Problemlage und Lösungsansätze im Transnistrienkonflikt 9783205791980, 9783205788423


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Problemlage und Lösungsansätze im Transnistrienkonflikt
 9783205791980, 9783205788423

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Internationales Institut für Liberale Politik Wien

Schriftenreihe zur internationalen Politik Band 5

Dieses Buch ist ein Ergebnis des Projektes Konfliktmanagement im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport

Erich Reiter (Hg.)

Problemlage und Lösungsansätze im Transnistrienkonflikt

Böh l au Ve r l ag Wi e n · Köl n · We i mar

Redaktionelle Beratung: Mag. Werner Lackner

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek  : Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie    ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http  ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78842-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ­insbesondere die der Über­setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von ­Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf ­fotomechanischem oder ­ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten­ver­arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http  ://www.boehlau-verlag.com Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck  : Generaldruckerei Szeged

Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Herausgeber und Autoren 9

Stefan Wolff Ein lösbarer „Eingefrorener Konflikt“  ? 13 Dirk Schübel Reformen in der Republik Moldau  : Auf der Überholspur nach Europa oder viel Lärm um nichts  ? 63 Andrei Zagorski Russland und der Transnistrienkonflikt 77 Manfred Grund Europäische Sicherheitsarchitektur unter besonderer Einbeziehung der Transnistrienproblematik 103 Hannes Adomeit Chancen und Hindernisse einer Konfliktlösung 109 Eugene Kogan The Current Moldova’s Defence and Security Agenda 131

Vorwort

Dieses Buch befasst sich mit dem Transnistrienkonflikt, also mit der Los­ lösung des ethnisch eine leichte russisch-ukrainische Mehrheit gegenüber den Moldauern aufweisenden Landstreifens östlich des Dnjestrs von der neuen postsowjetischen Republik Moldau. Dieser Konflikt zwischen dem moldauischen Staat, der Transnistrien wieder heimholen will, und dem abtrünnigen Gebiet, das sich als eigener Staat versteht, berührt nicht nur die Interessen der Staaten der Region, sondern auch die Russlands und der EU. Letztere muss daran interessiert sein, Konflikte in ihrer Nachbarschaft zu lösen und Konfliktmanagement zu betreiben. Unsere Autoren befassen sich deshalb mit den Chancen und Hindernissen einer Konfliktlösung, wobei insbesondere die Frage zu beantworten ist, wann der Konflikt zwischen Moldau und dem separatistischen Transnistrien als „gelöst“ angesehen werden kann. Hannes Adomeit meint, dass es im Wesentlichen zwei Antworten auf diese Frage gibt  : erstens, wenn das abtrünnige Teilgebiet wieder in den moldauischen Staatsverband eingegliedert worden ist, oder, zweitens, wenn der bestehende status quo sowohl rechtlich als auch in den Wahrnehmungen und Empfindungen der Menschen in beiden Teilen des derzeitigen moldauischen Staatsgebiets als legitim anerkannt wird. Ebenso wie Adomeit befasst sich Stefan Wolff mit den Möglichkeiten der Lösung dieses „eingefrorenen“ Konflikts. Dazu muss auch beurteilt werden, wie eine dieser unterschiedlichen Möglichkeiten erreicht werden könnte. Andrei Zagorski geht auf die besonders bedeutsame Frage ein, welche Rolle Russland in diesem Konflikt spielt und ob es als politische und wirtschaftliche Schutzmacht Transnistriens dessen Politik maßgeblich beeinflussen kann. Mit der europäischen Dimension beschäftigen sich zwei Beiträge. Einmal geht Manfred Grund auf die Relevanz des Transnistrienkonflikts für die europäische Sicherheitsarchitektur ein. Und Dirk Schübel stellt Überlegungen über die künftige Orientierung der Republik Moldau und deren Weg nach Europa an. Der Beitrag von Eugen Kogan über die sicherheitspolitische und militärische Situation rundet dieses Buch ab. Es wird den Lesern gute Möglichkeiten

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Vorwort

bieten, sowohl den Konflikt und dessen Bedeutung als auch die Lösungsmöglichkeiten zu verstehen und besser beurteilen zu können. Erich Reiter

Herausgeber und Autoren Dipl. Pol., M.A., PhD. Hannes Adomeit  : * 1942 in Memel/Ostpreußen. Studium

sowjetischer Außenpolitik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und Columbia University, New York  ; 1972–73 Research Associate, International Institute for Strategic Studies, London  ; 1973–77 Lecturer, Institute for Soviet and East European Studies, Glasgow  ; 1977–79, Visiting Professor, Royal Military College of Canada und Queen‘s University, Kingston, Ontario  ; 1979– 1989, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinstitut für Internationale Politik und Sicherheit der SWP  ; 1985–86 Rand/UCLA Center for the Study of Soviet International Behavior in Santa Monica, Calif.; 1989–97 Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Forschungsprogramms für Russland und Ostmitteleuropa, Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts University und Fellow am Russian Research Center der Harvard Universität  ; seit 5/1997 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinstitut für Internationale Politik und Sicherheit der SWP in Berlin und seit 9/2007 Professor für Osteuropastudien am College of Europe in Natolin (Warschau). Dipl. Elektroingenieur Manfred Grund MdB  : * 1955, Abitur in Lützen, 1976–80

Studium der Elektrotechnik an der technischen Universität Dresden  ; 1989 Sprecher der Bürgerinitiative Heiligenstadt  ; seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages  ; seit 1998 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSUBundestagsfraktion  ; seit 1998 Mitglied des Ältestenrates  ; seit 2005 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, Länderbeauftragter des Bundestages für die Republik Moldau  ; seit 2009 Stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe  ; seit 2009 Vorsitzender des DeutschMoldauischen Forums e.V.; seit 2010 Vorsitzender der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft e.V. Dr. Eugene Kogan  : * 1957, aufgewachsen in Moskau/UdSSR, als 16-Jähriger

zusammen mit der Familie nach Israel ausgewandert. Studierte an der Universität Tel Aviv Geschichte und promovierte an der Universität Warwick, Großbritannien. Seine Dissertation beschäftigte sich mit der Auslagerung der sowjetischen Rüstungsindustrie aus der Kriegszone im Lauf der Jahre 1941–

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Herausgeber und Autoren

1942. Er ist Experte im Bereich der Rüstungsindustrien, war Gastforscher an Forschungs­instituten, wie z. B.: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stiftung Wissenschaft und Politik, Schwe­dische Forschungsagentur für Verteidigung (FOI), Schwedische Nationale Verteidigungs­akademie (FHS). Zurzeit wohnt Dr. Kogan in Wien und arbeitet als Gastwissenschaftler am Internationalen Institut für Liberale Politik. Er ist israelischer Staatsbürger und leistete 1975–1978 seinen Militärdienst in den israelischen Streitkräften (IDF). Sprachen  : Russisch, Englisch, Hebräisch, Deutsch. Sektchef i.R. Hon.-Prof. Dr. iur., Dr. rer. pol. Erich Reiter  : * 1944 in Fürsten-

feld (Steiermark), Tätigkeiten als Richteramts- und Rechtsanwaltsanwärter, Kammer- und Sparkassenangestellter, Finanzdienst, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Bundeskanzleramt und zuletzt im Bundesministerium für Landesverteidigung, 1986–1996 Leiter der Präsidial- und Rechtssektion und bis 2006 Beauftragter für strategische Studien und Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik. 2001–2006 Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates. Langjähriger Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Politische Soziologie. Lehrbeauftragter an den Universitäten Graz und Klagenfurt. Honorarprofessor für Internationale Wirtschafts- und Sozialvergleiche an der Universität Graz. Autor zahlreicher juristischer und politikwissenschaftlicher Publikationen. Herausgeber mehrerer Buch- und Zeitschriftenreihen. Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik Wien (IILP). Botschafter Dirk Schübel  : * 23. Oktober 1965 in Zwickau/Sachsen, verheira-

tet, eine Tochter  ; Studium der Wirtschaftswissenschaften in Berlin, Schwerpunkt Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Außenwirtschaft  ; Praktika in der Europäischen Kommission in Berlin und Brüssel (Generaldirektionen für Information und für Finanzen)  ; seit 1993 im Diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland  ; seit 1997 im Diplomatischen Dienst der Europäischen Union. 2006–2009 Stell­vertretender Leiter der Delegation der Europäischen Union in der Ukraine, seit 1. Nov. 2009  : Leiter der Delegation der Europäischen Union in der Republik Moldau, Chişinău. Sprachen  : Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch, Russisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch, Ukrainisch. Prof. PhD Stefan Wolff  : * 1969 in Leipzig, DDR, Studium der Germanistik,

Anglistik und Amerikanistik in Leipzig (Erstes Staatsexamen), Studium der



Herausgeber und Autoren

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politischen Philosophie in Cambridge (M.Phil.) und der Politikwissenschaft an der London School of Economics (Ph.D.). 1996–1999 DAAD-Lektor in Keele  ; 1999–2006 Lecturer, Reader, Professor für Politikwissenschaft an der University of Bath  ; 2006–2010 Professor für Politikwissenschaft an der University of Nottingham  ; seit 2010 Professor für Internationale Sicherheit an der University of Birmingham. Professor Dr. Andrei V. Zagorski  : * 1959 in Moskau, Leitender Wissenschaft-

ler am Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen (MGIMOUniversität) 1992–2000 Vize-Rektor der MGIMO-Universität, zuständig für Forschung und externe Beziehungen, 2000–2001 Senior Vice-President  ; Project Director, EastWest Institute (Prager Büro), 2002 Faculty Member, Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik  ; 2002–2003 stv. Direktor des Instituts für angewandte internationale Studien, Moskau  ; 2004–2005 stv. Leiter der Außenstelle Moskau der Konrad-Adenauer-Stiftung, seit 2005 leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter und Professor, MGIMO-Universität. Andere (zeitweilige) Funktionen  : Experte sowjetischer Delegationen bei einer Reihe der KSZE-Treffen, Vorsitzender der Vereinigung für Nonproliferation, Moskau, Mitglied der unabhängigen Gruppe über das Modell der europäischen Sicherheit unter der Schirmherrschaft von SIPRI, Mitglied der Internationalen Task Force über die Zukunft der OSZE unter der Schirmherrschaft des Zentrums für OSZE-Forschung, IFSH, Hamburg, Mitglied des IISS, Mitglied des internationalen Beirats des Genfer Zentrums für demokratische Kontrolle der Streitkräfte, Vize-Präsident, Russische Vereinigung für euro-atlantische Kooperation, Mitglied des Kuratoriums, PIR-Zentrum (Politische Studien in Russland), Moskau, Mitglied der Editorial Boards  : OSZE Jahrbuch (Hamburg), Helsinki Monitor (the Hague), „Perspectives“ (Prague), Bulletin der europäischen Sicherheit (Moskau). Über 200 Publikationen über die Außenpolitik Russlands, europäische Sicherheit, postsowjetische Entwicklungen, Rüstungskontrolle.

Stefan Wolff1

Ein lösbarer „Eingefrorener Konflikt“  ? Die Innen- und Außenpolitik der Selbstbestimmung in der Republik Moldau und Transnistrien

0. Abstract Der Transnistrienkonflikt in der Republik Moldau hat seit dem ursprünglichen Waffenstillstands­abkommen 1992 kaum Fortschritte in Richtung einer Lösung gemacht, trotz mehrerer Vorschläge seitens der wichtigsten Konfliktparteien und Vermittler. Dieser Artikel wird sich weniger mit den Gründen befassen, warum die Verhandlungen häufig zum Stillstand kamen, sondern eher den Gehalt der aktuellen Vorschläge aus der Perspektive der verschiedenen Theorien des Konflikt­managements beurteilen und einen Rahmen für eine dauerhafte Lösung des Transnistrien­konflikts innerhalb der 5+2-Verhandlungen unterbreiten  : ein mehrfach asymmetrisch föderiertes System und Mitbestimmung auf der Ebene des Zentralstaates, ergänzt durch eine Einbettung in nationalem und internationalem Recht.

1. Einleitung Der Transnistrienkonflikt in seiner aktuellen Ausprägung stammt aus dem Ende der Sowjetunion und der Errichtung der unabhängigen Republik Moldau. Unter allen post-sowjetischen Konflikten ist er derjenige, auf den die Bezeichnung „Eingefrorener Konflikt“ noch am besten passt  : Im Gegensatz zu den Konflikten um Südossetien und Abchasien in Georgien und dem armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um Nagorno-Karabach gab es hier seit dem Waffenstillstand 1992 weder einen Gewaltausbruch noch einen signifikanten Fortschritt in Richtung Konfliktlösung. Seit damals hat sich der Status quo nur 1 Professor für Internationale Sicherheit, Universität Birmingham, UK, stefan@stefanwolff. com, www.stefanwolff.com. Für die außerordentlich kompetente and sorgfältige Übersetzung danke ich Herrn Mag. Werner Lackner.

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Stefan Stefan Wolff Wolff

konsolidiert und dies hat mächtige Interessensgruppen hervorgebracht, die alles andere, nur keine Veränderung der bestehenden Situation wünschen. Es herrscht derzeit ein überwältigender Konsens unter Wissenschaftern und politischen Entscheidungsträgern nationaler Regierungen, regionaler und internationaler Organisationen sowie NGOs, dass umstrittene Gebiete wie Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Nagorno-Karabach Spezifika der internationalen Beziehungen darstellen, die am Besten als „de facto“-, „nicht anerkannte“- oder „Quasi-Staaten“ bezeichnet werden, ähnlich Nordzypern, Somaliland und, in geringerem Ausmaß, Kosovo und Taiwan2. Während Transnistrien in einigen vergleichenden Analysen als einer unter mehreren Fällen behandelt wird, wurde es kaum in wissenschaftlichen oder politikberatenden Einzelfall-Studien untersucht. Dies wird dann besonders auffällig, wenn die Zielsetzung nicht auf eine Beschreibung der Ursachen des Konflikts, seiner Geschichte und der Gründe, warum noch keine Lösung in Sicht ist, beschränkt bleibt. Selbstverständlich ist das Verständnis dieser Grundlagen wichtig, meines Erachtens gerät damit allzu oft aber eine ebenso wichtige Dimension jeder realisierbaren Konfliktlösung im Transnistrienkonflikt aus dem Fokus – deren aktueller Inhalt. Dieses Papier schlägt vor, damit zu beginnen, diese Lücke zu schließen. Nach einem kurzen Überblick über den Konflikthintergrund sowie die Geschichte und Struktur seiner bisherigen erfolglosen Lösungsversuche werde ich jene Bereiche der Hauptfragen aufzeigen, die eine Übereinkunft der Streitparteien erfordern und einige Vorschläge anbieten, wie ein Abkommen zu strukturieren wäre, das die Kernanliegen aller Parteien berücksichtigt. Obwohl der Transnistrienkonflikt in vielerlei Hinsicht einen Sonderfall unter den Territorialkonflikten innerhalb und außerhalb der ehemaligen Sowjetunion darstellt, so ist er dennoch nicht in allen Dimensionen einzigartig. Der Transnistrienkonflikt hat auch einige Gemeinsamkeiten mit anderen Konflikten hinsichtlich interner und externer Hindernisse, die bislang eine nachhaltige Lösung verhindert haben. Eine Ausweitung der vergleichenden Sicht auf innerstaatliche und internationale Varianten der Selbstbestimmungspolitik und deren Ausprägungen anderswo ist daher eine nützliche Übung, um den aktuellen Verhandlungsprozess zu beeinflussen, und kann im Folgenden wichtige Schlussfolgerungen aufzeigen, wie ähnliche Konflikte einer dauerhaft friedlichen und demokratischen Lösung zugeführt werden können. 2 Vgl. z.B. Bacheli et al. (2004), Caspersen and Stanfield (2010), Coppieters et al. (2004), King (2001), Kolstø and Blakkisrud (2008), Kolstø (2006), Lynch (2004), Stanislawski (2008).



Ein Ein lösbarer lösbarer „Eingefrorener Konflikt“   Konflikt“  ??

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2. Hintergrund  : Der Transnistrienkonflikt und die bisherigen Friedensverhandlungen3 Als die Sowjetunion zerfiel und ab 1991 neue unabhängige Staaten aus ihren Teilen entstanden, sahen viele dieser Nachfolgestaaten und deren Bürger in eine ungewisse Zukunft, die in mehreren Fällen zu langwierigen Kämpfen zwischen alten und neuen Eliten um die Verfügungsgewalt bezüglich der politischen, ökonomischen und militärischen Einrichtungen führten. Die Republik Moldau war in dieser Hinsicht nicht anders  : Die Elite in Tiraspol, der präsumtiven Hauptstadt Transnistriens, von ihren früheren imperialen Partnern in Moskau abgetrennt, mit dem Verlust der politischen und ökonomischen Macht konfrontiert und, aus ihrer Sicht, bedroht von einer zunehmend aggressiven Kampagne zur Rumänisierung sowie einer möglichen Vereinigung mit Rumänien, die seitens der Moldawischen Volksfront propagiert wurde, weigerte sich, die Souveränität Moldaviens anzuerkennen, und versuchte erst, ihre Union mit Moskau aufrechtzuerhalten, später ihre eigene Unabhängigkeit durchzusetzen. Weitere Radikalisierung auf beiden Seiten löste schließlich eine Periode ernster Gewalthandlungen zwischen den jeweiligen Parteien am linken und rechten Ufer des Dnister aus. Anfänglich personell und rüstungsmäßig unterstützt durch die am linken Ufer stationierte sowjetisch/russische 14. Armee, gelang es den transnistrischen Kräften, die moldawischen Einheiten zu vertreiben, die am rechten Ufer gelegene Stadt Bender (Tighina) zu erobern, dieses Gebiet effektiv zu beherrschen und gleichzeitig bis zu Tausende ethnische Moldawier zur Abwanderung zu veranlassen. Der heftige, aber kurze Kampf endete bald nach Ankunft des russischen Generals Alexander Lebed und seiner Kommandoübernahme über die russischen Kräfte in Transnistrien. Lebed sicherte sich die Kontrolle über alle russischen und transnistrischen Kräfte. Ein Waffenstillstandsabkommen etablierte im Juli 1992 eine russisch-moldawisch-transnistrische Peace-keeping-Force, die bis 3 In diesem Abschnitt beziehe ich mich hauptsächlich auf Interviews und Gespräche, die ich in den letzten sieben Jahren mit einer Vielzahl hoher Regierungsbeamter und lokaler Experten in der Republik Moldau und Transnistrien, Funktionären der britischen, deutschen, russischen und ukrainischen Botschaft in Chişinău, dem Sondergesandten der EU für die Republik Moldau und seinem Stab und Mitgliedern der OSZE-Mission in der Republik Moldau geführt habe. Jüngste wissenschaftliche Abhandlungen sind etwa von Sanchez (2009), Sherr (2009), Quinian (2008), Crowther (2007) und Protsyk (2006). Für ältere Hintergrundanalysen siehe Kolstø und Malgin (1998), Neukirch (2001), Roper (2001), Vahl und Emerson (2004) und Popescu (2004  ; 2005).

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Stefan Wolff

heute in einer Pufferzone im Dnister-Tal stationiert ist und von der sogenannten Joint Control Kommission beaufsichtigt wird.4 Der Transnistrienkonflikt wirft also drei unterschiedliche, aber eindeutig zusammenhängende Fragen auf, die als Teil einer dauerhaften Lösung angegangen werden müssen  : die Rechtsstellung (Status) Transnistriens, der Status von Bender und die Anwesenheit russischer Truppen am linken Dnister-Ufer. Bender, historisch gesehen eine Stadt Bessarabiens, liegt am rechten Dnister-Ufer, war 1992 Schauplatz der schwersten Kämpfe und ist heute innerhalb der sogenannten Pufferzone unter Kontrolle der Joint Control Kommission, aber tatsächlich unter transnistrischer Verwaltung. Während der Sowjetzeit war Bender eine der vier „Republiksunmittelbaren Städte“, also ein eigenständiger Bezirk. Zu diesen drei Fragen schließt der weitere Kontext des Transnistrienkonflikts und seiner Lösung auch Gagausien ein, ein kleines unzusammenhängendes autonomes Gebiet in der südlichen Republik Moldau. Auch da erhob sich, ähnlich zu Transnistrien, ab den späten 1980-ern signifikanter Widerstand gegen die Rumänisierung der Republik Moldau. Tatsächlich erfolgte Gagausiens (nicht anerkannte) Unabhängigkeitserklärung noch vor derjenigen Transnistriens. Im Gegensatz zu Transnistrien gab es aber in Gagausien nur sehr vereinzelt Gewaltausbrüche. Außerdem stimmten sechs der zwölf gagausischen Abgeordneten des moldawischen Parlaments in einem zeitlichen Abstand von weniger als zwei Wochen nach der eigenen Unabhängigkeits­e rklärung für die moldawische Unabhängigkeitserklärung, während die anderen sich der Stimme enthielten. Das hat zusammen mit der OSZE-Vermittlung den Weg für das Abkommen 1994 (1995 in Kraft getreten) geebnet, mit dem Gagausien eine verfassungsmäßig garantierte Autonomie innerhalb der Republik Moldau erhielt. Obwohl es erhebliche Schwierigkeiten in der Umsetzung und Anwendung des Autonomiestatuts gibt, ist Gagausien dennoch ein Bezugspunkt für den Transnistrienkonflikt. Während Chişinău gerne darauf verweist, dass Gagausien die Erreichbarkeit und Durchführbarkeit einer Konfliktlösung innerhalb der Republik Moldau beweist, ist es Tiraspol nicht genug, einen Statuts angeboten zu erhalten, der über den von Gagausien nicht hinausgeht. Umgekehrt gibt es einige Gagausier, wenn auch eine Minderheit, die einen geringeren 4 Dieses Waffenstillstandsabkommen, offiziell „Übereinkommen zu den Prinzipien einer friedlichen Lösung des bewaffneten Konflikts in der Region Transnistrien“, statuiert auch Russland als eine offizielle Partei im Friedensprozess. Dieses Abkommen kann, wie auch andere Quellen dieses Papiers, von der Seite www.stefanwolff.com/projects/official-documents-andproposals abgerufen werden.



Ein lösbarer „Eingefrorener Konflikt“  ?

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Status für ihr autonomes Gebiet als jenen von Transnistrien nicht akzeptieren wollen. Es gibt zwar begrenzte Querverbindungen zwischen Komrat und Tiraspol, sie können aber kaum als strategische Partnerschaft bezeichnet werden.5 Die Ereignisse im Jahre nach der moldawischen Unabhängigkeit, die formell am 27. August 1991 erklärt wurde, formten in vielerlei Hinsicht die Dynamik des Transnistrienkonflikts der folgenden zwei Jahrzehnte. Vor Ort wurde die selbst proklamierte Transnistrische Moldauische Republik (Pridnestrowskaja Moldawskaja Respublika, Придністровська Молдавська Республіка) errichtet, die schnell ihre Institutionen und Funktionen aufbaute und konsolidierte, wie ein vollständiger Staat dem nur noch die internationale Anerkennung fehlt. Seit 1992 hat die Existenz Transnistriens machtvolle politische und ökonomische Interessensgruppen auf beiden Seiten des Dnister und in der benachbarten Ukraine aufkommen lassen, die ein Interesse am Fortbestand dieses Status quo haben. Speziell in Transnistrien sind politische und ökonomische Interessen, und daher die Einsätze, stark personalisiert. Politische Macht, und damit gleichzeitig signifikante ökonomische Macht (wegen seiner Kontrolle des Zoll- und Steuerregimes) ist beinahe ausschließlich in den Händen des Langzeit-Präsidenten Transnistriens, Igor Smirnow, monopolisiert, wobei ein einziger ökonomischer, und zunehmend auch politischer, Gegenpol in Gestalt des Sheriff-Konzerns existiert, der 1993 von zwei Ex-Geheimdienstlern der transnistrischen „Special Services“ gegründet wurde. Obwohl Sheriff der Oppositionsbewegung „Erneuerung“ (Obnovleniye) zugerechnet wird, die mehr politische Offenheit und ökonomische Liberalisierung in Transnistrien fordert, scheinen Sheriff und Smirnow –­­ nach einer Periode erhöhter Spannungen nach dem absoluten Wahlsieg der Oppositionspartei6

5 Die Beobachtungen des vorstehenden Abschnittes beruhen auf persönlichen Eindrücken und Gesprächen mit Gagausischen, Moldawischen, OSZE- und EU-Vertretern während mehrerer Jahre. Zwischen 2004 und 2009 besuchte ich regelmäßig Komrat im Zuge eines Projektes des Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen (ECMI) um die Gagausien im Abkommen von 1994 zuerkannten Kompetenzen abzuklären. Im August 2008 besuchte ich mit der Mission des Sondergesandten der EU Komrat, um den lokalen politischen Parteien zu helfen, eine Blockade nach einer früheren Parlamentswahl in Gagausien zu überwinden. Vgl. auch  : Sato (2009), Roper (2001), Quinian (2008) und Protsyk (2005). 6 Bei den Exekutiv-Wahlen in Transnistrien am 12. Dezember 2010 baute „Erneuerung“ seine Mehrheit um zwei auf 25 von 43 Sitzen im Obersten Transnistrischen Sowjet aus, im Unter­ schied zu Smirnows „Republik“ (Respublika), die alle 13 ihrer Sitze im neuen Parlament verloren hat.

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2006 – zu einer stillschweigenden Vereinbarung für eine „friedliche Koexistenz“ gekommen zu sein. Trotzdem haben seine wirtschaftlichen Interessen den Sheriff-Konzern veranlasst, eine Wiederannäherungspolitik an Chişinău zu verfolgen, insbesondere nachdem die EU der Republik Moldau im Januar 2008 autonome Handelspräferenzen zugestanden hat. Eine Allianz zwischen Sheriff, Obnovleniye und Moskau stellt nun eine ernste Bedrohung für Smirnow im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen Ende 2011 dar. Ähnlich dem ursprüngliche Konflikt besteht auch eine Identitätsfrage weiter und hat sich wahrscheinlich in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Trennung vertieft, und es gab sehr wenige, wenn überhaupt, Kontakte von normalen Bürgern über den Dnister hinweg. Seit einiger Zeit gibt es nun eine wachsende Wahrnehmung unterschiedlicher Identitäten  : eine transnistrische, an Russland und slawischer Kultur orientierte und eine moldawische, in der Transnistrien immer weniger Signifikanz behält, während eine EU-Orientierung zunimmt, insbesondere seit dem Beginn der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) der EU und ihrer Östlichen Partnerschaft (ÖP), die der Republik Moldau eine Reihe greifbarer Vorteile bringt. 7 Das wird verstärkt durch das Faktum, dass Rumänisch und Russisch jeweils die dominante Sprache wurde und als Konsequenz Zweisprachigkeit, besser gesagt die Funktion des Russischen als Lingua franca, generationsbedingt abnimmt. Es gilt festzuhalten, dass innerhalb Transnistriens, trotzdem es eine ethnisch plurale Bevölkerung mit jeweils ca. 30% Moldawen, Russen und Ukrainern gibt, keine signifikanten interethnischen Spannungen zu verzeichnen sind. Tatsächlich hat bereits 1993 der Report Nr. 13 der KSZE-Mission für die Republik Moldau festgehalten, dass „ein ausgeprägtes transnistrisches Identitätsgefühl besteht, das auf der Sprache (Russisch), Geografie (natürliche Trennung von der übrigen Republik Moldau durch den Dnister), Geschichte (Transnistrien als Teil des russischen Reiches statt des historischen Bessarabiens) und der Perzeption (zu Recht oder zu Unrecht), 1992 beim moldawischen Versuch einer gewaltsamen Konfliktlösung viel eingesteckt zu haben“, beruht. Ein weiter Beleg für dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist das Faktum, dass alle jene Personen, die während der kurzen Gewaltausbrüche 1992 vertrieben wurden, in ihre Häuser zurückkehren konnten, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Dieses Gemeinschaftsgefühl verlieh Präsident Smirnow und dem politisch-ökonomischen System Transnistriens im weiteren Sinne ein 7 Zur Rolle der EU, ENP und ÖP für die Republik Moldau und den Transnistrienkonflikt, siehe  : z.B. Gheorghiu, Nantoni und Popescu (2004), Popescu (2004, 2005) und Sasse (2008, 2009).



Ein lösbarer „Eingefrorener Konflikt“  ?

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gewisses Maß an Legitimität. Das basiert zum Teil auch auf der allgemeinen Ansicht, dass die Situation in der Republik Moldau zumindest gleich schlecht, wenn nicht schlechter als in Transnistrien ist. Smirnow und die Opposition bleiben gleichermaßen starke Verfechter der transnistrischen Unabhängigkeit, die auch von der Öffentlichkeit weitgehend unterstützt wird.8 Am rechten Ufer spielt – und floriert – ein pro-rumänischer Flügel des politischen Spektrums, speziell des rechten Zentrums, auf einer antirussischen Plattform, teilweise alle Schuld für den Konflikt und seine andauernde Existenz Russland zuschiebend, teilweise eine Bereitschaft zur Anerkennung der transnistrischen Abspaltung signalisierend, wenn gleichzeitig eine volle Integration in die Euro-Atlantischen Strukturen erreicht werden kann, möglicherweise auch durch eine Wiedervereinigung mit Rumänien. In gleicher Weise wie die Mitte-Rechts-Parteien die Legitimität jedes transnistrischen Anspruchs ablehnen, sind die Mitte-Links-Parteien, die von der Kommunistischen Partei Moldawiens dominiert werden, offener für Konzessionen an Transnistrien als Teil einer Konflikt-Beilegung, einschließlich einer Art von Föderalisierung und Mitbestimmung, ohne aber eine klare, konsistente und schlüssige Vision eines künftigen gemeinsamen Staates zu haben – oder eine Strategie, wie dies zu erreichen sei. Diese Spaltung innerhalb des moldawischen Politspektrums und die ernste Entfremdung zwischen den beiden Blöcken nach der umstrittenen Parlamentswahl 2009 verhindern derzeit die essenziell wichtige Gemeinsamkeit von Regierung und Opposition für einen Lösungsansatz seitens Chişinăus. Der Transnistrienkonflikt sicherte über die Republik Moldau hinaus bereits in seinen frühen Stadien die Rolle Russlands als einer der wichtigsten Makler in diesem Konflikt, und wahrscheinlich jenes, der den Schlüssel zur eventuellen Lösung besitzt. Russlands zentrale Stellung im Prozess dieses Konfliktmanagements beruht auf den Bestimmungen des Waffenstillstandabkommens von 1992 (siehe oben), seinen engen Beziehungen mit der transnistrischen Seite und deren spezifischen ökonomischen Abhängigkeit von Russland. Außerdem unterhält Russland immer noch eine Truppe von ca. 1200 Mann in

8 Im Referendum vom September 2006 befürworteten 97 % der Wähler die Unabhängigkeit. Obwohl es wahrscheinlich erscheint, dass dabei auch ein gewisses Ausmaß an Fälschungen vorgekommen ist, gibt es dennoch eine überwältigende Zustimmung zur UnabhängigkeitsAgenda der transnistrischen Führung, wie es auch bislang noch keine glaubhafte Alternative in Form einer anderen Vision, einer politischen Gegenbewegung oder Partei, die dies vertritt, aufgetaucht ist.

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Transnistrien, offiziell, um die militärischen Einrichtungen einschließlich der Rüstungsgüter aus der Sowjetzeit zu bewachen. Russland widerspricht fundamental einem Beitritt der Republik Moldau zur NATO und widersetzt sich höchstwahrscheinlich auch jeder Lösung des Transnistrienkonflikts, sofern nicht darin eine Zusicherung gegen eine Mitgliedschaft der Republik Moldau im Nordatlantikpakt enthalten ist.9 Andererseits bleibt auch Rumänien ein wichtiger Partner, wenn auch auf andere Weise. Verbindungen zwischen Teilen der moldawischen politischen Klasse und Rumänien sind für Transnistrien der Beweis, dass es keinen wirklichen Schutz gegen eine Rumänisierung gäbe. Dabei spaltet gerade die Art der Beziehungen zu Rumänien auch die Parteien am rechten Dnister-Ufer und hat daher die Formulierung eines gemeinsamen Vorschlags ihrerseits an Transnistrien verhindert.10 Diese Fakten haben jeder für sich die Effizienz des Verhandlungsprozesses erheblich geschmälert. Die OSZE, als wichtigste involvierte internationale Organisation, wurde beinahe unmittelbar nach dem Abschluss des Waffenstillstandes 1992 eingebunden, die derzeitige Mission im Februar 1993 eingerichtet und das Büro in Chişinău im April desselben Jahres eröffnet, jenes in Transnistrien zwei Jahre später. Die Verhandlungsstruktur sieht vor, dass die OSZE, Ukraine und Russland als Co-Mediatoren für die (unregelmäßig stattfindenden und seit 2006 suspendierten) Verhandlungen zwischen Transnistrien und der Republik Moldau fungieren, während die EU und die USA an diesem Prozess seit 2005 als Beobachter teilnehmen. Mehrere Vorschläge zur Lösung des Konflikts haben bisher noch kein Ergebnis gezeitigt. In letzter Zeit aber gab es mehrere Anzeichen, dass ernsthafte Gespräche wieder aufgenommen und eine Vereinbarung erzielt werden könnte. So haben seit Jahresbeginn bis Mitte November 2010 fünf informelle Gesprächsrunden im 5+2-Format stattgefunden, die übereingekommen sind, eine Bestandsaufnahme bisheriger unterschriebener Abkommen zu erstellen und die Ausarbeitung eines Systems von Garantien für einen künftigen Vertrag zu beginnen. 2010 wurden auch greifbare Fortschritte zur Verbesserung der Beziehungen erzielt, einschließlich der Bahnverbindungen (Wiedereröffnung der ­Linie

  9 Zwei ausgezeichnete frühere Studien zur Politik Russlands betreffend Moldawien sind  : Litvak (1996) und Neukirch (2001). Zur russischen „Nachbarschaftspolitik“ generell, siehe  : Averre (2009) und Galbreath (2008). 10 Es gibt relativ wenig zur rumänischen Dimension des Transnistrienkonflikts in der englischsprachigen wissenschaftlichen Literatur, außer Csergo and Goldgeier (2004), Heintz (2005), Kaufmann and Bowers (1998) und Popp et al. (2005).



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Chişinău – Tiraspol – Odessa), des Exports (insbesondere für Güter der transnistrischen Firmen durch die Republik Moldau), des Warenverkehrs (in beiden Richtungen über den Dnjepr) und der terrestrischen Telefonverbindungen zwischen Transnistrien und der Republik Moldau. Eine französischdeutsch-russische Initiative zur Wiederbelebung der Gespräche bleibt aktuell, obwohl eine formelle Wiederaufnahme vor einer neuen Regierungsbildung in Chişinău unwahrscheinlich ist. Im George C. Marshall European Center for Security Studies, Garmisch-Partenkirchen, fand eine zweitägige „Review Conference on Confidence-building Measures in the Transdniestria Settlement Process“ am 9. und 10. November 2010 statt, um Fortschritte im Vertrauensbildungs­prozess zu bewerten und Wege zu erörtern, das Engagement der Parteien in den existenten Arbeitsgruppen zu steigern.11

3. Die Grundstruktur der Aufgabenstellung  : die Interessen und Ansprüche im Territorialstreit Dieser Abschnitt stellt den konzeptionellen Kontext bereit, auf dem eine sachkundigere Debatte über eine Streitschlichtung bezüglich Transnistrien fußen kann. Er beginnt mit einem Überblick über unterschiedliche Arten von Territorialkonflikten, die Art wie (oder wie nicht) sie gelöst wurden und wo Transnistrien „hineinpasst“ in dieses Spektrum von Interessen und Ansprüchen. Das wird die Grundlage bilden für die folgenden zwei Abschnitte, in denen ich zuerst bisherige Lösungsvorschläge untersuche und dann eine mögliche Lösung für Transnistrien unter Berücksichtigung der wechselseitigen Ansprüche und Wünsche der Beteiligten skizzieren werde. 3.1 Begriffsklärung der Interessen in Territorialdisputen

Territorialdispute treten prinzipiell in drei unterschiedlichen Formen auf  : zwischen souveränen Staaten, zwischen der Regierung eines souveränen Staates

11 Gegenwärtig gibt es acht Arbeitsgruppen  : Wirtschaft und Handel  ; Gesundheit  ; Landwirtschaft und Umwelt  ; Eisenbahnen  ; Infrastrukurentwicklung (Straßen)  ; Demilitarisierung und Sicherheit (einschließlich der Kooperation zur Rechtsdurchsetzung)  ; Humanitäre Hilfe  ; Bildung und Forschung. Das sind Experten-Arbeitsgruppen, die mit speziellen vertrauensbildenden Maßnahmen befasst sind und von jeweils einem moldawischen und einem transnistrischen Repräsentanten gemeinsam geleitet werden.

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und einem lokalen Herausforderer und zwischen etablierten Gebilden innerhalb eines souveränen Staates. Territorialer Streit zwischen souveränen Staaten beinhaltet normalerweise eine Bedrohung der territorialen Integrität einer der Parteien, wie beispielsweise der Anspruch Nazi-Deutschlands auf das Sudetenland gegenüber der Zwischenkriegs-Tschechoslowakei, Argentiniens Anspruch auf die Falklandinseln oder Spaniens Anspruch auf Gibraltar. In den letzten beiden Beispielen hat jeweils der Staat, der die Hoheitsrechte über das umstrittene Gebiet ausübt, standhaft und bisher erfolgreich den Status quo verteidigt, einschließlich militärischer Gewalt, während im ersten Fall ein internationales Abkommen – das sogenannte Münchner Abkommen – zwischen den damaligen Großmächten (Deutschland, Italien, Frankreich, Vereinigtes Königreich) das umstrittene Gebiet dem Herausforderer zusprach.12 Die territoriale Integrität eines Staates kann auch durch einen einheimischen Herausforderer gefährdet werden, wie die Fälle zeigen, in denen lokale Selbstbestimmungsbewegungen Unabhängigkeit fordern, wie z. B. historische und aktuelle Konflikte in Sri Lanka, Sudan, Quebec, Kosovo, Abchasien und Südossetien zeigen. Auch hier sind die Ergebnisse unterschiedlich. Sri Lanka hat schließlich die Tamil Tiger militärisch besiegt  ; im Sudan einigten sich der Norden und der Süden interimistisch auf eine Autonomie des Südens, bis ein Referendum im Jänner 2011 die künftige Unabhängigkeit des Südens bestimmte. In Quebec wurde ein Referendum für die Unabhängigkeit knapp abgelehnt und somit bleibt die Provinz ein Bundesstaat innerhalb Kanadas. Der Kosovo hat, nach einer fast zehnjährigen internationalen Verwaltung durch die Vereinten Nationen, eine Anerkennung seiner einseitigen Unabhängigkeitserklärung im Februar 2008,13 hauptsächlich aus dem Westen, erhalten  ;

12 In Folge des Münchner Abkommens zwangen die beiden Wiener Schiedssprüche 1938 und 1940, die Slowakei bzw. Rumänien, jene Gebiete an Ungarn abzutreten, die dieses durch die Bestimmungen des Trianoner Friedensvertrages 1920 verloren hatte und seither wiederzugewinnen suchte. Diese Schiedssprüche waren Teil der gemeinsamen deutsch-italienischen Strategie, ihre Allianz mit Ungarn zu konsolidieren. Im Zuge der territorialen Bereinigungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Landkarte Mittel- und Mittelosteuropas neuerlich geändert, wobei unter anderem auch die Gebietsänderungen aufgrund des Münchener Abkommens und der Wiener Schiedssprüche zurückgenommen wurden. 13 Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes im Juli 2010 wurde sehr begrüßt im Kosovo und auch in westlichen Hauptstädten als Legitimierung der Staatlichkeit des Kosovo. Selbst wenn man dem zustimmt (was ich nicht tue), muss man festhalten, dass das nicht zu weiteren Anerkennungen geführt hat  : Zwischen Juli und November 2010 haben nur drei weitere



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für Abchasien und Südossetien schuf hingegen die militärische Konfrontation zwischen Georgien und Russland jene Bedingungen, die es diesen beiden separatistischen Entitäten ermöglichte, ihren Eigenständigkeitsstatus zu festigen und ein Minimum an internationaler Anerkennung einzufahren.14 Oftmals geht es aber nicht um eine vollständige Unabhängigkeit, sondern um ein erhöhtes Ausmaß an Selbstverwaltung, das die Selbstbestimmungsbewegung in jenem Gebiet anstrebt, das sie als ihre Heimat ansieht. In diesen Fällen werden territoriale Selbstverwaltungsbestimmungen innerhalb der Grenzen eines bestehenden souveränen Staates als Kompromiss von den Streitparteien akzeptiert, wie z.B. in der Krim, Gagausien oder Aceh. Streitigkeiten zwischen Staaten oder zwischen Staaten und internen Herausforderern können sich auch überlappen, wenn nämlich lokale Selbstbestimmungsbewegungen nicht einen unabhängigen Staat anstreben, sondern eine Wiedervereinigung mit dem, was sie als ihre angestammte Heimat oder Stammland ansehen. In einigen Fällen, wie z.B. in den Åland Inseln, Südtirol, Nordirland und Republika Srpska, wurden Kompromisse gefunden, gelegentlich mit kräftiger internationaler Vermittlung, wobei die territoriale Integrität des betroffenen Staates bewahrt und gleichzeitig der Selbstbestimmungs­bewegung ein hohes Ausmaß von Selbstverwaltung und bevorzugten grenzüberschreitenden Beziehungen zum Stammland geboten wurden. In anderen Fällen, insbesondere dem Saarland 1935 und 1956, wurde dem umstrittenen Gebiet eine Vereinigung mit seinem Stammland erlaubt (Wolff 2003). Gebietsstreitigkeiten zwischen Entitäten innerhalb eines souveränen Staates sind relativ selten, aber dennoch wichtig. Betrachten wir zur Illustration die Fälle von Brčko in Bosnien und Herzegovina, Abyei im Sudan und Kirkuk im Irak. Der Bezirk Brčko war zwischen Bosnien und Herzegowina auf der einen und der Republika Srpska auf der anderen Seite umstritten, die beide das Gebiet als Teil ihres Territoriums betrachteten. Schließlich legte ein internationaler Schiedsspruch fest, dass Brčko als Kondominium verwaltet werde, also gleichzeitig beiden Teilrepubliken (Republika Srpska und Föderation

­ taaten (Honduras, Kiribati und Tuvalu) das Kosovo anerkannt und die UN-Vollversammlung S im September 2010 hat die Parteien dringlich aufgefordert, in weiteren direkten Verhandlungen die zwischen ihnen offenen Fragen zu lösen. 14 Südossetien und Abchasien wurden von Russland, Nicaragua, Venezuela und Nauru anerkannt. Die beiden Entitäten anerkannten sich gegenseitig und es gibt auch jeweils eine gegenseitige Anerkennung mit Transnistrien.

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Bosnien und Herzegovina) angehöre, aber als selbstverwaltetes einheitliches Gebiet, in dem keine der beiden­­Entitäten irgendeine Autorität ausübt. In Falle von Abyei bemühten sich der Nord- und Südsudan jahrelang um einen Kompromiss um die Grenzen eines Gebietes, das eines der wichtigsten sudanesischen Ölvorkommen beinhaltet. Schließlich legten beide Seiten ihren Streit dem Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag vor, der das Gebiet in einem Schiedsspruch im Juli 2009 geografisch festlegte. Dieses festgelegte Gebiet um Abyei sollte das Recht auf eine eigene Abstimmung erhalten, im Zuge des Referendums zur Selbstbestimmung des Südens im Januar 2011 gleichzeitig über seine weitere Zugehörigkeit zum Norden oder zum potenziell eigenständigen Süden des Landes zu entscheiden. Dieses Referendum kam allerdings nicht zustande und Abyei ist zu einem gefährlichen Eskalationspunkt zwischen Nord- und Südsudan geworden. Kirkuk ist ein interner Gebietsstreit mit lokalen, nationalen und regionalen Auswirkungen (Wolff 2010). Vor Ort gibt es den Streit unter den lokalen Bevölkerungsgruppen (hauptsächlich Arabern, Kurden und Turkmenen), der aus ihren unterschiedlichen Präferenzen für Kirkuks Status und lokalen Verwaltungseinrichtungen resultiert. National ist es ein Streit zwischen Bagdad und Arbil um eine ressourcenreiche und symbolträchtige Region des Irak, beinhaltet aber keinerlei sezessionistische Tendenz und gefährdet daher die territoriale Integrität Iraks keineswegs. Eine überregionale Bedeutung des Konflikts leitet sich daraus ab, dass die Festlegung des künftigen Kirkuker Status die umfassendere kurdische Frage im Mittleren Osten berührt  : Der Machtgewinn der Kurdenregion im Irak durch den „Sieg“ im Streit um Kirkuk und der politische und ökonomische Gewinn, den dieser mit sich bringt, werden von den irakischen Nachbarn Iran, Syrien und Türkei, die alle relativ große kurdische Bevölkerungsgruppen haben, als ernste Bedrohung empfunden. Im Rahmen der vorangestellten Struktur von Interessen in Territorialkonflikten erscheint der Transnistrienkonflikt klar als ein multidimensionaler. Im Kern bewegt er sich um das Verhältnis zwischen Tiraspol und Chişinău (Status und Befugnisse Transnistriens), aber ebenso auch um die genauen Grenzen Transnistriens (Gehört Bender dazu oder nicht  ?) sowie die umfassendere Frage der territorialen Ausgestaltung der Republik Moldau (Welches Verhältnis soll zwischen Komrat und Chişinău im künftigen Moldawien herrschen – und welches zwischen Komrat und Tiraspol  ?). Die künftige Ausgestaltung des moldawischen Staates verlangt ebenfalls Überlegungen, wie die Repräsentation territorialer Entitäten im Zentralstaat erfolgen soll.



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3.2 Strukturierung der Lösungsansätze für Territorialkonflikte

Angesichts des weitverbreiteten Unwillens im internationalen System, strittige Sezessionen oder fortgesetzte Verstöße gegen die Menschenrechte oder die Minderheitenrechte zu tolerieren, behandelt die vorhandene Literatur zur Konfliktlösung die territorialen Dispute am häufigsten innerhalb des Rahmens von territorialer Selbstverwaltung (TSV), der definiert werden kann als rechtlich verankerte Ermächtigung territorial begrenzter Entitäten innerhalb der international anerkannten Grenzen existenter Staaten zur Ausübung von staatlichen Funktionen unabhängig von anderer staatlicher Autorität ausgenommen seiner allgemeinen Rechtsordnung.15 Diese Definition von TSV wird in der Staatslehre im Kontext der Konfliktlösung in zersplitterten Gesellschaften verwendet und umfasst fünf unterschiedliche Verwaltungsformen  : Staatenbund (Konföderation), Bundesstaat (Föderation), Autonomieregelung, Regionalisierung und Dezentralisierung. Einer der Mängel der gegenwärtigen theoretischen Beschäftigung mit TSV als Mittel zur Konfliktbewältigung in gespaltenen Gesellschaften ist, sich nur auf die territoriale Dimension der Konfliktlösung zu konzentrieren. Selten nur schauen Wissenschafter über die territoriale Dimension hinaus auf ein umfassenderes Angebot an Institutionen, innerhalb derer die TSV nur ein, wenn auch ein zentrales, Element darstellt.16 Caroline Hartzell und Matthew Hoddie argumentieren z.B., dass Konfliktlösungen (nach Bürgerkriegen) desto stabiler sind, je eher sie die Mitbestimmung in vier Dimensionen festlegen – politisch, ökonomisch, militärisch und territorial (Hartzell und Hoddie 2003, 2007). Ulrich Schneckener kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen in einer Studie über europäische Konkordanzdemokratien (Schneckener 2002). Arend Lijphart hat solche strukturelle und empirische Verbindungen zwischen Konkordanzdemokratie und Föderalismus bereits vor drei Jahrzehnten aufgezeigt, wobei er zwei ausschlaggebende Gesetzmäßigkeiten festhielt, nämlich dass „die Volksgruppen [müssen] sich einer gesicherten Autonomie zur Ordnung ihrer internen Angelegenheiten erfreuen … [und] dass sie alle an der Ent-

15 Die Definition der Selbstverwaltung wurde von Wolff und Weller (2005) adaptiert. Dieselbe Definition findet sich in Csergo und Wolff (2009). 16 Dies ist auch offensichtlich in den Standardkritiken an der TSV als Konfliktmanagementsstrategie. Vgl. U.a. Bunce (1999)  ; Bunce und Watts (2005)  ; Cornell (2002)  ; Hale (2000  ; 2004)  ; Nordlinger (1972)  ; Roeder (1991  ; 2007)  ; Snyder (2000)  ; Suberu (1993)  ; Treisman (1997  ; 2007).

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scheidungsfindung auf der Ebene der Zentralregierung teilhaben“ (Lijphart 1979, 506). John McGarry und Brendan O’Leary schreiben, dass „einige erfolgreiche Fälle von territorialem Pluralismus nahe legen, dass, zumindest bei ziemlich großen Volksgruppen, die Autonomie durch konkordante Mitbestimmung innerhalb der zentralen oder föderierten Einrichtungen ergänzt werden sollte. Solche Vereinbarungen verhindern Majorisierung durch die dominante Bevölkerung und machen es wahrscheinlicher, dass die Minderheit ihre Interessen in diesem Staate sehen.“ (McGarry and O’Leary 2010, 260). Auf gleicher Linie liegen auch die Schlussfolgerungen, zu denen Marc Weller und Stefan Wolff kamen, die feststellen, dass „Autonomie der Stabilisierung von Staaten mit Selbstbestimmungs-Konflikten nur dann nützlich sein kann, wenn sie Teil eines ausgewogenen Ansatzes ist, der Elemente einer durch Integrationspolitik ergänzten Konkordanz-Methode sowie auch Aspekte der weiteren Region einbezieht“. (Weller und Wolff 2005, 269). Dieses Phänomen, dass TSV-Abkommen in Kombination mit anderen Mechanismen der Konfliktlösung auftreten, wurde von verschiedenen Autoren in den letzten Jahren festgestellt.17 Man kann analytisch sowohl erklären, warum solche mehrdimensional institutionelle Abkommen auftauchen, als auch warum sie eine größere Erfolgschance haben könnten. Es gibt einige empirische Evidenz ihrer Tragfähigkeit und auch eine relativ große Anzahl jüngster Fälle derartiger Abkommen als Ergebnis von Verhandlungslösungen, sie sind aber noch zu jung, um ihre Dauerhaftigkeit derzeit schon zu bewerten. Abgesehen von der trivialen Feststellung, dass TSV-Abkommen nur jenen Minderheiten von Nutzen sind, die räumlich konzentriert leben,18 sind insbesondere zwei Charakteristika entscheidend für die Wahrscheinlichkeit der Kombination von TSV-Abkommen mit Mittbestimmung auf lokaler und/ oder zentraler Verwaltungsebene  : das Ausmaß der ethnischen Diversität in jenen Gebieten, denen Kompetenzen und Ermächtigungen zur Selbstverwaltung übertragen werden sollen  ; und deren relative Bedeutsamkeit im Vergleich mit dem Rest des Staates. Es kann daher erwartet werden, dass ein 17 Vgl. Kettley, Sullivan und Fyfe (2001), Weller (2008b), Wolff (2009a, 2009b, im Erscheinen). Diese Autoren beziehen sich auf das Phänomen, allerdings in etwas anderer Form „Komplexe Mitbestimmung“. O’Leary (2005a) verwendet den Begriff „Komplexe Konkordanzdemokratie“ (complex consociation). Hartzell und Hoddie (2007) kleiden es in den Begriff „Ausverhandeltes Abkommen mit weitreichender Institutionalisierung“ (highly institutionalized negotiated settlement). 18 Siehe z.B. Brancati (2009), McGarry, O’Leary und Simeon (2008), Treisman (2007), Wolff (2009b).



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Abkommen für ein Gebiet mit politisch ausgeprägter ethnischer (oder anderer identitätsstiftender) Heterogenität Institutionen lokaler Mitbestimmung aufweisen, während homogenere diese nicht haben – vergleiche Brüssel mit der flämischen Region, die Bosnisch-Herzegovinische Föderation mit der Republika Srpska oder Nordirland mit den Åland Inseln. Die Einrichtung lokaler Mitbestimmungs-Mechanismen, d.h. innerhalb der selbstverwaltenden Entität, geht auf die häufige Kritik und potenzielle Schwachstelle der TSVAbkommen ein – dass nämlich die Ermächtigung der lokalen Mehrheit eine oder mehrere lokale Minderheiten benachteiligen und damit entweder einen neuen Konflikt innerhalb der Entität schaffen, oder aber, wenn die lokale Minderheit die dominante Gruppe im Gesamtstaat ist, das TSV-Abkommen untergraben wird, weil die Zentralregierung (aus Sorge um die eigene ethnische oder religiöse Gruppe) die Befugnisse des TSV aufheben oder begrenzen möchte, da sie diese als zur Diskriminierung anderer Bevölkerungsgruppen missbraucht ansieht.19 Was die Mitwirkungsrechte auf der Ebene des Zentralstaates betrifft, liegt die strukturell höchste Bestimmungskraft in der Signifikanz des Selbstverwaltungsterritoriums gegenüber dem übrigen Staat. Diese Signifikanz kann aus der geografischen und demografischen Größe, der Ressourcenverfügbarkeit, strategischen Lage und aus der kulturellen Bedeutung resultieren. Mitwirkungseinrichtungen in der Zentralgewalt reflektieren dann die Verhandlungsposition einer gegebenen Selbstbestimmungsbewegung – je besser diese ist, desto mehr kann sie ihre Position im Zentrum festigen. Jedoch kann ein sorgfältig gestaltetes Konstrukt von Mitwirkungseinrichtungen an der Zentralgewalt auch häufig erwähnte Vorbehalte gegen TSV-Abkommen ansprechen, nämlich dass sie Selbstbestimmungsbewegungen stärken, während sie die Zentralregierung schwächen, also dass sie eine Macht-Asymmetrie erzeugen, die die Separatisten privilegiert.20 19 Dieser Punkt wird vehement vertreten von Brancati (2009). Das Problem könnte durch starke gesamtstaatliche Gesetze und Institutionen für Minderheiten- und Menschenrechtsschutz gelöst werden – und das geschieht oft auch. 20 Diese Kritik kommt oftmals im Zusammenhang mit den Nachwirkungen des Zerbrechens der Sowjetunion (und des Zerfalls Jugoslawiens). Zum Beispiel argumentiert Cornell (2002, 252) in seiner Analyse der ethnischen Konflikte im Kaukasus, dass die „Einrichtung autonomer Zonen einer Sezession förderlich” sei  ; dies hielt Roeder (1991) bereits mehr als eine Dekade früher bezüglich Sowjetischem Ethnoföderalismus fest und wiederholte dies später in einer noch breiter angelegten empirischen Studie (Roeder 2007), die sich mit ähnlichen Ergebnissen von Hale (2000  ; 2004) und Treisman (1997) deckt.

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Mitbestimmungs-Institutionen müssen, um selbst erfolgreich zu sein, akzeptierte Streitschlichtungsmechanismen einbeziehen, die ihrerseits wiederum dazu beitragen, laufende Verhandlungsprozesse zwischen der Zentralregierung und der selbstverwalteten Einheit in einer Weise zu regeln, dass ein politischer Prozess des Konfliktmanagements (statt eines Wiederaufflammens von Gewalt) aufrechterhalten bleibt und den Weiterbestand von Lösungen ermöglicht, die sowohl den Staat als auch die territoriale Selbstverwaltung bewahren (statt eines Auseinanderfallens des Staates oder einer Annullierung der TSV-Vereinbarungen).21 Ein Beispiel dafür ist die konstitutionelle Machtbalance im föderierten Belgien zusammen mit den sogenannten „Alarmglocken-Mechanismus“. Belgien bietet auch eine aufschlussreiche Erläuterung des Begriffes „signifikant“. Das Land hat drei Sprachgruppen – Französisch-, Niederländisch- und Deutschsprachige –, aber nur die beiden ersteren sind groß genug, um eine Beteiligung an der Machtbalance zu rechtfertigen. Im Vereinigten Königreich ist, wegen des Übergewichtes Englands, für keines der vier ausgewiesenen Regionalgebiete (London, Nordirland, Schottland und Wales) ein Mitwirkungsrecht in der Zentralregierung vorgesehen. Andererseits beinhalten sowohl das umfassende Friedensabkommen für Sudan (speziell das Naivasha-Protokoll) als auch die Verfassung des Irak von 2005 Konkordanz-Institutionen, die die SPLA/M, beziehungsweise die Kurden, in die Entscheidungen der Zentralgewalt einbinden, und beide umfassen auch Einrichtungen zur Streitschlichtung, einschließlich Schiedsgerichte, sowie gemeinsame Komitees und Durchführungsorgane (vgl. McGarry und O’Leary 2008  ; Ottmann und Wolff 2009  ; Weller 2005).22

21 Yash Ghai (2003, 187-88) stellt richtigerweise fest, dass „Autonomielösungen … auch beitragen zu einer konstitutionellen Regierungsform. Die Garantien der Autonomie und die Art und Weise ihrer Vollziehung stärken die Herrschaft des Rechts und die Rolle unabhängiger Institutionen. Das Funktionieren der Vereinbarungen, insbesondere jener, die das Verhältnis zwischen Zentralgewalt und Region regeln, stärken häufig genau die Qualitäten, von denen es abhängt, nämlich Diskussionsfähigkeit, gegenseitiger Respekt und Kompromissbereitschaft.“ („[a]utonomy arrangements … also contribute to constitutionalism. The guarantees for autonomy and the modalities for their enforcement emphasize the rule of law and the role of independent institutions. The operation of the arrangements, particularly those governing the relationship between the centre and the region, being dependent on discussions, mutual respect and compromise, frequently serve to strengthen these qualities.“) 22 Die (traurige) Einschränkung hier ist leider, dass die formale Existenz von Institutionen nicht automatisch ihr ordentliches Funktionieren bewirkt.



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4. Wegweiser für ein Abkommen in Transnistrien Nachdem ich nun sowohl den spezifischen Kontext des Transnistrienkonflikts als auch Rahmenbedingungen gemäß der zeitgenössischen Konfliktmanagement-Literatur aufgezeigt habe, kann ich nun diese beiden Argumentationslinien zusammenfassen und daraus ein konkreteres Set an Empfehlungen ableiten, wie eine haltbare Lösung des Transnistrienkonflikts erreicht werden könnte. Dabei werde ich das Augenmerk auf die Art der politisch-institutionellen Beziehungen zwischen Transnistrien und der übrigen Republik Moldau richten, Beziehungen, die durch Regierungseinrichtungen bestimmt und durch nationales und internationales Recht abgesichert werden. Aufbauend auf die Erörterungen der vorigen Kapitel verstehe ich Regierungseinrichtungen als zweidimensional  : Wo werden welche Befugnisse ausgeübt (d.h. die Verwaltungs­e benen feststellen sowie deren gegenseitiges Verhältnis und die jeweilige Befugnisaufteilung) und wer trifft wie welche Entscheidungen (die Institutionen und Abläufe der Verwaltung)  ? Diese oben beschriebene Weise der Konfliktlösungssuche, die die territorialen Streitigkeiten der am Transnistrienkonflikt beteiligten Parteien auflöst, umfasst die Festlegung der Art der territorialen Konstruktion des Gesamtstaates mit den unterschiedlichen Optionen der Selbstverwaltung von Konföderation, Föderation, Autonomie, Devolution und Dezentralisation. Weiters handelt es sich um die Entscheidung über die Aufteilung der Befugnisse zwischen der Zentralgewalt und dem strittigen Gebiet als eine Selbstverwaltungseinheit innerhalb jenes Rahmens, in dem der Gesamtstaat territorial aufgebaut ist, unter Berücksichtigung der Prinzipien der Subsidiarität, Proportionalität, ökonomischen Effizienz und Verwaltungskapazität. Die Schlichtung von solchen Territorialkonflikten betrifft auch die Vereinbarung von Einrichtungen zur Teilhabe an der Zentralregierung.23 Um eine effektive und effiziente Regierung sowie berechenbare und stabile politische Verhältnisse herzustellen ist es schließlich essenziell, dass die Gesamtheit 23 Generell gesprochen können Einrichtungen der Mitbestimmung sowohl im Gesamtstaat als auch im Selbstverwaltungsgebiet etabliert werden. Ihre Wahrscheinlichkeit in der Zentralregierung ist hauptsächlich abhängig von der Interessensstruktur und Verhandlungsstärke des Selbstverwaltungsgebietes, wobei Letztere abhängt vom Ausmaß ausgeprägt politischer Heterogenität im Selbstverwaltungsgebiet, d.h. dem Ausmaß, in dem ein potenzieller Konflikt dort durch Institutionalisierung von Machtbeteiligung abgemildert werden kann. Bisher gab es kein Verlangen nach einer Mitbestimmung in Transnistrien. In Gagausien existieren informelle Abmachungen zwischen Kommunisten und Nichtkommunisten. Eine zukünftige Regelung für Bender wird wohl eine Art der Machtteilung in der Stadtverwaltung erfordern.

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der von den unmittelbar Beteiligten vereinbarten institutionellen Einrichtungen auch eine Palette von Vorgangsweisen für politische Koordination und Streitschlichtung umfasst. Diese vier Dimensionen solcher Bereinigungen von Territorialkonflikten müssen ordentlich in nationales und internationales Recht eingebettet sein. Außerdem gibt es, wie im Kapitel 2 erläutert, einen umfassenderen nationalen und internationalen Kontext des Transnistrienkonflikts und seiner Lösung. Innerstaatlich schließt sie den Status von Bender und Gagausien innerhalb der Republik Moldau ein  ; die beiden internationalen Hauptprobleme drehen sich um die Anwesenheit ausländischer Truppen und eine Demilitarisierung und Neutralisierung der Republik Moldau (die russische Dimension) einerseits, andererseits aber auch die Möglichkeit einer Wiedervereinigung der Republik Moldau mit Rumänien zuzüglich von breiteren Identitätsgarantien (die rumänische Dimension). Diese Aspekte müssen jedenfalls in die Konstruktion eines Lösungsvorschlages für den Konflikt zwischen der Republik Moldau und Transnistrien einbezogen werden. Eingedenk dieser Erwägungen hat das restliche Kapitel zwei Teile. Zuerst vergleiche ich einige einflussreiche frühere Lösungsvorschläge. Danach skizziere ich die Hauptelemente einer möglichen Vereinbarung über Transnistrien unter Berücksichtigung sowohl der gegenwärtigen Situation als auch früherer Versuche. 4.1 Vergleichende Analyse früherer Abkommensvorschläge

Frühere Abkommensvorschläge für Transnistrien fallen hauptsächlich in zwei Kategorien  : jene, die sich damit befassen, wie man eine Abkommen erreichen könnte24, und jene, die den Inhalt der Bedingungen eines Abkommens 24 Diese beinhalten in chronologischer Folge die „Gemeinsame Erklärung der Präsidenten von Moldawien, der Russländischen Föderation und der Ukraine“ vom Jänner 1996, das „Memorandum für die Grundlagen einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Republik Moldau und Transdniestria“ vom Juni 1996 (Snegur-Smirnov-Abkommen), das identisch benannte Moskauer Memorandum von 1997 (Primakov Memorandum) und in diesem Kontext auch die begleitende „Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der Russländischen Föderation und der Ukraine“ (1997), das Abkommen für vertrauensbildende Maßnahmen und Entwicklung von Kontakten zwischen der Republik Moldau und Transdniestria“ (1998  ; Odessa-Vereinbarung) und die begleitende „Gemeinsame Erklärung der Vermittler  : Russland, Ukraine und OSZE“ (1998), die begleitende „Gemeinsame Erklärung der Teilnehmer des Kiewer Treffens zu Fragen betreffend eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Republik



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beschreiben. Ich werde mich auf diese letzteren Vorschläge konzentrieren, einschließlich folgender Papiere  : „Report Nr. 13 der KSZE-Mission für Moldawien“ (1993  ; in der Folge KSZE-Report genannt), „Russisches vorläufiges Memorandum zu den grundlegenden Prinzipien staatlicher Strukturen eines Vereinigten Staates in Moldawien“ (2003  ; im Folgenden Kozak-Memorandum), „Vorschläge und Empfehlungen der Vermittler der OSZE, Russländischen Föderation und Ukraine bezüglich eines Abkommens für Transnistrien“ (2004  ; im Folgenden Vermittler-Vorschläge), und „Plan für eine Regelung des Transnistrien-Problems“ (2005  ; im Folgenden Ukrainischer Plan oder auch Juschtschenko-Plan bzw. Poroschenko-Plan genannt25). Gemäß dem Ukrainischen Plan26 beschloss das moldawische Parlament am 22. Juli 2005 ein Gesetz „Zur grundsätzlichen Regelung des speziellen legalen Status der Siedlungen am linken Ufer des Dnister (Transnistrien)“ (im Folgenden Moldawisches Rahmengesetz). Dieses Gesetz entspricht dem aktuellen Gesetzesrahmen der Republik Moldau  ; die folgenden Versuche der späteren kommunistisch geführten Regierung der Republik Moldau, dieses Gesetz wegen der transnistrischen Zurückweisung jenes „schändlichen 2005-Gesetzes“ wieder aufzuheben, haben bis jetzt noch nicht zu einem neuen Gesetz geführt. Dennoch hat sich die Stimmung in der Republik Moldau teilweise von diesem Rahmengesetz aus Moldau und Transdniestria“ (1999), der „3D-Strategie- & Aktionsplan für die Befriedung des Transnistrien­konfliktes“ (2004) und die „Initiative der Bürger Odessas“ (2005). Diese zeigen in unterschiedlicher Detaillierung kurz-, mittel- und langfristige Schritte zu einem Abkommen sowie zeitweise dessen weiteren Rahmen, dabei das allgemeine Bekenntnis unterstreichend, in einem Abkommen sowohl die territoriale Unversehrtheit der Republik Moldau in ihren Grenzen von 1992 zu respektieren als auch zur ausschließlichen Anwendung friedlicher Mittel zur Erreichung eines Abkommens. 25 Diese Etikettierungen bezeichnen in Wirklichkeit etwas andere Dokumente. Der ursprüngliche Juschtschenko-Plan „Befriedung durch Demokratie“ war eine breit angelegte Darstellung von sieben Schlüsselprinzipien, die ähnliche Ideen des zwei Jahre älteren Kozak-Planes wieder aufgriffen. Sie wurden am GUUAM-Treffen in Chişinău vom April 2005 präsentiert. Was der – hier später im Detail untersuchte – Ukrainische Plan wurde, ist tatsächlich eine Roadmap oder Implementationsstrategie für Juschtschenkos „Sieben Prinzipien“, die vom Sekretär des Ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat, Petro Poroshenko, entworfen und vom Rat unter dem Vorsitz von Juschtschenko im Mai 2005 angenommen wurde. 26 Die relevanten Bestimmungen dieses Plans sind folgende  : „Um die Vorbedingungen für die Wiederherstellung der Moldawischen territorialen Integrität herzustellen, wird das Moldawische Parlament gemäß den Bestimmungen seiner Verfassung spätestens bis Juli 2005 ein ,Gesetz für die grundlegenden Regeln der Rechtsstellung der Transdnjestrischen Region der Republik Moldau (Transdnjestria)‘ in Kraft setzen, das jene Bestimmungen für die Rechtsstellung Transnistriens rechtlich fixieren soll, auf die bereits früher Einigung erzielt wurde.“

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2005 wegbewegt und wird nun vom Pauschalangebot „Erklärung der Prinzipien und Garantien der Transnistrischen Lösung“ aus 2007 zusammengefasst, ergänzt durch einen „Gesetzesvorschlag für die spezielle Rechtsstellung Transnistriens“ (im Folgenden Moldawischer Paketvorschlag).27 Diese sechs Dokumente spiegeln die Bandbreite der gegenwärtig vorhandenen offiziellen Vorschläge zur Lösung des Transnistrienkonflikts wider. Der detaillierte Vergleich dieser Vorschläge im nächsten Abschnitt verfolgt zwei Zwecke  : einerseits eine Übersicht über die existenten, wenn auch zeitweise einander widersprechenden, Ansichten zu geben, wie der Konflikt am besten zu lösen wäre – und andererseits festzuhalten, wo ein Minimalkonsens unter diesen Vorstellungen zu finden ist. Das formt dann wiederum die Grundlage des darauf folgenden Abschnittes, in dem ich einen möglichen Rahmen für eine tragfähige Lösung skizziere. 4.1.1 Konstruktion des Territorialstaates

Alle sechs hier verglichenen Vorschläge sehen den territorialen Ansatz als Teil einer Gesamtlösung vor. Der KSZE-Report und der Ukrainische Plan gehen via „Spezieller Status“ vor, das Kozak-Memorandum und die Vermittler-Vorschläge sehen eine Wiedererrichtung der Republik Moldau als Bundesstaat mit Transnistrien als föderiertes Subjekt vor. Während der KSZEReport die Notwendigkeit anerkennt, den Status von Bender und Gagausien28 zu behandeln, diese beiden Fragen aber zu der Zeit nicht in seinem Mandat gedeckt sah, anerkennt er dadurch implizit auch die Notwendigkeit irgend einer Form von territorialem Pluralismus29 in der Republik Moldau. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, macht der Report einen ziemlich interessanten Vorschlag  : Er lehnt die Idee einer Dreier-Föderation (Transnistrien, Gagausien 27 Dieser Gesetzesvorschlag aus 2007 resultiert aus den Gesprächen mit Experten der Venedigkommission des Europarates auf einem Workshop in Brüssel am 19. Dezember 2007, zu dem vom Special Representative der EU, Kalman Mizsei, eingeladen worden war. Der damalige Moldawische Minister für die Reintegration, Vasile Shova, präsentierte dort einen Entwurf dieses Gesetzes. 28 Der KSZE-Report wurde 1993 publiziert, zwei Jahre vor der Beendigung des GagausienKonflikts. Im Gegensatz zu späteren Vorschlägen hatte er deshalb nicht den Vorteil, sich auf den Sonderstatus von Gagausien beziehen zu können 29 Ich übernehme den Begriff „territorialer Pluralismus“ von John McGarry und Brendan O’Leary (McGarry und O’Leary 2010  ; O’Leary und McGarry 2010)  ; vgl. auch  : McGarry, O’Leary und Simeon (2008).



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und die restliche Republik Moldau) ab, sondern schlägt vor, das Land in acht bis zehn Regionen aufzuteilen (eine oder zwei davon wären Transnistrien, eine das Gebiet um Bender und eine weitere das mehrheitlich von Gagausen bewohnte Gebiet um Komrat). Weder die Vermittler-Vorschläge noch der Ukrainische Plan erwähnen Bender oder Gagausien, aber sind so abgefasst, dass eine Art territorialer Pluralismus, wie er im KSZE-Report angedeutet wurde, nicht per se ausgeschlossen wird.30 Mit anderen Worten heißt die Zuerkennung eines Sonderstatus für Transnistrien, wie im Ukrainischen Plan, oder seine Bezeichnung als Subjekt des Bundesstaates, wie in den Vermittler-Vorschlägen vorgesehen, nicht, dass es keine anderen territorialen Entitäten mit ähnlichem Status innerhalb der Republik Moldau geben könnte. Nur das Kozak-Memorandum nennt ausdrücklich Gagausien (auffallenderweise nicht aber Bender) als ein solches Subjekt der Föderation, macht aber eine entscheidende Unterscheidung durch die Bezeichnung von Transnistrien als nicht nur ein Subjekt des Bundesstaates, sondern auch als eine staatliche Entität innerhalb der Föderation.31 Obwohl das Kozak-Memorandum Moldau als eine Bundesrepublik bezeichnet, nennt es nur zwei Subjekte der Föderation – Gagausien und Transnistrien – und „Bundesterritorium“, definiert als „Territorium der Föderation außerhalb der Territorien der Subjekte der Föderation“.32 30 Die Vermittler-Vorschläge halten beispielsweise fest, dass der Status von jedem Föderationssubjekt durch die Bundesverfassung und die Bundesgesetze zu regeln ist. 31 Der Ukrainische Plan bezeichnet Transnistrien als eine administrativ-territoriale Sondereinheit in Gestalt einer Republik innerhalb der Republik Moldau, analog der Bezeichnung Gagausiens im Abkommen von 1995. Der Gebrauch des Begriff „Staatliche Einheit“ (государственнoe образование) im Kozak-Memorandum ist eher zweideutig und deutet im Zusammenhang mit den enormen Kompetenzen und potenziellen Vetorechten, die Transnistrien bei diesem Vorschlag zuerkannt würden, eher auf eine Konföderation als auf eine Föderationsbeziehung hin. 32 McGarry und O’Leary (2010, 254) verwenden den Begriff ,federacy‘ für derartige Ordnungen, die die Gewährung der Selbstverwaltung verfassungsmäßig garantieren, sodass die Zentralgewalt sie nicht einseitig widerrufen kann und die normalerweise auf einen kleinen Teil (bevölkerungsmäßig) des Staatsgebietes angewandt wird, wodurch es sowohl von Devolution (Fehlen der verfassungsmäßigen Garantie) abgegrenzt wird, als auch von einem Bundesstaat (der auf das gesamte Territorium des Staates anzuwenden wäre). Elazar (1991) definiert ‚fede­ racy‘ ähnlich als ein Verhältnis einer größeren Macht und einer kleineren politischen Einheit, verbunden in einem asymmetrischen Bündnis, in dem Zweitere beträchtliche Autonomie genießt, aber im Gegenzug in der Verwaltung der größeren Macht nur eine kleine Rolle spielt.

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Das Moldawische Rahmengesetz bezüglich Transnistriens bezieht sich, wie schon sein Name besagt, ausschließlich auf Transnistrien, aber einschließlich zweier Qualifizierungen, die in dieser expliziten Form in allen anderen dieser Vorschläge fehlen. Erstens definiert es Transnistrien ausdrücklich als „Siedlungen am linken Dnister-Ufer“. Zweitens sieht es eine Bestimmung vor, derzufolge „Siedlungen am linken Dnister-Ufer durch lokale Referenden, die gemäß den Bestimmungen der Gesetze der Republik Moldau durchgeführt werden, Transnistrien beitreten oder es verlassen können.“ Die erste dieser Bestimmungen schließt Bender aus von Transnistrien, die zweite verlangt lokale Referenden, ehe Transnistrien förmlich als ein Sonderstatus-Gebiet etabliert wird. Das Moldawische Rahmengesetz berührt den bestehenden Status von Gagausien in keiner Weise. Hinsichtlich des territorialen Staatsaufbaus sieht dieser moldawische Vorschlag also eine „doppelte Autonomieregelung“ mit zwei Selbstverwaltungsgebieten (Transnistrien und Gagausien) innerhalb eines sonstigen Einheitsstaates vor. Dieser letzte Punkt findet sich neuerlich auch im Moldawischen Paketvorschlag (2007). Dieser definiert Transnistrien ebenso als „eine administrativterritoriale Einheit [mit rechtlichem Sonderstatus]33 in Gestalt einer Republik innerhalb der Republik Moldau“. Im Unterschied zum Moldawischen Rahmengesetz wird Transnistrien nicht ausdrücklich auf die Siedlungsgebiete am linken Dnister-Ufer beschränkt und es gibt auch die Voraussetzung der lokalen Referenden zur Errichtung Transnistriens nicht mehr. Hingegen fordert der Moldawische Paketvorschlag das „Entfernen … von Sondervereinbarungen zur Funktionsweise der Sicherheitszone … und Übertragung der örtlichen Überwachungsbefugnisse an die zivilen Behörden der Republik Moldau und Transnistrien“, was zumindest die Frage nach dem Status von Bender aufwirft und möglicherweise einen moldawischen Anspruch auf Wiedereingliederung dieser Stadt impliziert. 4.1.2 Die Verteilung der Machtbefugnisse

Dieses Thema wird in drei der sechs bisherigen Vorschläge ausführlich behandelt. Der Ukrainische Plan und das Moldawische Rahmengesetz, das daraus hervorging, sind eher knapp. Unter den sieben Bestimmungen, die der Analog zu einem Bundesstaat kann dieses Verhältnis nur im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst werden. 33 Dieser Klammerausdruck findet sich nur im Gesetzesentwurf.



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Ukrainische Plan zur Aufnahme in das darauf folgend vom moldawischen Parlament beschlossene Rahmengesetz auflistet, weisen nur vier bestimmte Befugnisse Transnistrien zu  : seine eigene Verfassung zu beschließen und anzuwenden, neben jenen der Republik Moldau auch seine eigenen Insignien zu haben und zu verwenden, Mitwirkung in der Formulierung moldawischer Außenpolitik und selbst Außenbeziehungen in ökonomischen, wissenschaftlichen, technischen und humanitären Bereichen einzugehen und aufrechtzuerhalten.34 Das Moldawische Rahmengesetz übernimmt ebenfalls beinahe wörtlich einen weiteren Vorschlag aus dem Ukrainischen Plan, dass ein – gemeinsam durch eine spezielle Arbeitsgruppe des moldawischen Parlaments und Abgeordnete der transnistrischen Legislative ausgearbeitetes – Gesetz bezüglich des besonderen Rechtssstatus der transnistrischen Region der Republik Moldau (Transnistrien) „Klauseln enthalten soll, die die Aufteilung der Befugnisse und Kompetenzen zwischen den Behörden der Zentralregierung der Republik Moldau und den Behörden Transnistriens festlegen“. Daher können nur die im Rahmengesetz für Transnistrien festgeschriebenen Kompetenzen maßgeblich sein für die Mitwirkung der Region bei der „Ausübung der moldawischen Außenpolitik soweit ihre Interessen“ und ihr Recht auf „Außenbeziehungen in ökonomischen, wissenschaftlichen, technischen und humanitären Bereichen einzugehen und aufrecht zu erhalten“ berührt werden. Ähnliche Bestimmungen finden sich nicht im KSZE-Report, wohl aber im Kozak-Memorandum und in den Vermittler-Vorschlägen. KSZE-Report, Kozak-Memorandum und Vermittler-Vorschläge bieten ausführliche Auflistungen von Kompetenzen, die jeweils Chişinău und Tiraspol (sowie auch Komrat im Kozak-Memorandum) zugeteilt werden. KSZEReport und Kozak-Memorandum beinhalten zusätzlich noch eine Liste von Politikfeldern gemischter Jurisdiktion oder gemeinsamer Kompetenz. Das Kozak-Memorandum geht bei der Kompetenzzuschreibung an die föderierten Subjekte am weitesten, insbesondere wenn man beachtet, dass es die Generalkompetenz grundsätzlich den Föderationssubjekten zuschreibt (d.h. dass alle jene Kompetenzen, die nicht ausdrücklich als Bundesangelegenheit oder einer gemeinsamen Kompetenz zugeschrieben werden, automatisch Angelegenheiten der Föderationssubjekte sind). Eine ähnliche Tendenz, 34 Die anderen drei Bestimmungen beziehen sich darauf, dass bei einer Einigung die Republik Moldau das ausschließliche Völkerrechtssubjekt bleibt, Transnistriens Status der einer Republik innerhalb der Republik Moldau ist und dass als die offiziellen Amtssprachen Transnistriens Moldawisch, Russisch und Ukrainisch festgelegt werden.

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Tiraspol gegenüber Chişinău zu privilegieren, einschließlich der Zuschreibung der Generalkompetenz, ist auch in den Vermittler-Vorschlägen offensichtlich, während der KSZE-Report in dieser Hinsicht vorsichtiger ist. Die Vermittler-Vorschläge sehen aber auch eine eigene Bestimmung vor, derzufolge „Gesetze und andere normative Rechtsakte Transnistriens den Gesetzen des Bundesstaates nicht widersprechen dürfen“ und wenn doch, dass „im Falle eines solchen Widerspruchs das Gesetz des Bundesstaates anzuwenden ist“. Der Moldawische Paketvorschlag beinhaltet eine detaillierte Liste der jeweiligen Kompetenzen von Chişinău und Tiraspol, ohne jedoch die Frage einer Generalkompetenz klar anzusprechen. Der Moldawische Paketvorschlag sieht keinerlei gemeinsam auszuübende Kompetenzen vor. Ähnlich den Vermittler-Vorschlägen wird ebenfalls der Vorrang der moldawischen Verfassung und Gesetzgebung für solche Fälle festgehalten, in denen transnistrische Gesetze, einschließlich seiner Verfassung, einem entsprechenden moldawischen Gesetz widersprechen. 4.1.3 Mitbestimmung

Keiner der Vorschläge untersucht Möglichkeiten für eine Mitbestimmung innerhalb Transnistriens, aber alle unterbreiten einige Anregungen für eine Mitbestimmung auf Bundesebene. Der KSZE-Report von 1993 war eindeutig in seiner Feststellung, „ein Sonderstatus für Transnistrien wird nicht alle Probleme lösen. Zusätzlich muss eine verhältnismäßige Vertretung Transnistriens im moldawischen Parlament und in einigen zentralen Schlüsselgremien (wie den Obersten Gerichten und einigen zentralen Ministerien) gesichert sein“, wobei diese als die Außen-, Verteidigungs- und Innenministerien beschrieben wurden. Einerseits sind das eine ziemlich aufschlussreiche Beobachtung und ein Vorschlag, der eine vorsichtige Annäherung an die Frage Autonomie versus Mitbestimmung reflektiert, um Transnistrien einen Interesse an der Republik Moldau als Ganzes zu geben und dadurch die potenziell zentrifugalen Kräfte einer ausschließlichen territorialen Selbstverwaltung auszubalanzieren.35 Andererseits überschätzt man jedoch das Ausmaß, wie sehr nur ein Vertreten-Sein in den Einrichtungen der 35 Die Dynamik von Autonomie versus Mitbestimmung wird genauer untersucht von O’Leary (2005b). Anreize für Eliten, aus Bundesländern am politischen Prozess im Bundesstaat teilzunehmen, untersucht Weller (2008a) und Weller und Wolff (2005).



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Bundesregierung und Gerichte eine sinnvolle Teilhabe an der Zentralgewalt sichern kann, wenn man mehr die Repräsentations­regelungen (Wer trifft die Entscheidungen  ?) als die Partizipationsregelungen (Wie werden die Entscheidungen getroffen  ?) beachtet. Zusätzlich werden – und die sind sowohl im Kozak-Memorandum als auch in den Vermittler-Vorschlägen enthalten – detaillierte Regeln für die Teilnahme am Entscheidungsprozess der Zentralregierung gebraucht.36 Das Kozak-Memorandum legt sowohl die Vertretungs- als auch die Mitwirkungsregeln einzeln dar  : Im Senat (Oberhaus des Bundesparlaments) sollen im Verhältnis 4 – 9 – 13 Senatoren jeweils von den Legislativen Gagausiens und Transnistriens sowie dem Unterhaus des Bundesparlaments gewählten werden, wobei Letzteres selbst wiederum aus 71 Abgeordneten besteht, die in einem System mit Einzelwahlkreisen gewählt werden. Ein ähnliches System soll für die Besetzung der Richter des Bundes-Verfassungsgerichtshofes installiert werden, 1 – 4 – 6, nominiert durch die entsprechenden drei Legislativen und mit anschließender Bestätigung durch den Senat. Weitere vorgeschlagene repräsentative Einrichtungen der Mitbestimmung betreffen die Ernennung je eines stellvertretenden Ministerpräsidents aus Gagausien und Transnistrien und eine entsprechende proportionale Besetzung höherer Ministerialbeamter auf Bundesebene. Bezüglich der Mitwirkungsrechte schlägt das Kozak-Memorandum in zwei Bereichen wesentliche Veto-Rechte für die Föderationssubjekte vor. Verfassungsänderungen können nur durch mit Zweidrittelmehrheit im Unterhaus angenommenen Verfassungsgesetzen beschlossen werden, sofern sie auch eine Vierfünftel-Mehrheit im Oberhaus erzielen. Die Ernennung von Beamten aller Bundes-Exekutivorgane in Gagausien und Transnistrien setzt die Zustimmung Letzterer voraus. Im Übrigen ist für alle einfachen und grundlegenden Bundesgesetze eine absolute Mehrheit in beiden Häusern erforderlich. Ein Veto von einerseits dem Senat oder andererseits dem Präsidenten kann 36 McGarry und O’Leary bezeichnen dies als „gemeinsame Zustimmung quer durch die wichtigsten Teile der Gesellschaft, mit Betonung auf Gemeinsamkeit“ (joint consent across the significant communities, with the emphasis on jointness  ; McGarry und O’Leary 2004, 15) und als „sinnvolle und gesellschaftsübergreifende Teilhabe an der Exekutivgewalt, wobei sich die Vertreter einer Bevölkerungsgruppe in der Regierung zumindest auf eine Pluralität an (= mehrheitliche — im Prinzip ja, allerdings nicht ausschließlich im Sinne einer absoluten Mehrheit  ; der englische Begriff ‚plurality‘ ist im Sinne der zahlenmäßig größten Gruppe zu verstehen, nicht als 50 %+) Unterstützung innerhalb dieser Gruppe berufen können“ (O’Leary 2005a, 13).

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durch eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus überstimmt werden. Zusätzlich verlangt das Kozak-Memorandum für eine Übergangszeit bis 2015, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes einer Mehrheit von 9 (von 11) Richtern bedarf, während die Schwelle für die Zustimmung des Senates zu den Baugesetzen der Föderation bei einer Dreiviertelmehrheit liegt.37 Die Vermittler-Vorschläge sind weit weniger detailliert in ihren Mitwirkungsbestimmungen als das Kozak-Memorandum und überlassen viele Regelungen einer Ausgestaltung durch Bundesgesetze und lassen damit Optionen für sowohl repräsentative als auch partizipative Mitwirkungsregelungen offen, ohne sie explizit einzufordern. Ihr einziger ausdrücklicher Vorschlag betrifft die Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Bundesparlaments für die Annahme von Verfassungsgesetzen, eine Dreifünftelmehrheit in beiden Häusern des Bundesparlaments zur Übersteuerung eines Präsidentenvetos sowie die Zustimmungserfordernis jenes Föderationssubjektes für jede Änderung, die seine exklusiven Befugnisse betreffen. Der Ukrainische Plan erwähnt etwas Ähnliches wie Mitwirkung nur nebenbei in seiner Forderung nach einer gemeinsamen Ausarbeitung des „Gesetzes betreffend den Sonderstatus der Transnistrischen Region innerhalb der Republik Moldau“ durch moldawische und transnistrische Parlamentarier. Das lässt natürlich die Möglichkeit offen, wesentliche Vorkehrungen zur Mitwirkung (sei es in repräsentativer oder in partizipativer Ausprägung) in dieses Gesetz aufzunehmen. Das Moldawische Rahmengesetz nennt, wie auch der Ukrainische Plan, keinerlei andere Mitwirkungseinrichtungen, schließt aber, wie auch der Moldawische Paketvorschlag von 2007, eine Bestimmung ein, entsprechend der das endgültige Gesetz über den Sonderstatus von Transnistrien zwischen Delegationen von Chişinău und Tiraspol ausgehandelt werden soll. Beide moldawischen Dokumente verbinden dies mit der Bedingung einer vorausgehenden Demokratisierung in Transnistrien („Angleichung der demokratischen Standards Transnistriens an die landesweiten Standards der Republik Moldau“, entsprechend dem Moldawischen Paketvorschlag). Andererseits geht der Moldawische Paketvorschlag wesentlich weiter, wenn es um Vorschläge für Mitwirkungseinrichtungen geht. Er schlägt vor, „eine Quote festzusetzen für die Vertretung Transnistriens im gesamtstaatlichen Parlament der Republik Moldau“ und in den ersten beiden Wahlperioden nach einer Konfliktbeendigung zwei getrennte Kandidatenlisten aufzustellen. ­Außerdem 37 Im russischen Original heist es  : „федеральные органические законы утверждаются Сенатом большинством в 3/4 голосов от установленной численности Сената“



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können Änderungen in den Befugnissen, die Transnistrien durch diesen Moldawischen Paketvorschlag zuerkannt werden, nur bei Zustimmung der staatlichen Stellen sowohl in Transnistrien als auch in der Republik Moldau abgeändert werden. Schließlich regelt der Moldawischen Paketvorschlag eine Repräsentation Transnistriens in der moldawischen Regierung (der transnistrische Regierungschef ist ex officio einer der stellvertretenden Ministerpräsidenten der Republik Moldau), im Obersten Nationalen Sicherheitsrat (ex officio-Mitgliedschaft des transnistrischen Regierungschefs und des transnistrischen Parlamentspräsidenten), im Verfassungsgerichtshof, dem Obersten Gerichtshof, im Innenministerium und im Amt des Generalstaatsanwaltes. 4.1.4 Einrichtungen für die politische Koordination und Konfliktschlichtung

Alle sechs hier untersuchten Vorschläge sind in diesem Punkt relativ kurz. Der KSZE-Report und das Moldawische Rahmengesetz verschweigen sich überhaupt zu diesem Thema. Das Kozak-Memorandum, das ansonsten in den meisten Bereichen der detailreichste Vorschlag ist, fügt wenig hinzu auf dem Gebiet der politischen Koordination und Streitschlichtung. Es verlangt Konsultationen bezüglich internationaler Verträge, die möglicherweise gemeinsame Befugnisse betreffen, von der Bundesregierung und den Regierungen der Föderationssubjekte. Die Vermittler-Vorschläge empfehlen die Schaffung von Institutionen des Bundesstaates, „um Koordinationsverfahren zwischen den Körperschaften Bundesstaat und Transnistrien zu ermöglichen“ sowie dass Meinungsunterschiede zwischen dem Bundesstaat einem seiner Subjekte über die Ausübung der Befugnisse durch den Verfassungsgerichtshof als Schiedsrichter entschieden werden soll, falls keine andere Lösung gefunden werden kann. Diese Rolle des Verfassungs­gerichtshofes wird durch den Moldawischen Paketvorschlag ebenfalls gestützt. Für die Umsetzungsperiode des Abkommens regen die Vermittler-Vorschläge an, dass „strittige Fragen, die aufkommen, sollen mit Hilfe der existierenden Verhandlungs­mechanismen und neu eingerichteten Schlichtungsverfahren gelöst werden“. Diese Idee von einem eigenen Schlichtungs­verfahren kehrt im Ukrainischen Plan wieder, der vorschlägt, dass „um das Überwinden von möglichen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Einhaltung oder Interpretation seitens der Verhandlungspartner des Gesetzes bezüglich des besonderen Rechtsstatus’ der Transnistrischen Region innerhalb der Republik Moldau (Transnistrien) zu erleichtern, ein Schlichtungskomitee eingerichtet

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werden soll“, in dem je zwei Vertreter von Chişinău und Tiraspol, je ein Vertreter der Vermittler (Russland, Ukraine und OSZE) und je ein Vertreter der Beobachter (USA und EU) teilnehmen sollen. 4.1.5 Die russische Dimension

Entmilitarisierung, Neutralität und die Präsenz ausländischer Truppen auf moldawischem Boden sind die Schlüsselfragen der Russischen Dimension – sie berühren sowohl russische Forderungen für den künftigen internationalen Status und militärischen Kapazitäten der Republik Moldau als auch eine fortgesetzte, wenn auch geringe, militärische Präsenz Russlands in der Republik Moldau, abgesehen von seinen Peace-Keeping-Verpflichtungen. Alle bisherigen Vorschläge, außer dem Ukrainischen Plan von 2005, gehen zumindest zum Teil auf diese Problemlagen, wenn auch nicht in großem Detail, ein. Der KSZE-Vorschlag betrachtet die Demilitarisierung sowohl von einem pragmatischen als auch einem vertrauensbildenden Standpunkt und stellt fest, dass „Moldawien, das sich keinesfalls gegen irgend einen seiner Nachbarn im rein theoretischen Fall eines bewaffneten Konfliktes wehren, sehr wohl ohne nennenswerte eigene Streitkräfte leben könnte“, während andererseits „das Fehlen einer Armee das Vertrauen in die Bereitschaft der Zentralregierung, die aus einem Sonderstatus Transnistriens hervorgehenden Rechte zu respektieren, fördern könnte“. Außerdem wird „empfohlen, dass Russland den Rückzug seiner 14. Armee aus Moldawien beschleunigt“ durchführt. Das Kozak-Memorandum sagt erwartungsgemäß nichts über die Anwesenheit russischer Truppen in Transnistrien, definiert aber die von ihm vorgeschlagene Bundesrepublik Moldau u.a. als einen „neutralen demilitarisierten Staat“. Auch die Vermittler-Vorschläge sind ziemlich beschränkt im Ausmaß ihres Detailreichtums, denn sie fordern nur, dass „Maßnahmen zur Verstärkung militärischer Transparenz und Vertrauen implementiert werden sollen, insbesondere eine allmähliche Verringerung der militärischen Kapazitäten bis zur Demilitarisierung“. Das Moldawische Rahmengesetz sagt nichts aus über eine (oder keine) künftige Neutralität des Landes, interpretiert aber Demilitarisierung als nur Transnistrien und den Abzug russischer Truppen von dort betreffend, wobei sie Letztere in den Kontext der russischen Verpflichtungen am OSZE- Gipfel in Istanbul von 1999 stellen. In diesem Zusammenhang ist besonders wichtig – da damit von Beginn an jede realistische Chance auf einen Fortschritt zu



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einer Beilegung auf Basis dieses Gesetzes minimiert und auch weit über die Anregungen des Ukrainischen Plans, von dem dieses zum Teil seine Legitimität bezog, hinausgegangen wurde –, dass Demilitarisierung und russischer Truppenrückzug (zusammen mit einer Demokratisierung in Transnistrien) die Vorbedingungen sind, ehe „der Prozess der Verhandlungen beginnt, um gemeinsam die Grundgesetze der Republik Moldau bereffend dem Sonderstatus von Transnistrien zu entwerfen und in Kraft zu setzen“. Der Moldawische Paketvorschlag benennt explizit die Republik Moldau als einen neutralen und paktfreien Staat ohne Stationierung fremder Truppenbasen oder Einrichtungen und erwähnt ausdrücklich die russischen Verpflichtungen zum Abzug der Truppen und Rüstungsgüter. Zusätzlich gibt es darin eine Festlegung auf die Einrichtung „einer internationalen Mission unter OSZE-Mandat zur Überwachung des Entmilitarisierungsprozesses der Parteien und zur Unterstützung der Schaffung gemeinsamer Streitkräfte.“ 4.1.6 Die rumänische Dimension

Alle hier untersuchten Vorschläge außer dem Moldawischen Rahmengesetz bieten überein­stimmend Transnistrien die Option auf Sezession von der Republik Moldau, falls jenes sich zu einer Wiedervereinigung mit Rumänien entscheidet. Laut Kozak-Memorandum, Vermittler-Vorschlägen, Ukrainischem Plan und dem Moldawischen Rahmengesetz kann diese Option nur nach einem Referendum in Transnistrien ausgeübt werden. Weitere Identitätsgarantien werden, wenn überhaupt, nur am Rande behandelt und beziehen sich dann weitgehend auf die Stellung des Russischen als zweiter offizieller Staatssprache, wie etwa im Kozak-Memorandum gefordert wurde. 4.1.7 Garantie-Mechanismen

Bereits 1993 anerkannte der KSZE-Report, dass „einige Gesprächspartner der Mission darauf bestehen, dass „Internationale Garantien“ jedenfalls notwendig sind, um eine Vereinbarung auf einen Sonderstatus Transnistriens zu stützen“ und meint, dass „der Abschluss einer Vereinbarung unter den Auspizien der KSZE das Vertrauen beider Seiten in dessen Beständigkeit und Verlässlichkeit erhöhen könnte“. Diese generelle Idee eines international vermittelten und daher vermutlich robusteren Abkommens wurde später im 5+2-Format wieder aufgenommen, in dem Russland und die Ukraine nicht nur als Vermittler, sondern auch Garanten eines Abkommens auftreten. Die Frage der Garantien

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wird in den später folgenden Vorschlägen in einem weiteren Ausmaß ebenfalls aufgegriffen, in denen auch interne Garantien angesprochen werden. Das Kozak-Memorandum sieht den Status Transnistriens (und Gagausiens) als Föderationssubjekte vor, die in der neuen Verfassung der Republik Moldau verankert sind. Diese Verfassungsgarantie der Vereinbarungen wird weiter gestärkt durch die Bestimmung, dass Änderungen der Verfassung im Unterhaus eine Zweidrittelmehrheit und im Oberhaus eine Vierfünftelmehrheit erfordern, während in der Übergangsperiode die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes eine Mehrheit von neun der elf Richter erfordern. Die Vermittler-Vorschläge sehen „ein integriertes System von Garantien bezüglich Einhaltung und Durchsetzung von Abkommen“ vor, die im Zuge des Konfliktbereinigungsprozesses erreicht wurden. Registrierung aller Übereinkommen bei der OSZE und deren Hinterlegung bei den Garantiemächten werden als notwendige internationale Garantien betrachtet, während gesetzliche Sicherheitsbestimmungen (ohne Spezifikation weiterer Details ihrer Art oder ihres Inhaltes) „die Gesetzwerdung aller im Zuge der Verhandlungen zur Lösung des Transnistrienproblems erreichten Übereinkommen sicherstellen“ sollen. Unter den ökonomischen Garantien nennen die Vermittler-Vorschläge auch „Maßnahmen der ökonomischen Unterstützung und Zwangsmaßnahmen, die ökonomischen und finanziellen Druck auf jene Partei einschließen, die sich nicht an vereinbarte Abkommen hält.“ Militärische Garantien, die mit Zustimmung der Parteien eingerichtet werden, werden ebenfalls als notwendig erachtet, speziell „ein angemessenes multinationales militärisches Kontingent und multinationale unbewaffnete Beobachter“, möglicherweise unter Einschluss der OSZE und der beiden Garantiemächte. Der Ukrainische Plan schlägt ebenso ein ausgefeiltes System von Garantien vor, einschließlich der parallelen Einbettung des transnistrischen Status sowohl in die moldawische und auch in die transnistrische Rechtsordnung als auch in ein „Abkommen zwischen der Republik Moldau, Russischen Föderation, Ukraine und OSZE über die Garantien der Republik Moldau zur Einhaltung des Gesetzes bezüglich des Sonderrechtsstatus der Transnistrischen Region der Republik Moldau“, d.h. eine internationale multilaterale Garantie. Wahrscheinlich am bemerkenswertesten ist folgender Passus des Ukrainischen Plans  : Die Russische Föderation, Ukraine und OSZE behalten sich das Recht auf das Ergreifen relevanter rechtlicher Schritte gemäß allgemein anerkannter Normen und Prinzipien des Völkerrechtes vor, sollte eine der Parteien sich nicht an die Bestimmungen dieses Planes halten.



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Als Bestandteil dieser Garantien schließen alle diese Vorschläge im Falle der Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien das Recht Transnistriens auf Sezession ein (speziell erwähnt als „politische Garantie“ in den VermittlerVorschlägen und als Teil des „Systems von Garantien“ im Ukrainischen Plan). Das Moldawische Rahmengesetz von 2005 hält fest, dass das „Gesetz der Republik Moldau bezüglich des besonderen Rechtsstatus’ Transnistriens“ begleitet werden soll durch den Beschluss eines Systems nationaler Garantien. Dieses Gesetz aus 2005 legt eine Dreifünftelmehrheit im Parlament für Zusätze fest, wobei das Gesetz zum künftigen Status Transnistriens den Rang eines Verfassungsgesetzes haben soll.38 Ganz ähnlich geht auch der Moldawische Paketvorschlag ziemlich ins Detail, um die „rechtlichen, politischen und ökonomischen Garantien für die Bevölkerung Transnistriens“ auszuführen. Im Wesentlichen umfasst er eine Definition der Garantien wie folgt  : Unter einem ,Garantie-Apparat‘ verstehen die Verhandlungspartner, die Vermittler und die Beobachter einen auf das Erzielen einer politischen Lösung gerichteten Satz von Maßnahmen und Dokumenten, die die Interessen der Konfliktparteien unter uneingeschränkter Beachtung der Normen und Prinzipien des Völkerrechts einbeziehen und die Souveränität und territoriale Integrität der Republik Moldau respektieren. Gemäß der Paketvorschläge von 2007 würden die Garantien der Republik Moldau die Anerkennung und Akzeptanz transnistrischer ‚ökonomischer Rechtsträger‘ innerhalb der moldawischen rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen umfassen. Politisch wird Transnistriens Recht auf Sezession neuerlich ausdrücklich garantiert. Als Gesetze garantiert werden das künftige „Gesetz bezüglich des besonderen Rechtsstatus Transnistriens“, seine Verankerung in der moldawischen Verfassung, das parallele Zustimmungserfordernis für jedwede Änderung des Sonderstatus Transnistriens und der konstitutionelle, einfachgesetzliche und rechtliche Schutz für alle Arten von Eigentum. Der Moldawische Paketvorschlag bietet auch zusätzliche Garantien für Transnistrien an, die Löhne, Pensionen und andere Sozialleistungen sowie die Aufnahme in staatliche Exekutivkörper und Rechtsprechungsorgane betreffen, und bestätigt den Einschluss diesbezüglicher Bestimmungen in das 38 Die Verfassung aus 1994 sieht sowohl für Gagausien als auch für Transnistrien den Sonderstatus im Verfassungsrang vor, und jedes dieser Gesetze hätte für Zusätze oder Abänderungen eine Dreifünftelmehrheit im Parlament erfordert. 2003 wurde dieser Verfassungsartikel 111 novelliert und bezieht sich derzeit nur auf Gagausien.

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‚Gesetz bezüglich des besonderen Rechtsstatus Transnistriens‘ und dessen Verankerung in der Verfassung der Republik Moldau. 4.2. Bestandteile einer tragfähigen Lösung

Die im vorigen Abschnitt behandelten bisherigen Vorschläge zur Lösung des Transnistrien­konflikts umfassen einen weiten Bereich unterschiedlicher Herangehensweisen an die vielfältigen und komplexen berührten Probleme. Sie wurden im vorigen Abschnitt nicht deswegen untersucht, um ihre Schwächen aufzuzeigen oder festzuhalten, warum sie keine ausreichende Zugkraft entwickelt haben, sondern um aufzuzeigen, in welchen Bereichen prinzipielle Übereinstimmung herrscht und um darauf aufbauend Elemente einer tragfähigen Lösung zu entwickeln  ; d.h. einen mit dem herrschenden Konsens übereinstimmenden Satz von Optionen anzubieten (siehe Tabelle S. 60/61). 4.2.1 Territorialer Aufbau des Staates

Es gibt große Übereinstimmung quer durch die bestehenden Vorschläge, dass der Transnistrien­konflikt eine Art territoriale Selbstverwaltung als Bestandteil der durch eine Schlichtung erzielten politisch-institutionellen Ordnung erfordert. Keiner der Vorschläge schließt eine solche Lösung für andere Gebiete der Republik Moldau aus, insbesondere für Gagausien (wo sie ja seit 1995 existiert) und Bender. Angesichts der unterschiedlichen regionalen Dynamiken und denen zwischen Region und Zentrum in den drei Gebieten zusammen mit der generellen Abneigung Chişinăus, das Land gänzlich zu föderalisieren, erscheint eine mehrfach-asymmetrische Autonomielösung als geeignetste Art des territorialen Staatsaufbaus. Diese hätte mehrere Vorteile  : Erstens könnte das existente Arrangement mit Gagausien unverändert bleiben  ; zweitens könnten Chişinău und Tiraspol direkt den Inhalt einer Lösung für Transnistrien verhandeln (wie in den verschiedenen bisherigen Vorschlägen vorgesehen)  ; und drittens würde der restliche Teil der Republik Moldau in Bezug auf die existenten Verwaltungsstrukturen weitgehend unberührt bleiben. Solche Ordnungen sind nicht ungewöhnlich  : Regionalisierung im Vereinigten Königreich (obwohl dies mangels verfassungmäßiger Festlegung keine förmliche Autonomie darstellt), das Arrangement mit Grönland und den Faröern in Dänemark und die fünf Regionen mit speziellem Autonomiestatuts in Italien und die autonomen Gemeinwesen in Spanien können alle als erfolgreiche Beispiele dienen.



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Für den künftigen Status von Bender könnten mehrere Optionen in Betracht gezogen werden. Bender könnte eine weitere Region mit Sonderstatut innerhalb der Republik Moldau oder formal Bestandteil Transnistriens werden oder aber zurückkehren zu seinem sowjetischen Status als republiks­ unmittelbare Stadt. Eine vierte, aber unwahrscheinlichere, Option wäre für Bender, eine Sonderstellung innerhalb Transnistriens zu erhalten. Benders Status könnte entweder innerhalb dieser Möglichkeiten Verhandlungsgegenstand zwischen Chişinău und Tiraspol sein oder aber einem lokalen Referendum unterbreitet werden, d.h. der Bevölkerung Benders eine Stimme und eine Wahl zugestanden werden, um die Zukunft ihrer Stadt selbst zu bestimmen. Es gibt jüngste Erfahrungen mit einer Referendumsoption, auf die Bezug genommen werden könnte  : die umstrittenen Gebiete entlang der Trennlinie zwischen dem Norden und Süden des Sudan, die umstrittenen Gebiete im Irak, insbesondere Kirkuk. Innerhalb der Republik Moldau selbst wurden 1994 die lokalen Grenzen des Autonomiegebietes von Gagausien durch lokale Referenden festgelegt, während durch einen ähnlichen Prozess die autonome Region (und darauf folgende Vergrößerung) der moslemischen Region Mindanaos in den Philippinen errichtet wurde. Eine Übergangsperiode vom derzeitigen Status zu jenem, der von einem künftigen Abkommen bestimmt wird, könnte sich für Bender als nützlich erweisen. Mit anderen Worten  : Sollten sich die Vertragsparteien entschließen, den Status von Bender durch ein Referendum bestimmen zu lassen, oder sogar falls sie dafür eine Übereinstimmung im Zuge ihrer Verhandlungen erzielen, so könnte die Stadt dennoch für eine Übergangszeit entweder unabhängig verwaltet werden oder beispielsweise durch die OSZE und/oder die Garantiestaaten und/oder die Beobachter oder durch eine gemeinsame Überwachungskommission. Das könnte die Parteien und die Bürger Benders bestärken und die Voraussetzungen für entweder das Stattfinden eines Referendums und/oder die Durchführung einer Dauerlösung schaffen. 4.2.2 Die Kompetenzenverteilung

Alle oben diskutierten bisherigen Vorschläge anerkennen die Bedeutung einer klaren Machtverteilung zwischen staatlichen und substaatlichen Entitäten, unterscheiden sich aber im Detailreichtum und in der Art ihres Ansatzes. Gerade in Post-Konflikt-Szenarien ist es potenziell problematisch mit exklusiven und gemeinsamen Kompetenzen in einer Weise zu operieren, wie dies KSZE-Report, Kozak-Memorandum und die Vermittlervorschläge tun. Besser

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als zwei Listen exklusiver Befugnisse (eine für Chişinău und eine für Tiraspol/ Korat/Bender) würde eine multiple asymmetrische Autonomieregelung, wie oben vorgeschlagen, die jeweiligen Kompetenzen der Autonomiegebiete (jeweils spezifische in jedem einzelnen Fall) klar regeln, während alles andere (d.h. alles, was nicht explizit einer Entität zuerkannt wurde) dem Zentralstaat überlassen bliebe. Das würde auch das Problem der Generalkompetenzen regeln, indem sie beim Zentrum verbleiben. Gleichzeitig schlösse es nicht die Aufzählung einiger spezifischer Kompetenzen des Zentrums (wie Verteidigung, Finanz- und Währungspolitik, Staatsbürgerschaft) aus, solange darunter eine exemplarische Liste verstanden wird, die alle, ausgenommen diejenigen speziell einer Entität zugeschriebenen, Kompetenzen umfasst. Das ist das Kompetenz-Verteilungsmuster einer Reihe vergleichbarer Fälle, einschließlich Italien (Südtirol) und Ukraine (Krim). In der Republik Moldau selbst trifft dieses Modell derzeit auf Gagausien zu. Es lohnt sich auch, das Konzept primärer und sekundärer Gesetzgebungskompetenz anzuschauen, wie dies implizit in den Vermittlervorschlägen enthalten ist. Diese Unterscheidung bezieht sich auf die gesetzlichen Grenzen, durch die sie beschränkt sind. Primäre Gesetzgebungskompetenzen (d.h. jene Bereiche, in denen Transnistrien/Gagausien/Bender alleinige Befugnisse haben) wären dann nur durch die Verfassung der Republik Moldau und die internationalen Verpflichtungen des Staates beschränkt. Sekundäre Gesetzgebung, das ist Gesetzgebung in Bereichen potenzieller gemeinsamer Kompetenzen, würde die Rahmengesetze bestimmen, wobei Chişinău die Grundprinzipien der Gesetzgebung bestimmen würde, während die Autonomieorgane die Detailverordnungen erlassen, wie sie auf ihr jeweiliges Territorium anzuwenden wären. Da es normalerweise Vorkehrungen für zusätzliche übertragene Kompetenzen gibt (d.h. Bereichen, die zwar in die ausschließliche Gesetzgebungs-Kompetenz des Zentralstaates fallen, dieser aber an die Autonomiegebiete delegiert), könnte der Begriff einer tertiären Gesetzgebungs-Kompetenz nützlich sein, um die lokale Gesetzeskompetenz in doppelter Hinsicht einzugrenzen. Erstens sind es nur spezifische ‚übertragene‘ Politikbereiche jenseits der Klauseln der Verfassungs- oder anderer Gesetzesbestimmungen der Kompetenzen der Entitäten, in denen solche Befugnisse ausgeübt werden können. Zweitens müsste die Gesetzgebung der Entität eine Reihe von besonderen, im Einzelfall der Kompetenzübertragung festgelegten, Einschränkungen beachten, die über die sonstigen allgemeinen Einschränkungen der primären und sekundären Gesetzgebungs-Kompetenzen hinausgehen.



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Speziell in einer Übergangsphase vom gegenwärtigen Stand zu einer endgültigen Regelung könnte eine Unterscheidung, wie sie in den Devolutionsregelungen des Vereinigten Königreiches angewandt wird, zwischen übertragenen, reservierten und vorbehaltenen Befugnissen getroffen werden, wobei jene Kompetenzen, die die Einheiten unterhalb des Staates sofort ausüben dürfen (übertragen), unterschieden werden von jenen, die in späterer Zeit übertragen werden können (reserviert), und schließlich jene, die dem Zentralstaat (auf Dauer) vorbehalten sind. Eine sofortige Übertragung von Kernkompetenzen an Transnistrien würde eine beiderseitige Verpflichtung auf eine Autonomielösung hin signalisieren, wobei gleichzeitig eine schrittweise Übertragung größerer Kompetenzen, beispielsweise entsprechend dem Ausbau der Verwaltungskapazitäten, ermöglicht wird. 4.2.3 Mitbestimmungsregelungen

Auf der Ebene des Zentralstaates kann die Mitbestimmung durch Repräsentations- und Partizipationsregelungen quer durch die drei Staatsgewalten (Exekutive, Legislative und Justiz) und die Zivilverwaltung sichergestellt werden. Mitwirkung in der Exekutive wird oft als das wichtigste Element der Mitbestimmungsreglungen angesehen und daher wird eine Vertretung in der Exekutive eingeschlossen, in diesem Falle Repräsentanten der betroffenen Gebietsentitäten (d.s. Transnistrien/Gagausien/Bender). Eine Vertretung einzelner Segmente der Bevölkerung, einschließlich territorial definierter, kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden. Am besten geeignet für die vorgeschlagene mehrfach asymmetrische Autonomieregelung wäre eine formale Regelung, welche die autonomen Regierungschefs zu Mitgliedern des gesamtstaatlichen Kabinetts macht (einschließlich einer analogen Regelung für die klassischen Ministerien). Die Republik Moldau hat bereits Erfahrung mit so einer Regelung bezüglich Gagausien. Das würde ein Minimum an Repräsentation garantieren, ohne eine schwerfällige, aufgeblähte Verwaltung nötig zu machen, und es wäre eine Einrichtung zur Koordination der Politik (siehe unten). Wie auch im Kozak-Memorandum könnten die Regierungschefs der Autonomiegebiete die Position von Vizepremiers des Gesamtstaates erhalten und eine bedeutungsvolle Vertretung der föderierten Entitäten im Gesamtstaat könnte weiter ausgebaut werden durch ein eigenes Ministerium (oder Ministerien oder Staatssekretariate) zur Befassung mit den Angelegenheiten der Entitäten (ähnlich den britischen Minister für Schottland/Wales/Nord Irland oder dem Staatssekretär für London zwischen 1994 und 2010).

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Was die Mitbestimmung in der Legislative betrifft, verlangt eine mehrfach asymmetrische Autonomieregelung nicht notwendigerweise ein Zwei-Kammer-System, wie im Kozak-Memorandum und in den Vermittlervorschlägen vorgesehen. Repräsentation der Entitäten kann auch durch ein proportionales Wahlsystem erreicht werden. Im Falle der Republik Moldau würden wegen des vorgeschlagenen Gliederung des Staatsgebietes sowohl ein offenes oder geschlossenes proportionales Listenwahlrecht in einer einfachen staatsweiten Wählerschaft (möglicherweise mit Ausnahmeregelungen für Regionalparteien bezüglich einer Sperrklausel), Mehrheitswahlrecht mit Einzelwahlkreisen (d.h. Stimmenmehrheit ist ausreichend, oder aber mit Zweitstimmenregelung) als auch ein Präferenzwahlsystem (Übertragbare Einzelstimmgebung) jeweils brauchbare repräsentative Ergebnisse liefern. Hinsichtlich einer effektiven Teilhabe an der Mitbestimmung könnten sich die Parteien auf die Notwendigkeit einer qualifizierten und/oder parallelen Mehrheit für spezifische (entweder vorher festgelegte, oder durch bestimmte Vorgangsweise ausgelöste) Bereiche verständigen, sodass damit ein beschränktes Vetorecht der territorialen Entitäten selbst ohne die Einrichtung einer Zweiten Kammer erreicht wird. So ein System würde jedoch auch erfordern, dass sich die Abgeordneten als Vertreter einer bestimmten Entität (d.s. Transnistrien/Gagausien/Bender) ‚kennzeichnen‘. Das könnte zwar auf freiwilliger Basis erfolgen, jedoch um stabiler politischer Verhältnisse willen, nur einmal am Beginn einer Legislaturperiode und für deren gesamte Dauer. Falls erforderlich könnte eine spezielle Lösung für eine Übergangszeit erarbeitet werden. Mitwirkung im Justizbereich könnte durch obligatorische Besetzung von Höchstrichtern nach Nominierung durch die Legislativkörper der föderierten Entitäten erfolgen, besonders im Verfassungsgericht und/oder im Obersten Gerichtshof. In den Entitäten selbst könnte eine regionale Zweigstelle dieser Gerichte eingerichtet werden, die als letztinstanzliches Gericht für jene Angelegenheiten dienen sollte, die den Gesetzesrahmen der fraglichen Entität betreffen, dennoch aber Teil des einheitlichen Justizsystems der Republik Moldau sind. So wie im Kozak-Memorandum vorgeschlagen, könnten in einer Übergangsphase qualifizierte Mehrheiten für Entscheidungen des Verfassungsgerichtes festgelegt werden, wenn auch das im Kozak-Memorandum vorgeschlagene Quorum ‚neun von elf Richtern‘ überaus hoch erscheint. Es könnte erforderlich sein, um die Bindungen zwischen Gesamtstaat und föderierten Entitäten zu stärken, Letzteren auch ein Interesse am politischen



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Prozess der Republik Moldau als Ganzem zu geben, ihnen eine proportionale Vertretung auch in den obersten Rängen der Beamtenschaft zuzubilligen. In einer Übergangsperiode könnte das auch Einstellungsquoten bedeuten, um historisch gewachsene Ungleichgewichte auszugleichen. 4.2.4 Politische Koordinations- und Streitschlichtungsverfahren

Wie bereits erwähnt, sind die bisherigen Vorschläge relativ schweigsam in dieser wichtigen Frage einer belastbaren Konfliktbereinigung, dennoch besteht klar Übereinstimmung dahingehend, dass diese zwei bestimmte Bereiche umfassen. Erstens besteht ein anerkannter Bedarf nach Rechtsprüfung und Schiedsverfahren, einschließlich der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung zur Inkraftsetzung der getroffenen Abkommen sowie der möglichen Einbeziehung des Verfassungsgerichtes als endgültigen Schiedsrichter. Während es klarerweise wichtig ist, Verfahren der Rechtsprüfung und Streitschlichtung in Kraft zu haben, so können dennoch auch andere Verfahren nützlich erscheinen, die einen Rekurs auf diese Letztverfahren verhindern. Das ist ein weiterer Bereich, in dem zumindest implizit Konsens dahingehend besteht, spezielle Schlichtungsverfahren einzurichten, die sich mit der Interpretation und Durchführung eines Endabkommens befassen. Zusätzlich zu Schlichtungsverfahren, die normalerweise dann eingesetzt werden, wenn eine Meinungsverschiedenheit nicht anders gelöst werden kann (aber noch bevor ein Gericht angerufen wird), können gemeinsame Komitees und Durchführungsorgane eingerichtet werden, die gemeinsame Interpretationen für spezielle Aspekte der Vereinbarungen und Regelungen finden und die Ausführung bestimmter Politiken auf nationaler und regionaler Ebene koordinieren sollen, inklusive des gemeinsamen Verfassens von Durchführungsgesetzen. Das wird ausdrücklich im Ukrainischen Plan und im Moldawischen Rahmengesetz vorgesehen und sollte Bestandteil eines eventuellen Endabkommens sein. Kooptierung, wie sie bereits im Falle Gagausiens angewandt wird und im Moldawischen Paketvorschlag enthalten ist, ist ein sehr nützliches Instrument der Politikkoordination, das sicherstellt, dass die ‚speziellen Umstände‘ jeder der föderierten Entitäten im Prozess der nationalen Gesetzgebung und Politikgestaltung im Auge behalten wird. Zusätzlich ist das Beispiel der Krim beachtenswert, mit einem Vertretungsbüro des Ukrainischen Präsidenten, das teilweise als Koordinationselement mit Aufsichtsfunktion, aber ohne Exekutivgewalt agiert. Ein weiteres, oder alternatives, Element, das sich als nützlich

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(auch bezüglich der Mitbestimmung) herausstellen könnte, ist die Einrichtung von speziellen Ministerien oder Staatssekretariaten zur Behandlung der Entitätsangelegenheiten auf Ebene der Zentralregierung, wie sie implizit in den Vermittlervorschlägen angedeutet wurden. Diese verschiedenen Einrichtungen könnten auf- oder abgewertet werden entsprechend den konkreten Erfordernissen während einer Übergangszeit. Insbesondere könnte während der ersten Zeit der Implementierung dieses Abkommens eine internationale Teilnahme in einigen dieser Einrichtungen vorgesehen werden (z.B. eine internationale Präsenz im Verfassungsgericht) oder auch spezielle Körperschaften mit internationaler Teilnahme, wie das im Ukrainischen Plan (und implizit auch in den Vermittlervorschlägen) vorgeschlagene Schlichtungskomitee. 4.2.5 Die russische Dimension

Die entscheidendsten Fragen, ob das Aushandeln einer Lösung für Transnistrien möglich sein wird, könnten die der Entmilitarisierung, Neutralität und ausländischen Truppenpräsenz sein. Dies wird ein internationales Abkommen erfordern, nicht nur eine Vereinbarung zwischen Chişinău und Tiraspol. Gleichzeitig könnte das ein Bereich sein, in dem ein ‚großes Geschäft‘ unter allen beteiligten Parteien erreicht werden könnte, das diese drei Fragen mit der territorialen Integrität und Souveränität der Republik Moldau verbindet und somit eine verschränkte Sicherung aller beteiligter Seiten einschließt. Als Modell für ein derartiges Arrangement sollte das ‚Abkommen über die Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Integrität und Unverletzlichkeit, Neutralität und nationale Einheit Kambodschas‘ von 1991 betrachtet werden. Dabei haben die neunzehn an der Pariser Kambodscha-Konferenz teilnehmenden Staaten unter anderem dieses Abkommen unterzeichnet, in dem Kambodscha sich auf eine Vielzahl von Prinzipien bezüglich seines künftigen internen und internationalen Verhalten verpflichtete, einschließlich der ‚Pflege, Bewahrung und Verteidigung seiner Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Integrität und Unverletzlichkeit, Neutralität und nationalen Einheit‘, der Verankerung seiner ‚immerwährenden Neutralität … in der … Verfassung‘, ‚jedweden Beitritt zu einem Militärbündnis oder anderen militärischen Absprachen mit anderen Staaten, die unvereinbar mit seiner Neutralität wären, zu unterlassen‘ und ‚keinerlei Erlaubnis für Eintritt oder Stationierung fremder Truppen, einschließlich militärischer Personen jedweder Art, in Kambodscha zu erteilen und die Errichtung oder Unterhalt fremder Militärbasen



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zu verhindern‘. Im Gegenzug verpflichteten sich die anderen Signatarstaaten ‚die Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Integrität und Unverletzlichkeit, Neutralität und nationale Einheit Kambodschas anzuerkennen und in jeder Weise zu respektieren‘. Obwohl die Situation in Kambodscha 1991 und davor deutlich anders als diejenige der Republik Moldau war, ist dieses Abkommen dennoch höchst relevant, da es die Kernfragen der russischen (und in gewisser Weise auch der rumänischen) Dimension des Konflikts anspricht und ohne Schwierigkeiten so modifiziert werden könnte, dass es eine Demilitarisierung einschließen und eine künftige Wiedervereinigung der Republik Moldau mit Rumänien nicht ausschließen würde, gleichzeitig aber eine internationale Verankerung von Moldawiens Souveränität (indem es klarstellt, dass einzig die Republik Moldau ein Subjekt des Völkerrechtes ist) und territorialer Integrität darstellte. Um es ganz offen auszudrücken, mit dieser Vereinbarung erhielte die Republik Moldau im Gegenzug zu seiner Zustimmung, der NATO nicht beizutreten, eine russische Verpflichtung zur Achtung seiner Souveränität und territorialen Integrität. 4.2.6 Die rumänische Dimension

Ähnlich dem, was im Abkommen mit Gagausien schon existiert und in Bezug auf Transnistrien weitgehend akzeptiert wurde, sollte Letzteres eine Option auf Sezession für den Fall der Wiedervereinigung Moldawiens mit Rumänien haben. Sollte Bender eine weitere autonome Entität innerhalb der Republik Moldau werden, so sollte es ebenfalls die Option erhalten, zu der Zeit in einem Referendum zu entscheiden, ob es gemeinsam mit der Republik Moldau sich Rumänien anschließt oder – falls Transnistrien für eine Sezession stimmt – sich mit Transnistrien vereint. Diese letztere Möglichkeit würde wohl die weitere Frage nach dem Status Benders in einem unabhängigen Transnistrien aufwerfen, die Gegenstand von Verhandlungen zwischen diesen Seiten wäre (möglicherweise unter Festlegung der Optionen bevor jenes Referendum in Bender selbst stattfindet). In beiden Fällen sollte die Eigenstaatlichkeit Benders keine Option sein.39

39 Die Art, wie die rumänische Dimension des Konflikts gehandhabt wird, müsste mit jenem Lösungsansatz synchronisiert werden, der für die russische Dimension, wie im vorigen Abschnitt aufgezeigt, gewählt wurde.

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4.2.7 Garantievereinbarungen

Der Transnistrienkonflikt hat viele unterschiedliche Dimensionen, die alle spezielle Verfahren für ihre Implementierung und Anwendung benötigen, wovon einige Garantien (und Garanten) erfordern, damit sich die Parteien dazu verpflichten. Dieser Bedarf an mehrfachen Garantien ist in allen oben untersuchten Vorschlägen anerkannt, wenn auch in unterschiedlichen Details. Aus dieser Perspektive kann man über drei verschiedene Garantie-Typen nachdenken. Erstens in/formelle Vereinbarungen, d.h. üblicherweise rechtlich nichtbindende Arrangements für eine Gesamtlösung oder spezifische Vorkehrungen, die genau ausführen, wie sich die Parteien die Einrichtung und Anwendung der Vereinbarungen vorstellen. Zum Beispiel sollten sich die Parteien auf ein Set von Prinzipien einigen, das ihre wechselseitige Handhabung der Koordination der Gesetzgebung und Politik festlegt. Das könnte die Einrichtung von Beratungsorganen und Festlegung von deren Arbeitsweise inkludieren. Eine andere Option wäre die Perpetuierung der bestehenden Arbeitsgruppen oder deren Verlängerung für die gesamte Übergangszeit, beides unter entsprechender Ausweitung ihrer Mandate und Richtlinien. Zweitens werden die einzelnen autonomen Entitäten verlangen, dass ihre Abkommen in Gesetzgebung und Verfassung verankert werden. Das wurde für den Status Gagausiens bereits erreicht  : eine Verfassungsbestimmung zum Status Gagausiens als eine spezielle Entität innerhalb der Republik Moldau (derzeit Artikel 111 der Verfassung) und ein Grundgesetz (bereits seit 1995), das u.a. die Kompetenzen Gagausiens festlegt. Das könnte auch für Transnistrien und möglicherweise auch für Bender angewandt werden. Derzeit bedürfen Änderungen dieses Gesetzes einer Dreifünftel­mehrheit im Parlament. Das könnte im Einklang mit dem Kozak-Memorandum und den Vermittler­ vorschlägen noch dadurch verstärkt werden, dass jede Status- und Kompetenzenänderung auch der Zustimmung des Parlaments der jeweils betroffenen Entität bedarf. Drittens werden ,harte‘ oder ,weiche‘ internationale Garantien nicht nur für die internationale Anerkennung der Abkommen gebraucht werden, sondern auch für die Verpflichtung der externen Parteien. Das könnte im Falle des Transnistrienkonflikts zweierlei erreichen. Einerseits würde das Erzielen eines Abkommens im gegenwärtigen 5+2-Format die Ukraine und Russland als Garantiemächte einbinden, mit der OSZE als führendem Vermittler und den USA und der EU als Beobachter. Das ist in einer Anzahl der bisherigen Vorschläge explizit vorgesehen. Zusätzlich könnte ein bilateraler (Republik



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Moldau – Russland) oder multilateraler Vertrag (aller staatlichen Partner im 5+2-Format) analog dem oben erwähnten Kambodscha-Abkommen von 1991 sich als nützlich erweisen und die Parteien effektiv beruhigen. Obwohl die Konfliktparteien deutlich erpicht sind, eingebaute oder zusätzliche Garantien für jedes Abkommen zu erhalten und obwohl die Vermittler und Beobachter des 5+2-Prozesses dies erkannt und akzeptiert haben, müssen alle Akteure sich auch darüber im Klaren sein, was Garantien erreichen können. Sie können die Vertragserfüllung fördern und/oder von einer Nichterfüllung abschrecken mithilfe der Vorkehrungen des Vertrages durch eine Vielzahl politischer Mittel (Streitvermeidung und außergerichtliche Schlichtung, positive und negative Konditionalität, Peace Keeping) und juristische Methoden (durch Verfassungsgericht und niederrangigere Gerichte ebenso wie vor internationalen Gerichten wie dem Internationalen Gerichtshof, dem Internationalen Schiedsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Dennoch sind Garantien kein Selbstzweck, sondern Mittel für einen Zweck  : um Bewegung in die Angelegenheiten zu bringen, mangelndes Vertrauen überbrücken zu helfen, ein gesichertes Umfeld zu schaffen, in dem die Institutionen ihren Wert erweisen können, Gelegenheiten zu schaffen, um frühere Vereinbarungen zu überprüfen und zu revidieren. Mit anderen Worten  : Garantien können helfen, ein Abkommen zu implementieren und anzuwenden, aber sie können ein Abkommen nicht ersetzen.

5. Resümee Diese Abhandlung wurde auf die Inhalte einer belastbaren Regelung des Transnistrienkonflikts in der Republik Moldau fokussiert. Es wurden sechs bestehende Lösungsvorschläge verglichen, die den ganzen Umfang aktueller Überlegungen aller am Konflikt beteiligten Staaten widerspiegeln, sie identifiziert Bereiche des Konsenses und der Unterschiede in drei Aspekten einer künftigen Lösung (Gliederung des Staatsgebietes, Kompetenzverteilung, politische Koordination und Streitschlichtung), behandelt die beiden externen Dimensionen des Konflikts (russische und rumänische) sowie die Verankerung der Abkommensbestimmungen im nationalen und internationalen Recht (Garantiebestimmungen). Auf dieser Grundlage wurde ein Vorschlag für eine mehrfach asymmetrische Autonomieregelung entwickelt, die innerhalb des aktuellen 5+2-Format zu verhandeln und sowohl im nationalen und

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internationalen Recht als auch in einem multilateralen internationalen Vertrag verankert werden soll. Obwohl der Fall des Transnistrienkonflikts viele eigentümliche Aspekte aufweist, ist er dennoch nicht einzigartig unter den gegenwärtigen Selbstbestimmungskonflikten. Viele von ihnen beinhalten ähnliche Territorialstreitigkeiten und haben Auswirkungen über das unmittelbare Umfeld des Konflikts hinaus, einschließlich auswärtiger Mächte, deren Interessen durch jedwede Lösung betroffen werden. Die Ausarbeitung von Elementen einer möglichen Lösung des Transnistrienkonflikts in der Republik Moldau ergibt keine Blaupause für ähnliche Konflikte anderswo, aber sie kann dazu beitragen, Rahmenbedingungen für Lösungsvorschläge zu entwerfen und aufzeigen, wie dabei spezifische Fragen angegangen werden können. Über seine Auswirkungen auf lokaler und regionaler Ebene hinaus liegt ein Teil der Bedeutung einer Lösung für Transnistrien darin, zu einem besseren Verständnis und effektiverer Behandlung von nationalen und internationalen politischen Strategien der Selbstbestimmung.

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Tabelle 1: Vergleichende Zusammenfassung der Bestimmungen

Moldawischer Paketvorschlag (2007)

Moldawisches Rahmen­gesetz (2005)

Ukrainischer Plan (2005)

Mediator Proposals (2004)

KozakMemorandum (2003)

KSZE Report (1993)

Gliederung des Staatsgebietes Sonderstatut für Transnistrien, mög­licherweise auch für Bender und Gagausien, eventuell regionalisierter Staat Zwei Föderations­ abkommen: Republik Moldau – Trans­nistrien und Republik Moldau – Gagausien Föderalstaat mit Transnistrien als ­Föderationssubjekt

Kompetenzen­aufteilung

Mitbestimmung

Detaillierte Aufzählung der exklusiven und der gemeinsamen Kompetenzen

Proportionale Repräsentation Transnistriens im Parlament, ­Obersten Gerichtshöfen und Schlüsselministerien

Detaillierte Aufzählung der exklusiven und der ge­ mein­samen Kompetenzen Restkompetenzen verbleiben bei den Föderationssubjekten Detaillierte Aufzählung der exklusiven und der ge­ mein­samen Kompetenzen Restkompetenzen verbleiben bei den Föderationssubjekten

Festgelegte Sitzanzahl für ­Trans­nistrien und Gagausien in ­Verfassungsgericht und Senat; Qualifizierte Mehrheits­erforder­nisse in Senate und Verfassungs­gericht während Übergangs­periode Zweidrittelmehrheit in beiden ­Häusern des Parlaments für Verfassungsgesetze erforderlich

Sonderstatut für Transnistrien

Die Kompetenzverteilung Gemeinsamer Gesetzesentwurf des wird in einem Grundgesetz Sonderstatuts über den Sonderstatus geregelt.

Sonderstatut für Transnistrien

Die Kompetenzverteilung Gemeinsamer Gesetzesentwurf des wird in einem Grundgesetz Sonderstatuts über den Sonderstatus geregelt.

Sonderstatut für Transnistrien

Die Kompetenzverteilung wird in einem Gesetz über den Sonderstatus geregelt.

Gemeinsamer Gesetzesentwurf des Sonderstatuts; Proportionale Repräsentation Trans­ nistriens im Parlament; Repräsentation in Regierung, Verfassungs- und Oberstem Gerichtshof, Sicherheitsrat, Generalstaaats­ anwaltschaft und Innenministerium



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bisheriger Lösungsvorschläge für den Transnistrienkonflikt Politische Koordination/ Streitschlichtung

Russische Dimension

Rumänische ­Dimension

Garantien

Komplette ­Demilitarisierung; Russischer Truppen-Abzug

Option auf eine trans­ nistrische Sezession

Internationale Garantien, ­insbesondere KSZE- Mediation eines Abkommens

Konsultation internationaler Verträge, die gemeinsame Kompetenzausübungen berühren

Republik Moldau als ein neutraler, ­demilitarisierter Staat

Option auf eine trans­ nistrische Sezession

Verfassungsmäßige Verankerung des Status, verbunden mit ­qualifizierten Mehrheits­erfordernissen für Verfassungsänderungen

Föderalstaatliche Institutionen für die politische Koordination; Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kompetenzenverteilung sind vom Verfassungs­­gericht zu entscheiden; Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Implementierung sind durch existentes Verhand­lungsformat oder spezielle Schlichtungs­einrichtung zu lösen Schlichtungskomitee mit interna­tionaler Partizipation soll Meinungs­verschieden­ heiten bezüglich Aus­legung/Ausführung des Sonderstatuts beilegen.

Reduktion der ­militärischen ­Kapazitäten bis zur Demilitarisierung

Option auf eine trans­ nistrische Sezession

Verschränktes System internationaler, nationaler, ökonomischer, militärischer und politischer Garantien, einschließlich Erzwingungsmaßnahmen

Option auf eine trans­ nistrische Sezession

Nationalgesetzliche und ­multi­laterale internationale ­Garantien; Garantiestaaten und OSZE sind im Falle von Nichteinhaltung zu weiteren internationalen rechtlichen Schritten berechtigt Ein System interner Garantien ergänzt das Sonderstatus-Gesetz

Option auf eine trans­ nistrische Sezession

Ein System interner rechtlicher, politischer und ökonomischer Garantien; Internationale Mission ­unter OSZE-Mandat, um eine ­Demilitarisierung und Einrichtung vereinter Streitkräfte zu überwachen

Transnistrische Demilitarisierung und russischer Abzug als Vorbedingungen für Abkommen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kompetenzenverteilung sind vom Verfassungs­­gericht zu entscheiden.

Republik Moldau als neu­traler, paktfreier Staat; Russischer Abzug Keine fremden Militärbasen oderr Einrichtungen in Republik Moldau

Dirk Schübel1

Reformen in der Republik Moldau  : Auf der Überholspur nach Europa oder viel Lärm um nichts  ?

1. Stationen des Wandels – wie der 7. April 2009 das Land veränderte Am Abend des 7. April 2009, dem wohl denkwürdigsten Tag in der jüngeren Geschichte der Republik Moldau, ahnten wohl weder Vertreter der damaligen kommunistischen Regierungspartei um Ex-Präsident Wladimir Woronin noch der damaligen Opposition, dass die ursprünglich als Proteste gegen das angeblich gefälschte Ergebnis der Parlamentswahlen vom 5. April 2009 beginnenden Ausschreitungen den Ausgangspunkt für grundlegende Veränderungen sowohl in der moldauischen Gesellschaft selbst als auch in den bilateralen Beziehungen insbesondere zur Europäischen Union, aber auch zu anderen Staaten, bilden würden. Auch wenn dem Ausdruck des Willens zur Änderung des Status quo auf die Schnelle kein farbliches Logo wie etwa bei der ,Orangenen Revolution‘ in der Ukraine 2004/2005 zugeordnet werden konnte, so sind durchaus Parallelen zwischen beiden Ereignissen festzustellen. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist wohl, dass beide Manifestationen der Unzufriedenheit mit den jeweiligen Herrschenden zur Abwahl der langjährigen mit harter Hand regierenden Präsidenten nach Wiederholung der vermeintlich gefälschten Wahlen führten (Kutschma in der Ukraine, Woronin in der Republik Moldau). Was in Moldau auf die tragischen Ereignisse des 7. April 2009 folgte, war zunächst der ergebnislose Versuch der dann regierenden Kommunisten, eine Koalition mit einer Oppositionspartei zu bilden (es wurde beinahe Einigung mit Serafim Urecheans Allianz Unser Moldau erzielt), um die eine fehlende Stimme zur für die Wahl des Präsidenten unabdingbaren Dreifünftelmehrheit im Parlament zu erreichen. Nachdem dieser Versuch fehlschlug und nachdem er Woronin nicht überzeugen konnte, Präsidentschaftskandidat der 1 Dirk Schübel ist Leiter der Vertretung der Europäischen Union in der Republik Moldau. Dieser Artikel gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder und ist nicht notwendigerweise identisch mit der Position der Institution, die er vertritt.

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­ ommunisten zu werden, entschied sich der langjährigen Weggefährte WoK ronins Marian Lupu im Juni 2009, die Kommunistische Partei zu verlassen und sich der Demokratischen Partei Dumitru Diakows anzuschließen. Dieser Wechsel kann als der entscheidende Grund angesehen werden, warum die Kommunisten die wiederholte Parlamentswahl vom 28. Juli 2009 verloren, denn es waren gerade die zusätzlichen Stimmen für die Demokratische Partei, die der bisherigen Opposition eine knappe Mehrheit von 52 gegenüber 49 Sitzen für die Kommunisten im neuen Parlament verschafften. So kam es zur Bildung der ersten „Allianz für europäische Integration“, wie sich die neuen vier Regierungsparteien Liberaldemokratische Partei, Demokratische Partei, Liberale Partei und Allianz Unser Moldau fürderhin nannten. Der Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei, der Unternehmer Vlad Filat, wurde zum Ministerpräsidenten bestimmt und am 26. September 2009 vereidigt.

2. Neue Dimension in den Beziehungen zwischen Moldau und der EU Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es mit der Regierungsbildung zu einem Quantensprung in den Beziehungen zur Europäischen Union gekommen ist. Während Ex-Präsident Woronin in seinen acht Amtsjahren eine dem ukrainischen Präsidenten Kutschma ähnliche Multivektorpolitik in der Außenpolitik verfolgte und eher lauwarm und dem alten Lenin’schen Motto „Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück“ gemäß die Kontakte zur EU scheibchenweise verbesserte, wann immer es ihm passte, ließ der neu gewählte PM Filat, der in Ermangelung eines gewählten Präsidenten (siehe hierzu mehr unter 3.), seinen pro-europäischen Worten auch Taten in Form einer intensiven Besuchsdiplomatie mit Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten folgen. 2.1 Zur Besuchsdiplomatie der neuen moldauischen Regierung

Die Tinte auf dem gerade unterzeichneten Koalitionsvertrag war kaum getrocknet und Filat kaum in sein Amt eingeführt, als er sich am 29. September 2009 bereits auf seine erste Auslandsreise nach Brüssel in Begleitung seines kongenialen stellvertretenden Premierministers und Außenministers Iurie Leanca begab. Dieser erste Besuch schuf die Basis für eine neue, nie dagewesene Stufe der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Moldau. Er



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wurde gefolgt von bei Redaktionsschluss neun weiteren Besuchen des Premierministers in Brüssel, jeweils begleitet von Leanca und anderen Ministern der neuen Allianz für Europäische Integration. Filat traf sich, dank intensiver Bemühungen der moldauischen Mission in Brüssel und von Außenminister Leanca selbst, mehrfach mit den Präsidenten van Rompuy (Europäischer Rat), Barroso (Europäische Kommission) und Buzek (Europäisches Parlament) sowie mit der Hohen Repräsentantin für EU-Außenpolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Baronin Ashton sowie mit rund einem Dutzend von einflussreichen EU-Kommissaren (z.B. Füle, de Gucht, Oettinger und Ciolos) und mit einer Vielzahl von Parlamentariern nahezu aller politischer Couleur des Europaparlamentes. Filat nahm auch an nahezu allen Treffen der konservativen EPP-Fraktion des Europaparlamentes teil, während derer er nähere Bekanntschaft mit einer Vielzahl wichtiger europäischer Politiker schloss. Auch andere Politiker der neuen Allianz besuchten Brüssel (Liberalenchef Ghimpu als amtierender Präsident im vergangenen Jahr, Demokratenchef Lupu in selbiger Funktion in diesem Jahr), doch bei Weitem nicht mit derselben Intensität wie das Tandem Filat/Leanca. Filat und Leanca machten auch der Mehrzahl der europäischen Hauptstädte die Aufwartung  ; Berlin, Rom, Paris, Warschau und London zählten u.a. bereits zu den Stationen, und in der Liste der „Grossen“ fehlt wohl nur noch Madrid. Die neue moldauische Regierung schaffte es ebenso, eine Vielzahl hochrangiger Entscheidungsträger und Politiker nach Chişinău zu locken  : Nach EP-Präsident Buzek und HRVP Ashton hat sich für Juli 2011 auch EU-Präsident van Rompuy zu einem offiziellen Besuch angesagt. Darüber hinaus besuchten mehrere Kommissare Chişinău und machten Bekanntschaft mit dem obligatorischen Besuchsobjekt Cricova-Weinkeller, einem der weltweit größten Weinkeller und dementsprechend ein Muss für jeden Moldaubesucher. Ein direkter Vergleich macht den Unterschied deutlich  : Während es in der Periode seit der Gründung des unabhängigen Moldau im August 1991 bis August 2009 insgesamt nur vier Besuche von EU-Kommissaren zu verzeichnen gab, so sind es bei Redaktionsschluss seit September 2009 bereits sechs, und selbstredend war vor Buzek noch nie ein EP-Präsident in Chişinău. Auch die Mitgliedstaaten intensivierten ihre Besuchspraxis. Höhepunkt war zweifelsohne das sogenannte Treffen der „Freunde Moldaus“ am 30. September 2010, an dem es der moldauischen Diplomatie gelang, insgesamt zehn EU-Außenminister (u.a. auch den italienischen Außenminister Frattini und dessen schwedischen Amtskollegen Bildt) sowie Erweiterungs- und ENP-

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Kommissar Füle in die Moldau einzuladen  ; insgesamt nahmen 24 der 27 EUMitgliedstaaten mindestens auf Botschafterebene an dem Treffen teil – ein vorher nie dagewesener diplomatischer Erfolg der jungen demokratischen Führung des Landes. 2.2 Europäische Nachbarschaftspolitik, Assoziierungsabkommen und umfassendes Freihandelsabkommen mit Moldau

Eine der am meisten genutzten Behauptungen der jetzigen kommunistischen Opposition in bilateralen Gesprächen ist, dass sie die eigentlich überzeugteren Pro-EU-Politiker des Landes seien. Dies werde darin deutlich, so die Argumentation, dass Moldau unter kommunistischer Führung der Europäischen Nachbarschaftspolitik beitrat und dass der bilaterale Aktionsplan nicht nur durch Woronins Unterhändler ausgehandelt wurde, sondern dass auch die Umsetzung in weitaus effektiverer Form durchgeführt wurde, als dies gegenwärtig der Fall ist. Während es richtig ist, dass die eben genannten Ereignisse in die Zeit der kommunistischen Regierung fielen, so hat diese doch nicht viel mehr als unbedingt nötig getan, um die Umsetzung etwa des Aktionsplanes voranzubringen. Weitere Details können den jährlichen Berichten der EU-Kommission zur Umsetzung der bilateralen Aktionspläne entnommen werden. Die rechtliche Grundlage unserer Zusammenarbeit bestand und besteht noch immer im sogenannten Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, das bereits 1994 ausgehandelt wurde, jedoch erst 1998 in Kraft trat. Es ist nur allzu verständlich, dass die neue Regierung mit ihren ausgeprägten proeuropäischen Ambitionen diese Rechtsgrundlage als veraltet empfand und auf den Beginn von Verhandlungen über ein neues, weiter reichendes Abkommen drängte. In diesem Zusammenhang kam der moldauischen Regierung die seit 2009 in Kraft befindliche Östliche Partnerschaft zu Hilfe, die u.a. den Abschluss von sogenannten Assoziierungsabkommen empfiehlt. Es ist daher wohl beiden genannten Umstanden zu verdanken, dass die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen, das das alte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ersetzen wird, bereits im Januar 2010 aufgenommen werden konnten. Vereinfacht kann das mögliche Endergebnis des Abkommens mit politischer Assoziierung an die EU und wirtschaftlicher Integration in den europäischen Binnenmarkt beschrieben werden. Sechs Verhandlungsrunden fanden seit Januar 2010 statt  ; die siebte wird Ende Juni 2011 in Brüssel stattfinden. Die Verhandlungen sind in vier Verhandlungsgruppen geteilt  ; darüber hinaus wer-



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den der wichtige Prolog, der Präambel, Ziele und Allgemeine Prinzipien beinhaltet, sowie die Schlussbestimmungen in den sogenannten Plenarsitzungen diskutiert. Drei der vier Verhandlungsgruppen haben im Wesentlichen bereits Einigkeit erzielt (Politischer Dialog und Außen- und Sicherheitspolitik  ; Justiz, Freiheit und Sicherheit sowie die Zusammenarbeit im sogenannten ,people to people‘-Bereich). In der vierten Verhandlungsgruppe zu wirtschaftlicher und sektorieller Zusammenarbeit sind 24 Verhandlungskapitel eröffnet worden und 21 von ihnen bereits geschlossen worden . Die wenigen offenen Punkte stellen gleichzeitig die für Moldau wohl wichtigsten Bestimmungen dar  : Moldau kämpft in den Verhandlungen ebenso wie die Ukraine darum, einen Hinweis auf eine sogenannte „Beitrittsperspektive“ in das Abkommen aufnehmen zu dürfen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass ein konkreter Termin für eine eventuelle Aufnahme in die EU darin fixiert werden soll gemäß moldauischen Wünschen, sondern lediglich, dass Moldau die Möglichkeit eingeräumt wird, eines Tages, wenn es die als sogenannte ,Kopenhagener Kriterien‘ bezeichneten Bedingungen zu erfüllen glaubt. Dies ist jedoch vom bisherigen Mandat der EU-Kommission für die Verhandlungen nicht gedeckt. Ebenso wenig gedeckt ist der Wunsch der moldauischen Seite auf einen Verweis hinsichtlich zukünftiger Visafreiheit für Bürger Moldaus bei der Einreise in die EU (siehe 2.3 zur EU-Moldau-Zusammenarbeit im Visabereich). Schließlich müssen gegenwärtig zwangsläufig einige Fragen hinsichtlich der regionalen Zusammenarbeit offen bleiben, da es Moldau bisher nicht gelungen ist, das Transnistrienproblem zu lösen. Während das eigentliche Assoziierungsabkommen bereits einen wichtigen Schritt nach vorn im Vergleich zum existierenden rechtlichen Rahmen der Beziehungen darstellen wird, so kann das ebenfalls durch die Östliche Partnerschaft angeregte Umfassende Freiheitsabkommen wohl als das „Tüpfelchen auf dem ,i‘“ bezeichnet werden. Die oben genannte Integration in den Binnenmarkt kann erst dann erreicht werden, wenn die Verhandlungen zu diesem Abkommen abgeschlossen sein werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben sie jedoch noch nicht einmal begonnen, da die zuständige EU-Kommission zunächst erst einmal die Zustimmung der 27 Mitgliedstaaten zu einem Verhandlungsmandat erhalten muss. Nachdem Moldau noch einige Vorarbeiten leisten musste, die in sogenannten „Key recommendations“ der EU vom November 2010 enthalten sind (u.a. musste Einigung über sogenannte ,Geografische Indikationen‘ zwischen beiden Seiten erzielt werden, d.h. dass sich Moldau beispielsweise verpflichten musste, den Gebrauch der vor Ort weit verbreiteten Begriffe ,Champagner‘ und ,Cognac‘ und einer

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­ ielzahl anderer Indikationen beim Handel mit der EU ab sofort zu untersaV gen), wird allgemein erwartet, dass die Verhandlungen wohl vor Jahresfrist beginnen können. Wie lange sie dauern werden, kann niemand derzeit voraussagen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass das Assoziierungsabkommen erst dann unterzeichnet werden und in Kraft treten kann, wenn auch die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen abgeschlossen sein werden  ; das Freihandelsabkommen stellt einen integralen Teil des Assoziierungsabkommens dar, auch wenn es getrennt verhandelt wird. 2.3 Menschenrechte, Visapolitik, Energie und Verkehr – weitere Beispiele einer intensivierten Zusammenarbeit

Die Regierung der „Allianz für Europäische Integration“ stimmte Ende 2009 auch ohne großes Zögern der Anfrage der EU zu, einen regelmäßigen bilateralen Dialog zu Fragen der Menschenrechte zu führen. In der Vergangenheit war Moldau einer der „Hauptklienten“ am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, wo eine Vielzahl von offiziellen Beschwerden gegen die vorherigen Regierungen eingereicht wurden. Zwischenzeitlich hat sich die Lage insbesondere im Bereich Presse- und Versammlungsfreiheit wesentlich verbessert. Dazu hat sicherlich auch der EU-Moldau-Menschenrechtsdialog beigetragen, der seine Premiere im März 2010 hatte und im April 2011 zum zweiten Mal in einer sehr offenen Atmosphäre stattfand. Auf Mentalitätsprobleme zurückzuführen sind wohl die Probleme um die notwendige Verabschiedung eines Gesetzes zur Nichtdiskriminierung, was nahezu ausschließlich auf die negative Einstellung der Bevölkerung zur Nichtdiskriminierung unabhängig von sexueller Orientierung. Das wohl sensibelste Thema, das die moldauischen Bürger ähnlich wie in den Nachbarländern wohl am meisten interessiert, ist die EU-Visapolitik  ; in den vergangenen Jahren wurden in diesem Bereich erhebliche Fortschritte gemacht und diese begannen bereits unter der früheren kommunistischen Regierung. Bereits 2008 wurde ein bilaterales Visavereinfachungsabkommen abgeschlossen, das von einem sogenannten Rücküberführungsabkommen begleitet wird. Das Visavereinfachungsabkommen enthält, wie der Name es erahnen lässt, eine Reihe von Bestimmungen, die den Erhalt von Visa für moldauische Bürger vereinfachen sollen. So wurde die Grundgebühr für ein einfaches Schengenvisum auf € 35 festgelegt – im Gegensatz zu den € 60, die Bürger von EU-Drittstaaten zahlen müssen, die kein derartiges Abkommen mit der EU abgeschlossen haben. Zudem muss laut Abkommen eine



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Vielzahl von Bevölkerungsgruppen überhaupt keine Gebühr zahlen  ; kürzlich veröffentlichte Statistiken gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der Antragsteller kostenlose Visen erhält. Eine andere Gruppe von Antragstellern erhält bevorzugt Mehrfach-Einreisevisen. Leider enthält das Abkommen in Ermangelung einer EU-weiten Regelung noch keinen Passus in Bezug auf vereinheitlichte Dokumente unabhängig vom Reiseland in der EU, die der moldauische Antragsteller vorweisen muss. Solche vereinheitlichten Listen wurden aber im Rahmen der lokalen Schengenkoordination erarbeitet und sollen nach Abschluss der gegenwärtig stattfindenden Nachverhandlungen zum Visavereinfachungsabkommen durch eine Kommissionsentscheidung verbindlich gemacht werden. Das in anderen Drittländern sehr relevante Rückführungsabkommen hat bisher nur in einigen wenigen Fällen Anwendung gefunden  ; einer der Hauptgründe dafür könnte interessanterweise in der Existenz des Transnistrienproblems bestehen, dessen interne Kontrollen eine weitere Hürde für potenzielle Migranten darstellen, die sie wohl lieber vermeiden. Seit 2008 gibt es auch eine in der Welt fast einmalige Institution, ein gemeinsames Visaantragszentrum, das sehr effizient von der ungarischen Botschaft in Chişinău geleitet wird. Gegenwärtig können moldauische Bürger in diesem Zentrum Anträge auf Kurzzeitvisen für 13 EU- und einen Nicht-EU-, aber Schengenmitgliedstaat (Schweiz) stellen. Kroatien ist dem Visazentrum auch beigetreten. Das Zentrum hat den doppelten Vorteil, dass es den daran beteiligten Ländern Ressourcen sparen hilft, und andererseits moldauische Bürger nicht nach Bukarest, Kiew oder Moskau reisen müssen, um dort ein Visum für das betreffende Schengenland zu beantragen, wie dies vorher der Fall war. Nahezu einzigartig ist auch die 2009 geschlossene Mobilitätspartnerschaft der EU mit Moldau, die insbesondere eine gewisse kontrollierte (zirkuläre) legale Migration fördern sowie eine bessere Koordinierung der Eingliederung von rückkehrwilligen moldauischen Migranten erreichen soll. Nur mit den Kapverden und seit Kurzem mit Georgien existiert ein vergleichbares Instrument. Schließlich gab die EU dem moldauischen Wunsch statt und stimmte im Juni 2010 der Eröffnung eines Visadialoges zwischen beiden Parteien zu. Nach einer sogenannten „Lückenanalyse“ durch EU-Experten verabschiedete der Rat im Dezember 2010 einen Aktionsplan zur Visaliberalisierung, der durch EU-Innenkommissarin Malmström während eines offiziellen Besuchs in Chişinău Ende Januar 2011 überreicht wurde. Die moldauische Regierung

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nahm daraufhin einen eigenen Aktionsplan an, mit der alle identifizierten Schwachpunkte eliminiert werden sollen. Das ambitionierte Ziel der moldauischen Regierung ist es, den Aktionsplan bis spätestens Ende 2012 zu erfüllen und damit die Voraussetzungen für ein visafreies Regime zu schaffen (Moldau hat den Visazwang für EU-Bürger im Übrigen bereits 2008 abgeschafft). Hier scheint in gewisser Weise der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein, da die EU immer wieder die „Ergebnisoffenheit“ des Dialoges herausgestrichen hat, d.h. dass ein Erfüllen aller im Aktionsplan genannten Bedingungen mitnichten eine automatische Visafreiheit nach sich zieht. Dennoch sind die moldauischen Anstrengungen in diesem Bereich beträchtlich. In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, ob durch ein vereinfachtes EU-Visaregime für moldauische Bürger nicht der Anreiz zum Erwerb rumänischer Pässe, der derzeit ungemein hoch ist, reduziert werden könnte. Im Energiebereich ist Moldau zu 100% von russischen Öl- und Gaslieferungen abhängig. Darüber hinaus stammt nahezu die gesamte benötigte Elektrizität aus einem transnistrischen Kraftwerk russischer Provenienz. Hinzu kommt, dass die staatliche Gasfirma Moldovagaz vor einem enormen Schuldenberg steht, der zum großen Teil in Transnistrien verursacht wurde, deren Verantwortliche sich bis dato standhaft geweigert haben, diese Schulden zu begleichen. All diese Gründe illustrieren die Dringlichkeit einer stärkeren Zusammenarbeit mit der EU, auch und insbesondere um die enorme Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren. Moldau sucht daher finanzielle Mittel, um Verbindungen sowohl zwischen dem moldauischen und dem rumänischen Gastransportsystem als auch dem Elektrizitätsverbundsystem herzustellen. Die europäischen Banken EBRD und EIB haben ein gewisses Interesse geäußert, hilfreich zur Seite zu stehen. Die EU stellt in diesem Jahr zudem Mittel in Höhe von etwas € 45 Millionen als sektorspezifische Budgethilfe zur Erhöhung der Energieffizienz und zur verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien zur Verfügung. Schließlich wurde Moldau im vergangenen Jahr in die Europäische Energiegemeinschaft aufgenommen und hat, den glücklichen Umständen des Alphabets geschuldet, in diesem Jahr bereits die Präsidentschaft der Energiegemeinschaft inne. Wer nach Moldau kommt, dem wird zunächst einmal sofort der schlechte Zustand des Straßenverkehrs­systems auffallen. Es gibt jedoch enorme Verbesserungsmöglichkeiten nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch in allen anderen Verkehrsbereichen. Die EU möchte helfen, die Lage zu verbessern, und hat zunächst einmal die im vergangenen April von PM Filat geäußerte Bitte, ein umfangreiches bilaterales Luftverkehrsabkommen zu schließen, ­positiv



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aufgenommen. Die Europäische Kommission wartet derzeit darauf, das entsprechende Mandat zur Aufnahme der Verhandlungen von den EU-Mitgliedstaaten erteilt zu bekommen. Ein Luftverkehrsabkommen würde auch Moldaus Zugang zum gemeinsamen Luftverkehrsraum erleichtern. Um diese Ziele zu erreichen, wird die moldauische Regierung den Binnenmarkt öffnen und die de facto Monopolstellung des staatlichen Luftverkehrsunternehmens Air Moldova beschränken müssen. Auch der Güter- und Personenzugverkehr und der Straßenverkehr sind bis dato nicht ausreichend liberalisiert  ; die EU steht mit Rat und Tat zur Seite, um dies zu verändern, u.a. durch einen Berater, der direkt dem Verkehrsminister zugeordnet ist. 2.4 Zur finanziellen Unterstützung Moldaus durch die EU

Auf einer Geberkonferenz im März 2010 erklärte sich die Europäische Union bereit, im Zeitraum 2010 bis 2013 insgesamt € 550 Millionen für Moldau zur Verfügung zu stellen. Zum Vergleich  : Im Zeitraum 1991 bis 2009 betrug die Gesamtunterstützung der EU für Moldau insgesamt € 500 Millionen. Durch die gewaltige Aufstockung der Mittel ist Moldau somit der zweitgrößte ProKopf-Empfänger von finanzieller EU-Unterstützung im Nachbarschaftsraum nach den Palästinensischen Gebieten, die Sonderregelungen unterliegen. Seit 2007 hat die EU in Moldau einen Grossteil des jährlichen bilateralen Unterstützungsprogramms für sogenannte „budgetäre Unterstützung“ („budget support“) verwendet. Von 2007 bis 2010 wurden oder werden mittels „budget support“ in chronologischer Reihenfolge die Bereiche Soziales, Gesundheit, Wasser und ländliche Entwicklung gefördert  ; für 2011 ist eine budgetäre Unterstützung in Höhe von € 45 Millionen zur Verbesserung der Energieeffizienz sowie zur Nutzung von erneuerbaren Energien vorgesehen und 2012 könnte der dringend zu reformierende Justizbereich „budget support“ in Höhe von € 50 Millionen erhalten, wenn einige Vorbedingungen erfüllt werden. Alle „budget support“ Programme enthalten eine Komponente zur Unterstützung der Reformen des öffentlichen Finanzmanagements. Darüber hinaus unterstützt die EU Moldau durch einige Flaggschiffprojekte, um etwa Fortschritte beim Visadialog zu erzielen. So werden beispielsweise drei aufeinanderfolgende Projekte zum Aufbau eines Radio- und Kommunikationsnetzwerkes für die moldauischen Grenztruppen finanziert sowie ein € 2 Millionen-Projekt zur Förderung der Einführung von biometrischen Pässen für moldauische Staatsbürger. Die bereits seit 2005 zwischen der ­Ukraine und Moldau operierende EU-Grenzmission EUBAM agiert bis auf

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weiteres bis November 2011  ; eine Verlängerung des Mandats ist jedoch denkbar. Nach den Ereignissen des 7. April 2009 wurde ein sogenanntes „Paket zur Unterstützung der Demokratie“ (€ 4 Millionen) gestartet, das der Europarat für die EU implementiert. PM Filat hat zudem die Entsendung einer Gruppe von „hohen“ EU-Experten angeregt, von denen mittlerweile 15 vor Ort in Chişinău als rechte Hand des jeweiligen Ministers/Leiters der Institution tätig sind. Moldau erhält auch als Begleitung zu einem IWF-Kredit sogenannte makrofinanzielle Unterstützung durch die EU in Höhe von insgesamt € 90 Millionen. Des Weiteren finden auch die traditionellen Instrumente Partnerschaften („Twinning“) und TAIEX (EU-Experten-Kurzzeitmissionen zu spezifischen Themen) in Moldau Anwendung. Während Twinning erst im Laufe dieses Jahres regere Anwendung findet, ist Moldau an der Spitze unter den Nachbarschaftsländern, was die Nutzung von TAIEX angeht.

3. Die gespannte innenpolitische Lage und der oftmals mangelhafte Wille zu tiefgreifenden Reformen – hohe Hürden auf dem Weg nach Europa „Ja, dann ist ja alles in Butter“, mag man salopp nach den oben genannten Lobeshymnen zur bilateralen Zusammenarbeit sagen. Nun, nicht ganz, gilt es anzufügen, denn die dringend notwendigen Reformen im eigenen Haus gehen nach wie vor nur sehr zögerlich voran. Dafür gibt es natürlich gute Gründe. Zunächst gilt es, das Verfassungsproblem um die Wahl eines Präsidenten in diesem Zusammenhang zu nennen. Seit dem Rücktritt von Präsident Woronin im September 2009 ist keine der beiden Allianzen für Europäische Integration (nach den vorgezogenen Neuwahlen vom November 2010 ist nunmehr die zweite Allianz für Europäische Integration an der Macht) in der Lage gewesen, die notwendigen Stimmen in der Opposition zu mobilisieren, um einen Präsident zu wählen. Für die laut Verfassung notwendige Dreifünftelmehrheit sind 61 Stimmen im 101-Mann starken moldauischen Parlament nötig. Über die Methode, wie am besten diese Sackgasse verlassen werden kann, sind die im Parlament befindlichen Parteien in teilweise heftigen Streit geraten. Auch das Verfassungsgericht und die Venedig-Kommission des Europarates wurde bereits mehrfach angerufen, um Möglichkeiten einer einfachen oder auch umfangreicheren Verfassungsänderung zu verifizieren.



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Auch ein diesbezügliches Referendum im September 2010 scheiterte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es noch immer einen amtierenden Präsidenten (Marian Lupu folgte nach den Neuwahlen im November Mihai Ghimpu), was dazu geführt hat, dass PM Filat mangels voller Legitimierung des amtierenden Präsidenten das Zepter des Handelns in die Hand genommen hat. Parteitaktische Spiele mit der Opposition, aber auch innerhalb der Allianz, um mögliche erneute vorgezogene Neuwahlen spielen eine zusätzliche, nicht hilfreiche Rolle. Insbesondere der sogenannten ,Führung‘ des abgespaltenen Landesteils Transnistrien gibt dieser Unsicherheitsfaktor im politischen Leben Moldaus zusätzliche Argumente, um die baldige Aufnahme von offiziellen Verhandlungen zur Lösung des Konflikts im 5+2-Rahmen weiter hinauszögern zu können. Darüber hinaus sind Korruption und Vetternwirtschaft im ärmsten Land Europas nach wie vor weit verbreitet. Lang existierende Pfründe und einschlägige Interessen werden nur schwer aufgegeben. Oft sind diese mit Parteiinteressen verbunden und daher um so schwerer auszumerzen. Auch innerhalb der Regierung ist jenseits des Premierministerbüros und des Außenministeriums der Reformwille oft nur sehr bedingt erkennbar. Die EU erachtet daher eine umfassende Reform der am meisten korruptionsinhärenten Bereiche als unabdingbar, wie etwa der Justiz und der Organe zur Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit (Generalstaatsanwalt, Zentrum zum Kampf gegen Wirtschaftskorruption, Innenministerium, Grenztruppen und Zollorgane). Auch das öffentliche Auftragswesen und der Verkehrsbereich sowie das Verfassungsgericht sollten diesbezüglich näher unter die Lupe genommen werden. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Kapazität in vielen Ministerien und Regierungsinstitutionen. Eine umfassende Reform der öffentlichen Verwaltung sollte daher alsbald in Angriff genommen werden. Die EU ist auch hier zur Unterstützung bereit mittels des sogenannten „Comprehensive Institution Building“-Programms, für das für Moldau im Rahmen der „Östlichen Partnerschaft“ insgesamt € 41 Millionen zur Verfügung stehen. 4. Das Transnistrien-Problem – zum gegenwärtigen Stand Auch in der Transnistrienproblematik hat es gewisse Fortschritte in den vergangenen zwei Jahren gegeben. Diese Fortschritte sind nicht allein, aber doch auch durch die größere Bereitschaft der neuen Regierung und insbesondere

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durch PM Filat zustande gekommen. Er hat es geschafft, durch teilweise eher unorthodoxe Methoden die transnistrische Führung erneut zur Aufnahme von Gesprächen zu bewegen. Mittels der sogenannten „Fußball-Diplomatie“ wurde der Dialog zu Separatistenführer Smirnow in der Halbzeitpause zweier Europa-League-Heimspiele von Sheriff Tiraspol im Sommer/Herbst 2010 wieder aufgenommen. Auch darüber hinaus zeigten sich die moldauischen Verhandlungsführer, die stellvertretenden Premierminister Osipov (bis November 2010) und Carpov (ab Dezember 2010), kompromissbereiter als ihr Vorgänger Sova. Gleichwohl ist zu sagen, dass noch immer nicht jederzeit der unbedingte Wille seitens der moldauischen Führung zu erkennen ist, das Problem einer Lösung zuzuführen. Der Eindruck lässt sich nicht verleugnen, dass sich auch die moldauische Regierung in gewisser Weise mit dem seit mehr als 20 Jahren vorherrschenden Status quo abgefunden zu haben scheint. Beispiel  : Noch immer sind transnistrische Delegationen in der Mehrzahl der Fälle besser vorbereitet, wenn es zu Gesprächen im Rahmen der Arbeitsgruppen über vertrauensbildende Maßnahmen kommt, die die OSZE organisiert. Dennoch besteht die Hoffnung, dass die Annäherung an Europa, die die gegenwärtige Regierung betreibt, zu einer Art Katalysator zur Lösung des Transnistrienproblems werden könnte. Auch in Transnistrien gibt es jenseits der Führung vielerorts Interesse an einer Verbesserung der Kontakte bis hin zu einer Lösung des Konflikts. Die EU beteiligt sich nicht nur als Beobachter an den 5+2 Gesprächen, sondern hat überdies einige Pakete von Projekten zu vertrauensbildenden Maßnahmen initiiert. Hatten die ersten beiden Projektpakete einen Wert von je etwas mehr als einer Million €, so besteht nunmehr die Verpflichtung, im Zeitraum von 2011 bis 2013 etwa 15% des bilateralen jährlichen Gesamtbudgets für Moldau aus dem ENP-Instrument für vertrauensbildende Maßnahmen zu verwenden. Dies bedeutet in realen Zahlen, dass mehr als € 40 Millionen für Projekte in den Schwerpunktbereichen Wirtschaft und Wirtschaftsförderung, Gesundheit und Soziales, Umweltschutz, Eisenbahnverkehr und Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen werden. Vertrauensbildend heißt im Übrigen, dass an jedem Projekt, das in Transnistrien umgesetzt wird, eine moldauische Institution oder ein moldauisches Unternehmen beteiligt sind. Bei der kürzlichen Übergabe von medizinischen Geräten für die Geburtsklinik in Tiraspol war eine moldauische Firma der Lieferant. Ein Training für junge transnistrische Unternehmer wurde von moldauischen (und ukrainischen) Trainern durchgeführt. Bereits erfolgreich war die EU im vergangenen Jahr, als sie maßgeblich dazu beitrug, dass der Personeneisenbahnverkehr



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zwischen Chişinău, Tiraspol und Odessa am 1. Oktober 2010 nach fünfjähriger Unterbrechung wieder aufgenommen werden konnte. Das nächste 5+2-Treffen wird Ende Juni in Moskau stattfinden, und es besteht die Hoffnung, dass dieses Treffen nach fünf Jahren Pause das erste offizielle Treffen sein könnte. Sogar „Präsident“ Smirnow äußerte sich diesbezüglich kürzlich in einem Interview, wobei er von der „Möglichkeit“ der Offizialisierung der Gespräche sprach. Für einen solchen Fall gilt es, vorbereitet zu sein, um möglicherweise einige konkrete Probleme („low hanging fruits“) einer Lösung zuzuführen. Dazugehören könnten die Wiederaufnahme des Gütereisenbahnverkehrs zwischen Chişinău, Tiraspol und Odessa oder die Wiederaufnahme direkter Telefonverbindungen zwischen beiden Seiten. Auch Erleichterungen beim wirtschaftlichen Austausch (Transnistrien erhebt seit einigen Jahren eine 100%ige Einfuhrsteuer auf eine Reihe moldauischer Produkte) könnten ein Erfolg versprechendes Thema für eine solche erste offizielle 5+2-Runde darstellen. Ein entscheidendes Kriterium für Fortschritte im Verhandlungsprozess wird darin bestehen, ob der langjährige „Präsident“ der Separatistenregion im Dezember erneut bei den „Präsidentschaftswahlen“ kandidieren wird, und wenn er dies tut, ob er dafür nochmals die unabdingbare Unterstützung Russlands erhält. Als möglicher Alternativkandidat gilt „Parlamentssprecher“ Kaminski, der für Moskau durchaus interessant sein könnte, da er ein diplomatischeres und sachlicheres Auftreten als Smirnow pflegt, in der Sache aber durchaus ähnliche Positionen wie Letzterer vertritt.

5. Ausblick Die Aussichten für Moldau stehen demnach prinzipiell nicht schlecht, sich in den kommenden Jahren der Europäischen Union ein gehöriges Stück anzunähern. Das Assoziierungsabkommen würde in der Tat gleichbedeutend sein mit der politischen Assoziierung Moldaus an die EU und der Eingliederung der Wirtschaft des Landes in den Binnenmarkt der EU. Es bedürfte prophetischer Fähigkeiten, wann das Land Visafreiheit mit der EU erreichen kann. In jedem Falle müssen, neben der Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten, eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, um solche Fortschritte in die Tat umsetzen zu können. Politische Stabilität steht dabei wohl an erster Stelle. Dies umfasst die baldige erfolgreiche Wahl eines Präsidenten, aber auch einen Wandel im Umgang der im Parlament vertretenen politischen Parteien

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untereinander, und dabei ist nicht nur der Meinungsaustausch zwischen Regierungsparteien und Opposition gemeint, sondern auch der Umgang innerhalb der gegenwärtigen Allianz für Europäische Integration. Darüber hinaus muss der unbedingte Wille zu Reformen bei den führenden Politkern spürbar sein, der den eigenen persönlichen und/oder Parteiinteressen zuvorkommen sollte. Die dringend notwendigen Reformen bei den Organen zur Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit und bei der Justiz sollten mit vollem Engagement parteiübergreifend begonnen werden, damit der omnipräsenten Korruption Einhalt geboten werden kann. Schließlich scheint es, als ob derzeit nur einige wenige moldauische Politiker in die Ferne denken und eine Vision haben, wo Moldau in zehn, 20 oder 30 Jahren stehen sollte. Stattdessen stehen parteitaktische und persönliche Interessen, beispielsweise auf anstehende Wahlen ausgerichtet, noch immer im Vordergrund. Zudem sollten auch die Investitionsbedingungen des Standorts Moldau verbessert werden, damit die Vorteile, die das umfassende Freihandelsabkommen einst bieten wird, auch in vollem Umfang genutzt werden können. In Bezug auf die Transnistrienproblematik besteht in der Tat die oben genannte Hoffnung eines Katalysatoreffekts, den der intensive Annäherungsprozess an die EU durch die gegenwärtige moldauische Regierung haben könnte. Transnistrien ist im Übrigen ein geeignetes Thema, um parteiübergreifend einheitliche Positionen zu vertreten. Es bleibt zu hoffen, dass die politische Elite des Landes diese Chance sehen wird. Es wäre dem Land und den freundlichen und warmherzigen moldauischen Menschen zu wünschen, dass sich über die Annäherung an die EU die Lebensbedingungen im Lande alsbald sichtbar verbessern. Dies ist im Übrigen eine der wichtigsten Botschaften der EU an die moldauischen Partner  : Reformen sind in erster Linie nicht für einen potenziellen EU-Beitritt in ferner Zukunft notwendig, sondern um die eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern und die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern.

Andrei Zagorski

Russland und der Transnistrienkonflikt

Einführung Über die Rolle und die Möglichkeiten Russlands, auf die Entwicklungen in der moldauischen Konfliktregion Transnistrien und auf die Konfliktregelung Einfluss zu nehmen, wird in den letzten zwanzig Jahren gestritten. Zum einen wird davon ausgegangen, dass Moskau aufgrund seiner Rolle als politische und militärische Schutzmacht der abtrünnigen Entität sowie aufgrund seiner wirtschaftlichen und finanziellen Interessen in der Region die Politik von Tiraspol maßgeblich beeinflussen kann. Damit wird die faktische Regierung der Entität beinahe auf den Status einer von Moskau aus ferngesteuerten Marionette reduziert. Ein im englischen Cambridge 2010 herausgegebenes Handbuch des Völkerrechts bringt diese Denkweise deutlich zum Ausdruck. Laut dem Handbuch sei Transnistrien „ein Landstreifen entlang der Grenze zwischen Moldau und der Ukraine – den zwei ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken. Es ist weitgehend von Russen bevölkert1 und wird von russischen Truppen geschützt. Es erwirtschaftet sein Einkommen vorwiegend mit Schmuggel- und korrupten Geschäften sowie durch organisierte kriminelle Aktivitäten. Zwar hat es 1990 seine Unabhängigkeit von Moldau erklärt, seine Staatlichkeit wird nicht anerkannt. De facto ist es aber Teil von Russland“ (Betonung des Autors. – A.Z.)2 Dieses Verständnis legt den Schluss nahe, dass die Schlüssel zur Regelung des Konflikts in der Hand von Moskau liegen sowie dass der Konflikt bis jetzt nur nicht geregelt worden sei, weil Russland ihn im eigenen Interesse instrumentalisierte und der abtrünnigen Region den Rücken gestärkt hat.

1 In der Tat bildeten ethnische Russen mit 24 % zu Beginn des Konflikts die drittstärkste Bevölkerungsgruppe in Transnistrien nach Moldaviern (40 %) und Ukrainern (29,5 %). Vgl. Rolf Welberts, Der Einsatz der OSZE in der Republik Moldau, in  : OSZE-Jahrbuch 1995. Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)/IFSH (Hrsg.). – Baden-Baden  : Nomos, 1995, S. 194. 2 Anthony Aust, Handbook of International Law, Second edition. Cambridge etc.: Cambridge University Press, 2010, p. 20.

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Das offizielle Moskau würde diesem Verständnis widersprechen. Die russischen Politiker tun insbesondere in den letzten Jahren verstärkt so, als würden sie die Politik von Tiraspol nur marginal oder gar nicht beeinflussen können. So tat auch der frühere Präsident Russlands, Vladimir Putin, als er im November 2002 nach dem regulären Gipfeltreffen mit der Europäischen Union auf seiner Pressekonferenz mit der Frage konfrontiert wurde, ob Russland seiner Verpflichtung nachkommen und seine in Moldau (Transnistrien) verbleibenden Truppen zurück ziehen würde. Putin distanzierte sich von Tiraspol und suggerierte, Moskau würde dessen Entscheidungen nicht beeinflussen können. Die Behörden in Transnistrien würden aus diesem Grund den Rückzug russischer Truppen und Munition effektiv verhindern können, was sie auch täten  : „Russland hat sich nicht nur verpflichtet, sondern ist direkt daran interessiert, seine Waffen aus Transnistrien zurück zu ziehen. Leider sitzen in der Führung Transnistriens Leute, mit denen solche Fragen schwer zu regeln sind. Sie haben ihre Interessen und Vorstellungen von nationalen Interessen. Ich denke, diese Vorstellungen sind falsch. Wir werden mit ihnen den Dialog über diese Fragen weiter führen“.3 Die Wahrheit muss zwischen diesen zwei Ansätzen liegen. Die Regelungsversuche der letzten zwanzig Jahre sowie deren Sabotage von unterschiedlichen Konfliktparteien belegen, dass die Regelung des Konflikts in Transnistrien weder ohne noch allein mit Russland möglich ist. In den letzten Jahren vor der Auflösung der Sowjetunion suchten in erster Linie die konservativen politischen Kräfte der sowjetischen Staatsführung, die Autonomiebestrebungen innerhalb der sowjetischen Teilrepubliken gegen die Sezessionsanliegen dieser Republiken zu instrumentalisieren. Somit trug die sowjetische politische Klasse deutlich zur Entwicklung der Konflikte in Moldau wie in anderen Teilrepubliken maßgeblich bei. Seit jener Zeit wird Moskau von den abtrünnigen Entitäten nicht ganz zu Unrecht als eine Schutzmacht gesehen. In den folgenden zwanzig Jahren dagegen agierte die Russische Föderation oft reaktiv auf die Entwicklungen in der Region. Eine Ausnahme waren die

3 Vystuplenie Prezidenta Rossi’sko‘ Federacii V.V. Putina i otvety na voprosy v chode presskonferencii po itogam sammita Rossia-ES (Stellungnahme und Antworten des Präsidenten der Russischen Föderation V.V. Putin in der Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Russ­ land–EU Gipfeltreffens), 11. November 2002, Brüssel. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90 be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005f43256c70003c3fbc?Open Document (zuletzt abgerufen am 22/03/2011).



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späten 1990er-Jahre, als die Politik Moskaus wie nie zuvor und nie danach pro-moldauisch ausgerichtet und bereit war, stärker Druck auf die abtrünnige Region auszuüben, um diese zur Konzessionsbereitschaft zu bewegen. Gleichzeitig suchte Moskau auch eigene politische, nicht zuletzt aber auch partikulare Anliegen unterschiedlicher russischer Interessensgruppen im Zuge der Konfliktregelung wahrzunehmen. Nach dem Scheitern des letzten von Moskau im Alleingang vorangetriebenen Regelungsversuches von 2003 ist der Aktivismus Russlands deutlich zurückgegangen. Moskau hat wieder eine eher abwartende Haltung eingenommen, die sich an der Beibehaltung des Status quo orientiert, solange keine Konfliktregelung in Sicht ist, die die Wahrnehmung der russischen Interessen ermöglichen würde. In diesem Beitrag wird eingangs auf den geschichtlichen Hintergrund der russischen Intervention im Konflikt von 1992 eingegangen, die die bisherige hervorgehobene Stellung Moskaus in der Konfliktbearbeitung begründet. Vor diesem Hintergrund werden dann die früheren Vermittlungsversuche zusammengefasst, die weitgehend den gegenwärtigen Rahmen für politische Regelung definiert haben. Des Weiteren werden relevante Problemfelder der russischen Beteiligung an der Konfliktregelung in Transnistrien thematisiert. Nicht zuletzt geht es dabei um die Definition der russischen Interessen im Kontext der Regelung sowie um solche Problemfelder wie die militärischen (Rückzug der russischen Truppen und Munition aus Transnistrien) und die friedenspolitischen (Internationalisierung der bisherigen trilateralen Friedensmission) Aspekte der Konfliktregelung. Vor diesem Hintergrund wird auf die Bedeutung der Politik der Ukraine hingewiesen, die seit 1996 in der Gemeinsamen Kontrollkommission vertreten ist, eine begrenzte Anzahl militärischen Beobachter in die Sicherheitszone entsandt hat und seit 1997 neben Russland als Garant einer eventuellen politischen Regelung des Konflikts gilt. Zuletzt werden die Perspektiven einer Belebung der Konfliktregelungsversuche insbesondere vor dem Hintergrund der deutsch-russischen MesebergInitiative vom Juni 20104 behandelt, die die weitere Institutionalisierung der Russland-EU Kooperation im Bereich externer Sicherheit eng mit der Entwicklung eines gemeinsamen Ansatzes zur politischen Regelung des Transnistrienkonflikts verbunden hat. 4 Memorandum (Meeting of Cancellor Angela Merkel and President Dmitry Medvedev on 4–5 June 2010 in Meseberg).

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Die Intervention Russlands von 1992 und Vermittlungsbemühungen Der seit 1990 schwelende Konflikt zwischen den Verwaltungsgremien in Tiraspol (Transnistrien) und Chişinău eskalierte nach der Auflösung der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung von Moldau von 1991. Er mündete in bewaffnete Auseinandersetzungen im Juni 1992, insbesondere als die improvisierte moldauische Armee die Kontrolle über die Region und zuerst über die Stadt Bender auf dem rechten Ufer von Dniestr wiederherzustellen suchte. In drei Tagen (19. bis 21. Juni) starben während bewaffneter Auseinandersetzungen 620 Personen. 3.500 wurden verwundet.5 Moskau intervenierte prompt. Die in Transnistrien stationierte 14. sowjetische Armee wurde in die Jurisdiktion Russlands genommen. Die Armee beendete die bewaffneten Auseinandersetzungen, indem sie die Stadt Bender abriegelte, die Brücke über den Fluss sperrte und somit die Konfliktparteien trennte.6 Gleichzeitig ließ Moskau aber transnistrische Milizen mit Waffen und Waffengerät aus den Beständen der 14. Armee ausstatten. Seit dem gilt die Armee Transnistriens als den moldauischen Streitkräften überlegen. Das militärische Eingreifen Russlands ermöglichte am 21. Juni 1992 die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen den Präsidenten Russlands Boris Jelzin und Moldaus Mircea Snegur über die Prinzipien der friedlichen Regelung des bewaffneten Konflikts in der Transnistrischen Region der Republik Moldau, bekannt als das Moskauer Abkommen, die unter anderem die Einstellung bewaffneter Auseinandersetzungen, die Einsetzung einer trilateralen russisch-moldauisch-transnistrischen Friedenstruppe zur Überwachung der Waffenruhe, sowie einer Gemeinsamen Kontrollkommission beinhaltete, in der die Konfliktparteien unter Vermittlung Russlands Zwischenfälle in der Sicherheitszone aufklären sollten. Die trilaterale Vereinbarung schloss Rumänien aus dem Prozess der Konfliktregelung aus. Zu späteren Zeitpunkten ergänzte man die Überwachung der Waffenruhe durch eine begrenzte Zahl militärischer Beobachter der OSZE-Mission (seit 1994) und der Ukraine (seit 1998), die auch in die Beratungen der Gemeinsamen Kontrollkommission einbezogen wurden. Die Kontrollkommission reduzierte sich aber weitgehend auf die Bearbeitung der Zwischenfälle in der 5 David Gasparyan, Pridnestrovskiy konflikt  : sovremenny etap razvitia (Der TransnistrienKonflikt  : Die gegenwärtige Entwicklungsetappe), in  : 21-y vek (Das 21. Jahrhundert), 2006, Nr. 1 (3), SS. 173–187, hier SS. 173–174. 6 Vgl., u.a.: Rolf Welberts, Der Einsatz der OSZE in der Republik Moldau, S. 195.



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Sicherheitszone. Verhandlungen über politische Konfliktregelung wurden mit wiederholten kürzeren und längeren Unterbrechungen durch Sonderbeauftragte der Konfliktparteien und deren Delegationen und Experten außerhalb der Kommission geführt. Zuerst Russland, später auch die OSZE und die Ukraine traten bei diesen Verhandlungen als Vermittler auf. 2005 wurden die Fünfer-Gespräche durch die Repräsentanz der Europäischen Union und der USA mit Beobachterstatus ergänzt. Diese Entwicklung prägte das gegenwärtige „5+2“ Format für politische Konfliktregelungsgespräche. Die „2“ in dieser Formel steht aber nicht für die Konfliktparteien, sondern für die Beobachter – die EU und die USA. Nach der ursprünglichen Stabilisierung der militärischen Lage in der Sicherheitszone schien Russland sich grundsätzlich mit dem entstandenen Status quo zu begnügen. Bis auf eine Zeitperiode von 1996–1999, als Moskau unter der Führung von Außenminister, danach Ministerpräsident, Jewgenij Primakov zu einer treibenden Kraft der Konfliktregelung wurde, kam es nur selten zu bemerkenswerten russischen Vermittlungsinitiativen, die eine politische Konfliktregelung in Aussicht stellen würden. Wenn schon, agierte Moskau wieder eher reaktiv, indem es suchte, die Initiative anderer Vermittler entweder zu übernehmen oder zu blockieren. So war es Ende 1993, als die OSZE-Mission in Moldau mit der Veröffentlichung ihres „Berichtes Nr. 13“7 eine Debatte über die Konfliktregelungsoptionen auf beiden Ufern von Dniestr angestoßen hatte. Kurz danach schickte der damalige russische Präsident Boris Jelzin seinen Vertreter ins Land, der beide Konfliktparteien zu verpflichten vermochte, Verhandlungen aufgrund des Vorschlags der OSZE-Mission aufzunehmen, der nun als die Initiative Moskaus unterbreitet wurde.8 2003 unternahm Moskau erneut einen Versuch, an anderen Vermittlern und Beobachtern vorbei durch Dmitrij Kosack, persönlichen Vertreter des damaligen Präsidenten Putin, eine politische Regelung des Konflikts herbeizuführen. Dieser Versuch ist aber auch weitgehend vor dem Hintergrund eines verstärkten Engagements der Niederlande (damals im Vorsitz der OSZE) für eine Konfliktregelung, der Überlegungen in der Europäischen Union, sich stärker in die Konfliktregelung einzubringen, sowie der ursprünglichen Initiative des damaligen moldauischen Präsidenten Vladimir Woronin zu sehen, der nach Moskau signalisiert haben soll, er wäre zu weitgehenden 7 Rolf Welberts, Der Einsatz der OSZE in der Republik Moldau, S. 204–206. 8 Ebenda, S. 206–207.

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Zugeständnissen bereit. Der im Herbst 2003 mit beiden Konfliktparteien ausgehandelte „Kosack-Plan“ scheiterte aber wenige Stunden vor seiner Unterzeichnung an seiner Ablehnung durch Präsident Woronin, die oft auf eine Intervention westlicher Staaten, nicht zuletzt die des Hohen Vertreters des Europäischen Rates Xavier Solana, sowie auf öffentliche Proteste in Moldau selbst zurückgeführt wird9. Insbesondere in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren kam es aber unter russischer Vermittlung wiederholt zu Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien, die den Rahmen der politischen Konfliktregelungsgespräche weitgehend geprägt haben. Die Vereinbarungen aus dieser Zeit gelten in Moskau weiterhin als wichtiger Bestandteil des akkumulierten Aquis der Konfliktregelung in Moldau, an dessen Umsetzung das Verhalten der Konfliktparteien gemessen wird. In Juli 1995 unterzeichneten die Konfliktparteien ein Übereinkommen über den gegenseitigen Gewaltverzicht, der auch einen Verzicht auf Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen beinhaltete. Im Mai 1997 kam es in Moskau zur Unterzeichnung eines unter dem russischen Vorsitz ausgehandelten Memorandum über die Grundlagen für die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Republik Moldau und Transnistrien10. Das Dokument, das damals als „ein Meilenstein“11 in der Konfliktregelung gesehen wurde, gilt in Russland weiterhin als eine der wichtigsten Grundlagen für die weitere Bearbeitung des Konflikts. Es war aber in Moldau politisch immer kontrovers. Neben der Bekräftigung des Gewaltverzichtes etablierte das Memorandum das Konzept eines gemeinsamen Staates, der in den Grenzen von Sowjetmoldau vom Januar 1990 weiter bestehen sollte. Das Verhältnis zwischen Moldau und Transnistrien sollte demnach staatsrechtlicher Natur sein, wobei die genauere Abgrenzung der Kompetenzen im Rahmen eines gemeinsamen Staates in weiteren Gesprächen geregelt werden sollte. Das Memorandum verankerte 9 David Gasparyan, Der Transnistrien-Konflikt  : Die gegenwärtige Entwicklungsetappe, S. 177. 10 Memorandum ob osnovach normalizacii otnošeniy mezhdu Respublikoy Moldova i Pridnes­ tro­v yem (Memorandum über die Grundlagen für die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Republik Moldau und Transnistrien), http  ://justice.idknet.com/web.nsf/664d29 01186e70a5c22574d5002acf18/587885b305f1a919c225772100481424  !OpenDocument (22. 03.2011). 11 Rolf Welberts, Die OSZE-Missionen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, in  : OSZE-Jahrbuch 1997. Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) / IFSH (Hrsg.). – Baden-Baden  : Nomos, 1997, S. 126.



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aber das Recht Transnistriens, selbständig internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Kultur zu entwickeln. Internationale Kooperation über diese Bereiche hinaus sollte zwischen den Parteien abgestimmt werden. Das Memorandum bekräftigte auch die trilaterale Friedensoperation und stufte Russland und die Ukraine zu Garanten der Konfliktregelung auf, die eventuelle Streitigkeiten hinsichtlich der Umsetzung der Vereinbarungen schlichten sollten. Das Memorandum war von Beginn an äußerst umstritten in Moldau. Beide Konfliktparteien tendierten außerdem dazu, seine Bestimmungen unterschiedlich auszulegen. Nicht zuletzt interpretierte Transnistrien das Konzept eines „gemeinsamen Staates“, als würde es den Bestand zweier unabhängiger Entitäten festlegen, die ihr Verhältnis auf gleicher Augenhöhe regeln sollten. Tiraspol bestand darauf, dass Transnistrien eine eigene Verfassung, Staatssymbole, Streitkräfte sowie eine eigene Währung im Rahmen einer Konföderation behalten sollte. Diese Kontroverse rückte die Abgrenzung der Kompetenzen der Bestandteile sowie die Definition des Umfanges eines „gemeinsamen Staates“ in den Mittelpunkt der seit Oktober 1997 geführten Gespräche, die ursprünglich durch monatliche Treffen zwischen den Präsidenten, Ministerpräsidenten sowie Parlamentspräsidenten der Konfliktparteien politisch gesteuert werden sollten. Im Oktober 1997 einigte man sich auch auf die Anwendung von vertrauensbildenden Maßnahmen, Reduzierung der Sicherheitszone sowie der Stärke der Friedenstruppen und der Zahl ihrer Kontrollposten in der Sicherheitszone. Im November 1998 unterbreiteten die Vermittler (Russland, die Ukraine und die OSZE-Mission) einen neuen Regelungsvorschlag, der eine umfassende Territorialautonomie für Transnistrien innerhalb des moldauischen Staates vorsah, deren Details erst durch sukzessive Regelungen der offenen Einzelfragen konkretisiert und umgesetzt werden sollten. Eine Schlichtungskommission aus Vertretern der Konfliktparteien und Vermittlern sollte die Umsetzung des Abkommens überwachen und bei strittigen Fragen Kompromisslösungen vermitteln. Dieser Ansatz wurde aber von Tiraspol abgelehnt. Stattdessen kündigte die Führung Transnistriens an, sie würde ein eigenes Konföderationsmodell ausarbeiten.12 12 Klemens Büscher, Die Missionen in der Republik Moldau und in der Ukraine  : eine doppelte Bilanz, in  : OSZE-Jahrbuch 1999. Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) / IFSH (Hrsg.). – Baden-Baden  : Nomos, 1999, S. 226–227.

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In den folgenden Jahren war die Konfliktbearbeitung durch schleppende Gespräche geprägt. In den Jahren 1998 und 1999 zeichnete sich aber die Perspektive eines Abzugs russischer Truppen aus Transnistrien, nicht zuletzt aufgrund der 1999 in Istanbul besiegelten Verpflichtung Moskaus gegenüber Moldau. Noch vor der Machtübernahme durch den Leader der kommunistischen Partei Moldaus Vladimir Woronin in 2001 bewegten sich die Konfliktparteien aufeinander zu. Außenminister Moldaus, Russlands und der Ukraine fassten die Zwischenergebnisse der Gespräche am 16. Februar 2001 bei ihrem Treffen in Charkiv (Ukraine) zusammen  : Die politische Konfliktregelung sollte auf acht Prinzipien13 aufbauen  : • Gewaltverzicht, • Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, • Wahrung der Souveränität und der territorialen Integrität der Republik Moldau, • Bekenntnis zu früheren Vereinbarungen, • Ausarbeitung gegenseitig akzeptabler Lösungen, • Umsetzung eingegangener Verpflichtungen und Garantien, • Berücksichtigung der Standpunkte und der Vorschläge der Vermittler sowie • die Fortführung der Gespräche im bestehenden Format (damals fünf Teilnehmer) ohne Unterbrechungen. Im Juli 2002 wurden die offiziellen Gespräche unter Beteiligung der Konfliktparteien nach einer zehnmonatigen Unterbrechung wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit wurden sie, wie das im Konfliktregelungsprozess in Moldau inzwischen üblich geworden ist, in inoffiziellen Sitzungen auf Expertenebene fortgeführt. Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen im Fünfer-Format wurde den Parteien ein Vorschlag der Vermittler über die Unterzeichnung eines Verfassungsvertrags unterbreitet, der die Gründung eines föderativen Staates und eine dementsprechende Abgrenzung der Kompetenzen als Verhandlungs-

13 Sovmestnoe zayavlenie Ministrov inostrannych del Rossiyskoy Federacii, Ukrainy i Respubliki Moldova (Gemeinsame Erklärung der Außenminister der Russischen Föderation, der Ukraine und der Republik Moldau), Charkiv, 16.02.2001. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9 cb 5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005f432569f800465b08  ?OpenDocument (22.03. 2011).



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grundlage anbot14. Der Vertragsentwurf beinhaltete keine klare Aussage hinsichtlich der Zusammensetzung der Föderation, setzte aber die Verankerung der Existenz besonderer territorial-staatlicher Entitäten voraus. Daher ging er weitgehend von der Vorstellung einer asymmetrischen Föderation aus. In der Tat erschien 2002–2003 das Konzept einer asymmetrischen Föderation als die meist versprechende kompromisshafte Lösung zwischen der Forderung Chişinăus nach einer möglichst starken Stellung der „zentralen“ Regierung des „gemeinsamen Staates“ und dem Streben Tiraspols nach einer weitestmöglichen Autonomie und Mitbestimmung hinsichtlich der Entscheidungen, die Moldau als Ganzes betreffen würden. Nicht zuletzt ging es dabei um den Status des „gemeinsamen Staates“ vor dem Hintergrund der immer wiederkehrenden Debatten entweder über eine eventuelle Eingliederung Moldaus nach Rumänien oder über einen eventuellen NATO-Beitritt. Das im November 2003 von Dmitrij Kosak in einer Pendeldiplomatie zwischen Chişinău und Tiraspol ausgehandelte Memorandum „Über die Grundprinzipien der staatlichen Verfassung des vereinigten Staates“ baute auf diesem Konzept auf, ging aber weiter in der Bearbeitung einer Reihe von offenen Fragen, unter anderem derer über die Abgrenzung der Kompetenzen der „staatlich-territorialen Entität“ Transnistrien und des Gesamtstaates. Nicht zuletzt suchte Moskau dabei, Garantien für das Versprechen des Präsidenten der Republik Moldau einzubauen, Chişinău würde im Fall einer zufriedenstellenden Konfliktlösung in seiner Politik auf die NATO-Beitrittsoption verzichten. Eine hervorgehobene Stellung Transnistriens und das in der Verfassung zu verankernde Recht, alle wesentlichen Entscheidungen des Gesamtstaates durch ein faktisches Vetorecht verhindern zu können, gingen deutlich in diese Richtung. Moskau hat auch wohlwollend der Forderung Tiraspols stattgegeben, die russischen Truppen sollten für längere Zeit als Garant der Umsetzung der Vereinbarungen in der Region verbleiben. Gleichzeitig öffnete sich Moskau weiter gegenüber einer eventuellen weiteren Internationalisierung der Friedenstruppen in Transnistrien. Neben einem OSZE-Mandat war man zu diesem Zeitpunkt bereit, die Integration der EU-Kontingente in die von Russland geführte Friedensoperation zu erwägen. Der Vorstoß der russischen Vermittlung von 2003 ist nicht nur vor dem Hintergrund einer kurzfristigen 14 Unofficial translation of a draft agreement between the Republic of Moldova and Transdniestria, with the Russian Federation, Ukraine and OSCE as guarantors, in  : Bruno Coppieters, Michael Emerson, Conflict Resolution for Moldova and Transdniestria through Federaliyation  ? CEPS Policy Brief No 25, August 2002, pp. 10–22.

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Aktivierung der europäischen Diplomatie, sondern auch durch das Anliegen zu verstehen, die angedeutete Bereitschaft des moldauischen Präsidenten Woronin auszuloten, die Rückführung Transnistriens an Moldau mit Konzessionen gegenüber Moskau zu honorieren. Die Umsetzbarkeit des von Kosak ausgehandelten Memorandums ist insbesondere in Tiraspol nie richtig getestet worden. Denn es konnte schon den ersten Test in Chişinău nicht bestehen. Nach seinem Scheitern aber ging auch das Interesse Moskaus an einer baldigen Konfliktregelung deutlich zurück. Nicht zuletzt weil man sich nicht genau vorstellen konnte, zu welchen Ergebnissen eine eventuelle Regelung führen könnte und ob Moskau in deren Verlauf auch eigene Interessen würde wahrnehmen können. Kurz nach dem Scheitern des Kosak-Memorandums musste Präsident Woronin Anfang 2004 feststellen, „die allgemeine Atmosphäre um die [Konflikt] Regelung“ sei „bedrückend geworden“.15 Bis zur Abwahl der kommunistischen Regierung Moldaus (2009) und des Präsidenten Woronins, der ohnehin keine dritte Amtszeit in Folge antreten durfte, galt das Verhältnis Moskaus zu Chişinău als verdorben. Insbesondere von Bedeutung war, dass das persönliche Vertrauen des russischen Präsidenten (inzwischen Ministerpräsidenten) Putin zu Woronin geschwunden war, als Putin seinen Flug nach Chişinău hatte kurzfristig absagen müssen, nachdem Woronin seine Unterschrift unter dem Dokument verweigert hatte. In den letzten acht Jahren ergriff Moskau keine bedeutende Initiative zur Konfliktregelung mehr und stand fast allen anderen Initiativen skeptisch gegenüber. Das fiel Moskau nicht schwer, weil offizielle Gespräche zwischen Chişinău und Tiraspol fast komplett abgebrochen waren, obwohl die Vermittler die langen Pausen immer wieder mit inoffiziellen Expertentreffen zu füllen suchten. Mangels der politischen Gespräche konnten auch keine substantiellen Fortschritte erreicht werden. Im Juli 2004 waren die Gespräche von Moldau unterbrochen. Ein Streit um das Recht der Schullehrer in Transnistrien, die moldauische (oder rumänische) Sprache unter der Verwendung des lateinischen statt des kyrillischen Alphabets zu unterrichten, wie es in Transnistrien vorgeschrieben ist, lieferte Präsident Woronin einen medienwirksamen Vorwand dafür. 15 Interview des damaligen stellvertretenden Außenministers Russlands Vyacheslav Trubnikov mit der russischen Nachrichtenagentur ITAR TASS am 2. Februar 2004. http  ://www.mid. ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc3256e2e00464dd 4?OpenDocument (22.03.2011).



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2006 war es Tiraspol, das die offiziellen Gespräche abbrach. Es berief sich dabei darauf, Chişinău hätte seine Verpflichtungen aus der Protokollentscheidung vom 1996 über die Regelung der Abläufe beim Zoll Moldaus und Transnistriens sowie aus dem Moskauer Memorandum von 1997 verletzt, indem es 2006 die transnistrischen Unternehmen zwang, ihre Exportgeschäfte allein über den moldauischen Zoll abwickeln zu müssen.16 Diese Aktion wurde von Tiraspol als Wirtschaftsblockade dargestellt, obwohl die meisten transnistrischen Unternehmer sich inzwischen der neuen Regelung angepasst haben. Ungeachtet der früheren Entscheidung von 2003 über die Einsetzung einer gemeinsamen moldauisch-transnistrischen Verfassungskommission zum Zweck der Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes Moldaus, das den besonderen Status Transnistriens im Rahmen eines (asymmetrischen) föderativen Gesamtstaates definieren sollte, verabschiedete das moldauische Parlament im Juli 2005 ein Gesetz über die „Grundbestimmungen vom besonderen rechtlichen Status der Ortschaften auf der linken Bank des Dniestrs (Transnistriens)“. Das Gesetz war nicht nur an Tiraspol vorbei ausgearbeitet. Es war in Transnistrien weitgehend als die Rückkehr Moldaus zum Konzept eines unitären Staates gewertet.17 Eine Kettenreaktion von einseitigen Handlungen der Konfliktparteien führte den Regelungsprozess zunehmend in die Sackgasse. Zwar fanden sich die „5+2“ inoffiziell in Wien oder in den Hauptstädten der wechselnden OSZE-Vorsitzenden immer wieder, die offiziellen Verhandlungen wurden bis jetzt nicht wieder aufgenommen. Diese Entwicklungen wurden weiter verkompliziert für Moskau durch die Unterbreitung der neuen eigenständigen Vorschläge Moldaus und der Ukraine, die mehr oder wenigen von dem bis dahin erreichten gemeinsamen

16 Tatsächlich war die neue moldauische Zollregelung am 1. September 2001 in Kraft gesetzt. Sie konnte aber nicht ohne enge Kooperation mit der Ukraine umgesetzt werden, weil es die Ukraine ist, die die Ostgrenze von Transnistrien kontrolliert, bis die Ukraine mit Moldau Ende 2005 ein Abkommen unterschrieb und die meisten Exportgeschäfte Tiraspols über die ukrainische Hafenstadt Odessa umgesetzt werden. Erst Ende 2005 unterschrieb die Ukraine ein dementsprechendes Abkommen mit Moldau und führte im März 2006 strenge Kontrollen an der Grenze zu Transnistrien ein. Die Zusammenarbeit der Ukraine mit dem moldauischen Zoll wurde durch eine Grenzmission der EU verstärkt. 17 Zu transnistrischen Reaktionen auf die Schritte Chişinăus vgl.: http  ://www.pmr21.info/text. php  ?cat=56&name=otnoshenija_mezhdu_moldovoj_i_pridnestrovjem_pri_Woronine&arch =onsite, sowie Peregovorny process mezhdu PMR i RM. Osnovnye etapy (Der Verhandlungsprozess zwischen der Transnistrischen Moldauischen Republik und der Republik Moldau. Hauptetappen) auf  : http  ://www.olvia.idknet.com/ol66-09-06.htm (23.03.2011).

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Nenner abrückten. So unterbreitete der moldauische Präsident Woronin im Juni 2004 einen Vorschlag zur Gründung eines Stabilitäts- und Sicherheitspaktes für Moldau. Nach den Parlamentswahlen vom März 2005 forderten aber moldauische Parlamentarier und Regierung (mehrheitlich weiterhin kommunistisch geprägt) Moskau immer wieder heraus, indem sie eine Rückführung russischer Truppen aus Transnistrien bis Ende 2005 sowie die Terminierung der trilateralen Friedensoperation und ihre Ersetzung durch eine zivil-militärische Beobachtungsmission der OSZE wiederholt forderten.18 Im April 2005 kündigte auch der damalige ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko seinen eigenen Friedensplan für Moldau an. Moskau gab sich die Mühe, auf die neuen Initiativen kooperativ zu reagieren und diese in die Bahn der früheren Konfliktregelung zurückzuführen19, sah sich aber immer wieder mit konkurrierenden Vorschlägen konfrontiert, die sich immer weniger auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ließen. Nach den moldauischen Wahlen von 2009 scheiterten die Versuche Moskaus, die Regierungsbildung in Chişinău im eigenen Sinne (Moskau förderte die Koalitionsbildung durch Kommunistische und die Demokratische Parteien) zu beeinflussen. Die Gründung einer Pro-Europa-Regierungsallianz, die Wahl des durch seine rumänische Orientierung auffallenden Gimpu zum Parlamentspräsidenten und amtierenden Präsidenten des Landes sowie eine lang währende verfassungsrechtliche Krise, die es bis jetzt nicht ermöglichte, den Präsidenten Moldaus zu wählen, stimmten die russische Führung immer pessimistischer. Man glaubte immer weniger, dass sich das Verhältnis zwischen Moskau und Chişinău mit der Allianz-Regierung und mit dem (amtierenden) Präsidenten Gimpu kurzfristig reparieren ließ.20 18 http  ://www.pmr21.info/text.php  ?cat=56&name=otnoshenija_mezhdu_moldovoj_i_pridnes trovjem_pri_Woronine&arch=onsite (23.03.2011). 19 Im Juli 2005 erklärte der russische Außenminister Lavrov, Russland wäre bereit, auf der Grundlage des von Woronin vorgeschlagenen Stabilitätspaktes zu arbeiten und versuchen, einen Großteil der Inhalte des Kosak-Memorandums zu integrieren, hätte Chişinău seinen eigenen Vorschlag nicht zurückgenommen. Vgl. das Stenogramm des Gesprächs Lavrovs mit den Lesern der Zeitung „Rossiyskaya Gazeta“, in  : Rossiyskaya Gazeta (Moskau), 18.07.2005. Während seines Besuches in Rumänien im November 2005 bekundete Lavrov auch die russische Unterstützung für den Juschtschenko-Friedensplan und die Bereitschaft Moskaus, an seiner Weiterentwicklung mitzuarbeiten, nicht zuletzt durch das Einbringen eigener Details. Vgl.: http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb /432569e00034005fc32570b300635af9  ?OpenDocument (23.03.2011). 20 Im Mai 2010 stellte das Presse- und Informationsamt des russischen Außenministeriums unter anderem fest, „die politische Verfassungskrise auf der rechten Dnestr-Bank, ambivalente Stel-



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Die vorgezogenen Wahlen von 2010 haben die Situation nicht wesentlich geändert. Wieder scheiterte Moskau mit seinen Versuchen, eine Koalition der Kommunisten und Demokraten zustande kommen zu lassen. Die Allianz stellt weiterhin die Regierung. Gimpu bleibt amtierender Präsident, solange die Verfassungskrise nicht überwunden ist. Eine Vertrauensbasis zwischen Moskau und Chişinău muss erst noch hergestellt werden, bevor Russland sein Engagement bei der Regelung des Transnistrienkonflikts erneuert.

Die Interessen Russlands Über die engere Problematik der Konfliktbearbeitung hinaus ging es Russland bei allen Vermittlungsversuchen nicht zuletzt um eine Konfliktregelung, die seine Interessenslage mindestens nicht beeinträchtigen, im besten Fall aber bestimmte Interessen wahrnehmen lassen würde. Auch die Geschichte der Regelungsversuche belegt in vielen Fällen deutlich, welchen Fragen Moskau immer wieder besondere Bedeutung gegeben hat. Bei den auf diese oder andere Weise artikulierten „Eigeninteressen“ Russlands geht es in erster Linie um drei Punkte  : • die Bekräftigung der bündnispolitischen Neutralität Moldaus, • die Sicherung der kulturellen und wirtschaftlichen und militärischen Präsenz Russlands sowie • die Verankerung der hervorgehobenen politischen Rolle Russlands als Garant jeglicher Friedensregelung in der Region. Insbesondere in den letzten Jahren nach der Bildung der Pro-Europa-AllianzRegierung wurden russische Interessen zunehmend durch das Prisma einer zu Recht oder (eher) zu Unrecht in Moskau wahrgenommenen Stärkung der Unionisten in Moldau gesehen, die die rumänische Identität der Moldauer betonen und das Land eventuell nach Rumänien würden eingliedern wollen – egal mit oder ohne Transnistrien. Die Ängste Moskaus erscheinen vor dem Hintergrund des aktuellen Potenzials unionistisch orientierter Parteien lungnahmen moldauischer Politiker hinsichtlich der künftigen Orientierung des Landes sowie Mangel an Regelungsmodellen reduzieren dramatisch die Voraussetzungen für ein gegenseitiges Entgegenkommen der Konfliktparteien.“ http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f 07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc32577290029b781  ?OpenDocument (22.03.2011).

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Moldaus trotz der klaren Bekenntnis des amtierenden Präsidenten Gimpu zur rumänischen Identität deutlich überzogen. Diese Angst hat aber seine Wurzeln in der Geschichte der Unabhängigkeitsbewegung (Volksfront) Moldaus der späten 1980er- und frühen 1990erJahren, die eine Wiedervereinigung Moldaus mit Rumänien sich zum Ziel gesetzt hatte. Die Betonung der rumänischen Identität spielte 1990–1992 eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung der Bevölkerung Transnistriens gegen Chişinău. Eine klare Abgrenzung von Rumänien ist somit zu einem Brandmal des transnistrischen Quasi-Staates geworden. Die Debatte entspannte sich erst nach dem Verfassungsreferendum in Moldau von 1994, als nach der Mehrheitsentscheidung die offizielle Sprache des Landes als Moldauisch statt ursprünglich als Rumänisch bezeichnet wurde. Die alten Ängste werden aber mit der Weiterentwicklung der Debatte über die rumänische Identität Moldaus sowie mit mit dem Aufflammen dieser Debatte in der moldauischen und rumänischen Politik wieder wach. Die Befürchtung in Moskau ist, dass im Falle einer schmerzhaften sozial-wirtschaftlichen und politischen Krise der Wiedervereinigungsappell wieder an politischer Attraktivität in Moldau gewinnen und das Thema der Wiedervereinigung auf die Tagesordnung der Politik in Chişinău zurückversetzen könnte. Die bündnispolitische Neutralität Moldaus

Die offizielle Formulierung russischer Politik hinsichtlich der eventuellen Konfliktregelung in Transnistrien schließt schwerpunktmäßig drei Elemente ein, die immer wieder bekräftigt werden  :21 • die Wiederherstellung der territorialen Integrität Moldaus, • die Bekräftigung seiner Souveränität sowie • die Beibehaltung von dem in der Verfassung Moldaus verankerten neutralen Status.

21 Kommentariy Departamenta informacii i pečati MID Rossii v svyazi s reakciey moldavskogo rukovodstva na Sovmestnoe zayavlenie prezidentov Rossii i Ukrainy po pridnestrovskomu uregulirovaniyu (Kommentar des Informations- und Presseamtes des Außenministeriums Russlands bezüglich der Reaktionen der moldauischen Führung auf die Gemeinsame Erklärung der Präsidenten Russlands und der Ukraine zur transnistrischen Regelung), 20. Mai 2010. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc 32577290029b781?OpenDocument (22.03.2011).



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Dieser Formel ist deutlich zu entnehmen, welch große Bedeutung Moskau einer möglichst verbindlichen Verankerung der Neutralität Moldaus, also, seinem Verzicht auf die politische Option eines eventuellen NATO-Beitritts, beimisst. Im Unterschied zu den in die von Russland dominierten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit eingebundenen sowjetischen Nachfolgestaaten, die eine Klausel übernommen haben, die ihnen einen Beitritt zu „feindlichen“ Bündnissen verwehren soll, ist das Bekenntnis Moldaus zur Neutralität nur in der Verfassung und nicht vertraglich festgelegt. Ob und wie diese Verankerung von einem eventuellen Vertragswerk zur Regelung des Transnistrienkonflikts festgeschrieben werden kann, ist offen. Es stellt aber ein explizites Anliegen Moskaus dar, Moldau nach Möglichkeit völkerrechtlich verbindlich auf die Beibehaltung seiner Neutralität zu verpflichten. Es sei denn, Chişinău wäre bereit, der von Russland dominierten Sicherheitsorganisation beizutreten. In seiner Pressekonferenz nach den Gesprächen mit dem Außenminister Moldaus Iurie Leancă am 29. März 2011 kam der russische Außenminister Sergei Lavrov mindestens dreimal auf das Thema Neutralität Moldaus zurück. Er prägte dabei die Formel der Konfliktregelung, die einen besonderen Status Transnistriens im Rahmen eines „neutralen Gesamtstaates Moldau“ definieren soll. Die Verankerung der Neutralität Moldaus stellte Lavrov deutlich in den Kontext der vom russischen Präsidenten Dmitrii Medwedjew 2008 angestoßenen Debatte über europäische Sicherheitsarchitektur.22 Die kulturelle und wirtschaftliche Präsenz Russlands

Zwar wird diese Frage selten auf der politischen Ebene im Kontext der Konfliktregelung thematisiert, dennoch spielt sie eine wichtige Rolle. Zum einen spricht man in Moskau nicht nur von der Dominanz der russischen Sprache, sondern auch von 70.000 bis 80.000 Staatsbürgern Russlands in Transnistrien.23 22 http  ://www.mid.ru/brp_4.nsf/0/96E8CEECBBFEBECBC325786200605DA0 (30.03.2011). 23 Die 2000 in Moskau eingesetzte Staatskommission zur Förderung der Konfliktregelung in Transnistrien forderte 2002 in ihrem Bericht die Beachtung der Rechte von 80.000 russischen Staatsbürgern in Transnistrien. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e 00049b5fb/432569e00034005f43256b8a002b1a2a  ?OpenDocument (22.03.2011). Bei anderen Gelegenheiten nannten offizielle Vertreter Russlands die Zahl von 70.000 russischen Staatsbürgern in der Region. Vgl.: Stellungnahme des damaligen Pressesprechers des Außenministeriums Russlands Alexander Yakovenko im Interview mit ITAR TASS am 14. Februar 2004. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc 3256e3c002912ce  ?OpenDocument (22.03.2011).

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Das Recht Tiraspols, Russisch als die offizielle Amtssprache der Region im Rahmen einer Verfassungsregelung mit dem Gesamtstaat Moldau beibehalten zu dürfen, war fester Bestandteil aller Regelungsbemühungen seit den 1990erJahren. Die Aufwertung der russischen Sprache zu einer zweiten offiziellen Sprache Moldaus war zu jedem Zeitpunkt in den letzten zwanzig Jahren ein ständiges Anliegen Moskaus, auch in Gesprächen mit Chişinău. Die wirtschaftliche Präsenz Russlands (wie auch die der Ukraine) in Moldau und nicht zuletzt in Transnistrien war immer wieder eine Überlegung, die im Hintergrund der politischen Gespräche über die Konfliktregelung eine wesentliche Rolle gespielt hatte. Zum einen geht es um die Interessen des russischen staatlichen Großkonzerns Gazprom, der nicht nur die Kunden in Transnistrien und Moldau mit Erdgas beliefert, sondern auch die Transit- und Verteilungsnetze verwaltet. Viel weniger transparent sind die Eigentumsverhältnisse im Industriesektor Transnistriens. Aber auch da geht man davon aus, dass insbesondere in der Stahlbranche sowie in der industriellen Verarbeitung russische (Metallinvest) und ukrainische Großkonzerne stark vertreten sind. Nicht zuletzt aufgrund dieser Annahme unterbreitete der ehemalige moldauische Präsident Woronin bei seinen Versuchen, Moskau für eine Konfliktregelung zu gewinnen, immer wieder das Angebot, die Rechtssicherheit der gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse in Transnistrien im Falle einer Reintegration der Region zu garantieren.

Die militärische Präsenz Russlands in Transnistrien Mit der Auflösung der Sowjetunion blieb in Moldau (Transnistrien) die 14. sowjetische Armee mit ca 7.700 Militärangehörigen zurück. Die meisten Soldaten wurden vor Ort rekrutiert. Zuerst blieb der Status der Armee ambivalent, denn auf der einen Seite zögerte Russland, eigene Streitkräfte zu gründen, und verließ sich auf das GUS-Oberkommando, das den militärischen Nachlass der gesamten Sowjetunion verwalten sollte. Auf der anderen Seite begannen mehrere Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die ehemaligen sowjetischen Streitkräfte und Eigentum in eigene Hand zu nehmen. Moldau tat es aber nicht. Mit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Sommer 1992 unterschrieb Präsident Jelzin den Erlass, mit dem er die 14. Armee in die russischen Streitkräfte eingliederte, die erst seit Mai 1992 aufgebaut wurden. Neben der 14. Armee verblieben in Transnistrien auch umfangreiche De-



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pots mit Waffen, Waffengerät und Munition. Tiraspol erhob wiederholt den Anspruch auf den Besitz dieser Waffen, konnte ihn aber nie umsetzen, weil die Depots von der 14. Armee bewacht wurden. 1998 gab Tiraspol seinen Anspruch auf, obwohl es ihn auch danach immer wieder erhob und den Abtransport sowie die Vernichtung der Waffen und Munition vor Ort zu verhindern suchte. Alle moldauischen Regierungen bestanden auf dem Rückzug russischer Truppen und Gerät. Moskau dagegen bemühte sich um die vertragliche Regelung des weiteren Verbleibs seiner stark reduzierten Truppen. Denn die Beibehaltung der militärischen Präsenz wurde immer wieder von der russischen Politik als ein wichtiges Interesse Moskaus definiert und artikuliert.24 Gegenwärtig geht es um 1.000 bis 1.200 russische Militärangehörige, die in Moldau in der Operativen Gruppe der russischen Streitkräfte stationiert bleiben, sowie um die ungefähr halbierten Munitionslager, die von diesen Militärangehörigen bewacht werden. 400 russische Militärangehörige, die ihren Dienst in der trilateralen Friedenstruppe leisten, werden extra behandelt, denn sie fallen unter die Vereinbarungen von 1992 über die Beendigung der bewaffneten Auseinandersetzungen und die Überwachung der Waffenruhe. Über deren Verbleib soll erst im Zuge einer eventuellen Transformation der Friedensoperation im Zuge der Konfliktregelung entschieden werden. Ein bilaterales Abkommen von 1994 setzte den Rückzug russischer Truppen aus Moldau bis 1997 voraus. Es war aber nie zu einer Ratifizierung dieses Abkommens durch das russische Parlament gekommen. Stattdessen bot Moskau Chişinău an, ein anderes Abkommen abzuschließen, mit dem die rechtliche Grundlage für den Verbleibt der russischen Truppen geschaffen werden sollte. Im September 1997 versprach Präsident Jelzin während eines GUS-Gipfeltreffens in Chişinău erneut, Truppen aus Moldau zurückzuziehen. Moskau beschränkte sich faktisch aber nur auf deren Reduzierung. Im November 1999 besiegelten Moldau und Russland am Rande des OSZE-Gipfeltreffens in Istanbul sowie der Unterzeichnung des adoptierten Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) eine politische Übereinkunft, die Moskau verpflichtete, bis Ende 2001 seine Waffen und Munition, in erster Linie aber die unter die Bestimmungen des KSE-Vertrages fallenden schweren Waffen zurückzuziehen. Das restliche Gerät und Munition 24 So z.B. von der Staatskommission, die sich mit der Konfliktregelung befassen sollte. Vgl.: http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl. nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e000340 05f43256 b8a002b1a2a  ?OpenDocument (23.03.2011).

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sollten bis Ende 2002 zurückgeführt beziehungsweise vernichtet werden.25 Aber auch danach ließ Moskau nicht nach, im Zuge der Konfliktregelung den Verbleib seiner Truppen in Transnistrien mindestens zu verlängern. So sah der Kosack-Plan von 2003 vor, dass die russischen Truppen für weitere 25 Jahre als Garant des Friedensabkommens bleiben sollten. Sonst war der Verbleib der russischen Truppen in Moldau (bis auf die Friedenstruppe) immer aufs Engste an die Rückführung der Waffen und Munition in den Depots in Transnistrien gebunden. Denn keine Seite hatte Interesse daran, die Munitionsdepots in die Hände von Tiraspol fallen zu lassen. Der Räumung der Waffen- und Munitionsdepots in Transnistrien kam dadurch die Schlüsselrolle bei der Umsetzung aller Vereinbarungen zum Rückzug russischer Truppen. Die notwendigen Voraussetzungen für den Truppen- und Munitionstransport wurden mit einem schon im November 1995 unterzeichneten Transit­ abkommen zwischen Russland und der Ukraine geschaffen. 1998 wurde im Rahmen der in der ukrainischen Stadt Odessa vereinbarten Verdünnung der Friedenstruppen auch die Zusage Tiraspols gegeben, den Truppen- und Munitionstransport nicht zu behindern. Diese Zusage wurde aber von Tiraspol wiederholt infrage gestellt. Nach der Unterzeichnung Istanbuler Verpflichtungen begann Moskau mit dem Rückzug der Waffen und Munition. Im November 2001 begrüßten die Außenminister Moldaus, Russlands und der Ukraine, dass Moskau seine Verpflichtungen aus der ersten Rückzugsphase vorfristig erfüllt und alle seine unter den KSE-Vertrag fallenden Waffen aus Transnistrien abtransportiert hatte.26 Zwischen 1999 bis Ende 2003 wurden insgesamt 58 Züge mit militärischen Gerät und Munition über die Ukraine nach Russland transportiert.27 Fast zwei Drittel dieser Menge – 42 Züge – wurden allein im Jahr 2003 transportiert, während der Pendeldiplomatie von Dmitrij Kosak.28 Ein Teil der 25 Vgl. u.a.: David Gasparyan, Der Transnistrien-Konflikt  : Die gegenwärtige Entwicklungs­ etappe, S. 175. 26 Sovmestnoe zayavlenie Ministrovinostrannych del Rossiyskoy Federacii, Respubliki Moldova und Urkainy po pridnestrovskomu uregulirovaniyu (Gemeinsame Erklärung der Außenminister der Russischen Föderation, der Republik Moldau und der Ukraine zur Regelung in Transnistrien), 17.11.2001. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049 b5fb/432569e00034005f43256b0900392989  ?OpenDocument (22.03.2011). 27 http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc 3256e0c00275750  ?OpenDo cument (22.03.2011). 28 Interview des ehemaligen stellvertretenden Außenministers Russlands Vyacheslav T ­ rubnikov



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Munition wurde vor Ort mit der finanziellen Unterstützung der OSZE vernichtet. Ende 2003 warteten nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums militärische Güter für weitere 36 Züge mit Munition und 10 Züge mit militärischem Gerät auf Abtransport. 29 2004 wurde aber der Abtransport angehalten. Zuerst bekannte sich Moskau ausdrücklich zur Umsetzung seiner Istanbuler Verpflichtungen, berief sich aber auf die mangelnden Voraussetzungen dafür.30 Oft haben die russischen Behörden auf die Behinderung durch die Führung Transnistriens verwiesen, wie dies aus den eingangs angeführten Worten von Putin deutlich wird. Erst nachdem Chişinău sich aus den Gesprächen mit Tiraspol zurückgezogen hatte machte das offizielle Moskau die Verbindung zwischen dem Rückzug der Truppen, des Waffengeräts und der Munition und dem gescheiterten Kosack-Menorandum explizit. So machte es Außenminister Lavrov im Juli 2005 deutlich  : Hätte man den Kosack-Plan von 2003 nicht torpedieren lassen, wäre der Prozess der Rückführung militärischer Güter und Truppen aus Transnistien schon abgeschlossen.31 Im November 2005 war Lavrov noch deutlicher  : „Erfahrungsgemäß funktionierte der Abtransport am effektivsten im Jahr 2003, wo man wesentliche Fortschritte in den Gesprächen über die Konfliktregelung feststellen konnte. Nachdem dieser Prozess aber durch die Wende in der Position der Führung in Chişinău faktisch blockiert wurde, war der Abtransport terminiert. Wir können ihn nicht aufnehmen, solange der Prozess der Konfliktregelung in der Sackgasse ist.“32 Inzwischen hat Moskau eine klare Verbindung zwischen konkreten Absprachen zur Konfliktregelung und der Wiederaufnahme der Waffentransporte hergestellt.33 An die Rückführung der militärischen Güter ist auch der Rückzug der russischen der russischen Nachrichtenagentur ITAR TASS am 02.02.2004. http  ://www.mid.ru/ns-rkon fl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc3256e2e00464dd4  ?OpenDo cument (23.03.2011). 29 http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc 3256e0c00275750  ?OpenDocument (22.03.2011). 30 Interview des ehemaligen stellvertretenden Außenministers Russlands Vyacheslav Trubnikov der russischen Nachrichtenagentur ITAR TASS am 02.02.2004. 31 Rossiyskaya Gazeta, 18. Juni 2005. 32 Pressekonferenz Sergei Lavrovs in Bucharest am 8. November 2005. http  ://www.mid.ru/nsrkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc32570b300635af9  ?OpenDocument (22.03.2011). 33 So der Pressesprecher des russischen Außenministeriums Andrei Nesterenko am 12.10.2009. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e00034005fc 325764d00529511  ?OpenDocument (22.03.2011).

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Truppen aus Transnistrien gekoppelt. Es sei denn, dass im Zuge der Konfliktregelung die Parteien dem weiteren Verbleib dieser Truppen, wenn auch zeitlich begrenztem, zustimmen würden. Ob dieses Junktim in erster Linie Druck auf Chişinău ausüben soll, um die Regierung Moldaus zur größeren Kooperation bei der Konfliktbearbeitung zu bewegen, oder eher den Rückzug selbst hinauszögern helfen soll, kann nur bei der Aufnahme des Prozesses der Konfliktregelung ausgelotet werden.

Die Friedenserhaltung Wie oben schon erwähnt, wird die Beteiligung der russischen Truppen an der Friedensoperation in Moldau getrennt vom Rückzug der Truppen behandelt. Ähnlich wie im Falle Georgiens wurde Moskau auch in Moldau immer wieder herausgefordert. Denn Chişinău wollte immer wieder die dominante Position Moskaus in der Friedensoperation wie in den politischen Gesprächen über die Konfliktregelung durch die Einbeziehung anderer Akteure ausgleichen. Dies galt nicht zuletzt für die wiederholte Aufforderung, die 1992 beschlossene trilaterale Friedensoperation durch eine internationale, eher unter der Obhut der OSZE, zu ersetzen, die ohnehin mit ihrer Mission vor Ort präsent ist. Immer wieder erwiderte Russland mit der wiederholten Betonung der Bedeutung der trilateralen Truppe in gemeinsamen Erklärungen. Im Unterschied zum Fall Georgiens stellte Moskau aber zu einem relativ frühen Zeitpunkt die Option einer Umwandlung der trilateralen Friedenserhaltungsoperation in eine breiter angelegte Friedensaufbaumission im Zuge oder nach, nicht aber vor der politischen Konfliktregelung. Eine im Jahr 2000 in Moskau gegründete Staatskommission zur Bearbeitung des Konflikts erarbeitete 2001 unter der Leitung von Ewgenii Primakov das Konzept, wonach im Zuge einer umfassenden und aus der russischen Sicht zufriedenstellenden Konfliktregelung die trilaterale Friedenserhaltungsoperation durch Friedens- und Stabilisierungskräfte ersetzt werden sollte. Diese sollten ein Mandat der OSZE bekommen und sich unter der russischen Kommandoführung aus russischen und ukrainischen Kontingenten zusammensetzen.34 Dieser Ansatz blieb über die Jahre hinweg in der russischen 34 Pridnestrovskoye uregulirovanie (spravočnaya informaciya) [Konfliktregelung in Transnistrien (Hintergrundinformation)], 04.06.2001. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f071804 32569e00049b5fb/cc40c7fd4f122d6643256a710036bc0f  ?OpenDocument (22.03.2011).



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­ olitik erhalten, obwohl er sich immer wieder an die sich wandelnden GegeP benheiten anpassen ließ. So ging Moskau 2003 im Zuge der Verhandlung über den Kosack-Plan davon aus, dass die internationale Friedensaufbaumission nach der Annahme des Friedensplans sich aus militärischen und zivilen Kontingenten Russlands, der Ukraine sowie der Europäischen Union zusammensetzen könnte.35 Dieser Ansatz ist auch heute weitgehend unverändert geblieben, ohne dass Moskau die genauere Zusammensetzung der Friedensmission spezifizieren würde. So einigten sich im März 2009 der Präsident Russlands Dmitrii Medwedjew und die Führungen der Republik Moldau Vladimir Woronin und Transnistriens Igor Smirnov darauf, dass sie neben der Würdigung der Rolle der bisherigen trilateralen Friedensoperation auch ihre Transformation in eine friedensgarantierende Mission unter der Obhut der OSZE nach („po itogam“) der Konfliktregelung in Transnistrien für angebracht halten würden.36 Im Mai 2010 wurde nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine auch Kiew auf diese Linie eingeschworen. Die Präsidenten Medwedjew und Janukowitsch nahmen zur Kenntnis, dass die Parteien sich 2009 auf die Umwandlung der bisherigen Friedensoperation auf eine unter der Obhut der OSZE „im Kontext“ der Konfliktregelung geeinigt hätten und sicherten die Bereitschaft der beiden Garantiemächte zu, sich an der neuen Mission beteiligen zu wollen.37

Die Bedeutung der Ukraine 2006 wurde die Ukraine in den Prozess der Konfliktregelung weitgehend auf den Wunsch Moldaus einbezogen. Sie beteiligt sich an der Arbeit der 35 Gespräch mit Außenminister Sergei Lavrov, Rossiyskaya Gazeta, 18. Juni 2005. 36 Sovmestnoe Zayavlenie, prinyatoe po itogam peregovorov Prezidenta Rossiaskoy Federacii D.A. Medvedeva s Preyidentom Respubliki Moldova V.N. Voroninym i glavoy Pridnestrovya I.N. Smirnovyn, Barvicha, 18 marta 2009 goda (Gemeinsame Erklärung nach den Verhandlungen des Präsidenten der Russischen Föderation D.A. Medwedjew mit dem Präsidenten der Republik Moldau V.N. Woronin und dem Leiter Transnistriens I.N. Smirnov, Barvicha, 18. März 2009. http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432569e00049b5fb/432569e 00034005fc325757d0056c04e  ? OpenDocument (2.03.2011) 37 Sovmestnoe zayavlenie Presidentov Rossiyskoy Fedetacii i Ukrainy po pridnestrovskomu uregulirovaniyu (Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der Russischen Föderation und der Ukraine zur Konfliktregelung in Transnistrien), 17 Mai 2010. http  ://news.kremlin.ru/ ref_notes/561 (12.09.2010)

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Gemeinsamen Kontrollkommission. Sie gilt seit 1997 nicht nur als Vermittler in Gesprächen, sondern auch als Garant einer eventuellen politischen Konfliktregelung. Seit 1998 ist sie mit zehn militärischen Beobachtern an der Überwachung der Waffenruhe beteiligt. Chişinău hatte mehrere Gründe, auf die Erweiterung des Vermittlerkreises über Russland hinaus hinzuarbeiten. Zum einen war jede Kompromissbereitschaft aller Regierungen Moldaus in Gesprächen mit Tiraspol innenpolitisch zu jedem Zeitpunkt äußerst kontrovers. Diese Kontroversen wurden immer wieder dadurch verschärft, dass die Opposition der Regierung nach jeder Konzession vorwerfen würde, sie hätte dem Druck Moskaus nachgegeben und die dominierende Position Russlands in der Region weiter verankert. Da Moskau 1992 die Beteiligung Rumäniens an den Verhandlungen ausschließen konnte und Chişinău sich mit der Präsenz der OSZE-Mission nicht zufrieden gab, wollte es der Kritik im Inneren durch das Einbringen weiterer Akteure begegnen. Zum anderen ist die Ukraine kein unwichtiger Faktor im Prozess der Konfliktregelung, denn sie kann die Umsetzung der Vereinbarungen entweder ermöglichen oder eben scheitern lassen, wie zum Beispiel im Falle des Transports russischer militärischer Güter aus Transnistrien. Die Ukraine ist ein bedeutender Faktor im wirtschaftlichen Leben Transnistriens und Moldaus. Das ukrainische Wirtschafts- und Finanzkapital soll nicht nur neben dem russischen maßgeblich in die Eigentumsgeschäfte in Transnistrien verwickelt sein. Die Grenze zur Ukraine und die Verbindung zum nahe liegenden ukrainischen Hafen Odessa sind lebenswichtig für Tiraspol. Denn über diese Grenze und über diesen Hafen werden mehrheitlich seine Exportgeschäfte abgewickelt. Die Ukraine ist nicht unbedingt ein einfacher Partner für die Republik Moldau. Neben dem wirtschaftlichen und politischen Eigeninteresse Kiews, das im Status eines Garanten der Konfliktregelung eine Aufwertung seines internationalen Ansehens und die Chance zur Schärfung des eigenen außenpolitischen Profils (dies auch nicht ohne Rücksicht auf Russland) sah, bleibt noch eine Reihe von Fragen im ukrainisch-moldauischen Verhältnis ungeregelt. Nicht zuletzt geht es um offene Fragen hinsichtlich des Grenzverlaufs, die durchaus von regionaler wirtschaftspolitischer Bedeutung sind. Solange der Konflikt in Transnistrien nicht geregelt ist, bleiben diese kontroversen Fragen eher latent. Nach einer eventuellen Regelung würden sie das Verhältnis der beiden Staaten nicht weniger belasten, als es in den rumänisch-moldauischer Beziehungen der Fall ist.



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Auf der anderen Seite sind Moldau und die Ukraine seit 1997 in der GUAM (Georgien–Ukraine–Aserbaidschan–Moldau) verbunden – einer Organisation von vier Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die sich von der von Russland dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) immer abkoppeln und ihre graduelle Einbindung in die Euro-Atlantische Staatengemeinschaft koordinieren wollten. Damit wird in Kiew ein Mindestmaß an Kooperation und Solidarität mit Moldau vorausgesetzt, unabhängig von den sich abwechselnden Höhe- und Tiefpunkten im Funktionieren der GUAM. Das Einbringen der Ukraine hat sich generell am Konfliktregelungsprozess aus der Sicht unterschiedlicher Parteien als positiv erwiesen. Generell Moldau-freundlich, blieb Kiew in den meisten Etappen der Konfliktregelung mit Russland kooperativ und würde Moskau bei der Suche nach politischen Optionen, wie zum Beispiel der eventuellen Internationalisierung der Friedenstruppe unter Einschluss ukrainischer Kontingente helfen. Nicht zuletzt wurde Kiew meistens auch in Tiraspol als eine eventuelle Ausweichoption gesehen. Insbesondere wenn Moskau stärkeren Druck auf die Führung Transnistriens ausüben wollte, würde Tiraspol die Trumpfkarte ziehen und mit dem Ersetzen der russischen Friedenstruppen mit denen der Ukraine erpressen – ein Verhaltungsmuster, das man auch in anderen Konflikten im postsowjetischen Raum kennt. Diese Tradition einer in alle Richtungen kooperativen Beteiligung der Ukraine an der Konfliktregelung in Transnistrien wurde aber in der Zeitperiode zwischen 2005 bis 2009 nach der „orangenen“ Revolution in der Ukraine unterbrochen, als Kiew sich zunehmend als eigenständiger „pro-europäischer“ Akteur in den Konfliktregelungsprozess einzubringen suchte. 2005 stellte der ukrainische Präsident Juschtschenko einen eigenen Friedensplan für Transnistrien vor. 38 Dieser setzte mit der Demokratisierung Transnistriens an, wo parteipolitischer Pluralismus zugelassen und freie Wahlen durchgeführt werden sollten. Die Friedenstruppe in der Konfliktzone sollte durch eine stärkere Beteiligung der Ukraine internationalisiert werden. Ukrainische Beobachter sollten mit dem Monitoring der Rüstungsbetriebe in Transnistrien und die OSZE und andere internationale Organisationen mit der Überwachung des Güterverkehrs an der ukrainischen Grenze zu Trans­ nistrien betraut werden. Die USA und die EU sollten in den Prozess der Konfliktregelung einbezogen werden. 38 Vgl. u.a.: David Gasparyan, Der Transnistrien-Konflikt  : Die gegenwärtige Entwicklungs­ etappe, S. 182.

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Zwar gab sich Moskau die Mühe, ein kooperatives Verhältnis zum ­Zuschtschenko-Plan zu entwickeln und ihn mit den Elementen des KosakPlans von 2003 zu verbinden, dennoch rückte die Initiative Kiews die Gespräche weiter weg von der von Russland verfolgten zähen Verhandlung über die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Tiraspol und Chişinău. Die im Frühjahr 2006 von der Ukraine unter der Beteiligung der EU-Grenzmission eingeführte Verhärtung der Transporte über die ukrainische Grenze zu Transnistrien sorgte für eine Zuspitzung des ohnehin gespannten Verhältnisses zwischen Kiew und Moskau sowie zwischen Chişinău und Tiraspol. Somit sah Moskau nach der Wahl Janukowitschs zum Präsidenten der Ukraine die Chance, neben der allgemeinen Annäherung zwischen den beiden Staaten, Kiew wieder auf die gemeinsame Linie in der Konfliktregelung einzuschwören. Diesem Zweck sollte die oben erwähnte gemeinsame Erklärung vom Mai 2010 über die Regelung des Konflikts in Transnistrien dienen, die die gemeinsamen Positionen der zwei Staaten zusammenfasste, aber auch die Wiederbelebung des Unterausschusses zur Konfliktregelung der bilateralen Kommission, die eine zunehmende Kohärenz der außenpolitischen Positionen der zwei Staaten ermöglichen soll.

Der Ausblick Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Russland weiterhin am Verhandlungsformat von „5+2“ festhält. Dies wurde seitens Moskaus wiederholt in den Jahren der Unterbrechung seit 2006 bestätigt. Die jüngsten Entwicklungen und nicht zuletzt die Verhandlungen zwischen den Außenministern Lavrov und Leancă in Moskau Ende März 201139 lassen hoffen, dass die offiziellen Gespräche in diesem Format im Sommer 2011 wieder aufgenommen werden.40 Der sich abzeichnende Aktivismus soll aber nicht täuschen. Moskau zeigt weiterhin keine Initiative und verweist immer wieder darauf, dass die Konfliktparteien sich selbst verständigen sollen. Die Vermittler und Garanten können sie dabei nur unterstützen. Mehr aber kaum. 39 http  ://www.mid.ru/brp_4.nsf/0/96E8CEECBBFEBECBC325786200605DA0 (30.03.2011). 40 In der Tat wurde nach dem Treffen der Außenminister allgemein erwartet, dass die offiziellen Gespräche schon im April 2011 aus dem Anlass eines erneuten informellen Treffens der Hauptunterhändler der beiden Konfliktparteien in Wien aufgenommen werden. Dies geschah aber nicht. Man einigte sich nur auf ein weiteres Treffen in Moskau Ende Juni.



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Der Grund für die zögerliche Haltung Moskaus ist derselbe wie vor wenigen Jahren. Das 2003 verloren gegangene Vertrauensverhältnis zwischen den Führungen in Moskau und Chişinău muss zuerst wiederhergestellt werden. Im gegenwärtigen Trio von Gimpu (Parlamentspräsident und amtierender Staatspräsident), Filat (Ministerpräsident) und Lupu (Führungsperson der Demokratischen Partei links von der politischen Mitte, Koalitionskandidat für den Posten des Staatspräsidenten) setzte Moskau bisher allein auf den ExKommunisten Lupu. In diesem Sinne haben die jüngsten Wahlen in Moldau wenig für Moskau an der bisherigen politischen Konstellation geändert  : Verfassungsblockade in Chişinău, sich gegenseitig widersprechende Stellungnahmen der Führungspersönlichkeiten der Allianz bezüglich der künftigen politischen Orientierung Moldaus sowie der Mangel an konkreten kohärenten Vorstellungen über die Wege der Konfliktregelung, bis auf die Forderungen der Umwandlung der Friedensoperation und des Rückzugs russischer Truppen – all das reduziert dramatisch die Chancen auf ein Entgegenkommen der Konfliktparteien 41, egal ob im informellen oder im offiziellen Format der Verhandlungen. Eine Perspektive der Überwindung der Verfassungsblockade und die Ablösung Gimpus durch Lupu könnten eine vertrauensbildende Wirkung auf Moskau haben. Doch die sich jetzt schon abzeichnende Konkurrenz zwischen Lupu und Filat würde nicht nur weitere Ungewissheit für die Versuche Moskaus bringen, wieder Einfluss auf die Politik in Chişinău nehmen zu wollen, um eine „Moskau-freundlichere“ Regierung zustande kommen zu lassen. Die Meseberg-Initiative der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Juni 2010, die das Angebot der Gründung eines EU-Russland Ausschusses für politische und sicherheitspolitische Fragen, das dem langjährigen Anliegen Moskaus entgegenkommt, die Kooperation mit der Europäischen Union im Bereich externer Sicherheit stärker zu institutionalisieren, mit der gemeinsamen Regelung des Transnistrienkonflikts zu verknüpfen, hat so weit auch keine eindeutige Wirkung auf die Politik Russlands gezeigt. Die Vorteile dieser Initiative für Moskau sind erst noch auszuloten. Und gerade dies ist unter gegebenen Umständen nicht einfach. Zwar hat die EU 41 Vgl.: Das Kommentar des Presse- und Informationsamtes des russischen Außenministeriums im Zusammenhang mit den Reaktionen der Führung Moldaus auf die Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der Russischen Föderation und der Ukraine bezüglich der Konfliktregelung in Transnistrien, 20.05.2010 (Russisch). http  ://www.mid.ru/ns-rkonfl.nsf/90be9cb5e6f07180432 569e00049b5fb/432569e00034005fc32577290029b781  ?OpenDocument (22.03.2011).

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den Vorschlag selbst nicht abgewiesen, ihre Vertreter berufen sich aber immer wieder darauf, dass die Konsensbildung innerhalb der Union durch praktische Fortschritte in der Konfliktregelung erleichtert werden soll. Moskau dagegen würde die Reihenfolge gern umgekehrt sehen. Somit bleibt zurzeit jede praktische Abstimmung zwischen der EU und Russland hinsichtlich der Konfliktregelung in Transnistrien blockiert und wird durch ein verstärktes Engagement Deutschlands ersetzt. Das reicht Moskau offenbar nicht aus, um auf das angebotene Geschäft einzugehen.

Manfred Grund1

Europäische Sicherheitsarchitektur unter besonderer Einbeziehung der Transnistrienproblematik

Viele der Probleme, die mit der europäischen Sicherheitsarchitektur in Gegenwart und Zukunft verbunden sind, wurden bereits angesprochen. Ich denke, wir haben im größten Teil Europas eine funktionierende Sicherheitsarchitektur. Ich denke aber auch, dass das Kernproblem dieser Sicherheitsarchitektur ein erhebliches Integrationsgefälle von West nach Ost und eine mangelnde Einbindung Russlands ist. Wir haben die EU, mit einer zunehmenden Integration auch in der Sicherheits- und Verteidigungs­politik. Wir haben die NATO als den nach wie vor wichtigsten Garanten militärischer Sicherheit für ihre Mitglieder. In beiden Organisationen sind die gegenseitigen Beziehungen von einem hohen Maß an Verrechtlichung geprägt. In beiden Organisationen herrscht ein großes Maß an gegenseitigem Vertrauen. In beiden Organisationen gibt es trotz vieler Differenzen eine grundlegende Überein­stimmung hinsichtlich gemeinsamer Werte und Interessen. Es ist diese grundlegende Übereinstim­mung, die die NATO und die EU befähigt, nicht in jedem Fall, aber doch immer wieder auch eine gemeinsame Handlungsfähigkeit nach außen zu entwickeln. In den vergangenen 20 Jahren haben die EU wie die NATO Stabilität innerhalb Europas exportiert. Das geschah nicht nur durch die Erweiterungsprozesse in Mittelosteuropa, sondern auch auf dem Balkan. Bei allen Problemen, die es insbesondere im westlichen Balkan nach wie vor gibt, sind auch dort die Fortschritte im längerfristigen Vergleich nicht zu übersehen. Und das wichtigste Instrument waren auch dort Integrationsprozesse in NATO und EU. Aber es gibt eine Region in Europa, wo wir kein vergleichbares Maß der Integration und der Zusammenarbeit erreicht haben  : Und das ist Osteuropa. Mit Osteuropa und insbesondere mit Russland sind wir vor allem durch den 1 Der Artikel basiert auf einem Vortrag, den MdB Manfred Grund bei Veranstaltung „Vom Krieg zur gemeinsamen Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Europa – 70 Jahre nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion“ am 3.6.2011 in Berlin, Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur, Friedrichstraße 176–179, gehalten hatt.

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Manfred Grund

Europarat und die OSZE verbunden. Beide Organisationen sind wichtig für die Formulierung und Beobachtung gemeinsamer Standards bei Grundwerten und Wahlen. Doch wenn es um die Sicherheit geht, ist selbst die OSZE heute weitgehend nur noch ein gemeinsames Forum. Eine umfassende Sicherheitsarchitektur im euroatlantischen Raum bietet sie nicht. In dieser Hinsicht kann ich es auch durchaus verstehen, wenn Russland bei der OSZE eine zu einseitige Orientierung auf die humanitäre Dimension kritisiert. Fast alle aktuellen sicherheitspolitischen Konflikte in Europa finden sich heute in Osteuropa. Das gilt für die schwelenden Konflikte in Abchasien, Südossetien, Nagorny Karabach und Transnistrien. Es gilt für den Umgang mit dem autoritären Regime in Belarus. Es gilt für das spannungsreiche Verhältnis der Ukraine zwischen Russland und den westlichen Integrationsstrukturen. Und es gibt und gab natürlich Konflikte zwischen Russland und der NATO – beispielsweise bei der Raketenabwehr oder bei der Frage nach künftigen Osterweiterungen des Bündnisses. Und es gibt auch eine weniger offen ausgetragene Konkurrenz zwischen Russland und der EU um Integrationsformen und Einfluss in Osteuropa. Das Kernproblem der europäischen Sicherheitsarchitektur ist nun, ob diese Konfliktlinien zwischen Russland, einerseits, der NATO und EU, andererseits, die Ursache oder die Folge einer mangelnden Einbindung Russlands in die europäische Sicherheitsarchitektur sind. Diese Frage ist deshalb von grundlegender Bedeutung, weil sich je nach Antwort prinzipiell andere Folgerungen ergeben. Handelt es sich bei der mangelnden Einbindung Russlands um eine Ursache, dann gilt es, Russland künftig besser in die europäische Sicherheitsarchitektur zu integrieren. Handelt es sich aber nur um eine Folge, dann würde eine bessere Einbindung Russlands die Konflikte nicht lösen, sondern diese Konflikte würden nur in die bestehende Sicherheitsarchitektur importiert werden. Dann würden wir die bestehende Sicherheitsarchitektur nicht stärken, sondern nur schwächen. Ich glaube allerdings nicht, dass es auf diese Frage eine eindeutige Antwort gibt. Ich denke, wir müssen vor allem verstehen, dass Russland selbst zwangsläufig eine sehr ambivalente Interessenslage hat. Erstens müssen wir verstehen, dass sich Russland infolge seiner mangelnden Einbindung in die bestehende Sicherheitsarchitektur von wichtigen Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen sieht. Daran hat auch eine Institution wie der NATO-Russland-Rat nichts Grundlegendes geändert. Zweitens denke ich, dass Russland sich dabei einer widersprüchlichen Lage zwischen kurz- und langfristigen Interessen gegenübersieht. Auf lange



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Sicht wird Russland selbst die Option der Westintegration brauchen. Nur auf die eigenen wirtschaftlichen und demografischenPotenziale angewiesen, droht Russland sonst die politische Marginalisierung. Und nur das westliche Bündnissystem bietet Russland die Möglichkeit einer gleichberechtigten Partnerschaft. Kurz- und mittelfristig hat Russland jedoch von einer weiteren Ausdehnung der NATO und der europäischen Integration vor allem Nachteile zu befürchten. Dabei geht es nicht allein um Sicherheit. Es geht um wirtschaftliche Nachteile, es geht um den Verlust von Einfluss und es geht um die Sorge vor einer politischen Isolierung. Deshalb versucht Russland, auch gegenüber der EU alternative Integrationsmodelle zu entwickeln, früher mit dem russischbelarussischen Unionsstaat, jetzt mit der russisch-belarussisch-kasachischen Zollunion. Drittens gibt es zwischen Russland, einerseits, der NATO und der EU auch ein – zumindest graduell – unterschiedliches Verständnis von Sicherheit. Auch weil Russland sich in einer vergleichsweise isolierteren und schwächeren Position sieht, definiert Russland Sicherheit stärker als zwischenstaatliche und militärische Sicherheit. NATO und EU hingegen haben heute ein umfassenderes Verständnis von Sicherheit, das innerstaatliche Entwicklungen und humanitäre Forderungen stärker einbezieht. Da sich NATO und EU heute kaum noch einer konventionellen militärischen Bedrohung gegenübersehen, haben für sie im Vergleich zu Russland Sicherheitsgarantien eine geringere, die eigene sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit aber eine größere Bedeutung. Diese Unterschiede zeigen sich auch an dem russischen Entwurf für einen neuen Sicherheitsvertrag in Europa. Die beiden Grundgedanken dieses Vertrages sind die Einrichtung eines Konferenzmechanismus zur Vermittlung bei Konflikten und eine Bestärkung des Prinzips des Gewaltverzichts. Aber das bedeutet auch, dass Sicherheit stärker voreinander als miteinander gesucht würde. Und das ist auch der Grund, weshalb der russische Vorschlag innerhalb von EU und NATO auf Kritik gestoßen ist. Diese Kritik beruht im Kern auf der Befürchtung, dass im Ergebnis nicht eine Stärkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, sondern nur eine Stärkung der russischen Vetomacht stünde. Was bedeutet dies für die Entwicklung der künftigen Sicherheitsarchitektur in Europa  ? Grundsätzlich hat Moskau – wie auch die EU, wie auch die NATO – ein Interesse an einer besseren Einbindung Russlands in die europäische Sicherheitsarchitektur. Ich bin überzeugt, dass die gemeinsamen und

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l­angfristigen strategischen Interessen die existierenden Konfliktlinien bei Weitem überwiegen. Mittelfristig sollten wir daher eine Integration Russlands in die NATO anstreben – und zwar deshalb in die NATO, weil sie bereits eine etablierte Organisation mit eingespielten Institutionen ist. Doch ganz unabhängig von der Organisationsform gilt  : Bei einer besseren Einbindung Russlands wird es nicht nur auf Vertragsgrundlagen ankommen, sondern auf den Ausbau gegenseitigen Vertrauens und dazu vor allem auf die Entwicklung einer Agenda gemeinsamer Ziele. Eine solche Agenda werden wir nicht entwickeln, wenn wir bei den Grundsatzfragen beginnen, sondern dann, wenn wir unsere Zusammenarbeit an praktischen Problemen erproben und dann ausbauen. Wir sollten uns beispielsweise überlegen, wie wir in Zukunft gemeinsame zivile und militärische Missionen Russlands, der EU und der NATO organisieren können. Und wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit bei der Lösung europäischer Konflikte. Damit ergibt sich die aktuelle Relevanz des Transnistrienkonflikts. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedjew haben vor einem Jahr vorgeschlagen, dass sich EU und Russland gemeinsam um eine Lösung des Transnistrienkonflikts bemühen sollten  ; und dass dann auch ein gemein­sames sicherheitspolitisches Komitee zwischen Russland und der EU gebildet werden sollte. Mit einem solchen Komitee würde Russland kein Veto-Recht in der EU erhalten. Aber es würde in die Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden. Darüber hinaus sollte sich das Komitee auch mit der Diskussion über die künftige Sicherheitsarchitektur in Europa unter besserer Einbeziehung Russlands befassen. Dieser Dialog ist bislang weitgehend auf den sogenannten Korfu-Prozess innerhalb der OSZE beschränkt. Voraussetzung wären aber Fortschritte im Transnistrienkonflikt. Natürlich wird dieser Konflikt nicht schnell zu lösen sein. Dafür sind beiden die politischen Systeme innerhalb der Republik Moldau noch zu unterschiedlich. Was sich aber bereits heute erreichen lassen sollte, ist eine Verständigung auf grundlegende Prinzipien einer Konfliktlösung, die einen funktionsfähigen Gesamtstaat in Moldau gewährleisten müssten. Darüber hinaus könnten Fortschritte im Transnistrienkonflikt auch neue Bewegung in die Gespräche über den angepassten Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa bringen. Die NATO hat die Ratifikation des Vertrages bislang an die Bedingung des Abzugs der russischen Truppen aus Georgien und Moldau gebunden. Nun sind in Georgien nach dem Krieg von 2008 keine Fortschritte zu erwarten. Umso größere Tragweite könnte jedoch eine Verständigung im Falle



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­ ransnistriens haben. Sicher ist eine Einigung über den AKSE-Vertag auch T deshalb nicht leicht, weil dazu innerhalb der NATO sehr unterschiedliche Vorstellungen herrschen. Aber wenn wir nicht einmal versuchen, die Blockade im Bereich der Rüstungskontrolle zu überwinden, welche Aussichten bieten sich dann für die umfassenderen Pläne für eine künftige europäische Sicherheitsarchitektur  ? Wenn es heute einen Konflikt gibt, der sich als Testfall für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland eignet, dann ist das Transnistrien.

Hannes Adomeit

Chancen und Hindernisse einer Konfliktlösung

Bei der Behandlung des Problems von „Chancen und Hindernisse einer Konfliktlösung“ ist zuallererst die Frage zu beantworten, wann der Konflikt zwischen der Moldau und dem separatistischen Transnistrien als „gelöst“ angesehen werden kann. Im Wesentlichen gibt es zwei Antworten auf diese Frage  : erstens, wenn das abtrünnige Teilgebiet wieder in den moldauischen Staatsverband eingegliedert worden ist, oder zweitens, wenn der bestehende status quo sowohl rechtlich als auch in den Wahrnehmungen und Empfindungen der Menschen in beiden Teilen des derzeitigen moldauischen Staatsgebiets als legitim anerkannt wird. Nachfolgend werden unterschiedliche Möglichkeiten geprüft, wie die eine oder andere Lösung erreicht werden könnte, aber auch, welche Wege nicht gangbar sind.1 Militärische Lösung Zumindest theoretisch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Chişinău, falls alle diplomatischen Bemühungen scheitern, eine militärische Lösung des Konflikts anstrebt. Der „Präsident“ der selbsternannten Transistrisch-Moldauischen Republik (PMR),2 Igor Smirnow, wird jedenfalls nicht müde, die Moldau und im Verbund mit ihr den Westen zu beschuldigen, eine derartige Lösung herbeiführen zu wollen, und begründete damit die Notwendigkeit der russischen Truppenpräsenz.3 Rein numerisch befindet sich die Moldau 1 Forschungsassistenz für die nachfolgende Analyse wurde von Olesea Bolocan, M.A. in European Interdisciplinary Studies am College of Europe in Natolin (Warschau) geleistet. Der Autor hat auch von ihrer unter seiner Betreuung verfassten M.A.-Arbeit, The Role of the EU and RUSSIA in the Settlement of the Transnistrian Conflict, College of Europe (Natolin) Juni 2011, profitiert. 2 PMR ist das Akronym von Приднестровская Молдавская Республика – Pridnestrovskaja Moldavskaja Respublika. 3 So beispielsweise kurz nach dem Krieg in Georgien im August 2008. Президент ПМР  : ���� Мол� давия и Запад требуют вывести Российских Миротворцев из Приднестровья, чтобы решить конфликт силовым путем (Zugriff 11.5.2011).

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in einer günstigen Ausgangsposition. Einer der Faktoren ist dabei das große Ungleichgewicht der Bevölkerungszahl zwischen dem von Chişinău kontrollierten Hauptteil des Landes und der Transistrisch-Moldauischen Republik. Nach der Volkszählung des Jahres 2004 sind in Transnistrien 555.347 Einwohner registriert, was ungefähr nur 14% der Bevölkerung der Moldau insgesamt (3.938.679) entspricht.4 Allerdings sind dies tatsächlich lediglich in beiden Landesteilen registrierte Einwohner. Ob diese sich wirklich dort aufhalten, ist eine andere Frage. Nach verschiedenen Schätzungen arbeiten 600.000 bis zu einer Million Menschen, beinahe ein Viertel der Gesamtbevölkerung, zeitweise oder permanent im Ausland, viele von ihnen illegal. Dadurch hat sich allerdings das numerische Ungleichgewicht der Bevölkerung zwischen den beiden Landesteilen nicht wesentlich verändert. Das demografische Ungleichgewicht steht allerdings in krassem Gegensatz zu den militärischen Kräfteverhältnissen. Die Moldau verfügt über 6.000 bis 6.500 Mann in den nationalen Streitkräften, wovon allerdings nur maximal ein Drittel einsatzfähig ist, und 60.000 in der Reserve.5 Zu den Streitkräften hinzuzurechnen sind 9.000 bis 9.500 bewaffnete Kräfte in den Grenztruppen und Truppen der Inneren Sicherheit.6 Die Ausrüstung der Armee stammt praktisch durchweg aus der Sowjetära. Der geringen personellen und materiellen Ausstattung der Streitkräfte und anderer bewaffneter Kräfte entsprechend, bewegt sich das Verteidigungsbudget des Landes in Größenordnungen von weniger als 30 Mio. USD. Transnistrien dagegen verfügt über 12.000 bis 15.000 Truppen in den regulären Streitkräften und im Gegensatz zur Moldau über Panzer, Raketenwerfer und Kampfhubschrauber. Es kann sich zusätzlich auf Kosaken und andere Freiwilligenkorps und ein wirksames Mobilisierungssystem stützen, in dessen Rahmen nach manchen Schätzungen bis zu 120.000 Mann ausgehoben werden könnten.7 Das Offizierskorps rekrutiert sich aus den früheren 4 National Bureau of Statistics of the Republic of Moldova, 2004 Population Census Results (Zugriff 1.5.2001). 5 The Military Balance (London  : International Institute for Strategic Studies, 2010), S. 463  ; desgl. Eugene Kogan, Military Situation in Moldova and the Transnistrian Conflict, Arbeitspapier für den 3. Experten-Workshop zum Konfliktmanagement, Projekt Osteuropa-Schwarzmeerraum, Schwerpunkt  : Moldau und Transnistrien, 24.–25. 3. 2011, Internationales Institut für Liberale Politik (IILP), Wien (siehe Artikel in diesem Buch) 6 Dabei handelt es sich um die Trupele de Carabinieri, die die Aufgabe haben, unabhängig oder gemeinsam mit der Polizei, die innere Ordnung aufrechtzuerhalten. 7 Bernard Aussedat, How Can Confidence and Security Be Restored in Moldova  ?, in  : OSCE



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­ owjetstreitkräften, sei es aus der ehemaligen 14. Armee oder aus Einheiten, S die in anderen Militärbezirken der Sowjetunion Dienst taten. Im Gegensatz zur Moldau ist die „PMR“ aufgrund der in diesem Landesteil verbliebenen industriellen Kapazitäten in der Lage, Waffen wie Gewehre, Mörser und sogar Raketenwerfer entweder selbst herzustellen oder aus ehemaligen sowjetischen Waffenbeständen zu montieren. Ist Chişinău schon allein aufgrund der militärischen Kräfteverhältnisse zwischen der Moldau und Transnistrien eine militärische Lösung verbaut, muss es zudem mit einer Wiederholung des russischen Eingreifens wie 1992 im moldauischen Bürgerkrieg und 2008 in Georgien rechnen. So fühlte sich der russische Präsident Dmitrii Medwedjew bemüßigt, seinen moldauischen Amtskollegen Wladimir Woronin kurz nach der Krieg mit Georgien mit den Worten zu warnen  : „Nachdem, wie man sagt, bei der georgischen Führung ‚nicht mehr alle Tassen im Schrank‘ waren, verschärften sich all die Probleme und ein militärischer Konflikt brach aus. Das ist eine ernste Warnung an alle, und ich glaube, dass man andere bestehende Konflikte in diesem Kontext angehen sollte.“8 Im Klartext bedeutete der „Kontext“, dass jegliches militärisches Vorgehen der Moldau mit einem Eingreifen russischer Truppen in den Konflikt rechnen müsste. Diese Folgerung ist auch deswegen unabweisbar, weil der russische Präsident apodiktisch verkündet hat, dass Russland im postsowjetischen Raum „privilegierte Interessen“ hat, also diesen Raum wie seine Vorgänger als eine russische Einflusssphäre betrachtet, und zudem das Recht beansprucht, „das Leben und die Würde unserer Bürger zu schützen, wo immer auch sie sich befinden mögen“.9 An russischen Staatsbürgern in Transnistrien herrscht kein Mangel. Diese setzen sich aus drei Kategorien zusammen  : erstens, den Angehörigen der russischen Streitkräfte, die in Transnistrien Dienst tun (siehe unten)  ; zweitens, ehemaligen Offizieren der sowjetischen Streitkräfte Yearbook 2009 (Baden-Baden  : Nomos Verlagsgesellschaft, 2009), S. 192, zit. nach Kogan, Military Situation in Moldova (wie Fn. 5). 8 Russia warns Moldova against „Georgian mistake“, Reuters (Sotschi), 28.8.2008 (Zugriff 5.5.2011). 9 Medwedjew in einem Fernseh-Interview, das von den Sendern Perwyj kanal, Rossija und NTV am 31.8.2008 übertragen wurde (Zugriff 17.1.2011). Der Anspruch auf privilegierte Interesssen und der Schutz russischer Statsbürger im Ausland sind zwei der fünf Prinzipien der russischen Außenpolitik, die Medwedjew in diesem Interview darlegte.

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und Geheimdienste sowie Fabrikdirektoren, die ihren sowjetischen Pass gegen einen russischen eingetauscht haben  ; und drittens, ethnischen Russen, kulturell assimilierten „Russischsprachigen“ (russkojasytschnye), aber auch Angehörigen anderer ethnischer und kultureller Gruppen, die – wie in Abchasien, Südossetien und auf der Krim – über die von Moskau in den letzten Jahren verfolgten Politik der „Passportisierung“ (pasportisazija) in den Genuss der russischen Staatsbürgerschaft gelangt sind. Allein die Anzahl der russischen Staatsbürger der letzten Kategorie beträgt nach Schätzungen mehr als 150.000, was einem Drittel der Gesamteinwohnerzahl Transnistriens entspricht.10 Das wirft die Frage auf, welche Möglichkeiten Russland hätte, in einen Konflikt militärisch einzugreifen. Zu nennen sind dafür die immer noch in der „PMR“ stationierten Teile der ehemaligen 14. Armee der sowjetischen Streitkräfte, die im April 1995 in Operative Gruppe der Russischen Streitkräfte umbenannt wurde und direkt dem Moskauer Militärdistrikt unterstellt ist. Zur Zeit der Intervention der 14. Armee in der Moldau 1992 betrug ihre Stärke 6.000 Mann. Heute sind es noch 1.000 bis 1.200 Mann. Hinzu kommen rund 400 Mann des russischen Teils der aus Kontingenten der drei Konfliktparteien (Russland, Moldau und Transnistrien) bestehenden „Friedenstruppen“. Diese sind in einer Pufferzone an der Grenze zwischen der Moldau und Transnistrien stationiert. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass jegliches Bemühen Chişinăus, eine militärische Lösung des Konflikts herbeizuführen, von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Eine weitere zu untersuchende Möglichkeit der Konfliktlösung ist wirtschaftlicher Druck, der von Chişinău auf Tiraspol ausgeübt werden könnte, um die abtrünnige Republik zum Einlenken zu bewegen.

Wirtschaftlicher Druck auf Transnistrien Was die relative wirtschaftliche Unabhängigkeit Transnistriens von der Moldau anbetrifft, läge es in Anbetracht der Tatsache, dass der separatistische Landesteil von keinem Staat der Welt anerkannt wird, nahe anzunehmen, 10 Russian Passport Holders in Moldova’s Transnistria on the Rise (Zugriff 10.5.2011).



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dass Tiraspol nicht nur diplomatisch, sondern auch wirtschaftlich isoliert ist. Derartige Annahmen trügen. Die abtrünnige Region hat aufgrund einer Reihe von Faktoren überlebt und diejenigen, die an den Schalthebeln der wirtschaftlichen und politischen Macht sitzen, gar nicht so schlecht. Das Hauptproblem mit der möglichen Ausübung wirtschaftlichen Drucks liegt, erstens, in der verhältnismäßig großen wirtschaftlichen Unabhängigkeit Transnistriens von der Moldau, die wiederum zu einem großen Teil auf russische Subventionen zurückgeht, zweitens, der Einbindung transnistrischer Unternehmen in die Weltwirtschaft  ; drittens, dem Einkommen aus illegalem Handel, und viertens, der Abhängigkeit Chişinăus von Lieferungen aller Art aus Transnistrien, insbesondere Energie.11 Was den ersten Faktor betrifft, die relative Unabhängigkeit der Wirtschaft Transnistriens von der Moldau, ist vor allem die enge Verflechtung mit Russland zu nennen. Dazu gehören die in Jahren seit der Loslösung von Chişinău vorgenommene Übereignung von Aktienpaketen an russische staatliche, halbstaatliche und private Unternehmen und Einbau der Produktion Transnistriens in den militärisch-industriellen Komplex Russlands. Dies war aufgrund der Tatsache möglich, dass sich der größte Teil der Industrie in der Sowjetära im östlichen Landesteil befand (und befindet)  : Dazu gehören die Produktionsbereiche Stahl, Maschinenbau, Metallverarbeitung, Elektrotechnik, Chemie, Holzverarbeitung, Haushaltsgeräte und Baumaterialien. Wirtschaftlich von besonderer Bedeutung für Tiraspol, aber auch für Chişinău, sind das Stahlwerk MMS in Rybniza und die Wasserkraftwerke in Dubasari and Cuciurgan.12 Besonders günstig wirkt sich allerdings die enge Anbindung an Russland im Energiesektor aus. Im Gegensatz zur Moldau rechts des Dnjestrs ist Transnistrien in der glücklichen Lage, russisches Gas zu Vorzugspreisen beziehen zu können. In den Jahren 1996 bis 2005 musste Chişinău mit $80 pro 1.000 m3 den höchsten Preis in der GUS an Gazprom entrichten. Für die Moldau stiegen danach die Preise kontinuierlich an  : von $110 im Jahre 2006 auf $288 pro 1.000m3 im Jahre 2011  ; von Transnistrien dagegen forderte Gazprom nur $186

11 Die nachfolgenden Angaben zur wirtschaftlichen Situation Transnistriens bei  : Экономиче� ское положение Приднестровской Молдавской Республики (Zugriff 6.5.2011). 12 Einzelheiten dazu bei  : Center for Strategic Studies and Reforms, Evolution of the Trans­ nistrian Economy  : A Critical Appraisal (Zugriff 2.5.2001), S. 8.

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pro 1.000m3.13 Allerdings sind die Gazprom-Lieferungen bisher gewissermaßen frei Haus erfolgt  : Da sich, wie oben dargestellt, der größte Teil der energieintensiven Industrien in Transnistrien befindet, verbraucht es auch mehr Gas. Die Moldau insgesamt hat im Laufe der letzten Jahre Schulden in Höhe von insgesamt $2,45 Mrd. angesammelt, woran die Region links des Dnjestrs mit dem weitaus größten Anteil von $2,1 Mrd. beteiligt ist.14 Während die Moldau rechts des Dnjestrs ihre Gasrechnungen ab 2004 in voller Höhe beglich, zahlte Transnistrien bis zu diesem Jahr lediglich 70% seiner Gasrechnungen und ab 2009 überhaupt nicht mehr.15 In gewissem Maße sind die finanziellen Forderungen Gazproms an die Moldau paradox. Der russische Gasgigant besitzt 50% der Anteile an Moldovagaz, ein russisch-moldauisches Gemeinschaftsunternehmen, das sämtliche Anlagen des Gassektors nebst Pipelines kontrolliert und betreibt. Zusätzlich ist Gazprom Treuhänder für 13,44% der Anteile, die sich im Besitz Transnistriens befinden. Der russische Konzern kann auch die Geschäftspolitik von Moldovagaz voll und ganz bestimmen, denn vier der sechs Chefs des Aufsichtsrats, einschließlich seines Vorsitzenden, sind Gazprom-Mitarbeiter. Trotz dieser Besitz- und Kontrollverhältnisse strengte der russische Konzern vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof an der Handelskammer in Moskau eine Klage an, um die Schulden von Moldovagaz, zur Hälfte also von sich selbst, einzutreiben. Das Gericht urteilte zuerst, Gazprom hätte seine Klage an Tiraspolgaz, eine Tochtergesellschaft von Moldovagaz, richten sollen. Dagegen legte der russische Gaskonzern Berufung mit der Begründung ein, sein Vertrag sei nicht mit Tiraspolgaz, sondern mit Moldovagaz geschlossen. Das Gericht folgte letzten Endes dieser Sicht und erklärte, Moldovagaz sei für die Schuldenbegleichung verantwortlich.16 Geht man davon aus, dass Transnistrien (wie oben erwähnt) seit 2009 nicht mehr für Erdgasbezüge bezahlt, kommt man auf erhebliche Beträge russischer Subventionen. Dafür spricht 13 Расчеты населения за газ в Приднестровье превышают 95% (Zugriff 11.5.2011). 14 So der moldauische Internet-Nachrichtenservice ru.interlink.md vom 6.4.2011, Приднестро� вье выходит на заключение прямых договоров с Газпромом на поставку газа (Zugriff 12.6.2001). 15 Siehe die ausführliche Darstellung bei Chloe Bruce and Katja Yafimava, Moldova’s Gas Sector, in  : S. Pirani (Hrsg.), Russian and CIS Gas Markets and their Impact on Europe (Oxford  : Oxford University Press, 2009), S. 174–180. 16 Bruce und Yafimava, Moldova’s Gas Sector, op. cit. (wie Fn. 15), S. 175–176.



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die folgende Berechnung  : Moldovagaz hat mit Gazprom für das Jahr 2011 den Bezug von 3,3 Mrd. Kubikmetern Erdgas zum Preis von $293,8 pro tausend Kubikmeter vereinbart. Davon beträgt die für Tiraspolgaz bestimmte Menge 2 Mrd. Kubikmeter, was einen Betrag von $588 Mio. ausmacht.17 Natürlich vermehren sich jedes Jahr die Zinszahlungen auf die derzeit aufgelaufenen $2,1 Mrd. Gasschulden, für die Tiraspol ebenfalls nicht aufkommt. Die praktisch kostenfreien Lieferungen russischen Gases sind von erheblicher Bedeutung, denn sie sichern die Wettbewerbsfähigkeit der transnistrischen Industrie auf dem russischen und dem EU-Markt. Über die Gassubventionen hinaus profitiert Tiraspol allerdings auch von Vorzugsbedingungen verschiedener Art im Handel, von günstigen Krediten sowie von Sozialhilfe. Letztere erfolgt in Form eines Zuschusses in Höhe von $15 für die 137.000 transnistrischen Pensionäre. Im April 2011 wurde diese Unterstützung dahingehend modifiziert, dass Transnistrien von Russland jedes Quartal $6,3 Mio. für Sozialleistungen, eingeschlossen der Zuschüsse zu den Pensionszahlungen, erhält. Wenn derartige Beträge auch keine besondere Belastung für den russischen Staatshaushalt darstellen, sind sie doch ein wichtiger symbolischer Beitrag, der die russische Unterstützung für die separatistische Region unterstreicht. Die russischen Subventionen unterstreichen die Tatsache, dass die relative wirtschaftliche Unabhängigkeit Transnistriens im Verhältnis zur Moldau im engeren wie im übertragenen Sinne von Russland „geborgt“ ist. Nach westlichen Angaben soll sich die russische Subventionierung auf insgesamt $500 Mio. pro Jahr belaufen,18 laut Angaben der Handels- und Industriekammer Transnistriens sogar auf $700 Mio.19 17 Quellen  : Moldova Facing Price Shock from Gazprom (Zugriff 12.5.2011), Gazprom Venture, Moldova Argue Over Gas Price (Zugriff 12.5.2011) und Moldova Natural Gas Consumption http  ://www.indexmundi.com/moldova/ natural_gas_consumption.html (Zugriff 12.5.2011). 18 Diese Zahl wird immer wieder in westlichen Diskussionen genannt, auch im 3. IILP-Experten-Workshop zum Konfliktmanagement, Schwerpunkt  : Moldau und Transnistrien am 24.– 25.03. 2011 in Wien. Es war allerdings dem Autor nicht möglich, irgendwelche Berechnungen dieser Zahl in westlichen Quellen zu finden. 19 Diese Zahl wurde Manfred Grund, Mitglied des Bundestages der Bundesrepublik Deutschland, bei einem Besuch in Tiraspol von führenden Vertretrern der Handels- und Industriekammer Transnistriens genannt. Diese Angabe ist allerdings erklärungsbedürftig, denn es würde im Interesse Transnistriens liegen, um die Eigenständigkeit der „PMR“ zu beweisen,

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Die relative Widerstandsfähigkeit Transnistriens gegenüber möglichem wirtschaftlichem Druck seitens der Moldau beruht nicht nur auf der russischen Unterstützung, sondern zweitens auf seinen Verbindungen zum westlichen Ausland. Nahezu alle großen transnistrischen Unternehmen haben Geschäftspartner in Europa gefunden. Dazu gehören unter anderen die Firmen Moldavizolit, Moldavkabel, Tighina, Floare, Tirotex, Odema, MMZ und Vestra. Alleine mit Deutschland gibt es mindestens 18 Gemeinschaftsunternehmen.20 Der dritte Faktor, der Transnistriens Wirtschaft gegenüber äußerem Druck relativ unempfindlich macht, ist der illegale Handel. Genaue Zahlen lassen sich nach Lage der Dinge nicht ermitteln, aber die Tatsache, dass Transnistrien aus dem Schmuggel von Drogen und Zigaretten, illegalen Waffengeschäften sowie dem Schleusen von Menschen gut verdient, ist unbestreitbar. Das Haupteinkommen aus illegalen Geschäften scheint allerdings in der illegalen Handelspraktik zu bestehen, derzufolge Waren über die Moldau und die Ukraine als für Transnistrien im Transit bestimmt und dadurch unter Vermeidung von Einfuhrzöllen und Mehrwertsteuer eingeführt und dann in diese beiden Länder reexportiert werden. Während die von der Europäischen Kommission im Jahre 2005 mit den Regierungen in Chişinău und Kiew an den Grenzen zwischen der Moldau einschließlich Transnistriens und der Ukraine vereinbarte und ab März 2006 funktionierende Beobachtungsmission (EUBAM) als verhältnismäßig erfolgreich in Bezug auf die Einschränkung des Schmuggels angesehen werden kann, hat die Beobachtermission keine Handhabe, das Reexportgeschäft zu unterbinden. Der vierte Faktor, der erfolgreichem wirtschaftlichem Druck Chişinăus auf Tiraspol entgegensteht, ist die Abhängigkeit der Moldau vom separatistischen Regime. Auch dabei spielen vielfältige Faktoren eine Rolle, vor allem aber wiederum die Energie. Die oben erwähnten Wasserkraftwerke in Dubasari die Abhängigkeit von Russland herunterzuspielen. Dies ist vermutlich der Grund dafür, dass die schriftliche Anfrage des Verfassers bei der Handelkammer (Торгово-промышленнaя палатa ПМР