhalten.“ TYROLLER (2003, 100–101) Aber die Verbformen in den Beispielen unter (23) sind nicht besonders hervorgehoben. Der stammauslautende Konsonant bleibt erhalten, wenn auslautendes -e als enklitisches Subjektpronomen analysiert werden muss. In den Beispielen unter (27) ruft eine vor dem finiten Verb stehende Konstituente Subjekt-Verb-Inversion hervor. Deshalb liegt es nahe, hier jeweils ein enklitisches Subjektpronomen (im Beispiel symbolisiert durch =e=) zugrunde zu legen. Unterstützt wird diese Analyse im Vergleich mit den Beispielen unter (28), mit der Form khim ‚komme‘ mit

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93

präverbalem Subjektpronomen (28a) und der Sequenz khim ə bei Subjekt-VerbInversion.96 Der stammauslautende Konsonant bleibt auch erhalten, wenn es sich bei dem enklitischen Pronomen um ein vokalisch anlautendes Objektklitikon handelt, wie z. B. =en (3. Pers. Sg. Akk. m.) in (29). (27)

a. as=to bill di kassetta, mag=e=dar=se laing (Quest) ‚wenn du die Kassette willst, kann ich sie dir leihenʻ b. hoint abas mag=e net kemen (Quest) ‚heute Abend kann ich nicht kommenʻ c. morng gib=e=dar=se (Quest) ‚morgen gebe ich sie dirʻ

(28)

a. ma i khim net ɒs be d' ə pin äšt (BACHER 1905, 99) ‚aber ich komme nicht wie [wörtl. ‚als wieʻ] ich jetzt binʻ b. bal d 'ə də ʃigə khemən, khim ə dɒr əŋkeŋ (BACHER 1905, 98f) ‚(so)bald ich dich kommen sehe, komme ich dir entgegenʻ c. un come supplente o kim=e nia ogerüaft (Sara) ‚und auch als Aushilfe werde ich nie angerufen (d. h. angefragt)ʻ

(29)

i sig=en (Quest) ‚ich sehe ihnʻ

Tritt an den Stamm einer Verbform der 1. Person Singular dieser verbalen Teilklasse direkt ein konsonantisch anlautendes Objektklitikon, entfällt im Cimbro der stammauslautende Konsonant (man vgl. (30a) mit (23a), (30b) mit (23b) und Beispiel (30c) mit (23c)). (30)

a. i si=de (Quest) ‚ich seh(e) dichʻ b. i ma=dar=se laing (Quest) ‚ich kann sie dir leihenʻ c. i gi=dar=se (Quest) ‚ich geb(e) sie dirʻ

Nach wie vor stellt sich die Frage, ob in (22) der Form sige entweder die finite Verbform sig-e zugrunde liegt oder eine andere Struktur. Es könnte sich z. B. um eine Äußerung mit topic-drop handeln (vgl. COOPER 1995). Ob man dabei annimmt, es fehle ein präverbales, satzinitiales Subjektpronomen oder ein enklitisches Subjektpronomen, ist nicht einfach zu klären. Weiterhin könnte die Form sige als die Abfolge finite Verbform=Subjektenklitikon, also sig=e, analysiert werden. Die Entscheidung, welche die richtige syntaktische Analyse ist, ist nicht einfach. Die Analysen von WEISS (2002) für das Bairische und von COOPER (1995) für das Alemannische zeigen dies auf. Dass WEISS (2002, 11) in dem ange96 In Kapitel 4.2.2.1 wird dargelegt, dass (enklitische) Subjektpronomen nur unter ganz bestimmten Bedingungen weglassbar sind. In der Inversionsstellung sind sie obligatorisch, mit den genannten Besonderheiten bei der 2. Pers. Sg. (vgl. (19)).

94

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führten Beispielsatz hosd ois gfundn in der Glossierung das in der generativen Sprachbeschreibung eingesetzte Zeichen pro für ein overt nicht ausgedrücktes Subjektpronomen postverbal positioniert (also ‚hosd pro ois gfundn’ mit der Glossierung: have (2.pers.sg.) all found), läßt vermuten, dass WEISS zugrunde liegend von Inversionsstellung [VS] ausgeht; dies aufgrund der Tatsache, dass ein Fragesatz vorliegt. COOPER (1995, 59), die die Nichtrealisierung des Subjektpronomens in der 2. Person Singular im Alemannischen untersucht, legt der als Aussage intendierten zürichdeutschen Äusserung Häsch ggune ein präverbales empty element, symbolisiert mit dem Buchstaben e, zugrunde (also ‚e Häsch ggungeʻ). Ihrer Meinung nach handelt es sich hier nicht um pro-drop, sondern um einen Fall von topic drop, da diese Art der Auslassung nicht auf das Subjekt beschränkt sei, sondern die Topikposition generell betreffe, und zwar in allen germanischen V2Sprachen. Auch für das Cimbro besteht dieses Analyseproblem für die 2. Person Singular, wie das folgende Beispiel zeigt: (31)

un sem han=sa köt insomma, ke di toatni hon=sa=sei alle getrakh in di gemeinde, in municipio, un augerichtet=en a groasa kommar, un drin pit alln disan sinza paürdar, un hast neonka gikent a mensch, alle schbarz (Iolanda) ‚und dort haben sie gesagt, dass sie die Toten alle in die Gemeinde getragen haben, und ihnen eine große Kammer hergerichtet (haben), mit allen diesen siebzehn Leichnamen drinnen, und (du) hast nicht einmal einen Menschen erkannt, alle (waren) schwarzʻ

Dieses im Fall der 1. Pers. Sg. Nom. letztlich phonologisch determinierte Analyseproblem tritt jedoch nur bei einer begrenzten Anzahl von Verben auf.97 Es handelt sich dabei um den Rest eines älteren Zustands, d. h. eines Zustands vor dem Apokopierungsprozess, der ab dem 12. Jahrhundert auslautendes e in vielen deutschen Mundarten erfasste. Die Bewahrung von auslautendem e bei Wortformen 97 Man vgl. hierzu das Alemannische (Berndeutsche), wie es bei NÜBLING (1992, 270–271) beschrieben ist. Für NÜBLING (1992) ist der Schwund des „interklitischen“ Subjektpronomens der 1. Person Singular im Berndeutschen phonetisch-prosodisch determiniert und hängt mit der Einsilbigkeit der Klitisierungsbasis zusammen. Dieser Faktor bewirkt, dass „das Enklitikon in die druckschwächste direkte Nachtonstellung“ gelangt und „über *[ə] zu Ø reduziert“ wird (NÜBLING 1992, 271). Das Null-Allomorph des Subjektpronomens 1. Pers. Sg. Nom. (neben=i) tritt im Berndeutschen immer im Kontext ‚finites Verb=Subjektklitikon =Objektklitikonʻ auf (vgl. Das mā=Ø=der gönne ‚Das mag ich dir gönnen.ʻ, De müeßt=Ø =mi ja schäme ‚Da müßte ich mich ja schämen.ʻ, Chan=Ø=im öppis hälffe? ‚kann ich ihm etwas helfen?ʻ). Anders verhält es sich im Zürichdeutschen, wo eine komplementäre Distribution zwischen den Allomorphen =i und =Ø festzustellen ist. Im Zürichdeutschen tritt die NullForm immer dann auf, wenn das ihm folgende Enklitikon vokalisch oder mit -m anlautet (vgl. WEBER 1987, zitiert nach NÜBLING 1992, 271). Es ist erkennbar, dass die Verhältnisse im Alemannischen anders gelagert sind als im Cimbro. Im Cimbro ist eine Nullrealisierung wie in den oben zitierten Beispielen gar nicht möglich, wie übrigens auch im Bairischen des geschlossenen deutschen Sprachraums, in dem es kein Ø-Allomorph beim enklitischen Pronomen der 1. Pers. Sg. Nom. gibt, vgl. ALTMANN (1984, 196).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

95

der 1. Person Singular ist im Cimbro auf eine verbale Subklasse zusammengeschrumpft. Aus den beiden Fakten i gibe ‚ich gebeʻ und morng gibedars ‚morgen gebe ich es dirʻ kann man nicht ohne weiteres schließen, dass wir es in letzterem Fall mit einem Null-Allomorph für das Subjektpronomen der 1. Person Singular zu tun haben. Und umgekehrt kann man auch nicht schließen, dass wir es hier mit einer Entwicklung zu tun haben, die dazu führt, dass eine Inversionsform zu einer verbalen Normalform wird. Erst dann, wenn auch andere Verbklassen (z. B. *i kim=e) und eventuell auch andere Personen (*er sik=ar, *er kint=ar) zumindest sporadisch davon betroffen sind, kann von einer solchen Entwicklung ausgegangen werden. Ein plausibles Argument dafür, dass in (22) eigentlich (i) sig=e und somit gar keine Auslassung des Subjektpronomens, also z. B. (ii) [Ø sig-e] (mit Ø = elliptisches Subjektpronomen), vorliegt, kann nur eine Analyse erbringen, in die auch quantitative Aspekte einbezogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Typ von Auslassung, wie er unter (ii) dargestellt ist, typisch für Satzreihen mit Subjektkontinuität ist; man vgl. hierzu han gelirnt subito das francese in Beispiel (174). 3.2.3.3 Zur pronominalen Form ‚esʻ Bei den Formen der 3. Pers. Sg. n., die standarddeutsch ‚esʻ entsprechen, gibt es im Cimbro bei den präverbalen Nominativformen eine freie Variation zwischen der Form s und derjenigen mit prothetischem Schwa (vgl. (32a/b)). Auch das enklitische Subjektpronomen ‚esʻ tritt in den Varianten =s und =es auf, wobei =s die übliche Form ist, die z. B. an die Personalendung -t der 3. Person Singular tritt (vgl. (32c)). Nur nach [s], das z. B. Auslaut einer Konjunktion oder eines WWortes (wie bas ‚wasʻ) ist, taucht die Form mit prothetischem Schwa auf (vgl. (32d)). Die Form =es in der Funktion des (enklitischen) Subjektpronomens 3. Pers. Sg. n. ist also ein sehr spezialisiertes Allomorph. (32)

a. solo s möcht arbatn mon un baibe o (Ada) [nur es muss arbeiten Mann und Frau auch] ‚Nur muss der Mann und auch die Frau arbeitenʻ b. s püable morgas hat gesek es velt s hüntle (Adelia) ‚Der Junge hat am Morgen gesehen, es fehlt das Hündchenʻ c. est redet=si isi (Quest) ‚jetzt redet (es) esʻ (z. B. das Kind) d. da han net gebisst bas=es is (Ada) ‚sie haben nicht gewusst, was es istʻ

Die Akkusativ-Form des Personalpronomens der 3. Pers. Sg. n. lautet =s (vgl. die Belege in (33), BACHER 1905, 188 und TYROLLER 2003, 158).

96 (33)

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alora küd=e as=sa=mar=s menen (Ida) ‚also sage ich, dass sie es mir mähenʻ b. i schrai=s lai in cimbro (Quest) ‚ich schreibe es gleich in Cimbroʻ c. s kini ka sual mast=(d)o=si vüarn in moto (Quest) ‚das Kind kannst du mit dem Motorrad zur Schule bringenʻ d. pero certamente ber=se hat boas=e=s neonka i [i] (Quest) ‚aber tatsächlich wer sie hat, weiß auch ich nichtʻ [wörtl. ‚weiß ich es auch nicht ichʻ] a.

Auch hier taucht das Allomorph -es auf, das ebenfalls nach dem Frikativ [s] erscheint, der z. B. Auslaut einer finiten Verbform ist. Dies kann z. B. anhand des Verbs bissan ‚wissenʻ veranschaulicht werden. Die Verbform 1. Pers. Sg. Präs. Ind. lautet boas (vgl. (34a)). Da subject doubling der Art *i boas=e ‚ich weiß ichʻ im Cimbro nicht vorkommt, kann in (34c) auch nicht die Sequenz boas=e=s vorliegen. Die Form =es ist hier das Allomorph der 3. Pers. Sg. Akk. n. nach dem Frikativ [s]. (34)

a. i boas net vo bas da han=en vor(t) genump (Ida) ‚ich weiß nicht, warum [wörtl. ‚von wasʻ] sie ihn weggenommen habenʻ b. ondre storje boas=e kuane (Ida) ‚andere Geschichten weiß ich nichtʻ c. i boas=es net (Iolanda) ‚ich weiß es nichtʻ

Im Zusammenhang der Allomorphe der 3. Pers. Sg. Akk. n. ist noch eine Besonderheit zu beachten. Es besteht eine interpersonelle Variation bei der Realisierung der Sequenz Subjektenklitikon 3. Pers. Pl. + Objektenklitikon 3. Pers. Akk. n. Manche realisieren sie als =sa=s [sɐs] (vgl. (35a)) und manche als =s(a)=es [səs] (vgl. (35b)). Diese Variation veranlasste wohl BACHER (1905, 188) dazu, für die enklitische Form der 3. Pers. Pl. Nom. (und der Akk.-Form) die beiden Allomorphe =sə und =sɐ anzusetzen. Die bisher angeführten Fakten sprechen meines Erachtens dafür, die Allomorphie nicht bei den Formen der 3. Pers. Pl. anzusiedeln, sondern bei der Form der 3. Pers. Sg. Nom./Akk. n. Das Allomorph =es nimmt somit bei manchen SprecherInnen in einem ganz bestimmten Kontext an der oben formulierten allgemeinen Regel teil, wonach der vokalische Anlaut eines Objektklitikons den vokalischen Auslaut eines vorangehenden Enklitikons überbietet. (35)

a. daseli kontarn=sa=si [kɔntaʁnsɐs] no herta (Ada) ‚das(selbe) erzählen sie (es) noch immerʻ b. a glöcklei han=s(a)=esi [hansəs] gehat quasi alle di goas (Ida) ‚ein Glöckchen haben (sie) (es) quasi alle Ziegen gehabtʻ

97

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3.2.4 Zum morphologischen Ausdruck von Partitivität und Reflexivität 3.2.4.1 Partitivpronomen Mit den Partitivpronomen =sɐn/=sən ‚davonʻ [wörtl. ‚sein‘] (3. Pers. Sg. m./n.) und =ɐr ‚ihrerʻ (3. Pers. Sg. f. und 3. Pers. Pl.) setzt das Cimbro die Verhältnisse des Mhd. fort. Unter (36) sind Beispiele angeführt, die die Differenzierung hinsichtlich Genus und Numerus belegen (man vgl. Beispiel (36a) für 3. Pers. Sg. m. (schnea ‚Schneeʻ), Beispiel (36b) für 3. Pers. Sg. n. (gelt ‚Geldʻ), Beispiel (36c) für 3. Pers. Sg. f. (sup ‚Suppeʻ) und Beispiel (36d) für 3. Pers. Pl. (jar ‚Jahreʻ)): (36)

a. di terrass, dasel is gewest og evüllt pit schnea aso vil is=ta=san gest kent (Ida) ‚die Terrasse, die(selbe) war mit Schnee angefüllt, so viel war [da] gefallen [wörtl. ‚gekommenʻ]ʻ b. hast=(d)o genump gelt? ja, i hon=san genumt vil. (Quest) ‚Hast du Geld genommen? Ja, ich habe viel genommenʻ c. da [da:] ha=bar sup. isst=ar? [Qui abbiamo della minestra. Ne mangi?] ‚Hier haben wir Suppe. Isst (du) welche?ʻ (Quest) d. inveze bas zo macha viar jar hon=ar gemacht vünve (Sara) ‚anstatt vier Jahre [zu machen] habe (ich) [ihrer] fünf gemacht’

Hinsichtlich der Bewahrung bzw. Weiterentwicklung des ererbten morphologischen Systems ist ein Vergleich mit dem Mòcheno und dem Südwalser Dialekt von Issime interessant. Im Mòcheno ist eine Ausgleichsentwicklung festzustellen, die dazu führte, dass die Genusunterscheidung (Mask. / Neutr. vs. Fem.) aufgehoben wurde und die beiden Formen sn und der nur noch eine Numerusunterscheidung (Singular vs. Plural) markieren (vgl. Spalte Mòcheno in der folgenden Tabelle).98

3.sg.m/n 3.sg.f 3.pl.

Ahd. (sîn)/ës ira iro

Issime =dschi =ra =ru

Mòcheno Cimbro san / sen sn ar der → ← ←

Issime2 =dschi =ru →

Mhd. ës (sîn) ir(e)

Tabelle IX: Partitivpronomen im Vergleich

98 Man vgl. hierzu ROWLEY (2003, 189). ROWLEY nimmt an, dass sich die Mask./Neutr.-Form aufgrund der größeren Häufigkeit ihres Vorkommens als genusunspezifische Singular-Form durchgesetzt hat (persönliche Mitteilung).

98

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Interessant ist nun, dass es im deutschen Dialekt von Issime, ausgehend von einem „alten“ System (siehe Spalte Issime in der Tabelle oben), das in der Weiterentwicklung des ahd. Systems auch die Fem. Sg.-Form von der Pl.-Form unterscheidet, gleichermaßen zur Aufhebung der Genusunterscheidung gekommen ist, so dass im „neuen“ System (vgl. Spalte Issime2) ebenfalls die Fortsetzung der Form der 3. Sg. Mask./Neutr. für den Rückbezug auf singularische Größen generalisiert wird.99 Angesichts der Tatsache, dass im Italienischen (und seinen Dialekten) innerhalb des Partitivsystems bei anaphorischem Bezug überhaupt keine Unterscheidung hinsichtlich Genus oder Numerus gemacht, sondern einheitlich das Klitikon ne ‚davonʻ (< lat. INDE) gebraucht wird, liegt im Cimbro (und auch den anderen oberdeutschen Sprachinseldialekten in Norditalien) eine Aufrechterhaltung einer kategorialen Unterscheidung vor. 3.2.4.2 Reflexivpronomen Hinsichtlich der Funktion des Reflexivpronomens ‚sichʻ geht das Cimbro konform mit dem Ahd. und Mhd., indem es auf die Kodierung der enklitischen Akkusativ-Formen der 3. Person beschränkt ist. Die betonten Akkusativ-Formen (nach Präpositionen) und die Dativ-Formen der 3. Person sind identisch mit den Personalpronomen, wie bei der 1. und 2. Person. Das Cimbro kann man in dieser Hinsicht als konservativ und eigenständig bezeichnen, denn sowohl im Standarddeutschen als auch im Standarditalienischen (und Venetischen) kodiert das Reflexivpronomen sich bzw. si (und venetisch se) nicht nur die pronominalen Formen in der Funktion des Akkusativ-Objekts sondern auch diejenigen in der Funktion des Dativ-Objekts. Unter (37) sind Beispiele aus dem Cimbro angeführt, die Dativformen in der Funktion von Reflexivpronomen enthalten: in (37a) mit Bezug auf das Indefinitpronomen aniaglas ‚ein jedesʻ (Neutr. Sg.), in (37b) mit Bezug auf das Personalpronomen 3. Person Sg. Mask., in (37c) mit Bezug auf di mearasten (Pl.), und in (37d) mit Bezug auf das Personalpronomen 3. Person Sg. Fem. (37)

a. alora aniaglas hat=en gekoaft a matraz (Ada) ‚also jeder (wörtl. ‚ein-jedesʻ) hat sich eine Matratze gekauftʻ b. intonto hat=ar=en argehakt di lugonega er [ɛːr] (Ida) ‚derweil hat er sich die Lugonega [= eine Wurstart] abgeschnittenʻ c. un di mearasten han=en genump lai an appartamento in di stat (Ada) ‚und die meisten haben sich gleich eine Wohnung in der Stadt genommenʻ

99 ZÜRRER (1999, 293–294) stellt fest, dass die Form =ra bei den Gewährsleuten der älteren Generation zur Hälfte, bei denen der mittleren und jüngeren Generation annähernd gesamthaft durch =dschi ersetzt wird.

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99

d. un si hatt=ar áu-ghedékht in khopf (BACHER 1901, 291–292) ‚und sie deckte sich den Kopf zuʻ Die Beschränkung des Gebrauchs von ‚sichʻ als Akkusativform „herrscht im Hochdeutschen durchaus bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Erst nach der Mitte desselben fängt man an, wie schon früher im Niederdeutschen, die Akkusativform ‚sichʻ auch für den Dativ zu gebrauchen“ (BESCH 1967, 295–296).100 Im geschlossenen deutschen Sprachgebiet ist diese Beschränkung noch in einigen Gebieten des Oberdeutschen erhalten, wobei teilweise ‚sichʻ als Variante der Dativformen des Personalpronomens erscheint.101 Beispielhaft seien hier Belege aus den grammatischen Beschreibungen von SCHMELLER (1821, 196) und LESSIAK (1963, 193) angeführt, vgl. (38). (38)

a. Er hat îm gedenkt ‚er hat sich gedachtʻ b. Sie hat îr gedenkt ‚sie hat sich gedachtʻ c. si ho̜t irŋ/se ane firtəhr gəkhaft ‚sie hat ihr/sich (eine gewisse Anzahl von) Schürzen gekauftʻ (Pernegg, LESSIAK 1963, 193) d. Sie haben în /înen gedenkt ‚sie haben sich gedachtʻ

Nach Präpositionen, die den Akkusativ regieren, stehen auch im Cimbro (und im Bairischen z. T. als Variante neben ‚sichʻ, vgl. die Beispiele unter (40)) die entsprechenden Formen des Personalpronomens und nicht das Reflexivpronomen ‚sichʻ (vgl. (39)): (39)

a. dar tüats vor imen (selbart) (Quest) ‚er tut-es für sich (selbst)ʻ b. on se’m is’s kent plóasəs gelt, ke sa há’m-san gəhat gənúa vor sē 102 ‚und dort ist’s geworden lauter Geld, dass sie davon genug gehabt haben für sich...ʻ

(40)

a. Er lebt fuer îm/în selben (SCHMELLER 1821, 196) ‚er lebt für sich selbstʻ b. er ho̜ts fir in/fir six selwr gəkhaft ‚er hat es für ihn/für sich selber gekauftʻ

100 BERNDT (1912, 2–3) liefert eine Zusammenfassung dieser Entwicklung. 101 Für Informationen über die geographische Verteilung vgl. man Karte 36 des Deutschen Sprach-Atlas (DSA) und FRINGS (1957, 141). 102 In diesem Beispiel, das BACHER (1900, 411) entnommen ist, erscheint in der Bearbeitung von BELLOTTO (1978, 175) die mit ‚-andereʻ erweiterterte Form des Personalpronomens, vgl. (i): (i)

on dahúam di zua (zuma) salát is lai khent plòases ghèlt, ke sa hãm-san ghehat ghenua (ghenuma) vor se ãndre ... ‚und daheim wurde der Korb Salat lauter Geld, so dass sie genug hatten für sichʻ

100

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

Im Bereich des formalen Ausdrucks des Reflexivpronomens bzw. reflexiv gebrauchter Personalpronomen sind im Cimbro also keine extern motivierten Veränderungen festzustellen. Externer Einfluss könnte aber vorliegen beim Gebrauch des Reflexivpronomens ‚sichʻ (statt ‚unsʻ) als Personalpronomen der 1. Person Plural Akkusativ/ Dativ im Zimbrischen der Sieben Gemeinden. Anders als im Standarditalienischen lautet im Venetischen – wie in anderen norditalienischen Dialekten – das Reflexivpronomen der 1. Person Plural se. Es ist identisch mit dem Reflexivpronomen der 3. Person.

Standarditalienisch Venetisch Zimbrisch Sieben Gemeinden

1. Pers. Pl. Personalpronomen Akk./ Dat. ci ne =sich/=üs

Reflexivpronomen ci se =sich

Die Annahme liegt nahe, dass im Zimbrischen der Sieben Gemeinden, nachdem der Gebrauch von ‚sichʻ als Reflexivpronomen auf die 1. Person Plural ausgedehnt war (ob nun kontaktinduziert oder nicht), ein paradigmatischer Ausgleich stattfand, bei dem letztlich ‚sichʻ auch als Objekt-Personalpronomen der 1. Person Plural fungiert. In den Texten von COSTANTINA ZOTTI wird in den letztgenannten Fällen konsequent die Variante =üs in Klammern hinzugefügt. Diese Zusatzangabe wird bei den Vorkommen von ‚sichʻ als Reflexivpronmen der 1. Person Plural nicht gemacht (man vgl. folgenden Beleg aus ZOTTI 1986, 75: Nach me béghe sain =bar=sich fermaart kan Ciénne ... ‚Den Weg entlang rasteten wir in Thiene ...ʻ). ‚sichʻ als Form des Reflexivpronomens der 1. Person Plural kommt laut BERNDT (1912) auch in deutschen Dialekten des geschlossenen deutschen Sprachraums vor, so z. B. im Berndeutschen: mer mache sech z’weg (BERNDT 1912, 12), oder im Dialekt von Nürnberg: mer bodn sich (BERNDT 1912, 11). BERNDT (1912, 8) geht von einer „Übertragung“ aus der 3. Person Plural aus. Da ‚sichʻ als Reflexivpronomen der 1. Person Plural schon im 14. Jahrhundert schriftlich belegt ist, kann für das Zimbrische der Sieben Gemeinden nicht ausgeschlossen werden, dass „ererbte“ Strukturen überlebt haben und aufgrund der Parallelität in der Modellsprache tradiert wurden. MAAK (1983, 1178) sieht – in Bezug auf die Verhältnisse in den deutschen Dialekten im geschlossenen deutschen Sprachraum – sowohl in der Bewahrung der Dativformen des Personalpronomens in reflexiver Bedeutung als auch im Übergreifen von sich auf die 1. Person Plural „eine vom schriftsprachlichen Gebrauch abweichende Abgrenzung von Personal- und Reflexivpronomen, die […] das […] Bedürfnis nach Unterscheidung einer besonderen reflexiven Kategorie zum Ausdruck bringt.“ MAAK (1983, 1178) Im Zimbrischen der Sieben Gemeinden und auch in den oben genannten Varietäten haben wir es aber letztlich mit einer Aufhebung der Abgrenzung von Personal- und Reflexivpronomen zu tun.

101

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

3.2.5 Weitere Besonderheiten In den folgenden Abschnitten werden Eigenschaften einzelner pronominaler Formen besprochen. Die Formen des Cimbro werden dabei zu anderen zimbrischen Varietäten und deutschen Dialekten in Beziehung gesetzt. 3.2.5.1 Ausfall von [ç] nach [i] Hinsichtlich des Ausfalls von [ç] nach [i] in den betreffenden Formen der Personalpronomen ‚ichʻ, ‚michʻ und ‚dichʻ und auch des Reflexivpronomens ‚sichʻ entspricht das Cimbro den rezenten südbairischen Dialekten, dem Mòcheno und vielen weiteren bairischen Varietäten (vgl. Tabelle X).103

1.Sg.Nom. ‚ichʻ 2.Sg.Akk. ‚dichʻ Reflexivum ‚sichʻ

Zimbrisch der Sieben Gemeinden 1602106 1838107 20. Jh.108 ik ich =ig, =ich dik109 dich =tich sik, sic sich =sich

Cimbro104

Mòcheno105

iː/=ə diː/=də - /=sə

i/=e di/=de - /=se

Tabelle X: Die Entsprechungen von ‚michʻ, ‚dichʻ und ‚sichʻ im Zimbrischen und im Mòcheno

Im zimbrischen Dialekt der Sieben Gemeinden hingegen blieb der auslautende Frikativ bis ins 20. Jahrhundert hinein bewahrt. Die Grapheme und im ersten zimbrischen Katechismus von 1602 und auch die Schreibweise in den Texten der COSTANTINA ZOTTI repräsentieren den Frikativ [ç].110

103 104 105 106 107

108 109 110

Man vgl. z. B. KOLLMANN (2003, 173–175) zum Südbairischen von Laurein. Man vgl. hierzu auch die Angaben bei BACHER (1905, 187). Man vgl. ROWLEY (2003,185). Die Formen stammen aus dem Ersten zimbrischen Katechismus, hrsg. von MEID (1985a). Man vgl. auch FERRERO (1981, 61). Die Formen stammen aus SCHMELLER (1838, 370). Die Angaben in FERRERO (1981, 63) zu den Personalpronomen im Zweiten zimbrischen Katechismus von 1813 sind lückenhaft. Man vgl. jedoch folgende Belege in MEID (1985b): Reflexivum =sich (S. 39, Vers 90) und 1. Sg. Akk. =mich (S. 55, Vers 352). Die Formen stammen aus den Lebenserinnerungen der COSTANTINA ZOTTI (1904–1980), herausgegeben 1986. Man vgl. auch die Formen bei KRANZMAYER (1981, 266). FERRERO (1981, 61) verzeichnet an dieser Stelle des Paradigmas eine Lücke. Man vgl. jedoch MEID (1985a, 73, Vers 450). Man vgl. hierzu die Ausführungen von SCHMELLER (1838, 668) zu dem „Laut“ ch.

102

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

3.2.5.2 Anlaut [b] bei der 1. Pers. Pl. Nom. Für den plosivischen Anlaut [b] der Subjektpronomen der 1. Pers. Pl. ist der regelmäßige Lautwandel mhd. [] > [b] verantwortlich.111 Man beachte jedoch, dass BACHER (1905, 188) für die betonte Form des Subjektpronomens der 1. Person Plural einen bilabialen Approximanten als Anlaut notiert: wiar. Die Formen [biəʀ] und [bəʀ] für die Subjektpronomen der 1. Person Plural sind auch im Südbairischen belegt (vgl. KOLLMANN 2000, 173, 175). 3.2.5.3 Nasalausfall bei den Objektpronomen der 1. Pers. Pl. In Einklang mit der Darstellung von BACHER (1905, 188) und entgegen der Darstellung von TYROLLER (2003, 158) ist bei den Objektpronomen der 1. Pers. Pl. kein nasales Segment vorhanden.112 BACHER (1905, 188) verzeichnet in diesen Formen einen nasalierten Stammvokal /ü̃ /. Diese Nasalierung ist heute selbst bei den Sprechern der konservativen Norm nicht mehr wahrzunehmen. Der alveolare Nasal bleibt als Segment nur in den Formen der Possessivpronomen der 1. Pers. Pl. erhalten. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Realisierungen der Objektpronomen und des Possessivpronomens der 1. Pers. Pl. in südbairischen Dialekten dieseits und jenseits der deutsch-italienischen Sprachgrenze:

‚unsʻ

I: II: III:

‚unserʻ

SüdMòcheno114 Zimbrisch der Sieben Gemeinden Cimbro 113 bair. 1602115 1813116 1838117 20. Jh.118 üś(ándarn) /ü̃ s/,[yːs] ins unz, uz üz üz (iz) [ins] =üs/=sich [=ɐs] ens [insər]

unzer

unzar

ünzar

ünzər119

[ynsɐr]

Tabelle XI: Objektpronomen und Possessivpronomen der 1. Pers. Pl. in südbairischen Dialekten

111 Man vgl. zu diesem Phänomen die Ausführungen in Kapitel 2.3. 112 PANIERI et al. (2006, 169) verzeichnen die Form ü(n)s, ohne jedoch auf Bedingungen des Nasalausfalls einzugehen. 113 Man vgl. KOLLMANN (2000, 175) und SCHATZ (1897, 155). 114 Man vgl. ROWLEY (2003, 181). 115 Die Formen stammen aus dem ersten zimbrischen Katechismus, hrsg. von MEID (1985a). 116 Die Formen stammen aus dem zweiten zimbrischen Katechismus, hrsg. von MEID (1985b). 117 Die Formen stammen aus SCHMELLER (1838, 670). 118 Die Formen stammen aus ZOTTI (1986). 119 Diese Form ist KRANZMAYER (1981, 226) entnommen. Bei ZOTTI (1986, 30) sind für das Possessivpronomen der 1. Pers. Pl. Nom. die Formen ügnar/ögnar belegt. Die Form ögnar stimmt mit den bei MATZEL (1982, 87) angeführten Formen des Possessivpronomens der 2. Pers. Pl. Nom. ögner/ögnar ‚euerʻ überein. Im Zimbrischen der Sieben Gemeinden scheint also ein Ausgleich stattgefunden zu haben.

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

103

Die Belege für die Objektpronomen sind unterteilt in die Reihen I, II und III. Die Reihen I und III gehören zusammen und repräsentieren in den betreffenden Dialekten die betonten (Reihe I) respektive die unbetonten (Reihe III) Formen. Die Reihe II ist reserviert für die Formen, bei denen keine Aussage gemacht werden kann, ob es sich dabei um betonte oder unbetonte handelt. Das liegt zum einen an der formalen Identität (vgl. Südbairisch) oder an der Schriftlichkeit der Datengrundlage, die oft ein eindeutiges Urteil nicht zulässt. Im Mòcheno und Cimbro besteht der Unterschied zwischen den betonten und unbetonten Formen in der Qualität und z. T. in der Quantität des Stammvokals. Im Zimbrischen der Sieben Gemeinden des 20. Jahrhunderts wird der Unterschied morphologisch markiert. Dies drückt sich zum einen dadurch aus, dass die betonte Form konsequent durch das Adjektiv -ander- erweitert wird und zum anderen wurde in Reflexivkonstruktionen die unbetonte Form =üs ersetzt durch das Reflexivpronomen =sich (vgl. Kapitel 3.2.4.2). Im Südbairischen unterscheiden sich laut KOLLMANN (2000) die betonten Formen nicht von den unbetonten Formen. Auch in den Zeugnissen zum Zimbrischen des 19. Jahrhunderts konnte für die Objektpronomen keine formale Differenzierung zwischen betonten und unbetonten Formen festgestellt werden.120 Im ersten zimbrischen Katechismus von 1602 kommt neben der Form ohne alveolaren Nasal (uz) auch die nasalhaltige Form vor (unz). FERRERO (1981, 63) vermutet, dass die nasalhaltige Form auf standardsprachlichen Einfluss zurückzuführen ist. Könnte es sich bei der Variation zwischen uz und unz nicht auch um eine Opposition zwischen betonter und unbetonter Form handeln? Davon geht z. B. BIDESE (2008, 125) aus, der die Formen als Allomorphe analysiert, die quasi frei alternieren (vgl. BIDESE 2008, 128). In den folgenden Beispielen (41), (42) und (43) sind die Formen der Personalpronomen durch Fettdruck hervorgehoben. Es wird deutlich, dass z. B. für die 3. Person Sg. Nom. m. unterschieden wird zwischen einer unbetonten Form, die auch graphemisch mit der finiten Verbform bzw. der Konjunktion verbunden ist (=ar), und einer Form, deren Status als betonte Form nicht ganz klar ist (er). Ähnliches gilt für die Formen der 1. Person Pl. Nom.: =bir (neben =bar und =ber) und bier. Unterstellt man dem Übersetzer des Katechismus, dass er sich sehr eng an die italienische Vorlage hält121, dann verwundert es, dass z. B. den Null-Subjekten und klitischen Pronomen in der italienischen Vorlage nicht konsequent unbetonte Formen in der zimbrischen Übertragung entsprechen. Dies ist nur z. T. der Fall, z. B. in (41), nicht jedoch in (42) und (43). (41)

[...] in den ersten vieren vorset sik, dazar uz ghebe dez bol, vòn den drain dernak, dazar us huete vòm ubel (MEID 1985a, 69, V. 375–376) ‚In den ersten vier bittet man, daß er uns das Gute gebe, in den dreien danach, daß er uns vom Übel behüte.ʻ (MEID 1985a, 156)

120 Im zweiten zimbrischen Katechismus ist für das Dativpronomen der 1. Pers. Pl. neben üz auch die erweiterte Form üz andarn belegt (vgl. BIDESE 2008, 129). 121 Man vgl. hierzu MEID (1985a, 12–13).

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nelle prime quattro si domanda, che ci dia il bene, nelle tre seguenti, che ci liberi dal male (42)

[...] un daròme bizzebir, er mak unz erhoern, daz er bill; also bier sperarn, er bil, sait er ist Vatter (MEID 1985a, 69, V. 394–395) ‚... und darum wissen wir, er kann uns erhören, wenn er will, so wie wir hoffen, daß er will, denn er ist Vater.ʻ (MEID 1985a, 157) Et però sappiamo, che può essaudirci, se vuole, come speriamo, che voglia, poiche è Padre.

(43)

daz er unz hat vorhoazet ‚das er uns versprochen hatʻ che ci hà promesso

(MEID 1985a, 69)

Für die Variation der Formen der 3. Person Sg. Nom. m. lässt sich eine Regularität bezüglich der Position des Pronomens feststellen: die Form =ar ist auf die enklitische Position beschränkt, präverbal kommt nur die Form er vor (mit den Nebenformen her, eer und einmal dar). Ähnlich wie im Cimbro von Luserna gilt für die Formen bar und ber der 1. Person Pl. Nom., dass sie auch in satzinitialer Position vorkommen: bar rìven in daz ebighe Selikot (MEID 1985a, 69), Ber haben nun ghetratart vòn alleme [...] (MEID 1985a, 81). Umgekehrt gilt aber nicht, dass in den Kontexten, in denen keine kontrastive oder sonstige Fokussierung vorliegt, Pronomen in postverbaler oder post-konjunktionaler Position immer als Enklitika oder „schwache Formen“ verschriftlicht werden, wie die Beispiele unter (42) und (43) zeigen. In der oben zitierten Aussage von FERRERO (1981) in Bezug auf die Objektpronomen der 1. Person Plural kommt implizit zum Ausdruck, dass schon Anfang des 17. Jahrhunderts die Form ohne Nasal die im Zimbrischen übliche gewesen sei. Unter dieser Annahme bietet sich die Erklärung an, es handle sich bei diesen Formen um mitgebrachte Alemannismen, da bekanntermaßen diese Art von Nasalschwund ein Charakteristikum des Alemannischen ist. Diese Meinung vertritt z. B. MATZEL (1982, 100–101), der auf weitere zimbrische Belege mit Nasalschwund aufmerksam macht (z. B. sastach ‚Samstagʻ, fistach ‚Donnerstagʻ, koaz ‚keinesʻ). Die Frage, ob sich hinter der Variation zwischen uz und unz im ersten zimbrischen Katechismus die Opposition zwischen unbetont vs. betont verbirgt, die auf der Ab- bzw. Anwesenheit des Nasals basiert, bleibt letztlich offen. Für eine positive Antwort spricht meines Erachtens die Tatsache, dass das nasale Segment in den Possessivpronomen erhalten ist. 3.2.5.4 Die Formen iɐr ‚ihrʻ und ayx ‚euchʻ der 2. Pers. Pl. Das Cimbro weist im Paradigma der Personalpronomen in der 2. Pers. Pl. die im synchronen Vergleich unbairisch erscheinenden Formen iɐr ‚ihrʻ und ayx ‚euchʻ auf statt der zu den Kennwörtern des Bairischen zählenden, etymologisch auf Du-

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105

alformen zurückgehenden Formen eß und eŋ(k)122. Dies lässt den Schluss zu, dass im Altbairischen zur Zeit der Abwanderung der Siedler der Prozess der Generalisierung der Dualformen, der zu ihrem Gebrauch in pluralischer Funktion geführt hat, noch nicht abgeschlossen war. Vergleicht man die zimbrischen Formen mit den Entsprechungen in einigen anderen bairischen Varietäten (vgl. Tabelle XII), fällt z. B. die Uneinheitlichkeit im Südbairischen von Laurein und im Mòcheno auf.

Mittelbairisch123 Südbairisch von Imst124 Südbairisch von Laurein125 Mòcheno126 Cimbro

Nom. eːs öis iəʀ ir iɐr

Dat./Akk. ɛŋ enk ɛŋkç enkh ayx

Tabelle XII: Die Personalpronomen der 2. Pers. Pl. in verschiedenen bairischen Varietäten

Die Verhältnisse im Mòcheno und in den angeführten südbairischen Dialekten in Südtirol127 könnten darauf hinweisen, dass zuerst die dualischen Objektformen mit der pluralischen Bedeutung assoziiert wurden und erst später die Subjektformen. Der Nachweis für diese Hypothese ist jedoch letztlich erst erbracht, wenn sich keine bairische Varietät finden lässt, in der sich bei der 2. Person Plural die Dualform im Nominativ und gleichzeitig die Pluralform im Dativ/Akkusativ durchgesetzt hat. Außerdem muss bedacht werden, dass ein solches System wie im Südbairischen von Laurein auch entstehen kann durch spätere Wiedereinführung der Nominativform ‚ihrʻ, eventuell aufgrund von Einflüssen durch die deutsche Standardsprache. Ob folgende bei PFALZ (1918, 20) angeführten Beispiele, die aus dem späten 15. Jahrhundert und aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammen, als Gegenbeispiele zu der oben geäußerten Hypothese zu werten sind, ist schwer einzuschätzen (vgl. (44a) aus dem Egerer Fronleichnamspiel, einer Handschrift aus dem Jahre 1480, und (44b) aus dem Tagebuch des niederösterreichischen Edelmannes Erasmus von Puchhaim aus dem Jahr 1557). (44)

a. nempts in (asinum) hin, ich vergans euch wol

122 Man vgl. hierzu KRANZMAYER (1981, 221 §52, A), der anmerkt, dass in den bairischen Dialekten die Pluralformen neben dem Zimbrischen nur in Gottschee, Zarz, Eggental und als veraltete Höflichkeitsformen in südbairischen Dialekten vorkommen. 123 Man vgl. ALTMANN (1984, 197). 124 Man vgl. SCHATZ (1897, 155). 125 Man vgl. KOLLMANN (2000, 173). 126 Man vgl. ROWLEY (2003, 181). 127 KOLLMANN (2000, 171) nennt die Orte Altrei, Truden, Aldein, Reggelberg im Osten und Proveis und Laurein im Westen.

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b. Mein herr Pfarrer, lassts mich zue rue, ich hab nit mit euch umbzugen Es tritt hier die schreibsprachliche Form euch zusammen mit Verbformen der 2. Person Plural auf, bei denen die Personalendung -t um den auslautenden Bestandteil der Pronominalform eß erweitert ist. Es kann vermutet werden, dass sich diese Beispiele erklären lassen mit Hilfe von Prinzipien der Verschriftlichung gesprochener Sprache und den dabei wirkenden Motiven der Vermeidung von salienten basisdialektalen Merkmalen; in dem Fall die Vermeidung der Form eŋ(k). Die hier vertretene Annahme, dass bei der Umstrukturierung des Pronominalsystems zuerst die dualischen Objektformen betroffen waren und erst später die Subjektformen, wird außerdem gestützt durch die von MATZEL (1982, 87) angeführten Belege aus dem Zimbrischen der Sieben Gemeinden. Diese stammen aus SCOVAZZI (1971, 44, zitiert nach MATZEL 1982, 87) und MARTALAR (1979, 186, zitiert nach MATZEL 1982, 87) und betreffen die Formen des Possessivpronomens ögner/ögnar ‚euerʻ (vgl. hierzu auch Fußnote 119). Die bei MATZEL (1982, 87) zitierten Formen lassen den Schluss zu, dass ansatzweise auch im Zimbrischen die für das Bairische so typische Ersetzung der Pluralformen durch Dualformen nachweisbar ist. MATZEL (1982) äußert demnach zu Recht Bedenken gegen KRANZMAYERS (1960) Behauptung, die Verdrängung der pluralischen Formen durch die dualischen Pronomen habe im 13. Jahrhundert „von Wien und seiner mittelbairischen Donaulandschaft“ ausgestrahlt (KRANZMAYER 1960, 16). Eher ist mit WEINHOLD (1867) davon auszugehen, dass die erst zum Ende des 13. Jahrhunderts belegten dualen Formen schon früher „in lebendiger Volksrede bestanden haben müssen“ (WEINHOLD 1867, 367), und dies wahrscheinlich nicht nur in der von KRANZMAYER vermuteten Gegend, sondern auch im Herkunftsgebiet der Siedler der Sieben Gemeinden. 3.2.6 Zusammenfassung Inwieweit können im Bereich der behandelten Pronomen des Cimbro Auswirkungen des Sprachkontakts identifiziert werden? Zunächst ist festzustellen, dass es keine Formentlehnung gibt. Es ist keine Ersetzung durch die entsprechende Form der Modellsprache, d. h. durch materielle Entlehnung, erfolgt. Eindeutig modellsprachlicher Einfluss ist für die Existenz der sogenannten Langformen bei den Pluralformen des Personalpronomens verantwortlich. Die Erweiterung durch das Adjektiv -andere ist eine Lehnübersetzung norditalienischer Formen wie etwa venetisch [no’altri] und [vo’altri]. Auf Generalisierungen dieses kompositionellen Verfahrens zur Bildung betonter Personalpronomen nicht nur auf alle Pluralformen des Subjektpronomens, sondern auch auf die Objektformen im Cimbro (und in den walserdeutschen Dialekten und z. T. im Mòcheno) wurde hingewiesen (vgl. Kapitel 3.2.1). Ansonsten ist externer Einfluss auf die

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formale Ausprägung und Struktur des Paradigmas der pronominalen Formen im Cimbro nicht eindeutig nachweisbar. Insgesamt kann also der externe Einfluss auf das morphologische Paradigma der in diesem Kapitel beschriebenen Pronominalformen als gering eingestuft werden. Das Cimbro tradiert Eigenschaften eines älteren Sprachzustands (z. B. im Bereich der Partitiv- und Reflexivpronomen) und entwickelte sich auch selbständig weiter (z. B. die Oppositionsstruktur innerhalb des Paradigmas betreffend). Formenzusammenfall als Ergebnis solcher Entwicklungen könnte dabei als Vereinfachung betrachtet werden. Interessant vor dem Hintergrund allgemeiner Prinzipien morphologischen Wandels sind dabei die Mechanismen, die den Formenausgleich steuern. Nicht in jedem Fall ist es eine schon existierende Form, die sich durchsetzt, sondern es entsteht mitunter eine neue Form aus den Merkmalen vorhandener Formen (wie z. B. im Fall von [=ɐs], eventuell auch bei [iːmən]). Die vergleichende Perspektive auf die deutschen Sprachinseldialekte in Norditalien hat gezeigt, dass Ausgleichsprozesse sowohl bei den klitischen Formen als auch bei den betonten Formen stattfinden. Die Ausgleichsprozesse bei den betonten Objektformen, die im Synkretismus mit Nominativformen münden, zogen nicht die entsprechenden enklitischen (Nominativ-)Formen nach sich (vgl. är/ =ne als betonte bzw. unbetonte Form des Objektpronomens 3. Person Sg. Akk. m. im walserdeutschen Dialekt von Formazza oder sei/=(en), =nen als betonte bzw. unbetonte Form des Objektpronomens 3. Person Pl. Dat. im Mòcheno). Dies zeigt, dass die beiden Pronominalreihen sich relativ unabhängig voneinander entwickeln können. Nachdem in diesem Kapitel die Eigenschaften einzelner Pronominalformen des Cimbro in morphologischer Hinsicht auf Spuren kontaktsprachlichen Einflusses untersucht worden sind, geht es im folgenden Kapitel um die Klitisierung der Pronominalformen an eine syntaktische Basis. 3.3 DIE BASIS DER KLITISIERUNG Im Cimbro bilden verbale Formen und bestimmte nebensatzeinleitende Konjunktionen die syntaktische Basis für enklitische pronominale Formen, d. h. für die klitischen Personalpronomen, Partitivpronomen, das Reflexivpronomen und für das lokaldeiktische Element da. Weitere Fälle von Klitisierungen, die im Cimbro vorkommen, wie z. B. diejenige von Präposition und Artikel, werden in der vorliegenden Untersuchung nicht behandelt. Pronominale Enklitika schließen sich im Cimbro nicht nur an finite Verbformen an, sondern auch an infinite, d. h. an die Infinitivformen und Partizipien. Im Zusammenhang der Klitisierung an finite verbale Formen, die im folgenden Abschnitt behandelt wird, geht es u. a. um die Frage „Wird an die Wortform oder an den Stamm klitisiert?“

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3.3.1 Finite verbale Formen Bei der Klitisierung von pronominalen Formen an finite Verbformen (Indikativ Präsens) der 2. und 3. Person ist die Basis der Klitisierung die verbale Wortform, die aus Stamm und Personalendung besteht. Man vgl. die folgenden Beispiele: du kenn-st=en ‚du kennst ihnʻ, est ken-t=ar ‚jetzt kommt ihrʻ, halt-et=san=as ‚behaltet euch davonʻ, est kin-t=se ‚jetzt kommt sieʻ, kemm-en=sa? ‚kommen sie?ʻ, da gedenk-an=en ‚sie erinnern sichʻ. Nur das Verb bölln ‚wollenʻ scheint in dieser Hinsicht eine Ausnahme darzustellen. Im Mhd. passt sich das Verb ‚wollenʻ z. T. an die Flexion der Präteritopräsentien an (vgl. die Präsensformen der 2. Person Sg. im Ahd.: du wili/ wil thu/wilis und im Mhd.: du wil(e)/wilt) (vgl. PAUL 241998, 266, Anm. 2). Die heutige Form der 2. Person Sg. Präs. mit der Personalkennzeichnung –st ist Produkt eines Ausgleichprozesses, der im Verlauf der Sprachgeschichte hin zum Neuhochdeutschen wirkte. Im Ergebnis dieses Prozesses lautet die Personalendung nicht nur bei den Präteritopräsentien, sondern auch bei den übrigen Verbklassen -st (vgl. KIENLE 1960, 283). Im Cimbro gibt es eine Variation hinsichtlich der Form der 2. Person Sg. Präs. von bölln ‚wollenʻ. Die ältere Form bill ist in der Sequenz finites Verb + Subjektenklitikon bewahrt, d. h. das enklitische Subjektpronomen der 2. Person Sg. =do schließt sich bei diesem Verb nicht an die Wortform an, sondern an dessen Stamm (man vgl. (45a/b) und auch TYROLLER 2003, 103).128 (45)

a. i boas net bas=to bill=st du [du:] (Quest) ‚ich weiß nicht, was DU willstʻ b. bill=do=san? (Quest) ‚Willst du davon?ʻ [wörtl. ‚Willst du seiner?ʻ]

Auch die Wortform der 3. Person Sg. (Präsens Indikativ) zeigt bei dem Verb bölln ‚wollenʻ Besonderheiten. Die historisch gesehen reguläre Wortform bill (man vgl. das Beispiel unter (46a)) erhält die Personalendung -t nicht nur dann, „[w]enn der dentale Reibelaut [s] [...] enklitisch auf die dritte Person Singular […] folgt“ (TYROLLER 2003, 103) (vgl. das Beispiel unter (46b) und auch PANIERI et al. 2006, 61), sondern optional auch dann, wenn anders anlautende Objektklitika sich an die Wortform der 3. Person Sg. anschließen. Dies zeigt das Beispiel unter (46c) mit dem nasal anlautenden Objektklitkon me ‚michʻ (1. Pers. Sg. Akk.) und das Beispiel unter (46d) mit dem vokalisch anlautenden Objektklitikon as ‚unsʻ (1. Pers. Pl. Akk.). Die Fakten können so interpretiert werden, dass es sich bei der Kennzeichnung der 3. Person Sg. (Präsens Indikativ) von bölln ‚wollenʻ mit der Endung -t nicht um ein Phänomen handelt, das in einem sehr beschränkten phone128 Die Form bill kodiert auch die 2. Person Sg. Präsens Konjunktiv, wie das folgende Beispiel zeigt: as=to bill di kassetta ... ‚Wenn du die Kassette willst ...ʻ (Quest) Die mit der Konjunktion as eingeleiteten Nebensätze verlangen eine konjunktivische Verbalform. Man vgl. hierzu auch das Beispiel (2) aus BACHER (1901, 170).

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tischen Kontext auftritt, sondern um einen sich vollziehenden morphologischen Ausgleich, der seinen Ausgangspunkt im Kontext der pronominalen Enklise hat. Zukünftiger Forschung bleibt es überlassen zu untersuchen, wie weit verbreitet dieser sich andeutende Ausgleichsprozess unter den Sprecherinnen und Sprechern des Cimbro von Luserna ist. (46)

a. kan doktur bill=ar=de trang lai est (Quest) ‚zum Doktor will er dich sofort [wörtl. ‚gleich jetztʻ] bringenʻ b. dar bill-t=se seng haüt (Quest) ‚er will sie heute sehenʻ c. dar bill-t=me mi (Quest) ‚er will MICHʻ d. dar bill-t=as üs (Quest) ‚er will UNSʻ

Abweichend von der oben genannten Regel verhält sich auch die Wortform der 3. Person Sg. (Indikativ Präsens) des Verbs mang/möng ‚könnenʻ. Die Verbform, an die sich keine pronominalen Enklitika anschließen, ist identisch mit derjenigen der 1. Person Sg. (vgl. (47a/b)). Fragt man das Paradigma isoliert ab, erhält man als Form der 3. Person Sg. nicht nur das erwartete mage (vgl. TYROLLER 2003, 103), sondern auch die Variante mat. Letztere ist auch die Form der 2. Person Pl., vgl. Beispiel (48a/b). Übersetzungsaufgaben und Spontansprachdaten liefern als weitere Variante für die 3. Person Sg. und 2. Person Pl. die Form mak. In der Sequenz finite Verbform + Enklitikon ist die schon in Kapitel 3.2.3.2 erläuterte Besonderheit der verbalen Subklasse, deren Stamm auf b, d, g auslautet und zu der auch das Verb mang/möng ‚könnenʻ gehört, beobachtbar. Die Besonderheit besteht darin, dass der stammauslautende Konsonant, der im vorliegenden Fall variiert mit der als Personalkennzeichen für die 3. Person Sg. analysierbaren Endung -t, erhalten bleibt, wenn das Enklitikon vokalisch anlautet; vgl. Beispiel (49a/b). Handelt es sich um ein konsonantisch anlautendes Enklitikon, bildet der Verbstamm (ohne stammauslautenden Konsonanten) die syntaktische Basis der Klitisierung; vgl. Beispiel (49c). a. dar mage net kemen ‚er kann nicht kommenʻ b. i mage net kemen

(Non può venire)

3. Pers. Sg.

(Non posso venire)

1. Pers. Sg.

(48)

a. dar mage/mat b. dar mat

‚er kannʻ ‚ihr könnt'ʻ

3. Pers. Sg. 2. Pers. Pl.

(49)

a. dar mak=as rizevarn hoint abas (Vi può ricevere stasera) ‚er kann euch heute Abend empfangenʻ

3. Pers. Sg.

(47)

[/ mak] [/ mak]

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b. hoint abas mat=ar net kemen (Stasera, non puo venire) 3. Pers. Sg. (Stasera, non potete venire) 2. Pers. Pl. ‚heute Abend kann er / könnt ihr nicht kommenʻ c. est ma=s ren pit niamat mear francese (Ada) 3.Pers.Sg. ‚jetzt kann es (= das Bertele) mit niemandem mehr Französisch sprechenʻ Bei Verbformen der 1. Person Pl. ist die Basis der Klitisierung des enklitischen Subjektpronomens =bar der Verbstamm; man vgl. stea=bar in (50a), ha=bar in (50c) und sai=bar in (50d). Ein enklitisches Objekt- oder Reflexivpronomen tritt an die Wortform, d. h. es schließt sich an die Personalendung an; man vgl. z. B. mach-an=as in (50a) und möch-an=as in (50b). Bei den sogenannten Kurzverben ‚habenʻ und ‚seinʻ zeigt sich der Unterschied sehr deutlich darin, dass bei der Verbindung Verbstamm plus enklitisches Subjektpronomen der Stammvokal [a] aufscheint, in der Verbindung Verbform plus enklitisches Objekt-/ Reflexivpronomen jedoch der vom folgenden Nasal beeinflusste Stammvokal [ɔ]; man vgl. ha=bar in (50c) mit hon=as in (50c) und sai=bar in (50d) mit soin=as in (50e). (50)

a. ēst stēa=bar dā un má-an=as áu a haüslə (BACHER 1901, 177) ‚jetzt bleiben wir hier und bauen uns ein Häuschenʻ b. che sa bo bar möch-an=as no ridürn (Ida) ‚wer weiß (vgl. ital. chissà), wohin wir uns noch wenden müssenʻ c. alora ha=bar gemöcht pakhan (Ada) ‚dann mussten wir packenʻ d. sai=bar gont zo nema=s un hon=as genump au di karge vo mel (Iolanda) ‚sind wir es holen gegangen und haben uns eine Ladung Mehl aufgeladenʻ e. bar soin=as õgelek bahemme (Quest) ‚wir haben uns schnell angezogenʻ

Ergänzend zu den bisher formulierten Klitisierungsregeln sei noch Folgendes hinzugefügt: Es gibt eine verbale Subklasse, die als kontrahierende Verben zusammengefasst wird (vgl. TYROLLER 2003, 100–102). Die Einschränkung, die im Kontext der oben formulierten Regeln bei dieser Subklasse gemacht werden muss, betrifft die Variation des Auslauts der Wortform in Abhängigkeit der phonologischen Umgebung mit Folgen für die Morphologie. Verbformen der 1. und 3. Person Pl. dieser Subklasse lauten – je nach ihrem historisch zugrunde liegenden konsonantischen Stammauslaut – z. B. auf einen bilabialen oder velaren Nasal aus; man vgl. (51a) als Beispiel für eine Verbform der 3. Person Pl., die aufgrund

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von Assimilationsprozessen auf den bilabialen Nasal auslautet.129 Für die Verbform der 1. Person Pl. gilt, dass sich das enklitische Subjektpronomen =bar an den vokalisch auslautenden Stamm anschließt (vgl. (51b/c)). Steht das Subjektpronomen der 1. Person Pl. präverbal, tritt das enklitische Objektpronomen an die Wortform, wobei der nasale Auslaut (ob nun bilabial-nasal wie bei gem ‚gebenʻ oder velar-nasal wie bei trang ‚tragenʻ) Assimilationserscheinungen ausgesetzt ist (vgl. die Assimilation zum alveolaren Nasal [n] in (51d) – ge-n=s=en ‚geben es ihnenʻ – aufgrund des folgenden alveolaren Frikativs [s]). Bei der Verbform der 3. Person Pl. wird, wie oben dargestellt, das enklitische Subjektpronomen an die Wortform klitisiert, wobei der Wortauslaut ebenfalls den gerade erwähnten Assimilationserscheinungen ausgesetzt ist (vgl. (51e/f/g)). (51)

a. gian=sa umar in alle di familie as=(s)(a)=en gem a vaschile holz (Ida) ‚gehen sie zu allen Familien, dass sie ihnen ein Bündel Holz gebenʻ b. morng ge=bar=s=en (Quest) ‚morgen geben wir es ihnenʻ c. alora in hert tra=bar=en au ... (Ida) ‚also den Herd tragen wir (ihn) hinauf ...ʻ d. bar ge-n=s=en morng (Quest) ‚wir geben es ihnen morgenʻ e. un escht ma-n=sa=se fermarn da o (Claudia) ‚und jetzt können sie auch hier bleibenʻ [wörtl. ‚können=sie=sich aufhalten hier auchʻ] f. ge-n=sa=dar (Sara) ‚geben sie dirʻ g. alora tra-n=s(a)=en in huat (Gianfranco) ‚dann bringen sie ihm den Hutʻ

Es scheint zunächst, als handle es sich im vorgenannten Kontext der 3. Person Pl. um einen gewöhnlichen Fall von regressiver Ortsassimilation, bei dem das mit [s] anlautende Subjektenklitikon die Realisierung des Nasals als alveolaren Laut steuert. Der Auslaut [n] ist im syntaktischen Kontext finite Verbform + Enklitikon jedoch nicht mehr (allein) phonetisch bedingt, wie die entsprechenden Sequenzen mit vokalisch anlautendem Objektklitikon in (52) zeigen. (52)

a. un dise drai püabla hon=en gehelft aulesan alle di pirn (Sara) ‚und diese drei Buben haben ihm die Birnen aufsammeln geholfenʻ b. un sem passarn=da ondre drai kindar un helvan=en aunemen di pirn [...] un len=en drau di zuma ati bicicletta (Gianfranco)

129 Die Verbformen der 1. und 3. Pers. Pl. sind identisch mit der (reinen) Infinitivform. Bei der mit zu erweiterten Infinitivform taucht der Stammauslaut wieder auf, vgl. zo geba, zo traga.

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‚und dort kommen drei andere Kinder vorbei und helfen ihm die Birnen aufzusammeln [...] und legen ihm den Korb auf das Fahrradʻ Diese Art von Variation (d. h. bilabialer oder velarer Nasalauslaut der Verbform, wenn keine Enklitika angeschlossen sind und alveolarer Nasalauslaut der Verbform, wenn Enklitika folgen) ist keineswegs Teil der Grammatik aller SprecherInnen des Cimbro. Vielmehr handelt es sich dabei um einen sich vollziehenden Sprachwandel, dessen Ausmass (was Sprecher und Verben angeht) weder erfasst noch beschrieben ist. Auch heute noch begegnen einem (jüngere) Sprecher, die vor vokalisch anlautenden Objektklitika den velaren Nasalauslaut der Verbform beibehalten (vgl. (53a)), wie es auch in JOSEF BACHERS Texten vom Anfang des 20. Jahrhunderts dokumentiert ist (vgl. (53b)). (53)

a. z draizene von dizembre gea=bar vo haus in haus bo da soin klummane kindar un trang=en tschokoletla (Claudia) ‚am dreizehnten Dezember gehen wir von Haus zu Haus, wo es kleine Kinder gibt und bringen ihnen Schokolädchenʻ b. un dópo geat dər faf on viar starkə manən on nemən ən paur on tragnən vort on lēg nən nīdər (BACHER 1900, 319) ‚und danach geht der Pfarrer und vier starke Männer und nehmen den Leichnam und tragen ihn fort und setzen ihn abʻ

Veränderungen unterliegt auch die Verbform der 1. / 3. Person Pl. des Hilfsverbs ‚habenʻ. TYROLLER (2003, 104) verzeichnet die Form [hɑːm] (wobei [ɑ] den aufgrund des folgenden Nasals verdumpften /a/-Laut repräsentiert). Die sprachliche Wirklichkeit sieht heute jedoch so aus, dass es bei diesen Verbformen eine Variation zwischen bilabialem und alveolarem Auslaut gibt und die Variante mit alveolarem Auslaut auch in den Kontexten verbreitet ist, wo gar keine Enklitika von Objektpronomen vorliegen (vgl. (54a–c)). (54)

a. disar sala bo=bar han gehat di mostre (Sara) ‚dieser Raum, wo wir die Ausstellungen hattenʻ b. un be=bar han gehat s mel (Iolanda) ‚und wenn wir das Mehl hattenʻ c. ben sa han gesek (Ida) ‚wenn sie gesehen habenʻ

In meinem Korpus treten die Formen der 1. und 2. Person Pl. von ‚habenʻ lediglich vereinzelt mit bilabial-nasalem Auslaut auf im Gegensatz zu der häufigeren Variante mit alveolar-nasalem Auslaut. In JOSEF BACHERS Texten lauten die entsprechenden Verbformen durchgängig ham. Im 3. Heft (h, i, j, k, l) des Wörterbuchs von BERTOLDI et al. (o. J.) ist die Form hãn extra aufgeführt als die Verbform der 1. und 3. Person Pl. von ‚habenʻ (S. 9). Im 5. Heft (s, t, u, v, z) wird

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in einer skizzenhaften Einführung u. a. das Paradigma von ‚habenʻ präsentiert. Bei der 1. und 3. Person Pl. sind die Varianten hãn und hãm verzeichnet. In Bezug auf die 1. Person Sg. gelten die schon in Kapitel 3.2.3.2 ausgeführten Besonderheiten der verbalen Teilklasse, die mit der Bewahrung des stammauslautenden Konsonanten und des Personenkennzeichens -e zusammenhängen. Regelmäßig gebildete Verben verfügen bei der 1. Person Sg. über kein segmentierbares Personenkennzeichen, so dass bei diesen an den konsonantisch auslautenden Stamm klitisiert wird. Die Verbform der 1. Person Sg. der Wurzelverben stian ‚stehenʻ, gian ‚gehenʻ und tüan ‚tunʻ lautet vokalisch aus. Der Anschluss eines vokalisch anlautenden Enklitikons erfordert auch hier den Hiatustilger [d] (vgl. die Beispiele unter (55a/b)). (55)

a. haüt gea+d=e ka Tria (Quest) ‚heute gehe/fahre ich nach Trientʻ b. alora rüaft=a(r)=mar, kint=ar un rüaft=mar un stea+d=e au (Iolanda) ‚also ruft er (nach) mir [= ‚weckt er michʻ], kommt er und ruft (nach) mir und stehe ich aufʻ 3.3.2 Infinite verbale Formen

Im Cimbro ist auch eine infinite Verbform mögliche Basis für die Klitisierung von Objekt- und Reflexivpronomen. Zu diesen infiniten Verbformen gehören 1) der „einfache Infinitiv“, 2) der mit der Partikel zu „erweiterte Infinitiv“, 3) das Partizip Präteritum und 4) das Partizip Präsens. Die einfache und die mit zu erweiterte Infinitivform werden im Cimbro morphologisch differenziert. Sie unterscheiden sich dadurch, dass erstere nasal auslautet und letztere vokalisch auf [ɐ]. In Kapitel 3.4.2.1 werde ich diese Differenzierung aus der synchronen und diachronen Perspektive beleuchten. In Kapitel 3.4.2.2 erfolgt im Rahmen der Untersuchungen zur Wortstellung der Pronominalklitika im Cimbro eine Beschreibung der zu beobachtenden Stellungsmuster in Konstruktionen mit infiniten Verben. Im Folgenden sollen lediglich einige Beispiele zur Klitisierung von Objekt- und Reflexivpronomen an die genannten infiniten Verbformen vorgestellt werden. 3.3.2.1 Einfache Infinitivform Ein Beispiel für die Klitisierung eines Objektpronomens an eine einfache Infinitivform ist (56). Bei dem Infinitiv machan, an den das unbetonte Personalpronomen =en der 3. Person Plural (in reflexiver Funktion) klitisiert ist, handelt es sich genauer gesagt um eine koordinierte Infinitivform. machan ist koordiniert zum Infinitiv gian, der adjazent zu der Verbform steht, die seinen Status (den 1. Status) regiert.

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un han=sa nia gemat gian un machan=en a schümmana caminada (Gisella) ‚und sie konnten nie gehen und (ihnen) einen schönen Spaziergang machenʻ 3.3.2.2 Abhängige Infinitivform

Der Klitisierung eines Objektpronomens oder des Reflexivpronomens an eine abhängige Infinitivform begegnen wir z. B. in einer finalen Infinitivkonstruktion, wie in folgendem Beispiel, in dem das unbetonte Objektpronomen 3. Pers. Pl. Akk. enklitisch zum Infinitiv auftritt: (57)

dopo is=ta kent dar Gianfranco zo nema=se (Ida) ‚danach kam Gianfranco, um sie zu holenʻ

Im Zusammenhang der Klitisierung an abhängige Infinitivformen gibt es eine phonetisch gesteuerte Besonderheit. Wird an die abhängige Infinitivform ein vokalisch anlautendes, klitisches Objekt- oder Reflexivpronomen angeschlossen, so kommt es zu einer Restituierung des – sprachhistorisch gesehen einmal vorhandenen – nasalen Auslauts; man vgl. zo vüara+n=as und zo lassa+n=as in (58). Synchron ist dieser alveolare Nasal als Hiatustilger zu analysieren. (58)

un eh di Adelia, ben=da is gest quasi gonz darlescht s vaür, hat dezidart zo vüara+n=as durch zo lassa+n=as sen alle di elbar voprent (Sara) ‚und als das Feuer fast ganz erloschen war, hat Adelia beschlossen, uns hinzuführen, um uns all die verbrannten Bäume zu zeigenʻ 3.3.2.3 Partizip-Präteritum-Form

Ähnlich wie bei der Klitisierung an einfache Infinitivformen kommt auch die Klitisierung eines unbetonten Objekt- oder Reflexivpronomens an die PartizipPräteritum-Form bevorzugt in Koordinationskonstruktionen vor. In (59) ist die Partizip-Präteritum-Form gelat ‚gelassenʻ koordiniert zu augemacht ‚(auf)gemacht, bereitetʻ und das enklitische Objektpronomen =s (3. Pers. Sg. Akk. n.) referiert auf {Holz}, von dem im Vortext die Rede ist.130 (59)

pero inar bota, alora han=sa=s augemacht un gelat=s in balt. {Holz} (Ada) ‚aber (früher) einmal, da haben sie es gemacht und (es) im Wald gelassenʻ

130 Der Ausdruck aumachan holz bedeutet ‚Holz machenʻ, im Sinne von ‚Brennholz sammeln und stapelnʻ.

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3.3.2.4 Partizip-Präsens-Form Im Sprachgebrauch des Cimbro keine prominente Rolle spielen infinite Konstruktionen, in denen ein Objekt- bzw. Reflexivpronomen an eine Partizip-PräsensForm klitisiert ist.131 Bei den Belegen in (60) handelt es sich um Ergebnisse einer Elizitierung auf der Basis von Übersetzungsaufgaben. Diese Konstruktionen entsprechen den modellsprachlichen subordinierten infiniten Konstruktionen mit Gerundium (Ital. -ando, -endo). In spontansprachlichen Texten des Cimbro begegnen einem solche Konstruktionen kaum.132 (60)

a. Köd-ante=s=en... (Quest) ‚Dicendo glielo...ʻ / ‚es ihm sagend...ʻ b. Hab-ant=en gesek ... (Quest) ‚Avendolo visto...ʻ / ‚ihn gesehen habend...ʻ c. Schaug-ante=se o in spetscho is=se=se gesek alt (Quest) ‚Guardandosi allo specchio, si è vista vecchia.ʻ ‚sich im Spiegel betrachtend, hat sie gesehen, dass sie alt ist.ʻ 3.3.3 Konjunktionen

Wie in anderen deutschen Dialekten, bilden auch im Cimbro Konjunktionen die Basis für die Klitisierung von Pronominalformen.133 Im Cimbro zählen hierzu z. B. die Partikel bo ‚wo’, die als Relativpartikel fungiert (vgl. (61a) und (17a)), die Konjunktion as ‚dass; wenn, fallsʻ, die Komplementsätze und Konditionalsätze einleitet (vgl. (61b) und (13b))134, die temporale Konjunktion vor ‚bevorʻ (vgl.

131 Man vgl. TYROLLER (2003, 111–115) zur Bildung der Partizip-Präsens-Formen im Cimbro und TYROLLER (2003, 242–243) zum Gebrauch von Partizipialsätzen. 132 Partizipialsätze, die eine zur Handlung des Matrixsatzes gleichzeitig ablaufende Verbalhandlung zum Ausdruck bringen, kommen im Cimbro durchaus vor (vgl. i. und ii.). Das in die morpho-syntaktisch eingebettete Verbalhandlung involvierte Objekt wird dabei aber selten pronominalisiert. (i)

un eh soin=sa gont essante di pirn (Sara) ‚und sie gingen, [ihre] Birne essendʻ

(ii) un spilante pitn stekh hat=s vorprocht in spetscho (Gisella) ‚und während es [= das Büblein] mit dem Stecken spielte, zerbrach es den Spiegelʻ 133 Man vgl. z. B. ALTMANN (1984), WEISS (1998) zum Bairischen und NÜBLING (1992) und PENNER (1991) zum Alemannischen. Im Bairischen gelten für die 2. Person besondere Bedingungen, da man hier von einer Konjugation der Nebensatzeinleiter ausgehen muss (vgl. WEISE 1907; BAYER 1984; ROWLEY 1994; WEISS 1998; HARNISCH 1989). 134 An dieser Stelle sei auch noch darauf hingewiesen, dass es im Cimbro eine relativ große Anzahl von zusammengesetzten Konjunktionen gibt, wie z. B. zoa as ‚damitʻ. Bei dieser Klasse besteht das erste Element oft aus entlehntem Material, wie z. B. fin as ‚bisʻ, intanto as ‚während, alsʻ, anka as ‚auch wennʻ (vgl. hierzu auch TYROLLER 2003, 238–240).

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(21a), wiederholt als (61c)) und die Konjunktion be/bi135 ‚obʻ (vgl. Beispiel (21b), wiederholt als (61d)).136 (61)

a. un sem han=sa gehat di penkh bo=sa abas han gemacht filo (Ada) ‚und dort hatten sie die Bänke, wo sie sich abends versammeltenʻ137 b. un bia da han=s=en get, as=sa epas han kombinart (Ada) [und wie sie haben=es=ihnen gegeben, wenn=sie ...] ‚und wie sie [= Eltern] es ihnen gegeben haben, wenn sie [= Kinder] etwas angestellt haben!ʻ138 c. est almeno gen=s=en a stroach in kopf a bota vor=sa=se abestechan (Ida) ‚jetzt geben sie ihnen wenigstens einmal einen Schlag auf den Kopf, bevor sie sie abstechenʻ {Schweine} d. dopo magare hat=(d)e gevorscht apara arbatar zʼsega bi=d(o)=en bescht epa a foat (Iolanda) ‚dann hat dich vielleicht irgendein Arbeiter gefragt, ob du ihm etwa ein Hemd wäschstʻ

Ein davon abweichendes Verhalten zeigen die Konjunktionen umbrom ‚weil, dennʻ und ke ‚dassʻ (vgl. ital. che). Vergleichbar der deutschen Konjunktion denn, folgen im Cimbro die mit umbrom ‚weilʻ eingeleiteten Sätze immer dem topologischen Satzmuster des Hauptsatzes. Objekt- und Reflexivpronomen treten in diesen Kausalsätzen immer enklitisch an das finite Verb (vgl. (62a/b)) und auch Negationswörter stehen nach der finiten Verbform (vgl. (62c)). (62)

a. odar forse umbrom da hon=se gehöart mearar daütsche (Claudia) ‚oder vielleicht, weil sie sich mehr [als] Deutsche gefühlt habenʻ b. ma dopo ha=bar gehat bintsche glückh pin ross o, umbrom da sain=as herta darkhronkht (Iolanda) ‚aber danach hatten wir auch wenig Glück mit den Pferden, denn sie sind uns immer krank gewordenʻ c. un intonto dar mon is kent abe von// von pirnpuma un hat gesauget, umbrom dar hat nemear gesek di zuma pirn (Gisella)

135 Es sei darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der bei TYROLLER (2003, 182 und 240) aufgeführten Konjunktion be ‚wenn, obʻ eine phonetisch freie Variation mit bi gibt, die auch BERTOLDI et al. (o. J.) im 1. Heft, S. 29 ihres Wörterbuchs anführen. BACHER (1905, 225) kennt nur die Variante be bzw. we. 136 Auf die Funktion und Bedeutung der einzelnen Konjunktionen werde ich hier nicht eingehen. Man vgl. TYROLLER (2003, 181–182 und 233–240) für einen Überblick. 137 Das Wort filo [filɔ] ist eine Entlehnung aus dem Trentinischen (vgl. ital. filare ‚spinnenʻ) und bezeichnet eigentlich die Spinnstube. Der Ausdruck machan filo meint, dass sich während der Wintermonate ein Teil der Dorfgemeinschaft abends in der Stube eines Hauses trifft. 138 Das Pronomen ‚esʻ bezieht sich hier auf eine Bestrafung in Form von Schlägen.

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‚und währenddessen ist der Mann vom Birnbaum herunter gekommen und hat geschaut, denn er hat den Korb (voll) Birnen nicht mehr gesehenʻ Diese Stellungsregularität trifft auch auf die mit ke eingeleiteten Komplementsätze zu; man vgl. hierzu die Beispiele unter (63).139 (63)

a. un hat=se köt ke si [si:] bill=se boratn bais (Iolanda) ‚und sie hat gesagt, dass SIE in weiß heiraten willʻ (wörtl. ‚dass sie will sich verheiraten weißʻ) b. pero dar möcht promettarn=en, ke dar lat=me nemear gian (Ida) ‚aber er muss ihm versprechen, dass er mich nicht gehen läßtʻ c. un i sige ke pin kindar is=se magari viar urn afn tage (Sara) ‚und ich sehe, dass sie mit den Kindern vielleicht vier Stunden am Tag [zusammen] istʻ [wörtl.: ‚dass mit_den Kinder ist=sie vielleicht vier Stunden auf_den Tagʻ]

Bei der Form umbrom wird modellsprachlicher Einfluss zwar vermutet, die Rekonstruktion der Umformung (ausgehend von mhd. warumbe) scheint aber noch nicht ganz geklärt zu sein.140 Hingegen ist bei der Konjunktion ke klar, dass es sich hierbei um eine materielle Entlehnung handelt. Die Integration von ke bedeutet zunächst eine Erweiterung des Wortschatzes. Die Folgen dieser Erweiterung für das System der Konjunktionen können zum jetzigen Stand der Forschung noch nicht eingeschätzt werden. Es stellt sich z. B. die Frage, ob die Entlehnung von ke u. a. dazu führt, dass die Gebrauchskontexte der mit mehrfacher Funktion beleg139 Die Konjunktion ke konkurriert in gewisser Weise mit der Konjunktion as, d. h. die beiden Konjunktionen sind in einigen Kontexten austauschbar (vgl. (ia/b) und (iia/b)). (i)

a. b.

(ii) a. b.

i hon net gebisst ke du has(t) geha(t) gelest disan libar. (Quest) i hon net gebisst as=to hast geha(t) gelest disan libar. (Quest) ‚ich habe nicht gewusst, dass du dieses Buch gelesen hastʻ s kint=mar vür ke si is müade (Quest) s kint=mar vür as=se sei müade (Quest) ‚es kommt mir vor, dass sie müde ist/seiʻ

Die Konjunktion as verfügt über einen anderen Funktionsbereich als ke, da sie z. B. auch einen Konditionalsatz einleiten kann: pero as=ma hat geböllt nüzan s wassar hat=ma gemöcht gian ‚aber wenn man Wasser brauchte, musste man gehen [zum Brunnen]ʻ. Inwieweit sich die Funktionsbereiche von ke und as einerseits überschneiden, andererseits spezialisieren, ist noch offen. Ein Unterschied zwischen mit ke und as eingeleiteten Nebensätzen betrifft den Modus des Verbs. Während in mit as eingeleiteten Nebensätzen die Verbform im Konjunktiv erscheint, ist dies bei mit ke eingeleiteten Nebensätzen nicht der Fall. 140 BACHER (1905, 334) meint, es handle sich bei der Form umbrom um eine Nachbildung der ital. Konjunktion perchè. Rätselhaft bleibt jedoch, wie es – ausgehend von der mhd. Form warumbe – und unter Berücksichtigung des Wechsels von w > b, über Assimilation und Synkope zu brumme (vgl. SCHMELLER 1855, 175) und weiter zu der Präfigierung mit um- gekommen ist (vgl. umrumme bei SCHMELLER 1855, 242 und ambrumme in ZOTTI 1986, 16).

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ten ererbten Konjunktion as ‚dassʻ eingeengt wird. Auf jeden Fall wurden mit der Entlehnung der italienischen Konjunktion che auch viele ihrer modellsprachlichen Eigenschaften übernommen. Die im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit wichtigste Eigenschaft besteht darin, nicht als Basis für die Klitisierung von Pronominalformen dienen zu können. Im Zusammenhang der Klitisierung an Konjunktionen ist eine phonetische Besonderheit zu beachten, von der schon mehrmals die Rede war. Es geht dabei um das Auftreten des stimmhaften Plosivs [d] in der Funktion eines Hiatustilgers. [d] tritt vor einem vokalisch anlautenden Enklitikon ein, wenn die Konjunktion auf Vokal, [l] oder [r] auslautet; man vgl. hierzu die Beispiele unter (18a/b) und (28a/b). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in Nebensätzen, die von den Konjunktionen bo, as, vor und be / bi eingeleitet werden, unbetonte Objektpronomen nicht in jedem Fall an diese klitisieren. In Kapitel 3.4.1.3 werden in Zusammenhang des Abbaus der Asymmetrie zwischen Haupt- und Nebensatzwortstellung diesbezügliche Besonderheiten besprochen. 3.3.4 Die klitische Kette Als klitische Kette bezeichne ich unmittelbar aufeinanderfolgende enklitische Pronominalformen. Diese Kette hat im Cimbro maximal drei Glieder, bestehend aus Subjektenklitikon (oder lokaldeiktischem Enklitikon =da), enklitischem Akkusativobjekt (Personal- oder Reflexivpronomen) oder enklitischem Partitivpronomen und enklitischem Dativobjekt (Personal- oder Reflexivpronomen). Das enklitische Subjektpronomen bildet stets den äußersten linken Rand der klitischen Kette. Interessant ist vor allem, inwiefern die Abfolge der enklitischen Objektpronomen abweicht von der Abfolge der entsprechenden nominalen Konstituenten (bei unmarkierter Wortfolge), und ob irgendwelche Besonderheiten gelten. Schon BACHER (1905, 198) macht in Bezug auf die Serialisierung von Akkusativ- und Dativ-Objekt im Cimbro auf folgende Besonderheiten aufmerksam: „Bei mehreren Objekten folgt der Akkusativ stets unmittelbar auf das Verb[um] finit[um] [...] Sind aber die Objekte durch Personalpronomina ausgedrückt, so stehen die der 1. u. 2. Pers. vor denen der 3. (ohne Rücksicht auf den Kasus), sind beide Pronomina der 3. Pers., so geht wieder der Akk. dem Dativ voraus, es entscheidet dann wieder der Kasus.“141

Wenn Akkusativ- und Dativ-Objekt nominal realisiert sind, ist im Cimbro die Grundabfolge AKK-DAT, ganz ähnlich der Serialisierung im Italienischen und unähnlich derjenigen im Standarddeutschen (vgl. (64a) vs. (64b/c)).142 Wenn Ak141 Man vgl. hierzu auch die Darstellung bei TYROLLER (2003, 210). 142 Bei dem angesprochenen Unterschied zwischen dem Italienischen und dem Deutschen ist jedoch zu beachten, dass die Abfolge im Italienischen von einer allgemeineren Regularität abgeleitet werden kann. Dativobjekte sind im Italienischen Präpositionalobjekte. Die Language Independent Preferred Order of Constituents (LIPOC, vgl. SIEWIERSKA 1993, 838),

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kusativ- und Dativ-Objekt pronominal realisiert sind und es sich um Pronomen der 3. Person handelt, lautet im Cimbro die Abfolge ebenfalls AKK-DAT; man vgl. die Beispiele unter (65c/d). Im Italienischen ist die Abfolge der proklitischen Objekte grundsätzlich DAT-AKK143, jedoch mit der Besonderheit, dass in der klitischen Kette die Genusopposition bei den Dativpronomen der 3. Person Singular aufgehoben ist (vgl. (65b)). In ähnlicher Weise wie im Italienischen erfolgt auch im Standarddeutschen eine Inversion der Kasusabfolge, wenn sowohl direktes als auch indirektes Objekt pronominal realisiert sind (man vgl. (65a) mit (64a); und (65b) mit (64b)). (64)

a. Er gibt meiner Schwester das Buch / den Film. b. Dà il film / il libro alla mia sorella. c. I gibe s geschenk in Mario / imen. (Quest) ‚Ich gebe Mario / ihm das Geschenk.ʻ

(65)

a. b. c. d.

Er gibt es/ ihn/ sie ihr. Glie=lo=dà. ‚Er gibt es ihr / ihmʻ. I bill=s=en gem . ‚Ich will es ihm / ihnen geben.ʻ 144 I hon=s=ar get. ‚Ich habe es ihr gegeben.ʻ

die von der Ordnung clitic > pronoun > noun phrase > adpositional phrase > subordinate clause ausgeht, macht plausibel, dass im Italienischen ein Dativobjekt dem Akkusativobjekt folgt. Weiterhin ist zu beachten, dass die Abfolge DAT-AKK im Standarddeutschen nur in einem Teilbereich (3. Person Singular) regelhaft ist und es sich sonst um eine Präferenz handelt (vgl. WEISS 1998, 141). 143 Auch die meisten italienischen Dialekte zeigen heute die Reihenfolge DAT-AKK in der klitischen Kette auf (vgl. BENINCÀ 1997). Innerhalb der romanischen Sprachen gilt die Reihenfolge AKK-DAT, wie sie etwa das Korsische oder einige ligurische Varietäten bewahren, als die ältere. MONACHESI (1998) stellt für die klitische Kette im (Standard-)Italienischen das in untenstehender Tabelle wiedergegebene template auf. Wie der Tabelle zu entnehmen ist, ist im Standarditalienischen den beiden Funktionen von si jeweils eine Position in der Reihenfolge zugeordnet: vgl. se=lo=dice ‚er sagt es sichʻ (mit Reflexivpronomen=dir. Obj. =fin. Verb) und lo=si=dice ‚man sagt esʻ (mit dir. Obj.=Impersonalpronomen=fin. Verb). Nördliche Dialekte und Sardisch weichen davon insofern ab, als impersonales si bzw. se stets vor einem direkten oder indirekten Objekt steht, unabhängig davon, ob si als Reflexivpronomen oder als impersonales Subjektpronomen fungiert (vgl. BENINCÀ / VANELLI 1984, 171). Position

I mi ti gli le ci vi

II ci

III si (refl.)

IV lo la li le

V si (impers.)

VI ne

144 Die Kombination =en=ar (=3.Sg.Akk.m.=3.Sg.Dat.f.) ‚ihn ihrʻ ist in meinem Korpus nicht belegt.

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Da im Cimbro die enklitischen Pronomen der 1. und 2. Person Singular allen anderen vorausgehen (vgl. (66)), liegt es nahe, die Variation bei der Serialisierung der enklitischen Objektpronomen mit der Animacy Hierarchy in Verbindung zu bringen (vgl. CROFT 1990, 111–117). Denn entsprechend der Belebtheitshierarchie rangieren die 1. und 2. Person höher als die 3. Person. (66)

a1. gist=(d)o=mar a matita? {a matita (Akk.f.) ‚einen Bleistiftʻ} ‚gibst du mir einen Bleistift?ʻ a2. i gi=dar=se lai ‚ich gebe ihn (hier: ‚sieʻ) dir gleichʻ (Quest) b. i bill=mar=en net leng {in konsott (Akk.m.) ‚den Rockʻ} [1.Sg.Nom. will=1.Sg.Dat.=3.Sg. Akk.m. nicht (an)legen] ‚ich will ihn nicht anziehenʻ (Quest) c. in vraita bart=e=dar=en trang {in libar (Akk.m.) ‚das Buchʻ} [am Freitag werd=1.Sg.Nom.=2.Sg.Dat.=3.Sg.Akk.m. tragen] ‚am Freitag werde ich es (hier: ‚ihnʻ) dir bringenʻ (Quest) d. minan trator vüarn=sa=dar=san auvar höbe (Ida) [mit_einem Traktor führen=3.Pl.Nom.=2.Sg.Dat.=Part.Sg. herauf] ‚mit einem Traktor bringen sie dir (von dem) Heu heraufʻ

Für das Cimbro muss die Darstellung von BACHER (1905) präzisiert werden, denn er spricht allgemein von der 1. u. 2. Person und berücksichtigt nicht, dass es einen Unterschied hinsichtlich Numerus gibt. Das enklitische Dativpronomen der 1./2. Person Plural =as verhält sich nämlich anders als =mar (1. Person Singular Dativ) und =dar (2. Person Singular Dativ), indem es die Position entsprechend der Grundabfolge AKK-DAT einnimmt (vgl. die Beispiele unter (67a/b)). Die enklitischen Partitivpronomen verhalten sich innerhalb der klitischen Kette wie Akkusativ-Objekte (vgl. (68a/b/c) mit (66d)). (67)

a. est küd=e=s=as (Quest) ‚jetzt sage=ich=es=euchʻ [jetzt sag=1.Sg.Nom.=3.Sg.Akk.n.=1./2.Pl.Dat.] b. hat=se=s=as gelat leng (Iolanda) ‚hat sie es uns legen lassenʻ [hat=3.Sg.Nom.f.=3.Sg.Akk.n.=1./2.Pl.Dat.]

(68)

a. get=san=as [gebt=Part.Sg.=1.Pl.Dat.] (Iolanda) ‚gebt uns davonʻ b. haltet=san=as [haltet=Part.Sg.=2.Pl.Dat.] (Iolanda) ‚(be)haltet euch davonʻ c. i bart=san=en ren (Quest) ‚ich werde ihm davon erzählenʻ [1.Sg.Nom werd=Part.Sg.=3.Sg.Dat.m.]

Die im Cimbro zu beobachtende Variation der Abfolge, die als Sensitivität in Bezug auf Belebtheit interpretiert werden kann, ähnelt der Regularität im Französischen. Auch für die Abfolge der Objektklitika im Französischen gilt, dass die Da-

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tivpronomen der 1. und 2. Person stets den Akkusativpronomen vorausgehen (vgl. (69b)), während sonst die Abfolge AKK-DAT die Regel ist (vgl. (69)).145 (69)

a. Marie les lui donne. b. Marie me les donne.

‚Maria gibt sie ihm.ʻ ‚Maria gibt sie mir.ʻ

Auch mit dem Bairischen im geschlossenen deutschen Sprachgebiet gibt es Übereinstimmungen. WEISS (1998, 90) postuliert für das Bairische die Grundabfolge DAT-AKK, da die Abfolge AKK-DAT nur in den Fällen gilt, in denen es für das Dativpronomen keine klitische Form gibt.146 Das System der klitischen Personalpronomen ist im Bairischen defektiv, u. a. dahingehend, dass es für die 3. Person keine enklitischen Dativpronomen gibt.147 (70)

a. dass=a=n eam geem hod ‚dass er ihn ihm gegeben hatʻ [dass=3.Sg.Nom.m.=3.Sg.Akk.m. 3.Sg.Dat.m. gegeben hat] b. *dass=a eam=an geem hod c. dass=a=ma=n geem hod ‚dass er ihn mir gegeben hatʻ [dass=3.Sg.Nom.m.=1.Sg.Dat.=3.Sg.Akk.m. gegeben hat] d. ??dass=a=n=ma geem hod

Einmal abgesehen von den Lücken im Paradigma der Pronominalklitika des Bairischen ist die Parallelität zum Cimbro offensichtlich, d. h. es gilt die Abfolge DAT-AKK, wenn es sich beim indirekten Objekt um das klitische Pronomen der 1. oder 2. Person Singular handelt. Also gilt auch für das Bairische, dass die klitischen Pronomen der 1. und 2. Person Singular stets den übrigen Pronominalklitika vorausgehen.148 145 SPORTICHE (1996) führt folgendes clitic template für das Französische an: Nom. il

Neg. ne

1st./2nd./Refl. me/te/se

3rd. Acc. le, la, les

3rd. Dat. lui, leur

Loc. Gen. y en

Man vgl. hierzu auch BLAKE (2001, 140). Dort werden weitere Bereiche genannt, in denen sich die Belebtheitshierarchie manifestiert (neben Wortfolge z. B. auch Numerusmarkierung und Kongruenz). 146 Man vgl. hierzu auch NÜBLING (1992, 275, 282), die für die modernen oberdeutschen Dialekte die bevorzugte Abfolge DAT vor AKK postuliert. 147 Auch bei den Formen der 1./2. Person Plural fehlen im Bairischen klitische Dativ- (und auch Akkusativ-)Pronomen (vgl. ALTMANN 1984, 196–197 und WEISS 1998, 87). Die Angaben bei KOLLMANN (2001, 173, 175) für das Südbairische lassen sich ebenso interpretieren, da sich die bei ihm angeführten betonten und unbetonten Formen nicht unterscheiden. 148 Zu den Grammatikalitätsurteilen in Bezug auf die bairischen Beispiele in (70b) und (70d) sei folgende Ergänzung angefügt: WEISS (1998) gibt an, dass (70d) von einigen seiner Gewährspersonen als akzeptabel eingestuft wird. Er spricht deshalb etwas vorsichtiger von der Tendenz, die Abfolge AKK-DAT als markierte Variante bei eingeleiteten Nebensätzen akzeptabel zu finden. WEISS macht für die schwankende Bewertung artikulatorisch-phonetische Faktoren verantwortlich. Er führt das Beispiel do han=e=n=ma selber gschengd ‚da habe ich ihn

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Aufgrund der teilweisen Übereinstimmung mit dem Bairischen im geschlossenen deutschen Sprachraum ist für das Cimbro anzunehmen, dass in Bezug auf die Abfolge der Objektpronomen innerhalb der klitischen Kette externe Faktoren keine Rolle spielen. Zumindest gibt es keine Anhaltspunkte, externen Einfluss in Erwägung zu ziehen. 3.3.5 Zusammenfassung In Kapitel 3.3 wurde beschrieben, an welche Formen sich klitische Pronomen anschließen und welche Abfolge innerhalb der klitischen Kette gilt. Basis für die Klitisierung bilden zum einen verbale Formen und zum anderen Konjunktionen. Auf externen Einfluss ist die Eigenschaft zurückzuführen, dass auch infinite verbale Formen Basis für pronominale Klitika sein können. Den Konstruktionen, in denen die Klitisierung an infinite Verben eine Rolle spielt, ist ein eigener Abschnitt gewidmet (Kapitel 3.4.2). Bevor diese Konstruktionen in den Mittelpunkt rücken, werden im Zuge der Untersuchungen zur Wortstellung der Pronominalklitika grundlegende Fakten zur Topologie des Haupt- und Nebensatzes im Cimbro präsentiert und Prozesse, die zur Angleichung der Wortstellung der Pronominalklitika im finiten Nebensatz an diejenige im Hauptsatz führen, identifiziert. 3.4 UNTERSUCHUNGEN ZUR WORTSTELLUNG DER PRONOMINALKLITIKA In diesem Kapitel wird zunächst die Distribution von Pronominalklitika in Hauptsätzen und finiten Nebensätzen beschrieben. Dabei geht es neben den Eigenschaften V2-Beschränkung und verbale Klammerkonstruktion vor allem um die Frage, inwiefern das Cimbro die für das Deutsche charakteristische Asymmetrie der Wortfolge in Haupt- und Nebensatz abbaut. 3.4.1 Zur Topologie des Haupt- und Nebensatzes Einige der auffälligeren Charakteristika der Wortstellung des Deutschen sind die V2-Beschränkung im Hauptsatz, die Klammerkonstruktion und die Endstellung mir selber geschenktʻ als „vereinzelten Fall“ für die Abfolge AKK-DAT an, der lexikalisch motiviert ist (vgl. WEISS 1998, 90). Dieser Beleg wirft allerdings Fragen hinsichtlich der Form des Subjektpronomens auf. Nach den von ALTMANN (1984) beschriebenen Regeln gibt es für das Subjektklitikon der 1. Person Singular zwei Allomorphe: zum einen =e, das auftritt, wenn das Subjektklitikon die letzte Silbe der klitischen Kette bildet, zum anderen =a, das auftritt, wenn das Subjektklitikon eine Position in einer nicht-letzten Silbe der klitischen Kette einnimmt. Regulär sollte die klitische Kette also han=a=n=ma lauten, was nach meinem Urteil jedoch ebenso ungrammatisch ist wie han=e=n=ma.

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des finiten Verbs (und die damit verbundene OV Stellung) in eingeleiteten Nebensätzen. Keine dieser Stellungsregularitäten gilt für das Cimbro in der Form wie für das Standarddeutsche und viele Dialekte im geschlossenen deutschen Sprachraum. In diesem Abschnitt wird zum einen gezeigt, dass es im Cimbro Reste der eben genannten Stellungsregularitäten gibt und wodurch diese charakterisiert sind. Zum anderen wird auch beschrieben, in welcher Hinsicht wir es mit einem allmählichen Abbau der Unterschiede zwischen Haupt- und Nebensatzwortfolge zu tun haben. 3.4.1.1 Subjekt-Verb-Inversion und Klammerkonstruktionen im Cimbro Reste einer V2-Beschränkung sehe ich im Cimbro in dem unterschiedlichen syntaktischen Verhalten nominaler und pronominaler Subjekte im Hauptsatz, wenn dieser ein Satzglied in präverbaler Stellung (d. h. vor dem finiten Verb) aufweist.149 Der Gegensatz hinsichtlich der Stellung des Subjekts (in Abhängigkeit seiner Realisierung als nominales Syntagma oder als Pronomen) zwischen den durch die temporalen Adverbien est ‚jetztʻ und dopo ‚dannʻ eingeleiteten Sätzen in (71b/c) vs. (72b/c) zeigt diese Eigenschaft auf.150 (71)

a. in umana na nacht mai momma is darbekht (Ada) ‚eines Nachts ist meine Mutter aufgewacht (wörtl. ‚erwecktʻ)ʻ b. est di jungen gian neonka mear in di kirch (Ada) ‚jetzt gehen die Jungen nicht einmal mehr in die Kircheʻ c. un dopo dar sun, dar Diego, is gont no soinar arbat (Claudia) ‚und dann ist der Sohn, der Diego, seiner Arbeit nachgegangenʻ

(72)

a. ka herbest han=sa gelest di patatn (Ada) ‚im Herbst haben sie die Kartoffeln gelesenʻ b. un escht man=sa=se fermarn da o [da: o:] (Claudia) ‚und jetzt können sie auch hier bleibenʻ c. alora dopo hat=ar=mar=s aukontart (Ida) ‚und danach hat er mir es erzähltʻ

149 Interessant erscheint in dieser Hinsicht ein Vergleich mit der Sprachgeschichte des Englischen, da es während des Alt- und Frühmittelenglischen auch hier zu einer Entwicklung kam, bei der sich die distributionellen Eigenschaften pronominaler und nominaler Subjekte anglichen (vgl. KEMENADE 1994, 137). 150 Man vgl. POLETTO / TOMASELLI (2000) und BIDESE / TOMASELLI (2007) für eine diachrone Darstellung des Verlusts der V2-Beschränkung im Zimbrischen. Ausgangspunkt für die Aufhebung der V2-Beschränkung im Zimbrischen bilden nach POLETTO / TOMASELLI (2000) interrogative Strukturen, in denen eine linksperiphere Konstituente je nach Analyse entweder als freies Thema oder als entsprechendes linksversetztes Argument betrachtet werden kann. Die Aufhebung der V2-Beschränkung besteht also ihrer Meinung nach in der Generalisierung einer Struktur auch auf den deklarativen Satzmodus, die vorher auf den interrogativen Satzmodus beschränkt war.

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Auch Adverbialia in Form von Präpositionalphrasen können im Hauptsatz nicht invertiert und bei periphrastischen Verbformen zwischen Hilfsverb und infinite Verbform treten, vgl. ka herbest ‚im Herbstʻ in (73a) und an earstn ‚zuerstʻ in (73b): (73)

a. dar mon ka herbest is kent humman (Ada) ‚der Mann ist im Herbst gekommen heim ʻ b. ditza an earstn hat geböllt stoln sola a pir (Sara) ‚dieses {Kind} wollte zuerst nur eine Birne stehlenʻ

Es stellt sich die Frage, welche Konstituenten im Hauptsatz die Verbklammer füllen können. Die enklitischen Subjektpronomen wurden schon angeführt. Auch stark betonte, fokussierte Subjektpronomen können diese Position einnehmen, wie folgendes Beispiel zeigt, in dem das Pronomen se ‚sieʻ durch die Partikel ‚auchʻ fokussiert ist: (74)

da han se o [se: o:] gehat di tessere von gileba (Ada) [sie haben sie auch gehabt die Karten von Lebensmittel] ‚auch sie hatten die Lebensmittelkartenʻ

Auch Objekt- und das Reflexivpronomen können zwischen Hilfsverb und infinite Verbform treten, vgl. unter (72b) das Reflexivpronomen =se (3. Pers. Pl. Akk.) und unter (72c) die Objektpronomen =mar=s (1. Pers. Sg. Dat. = 3. Pers. Sg. Akk. n.).151 Zu den zwischen finiten und infiniten Prädikatsteil tretenden Konstituenten gehören neben Subjekts- und Objektspronomen auch die der Satznegation dienenden Partikeln net ‚nichtʻ (75a), nicht ‚nichtʻ (75b), nia ‚nieʻ (75c) und neonka ‚nicht einmalʻ (75d). Dabei treten Negationspartikeln innerhalb der Verbklammer auch in Kombination auf, vgl. (75e). (75)

a. du hast net gevuntet an tisch, du hast net gehat a pett (Ada) ‚du hast keinen Tisch gefunden, du hattest kein Bettʻ b. ma hat nicht gehat s wassar in haus (Ada) ‚man hatte das Wasser nicht im Hausʻ c. un come supplente o kim=e nia ogerüaft (Sara) ‚und auch als Aushilfe werde ich nie angerufen (d. h. eingesetzt)ʻ d. un sicche alle dise laüt han gemöcht stian az Lavrou un dopo kearn bidrum, han neonka gemak kemen iar (Ada)

151 In arealtypologischer Hinsicht erscheint es mir interessant darauf hinzuweisen, dass es eine romanische Varietät gibt, die unter dem Einfluss des Deutschen steht und sich dadurch auszeichnet, dass zwischen Hilfsverb und Partizip ein klitisches Objektpronomen stehen kann. Es handelt sich dabei z. B. um das Surmeirische (bzw. Oberhalbsteinische), eine bündnerromanische Varietät; man vgl. hierzu EBNETER (1994, 758) und folgendes Beispiel: Nous vagn igl via/Nous igl vagn via ‚Wir haben ihn gesehenʻ (EBNETER 1994, 762).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

125

‚und so dass alle diese Leute in Lavarone bleiben und danach umkehren mussten/(sie) konnten nicht einmal herein kommenʻ (d. h. nach Luserna) e. proprio in a nacht zwoa metre schnea, ke dopo is neonka nia mear vürkent (Ada) ‚wirklich in einer Nacht zwei Meter Schnee, wie es dann auch nie mehr vorgekommen istʻ Auch Indefinitpronomen wie all- ‚all-ʻ (76a), epas ‚etwasʻ (76b) und nicht ‚nichtsʻ (76c) können diese Position einnehmen. In Beispiel (76c) liegt außerdem eine spezielle Positionierung der trennbaren Partikel in ‚hereinʻ vor (vgl. zu diesem Phänomen auch die Beispiele (1), (110) und GREWENDORF / POLETTO 2005). (76)

a. i han alls vort gelek (Iolanda) ‚ich habe alles beiseite geschafft (wörtl. ‚fort gelegtʻ)ʻ b. alora is sa [sa:] gont pessar umbrom ma hat epas gebunt (Ada) ‚dann ist es schon besser gegangen, denn man hat etwas verdientʻ c. da han nicht in gemat trang vo ondar lendar (Ada) ‚sie konnten nichts von anderen Ländern (her)eintragen (d. h. importieren)ʻ

Wie die Beispiele unter (77) zeigen, können Indefinitpronomen wie all- ‚allʻ (77a/b) und kuma- ‚kein-ʻ (77c) auch in der Funktion als „floating quantifiers“ zwischen finitem und infinitem Teil bzw. zwischen zwei infiniten Teilen einer komplexen Verbalperiphrase stehen. In (77b) tritt zusätzlich zu dem Quantor ein klitisches Objektpronomen auf (=se), das das satzinitiale Akkusativ-Objekt wiederaufnimmt. (77)

a. di lapide, bo=da sain gest nidar, sain gest alle gedekht pit schnea (Ada) ‚die Grabsteine, die unten waren, waren alle mit Schnee bedecktʻ b. di toatn hon=sa=se alle getrakh in di gemeinde (Iolanda) ‚die Toten haben sie [se: 3.Pers.Pl.Akk.] alle in die Gemeinde getragenʻ c. un stiveln sain=da no net kumane gest (Ada) ‚und Stiefel hat es noch keine gegebenʻ

In adverbialer Funktion kann in dieser Position auch der Quantor vil ‚vielʻ stehen (vgl. (78a)). Als solcher ersetzt er u. a. das im Cimbro nicht belegte Temporaladverb ‚oftʻ (vgl. (78b)).152

152 In SCHMELLERS Zimbrischem Wörterbuch ist allerdings ein Eintrag für ofte ‚oftʻ zu finden (vgl. SCHMELLER / BERGMANN 1855, 213). In komplexen Verbalperiphrasen steht vil ‚viel,

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(78)

a. dar hat vil gelest (Ida) ‚er hat viel gelesenʻ b. ka Leve sai(t)=ma153 o vil gant zo provedra (Ada) ‚nach Levico ist man auch oft zum Einkaufen gegangenʻ

Auch viele Adverbien können die Verbklammer füllen, wie z. B. herta ‚immerʻ, lai ‚gleich, nurʻ, forse ‚vielleichtʻ, no ‚nochʻ. Unter (79) sind einige Beispiele angeführt, die der Vervollständigung der grammatischen Beschreibung des Cimbro dienen,154 vgl. in (79a) widar ‚wiederʻ, in (79b) lai ‚gleichʻ und forse ‚vielleichtʻ, die in Kombination ‚vielleicht sogarʻ bedeuten, in (79c) laise ‚langsam, sachteʻ (hier redupliziert zur Verdeutlichung der Allmählichkeit und darüber hinaus modifiziert durch epas ‚etwasʻ), in (79d) bol ‚wohlʻ, in (79e) drau ‚d(a)raufʻ, finamai ‚bisweilenʻ und in (79g) sem ‚dortʻ. (79)

a. mitar zait han=s(a)=as widar get bidrum s geplettra (Ida) ‚mit_der Zeit haben sie uns wieder das Zeug zurück gegebenʻ b. jioso Maria santissime est is=ar lai forse getöatet (Ida) ‚heilige Maria und Josef, jetzt ist er vielleicht sogar totʻ c. un alora hat=ma epas laise laise ogeheft zo richta di haüsar (Ada) ‚und dann hat man so langsam angefangen die Häuser (her)zurichtenʻ d. da han=en bol gehöst aluma di franeln (Ada) ‚sie haben sich zwar schon die Wolljacken gestrickt, ...ʻ (wörtl. ‚siei haben=ihneni wohl gestrickt allein die Wolljackenʻ) e. un dopo hon=sa drau gemacht di übarschua. da han finamai drau rikamart di röasla... (Ada) ‚und dann haben sie die Überschuhe drauf gemacht. sie haben bisweilen (die) Röslein drauf gestickt ...ʻ f. un hast sem gemöcht stian namp in prun (Ada) ‚und hast dort neben dem Brunnen stehen müssenʻ

oftʻ nicht unbedingt vor der ersten infiniten Form, vgl. (i). Und bei Topikalisierung eines infiniten Teils der Verbalperiphrase kann der Quantor auch nachgestellt sein (ii). i han=se gehört vil ren francese pit sain prüadar (Ada) ‚ich habe sie oft mit ihren Brüdern Französisch reden gehörtʻ (ii) gesunk vil ha=bar abas (Ida) ‚viel/oft gesungen haben wir abendsʻ

(i)

153 Die Form sait ‚seidʻ ist die 2. Person Plural (Ind. Präs.) von sain ‚seinʻ. Es ist eine Besonderheit des Cimbro, dass das Indefinitpronomen ma ‚manʻ die Verbformen der 2. Person Plural selegiert (vgl. BACHER 1905, 203 §91 und KOLMER 2009). 154 TYROLLER (2003, 199) macht in Bezug auf die Klammerkonstruktion folgende Aussage: „Lediglich kleine Partikeln wie sa ‚schonʻ oder enklitische Pronomina sowie die Negationspartikel net ‚nichtʻ können [...] nach dem finiten Verb eingeschoben werden, so dass eine minimale Verbklammer entstehen kann.“ BAUEN (1978) prägt für die eingeschränkte Klammerkonstruktion im walserdeutschen Dialekt von Rimella den Begriff „Miniaturklammer“.

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

127

Auch im Italienischen und seinen Dialekten stehen bestimmte Adverbien in periphrastischen Verbformen normalerweise nach dem ersten Hilfsverb, wie z. B. già ‚schonʻ, ancora ‚nochʻ, più ‚mehrʻ, sempre ‚immerʻ und mai ‚nieʻ etc. (vgl. LEPSCHY / LEPSCHY 1986, 236). Neben der Stellung der Negationswörter und von Ortsadverbien wie sem ‚dortʻ ist die mögliche Stellung der Indefinitpronomen zwischen finiter und infiniter Verbform als für das Cimbro charakteristischer Rest einer Klammerkonstruktion deutschen Typs im Hauptsatz anzusehen. Auch im finiten Nebensatz, der durch eine der in Kapitel 3.3.3 angeführten Konjunktionen eingeleitet wird, gibt es eine Art „kleine Klammer“. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass Elemente, die im Hauptsatz zwischen finiter und infiniter Verbform stehen, im Nebensatz zwischen der einleitenden Konjunktion und finiter Verbform treten, z. B. ein als Reflexivpronomen fungierendes klitisches Objektpronomen und eine Negationspartikel wie in (80a) (=de ‚dichʻ und net ‚nichtʻ), ein stark betontes Personalpronomen wie in (80b) (hier zusätzlich durch die Partikel o ‚auchʻ fokussiert), ein Adverb (vgl. abas ‚abendsʻ in (61a)) oder ein Indefinitpronomen in der Funktion eines direkten Objekts (vgl. epas ‚etwasʻ in (61b)). (80)

a. as=tu=de net bist komportart gerecht (Ada) ‚wenn du dich nicht gut betragen hastʻ b. un bo=bar biar o net han gewisst (Ida) ‚und die auch wir nicht kannten [wörtl. ‚nicht haben gewusstʻ]

Was die relative Abfolge der Verbformen im mehrgliedrigen Verbalkomplex betrifft, unterscheiden sich Haupt- und Nebensatzwortfolge im Cimbro nicht, d. h. es gibt keine Endstellung des Finitums im Nebensatz (vgl. hierzu auch GREWENDORF / POLETTO 2005). 3.4.1.2 Exkurs: Zur Wortstellung des Cimbro in arealtypologischer Perspektive In diesem Exkurs wird das Cimbro in Bezug auf zwei Wortstellungseigenschaften mit romanischen Varietäten des Alpenraums verglichen. Zum einen handelt es sich dabei um die Subjekt-Verb-Inversion (im deklarativen Hauptsatz) und zum anderen um die Eigenschaft, ein topikalisiertes Objekt pronominal wieder aufzunehmen. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Cimbro dem Typus der umgebenden romanischen Varietäten gleicht und wie weit die Ähnlichkeiten zum Typus der romanischen Varietäten mit V2-Beschränkung reichen. Es ist eine hinlänglich bekannte Tatsache, dass – auf synchroner Ebene betrachtet – eine Gruppe der rätoromanischen Dialekte als V2-Sprachen eingestuft werden kann und sich damit von allen übrigen romanischen Sprachen unterscheidet.155 Bei dieser Gruppe handelt es sich zum einen um die bündnerromanischen 155 Man vgl. z. B. SILLER-RUNGGALDIER (2001, 607) zur Wortstellung im Grödnerischen und Gadertalischen, HAIMAN (1988, 368) zur Wortstellung in bündnerromanischen Dialekten,

128

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Dialekte (u. a. Surselvisch, Surmeirisch, Sutselvisch, Ober- und Unterengadinisch), die im Schweizer Kanton Graubünden gesprochen werden, und zum anderen um die ladinischen Dialekte von Marebbe (Ennebergisch), des Gadertals (Val Badia) und des Grödnertals (Val Gardena), die in der italienischen Provinz Südtirol gesprochen werden. Im vorangegangenen Abschnitt wurde aufgezeigt, dass im Cimbro im deklarativen Hauptsatz lediglich ein pronominales Subjekt invertiert wird, wenn die präverbale Position z. B. durch ein Adverbiale besetzt ist (vgl. (72b), wiederholt als (81a)), ein lexikalisches Subjekt jedoch nicht (vgl. (71b), wiederholt als (81b)).156 (81)

a. un escht man=sa=se fermarn da o (Claudia) ‚und jetzt können sie auch hier bleibenʻ b. est di jungen gian neonka mear in di kirch (Ada) ‚jetzt/heutzutage gehen die Jungen nicht einmal mehr in die Kircheʻ

Bei den rätoromanischen Dialekten, die Subjekt-Verb-Inversion aufweisen, gilt die Subjektinversion sowohl für pronominal als auch lexikalisch realisierte Subjekte (vgl. (82a/b)157 aus dem zentralladinischen Dialekt des Gadertals und (83a/b) aus dem Surselvischen).158 (82)

a1. T vas gonoot a ciasa sua. a2. Gonoot vas-t a ciasa sua. [du gehst oft zu Haus ihr] ‚du gehst oft zu ihrʻ a3. *Gonoot t vas a ciasa sua. b. L liber a Tone cumpré. ‚Das Buch hat Antonio gekauft.ʻ

(83)

a. a-t áunataun as-te da-me mai dau in-andźil 159 ‚und doch hast du mir nie ein Zicklein gegebenʻ b. La brev ha la mumma scret. (SPESCHA 1989, 595) ‚Den Brief schrieb die Mutterʻ

POLETTO (2000, 88–107) zur Wortstellung in zentralladinischen Dialekten (insbesondere im Ladinischen von San Leonardo di Badia) und HAIMAN/BENINCÀ (1992, 167–175) für eine Darstellung der Wortstellungsregularitäten, die alle rätoromanischen Varietäten zu berücksichtigen versucht. 156 Das Cimbro erlaubt nur in ganz begrenztem Umfang die Inversion nominaler Subjekte, z. B. in Fragesätzen des folgenden Typs, einer Kopulativkonstruktion mit prädikativem Adjektiv: (i)

Is dar albar groas? ‚Ist der Baum groß?

157 Die Beispiele in (82a) stammen aus POLETTO (2000, 89–90), das Beispiel (82b) stammt aus BENINCÀ (1994, 94). 158 Man vgl. jedoch OETZEL (1992, 17-19) hinsichtlich der Nichtbeachtung der Inversionsregel in bündnerromanischen Dialekten. 159 Das Beispiel stammt aus GARTNER (1910, 94).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

129

Stellt man die Übersetzungsäquivalente des Satzes ‚Am Donnerstag war die Krankheit geheiltʻ (aus GARTNER (1910, 37), Satz 116) in verschiedenen romanischen Varietäten des Alpenraums einander gegenüber, wird dieser Unterschied deutlich; man vgl. die Übersetzungen des Satzes 116 in GARTNER (1910, 37) unter (84) und (85): Während im Sutselvischen und Grödnerischen das nominale Subjekt invertiert wird, um die Position des finiten Verbs in zweiter Position zu garantieren (vgl. (84a/b) mit XVS-Stellung), stimmen das Lombardische und Friaulische mit dem Standarditalienischen überein, indem die präverbale Stellung des Subjekts beibehalten wird (vgl. (85a/b) mit XSV-Stellung). (84)

a. la-dyīvdye̜ ere̜ la-maltso̜nye štampantāde̹ b. la̤-žuebia̤ fo̤ ̜ a̤ la̤-ma̤la̤tia̤ va̤rida̤

(85)

a. džovedí la-malatia l-era dža-ndada Lombardisch (Chiavenna) i i Friaulisch (Forni-Avoltri) b. la- o bo̜ la-malatio̜ e-e̜ro̜-šparido̜ ‚Am Donnerstag war die Krankheit geheiltʻ

Sutselvisch Grödnerisch

Aufgrund der Tatsache, dass die Inversionsstellung eines pronominalen und nominalen Subjekts im deklarativen Hauptsatz unter ähnlichen Bedingungen (z. B. der Besetzung der präverbalen Position durch ein satzverknüpfendes Adverbial) im Altromanischen wie etwa im Altfranzösischen (vgl. (86)) und Altitalienischen (vgl. (87) aus BENINCÀ 1994, 200 bzw. 203) belegt ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Wortstellungseigenschaft in den genannten rätoromanischen Dialekten sprachgeschichtlich als kontinuierliche Fortsetzung anzusehen ist (vgl. BENINCÀ 1994, 100–101). (86)

a. Et lors oste il son hiaume (La Queste del Saint Graal 89, 15)160 ‚and then he removes his helmet’ b. Lors vient li rois a Galaad (La Queste del Saint Graal 4, 30)161 ‚Then the king comes to Galadʻ

(87)

a. per lu sont eo regina (Bonvesin de la Riva 36, 205)162 ‚für ihn bin ich Königinʻ b. poi fu Azolino preso in battaglia (Novellino 135, 16)163 ‚dann wurde Azolino im Kampf (ein)genommenʻ

Der Kontakt mit dem Deutschen wird bei letzteren eine gewisse Rolle gespielt haben,164 sonst wäre z. B. der Unterschied innerhalb der Gruppe der ladinischen 160 Das Beispiel ist VANCE (1995, 305) entnommen. 161 Das Beispiel stammt aus ARTEAGA (1994, 143). 162 BENINCÀ (1994) zitiert aus CONTINI, G. (a cura di) (1941), Le opere volgari di Bonvesin de la Riva, v. I, Roma. 163 BENINCÀ (1994) zitiert aus SEGRE, C. (a cura di) (1976), Prosatori del Duecento ecc. Torino.

130

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

Dialekte nicht zu erklären. Es weisen nämlich nur diejenigen ladinischen Dialekte die V2-Beschränkung auf, die in Tälern gesprochen werden, die in ein überwiegend vom Deutschen geprägtes Sprachgebiet auslaufen (vgl. LINDER 1987, 95). Die Subjektinversion in den rätoromanischen Dialekten mit V2-Beschränkung geht bei periphrastischen Verbalformen einher mit der Bildung einer verbalen Klammerkonstruktion, die auf den ersten Blick derjenigen des Deutschen sehr ähnlich sieht. Genauer betrachtet ist jedoch die Klammerkonstruktion in den rätoromanischen Dialekten sehr eingeschränkt. STIMM (1987, 100) stellt in diesem Zusammenhang für das Surselvische fest, dass die Fähigkeit zur Positionierung des Subjekts zwischen die Bestandteile der periphrastischen Verbalform „die Erkennung des Subjekts“ sichert, „da – im Gegensatz zum Deutschen – das direkte Objekt nicht zwischen Auxiliar und Partizip Perfekt gesetzt wird, sondern nach dem Verbalkomplex steht“ (vgl. (88a) und (89a) mit (88b) bzw. (89b) aus STIMM 1987, 100).165 (88)

a. Lezza ha il frar bitschau sil péz dil nas. ‚Diese hat der Bruder auf die Nasenspitze geküßt.ʻ b. Lezza ha bitschau il frar sil péz dil nas. ‚Diese hat den Bruder auf die Nasenspitze geküßt.ʻ

(89)

a. Tgi ha la mumma clamau? ‚Wen hat die Mutter gerufen?ʻ b. Tgi ha clamau la mumma? ‚Wer hat die Mutter gerufen?ʻ

Die beiden Gruppen alpenromanischer Varietäten, die aufgrund der Eigenschaft Subjektinversion gebildet werden können, verhalten sich auch hinsichtlich der pronominalen Wiederaufnahme eines satzinitialen Objekts unterschiedlich. Bei denjenigen romanischen Varietäten des Alpenraums, die keine V2-Beschränkung aufweisen, ist in der Regel eine pronominale Wiederaufnahme wie im Standarditalienischen zu beobachten (vgl. Lombardisch und Friaulisch in (90a1./a2.)).166 Hingegen fehlt diese Eigenschaft bei den alpenromanischen Dialekten, die als

164 BENINCÀ (1994, 89) nennt MEYER-LÜBKE (1890–1906, vol. III, §753), ELWERT ([1943] 1972: 137), KRAMER (1976, 56) und KUEN (1978, 46) als Vertreter der Meinung, die Subjektinversion in den genannten romanischen Varietäten/Sprachen sei auf den Einfluss des Deutschen zurückzuführen. 165 Man vgl. jedoch die Position des pronominalen indirekten Objekts da-me [PRÄP-mir] in (83a) Inwiefern hier Pronominalität und/oder Kasusmarkierung verantwortlich ist für die Fähigkeit, die Verbalklammer zu füllen, bleibt zu klären. Hierzu ist noch anzumerken, dass das Surselvische wohl als einzige romanische Sprache heute keine Objektklitika mehr kennt, d. h. die pronominalen Objekte verhalten sich distributionell wie nominale Objekte (vgl. KAISER / CARIGIET / EVANS 2001, 203). 166 Die Beispiele in (90) stammen aus GARTNER (1910, 42, Satz 139).

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131

solche mit V2-Beschränkung eingestuft werden können (vgl. (90b1./b2.) unten und (82b), (83b), (88a) oben). (90)

a1. la škalai te-lai-netaré ku̜n-sabiú̜ŋ a2. la štalo̜i tu-lai-lavarās kuŋ-savolóŋ.

Lombardisch Friaulisch

b1. la štēle̜ vintst a-šfružīr kun-t-savlúŋ. b2. la še̜la̤ la̤ve̹ré̜s kuŋ-sa̤blóŋ. ‚Die Stiege wirst du mit Sand reiben.ʻ

Surmeirisch Grödnerisch

Hinsichtlich dieses Kriteriums gleicht das Cimbro mehr den alpenromanischen Dialekten ohne V2-Beschränkung, d. h. denjenigen mit der Grundwortstellung SVO. Dies zeigen die folgenden Beispiele (man vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 4.3.2.2.1):167 (91)

a. un inseli hon=(e)=eni passart (Sara) ‚und diesen (wörtl. ‚denselben‘) habe ich (ihn) bestandenʻ b. alora in rumani hat=ma=eni 168 gelek drin in a söttan kübl (Gisella) ‚also den Rahm hat man (ihn) in ein(en) solchen Kübel getanʻ

Versucht man, das Cimbro aufgrund der syntaktischen Verfahren Subjektinversion und Pronominalisierung topikalisierter, präverbaler direkter Objekte einer der beiden Gruppen, d. h. entweder derjenigen mit oder derjenigen ohne V2Beschränkung zuzuordnen, gelingt dies nicht ohne weiteres. Es wird deutlich, dass das Cimbro mit beiden Typen Eigenschaften teilt. Reste einer V2Beschränkung sind im Cimbro lediglich in der pronominalen Subjektinversion zu erkennen. Ansonsten ist der kontaktbedingte typologische Wandel von einer V2zu einer SVO-Grundwortstellung mehr oder weniger vollzogen. 3.4.1.3 Zum Abbau der Asymmetrie zwischen Haupt- und Nebensatzwortfolge Hinsichtlich der Wortstellung im finiten Nebensatz ist festzustellen, dass im Cimbro nur noch Reste der im Deutschen geltenden Asymmetrie zur Hauptsatzstellung vorhanden sind. Mit Asymmetrie ist hier in erster Linie die unterschiedliche relative Stellung des finiten Verbs zu den Objekten angesprochen. Für das Cimbro gilt es dabei zu differenzieren zwischen pronominal und nominal realisierten Objekten. Etwas vergröbernd und unter Vernachlässigung der weiter unten beschriebenen Entwicklungen und Besonderheiten gilt bei pronominaler (und 167 Auch die folgenden Beispiele zeigen diese Eigenschaft auf: (33c), (35a/b), (51c), (77b), (93b) und (123). 168 Entgegen der Regel, die für andere SprecherInnen durchgängig gilt, lautet die phonetische Realisation dieser klitischen Kette bei dieser Sprecherin hier nicht [hatmən] , sondern [hatmɐən].

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

klitischer) Realisierung von Subjekt und Objekt folgender Unterschied: Im Hauptsatz klitisieren die Subjekt-, Objekt- und das Reflexivpronomen an das finite Verb, im eingeleiteten finiten Nebensatz an die Konjunktion. Man vgl. für die Verhältnisse im Hauptsatz in (79a) han=s(a)=as ‚haben sie unsʻ, in (79d) han=en ‚haben sichʻ (wörtl. ‚haben ihnenʻ) und in (92b) hat=se ‚hat sieʻ; für die Verhältnisse im eingeleiteten Nebensatz vgl. man in (92a) vor+d=e=me ‚(be)vor ich michʻ und in (92b) bo=da=se ‚der sieʻ (wörtl. ‚wo da sieʻ)169 (oder auch (33a) as=sa=mar=s ‚dass sie es mirʻ). (92)

a. biar han gehat zwoa küa dahumam vor+d=e=me bin boratet (Iolanda) ‚wir hatten zwei Kühe daheim, bevor ich mich verheiratet habeʻ b. umbrom magare abas, darsel,bo=da=se hat gehüatet, hat=se gemocht rüavan {die Schafe} (Ida) ‚denn abends vielleicht hat sie derjenige, der sie gehütet hat, rufen müssenʻ

Dass die mit ke ‚dassʻ eingeleiteten Nebensätze die gleichen Stellungsregularitäten aufweisen wie Hauptsätze, ist anhand der Positionierung von Objekt- und Subjektklitika zu erkennen. Objekt- und Reflexivpronomen stehen hier immer enklitisch zum finiten Verb. Man vgl. in (93a) hat=en ‚hat ihnʻ, in (93b) han=as ‚haben unsʻ und in (93c) bill=se ‚will sichʻ: (93)

a. fra li qual(e) is=ta gest umandar, Franz hat=ar=se gehoast, ha(t) gehat jüschto sötan groasan borondi, ke ma hat=en gehöart propr(i)o starch (Ida) ‚unter jenen war einer, Franz hieß er (und) hatte eine so[lch] richtig große Glocke, dass man ihn wirklich deutlich gehört hatʻ b. un ditza gedenk=e=s ke da han=as gelek in z// in in disan kelar (Ada) (wörtl. ‚dass sie haben=uns gelegt ...‘) ‚und daran erinnere ich mich, dass sie uns in diesen Keller unterbrachtenʻ c. un hat=se köt ke si [si:] bill=se boratn bais (Iolanda) ‚und sie hat gesagt, dass SIE in weiß heiraten willʻ (wörtl. ‚dass sie will sich verheiraten weißʻ)

Wird die Position vor dem finiten Verb von einer anderen syntaktischen Konstituente als dem Subjekt eingenommen, wie z. B. einem als Akkusativ-Objekt fungierenden Indefinitpronomen epas ‚etwasʻ wie in (94a) oder etwa einem Nebensatz wie z. B. dem Konditionalsatz in (94b), dann steht auch ein unbetontes Subjektpronomen enklitisch zum finiten Verb, d. h. es liegt Subjekt-Inversion vor.

169 Zum Status des Elements da in diesem Kontext vgl. KOLMER (2005b).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

(94)

133

a. escht woas=e ke epas hast=(d)o gesst (Ida) ‚jetzt weiß ich, dass du (zumindest) etwas gegessen hastʻ b. di muatar vo soin mon hat köt ke as=e fon(g) a supplenza odar aso haltet=se=se si [si:] (Sara) ‚die Mutter von ihrem Mann hat gesagt, dass SIE sie {= die Kinder} hütet (wörtl. ‚hältʻ), wenn ich eine Vertretung bekomme (wörtl. ‚fangeʻ) oder soʻ [die Sequenz haltet=se=se si ist zu analysieren als fin.V.= 3.Sg.Nom.f.=3.Pl.Akk. 3.Sg.Nom.f.]

Negationswörter stehen bei den mit ke eingeleiteten Sätzen wie im Hauptsatz postverbal (vgl. die Position von net ‚nichtʻ in (95a), und von nemear ‚nicht mehrʻ in (95b)). Hingegen stehen sie in Nebensätzen, die mit den in Abschnitt 3.3.3 angeführten Konjunktionen eingeleitet sind, in der Regel vor dem finiten Verb (vgl. (95c) und (80a)).170 (95)

a. alora is=ar gebest preokupart dar nono, z sega ke dar will net essan (Ida) ‚also war der Großvateri besorgt, als eri sah, dass erj nicht essen willʻ b. pero dar möcht promettarn=en, ke dar lat=me nemear gian (Ida) ‚aber er muss ihm versprechen, dass er mich nicht gehen läßtʻ c. as=to net bist untar in groasan, bist=(d)o neonka untar in kluman schöbar (Sara) ‚wenn du nicht unter den großen bist, bist du auch nicht unter den kleinen Haufenʻ

Angesichts der Tatsache, dass im Cimbro nominale Argumente nicht mehr zwischen Hilfsverb und infinitem Prädikatsteil stehen können und es somit keine Verbklammer nach deutschem Muster mehr gibt, stellt sich die Frage, seit wann diese kein Bestandteil der zimbrischen Grammatik mehr ist. Beispiele für die Stellung nominaler Argumente innerhalb einer Klammerkonstruktion finden sich für das ältere Zimbrische171 ausschließlich in metrisch gebundenen Texten. Das sind zum einen die „Lobungen“ im ersten Katechismus von 1602 und zum anderen die um die Mitte des 19. Jahrhunderts verfassten religiösen Gedichte von Valentino Paganin (hrsg. von W. MEID 1984). Die Beleglage kann als äußerst spärlich bezeichnet werden. Unter (96) sind die beiden gefundenen Belege mit invertiertem nominalen Subjekt angeführt: 170 Die Negationspartikel net ‚nichtʻ steht in Nebensätzen, die durch subordinierende Konjunktionen eingeleitet sind, immer präverbal, wenn es sich um eine einfache Verbform handelt (einfaches finites Verb oder Kopula). Liegt eine Verbgruppe mit einem Hilfs- oder Modalverb vor, kann die Negationspartikel auch nach dem finiten Verb stehen, vgl. PANIERI et al. (2006, 341). 171 Wenn vom „älteren Zimbrischen“ die Rede ist, ist damit das Zimbrische der Sieben Gemeinden gemeint, wie es uns in den beiden Katechismen von 1602 und 1813 und in SCHMELLER (1838) überliefert ist.

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(96)

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

a. unt hia saint iere paineghe / Alle ghegoltet (MEID 1985a, 127) Et ivi son premiati / I lor tormenti ‚und hier sind ihre Peinigungen alle abgegoltenʻ b. Dez herce, deü seela / Hat z mezzar gapoart (MEID 1984, 16) ‚Das Herz, die Seele hat das Messer (durch)bohrt (wörtl. ‚gebohrtʻ)ʻ

Im älteren Zimbrischen wird das nominale Subjekt häufig nicht invertiert, wenn das Vorfeld mit einer anderen syntaktischen Konstitutente besetzt ist, vgl. (97 a/b) mit präpositionalem Objekt im Vorfeld. Das Beispiel (97b) zeigt außerdem, dass im älteren Zimbrischen die Positionierung eines nominalen Objekts zwischen Hilfsverb und Partizip im Hauptsatz noch möglich ist, vgl. z pluut ‚das Blutʻ. (97)

a. Ah sune, muter, sune, / Met eüch de süntar scioant. (ebd., S. 21) ‚O Sohn, Mutter, Sohn, mit euch trauern die Sünder.ʻ b. Vor üz Got der Here / Hat z pluut gabelt ze lan (ebd., S. 17) ‚Für uns hat Gott der Herr sein Blut lassen wollenʻ (wörtl. ‚für uns Gott der Herr hat das Blut gewollt zu lassenʻ)

Auch die Abfolge OV im Nebensatz mit nominalem Objekt lässt sich im älteren Zimbrischen noch belegen (vgl. den Komplementsatz in (98a) und den Relativsatz in (98b)): (98)

a. De belt hatt=en ghepittet, / Daz er de sunte tott (MEID 1985a, 133, V1345f) Il mondo ancor l’invita / A far l’iniquità ‚Die Welt hat ihn gebeten, / dass er die Sünde tutʻ b. Er ist haileghe namen / Der da de belt salvart (ebd.: 123, V1207f) Egli è quel nome santo, / che dà salute al mondo ‚Er ist (der) heilige Name, / der da die Welt errettetʻ

Daneben existieren im finiten Nebensatz Abfolgen, die auch als VO oder zumindest als Zwischenstadium für den Wandel von OV zu VO gedeutet werden können. Die Stellung des Akkusativ-Objekts iarn sun ‚ihren Sohnʻ in (99a) ist vergleichbar mit Konstruktionen mit „invertiertem Modal- bzw. Hilfsverb“, die LÖTSCHER (1978) für das Zürichdeutsche und Berndeutsche beschreibt.172 Anhe172 Dieses Phänomen wird in der Generativen Grammatik verb projection raising genannt und kommt z. B. auch im Westflämischen vor (HAEGEMAN / RIEMSDIJK 1986). Im Zürichdeutschen handelt es sich bei den angehobenen finiten Verben um Modalverben (wil de Joggel wott es gottlett ässe ‚weil der Joggel ein Kottelett essen wollteʻ), im Berndeutschen tritt die Anhebung auch bei Hilfsverben auf (we me het broot bäit ‚wie man Brot gebacken hatʻ) (vgl. LÖTSCHER 1978, 4 bzw. 24). LÖTSCHER (1978) macht die Beobachtung, dass der Hauptakzent auf dem Akkusativ-Objekt liegt (bzw. liegen muss), „wenn das Modalverb vor dem Akkusativobjekt steht“ (LÖTSCHER 1978, 5).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

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bungskonstruktionen wie diese könnten Ausgangspunkt für den Wandel von OV zu VO darstellen (man vgl. hierzu GREWENDORF / POLETTO 2005). In dem Beispiel (99b) liegt VO-Stellung vor. Hierfür spricht die postverbale Position des Objektpronomens =iz (1. Person Plural Akkusativ) und die postverbale Stellung der trennbaren Verbpartikel au. (99)

a. An nachme creuze steet / Ane atom, ane boart, / De libe vrau vorloart, / Bia se hat iarn sun gaseet. (ebd.: 21) ‚Nahe beim Kreuz steht leblos, wortlos die liebe Frau (in Gedanken darüber) verloren, wie sie ihren Sohn gesehen hat.ʻ b. [...] liba vrau, / Deü ba in hümel vürtiz au (ebd.: 26) ‚...liebe Frau, die uns in den Himmel hinaufführtʻ (wörtl. ‚die wo in Himmel führt=uns aufʻ)

Sowohl die Klammerkonstruktion im Hauptsatz als auch die OV-Stellung im eingeleiteten Nebensatz ist im älteren Zimbrischen noch zu belegen. Diese Konstruktionen stellen jedoch eher die Ausnahme als die Regel dar. Die Regularitäten, die die Wortstellung der Satzglieder im Zimbrischen bestimmen, zeigen also schon Anfang des 17. Jahrhunderts große Ähnlichkeit zu denjenigen der Modellsprache. Im Zimbrischen ist schon früh der Abbau der Asymmetrie zwischen Hauptund Nebensatzwortfolge zu belegen. Die Untersuchung der in den beiden zimbrischen Katechismen vorkommenden Relativ- und Konjunktionalsätze ergibt, dass bei den Relativsätzen schon Anfang des 19. Jahrhunderts Objekt- und Reflexivpronomen grundsätzlich enklitisch zum finiten Verb stehen und nicht mehr enklitisch zum Relativpronomen bzw. zu der Relativpartikel ba ‚woʻ. Im Folgenden werde ich Daten, die diesen Sprachwandelprozess dokumentieren, in chronologischer Reihenfolge präsentieren. Im Zimbrischen des 17. Jahrhunderts (1602) ist die Stellung eines Objektpronomens unmittelbar nach dem Nebensatzeinleiter noch gängig (vgl. den Relativsatz dia unz saint ghemaket in (100a) und den Objektsatz in (100b)): (100)

a. daz ber net beln bier vorgheben die inzurien, dia unz saint ghemaket173 ‘se non vogliamo noi perdonare l’inguirie fatteci’ ‚wenn wir nicht die Kränkungen vergeben wollen, die uns zugefügt worden sindʻ b. Bier vorsen in der sibenten, daz unz Gott erloese von dem hèmest ubel 174 ‘Domandiamo nella settima, che Dio ci liberi dal male presente’ ‚Wir bitten in der siebten, dass Gott uns von dem gegenwärtigen Übel erlöseʻ

173 Aus MEID (1985a, 71). 174 Aus MEID (1985a, 71).

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

In den 200 Jahren, die zwischen der Veröffentlichung der beiden zimbrischen Katechismen liegen, haben sich die Relativsätze des Zimbrischen der Sieben Gemeinden verändert. Im Katechismus von 1813 taucht als Relativsatzeinleiter die unflektierte Partikel ba ‚woʻ auf, die im Katechismus von 1602 in dieser Funktion nicht vorkommt. Da diese Partikel vom heutigen Standpunkt aus gesehen sehr wohl als dialektale Entsprechung der flektierten Relativpronomen angesehen werden kann (vgl. FLEISCHER 2004), stellt sich die Frage, ob ba entweder bei der Erstellung des Textes von 1602 unterdrückt wurde, weil sie als basisdialektale Variante empfunden wurde, oder erst später Eingang in das Zimbrische gefunden hat. Hinsichtlich der Veränderungen der Pronominalsyntax interessanter ist die Tatsache, dass im Zimbrischen des 19. Jahrhunderts in Relativsätzen unbetonte Objektpronomen nicht mehr präverbal stehen, sondern enklitisch zum finiten Verb (vgl. die Relativsätze in (101a) und (101b) ba da hat=üz ...). Bei den Konjunktionalsätzen ist die Stellung des Objektpronomens unmittelbar nach dem Nebensatzeinleiter noch belegt (vgl. den Adverbialsatz in (101b)). (101)

a. Bar möcen ringraziàrn den ünzarn Gott von dar grázien, ba ar hatüz gamàcht, machen de Penitenza, ba dar Páichtar hatüz ghet, ... 175 ʻDobbiamo ringraziare Iddio della grazia che abbiamo ricevuta, fare la Penitenza Che ci è stata imposta dal Sacerdote...ʻ ‚Wir müssen unserem Gott für die Gnade danken, die er uns erwiesen hat, müssen die Buße tun, die der Beichtiger uns auferlegt hat, ...ʻ b. Az üz dar ünzar Gott schenke alle de sain grázien, péetebarme dez gabèt, ba da hatüz galíarnet dar ünzar Herre Jesu Christ 176 ʻPer ottenere da Dio tutte le di lui grazie, indirizziamogli la preghiera che nostro Signore Gesù Cristo ci ha insegnata.’ ‚Damit uns unser Gott all seine Gnaden schenke, beten wir zu ihm das Gebet, das uns unser Herr Jesus Christus gelehrt hat.ʻ

Die adjazente Stellung eines Objekt- bzw. Reflexivpronomens zur Konjunktion az ‚dassʻ kann BIDESE (2004a) in einem zimbrischen Text aus den Sieben Gemeinden nur noch für den Fall belegen, in dem das Subjekt des Nebensatzes pronominal realisiert ist. Bei einem nominalen Subjekt, das präverbal steht, treten Objektbzw. Reflexivpronomen enklitisch an das finite Verb (vgl. den Gegensatz zwischen (102a) und (102b)): (102)

az se sich legen in Kiete (BIDESE 2004a, 272) ‘che loro si mettano in pace’ b. az diese Loite richten-sich (BIDESE 2004a, 272) ʻ(così) che questa gente si sistemi’ a.

175 Aus MEID (1985b, 65, V491-493). 176 Aus MEID (1985b, 67, V533-535).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

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Diese systematische Variation ist im Zimbrischen der Sieben Gemeinden des 20. Jahrhunderts, wie es uns in den Lebenserinnerungen der COSTANTINA ZOTTI vorliegt, nicht mehr vorhanden. Hier stehen Objekt- und Reflexivpronomen sowohl in Relativsätzen (vgl. (103)) als auch in Komplementsätzen (vgl. (104)) stets nach dem finiten Verb. Und bei letzteren spielt die pronominale vs. nominale Realisierung des präverbalen Subjekts keine Rolle mehr (vgl. (104a) und (104b)): (103)

a. Ich klóbe, dar don Luigi sai bolaibet kontente bor in bartakh ba se haba-me gamachet de Toballar in den takh on saldo.(ZOTTI 1986, 59) ‚Ich glaube, dass Don Luigi mit der Feier, die die Einwohner von Toballe ihm zu Ehren an jenem Tag veranstalteten, zufrieden war, wie auch sonst immer.ʻ b. Hemmest dar Komaun hat gamacht machan de ‚lokuliʻ bor alle dii ba béllnt-se khoofan bor de sain tooten. (ZOTTI 1986, 69) ‚Jetzt hat die Gemeinde Grabnischen errichten lassen für alle, die sie für ihre Toten kaufen wollen.ʻ

(104)

a. Peetet de Madona as se mach-eni gapessaran in main barbeni, ... (ZOTTI 1986, 63) ‚Bittet die Muttergottes, dass sie meinen Onkel gesund macht,...ʻ b. Machet de guuten, ad’ar nèt bellt, as de profughi traganach dehiin (ZOTTI 1986, 76) ‚Seid brav, wenn ihr nicht wollt, dass euch die Flüchtlinge mitnehmen!ʻ

Im Cimbro von Luserna gibt es bei den eingeleiteten Nebensätzen einen Kontext, in dem systematisch unbetonte Objektpronomen an das finite Verb klitisieren. In einem finiten Nebensatz, der von einer der in Kapitel 3.3.3 angeführten Konjunktionen eingeleitet wird, ist die Klitisierung von Objekt- und Reflexivpronomen am finiten Verb unter der Bedingung der präverbalen Stellung eines nominalen Subjekts regelhaft (vgl. (105a/b/c)). Auch die präverbale Position des Indefinitpronomens eparumas 177 ‚jemandʻ ruft diese Wortfolge hervor (man vgl. (105d)).178 (105)

a. as=da dise quadri gevaln=dar mag=e=dar schenkan uman (Quest) ‚wenn dir diese Bilder gefallen, kann ich dir eins (wörtl. ‚einenʻ) schenkenʻ

177 Bei eparumas ‚jemandʻ handelt es sich um eine Lehnübersetzung. epar (mhd. etwer) wurde gleichgesetzt mit dem ersten Glied des ital. Indefinitpronomens qualcuno. 178 In einem von BACHER (1900) herausgegebenen Text findet sich ein in diesem Zusammenhang interessanter Beleg, in dem neben einem Reflexivpronomen, das an die Konjunktion klitisiert, auch das Indefinitpronomen oãs ‚jemandʻ präverbal steht: as da sə oãs rüərt, is ər lai wáant ‚wenn sich eins rührt, ist er sofort wachʻ, vgl. BACHER (1900, 309) bzw. BELLOTTO (1978, 300). Dieses Beispiel scheint einen älteren Zustand zu repräsentieren.

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

b. pan summar soin=da drai bochan, bo=da organizart dar Kulturinstitut, bo=da di kindar man=se inschraim (Sara) ‚im Sommer gibt es drei Wochen, die das Kulturinstitut organisiert, für die sich die Kinder anmelden könnenʻ c. dopo in kriage is o gest letz, sain=da hi gont etlane jar vor=da di sachandar sain=se gelek asenjele a post (Ada) ‚nach dem Krieg war es auch schlecht, es vergingen etliche Jahre, bevor die Sachen ein wenig in Ordnung gebracht warenʻ 179 d. odar magari as=da eparumas hat=(d)ar gehelft no in höbe pan sumar (Ada) (wörtl. ‚jemand hat=dir geholfen nach im Heu ...) ‚oder etwa, wenn dir jemand im Sommer beim Heu(machen) geholfen hatʻ Die Klitisierung eines Objektpronomens an die Konjunktion ist nicht belegt und auch nicht möglich, wenn das nominale Subjekt präverbal steht, vgl. (106b). Möglich ist sie nur dann, wenn das nominale Subjekt postverbal positioniert ist, vgl. (106a) (106)

a. I boas net, be=da=me han gesek moine prüadar. ‚Ich weiß nicht, ob mich meine Brüder gesehen haben. b. *I boas net, be=da=me moine prüadar han gesek. c. I boas net, be=da moine prüadar han=me gesek.

Die in Kapitel 3.3.3 aufgeführten Konjunktionen sind im Cimbro unter ganz bestimmten Bedingungen Basis für Objektklitika und das Reflexivpronomen; z. B. dann, wenn das Subjekt des eingebetteten Satzes als unbetontes Pronomen realisiert ist, vgl. die folgenden Beispiele (und auch diejenigen unter (61c) und (61d)): (107)

a. […] as=ar=en gebe di freikarte ‚dass er ihm die Freikarte gebeʻ b. […] pit nan gesle, bo=s(a)=en han gekocht z’essa ‚mit einem kleinen Gasofen (wörtl. ‚Gäsleinʻ), wo sie sich zu essen gekocht habenʻ

Die Konjunktionen büßen in bestimmten Kontexten ihre Fähigkeit, als Basis für (Objekt-)Enklitika dienen zu können, ein. Die lokaldeiktische Partikel da, die in Nebensätzen, wie sie unter (105) und (106) aufgeführt sind, erscheint, kann als eine Art expletives Element zur overten Markierung der pronominal-enklitischen Subjektposition analysiert werden (vgl. KOLMER 2005a). Sie tritt im eingeleiteten Nebensatz auf, wenn das Subjekt des eingebetteten Satzes nominal (oder als Indefinitpronomen) realisiert ist. Sie ist kompatibel mit allen Konjunktionen der Klasse, die grundsätzlich als Basis von Objektklitika dienen können. 179 Man vgl. ital. mettere a posto qc. ‚etwas in Ordnung bringenʻ.

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

139

Im Cimbro kommt die Konstituentenfolge des Hauptsatzes auch bei eingebetteten Fragesätzen vor, vgl. (108) und auch (50b). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf der Interrogativpartikel, die den eingebetteten Fragesatz einleitet, die Betonung liegt. In dem Textabschnitt, dem die Beispiele unter (108) entnommen sind, erzählt die Gewährsperson von den Ferienunternehmungen, die in der Vergangenheit mit den Kindern in der Colonia cimbra veranstaltet wurden. Es ist eine Aufzählung der Fragen, mit denen die Kinder neugierig gemacht werden sollen auf die Kultur ihrer Großeltern und mit denen sie die ältere Bevölkerung Lusernas konfrontieren sollen. Insbesondere in (108b) wird deutlich, dass die indirekten Fragen um einen Gegenstand kreisen. (108)

a. un dopo ha=bar gemacht ricerche vo erbe medicinali, ad esempio bia ma hat genützt in rossomküm [Mask.] [...] bo ma hat=en gelek (Claudia) ‚und weiter haben wir nach medizinischen Kräutern recherchiert, zum Beispiel, wofür (wörtl. ‚wieʻ) man die Schafgarbe benutzt hat [...] wo man sie (hier ‚ihnʻ) gepflanzt hatʻ b. dopo ha=bar=en no gevorst o ben s=is=ta gebortet a kin 180, bas da hon getont, ben da hon=se boratet (Claudia) ‚dann haben wir (ihnen) auch noch gefragt, wenn ein Kind geboren wurde (wörtl. ‚wenn es ist da geboren ein Kindʻ), was sie getan haben, wann sie sich verheiratet habenʻ

Es gibt Anhaltspunkte, dass sich im Cimbro auch außerhalb dieser klar abzugrenzenden Kontexte in Nebensätzen die Klitisierung von Objektpronomen an das finite Verb ausbreitet. Vor allem Selbstkorrekturen wie unter (109a) vermitteln das Bild, dass die Positionierung am Nebensatzeinleiter z. T. Schwierigkeiten bei der Sprachplanung hervorruft. In (109b) ist es die wiederholte Klitisierung des Objektpronomens, sowohl an der Relativpartikel als auch am finiten Verb, die den Satz als missglückt erscheinen lassen. (109)

a. un sem hat=s gevorscht z’sega as mat=se lugar// as=se=se mak lugarn untar in konsot vo dar dickarstn frau sem (Sara) ‚und dort hat es gefragt [zu sehen], ob kann sie versteck / ob sie sich unter dem Rock von der dicksten Frau dort verstecken kannʻ

180 Während in einem Kontext, in dem kein Nachdruck auf der Interrogativpartikel liegt, die Folge ben=da is gebortet a kin... ‚wenn ein Kind geboren ist ...ʻ die reguläre ist, gibt es diese Variation bei der diskontinuierlichen Konjunktion ben ... ben ‚manchmal ... manchmalʻ nicht. Es handelt sich dabei um eine Entlehnung aus dem Ital. (vgl. a quando ... a quando), und die Klitisierung von Subjekt- und Objektpronomen erfolgt hier an das finite Verb, vgl. (i). (i)

un dopo sai=bar gont na schbem, ben hat=ma=se gevuntet tso vorkoafa un ben net (Cesarina) ‚und dann sind wir Pilze sammeln gegangen, manchmal konnte man sie verkaufen, manchmal nichtʻ

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

b. du hast ogehat disan fotsch bo=da=de hat=de asenjele gehaltet (Ada) ‚du hattest diesen Fotsch (= eine Art Filzschuh) an, der dich ein wenig (warm) gehalten hatʻ Die Entwicklung einer einheitlichen VO-Abfolge ist im Cimbro relativ fortgeschritten, wenn auch noch nicht so weit fortgeschritten wie im Zimbrischen der Sieben Gemeinden. Dies zeigen auch GREWENDORF / POLETTO (2005, 126–127) u. a. anhand der Positionierung der trennbaren Verbpartikeln. Die Tatsache, dass im Cimbro die trennbaren Verbpartikeln sowohl vor als auch nach dem Partizip stehen können (vgl. (110a) bzw. (110b)), lässt nur den Schluss zu, dass sich das Cimbro in dieser Hinsicht nicht wie eine „richtige“ VO-Sprache verhält. Eine „reine“ VO-Sprache zeichnet sich nach GREWENDORF / POLETTO (2005) u. a. dadurch aus, dass trennbare Verbpartikeln immer nach dem Partizip Präteritum stehen. (110) a. bar sain gant in na holz [...] han gemacht=as au di karge [...] hat=ma nidar gejukht di karge (Ada) ‚wir sind Holz machen gegangen [...] haben uns den Korb auf gestellt [...] hat man den Korb hin[nieder] geworfenʻ b. un dopo alora bi=da/bi=s au hat gehöart l'alarme sai=bar kent auvar (Ada) ‚und danach, als der Alarm aufhörte, sind wir herauf gekommenʻ Die vorangehende Darstellung der Topologie des Haupt- und Nebensatzes im Zimbrischen zeigt auf, dass die Entwicklung letztlich dazu führt, dass Konjunktionen als syntaktische Basis für die Klitisierung von Objekt- und Reflexivpronomen an Bedeutung verlieren. Es findet eine Anpassung an die Modellsprache statt, indem die ererbte Opposition zwischen Haupt- und Nebensatzwortfolge Schritt für Schritt aufgegeben wird. Diese Entwicklung kann nicht einfach als Verlust einer Eigenschaft von Konjunktionen gewertet werden. Vielmehr handelt es sich um eine Entwicklung, die in erster Linie korreliert mit Veränderungen der Wortstellung, an deren Ende die Parallelität der Wortfolge im Nebensatz zu derjenigen im Hauptsatz steht. Diese Entwickung führt insgesamt zu einer größeren Übereinstimmung mit der Modellsprache. In diesem Kapitel ging es u. a. darum aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen auch in eingeleiteten finiten Nebensätzen pronominal realisierte Objekte an eine verbale Basis klitisieren. Im nächsten Kapitel geht es um Konstruktionen, bei denen Objektpronomen an infinite verbale Formen klitisieren.

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

141

3.4.2 Klitisierung an infinite Verbformen Wie schon in Kapitel 3.3.2 kurz beschrieben, sind im Cimbro auch infinite Verbformen, d. h. Infinitive und Partizipien mögliche Basen für die Klitisierung von Objektpronomen (und auch von den Partitivpronomen und vom Reflexivpronomen). In diesem Kapitel werde ich zunächst auf die Geschichte der morphologischen Differenzierung zweier Infinitivformen im Zimbrischen eingehen. In Kapitel 3.4.2.2 wird dann die Stellung der Pronominalklitika in Konstruktionen mit infiniten Verbformen besprochen. 3.4.2.1 Die zwei Infinitivformen im Zimbrischen Eine Besonderheit des Infinitivs im Cimbro stellt die morphologische Differenzierung von zwei Infinitivformen dar (vgl. BACHER 1905, 158 und TYROLLER 1994, 129; 2003, 90–100). Die beiden Formen bezeichne ich hier als die reine und die abhängige Infinitivform. Im Cimbro wird die abhängige Infinitivform stets durch die Partikel zo ‚zuʻ eingeleitet181. Die reine Infinitivform ist gekennzeichnet durch einen nasalen Auslaut des Flexionsmorphems, die abhängige hingegen durch einen vokalischen Auslaut auf [-ɐ]. Die reine Infinitivform eines Verbs ist jeweils identisch mit der entsprechenden Verbalform der 1. bzw. 3. Person Plural. Die Allomorphe der Flexionsendung können in Abhängigkeit des Stammauslauts und der Silbenanzahl der Verbform bestimmt werden. In Tabelle XIII unten sind Beispiele zur Bildung der reinen und abhängigen Infinitivform aufgelistet. Das Flexiv der reinen Infinitivform lautet -an [-ɐn], wenn der Verbstamm auf einen Frikativ (vgl. Bsp. Nr. 1–3 in Tabelle XIII) oder auf eine Affrikate (vgl. Bsp. Nr. 4–5 in Tabelle XIII) auslautet, -en [-ən] für Verben, deren Stamm auf einen nasalen Konsonanten [n, m, ŋ] auslautet (vgl. Bsp. Nr. 6-8 in Tabelle XIII) und auch bei dreisilbigen Verbformen, deren Stamm auf den stimmhaften velaren Plosiv [g] auslautet (vgl. metzégen ‚schlachtenʻ, pridigen ‚predigenʻ, BERTOLDI et al. (o. J.), Heft 4, S. 17 und S. 49). Nach stammauslautendem [r, l, p, t, k] wird der Vokal des Infinitivflexivs synkopiert (vgl. Bsp. Nr. 9–12 in Tabelle XIII).182 Lautet der (zugrunde liegende) Stamm einer Verbform auf einen der stimmhaften Verschlusslaute b, d, oder g aus, treten bei der Suffigierung des Flexivs der reinen Infinitivform (Orts-)Assimilationen auf, wie z. B. schraim (Bsp. Nr. 13), ren (Bsp. Nr. 14)183, und trang (Bsp. Nr. 15). Die abhängige Infinitivform wird gebildet 181 Üblicherweise wird für das Deutsche zwischen ‚reinem/einfachem Infinitivʻ und ‚erweitertem Infinitivʻ bzw. ‚zu-Infinitivʻ bzw. ‚Infinitiv mit zuʻ unterschieden (vgl. MAYERTHALER / FLIEDL / WINKLER 1995,18; BECH 21983, 12). 182 Nach [p] ist Assimilierung sowohl nach alveolarem [n] als auch nach bilabialem Nasal [m] belegt: sippn ‚siebenʻ (BERTOLDI et al., Heft 5, S. 34), sklopn ‚platzenʻ (BERTOLDI et al., Heft 5, S. 36), schopm ‚verstopfen, schließenʻ (BERTOLDI et al., Heft 5, S. 27), stoapm ‚abstaubenʻ (BERTOLDI et al., Heft 5, S. 49). 183 Dies trifft nicht zu auf Verben, bei denen stammauslautendes [d] Teil einer Konsonantenverbindung ist, vgl. meldn ‚vormerkenʻ (BERTOLDI et al., Heft 4, S. 15).

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

durch Suffigierung des Flexivs –a [-ɐ] an den (zugrunde liegenden) Verbstamm. Die Verben tüan, gian, stian, soin verhalten sich anders. Ausgangspunkt für die Bildung der abhängigen Infinitivform ist hier die Form, die mit derjenigen der reinen Infinitivform identisch ist (vgl. Bsp. Nr. 16–19). Die Infinitivformen der aus dem Italienischen entlehnten Verben werden ganz regelmäßig gebildet. Die Verbform wird ins Cimbro integriert, indem der italienischen Infinitivendung für die reine Infinitivform ein alveolar-nasaler Auslaut angefügt wird. Dieser wird bei der erweiterten Infinitivform durch den vokalischen Auslaut ersetzt (vgl. Bsp. Nr. 20–23), wobei mitunter der vokalische Anlaut der ital. Infinitivendung synkopiert wird (vgl. Bsp. 20, 21). Bsp. Nr. reine Infinitivform 1 schlavan 2 bissan 3 vorschan 4 sitzan 5 schupfan 6 vorprennen 7 kemen 8 vongen 9 höarn 10 spiln 11 vörchtn 12 hokn 13 schraim 14 ren 15 trang 16 tüan 17 18 19 20 21 22 23

stian gian soin provédarn vínzarn sperárn kapírn

abhängige Infinitivform zo schlava zo bissa zo vorscha zo sitza zo schupfa zo vorprenna zo kema zo vonga zo höara zo spila zo vörchta zo hoka zo schraiba zo reda zo traga zo tüana (zo tümana)184 z’stiana zo giana z’soina zo provédra zo vínzra zo sperára zo kapíra

1.Pers.Sg.Präs. Ind.

Nhd.

i schlav i boas i vorsch i sitz i schupf i vorprenn i kim i vong i höar i spil i vörcht i hok i schraibe i rede i trage i tüa

‚schlafenʻ ‚wissenʻ ‚fragenʻ ‚sitzenʻ ‚schiebenʻ ‚verbrennenʻ ‚kommenʻ ‚fangenʻ ‚hören, spürenʻ ‚spielenʻ ‚fürchtenʻ ‚rufenʻ ‚schreibenʻ ‚redenʻ ‚tragenʻ ‚tunʻ

i stea i gea i pin i provédar i vínzar i sperár i kapír

‚stehenʻ ‚gehenʻ ‚seinʻ ‚einkaufenʻ ‚gewinnenʻ ‚hoffenʻ ‚verstehenʻ

Tabelle XIII: Beispiele zur Bildung der reinen und abhängigen Infinitivform im Cimbro

184 Die Variation [tyːɐn]/[tʏmɐnɐ] ist auf einen regelmäßigen Lautwandel im Cimbro zurückzuführen, der alle Wortformen betrifft, die ursprünglich die distinktiven nasalierten Diphthonge [y͂ːɐ̯͂] bzw. [u͂ːɐ̯͂] enthielten (vgl. KOLMER 2005a).

Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

143

Sowohl TYROLLER (2003, 90) als auch BACHER (1905, 158) bringen die morphologische Differenzierung der abhängigen Infinitivform im Cimbro in Verbindung mit dem so genannten flektierten Infinitiv im Ahd. und Mhd. Im Ahd. diente die reine Infinitivform (durch das Flexiv -an bzw. -en gekennzeichnet185) v. a. der Bildung periphrastischer Verbformen. Die Infinitivform mit dem Flexiv -anne bzw. -enne tritt nur in Verbindung mit der Präposition ze (mit den dialektalen Varianten zi/za, nhd. ‚zuʻ) auf. Diese Form wird traditionell als „flektierter Infinitiv“ bzw. „Gerundium“ bezeichnet. Im Laufe der deutschen Sprachgeschichte hin zum Neuhochdeutschen wurde die formale Differenzierung zwischen reiner und abhängiger Infinitivform aufgegeben. Die finale Infinitivkonstruktion, ursprünglich durch den abhängigen Infinitiv mit ze ausgedrückt, wird durch eine zusätzliche Markierung („um“) gekennzeichnet.186 An der letztgenannten Entwicklung haben in der Form weder das Cimbro als bairischer Sprachinseldialekt noch das Bairische im geschlossenen deutschen Sprachgebiet nördlich der germanischromanischen Sprachgrenze teilgenommen.187 Für die Erklärung der morphologischen Differenzierung der Infinitivformen im Cimbro stellt sich folgende Frage: Ist die Differenzierung zwischen reiner und abhängiger Infinitivform eine direkte Weiterentwicklung der althochdeutschen Flexive (vgl. Tabelle XIV)? Die Bildungsweise der Infinitivformen ist insofern auf die ahd. Verhältnisse abbildbar, als sich die beiden Formen durch einen nasalen Auslaut auf der einen und einen vokalischen Auslaut auf der anderen Seite unterscheiden. Die in der Tabelle verwendeten Termini 1. Status und 2. Status gehen auf BECH (21983) zurück.188

185 Um genau zu sein, alterniert im Ahd. der Anlautvokal des Flexivs der reinen und erweiterten Infinitivform je nach Klassenzugehörigkeit (und Stammsuffix) des Verbs (vgl. BRAUNE / REIFFENSTEIN 2004, § 314–315). 186 HASPELMATH (1989) legt in seiner historisch-sprachvergleichenden Untersuchung anhand vieler Beispiele dar, dass die finale Bedeutung („directional-purposive modality“) als Ausgangsbasis für die Entstehung von (verbalen) Infinitivkonstruktionen aufzufassen ist. Die Zunahme der Infinitivkonstruktionen im Mhd. und Frnhd. muß auch in Zusammenhang mit der Entstehung des ausdifferenzierten Systems der periphrastischen Verbformen gesehen werden (vgl. OUBOUZAR 1974). Zur Distribution von Infinitivkomplementen im Althochdeutschen vgl. DEMSKE-NEUMANN (2001). 187 Für das Bairische vgl. KOLMER (2010c) und darin zitierte Literatur. 188 Das System zur Unterscheidung der infiniten Formen im Deutschen ist bei BECH (21983,12) differenzierter, da er insgesamt 3 Status auf jeweils 2 Stufen (Supinum und Partizipium) unterscheidet, vgl. die folgende Übersicht mit Beispielen:

1. Status 2. Status 3. Status

1. Stufe: Supinum lieben zu lieben geliebt

2. Stufe: Partizipium liebend(-er) zu lieben(d-er) geliebt(-er)

Da es hier nur um die Supinumformen geht, handelt es sich beim Gebrauch der Termini 1. Status und 2. Status lediglich um eine verkürzende Ausdrucksweise für die Termini reine Infinitivform und abhängige Infinitivform.

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Wie kann die einfache vokalische Form des Infinitivflexivs für den 2. Status im Cimbro im Gegensatz zu der komplexeren VCV-Struktur der entsprechenden ahd. Form erklärt werden? Cimbro

Supinum 1. Status 2. Status

[baksɒn] [tsɔ baksɒ]

Ahd. Nhd. Flexiv Flexiv -an wahsan -an ‚wachsenʻ -a za wahsanne -anne ‚zu wachsenʻ

Tabelle XIV: Die Infinitivformen und -flexive im Cimbro und Althochdeutschen

Historisch-vergleichend betrachtet zeigt sich für die Differenzierung von zwei Infinitivformen ein Bild wie in Tabelle XV. Die Darstellung der Entwicklung der Infinitivflexive in Tabelle XV berücksichtigt auch die feststellbare Schwankung der Markierung (mit -an oder -en) des 2. Status im älteren Zimbrischen, wie sie in den beiden Katechismen von 1602 und 1813/42 dokumentiert ist (man vgl. die Belege unter (111) und (112) unten). Ahd. 1. Status - an - en 2. Status - anne - enne

Mhd.

Cimbro

- en

Älteres Zimbrisch - en

- ene

- an / -en

-a

7 und 13 Gemeinden

Nhd.

- an

- en

- an

Tabelle XV: Historischer Vergleich der Infinitivflexive

Im Ahd. und Mhd., im älteren Zimbrischen und im Cimbro von Luserna werden die Infinitivformen des 1. und 2. Status unterschiedlich realisiert. Im Ahd. und Mhd. besteht die Differenzierung in einem zusätzlichen Suffix, -(n)e, an der Infinitivform des 2. Status. Die unter (111)-(114) aufgeführten Beispielpaare (1. und 2. Status) aus den beiden Katechismen von 1602 und 1813/1842, den 1986 herausgegebenen Texten der COSTANTINA ZOTTI aus den Sieben Gemeinden (Toballe) und den von SCHWEIZER (1939) herausgegebenen Texten des Dialekts der Dreizehn Gemeinden (Giazza) dienen der Illustration der folgenden Ausführungen: Im älteren Zimbrischen weist die Infinitivform des 1. Status stets die Endung -en auf. Bei den Formen im 2. Status gibt es offensichtlich eine freie Variation zwischen den Suffixen –an und –en. Wie die Belege aus ZOTTI (1986) und SCHWEIZER (1939) zeigen, hat sich in den zimbrischen Varietäten der Sieben und Dreizehn Gemeinden in der weiteren Entwicklung das Suffix -an als Infinitivflexiv durchgesetzt. Der Gegensatz zwischen den Formen gheenan (Sieben Gemeinden) und gien (Dreizehn Gemeinden) kann als Beispiel für KRANZMAYERS ([1925] 1981) Behauptung angeführt werden, in den Sieben Gemeinden habe das „Gerundium“ den Infinitiv verdrängt, in den Dreizehn Gemeinden hingegen der

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Infinitiv das „Gerundium“: „In Rn. [= Roana] und Rz. [= Rozzo] hat die Form -an derart an Kraft gewonnen, dass sie sich auch auf den Inf[initiv] ausdehnt, während in [den] XIII. [Gemeinden] -an durch Infinitiv -en vollständig verdrängt ist.“ KRANZMAYER (1981, 275) Die von SCHMELLER (1838, 693) als „Erfrischung“ des Infinitivs bezeichnete Kennzeichnung der Kurzverben ‚seinʻ, ‚tunʻ, ‚gehenʻ mittels -an, die sich im Zimbrischen der Sieben Gemeinden durchgesetzt hat, ging demnach von den abhängigen Infinitivformen aus. Im Ergebnis kam es in den zimbrischen Varietäten der Sieben und Dreizehn Gemeinden zur Aufhebung der Unterscheidung zwischen den Infinitivformen des 1. und 2. Status. (111)

„Älteres Zimbrisch 1“, Katechismus von 1602 (vgl. MEID 1985a)189:

‚habenʻ

2. Status zo makan (691), ‚muss man machen die Bußeʻ zo maken (621) zò uberkemanz (122), maket uz kemen (605) ‚macht uns werdenʻ zo kemen (1192) daz sik sol maken lirnen (151) zo lirnen (125), ‚dass man soll machen lernenʻ zo liernan (1191) muz sik haben (116) zu haban (380)

‚trinkenʻ

bil ik trinken (1302)

‚machenʻ ‚kommenʻ ‚lernenʻ

1. Status muz sik maken de pueze (623)

‚muss man habenʻ

zo trinkan (709)

‚will ich trinkenʻ

‚seinʻ

bil dier sain ghesellen (1307)

zo sainan (502)

‚will dir sein Freundʻ

‚tunʻ

(112)

sol sik tuan (96), baz muz sik tuen (619)

zò tùenan (127), zò tùanan (490)

„Älteres Zimbrisch 2“: Katechismus 1813/1842 (vgl. MEID 1985b):

‚machenʻ

1. Status machen (229)

‚kennenʻ ‚kommenʻ ‚seinʻ ‚tunʻ

kennen (577) kemmen (515) sain (121) tüün (463)

2. Status zo machan (399), zo máchense (441), zo máchenüz (418) zo kennan (260), zo kennen (574) zo kemman (365), zo kemmen (506) zo sáinan (111) zo tüünach (487), zo tünanz (307)

189 Die Zahlen in Klammern hinter den Belegen in den Beispielen unter (111) und (112) geben die Verszahl in MEID (1985a bzw. 1985b) an, nicht die Seitenzahl.

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(113)

Sieben Gemeinden (Toballe) (vgl. ZOTTI 1986):190

‚schreibenʻ ‚zahlenʻ ‚sagenʻ ‚gehenʻ

1. Status hèmmest bill-ich sraiban (54) habantza gamocht gheltan (32) ma bar mögan khödan (20) hat-sich gamöcht gheenan (28)

2. Status zo sraiban (57) zo ghèltan-se (56) bia zo khödan (68) zo gheenan (26)

‚hat man gemusst gehenʻ

‚tunʻ

hat net gabéllt tüünan (57)

zo tüünan (100)

‚hat nicht gewollt tunʻ

(114)

Dreizehn Gemeinden (Giazza) (vgl. SCHWEIZER 1939):191

‚trinkenʻ

1. Status bar mougen trinkxan (24)

2. Status tso trinkxan (24)

‚wir können trinkenʻ

‚sehenʻ

mã ma segan

tse sêgan (18)

‚man kann sehenʻ

‚gehenʻ

se hen gamoxt gien (28)

tse gien (18)

‚sie haben gemusst gehenʻ

Wie ist aber nun die Entwicklung im Cimbro verlaufen, die zur neuerlichen Aufrechterhaltung der morphologischen Differenzierung der Infinitivformen des 1. und 2. Status führte? Ein erster Hinweis auf die bedingenden Faktoren für den Schwund des auslautenden Nasals ist schon in einem Beleg aus dem zweiten Katechismus (1813/42) zu finden (vgl. die Form máchemar in (115)). Die Klitisierung des Objektpronomens =mar der 1. Person Singular mit bilabialem Anlaut führt zur Assimilation, so dass der nasale Auslaut des Infinitivflexivs schwindet. (115)

ich clobe allez baz eüch hat gavállet zo máchemar bicen (MEID 1985b, V321) ‚ich glaube alles, was euch gefallen hat, mir zu offenbarenʻ (wörtl. ‚mir wissen zu machenʻ im Sinne von: ‚mich wissen zu lassenʻ)ʻ

Auch in der zimbrischen Varietät der Sieben Gemeinden des 20. Jahrhunderts beschränkt sich der Nasalschwund auf diese phonetische Umgebung (vgl. khóofame in (116a) und boròota-me in (116b)).192 Objektklitika, die in der Form

190 Die Zahlen in Klammern hinter den Belegen in den Beispielen unter (113) und (114) entsprechen den Seitenangaben in ZOTTI (1986) bzw. SCHWEIZER (1939). 191 Abgesehen von den sogenannten Wurzelverben (wie gien) taucht hier die Endung -en nur einmal auf: tse laxen (SCHWEIZER 1939, 24). 192 Im Zimbrischen der Dreizehn Gemeinden scheint auch die Klitisierung eines Objektpronomens, das auf [s] anlautet, den Ausfall des auslautenden Nasals der Infinitivendung hervorru-

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147

eines alveolaren Frikativs ausgedrückt werden (vgl. borkhóofan=s [3.Pers.Sg.Akk.n.] in (117a)) oder vokalisch anlautende Objektklitika (vgl. haltan-en [3.Pers.Sg.Akk.m.] in (117b)) haben keine Auswirkungen auf die Realisierung des Infinitivflexivs, d. h. der auslautende Nasal schwindet hier nicht. (116)

a. on de muutar hat gazéart tauśinkh franken zo khóofame nòch an müll (ZOTTI 1986, 81) ‚und (meine) Mutter gab 1000 Lire aus, um ihm noch ein Maultier zu kaufen.ʻ b. Antía an baip ist gant nach me śain manne, zo boròota-me s ghèssach (ZOTTI 1986, 16) ‚Manchmal folgte eine Frau ihrem Mann, um ihm das Essen zu bereiten.ʻ

(117)

a. on dà ear òch ist gant śüüchan zo borkhóofans (ZOTTI 1986, 74) ‚wo auch er es zu verkaufen suchteʻ (oder: ‚und dort hat er es auch zu verkaufen versuchtʻ) b. zo bèssan, blikhan un haltan-en śaubar (ZOTTI 1986, 16) ‚zu waschen, zu flicken und ihn sauber zu haltenʻ

Geht man von einer ähnlichen, parallelen Entwicklung im Cimbro aus, ist die vokalische Infinitivendung -a in diesem zimbrischen Dialekt zur Markierung der Infinitivform des 2. Status das Reanalyseergebnis einer zunächst phonetisch bedingten Allomorphie. Im Cimbro taucht ein an die nasal auslautende Infinitivendung restituiertes [n] im Kontext eines enklitisch angeschlossenen vokalisch anlautenden Objektklitikons auf. Synchron betrachtet ist es als Hiatustilger zu analysieren, diachron betrachtet als der ehemalige nasale Auslaut der reinen Infinitivform. Vor diesem Hintergrund ist die in Tabelle XIV oben suggerierte Parallelität der Form-Funktions-Differenzierung im Ahd. und im Cimbro und die in Tabelle XV dargestellte Entwicklung neu zu bewerten. Während wir es bei der Differenzierung im älteren Zimbrischen tatsächlich mit einer Weiterführung ahd. Verhältnisse zu tun haben, ist die Differenzierung im Cimbro erst neu entstanden und somit eine autochthone Entwicklung. Basis für die neue Entwicklung stellte vermutlich das generalisierte Infinitivflexiv -an dar. Vor dem Hintergrund der übergeordneten Frage, inwiefern externe Faktoren für grammatische Sprachwandelphänomene des Cimbro verantwortlich gemacht werden können, ist im Fall der Differenzierung der Infinitivformen Folgendes festzustellen: Ohne die vermutlich auf externen Einfluss zurückzuführende Entwicklung der Abfolge VO in Infinitivkonstruktionen ist der skizzierte morphologische Wandel im Cimbro kaum denkbar. Insofern haben wir es bei der Entstehung der formalen Differenzierung der abhängigen Infinitivform mit einem Fall fen zu können, wie folgendes vereinzeltes Beispiel aus SCHWEIZER (2008, 872) nahelegt: tzo maxese schraiban (wörtl. ‚zu machen-sie schreibenʻ).

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von extern motiviertem Sprachwandel zu tun. Die Voraussetzungen für die Reanalyse wurden durch die kontaktinduzierte Veränderung der Wortfolge in diesen Konstruktionen erst geschaffen. Mir ist bewusst, dass damit die eigentliche Ursache für den in diesem Abschnitt beschriebenen grammatischen Wandel noch nicht entdeckt ist und einige Fragen offen bleiben. Doch scheint es plausibel, dass wir es mit einem Sprachwandelprozess zu tun haben, bei dem eine eventuell für die Sprecher nicht mehr ganz durchsichtige Art der Differenzierung, wie sie in den älteren zimbrischen Texten dokumentiert ist, ersetzt und dadurch systematisiert wurde. Es gibt bisher keine Hinweise dafür, dass die Neudifferenzierung von zwei Infinitivformen dem Modell der Kontaktsprache(n) folgt. Als modellunabhängige Entwicklungen gelten nach RIEHL (2004, 97–100) auch solche, die durch den Sprachkontakt als „in der Sprache bereits angelegte Entwicklungstendenzen“ hervortreten. Es stellt sich hier die Frage, ob es so etwas wie „typological drift“ tatsächlich gibt, ob die genetische Anlage einer Sprache unausweichlich zu einer bestimmten Struktur führt. Welche Varietät oder germanische Sprache soll die Repräsentation des reinen Typs übernehmen? Es gibt verschiedene deutsche Dialekte und auch eine weitere germanische Sprache, die eine morphologische Differenzierung von Infinitivformen vornehmen. Es handelt sich dabei um alemannische und thüringische Dialekte und das Friesische (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 517; HOEKSTRA 1992). Bei den letztgenannten kann man trotz der formalen Umgestaltung der Flexive eine gewisse Kontinuität feststellen, die sogar eine Rekonstruktion dieser Differenzierung bis zum Germanischen erlauben. Die Differenzierung im Cimbro passt zwar auf einer sehr abstrakten Ebene in dieses Bild der Kontinuität, nicht jedoch hinsichtlich der Rekonstruktion der tatsächlichen formalen Ausgestaltung der Opposition. JOSEPH (2006) schlägt vor, „drift“ soziolinguistisch zu begründen, um Phänomene dieser Art innerhalb einer Sprachfamilie zusammenfassen zu können: „[if] variation in a proto-language is inherited into individual languages as variability, lying dormant – or rather „submerged“ sociolinguistically – and waiting to bubble up to the surface under different social conditions, then it stands to reason that two related languages could show parallel developments that make an overt appearance late in their respective traditions“ (JOSEPH 2006, 116).

Für das Cimbro eine solche, auf der genetischen Zugehörigkeit basierende Eigenständigkeit in der Entwicklung anzunehmen widerspricht der zugrunde gelegten Hypothese, dass die Entwicklung einer Replikasprache immer eine Entwicklung hin zu einer größeren Übereinstimmung mit der Modellsprache sei. Es ist vorstellbar, dass sich die Erklärung für die Möglichkeit solcher Eigenentwicklungen trotz intensiven Sprachkontakts im gesunden Selbstbewusstsein und der relativen Geschlossenheit einer Sprachgemeinschaft finden lässt. In einem größeren Zusammenhang wäre es auch interessant zu wissen, ob es sich bei der Differenzierung von Infinitivformen um ein relativ seltenes Phänomen handelt, und ob es irgendwelche Korrelationen gibt zwischen dem Ausbau oder Abbau der Infinitivmorphologie (und der Syntax von Infinitivkonstruktionen) einerseits und anderen morphosyntaktischen Phänomenen andererseits.

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3.4.2.2 Zur Stellung der Objektklitika in Infinitivkonstruktionen In syntaktischer Hinsicht stellt sich im Bereich der Infinitivkonstruktionen in erster Linie die Frage nach der Klitisierung der unbetonten Objektpronomen. In einer Infinitivkonstruktion, in der ein Modalverb wie mang ‚könnenʻ den 1. Status der infiniten Form regiert, bildet die Basis des Objektklitikons in der Regel das finite Verb (vgl. (118a) und (118b)): (118)

a. dar mak=as rizevarn hoint abas (Quest) ‚er kann euch heute Abend empfangenʻ b. i ma=dar=se laing (Quest) ‚ich kann sie [= die Kassette] dir leihenʻ

In areallinguistischer Hinsicht interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es v. a. im Alpenraum romanische Varietäten gibt, bei denen in Modalverbkonstruktionen das Objektklitikon in „präverbaler Stellung“, d. h. proklitisch zum Infinitiv, auftritt; man vgl. die folgenden Beispiele, die POLETTO (1997, 141) entnommen sind:193 (119)

a. al po ma sal’va Poschiavo ‚er kann mich rettenʻ b. l’muesa te ‘de kel ‘liber Gardenese ‚er muss dir dieses Buch gebenʻ

Im Cimbro ist in solchen Modalverbkonstruktionen im Präsens zu beobachten, dass vor allem bei entlehnten Verben auch die Klitisierung an die Infinitivform vorkommt (vgl. möcht promettarn=en in (120a) und mage ... fermar=me in (120b)): (120)

a. pero dar möcht promettarn=en, ke dar lat=me nemear gian (Ida) ‚aber er muss ihm versprechen, dass er mich nicht mehr gehen lässtʻ b. umbrom i mage net herta fermar=me as=to mast vetzan (Gisella) ‚denn ich kann nicht immer anhalten, dass du Wasser lassen kannstʻ

Die Klitisierung an die reine Infinitivform kommt im Cimbro auch dann vor, wenn diese koordiniert ist zu einem Infinitiv, der von einem Verb eingebettet wird, das den 1. Status regiert bzw. regieren kann (vgl. die Beispiele unter (121), in denen jeweils die regierenden Verben unterstrichen sind; man vgl. auch Beispiel (56)). (121)

a. as mã mögə hēf n 's hütlə un trāgəns wo mã wil (BACHER 1900, 310)

193 POLETTO (1997) zählt folgende Varietäten mit dieser Positionierung der Objektklitika auf: Provenzalisch, Franko-Provenzalisch, einige lombardische und nordvenetische Varietäten, Ladinisch, Bündnerromanisch und Sardisch.

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‚dass man das Hüttlein (auf)heben könne und es tragen, wohin man willʻ b. alora han=e köt ka main tata, bar söllatn sain gont biar o un ne men=s aso asbe=s is (Ida) ‚da habe ich zu meinem Vater gesagt, auch wir hätten gehen sollen (wörtl.‚sollten sein gegangenʻ) und es so nehmen wie es istʻ c. un alora diselnen bo=da net han gehat s kitzle han gemöcht gian zo koava=s un schenkan=s=en in pfaf (Ada) ‚und diejenigen, die kein Geißlein hatten, mussten es besorgen (wörtl. ‚mussten gehen zu kaufen-esʻ) und es (ihm) dem Pfarrer schenkenʻ Die Infinitivform kann dabei auch asyndetisch koordiniert sein: (122)

a. da han vort gemöcht vüarn in mist /ah boroatn=en aus in di bisan (Ada) ‚sie mussten den Mist forttragen / ah, ihn auf den Wiesen ausbreitenʻ

Im Gegensatz zu den Infinitiven mit enklitischem Objektpronomen in den Beispielen unter (121) und (122), bei denen jeweils ein sie regierendes Verb identifiziert werden kann, sind die Infinitivformen in der Konstruktion trükhnen=s un bringen=s af di tetsch in (123) nicht von einem Verb regiert. Es handelt sich um eine satzwertige Infinitivkonstruktion in Objektfunktion, die aufgrund ihrer linksversetzten Position vor dem finiten Verb im Matrixsatz mit einem kongruierenden Personalpronomen (‚esʻ in han=s(a)=es ‚haben sie esʻ) wieder aufgenommen wird. (123)

un s höbe vor di küa, di monnen bo=da han gement| soin=da kent monnen von tal nidar da, bo=da han gement. un diseln hon=sa=se gemocht zaln. ma dopo trükhnen=s un bringen=s in af di tetsch, han=s(a)=es alls getont di baibar (Gisella) ‚und das Heu für die Kühe / die Männer, die gemäht haben / (es) sind Männer hier unten vom Tal gekommen, die gemäht haben / und die mussten sie [sie] (be)zahlen / aber es nachher trocknen und es (hinein) auf den Heuboden bringen, (das) haben [sie] [es] alles die Frauen getanʻ

Die Klitisierung eines Objektpronomens an eine Partizip-Perfekt-Form innerhalb einer Infinitivkonstruktion begegnet z. B. bei Modalverbkonstruktionen im Perfekt, vgl. (124a/b).194

194 Im älteren Zimbrischen ist in Modalverbkonstruktionen dieser Art die Stellung des Reflexivpronomens nach dem Infinitiv belegt: (i)

Un ear hat gabelt neman sich in hungar (SCHMELLER 1838, 623) ‚und er wollte sich den Hunger stillenʻ

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a. umbrom dopo mai moma is gest alt o, hat nemear geböllt=en haltn (Iolanda) ‚denn meine Mutter war dann auch alt, (sie) hat ihn nicht mehr halten (im Sinne von ‚hütenʻ) wollenʻ b. alora sem hon=e net no gemat=mar nemen in pua (Iolanda) ‚also dort(hin) habe ich (mir) den Bub nicht (mit)nehmen könnenʻ (wörtl. ‚also dort habe=ich nicht nach gekonnt=mir nehmen den Bubʻ)

In den norditalienischen Dialekten ist in diesen Konstruktionen die Klitisierung des Objektpronomens an den Infinitiv üblich, entsprechend der vorherrschenden Tendenz, clitic climbing, d. h. die proklitische Stellung zum finiten Verb des Verbalsyntagmas, zu vermeiden (vgl. POLETTO 1997). Im Venetischen und Friaulischen z. B. ist in Modalverbkonstruktionen die Klitisierung des Objektpronomens an den Infinitiv gegenüber derjenigen an die finite Verbform die gebräuchlichere; man vgl. hierzu die folgenden Beispiele, die BENINCÀ / VANELLI (1984, 189–199) entnommen sind:195 (125)

a. Non abbiamo potuto vederli. / Non li abbiamo potuti vedere.(Std.Ital.) b. No ghemo posudo vedarli. / ?No li ghemo posudi vedare. (Venetisch) c. No vin podùt viodi-ju. / ??No ju vin podûs viodi. (Friaulisch) ‚Wir konnten sie nicht sehen.ʻ / ‚Wir haben sie nicht sehen können.ʻ

Im ladinischen Dialekt des Val Gardena steht in diesem Kontext das Objektklitikon nicht enklitisch, sondern proklitisch zum Infinitiv, man vgl. (126) aus SALVI (1997, 293): (126)

[kæla ’e i pu’du me kum’pre dan træj’ani] [diesen habe ich gekonnt mir kaufen vor drei Jahren] ‚das habe ich mir vor drei Jahren kaufen könnenʻ

Vergleicht man nun dieses Beispiel aus dem Ladinischen mit dem Cimbro (Beispiel (124b) oben), ist die Parallelität hinsichtlich der Abfolge der Konstituenten unverkennbar. Der Unterschied besteht darin, dass im ladinischen Dialekt die Basis des Objektklitikons die Infinitivform darstellt196, im Cimbro hingegen die Partizip-Perfekt-Form des Modalverbs. Es handelt sich also lediglich um eine Übereinstimmung in der Serialisierung. Aufgrund der Tatsache, dass im Cimbro Objektklitika nur enklitisch auftreten können, unterscheiden sich das Cimbro und 195 Auch im Dialekt von Rovereto (Trentinisch) ist in dieser Art von Modalverbkonstruktion die Klitisierung an den Infinitiv gebräuchlich, wie folgendes Beispiel aus der Datenbank Atlante Sintattico d’Italia Settentrionale (=ASIS) zeigt: El Marioi li’ha podui darghe la notizia ‚Mario konnte ihm die Auskunft gebenʻ. 196 Man vgl. hierzu die Aussage von SALVI (1997) zum Ladinischen: „Except in the affirmative imperative, oblique clitic pronouns are always preverbal“ SALVI (1997, 292). Man vgl. auch Fn. 193.

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das Ladinische darin, welche infinite Verbform die Basis der Klitisierung bildet.197 Bevor ich auf die Klitisierung von Objektpronomen im Kontext von Infinitivkonstruktionen mit der abhängigen Infinitivform (zu-Infinitiv) zu sprechen komme, sollen an dieser Stelle noch einige besondere Fälle der Klitisierung an infinite Verbformen kurz erwähnt werden. Ähnlich wie bei den reinen Infinitiven mit enklitischen Objektpronomen in den Beispielen unter (121) kann bei den Partizip-Perfekt-Formen in den Sätzen unter (127) von einer koordinativen Beziehung ausgegangen werden. Angesichts von Unvereinbarkeiten hinsichtlich der Hilfsverbselektion wie in (127b) (*sai=bar=en get > ha=bar=en get) muss eine Art von Koordination angenommen werden, die dieses Kriterium nicht als konstitutiv ansieht. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang zu sein, dass Subjektkontinuität vorliegt. Als Subjekt der (abgeschlossenen) Verbalhandlung, die mit der Partizip-Perfekt-Form ausgedrückt wird (get in (127a), kent in (127b)), dienen jeweils die vorgenannten pronominalen bzw. nominalen Konstituenten im Nominativ (bar in (127a), di hennen in (127b)), die auch als Subjekt der vorgenannten Verbalhandlung (gont in (127a), paitn in (127b)) fungieren. (127)

a. {paürdari} alora sai=bar gont, get=eni s baigebassar (Iolanda) ‚{Leichname} dann sind wir gegangen (und haben) ihnen das Weihwasser gegebenʻ b. alle di hennen sain gest sem zo paita+n=ar un herta kent=ar no auvar pa stiage (Ada) ‚alle Hennen waren dort um sie zu erwarten (wörtl. ‚zu warten=ihrʻ) und immer (sind sie) ihr nach gekommen, herauf bei (der) Stiegeʻ

Bei den Partizipialkonstruktionen in den Beispielen unter (128) hingegen ist kein personales Subjekt im vorangehenden Satz ausgedrückt, so dass diese infiniten Konstruktionen als impersonal angesehen werden können.

197 Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit den alemannischen Sprachinseln in Nordwestitalien. In dem folgenden Beispiel aus dem walserdeutschen Dialekt von Alagna (SCHOTT 1842, 142) kann das als Reflexivpronomen gebrauchte Personalpronomen mu [3.Pers.Sg.Dat.m.] als proklitisch zur Partizip-Präteritum-Form angesehen werden: (i)

und er hatte gäre mu-g'fild dem bûch ... Alagna (SCHOTT 1842, 142) ‚und er hätte sich (wörtl. ‚ihmʻ) gerne den Bauch gefüllt ...ʻ

Im Alemannischen (Berndeutschen) kommt nach NÜBLING (1992) die Proklise von Objektpronomen nur sehr selten vor, und zwar nur dann, „wenn sie vor einem erweiterten Infinitiv stehen“ (NÜBLING 1992, 272). Man vgl. hierzu folgende Beispiele aus Hodler (1969), zitiert nach NÜBLING (1992, 277): Er het agfange, ne=z=hasse ‚Er hat angefangen, ihn zu hassenʻ, Du hesch probiert, mer=ne=z=nä ‚Du hast probiert, ihn mir zu nehmenʻ. Die bevorzugte Stellung ist in diesen Konstruktionen die enklitische am finiten Verb des Matrixsatzes, vgl. Er het is ne gsuecht z'nä ‚Er hat versucht, ihn uns zu nehmen/Er hat ihn uns zu nehmen versuchtʻ.

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a. pero s höbei is herta gescht da in, gimocht=si menen un leng=si af di tetsch (Ida) ‚aber das Heu ist immer dort drin gewesen, (man) musste es mähen und es auf den Heuboden legenʻ b. un vo da untars lont o is gest ploas ekhar vo patatni, geprenk=sei alle zuar atti aksln (Ada) ‚und von hier (bis) unters Dorf waren auch nur Kartoffeläcker, (man) brachte sie alle auf den Schultern (wörtl. ‚Achseln‘) [zu]her ʻ

Infinitivkonstruktionen mit zu-Infinitiv weisen, was die Stellungsmöglichkeiten der vom Infinitiv abhängigen Bestimmungen betrifft, in bestimmten Kontexten einen ähnlichen Gegensatz zwischen nominalem und pronominalem Objekt auf, wie er im Zusammenhang der Klammerkonstruktion im finiten Satz festgestellt wurde. Für nominale Objekte besteht im Cimbro in eingebetteten Infinitivkonstruktionen keine Variation mehr zwischen der Abfolge OV und VO. Wie schon in den von JOSEF BACHER gesammelten Texten findet sich auch heute in diesem Kontext nur mehr die Abfolge Verb-Objekt: (129)

a. on déna sáin-sa gant nī́ dar ən tāl zo néma a pälglə198 waiī (BACHER 1900, 414) ‚und dann gingen sie hinunter in das Tal (um) ein Schläuchlein Wein zu holenʻ b. un soin=da auverkent kamion zo nema s’gehülz (Ada) ‚und es kamen Lastwagen herauf, um das Holz (ab)zuholenʻ

Im ersten zimbrischen Katechismus von 1602 ist in den in Versform verfassten Lobungen noch die Abfolge OV belegt; man vgl. (130)199, 200 (130)

Bier de vairteghe kemen hia / Da Dottrina anlon zo liernan / Unt zo kemen dier zo dienan / Ler uz du, Giunkfrau Maria (MEID 1985a, 121, V1190)

198 pelgle ist der Diminutiv von palge ‚Schlauch aus gegerbtem Ziegenfellʻ (vgl. BACHER 1905, 337). 199 Wie oben in Zusammenhang von Beispiel (98) dargestellt, kann die Stellung OV auch für finite Nebensätze nur im Textabschnitt der „Lobungen“ des ersten zimbrischen Katechismus belegt werden. 200 Variation zwischen der Abfolge OV und VO in Infinitivkonstruktionen begegnet z. B. auch im Althochdeutschen. Dies gilt nicht nur für nominale Objekte, sondern betrifft auch die Stellung der Objektpronomen, vgl. (i) und (ii): (i)

Vnde alle mîna uuéga in dien ih írrôta, fóre uuíssost dû. Du hangtost mir siê ze gânne ... (Notker, Psalm 138, 4), (TAX (Hg.) 1983, 510, 13) ‚Und du wußtest alle meine Wege, auf denen ich umhergeirrt bin, im Voraus. Du hast zugelassen, dass ich sie gehe ...ʻ

(ii) fár ér zi gisuonenne thih mít thinemo bruoder (Tatian 27, 1), (SIEVERS (Hg.) 1966, 50) (wörtl.: ‚gehe eher zu versöhnen dich mit deinem Bruderʻ)

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‘Noi le feste qui veniamo / Per saper quella Dottrina / Che ne guida à te, Regina / Acciò poi là ti lodiamo’ ‚Wir kommen die Feiertage hierher / allein um die Lehre zu lernen / und um dir zu dienen. Lehre du uns, Jungfrau Maria.ʻ Eine Stellungsbesonderheit gilt im Cimbro in Bezug auf das Indefinitpronomen epas ‚etwas’, das unmittelbar vor dem erweiterten Infinitiv stehen kann, vgl. (131): (131)

a. i gea epas zo koava (Gisella) ‚ich gehe etwas kaufen/ um etwas zu kaufenʻ b. du bist=s du bo=da bart hom epas zo kontara=mar (Quest) ‚du bist es, der mir etwas zu erzählen haben wirdʻ c. un s püable hat gehöart, ke dar tata is no epas zo tüana (Gisella) ‚und das Büblein hat gehört, dass der Vater dabei ist, etwas zu tun' d. as=sa han gehat epas zo koava (Ada) ‚wenn sie etwas kaufen musstenʻ (wörtl. ‚wenn sie haben gehabt etwas zu kaufenʻ)

Für ein pronominales Objekt ist neben der enklitischen Position am eingebetteten Infinitiv, wie in den Beispielen unter (132a) und (50d) zu sehen, unter bestimmten Bedingungen auch die Klitisierung am finiten Verb des Matrixsatzes möglich, vgl. die Beispiele unter (132c–e). Diese Art des clitic climbing ist z. B. dann der Fall, wenn das Hauptverb des übergeordneten Satzes ‚gehenʻ lautet. In dem Beispiel (132e) klitisiert das Objektklitikon =se [3.Pers.Sg.Akk.f.] an das finite Hilfsverb han und nicht an den Infinitiv nemma, von dem es unmittelbar abhängt. Diese Art von clitic climbing201 an das finite Verb des Matrixsatzes kommt in dem zugrunde gelegten Korpus auch dann vor, wenn das Hauptverb des Matrixsatzes ‚kommenʻ oder ‚probierenʻ lautet; vgl. die Beispiele unter (133), in denen das Hauptverb des Matrixsatzes zugleich das finite Verb ist. (132)

a. un alṓra hã’msə gemat laütn alə di ggloggn zó̥a-as-da gī́ an vīl laüt zō sūaa-'n-ən (BACHER 1901, 296) ‚und dann haben sie alle Glocken läuten lassen, damit viele Leute ihn suchen gehenʻ (wörtl. ‚zu-dass-da gehen viel(e) Leute zu suchen-ihnʻ) b. [...], zòa as-da di laüt ghian-en zo süacha (BELLOTTO 1978, 240) c. Sa (da) ha͂m áu-gheva͂nk un sa͂in-en ga͂nt zo süacha (BELLOTTO 1978, 240) ‘Quelli partirono e andarono a cercarlo.’ (BELLOTTO 1978, 242)

201 Den Begriff clitic climbing benutze ich hier in einer weiten Bedeutung, und zwar in der Art, wie ihn JACOBS / PRINCE / AUWERA (1994) in Bezug auf das Jiddische gebrauchen: „[...] in Climbing, constituents in an embedded infinitival clause may cliticize on to the (matrix) finite verb“ JACOBS / PRINCE / AUWERA (1994, 411).

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‚Sie sind aufgebrochen und sind ihn suchen gegangen.ʻ d. Bál-da di Ggalnétšər hā’m gəwārnt, gge da vēln di kíndar sáin-sa-sə (BACHER 1901, 290) gant to süūa ‚Als die Bewohner von Caldonazzo bemerkten, dass die Kinder abgängig seien, gingen sie zu suchen (wörtl. ‚sind sie (S) sie (O:3.Pers. Pl. Akk.) gegangen zu suchenʻ) e. han=sa=se gemocht gian zo nemma sem {die Post} (Ida) (wörtl. ‚haben-sie-sie gemusst gehen zu nehmen dortʻ) ‚mussten sie sie dort holen gehenʻ (133)

a. O liabar mai Tone, khent=me zo nemma (BELLOTTO 1978, 35–36) ‘Oh mio caro Toni, venitemi a prendere! (BELLOTTO 1978, 35–36) ‚Oh lieber Toni, kommt (um) mich (zu) holenʻ b. {dar tata (S), di aragosta (O)} / provart=ar=se zo haka (Gisella) {der Vater, die Languste} / ‚versucht er sie (zu) schneidenʻ

Eine Art Anhebung liegt auch vor, wenn das Objektpronomen eines eingebetteten Infinitivs an einen unmittelbar vorangehenden, ebenfalls eingebetteten Infinitiv klitisiert (vgl. (134a) aus BACHER (1905, 98) und (134b)). Auch hier löst das Bewegungsverb ‚gehenʻ diese Stellung aus. (134)

a. ōn də pua(b)m ha(b)m widɒr ãgəheft zo gianɒ ʃə zo venɒ ‚und die Buben fingen wieder an sie besuchen zu gehenʻ b. umbrom di solde zo giana=s zo koava is=ta=da net gest (Ada) ‚denn das Geld, um es kaufen zu gehen, gab es nichtʻ

Was die Stellung von klitischen Objektpronomen in Infinitivkonstruktionen angeht, ist ein Vergleich der bairischen und alemannischen Sprachinseldialekte in Norditalien interessant. Im Folgenden stehen dabei die relativ häufig vorkommenden finalen Infinitivkonstruktionen im Fokus. Zunächst werde ich in diesem Zusammenhang die verschiedenen Anschlussmöglichkeiten für finale Infinitivkonstruktionen darlegen. Weder das Cimbro noch der walserdeutsche Dialekt von Issime kennen die diskontinuierliche Konjunktion ‚um ... zuʻ zur Kennzeichnung von satzwertigen Infinitivkonstruktionen mit finaler Bedeutung. Im Cimbro existieren grundsätzlich zwei Möglichkeiten, finale Infinitivkonstruktionen einzuleiten. Die erste Konstruktionsmöglichkeit repräsentiert das Beispiel (135a). Die semantische Beziehung der Infinitivkonstruktion („Zweck“, „Absicht“) zum Matrixsatz wird hier ohne spezielle Markierung zum Ausdruck gebracht. Indem das Cimbro einfaches ‚zuʻ verwendet, setzt es eine früheren Sprachstufen entsprechende Konstruktion

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fort. Eine weitere Konjunktion zur Einleitung finaler Infinitivkonstruktionen im Cimbro ist die Verbindung ‚zoa zoʻ, vgl. (135b).202 (135)

a. dar mon o di sunta is gont kan birt zo macha+n=en la su partita (Ada) (wörtl. ‚zu machen+HT=sichʻ) ‚auch ist der Mann sonntags zum Wirt gegangen, um Karten zu spielenʻ b. un alora zoa z’spara dise centesime, di laüt sain gont nidar (Ada) ‚und also um diese Pfennige zu sparen, sind die Leute hinuntergegangenʻ

Im Südwalser Dialekt von Issime gibt es zwar zur Einleitung finaler Infinitivkonstruktionen die Konjunktion ‚umʻ, allerdings wird dabei der Infinitiv nicht mit ‚zuʻ markiert, wie folgende Beispiele belegen: (136)

a. um hee milch hemmu gmolhen an gais (ZÜRRER 1999, 139) ‚um Milch zu haben, hat man eine Ziege gemolkenʻ b. un doa seindsch bljibben um etsen ds höi (ZÜRRER 1999, 139) ‚und da sind sie geblieben, um das Heu zu verfütternʻ

Die Partikel ‚zuʻ tritt aber unter bestimmten Umständen auch im Walserdeutschen von Issime in finalen Infinitivkonstruktionen auf, z. T. als Bestandteil der Konjunktion vür zu (vgl. ital. per, frz. pour). Dies ist anscheinend insbesondere dann der Fall, wenn das Objekt der Infinitivkonstruktion als Pronomen ausgedrückt ist (vgl. die Beispiele unter (137)).203 ZÜRRER (1999) stellt für den Dialekt von Issime fest, dass ‚zuʻ nicht adjazent zum Verb steht, „sondern davon getrennt am Anfang der Infinitivgruppe“ ZÜRRER (1999, 139). (137)

a. a hun [...] het torrut [...] um süjen an uart vür z is essen (ZÜRRER 1999, 139) ‚ein Hund [...] ging herum [...] um einen Ort (zu) suchen, um es zu essenʻ b. ich hen nöi d sterji z ne tüete (ZÜRRER 1999, 139)

202 Die adjazente Stellung von zoa und zo kann im Cimbro allein durch die Negationspartikel net ‚nichtʻ aufgebrochen werden, vgl. folgendes Beispiel aus BACHER (1900, 314): Diza kin is úmar gant zo petla zoa net zo sterwa vo huŋər ‚Dieses Kind ist herumgegangen zu betteln, um nicht zu sterben vor Hungerʻ. 203 Folgender Beleg aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt, dass Objektpronomen auch in einer mit ‚umʻ eingeleiteten finalen Infinitivkonstruktion vorkommen (vgl. (i) aus SCHOTT 1842, 140, zitiert nach ZÜRRER 1995, 350) (i)

du hesch mir niemer g' gä en bocch um mich mache hurtigs mid min'n g' selle (Issime, 1839) ‚du gabst mir nie einen Bock, um mich mit meinen Freunden zu vergnügenʻ

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‚ich habe nicht die Kraft, (um) ihn zu töten (d. h. ein Haustier zu schlachten)ʻ Im Walserdeutschen von Issime weisen eingebettete Infinitivkonstruktionen also die Stellung OV auf, wenn das Objekt als Pronomen realisiert ist.204 Im Cimbro ist in diesem Kontext die bevorzugte Stellung von Objekt- und Reflexivpronomen diejenige enklitisch zum Infinitiv. 3.4.3 Zusammenfassung In den vorangegangenen Unterkapiteln ging es um die Wortstellung der Pronominalklitika in finiten und infiniten Konstruktionen. Dabei stand zunächst die Klitisierung am finiten Verb, wie sie in Hauptsätzen zu beobachten ist, und die Stellung der Klitika in einer gegenüber dem Deutschen eingeschränkten Klammerkonstruktion im Vordergrund. Die Einschränkung besteht darin, dass neben pronominalen Elementen wie den Subjekt- und Objektpronomen und den Indefinitpronomen lediglich adverbiale Elemente wie Negationsadverbien, Modal- und Ortsadverbien das topologische Feld zwischen finiter und infiniter Verbform besetzen können. Ähnliches ist festzustellen in Bezug auf die Nebensatzklammer, denn auch hier stehen zwischen einer den Nebensatz einleitenden Konjunktion, die Basis für Subjekt- und Objektklitika sein kann, und der finiten Verbform neben den erwähnten Pronomen lediglich adverbiale Elemente. Andernfalls gilt die Wortfolge im Hauptsatz und somit die Klitisierung der unbetonten Objektpronomen an eine Verbform, wie sie für Nebensätze, die durch ke ‚dassʻ, umbrom ‚denn, weilʻ oder die konjunktional gebrauchten w-Wörter (ben ‚wennʻ, bia ‚wieʻ, bo ‚woʻ, bas ‚wasʻ) eingeleitet werden, die Regel ist. Damit geht eine Entwicklung einher, die letztlich zu einer Aufhebung der Asymmetrie zwischen Hauptund Nebensatzwortfolge führt, die z. B. in der zimbrischen Varietät der Sieben Gemeinden des 20. Jahrhunderts, wie sie uns in den Texten der COSTANTINA ZOTTI überliefert ist, bereits vollzogen ist (vgl. hierzu auch BIDESE 2008, 136– 137). Verbunden ist damit auch der Verlust der Eigenschaft, dass Konjunktionen (neben verbalen Formen) als Basis für Pronominalklitika und insbesondere Objektklitika dienen können. Eine weitere Eigenschaft, die die Pronominalklitika den verbal clitics der Modellsprache ähnlicher machen, ist die Tatsache, dass sie auch an infinite verbale Formen klitisieren. Im Bereich der Infinitivkonstruktionen wurde zunächst der Frage nachgegangen, wie die Entwicklung, die im Cimbro zu einer morphologischen Differenzierung zwischen reiner und abhängiger Infinitivform führte, zu rekonstruieren ist. Es konnte gezeigt werden, dass es sich bei der Alternation zwischen -(a/e)N (reiner Infinitiv) und -a (abhängiger Infinitiv) nicht um eine direkte Weiterentwicklung älterer Stufen des Deutschen handelt, sondern im Zimbrischen 204 Man vgl. hierzu Fn. 197, wo auf die Stellung von Objektpronomen vor einem erweiterten Infinitiv im Alemannischen (Berndeutschen) Bezug genommen wird.

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Studien zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika

zunächst ein Ausgleich (zu -Vn) stattfand. Davon ausgehend, kam es im Cimbro von Luserna über einen Reanalyseprozess zur erneuten Differenzierung der Infinitivflexive. Als grundlegende Voraussetzung für den Reanalyseprozess wurde die Möglichkeit angesehen, dass ein unbetontes Objektpronomen enklitisch an den eingebetteten Infinitiv treten kann. In satzwertigen Infinitivkonstruktionen ist die Abfolge von V und O mit nominal realisierten Objekten die einzig mögliche. Auch mit pronominalen Objekten ist dies eine bevorzugte Stellung; im Kontext von Bewegungsverben wie ‚gehenʻ kommt allerdings auch die Klitisierung des Objektpronomens an das finite Verb des Matrixsatzes vor. Die Eigenschaft, dass auch infinite Verbformen Basis der Klitisierung von Objektpronomen sein können, ist die hervorstechendste Umkategorisierung im Bereich der Infinitivkonstruktionen, die ohne den modellsprachlichen Einfluss kaum zu erklären ist. So kann in einer Modalverbkonstruktion ein Objektklitikon auch an den Infinitiv treten, insbesondere dann, wenn der Infinitiv in einer koordinierten Konstruktion auftritt. Neben dieser Abfolge, die von den Stellungsmöglichlichten der Modellsprache aus betrachtet erwartbar erscheint, kann ein Objektklitikon in einer Modalverbkonstruktion im Perfekt auch zwischen Modalverb und Infinitiv treten. Diese Serialisierung ist auch in ladinischen Dialekten zu beobachten, die vom Deutschen beeinflusst sind. Es wurde auch auf Vorkommen der Klitisierung von Objektpronomen an infinite Verbformen hingewiesen, bei denen es sich um impersonale Konstruktionen handelt. Der schließlich im Zusammenhang der satzwertigen Infinitivkonstruktionen angestellte Vergleich zwischen dem Cimbro und dem alemannischen Sprachinseldialekt von Issime zeigt, wie unterschiedlich sich die Bedingungen für die präverbale Stellung von pronominalen Objekten in eingebetteten Infinitivkonstruktionen in diesen beiden Dialekten entwickelt haben. Während im Cimbro diese Stellung nur durch clitic climbing oder Anhebung zum finiten Verb des Matrixsatzes bzw. des unmittelbar vorangehenden eingebetteten Infinitivs möglich ist, ist im walserdeutschen Dialekt von Issime die präverbale Stellung des Objektpronomens aufgrund der Klitisierung an die einleitende Konjunktion die übliche. Die Klitisierung an die Infinitivform spielt in diesem Dialekt anscheinend keine Rolle. Die Untersuchungen zur Wortstellung der Pronominalklitika im Cimbro haben für einige Bereiche der Syntax aufgezeigt, dass und inwieweit diese Minderheitensprache in Bezug auf die Wortfolge vom Deutschen abweicht. In diesem Zusammenhang wurden Pronominalklitika als Indikatoren für Wortstellungsveränderungen betrachtet. Im nächsten Kapitel steht die funktionale Eigenschaft der Pronominalklitika, als Kongruenzmarkierer zu dienen, im Vordergrund. Auch hier ermöglicht die arealtypologische Perspektive eine Einordnung der Eigentümlichkeiten des Cimbro in einen größeren Zusammenhang.

4 PRONOMINALKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER Im Kontext der Untersuchung von Pronominalklitika in ihrer Funktion als Kongruenzmarkierer sind Konstruktionen wie unter (138) bis (144) von besonderem Interesse. Ihr Auftreten ist ein Indiz für Besonderheiten oder auch für stattfindende Veränderungen des zugrunde liegenden Kongruenzsystems der jeweiligen Varietät. Eine Eigenschaft, die das Cimbro (vgl. (138) und (139)) mit dem Bairischen (vgl. (140)), dem Friaulischen (vgl. (141) und (142)), dem Oberengadinischen (vgl. (143)) und dem Walserdeutschen (vgl. (144)) ganz offensichtlich gemeinsam hat, ist die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen neben einem betonten Subjekt- oder Objektpronomen im gleichen Satz ein referenzidentisches Pronominalklitikon aufzuweisen. (138)

a. déna hat ər ən gəse̥gg ər ō (BACHER 1990, 307) [dann hat=er=ihn gesehen er auch] ‚dann sah auch er ihnʻ b. gian=sa seondre o na schbem? (Iolanda) [gehen=sie sie_andere auch nach Pilzen] ‚sammeln auch sie Pilze?ʻ

(139)

du hast=me geböllt vressan mi (Sara) [du hast=mich gewollt fressen mich] ‚du wolltest mích fressenʻ

(140)

Mi bringt mi kaə͂ Mensch aus’n Häusl.

(141)

a. Jo o feveli ‚Ích spreche.ʻ Friaulisch (HAIMAN 1991, 137) [1.Sg.Nom. Subj.kl.1.Sg. spreche] b. aveɲiɲ ance loːr Friaulisch (VANELLI 1997, 284) [Subj.kl.3.Pl. kommen:3.Pl. auch 3.Pl.Nom.] ‚auch sie kommenʻ c. veɲiɲ-o ance loːr Friaulisch (VANELLI 1997, 284) [kommen-3.Pl.Nom.Interrog. auch 3.Pl.Nom.] ‚kommen auch sie?ʻ

(SCHMELLER 1821, 191)205

205 SCHMELLER (1821, 191) schreibt diesen Beleg dem „ostlechischen gemeinen Dialekt“ zu. SCHMELLERS Einteilung der oberdeutschen Dialekte in „oberrheinisch“, „westlechisch“ und „ostlechisch“ entspricht in der heutigen Terminologie „alemannisch“, „schwäbisch“ und „bairisch“.

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

(142)

Mi klamin me. [1.Sg.Akk. rufen:3.Pl. 1.Sg.Akk.] ‚Sie rufen mích.ʻ

(143)

a. Scha ella eis legra, schi stett’ el eir el legiar, Oberengadinisch scha ella eis melancolica, hegi’al eir el dulur. (LINDER 1987, 151) ‚Wenn sie fröhlich sei, dann sei auch er fröhlich, wenn sie traurig sei, habe auch er Kummer.ʻ b. Ma, sun=e propi gnieus aint, haun=e propi els pendieu sül il scrit...? ‚Aber sind sie tatsächlich hineingegangen, haben tatsächlich sie den Zettel aufgehängt ...?ʻ (OETZEL 1992, 52)

(144)

de brueder wont=er z turiin un ds wääti wont=dsch z meiland Gressoney ‚der Bruder wohnt in Turin, und die Schwester wohnt in Mailandʻ (ZÜRRER 1999, 335)

Friaulisch (BENINCÀ 1989, 571)

Das Friaulische soll hier stellvertretend für die nordostitalienischen Dialekte stehen. Schaut man sich die Beispiele unter (141) an, fällt zunächst auf, dass das präverbale und postverbale Subjektklitikon bzw. die präverbale/postverbale Subjektmarkierung in der 3. Person Plural auf synchroner Ebene formal nicht übereinstimmen. Das präverbale Subjektklitikon der 3. Person Plural in (141b) lautet a (aveɲiɲ ‚sie kommen‘), die Endung -o in (141c), die historisch einem enklitischen Subjektpronomen entspricht, hat insofern einen anderen Status, als eine Verbform wie veɲiɲ-o als interrogative Konjugationsform des Verbs ‚kommen‘ analysiert wird. Vor allem in Bezug auf den Gebrauch der Subjektklitika und der so genannten interrogativen Konjugation verhält sich das Friaulische ähnlich wie das Venetische oder Trentinische, also diejenigen Dialektgruppen, mit denen das Cimbro unmittelbar in Kontakt steht. Schon SCHMELLER (1838) fallen entsprechende Konstruktionen wie in (138) und (139) im Zimbrischen auf und bezüglich ihrer Herkunft meint er, dass dazu „der dortige italienische Provincialdialekt mag Anlass gegeben haben“ (vgl. SCHMELLER 1838, 699). Dieser Vermutung werde ich insbesondere in Kapitel 4.2, das den Subjektklitika als Kongruenzmarkierer gewidmet ist, nachgehen, indem der Beschreibung der Verhältnisse im Cimbro eine differenzierte Darstellung zur Distribution der Subjektklitika in den nordostitalienischen Dialekten vorangestellt wird. Dies ermöglicht es herauszufinden, in welchen Punkten eine Übereinstimmung zwischen den nordostitalienischen Dialekten und dem Zimbrischen vorliegt, und inwiefern es Sinn macht, von einer Beeinflussung auszugehen. Das Oberengadinische vertritt in dem oben präsentierten Beispielüberblick die romanischen Varietäten mit V2-Beschränkung. Das Cimbro ähnelt diesen vom Deutschen beeinflussten Varietäten in mancher Hinsicht, worauf ich noch näher eingehen werde (vgl. Kapitel 4.2.3). Ein Vergleich zwischen dem Cimbro und dem Walserdeutschen ist von besonderem Interesse, da auf Gemeinsamkeiten gerade in Bezug auf die Grammatikalisierung von Subjektklitika zu gebundenen Kongruenzmarkierern immer wie-

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

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der hingewiesen wurde. In KOLMER (2005c) werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Subjektklitika im Walserdeutschen und Zimbrischen in ihrer Funktion als Kongruenzmarkierer vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse des Vergleichs werden in Kap. 4.2.4 referiert. In diesem Kapitel 4 wird das Cimbro in einen größeren Zusammenhang gestellt. Das betrifft zum einen die Arealität des Alpenraums und zum anderen die Betrachtung der Konstruktionen in (138) bis (144) unter dem Konzept Kongruenz. Anders als GUIDO SEILER (2004) geht es mir dabei nicht darum, Konstruktionen mit „klitischen Kopien von betonten Pronomen“ (das sind für SEILER v. a. solche unter (140) und (141a)) als eine „gemeinsame Innovation“ von Varietäten eines Alpensprachbunds ansehen zu wollen, sondern darum, den unterschiedlichen Status der Klitika in den verschiedenen Varietäten aufzuzeigen. Für HAIMAN / BENINCÀ (1992) z. B. haben die proklitischen Subjektpronomen im Friaulischen in (141a) und (141b) Affixstatus. Den Darstellungen von BAUEN (1978), ZÜRRER (1999), DAL NEGRO (2000; 2004) und GIACALONE RAMAT (1992) zufolge sind die enklitischen Subjektpronomen in verschiedenen walserdeutschen Dialekten auf dem besten Wege, sich ebenfalls zu Flexionsaffixen zu entwickeln. Alle Subjekt- und Objektklitika, deren Status zwischen freiem anaphorischen Pronomen und morphologisch gebundener Personmarkierung entweder nicht eindeutig ist oder zur Disposition steht, werde ich vorläufig pronominale Kongruenzmarkierer nennen. Für jeden einzelnen Fall muss jeweils bestimmt werden, wie eng (d. h. morphologisch) die Bindung zum finiten Verb (oder ggf. zur Konjunktion) ist. Als verdächtig für die Entwicklung einer engen Bindung gilt dabei die allmähliche Ausweitung auf alle möglichen Konstruktionen, in denen die pronominalen Kongruenzmarkierer redundant erscheinen, wie z. B. in (144). Ist ihr Erscheinen auf ganz bestimmte Kontexte beschränkt, stellt sich die Frage, ob dies als ein typisches (Zwischen-)Stadium einer solchen Entwicklung interpretierbar ist. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Beschreibung von Konstruktionen mit pronominaler Kongruenzmarkierung im Cimbro. Die terminologische und theoretische Bezugsgröße stellt hierfür die Kongruenztypologie von SIEWIERSKA (1999) dar. Zunächst werden einige allgemeine terminologische Differenzierungen und Vorstellungen über die Entstehung von Kongruenz dargelegt. 4.1 EINFÜHRUNG Kongruenz ist, wie BARLOW (1992, 3) es treffend ausdrückt, „one of those phenomena that are easy to recognise, but hard to define.“ Die grundlegendste und einfach zu erkennende Eigenschaft von Kongruenz ist diejenige, dass mindestens zwei sprachliche Ausdrücke hinsichtlich bestimmter Merkmale übereinstimmen. Bei Kongruenz handelt es sich also um eine Übereinstimmungsrelation. Diese ist asymmetrisch und direktional, da die Übereinstimmung von einem sprachlichen Zeichen, dem controller (oder Kontrolleur), als der die Kongruenzbeziehung bestimmenden Konstituente vorgegeben bzw. verlangt wird. Diejenige Konstituente,

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

die sich nach dem controller ausrichtet, kann als target (oder Kongruent) bezeichnet werden.206 Das sprachliche Zeichen, mit dem am target die Kongruenzbeziehung etabliert und repräsentiert wird, nenne ich Kongruenzmarkierer (agreement marker). Bezüglich der Domäne (domain) einer Kongruenzbeziehung kann eine Differenzierung zwischen internen und externen Kongruenzbeziehungen gemacht werden (vgl. LEHMANN 1993, 725–727). Interne Kongruenz bezeichnet z. B. die Kongruenzbeziehung innerhalb eines Nominalsyntagmas, wie z. B. diejenige zwischen einem attributiven Adjektiv und seinem Bezugsnomen. Der Terminus externe Kongruenz hingegen benennt in erster Linie die Kongruenzbeziehung eines Nominalsyntagmas zum finiten Verb. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit spielen nur externe Kongruenzbeziehungen eine Rolle. Als prototypische Vertreter von Kongruenzmarkierern dieser Beziehung gelten die Personalendungen finiter Verbformen, die die Beziehung zum Subjekt des Satzes anzeigen. Zur externen Kongruenz kann aber auch die anaphorische Kongruenzbeziehung zwischen einem Nominalsyntagma und einem damit kongruierenden Personalpronomen gerechnet werden, vgl (145). Indem ich die Kongruenz von anaphorischen Pronomen einschließe, folge ich dem Kongruenzkonzept von CORBETT (2003).207 Kongruenz wird also nicht als ein auf die Größe Satz beschränktes Phänomen betrachtet. So vorzugehen, empfiehlt sich bei einer typologisch und diachron ausgerichteten Perspektive auf den Gegenstandsbereich.208 (145)

Heute wird der Kleiderschranki geliefert. Die Leute von der Möbelfirma schrauben ihni auch gleich zusammen.

Bei dem Vergleich des Kongruenzsystems des Cimbro mit Kongruenzsystemen von Varietäten, die mit dem Cimbro in genetischer oder geographischer Beziehung stehen, steht die Diskussion des möglichen Status von Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer im Vordergrund. Die Sichtweise, dass Pronominalklitika unter bestimmten Bedingungen als mögliche Personkongruenzmarkierer und nicht als anaphorische Pronomen klassifiziert werden können, ist nicht selbstverständlich. Das hat damit zu tun, dass im Allgemeinen – d. h. unter Ausschluss der anaphorischen Kongruenzbeziehung als zur Kongruenz gehörig – angenommen wird, 206 Hinsichtlich der terminologischen Differenzierung richte ich mich nach CORBETT (2003) und verzichte weitgehend auf eine Übertragung der Termini ins Deutsche. Für entsprechende deutschsprachige Vorschläge (wie z. B. Kontrolleur und Kongruent) vgl. LEHMANN (1993, 722). 207 CORBETT (2003, 161) stellt fest: „[...] pronouns can be both the target of agreement and a controller of agreement [...]“. Er zeigt u. a. auf, dass Kongruenz ein Phänomen ist, das weder als rein semantisches noch als rein syntaktisches Verhältnis zwischen controller und target beschrieben werden kann. 208 Man vgl. hierzu z. B. die Diskussion in CORBETT (2003, 168–172) über den Status von sog. pronominalen Affixen als Kongruenz oder Pronomen. Man vgl. auch SIEWIERSKA / BAKKER (2005), die dafür plädieren, Kongruenz und cross-referencing als ein Kontinuum des übergeordneten Verfahrens der Personmarkierung anzusehen. In diachroner Hinsicht stellen Pronominalformen eine Hauptquelle für Markierer externer Kongruenzbeziehungen dar.

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Personkongruenzmarkierer erfüllten typischerweise u. a. folgende Kriterien: 1) sie sind morphologisch gebunden, 2) sie treten obligatorisch auf, d. h. ihr Auftreten ist unabhängig von der Wortstellung im Satz, und auch von dessen Informationsstruktur, 3) sie markieren die Beziehung zu nur einem syntaktischen Argument, dem Subjekt. Nimmt man allein diese Kriterien als Maßstab einer Kategorisierung von personkennzeichnenden Elementen, folgt daraus automatisch, dass z. B. die Subjekt- und Objektklitika des Cimbro nicht als typische Personkongruenzmarkierer anzusehen sind, da es immer spezielle Kontexte sind, in denen Pronominalklitika als mögliche target-Manifestationen einer Kongruenzbeziehung auftreten; von diesen Kontexten wird in den Kapiteln 4.2.2 und 4.3.2 noch ausführlich die Rede sein. Da gerade der Bereich betrachtet wird, der als Übergangsstadium zwischen anaphorischer Kongruenz zu gebundener Personkongruenzmarkierung angesehen werden kann, ist es sinnvoll, das hier zugrunde liegende Konzept der externen Kongruenzmarkierung möglichst weit zu fassen. Die Personalendungen, mit denen finite Verbformen in allen hier in den arealtypologischen Vergleich einbezogenen Varietäten ausgestattet sind, nenne ich die primären Subjektkongruenzmarkierer. Dass diese Art von Kongruenzmarkierer pronominalen Ursprungs ist, wird seit langem angenommen.209 GIVÓN (1976) legt in seinem Artikel Topic, Pronoun and Agreement den Grundstein für spätere Ansätze, die die Entstehung von (externer) Kongruenzmarkierung als eine Sache des Diskurses ansehen, wie z. B. BARLOW (1992; 1999). Für GIVÓN (1976) ist grammatische Kongruenz „fundamentally a topic related phenomenon, arising from anaphoric pronominalization in topical discourse contexts“ GIVÓN (1976, 185). Subjektkongruenz am Verb entsteht seiner Meinung nach in subject topic-shiftKonstruktionen, in deren Kontext ein “topic-subject gets re-analyzed as „mere“ subject, while the topic-agreement anaphoric pronoun gets re-analyzed as subjectagreement” (GIVÓN 1976, 154–155). Das von ihm angeführte Beispiel-Schema (vgl. (146)), in dem eine vormals markierte topic-shift-Konstruktion (vgl. (146a)) aufgrund ihrer hohen Frequenz auch in schwächeren Kontexten (weaker contexts) reanalysiert wird als neutrale Syntax (vgl. (146b)), leuchtet auf den ersten Blick ein, zumal es mit Beispielen aus realen Sprachwandelprozessen belegt werden kann, wie z. B. der Vergleich des Schriftfranzösischen – in (147a) – mit Belegen der gesprochenen französischen Sprache – in (147b/c) – zeigt; die Beispiele in (147) stammen aus LEHMANN (1993, 726). (146)

a. The man, he came.

b. The man he-came

(147)

a. (Moi,) j’y vais.

b. Moi j’y vais.

c. Jean il y va.

Die Voraussetzung für eine Morphologisierung von freien Morphemen (den anaphorischen Pronomen) zu gebundenen Morphemen (den Kongruenzmarkierern) ist die (häufige) Adjazenz. Das obige Schema aus GIVÓN (1976) repräsentiert 209 Man vgl. CORBETT (1993) für einen knappen Forschungsüberblick über die Entstehung von Kongruenzmarkierern am Verb. Man vgl. hierzu auch FUSS (2005).

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demnach den Fall, in dem sich präfigierende Personalkennzeichen als Kongruenzmarkierer entwickeln. Als grundlegend für die Entstehung oder auch die Erneuerung von Personkongruenz kann dieses Schema wohl nur dann angesehen werden, wenn z. B. von der Serialisierung der Konstituenten abstrahiert wird. Folgt man GIVÓNS These, liegt es nahe, in einem weiteren Schritt anzunehmen, dass in denjenigen Sprachen, die Personalendungen, also Suffixe als Personkongruenzmarkierer entwickelt haben, „topic-shift“-Konstruktionen typischerweise eine Verb-Subjekt-Abfolge aufweisen. Denn wie sonst wäre eine Basis für eine Morphologisierung geschaffen? In dem Schema unter (146) kommt auch zum Ausdruck, dass im Zuge der Grammatikalisierung des anaphorischen Pronomens als Kongruenzmarkierer ein ehemals als Argument zu analysierendes Pronomen zum Nicht-Argument wird. Die Domäne der Kongruenzbeziehung verändert sich durch den Reanalyseprozess. Aus einer anaphorischen Kongruenzbeziehung zwischen extrasententialem Nominalsyntagma und Pronomen wird (in dem Schema) eine grammatische (oder: lokale) Kongruenzbeziehung (im Sinne von SIEWIERSKA 1999). Der in dem Schema unter (148) (nach SIEWIERSKA 1999, 231) abgebildete Morphologisierungsprozess umfasst neben der Uminterpretation der Satzgrenze auch die allmähliche Abnahme der phonetisch-morphologischen Eigenständigkeit des unabhängigen Pronomens. (148)

unabhängiges Pronomen > unbetontes Pronomen > Klitikon > Affix

Die von GIVÓN (1976) vorgeschlagenen Mechanismen („topic-shift construction“ und „afterthought-topic construction“210) zur Erklärung der Entstehungsprozesse von gebundenen Subjekt- und Objektkongruenzmarkierern erscheinen mir etwas zu eng gefasst, um universale Geltung beanspruchen zu können und scheinen, wie etwa GIVÓNS eigene Argumentation im Zusammenhang des indoeuropäischen flektierenden Typs zeigt, nicht immer ausschlaggebend zu sein. Im hier abgesteckten Rahmen des arealtypologischen Vergleichs geht es weniger darum, bis zum Abstraktionsgrad von Universalien vorstoßen zu wollen, sondern vielmehr um die Darstellung, welche Stadien eines Morphologisierungsprozesses von anaphorischen Pronomen zu phonologisch und/oder morphologisch gebundenen Pronominalformen beobachtet werden können. Da die Voraussetzung für die Reanalyse eines vorher morphologisch unabhängigen Segments zu einem morphologisch abhängigen Segment immer Adjazenz ist, sind als erstes die Konstruktionen interessant, in denen es zur phonetischen und ggf. auch referentiellen Abschwächung von Pronomen kommt. Referentielle Abschwächung liegt dann vor, wenn das pronominale Element mit einem referenzidentischen Nominalsyntagma oder betonten Pronomen in einem Satz 210 Für GIVÓN (1976) stellt die Reanalyse von markierten topic-shift-Konstruktionen (mit dem Schema the man, I saw him) über halb-markierte afterthought-topic-Konstruktionen (mit dem Schema I saw him, the man) den Ausgangspunkt für die Entstehung von Objektkongruenz dar.

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kookkurriert (vgl. (147b/c)). Wie sich zeigen wird, ist die Tatsache, dass es in den Varietäten des zu untersuchenden Areals überhaupt zu einer solchen Kookkurrenz kommt, nicht nur von den Verfahren der Herausstellung, die GIVÓN (1976) anspricht, abhängig, sondern ganz allgemein von den sprachspezifischen Grundwortstellungsmustern bzw. deren Wandel. Die Ergebnisse von solchen Reanalyseprozessen, d. h. die hervorgerufenen Veränderungen im Verbalparadigma sind sprachvergleichend gesehen alles andere als einheitlich. So ist es z. B. möglich, dass sich getrennte Paradigmen entwickeln (deklarativ vs. interrogativ), weil nur in einem bestimmten Kontext die Kookkurrenz regelhaft wird. Außerdem spielen wohl auch Aspekte der formalen Differenziertheit bzw. des Synkretismus innerhalb des Verbalparadigmas, also die formalen Markiertheitsverhältnisse, aber auch Aspekte der universal geltenden Hierarchisierung der Personen eine gewisse Rolle beim Morphologisierungsprozess. Diese führen dann eventuell zu paradigmatischen Lücken und Asymmetrien. Als Referenzpunkt für die Beschreibung und Einordnung der Kongruenzsysteme der verschiedenen Varietäten dient mir die Typologie von SIEWIERSKA (1999). SIEWIERSKA (1999) differenziert in ihrer Kongruenztypologie drei Systeme, die sich hinsichtlich der Markierung der Kongruenzbeziehung zwischen einem Argument und dem finiten Prädikatsausdruck unterscheiden. Die drei Typen, die SIEWIERSKA postuliert, nennt sie: (a) anaphorische Kongruenz, (b) ambige Kongruenz und (c) grammatische Kongruenz.211 Diese Systeme, für die unter (149) bis (151) jeweils Beispiele angeführt sind, unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich der distributionellen Verhältnisse zwischen dem controller und dem target der Kongruenzbeziehung. Das target ist dasjenige Morphem am finiten Prädikatsausdruck, das mit dem controller in bestimmten Merkmalen wie Person und Numerus übereinstimmt. Diese Übereinstimmungsrelation konstituiert die Kongruenzbeziehung. Das target wird in Form von Kongruenzmarkierern versprachlicht. In flektierenden Sprachen wie Italienisch und Deutsch handelt es sich dabei um morphologisch gebundene Personalendungen, in der amerindischen Sprache Yagua, die in Südamerika gesprochen wird, hingegen um Klitika.212 SIEWIERSKA (1999, 226) definiert die drei verschiedenen Typen von Kongruenzmarkierern folgendermaßen: (a) „Anaphoric agreement markers are markers which are in complementary distribution with free nominal or pronominal arguments.“ (b) „Ambiguous agreement markers are markers which occur obligatorily both in the presence and absence of free nominal or pronominal arguments.“

211 SIEWIERSKAS (1999) Typologie baut auf derjenigen von BRESNAN / MCHOMBO (1987) auf. 212 Für Informationen hinsichtlich der typologischen Variabilität der formalen Realisierung der Kongruenzmarkierer (Flexionsendung, Klitikon oder Pronomen) vgl. die Darstellung in SIEWIERSKA (1999, 231–234).

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(c) „grammatical agreement markers are markers which, like ambiguous markers, are obligatory, but, unlike ambiguous or anaphoric markers, must necessarily be accompanied by overt nominal or pronominal arguments.“ Für diese drei Typen, die für die Beschreibung von externen Kongruenzbeziehungen aller Sprachen der Welt als Grundlage genügen sollen, können folgende Beispiele angeführt werden: Im Yagua sind Subjektklitika anaphorische Kongruenzmarkierer, denn sie treten in komplementärer Distribution zu nominalen oder pronominalen Argumenten auf. Wird die syntaktische Funktion des Subjekts z. B. durch ein nominales Argument wie einen Eigennamen repräsentiert, wie in dem Beispiel unter (149a), tritt am Prädikatsausdruck kein Kongruenzmarkierer auf. Die externe Kongruenzbeziehung zwischen Prädikatsausdruck und Subjekt besteht also in dieser Sprache – zumindest im einfachen deklarativen Hauptsatz und der Abfolge Subjekt + Verb – nicht auf Satzebene, sondern über Satzgrenzen hinweg. Die Personalendungen des Standarditalienischen sind ambige Kongruenzmarkierer. Sie sind obligatorisch, jedes finite Verb ist mit einer Personalendung ausgestattet. Jedoch besteht in vielen Kontexten keine Notwendigkeit, dass der controller der Kongruenzbeziehung im selben Satz vorhanden sein muss (vgl. (Standard)Italienisch in (150b)). Im Standarddeutschen liegt grammatische Kongruenz vor. Die Personalendungen sind obligatorisch und gleichzeitig muss – zumindest in isolierten Sätzen – ein nominales oder pronominales Subjekt ausgedrückt sein (vgl. (151b)). Das grammatische Kongruenzsystem des Standarddeutschen manifestiert sich z. B. in der Obligatorität des pronominalen Subjektsausdrucks in eingeleiteten Nebensätzen (vgl. (151c)). Anaphorisches Kongruenzsystem: Yagua (149)

a. Manungo murrą́ą́y M. singen ‚Manungo singt.ʻ c. *Manungo sa-murrą́ą́y

(Beispiele aus PAYNE 1997, 42) b. sa-murrą́ą́y Subj.Kl.3.Sg-singen ‚Er singt.ʻ

Ambiges Kongruenzsystem: (Standard)Italienisch (150)

a. Giorgio mangia la pizza.

b. Mangia la pizza.

Grammatisches Kongruenzsystem: (Standard)Deutsch (151)

a. Der Junge malt ein Bild. b. ??(Er) malt ein Bild. c. und der Mann war irgendwie in Liverpool und kam dann zurück und hat nen Jungen mitgebracht, den er in Liverpool verwahrlost gefunden hat, ne? (ESA 1991, 118)

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Bei diesen drei Typen handelt es sich, wie SIEWIERSKA (1999, 228–231) selbst einräumt, eher um Prototypen, da z. B. die Festlegung, ob ein Kongruenzmarkierer als anaphorisch oder als ambig anzusehen ist, in einer gegebenen Sprache nicht für alle syntaktischen Kontexte gilt. Die Kongruenzsysteme praktisch aller Varietäten im Alpenraum weichen, was die Subjektkongruenzmarkierung angeht, von den Prototypen, denen sie aufgrund bestimmter Eigenschaften zugeordnet werden können, auf spezifische Weise ab. Dazu gehört z. B. auch das Bairische, dem ein grammatisches Subjektkongruenzsystem zugrunde liegt, das aber bei bestimmten Personen in bestimmten syntaktischen Kontexten Lücken aufweist. Und dazu zählen auch fast alle norditalienischen Dialekte, in denen der kategoriale Status der Subjektklitika als etwaige ambige Kongruenzmarkierer zur Debatte steht. Und angesichts der Existenz von Konstruktionen wie in (138) und (144) tritt auch im Zusammenhang des Cimbro und des Walserdeutschen die Frage auf, inwiefern die Subjektklitika evt. als ambige Kongruenzmarkierer oder als anaphorische Pronomen zu analysieren sind und welchen syntaktischen Status die „pleonastischen Pronomen“ haben. Entscheidend für die Einteilung eines Kongruenzsystems ist in erster Linie das distributionelle Verhältnis zwischen target und controller. Die Kongruenzmarkierer je Typ sind bei der anaphorischen und ambigen Kongruenzmarkierung nicht auf eine bestimmte Morphemklasse festgelegt. So ist der anaphorische Subjektkongruenzmarkierer sa- im Yagua als Klitikon zu analysieren (vgl. PAYNE 1997, 43-44). Ambige Kongruenzmarkierer werden typischerweise als Affixe realisiert213. Klitika als ambige Kongruenzmarkierer sind nach SIEWIERSKA (1999, 232) weniger häufig. Auf mögliche Fälle werde ich im Verlauf des arealtypologischen Vergleichs hinweisen, auf allgemeine Probleme der Kategorisierung von Pronominalklitika als mögliche ambige Kongruenzmarkierer werde ich weiter unten eingehen. Grammatische Kongruenzmarkierung, die z. B. von der generativen Syntaxtheorie als die universale Grundlage externer Kongruenzbeziehungen angesehen wird (vgl. z. B. die pro-drop Theorie), zeichnet sich durch verschiedene Beschränkungen aus. Erstens betrifft sie nur die Beziehung zum Subjekt eines Satzes (vgl. SIEWIERSKA 1999, 226–227), zweitens scheint sie nur als Affix realisierbar zu sein (vgl. SIEWIERSKA 1999, 231) und drittens handelt es sich dabei um ein ausgeprägt germanisches Phänomen. In dem von SIEWIERSKA (1999) untersuchten Sample von 272 Sprachen verfügen lediglich zwei über grammatische Kongruenz, nämlich Niederländisch und Vanimo, eine Sprache, die auf Neu Guinea gesprochen wird. Die neun Sprachen, die SIEWIERSKA als die weiteren ihr bekannten Beispiele für grammatische Kongruenz aufführt, sind: Standarddeutsch, Schweizerdeutsch, Isländisch, Faröisch, Englisch, Standardfranzösisch, Rumantsch, Anejom, eine zentral-ost-malayo-polynesische Sprache, und eventuell Labu, eine

213 Diese Aussage von SIEWIERSKA (1999, 232) beruht auf der Untersuchung von Kongruenzsystemen von 272 Sprachen, die im Appendix ihres Aufsatzes aufgelistet sind (vgl. SIEWIERSKA 1999, 250–251).

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

austronesische Sprache, die auf Neu Guinea gesprochen wird.214 Es ist auffällig, dass von diesen elf Sprachen allein acht indoeuropäisch sind, und von diesen wiederum sechs germanisch. Die übrigen zwei indoeuropäischen Sprachen sind romanische, bei denen ein Einfluss germanischer Varietäten angenommen werden kann. Die grammatische Kongruenzmarkierung, die SIEWIERSKA (1999, 246) als „last stage of grammaticalization“ beschreibt, ist also eine ausgeprägt germanische Angelegenheit. Dass es eine diachrone Beziehung zwischen anaphorischen Personalpronomen und (phonologisch und/oder morphologisch) gebundenen Personalkennzeichen gibt, wird kaum bezweifelt. Aber auch auf synchroner Ebene gibt es Gemeinsamkeiten zwischen anaphorischen Pronomen und morphologisch gebundenen Kongruenzmarkierern. Die grundlegendste Gemeinsamkeit besteht auf funktionaler Ebene. Sowohl Anaphern als auch Kongruenzmarkierer tragen zum „referencetracking“ von Diskursreferenten bei. Die Tatsache, dass es sich bei Kongruenzbeziehungen in einigen Bereichen um ein redundantes grammatisches Verfahren handelt, ist noch kein hinreichender Grund, diese Redundanz als grundlegendes Prinzip von Kongruenz anzusehen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Idealisierung eines in weiten Bereichen erreichten Stadiums. So ist z. B. die grammatische Kongruenzmarkierung im Standarddeutschen nicht in allen Kontexten obligatorisch. Unter ganz bestimmten Bedingungen können auch im Standarddeutschen Personalendungen als target einer anaphorischen Kongruenzbeziehung fungieren. Unter der Bedingung der Subjektskontinuität können sowohl in geschriebenen (vgl. (152)) als auch in gesprochenen Texten (vgl. (153)) praktisch beliebig viele Prädikationen syndetisch mit ‚undʻ oder asyndetisch aneinandergereiht werden, ohne dass der controller, der in den Hauptsätzen unter (152) und (153) jeweils in präverbaler Position erwartet wird, jedes Mal wiederholt wird. (152)

Ich weiß nicht, wie dieser Ring an meine Hand kam! Wollte vermutlich mal zur Toillette, musste aber ein Nebenzimmer durchqueren, wo mir ein winziges Glas Tee angeboten wurde. Hatte plötzlich ein paar wuchtige Ketten um den Hals baumeln. Fand sie alle hässlich! Sollte den Ring geschenkt bekommen, wenn ich mich für ein Schmuckstück entscheiden würde. Kam mir wie ein Christbaum vor. [...] War schon in Ordnung, dass mein Mann den Plunder bezahlte. Wunderte mich bloß später, dass er eine fünfstellige Summe dafür hingeblättert hatte. Musste (3.Pers.Sg.) wohl meinen eigenen Schmuck mit bezahlt haben, der mir wieder angelegt wurde. (Kölner Stadt Anzeiger 9./10.Juni 2001, Moderne Zeiten, S. 7)

(153)

a. und der Hindley meint „du darfst das Pferd nicht haben, das ist mein Pferd und überhaupt steht dir gar kein Pferd zu“, und fängt dann an, dem Heathcliff das Pferd wegzunehmen (ESA 1991, 175)

214 Hinsichtlich der Verteilung der obligatorischen Setzung des Subjektpronomens vgl. man auch DRYER (2005), d. h. Artikel 101 im World Atlas of Language Structures (=WALS) (Karte mit geographischer Verteilung auf S. 412/413).

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

169

b. in der Zwischenzeit hat der Birnenpflücker auch wieder mal nach unten geschaut, steht vor seinen Körben und versucht drei von zwei zu zählen, aber er schaffts nicht. und in diesem Moment schaut er gleich noch blöder 215 Die Betrachtung von Kongruenz als ein Diskursphänomen zeigt auf, dass es im grammatischen Kongruenzsystem des Standarddeutschen ganz spezifische Kontexte gibt, in denen die Aussage über die Obligatorität der Kookkurrenz des Kongruenzmarkierers mit einem nominalen/pronominalen Argument nicht gilt. Diese Systemlücke im Kontext von satzübergreifender Subjektkontinuität zeigt, unter welchen Bedingungen die vollständig grammatikalisierten Personalendungen des Deutschen noch eigenständige referentielle Kraft aufweisen können. Während die Personalendungen in einem grammatischen Kongruenzsystem wie dem Standarddeutschen am Ende der Grammatikalisierungsentwicklung stehen, sind Klitika als pronominale Kongruenzmarkierer wie in (138) bis (144) vielleicht der Einstieg in eine Entwicklung, in der sie allmählich an referentieller Kraft verlieren. Im Cimbro sind die Kontexte, in denen es so aussieht, als würden sich anaphorische Kongruenzmarkierer zu ambigen entwickeln, begrenzt. 4.2 SUBJEKTKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER Auf der Ebene der Standardsprache unterscheiden sich das Deutsche und Italienische hinsichtlich der Subjektkongruenzmarkierung dadurch, dass dem Deutschen ein grammatisches Kongruenzsystem zugrunde liegt und dem Italienischen ein ambiges. Übersetzt in die generative Terminologie ist das Italienische eine [+ pro drop] bzw. Null-Subjekt-Sprache und das Deutsche eine [– pro drop] bzw. NichtNull-Subjekt-Sprache.216 Gemeinsam ist der dreigliedrigen Typologie von SIEWIERSKA (1999) und der dichotomischen Unterscheidung der generativen Schule, dass es sich bei den Typen jeweils um Prototypen handelt. Für alle in diesen arealtypologischen Vergleich einbezogenen Varietäten hat man es mit Kongruenzsystemen zu tun, die auf spezifizische Weise von den Prototypen abweichen. Die Abweichungen äußern sich insbesondere auf syntagmatischer Ebene; in vielen alpenromanischen Varietäten kommen Probleme auf paradigmatischer Ebene hinzu. Die Probleme auf syntagmatischer Ebene bestehen v. a. aufgrund des Vorkommens von so genannten subject-doubling- Konstruktionen.217 Anders als die Standardvarietäten verfügen sowohl die oberdeutschen Dialekte als auch die norditalienischen und rätoromanischen Dialekte nicht nur über eine Serie von (mehr oder weniger) betonten Subjektpronomen, sondern auch über eine Serie 215 Dieses Beispiel entstammt einer mündlichen Nacherzählung des „Birnenfilms“ (WALLACE CHAFE) von ROBERT BOEDECKER, dem ich an dieser Stelle herzlich danke. 216 HAIMAN (1991, 135) benutzt in Anlehnung an Perlmutter (1971) die Bezeichnungen „ʻtype A’ languages like standard French“ und „ʻtype B’ languages like standard Italian“. 217 Den Ausdruck subject doubling gebrauche ich in Anlehnung an DE VOGELAER / NEUCKERMANS (2002).

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

von klitischen Subjektpronomen. Subject doubling kommt sowohl in alpenromanischen Varietäten mit als auch in solchen ohne V2-Beschränkung vor, wobei wesentliche Unterschiede in der Ausprägung dieses Phänomens bestehen. Im folgenden Kapitel 4.2.1 werden sowohl syntagmatische als auch paradigmatische Aspekte der Subjektklitika in alpenromanischen Varietäten zur Sprache kommen. Subject doubling im Cimbro wird in Kap. 4.2.2.3 behandelt. Für paradigmatische Besonderheiten der Subjektklitika im Cimbro verweise ich auf Kapitel 3.2. Die beiden Hauptaufgaben in Hinblick auf die Untersuchung der Funktion der Subjektklitika als Kongruenzmarkierer des Cimbro sehe ich darin, zum einen auf synchroner Ebene das zugrunde liegende Kongruenzsystem zu bestimmen und zum anderen die subject doubling-Konstruktionen diachron herzuleiten. Die Darstellung der Charakteristika des Kongruenzsystems im Cimbro steht im Zentrum dieses Kapitels. Informationen zu den in den arealtypologischen Vergleich einbezogenen Varietäten, die mir zur Beantwortung der Ausgangsfrage dienlich erscheinen und einen Einblick auf das Gesamtbild der Verhältnisse zulassen, sind in diese Darstellung eingebunden. Die übergeordnete Ausgangsfrage beinhaltet im Hinblick auf die Funktion der Pronominalklitika die Frage nach dem Ausmaß des Einflusses der unmittelbaren Kontaktvarietäten auf das Kongruenzsystem des Cimbro. Aus diesem Grund sollen zunächst, sozusagen als Hintergrund, die Funktion der Subjektklitika als Kongruenzmarkierer in den das Cimbro umgebenden alpenromanischen Dialekten skizziert werden. 4.2.1 Zum Status der Subjektklitika in den das Cimbro umgebenden norditalienischen Dialekten Vor dem Hintergrund der von SIEWIERSKA (1999) präsentierten Typologie von Kongruenzmarkierern stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei den Subjektklitika in den das Cimbro umgebenden Dialekten um anaphorische oder ambige Kongruenzmarkierer handelt. Entsprechend der Definition von SIEWIERSKA (1999) treten ambige Kongruenzmarkierer, wenn sie vollständig grammatikalisiert sind, obligatorisch auf, d. h. ihr Auftreten ist dann unabhängig von der Informationsstruktur oder der relativen Wortstellung der Konstituenten eines Satzes. Aufgrund der Obligatorität ihres Auftretens selbst bei Kookkurrenz eines referenzidentischen Nominalsyntagmas im selben Satz liegt die Einschätzung solcher Kongruenzmarkierer als morphologisch gebundene Affixe nahe. Probleme der Kategorisierung tauchen dann auf, wenn die als Kandidaten für ambige Kongruenzmarkierer geltenden Morpheme nur unter bestimmten Bedingungen mit koreferentiellen Argumenten kookkurrieren, z. B. mit lexikalischen NPs, jedoch nicht mit betonten Pronomen, oder nur mit postverbal positionierten NPs, jedoch nicht mit präverbal positionierten. Erschwert wird die eindeutige Kategorisierung zum einen aufgrund der Obligatoritätsbedingung, und zum anderen aufgrund von Uneindeutigkeiten, die den syntaktischen Status des mit dem Kongruenzmarkierer kookkurrierenden Nominalsyntagmas entweder als Argument oder Apposition betrifft.

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

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Als Indikatoren für die Analyse des Nominalsyntagmas als Argument gelten die Präsenz des Kongruenzmarkierers mit Nominalsyntagmen, (a) die echte Quantoren wie ‚jederʻ aufweisen, oder (b) mit Ausdrücken wie ‚niemandʻ oder ‚nichtsʻ. Darüber hinaus spricht (c) die Fähigkeit eines Nominalsyntagmas, mit dem Kongruenzmarkierer zu kookkurrieren, wenn es erfragt wird, dafür, dass es sich bei dem fraglichen Kongruenzmarkierer um einen ambigen handelt (vgl. SIEWIERSKA 1999, 230). Diese Kriterien sollen anhand von Beispielen aus dem Friaulischen veranschaulicht werden (man vgl. hierzu auch das Paradigma der präverbalen Subjektklitika in Tabelle XVI). Das Friaulische eignet sich als Repräsentant der nordostitalienischen Dialekte deshalb so gut, da zusätzliche Bedingungen, die z. B. im Trentinischen und Venetischen zu berücksichtigen sind, zunächst ausgeblendet werden können. Auf einige dieser zusätzlichen Bedingungen werde ich später eingehen.

1. 2. 3.Mask. 3.Fem.

Sg. o feveli tu fevelis al fevele a fevele

Pl. o fevelìn o fevelais a fevelin

Tabelle XVI: Verbparadigma von ‚sprechenʻ im Friaulischen (vgl. FAGGIN 1997, 111)

In (154a) ist das betonte Subjektpronomen jo optional. Es kommt nur dann zum Einsatz, wenn es fokussiert wird (vgl. HAIMAN 1991, 138 und FAGGIN 1997, 111– 112). Die Optionalität des betonten Subjektpronomens und die Tatsache, dass das präverbale Subjektklitikon nicht fehlen darf (vgl. (154b)), wirft die Frage auf, ob es sich bei letzterem um einen ambigen Kongruenzmarkierer handelt. Ein Beleg wie in (155) deutet nach dem oben erwähnten Kriterium (a) in diese Richtung. (154)

a. (Jo) o feveli. [ich ich spreche] b. *Jo feveli / *feveli

(HAIMAN 1991, 137)

(155)

Oñi kròt al chate la su rane. ‚Jede Kröte findet ihren Frosch.ʻ

(ROHLFS 1975, 85, Satz 189)

Kriterium (b) ist im Friaulischen nur unter ganz bestimmten Bedingungen erfüllt. Fungiert das Indefinitpronomen nisun ‚niemandʻ als Subjekt, erscheint ein referenzidentisches Subjektklitikon nur dann, wenn im Satz als Basis der Klitisierung ein Hilfsverb (vgl. (156a)) oder die Negationspartikel no (vgl. (156b)) vorhanden ist, ansonsten jedoch nicht (vgl. (156c)). (156)

a. nisun l a timp di ciala nobody he has time to look

(HAIMAN / BENINCÀ 1992, 188)

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

‚Nobody has the time to look.ʻ b. nissun nol fevelà (FAGGIN 1997, 115) ‚Niemand spricht.ʻ c. nissun fevelà (FAGGIN 1997, 115) Eine anders geartete Opposition tritt mit dem Indefinitpronomen dučh ‚alleʻ auf. Es ist in Subjektfunktion sowohl mit einer singularischen als auch mit einer pluralischen Verbformen im Prädikatskomplex kompatibel. Während bei der singularischen Verbform kein kongruierendes Subjektklitikon am finiten Verb erscheint (vgl. (157a)), ist genau das bei der pluralischen Verbform der Fall (vgl. (157b)). Letztere verhalten sich also nicht anders, als handelte es sich bei dem Subjektsausdruck um eine definite lexikalische Nominalphrase (vgl. (158a)). Ein indefinites Subjekt scheint nämlich keine Kongruenzmarkierung hervorzurufen (man vgl. (158b)), mit den in Zusammenhang von nisun erwähnten Ausnahmen. (157)

a. dučh pense a cenâ (FAGGIN 1997, 115) ‚Alle denken (wörtl. ‚denktʻ) daran, zu Abend zu essen.ʻ b. dučh a pensin a cenâ (FAGGIN 1997, 115)

(158)

a. e lis čhossis a levin unmond miôr ʻe le cose andavano molto meglio’ b. Une man lave ké altre. ‚Eine Hand wäscht die andere.ʻ

(FAGGIN 1997, 233) (ROHLFS 1975, 89)

Zusätzlich gilt folgende Regel, die sich auf die phonetische Substanz der Subjektklitika bezieht: Subjektklitika, die nur aus einem vokalischen Element bestehen, verhalten sich distributionell anders als diejenigen, die ein konsonantisches Element enthalten. Die vokalischen Subjektklitika im Friaulischen werden von der Negationspartikel no und von präverbalen Objektklitika verdrängt. In (159c) verdrängt die Negationspartikel no das vokalische Subjektklitikon a [3.Pers.Sg.f.]; ‚sie weiß nicht‘ heißt no sa und nicht *no a sa (analog (159d) für die 3. Pers. Pl.). In (160a) verdrängt das Objektklitikon mi das vokalische Subjektklitikon o [2.Pers.Pl.]; ‚ihr kennt mich‘ heißt mi koɲo’seːs und nicht o mi koɲo’seːs (vgl. (160b)). Diejenigen Subjektklitika, die ein konsonantisches Element enthalten, wie das Subjektklitikon der 2. Person Singular und dasjenige der 3. Person Singular Maskulin, behaupten sich genau in diesen Kontexten (vgl. (159a/b) und (160c/d)). (159)

a. (tù) no tu fevélis

‚du sprichst nichtʻ

(MARCHETTI 1977, 235)

b. (lui) nol fevele c. (jê) no sa d. (lôr) no san

‚er spricht nichtʻ ‚sie weiß nichtʻ ‚sie wissen nichtʻ

(MARCHETTI 1977, 235) (MARCHETTI 1977, 225) (MARCHETTI 1977, 225)

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

(160)

173

a. [mi koɲo’seːs] ‚Ihr kennt mich.ʻ (VANELLI 1997, 284) b. *[o mi koɲo’seːs] (VANELLI 1997, 284) c. e-tu-tu-lu-puartiš indaū́ r a-i-paróŋš (GARTNER 1910, 80) [und-du-du-es-bringst zurück zu-den-Herrenleuten] ‚und DU bringst es den Herrenleuten zurückʻ d. [(al) ti koɲo’s] ‚er kennt dichʻ (VANELLI 1997, 284)

Hinsichtlich des Kriteriums (c), das sich auf die Kookkurrenz eines Kongruenzmarkierers mit einem Interrogativpronomen in Subjektfunktion bezieht, deuten die Daten in (161) darauf hin, dass es sich z. B. bei dem Morphem al (3. Person Singular Maskulin) in (161a/b/c) jeweils um einen ambigen Kongruenzmarkierer handelt. (161)

a. kúi veńi-al? ʻchi viene-clit.?’ b. cui manğhial čhâr in chest mond? ʻchi mangia carne a questo mondo?’ c. veńi-al Toni? ʻviene-clit. Antonio?’ d. fevelistu tù? / tù fevelistu? ‚Sprichst dú?ʻ

(BENINCÀ 1989, 581) (FAGGIN 1997, 193) (BENINCÀ 1989, 581) (FAGGIN 1997, 111)

Vergleicht man die Beispiele unter (161c) und (155), ist ersichtlich, dass man es mit einem Kongruenzmarkierer mit variabler Position je nach Satzart (deklarativ vs. interrogativ) zu tun hat. Traditionell werden Verbformen, wie sie in (161) vorkommen, als zur „interrogativen Konjugation“ gehörig bezeichnet (vgl. FAGGIN 1997; MARCHETTI 1977; BENINCÀ 1989). Im Friaulischen und in vielen anderen norditalienischen Dialekten wird Interrogativität also nicht allein syntaktisch (z. B. durch Inversion des Subjekts) und/oder intonatorisch ausgedrückt, sondern auch morphologisch am finiten Verb. Auf synchroner Ebene ergibt sich dadurch das Problem, dass z. B. im Friaulischen für prä- und postverbales tu (wie in (159a) bzw. (161d)) in seiner Funktion als ambiger Kongruenzmarkierer eine „inconstancy of sequence in realisation“ vorliegt (CARSTAIRS-MCCARTHY 1987, 175), die in Abhängigkeit von Satzmodus auftritt. Es sieht so aus, als handelte es sich um ein dual-position affix (vgl. AUGER 1996), d. h. um eine Art von Allomorphie, die weniger Formunterschiede, sondern vor allem Positionsunterschiede betrifft. Die Morphologisierung enklitischer Subjektpronomen in norditalienischen Dialekten (als Kongruenzmarkierer in interrogativen Sätzen) scheint zudem stärker ausgebildet zu sein als diejenige proklitischer Subjektpronomen (als Kongruenzmarkierer in deklarativen Sätzen). Die präsentierten Daten zum Friaulischen zeigen, dass hier eine klare Entscheidung zwischen den eingangs idealisierten Typen der anaphorischen und ambigen Kongruenzmarkierung nicht möglich ist, sondern die Beschreibung des

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

Subjektkongruenzsystems geprägt ist von der Formulierung von Zusatzbedingungen. Das Friaulische diente hier als Demonstrationsbeispiel für die Kategorisierungsprobleme von Subjektklitika als ambige Kongruenzmarkierer in den nordostitalienischen Dialekten, die das Cimbro umgeben. Im Folgenden möchte ich noch auf einige zusätzliche Punkte eingehen, die v. a. die interdialektale Variablität in der Gruppe der norditalienischen Dialekte betreffen. Ein wesentlicher Unterschied besteht z. B. hinsichtlich der Paradigmatizität, d. h. der Vollständigkeit des Paradigmas der Subjektklitika. Während das Paradigma der proklitischen Formen im Friaulischen komplett ist (vgl. das Paradigma in Tabelle XVI oben), entspricht das Trentinische und Venetische einem in den norditalienischen Dialekten weit verbreiteten Typ, indem es nur (präverbale) Subjektklitika der 2. Person Singular und der 3. Person aufweist.218 13 von insgesamt 30 Varietäten, die VANELLI (1998) untersucht, verfügen über Subjektklitika in der 2. Person Singular und der 3. Person. Das entspricht einem Anteil von 43 Prozent. Den von VANELLI (1998, 30) auf der Grundlage ihrer Untersuchung postulierten Generalisierungen 1, 2 und 3219, in denen jeweils davon ausgegangen wird, dass in einem norditalienischen Dialekt, der über (präverbale) Subjektklitika verfügt, im Paradigma dasjenige der 2. Person Singular nicht fehlt, widerspricht das Paradigma des Dialekts von Cavareno (Val di Non) (vgl. Tabelle XVII). Dieser Dialekt gehört zur Gruppe der konservativen lombardischen Varietäten, die auch als alpinlombardisch bezeichnet wird und v. a. im lautlichen Bereich in einigen Merkmalen mit dem Ladinischen übereinstimmt (vgl. SANGA 1997, 259).220 Die Modellierung der interdialektalen Unterschiede hinsichtlich der Eigenschaft Paradigmatizität soll hier nicht weiter erörtert werden, da sie im Zusammenhang des Vergleichs mit dem Cimbro nicht von Bedeutung ist. Dies gilt auch für die an sich interessante Frage, welche Bedingungen die Selektivität steuern.221 218 In VANELLIS (1998, 30) Einteilung entspricht dieser Typ dem „sistema 4“. Man vgl. VANELLI (1998, 29–30) für eine Zuordnung der 30 von ihr untersuchten Varietäten zu sechs verschiedenen Systemen. Auf das unterschiedliche Verhalten der Subjektklitika innerhalb des Paradigmas (z. B. in Abhängigkeit der phonetischen Gestalt) gehe ich nicht näher ein. Ein hervorstechendes Merkmal ist z. B. die relative Position eines Subjektklitikons zur Negationspartikel. Man vgl. POLETTO (1999; 2000) für eine generative Analyse, die den von ihr postulierten vier unterschiedlichen morphologischen Klassen von Subjektklitika innerhalb eines „Kongruenz-Felds“ unterschiedliche Positionen zuordnet. In POLETTO (1991) werden z. B. für das Venetische von Basso Polesano drei Arten von Subjektklitika unterschieden. 219 Die drei Generalisierungen lauten wie folgt: Generalisierung 1: „se una varietà fa un uso costante di almeno un pronome soggetto, questo è quello di 2. persona.“; Generalisierung 2: „se una varietà fa un uso costante di almeno due pronomi soggetto, questi sono quelli di 2. e 3. persona.“; Generalisierung 3: „se una varietà fa un uso costante di almeno tre pronomi soggetto, questi sono quelli di 2., 3. e 6. persona.“ (VANELLI 1998, 30). 220 In der Carta dei dialetti d'Italia (herausgegeben von G. B. PELLEGRINI) wird diese lombardische Dialektgruppe als ladino-anaunico bezeichnet. Man vgl. auch CORDIN (1997, 261) zu den archaischen und ladinischen Merkmalen der im westlichen Trentino gesprochenen Dialekte. Zu diesen Merkmalen zählt z. B. die Bewahrung des auslautenden [-s] in den Verbalformen der 2. Person Singular. 221 In Bezug auf die Obligatorisierung der Subjektklitika der 3. Person kann z. B. folgender Punkt angeführt werden: Eine Differenzierung verfestigt sich in den Stellen des Paradigmas,

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

1.Sg. 2.Sg. 3.Sg.m. / f. 1.Pl. 2.Pl. 3.Pl.m. / f.

Alpin-Lombardisch222 ´čanti ´čantes el / la ´čanta čan´tan čan´tau̯ i / lɛ͂ ´čanta

Trentinisch223 parlo te parli el / la parla parlem parlé i / le parla

Venetisch224 canto ti canti el / la canta cantemo canté i / le canta

Tabelle XVII: Präverbale Subjektklitika in verschiedenen norditalienischen Varietäten

Dialektale Variabilität ist auch hinsichtlich der Obligatorität des (präverbalen) Subjektklitikons bei Kookkurrenz eines (präverbalen) nominalen Subjekts festzustellen. Diese besteht z. B. zwischen dem Trentinischen (vgl. (162)) und dem Venetischen (vgl. (163)). Während im Trentinischen bei präverbaler Positionierung eines nominalen Subjekts in der 3. Person das entsprechende kongruierende Subjektklitikon nicht fehlen darf (vgl. (162a1./a2.)), ist es im Venetischen unter den gleichen Bedingungen fakultativ (vgl. (163a))225. Pronominale (betonte) Subjekte hingegen werden im Trentinischen nur bei der 2. Person Singular durch ein obligatorisch auftretendes Subjektklitikon verdoppelt (vgl. (162c1./c2.)), bei der 3. Person hingegen – wie im Venetischen – nicht (vgl. (162b) und (163b)). (162) a1. el Mario el parla Trent. ‚Mario spricht.ʻ a2. *el Mario parla b. Lu (el) parla. c1. *Ti parli. c2. Ti te parli. (163) Ven.

222 223 224 225

a. Giorgio (el) vien. ‚Giorgio kommt.ʻ

(BRACCO / BRANDI / CORDIN 1985, 194)

‚Er spricht.ʻ (bzw. ‚Ér spricht.ʻ) ebd. (BRACCO / BRANDI / CORDIN 1985, 195)

(BENINCÀ 1994, 18)

in denen die differenzierende Funktion der Personalendung versagt. Dieses Versagen bei den Verbformen der 3.Pers.Sg./Pl. ist Folge der Apokopierung des finalen Nasals bei der 3. Person Plural. Die Obligatorisierung der Subjektklitika schafft hier gegenüber dem vorherigen Zustand mehr als einen bloßen Ausgleich, da nicht nur Numerus, sondern auch Genus unterschieden wird. Man vgl. LOPORCARO (2001, 274). Das Paradigma ist BRACCO / BRANDI / CORDIN (1985, 193) entnommen. Man vgl. ZAMBONI (1988, 530). WEGMÜLLER (1993, 52) stellt jedoch für das Venetische von Vicenza fest, dass unter einer besonderen Bedingung das Subjektklitikon obligatorisch ist. Die Anwesenheit eines Objektklitikons scheint ein Subjektklitikon zu verlangen (vgl. i). (i)

a.

Gianni compra na casa.

‚Gianni kauft ein Haus.ʻ

b.

Gianni el la compra./ *Gianni la compra.

‚Gianni kauft es.ʻ

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

b. Lu (el) vien. ‚Er kommt.ʻ (bzw. ‚Ér kommt.ʻ) Das Auftreten eines Subjektklitikons mit einem (präverbalen) Indefinitpronomen ist im Trentinischen in ähnlicher Weise wie im Friaulischen von der Präsenz der „richtigen“ Basis der Klitisierung abhängig (vgl. (156) oben). Nur wenn ein Auxiliar die Basis bildet, erscheint ein Subjektklitikon zusammen mit einem Indefinitpronomen (vgl. (164c)), bei finiten Vollverben hingegen nicht (vgl. (164a/b) und BENINCÀ / POLETTO (1991, 82, 93, Fn. 3)). (164) a. Nisun vien. (BENINCÀ / POLETTO 1991, 82) Trent. ‚Niemand kommt.ʻ b. *Nisun el vien c. Nisun l ha dit niente. (HAIMAN 1991, 142) ‚Niemand hat etwas (wörtl.: nichts) gesagt.ʻ Interdialektale Unterschiede bestehen auch hinsichtlich der Obligatorität von Subjektklitika in Koordinationskonstruktionen. Während es im Friaulischen und Trentinischen obligatorisch ist, in koordinierten Prädikationen das Subjektklitikon vor jede finite Verbform zu setzen226 (vgl. das friaulische Beispiel (165a/b) aus dem Ort San Michele al Tagliamento und (166) aus dem Trentinischen), garantiert im Venetischen von Padua die Personalendung am finiten Verb allein die Markierung der Subjektkontinuität (vgl. (167)).227 (165) a. I cianti cun te e i bali cun lui. Friaul. ‚Ich singe mit dir und tanze mit ihm.ʻ b. *I cianti cun te e bali cun lui.

(POLETTO 1999, 591)

(166) La canta e *(la) bala. Trent. ‚Sie singt und tanzt.ʻ

(CARDINALETTI 1999, 46)

(167) Ven.

Te lesi e rilesi sempre el stesso libro. ‚Du liest immer wieder das gleiche Buch.ʻ

(POLETTO 1999, 594)

226 Von der Betrachtung ausgenommen seien hier die Fälle, in denen das Subjektklitikon von einem präverbalen Objektklitikon verdrängt wird, wie dies in einigen franko-provenzalischen Dialekten der Fall ist (vgl. ROBERTS 1994, 384). 227 BENINCÀ (1986) macht jedoch auf folgende Tatsache aufmerksam, die für das Venetische – zumindest für die 3. Pers. Fem. – Obligatorität in einem bestimmten koordinativen Kontext suggeriert: „[...] anche se il soggetto nominale è presente, ma è accompagnato dal clitico [...], è necessario ripetere il clitico nella coordinata, mentre se il clitico non c`è nella prima frase [...] è possibile avere il verbo senza soggetto nella frase coordinata.“ BENINCÀ (1986, 463) (i)

La Maria ze partìa ale sinque e rivarà qua doman. (La Maria) la ze partìa ale sinque e la rivarà qua doman/*e rivarà qua doman. ‚Maria ist um fünf (Uhr) gegangen und wird morgen wieder herkommen.ʻ

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

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Anders als im Friaulischen, wo im deklarativen Satz ein kongruierendes (präverbales) Subjektklitikon unabhängig davon erscheint, ob das (definite) Subjekt präoder postverbal steht (vgl. (158a) und (141b)), ist im Trentinischen und Venetischen (von Padua) die Präsenz eines Subjektklitikons sensitiv hinsichtlich der Stellung des Subjekts (vgl. (168a/b) mit (162a) und vgl. (169a/b) mit (163)).228 Im Venetischen (von Padua) gibt es alternativ die Möglichkeit, das vokalische Klitikon a einzusetzen (vgl. (169c)). Während im Venetischen von Padua dieses vokalische Klitikon fakultativ gebraucht wird (vgl. (169a/c)), ist es im Venetischen von Basso Polesano obligatorisch (vgl. (170a/b)).229 (168) a. magna el Mario Trent. ‚M. isst.ʻ b. *el magna el Mario

(SAFIR 1986, 336)

(169) Ven.

a. Riva Giorgio. ‚G. kommt an.ʻ b. *El riva Giorgio. c. A riva Giorgio

(BENINCÀ 1994, 19)

(170) Ven.

a. A riva Toni . b. *Riva Toni.

(POLETTO 1991, 287f)

In den das Cimbro umgebenden norditalienischen Varietäten gibt es nicht nur proklitische230 Subjektpronomen, sondern auch enklitische. Letztere werden häufig als morphologisierter Bestandteil von finiten Verbformen der so genannten interrogativen Konjugation aufgefasst (vgl. Tabelle XVIII unten und die Beispiele aus dem Friaulischen in (141c) und (161)). LOPORCARO (2001) fasst den sprachgeschichtlichen Zusammenhang, der zur Entstehung der interrogativen Konjugationsformen führte, folgendermaßen zusammen: „In northern Italian dialects, verb forms occuring in questions are derived from the corresponding declarative forms through the affixation of special endings. These historically arose from enclitic personal pronouns, which were originally postposed to the verb via syntactic in228 Dies gilt im Trentinischen übrigens auch im Kontext eines Hilfsverbs als (mögliche) Basis der Klitisierung. Entscheidend ist im Trentinischen immer die Position des Subjekts, denn mit einem postverbalen Subjekt tritt auch mit periphrastischen Verbformen kein (kongruierendes) Subjektklitikon auf (vgl. (i) vs. (ii)). Man beachte dabei jedoch die Inkongruenz zwischen Prädikat und postverbalem Subjekt. (i) *Le è rivade le mé sorele (ii) È rivà le mé sorele

‚Meine Schwestern sind gekommen.ʻ

229 Man vgl. hierzu auch die ausführlichere Darstellung in WEGMÜLLER (1993, 49) und POLETTO (1991, 281). 230 Genauer gesagt handelt es sich um präverbal positionierte Subjektklitika, da sich z. B. im Friaulischen das Subjektklitikon in Verbindung mit der präverbalen Negationspartikel enklitisch an diese fügt und nicht proklitisch an die finite Verbform, vgl. (156b) und (159b).

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version [...], and then got morphologized“ LOPORCARO (2001, 273). Demnach verfügen Verben in diesen norditalienischen/rätoromanischen Dialekten über die morphologisch ausgedrückte satzmodale Kategorie Interrogativität, da der interrogative Satzmodus nicht allein syntaktisch und/oder intonatorisch ausgedrückt wird, sondern auch morphologisch.

1.Sg. 2.Sg. 3.Sg.m./ f. 1.Pl. 2.Pl. 3.Pl.m./ f.

Friaulisch deklarativ o feveli tu fevelis al fevele/ a fevele o fevelìn o fevelais a fevelin

interrog. fevelio fevelistu fevelial/ fevelie fevelìno fevelaiso fevelino

Venetisch deklarativ canto ti canti el canta/ la canta cantemo canté i canta/ le canta

interrog. càntoi càntito cànte(l)o/ cànte(l)a cantémoi cantèo cánte(l)i/ cánte(l)e

Alpin-Lombardisch deklarativ interrog. ´čanti ´čantite ´čantes ´čantes el ´čanta/ ´čantel/ la ´čanta ´čantela čan´tan čan´tante čan´tau̯ čan´tau̯ i ´čanta/ ´čantei̯/ lɛ͂ ´čanta ´čantele

Tabelle XVIII: Variierende Position der sekundären Kongruenzmarkierer in Abhängigkeit des Satzmodus 231

Auf synchroner Ebene handelt es sich in den norditalienischen Dialekten bei der Abfolge ‚finite Verbform + Subjektklitikonʻ nicht um eine Sequenzierung, die das Ergebnis von (pronominaler) Inversion ist. Der Entstehung der so genannten interrogativen Konjugation liegt eine Spezialisierung der pronominalen Inversion auf den interrogativen Satzmodus zugrunde (vgl. (171) aus dem Venetischen).232 (171) Ven.

a. Quanto ze-lo alto? (ZANUTTINI/PORTNER 2000, 126) wieviel ist-er groß ‚Wie groß ist er?ʻ b. Quanto alto ze-lo l putin de Toni? ‚Wie groß ist Tonis Kind?ʻ

Einer Analyse des Subjekt-Kongruenzsystems der hier vorgestellten norditalienischen Dialekte als ambig steht also neben den oben besprochenen Problemen, die 231 Die Paradigmen zum Friaulischen sind FAGGIN (1997, 111) entnommen, diejenigen zum Venetischen stammen aus ZAMBONI (1988, 530) und diejenigen zum Alpin-Lombardischen (Cavareno, Val di Non) sind zitiert nach LOPORCARO (2001, 274). 232 Man beachte jedoch die fehlende Kongruenz zwischen dem Prädikatskomplex (inkl. enklitischem Subjektpronomen) und der als Subjekt des Satzes zu analysierenden Wh-Phrase che libri in folgendem Beispiel aus dem Venetischen: (i)

a.

che libri é-lo rivà ieri? MUNARO (1999, 17) was Bücher ist-er gekommen(Sg.) gestern ‚Welche Bücher sind gestern angekommen?ʻ

b.

*che libri é-li rivadi ieri?

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in erster Linie die Nicht-Erfüllung der Bedingung obligatorisches Auftreten der Kongruenzmarkierer betreffen, noch eine entscheidende weitere Schwierigkeit entgegen: es ist das, was ich als fehlende Positionsfestigkeit bezeichne. Unabhängig davon, ob die typologische Charakterisierung „das zugrunde liegende Kongruenzsystem ist ambig“ oder die generative Analyse „es liegt eine Null-Subjekt-Sprache zugrunde“ gewählt wird, geht es bei beiden Sichtweisen darum, den Kontexten, in denen Subjektklitika redundant erscheinen und damit nicht in komplementärer Distribution zu den referenzidentischen NPs in Subjektfunktion stehen (vgl. die venetischen Belege (163a/b) für den deklarativen Kontext und (171b) für den interrogativen Kontext), für die Bestimmung des zugrunde liegenden Systems mehr Gewicht beizumessen als den Fakten, die hier als problematisch für diese Kategorisierung angeführt wurden. Die grundlegende Problematik liegt in der Entscheidung, die Subjektklitika in den norditalienischen Dialekten entweder als controller oder als target der externen Kongruenzbeziehung anzusehen, also zu entscheiden, ob in Sätzen wie z. B. (166) der controller anwesend oder abwesend ist.233 Die Entscheidung, die ich in Anlehnung an BRACCO / BRANDI / CORDIN (1985), HAIMAN (1991) und POLETTO (1993) fälle, lautet: Die Subjektklitika sind nicht controller, sondern targets. Entsprechend der in CORBETT (2003) dargelegten Vorgehensweise zur typologischen Charakterisierung von Kongruenzbeziehungen handelt es sich dabei um eine nicht-kanonische Ausprägung, da das target weder obligatorisch noch flexivisch gebunden ist.234 Da es angesichts der festgestellten Asymmetrien auch nicht richtig ist zu behaupten, es handle sich um eine optionale Markierung, sind die oben angesprochenen Besonderheiten jeweils als Bedingungen (conditions) zu formulieren. Am Ende dieses Abschnitts möchte ich den Blick auf die diachrone Perspektive lenken. Was die historische Herleitung der subject doubling-Konstruktionen angeht, stütze ich mich hauptsächlich auf die Darstellung von VANELLI (1998), die als Grundlage ihrer sprachgeschichtlichen Untersuchung zur Entwicklung der präverbalen Subjektklitika in norditalienischen Dialekten das Friaulische heranzieht. Sie unterscheidet drei Phasen vom Altromanischen bis heute. In Phase I (bis 1500) existieren nur betonte Subjektpronomen. In den ältesten Texten tauchen vor allem in subordinierten Sätzen die Subjektpronomen zahlreich auf (vgl. VANELLI 1998, 61).235 Weglassbar ist der pronominale Subjektsausdruck insbesondere in Hauptsätzen „del tipo XVS (con X che sta per un qualunque argomento)“ (vgl. VANELLI 1998, 77).236 Diese Eigenschaft zeichnet das Friaulische (und die romanischen Varietäten des Alpenraums) in Phase I als „Null-Subjekt-Sprache“ aus. HAIMAN / BENINCÀ machen unter Berufung auf SPIESS (1956, 17) auf eine andere 233 Man vgl. hierzu CORBETTS (2003, 196) „C(riterion)-1“. 234 Man vgl. „C(riterion)-6“ und „C(riterion)-5/5“ in CORBETT (2003, 196). 235 Man vgl. hierzu die Parallelität zum Ahd. Auch im Ahd. ist die Setzung des Subjektpronomens im Nebensatz die Regel (vgl. EGGENBERGER 1961, 168). 236 Dies gilt wohl in erster Linie für den deklarativen Hauptsatz. Bei Fragesätzen hingegen muss die postverbale Position regelmäßig durch das Subjektpronomen besetzt worden sein, sonst wäre es nicht zu ihrer paradigmatischen Morphologisierung in der interrogativen Konjugation gekommen.

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wichtige Eigenschaft hinsichtlich der Wortstellung der norditalienischen Dialekte dieser Periode aufmerksam: „Back in the thirteenth century, word order in attested northern Italian dialects [...] was V/2, and personal-pronoun subjects appeared only when their absence would have led to V-initial word order“. (HAIMAN / BENINCÀ 1992, 201) Das Friaulische der Phase II (bis 1700) charakterisiert VANELLI als zur Gruppe der „lingue a soggetto non nullo“ gehörig (vgl. VANELLI 1998, 77). Die entscheidende Entwicklung, die zur Obligatorisierung der overten Markierung der Subjektfunktion geführt hat, sieht VANELLI in der Generalisierung der Struktur des (finiten) Nebensatzes auf den (deklarativen) Hauptsatz: „nelle frasi subordinate il soggetto era sempre preverbale e come tale non si poteva omettere.“ (vgl. VANELLI 1998, 77) Der Abbau der Unterschiede zwischen Haupt- und Nebensatzwortstellung führte dazu, dass die in Phase I noch präsente Struktur XVS verloren ging und dadurch in Phase II „in pratica ogni occorrenza di un verbo doveva essere accompagnata da un soggetto (lessicale o pronominale).“ In dieser Phase beginnt die Herausbildung des Paradigmas der unbetonten Subjektpronomen, die als Ergebnis einer phonetischen Abschwächung der Subjektpronomen von Phase I zu deuten ist. Diese abgeschwächten Formen stehen (noch) in komplementärer Distribution oder freier Variation zu den entsprechenden betonten Formen. Die (synchrone) Phase III ist dadurch gekennzeichnet, dass die phonetisch abgeschwächten und nun klitisch auftretenden Subjektpronomen obligatorisch sind und die betonten fakultativ: „Quando il tonico è presente si ha la reduplicazione“ (vgl. VANELLI 1984, 155). Für diese Phase unterlässt VANELLI (1998) eine Einteilung des Friaulischen hinsichtlich des pro-drop-Parameters, führt aber an, dass die Subjektklitika weder phonetisch noch syntaktisch autonom sind (vgl. VANELLI 1998, 78). Die vorangegangenen Ausführungen dürften klar gemacht haben, dass eine Einordnung des Friaulischen und auch des Trentinisch-Venetischen auf synchroner Ebene als „Null-Subjekt-Sprachen“ bzw. eine Einordnung der Kongruenzsysteme als ambig durchaus plausibel erscheint. Die Subjektklitika wären demnach ambige Kongruenzmarkierer, auch wenn in mancher Hinsicht (Paradigmatizität, Obligatorität, Positionsfestigkeit) defektiv. Vor dem Hintergrund dieses Wissens, inwiefern das Subjekt-Kongruenzsystem in den heute mit dem Cimbro in Kontakt stehenden norditalienischen Varietäten als Abweichung von einem zugrunde liegenden ambigen Kongruenzsystem betrachtet werden kann, soll nun das Kongruenzsystem des Cimbro vorgestellt werden. Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass auch im Cimbro Subjektklitika nicht einen eindeutigen (syntaktischen) Status als pronominale Argumente aufweisen, da sie nicht in allen Kontexten in komplementärer Distribution zu referenzidentischen freien nominalen oder pronominalen Argumenten stehen.

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4.2.2 Subjektklitika im Cimbro Im vorangehenden Kapitel wurde im Zusammenhang der Diskussion zum Status der Subjektklitika in den das Cimbro umgebenden norditalienischen Dialekten festgestellt, dass die Verletzung der Bedingung der komplementären Distribution zwischen Subjektklitikon und referenzidentischem Argument sowohl mit proklitischen als auch mit enklitischen Pronominalformen einhergeht. Diese Verletzung führte zu der Festlegung, dass es sich bei dem Subjektkongruenzsystem dieser Varietäten trotz der nicht in jeder Hinsicht erfüllten Bedingung des obligatorischen Auftretens der Subjektklitika um ein ambiges handelt. Die Subjektklitika sind – unter Vernachlässigung zusätzlicher Besonderheiten wie z. B. der fehlenden Positionsfestigkeit – ambige Kongruenzmarkierer. Es hat den Anschein, als komme es in diesen Varietäten zu einer (meist in syntagmatischer und paradigmatischer Hinsicht defektiv durchgeführten) Morphologisierung von klitischen Subjektpronomen als Personkongruenzmarkierer von beiden Seiten des Verbstamms (vgl. (163a/b) und (171b) aus dem Venetischen). Im Cimbro vereinfacht sich die Problematik dahingehend, dass es sich immer, d. h. unabhängig vom Satzmodus, um das Auftreten eines enklitischen Subjektpronomens handelt, wenn das Kriterium der Komplementarität verletzt wird. Die Bestimmung der Kontexte, die im Cimbro als Voraussetzung für die Morphologisierung einer Personkennzeichnung (pronominalen Ursprungs) am finiten Verb angesehen werden können, ist dabei von besonderem Interesse. Bevor diese subject doubling-Konstruktionen in den Mittelpunkt rücken, werden zunächst die Kontexte dargestellt, in denen es im Cimbro einerseits zur Auslassung des Subjektpronomens kommen kann und andererseits eine gegenüber dem Deutschen unerwartete Inversionsstellung des Subjektpronomens vorliegt. 4.2.2.1 Möglichkeiten und Beschränkungen der Auslassung Im Zusammenhang der Bestimmung des zugrunde liegenden Kongruenzsystems des Cimbro fällt zunächst auf, dass hier die Möglichkeiten und Beschränkungen für die Auslassung des pronominalen Subjektausdrucks mit denjenigen des Standarddeutschen weitgehend übereinstimmen. Den einfachsten Fall stellt die Auslassung des Subjektpronomens bei koordinierten Prädikaten und bei Subjektkontinuität über Satzgrenzen hinweg dar. Anders als in etlichen romanischen Varietäten Oberitaliens wie z. B. dem Friaulischen oder Trentinischen (vgl. (165a/b) bzw. (166)) ist im Cimbro (wie wohl in allen deutschen Dialekten) die Wiederholung des pronominalen Subjektausdrucks weder bei koordinierten Prädikaten (vgl. (172)) noch bei syndetisch oder asyndetisch angeschlossenen Hauptsätzen (vgl. (173)) obligatorisch, wenn Koreferenz vorliegt. (172)

a. i nütz un juk vort herta gar za vil bassar (Quest) ‚ich (ver)brauche und schütte immer viel (wörtl. ‚garʻ) zu viel Wasser wegʻ

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b. dar isst broat un trinkt boi (Quest) ‚er isst Brot und trinkt Weinʻ (173)

a. dopo is=se gant al asilo, hat ogeheft zo reda belesch, un hat dimear geredet as bi biar, hat herta rispundart in belesch (Ada) ‚dann ist sie in den Kindergarten gegangen, hat angefangen, Italienisch zu reden, und hat nicht mehr Asbibiar geredet, hat immer auf Italienisch geantwortetʻ b. un dopo han=sa=s gekeart un han=s gelat kemen trukhan. (Ada) ‚und dann haben sie es [=Laub] gewendet und haben es trocken werden lassenʻ

Die Möglichkeit der Auslassung des pronominalen Subjektsausdrucks unterliegt im Cimbro – in Übereinstimmung mit dem Standarddeutschen – folgenden zwei Beschränkungen: Die erste betrifft die Obligatorität von enklitischen Subjektpronomen in Hauptsätzen mit Subjektinversion. Trotz Subjektkontinuität darf in dem dritten Satz unter (174) das enklitische Pronomen (1. Person Singular Nom.) nicht fehlen. Die satzinitiale, präverbale Positionierung des Adverbials in drai bochan hat die invertierte Stellung des Subjektpronomens zur Folge (man vgl. auch die entsprechenden Fälle in Beispiel (175)). (174)

i bin gont ka schual francese, i un maine prüadar o. han gelirnt subito das francese. in drai bochan han=e [*han] geredet francese (Ada) ‚ich bin in (eine) französische Schule gegangen, ich und meine Brüder auch. (ich) habe sofort Französisch gelernt. In(nerhalb von) drei Wochen habe ich französisch gesprochenʻ

(175)

ka herbest bi=sa ar han genump in/ in süarch, alora diza loap is gest ring, han=sa=s=en geprenk auvar. han=s gelek aus in a bis bi=s hat gerenk zo bescha=s. un dopo han=sa=s [*han=s] gekeart un han=s gelat kemen trukhan. han=s gelek drin in an groasan sakh. un han=en gemacht disan matratz. dopo magari drau at dise sfodschez han=sa [*han] gekoaft asenjele vedarn. un han gemacht o an sakh drin pin vedarn un han=en postart drau (Ada) ‚im Herbst, wenn sie den Mais herunter genommen haben – und dieses Laub war leicht – haben sie es (sich) herauf gebracht, haben es auf eine Wiese gelegt, wenn es geregnet hat, um es zu waschen, und dann haben sie es umgedreht und trocknen lassen, haben es in einen großen Sack gelegt und haben sich diese Matratze gemacht. dann, für über diese [sfʊdʒɛts]237 haben sie ein paar Federn gekauft und haben auch einen Sack gemacht mit diesen Federn drin und haben ihn drauf gelegtʻ

237 BACHER (1905, 384) schlägt in seinem Wörterbuch für dieses Lehnwort (vgl. ital. sfogliare ‚entblätternʻ, ven. sfojás ‚Deckblatt des Maiskolbensʻ) die Schreibung sfojèz (pl.) vor (der Sg. lautet sfojàz). Man vgl. auch BERTOLDI et al. (o. J.), 5. Heft, S. 33.

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Die zweite Beschränkung bezieht sich auf die Obligatorität eines pronominal ausgedrückten Subjekts im finiten Nebensatz. In Beispiel (176) ist diese Eigenschaft anhand eines Relativsatzes und eines Subjektausdrucks der 1. Person Singular illustriert. (176)

alora est han=e=dar [*han=dar] aukontart dasel, bo+d=e [*bo / *bo=da] han gewisst (Ida) ‚so, jetzt habe=ich=dir das erzählt, was ich wussteʻ (wörtl.: ‚wo+HT-ich habe gewusstʻ)

Das Cimbro verhält sich also hinsichtlich der Auslassbarkeit des pronominalen Subjektsausdrucks nicht anders als das Standarddeutsche (vgl. (151c/d) oben). In Kapitel 3.2.3.1 wurde darauf hingewiesen, dass vereinzelt das enklitische Subjektpronomen der 2. Person Singular unrealisiert bleibt. Dies ist unabhängig davon, ob das Subjektpronomen in persönlicher (vgl. (19)) oder in unpersönlicher (vgl. (177)) Verwendungsweise gebraucht wird. (177)

un sem han=sa köt insomma, ke di toatn hon=sa=se alle getrakh in di gemeinde, in municipio, un augerichtet=en a groasa kommar un drin pit alln disan sinza paürdar, un hast neonka gikent a mensch, alle schbarz (Iolanda) ‚und dort haben sie gesagt, dass sie die Toten in die Gemeinde getragen haben, und ihnen eine große Kammer hergerichtet (haben), mit allen diesen siebzehn Leichnamen drinnen, und (du) hast nicht einmal einen Menschen erkannt, alle (waren) schwarzʻ

Das Cimbro verfügt jedoch nicht über eine systematische Lücke im Paradigma der (en)klitischen Subjektpronomen wie es etwa für das Bairische im geschlossenen deutschen Sprachraum für die 2. Person gilt (vgl. ALTMANN 1984). 4.2.2.2 Unerwartete Inversionsstellung des Subjektpronomens Was die Positionierung des Subjektpronomens angeht, erscheint die enklitische und damit postverbale Position in folgenden zwei Kontexten unerwartet: in Aussagesätzen mit Verbinitialstellung, wie etwa in den Beispielen unter (178), und in mit koordinierenden Konjunktionen wie ‚undʻ angeschlossenen deklarativen Sätzen mit VS-Struktur, wie etwa in den Beispielen unter (179). Die Positionierung erscheint unerwartet angesichts normativer Festlegungen, die sich auf die geschriebene deutsche Sprache beziehen.238 Aussagesätze mit Verbspitzenstellung sind Teil der Grammatik der gesprochenen deutschen Sprache (vgl. AUER 1993, PATOCKA 1989). Ähnlich wie bei der Auslassung von Subjektpronomen stellt sich 238 Man vgl. hierzu auch die Ausführungen von ZÜRRER (1999, 326 §291) zu ähnlichen Konstruktionen in den Südwalser Dialekten.

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also auch hier die Frage, ob sich die Vorkommensbedingungen von VerberstSätzen (und dazu zähle ich auch die mit ‚undʻ angeschlossenen Hauptsätze) im Cimbro von denjenigen in den deutschen Dialekten im geschlossenen deutschen Sprachgebiet bzw. der gesprochenen deutschen Sprache im Allgemeinen wesentlich unterscheidet. Die satzinitiale Stellung der Sequenz ‚finites Verb + Subjektpronomenʻ ist nicht davon abhängig, ob Subjektkontinuität vorliegt (vgl. (178a), und hat=se a birthaus in (179b)) oder nicht. Denn auch in dem Satz in (178b), wo das Subjekt wechselt (von 3. Person Plural auf Impersonal), ist die Verberststellung möglich (man vgl. hierzu auch (178c)). Die Sequenz ‚finites Verb + Subjektpronomenʻ stellt hier den Beginn einer Reihe von Prädikationen dar, mit der die Sprecherin eine Handlungssequenz beschreibt. (178)

a. un dar pua, dar Giacomo, is in Caldonazzo. arbatet=ar in dar fabrik. (Ida) ‚und der Bub, der Giacomo, ist in Caldonazzo; arbeitet=er in der Fabrikʻ b. abas sain=sa gont aus pa lont un han augenump di schbem, hat=ma=s=en vokoaft. (Ada) ‚abends sind sie [= die Pilzhändler] durchs Dorf gegangen und haben die Pilze eingesammelt, hat=man=sie=ihnen verkauftʻ c. un biar kindar han gemocht paitn bo=sa gian z’schlafa zoa zo giana zo stola+n=en de froumen. sait=ma gont, hat geschüttlt in albar, sain=da argevalt di froumen, un dopo au gest/ gelest=se, un vongont bahemme zoa (a)s=(s)(a)=as net noloavan (Gisella) ‚und wir Kinder mussten warten bis sie schlafen gehen, um ihnen die Pflaumen stehlen zu gehen. ist=man gegangen, hat den Baum geschüttelt, sind=da die Pflaumen heruntergefallen, und dann (haben wir) sie aufgelesen und (sind wir) schnell geflohen, damit sie uns nicht nachlaufenʻ

(179)

a. un bal=da dar turt is gest gekocht, hat=ar gevasst in sklop pit=ar uva passa un hon=sa=se geschosst drin pit=n sklop di uva passa (Gisella) ‚und als der Kuchen gar war, hat er [= der Sohn] das Gewehr mit den Rosinen geladen und sie [= Vater und Sohn] haben die Rosinen mit dem Gewehr hineingeschossenʻ b. schauge ke diselnen / diselnen diarnen han=s / sain gekreschart, un umana is da no nidar da a Calceronica. hat=se a birthaus, hon=sa kontart, ke da sain ingekeart un hat=se no geredet est Lusernesch. (Ada) ‚schau, dass diejenigen / diese Mädchen haben=es / sind groß geworden (wörtl. ‚gewachsenʻ) und eine ist noch dort unten in Calceranica;

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hat=sie ein Wirtshaus, haben=sie erzählt, dass sie eingekehrt sind und hat=sie noch jetzt Lusernisch geredetʻ c. magari diseln bo=da soin gevalt danidar, han=sa=dar=se au gelat lesan eh. un hast=(d)o=dar au genump draizikh kile mel (Ada) ‚vielleicht diejenigen, die herunter gefallen sind, haben=sie=dir=sie auflesen lassen, und hast=du=dir auf genommen 30 Kilo Mehlʻ Konstruktionen mit pleonastischen Subjektpronomen, wie sie in (138) vorgestellt wurden, deuten darauf hin, dass wir es im Cimbro mit einem vom Standarddeutschen abweichenden Kongruenzsystem zu tun haben. Diese und weitere Konstruktionen sollen im Folgenden genauer beschrieben werden. 4.2.2.3 Subject doubling im Cimbro Im Cimbro ist die Kookkurrenz einer präverbalen Subjekt-NP mit einem enklitischen Subjektpronomen bei Adjazenz der Subjekt-NP und des finiten Verbs nicht belegt. Jedoch gibt es einen Kontext, in dem das Auftreten eines pleonastischen Subjektpronomens (vgl. DAL NEGRO 2004) oder der pronominalen Wiederaufnahme (vgl. LINDER 1997) auch im Cimbro häufig auftritt. Dabei handelt es sich um Konstruktionen, in denen ein betontes Subjektpronomen (vgl. (180a/b)) oder eine Subjekt-NP (vgl. (180c/d)) eine linksversetzte Konstituente darstellt. (180)

a. i, as=e böllat gian in na schbem, schaugat=e untar alle di vaüchtn ... (Ida) ‚wollte ich Pilze suchen gehen, schaute ich unter alle Fichten ... ‘ b. biar in zimbar kö=bar z’stiana (Iolanda) ‚wir sagen auf Zimbrisch z’stiana‘ c. di monnen be=sa sa(i)n gest dahuam han=sa getant nicht (Cesarina) ‚die Männer haben nichts getan, wenn sie daheim warenʻ d. un mai mon alora in darsel zait is=ar gont un kent (Ida) ‚und mein Mann ist in jener Zeit gekommen und gegangen (= ist gependelt)ʻ

Die pronominale Wiederaufnahme ist nicht obligatorisch, wie die folgenden Beispiele zeigen. Während es sich in (181a) bei der syntaktischen Konstituente, die zwischen den linksversetzten Subjektausdruck und das finite Verb tritt, um eine einfache Präpositionalphrase in der Funktion eines Adverbials handelt, wird der temporale Nebensatz in (181b) elaboriert und ergänzt um Hintergrundinformationen. (181)

a.

un si pin nebl hat net geset (Sara) ‚und sie hat wegen des Nebels (wörtl. ‚mit dem Nebelʻ) nicht(s) gesehenʻ

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b. biar anveze bi=da=se is geriift s kriage un soin=da kent di rüs, ke da han=s gemacht aso groas, rivan=da di rüs, s rivan=da di rüs, da han=de terrorizart, sain vongont un sain kent iarbart (Ada) ‚wir hingegen, als der Krieg zu Ende war und die Russen gekommen sind, und sie haben es so groß gemacht, die Russen kommen, die Russen kommen, sie haben dich terrorisiert, sind geflohen und sind zurück gekommenʻ Interessanterweise kommt die pronominale Wiederaufnahme nicht vor, wenn die dazwischen stehende Konstituente ein Relativsatz ist. In meinem Korpus ist in Konstruktionen wie in (182) kein einziger Fall von pronominaler Wiederaufnahme belegt. (182)

alora biar, bo=bar sain gest in di Tschechei, sain gekeart bidrum alle (Ida) ‚also wir, die wir in Tschechien waren, sind alle zurück gekehrtʻ

In Anlehnung an LINDER (1987) fasse ich Konstruktionen wie unter (183) unter dem Terminus pronominale Vorwegnahme zusammen.239 Bei dieser Art von Inversionskonstruktion wird eine definit markierte postverbale Nominalphrase von einem referenzidentischen Subjektenklitikon am finiten Verb vorweggenommen. Besonders häufig ist diese Konstruktion im Kontext der Wiedergabe direkter Rede, wie z. B. in (183a). Müssen die Handlungen und Aussagen von verschiedenen Diskurspartizipanten differenziert werden, bleibt es nicht aus, dass die Zuordnung verdeutlicht wird, wie z. B. in (183b) die Differenzierung der ‚(Dorf)Leuteʻ, d. h. der erwachsenen Dorfbevölkerung gegenüber den Buben, die Holz für das Märzenfeuer sammeln. (183)

a. alora hat=ar köt dar tata »bia bart=bar tüan est« (Gisella) ‚dann hat der Vater gesagt »wie werden wir (es) jetzt machen«ʼ b. pero alora ben=sa han gehöart di borondi un di schelln, alora han=sa gebisst di laüt ke da gian zo nema s vaschile holz (Ida) ‚aber wenn sie die Glocke und die Schellen gehört haben, dann haben die Leute gewusst, dass sie {die Buben} gehen, um das Bündel Holz zu holenʻ c. un dopo ha=bar bidar gepitet disan komio. alora disa bota sain=sa gest leer di kamio bo=da sain kent in Vesan (Ada) ‚und dann haben wir wieder (auf) diesen Lastwagen gewartet. und dieses Mal sind die Lastwagen leer gewesen, die nach Vezzena gekommen sindʻ

239 TYROLLER (2003, 225–226) behandelt ähnliche Konstruktionen unter der Überschrift „Topikalisierung“. Er hebt dort die Ähnlichkeit zum Bairischen hervor.

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d. dar hunt hat herta no// hat no herta in kopf drin in di flasche. un alls in an stroach dar hunt fallt abe von/ von veschtar. un sem fallente abe bricht=se di vlasche (Claudia) ‚der Hund hat noch immer den Kopf in der Flasche. und auf einmal fällt der Hund herunter vom Fenster. und dort beim Herunterfallen bricht (sie) die Flascheʻ Das Muster der pronominalen Vorwegnahme steht auch in Zusammenhang der Tatsachen, dass das Cimbro erstens nicht mehr über synthetische präteritale Verbformen verfügt und zweitens als lexikalische NPs konstruierte syntaktische Konstituenten nicht mehr die Verbklammer füllen können. Nicht immer handelt es sich jedoch um ein diskontinuierliches Verhältnis, wie die adjazente Stellung von enklitischem Pronomen und nachfolgender NP in (183d) zeigt. Eine Ursache dafür, dass sich dieses Verfahren des reference tracking im Cimbro durchgesetzt hat, sehe ich in Zusammenhang der Übernahme der Fokussierungskonstruktion, auf die ich weiter unten eingehen werde. Zuvor möchte ich noch auf zwei Punkte hinweisen. Der erste Punkt betrifft die Regelhaftigkeit dieser Art von Inversionskonstruktionen. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei derjenigen Konstituente, die pronominal mit einem kongruierenden Pronominalklitikon vorweggenommen wird, um eine definite Nominalphrase.240 Der Diskursreferent, auf den mit dieser NP Bezug genommen wird, ist bereits eingeführt und die Gesprächspartner teilen Wissen über ihn. Besonders häufig ist die pronominale Vorwegnahme auch im interrogativen Satzmodus, selbst dann, wenn es sich bei den Sätzen um isoliert abgefragte Übersetzungsaufgaben handelt (vgl. (184)). Obligatorisch ist sie indes nicht, wie (184c/d) zeigen. Es kann also nicht, wie etwa im Trentinischen, Venetischen oder Friaulischen von einer Art „interrogativer Konjugation“ gesprochen werden (vgl. Kapitel 4.2.1). (184)

a. Biavil küa hat=ar dar Gianfranco? (Quest) ‚Wieviel Kühe hat der Gianfranco?ʻ / ‘Quante mucche ha Gianfranco?’ b. Essan=sa di sup di kindar? (Quest) ‚Essen die Kinder die Suppe?ʻ / ‘Mangiano la minestra i bambini?’ c.1 Pi(t)nan betan libar hat gearbatet di maistra? (Ida; Elizitierung) c.2 Pit betan libar hat=se gearbatet di maistra? (Quest)

240 Auch für das Mòcheno stellt ROWLEY (2003, 263–264) ähnliche Konstruktionen mit pronominaler Wiederaufnahme und Vorwegnahme des Subjekts fest, vgl. prope gearn tsechen sai’ sa nèt gaben de doi’ schaverer daninn ‚richtig gern gesehen waren sie nicht, diese Schäfer da untenʻ. ROWLEY grenzt das Phänomen folgendermaßen näher ein: „Wenn das Subjekt eines Satzes ein Substantiv ist, das Belebtes, vor allem einen Menschen, bezeichnet, dann kann in Emphase das Substantiv im Satzvor oder -nachfeld stehen und durch ein pleonastisches Pronomen an der Subjektstelle vertreten werden. [...] Auch ein betontes Personalpronomen wird so an der entsprechenden Stelle als Schwachtonpronomen wiederholt.“ Für das Cimbro gilt die Beschränkung auf belebte Entitäten nicht, wie die Beispiele (183c/d) zeigen.

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‚Mit welchem Buch hat die Lehrerin gearbeitet?ʻ ‘Con che libro ha lavorato la maestra?’ d.1 Is=ar / Is offe dar museo? (Ida; Elizitierung) d.2 Is=ar offe dar museo? (Quest) ‚Ist das Museum offen?ʻ / ‘È aperto il museo?’ Der zweite Punkt betrifft die Interaktion zwischen klitischem Subjekt- und Objektpronomen. Es gibt einen Kontext, in dem ein pleonastisches Subjektenklitikon nicht auftritt, auch wenn die oben genannten Bedingungen zutreffen (postverbale Stellung, Vorerwähntheit und Definitheit der NP, die als Subjekt des Satzes analysiert werden kann). Ein dativisches Objektenklitikon scheint ein enklitisches Subjektenklitikon in diesem Kontext zu „überbieten“ (vgl. (185a/b)).241 (185)

a.1 »Di achte« hatt=ar khöt dar peer ‚»Um acht« sagte der Bärʻ a.2 »Ē«, hat ən köt dər pär ‚»e«, sagte ihm [= dem Mädchen] der Bärʻ b.1 »No«, hat’s respúndart s diarndle. ‚»Nein« antwortete das Mädchenʻ b.2 »Guat, ghéa eest«, hatt=en khöt s diarndle ‚»Gut, geh jetzt«, sagte ihm das Mädchenʻ

(BELLOTTO 1978, 138) (BACHER 1900, 306) (BELLOTTO 1978, 138) (BELLOTTO 1978, 138)

Akkusativ-Pronomen weisen diese systematische Konkurrenz zwischen enklitischem Subjekt- und Objektklitikon nicht auf. Bei den Akkusativ-Pronomen scheint es sich um freie Variation zu handeln, zumindest dann, wenn es sich bei dem postverbalen (postverbal im Sinne von ‚nach dem Verbkomplex stehendenʻ) Subjekt um eine lexikalische NP handelt (vgl. (186a/b)). (186)

a. ma dopo trükhnen=s un bringen=s in af di tetsch, han=s(a)=es alls getont di baibar (Gisella) ‚aber es danach trocknen und es hinein auf den Heuboden bringen, das haben alles die Frauen gemachtʻ b. un alora s höbe han=s gemacht di baibar (Ada) ‚und das Heu haben (es) die Frauen gemachtʻ

Stellt die postverbale Konstituente in einer Fokussierungskonstruktion aber ein betontes Subjektpronomen dar (wie das betonte Subjektpronomen der 1. Person Singular in (187a) oder der 3. Person Singular Fem. in (187b)), dann scheint in 241 Dativische Objektpronomen in der Funktion von Reflexivpronomen scheinen von dieser Regel ausgenommen zu sein: (i)

un alora hat=ar=en pensart mai tata (Ida) ‚und dann hat (er) sich (wörtl. ‚ihmʻ) mein Vater gedachtʻ

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189

Verbindung mit einem Akkusativ-Pronomen regelmäßig das (vorwegnehmende) Subjektenklitikon auf (=e in (187a) und=s(e) in (187b)); man vgl. auch das Beispiel unter (187c) (für 1. Person Plural, berondre und =bar): (187)

a. umbrom se [seː] han gemöcht arbatn, han=e=se herta gehat da i [i:] pan summar (Ada) ‚weil sie [= die Kinder] arbeiten mussten, habe ICH sie [= die Enkelkinder] immer hier gehabt im Sommerʻ (pan summar: wörtl. ‚beim Sommerʻ) b. aso hat=s(e)=en köt si [si:] in guat kaffe (Gisella) ‚so hat SIE (ihn) genannt den gut(en) Kaffeeʻ c. un ditza is net richtig aso, ha=bar=s gedenkt berondre (Iolanda) ‚und das ist nicht richtig so, haben WIR (es) gedachtʻ

Im Cimbro treten in Konstruktionen mit einem hervorgehobenen Subjektpronomen klitische Kopien auf. Sätze wie in (138) und (187), in denen jeweils ein pleonastisches Personalpronomen vorkommt, machen einen großen Teil der im Cimbro vorkommenden subject doubling-Konstruktionen aus. In den Beispielen unter (138) ist das betonte Pronomen jeweils mit der Partikel auch fokussiert.242 Im Folgenden stehen Konstruktionen mit diesem syntaktischen Mittel der Fokusmarkierung (vgl. TAGLICHT 1993, 1002–1003) im Mittelpunkt.243 Im Cimbro ist die Position dieser Fokuspartikel festgelegt auf die dem Bezugswort nachgestellte Position (vgl. hierzu auch die nun folgenden Beispiele). In dieser Hinsicht weicht das Cimbro sowohl vom Standarddeutschen als auch vom Italienischen ab.244 Da242 Andere Termini für die Bezeichnung der Partikel ‚auchʻ in der Funktion, wie sie in den genannten Beispielen aufscheint, sind Gradpartikel (vgl. ALTMANN 1976) und additive particle (vgl. WATOREK / PERDUE 1999). Ich folge hier der Klassifikation und Bezeichnung der verschiedenen Typen von Partikeln von HENTSCHEL / WEYDT (2002). 243 Syntaktische Mittel der Fokussierung, wie Partikelgebrauch und markierte Wortstellung, sind abzugrenzen von denjenigen, die sich allein durch eine intonatorische Modifikation einer Äußerungseinheit auszeichnen (vgl. TAGLICHT 1993, 1003). Dass es sich bei den ab (188) angeführten Beispielen zum Teil um Fokusmarkierungen handelt, die als eine Mischung von syntaktischen und intonatorischen Verfahren angesehen werden können, wird vernachlässigt. Das intonatorische Verfahren besteht darin, dass in den Abfolgen Pronomen + ‚auchʻ die Partikel besonders betont, hingegen auf das Pronomen kein besonderer Nachdruck gelegt wird. 244 GLASER (1998) bietet eine Klassifikation der verschiedenen Vorkommen der Entsprechung der Partikel auch im Bairischen (je nach Betontheit im Satz realisiert als à bzw. àà). Sie kommt u. a. zu dem Schluss, dass das Bairische im Vergleich zum Standarddeutschen die Nachstellung der Gradpartikel bevorzugt (vgl. GLASER 1998, 162, 165 und auch PATOCKA 1999, 312–315). Die Grammatikalität der Voranstellung der Gradpartikel ist im Bairischen in manchen Kontexten sogar fraglich, man vgl. z. B. Hòsd du-àà an Kaffää khàfft? ‚Hast dú auch Kaffee gekauft?ʻ mit: ??Hòsd à/àà du an Kaffää khàfft? (intendiert: ‚Hast auch dú Kaffee gekauft?ʻ). Der letztgenannte Satz wird verständlich, wenn à/àà als ‚etwaʻ interpretiert und als lautliche Variante zu äpa angesehen wird, also die Bedeutung ‚Hast du etwa Kaffee gekauft?ʻ zugrunde gelegt wird. Mit dieser Interpretation ist es unwesentlich, ob das Subjektpronomen du oder das direkte Objekt Kaffää betont wird.

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bei sind im Cimbro zwei Hauptvarianten zu unterscheiden. Bei der ersten Variante wird ein präverbales Subjektpronomen fokussiert, indem die stark betonte Partikel ‚auchʻ unmittelbar diesem nachgestellt wird (vgl. (188a/b)).245 (188)

a. i o [oː] bin gont in schwizzera (Ada) ‚auch ich bin in (die) Schweiz gegangenʻ b. si o [oː] hat gevuntet an schümman konsott (Quest) ‚auch sie hat einen schönen Rock gefundenʻ

Die zweite Variante illustrieren die Beispiele unter (189). Hier steht das betonte Subjektpronomen postverbal. Bei diesen Fokussierungskonstruktionen tritt pronominale Subjektverdopplung auf, da auch die präverbale Subjektposition durch ein entsprechendes (nicht stark betontes) Pronomen besetzt ist. (189)

a. ja ja, i gea i o na schbem (Ada) ‚ja ja, auch ich gehe Pilze sammelnʻ (wörtl. ‚ich gehe ich auch nach Pilzenʻ) b. du mast gian du o (Quest) ‚auch du kannst gehenʻ c. si redet si o asbibiar (Ada) ‚auch sie redet Asbibiar (= Cimbro; wörtl. ‚als wie wirʻ) d. bar sitzan abe biar (Ida) ‚WIR steigen ausʻ (wörtl. ‚wir sitzen ab wirʻ)

Wie das Beispiel unter (189d) zeigt, ist diese Art der Fokussierung im Cimbro nicht nur im Zusammenhang der Gradpartikel ‚auchʻ möglich, sondern auch im Kontext von kontrastiver Fokussierung. Der Satz in dem genannten Beispiel stammt aus der Erzählung einer Gewährsperson über Erlebnisse in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der die so genannten Optanten wieder nach Luserna zurückkehrten. Es handelt sich um die Wiedergabe einer Aussage des Vaters der Erzählerin in direkter Rede. Er beschließt, dass seine Familie den Zug bereits in Innsbruck verlässt. Den Hintergrund stellt in diesem Kontext dar, dass andere Flüchtlingsfamilien mit einem ähnlichen Reiseziel im Zug sitzenblieben. Die Wortstellung betreffend ist zu erwähnen, dass das stark betonte Subjektpronomen bei dieser Art von Fokussierungskonstruktion nicht satzperipher stehen muss. Es kann zusammen mit der Fokuspartikel auch die Verbklammer (vgl. (190a)) bzw. die Nebensatzklammer (vgl. (190b)) füllen: (190)

a. da han se o gehat di tessere von gileba (Ada) [sie haben sie auch gehabt die Karten von Lebensmitteln] ‚auch SIE hatten die Lebensmittelkartenʻ

245 In meinem Korpus ist die Voranstellung der Partikel in diesen Kontexten, in denen ‚auchʻ in adjazenter Stellung zur fokussierten Bezugskonstituente steht, nicht belegt.

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b. un bo=bar biar o net han gewisst (Ida) [und wo=wir wir auch nicht haben gewusst] ‚und die auch WIR nicht kanntenʻ Die Fokussierungsarten, wie sie in (188) und (189) anhand von Personalpronomen illustriert sind, gelten analog für lexikalische Subjekt-NPs (vgl. (191) und (192)). Entweder die präverbale Subjektkonstituente wird dadurch fokussiert, dass ihr die betonte Partikel ‚auchʻ unmittelbar nachgestellt wird (vgl. (191a/b)), oder mittels einer an die rechte Satzperipherie gesetzten pronominalen Kopie, auf die die Fokuspartikel folgt (vgl. (192a/b)).246 (191)

a. un di kindar o han gearbatet (Gisella) ‚und auch die Kinder haben gearbeitetʻ b. pero moi momma o is maistra (Sara) ‚denn auch meine Mutter ist Lehrerinʻ

(192)

a. di eltarn hevan o z’straita se o (Gisella) [die Eltern fangen an zu streiten sie auch] ‚auch die Eltern fangen an zu streitenʻ b. di nona hat geböllt durchspringen si o (Sara) [die Großmutter hat gewollt [hin]durchspringen sie auch] ‚auch die Großmutter wollte hinüberspringenʻ (d. h. über einen Graben)

Die Konstruktion mit pronominaler Kopie ist auch im Italienischen ein mögliches Verfahren zur Fokussierung einer lexikalischen Subjekt-NP, wie das folgende Beispiel zeigt: (193)

I bambini europei possono anche loro supportare il tour di Nuna2,...247 ‚Auch die europäischen Kinder können die Tour der Nuna2 unterstützenʻ

Das Cimbro hat ein modellsprachliches Verfahren zur Fokussierung des Subjekts integriert. Die Nachstellung der Fokuspartikel ‚auchʻ mutet dabei allerdings eher bairisch an. In diesem Fall scheint eine Differenzierung zwischen Makro- und Mikrostruktur möglich zu sein. Die Makrostruktur bildet demnach die Gesamtheit, wie referenzidentische diskontinuierliche Konstituenten als Fokussierungsverfahren eingesetzt werden. Die Mikrostruktur kann festgelegt werden als der

246 Es stellt sich die Frage, ob Konstruktionen mit lexikalischem Subjekt wie in (192a/b) nach solchen mit pronominalem Subjekt wie in (187) ins Zimbrische eingedrungen sind. Die Tatsache, dass letztere auch in den zimbrischen Katechismen belegt sind, erstere jedoch nicht, spricht für diese Annahme. 247 Dieses Beispiel ist der Internetseite [‹www.esa.int/esaCP/SEMICIGHZTD_Italy_0.html›] entnommen.

192

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Aufbau der daran beteiligten Konstituenten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei der Nachstellung der Fokuspartikel um eine bewahrte Struktur handelt. Die Entstehung der oben skizzierten Verfahren zur Fokussierung des Subjekts fasse ich als syntaktische Entlehnung auf. Als syntaktische Entlehnung bezeichne ich das Ergebnis von Prozessen, die durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen werden können wie z. B. durch die Entlehnung eines lexikalischen Elements (z. B. einer Konjunktion) oder durch die Übergeneralisierung und Reanalyse einer in der Replikasprache für einen bestimmten Bereich bereits vorhandenen Konstruktion. Diese Prozesse führen zu einer größeren Übereinstimmung zwischen Replika- und Modellsprache auf syntaktischer Ebene und führen zu Veränderungen z. B. von Wortstellungsregularitäten oder – allgemeiner gesprochen – von Eigenschaften, die als Teil einer syntaktischen (oder morphosyntaktischen) Typologie angesehen werden können. Im Zusammenhang ihrer Darstellung, wie es im Zimbrischen248 zur Aufhebung der V2-Beschränkung gekommen ist, gehen POLETTO / TOMASELLI (2000) davon aus, dass kontaktbedingter Strukturwandel immer auf einer in der Replikasprache schon bestehenden Struktur aufbaut: „[...] il contatto non determina mai il semplice trasferimento di una struttura da una lingua all’altra ma forza, eventualmente, lo sviluppo e l’estensione di caratteristiche che esistono già nella lingua target.“ (POLETTO / TOMASELLI 2000, 163) Auch für das hier beschriebene Phänomen der Veränderung des Kongruenzsystems im Cimbro gilt diese allgemeine Aussage.249 Denn die Veränderungen, die im Cimbro zu einer Abweichung vom zugrunde liegenden grammatischen Kongruenzsystem geführt haben, bauen auf diesem auf. Jedoch handelt es sich nicht um eine Art von Reanalyse oder Generalisierung (wie z. B. bei der Entwicklung der VO-Stellung), sondern um die Übernahme der Struktur eines Subjektfokussierungsverfahrens. Es handelt sich um eine Art Lehnübersetzung, bei der zuvor nicht-existente Konstruktionen in der Replikasprache entstehen.250 Die Auswirkungen auf das Kongruenzsystem treten bei der Betrachtung der Konstruktionen mit pronominalem Subjekt deutlich zu Tage. Die in (194) und (195) dargestellten Äquivalenzbeziehungen und insbesondere das Äquivalenzpaar (195a/b) in der Spalte II (fokussiert) lassen den Schluss zu, dass im Zimbrischen für die Entstehung von subject doubling-Konstruktionen auch die Übernahme und Integration eines Musters der 248 Die in POLETTO / TOMASELLI (2000, 168–169) präsentierten zimbrischen Daten stammen aus dem ersten zimbrischen Katechismus von 1602. 249 Für andere Phänomene, die ich auch unter syntaktische Entlehnung fasse, gilt diese Verallgemeinerung nicht. Ein Beispiel stellt etwa die Entlehnung der Konjunktion ke (ital. ʻche’) dar. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass für andere Sprachkontaktfälle, bei denen es ebenfalls zu einem massiven Umbau des grammatischen Systems der jeweiligen Replikasprache kam und die Entlehnung von Funktionswörtern aus der Modellsprache eine prominente Rolle spielt, sehr wohl eine Integration der entlehnten Funktionswörter in ererbte Strukturen und Strukturprinzipien (wie etwa Klitisierung) belegt ist (man vgl. STOLZ/ STOLZ (1996, 106), die die Eigenschaften einiger Präpositionen beschreiben, die „Indianersprachen“ aus dem Spanischen entlehnten). 250 Man vgl. hierzu auch den von SILVA-CORVALÁN (1995, 264–265) vorgestellten Typ 6 von verschiedenen lexico-syntactic calques.

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193

Subjektfokussierung aus dem Italienischen verantwortlich gemacht werden kann.251 Die Übernahme besteht dabei darin, dass ein betontes Subjektpronomen zur Fokussierung eingesetzt wird. Durch die Integration dieses Verfahrens in ein grammatisches Kongruenzsystem, in dem das (unbetonte) Subjektpronomen obligatorisch auftritt (Sa kemmen), entsteht die subject doubling-Konstruktion (Sa kemmen se:). (pronominaler) Subjektausdruck (194)

a. Italienisch: b. Cimbro:

I: nicht fokussiert Mangiamo. Bar essan.

(195)

a. Italienisch: b. Cimbro:

Vengono. Sa kemmen.

II: fokussiert Noi mangiamo. Biar // Beróndre essan. Vengono loro. Sa kemmen se: // seóndre.

Ausgehend von diesem Muster (Sa kemmen se:) sind Konstruktionen wie etwa unter (187b) und (138a) mit einem enklitischen Subjektpronomen vorhersagbar aufgrund der in Kapitel 3.4.1.1 besprochenen Beibehaltung der pronominalen Inversion im deklarativen Hauptsatz als Rest der V2-Beschränkung. In ähnlicher Weise sind auch die Vorkommen von subject doubling im Fragesatz abzuleiten, wie sie uns etwa in (138b) entgegentreten. Pronominale Wiederaufnahme und Vorwegnahme kommen auch im interrogativen Satzmodus vor. Hier ist zum einen die complex inversion-Konstruktion bzw. die Linksversetzung wie in dem Beispiel unter (196) zu nennen. Diese Konstruktion ist für das ältere, schriftlich überlieferte Zimbrisch der Sieben Gemeinden, wie es uns in den beiden Katechismen überliefert ist, charakteristisch. Zum anderen sind Konstruktionen mit pronominaler Vorwegnahme wie unter (197) belegt. (196)

Disa bia kimet si uns zò sainan vorghebet? (MEID 1985a, 91, V741) ‚Wie kann diese uns vergeben werden?ʻ

(197)

ma vo bo is=se dai momma? (Ada) [aber von wo ist sie deine Mutter] ‚aber woher stammt deine Mutter?ʻ

Das Cimbro ist hinsichtlich der subject doubling-Konstruktionen einigen rätoromanischen Varietäten ähnlich. Dies soll im nächsten Abschnitt verdeutlicht werden.

251 In dieser Hinsicht erscheint mir die von FUSS (2005, 299) geäußerte Kritik an GIVÓNS (1976) einseitiger Hervorhebung der topic shift- und afterthought-Konstruktionen als díe Basis für die Entstehung bzw. Erneuerung von gebundenen Subjektkongruenzmorphemen gerechtfertigt.

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4.2.3 Ähnlichkeit zu rätoromanischen Varietäten mit V2-Beschränkung Das Cimbro ist hinsichtlich der subject doubling-Konstruktionen den rätoromanischen Varietäten mit V2-Beschränkung ähnlicher als den unmittelbaren dialektalen Kontaktvarietäten, dem Trentinischen bzw. Venetischen. Die Tatsache, dass das proklitische Subjektpronomen in vielen norditalienischen Dialekten mit einer präverbalen lexikalischen Subjekt-NP kookkurriert (vgl. Beispiele unter (198a)), gibt Anlass zu einer Charakterisierung dieser pronominalen Elemente als agreement clitics (vgl. POLETTO 1999; 2000 und ROBERTS / ROUSSOU 2003, 175–186). Als eines der ausschlaggebenden Argumente dafür, die Nominalphrase el diretor in (198a) als Subjekt anzusehen und nicht als linksdislozierte Konstituente (d. h. appositive NP), wird angeführt, dass auch Indefinitpronomen wie nisun und qualchedun, die nicht disloziert werden können, mit agreement clitics kookkurrieren (man vgl. (198b) und (198c) und beachte die Einschränkungen, die in Kapitel 4.2.1 in Zusammenhang mit den Beispielen unter (164) ausgeführt werden). (198)

a. El diretor l’è rivà. Rovereto (ASIS-Datenbank) ‚Der Direktor ist gekommen.ʻ b. Nisun l’è rivà en temp. Rovereto (ASIS-Datenbank) ‚Niemand kam rechtzeitig.ʻ c. Qualchedun l’ha parlà masa Rovereto (ASIS-Datenbank) ‚Jemand hat (zu) viel geredet...ʻ

Wie in Kapitel 4.2.1 ausgeführt, treten in den trentinischen und vielen venetischen Dialekten keine präverbalen kongruierenden Subjektklitika auf, wenn das lexikalische Subjekt postverbal steht (vgl. Beispiel (168) oben). Bei einigen venetischen Dialekten, wie z. B. dem venetischen Dialekt von Padua, gibt es die Möglichkeit, in solchen Verb-Subjekt-Konstruktionen satzinitial das hinsichtlich Person, Numerus und Genus unspezifizierte Klitikon a zu gebrauchen (vgl. (169) und (170) oben). Die Nominalphrase, die als postverbales Subjekt in Frage kommt, zeigt in allen hier angesprochenen romanischen Dialektvarietäten gegenüber einem präverbalen Subjekt Unterschiede auf, die sie als abweichend vom prototypischen Subjekt auszeichnet. Das ist zum einen die finale Position, und zum anderen die Tatsache, nicht mehr als controller einer Kongruenzbeziehung zu fungieren. Dies zeigt sich in der Inkongruenz zwischen dem postverbalen Subjekt und dem Prädikat hinsichtlich Numerus und Genus (vgl. (199a) bzw. (199b) aus BENINCÀ & VANELLI (1984, 186); vgl. hierzu auch das in Fußnote 228 angeführte Beispiel aus dem Trentinischen). Die Konstituente, die als Subjekt des Satzes in Frage kommt, büßt also Subjekteigenschaften ein. (199)

a. Śe morto (Sg.m.) tuti i fiori (Pl.m.) ‚Alle Blumen sind tot.ʻ

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195

b. Gera partìo (Sg.m.) anca me sorela (Sg.f.) ‚Auch meine Schwester ist abgereist.ʻ Rätoromanische Dialekte mit V2-Beschränkung hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie subject doubling nur dann aufweisen, wenn die referenzidentische Konstituente, also ein pleonastisches Subjektpronomen oder eine lexikalische NP, die als Subjekt analysiert werden kann, postverbal steht (vgl. (143)). LINDER (1987) nennt dieses Phänomen pronominale Vorwegnahme des Subjekts.252 Den Kontext dieser Konstruktionen beschreibt LINDER (1987, 146) folgendermaßen: „Im Bündnerromanischen kann das Subjekt, wenn es dem finiten Verb nachgestellt ist, durch ein Subjektpronomen vorweggenommen werden. Dieses Subjektpronomen steht ebenfalls nach dem Verbum und hat die Form der [...] Enklitika. Dabei liegt oft ein besonderer Nachdruck auf dem (zweiten, eigentlichen) Subjekt. Bedingung ist dies aber nicht [...].“

Die folgenden Beispiele aus LINDER (1987) und ROHLFS (1975) belegen die Ähnlichkeit zum Cimbro: 253 (200)

a. Perche cha qua tras eschans nus tschearts, ... Sutselvisch (S. 149) ‚Denn dadurch sind wir sicher, ...ʻ b. Da’ls spisantêr he-ia eau grand dallett. Oberengadinisch (S. 147) ‚Sie zu bewirten, habe ich große Freude.ʻ c. Lura è’la rivada la giatta cul seguond, ... Unterengadinisch (S. 154) ‚Dann ist die Katze mit dem zweiten dahergekommen, ... d. šk’ è la tšora, intšó váñəl l’aśó Val Badia (S. 76, Satz 164) ʻCom’è la capra, così viene il capretto’

Wie die sutselvischen Beispiele unter (201) zeigen, kann im Bündnerromanischen diejenige nominativische Konstituente, die von LINDER (1987) als eigentliches Subjekt bezeichnet wird, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verbklammer stehen (vgl. LINDER 1987, 152). (201)

a. Ussa â’l getg igl fumegl: ... ‚Da hat der Knecht gesagt: ...ʻ b. „Tei âs raschùn“ â’l igl patrùn raspundieu,... ‚Du hast recht, hat der Herr geantwortet,...ʻ

252 Zur Verbreitung dieses Phänomens in den bündnerromanischen Dialekten vgl. LINDER (1987, 146). 253 Die Seitenangabe, die jeweils der Dialektzugehörigkeit folgt, bezieht sich für (200a–c) auf LINDER (1987) und für (200d) auf ROHLFS (1975). Auch in ladinischen Dialekten kommt die pronominale Vorwegnahme vor, wie folgendes Beispiel aus dem dolomitenladinischen Dialekt, der im Val Gardena gesprochen wird, zeigt. Das Beispiel stammt aus SALVI (1997, 294): [du'maŋ va=l æl da l du'tor da i dænts] ‚Morgen geht er zum Zahnarztʻ (wörtl. ‚morgen geht=er er zum Zahnarztʻ).

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Eine weitere Parallele, die das Cimbro mit den bündnerromanischen Dialekten aufweist, betrifft die Tatsache, über ein expletives Subjekt zu verfügen. Im Cimbro handelt es sich dabei um die lokaldeiktische Partikel da (vgl. (202)), in den bündnerromanischen Varietäten um ein neutrales Subjektpronomen (vgl. das sutselvische Beispiel in (203) aus LINDER 1987, 143).254 (202)

un sain=da auvarkent kamion zo nemma s gehülz (Ada) ‚und es sind Lastwagen heraufgekommen, um das Holz zu holenʻ

(203)

Ilg davos elg vagnieu las spergalas ... ‚Zuletzt sind die Spargel gekommen...ʻ

In KOLMER (2005b) wird die These vertreten, dass im Cimbro die Entstehung der Funktion von da, als expletives Element die pronominale enklitische Subjektposition overt zu markieren, letztlich auf eine funktionale Ähnlichkeit von Existenzial- und Verb-Subjekt-Konstruktion in Bezug auf Präsentativität zurückzuführen ist. Die Existenzialkonstruktion im Cimbro (mit s is=ta ‚es ist daʻ und sain=da ‚(es) sind daʻ) beruht auf der Lehnübersetzung der italienischen Konstruktion c’è bzw. ci sono. Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den bündnerromanischen Dialekten und dem Cimbro ergibt sich in diesem Bereich aufgrund der folgenden zwei Eigenschaften: Erstens gibt es ein expletives Element, das satzintern auftritt und zweitens gibt es zumindest pronominale Subjektinversion. In diachroner Sicht steht Letzteres in Verbindung mit der Entwicklung der V2-Beschränkung und der Klammerkonstruktion. Die rätoromanischen Dialekte haben, wahrscheinlich aufgrund des Sprachkontakts mit dem Deutschen, die V2-Beschränkung (und z. T. auch die Klammerkonstruktion) erworben. In den bündnerromaniscchen Dialekten ist ein Ausbau der V2-Beschränkung und der Klammerkonstruktion festzustellen. Dies ist daran festzumachen, dass das neutrale Subjektpronomen vom „expletiven Topik“ zum „expletiven Subjekt“ wurde (vgl. LENERZ 1985; FAARLUND 1990). Und zum anderen wurde die Positionierung zwischen finitem und infinitem Prädikatsteil zur Differenzierung der grammatischen Relationen Subjekt und Objekt funktionalisiert (vgl. STIMM 1987 und die Darstellung in Kapitel 3.4.1.2). Das Cimbro verfügt über die V2-Beschränkung aufgrund der Einwirkung des Sprachkontakts mit dem Romanischen nicht mehr in der Weise wie diejenigen Dialekte, mit denen es genetisch am nächsten verwandt ist. Hier haben wir es eher mit einem Abbauprozess zu tun. Denn weder lexikalische Objekt-NPs noch eine lexikalische Subjekt-NP können die Verbklammer füllen. Die bündnerromanischen Varietäten mit V2-Beschränkung ähneln dem Cimbro nicht nur hinsichtlich der subject doubling-Konstruktion, sondern auch in Bezug auf bestimmte Eigenschaften des „expletiven Subjekts“. Die strukturelle Ähnlichkeit beruht dabei nicht wirk-

254 Das neutrale Subjektpronomen hat – ausgehend von lateinisch ILLI – in den bündnerromanischen Varietäten verschiedene Entwicklungen genommen. Es gilt l-haltige (wie egl, igl, lg) und vokalische (wie a, i) Formen zu unterscheiden (vgl. WIDMER 1959).

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lich auf einer konvergenten Entwicklung, da die Varietäten nicht tatsächlich in Kontakt standen oder stehen. 4.2.4 Ein Vergleich mit walserdeutschen Dialekten Bei den zu einem Vergleich mit dem Cimbro herangezogenen walserdeutschen Dialekten handelt es sich um die höchstalemannischen Dialekte der Orte Issime, Gressoney, Rimella, Rima und Formazza. Als ausschlaggebend dafür, dass ein Vergleich zwischen den zimbrischen und walserdeutschen Dialekten hinsichtlich des Gebrauchs der Subjektklitika interessant sei, werden von ZÜRRER (1999) und DAL NEGRO (2004) Ähnlichkeiten in Konstruktionen wie etwa unter (204a) und (204b) angeführt. (204)

a. ditza bin=e=s i (Ida) [dieses bin=ich=es ich] ‚Das bin ich.ʻ (auf die entsprechende Stelle eines Fotos zeigend) b. dets bin=i ich Formazza (DAL NEGRO 2004, 165) [dies bin=ich ich] ‘Das bin ich.ʻ

Ziel der vergleichenden Darstellung ist es, aufzuzeigen, dass die Subjektklitika in den walserdeutschen Dialekten als Kongruenzmarkierer einen anderen Status haben als die Subjektklitika im Cimbro. Während in den walserdeutschen Dialekten die Reanalyse der Subjektklitika als (mehr oder weniger) morphologisch gebundene Kongruenzmarkierer schon längst eingesetzt hat und relativ weit fortgeschritten ist, haben die Subjektklitika im Cimbro nach wie vor hauptsächlich anaphorische Funktion, wie die Subjektpronomen im Standarddeutschen oder in anderen deutschen Dialekten. Gemeinsam ist den alemannischen und südbairischen Sprachinseldialekten, dass sie sich vom grammatischen Kongruenzsystem des (Standard-)Deutschen weg entwickelt haben. In Konstruktionen wie unter (204b) bezeichnet DAL NEGRO (2004) das betonte Subjektpronomen (hier 1. Person Singular ich) als pleonastisches Subjekt. Und weiter heißt es dazu: „Clitics mainly fulfill agreement functions whereas stressed pronouns are overtly referential.“ (DAL NEGRO 2004, 165) In der Auswertung ihres Korpus bewertet DAL NEGRO (2004, 172) die Abfolge finites Verb + Subjektklitikon in folgenden drei Kontexten als reanalysierte Verbalform: 1) in einer Konstruktion mit pleonastischem Pronomen, 2) im deklarativen Verberstsatz, und 3) nach koordinierender und subordinierender Konjunktion. Auch in den walserdeutschen Dialekten treten in Konstruktionen mit einem hervorgehobenen Subjektpronomen klitische Kopien auf (vgl. (205)). Die Parallelität zwischen dem Cimbro (vgl. (138)) und den Südwalser Dialekten ist in diesem speziellen Kontext, d. h. wenn das betonte Pronomen mit der Partikel auch fokussiert ist, offensichtlich. Während aber im Walserdeutschen die Positionierung der

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Partikel auch vor oder nach der Bezugskonstituente variabel ist (vgl. (205a)), ist sie im Cimbro festgelegt auf die dem Bezugswort nachgestellte Position. (205)

a. wen deri dar gganget, finned=er=ru ou iir Gressoney (ZÜRRER oder: finned=er=ru iir ou 1999, 337) [wenn ihr dort geht, findet=ihr=ihrer auch ihr (bzw. ihr auch)] ‚wenn ihr dorthin geht, findet auch ihr welche (Pilze)ʻ b. und hie sderb=ech ich im Hunger255 Rimella ‚und hier sterbe ich vor Hungerʻ

Zu den Konstruktionen mit pleonastischem Subjektpronomen zählt DAL NEGRO (2004, 165) auch Konstruktionen wie in dem Beispielsatz unter (206a). Die walserdeutschen Dialekte zeigen hinsichtlich der pronominalen Wiederaufnahme Ähnlichkeiten mit dem Cimbro. Ein satzinitiales betontes Subjektpronomen (vgl. (206a/b) und (180a/b)) oder eine Subjekt-NP (vgl. (206c/d) und (180c/d)) stellt in diesen Konstruktionen eine linksversetzte Konstituente dar, die am finiten Verb pronominal wieder aufgenommen wird. (206)

a. ich hine mössen=i musica ga però Formazza (DAL NEGRO 2004, 165) [ich heute_Abend muss=ich Musik gehen aber] ‚ich muss aber heute Abend zum Musikunterricht gehen.ʻ b. dschiendri entwegen ürjun schoadi hen=dsch vil erlitte 256 Issime ‚wegen ihren Schäden (bei der Überschwemmung) haben sie sehr gelittenʻ c. ündsch töchter z joar gait=dsch den al collegio (ZÜRRER 1999, 341) ‚unsere Tochter geht dann in einem Jahr ins Internatʻ d. där ramm, ob schech gheeru schjötä rjeemu, mid är aabär wessu, hed=är sche gwäggt Rimella (GYSLING / HOTZENKÖCHERLE 1952,23) ‚der Rabe, als er sich so rühmen hörte – müsst ihr wissen –, hat sich in Positur gesetztʻ

Ähnlich wie im Cimbro tritt z. B. im walserdeutschen Dialekt von Formazza die Abfolge finites Verb + Subjektklitikon auch satzinitial und nach der koordinierenden Konjunktion und auf; man vgl. (207a) mit den Beispielen unter (178) aus dem Cimbro und (207b) mit denjenigen unter (179). (207)

a. hän=tsch mu gschribe, hän=tsch mu gsäit...257 Formazza ‚haben sie ihm geschrieben, haben sie ihm gesagt...ʻ b. un bin=i z meiland gsi in coledsch Formazza (DAL NEGRO 2004,169)

255 Dieses Beispiel ist einer Sammlung „Ennetbirgischer Walsertexte“ von HANS KELLER entnommen und zitiert nach ZÜRRER (1999, 349). 256 Dieses Beispiel stammt aus ZÜRRER (1999, 341). 257 Dieses Beispiel stammt aus DAL NEGRO (2004, 169).

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‚und bin ich in Mailand gewesen im Internatʻ Es gibt also Parallelitäten in der Entwicklung der Subjektklitika als Kongruenzmarkierer in den Südwalser und Zimbrischen Sprachinseldialekten, die offensichtlich jeweils auf den Einfluss des Italienischen zurückzuführen sind. Interessant sind aber auch die Unterschiede, da sie Aufschluss geben können über einzelne Schritte des Grammatikalisierungsprozesses, die bei der Betrachtung jeweils nur einer Varietät bzw. Varietätengruppe nicht auf Anhieb entdeckt würden. Konstruktionen wie unter (208), die in den walserdeutschen Dialekten gut belegt sind, kommen im Cimbro nicht vor.258 Es handelt sich dabei um die Kookkurrenz eines präverbalen betonten Subjektpronomens, wie in (208a/b), oder einer präverbalen lexikalischen Subjekt-NP, wie in (208c), und einem enklitischen Subjektpronomen am finiten Verb, wobei es sich um eine adjazente Abfolge von Subjekt und finitem Verb handelt. (208)

a. irendrii hedd=eri kes ding z esse Issime (ZÜRRER 1999, 318) ‚ihr habt nichts zu essenʻ Issime (ZÜRRER 1999, 319) b. Michele, wiri muss=beri goa ‚Michele, wir müssen gehenʻ c. z londra tien=dsch nomandra reedu, aber de chriegi geit=eri geng vorwerts Gressoney (ZÜRRER 1999, 338)259 ‚in London verhandeln sie dauernd, aber der Krieg geht (trotzdem) immer weiterʻ

258 In der zimbrischen Varietät von Giazza (Dreizehn Gemeinden), wie sie in SCHWEIZER (1939) repräsentiert ist, sind solche Konstruktionen durchaus belegt (vgl. i. und ii.). (i)

bari kxnia=bari us aabe tse pêtan (SCHWEIZER 1939, 24) ‚wir knien uns hin[ab], um zu betenʻ

(ii) der dusei kxôut=ari (SCHWEIZER 1939, 34) ‚der Führer sagtʻ (in SCHWEIZER (1939, 34) übersetzt als ‚der Führer sagteʻ) Auch im Zimbrischen der Sieben Gemeinden sind Konstruktionen dieser Art belegt (vgl. hierzu BIDESE 2008, 88 und KRANZMAYER 1981, 268). Interessant sind diese Belege vor allem in der Hinsicht, dass die Entwicklung, die in den alemannischen Sprachinseln zu beobachten ist, auch in den zimbrischen Dialekten zumindest im Ansatz vorhanden zu sein scheint. Im Mòcheno scheint, wie im Zimbrischen von Lusern, die Reanalyse noch nicht eingesetzt zu haben. Man vgl. hierzu die beiden Belege unter (iii) aus ROWLEY (2003, 265), der als Beispiele für Vorkommen von „pleonastischen Subjektpronomen“ solche nennt, bei denen die präverbale NP als disloziert analysiert werden kann. Pleonastische Subjektpronomen scheinen vorwiegend mit fokussierten Subjektpronomen oder postverbalen Subjekt-NPs vorzukommen, wie es auch im Cimbro zu beobachten ist. In den slowenischen Minderheitensprachen in Nordostitalien hingegen scheint eine Situation vorzuliegen, die derjenigen in norditalienischen Dialekten sehr ähnlich ist (vgl. BENACCHIO 2005, 103 bzw. 104). (iii) a. b.

de profesorn sai’ sa òla braf? ‚sind die Lehrer alle brav? khennt er enkh vourstelln ir òndera ‚könnt ihr euch vorstellen?ʻ

259 Man vgl. ZÜRRER (1999, 338) für eine ausführliche Besprechung speziell dieses Beispiels.

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

Ein weiteres Indiz dafür, dass in den walserdeutschen Dialekten die Subjektklitika zunehmend als ambige Kongruenzmarkierer und nicht nur als anaphorische Pronomen fungieren, ist die Tatsache, dass in Frage-Antwort-Sequenzen eine Abfolge von finitem Verb + Subjektklitikon als natürlich empfunden wird (vgl. die Beispiele unter (209)).260 Auch solche Konstruktionen sind im Cimbro nicht belegt. (209)

a. na, schwetsen=dsch piemontese Issime (ZÜRRER 1999, 326) (Reden Vater und Mutter auch deutsch mit der Grossmutter?) ‚nein, sie reden Piemontesischʻ b. was hein=dsch ggässe? hein=dsch ggässe pullentu Issime (ebd.: 328) ‚was haben sie gegessen? sie haben Polenta gegessenʻ c. gein=i z schuel zam schtää Gressoney (ZÜRRER 1999, 326) (In welche Schule gehst du?) ‚ich gehe in Pont-Saint-Martin zur Schuleʻ

In den alemannischen Sprachinseldialekten kommt die Abfolge finites Verb + Subjektklitikon auch in finiten Nebensätzen vor. Das Subjektpronomen steht nicht (mehr) klitisch zur Konjunktion, sondern zum finiten Verb (vgl. (210)). Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Abfolge finites Verb + Subjektklitikon als eine Einheit empfunden wird, in der das Subjektklitikon die Kongruenzfunktion von gebundenen Personalendungen übernimmt (vgl. dazu auch GIACALONE RAMAT 1989, 42 und DAL NEGRO 2000, 36–37). (210)

a. ds morgen-tsch wen si=wer fertig gsi im gadä 261 ‚morgens, wenn wir fertig waren im Stallʻ b. worum i gsees, iich, wen gheer=i reedu miin pappa 262 ‚weil ich es sehe, wenn ich meinen Vater reden höreʻ

Formazza Gressoney

Um die Subjektklitika in den walserdeutschen Dialekten als ambige Kongruenzmarkierer auffassen zu können, fehlt ihnen jedoch, wenn man die Definition aus SIEWIERSKAS Kongruenztypologie heranzieht, ein wesentliches Merkmal: dasjenige der Obligatorität. Aus den Beispielen unter (211) ist ersichtlich, dass das Subjektklitikon z. B. in Frage-Antwort-Sequenzen fehlen kann. Die Abfolge finites Verb + Subjektklitikon, wie in den Beispielen unter (210) belegt, alterniert also in bestimmten Kontexten mit Verbformen, die lediglich mit Personalendun-

260 In den walserdeutschen Sprachinseldialekten von Issime und Gressoney besteht nach ZÜRRER (1999, 330) insbesondere bei der jüngeren Generation (den ab 1980 (Issime) bzw. 1975 (Gressoney) Geborenen) eine ausgeprägte Tendenz zur Konstruktion von Aussagesätzen mit Verbspitzenstellung + enklitischem Subjektspronomen. 261 Dieser Beleg ist DAL NEGRO (2004, 168) entnommen. 262 Dieser Beispielsatz stammt aus ZÜRRER (1999, 331).

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gen ausgestattet sind.263 In dem Satz in (211b) fehlt das Subjektklitikon genau in den Positionen, in denen es im Standarddeutschen und auch im Cimbro obligatorisch ist, also im Hauptsatz mit der Abfolge XV(S) und im eingeleiteten Nebensatz (in dem Beispiel (211b) handelt es sich um einen mit das eingeleiteten Relativsatz): (211)

a. woa ischt d vannu? ischt im ermiri Gressoney (ZÜRRER 1999, 352) ‚wo ist die Pfanne (= Kochtopf)? Sie ist im Schrank.ʻ b. un i hen geng gluoset un geng müüserut, dernoa zem hous hen noch als müüserut dei wüerter, das hen geng ghüart Issime (ebd.: 353) ‚und ich habe stets zugehört und danach zu Hause die Wörter, die ich immer (wieder) gehört habe, noch überlegtʻ (wörtl.: ‚und ich habe immer zugehört und immer nachgedacht, hernach zu Hause habe noch alles überlegt, diese Wörter, das habe immer gehörtʻ)

Im Cimbro ist das Fehlen eines pronominalen Subjektausdrucks in dem Kontext, in dem pronominale Inversion gefordert wird, nicht festzustellen (vgl. (174), (175) und (176)). Es bestehen neben den angeführten Gemeinsamkeiten also wesentliche Unterschiede zwischen den walserdeutschen Dialekten und dem Cimbro hinsichtlich der Distribution der Subjektklitika. Diese Unterschiede lassen sich vor dem Hintergrund der in Kapitel 4.1 vorgestellten Kongruenztypologie so deuten, dass dem Cimbro nach wie vor ein grammatisches Subjektkongruenzsystem (wie dem Standarddeutschen) zugrunde liegt, während die walserdeutschen Dialekte mehr dem ambigen Kongruenzsystem des Italienischen gleichen.264 In erster Linie die Kookkurrenz von betontem Subjektpronomen bzw. lexikalischer Subjekt-NP und der Abfolge finites Verb + enklitisches Subjektpronomen im Hauptsatz mit SV(O)-Stellung und das gehäufte Vorkommen des enklitischen Subjektpronomens am finiten Verb im deklarativen Hauptsatz mit Verbinitialstellung in FrageAntwort-Sequenzen und im eingeleiteten Nebensatz sprechen dafür, dass die Subjektklitika als Kongruenzmarkierer in den walserdeutschen Dialekten einen anderen Status haben als im Cimbro. Letztlich ist aber eine Aussage wie „in walserdeutschen Dialekten sind enklitische Subjektpronomen ambige Kongruenzmarkierer“ genauso pauschalisierend und damit verfehlt wie die Aussage „enclitic pronouns are reanalyzed as verbal agreement suffixes in inversion contexts“ (vgl. FUSS 2005, 177). Es handelt sich nicht um einen bereits abgeschlossenen Reanalyseprozess (wie z. B. bei der Endung -s im (Binnen-) 263 Die Auslassung des pronominalen Subjekts ist laut ZÜRRER (1999, 353) vor allem ein Charakteristikum der Sprechweise jüngerer SprecherInnen (vgl. hierzu auch GIACALONE RAMAT 1992, 325). 264 Auch FUSS (2005, 174) stellt fest, dass im Zimbrischen von einem frühen Stadium der Grammatikalisierung von neuen verbalen Kongruenzmarkierern gesprochen werden muss. Nicht zuzustimmen ist jedoch seiner an gleicher Stelle vorgebrachten Aussage, dass im Zimbrischen clitic doubling beschränkt sei auf nicht-eingebettete Sätze.

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Bairischen bei der 2. Person Plural), sondern um eine (noch) andauernde Entwicklung. Im gegenwärtigen Stadium erweisen sich – zumindest im walserdeutschen Dialekt von Gressoney – „finite Verbformen mit oder ohne Enklise [...] als Varianten [...], die in gewissem Umfang austauschbar sind“ und somit „als äquivalente Alternativen gelten“ können (vgl. ZÜRRER 1999, 356).265 Die Ähnlichkeit zum ambigen Kongruenzsystem des (Standard-)Italienischen besteht vor allem darin, dass allein die Personalendungen als primäre und ambige Kongruenzmarkierer die Übereinstimmungsrelation leisten (vgl. (211a)). Gleichzeitig besteht eine Ähnlichkeit zu den norditalienischen Dialekten, indem die Subjektklitika als sekundäre und ambige Kongruenzmarkierer erscheinen. Man vgl. hierzu (208c) im Zusammenhang mit (209c) und (210b).266 Diese Feststellung abstrahiert von der Stellung der Subjektklitika, d. h. von der proklitischen (in den norditalienischen Dialekten) vs. enklitischen in den Südwalser Dialekten. 4.2.5 Zusammenfassung Was die Personalendungen im Cimbro angeht, handelt es sich dabei um grammatische Kongruenzmarkierer. Dies ergibt sich aus der weitgehenden Übereinstimmung mit dem (Standard-)Deutschen hinsichtlich der Beschränkungen der Auslassbarkeit von Subjektpronomen. Auf der Ebene der Pronominalformen zeigt sich ein komplexeres Bild. Die Subjektklitika des Cimbro stehen, anders als die entsprechenden Pronomen im (Standard-)Deutschen, nicht in allen Kontexten in komplementärer Distribution zu referenzidentischen nominalen NPs. Dadurch kommt die Frage auf, ob in diesen Kontexten davon auszugehen ist, dass die Subjektklitika sich zu einer Art ambige Kongruenzmarkierer entwickeln. In den umgebenden norditalienischen Dialekten, die auf der Ebene der gesprochenen Sprache als modellsprachlich für das Cimbro angesehen werden können, handelt es sich bei den Subjektklitika um nicht-kanonische Ausprägungen ambiger Kongruenzmarkierer, da die Subjektklitika als targets der Kongruenzbeziehung weder in allen Kontexten obligatorisch auftreten noch flexivisch gebunden sind. Ersteres steht mit der Realisierung des Subjekts (als lexikalische NP, als Indefinitpronomen, Quantor) und mit seiner relativen Stellung zum Verb (prä- oder postverbal) in Zusammenhang, der zweite Punkt betrifft die variable Position der Subjektklitika in Abhängigkeit des Satzmodus (deklarativ vs. interrogativ). Subjektklitika im Cimbro erfüllen in wesentlichen Punkten die Funktion von anaphorischen Kongruenzmarkierern. Subject doubling ist ein Phänomen, das insbesondere in Konstruktionen zur Fokussierung des Subjekts vorkommt und auf die Integration eines modellsprachlichen Verfahrens via Lehnübersetzung zurück265 Man vgl. ZÜRRER (1999, 355–357) zu Ergebnissen einer von ihm durchgeführten Befragung, die die Gleichwertigkeit der Formen belegen. 266 DAL NEGRO (2004, 165–166 und 221–222) stellt Ähnliches im Zusammenhang des von ihr untersuchten Dialekts von Formazza, wie er von der jüngeren Generation gesprochen wird, fest.

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zuführen ist. Das Cimbro weist in Bezug auf subject doubling in struktureller Hinsicht eine frappierende Ähnlichkeit zu rätoromanischen Dialekten mit V2Beschränkung (wie den bündnerromanischen) auf. Eine Parallele zwischen dem Cimbro und den bündnerromanischer Varietäten ist ferner darin zu sehen, dass es jeweils zur Ausbildung eines satzintern auftretenden expletiven Elements kam, das als expletives Subjekt angesehen werden kann. Ein Vergleich des Cimbro mit den Südwalser Dialekten zeigt, dass dem Cimbro nach wie vor ein grammatisches Subjektkongruenzsystem zugrunde liegt, während die walserdeutschen Dialekte mehr dem ambigen Kongruenzsystem des Italienischen gleichen. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie sich in spezifischer Weise vom grammatischen Kongruenzsystem, wie es uns im Standarddeutschen vorliegt, weg entwickelt haben. 4.3 OBJEKTKLITIKA ALS KONGRUENZMARKIERER SIEWIERSKA (1999) fasst die von ihr differenzierten Kongruenztypen – anaphorische, ambige und grammatische Kongruenz – auch als Phasen eines Grammatikalisierungsprozesses auf. Nach ihrer Auffassung baut diachron gesehen die Entstehung eines grammatischen Kongruenzsystems auf einem ambigen Kongruenzsystem auf. In den Sprachen der Welt ist Objektkongruenzmarkierung, die dem Typ grammatische Kongruenz entspricht, nicht belegt.267 Objektkongruenzmarkierer sind demnach entweder anaphorisch oder ambig. SIEWIERSKA (1999, 237) führt die Papua-Sprache Anêm an als Beispiel für den Sprachtyp, bei dem sowohl A (= agentive transitive argument) als auch O (= patient transitive argument) als gebundene, d. h. entweder flexivisch oder klitisch realisierte Kongruenzmarkierer auftreten (vgl. die Beispiele unter (212)). (212)

a. tita-nai u-b-î Vater-mein 3.Sg.-schlägt-3.Sg. ‚Mein Vater schlägt das Schwein.ʻ b. u-b-î ‚Er schlägt es.ʻ

aba Schwein

Anêm268

clitic doubling-Konstruktionen wie sie in (139) für das Cimbro, in (140) für das Bairische, in (142) für das Friaulische, in (213a/b) für das Spanische und in (213c) für das Trentinische nachweisbar sind, werfen die Frage auf, inwiefern wir es hier mit einer ambigen Kongruenzmarkierung zu tun haben, und wenn ja, unter welchen Bedingungen diese Kongruenzmarkierung auftritt. Im Spanischen z. B. ist clitic doubling des direkten Objekts, das präpositional markiert ist, nur dann obligatorisch, wenn es ein Personalpronomen ist (vgl. (213a) vs. (213b)). Im Trenti267 Vgl. die Übersicht in SIEWIERSKA (1999, 235). 268 Die Beispielsätze in (212) stammen aus THURSTON (1982, 16), zitiert nach SIEWIERSKA (1999, 237).

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nischen ist clitic doubling mit dem indirekten Objekt obligatorisch und zwar ohne Einschränkung (vgl. (213c)).269 (213)

a. (Lo) vimos a Pedro. b. *(Lo) vimos a él. Spanisch270 3.Sg.Akk.m. sah Präp. P. 3.Sg.Akk.m. sah Präp. 3.Sg.Nom.m. ‚Ich sah Pedro.ʻ c. *(Ghe) dago el regal al Mario / a elo. Trentinisch 3.Pers.Dat.kl. gebe das Geschenk Präp. M. / Präp. 3.Sg.m. ‚Ich gebe Mario das Geschenk. / Ich gebe das Geschenk ihm.ʻ

In den folgenden Kapiteln geht es vor allem um die Frage, unter welchen Bedingungen im Cimbro clitic doubling vorkommt. Den Begriff clitic doubling fasse ich hier (ebenso wie subject doubling oben) sehr weit. Es sollen damit alle Konstruktionen abgedeckt werden, in denen ein Objektklitikon als Kopie einer nominalen/pronominalen Konstituente innerhalb einer Äußerung aufgefasst werden kann. Inwieweit diejenige nominale/pronominale Konstituente, die als Objektklitikon am Verb (oder am Nebensatzeinleiter) wiederaufgenommen oder vorweggenommen wird, zur selben Kernprädikation gehört, oder es sich dabei um eine links- oder rechtsversetzte, appositive Konstituente handelt, spielt bei der Verwendung dieses Begriffs zunächst keine Rolle. Auch im Objektbereich werde ich auf Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Varietäten, mit denen das Cimbro in einer sprachverwandtschaftlichen bzw. kontaktsprachlichen Beziehung steht, eingehen. In Bezug auf die kontaktsprachlichen Beziehungen des Cimbro wird wieder eine arealtypologische Perspektive eingenommen. In den Vergleich werden also nicht nur die unmittelbaren Kontaktvarietäten des Cimbro einbezogen (wie z. B. das Trentinisch-Venetische), sondern auch die rätoromanischen Dialekte. Beginnen werde ich mit dem Großraumdialekt im geschlossenen deutschen Sprachraum, mit dem das Cimbro in genetischer Beziehung steht, dem Bairischen. 4.3.1 Gibt es im Bairischen clitic doubling? Hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage stehen sich zwei extreme Positionen gegenüber. Einerseits behaupten MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990, 413): „The use of double object pronouns in Bavarian [...] is frequent.“ Andererseits stellt WEISS (1998, 114–115) fest, dass es im Bairischen kein clitic doubling gibt. Beispiele wie unter (140) und (214) finden in der neueren Literatur entweder be269 Man vgl. hierzu CORDIN (1993, 130): „The doubling is obligatory and not constrained by semantic features of the referent such as [+/ - human], [+ / - animate] [...] neither by features such as [+ / - specific] or [+ / - pronominal].“ 270 Die Beispiele in (213) sind CORDIN (1993, 131) entnommen. Die Form des Dativklitikons der 3. Person (Sg./Pl., m./f.) lautet auch im Venetischen ghe, vgl. BENINCÀ / VANELLI (1984, 166).

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wusst keine Beachtung271, oder sie werden im Zusammenhang mit Sprachkontaktbzw. Sprachbundphänomenen im Alpenraum zitiert.272 (214)

Wart! i sàg də’s glei’ diər! Bairisch (SCHMELLER 1821, 191)

MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990) sind die ersten, die der Frage nach den Beschränkungen für das ihrer Meinung nach im Bairischen häufig vorkommende Phänomen nachgehen. Sie bewerten die clitic doubling-Konstruktionen unter (215), die geringfügig veränderte Varianten derjenigen unter (140) und (214) darstellen, als ungrammatisch. (215)

a. *Wårts, i såg enk’s glei enk! b. *Ins bringt ins kõãna aus’m Heisl!

Die Erklärung für die Ungrammatikalität der genannten Beispiele liegt ihrer Meinung nach in den paradigmatischen Lücken der Objektklitika: „[...] in Bavarian the few pronouns that allow only strongly emphatic forms cannot be doubled.“ Die Tatsache, dass es im (Mittel-)Bairischen weder zu dem Dativpronomen der 2. Person Plural (vgl. (215a)) noch zu dem Akkusativpronomen der 1. Person Plural (vgl. (215b)) eine entsprechende enklitische Form gibt (vgl. ALTMANN 1984, 197), sei die Erklärung für die Ungrammatikalität der Sätze. Unter der Annahme, dass diese Beschränkung tatsächlich ausschlaggebend ist, müsste daraus geschlossen werden können: Eine clitic doubling-Konstruktion ist im Bairischen möglich, wenn zu einem betonten Objektpronomen eine klitische Form existiert. Unter dieser Voraussetzung würde man erwarten, dass clitic doubling z. B. bei den Akkusativpronomen der 3. Person Singular fem. (vgl. (216a)) und der 3. Person Plural (vgl. (216b)) möglich sein müsste. Wie die Ungrammatikalität bzw. Unakzeptabilität der folgenden Beispiele zeigt, ist die von MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990) formulierte Beschränkung nicht entscheidend. (216)

a. *si: bringt=s koana aus’m Heisl b. *se: bringt=s koana aus’m Heisl

Dass clitic doubling-Konstruktionen wie unter (140) und (215) im Bairischen möglich sind, hängt vielmehr mit ihrem Idiomatisierungsgrad zusammen. Um ein grammatikalisiertes Verfahren zur Fokussierung handelt es sich jedenfalls nicht (wie etwa in den norditalienischen Dialekten), sonst wäre zu erwarten, dass ein betontes Objektpronomen auch dann verdoppelt werden kann, wenn es im Mittelfeld steht (wie in (217a) und (217b)) oder es sich um nicht-idiomatisierte Ausdrücke handelt (wie in (217b/c/d)). Die Sätze unter (217b) und (217c) sind jeweils nur dann akzeptabel, wenn das enklitische Objektpronomen fehlt. Die Sätze unter 271 Vgl. z. B. WEISS (1998, 115). 272 Vgl. MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990, 413) und SEILER (2004).

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(217a) und (217d) werden dann akzeptabel (für unterschiedliche Kontexte), wenn einer der pronominalen Ausdrücke fehlt. (217)

a. *Heint’ze’dogs bringt=me mi: koa Mensch mear aus’m Heisl. b. *Ea schenk(t)=da=s dia, und net mia. c. *Mi griasst=me d’Nachbaren allawei recht freindle. d. *Mia gfoit=ma de:s liadl.

Clitic doubling ist im Bairischen also äußerst beschränkt und zudem in umfangreichen textbasierten Untersuchungen wie PATOCKA (1997) und WERNER (1995) nicht belegt.273 Es zeigt sich, dass sich die von MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990) formulierte Einschränkung nicht als hilfreich erweist, um zu akzeptablen Konstruktionen mit „double object pronouns“ zu gelangen. Vielmehr handelt es sich dabei um lexikalisierte Ausdrücke, die (bisher) im Bairischen kein Muster für Erweiterungen im Bereich der regelgeleiteten grammatischen Konstruktionen abgeben.274 Die satzinitiale Stellung eines direkten Objekts ruft im Bairischen keine pronominale Wiederaufnahme hervor (vgl. (218a)). Bei einer Linksversetzung, bei der z. B. ein direktes Objekt an den Satzanfang gestellt wird, handelt es sich um eine tatsächliche Herausstellung in ein extra-sententiales Feld. Auf clause-Ebene, d. h. in der Kernprädikation, wird die linksversetzte Konstituente durch ein pronominales Korrelat wieder aufgenommen. Die pronominale Wiederaufnahme geschieht im Deutschen mittels eines präverbal stehenden Demonstrativpronomens, auch Topikpronomen genannt (vgl. (218b) aus PATOCKA 1997, 384).275 (218)

a. a Sålz nimmt ma hålt mit auffi (PATOCKA 1997, 192) [??nimmt=ma=s] b. de Stråßn und åis, de Ààto, des håt s jå åis net gebm ba uns

In den folgenden Kapiteln wird der Frage nachgegangen, ob Bedingungen für das Auftreten von object clitic doubling im Cimbro formuliert werden können und inwiefern sie mit denjenigen der Modellsprache bzw. der (alpen-)romanischen 273 Dies kann jedoch auch daran liegen, dass sowohl PATOCKA (1997) als auch WERNER (1995) als empirische Basis monologische Texte zugrunde legen und nicht Texte mit dialogischer Interaktion. 274 Meines Erachtens handelt es sich bei dem Typ von clitic doubling speziell in dem Beispiel (214) (Wart! I sag da's glei diar!) um eine Art double articulation, wie sie PLANK (2003, 374) beschreibt. Sie kommt im Zusammenhang mit Beschimpfungen häufig vor, vgl. i wia=da=s glei zoing dia; dia wia+r=e=s glei zoing dia. Auch die Tatsache, dass im Kontrast-Fokus clitic doubling nicht akzeptabel ist (vgl. (217b)) spricht eher dafür, die von SCHMELLER (1821) und MAYERTHALER / MAYERTHALER (1990) angeführten clitic doublingBelege im Bereich der idiomatisierten Konstruktionsschemata anzusiedeln. 275 PATOCKA (1997, 378–393) bietet einen Überblick über das Phänomen der Linksversetzung im Bairischen.

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Varietäten übereinstimmen. Clitic doubling mit pronominalen Objekten wird dabei getrennt behandelt von den nominal realisierten Objekten. Den Partitivkonstruktionen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. 4.3.2 Clitic doubling im Cimbro 4.3.2.1 Personalpronomen und clitic doubling Wie schon BACHER (1905) feststellt, löst ein in präverbaler Position stehendes betontes Objektpronomen stets clitic doubling aus, unabhängig von Kasus, Numerus oder Person:276 (219)

a. mī ʃik ɒr mə, mī hat ɒr mə gəʃäk (BACHER 1905, 201) ‚mich sieht er [mich], mich hat er [mich] gesehenʻ b. umbrom s=is=ta drin gest mearar psychologia un miar hat=s=mar gevalt mearar (Sara) ‚denn es hatte mehr mit Psychologie zu tun und mir hat es [mir] besser gefallenʻ c. i tüa dɒr nicht, ombrom di hat də da gəvüart got dɒr hear« 277 ‚ich tu dir nichts, denn dich hat [dich] Gott hierher geführt« d. īmən lirnt ɒr ən ən wägə (BACHER 1905, 201) ‚ihm zeigt er [ihm] den Wegʻ e. iar mat=ar=ar net gem in pak (Quest) ‚ihr kann er [ihr] das Paket nicht gebenʻ f. umbrúm īmən ándarn nimp-'s-ən nīamat aus von kopf, ke ... 278 [denn ihnen[anderen] nimmt es [ihnen] niemand aus vom Kopf, dass...] ‚denn sie bringt niemand davon ab, dass...ʻ

Aber auch in postverbaler Position stehende betonte Objektpronomen werden von kongruierenden Objektklitika vorweggenommen. Es besteht jedoch gerade bei der 2. Person Singular, die z. B. im Friaulischen immer clitic doubling verlangt, wenn ein betontes Pronomen im Satz enthalten ist, keine Obligatorität im Cimbro (vgl. (221e)). (220)

a. du hast=me geböllt vressan mi (Sara)

276 Man vgl. BACHER (1905, 201): „Wenn das an der Spitze des Satzes stehende Objekt ein Personalpronomen ist, so hat es stets die (betonte) Hauptform und die unbetonte Nebenform muß im Verlaufe des Satzes eingefügt werden.“ TYROLLER (2003, 200) behauptet: „Ein Objekt übernimmt die Position vor dem Verbkomplex nur sehr selten, es steht fast immer postverbal.“ Man vgl. hierzu die in TYROLLER (2003, 226) angeführten Beispiele. 277 Das Beispiel stammt aus BACHER (1905, 98). 278 Das Beispiel stammt aus BACHER (1901, 294).

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‚du hast [mich] MICH fressen wollenʻ b. Lat mars miər diza kin! (BACHER 1900, 313) ‚laßt [mir] [es] MIR dieses Kind!ʻ (221)

a. i si=de di (Quest) (Vedo te.) ‚ich sehe [dich] DICHʻ b. i bin content z sega=de di un di doinen (Quest) ‚ich freue mich, dich und die deinen (= deine Verwandten) zu sehenʻ c. i helf=dar herta diar un doin bruadar (Quest) (Aiuto sempre te e tuo fratello.) ‚ich helfe [dir] immer DIR und deinem Bruderʻ d. dɒ gib ə dɒr diar ō u͂as ɒ pröatlə (BACHER 1905, 95) ‚hier gebe ich DIR [dir] auch ein Brötchen (wörtl. ‚eines ein Brötchenʻ)ʻ e. i rede diar (Quest) (Parlo a te.) ‚ich spreche (zu) DIRʻ

Auch bei der 1. Person Plural muss im Cimbro das betonte Personalpronomen z. B. in der Funktion des indirekten Objekts nicht in Form einer enklitischen Kopie am finiten Verb vorweggenommen werden (vgl. (222a) vs. (222b)). Aus der Variation zwischen (222a) und (222b) könnte man schließen, wir hätten es auch hier mit einem Kontext zu tun, in dem das Subjektenklitikon ein Objektenklitikon „überbietet“, vgl. (222a)279. Dass dem jedoch nicht so ist, zeigt (222c), wo keine pronominale Vorwegnahme stattfindet, aber auch kein Subjektklitikon interveniert. (222)

a. un alora lassan=sa di kindar üs (Sara) ‚und dann (über)lassen sie die Kinder unsʻ b. ringraziart=as üs un net se (Quest) (Ringraziate noi, non loro.) ‚dankt uns und nicht ihnenʻ c. get üs di solde un net imenondarn / get di solde üs un net imenondarn (Quest) ‚gebt UNS das Geld und nicht ihnen / gebt das Geld UNS und nicht ihnenʻ

Zum selben Ergebnis kommt man beim Vergleich der Beispiele zur 3. Person, wenn man z. B. (223c) (mit clitic doubling) und (223d) (ohne clitic doubling) vergleicht: 279 Man vgl. hierzu die Diskussion der Beispiele unter (187) im Zusammenhang der pronominalen Vorwegnahme des Subjekts in Kap. 3.2.3.2

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(223)

209

a. un dopo hat=ar=se gemacht bekhan si o (Cesarina) ‚und dann hat er [sie] auch sie das Backen gelehrtʻ b. i hon vorgesst si un soi tschellen (Quest) (Ho dimenticato lei e la sua amica.) ‚ich habe SIE und ihre Freundin vergessenʻ c. »... ke aür tochtɒr ha(b)t ɒr ʃ' ən vorhoast imən ...« 280 ‚»... dass ihr [sie] [ihm] eure Tochter IHM versprochen habt,... «ʻ d. i gibe s geschenk imen (Quest) (vgl. Trentinisch: *(Ghe) dago el regal a elo.) ‚ich gebe das Geschenk IHMʻ e. umbrom grüast=ar lai se un net üs? (Quest) (Perché salutate solo loro e non noi?) ‚warum grüßt ihr nur sie und nicht uns?

Die mit -andar(n) erweiterten Formen können zwar Auslöser für clitic doubling sein (vgl. (224)), aber auch hier gilt keine Obligatorität (vgl. (225)): (224)

a. un est moch=bar=s=en gem imenondarn (Ida) ‚und jetzt müssen wir es [ihnen] IHNEN geben’ b. ma get=san=as bodrum üsondarn o« (Iolanda) ‚aber gebt auch UNS (welches) [seiner] zurück«

(225)

on as ɒr las gəʃunt aüch-andrə on aür tochtɒr ō, ... (BACHER 1905, 90) ‚und dass er euch und auch eure Tochter gesund erhalte, ...ʻ

Die unmittelbare Kontaktvarietät des Cimbro, das Trentinische, kennt clitic doubling obligatorisch für alle Dativobjekte, d. h. für präpositional markierte nominale NPs und für betonte Dativpronomen. Clitic doubling ist dabei unabhängig von der Position des Dativobjekts.281 Das Cimbro weist im Bereich der Personalpronomen ebenfalls eine solche Tendenz auf, jedoch lösen nur die satzinitialen Objektpronomen obligatorisch die pronominale Wiederaufnahme aus. Welche Faktoren genau clitic doubling bei postverbal stehenden betonten Objektpronomen auslösen, ist noch nicht ganz verstanden und bedarf noch einer genaueren Untersuchung. In diese sollten dann auch die Verhältnisse im finiten (vgl. (225)) und infiniten Nebensatz (221b) einbezogen werden. Clitic doubling im Cimbro mit nominal realisierten direkten Objekten lässt ein klareres Muster erkennen. 280 Das Beispiel stammt aus BACHER (1905, 90). 281 Auch im Friaulischen liegt obligatorisches clitic doubling von Dativobjekten vor. Darüber hinaus ruft das Vorkommen eines betonten deiktischen Pronomens clitic doubling hervor, wie folgendem Zitat aus BENINCÀ (1989, 582) zu entnehmen ist: „[...] i pronomi tonici di 1a e 2a sg. e pl., come pure tutti i compl. ogg. indir. dativi, hanno obbligatoriamente una copia clitica anche se non sono spostati.“

210

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4.3.2.2 Direktes nominales Objekt BENINCÀ (1988) unterscheidet für das Italienische zwischen Linksversetzung (dislocazione a sinistra) und Topikalisierung (topicalizzazione). Die Topikalisierung zeichnet sich dadurch aus, dass das an den Satzanfang gerückte Akkusativ-Objekt im (Kontrast-)Fokus steht (vgl. (226a) vs. (226c) aus BENINCÀ 1988, 153 bzw. 154). In diesem Fall findet keine pronominale Wiederaufnahme statt. (226)

a1. a2. b. c.

Questa rivista, la compra il nonno. Mario, lo vedo sempre. *Questa rivista, compra il nonno. QUESTA RIVISTA, compra il nonno, (non quella).

Wie schon in Kapitel 3.4.1.2 gezeigt, unterscheiden sich die romanischen Varietäten des Alpenraums dahingehend, ob sie ein satzinitiales direktes Objekt pronominal wiederaufnehmen oder nicht (vgl. hierzu die Beispiele unter (90)). Während die meisten romanischen Varietäten mit dem Standarditalienischen konform gehen, weisen diejenigen mit V2-Beschränkung kein resumptives Pronomen auf, unabhängig davon, ob das direkte Objekt fokussiert ist oder nicht. Es wurde in diesem Zusammenhang schon angedeutet, dass das Cimbro diesbezüglich mehr den umgebenden norditalienischen Dialekten und damit auch dem Standarditalienischen gleicht. Im Folgenden soll dies näher ausgeführt werden. Ich werde dabei die Termini Linksversetzung und Topikalisierung entsprechend der Festlegung von BENINCÀ (1988) gebrauchen. 4.3.2.2.1 Linksversetzung Ist der Referent, auf den mittels eines nicht-fokussierten präverbalen AkkusativObjekts referiert wird, bereits in den Diskurs eingeführt, erfolgt die pronominale Wiederaufnahme (vgl. (227) bis (231)). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei der linksversetzten nominalen Konstituente um eine definit (227), (228) oder indefinit (229), (230) markierte NP handelt. Sie werden jeweils mit kongruierenden Personalpronomen wiederaufgenommen.282 282 Von den 30 Belegen dieser Konstruktionsweise, die in meinem Korpus vorkommen, seien hier zwei zusätzliche Belege angeführt, die deshalb von Interesse sind, da die linksversetzte NP über keine Kasusmarkierung (als Akkusativ-Objekt) verfügt. Ich vermute, dass sich hier die Anfänge einer sich möglicherweise entwickelnden Nivellierung der Kasusopposition Nom:Akk abzeichnet. (i)

un dar wintsche schnea bo=da is gest hat=s=en vortgemacht gian (Ada) ‚und das bisschen Schnee, den es gab, hat es {das Regnen} [ihn] fortgehen lassenʻ

(ii) alora dar ruman hat=ma=(e)n net gemat essan aso (Gisella) ‚und den Rahm konnte man [ihn] nicht so (einfach) essenʻ

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211

(227)

bar sain gest in tausank passart laüt inar/ vor in kriage, in kriage von viarzenar vüchzenar, un sain gest arme arme laüt, herta õ pin fötsch, de fötsch han=sa=se gemacht pit alte dekhan, di waibar dahuam (Cesarina) ‚wir waren über 1000 Leute vor dem Krieg, dem Krieg von (19)14 (19)15, und wir waren sehr arme Leute, immer hatten (wir) die Fötsch [= Filzschuhe] an, die Fötsch haben sie [sie] mit alten Decken gemacht, die Frauen zu Hauseʻ

(228)

alora sai=bar gont un hon=en gestolt in ruman [...] alora pero als Strafe hat=ar köt escht hoint meket=ar schmalz. alora in ruman hat=ma=(e)n gelek drin in a söttan kübl (Gisella) ‚dann sind wir gegangen und haben ihm den Rahm gestohlen [...] aber als Strafe, hat er gesagt, jetzt heute macht (wörtl. ‚schlagt‘) ihr Butter. und den Rahm hat man [ihn] in ein(en) solchen Kübel hineingelegt [...]ʻ

(229)

dopo hat=s get283/ hat=s get dise djar zikln pit holz o, ma gemacht mit pretla. un dise ha(t)=ma=se genützt vor di milch. in a zikl/ a zikl nützt=ma=se herta tso nema epas liquido (Gisella) ‚dann gab es/ gab es damals auch Eimer aus Holz, aber gemacht mit Brettlein. und diese hat man [sie] für die Milch benutzt [...] eine Zikl (be)nutzt man [sie] immer, um etwas Flüssiges zu fassenʻ

(230)

Int.284 un bia hat=ma kent sai goas [...] hat=ma da g(e)hat a glökle oda(r) a farb? Ida: no, zo kenna=se? Int. zo kenna=se ah no no. da han=se gekent all(e) / a glökle han=s(a)=es gehat quasi alle di goas, ja (Ida) ‚oh nein, nein. sie haben [sie] {die Ziegen} alle gekannt. ein Glöcklein hatten [sie] [es] quasi alle Ziegenʻ

Bei artikellosen nicht-pluralfähigen Massennomina fungiert das Partitivpronomen san ‚davonʻ als resumptives Pronomen (vgl. (231)). (231)

s is gest taür, ma insomma/ ma almeno hat=ma gehat dasel, ke mel ha(t)=ma=san gehat. ha(t)=ma gekocht sai pult (Iolanda) ‚es {das Mehl} war teuer, aber immerhin/ aber zumindest hatte man das[selbe], sodass man Mehl hatte. hat man (sich) [seine] Polenta gekochtʻ

283 Dass die Informantin in dieser Existentialkonstruktion ‚es gibtʻ gebraucht, ist erklärbar aufgrund ihrer Kenntnis des Standarddeutschen und des (Binnen-)Bairischen. Sie hat eingie Zeit in München und Bozen gelebt. 284 Bei den mit Int. (= Interviewer) gekennzeichneten Äußerungen handelt es sich um Versuche der Verfasserin, einer Lernerin, Cimbro zu sprechen.

212

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Ebenso werden präverbale Demonstrativpronomen in der Funktion des direkten Objekts mit enklitischen Personalpronomen wiederaufgenommen; man vgl. die Beispiele unter (232) mit den folgenden linksversetzten Demonstrativpronomen: in (a): dasel (Sg.Akk.n.), in (b): insel (Sg.Akk.m.), in (c): diseln (Pl.Akk.), in (d): diza (Sg.Akk.n.) (vgl. auch dise (Pl.Akk.) in (229) oben): (232)

a. s is=ta dasel von Tüsele Marüsele. dasel kontarn=sa=s no herta (Ada) ‚es gibt das {Märchen} vom Tüsele Marüsele. das[selbe] erzählen sie [es] noch immerʻ b. un vert alora hon=e gehat in/ in test. un insel hon=en passart (Sara) ‚und voriges Jahr dann hatte ich den Test. und den habe ich [ihn] bestandenʻ c. magari diseln bo=da soin gevalt danidar han=sa=dar=se au gelat lesan (Ada) ‚wohl diejenigen {Äpfel}, die hinunter gefallen sind, haben sie dir [sie] auflesen lassenʻ d. alora diza gedenk=e=s ke ... (Ada) ‚also (daran) [dieses] erinnere ich [es] (mich), dass...ʻ

Hingegen wird das Indefinitpronomen epas ‚etwasʻ in der gleichen syntaktischen Position und Funktion nicht pronominalisiert: (233)

a. »Beŋ, ép as mö-ədar gē'm als ū͂as« (BACHER 1901, 36) ‚ »Nun, etwas muss ich dir doch geben. «ʻ b. escht woase ke epas hast=(d)o gesst (Ida) ‚jetzt weiß ich, dass du etwas gegessen hastʻ

Auch ein präverbal positioniertes direktes Objekt, das den extraponierten Teil einer floating quantifier-Konstruktion mit dem Indefinitpronomen ‚keinʻ darstellt, wird nicht durch ein enklitisches Personalpronomen oder Partitivpronomen am finiten Verb vertreten, wie die folgenden Belege zeigen: (234)

a. un mel hat=ar=as get kummas (Iolanda) ‚und Mehl hat er uns keines gegebenʻ b. ondre storje woas=e kuane (Ida) ‚andere Geschichten weiß ich (nicht) [keine]ʻ c. ma lezəs ha(b)m ʃɒ khu͂as gəmök khö(d)n (BACHER 1905, 96) ‚aber Schlechtes konnten sie (nichts) (wörtl. ‚keines‘) sagen

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213

4.3.2.2.2 Topikalisierung In der Dialogsequenz unter (235), wo es um die Frage geht, welche landwirtschaftlichen Produkte verkauft wurden und welche vorwiegend dem eigenen Verzehr dienten, kommt in der Antwort der Gewährsperson zum Ausdruck, dass, ebenso wie im (Standard-)Italienischen, die kontrastierende Fokussierung des präverbalen direkten Objekts eine Bedingung für das Ausbleiben der pronominalen Wiederaufnahme ist. (235)

Int. s schmalz und di öala, isma gant ka tal zo vokoavase oda(r) hatmas genützt selbart? ‚die Butter und die Eier, ist man ins Tal gegangen, um sie zu verkaufen oder hat man es selbst gebraucht? no di laüt han=s genützt selbart. in kes hat=ma vokoaft (Ada) ‚nein, die Leute haben es selbst gebraucht. den Käse hat man verkauftʻ

Kontrastive Fokussierung des präverbalen direkten Objekts ist im Cimbro jedoch nicht die einzige Bedingung für das Ausbleiben der pronominalen Wiederaufnahme285. Die Fokussierung mit Intensifikatoren wie die ihrem Bezugswort stets nachgestellte Partikel o ‚auchʻ (vgl. (236) und (237a)) oder dem vorangestellten proprio ‚ausgerechnetʻ (vgl. (237b)) reicht dafür aus. (236)

schmalz o hat=ma vokoaft (Ada) ‚auch Butter hat man verkauftʻ

Demonstrativpronomen verhalten sich in dieser Hinsicht nicht anders als lexikalisch gefüllte Nominalphrasen, wie die folgenden Beispiele zeigen: (237)

a. dasel o han=sa kontart (Ada) ‚auch das[selbe] haben sie erzähltʻ b. de hetat gehat ondre o, ma propio insel hat=se geböllt (Ida) ‚die hätte auch andere {Verlobte} haben können, aber ausgerechnet den(selben) hat sie gewolltʻ

285 In diesem Zusammenhang scheint es mir notwendig darauf hinzuweisen, dass in einer Kontrastierung „auf der Textebene“, d. h. in einer zum vorhergehenden Kontext kontrastierenden Aussage, die nicht als Widerspruch, sondern als ergänzende Hinzufügung zu deuten ist und mit Konnektoren wie inveze ‚hingegen, jedoch‘ angeschlossen wird, ein präverbales direktes Objekt am finiten Verb pronominalisiert wird: (i)

un di diarn inveze hon=e=se gehat zo nar/ zo nar schbegaren (Iolanda) ‚und das Mädchen jedoch habe ich [sie] (bei) [zu] einer Schwägerin gehabt‘

(ii) di zuman inveze hat=ma=se genützt zo giana no in patatn (Gisella) ‚die Körbe hingegen hat man [sie] benutzt, um [nach] Kartoffeln (sammeln) zu gehen‘

214

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In den folgenden Beispielen (238) und (239) ist das Ausbleiben der pronominalen Wiederholung des präverbalen direkten Objekts aufgrund des Fehlens von Intensifikatoren bzw. eines kontrastierenden Kontextes weniger eindeutig auf eine Fokussierung des direkten Objekts zurückzuführen als bei den bisher angeführten Beispielen: (238)

»ja ja«, hat=ar köt, »i mach=dar=se hom subito di freikarte« [...] alora is=ar kent alla kontent ke est hat=ar di freikarte zo kema iar ka Boazan. un ben dar is gest sem afnar strase is=ta gebest a/ an/ a söttan dings/ sötta kast sem, han=sa ingelek an pfenik oda(r) bas=es is gest un ista auvarkent a sketele fulminent [...]286 »gea=bar lai in in treno« hat=ar köt »umbrom di freikarte han=e un piu han=e an huat fulminent o« (Ida) ‚»ja ja«, hat er {der Bahnvorsteher} gesagt, »ich mache sie dir sofort, die Freikarte [...]« dann war er [= der Vater der Erzählerin] ganz glücklich, weil jetzt hat er die Freikarte, um [herein] nach Bozen zu fahren [kommen]. und als er dort auf der Straße war, war da ein solches Ding, solcher Kasten dort, haben sie einen Pfennig oder was es war hineingelegt und es kam ein Schächtelchen Streichhölzer heraus [...] »gehen wir gleich in den Zug«, hat er gesagt, »denn die Freikarte habe ich und dazu habe ich auch einen Hut (voll) Streichhölzer«ʻ

(239)

di baibar han gemacht das mearaste holz, ja, ja. di sch/ alle di schbern arbatn han=sa gehat di b/ di baibar (Ada) ‚die Frauen haben das meiste Holz gemacht, ja, ja. alle schweren Arbeiten haben [sie(nom.)] die Frauen (zu tun) gehabtʻ

Mir erscheint die Zuordnung auch dieser Belege zu der Klasse derjenigen mit fokussiertem präverbalen direkten Objekt aufgrund der intonatorischen Hervorhebung gerechtfertigt. Darüber hinaus wird in beiden Fällen im Kotext der HauptGegenstand (freikarte) bzw. -Sachverhalt (alle di schbern arbatn), auf den jeweils mit der Objekt-NP referiert wird, in Beziehung gesetzt zu einem anderen Gegenstand (fulminent) bzw. Sachverhalt (zo macha holz). In Kapitel 3.3.4 wurde festgestellt, dass sich die Partitivpronomen innerhalb der klitischen Kette wie direkte Objekte verhalten. Dem clitic doubling in Partitivkonstruktionen ist im Folgenden ein eigener Abschnitt gewidmet.

286 An dieser Stelle erzählt die Gewährsperson weiter, dass ihr Vater mehrere Pfennige in den Automaten warf, dieser jedoch keine Streichholzschachtel hergab. Schließlich half er mit einem kräftigen Tritt nach, mit dem Ergebnis, dass alle Streichholzschachteln aus dem Automaten fielen. Da er einen Hut hatte, brauchte er sie nicht liegen zu lassen. Mit dieser außerplanmäßigen „Beute“ kehrte er zu seinen Verwandten, die am Bahnsteig auf ihn warteten, zurück.

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215

4.3.2.3 Partitivkonstruktionen und clitic doubling Die Satzpaare unter (240), (241) und (242) zeigen auf, dass im Cimbro das Partitivpronomen mit Zahlen (vgl. (240a)), Maßangaben (vgl. (241a)) oder Quantoren (vgl. (242a)) erscheint, wenn das Nomen, auf das das Partitivpronomen Bezug nimmt, nicht im selben Satz vorkommt. In den Sätzen unter (240b), (241b) und (242b), in denen ein quantifiziertes Objekt mit einer Zahlangabe, einer Maßangabe bzw. einem Quantor realisiert wird, erscheint das Partitivpronomen nicht:287 (240)

a. i han=ar gehaltet zwoa {Kühe} (Ida) ‚ich habe [ihrer] zwei gehaltenʻ b. da bartn in han gehat zen vüarchza küa (Ada) ‚sie werden zehn, fünfzehn Kühe (dar)in gehabt habenʻ

(241)

a. un alora magare han=sa=san get fünf kile {Mehl} (Ada) ‚und dann haben sie (uns) [davon] vielleicht fünf Kilo gegebenʻ b. un hast=(d)o=dar augenump draizikh kile mel (Ada) ‚und hast du dir dreißig Kilo Mehl aufgeladenʻ

(242)

a. ma est bortn=da+r=ar 288 bintsche {Kinder} (Ada) ‚aber jetzt kommen (da) [ihrer] wenig zur Weltʻ b. ma in dasel zait di laüt han gehat bintsche solde o (Ada) ‚aber in jener Zeit hatten die Leute auch wenig Geldʻ

Auch in Sätzen mit dem existentiellen Prädikat ista/soinda ‚es gibtʻ ist eine derartige Variation festzustellen, wie der Vergleich zwischen (243a) und (243b) zeigt. (243)

a. soin=da+r=ar gar za vil {Lehrerinnen}(Sara) [sind da ihrer gar zu viel] ‚(es) gibt [ihrer] gar zu viel(e)ʻ b. soin=da gest vil goas in lont dise djar (Gisella) ‚es gab viel(e) Ziegen im Dorf damalsʻ

In Partitivkonstruktionen kommt aber auch Kookkurenz von Partitivpronomen und koreferentiellem nominalen Argument im selben Satz vor. Das ist zum einen dann der Fall, wenn das quantifizierte Nomen in einer floating-quantifierKonstruktion die satzinitiale Position einnimmt, während der Quantor in der post287 An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass der Gebrauch der Partitivpronomen im Cimbro auch ein konservativer Zug ist; es werden alte Formen und Funktionen fortgesetzt und weiterentwickelt (vgl. die Ausführungen in Kapitel 3.2.4.1). 288 Die Folge =darar analysiere ich als folgende Sequenz: lokaldeiktische Partikel da + intrusive [r] + enklitisches Partitivpronomen Pl. Man vgl. hierzu auch soindarar in (243a). An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass bortn ‚geboren werden, entstehenʻ in (242a) (vgl. BACHER 1905, 234) und bartn ‚werdenʻ in (240b) (vgl. BACHER 1905, 224) verschiedene Verbformen sind. Die 3.Pers.Sg.Präs. von bortn lautet bortet und diejenige von bartn lautet bart.

216

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verbalen Stellung verbleibt (vgl. (244)). Zum anderen ist aber clitic doubling nicht an diese Art der Herausstellung gebunden, wie die Beispiele unter (245) zeigen. In den Konstruktionen unter (245b) und (245c) steht jeweils die quantifizierte Nominalphrase entsprechend ihrer Funktion als direktes Objekt in der kanonischen Objektposition unmittelbar postverbal. (244)

kindar bortn=da+r=ar gonz bintsche (Ada) ‚Kinder kommen [ihrer] ganz wenige zur Weltʻ

(245)

a. alora pitn visan da bo+d=e han gehat da, han=e=san gemacht genumma höbe vor zwoa küa (Ida) ‚mit den Wiesen hier, die ich hier hatte, habe ich [seiner] genug Heu gemacht für zwei Küheʻ b. ja da han=ar kontart vil stördjela dise djar in kindar (Ada) ‚ja, sie haben [ihrer] den Kindern viel Geschichtlein erzählt damalsʻ c. un alora han=s=ar gelek viar vümf familie vor lentle (Ada) ‚und dann haben sie [ihrer] vier fünf Familien je Dorf angesiedeltʻ d. un sain=da+r=ar gebortet in diselnen djar vil kindar (Ada) ‚und (es) sind [da] [ihrer] viele Kinder zur Welt gekommen in diesen Jahrenʻ e. un pan bintar is=ta=san kent gonz bintsche bassar (Ada) ‚und im Winter kam [seiner] ganz wenig Wasserʻ

In diesen Fällen ist eine Analyse der Nominalphrase als Apposition, wie sie z. B. in dem Beispiel aus dem walserdeutschen Dialekt von Issime in (246) vorzuliegen scheint, nicht möglich. (246)

höir sei=ru lütschil, trüffili Issime (ZÜRRER 1999, 298) ‚heuer gibt es wenig davon, von den Kartoffelnʻ

Auch in Existentialkonstruktionen ist die Kookkurrenz von Partitivpronomen und koreferentiellem Argument mit diesen beiden Stellungsmustern zu beobachten (vgl. (247a) und (247b)). (247)

a. boteng sain=da+r=ar gest (Ada) ‚Geschäfte gab (es) [da] [ihrer]ʻ b. umbrom sain=da+r=ar gest bintsche solde (Ada) ‚denn (es) gab [ihrer] wenig Geldʻ c. alte soin=da+r=ar vil un djunge soin=da+r=ar biane (Claudia) ‚Alte gibt (es) [da] [ihrer] viel(e) und Junge gibt (es) [da] [ihrer] wenigeʻ

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Die pronominale Wiederaufnahme einer an den Satzanfang gestellten Konstituente mittels eines Partitivpronomens entspricht dem modellsprachlichen Muster, vgl. die von CASADIO (1993) als indefinite partitive beschriebene Konstruktion mit neKlitisierung in (248a). Hierzu ist zu bemerken, dass im Gegensatz zur italienischen Standardsprache die Pronominalisierung eines Partitivobjekts z. B. im Venetischen nicht obligatorisch ist, vgl. (248b).289 (248)

a. (Di libri), ne leggo tanti. (PENELLO o.J.: 54) b. [de sta roba, no (ge ne) parlo pju] Venetisch [von dieser Sache nicht 3.Pers.Dat. Part. spreche mehr] ‚über diese Sache spreche ich nicht mehrʻ c. Quanta ne bevi, di acqua? (CASADIO 1993, 29)

Konstruktionen wie in (245a/b/c) gehen über die Möglichkeiten der Modellsprache hinaus. Im Italienischen (und auch im venetischen Dialekt von Padua, vgl. PENELLO o. J.: 54, Fn. 13) steht das Syntagma, auf das das Partitivpronomen Bezug nimmt, nicht im selben Satz, sondern „in posizione di emarginazione, a destra o a sinistra“, wie in den Beispielen unter (248). Bei den unter (245a/b/c) angeführten Konstruktionen im Cimbro hingegen liegt keine solche Randstellung vor, sondern es handelt sich um ein quantifiziertes Objekt, dem – sehr eindeutig zumindest in dem Satz unter (245b) – vom Prädikat abhängige syntaktische Konstituenten folgen. Hier stellt sich die Frage, welchen Status man jeweils dem Partitivpronomen zuschreibt. Die Tatsache, dass im Cimbro clitic doubling im Kontext von Partitivkonstruktionen ohne Herausstellung vorkommt, hebt sie von den anderen hier besprochenen clitic doubling-Konstruktionen ab. Solange jedoch clitic doubling in Partitivkonstruktionen nicht obligatorisch ist (vgl. (240b), (241b) und (242b)), bietet sich eine Analyse der Partitivpronomen als ambige Kongruenzmarkierer nicht an. 4.3.2.4 Indirektes nominales Objekt Wie in ähnlicher Weise für fokussierte satzinitiale direkte Objekte festgestellt, lösen in präverbaler Position stehende, mit ‚auchʻ fokussierte nominale indirekte Objekte kein clitic doubling aus: (249)

in kindar o han=sa gemacht di fötschla (Ada) ‚auch den Kindern haben sie die Fötschla gemachtʻ

289 Es ist zu beachten, dass es sich bei der venetischen Form ge ne (orthographisch ghe ne wiedergegeben) um einen Nexus aus der Lokativpartikel ghe (ital. ci) und ne handelt. Vgl. hierzu PENELLO (o. J.: 54): „[...] alcune varietà italiane settentrionali [...] i clitici di tipo ne e i clitici di tipo ci risultano essere intimamente correlati, tanto che la presenza dell'uno (ne) richiede la presenza obbligatoria dell'altro (ghe [...])“.

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Steht das indirekte Objekt nicht im Fokus, erfolgt, wie beim direkten Objekt, die pronominale Wiederaufnahme: (250)

on ən man ha(b)m ʃ' ən ge(b)t z’esɒ on zo triŋkhɒ (BACHER 1905, 90) ‚und dem Mann haben sie [ihm] zu essen und zu trinken gegebenʻ

In dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Textkorpus zeichnen sich alle Referenten, die durch eine NP repräsentiert sind, die in der Funktion eines indirekten Objekts in einer clitic doubling-Konstruktion vorkommen, dadurch aus, dass sie [+ menschlich] sind. Sehr häufig erfüllt hierbei der Referent die semantische Rolle des experiencer: (251)

a. ma in püable tüat=s=en ont z’sega töatn in visch (Gisella)290 (wörtl. ‚zu sehen töten den Fischʻ) ‚aber dem Büblein tut es leid, dass der Fisch getötet wirdʻ b. dopo gian=sa human un provarn fin as da in tata tüan=en bea di oarn (Gisella) ‚dann gehen sie heim und üben, bis dem Vater die Ohren weh tunʻ c. on ən sun von sáltnar hát-s'-ən gəvalt (BACHER 1900, 415) ‚und dem Sohn vom Saltner hat es [ihm] gefallenʻ d. Dīsan zwóa prǖadar is-ən kent ən sint zo borāta-sə 291 ‚diesen zwei Brüdern ist [ihnen] in den Sinn gekommen sich zu verheiratenʻ  e. In an tāgə, ən vātar von dīarnlə, ís-ən darkránkt a-n oggs292 ‚dem Vater des Mädchens ist [ihm] eines Tages ein Ochse erkranktʻ

Die Kontaktvarietäten des Cimbro unterscheiden sich hinsichtlich Optionalität/ Obligatorität eines resumptiven Klitikons. Während im Non-StandardItalienischen (wie in den meisten zentralen und südlichen Varietäten) das resumptive Klitikon optional mit einem vorangestellten Dativobjekt erscheint (vgl. (252)), ist in vielen norditalienischen Dialekten wie z. B. im Trentinischen, Venetischen und Friaulischen clitic doubling obligatorisch (vgl. CORDIN 1993; BENINCÀ / VANELLI 1984). Ein Dativobjekt (nominal und pronominal) wird obligatorisch durch ein klitisches Korrelat wiederaufgenommen oder vorweggenommen: „[…] un oggetto indiretto, in veneto e in friulano, è obbligatoriamente raddoppiato mediante un clitico.“ (BENINCÀ / VANELLI (1984, 176); vgl. zum Trentinischen Beispiel (213c) und auch Fn. 269).

290 Ein weiteres Beispiel dieses Typs ist folgender Beleg aus dem BACHER-Korpus: (i)

ən šam piɒro hat 's ən gətant ant zo wisɒ ʃãi muatɒr kan taüvl (BACHER 1905, 83) ‚dem heiligen Petrus hat es [ihm] leid getan, dass seine Mutter verdammt istʻ

291 Dieses Beispiel stammt aus BACHER (1900, 413). 292 Dieses Beispiel stammt aus BACHER (1901, 170).

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(252)

219

a Mario (gli) regalerò un libro Präp. Mario (3.Sg.Dat.) schenken:1.Sg.Fut. ein Buch ‚Mario werde ich ein Buch schenken.ʻ

Im folgenden Kapitel wird die Rechtsversetzung von direkten und indirekten Objekten zusammen abgehandelt bzw. es wird nach Faktoren gesucht, die das Vorkommen der pronominalen Vorwegnahme von direkten und indirekten Objekten steuern. 4.3.2.5 Rechtsversetzung Hinsichtlich der Bedingungen des Auftretens von clitic doubling mit rechtsversetzten Objekten lassen sich keine Unterschiede zwischen direktem und indirektem Objekt feststellen. Die interessante Frage lautet hier, ob es klar bestimmbare Bedingungen für das Auftreten von solchen Rechtsversetzungskonstruktionen gibt. LAMBRECHT (1994) prägt für diese Art von Konstruktion, in der der Nennung des Referenten in seiner lexikalischen Form (= der rechtsversetzten NP) eine koreferente pronominale Form vorausgeht, den Begriff antitopic construction (vgl. hierzu auch GIVÓN 1976). Als Bedingung für die Angemessenheit des Gebrauchs der antitopic-construction nennt er die Zugänglichkeit (accessability) des Referenten:293 „A speaker who uses an antitopic construction is normally fully „aware“ that the mere mention of the unmarked topic pronoun in the clause is insufficient for the hearer to understand who or what the proposition is about. Since, under normal cooperative conditions, the use of an unaccented pronominal is appropriate only if its referent is active, the antitopic construction, once conventionalized, can be used as an implicit request from the speaker to the hearer to put the propositional information „on hold“ until the antitopic is uttered. The presuppositional structure of the antitopic construction involves a signal that the non-yet-active topic referent is going to be named at the end of the sentence. The request for temporary „holding“ of the proposition is of course easiest to comply with if the referent is already quasi-active or at least highly accessible. This explains why high accessiblity of the referent is a general condition for appropriate use of the antitopic construction across languages.“ (LAMBRECHT 1994, 203)

LAMBRECHT (1994, 100) unterscheidet drei Arten der Zugänglichkeit eines Referenten: 1st „In the case of deactivation from some earlier active state in the discourse, I will call the accessible referent TEXTUALLY ACCESSIBLE.“ 2nd „in the case of accessibility via inference from some other active or accessible element in the universe of discourse I will call it INFERENTIALLY ACCESSIBLE.“

293 LAMBRECHT (1994, Kap. 3.3.1) bezieht sich in seiner Darstellung auf Chafe (1987), der folgende „activation states“ einführt: „active“, „semi-active“ bzw. „accessible“ und „inactive“.

220

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

3rd „and in the case of accessibility due to salient presence in the text-external world I will call the referent SITUATIONALLY ACCESSIBLE.“ Die folgenden Beispiele illustrieren antitopic-Konstruktionen mit textuell zugänglichen Referenten (vgl. (253) und (254) mit Dativobjekt, (255) und (256) mit Akkusativ-Objekt): (253)

alora dasel familja hat gemöcht gem s kitzle in pfaf [...] un alora diselnen bo=da net han gehat s kitzle han gemöcht gian zo koava=s un schenkan=s=en in pfaf (Ada) ‚und diese Familie musste dem Pfarrer das Geißlein geben [...] und diejenigen, die kein Geißlein hatten, mussten es kaufen gehen und es [ihm] dem Pfarrer schenkenʻ

(254)

est di moinen kindar ren alle asbibiar [...] (Ada) eh sonsta un sunta di moinen kemmen herta [...] i kontar=s=en au in moinen kindar da [...] alora vil verte küd=e=s=en da in moinen o ‚jetzt, meine Kinder reden alle Asbibiar [...] eh samstags und sonntags kommen die meinen immer. [...] ich erzähle sie [=die Geschichten] [ihnen] meinen Kindern hier [...] und oftmals sage ich es [ihnen] auch den meinen hierʻ

(255)

i bin gont ka schual francese, i un maine prüadar o. han gelirnt subito das francese. in drai bochan han=e geredet francese. [...] biar han geredet des francese gonz guat, han geredet das ünsar, da ünsar zung. un han geredet des belesche o [...] alora ha=bar gekant drai zungen [...] un dopo so laise laise ha=bar=s dimear geredet das francesige, ha=bar=s vorlort (Ada) ‚ich bin in die französische Schule gegangen, ich und auch meine Brüder. (ich) habe sofort Französisch gelernt. in(nerhalb von) drei Wochen habe ich Französisch geredetʻ [...] ‚wir haben ganz gut Französisch gesprochen, haben das unsere, unsere Sprache gesprochen, und (wir) haben auch Italienisch gesprochen [...] wir konnten also drei Sprachenʻ [...] ‚und danach, so allmählich, haben wir [es] nicht mehr Französisch geredet, haben wir es verlerntʻ

(256)

alora sai=bar argesozt. un dopo z sega gian disan treno, drin pin ondarn o laüt, umbrom bar sain gescht in mearare familie [...]

Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

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un alora hat=ar=en pensart mai tata, »no escht han=e=se umargevüart mai familia sovl, da han=ar so/ da han=ar sovl provart, escht leg=e=se net in in a barak« (Ida) ‚dann sind wir ausgestiegen. und dann, diesen Zug fahren zu sehen, auch mit anderen Leuten, denn wir waren mehrere Familien [...]ʻ ‚und dann hat [er] sich mein Vater gedacht, »nein, jetzt habe ich [sie] meine Familie so weit herumgeführt, sie haben soviel probiert, jetzt bringe ich sie nicht in einer Baracke unter« In dem folgenden Beispiel liegt keine textuelle und auch keine aus dem Kotext ableitbare oder situationelle Zugänglichkeit vor, da der Referent, der hier in einer antitopic-Konstruktion in der Form einer rechtsversetzten Konstituente repräsentiert ist, nicht vorerwähnt ist. Hier geht die Sprecherin – gerechtfertigterweise – einfach davon aus, dass ihre Gesprächspartnerin ihr Wissen teilt und den Referenten, der seit über 20 Jahren das Zimbrische von Luserna erforscht und darüber publiziert, identifizieren kann: (257)

alora diza han=e=s=en gehat aukontart in Hons o, in Tyroller Hons (Ida) ‚und das habe ich [es] [ihm] auch dem Hans erzählt, dem Tyroller Hansʻ

Abgesehen von Faktoren der Zugänglichkeit ist unverkennbar, dass auch Nachdruck eine Rolle spielt, man vgl. die Präsenz der Fokuspartikel ‚auchʻ in (254) und (257). Sind (postverbal positionierte) Akkusativ-Objekte fokussiert, geht dies nicht in jedem Fall mit pronominaler Vorwegnahme einher, vgl. un han geredet des belesche o in (255). 4.3.3 Zusammenfassung Dem im Mittelpunkt des Kapitels „Objektklitika als Kongruenzmarkierer“ stehenden Abschnitt, in dem clitic doubling-Konstruktionen im Cimbro besprochen werden, wurde die Behandlung der Frage „Gibt es im Bairischen clitic doubling?“ vorangestellt. Diese Voranstellung stand auch im Dienst der Frage, wie weit die Ähnlichkeiten zwischen dem Cimbro und dem Bairischen im Bereich der clitic doubling-Konstruktionen reichen. Dabei wurde festgestellt, dass clitic doubling im Bairischen nicht produktiv ist, sondern eher zu den idiomatisierten Konstruktionen gezählt werden muss. Während präverbal stehende betonte Objektpronomen im Cimbro stets clitic doubling auslösen, ist es in Konstruktionen, in denen das betonte Objektpronomen postverbal steht, nicht obligatorisch, auch wenn es relativ häufig vorkommt. Im Rahmen der Darstellung der clitic doubling-Konstruktionen mit nominalen NPs wird zum einen differenziert zwischen den syntaktischen Funktionen direktes und indirektes Objekt und andererseits werden Partitivkonstruktionen und Rechts-

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Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer

versetzungskonstruktionen betrachtet. Für das Auftreten von clitic doubling in Konstruktionen mit einem satzinitialen nominalen direkten oder indirekten Objekt ist entscheidend, ob die Objekt-NP im (Kontrast-)Fokus steht oder nicht. Tut sie es nicht, liegt eine Linksversetzungskonstruktion (nach BENINCÀ 1988) vor und es kommt stets zur pronominalen Wiederaufnahme, nicht nur mit linksversetzten definiten Objekt-NPs und Demonstrativpronomen, sondern auch mit indefiniten. Das linksversetzte Indefinitpronomen ‚etwasʻ hingegen und eine Objekt-NP, die als Teil einer floating-quantifier-Konstruktion aufzufassen ist, werden nicht pronominal wieder aufgenommen. Ebenso bedingt die kontrastive Fokussierung einer satzinitialen Objekt-NP das Ausbleiben der pronominalen Wiederaufnahme. Diese Konstruktion wird nach BENINCÀ (1988) Topikalisierung genannt. Die Übereinstimmung mit dem Italienischen ist unverkennbar, was auf einen modellsprachlichen Einfluss schließen lässt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in den umgebenden norditalienischen Dialekten, im Trentinischen und Venetischen, mit einem Dativ-Objekt generell clitic doubling erfolgt, ist zu bemerken, dass es im Cimbro zu dieser Generalisierung nicht gekommen ist. Im Bereich der Partitivkonstruktionen ist clitic doubling gängig. Bemerkenswert ist insbesondere, dass clitic doubling in diesem Bereich nicht an die Herausstellung oder Fokussierung der lexikalischen Nominalphrase gebunden ist, sondern die NP in der kanonischen Objektposition steht. Die Rechtsversetzungskonstruktionen folgen im Cimbro dem allgemein verbreiteten Muster, indem ihr Vorkommen mit der textuellen, schlussfolgernden und situationellen Zugänglichkeit des Referenten der rechtsversetzten Konstituente in Zusammenhang gebracht werden kann (vgl. LAMBRECHT 1994).

5 VON SECOND POSITION CLITICS ZU VERBAL CLITICS? In diesem Kapitel soll die in Abschnitt 3.1.3 aufgeworfene Frage, welche Voraussetzungen im Cimbro für eine Reanalyse der Pronominalklitika zu verbal clitics vorhanden sind, wieder aufgegriffen werden. Zwei Punkte, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen, sind der Verlust der V2-Beschränkung und die Orientierung der Pronominalklitika (insbesondere der Objektklitika) auf die Kategorie Verb. Letzteres äußert sich u. a. darin, dass unbetonte Objektpronomen enklitisch zum Infinitiv bzw. zu einer infiniten Verbform stehen können. Die schon von JACOB WACKERNAGEL entwickelte Idee, die Positionierung des finiten Verbs (im deklarativen Hauptsatz) und von klitischen Elementen in der „zweiten Position“ als zusammenhängend anzusehen, wird in Analysen von Klitisierungsprozessen innerhalb der Generativen Grammatik wieder belebt (vgl. ANDERSON 1993; 2005 und FRANKS 1999). Man ist sich jedoch nicht einig darüber, worauf genau dieser Zusammenhang zurückzuführen ist. ANDERSON (2005, 244–245) sieht zwar eine Parallelität zwischen den Phänomenen verb second und secondposition clitics, ihm schwebt jedoch keine einheitliche syntaktische Lösung vor. Den Hauptunterschied zwischen den beiden Phänomenen sieht er darin, „that the clitics are introduced into the relevant position by a phonological affixation mechanism while the verbs arrive in their position by syntactic displacement“ ANDERSON (2005, 244–245). Eine andere Analyse strebt FRANKS (1999) an, indem er nicht nur second position clitics und verb second, sondern auch verbal clitics miteinander verknüpft. Diesem Bemühen legt er folgende Idee zugrunde: „[...] all languages are abstractly verb second. This is a matter of UG, and a direct consequence of checking theory. Grammars differ, however, in where the verb is actually spelled out“ (FRANKS 1999, 24). Die Wortstellungsveränderungen im Cimbro, die zum Wandel von einer V2Sprache zu einer SVO-Sprache beitragen, scheinen auch für den Wandel der Pronominalklitika von „syntaktisch distribuierten“ hin zu „morphologisch distribuierten“ Klitika verantwortlich zu sein (in der Terminologie von NÜBLING 1992). Die Ausrichtung der Pronominalklitika auf das Verb erscheint natürlich vor dem Hintergrund, dass Verben als Basis für Pronominalklitika prädestiniert sind (vgl. FRANKS 1999, 23). Eine Parallele zur Entwicklung einer ausgeprägten Verborientierung der Pronominalklitika im Cimbro findet sich in den slowenischen Sprachinseldialekten im äußersten Osten Norditaliens in der Provinz Friaul. Die slowenischen Dialekte werden im Val Resia, in Torre und Natisone gesprochen. Die west- und südslavischen Sprachen lassen sich grob in zwei Gruppen teilen: in eine Gruppe, in denen Klitika die Wackernagelposition einnehmen und in eine zweite Gruppe, in denen Klitika verbal clitics sind. Zur ersten Gruppe werden die Sprachen Polnisch, Sorbisch, Tschechisch, Slowakisch, Serbo-Kroatisch und Slowenisch ge-

224

Von second position clitics zu verbal clitics?

zählt, zur zweiten Gruppe gehören die Sprachen Bulgarisch und Mazedonisch. Letzere haben, wie BENACCHIO (2005) feststellt, „perso la Legge di Wackernagel […] regolarmente attestata nello slavo ecclesiastico antico“ (BENACCHIO 2005, 99). Für das Standardslowenische nimmt FRANKS (1998, 33) an, dass Klitika in der Wackernagelposition stehen: „Slovenian clitics cluster together after the first major constituent of the clause“ (vgl. (258) aus FRANKS 1998, 33) (258)

Janez mu ga je še dal.

ʻJanez still gave it to him.ʼ

Für die slowenischen Dialekte in Nordostitalien stellt BENACCHIO fest, dass die Klitika auch satzinitial auftreten können, proklitisch zum finiten Verb, genau wie im Italienischen und Friaulischen (BENACCHIO 2005, 100). Demnach weisen die Klitika eine syntaktische Stellung romanischen Typs auf, indem ihre Position nicht mehr auf die Wackernagelposition beschränkt ist, sondern sie sich adjazent zum Verb gruppieren: „[…] la posizione dei clitici nella frase non ubidisca più alla legga di Wackernagel“ (BENACCHIO 2005, 101). Man vgl. hierzu die folgenden Beispiele aus dem slowenischen Dialekt des Val Resia: (259)

a. Mu pïšën. ʻGli scrivo.’ (BENACCHIO 2003, 3) b. Ga vïdin wsaki tëdan. ʻLo vedo ogni settimana.’ (BENACCHIO 2005, 100) c. Mu ga šejën. ʻGlielo mando.’ (BENACCHIO 2003, 3)

Diese Tendenz zur verbadjazenten Stellung gilt auch für den finiten Nebensatz: „in tutti questi casi [frasi subordinati, A.K.], nei nostri dialetti, i clitici si muovono verso il verbo e si collocano in posizione canonica al secondo posto nella frase, esattamente come avviene in italiano ed in friulano“ (vgl. BENACCHIO 2005, 101). Man vgl. das folgende von BENACCHIO (2005, 101) angeführte Beispiel, in dem das Reflexivpronomen se nicht der Konjunktion da folgt, sondern verbadjazent steht: (260)

Sin je čul da woća se mimbra. (BAUDOUIN DE COURTENAY 1895) ‘Il figlio sentì che il padre si lamentava.’

Unter dem Einfluss des Friaulischen und Italienischen entwickeln sich die klitischen Personalpronomen in den genannten slowenischen Dialekten in Nordostitalien anscheinend zu verbalen Klitika.294 294 Einige slowenische Minderheitensprachen in Nordostitalien weisen auch hinsichtlich des Phänomens subject doubling Ähnlichkeiten mit den umgebenden norditalienischen Dialekten auf, wie die folgenden Beispiele aus STEENWIJK (1992, zitiert nach BENACCHIO 2005, 103 bzw. 104) zeigen: (i)

a.

Wonä na ma pašjon. ʻLei ha un hobby.’

b.

Utrucy ni ba mëli bit bö impanjani. ʻI bambini dovrebbero essere educati meglio.’

Von second position clitics zu verbal clitics?

225

Auch das Cimbro hat sich dahin entwickelt, dass in mehr Kontexten Objektklitika verbadjazent stehen, in Infinitivkonstruktionen und in finiten Nebensätzen. Es ist jedoch bisher keinerlei Entwicklung hin zu einer proklitischen Stellung der Objektklitika zu beobachten. BIDESE (2008) sieht den Grund dafür, dass es im Zimbrischen zu keiner Entwicklung von Proklise gekommen ist (und auch nicht kommen wird), darin begründet, dass das Zimbrische weder einen „merkmalreichen C-Kopf“ noch einen „starken INFL-Kopf“ hat, was daran zu sehen sei, „dass das Zimbrische weder das Null-Subjekt […] noch irgendwelche Form von Partizipkongruenz entwickelt hat.“ (vgl. BIDESE 2008, 241) In den romanischen Varietäten ist ein präverbales Objekt (und somit auch ein Objektklitikon) möglicher controller einer Kongruenzbeziehung, die in periphrastischen Verbformen am Partizip Perfekt markiert wird (vgl. die Beispiele unter (261)). Dem Germanischen fehlt diese Art der Kongruenzmarkierung. (261)

a. (A) so k’el papá li ga visti. Venetisch (BIDESE 2005, 4) ‚Ich weiß, dass (der) Vater sie gesehen(e) hat.ʻ b. la rouda s’ha ruotta Unterengadinisch (LOPORCARO 1996, 27) ‚Das Rad ist gebrochen.ʻ

Aber nicht in jedem italienischen Dialekt oder in jeder romanischen Sprache setzt die Kongruenzmarkierung am Partizip die präverbale Stellung des Objekts voraus, wie LOPORCARO (1996) z. B. anhand des Frankoprovenzalischen von Val d’Aosta zeigt: „Es gibt in der Tat romanische Mundarten, in denen eine pronominale Kurzform die Kongruenz des Partizips steuert, obwohl sie nicht proklitisch, sondern enklitisch vorkommt“ (vgl. LOPORCARO 1996, 27 und die folgenden von ihm angeführten Beispiele): (262)

a. (cetta mèison) dz’i batia-la / *bati-la tot solet ‚Ich weiß, dass (der) Vater sie gesehen(e) hat.ʻ b. (la lettra) dz’i écrieite-la / *écri-la ‚(den Brief:f.) habe ich geschrieben:f.-sieʻ

Aus diesem Grund kann Kongruenzmarkierung nicht ohne weiteres als Hinweis für unterschiedliche Bewegungen beim Klitisierungsprozess herangezogen werden. Die Suche nach einer Erklärung dafür, warum es im Zimbrischen bisher nicht zur proklitischen Positionierung von Objektklitika gekommen ist, muss ausgehen von oberflächlich wahrnehmbaren Sequenzen, die eine mögliche Basis bilden für die Reanalyse von einer enklitischen zu einer proklitischen Orientierung. Grundsätzlich gibt es einen Kontext, der Ausgangspunkt einer Umorientierung darstellen könnte. Einen solchen Kontext bietet theoretisch der eingeleitete finite Nebensatz, da hier sehr häufig ein Objektklitikon zwischen Konjunktion und finiter Verbform steht. Allerdings können zwischen das Objektklitikon und die finite Verbform weitere Konstituenten treten, z. B. die Negationspartikel, ein Adverb oder ein Indefinitpronomen, wobei die Konjunktion und das finite Verb eine

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Von second position clitics zu verbal clitics?

„kleine Klammer“ konstituieren (vgl. Kap. 3.4.1.1 und dort angeführte Beispiele). Es müssten also einige Wortstellungsveränderungen stattfinden, bevor es (zunächst im finiten Nebensatz) zur Ausbildung von echten präverbalen, verbadjazenten Objektklitika kommen könnte. Eine solche für das Cimbro theoretisch mögliche Entwicklung von second position clitics zu verbal clitics, wie sie z. B. für das Romanische von WANNER (1987; 1996) und für das Bulgarische von PANCHEVA (2005) nachgezeichnet wird, scheint an der ebenfalls wirksamen, und eventuell mächtigeren Tendenz der Parallelisierung von Haupt- und Nebensatzwortfolge, die die enklitische Positionierung der Objektklitika an das (finite) Verb zur Folge hat, zu scheitern. Es bleibt also die Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, dass Pronominalklitika in einer bestimmten Sprache / Varietät als verbal clitics analysiert werden können. Die Tatsache, dass im Cimbro die unbetonten Objektpronomen stets enklitisch zu ihrer Basis stehen und im eingeleiteten finiten Nebensatz die Sequenz [Konjunktion – Pronominalklitikon – finites Verb] unmittelbar vor dem finiten Verb durch die Negationspartikel oder ein Adverb aufgebrochen werden kann, spricht dafür, dass der entscheidende Reanalyseschritt noch nicht vollbracht ist. Deshalb scheint es angemessener, die Pronominalklitika im Cimbro bezüglich der Kategorisierungsfrage (second position clitics oder verbal clitics?) in einem Zwischenstadium anzusiedeln, statt einem Bereich der Dichotomie zuzuordnen. Auch hier bietet sich – wie so oft – als Analyseergebnis eine Dekomposition an. Diese hoffe ich in den Kapiteln 3 und 4 für den Leser nachvollziehbar geleistet zu haben.

ZUSAMMENFASSUNG Nach einer forschungsgeschichtlichen Einbettung und der Darstellung der Datengrundlage, die in Kapitel 1 erfolgen, wird in Kapitel 2 die Kontaktsituation des Cimbro charakterisiert als ein Zustand, in dem stabiler Bilingualismus herrscht. Es handelt sich im konkreten Fall um eine Situation der individuellen und kollektiven Zweisprachigkeit, in der sowohl die Modellsprache Italienisch als auch das Cimbro als identitätsstiftendes Symbol hohes Prestige genießen. Über die Einstellung zu den verschiedenen Varietäten in früherer Zeit gibt es bisher keine gesicherten Erkenntnisse. Es ist zu vermuten, dass das Miteinander der Sprachen seit vielen Generationen die Sprachsituation prägt und es auch deshalb nicht zum Sprachwechsel gekommen ist. Die lange Verzögerung des Sprachwechsels ist charakteristisch für Sprachinseldialekte (in ländlichen, ursprünglich von der Landwirtschaft geprägten Siedlungsräumen). Im Fall des Cimbro führten auch die Faktoren geographische Unzugänglichkeit und endogamisches Heiratsverhalten zu einer Verzögerung des Sprachwechsels, der spürbar erst ab den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzt. Die vorliegende Untersuchung zu den Pronominalklitika des Cimbro beruht auf Daten, die von SprecherInnen der konservativen Norm stammen. Der Erfassung des Ausmasses der durch den intensiven Kontakt mit der Modellsprache ausgelösten Sprachwandelerscheinungen in den grammatischen Teilbereichen, in denen Pronominalklitika eine wesentliche Rolle spielen, geht eine Beschreibung der relevanten Grammatikausschnitte voraus. Eine Beurteilung über die interne oder externe Motiviertheit eines Phänomens findet anhand von Vergleichen mit historischen Vorstufen des Deutschen und seinen Dialekten, mit der Modellsprache und ihren Varietäten und mit Sprachinseldialekten mit vergleichbarer Kontaktsituation statt. In morphologischer Hinsicht sind im Paradigma der Pronominalformen nur in geringem Maß Strukturen zu finden, die eindeutig auf Sprachkontakt zurückzuführen sind. Die formale Ausprägung der Pronominalklitika ist nicht betroffen. Lediglich bei den betonten Personalpronomen im Plural ist modellsprachlicher Einfluss erkennbar in Form von Lehnübersetzung (vgl. zimbr. biarandre mit ven. no’altri). Materielle Entlehnung spielt keine Rolle. Die in paradigmatischer Hinsicht zu verzeichnenden Fälle von Synkretismus, die in der Systematik von BREU (1996) als Umbautyp zu klassifizieren sind, sind in Bezug auf ihre eventuell externe Motiviertheit schwer einzuschätzen. Oberflächlich betrachtet bieten sich hie und da mehr oder weniger plausibel klingende Szenarien an, die für die Aufgabe formaler Differenzierung verantwortlich gemacht werden können. Z. B. könnte man einen Zusammenhang herstellen zwischen der Formgleichheit [ɐs] für die enklitischen Pronomen der 1. und 2. Person Plural Akkusativ/Dativ im Cimbro und der Formähnlichkeit dieser Funktionen im Friaulischen (nus für die 1. Person Plural Akkusativ/Dativ und us für die 2. Person Plural Akkusativ/Dativ) und die-

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Zusammenfassung

sen Wandel Phase 1 der Phaseneinteilung des romanischen Einflusses auf das Cimbro von GAMILLSCHEG (1912) zuteilen. Andererseits kann die Formgleichheit [ən] z. B. für die enklitischen Pronomen der 3. Person Singular Akkusativ/Dativ maskulin im Cimbro nicht in Zusammenhang gebracht werden mit irgendeinem kontaktsprachlichen Modell, da im Italienischen und seinen Dialekten Akkusativund Dativ-Funktion stets auch formal differenziert wird. In der vorliegenden Arbeit wird von Versuchen, bei solchen Veränderungen in der Oppositionsstruktur eines Paradigmas nach Gründen zu suchen, die in einer Orientierung in der Modellsprache liegen, Abstand genommen. Eine mögliche externe Motiviertheit in den hier zur Diskussion stehenden Fällen scheint nicht entscheidbar. Dass Kasusoppositionen aufgegeben werden, ist ein in den deutschen Dialekten verbreitetes Phänomen. ROSENBERG (2003) und RIEHL (2004) sprechen bei derartigen Veränderungen in deutschsprachigen Minderheiten, die in ganz verschiedenen Kontaktsituationen beobachtet werden können, von „typologischer Konvergenz“, auf die das Deutsche ohnehin zusteuert und unter der Bedingung des intensiven Kontakts mit einer anderen Sprache nur beschleunigt wird. In syntaktischer Hinsicht ist der modellsprachliche Einfluss unverkennbar. Augenfällig ist z. B. in Bezug auf die kategorielle Orientierung der Pronominalklitika eine Veränderung der Selektionsbeschränkung. Anders als in Dialekten im geschlossenen deutschen Sprachraum klitisieren unbetonte Pronomen nicht nur an finite, sondern auch an infinite Verbformen. Die Stellung VO im infiniten Nebensatz ist bereits im ersten zimbrischen Katechismus die reguläre. Diese Veränderung in der Wortfolge stellt für das Cimbro die Voraussetzung für die Entwicklung einer morphologischen Differenzierung zweier Infinitivformen dar. Die Stellung VO in satzwertigen Infinitivkonstruktionen findet ihre Entsprechung in bestimmten Teilbereichen finiter Nebensätze. Zu diesen Teilbereichen gehören zum einen die Nebensätze, die durch die aus dem Italienischen entlehnte Konjunktion ke (vgl. ital. che) eingeleitet werden und zum anderen Nebensätze, in denen nichtpronominale Subjekte die präverbale Stellung einnehmen. In ke-Sätzen lautet die Abfolge in der Regel VO, unabhängig von der pronominalen oder nominalen Realisierung des Objekts. Anders gesagt verhalten sich Nebensätze, die durch ke eingeleitet sind, hinsichtlich der Konstituentenabfolge nicht anders als Hauptsätze. Es sind also auch Topikalisierungen und Linksdislokationen möglich und damit auch die Stellung OV, wobei eine pronominale Wiederaufnahme folgt, wenn O nicht im kontrastiven Fokus steht. In Nebensätzen, die durch ererbte Subordinatoren eingeleitet werden, die Basis für Pronominalklitika sein können, spielt die Realisierung des Subjekts und Objekts eine Rolle. Ist das Objekt pronominal ausgedrückt, ist die Abfolge SOV dann möglich, wenn auch das Subjekt enklitischpronominal ist. Ist das Subjekt nominal, sind die Abfolgen OVS (mit pronominalem Objekt) und SVO (mit der Partikel =da enklitisch zur Konjunktion) möglich. Dadurch vermehren sich nicht nur die Kontexte, in denen sich Haupt- und Nebensatzwortfolge nicht unterscheiden, sondern es verringern sich auch die Kontexte, in denen sich Pronominalklitika an nebensatzeinleitende Konjunktionen heften. Die Wortstellungsveränderungen im Cimbro wirken sich nicht nur auf die Tendenz zur verbadjazenten Stellung der Pronominalklitika im finiten Nebensatz

Zusammenfassung

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aus, sondern sind darüber hinaus verbunden mit einer Veränderung des zugrunde liegenden Kongruenzsystems. In Kapitel 4 wird beschrieben, wie sich das Kongruenzsystem des Cimbro verändert hat. Das Vorkommen von clitic doubling ist sowohl im Subjekt- als auch im Objektbereich weitgehend vorhersagbar. Bei den „verdoppelten“ Subjektklitika im Cimbro handelt es sich nicht um reanalysierte Flexionsaffixe wie es z. B. in einigen walserdeutschen Dialekten der Fall ist. Dem Cimbro liegt ein grammatisches Kongruenzsystem zugrunde, in dem Subjektklitika nach wie vor primär anaphorische Funktion haben. Die Subjektklitika des Cimbro werden deshalb als anaphorische Kongruenzmarkierer analysiert. Gegen eine solche Analyse spricht freilich das Vorkommen von subject doubling. Es wurde aufgezeigt, dass subject doubling in erster Linie ein Fokussierungsphänomen ist, d. h. im Kontext von Fokussierungskonstruktionen vorkommt. Satzreihen mit VS-Struktur stellen die mögliche Basis für eine Reanalyse von Subjektklitika als Personalendungen dar. Die übrigen Kontexte, in denen ein enklitisches Subjektpronomen in einem deklarativen Satz mit einem koreferenten Subjektausdruck vorkommt, lassen sich als Fälle von „Subjektklitika als anaphorische Kongruenzmarkierer“ analysieren, da es sich hier um Links- und Rechtsversetzungen handelt. Sie sind einerseits eine Folge der Aufhebung der V2-Beschränkung und andererseits eine Folge des Unterschieds zwischen pronominalen und nominalen Satzgliedern hinsichtlich der Fähigkeit, die Verbklammer füllen zu können. Die Suche nach den Gründen für die Veränderung des Kongruenzsystems im Cimbro führt zu den kontaktbedingten Veränderungen in der Wortstellung. Diese haben zu einer allmählichen Angleichung an die SVO-Stellung der Modellsprache geführt, bei der auch die Einschränkung der V2-Regel und der Klammerkonstruktion eine Rolle spielen. Die Kontexte, in denen im Cimbro Subjektklitika als sekundäre (und damit potentiell als ambige) Kongruenzmarkierer fungieren, sind begrenzt, begrenzter z. B. als in walserdeutschen Dialekten oder auch im Zimbrischen der Sieben und Dreizehn Gemeinden. Vor dem Hintergrund der von SIEWIERSKA (1999) vorgeschlagenen Typologie von Kongruenzsystemen stellt sich die Frage, welches Kriterium letztlich als ausschlaggebend angesehen wird für die Zuweisung zu einem bestimmten Typ, wie z. B. die Kategorisierung des Kongruenzsystems in walserdeutschen Dialekten als „ambig“ im Gegensatz zum „grammatischen“ Kongruenzsystem des Cimbro, oder die Kategorisierung des Kongruenzsystems des Friaulischen als „ambig“ im Gegensatz zum „grammatischen“ Kongruenzsystem des Bündnerromanischen. Ausschlaggebend für die Kategorisierung von Subjektklitika als „ambige Kongruenzmarkierer“ erscheint mir eine Missachtung der Komplementarität (zu nominalen Ausdrücken, die als Subjekt des Satzes analysierbar sind), bei adjazenter Stellung von präverbalem (nominalem oder betont pronominalem) Subjekt und finitem Verb. Motor für die Veränderung des Kongruenzsystems im Cimbro sind zum einen häufig vorkommende Satzreihen mit VS-Strukturen und zum anderen die Integration eines modellsprachlichen Subjektfokussierungsverfahrens. Das Potential für eine Morphologisierung der enklitischen Subjektpronomen ist im Cimbro also vorhanden, jedoch hat die Reanalyse noch nicht wirklich eingesetzt.

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Schon SCHMELLER (1838) stellte sich die Frage, ob die Konstruktionen mit clitic doubling im Zimbrischen auf das Modell der norditalienischen Dialekte zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Subjektmarkierung ist festzustellen, dass das Cimbro eine größere Übereinstimmung mit den rätoromanichen Varietäten mit V2Beschränkung aufweist. Eine Ähnlichkeit zwischen dem Cimbro, den östlichen norditalienischen Dialekten und den rätoromanischen Varietäten mit V2Beschränkung besteht hinsichtlich des syntaktischen Verhaltens der Subjektklitika beim Fragesatz (Inversion). In Bezug auf object clitic doubling im Cimbro besteht eine größere Übereinstimmung mit dem Standarditalienischen und nicht mit den Dialekten der Umgebung bzw. den rätoromanischen Varietäten mit V2Beschränkung. Die Untersuchung der Objektklitika als Kongruenzmarkierer ergibt, dass die meisten Fälle von clitic doubling in Zusammenhang mit Herausstellungskonstruktionen (Links- und Rechtsversetzung) auftreten, in denen die Objektklitika als anaphorische Kongruenzmarkierer analysiert werden können. Im Bereich der Partitivkonstruktionen allerdings ist die nominale Bezugskonstituente nicht herausgestellt, sondern sie nimmt die kanonische Objektposition ein. Aufgrund der fehlenden Obligatorität des referenzidentischen Pronomens in Partitivkonstruktionen wurde jedoch von einer Analyse der enklitischen Partitivpronomen als ambige Kongruenzmarkierer Abstand genommen. Ausserhalb des Bereichs des clitic cluster liegt auf der Ebene der Konstituenten, die syntaktische Funktionen kodieren, eine ausgeprägte Anpassung an die Modellsprache vor. Im Gegensatz dazu findet sich für die Abfolgeregularität innerhalb der klitischen Kette keine Entsprechung in der Modellsprache Italienisch, die in dieser Hinsicht sehr einheitlich die Abfolge DAT vor AKK befolgt. WEISS (1998, 90) nimmt auch für das (Mittel-)Bairische diese zugrunde liegende Abfolge an, wobei allerdings nur für die 1. und 2. Person Singular klitische Dativpronomen vorliegen. Während im Bairischen aufgrund der paradigmatischen Lücken der Aufstellung einer solchen Abfolgeregel wenig entgegen zu stehen scheint, müssen die Gegebenheiten im Cimbro (ähnlich wie im Französischen) in Form einer Hierarchie dargestellt werden, wobei sich die Serialisierung aus einer Kombination der entsprechenden Merkmalswerte der Kategorien Person, Kasus und Numerus ergibt. Das Cimbro diesbezüglich in sprachhistorischer Hinsicht einzuordnen ist nicht einfach, da für ältere Perioden des Deutschen entweder keine umfassenden Untersuchungen zur Abfolge der Personalpronomen vorliegen oder die Datenlage eher beschränkt ist wie im Fall des Ahd. Aus den Ergebnissen der Untersuchung von FLEISCHER (2005) zur Abfolge akkusativischer und dativischer Personalpronomen im Ahd. seien diejenigen zum Evangelienbuch von Otfrid erwähnt, da sie sich als „die ergiebigste Quelle der ausgewählten Periode“ erwies (FLEISCHER 2005, 22). Die bevorzugte Abfolge DAT vor AKK bei den Kombinationen, in denen z. B. das Personalpronomen 3. Person Singular Akkusativ neutrum vorkommt, ist unverkennbar. Die Kategorie Person scheint dabei keine Rolle zu spielen, ähnlich wie im (Standard-)Italienischen und anders als im Cimbro, Französischen und in gewisser Hinsicht auch im Bairischen. Im Zusammenhang der vorliegenden Fragestellung ist also festzuhalten, dass in Bezug auf die interne

Zusammenfassung

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Abfolge der Pronominalklitika das Cimbro mehr Ähnlichkeiten mit dem Entwicklungsstand in bairischen Dialekten aufweist und resistent zu sein scheint gegen den Ersatz einer Regel, die in erster Linie von der Kategorie Person gesteuert wird, durch die modellsprachliche Regel, die in erster Linie von der Kategorie Kasus gesteuert wird. Die Nichtzugänglichkeit des Kontakteinflusses auf die klitische Kette spricht für eine Charaktierisierung von Klitika als phrasal affixes (vgl. ANDERSON 1992, 198–223 und 2005, 82–89). Die Parallelen zwischen morphologischen Markierern wie Affixen und special clitics, die ANDERSON (2005) anführt, sind am frappierendsten hinsichtlich ihrer festgelegten Positionierung (second position oder verb based) und ihrer festgelegten internen Abfolge. Special clitics sind demnach keine Einheiten, auf die syntaktische Operationen Zugriff haben, sondern vielmehr Einheiten, die zur Charaktierisierung der morphosyntaktischen Eigenschaften von Phrasen beitragen. Ist auch in anderen Sprachkontaktfällen eine relative Eigenständigkeit der Entwicklung bzw. Bewahrung der internen Abfolge der Pronominalklitika in der klitischen Kette wie im Cimbro zu beobachten, während die Abfolge der (nominal-lexikalischen) Satzkonstituenten mit syntaktischer Funktion sich der Modellsprache anpasst, könnte dies als Unterstützung für eine solche Analyse herangezogen werden. Hand in Hand mit Veränderungen in der Wortstellung geht der allmähliche Wandel des Klitisierungssystems. Als Tendenz dieses Wandels lässt sich feststellen, dass für die Positionierung der Pronominalklitika die adjazente Stellung zu Verbformen an Bedeutung zunimmt. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, ob sich diese Entwicklung mit einer Veränderung der Pronominalklitika von second position clitics zu verbal clitics mit einer Positionierung „adjazent (und enklitisch) zum Verb“ beschreiben lässt. Da sich bisher keine Entwicklung hin zu einer möglichen proklitischen oder unmittelbar präverbalen Positionierung von Objektklitika vor finite Verbformen abzeichnet, erscheint eine Analyse als verbal clitics verfehlt. Wie gelangt man von den Ergebnissen der vorliegenden Studie zu generelleren Aussagen über die Veränderlichkeit eines Systems von Pronominalklitika? Ausgehend vom eingangs formulierten Gemeinplatz „anything goes“ legen die Ergebnisse der Untersuchung Folgendes nahe: für die Parallelisierung der internen Abfolge in der klitischen Kette und für die Umorientierung von enklitisch zu proklitisch sind besondere Voraussetzungen notwendig, die im vorliegenden Fall ebenso wenig zugänglich sind wie die morphologische Strukturiertheit. Die für die Herstellung von größerer Übereinstimmung notwendigen Voraussetzungen sind anscheinend nicht einfach durch Übernahme von Eigenschaften zu schaffen und auch nicht einfach über Grammatikalisierungsprozesse herzustellen. Nichtsdestotrotz steht für die Auswirkungen des Sprachkontakts auf die Struktur des Cimbro außer Frage, dass sie zu einer Abweichung vom ursprünglichen typologischen Charakter geführt haben. Es wurde im Zuge der Darstellung immer wieder versucht, das Cimbro und die Besonderheiten seines Systems der Pronominalklitika in einen größeren Rahmen einzubetten. Die Differenzierung zwischen genetischer, geographischer und typologischer Nähe diente vor allem der Typisierung eines Phänomens in geneti-

232

Zusammenfassung

scher (germanisch vs. romanisch) und arealer Hinsicht. Was dabei noch nicht in Angriff genommen wurde, ist die Einordnung des Sprachinseldialekts von Luserna (und anderer deutscher Sprachinseldialekte) in eine Typologie der germanischen Sprachen. In dieser Hinsicht scheint vor allem der Vergleich mit subject doubling-Konstruktionen, wie sie auch in niederländischen Dialekten vorkommen, interessant (vgl. DE VOGELAER 2005). Abschließend, auf das Wesentlichste konzentriert, lautet die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, inwiefern Morphologie, Syntax und Funktion der Pronominalklitika des Cimbro betroffen sind von der Übernahme von Eigenschaften, die zu einer grösseren Übereinstimmung mit der Modellsprache geführt haben, so: die morphologische Struktur ist kaum betroffen, die Syntax beträchtlich (u. a. Wortstellung, kategorielle Orientierung) und hinsichtlich ihrer Funktion als Kongruenzmarkierer weisen die Subjektklitika des Cimbro Ähnlichkeiten auf zu denjenigen in rätoromanischen Varietäten mit V2-Beschränkung und die Objektklitika zu denjenigen im Italienischen und teilweise den umgebenden italienischen Dialekten.

oa Umlaut öö

groͅas ‚groß‘

oo

oͅa loͅap ‚Laub‘ ũa vor Nasalen puam ‚Baum‘

mhd. ou

loop poom

pööse dorstöarn schöön ō̜ oder o̜-ə 301

öa/oa 300 pöasan (neben poasan) ‚den bösen‘ (Dat.), hö̂age ‚Höhe‘

ū̜ə͂, ū̜͂ , ō͂ vor Nasal299

hoɒχ ‚hoch‘298

ī̜ ə͂ vor Nasal gī̜ ə͂n 297

ä, ê, e, ė, ea (sealig/sêlig)295 -eɒ 296

Dreizehn Gemeinden

296

Man vgl. die Textsammlung von SCHWEIZER (1939, 108). Man vgl. Karte 26 ‚Klee‘ im Tirolischen Sprachatlas, Band 1: Vokalismus. 297 Diese Angabe für die Dreizehn Gemeinden stammt aus KRANZMAYER (1981, 58). 298 Man vgl. Karte 35 ‚hoch‘ im Tirolischen Sprachatlas, Band 1: Vokalismus. 299 Siehe KRANZMAYER (1981, 58) für Beispiele (u. a. „s̊tūͅə͂, pūͅə, pōme; in offener Silbe jedoch vūͅme‚ ‚Faim, Schaum‘, […] vōmǐs ‚heimisch‘, […]“). In KRANZMAYER (1956, 47) wird für diesen Fall (mhd. ô vor Nasal) undifferenzierter für die Dreizehn Gemeinden die Entsprechung uɒ͂ angegeben. 300 Man vgl. die Textsammlung von SCHWEIZER (1939, 110). 301 Diese Angabe stammt von KRANZMAYER (1981, 30). Für Angaben zu den Entsprechungen von mhd. ou in den zimbrischen Dialekten vgl. man auch Karte 48 ʻtaufenʼ im Tirolischen Sprachatlas, Bd. 1.

295

öö aber auch: öa

ö̜a pö̜aš ‚böse‘ aber auch: ö̂ stö̂rn ‚stören‘ ü͂a vor Nasalen schü͂a ‚schön‘

ũa vor Nasalen schũa ‚schon‘

oͅa

groaz gröözor

ê im Inlaut sêla ‚Seele‘ ê/ea im Anlaut erda/herda, earda ea im Auslaut snea ‚Schnee‘

schnea

ia vor Nasalen gian

ea

Sieben Gemeinden (SCHMELLER 1838)

mhd. ö̂

mhd. ô

mhd. ê

Luserna (BACHER 1905)

ANHANG

Tabelle A: Die Entsprechungen ausgewählter mhd. Lautungen in den zimbrischen Varietäten

234

Anhang

Tabelle B: Informationen zu den Gewährspersonen

Alter (2001) Name 60–80 Ada Ida Iolanda 40–60

Cesarina Gisella (Tochter von Ida)

20–40

Gianfranco Adelia Claudia Fiorenzo = Quest Sara

Abwesenheit von Luserna als Kind: 3 Jahre Paris, 3 Jahre Böhmen; als junge Erwachsene: ca. 9 Saisons in der Schweiz als junge Erwachsene 3 Saisons in der Schweiz nach dem 15. Lebensjahr: 5 Jahre Trient, 2 Jahre München, 4 Jahre Bozen, 22 Jahre Rovereto -

Quest steht für Questionario. Die mit Quest als Quelle gekennzeichneten Belege im Text wurden auf der Grundlage von Einzelsatzübersetzungen mit Fiorenzo als Gewährsperson elizitiert. Steht hinter einem Beleg zum Cimbro nicht nur einer der oben angeführten Namen, sondern als Zusatz „Elizitierung“, dann wurde der Beleg mit der Gewährsperson ebenfalls auf der Grundlage von Einzelsatzübersetzungen elizitiert.

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beihefte

In Verbindung mit Werner König und Dieter Stellmacher herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0341–0838

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Die in Luserna im Trentino gesprochene Varietät Cimbro ist das letzte Überbleibsel der sogenannten zimbrischen Dialekte. Diese Studie stellt die morphologischen, syntaktischen und diskurspragmatischen Eigenschaften und die kontaktinduzierten Veränderungen des Pronominalsystems des Cimbro dar. Dabei wird geprüft, ob die Verhältnisse in den benachbarten italienischen Dialekten ein Vorbild für bestimmte Prozesse des Sprachwandels waren. Die Kapitel zur Morphologie und Wortstellung der Pronominalklitika im Cimbro widmen sich sowohl der paradigmatischen Struktur der untersuchten Pronominalfor-

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men und der Darstellung ihrer morphosyntaktischen Eigenschaften als auch der möglichen syntaktischen Positionierung der Pronominalklitika in verschiedenen Konstruktionen. Auch die Funktion der Pronominalklitika als Kongruenzmarkierer wird dargestellt. Schließlich behandelt der Band die Frage, ob die Pronominalklitika des Cimbro als verbale Klitika zu werten sind. Eingebettet ist die Untersuchung in einen sozio-historischen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Sprachinsel Luserna und über die Sprachkontaktforschung des letzten halben Jahrhunderts.

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