Probleme des Neokolonialismus: Die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus [Reprint 2021 ed.] 9783112538104, 9783112538098


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German Pages 38 [41] Year 1964

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Probleme des Neokolonialismus: Die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus [Reprint 2021 ed.]
 9783112538104, 9783112538098

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN VORTRÄGE UND SCHRIFTEN HEFT 83

JOHANN

LORENZ

SCHMIDT

PROBLEME DES NEOKOLONIALISMUS Die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus

AKADEMIE-VERLAG 1963

• BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8, Leipziger S t r a ß e 3-4 Copyright 1963 b y Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 . 100/161/63 Gesamtherstellung: IV/2/14 • VEB Werkdruck Gräfenhainichen • 1943 Bestellummer: 2003/83 • ES 5 B 2,8 • 6 B 2,5 • Preis DM 2 , -

PROBLEME DES

NEOKOLONIALISMUS

Einer der wichtigsten Aspekte der Expansion des wiedererstandenen deutschen Imperialismus ist die neokoloniale Expansion der westdeutschen Monopole. Die Rolle dieser neokolonialen Expansion in der westdeutschen Wirtschaft und ihre Gefährlichkeit für die Völker der ökonomisch-schwachentwickelten Länder nimmt ständig zu. Deshalb ist es von besonderer Dringlichkeit den westdeutschen Neokolonialismus zu untersuchen, um zu seiner Bekämpfung stärker beitragen zu können. Hierbei darf man nicht in den häufig begangenen Fehler verfallen, daß man nur die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus sieht und nicht berücksichtigt, was er mit der von den anderen imperialistischen Mächten durchgeführten neokolonialen Ausbeutung gemeinsam hat. Die neokoloniale Expansion der westdeutschen Monopole wirkt nicht nur durch ihre besonderen Merkmale, sondern auch durch ihre Aspekte, die dem Wesen des Neokolonialismus überhaupt eigen sind. Deshalb geht diese kurze Arbeit von der Untersuchung des Wesens des Neokolonialismus aus, um dann auf die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus einzugehen. Wir beschränken uns hierbei auf die Darlegung einiger der wichtigsten Probleme, in vollem Bewußtsein der Tatsache, daß wir nicht wenige Probleme nur ganz kurz berühren. Noch immer diskutieren die marxistisch-leninistischen Ökonomen darüber, ob die Methoden der neokolonialen Ausbeutung der Völker der ökonomisch schwachentwickelten Länder neu sind oder ob sie bereits früher, vor dem faktischen Zerfall des imperialistischen Kolonialsystems, angewandt wurden. Manche Ökonomen versuchen nachzuweisen, daß alle Methoden des Neokolonialismus von den imperialistischen Mächten bereits früher angewandt worden sind. So vertritt zum Beispiel der französische marxistische Ökonom J. Suret Canale die Meinung, daß der Neokolonialismus im Prinzip nichts Neues darstellt, sondern von den USA in Lateinamerika bereits seit langer Zeit praktiziert wird. Andere Ökonomen behaupten, daß lediglich eine immer stärkere Gewichtsverlagerung von den direkten zu den bereits auch früher angewandten indirekten Ausbeutungs-

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methoden stattfindet. DerAutor des Abschnitts „Neue Formen der Kolonialpolitik" im Lehrbuch „Grundlagen des Marxismus-Leninismus" vertritt diese Auffassung. Andere sind der Ansicht, daß die neokoloniale Ausbeutung überwiegend mit neuen Methoden vor sich geht. Durch Diskussion über diese Frage kann das Wesen des Neokolonialismus nicht erfaßt werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die imperialistischen Mächte, wo es die konkreten Kräfteverhältnisse erlauben, auch noch die alten Methoden der kolonialen Ausbeutung und Unterdrückung anwenden und auch von dem Gebrauch militärischer Gewalt nicht Abstand nehmen. Die Geschichte der kolonialen Ausbeutung und Unterdrückung zeigt uns auch, daß viele der spezifisch neokolonialen Methoden bereits Vorläufer in der Vergangenheit hatten. Wir werden im Verlauf dieser Arbeit Beispiele dafür anführen. Doch dies ändert nichts am neuen, spezifischen Charakter des Neokolonialismus. Dieses Neue liegt nicht etwa in der Änderung des Charakters des Imperialismus. Nicht das Wesen des Imperialismus hat sich geändert, sondern die internationalen Kräfteverhältnisse. Die siegreiche Entwicklung des sozialistischen Weltsystems und die stürmische Entfaltung des nationalen antiimperialistischen Befreiungskampfes machen es dem geschwächten Imperialismus in wachsendem Maße unmöglich, die koloniale Ausbeutung der Völker der ökonomisch schwachentwickelten Länder in den bisherigen Formen weiterzuführen. Man kann das Wesen des Neokolonialismus nicht vollständig erfassen, wenn man nicht in Betracht zieht, daß die fieberhafte neokoloniale Aktivität der imperialistischen Mächte zwar in sehr starkem Maße, jedoch nicht ausschließlich durch das direkte Profitstreben der Monopole bestimmt wird. Durch die Entstehung und siegreiche Entwicklung des sozialistischen Weltsystems und die Siege der antikolonialen Revolution sehen die Monopole nicht nur ihre konkreten Profite bedroht, sondern auch die ganze Gesellschaftsordnung, welche diese Profite überhaupt ermöglicht. Deshalb ist die neokoloniale Politik des Monopolkapitals neben der direkten Sicherung der Kolonialprofite auch darauf ausgerichtet, der Gefahr, von der sich das gesamte monopolkapitalistische System bedroht sieht, entgegenzuwirken. Daraus resultiert die antikommunistische Stoßrichtung, die dem ganzen Neokolonialismus eigen ist, sowohl seinem ökonomischen Aspekt wie seiner Politik, als auch seiner hektischen ideologischen Aktivität. Der Antikommunismus ist eines der wichtigsten Merkmale des Neokolonialismus. In welchem Maße die Befürchtungen um die Zukunft des Kapitalismus und die damit engsten s verbundene antikommunistische Stoßrichtung den

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Neokolonialismus bestimmen, zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit in einem Bericht, den führende bürgerliche Ökonomen der USA im Auftrage des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des USA-Senats 1958 fertigstellten. Dieser Bericht enthält u. a. folgende Äußerungen: „Die stürmische ökonomische Entwicklung macht es der Sowjetunion möglich ihren Einfluß auf die unterentwickelten Länder auf Grund der geleisteten Hilfe und des Handels, aber auch auf Grund des Beispiels der diese Länder verlockenden rapiden ökonomischen Entwicklung zu erweitern." „Die USA sollten (deshalb) zusammen mit anderen hochentwickelten Ländern die Initiative ergreifen zur Ausarbeitung einer gegen die sowjetische Offensive gerichteten und auf die zurückgebliebenen Länder konzentrierten kollektiven Strategie der ökonomischen Entwicklung. Diese kollektive ökonomische Strategie ist ebenso notwendig wie die kollektive militärische Strategie bei einer Aggressionsgefahr." „Falls die Ressourcen der unterentwickelten Länder an den kommunistischen Block verloren gingen, würde dies eine vollständige Veränderung der Weltbilanz zugunsten der Sowjetunion herbeiführen." 1 Der Prozeß des faktischen Zerfalls des imperialistischen Kolonialsystems und der Entstehung der jungen souveränen Staaten bedeutet die zunehmende Liquidierung des Kolonialmonopols. Diese Liquidierung ergibt sich, wohlgemerkt, nicht aus der bloß formalen staatlichen Selbständigkeit dieser jungen souveränen Staaten. Denn, wie die Geschichte des imperialistischen Kolonialsystems zeigt, können auch formal selbständige Staatengebilde durchaus Objekte des imperialistischen Kolonialmonopols sein. Die umfassendste, weitestgehende, vollständigste Form des Kolonialmonopols ist der Besitz von Kolonien. Das imperialistische Kolonialmonopol umfaßt jedoch auch die ökonomisch schwachentwickelten Länder, die zwar formal staatlich selbständig sind, deren Rohstoffquellen und Märkte jedoch ausschließlich von den Monopolen der imperialistischen Mächte beherrscht werden, und die diesen Monopolen als exkulsive Kapitalanlagesphären zur Verfügung stehen. Dieses imperialistische Kolonialmonopol besteht auch dann, wenn diese Ausschließlichkeit von den Monopolen verschiedener imperialistischer Mächte ausgeübt wird. So unterliegt es unseres Erachtens keinem Zweifel, daß der formal selbständige Staat Iran, wo englische und USA-Monopole vorherrschen, und westdeutsche sowie andere Monopole 1

Corporation for Economic and Industrial Research: „Economic Problems in USA Foreign Policy", New York 1959.

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eindringen, ebenso von dem imperialistischen Kolonialmonopol beherrscht wird, wie etwa Kuwait, das eine englische und Peru, das eine USA-Halbkolonie ist. Wenn wir vorher von der zunehmenden Liquidierung des imperialistischen Kolonialmonopols sprachen, so meinten wir nicht nur das rapide, ja fast abgeschlossene Verschwinden des Kolonialbesitzes der imperialistischen Mächte, sondern auch das zunehmende Verschwinden des Kolonialmonopols im breitesten Sinne des Wortes, das auch die ausschließliche ökonomische Beherrschung der formal selbständigen, wirtschaftlich schwachwachentwickelten Länder umfaßt. Denn man kann nicht mehr von einem Kolonialmonopol der imperialistischen Mächte sprechen, wenn in Ländern wie Ghana oder Indien, und vielen anderen jungen souveränen Staaten, die imperialistischen Mächte weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit eine Exklusivität mehr besitzen, sondern diese Länder mit den Staaten des sozialistischen Weltsystems in rapid zunehmendem Maße einen äquivalenten Handel mit für sie sehr günstigen Bedingungen betreiben und von diesen Ländern immer mehr echte Hilfe auch in Form von niedrigverzinsten Anleihen und in Form von technischer Hilfe erhalten, um Betriebe aufzubauen, die für die Stärkung ihrer ökonomischen Selbständigkeit und Festigung ihrer politischen Unabhängigkeit lebenswichtig sind. Mitentscheidend ist hierbei auch die auf die Kraft der antiimperialistischen nationalen Befreiungsbewegung beruhende Politik dieser Länder, die darauf ausgerichtet ist, ihre neuerkämpfte Souveränität nicht auf eine bloße Formalität herabsinken zu lassen, sondern ihre politische und ökonomische Selbständigkeit zu stärken. In solchen Ländern kann man nicht mehr von einem imperialistischen Kolonialmonopol, auch nicht im breitesten Sinne des Wortes, sprechen. Hinzu kommt noch, daß während das imperialistische Kolonialmonopol im Sinne des monopolistischen Kolonialbesitzes bereits auf einen geringen Rest zusammengeschrumpft ist und in der allernächsten Zukunft zweifellos vollständig verschwinden wird, und das Kolonialmonopol im Sinne der ausschließlichen Beherrschung der Wirtschaft von staatlich formal selbständigen ökonomisch schwachentwickelten Ländern durch die imperialistischen Monopole sich bereits in einem Prozeß der zunehmenden Liquidierung befindet, die Entwicklung in Kuba mit besonderer Deutlichkeit gezeigt hat, daß die imperialistischen Mächte in den jungen souveränen Staaten, wie überhaupt in den ökonomisch schwachentwickelten Ländern, auch ein anderes Monopol verlieren: das Monopol des kapitalistischen Entwicklungsweges.

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Die Entstehung und Entwicklung des Monopolkapitalismus war unzertrennbar mit dem Kolonialmonopol verbunden. Doch dies bedeutet keinesfalls, daß, wie manche Ökonomen annehmen, der Monopolkapitalismus, der Imperialismus, bis zu seinem endgültigen Verschwinden notwendigerweise das Kolonialmonopol besitzen wird. Allerdings ist der Monopolkapitalismus auf die Ausbeutung der Bevölkerung ökonomisch schwachentwickelter Länder unbedingt angewiesen. Deshalb versuchen die imperialistischen Mächte, diese koloniale Ausbeutung trotz der völlig veränderten Kräfteverhältnisse mit allen dazu geeigneten Methoden weiter aufrechtzuerhalten. Wir können in diesem Sinne den Neokolonialismus als die koloniale Ausbeutung in der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus, in der Epoche der siegreichen Entwicklung des sozialistischen Weltsystems und der Siege der antikolonialen Revolution, in der Zeit des im Verschwinden begriffenen Kolonialmonopols bezeichnen. Es wäre jedoch völlig falsch, den durch die Entwicklung des sozialistischen Weltsystems, den Zerfall des Kolonialsystems und die Verschärfung seiner inneren Widersprüche geschwächten Imperialismus als für die jungen souveränen Staaten nicht mehr gefährlich anzusehen. Obwohl der Neokolonialismus auf längere Sicht zweifellos keine Perspektive hat, und, wie der ganze Imperialismus zu einem unaufhaltsamen Untergang verurteilt ist, sind die imperialistischen Mächte je nach der ökonomischen Entwicklungsstufe und der Entwicklung der Klassenkräfte in den einzelnen jungen souveränen Staaten noch in der Lage, die meisten von ihnen in einem Zustand der mehr oder weniger starken wirtschaftlichen Abhängigkeit zu halten, die unter gewissen Umständen auch zur politischen Abhängigkeit führen kann. Deshalb muß der antiimperialistische Kampf um die Festigung der politischen Unabhängigkeit und um die völlige wirtschaftliche Selbständigkeit auch nach der Erreichung der staatlichen Souveränität weitergeführt werden, um so mehr als den imperialistischen Mächten in einigen Fällen gelungen ist, ihre Positionen in verschiedenen jungen souveränen Staaten nach ihrer Befreiung vom Kolonialjoch sogar zu verstärken und den bereits erreichten Grad der Befreiung dieser Länder zeitweilig zu verringern. Die imperialistischen Mächte unternehmen sogar ständig Versuche, die jungen souveränen Staaten ihrer vor kurzer Zeit erkämpften politischen Unabhängigkeit völlig zu berauben und ihr Kolonialmonopol wieder zu errichten. Die Gefährlichkeit dieser neokolonialen Politik der imperialistischen Mächte wird dadurch erhöht, daß ihre Haupttriebkraft die stärkste imperialistische Macht, der USA-Imperialismus ist,

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der mit allen Mitteln versucht, diese neokoloniale Politik zentral zu organisieren und zu leiten. Die Monopole der USA verfolgen damit das Ziel, sich den höchsten Anteil an den neokolonialen Profiten zu sichern und den Neokolonialismus in den Dienst ihrer Weltherrschaftspläne und ihrer Kriegsvorbereitungen gegen das sozialistische Weltsystem zu stellen. Die noch in verschiedenen Graden vorhandene wirtschaftliche und politische Abhängigkeit der jungen souveränen Staaten von den imperialistischen Mächten beruht letzten Endes auf der Tatsache, daß sie ökonomisch schwachentwickelte Länder sind, die zwar zum Teil nicht mehr zum imperialistischen Staatensystem gehören, jedoch noch Teile der kapitalistischen Weltwirtschaft sind. Infolgedessen bilden sie, wie das Programm der KPdSU sagt, einen immer noch von den kapitalistischen Monopolen ausgebeuteten Teil der Welt. Das Hauptbestreben der Monopole geht darauf hinaus, diese jungen souveränen Staaten, trotzdem sie keine Kolonien mehr sind, im kapitalistischen Weltwirtschaftssystem zu halten und sie auf Grund ihrer wirtschaftlichen Zurückgebliebenheit auch weiterhin als Quellen billiger Rohstoffe, Absatzmärkte für monopolistisch verteuerte Industrieprodukte und als günstige Kapitalanlagesphären sowie zu strategischen Zwecken zu benutzen. Um hierfür trotz der Liquidierung des kolonialen Status die günstigsten Voraussetzungen zu schaffen, versuchen die imperialistischen Mächte, die Unabhängigkeit der jungen souveränen Staaten zu einer bloßen Formsache herunterzudrücken. Es ist eine charakteristische neue Methode des Neokolonialismus, daß die imperialistischen Mächte in verschiedenen Fällen die Entstehung formal unabhängiger Staaten sogar fördern, um die koloniale Ausbeutung ihrer Bevölkerung weiter durchführen zu können. Dies geschieht so, daß die betreffenden imperialistischen Regierungen die Staatsgewalt den Stammesfürsten, bzw. Sultanen, bzw. den halbfeudalen Großgrundbesitzern bzw. in gegebenen Fällen den Schichten der einheimischen Bourgeoisie übergeben, die bisher die soziale Hauptbasis des Imperialismus in der betreffenden Kolonie waren, und die den Monopolen auch in der Zukunft die Beibehaltung ihrer ökonomischen Machtpositionen garantieren. Diese Machtübergabe an die soziale Hauptbasis des Imperialismus erfolgt als ein Versuch zu verhindern, daß die Unabhängigkeit durch antiimperialistische Kräfte erkämpft wird, die den Monopolen die Beibehaltung ihrer Positionen keinesfalls garantieren. Infolgedessen können wir unter den jungen souveränen Staaten, die im Prozeß des faktischen Zerfalls des imperialistischen Kolonialsystems entstanden sind, neben jungen Nationalstaaten, die einen relativ hohen Grad der Unabhängigkeit erkämpften und sie weiter

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festigen, auch eine ganze Reihe von Abstufungen geringerer Unabhängigkeit finden, bis zu solchen jungen Staaten, deren Unabhängigkeit bloß formaler Natur ist und dem halbkolonialen Status nahekommt. Das krasseste Beispiel dafür ist die Entstehung des jungen „souveränen" Staates Mauretanien, dessen gesamte Regierung vom französischen Kolonialministerium ernannt wurde und von ihm ihren Staatshaushalt finanziert bekommt. Dieser junge Staat wurde vom französischen Imperialismus geschaffen, um die koloniale Ausbeutung der reichen Bodenschätze dieser Region zu sichern und die Besitzansprüche des jungen Nationalstaates Marokko mit dem Hinweis auf die „Eigenstaatlichkeit" dieser Region ablehnen zu können. Wir könnten noch eine ganze Reihe ähnlicher Beispiele anführen. Bei dieser Schaffung neuer formell selbständiger Staaten zwecks leichterer Weiterführung der Ausbeutung in neokolonialen Formen, zeigt sich besonders deutlich das spezifische Verhältnis zwischen „Altem" und „Neuem" im Neokolonialismus. Bereits vor über vierzig Jahren haben imperialistische Mächte formal politisch unabhängige Staaten geschaffen, um ihre koloniale Ausbeutung zu erleichtern und zu tarnen. Bereits vor vierzig Jahren sagte Lenin darüber: „Man muß insbesondere im Auge behalten die Notwendigkeit, unter den breiten Massen der Werktätigen aller, insbesondere aber der zurückgebliebenen Länder, unentwegt jenen Betrug aufzudecken und anzuprangern, den die imperialistischen Mächte systematisch begehen, indem sie scheinbar politisch unabhängige Staaten schaffen, die jedoch wirtschaftlich, finanziell und militärisch vollständig von ihnen abhängig s i n d , . . . " 2 Obwohl es sich also bei den vorher von uns geschilderten Vorgängen der „Schaffung" bloß formal selbständiger Staaten um Prozesse handelt, die bereits vor mehr als vierzig Jahren Vorläufer in der Geschichte der imperialistischen Kolonialpolitik hatten, können wir die Konstituierung des „souveränen" Staates Mauretanien, und die zahlreichen ähnlichen Fälle nicht als eine bloße Wiederholung der Anwendung alter Kolonialmethoden bezeichnen. Denn die Schaffung solcher nur formell selbständiger Staaten in den letzten Jahren zur Erleichterung ihrer neokolonialen Ausbeutung erfolgte unter dem ungeheueren Druck und als Folge der weltweiten antiimperialistischen nationalen Befreiungsbewegung. Deshalb wäre es auch vollkommen falsch, diese in der Epoche des faktischen Zerfalls des imperialistischen Kolonialsystems stattfindenden Vorgänge nur als ein Manöver der imperialistischen Mächte und nicht auch als einen Erfolg der 2

Lenin, W. /., Gesammelte Werke, Bd 31, S. 138.

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antikolonialen Revolution und des sozialistischen Weltsystems anzusehen. Und die Entstehung dieser neuen Staaten ist auch deshalb zu begrüßen, weil die nationalen antiimperialistischen Kräfte selbst unter den Bedingungen der bloß formalen Unabhängigkeit dieser jungen Staaten größere Möglichkeiten für ihre Entfaltung haben, als früher in der Zeit der direkten Herrschaft des Imperialismus. Es wird oft angenommen, daß die Profite des Monopolkapitals aus der neokolonialen Ausbeutung unvermeidlicherweise niedriger sind als die Profite, welche die Monopole in der Epoche des „traditionellen" Kolonialismus erzielten. Diese Annahme ist irrig. In den jungen souveränen Staaten, die den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg beschreiten, verlieren zwar die Monopole letzten Endes jegliche Möglichkeit, Kolonialprofite zu erzielen. Die Monopole, deren Anlagen von jungen souveränen Staaten enteignet werden, um ihre ökonomische Selbständigkeit zu festigen, befinden sich in einer ähnlichen Lage. In den jungen Staaten, die aus dem selben Grunde die Ausbeutung der Bodenschätze durch ausländische Unternehmungen verbieten, verschwinden gleichfalls die daraus resultierenden Profitmöglichkeiten. Doch in allen anderen Fällen, und dies betrifft die meisten ehemaligen Kolonien, können die neokolonialen Profite unter Umständen ebenso hoch, ja sogar noch höher sein als die Profite, die in der Zeit des früheren, des „traditionellen" Kolonialismus erzielt wurden. Oft wird die Annahme von den notwendigerweise niedrigeren neokolonialen Profiten aus der Tatsache abgeleitet, daß die imperialistischen Mächte, bzw. die internationalen imperialistischen Finanzorganisationen durch die echte Hilfe der sozialistischen Länder an die jungen souveränen Staaten dazu gezwungen werden, an diese Staaten Kredite ebenfalls zu niedrigen Zinssätzen zu gewähren. Diese Anleihen werden jedoch zumeist zwecks Finanzierung von Aufträgen an die Monopole gewährt, wobei der niedrige Zinssatz vielfach kompensiert wird durch die enormen Profite, die von den Monopolen auf Grund dieser Aufträge erzielt werden. Oft wird gesagt, daß die neokolonialen Gesamtprofite der früheren Kolonialmacht schon deshalb notwendigerweise geringer sein müssen als die Gesamterträge der früheren kolonialen Ausbeutung, weil den ehemaligen Kolonialmächten in den nun zu jungen souveränen Staaten gewordenen ehemaligen Kolonien nicht mehr die Methoden der direkten Ausplünderung offenstehen. Bei dem Vergleich der neokolonialen Profite mit den Gesamterträgen der früheren kolonialen Ausbeutung muß man jedoch auch die Tatsache berücksichtigen, daß in der Epoche des Kolonialmonopols die imperialistischen Mächte einen nicht unerheblichen Teil der Ergebnisse

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der direkten Ausplünderung der Bevölkerung ihrer Kolonien für die Aufrechterhaltung eines großen Beamten-, Polizei- und Militärapparates zur Niederhaltung dieser Bevölkerung ausgeben mußten, während in den jungen souveränen Staaten solche Kosten aus dem Staatshaushalt dieser Länder selbst finanziert werden. Andererseits verursacht die in immer stärkerem Maß betriebene antikommunistische Propaganda der imperialistischen Mächte wachsende Ausgaben für sie. Als Beispiel sei nur erwähnt, daß allein die USA-Regierung in den jungen souveränen Staaten mehr als siebzig Veröffentlichungen antikommunistischen Inhalts, in den jeweiligen Landessprachen gedruckt, in enormen Auflagen gratis verteilen läßt. Eine unverhältnismäßig größere Ausgabe bedeutet für die imperialistischen Mächte, und zwar insbesondere für die USA, die sogenannte Militärhilfe, die den jungen Staaten gewährt wird, welche den von dem amerikanischen und englischen Imperialismus organisierten Militärpakten angehören. Man muß andererseits jedoch die Tatsache berücksichtigen, daß während die Propaganda- und Militärhilfs-Ausgaben aus dem Staatshaushalt, das heißt, aus Steuergeldern, finanziert werden, und die Waffenlieferungen für die Monopole enorme Profite bringen, in verschiedenen früheren Kolonien die Monopole der ehemaligen Kolonialmacht ihre Kapitalanlagen seit der Umwandlung dieser Kolonien in souveräne Staaten sogar erheblich erweitert haben und gegenwärtig sowohl was die Masse als was die Rate anbelangt, in manchen Fällen höhere Profite erzielen, als in der Zeit des alten Kolonialismus. So haben zum Beispiel die englischen Monopole ihre direkten Kapitalanlagen in Indien seit der Entstehung des jungen souveränen indischen Staates um rd. 70 % erhöht und beziehen heute aus dem unabhängigen Indien größere Profite, als aus dem Indien der Kolonialzeit. Was die Warenexporte anbelangt, fand allerdings eine Verlagerung der Profite statt, dadurch, daß die Exporte der Monopole vieler Massenbedarfsgüterindustrien nach verschiedenen jungen Staaten stark abnahmen, während die Ausfuhren der Monopole der Investgüterindustrie zunahmen. Bei der Beurteilung der möglichen Ausmaße der neokolonialen Profite der Monopole darf man auch einen weiteren Umstand nicht unberücksichtigt lassen, der von unseren Ökonomen meines Erachtens noch nicht genügend in Betracht gezogen wurde. Es mag zuerst unwahrscheinlich klingen, es entspricht jedoch den Tatsachen, daß der Zerfall des imperialistischen Kolonialsystems und die Entstehung der jungen souveränen Staaten für die aggressivsten imperialistischen Mächte nicht eine Einschränkung des Territoriums ihrer neokolonialen Expansion, sondern im Gegenteil, zeitweilig ihre erhebliche Erweiterung bedeutet. Wir sprechen

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von der Tatsache, daß die Umwandlung der meisten englischen, französischen und sonstigen Kolonien in junge souveräne Staaten den Monopolen der USA und Westdeutschlands die Möglichkeit gab und gibt, in diese Länder mit ihren Waren und Kapitalanlagen in breiter Front einzudringen und somit für ihre neokoloniale Expansion neue Territorien zu gewinnen, die ihnen bisher von den früheren Kolonialverwaltungen verschlossen waren. Ein großer Teil der hierdurch erzielten Profite der amerikanischen und westdeutschen Monopole werden zweifellos auf Kosten der Monopole der früheren Herrscherländer erzielt und bedeuten in diesem Sinne für die Gesamtheit des Imperialismus nicht neue neokoloniale Profite, sondern eine Umverteilung der bisherigen Profite. Ein Teil der Profite der amerikanischen und westdeutschen Monopole in den ehemaligen Kolonien der anderen imperialistischen Länder bedeutet jedoch insofern zusätzliche, neue Profite vom Standpunkt des gesamten Imperialismus, als es dem englischen, französischen und anderen Imperialismen infolge ihrer relativen ökonomischen Schwäche nicht möglich war, in ihren Kolonien alle Möglichkeiten der Ausbeutung und Profiterzielung auszunutzen. In diesem Sinne kann man sagen, daß die Monopole der USA und Westdeutschlands, wie in manchen Fällen auch Japans, in diesen ehemaligen Kolonien zum Teil nicht nur als Erben der ehemaligen Kolonialmächte, sondern auch als „zusätzliche Ausbeuter" auftreten, die durch ihr neokoloniales Eindringen in diese Länder nicht nur einen Teil der durch die bisherigen Kolonialherren erzielten Profite an sich reißen, sondern auch neue Profitmöglichkeiten erschließen. Besonders deutlich wird sich dieser Vorgang zeigen, sobald in der allernächsten Zeit das portugiesische Kolonialsystem völlig zerfallen wird und aus den zwei großen Kolonien Angola und Mozambique junge souveräne Staaten entstehen werden. Der portugiesischen Kolonialmacht war, trotz ihrer Profitgier, infolge ihrer ökonomischen Schwäche nicht möglich, in diesen Kolonien alle Profitmöglichkeiten durch entsprechende Kapitalanlagen usw. auszunutzen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nach der Liquidierung der portugiesischen Kolonialherrschaft die Monopole der anderen imperialistischen Mächte eine neokoloniale Offensive in diesen zwei großen Regionen beginnen werden, um hier hohe neokoloniale Profite zu erzielen. Auch im jungen souveränen Staat Algerien wird ein ähnlicher Prozeß stattfinden, falls das Land nicht den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg beschreitet. Zusammenfassend können wir nochmals betonen, daß die vom Monopolkapital erzielten neokolonialen Profite durchaus höher sein können, und

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in vielen Fällen tatsächlich höher sind, als die Profite in der Epoche des „traditionellen" Kolonialismus. Diese neokolonialen Profite können in verschiedenen jungen souveränen Staaten sogar zeitweilig noch weiter ansteigen - bis die zunehmenden Auswirkungen des sozialistischen Weltsystems und die wachsenden Erfolge des antiimperialistischen nationalen Kampfes dem eine Schranke setzen. Die Fortsetzung der Ausbeutung der jungen souveränen Staaten unter Anwendung der verschiedensten neokolonialen Methoden wird den Monopolen der imperialistischen Mächte durch eine Reihe von Faktoren erleichtert, von welchen nur einige der wichtigsten angeführt werden sollen. a) Die lange Kolonialzeit hinterließ in den jungen souveränen Staaten die Erbschaft einer schwachentwickelten und deformierten Wirtschaft. Dies bedeutete die Ausrichtung der Ökonomik dieser Länder auf den Bedarf der imperialistischen Mächte, oft sogar einer einzigen imperialistischen Macht; die einseitige Orientierung der landwirtschaftlichen Produktion und auch des Bergbaus auf einige wenige Waren für den Export; die völlig ungenügende, bzw. in vielen Ländern überhaupt fehlende Entwicklung der Industrie; die völlig ungenügende, bzw. in vielen Fällen überhaupt fehlende Akkumulation von einheimischem Kapital, usw. usf. All das erleichtert den Monopolen der imperialistischen Mächte die Ausbeutung dieser Länder durch Nichtäquivalententausch, Anleihen usw. b) Die jungen souveränen Staaten, wie auch die sonstigen ökonomisch schwachentwickelten Länder befinden sich zumeist in fast permanenten Zahlungsbilanzschwierigkeiten infolge der ständigen Schere zwischen den Preisen der von ihnen exportierten Rohstoffe und der von ihnen importierten Industrieprodukte, eine Preisschere, die durch die chronisch gewordene Agrarkrise noch erweitert wird. Hinzu kommt noch die tendenzielle Abnahme ihrer Exportmöglichkeiten verschiedener Rohstoffe, bei gleichzeitig steigenden Produktionskapazitäten, verursacht durch die steigende Herstellung synthetischer Rohstoffe in den hochindustrialisierten kapitalistischen Ländern sowie durch die Tendenz der Verwendung geringerer Rohstoffmengen pro Wareneinheit durch die Verbesserung der Produktionsmethoden. Infolge dieser ständigen Zahlungsbilanzschwierigkeiten sind die jungen souveränen Staaten und die sonstigen ökonomisch schwachentwickelten Länder ständig auf auswärtige Anleihen angewiesen. c) Den imperialistischen Mächten ist in den ehemaligen Kolonien ihre soziale Basis zum größten Teil erhalten geblieben: die Stammesfürsten, bzw. die Großgrundbesitzer, bzw. der rechte Flügel der nationalen Bour-

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geoisie, auf die sie in der Zeit der neokolonialen Ausbeutung noch mehr angewiesen sind als früher. Diese Schichten der einheimischen Ausbeuter, deren Interessen eng mit denen der ausländischen Monopole verbunden sind, erleichtern die Aufrechterhaltung der Positionen der ausländischen Monopole, an deren Profiten sie teilnehmen. A u c h die Tatsache, daß ein großer Teil der Intelligenz und der Facharbeiter der ökonomisch schwachentwickelten Länder in den imperialistischen Ländern ausgebildet wurde und wird, und zwar in der Sprache des Ausbeuterlandes, erleichtert bis zu einem gewissen Grade die Aufrecherhaltung der Positionen der Monopole. (Es darf allerdings nicht vergessen werden, daß andererseits ein Teil dieser Schichten zu den aktivsten Kämpfern der antiimperialistischen nationalen Befreiungsbewegung gehört.) d) Die jungen souveränen Staaten erstreben eine rapide Industrialisierung, um ihre ökonomische Selbständigkeit zu erreichen und um ihre politische Unabhängigkeit zu stärken. Da die sozialistischen Länder noch nicht alle dazu notwendigen

Investgüter

liefern können, sind diese

jungen

Staaten vorübergehend stark auf Maschinen- und Anlagenimporte aus den hochentwickelten kapitalistischen Ländern angewiesen, was von den Monopolen dieser Länder zu einer verstärkten Penetration ausgenützt wird, e) In verschiedenen jungen souveränen Staaten werden mehr oder weniger umfassende Agrarreformen durchgeführt und Bemühungen unternommen, die landwirtschaftliche Produktion zu mechanisieren. Wie mangelhaft diese Agrarreformen in verschiedenen dieser Länder auch sein mögen, und wie langsam auch die Mechanisierung

der Landwirtschaft in vielen

dieser

Länder fortschreitet, entsteht dadurch ein wachsender Bedarf an Traktoren und sonstigen Landmaschinen, der zum Teil bereits durch die Lieferungen sozialistischer Länder befriedigt wird, zum Teil jedoch noch den großen Landmaschinenmonopolen der imperialistischen Mächte beträchtliche Absatz- und Profitmöglichkeiten bietet. f) Die Regierungen verschiedener junger souveräner Staaten, wie auch von sonstigen ökonomisch schwachentwickelten Ländern verfolgen eine Politik der „Industrialisierung um jeden Preis", selbst um den Preis der Steigerung ihrer ökonomischen Abhängigkeit. U m möglichst .viele Zweigniederlassungen ausländischer Monopole in ihr Land zu ziehen, gewähren sie ihnen besonders günstige Bedingungen, wie a) kostenlose Überlassung von allem Land, das für die betr. Zweigniederlassung und alle ihre zukünftigen Erweiterungen notwendig ist; ß)

zollfreie Einfuhr aller notwendigen Maschinen, Rohstoffe usw.;

y) zehnjährige oder oft noch längere Steuerfreiheit;

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