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German Pages 326 Year 1998
FRANK LUDWIG
Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M l c h a e I K I o e p r er, BerUn
Band 82
Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz Eine Untersuchung arn Beispiel des anlagenbezogenen Immissionsschutzes nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
Von
Frank Ludwig
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ludwig, Frank: Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz : eine Untersuchung am Beispiel des anlagenbezogenen Immissionsschutzes nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz I von Frank Ludwig.Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 82) Zug!.: Würzburg, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09388-7
©
Alle Rechte vorbehalten 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hi1debrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-09388-7
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
.. Zur Burgführt die Brücke, leicht, dochfest Eurem Fuss: beschreitet kühn ihren schrecklosen Pfad!" Richard Wagner: Das Rheingold, Vierte Szene
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 1996 fertiggestellt und im Wintersemester 1996/97 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg als Dissertation angenommen. Die nachfolgende Gesetzgebung (insbesondere das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9. Oktober 1996) und das diesbezügliche Schrifttum wurden noch bis Juli 1997 berücksichtigt. Danken möchte ich zunächst Herrn Professor Dr. Franz-Ludwig Knemeyer, der meine Dissertation mit Wohlwollen und Geduld betreut hat und mir ein beträchtliches Maß an akademischer Freiheit gewährt hat. Herrn Professor Dr. Helmuth Schulze-Fielitz danke ich filr die Übernahme des Zweitgutachtens und filr seine Ratschläge hinsichtlich der Veröffentlichung. Herrn Professor Dr. Michael Kloepfer bin ich filr die Aufnahme in die "Schriften zum Umweltrecht" zu Dank verpflichtet. Schließlich danke ich dem Bundesministerium filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das diese Veröffentlichung mit einem Druckkostenzuschuß gellirdert hat. Ich widme diese Arbeit meinem Vater, der den ersten Anstoß zu dem Thema gegeben hat und mir in zahlreichen Gesprächen als Diskussionspartner zur VerfUgung stand, und Jarl, der ihre Vollendung begleitet hat. Bonn, im September 1997 Frank Ludwig
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung .................................................................... 25
Erster Teil
Immissionsschutz durch behördliche Anlagenüberwachungdas ordnungsrechtliche Modell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes § 1 Immissionsschutz als Staatsaufgabe .................................................................... 30 A. Umweltschutz - Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Gesellschaft .................. 30
B. Umwelt- und Immissionsschutz im Kontext der Staatsaufgabendiskussion ....... 31 I.
Grundlagen der Staatsaufgabendiskussion ................................................... 32 I. Staatszwecke - Staatsziele - Staatsaufgaben ........................................... 32
a) Staatszwecke .................................................................................... 33 b) Staatsziele ........................................................................................ 35 c) Staatsaufgaben als konkrete Handlungsanweisungen ...................... 36 aa) Staatsaufgaben aus dem Grundgesetz ....................................... 37 bb) Kritik der ausschließlich verfassungsbezogenen Betrachtungsweise ......................................................................................... 39 cc) Staatsaufgaben aus unterverfassungsrechtlichen Vorschriften . 40 2. Staatsaufgaben und öffentliche Aufgaben .............................................. 40 3. Zwischenergebnis: Der Begriff der Staatsaufgabe ................................. 43 II. Konsequenzen aus der Staatsaufgabendefinition .......................................... 43 I . Offener Aufgabenbestand ...................................................................... 43 2. Grenzen der Staatsaufgaben: Staatliche Verantwortung zwischen Über- und Untermaßverbot .................................................................... 44 III. Staatsaufgaben im Umwelt- und Immissionsschutzrecht ............................. 45 1. Staatsaufgabe Umweltschutz .................................................................. 45 2. Staatsaufgabe Immissionsschutz ............................................................ 46
Inhaltsverzeichnis
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs .................................................. 48 A. Systematische und steuerungswissenschaftliche Grundlagen ............................. 48 I.
Konditionalprogramme ................................................................................ 49
II. Finalprogramme ........................................................................................... 51 111. Verhältnis beider Programmierungsmodelle ................................................ 52 B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht .............................................................. 54 I.
Ordnungsrecht und konditionale Programmierung ...................................... 54
II. Ablauf des Gesetzesvollzugs nach dem Konditionalprogramm ................... 55 l . Vorgabe der materiellen und programmatischen Grundlagen durch den Gesetzgeber ..................................................................................... 55 2. Realisierung der gesetzgeberischenVorgaben durch die Verwaltung ... 57 a) Sachverhaltsermittlung..................................................................... 58 b) Maßstabskonkretisierung ................................................................. 58 aa) Untergesetzliche administrative Normsetzung ......................... 59 bb) Verwaltungsvorschriften .......................................................... 59 cc) Einzelfallkonkretisierung ......................................................... 60 c) Subsumtion und Entscheidung ......................................................... 60 d) Durchsetzung der Entscheidung....................................................... 61 e) Kontrolle .......................................................................................... 62 3. Zusammenfassung .................................................................................. 62 111. Gesetzesvollzug als eigene Tätigkeit des Staates ......................................... 62 1. Behördlicher Gesetzesvollzug als Grundlage des Verwaltungsrechts .... 63
2. Das allgemeine Polizeirecht als Musterbeispiel des behördlichen Vollzugsmodells..................................................................................... 64 3. Gründe fllr die starke Relevanz des behördlichen Vollzugsmodells im Recht der Gefahrenabwehr ................................................................ 65 a) Gefahrenabwehr als Ausdruck des Staatszwecks "Bewahrung der inneren Sicherheit" ........................................................................... 65 b) Das Erfordernis durchsetzungsfähiger Gewalt.. .............................. 66 c) Zeitliche und sachliche Rahmenbedingungen der Vollzugsent-
scheidung ......................................................................................... 66
IV. Überleitung zum behördlichen Vollzug im Bundes-lmmissionsschutzgesetz................................................................................................................ 67
Inhaltsverzeichnis
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz des BundesImmissionsschutzgesetzes ..................................................................................... 68 A. Immissionsschutz als regulatives Ordnungsrecht ............................................... 68
I.
Das Schutzprinzip......................................................................................... 69 1. Gesetzliche Verankerung ....................................................................... 69
2. Sicherheitsrechtliche Struktur ................................................................ 70 II. Das Vorsorgeprinzip ..................................................................................... 71 1. Gesetzliche Verankerung ....................................................................... 71
2. Inhaltliche Zielrichtung .......................................................................... 72 a) Risikovorsorge ................................................................................. 72 aa) Gefahr und Risiko .................................................................... 73 (1) Risikovorsorge unterhalb der SchweJle praktischer Vor-
steJlbarkeit ......................................................................... 73 (2) Risikovorsorge unterhalb der SchädlichkeitsschweJle ...... 74 bb) Inhalt der Risikovorsorge ......................................................... 75 cc) Grenzen der Risikovorsorge: Restrisiken ................................. 76 b) Ressourcenvorsorge ......................................................................... 77 c) Verhältnis von Risiko- und Ressourcenvorsorge ............................. 78 III. Zusammenfassung: Schutz und Vorsorge als materieBe Leitgedanken des Gesetzes ........................................................................................................ 79 B. Der behördliche Vo11zug nach dem BlmSchG ................................................... 80 I.
Genehmigungsbedürftige Anlagen ............................................................... 81 1. Eröffnungskontro He: Der behördliche Gesetzesvonzug im Wege der präventiven KontroJlerlaubnis ................................................................ 81
a) Behördliche Sachverhaltsermittlung ................................................ 82 aa) Informationen über die Anlage selbst und ihren Betrieb .......... 83 bb) Informationen über Schutz- und Vorsorgemaßnahmen ............ 84 cc) Informationen zur StörfaJlsicherheit ......................................... 84 dd) Informationen zur Behandlung der AbfäJle .............................. 85 ee) Informationen zur Wärmenutzung ............................................ 85 fl) Informationen zur Umweltverträglichkeit ................................ 85
gg) Weitergehende Informationen .................................................. 86
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Inhaltsverzeichnis hh) Immissionsprognose ................................................................. 87 b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen ............................ 88 aa) Konkretisierungen der Anforderungen fllr den Normalbetrieb. 88 (I) Schutzprinzip .................................................................... 88 (a) Luftverunreinigungen ................................................ 89 (b) Lärm .......................................................................... 91 (c) Sonstige schädliche Umwelteinwirkungen ................ 91 (d) Sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen ........................................... 92 (2) Vorsorgeprinzip ................................................................ 92 (a) Luftverunreinigungen ................................................ 92 (b) Lärm .......................................................................... 94 (c) Sonstige schädliche Umwelteinwirkungen ................ 94 (d) Vorsorge bei der Abfallbehandlung und der Wärmenutzung ...................................................................... 94 bb) Konkretisierung der Anforderungen im Hinblick auf Störfälle 94 cc) Konkretisierung sonstiger Genehmigungserfordernisse ........... 95 dd) Zusammenfassung .................................................................... 96 c) Subsumtion und Entscheidung ......................................................... 96 aa) Subsumtion ............................................................................... 96 bb) Entscheidung: Erteilung oder Versagung der Genehmigung.... 97 d) Durchsetzung der Entscheidung....................................................... 98 2. BefolgungskontroHe: Behördlicher Gesetzesvollzug durch Anlagenüberwachung .......................................................................................... 98 a) Sachverhaltsermittlung..................................................................... 99 b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen .......................... 100 c) ' Subsumtion und Entscheidung ....................................................... 100 aa) Nachträgliche Anordnungen ................................................... 101 bb) Betriebsuntersagung, Stillegung und Beseitigung .................. I 0 I cc) Aufhebung der Genehmigung ....... ........... ......... ..... ........ .. ..... . 10 1 II. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen .................................................... 102 1. Eröffnungskontrolle ............................................................................. 102
Inhaltsverzeichnis
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a) Eröffnungskontrolle aufgrund nicht-immissionsschutzrechtlicher Vorschriften ................................................................................... 103 b) Die Baumusterprüfung für Baumaschinen nach der 15. BlmSchV ................................................................................. 103 c) Sonstige Fälle ................................................................................. 104 2. Befolgungskontrolle ............................................................................. 105 a) Sachverhaltsermittlung................................................................... 105 b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen .......................... 106 aa) Rechtsverordnungen ............................................................... I 06
(I) Immissionswerte .. ..... ..... ... ...... ........ ..... ... ..... ...... ............. I 07 (2) Emissionswerte ............................................................... 108 (3) Technische und betriebsbezogene Anforderungen .......... I09 bb) Verwaltungsvorschriften ........................................................ IIO cc) Einzelfallkonkretisierung ....................................................... II 0 c) Subsumtion und Entscheidung....................................................... IIO aa) Anordnungen im Einzelfall .................................................... I li bb) Betriebsuntersagung ............................................................... I1I d) Durchsetzung der Entscheidung..................................................... II1 111. Zusammenfassung ...................................................................................... 1II
Zweiter Teil
Die Grenzen des behördlichen VollzugsmodellsVollzugsdefizite und Privatisierungspotentiale § 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite .................... I13 A. Der Begriff des Vollzugsdefizits ...................................................................... I 13
B. Gründe und Erscheinungsformen von Vollzugsdefiziten ................................. II5
I. Objektiv-sachbezogene Vollzugshemmnisse ............................................. II6 I. Personalmangel .................................................................................... II6
2. Mangel an Fachkenntnissen ................................................................. II6 3. Mangelnde technische Ausstattung...................................................... II8 II. Subjektiv-motivationsbezogene Vollzugshemmnisse ................................ II8
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Inhaltsverzeichnis C. Auswirkungen auf die einzelnen Elemente des Vollzugsprozesses .................. 121 I.
Ebene der Sachverhaltsermittlung .............................................................. 121
II. Ebene der Gesetzeskonkretisierung ............................................................ 123 III. Ebene der Subsumtion und Entscheidung .................................................. 125 IV. Ebene der Durchsetzung ............................................................................. 126 D. Zusammenfassung ............................................................................................ 126 I.
Defizite im genehmigungsabhängigen Vollzug.......................................... 126
II. Defizite im genehmigungsunabhängigen Vollzug...................................... 127 III. Der zeitliche Faktor .................................................................................... 128
§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug ............................... 130 A. Die Privatisierungsdebatte ................................................................................ 130 B. Der Begriff des Privaten ................................................................................... 131 C. Arten der Privatisierung.................................................................................... 132 I.
Formelle oder Organisationsprivatisierung ................................................ 133
II. Materielle oder Aufgabenprivatisierung ..................................................... 133 III. Funktionale Privatisierung ......................................................................... 136 IV. Vermögensprivatisierung ........................................................................... 139 V. Mischformen .............................................................................................. 139 D. Gründe flir Privatisierungen ............................................................................. 140 I. Ordnungspolitische Gründe ........................................................................ 140 I. Erhaltung der Leistungsfiihigkeit des Staates ....................................... 141
2. Sicherung gesellschaftlicher Freiräume................................................ 141 3. Politisch-weltanschauliche Hintergründe ............................................. 142 4. Schwerpunktbereiche ordnungspolitisch motivierter Privatisierungen 143 II. Finanzpolitische Gründe............................................................................. 144 I. Aktivierung externen Kapitals ............................................................. 144
2. Abbau von Defiziten ............................................................................ 145 III. Gründe der Effizienzsteigerung und der Vollzugsverbesserung ................ 146 E. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung ....................... 148 I.
Die Privatisierungsunfiihigkeit "originärer" Staatsaufgaben ...................... 149
Inhaltsverzeichnis II.
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Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG ....................................... 150
III. Die Vorschriften über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 87 ff. GG) ........................................................................................ 151 IV. Das Demokratieprinzip ............................................................................ 152 V.
Das Sozialstaatsprinzip ............................................................................ 153
VI. Der Vorbehalt des Gesetzes ..................................................................... 154 VII. Haushaltsrechtliche Vorschriften ............................................................. 156 VIII. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht ................................................. 157 IX. Grundrechtliche Aspekte.......................................................................... 158 1. Grundrechte als Eingriffsschranken ................................................... 158 2. Grundrechte als staatliche Schutzverpflichtungen ............................. 159 X.
Die Staatszielbestimmung Umweltschutz in Art. 20 a GG ...................... 161
XI. Fazit ......................................................................................................... 161 F. Privatisierung im Immissionsschutz .. .. .. .. ...... .. .. . .. .. .. ...... .. .. .... .. .. .. .... .. .. .. .. ........ 162
Dritter Teil
Der Einsatz Privater im geltenden Immissionsschutzrecht § 6 Vorbemerkung: Systematik der Darstellung .................................................... 165 § 7 Die Beteiligung Privater an der Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen ................................................................................................ 170 A. Die Pflicht des Setreibers zur Vorlage der Antragsunterlagen ......................... 170
B. Die Geltendmachung von Einwendungen durch Dritte .................................... 172 C. Der Einsatz von Sachverständigen ................................................................... 174 I.
Begriff und Wesen des Sachverständigen................................................ 174
II.
Verhältnis zum Amtsermittlungsgrundsatz .............................................. 175 l. Inhalt des Amtsermittlungsgrundsatzes nach§ 24 Abs. 1 VwVfG .... 176
2. Eigene Erkenntnismittel der Behörde ................................................ 177 3. Rückgriff auf die Erkenntnismittel anderer Behörden ......... , ............. 177 III.
Erscheinungsformen und Voraussetzungen des Sachverständigeneinsatzes ........................................................................................................ 180
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Inhaltsverzeichnis 1. Behördliche Gutachten ......................................................................... 180 a) Erforderliche Gutachten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 der 9. BlmSchV ................................................................................... 180 b) Gutachten zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV ................................................................... 182 2. Privatgutachten..................................................................................... 184 a) Einfache Privatgutachten gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV ................................................................................... 184 b) Qualifizierte Privatgutachten gemäߧ 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV ................................................................................... 185 IV. Anforderungen an die Sachverständigenbestellung.................................... 186 l. Besondere Sachkunde .......................................................................... 186 2. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit .................................................. 187 3. Die als Sachverständige in Frage kommenden Rechtssubjekte ............ 187 4. Der präzise Gutachtenauftrag ............................................................... 188 V. Fallgruppen der Sachverständigentätigkeit ................................................ 190 I. Ermittlungen zur Anlage selbst.. .......................................................... 190
2. Ermittlungen zu den anlagenexternen Sachverhaltsumständen ............ 191 3. Erstellung und Überprüfung von Sachverhaltsprognosen .................... 192 4. Sachverständigeneinsatz bei der Gesetzeskonkretisierung ................... 194 a) Stellung von Schädlichkeitsprognosen .......................................... 194 b) Bestimmung des "Stands der Technik".......................................... 195 5. Überprüfung der Sicherheitsanalyse .................................................... 196 VI. Der Einsatz von Sachverständigen als Element der Privatisierung ............ 197 D. Privates Verfahrensmanagement ...................................................................... 198 I.
Begriff und Verhältnis zum Sachverständigeneinsatz ... .... .. .. .. .. .. .. ...... .. .. .. . 198
II. Gesetzliche Grundlagen fllr ein privates Verfahrensmanagement.. ............ 201 I. § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 und§ 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV als normative Anknüpfungspunkte ............................................................ 201
2. Verhältnis zwischen den Vorschriften .................................................. 203 III. Mögliche Träger eines privaten Verfahrensmanagements.......................... 206 IV. Gegenstände eines privaten Verfahrensmanagements ................................ 206 1. Beratung des Antragstellers im Hinblick auf die Antragstellung ......... 207
Inhaltsverzeichnis
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2. Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen ............................. 209 3. Beratung der Behörde hinsichtlich der Beauftragung von Sachverständigen .............................................................................................. 210 4. Beteiligung anderer Behörden .............................................................. 211
5. Vorbereitung, Durchllihrung und Auswertung des Erörterungstermins ...................................................................................................... 211 6. Vorbereitung eines Entscheidungsentwurfs ......................................... 2 13 7. Zusammenfassung ................................................................................ 214 V. Privates Verfahrensmanagement als Element der Privatisierung ............... 214 E. Beleihung im Genehmigungsverfahren ............................................................ 215
§ 8 Die Beteiligung Privater an der Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen ................................................................................................ 217 A. Anzeigepflichten des Setreibers ....................................................................... 218 I.
Anzeigepflichten nach § 15 BlmSchG ....................................................... 218
II. Fortschreibung der Sicherheitsanalyse und des Verzeichnisses gefährlicher Stoffe gemäߧ§ 8 und 6 Abs. 3 der Störfaii-Verordnung .................. 219 III. Weitere Mitteilungspflichten aufverordnungsrechtlicher Basis ................ 220 IV. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten ..................................... 221 B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung ............................................. 222 I.
Ermittlungen durch behördlich Beauftragte ............................................... 223
II. Setreibereigene Überwachung ................................................................... 225 1. Begriffe: Setreibereigene Überwachung und Eigenüberwachung ....... 225
2. Messungen ........................................................................................... 226 a) Messungen durch betreiberbestellte Dritte ..................................... 226 aa) Gesetzliche Grundlagen .......................................................... 226 ( 1) Messungen aufgrund einer Anordnung der Überwachungsbehörde nach §§ 26, 28 BlmSchG ....................... 226 (2) Messungenaufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung ........................................................................ 227 (3) Messungenaufgrund einer Auflage zum Genehmigungsbescheid ................................................................. 228 bb) Umfang der Ermittlungen ....................................................... 229 2 Ludwig
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Inhaltsverzeichnis cc) Durchfllhrung durch bekanntgegebene Stellen im Sinne des § 26 BlmSchG ........................................................................ 229 dd) Weitergabe der Meßergebnisse an die Überwachungsbehörde ....................................................................................... 230 b) Kontinuierliche Messungen durch Meßgeräte ............................... 231 aa) Gesetzliche Grundlagen .......................................................... 231 ( 1) Kontinuierliche Messungen aufgrund einer Anordnung der Überwachungsbehörde nach § 29 Abs. 1 BimSchG . 231
(2) Kontinuierliche Messungen aufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung ........................................................ 232 {3) Kontinuierliche Messungenaufgrund einer Auflage zum Genehmigungsbescheid .................................................. 232 bb) Umfang der Ermittlungen ....................................................... 233 cc) Qualitätssicherung der Meßergebnisse durch Einbaukontrollen, Kalibrierung und Funktionsprüfung ................................ 233 dd) Weitergabe der Meßergebnisse an die Überwachungsbehörde ....................................................................................... 234 c) Eigenüberwachung im engeren Sinne ............................................ 234 aa) Messungen durch den Immissionsschutzbeauftragten nach § 28 Satz 2 BimSchG ............................................................. 234 bb) Periodische Messungen durch den Betreiber nach § 15 der 17. BlmSchV .......................................................................... 235 cc) Periodische Messungen durch den Betreibernach Ziffer 3.2.4 TA Luft.......................................................................... 236 3. Sicherheitstechnische Prüfungen .......................................................... 236 a) Sicherheitstechnische Prüfungen durch betreiberbestellte Dritte ... 236 aa) Sicherheitstechnische Prüfungen aufgrund einer Anordnung der Überwachungsbehörde nach § 29 a Abs. l BlmSchG ...... 236 bb) Sicherheitstechnische Prüfungenaufgrund einer Auflage zum Genehmigungsbescheid .................................................. 238 b) Sicherheitstechnische Eigenüberwachung ..................................... 239 aa) Eigenüberwachung aufgrund einer behördlichen Gestattung nach§ 29 a Abs. I Satz 2 BimSchG ....................................... 239 (1) Eigenüberwachung durch den Störfallbeauftragten ........ 239
(2) Eigenüberwachung durch sachverständige Betriebsangehörige nach Maßgabe des technischen Sicherheitsrechts 240
Inhaltsverzeichnis
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bb) Eigenüberwachung aufgrund normativer Verpflichtung ........ 241 cc) Eigenüberwachung aufgrundeiner Auflage zum Genehmigungsbescheid ........................................................................ 242 III. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten ..................................... 242 C. Die Pflicht zur Abgabe einer Emissionserklärung nach§ 27 BimSchG ........... 243
§ 9 Die Beteiligung Privater an der Kontrolle nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen ................................................................................................................ 246 A. Private Funktionen im Rahmen von Eröffnungsprüfungen .............................. 246
I. Die Übereinstimmungsprüfung fllr Rasenmäher nach § 4 Abs. 2 der 8. BimSchV ................................................................................................ 247 II. Die Herstellerbescheinigung fllr Öl- und Gasheizungsanlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 der I. BimSchV ....................................................................... 248 III. Die EWG-Baumusterprüfung fllr Baumaschinen nach§ 4 der 15. BimSchV .............................................................................................. 248 B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle ............................................. 250
I. Anzeigepflichten des Setreibers ................................................................. 251 II. Überwachung durch behördlich Beauftragte .............................................. 252 III. Die Überwachung von Kleinfeuerungsanlagen durch den Bezirksschornsteinfegermeister nach der I. BimSchV ..................................................... 253 I. Gegenstand und Durchflihrung der Messungen ................................... 253
2. Der Bezirksschornsteinfegermeister als Beliehener ............................. 254 3. Aufspaltung der Vollzugsentscheidungskompetenzen ......................... 254 IV. Setreibereigene Überwachung ................................................................... 256 I. Messungen ........................................................................................... 256 a) Messungen durch betreiberbestellte Dritte ..................................... 256 aa) Messungen aufgrund einer behördlichen Anordnung nach § 26 BimSchG ........................................................................ 256 bb) Messungenaufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung. 257 b) Kontinuierliche Messungen durch Meßgeräte ............................... 259 aa) Kontinuierliche Messungen aufgrund einer behördlichen Anordnung nach § 29 Abs. 2 BimSchG ................................. 259 bb) Kontinuierliche Messungenaufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung .................................................................. 260
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Inhaltsverzeichnis 2. Technische Prüfungen .......................................................................... 260 a) Technische Prüfungenaufgrund einer behördlichen Anordnung... 261 b) Technische Prüfungenaufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung ....................................................................................... 261 3. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten ............................... 263
§ 10 Private Normung............................................................................................... 264 A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung ...................... 265 I.
Die Anhörung der beteiligten Kreise beim Erlaß untergesetzlicher Konkretisierungsvorschriften gemäß § 51 BlmSchG ........................................ 265
II. Private Mitwirkung in staatlich institutionalisierten Gremien ohne Normsetzungsfunktion......................................................................................... 269
l. Die Störfali-Kommission nach § 51 a BlmSchG ................................. 270 2. Der Technische Ausschuß für Anlagensicherheit nach§ 31 a BlmSchG .............................................................................................. 271 3. Sonstige Beratungsgremien .................................................................. 272
B. Private Normung außerhalb des staatlichen Bereichs ....................................... 273 I.
Private Normungsverbände, insbesondere DIN und VDI........................... 273
II. Ablauf der Normungstätigkeit .................................................................... 274 111. Inhalt der Normungstätigkeit... ................................................................... 274 IV. Die Wirkung privater Normwerke .............................................................. 275 I. Verbindlichkeit infolge staatlicher Rezeption ...................................... 275 2. Keine weitergehende rechtliche Bindungswirkung .............................. 276 C. Zusammenfassung ............................................................................................ 277
§ 11 Indirekte Vollzugsunterstützung durch organisatorische Maßnahmen im betrieblichen Umfeld ................................................................................... 278 A. Grundüberlegungen zur Vollzugsrelevanz betriebsorganisatorischer Maßnahmen ............................................................................................................. 278
B. Die immissionsschutzrechtlichen Betriebsbeauftragten .................................... 281 I.
Erscheinungsformen: Immissionsschutzbeauftragter und Störfallbeauftragter ......................................................................................................... 281
II. Die Pflicht des Anlagenbetreibcrs zur Bestellung von Betriebsbeauftragten ......................................................................................................... 282
Inhaltsverzeichnis
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111. Der Status der Betriebsbeauftragten ........................................................... 283 IV. Aufgaben der Betriebsbeauftragten ............................................................ 285 1. Der Immissionsschutzbeauftragte ........................................................ 285
a) Initiativ- und Innovationsfunktion ................................................. 286 b) Kontroll- und Überwachungsfunktion ........................................... 287 c) Informations- und Kommunikationsfunktion ................................ 289 d) Repräsentationsfunktion ................................................................ 290 2. Der Störfallbeauftragte ......................................................................... 291 a) Initiativ- und Innovationsfunktion ................................................. 291 b) Kontroll- und Überwachungsfunktion ........................................... 292 c) Informationsfunktion ..................................................................... 293 d) Repräsentationsfunktion ................................................................ 294 C. Die Benennung eines Immissionsschutzverantwortlichen in der Unternehmensleitung nach § 52 a Abs. 1 BlmSchG ....................................................... 294 D. Die Pflicht zur Erstellung und Fortschreibung einer Sicherheitsanalyse nach §§ 7 und 8 der Störfan-Verordnung ................................................................. 296 E. Die allgemeine Pflicht zur immissionsschutzsichemden Betriebsorganisation und zur Mitteilung hierüber nach § 52 a Abs. 2 BlmSchG .............................. 298 I.
Die Setreiberpflicht zur immissionsschutzsichemden Betriebsorganisation ............................................................................................................. 299
II. Der Zweck der Mitteilungspflicht .............................................................. 300 I. Instrument der betrieblichen Eigenkontrolle ........................................ 300 2. Hilfsmittel der behördlichen Überwachung ......................................... 300 111. Umfang und Inhalt der Mitteilung.............................................................. 302
§ 12 Betrachtung und Ausblick ............................................................................... 304 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 309
Sachverzeichnis .......................................................................................................... 320
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
AbfG
Abfallgesetz
a.E.
am Ende
a.F.
alte Fassung
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv ftlr Öffentliches Recht
Art.
Artikel
BayPAG
Bayerisches Polizeiaufgabengesetz
BayVBl
Bayerische Verwaltungsblätter
BB
Betriebsberater
Bd.
Band
BGBl
Bundesgesetzblatt
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BimSchG
Bundes-Immissionsschutzgesetz
BimSchV
Bundes-Immissionsschutzverordnung
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
DB
Der Betrieb
DGO
Deutsche Gemeindeordnung
d.h.
das heißt
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung
DVBl
Deutsches Verwaltungsblatt
etc.
et cetera
f. I ff.
folgende I fortfolgende
Fn.
Fußnote
Abkürzungsverzeichnis GenVwVNW
Verwaltungsvorschrift des Landes Nordrhein-Westfalen zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren
GewArch
Gewerbearchiv
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
GK
Gemeinschafts-Kommentar zum Bundes-Immissionsschutz gesetz
GSG
Gerätesicherheitsgesetz
HdbStR
Handbuch des Staatsrechts
HdUR
Handwörterbuch des Umweltrechts
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
i.V.m.
in Verbindung mit
JZ
Juristenzeitung
KrW-/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
LAI
Länderausschuß fllr Immissionsschutz
LHO
Landeshaushaltsordnung
MEPoiG
Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NuR
Natur und Recht
NVwZ
Neue Zeitschrift fllr Verwaltungsrecht
NW
Nordrhein-Westfalen
NWVBL
Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter
OVG
Oberverwaltungsgericht
PoiGNW
Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen
PrOVG
Preußisches Oberverwaltungsgericht
Rn.
Randnummer
s.
Seite
Sp.
Spalte
23
24
Abkürzungsverzeichnis
SchomstFG
Schornsteinfegergesetz
StrSchVO
Strahlenschutzverordnung
Tz.
Teilziffer
u.
und
u.a.
und andere
UGB-AT
Umweltgesetzbuch-Allgemeiner Teil
UPR
Umwelt- und Planungsrecht
UTR
Umwelt- und Technikrecht
UVPG
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
VbF
Verordnung über brennbare Flüssigkeiten
VBlBW
Verwaltungsblätter ftlr Baden-Württemberg
VerwArch
Verwaltungsarchiv
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WHG
Wasserhaushaltsgesetz
WiVerw
Wirtschaft und Verwaltung
z.B.
zum Beispiel
ZG
Zeitschrift für Gesetzgebung
zit.
zitiert
ZUR
Zeitschrift fllr Umweltrecht
Einleitung und Gang der Untersuchung Privatisierung hat Konjunktur. Nachdem der staatliche Aufgabenbestand im Laufe der Jahrzehnte stetig angewachsen ist, der "Nachtwächterstaat" des 19. .Jahrhunderts sich immer mehr zum allzuständigen Dienstleistungsunternehmen filr Aufträge aller Art gewandelt hat, scheint das Pendel zum Ausgang unseres Jahrhunderts wieder zurückzuschlagen. Die Privatisierungen bei Post und Bahn sind nur die symbolträchtigsten und in der Öffentlichkeit am meisten registrierten Erscheinungsformen einer Entwicklung, die auf sehr viel breiterer Front darangeht, den Umfang der Staatstätigkeit zu vermindern. Aus der Beobachtung heraus, daß das quantitative Wachstum der Staatsaufgaben oftmals mit einer qualitativen Effektivitätsminderung der staatlichen Aufgabenerfilllung einhergegangen ist und in Teilbereichen schon jetzt die Grenze der staatlichen Leistungsfllhigkeit erreicht scheint, geht der Trend zu einer Beschränkung des Aufgabenwildwuchses. Die Losung heißt: Zurückverlagerung der Tätigkeiten vom Staat auf die Gesellschaft, vom öffentlichen Funktionsträger zum Privaten, oder in der Version eines griffigen Slogans: "Mehr Markt- weniger Staat". Geschichtliche Erfahrungen stehen bei diesen Überlegungen Pate. Das langjährig erfolgreiche Modell der Marktwirtschaft - bei dem man freilich nicht vergessen sollte, daß es seinen Erfolg auch und gerade der Koppelung mit dem Attribut "sozial" verdankt - und die jüngsten Erfahrungen mit dem Versagen der staatssozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung stützen die Vermutung, daß Eigenverantwortlichkeit und Eigeninitiative des Einzelnen das Gemeinwohl mitunter stärker zu befördern vermögen als staatliches Reglement. Dabei kann freilich die Kontroll- und Ausgleichsfunktion des Staates gegenüber dem freien Walten der gesellschaftlichen Kräfte nicht völlig aufgehoben werden, und genau an dieser Stelle befindet sich die Hauptkampflinie in der derzeitigen Privatisierungsdiskussion: wieviel Privatisierung ist möglich und wünschenswert, um die geforderte Staatsentlastung und Marktförderung zu bewirken, und wieviel Staat ist nötig, um eventuelle Fehlentwicklungen auffangen und korrigieren zu können? Gerade in der Frage dieser Wünschbarkeiten klaffen die verschiedenen politischen, ökonomischen und soziologischen Vorstellungen so weit auseinander, daß eine Fortsetzung der intensiven Debatte über Privatisierungen bis aufweiteres gesichert erscheint. Erfreut sich das Thema also in neuerer Zeit auch besonderer Aktual~tät, so ist die Privatisierung staatlicher Aufgaben doch kein völliges Novum. Vielmehr existieren schon seit längerem in den verschiedensten Bereichen Regelungen, die eine Beteiligung Privater an der Erftillung staatlicher Aufgaben oder doch
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Einleitung und Gang der Untersuchung
zumindest deren Durchfiihrung in privatrechtliehen Rechtsformen zum Gegenstand haben. Das betriffi in erster Linie die sogenannte Leistungsverwaltung, und dort vor allem den kommunalen Bereich. Wo es um die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge geht, wie um Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Abfall- und Abwasserbeseitigung, oder wo die Kommunen kulturelle, sportliche oder soziale Einrichtungen zur VerfUgung stellen, sind privatrechtliehe Organisationsformen sowie auch die Einschaltung privater Dritter in den jeweiligen Leistungsvorgang anerkannt und in mannigfaltiger Art und Weise üblich. Die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als realer Vorgang hat dort einen festen Standort. Auf Bundesebene gehören auch die jüngst durchgefiihrten Privatisierungen bei Post und Bahn in diesen Zusammenhang. Hingegen ist im Bereich der klassischerweise vom Ordnungsrecht bestimmten EiDgriffsverwaltung die Mitwirkung Privater an der hoheitlichen Aufgabenerfiillung vom Grundsatz her eine Ausnahmeerscheinung. Sehr viel stärker als im Leistungssektor wird dort die Erfiillung staatlicher Aufgaben noch ausschließlich durch "staatseigene" Kräfte in den typischen Handlungsformen der staatlichen Verwaltung durchgefilhrt. Jedoch existieren auch insoweit schon Ansätze zu einer Einbindung privater Funktionsträger in die staatliche Tätigkeit, wie sich etwa an den Rechtsfiguren des Beliehenen und des Verwaltungshelfers ablesen läßt. Geht es also um die Frage, inwieweit staatliche Aufgaben von Privaten wahrgenommen werden können, so müssen letztlich alle Bereiche des öffentlichen Lebens in die Betrachtung mit einbezogen werden. Dieser generelle Befund gilt filr das Umweltrecht in gleicher Weise. Die Privatisierungsdiskussion ist auch dort in vollem Gange, wobei die Besonderheit besteht, daß das Kooperationsprinzip, also das Zusammenwirken staatlicher und privater Umweltschutzbemühungen, längst als eine der tragenden Säulen des deutschen Umweltrechts anerkannt ist. Privatisierung heißt daher auch, dieses Kooperationsverhältnis immer wieder neu zu bestimmen und neue Akzente im Verhältnis der beiden komplementären Bereiche zu setzen. Das betriffi vor allem die Relation zwischen den staatlichen Umweltschutzbehörden und der privaten Wirtschaft, wo der Topos der Eigenverantwortlichkeit der Industrie filr die umweltschutzrechtlichen Belange neuerdings wieder verstärkte Aufmerksamkeit genießt. Fragen des innerbetrieblichen Umweltschutzes und des Managements sind in letzter Zeit mehrfach Gegenstand gesetzlicher Regelungen und intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen. Die Einfilhrung des § 52 a BimSchG im Jahre 1990, der die Schaffung einer umweltschutzsichemden Betriebsorganisation voraussetzt, sowie die 1993 erlassene Umwelt-Audit-Verordnung der Europäischen Union, die die freiwillige Teilnahme von Unternehmen an einem Auditing- und Controlling-System vorsieht, welches insbesondere den Aufbau eines innerbetrieblichen Umweltmanagements zum Gegenstand hat, sind deutlicher Ausdruck dieser neuen Schwerpunkte.
Einleitung und Gang der Untersuchung
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Daneben speist sich die Refonndiskussion im Umweltrecht (und nicht nur dort) aus einer zweiten Quelle: dem Ziel der Deregulierung. Mit der staatlichen Aufgabenvennehrung ist auch ein Anstieg der Nonnendichte einhergegangen. Die positivistische deutsche Rechtstradition, die in ihren extremsten Ausprägungen dazu neigt, möglichst jede denkbare Fallkonstellation nonnativ zu regulieren, hat mittlerweile dazu gefiihrt, daß in komplizierten Rechtsbereichen, wie etwa dem Umweltrecht, die schiere Masse der zu beachtenden Vorschriften zum Problem geworden ist. Die Wirtschaft beklagt, zu lange Genehmigungsverfahren und ein unüberschaubares Nonnengeflecht bewirkten eine Abschnürung unternehmerischer Initiative und beschädigten den "Standort Deutschland". Beschleunigungs- und Vereinfachungsvorschläge gehören daher ebenfalls zum Standardrepertoire jeder Debatte zur Umweltgesetzgebung, und regelmäßig wird im Zusammenhang mit alternativen Möglichkeiten des Umweltschutzes die Bedeutung der privaten Eigenverantwortung anstelle bürokratischer Bevonnundung propagiert. Weitergehende Vorschläge fiir strafrechtliche, steuer- und wirtschaftspolitische Anreicherungen des umweltschutzrechtlichen Instrumentariums runden das Bild der laufenden Diskussion ab. Die Auswirkungen dieser Neuorientierung des Umweltschutzes in Richtung auf ein ganzheitliches, medienübergreifendes, aus Elementen direkter wie indirekter Steuerung bestehendes System umweltschützender Regelungen sind noch nicht recht abzusehen; vieles ist noch im Fluß. Eines aber scheint sicher: auch und gerade im Umweltrecht werden zukünftig neue Mechanismen privater Funktionalität zu den Instrumenten des traditionellen Rechts hinzutreten und sie teilweise ablösen, teilweise ergänzen. Es sollte jedoch im Schwunge der engagiert gefiihrten, wenngleich weitgehend (noch) rechtspolitischen Diskussion über die alternativen Steuerungsmöglichkeiten nicht übersehen werden, daß bereits das geltende Recht über vielfaltige Möglichkeiten verfUgt, private Verantwortung fiir die Umwelt in Anspruch zu nehmen und private Kapazitäten fiir die Zwecke des Umweltschutzes nutzbar zu machen. Die bereits genannten Aufgabenfelder der Abfallentsorgung und der Abwasserbeseitigung bieten hierfilr AnschauungsmateriaL Bei ihnen handelt es sich um Teilgebiete des Umweltrechts, die gleichzeitig unter die Leistungsverwaltung gerechnet werden können, und bei denen demgemäß die Privatisierungstendenzen schon relativ weit fortgeschritten sind. Die Einrichtung des "Dualen Systems Deutschland" (DSD, besser bekannt unter der Bezeichnung des Umwelt-Logos "Grüner Punkt"), eines eigenständigen Entsorgungssystems fiir diejenigen Abfalle, deren Entsorgung nach der Verpackungsverordnung der Privatwirtschaft obliegt, markiert einen vorläufigen Höhepunkt in diesem Sektor. Gleichzeitig haben sich dort allerdings auch deutlich die Grenzen derartiger Steuerungsmöglichkeiten gezeigt. Demgegenüber sind die privaten Tätigkeiten und Funktionen im ordnungsrechtlichen Umweltrecht bislang eher im Hintergrund geblieben und auch
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Einleitung und Gang der Untersuchung
kaum zusammenhängend erörtert worden. Gleichwohl gibt es auch hier eine Reihe von rechtlichen Konstruktionen, mit denen privates Potential aktiviert werden kann. Diese Möglichkeiten bestehen im Umweltschutz sogar in höhe· rem Maße als in anderen, durchgängig hoheitlich strukturierten Rechtsgebieten (wie etwa im allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht), und das hat seinen Grund in der Eigenart der Materie. In unserer hochtechnisierten Wirtschaftsgesellschaft können vor allem Industrieanlagen als eine hauptsächliche Quelle von Umweltgefahren gelten. Das gilt sowohl fllr die Luftreinhaltung als auch filr den Gewässer- und Bodenschutz. Die umweltschutzrechtliche Kontrolle solcher komplexer Betriebe wirft häufig so vielfältige Einzelprobleme technischer, naturwissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Art auf, daß die staatlichen Behörden diese kaum allein mit den herkömmlichen Mitteln des Verwaltungsrechts lösen können. Demgemäß sind sie in weitem Umfang darauf angewiesen, auf die weitergehenden Kenntnisse und Kapazitäten der betroffenen Wirtschaftsunternehmen oder externer Dritter zurückzugreifen, um eine einigermaßen durchgängige Umsetzung der umweltrechtlichen Ziele zu erreichen. Die Beiziehung Privater zum behördlich betriebenen Umweltschutz ist insoweit auch eine Maßnahme zur Verminderung der sachgebietsspezifischen Vollzugsdefizite, und die Privatisierung erfährt aus diesem Umstand eine besondere Rechtfertigung. In dieser Arbeit soll nun die bestehende Palette privater Aufgabenwahrnehmungen im ordnungsrechtlich geprägten Teil des Umweltrechts anband eines ausgewählten Teilgebiets, nämlich des anlagenbezogenen Immissionsschutzes, dargestellt werden. Die Untersuchung beschränkt sich bewußt auf die verschiedenen Erscheinungsformen privater Funktionalität, die bereits das geltende Recht bereithält, und versteht sich als Grundlage filr weitergehende Reformüberlegungen. Die Arbeit geht dabei von der Grundannahme aus, daß der Staat vor allem die Aufgabe hat, die Verwirklichung der materiell-rechtlichen Immissionsschutzanforderungen im Wege des behördlichen Gesetzesvollzugs zu betreiben, und daß er diese Aufgabe prinzipiell in Eigenregie und mit eigenem Personal durchfUhrt. Ausgangspunkt der Analyse ist daher ein striktes - in der Praxis kaum je absolut durchgehaltenes - behördliches Vollzugsmodell. Diesem gegenüber erscheint jede Beteiligung privater Personen oder Handlungsformen als Privatisierung und kann als solche erörtert werden. Insofern wird der Begriff der Privatisierung also sehr weit gefaßt, was es ermöglicht, eine umfassende Beschreibung der nichtstaatlichen Vollzugskapazitäten vorzunehmen. Im Ersten Teil der Arbeit soll das ordnungsrechtliche Grundmodell staatlicher Immissionsschutztätigkeit skizziert werden. Da die gesamte Arbeit unter dem Breitbandbegriff der "Privatisierung von Staatsaufgaben" steht, wird zur Einfilhrung ein Überblick über die derzeitige Staatsaufgabendiskussion vorangestellt(§ 1). Dabei wird zu zeigen sein, daß die staatlichen Aufgaben im Immissionsschutz vor allem aus der Vollzugstätigkeit der staatlichen Verwal-
Einleitung und Gang der Untersuchung
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tungsbehörden besteht. Die Aufgabeneröffnungsnorm des § 52 Abs. I BimSchG erscheint insoweit als zentrale Vorschrift. Aufbauend auf dieser Grundlage wird dann ein allgemeines Modell des ordnungsrechtlichen behördlichen Gesetzesvollzugs entwickelt, dem der staatliche Apparat bei der Umsetzung der materiell-rechtlichen Immissionsschutzvorschriften im Einzelfall folgt (§ 2). Die Darstellung der Grundzüge dieses behördlichen Gesetzesvollzugs nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bildet die Ausgangsbasisder weiteren Untersuchung(§ 3). Im Zweiten Teil sollen Maßnahmen der Privatisierung als Alternative zum ordnungsbehördlichen Vollzug eingefuhrt werden. Hierzu werden zunächst die Schwächen aufgezeigt, denen das behördliche Vollzugsmodell im konkreten Anwendungsfall ausgeliefert ist. Die Vollzugsdefizite, die im lmmissionsschutzrecht (wie überhaupt im Umweltrecht) besonders deutlich zutage treten, werden herausgearbeitet und auf ihre systemimmanenten Ursachen hin untersucht (§ 4). In Anbetracht dieser Schwächen wird sodann dem rein behördlichen Vollzug die Einschaltung privater Aufgabenträger gegenübergestellt. Das bedingt zunächst ein ausfilhrlicheres Eingehen auf den Stand der aktuellen Privatisierungsdiskussion. Begrifflichkeiten, Motive und Erscheinungsformen der Privatisierung werden allgemein dargestellt und dann im Hinblick auf ihre Relevanz filr die Besonderheiten des Immissionsschutzrechts analysiert (§ 5). Ein Überblick über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen filr Privatisierungsmaßnahmen beendet diesen Teil. Der Dritte Teil der Arbeit stellt dann als Hauptteil die verschiedenen Beteiligungsformen Privater am immissionsschutzrechtlichen Gesetzesvollzug nach geltendem Recht dar. Dabei dient das Vollzugsmodell des Ersten Teils als theoretischer Ausgangspunkt der Untersuchung. In Anlehnung an die einzelnen Phasen des Modells - vor allem an die Schritte der Sachverhaltsermittlung und der Gesetzeskonkretisierung - wird herausgearbeitet, welche Funktionen von Privaten ausgeübt werden können oder sollen, und wie diese Privatbeiträge im Gesamtzusammenhang des Vollzugs einzuordnen sind (§ 6). Die Darstellung folgt dabei den vorgegebenen Differenzierungen zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen sowie zwischen Eröffnungs- und Befolgungskontrollen (§§ 7 - 9). Eine Sonderstellung nimmt in diesem Zusammenhang die Beteiligung privater Kräfte an der untergesetzlichen Standardisierung materieller immissionsschutzrechtlicher Anforderungen ein, die deswegen auch in einem gesonderten Kapitel behandelt wird (§ 10). Im letzten Kapitel schließlich löst sich die Darstellung von dem Vollzugsmodell und erörtert diejenigen Konstellationen, bei denen eine Beteiligung Privater am behördlichen Immissionsschutz abgehoben von dem einzelnen Vollzugssachverhalt stattfindet (§ II). Dies betrifft insbesondere die Instrumentalisierung betriebsorganisatorischer Regelungen fllr immissionsschutzrechtliche Zwecke. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und ein kurzer Ausblick aufanstehende Weiterentwicklungen schließen die Untersuchung ab(§ 12).
Erster Teil
Immissionsschutz durch behördliche Anlagenüberwachung - das ordnungsrechtliche Modell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
§ 1 Immissionsschutz als Staatsaufgabe A. Umweltschutz- Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Gesellschaft "Umweltschutz ist die Gesamtheit menschlicher Tätigkeiten des Schützens, Sicherns, Gewährleistens, Ordnens, Bewahrens, Erhaltens, Pflegens, Förderns, Gestaltens, Entwickelns, Verbesserns, Wiederbersteliens oder Erneuerns der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen oder der Umwelt" 1• Unter dieser weitgefaßten Definition, die der Breite des "Querschnittsrechtsgebiets" Umweltrecht2 entspricht, sind mannigfaltige Arten umweltschützender Tätigkeit denkbar, solche der staatlich verfaßten Gemeinschaft wie auch solche von individueller Seite. Dementsprechend realisiert sich Umweltschutz neben der staatlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit in einem breitgefll.cherten Spektrum privaten Engagements, welches sich nicht nur im öffentlich wirksamen Auftreten privater Umweltschutzvereinigungen und engagierter Einzelpersonen, sondern auch in unspektakulären Einzelentscheidungen des täglichen Lebens äußert: so läßt sich etwa der Griff zu Einkaufstasche und Fahrrad anstelle von Plastiktüte und Auto als - höchst private - Maßnahme des Umweltschutzes begreifen. Die Liste der Beispiele in Wirtschaft und Industrie, bei Erzeugern und Verbrauchern ließe sich beliebig verlängern. Auf diese Weise wird lebendiger Umweltschutz durch ein Nebeneinander von staatlichen und privaten Maßnahmen praktiziert, welche wiederum vielfach miteinander in Wech-
Storm, HdUR Sp. 2407; ähnlich Rauschning, VVDStRL 38, 167 (169). Die Bezeichnung des Umweltrechts als "politische Querschnittsaufgabe" taucht bereits im Umweltbericht 1976 der Bundesregierung, BT-Drucksache 7/5684 S. 29, auf; ebenso K/oepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 40. 1
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B. Umwelt- und Immissionsschutz in der Staatsaufgabendiskussion
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selbeziehungen stehen, so daß insoweit von einer Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Gesellschaft gesprochen werden kann3 • Nichts anderes gilt fiir den Immissionsschutz. Als Teilbereich des Umweltschutzes umfaßt er diejenigen Maßnahmen, die sich auf den Schutz vor ganz bestimmten Zivilisationsfolgen, nämlich Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und ähnlichen Einwirkungen beziehen4• Praktisch ist damit vor allem der Schutz des Umweltmediums Luft bezweckt, da die beiden relevantesten Effekte, Luftverunreinigungen und Geräusche, sich über dieses Medium entfalten5. Auch im Immissionsschutz stehen staatliche Maßnahmen (insbesondere nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz) und private Aktivitäten (der Immissionsverursacher wie auch der interessierten Öffentlichkeit) nebeneinander; auch hier kann daher in dem oben dargelegten Sinne von einer Gemeinschaftsaufgabe staatlicher und gesellschaftlicher Funktionsträger gesprochen werden. In dieser Arbeit interessiert nun das Verhältnis zwischen staatlichem und privatem Immissionsschutz unter dem speziellen Gesichtspunkt, inwieweit staatliche Tätigkeit auf diesem Gebiet durch den gezielten Einsatz von Privaten ergänzt bzw. ersetzt werden kann. Diese Verlagerung vom Staat zur Gesellschaft, die Ablösung staatlicher Aktivität durch private, ist der Kern der Privatisierungsfrage. Ausgangspunkt der Analyse muß dabei die staatliche Seite sein; der Bestand an staatlicher Tätigkeit gibt den Gegenstand und den maximalen Umfang möglicher Privatisierungen vor. Aus der "Gemeinschaftsaufgabe Immissionsschutz" ist also zunächst der "Staatsanteil" herauszufiltem. Im Ersten Teil dieser Arbeit wird daher das Modell des staatlich betriebenen Immissionsschutzes nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz dargestellt, wobei eine Beschränkung auf den anlagenbezogenen Immissionsschutz erfolgt.
B. Umwelt- und Immissionsschutz im Kontext der Staatsaufgabendiskussion Als erstes gebietet hierfiir schon die Fragestellung des Arbeitsthemas eine Erörterung, inwieweit es sich beim Umweltschutz im Allgemeinen und beim 3 Hoppe, VVDStRL 38, 211 (230); Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 28, der betont, daß die Mitwirkung der Bürger auch unabdingbare Voraussetzung flir das Funktionieren staatlicher Umweltschutzbemühungen ist. 4 Vgl. § I Abs. I i.V.m. § 3 Abs. 1 u. 2 BlmSchG. 5 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rn. I ff.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, S. 396. Die übrigen in § 3 Abs. 2 BlmSchG aufgeflihrten Einwirkungen sind praktisch weitaus seltener von Bedeutung und unterliegen außerdem vielfach spezialgesetzlichen Sonderregelungen (etwa im Wasserhaushaltsgesetz oder in der Strahlenschutzverordnung).
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§ I Immissionsschutz als Staatsaufgabe
Immissionsschutz im Besonderen überhaupt um staatliche Aufgabenbereiche handelt. Umweltschutz wird zwar vielfach, vor allem mit Hinweis auf staatliche Schutzverpflichtungen, ohne weiteres als Staatsaufgabe bezeichnet6 , der Staat als "natürlicher Walter" in Sachen Umweltschutz angesehen 7• Mit solch pauschalen Aussagen ist fllr den konkreten Fall jedoch wenig gewonnen. Im Gegenteil: gerade angesichts der "auffiilligen Renaissance" 8 , die die Staatsaufgabendiskussion in jüngerer Zeit erlebt, erscheint ein näheres Eingehen auf die Hintergründe der "Staatsaufgabe Umweltschutz"9 (bzw. Immissionsschutz) erforderlich. I. Grund~~gen der Staatsaufgabendiskussion
Schon über den Begriff der Staatsaufgabe besteht keine Einigkeit, eine in sich geschlossene Staatsaufgabenlehre e'!:_istiert bis heute nicht 10• Es würde nun allerdings den Ümfang dieser Arbeit sprengen, wollte man darin eine umfassende Erörterung des Meinungsstandes zur Staatsaufgabendiskussion unternehmen. Für die hiesigen Zwecke soll aber zumindest eine~lementare Begriffsbestimmung versucht werden, wobei eine doppelte Abgrenzung der Staatsaufgaben von den Staatszielen und -zwecken einerseits sowie von den (schlicht) öffentlichen Aufgaben andererseits vorzunehmen ist. 1. Staatszwecke - Staatsziele - Staatsaufgaben
In der staatsrechtlichen Literatur werden·die Staatsaufgaben regelmäßig in einer "Begriffetrias" mit den Staatszwecken und den Staatszielen diskutiert, ohne daß das Verhältnis dieser einzelnen Komponenten zueinander eindeutig geklärt wäre. Von der genauen Differenzierung bis zum mehr oder weniger synonymen Gebrauch lassen sich in der reichhaltigen Literatur beinahe alle Sprachgebräuche finden. Diese begriffliche Unsicherheit hat mehrere Ursachen. Da sich die ganze Diskussion im Grenzgebiet von allgemeiner Staatslehre, Staatsphilosophie und 6 Storm, HdUR Sp. 2351 f.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, S. 49; lpsen, VVDStRL 48, 177 (178). 7 Rauschning, VVDStRL 38, 167 (172). 8 Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 (181). 9 Vgl. zur Staatsaufgabe Umweltschutz die Referate von Rauschning und Hoppe auf der Tagung der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer 1979, VVDStRL 38, 167 ff. und 211 ff. 10 So der Befund von Herzog, HdbStR Bd. III, § 58 Rn. l; ebenso Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (172).
B. Umwelt- und Immissionsschutz in der Staatsaufgabendiskussion
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Staatsrechtsdogmatik bewegt, gibt es schon entsprechend unterschiedliche Ansatzpunkte filr die Definitionsversuche. Dabei überlagern sich juristische, sozialwissenschaftliche, philosophische und historische Begriffiichkeiten und . erschweren eine einheitliche Sprachregelung 11 • Zudem ist im Laufe der geschichtlichen Entwicklung die zunächst naturrechtlich begründete Staatszwecklehre unter dem Einfluß des Rechtspositivismus im 19. Jahrhundert weitgehend verdrängt worden 12 und erst in jüngerer Zeit wieder verstärkt zum Gegenstand wissenschaftlicher Befassung avanciert13 • Ebenso hat die stark verfassungsbezogene Perspektive, der sich die deutsche Staatswissenschaft seit der Gründung der Bundesrepublik verschrieben hat, den Blick auf ältere, nicht so normativ bestimmte Traditionen der Staatslehre verstellt. Diese verschiedenen "Schulen" setzen sich in einer uneinheitlichen Terminologie fort. Hinzu kommt nicht zuletzt die Abstraktion der Materie selbst, die sich einer griffigen und unmittelbar einleuchtenden Formulierungsweise weitgehend entzieht. Es kann nicht die Aufgabe·dieser Arbeit sein, die grundlegenden Fragen der staatstheoretischen Diktion aufzubereiten. Im Interesse einer klaren Begrifflichkeit bietet es sich jedoch an, zwischen den theoretisch geprägten Zwecken, den schon konkreter gefaßten Zielen und den praktisch relevanten Aufgaben des Staates nach dem Grad der Abstraktion zu differenzieren 14• Danach soll hier fllr die weitere Untersuchung das folgende Verständnis zugrundegelegt werden: a) Staatszwecke Staatszwecke beantworten die Frage nach dem "wozu" des Staates, die Grundfrage der staatlichen Existenz und Bestimmung 15• Sie begründen damit 11 Darauf weist etwa Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (12) hin. 12 Vgl. zur Entwicklung der Staatszweck- und Staatsaufgabenlehre Krautzberger, Erfllllung öffentlicher Aufgaben, S. 37 ff.; Bu/1, Staatsaufgaben, S. 17 ff.; Link, VVDStRL 48, 7 (10 ff.); Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (12 f.); ausfuhrlieh auch Michel, Staatszwecke, S. II ff. 13 In diesem Zusammenhang war sie etwa 1989 Beratungsgegenstand der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer. Vgl. dazu vor allem die beiden Referate von Link und Ress, VVDStRL 48, 7 ff., 56 ff. sowie die begleitenden Aufsätze von Bethge, DVBI 1989, 841, Bu/1, NVwZ 1989, 801, Brugger, NJW 1989, 2425 und Maunz, BayVBI 1989, 545 und die Nachbetrachtung von Schulze-Fielitz, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, S. 223 fi 14 So etwa Link, VVDStRL 48, 7 (17 f.); Ress, ebendaS. 56 (62); Stern, Bitburger Gespräche 1984, 5 (18); /sensee, HdbStR Bd. III, §57 Rn. 115 ff.; auch Bu/1, Staatsaufgaben, S. 43 ff. Der Gedanke klingt schon bei Krautzberger, Erfllllung öffentlicher Aufgaben, S. 58, Fn. 172 an. 15 Ress, VVDStRL 48, 56 (62); Scheuner, Festschrift fllr Forsthoff, S. 325 (341). 3 Ludwig
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§ I Immissionsschutz als Staatsaufgabe
die Existenzberechtigung des Staates gegenüber dem Einzelnen und legitimieren dessen Unterwerfung unter die staatliche Gewale 6 . Staatszwecke enthalten übergeordnete Endziele staatlichen Handeins auf höchstem Abstraktionsniveau17; in diesem Sinne sind sie als Kategorie nicht des Staatsrechts, sondern der allgemeinen Staatslehre und Staatsphilosophie anzusehen 18. Ihre Bedeutung als Grundsatzaussagen liegt daher weniger im rechtlich-anwendungsbezogenen Bereich als vielmehr in ihrem deskriptiv-analytischen Gehale 9 ; normative Verbindlichkeit erhalten sie nur durch verfassungsrechtliche Konkretisierung, etwa über die noch zu behandelnden Staatszielbestimmungen20• Die Staatszwecke bilden damit sozusagen das durch wenige Kernaussagen fixierte, theoretische Grundprogramm des Staates21 ; genauer gesagt- da es ein universell gültiges, abstraktes Staatsverständnis nicht gibt22 - eines bestimmten Staatstypus23 • Dieses Programm läßt sich aus einer betrachtenden Analyse tatsächlich existierender Staatswesen gewinnen. Als "prägende Konstanten"24 des neuzeitlich-demokratischen Staatsmodells westlicher Pr~gung werden danach etwa - mit leichten Abweichungen im einzelnen - genannt: Friedenserhalt nach innen und außen, Gewährleistung von Freiheit, Sicherheit und Wohlfahrt25 . 16 Vgl. Ress, VVDStRL 48, 56 (62); die Idee der Rechtfertigung des Staates beherrschte maßgeblich die ältere Staatszwecklehre, siehe dazu die Nachweise bei Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (12). 17 Stern, Bitburger Gespräche 1984,5 (18). 18 Bu/1, Staatsaufgaben, S. 43; derselbe NVwZ 1989, 801 (802). 19 Link, VVDStRL 48, 7 (47); darauf hebt auch der dortige Diskussionsbeitrag Mantl, VVDStRL 48, 125 ab. 20 Link, VVDStRL 48, 176; insofern berührt sich diese Auffassung mit den Stimmen in der Literatur, die ihre Skepsis am Sinn einer Staatszwecklehre auf die anwendungsuntaugliche Abstraktion solcher generalisierender Aussagen gründen (z.B. Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (13); auch Scheuner, Festschrift flir Forsthoff, S. 325 (343)). 21 Durch diese Beschränkung auf ganz wenige elementare Kernaussagen unterscheidet sich die neuere Staatszwecklehre deutlich von den Auswüchsen der späten älteren Staatszwecklehre, die ganze Kataloge von Staatszwecken aufstellte (vgl. Link, VVDStRL 48, 7 (17)); nach heutigem Verständnis würde es sich dabei entweder um Staatsziele oder um Staatsaufgaben handeln. 22 Bethge, DVBI 1989, 841 (842), unter Anknüpfung an Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 230 ff., der sie als "objektive Staatszwecke" bezeichnete; vgl. zu den "absoluten" Staatszwecken der älteren Staatslehre auch Scheuner, Festschrift für Forsthoff, S. 325 (344 f.). 23 Dies betonen Link und Ress in ihren Schlußworten, VVDStRL 48, 172/175. 24 Link, VVDStRL 48, 7 (17) und 174 f.; Hofmann, Hasso, Die Zukunft gestalten, S. 21 (24) spricht von "klassischen Staatszwecken". 25 Link, VVDStRL 48, 7 (18); Ress, ebendaS. 62; Bethge, DVBI 1989, 841 (843); Herzog, HdbStR Bd. III, §58 Rn. 25 ff.; Hofmann, Hasso, Die Zukunft gestalten, S. 21 (23). Vgl. zu den "relativen" Staatszwecken auch schon Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 250 ff. Der vor allem von Link (VVDStRL 48, 7 (19 ff.)) und lsensee (HdbStR
B. Umwelt- und Immissionsschutz in der Staatsaufgabendiskussion
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Ganz im Sinne der Rousseauschen Idee vom Gesellschaftsvertrag sind dies die hauptsächlichen Beweggründe, die Menschen veranlassen können, sich zu einer staatlich verfaßten Gemeinschaft zusammenzuschließen. Es handelt sich dabei um Zielsetzungen, die die Staatstätigkeit der Bundesrepublik Deutschland mit derjenigen anderer westlicher Nationen gemeinsam hat, und die es rechtfertigen, insoweit von der "Normalausstattung" oder dem "Gemeingut" des modernen Staates zu sprechen26 • Die Streitfrage, ob diesen Grundprinzipien ein vorkonstitutionelles Staatsbild zugrundeliegt, das in der Verfassung lediglich seinen Ausdruck findet, oder ob die Verfassung selbst fiir die Begründung der Staatszwecke konstitutiv ise7, dürfte für die gegenwärtige Verfassungslage keine erhebliche Bedeutung haben, da die genannten Staatszwecke der Bundesrepublik im Grundgesetz Ausdruck gefunden haben und damit auch normativ verankert sind28• Davon abgesehen dürften allerdings die deskriptive Natur und die mangelnde be~riff-. liehe Konturiertheil der Staatszwecke einer von manchen befilrchteten2 Instrumentalisierung "parakonstitutioneller Staatszwecke"30 gegen die positive Verfassung entgegenstehen. b) Staatsziele Gegenüber den so definierten, hochabstrakten Staatszwecken enthalten die Staatsziele gegenständlichere Vorgaben fiir die staatlichen Organe, Riebtnormen und Orientierungspunkte fiir deren Tätigkeie 1• Sie können der KonkretiBd. III, §57 Rn. 1 ff.) angeführte Staatszweck "Gemeinwohlverfolgung" kann als ÜberStaatszweck verstanden werden, da letztlich alle anderen genannten Staatszwecke sich als (Teii-)Eiemente des universellen Gemeinwohls darstellen (in diesem Sinne äußern sich die Genannten auch selbst). Dann allerdings ist es inkonsequent, das Gemeinwohl auf einer Ebene mit den anderen Staatszwecken zu nennen. 26 Ress, VVDStRL 48, 56 (62); Herzog, HdbStR Bd. III, §58 Rn. 24. 27 Vgl. zum Streitstand Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1991, S. 122 (125 ff.); Schulze-Fie/itz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (14 ff.). 28 Link, VVDStRL 48, 7 (47 f.). Die maßgeblichen Vorschriften des Grundgesetzes sind insbesondere Art. 1 Abs. I Satz 2 und Abs. 3 (Verpflichtung des Staates auf die Menschenwürde und die Grundrechte), Art. 20 (Demokratie, Rechts- und Sozialstaat) sowie Art. 24, 26, 87 a (Friedenssicherung nach außen). Der Streit über die "außerverfassungsrechtlichen Staatszwecke" kann überdies entschärft werden, wenn man dem Gedanken von Ress, VVDStRL 48, 56 (68) folgt, daß eine Vermutung dahingehend besteht, daß die Verfassung das geltende Staatsverständnis (und damit auch die dem konkreten Staat zugrundeliegenden Zwecke) vollständig abbildet. 29 So z. B. Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1991, S. 122 ( 130 ff. ). 30 Schulze-Fielitz, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, S. 223 (236). 31 Scheuner, Festschrift für Forsthoff, S. 325 (335 f.); Stern, Bitburger Gespräche 1984, 5 ( 18); umfassend zur Begriffsbildung Michel, Staatszwecke, S. I 09 ff., 132.
§ I Immissionsschutz als Staatsaufgabe
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sierung und normativen Verankerung von Staatszwecken wie auch der Hervorhebung bestimmter Sonderaspekte und -funktionen des konkreten Staates dienen32, sind also nicht Grundausstattun~ eines typisierenden Staatsmodells, sondern - auf mittlerer Abstraktionsebene 3 - "Speziöhsusrüstung" eines konkreten Staates. Anders als die Staatszwecke, die sich regelmäßig erst aus einer Gesamtbetrachtung des Staatsmodells erschließen, sind die Staatsziele typischerweise ausdrücklich (durch Staatszielbestimmungen oder Verfassungsprinzipien) oder zumindest implizit (durch zielgerichtete Gesetzgebungsaufträge oder Kompetenmormen) in der Verfassung geregelt34• Gemeinsam ist Staatszielen und Staatszwecken allerdings der finale Charakter: in beiden Fällen handelt es sich um programmatische Zielbeschreibungen im Sinne von anzustrebenden Zuständen, die jedoch keine Vorgaben filr den Weg dorthin enthalten3s. Mit anderen Worten: Staatsziele bestimmen, daß die staatlichen Organe ein bestimmtes Ziel verwirklichen sollen, nicht aber wie dies zu geschehen hat. c) Staatsaufgaben als konkrete Handlungsanweisungen Die Bestimmung der Modalitäten ist vielmehr der typische Gehalt der Staatsaufgaben, die - auf wiederum niedrigerem Abstraktionsniveau - Handlungsanweisungen zur Verwirklichung solcher Zielvorstellungen geben36• Sie enthalten den imperativenAuftrag an die staatlichen Stellen, vorgegebene Ziele in einer bestimmten Art und Weise zu verfolgen37. Im Gegensatz zu Staatszwecken und -zielen handelt es sich nicht um mehr oder weniger generelle Grundsatzaussagen sondern um die Beschreibung konkreter Staatstätigkeiten ftlr die praktische Anwendung. Dadurch werden die Betätigungsfelder be-
Ress, VVDStRL 48, 56 (62). Stern, Bitburger Gespräche 1984, 5 ( 18); mit etwas anderer Diktion auch Scheuner, Festschrift für Forsthoff, S. 325 (343). 34 Vgl. Scheuner, Festschrift fllr Forsthoff, S. 325 (330 ff., 335 ff.); Maunz, BayVBI 1989, 545. Abweichend insoweit Jsensee, HdbStR Bd. III, §57 Rn. 124 f., der die Auffassung vertritt, Staatsziele seien auch durch einfache Gesetze zu begründen. Eine ausführliche Diskussion der grundgesetzliehen Staatsziele unternimmt Michel, Staatszwekke, S. 146 ff., der allerdings den aus Kompetenzvorschriften abgeleiteten Staatszielen ablehnend gegenübersteht (vgl. S. 198 ff.). 35 Püttner, Verwaltungslehre, S. 34. Diese Kongruenz dürfte auch der Grund dafllr sein, daß beide Begriffe gelegentlich synonym gebraucht und parallel definiert werden; vgl. dazu etwa Brugger, NJW 1989, 2425 (2427) und Michel, Staatszwecke, S. 102 ff., 140 ff. 36 Michel, Staatszwecke, S. 104 f., 141 f.; Stern, Bitburger Gespräche 1984, 5 (18); Bu/1, Staatsaufgaben, S. 46. 37 Link, VVDStRL 48, 7 (19). 32 33
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stimmter staatlicher Stellen materiell und kompetenziell identifiziert, ihr jeweiliges Handlungsterrain abgestecke8 . Da hierdurch die tatsächliche Tätigkeit des Staates in ihrer ganzen Vielschichtigkeit erfaßt werden soll, ist überdies anzumerken, daß "Staats"aufgaben in einem dezentral gegliederten Staatswesen dann nicht nur die Handlungsbereiche des Gesamtstaates, sondern auch diejenigen der staatlichen Untergliederungen umfassen. Staatsaufgabe wird insofern als Gegenbegriff zur gesellschaftlich-privaten Aufgabe, nicht zur kommunalen oder regionalen Aufgabe verstanden. Daher sind Staatsaufgaben sowohl die Tätigkeitsfelder des Gesamtstaates Bundesrepublik Deutschland als auch die der Länder und Gemeinden. Bei der Identifizierung einzelner Staatsaufgaben sind verschiedene Ebenen zu unterscheiden: aa) Staatsaufgaben aus dem Grundgesetz
In der staatsrechtlichen Literatur spielt sich die Staatsaufgabendiskussion einmal mehr vorwiegend auf der Verfassungsebene ab. Nach verbreiteter Meinung sind Staatsaufgaben im wesentlichen Verfassungsaufgaben39, und demgemäß werden umfassende Staatsaufgabenkataloge aus dem Grundgesetz herausgefiltert40. Die so ermittelten "verfassungsunmittelbaren" Staatsaufgaben 38 Diese theoretisch klare Differenzierung zwischen finalen, zustandsorientierten Staatszielen und modalen, tätigkeitsbeschreibenden Staatsaufgaben stößt allerdings bei praktischen Abgrenzungsversuchen insoweit schnell an ihre Grenzen, als sich die Komponenten überschneiden. Bereits Bull, Staatsaufgaben, S. 44, hat zutreffend darauf hingewiesen, daß in jeder Handlungsanweisung notwendigerweise die Hinordnung auf ein bestimmtes Ziel enthalten ist; ziellose Staatstätigkeit kann es nicht geben. Auf der anderen Seite wird man davon ausgehen dürfen, daß der Verfassungsgeber, der ein (Staats)Ziel konstituiert, damit zumindest implizit auch die Aufforderung an die gesetzgebenden und regierenden Organe verbindet, das zur Umsetzung jeweils Erforderliche zu veranlassen. Bei dieser Betrachtungsweise erscheinen Staatsaufgaben und Staatsziele quasi als zwei Seiten derselben Medaille: Staatsaufgaben wären dann lediglich die ins appelIative gewendete Form der Staatsziele, diese wiederum nichts anderes als die auf ihre Zielkomponente reduzierten Aufgaben. Diese Kongruenz ist auch maßgeblich für die herrschende Sprachverwirrung verantwortlich, was sich deutlich daran zeigt, daß dieselben grundgesetzliehen Anknüpfungspunkte, die oben fllr die Staatsziele angeführt wurden, von anderen Stimmen der Literatur als Grundlagen für Staatsaufgaben betrachtet werden (so rechnet etwa Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. I I (I6 ff.) ausdrücklich auch die finalen Elemente der Verfassungsordnung einschließlich der Staatszielbestimmungen im engeren Sinne unter die Staatsaufgaben). 39 Vgl. etwa schon den Titel von Bul/s Monographie: "Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz", und dort S. 114; Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (20 ff.). 40 Bull, Staatsaufgaben, S. 211 ff.
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weisen allerdings meist nur spärliche inhaltliche Konturen auf. Mit Ausnahme weniger sachlich umschriebener Organisations- und Verwaltungsbereiche, vor allem im Achten Abschnitt des Grundgesetzes41 , sowie vereinzelter spezieller Gesetzgebungsaufträge42 , beschränken sich diese Verfassungsaufgaben auf die allgemeine, durch Gesetzgebungskompetenzen und Verfassungsdirektiven nur stichwortartig präzisierte Aussage, daß Legislative und Exekutive in gewissen Sachbereichen unter Beachtung der Verfassung Normen schaffen und Entscheidungen treffen können43 • Symptomatisch hierfilr sind etwa die aus den Kompetenzvorschriften der Art. 73 ff. GG abgeleiteten Staatsaufgaben. Daraus ergibt sich, daß der Staat auf den genannten Gebieten im Wege der Gesetzgebung tätig werden kann, eventuell auch tätig werden soll. Wie die Ergebnisse dieser Gesetzgebungsaktivität dann inhaltlich aussehen sollen, bleibt jedoch offen und ist nur durch das allgemeine Erfordernis der Verfassungsmäßigkeit determiniert. Ähnlich steht es mit den Grundrechten: zwar ergibt sich aus dem Grundrechtskatalog und aus Art. l Abs. I Satz 2 und Abs. 3 GG eine Verpflichtung aller staatlichen Organe zum Schutz der Grundrechte. In Verbindung mit der Idee, daß die Grundrechte insoweit eine objektive Werteordnung konstituieren, folgt daraus, daß der Staat die Aufgabe hat, die Grundrechtsverwirklichung zu gewährleisten. Wie dies aber konkret geschehen soll, welcher gesetzlichen Regelungen, welcher Verwaltungsmaßnahmen und gerichtlicher Garantien es dafilr bedarf, ist aus der Verfassung allein nicht zu ersehen. Der Staat muß also "etwas" tun, dieses "etwas" wird aber nicht näher bestimmt44 • Diese beiden Beispiele mögen das Dilemma der verfassungsunmittelbaren Staatsaufgaben hinreichend belegen: sie beschreiben zwar Tätigkeitsfelder, auf denen der Staat grundsätzlich agieren kann, was aber dabei konkret im Sinne einer brauchbaren Handlungsanweisung geschehen soll, bleibt offen und konkretisierungsbedürftig. Nicht nur im Hinblick auf die oben dargestellte Definition, wonach Staatsaufgaben konkrete Umschreibungen staatlicher Aktivität enthalten sollen, muß dieses Ergebnis der Verfassungsexegese unbefriedigend bleiben. 41 So die Errichtung und Unterhaltung von Streitkräften (Art. 87 a, 87 b GG) und Bundesbank (Art. 88 GG), sowie die Verwaltung des Luftverkehrs (Art. 87 d GG), der Bundeseisenbahnen (Art. 87 e GG), des Post- und Telekommunikationswesens (Art. 87 f GG), und der Bundeswasser- und -fernstraßen (Art. 89, 90 GG). Hierher gehören ferner auch die als Gemeinschaftsaufgaben betitelten Bereiche des Art. 91 a GG. 42 Hier insbesondere die ausdruckliehen Gleichstellungsaufträge in Art. 6 Abs. 5 und 117 GG. 43 Kritisch zu dieser Tendenz, sämtliche Staatsaufgaben aus der Verfassung herleiten zu wollen auch Wahl, Prävention, S. 66 ff., 69 ff. 44 Wahl, Prävention, S. 70, der damit zu Recht konstatiert, daß der Versuch, konkrete Staatsaufgaben aus den Grundrechten abzuleiten, enttäuschend ausfallen muß.
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bb) Kritik der ausschließlich verfassungsbezogenen Betrachtungsweise
Die mangelnde materielle Bestimmtheit der Verfassungsaufgaben liegt freilich in der Natur der Sache. Entsprechend dem Charakter des Grundgesetzes als einer zwar umfassenden, aber notwendigerweise relativ offenen Rahmenordnung fiir die gesamte Staatstätigkeit, in der im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung überdies bewußt auf weitergehende inhaltliche Vorgaben verzichtet wurde, finden sich konkrete Handlungsanweisungen dort nur selten. Das Grundgesetz beschränkt sich vielmehr im wesentlichen darauf, die Funktionen der obersten Staatsorgane in kompetenzieller Hinsicht gegeneinander abzugrenzen45• Diese grundgesetzliehen Gesetzgebungs- und Regierungsaufgaben kann man auch als formell-instrumentale Staatsaufgaben bezeichnen46 • Besinnt man sich allerdings auf die eingangs aufgestellte Prämisse zurück, daß die Staatsaufgaben sich gegenüber den Staatszielen und -zwecken vor allem durch die Konkretheit ihrer Aussagen auszeichnen sollen, so wird offensichtlich, daß eine ausschließlich verfassungsbezogene Betrachtungsweise zu kurz greift. Gerade weil das Grundgesetz Rahmenordnungscharakter hat, bewegen sich die Verfassungsaufgaben auf einem vergleichbaren Abstraktionsniveau wie die Staatsziele. Dies wird überdeutlich daran, daß dieselben Verfassungsartikel, die oben als Grundlage von Staatszielen aufgefiihrt wurden (etwa die Kompetenznormen), von anderen Stimmen in der Literatur als Anknüpfungspunkt fiir Staatsaufgaben angesehen werden47. Soll aber die vorausgesetzte Abstufung einen Sinn machen, so muß eine inhaltliche Unterscheidbarkeit zwischen beidem gegeben sein. Außerdem läßt eine ausschließlich auf das Grundgesetz bezogene Staatsaufgabenanalyse außer acht, daß es sich auch bei den originären Funktionen der Länder um staatliche Tätigkeit handelt; dazu triffi die bundesstaatliche Verfassung aber - naturgemäß - keine inhaltlichen Aussagen. Ebenso wird damit der reale Umstand vernachlässigt, daß sich staatliche Aufgaben auch aus europarechtlichen Grundlagen ergeben können, die aus der nationalen Verfassung ebenfalls nur unvollkommen zu ermitteln sind. Nach alledem erscheint es konsequent, sich bei der Ermittlung der Staatsaufgaben nicht auf die Verfassungsanalyse zu beschränken, sondern die konkreten Umschreibungen der staatlichen Handlungsbereiche in der gesamten Rechtsordnung heranzuziehen48 • NWVBL 1988, l (3). So Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. ll (22 f.). 47 Vgl. oben Fußnote 38. 48 Unter dem Aspekt der notwendigen Konkretisierung der verfassungsunmittelbaren Staatsaufgaben beziehen letztendlich auch die Meinungen, die primär auf die Verfas45 Stern, 46
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cc) Staatsaufgaben aus unterverfassungsrechtlichen Vorschriften
Solche Festlegungen erfolgen im wesentlichen auf der einfachgesetzlichen (und gegebenenfalls untergesetzlichen) Ebene und betreffen die Aufgaben der Verwaltung. Das ergibt sich als zwangsläufige Folge daraus, daß die Verwaltung den ganz überwiegenden Anteil an der praktischen Staatstätigkeit ausfUhrt. Wenn irgendwo inhaltlich bestimmte Handlungsanweisungen (im Sinne der oben dargestellten Definition) an staatliche Funktionsträger ergehen, so ist die Verwaltung als ausfUhrendes Organ regelmäßig der Adressat. Die einfachgesetzlich determinierten Verwaltungsaufgaben machen daher den Löwenanteil an den materiellen Staatsaufgaben aus49 • Systematisch betrachtet, handelt es sich bei ihnen um einen Unterfall der allgemeinen Staatsaufgaben50 (neben den Legislativ- und Judikativaufgaben). Diese Erkenntnis ermöglicht es auch, die hier vertretene Staatsaufgabendefinition mit der allgemeinen Umschreibung der Aufgabe, wie sie namentlich aus dem Polizei- und Sicherheitsrecht bekannt ist, in Beziehung zu setzen. Im besonderen Verwaltungsrecht heißt Aufgabeneröffnung "die Entscheidung des Gesetzgebers, daß er bestimmte Zwecke als im öffentlichen Interesse ansieht und von staatlichen Stellen erfilllt wissen wi11" 51 • Das entspricht mit seinen beiden Komponenten, der inhaltlichen Zielsetzung und der kompetenziellen Zuweisung an bestimmte Behörden, dem hier vertretenen Staatsaufgabenbegriff. Zusammenfassend bleibt an dieser Stelle zunächst festzuhalten: gegenüber den abstrakten verfassungsrechtlichen (bzw. gar überverfassungsrechtlichen) Zielvorgaben der Staatsziele und Staatszwecke heben sich die Staatsaufgaben regelmäßig dadurch hervor, daß sie inhaltlich konkretisierte Handlungsaufträge an bestimmte staatliche Stellen enthalten. Die größte Untergruppe sind die Verwaltungsaufgaben, welche meist in einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Normen enthalten sind. 2. Staatsaufgaben und öffentliche Aufgaben
Die zweite Abgrenzung, die im Hinblick auf den Begriff der Staatsaufgaben zu treffen ist, ist diejenige zu den "öffentlichen Aufgaben". Während diese beisungsaufgaben abstellen, die unterverfassungsrechtlichen Vorschriften in die Betrachtung mit ein, vgl. Bu/1, Staatsaufgaben, S. 115, und Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (29). 49 Vgl. Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Refonn, S. 177 (187) und Püttner, Verwaltungslehre, S. 34, der die Verwaltungsaufgaben nachgerade als die einzigen "wirklichen" Staatsaufgaben ansieht. 50 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (207); Bauer, VVDStRL 54, 243 (249). 51 Knemeyer, VVDStRL 35, 221 (233).
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den Begriffe in der älteren Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung vielfach gleichbedeutend gebraucht wurden, einige Autoren eine Begriffsidentität gar ausdrücklich vertraten52, hat sich seit den wegweisenden Schriften von Peters53 und Martens54 weitgehend die Auffassung durchgesetzt, daß sie strikt auseinanderzuhalten sind. Danach ist wie folgt zu differenzieren: Öffentliche Aufgaben sind solche, an deren Erfilllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist55• Es handelt sich also- in Abgrenzung zu den privaten, individuellen Agenden - um Tätigkeiten, deren Wahmehmunf im überindividuellen Interesse, also dem Interesse der Gesellschaft, liegt5 • Dieses öffentliche Interesse ist gegeben, wenn die Auswirkungen eines bestimmten Verhaltens in erheblicher Weise über den Bereich einzelner betroffener Personen oder Gruppen hinauswirken57 . In diesem Sinne liegt dem Begriff der öffentlichen Aufgaben eine soziologisch-deskriptive Komponente zugrunde58 . Die öffentliche, gesellschaftsrelevante Aufgabe ist jedoch, gerade unter dem Aspekt der in der deutschen Staatsphilosophie verankerten Idee der Trennung von Staat und Gesellschaft, damit noch nicht automatisch auch eine staatliche Aufgabe. Gesellschaftsrelevante Tätigkeiten können nämlich außer durch den Staat auch durch andere gesellschaftliche, nichtstaatliche Gruppierungen wie Verbände oder Kirchen sowie gegebenenfalls durch Einzelpersonen vorgenommen werden59• Die staatliche Wahrnehmung ist nur eine unter mehreren Möglichkeiten. Folglich bedarf es zur Entstehung einer Staatsaufgabe eines konstituierenden Aktes. Eine öffentliche Aufgabe wird somit erst dann zu einer staatlichen, wenn der Staat sie sich durch einen Willensakt zu eigen macht und filr sich in Anspruch nimmt60 • Nachweise bei Bull, Staatsaufgaben, S. 47. Festschrift filr Nipperdey, Bd. II, S. 877 ff. 54 Öffentlich als Rechtsbegriff, v.a. S. 118 ff. 55 Peters, Festschrift für Nipperdey, Bd. II, S. 877 (878); kritisch zum Begriff der öffentlichen Aufgabe jedoch Bul/, Staatsaufgaben, S. 48 ff. 56 Vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 13; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 45 ff.; letzterer hebt allerdings mit der Formel vom "unbestimmten Personenkreis" hervor, daß es sich nicht um die Gesamtheit aller Bürger handeln muß (S. 46, 48). 57 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 169 ff., 178. 58 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 43 ff. ; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14. 59 So wurde etwa bis weit ins 19. Jahrhundert hinein fast der gesamte Bereich, den man heute als "soziale Fürsorge" bezeichnen würde, von den Kirchen, den (privaten) Wohlfahrtvereinigungen und mildtätigen Stiftungen vermögender Bürger betreut, obwohl soziale Not damals wie heute als ein öffentlichkeitsrelevantes Sujet angesehen wurde. 60 Bull, Staatsaufgaben, S. 105; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14; auch Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (153). 52 53
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Das kann in unterschiedlicher Weise geschehen. In einer Formulierung des Bundesverfassungsgerichts wird ,jede Aufgabe, mit der sich der Staat in irgendeiner Weise beschäftigt, zur staatlichen Aufgabe"61 • Das wUrde freilich wörtlich genommen bedeuten, daß angesichts der umfassenden Gesetzgebung in Deutschland kaum noch ein Bereich übrigbliebe, der nicht schon vom staatlichen Wahrnehmungsinteresse gestreift worden wäre, und sei es nur dergestalt, daß rudimentäre gesetzliche Rahmenkonstanten aufgestellt worden sind. Nun hat allerdings Peters dargelegt, daß sich der Staat einer öffentlichen Aufgabe mit unterschiedlicher Intensität widmen kann, und hat dafiir eine Systematik von fiinf Stadien (Regelungsgraden) entwickelt, die von der völligen Nichteinmischung des Staates Ober bloße Regulierungs- und Überwachungstätigkeit bis zur vollständigen Eigenwahrnehmung der Aufgabe durch staatliche Kräfte reichen62• Er sieht aber davon nur die letzten beiden Stadien, nämlich die Aufgabenwahrnehmung durch eigene oder geliehene {= beliehene) Kräfte des Staates, als Staatsaufgaben an, nicht hingegen eine bloße Überwachungs- oder regulierende Gesetzgebungstätigkeit63 . Diese Systematisierung befindet sich nun durchaus in Kongruenz mit der oben entwickelten Differenzierung zwischen Staatsaufgaben und Staatszielen/ -zwecken. Auch bezUglieh der Staatsziele und -aufgaben konnte man danach unterscheiden, daß bei den ersteren nur ein materieller Orientierungsrahmen vorgegeben wird, der sich erst mit der konkreten Zuweisung inhaltlich bestimmter Befassungskompetenz an staatliche Funktionsträger zu einer Aufgabe verdichtet64 • Entsprechend kann man hier sagen: Daß der Staat sich mit einer bestimmten Agende befaßt, macht eine öffentliche Aufgabe noch nicht zur staatlichen. Insbesondere kann es sich dabei auch um rein materielle Vorgaben und Richtungsweisungen, wie bei den Staatszielen, handeln. Maßgeblich filr die Begrundung einer staatlichen Aufgabe ist es vielmehr, daß der Staat deutlich macht, daß er bestimmte, inhaltlich präzisierte Tätigkeiten aus Gründen des öffentlichen Interesses von staatlichen Stellen erfiillt wissen möchte.
"Fernsehurteil" BVerfGE 12, 205 (243). Peters, Festschrift filr Nipperdey, Bd. II, S. 877 (878 f.); ihm folgend Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen, S. 60 f. Bei Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (145 ff.) werden sechs Grade der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privaten unterschieden. 63 Wobei klarzustellen ist, daß im Falle einer bloßen Überwachungstätigkeit des Staates die Überwachung selbst mit staatlichen Kräften dann eine staatliche Aufgabe ist, nicht hingegen die überwachte Tätigkeit (so Peters, Festschrift für Nipperdey, Bd. II, S. 877 (888) am Beispiel der staatlich kontrollierten Privatschulen). Ebenso bleibt bei rein materieller gesetzlicher Regulierung natürlich die Gesetzgebung als solche eine staatliche Aufgabe (Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (174)). 64 Auf die Begründung staatlicher Handlungskompetenz als konstitutives Element der Aufgabenschöpfung stellt Osterloh, VVDStRL 54, 204 (222, Fn. 66) ab. 61
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3. Zwischenergebnis: Der Begriffder Staatsaufgabe
Das Ergebnis der voranstehenden Staatsaufgabentheorien kann man wie folgt zusammenfassen: gesellschaftsrelevante öffentliche Aufgaben werden dann zu Staatsaufgaben, wenn der Staat in der Weise darauf zugreift, daß er staatliche Stellen mit der Durchfiihrung inhaltlich konkretisierter Tätigkeiten betraut. Das geschieht in erster Linie durch die einfachgesetzliche Begründung von Verwaltungsaufgaben. Fehlt es, wie meist auf der Verfassungsebene, an einer inhaltlichen Konkretisierung der staatlichen Tätigkeiten, so kann man von funktionalen oder instrumentalen Staatsaufgaben reden. Fehlt es andererseits an einer Tätigkeitszuweisung an staatliche Behörden, so handelt es sich um bloß materielle Vorgaben ohne Handlungsanweisung, wie bei den Staatszielen.
II. Konsequenzen aus der Staatsaufgabendefinition Mit diesem Verständnis von den Staatsaufgaben als zielgerichteten Handlungsanweisungen an staatliche Stellen, deren Festlegung vornehmlich auf einfachgesetzlicher Ebene stattfindet, sind verschiedene Folgerungen verbunden. I. Offener Aufgabenbestand
Zunächst einmal ist damit vorausgesetzt, daß es sich bei der Bestimmung der staatlichen Aufgaben- wie immer bei der Gesetzgebung- um einen im wesentlichen politisch motivierten Prozeß handelt. Das heißt, daß der staatliche Aufgabenbestand je nach den politischen Umständen Änderungen unterliegt und damit offen ist65 • Die "Souveränität des Staates, sich selbst Aufgaben zu stellen"66, ist prinzipiell gegenständlich nicht begrenzt, so daß man von einer potentiellen Allzuständigkeit sprechen kann67• Staatsaufgaben sind danach alle Gegenstände, die der Staat auf diese Weise an sich zieht. Im Gegenzug kann er sich ihrer freilich auch wieder entledigen, was die grundsätzliche Möglichkeit der (Re-)Privatisierung eröffnet68 . Dieses Verständnis erklärt auch schlüssig das Fehlen einer dogmatisch fundierten Staatsaufgabenlehre: politische Entscheidungen werden für gewöhnlich aus einer bestimmten Situation heraus getroffen und unterliegen insoweit kei-
Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (153); Osterloh, VVDStRL 54,204 (207). Ossenbühl, VVDStRL 29, 137, (154). 67 In diesem Sinne /sensee, HdbStR Bd. III, § 57 Rn. 156, 158; Ress, VVDStRL 48, 56 (72); Krüger, Staatslehre, S. 760, prägte dafür den Begriff der "Blankovollmacht". 68 Schoch, DVBI 1994, 962. 65
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ner Gesetzmäßigkeit69• Daher läßt sich ein materieller Staatsaufgabenbestand nicht allgemeingültig formulieren, sondern nur anhand der tatsächlich vom Staat wahrgenommenen Aufgaben ermitteln70 und systematisieren. 2. Grenzen der Staatsaufgaben: Staatliche Verantwortung zwischen Über- und Untermaßverbot
Diese Kompetenz-Kompetenz des Staates ist nun freilich nicht so zu verstehen, daß er völlig frei wäre zu schalten und zu walten, Aufgaben an sich zu ziehen und wieder abzustoßen. Offenheit des Aufgabenbestandes bedeutet nicht Beliebigkeit. Vielmehr sind hierfiir durch die Verfassung Grenzen gesetzt, die man schlagwortartig als Über- und Untermaßverbot bezeichnen kann. Einer Hyperaktivität des Staates in dieser Hinsicht stehen die Grundrechte der Bürger als Abwehrrechte entgegen, während am anderen Ende der Skala grundrechtliche Schutzverpflichtungen dem Staat einen gewissen Mindestbestand an zu erfüllenden Aufgaben auferlegen können. Dieses Aufgabenminimum wird in der Literatur auch häufig als "geborene" oder "genuine" Aufgaben bezeichnet71 . Mit einer solchen Bezeichnung ist aber Vorsicht geboten. Nach dem hier vertretenen Verständnis begründen verfassungsrechtliche Schutzverpflichtungen als solche mangels konkreter Vorgaben noch keine Staatsaufgabe72 • Eine solche liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Staat sich dieser Aufgabe auch tatsächlich stellt, also konkrete (gesetzliche) Vorgaben über die von bestimmten staatlichen Stellen zu treffenden Maßnahmen macht. Konstitutiv für die Entstehung einer Staatsaufgabe ist also, daß der Staat sich wirklich damit befaßt, nicht daß er sich aus verfassungsrechtlichen Gründen
v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 15. Es gilt also nach wie vor das Resümee von Jellinek., Allgemeine Staatslehre, S. 255, wonach Staatsaufgaben sich nur empirisch und bezogen auf einen konkreten Staat zu einer bestimmten Zeit, nicht aber theoretisch-abstrakt feststellen lassen. In diesem Sinne auch/senseeund Herzog, HdbStR Bd. III, § 57 Rn. 116, § 58 Rn. 23, sowie Bull, Staatsaufgaben, S. 90 ff. 71 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22; Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (174); ausführliche Nachweise bei Bu/1, Staatsaufgaben, S. 99. 72 Skeptisch insoweit auch Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (153 f., Fn. 76). Das Bundesverfassungsgericht hat im Zweiten Abtreibungsurteil, BVerfGE 88, 203 (254), ausgeführt, daß die "Schutzpflicht das Ziel vorgibt, nicht aber dessen Ausgestaltung im Einzelnen" Nach diesem Verständnis handelt es sich bei dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des ungeborenen Lebens um den Prototyp eines Staatsziels auf Verfassungsebene, nicht aber um eine Staatsaufgabe. Gleiches muß dann für andere Bereiche des Lebensschutzes, etwa im Umweltrecht, gelten. Zu den Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten auf die Zulässigkeit von Privatisierungen vgl. unten § 5 E IX 2. 69
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damit befassen müßte. Für diese Bereiche sollte deswegen besser der Begriff der "Verantwortung" verwendet werden73 . Es bleibt daher bei der Definition der Staatsaufgaben als derjenigen Tätigkeitsbereiche, auf die der Staat tatsächlich zugreift74• Die dabei grundgesetzlich vorgegebenen Ober- und Untergrenzen werden später in den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Privatisierungsdiskussion noch eingehender zu behandeln sein. An dieser Stelle ist jedoch zunächst festzuhalten, daß zwischen diesen beiden Polen der Staat einen weiten Entscheidungsspielraum bezüglich der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben hae5 . 111. Staatsaufgaben im Umwelt- und Immissionsschutzrecht Betrachtet man nun die so definierten Begriffe im Hinblick auf eine Einordnung des Umweltschutzes und des Immissionsschutzes, so ergibt sich folgender Befund: 1. Staatsaufgabe Umweltschutz
Unzweifelhaft ist der Umweltschutz eine öffentliche Aufgabe im oben beschriebenen Sinne. Die Erhaltung der Umwelt und der natUrliehen Lebensgrundlagen ist von essentieller Bedeutung filr die menschliche Existenz und somit auch filr den Fortbestand der Gesellschaft. Inwieweit diese öffentliche Aufgabe durch die staatliche Gesetzgebung zur staatlichen Aufgabe gemacht worden ist, ist nur aus einer Zusammenschau der staatlichen Funktionen nach Maßgabe der verschiedenen Umweltgesetze zu entnehmen. Die Staatsaufgabe 73 Unter diesem Stichwort untersucht etwa Murswiek, Verantwortung, die staatlichen Schutzverpflichtungen im Immissionsschutzrecht Lübbe-Wo/fJ, ZUR 1993, 263 (265) spricht im gleichen Zusammenhang von "Aufgabenverantwortung". Auch bei Bauer, VVDStRL 54, 243 (277 ff.) wird diese Unterscheidung von Aufgabe und Verantwortung vorausgesetzt, wenn er ausfUhrt, daß die staatliche Verantwortung für die Aufgabenerftillung gegebenenfalls auch nach einer Aufgabenprivatisierung fortbesteht. Ausführlich zu den Wurzeln des Begriffs Ronellenfitsch, Selbstverantwortung, S. 25 ff. 74 Mißverständlich ist insoweit die verbreitete Kurzdefinition, wonach Staatsaufgaben alle Aufgaben sind, die der Staat zulässigerweise filr sich in Anspruch nimmt (so z. B. Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (153)), denn es kann wohl nicht auf die materielle Verfassungsmäßigkeit der Aufgabenbegründun~. ankommen. Weist der Staat sich bestimmte Tätigkeiten unter Verstoß gegen das Ubermaßverbot zu, so handelt es sich nichtsdestoweniger um eine - wenn auch verfassungswidrige - Staatsaufgabe. Anders verhält es sich nur, wenn staatliche Stellen ohne jegliche rechtliche Grundlage aktiv werden, da durch die bloße tatsächliche Usurpation keine Aufgabe begründet werden kann. Vgl. dazu auch Ossenbühl, S. 155; undeutlich Bu/1, Staatsaufgaben, S. 105. 75 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (207).
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Umweltschutz hat ebenso viele Facetten, wie es gesetzlich verfaßte staatliche Umweltschutzaktivität gibt. Darüber hinaus ist der Umweltschutz seit dem 15. November 1994 in Art. 20 a GG verankert. Hierbei handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine Staatszielbestimmung76, mit der die besondere Verantwortung des Staates filr den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen noch einmal untermauert wird. Als verfassungsrechtliches Staatsziel begründet der Umweltschutz jedoch keine konkreten Handlungspflichten filr staatliche Funktionsträ~er und hat daher keinen direkten Einfluß auf den Umfang der Staatsaufgaben 7. 2. Staatsaufgabe Immissionsschutz
In ganz entsprechender Weise definiert sich dann die Staatsaufgabe Immissionsschutz als die Summe der staatlichen Aktivitäten nach dem BundesImmissionsschutzgesetz78. Sie umfaßt daher die dort im einzelnen geregelten Genehmigungs- und Überprüfungsaufgaben ebenso wie Planungs- und Standardisierungstätigkeiten. Für die Zwecke dieser Arbeit ist das Hauptaugenmerk dabei auf die staatlichen Funktionen bezüglich der Anlagenüberwachung nach Maßgabe der§§ 4 ff. BimSchG zu richten. Als Zentralvorschrift kann insoweit jedoch § 52 Abs. 1 BimSchG angesehen werden, der den zuständigen Behörden generell die Aufgabe zuweist, die Durchfilhrung des Gesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen. Dabei handelt es sich um eine Aufgabennorm, wie sie auch in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Recht der Gefahrenabwehr, anzutreffen ise9 • § 52 Abs. 1 BimSchG ermächtigt die Behörden daher nicht zu Eingriffen (hierfilr stehen vielmehr die speziellen Befugnisnormen des Gesetzes zur Verfilgung), umschreibt aber in allgemeiner, gleichwohl fachlich spezifizierter Weise das Tätigkeitsfeld der staatlichen Stellen im Immissionsschutz. Die erforderliche inhaltliche Konkretisierung erfilhrt diese Aufgabeneröffuung dabei Kloepfer, DVBII996, 73; Peters, NVwZ 1995,555. Trotz seiner existentiellen Bedeutung ist der Umweltschutz wohl auch nicht als Staatszweck anzusehen. Der "Umweltstaat" (eine Wortprägung von Kloepfer; der Begriff erscheint auch bei Ronellenfitsch, Selbstverantwortung, S. I 0 f. und Schmidt, DÖV 1994, 749) ist kein eigener Typus von Staatlichkeit, und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen läßt sich durchaus noch unter den herkömmlichen Sicherheitsstaatszweck bringen. Hofmann, Hasso, Die Zukunft gestalten, S. 21 (24), stellt den Umweltschutz freilich den "klassischen Staatszwecken" als neue Zukunftsaufgabe gegenüber. 78 Zusätzlich können die Landes-Immissionsschutzgesetze noch weitere Immissionsschutzaufgaben enthalten. Diese bleiben jedoch bei der vorliegenden Untersuchung, die sich auf den abschließend bundesrechtlich geregelten anlagenbezogenen Immissionsschutz bezieht, außer Betracht. 79 Jarass, BimSchG, § 52 Rn. 4. 76
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vor allem durch die vorangestellte Zwecknorm des § I BlmSchG, die die Handlungsdirektiven der Behörden materiell präzisiert80. Damit beinhaltet die immissionsschutzrechtliche Aufgabeneröffnung des § 52 Abs. I BlmSchG in Verbindung mit der Zwecknorm die konkrete Anweisung des Gesetzgebers an die Verwaltung, unter Einsatz des gegebenen Instrumentariums zur Verwirklichung der materiellen immissionsschutzrechtlichen Vorgaben tätig zu werden81. Dies stellt mit seinen beiden Komponenten, der sachlich-inhaltlichen Bestimmtheit und der kompetenziellen Zuweisung an bestimmte, allerdings noch durch das Landesrecht zu benennende Behörden, den Kern der Staatsaufgabe Immissionsschutz dar. Wurde oben bereits angedeutet, daß die Staatsaufgaben zum größten Teil Verwaltungsaufgaben sind, so ist auch einleuchtend, daß die verwaltungsrechtliche Aufgabeneröffnung gleichzeitig die Staatsaufgabe konstituiert. In der Hauptsache besteht also die staatliche Aufgabe Immissionsschutz darin, die Einhaltung des materiellen Immissionsschutzrechts im Einzelfall unter Anwendung des zur VerfUgung stehenden Instrumentariums sicherzustellen.
80 Außerdem wird die allgemeine Aufgabe der Immissionsschutzbehörden - wie auch sonst im Sicherheitsrecht - durch die einzelnen Befugnistatbestände genauer umrissen: von einer bestehenden Eingriffsbefugnis der Behörde kann zurückgeschlossen werden, daß die Tätigkeit auch in ihren Aufgabenbereich fiillt. 81 Knemeyer, VVDStRL 35, 221 (275).
§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs Dieser Befund, daß die zentrale staatliche Aufgabe im Bundes-Immissionsschutzgesetz die Überwachung der Durchftlhrung dieses Gesetzes durch die Verwaltungsbehörden nach § 52 Abs. 1 BlmSchG ist, lenkt den Blick auf das dahinterstehende Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs. Durchftlhrung des Gesetzes meint nichts anderes als Vollzug, und der Vollzug von Gesetzen ist vonjeher die Aufgabe der Verwaltung gewesen.
A. Systematische und steuerungswissenschaftliche Grundlagen Gesetzesvollzug ist die Umsetzung des gesetzgeberischen Willens in die Realität. Ein materielles Vollzugsmodell basiert auf der Annahme, daß der Gesetzgeber bestimmte inhaltliche Vorstellungen über den Zustand von Staat und Gesellschaft und über das Verhalten ihrer Mitglieder hat, die er durch legislative Zielvorgaben ausdrückt. Der Gesetzesvollzug läßt sich dann als die Bestrebung begreifen, den tatsächlichen Ist-Zustand eines konkreten Lebenssachverhalts mit diesem normativ vorgegebenen Soll-Zustand in Übereinstimmung zu bringen 1• Aufgabe der Verwaltung als Vollzugsträgerio ist es dabei, im konkreten Anwendungsfall den Ist-Zustand zu ermitteln, ihn mit dem gesetzlich definierten Soll-Zustand zu vergleichen und im Falle einer Abweichung entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um eine Kongruenz herbeizuftlhren. Decken sich Ist-Zustand und Soll-Zustand, entspricht also die tatsächliche Lage der normativ geforderten, so ist der gesetzgeberische Wille erfilllt, das Gesetz vollzogen. Dreh- und Angelpunkt dieses Prozesses ist die behördliche Vollzugsentscheidung2. Sie ist das Mittel, mit dem die Verwaltung im konkreten Fall die Realisierung der generell-abstrakten, normativ formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers bewirke. Entsprechend bedeutsam ist daher die Frage, in welcher
1 Ähnlich
Krebs, Kontrolle, S. 34, zur Struktur staatlicher Kontrollentscheidungen. Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 9 (21 ); Schuppert, ebenda S. 65 (98); allgemein zur Funktion der Verwaltung als Entscheidungssystem Luhmann, Theorie, S. 84 ff.; Schmidt, AöR 96, 321 (326 f.). 3 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 129 ff. 2
A. Systematische und steuerungswissenschaftliche Grundlagen
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Weise diese Entscheidung gesetzlich determiniert und programmiert ist. Hierfiir stellt die Steuerungswissenschaft4 zwei Modelle zur Verfügung: Konditionalprogramm und Finalprogramm5. I. Konditionalprogramme
Das konditionale Programmierungsmodell baut auf einem Wenn-DannSchema auf. Das programmierende Gesetz enthält typisierte Entscheidungsformen, die jeweils an einen bestimmten Tatbestand gekoppelt sind. Immer wenn ein solcher Tatbestand erftUlt ist, zieht er die jeweilige Vollzugsentscheidung als Rechtsfolge nach sich6 • Ansatzpunkt filr die behördliche Tätigkeit ist also dabei der bestehende Ist-Zustand, der dann, sofern er tatbestandsmäßig ist, ein bestimmtes Vollzugsverhalten der Behörde provoziert. Luhmann, der Begründer der Unterscheidung zwischen Konditional- und Finalprogramm, bezeichnet diese konditionale Form auch als "Routineprogramm" und fiihrt aus, daß bestimmte Anlaßinformationen bestimmte Kommunikationen des Systems auslösen sollen, wenn sie eintreffen, wobei offen bleibt, ob, wann und wie oft sie eintreffen7 . Das "routinierte" Element dieses Programmtyps liegt somit in dem Umstand, daß die Verwaltung auf einen bestimmten Sachverhalt immer in gleicher Weise reagiert. Diese Reaktion erscheint dann zwangsläufig als die einzig richtige Entscheidung8 • Typische Erscheinungsform dieses Programmtyps ist das "klassische" Gesetz mit Tatbestand und Rechtsfolge9 • Die Funktion der Verwaltung in diesem Modell ist sehr deutlich instrumentaler Natur: sie beschränkt sich im idealtypischen Fall auf die simple Subsumtion der vorgegebenen Tatbestände und wirft dann die dadurch vorprogrammierte Vollzugsentscheidung aus. Somit erscheint die Behörde als vollkommen
4 Zu Begriff, Arten und Voraussetzungen der Steuerung durch Recht vgl. Mayntz in Eilwein u.a., Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft I987, S. 89 (9I ff., 95 ff.); Schuppert in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 65 ff.; Ritter, Staatswissenschaften und Staatspraxis I990, S. 50 ff.; König/Dose, Klassifizierungsansätze staatlicher Handlungsformen, mit Blick auch auf politologische (S. 65 ff.) und soziologische (S. 88 ff.) Klassifikationen. s Vgl. dazu allgemein Luhmann, VerwArch 55, I (7 ff.); derselbe, Theorie, S. 87; Schmidt, AöR 96, 32I ff.; König, Die Verwaltung 7, 137 (14I ff.); Schmidt in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 67 (79 f.). 6 Luhmann, VerwArch 55, I (8 f.); Schmidt, AöR 96, 32I (332); Steinberg, Der Staat I5, I85 (I88); König, Die Verwaltung 7, 137 (I4I). 7 Luhmann, VerwArch 55, I (9). 8 Luhmann, VerwArch 55, I (I4); Steinberg, Der Staat I5, I85 (188). 9 König, Die Verwaltung 7, 137 (I42). 4 Ludwig
50
§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
fremdgesteuertes Werkzeug im Dienste des gesetzgeberischen Willens 10• Das entspricht genau genommen einer konsequenten Durchfilhrung des rechtsstaatliehen Gewaltenteilungsprinzips: die Legislative trifft die erforderlichen politischen Gestaltungsentscheidungen in allgemeingültiger, normativer Form, die Exekutive beschränkt sich auf deren unpolitische Umsetzung 11 . Idealiter herrscht im Rechtsstaat ausschließlich das Gesetz, nicht die (gesetzesanwendende) Person 12. Gleichwohl erscheint die Verwaltung in der Praxis kaum je als bloße "Subsumtionsmaschine"13. Eine dem idealtypischen Modell entsprechende durchgängige und vollständige Programmierung der gesamten Staatstätigkeit durch die Gesetzgebung ist aus strukturellen Gründen weder möglich 14, noch wäre sie wünschenswert. Eine solchermaßen "strangulierte" Verwaltung müßte jegliche Einzelfallflexibilität vermissen lassen und letztlich ihre Funktionsfähigkeit zur Allgemeinwohlforderung einbüßen 15. Das strikte Vollzugsmodell ist deshalb fast überall durch gewisse eigenständige Wirkungsbereiche der Verwaltung modifiziert worden, von denen Beurteilungs-, Ermessens- und Gestaltungsspielräume16 als die wichtigsten zu nennen sind. In diesen "sekundären Elastizitäten"17 liegt eine gewisse Eigenständigkeit der Verwaltung 18, die sich darin 10 Vgl. zu diesem "Maschinenmodell" die Darstellung bei Dreier, Hierarchische Verwaltung. S. 40 ff. 11 Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 (193 f.); vgl. auch Wol.ff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, § 20 Rn. 17. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 159, spricht diesbezüglich von einer "gesetzesstaatlich konsequenten und in der Logik demokratischer Herrschaft liegenden Vorstellung". 12 Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 59 Rn. 120; zu den rechtsstaatlich motivierten Bestrebungenneuerer Zeit, die Gesetzesbestimmtheit der Verwaltung möglichst lOckenlos zu machen, vgl. Dreier, Die Verwaltung 25, 137 (142 ff.). Daneben wird der Ausschluß eigener Entscheidungsspielräume der Vollzugsverwaltung nachgerade als Funktionserfordernis demokratischer Staatlichkeit angesehen, vgl. Dreier, Hierarchische Verwaltung, s. 122 ff. 13 Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 9 (19); Schmidt-Aßmann in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. II (48); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 128 f., 163 f. Allerdings gibt es durchaus einzelne Bereiche, in denen das ,,Abarbeiten" von Entscheidungen quasi maschinell erfolgt (und insoweit auch einer computerisierten Bearbeitungsweise zugänglich ist), vgl. Steinberg, Der Staat 15, 185 (189) zum Sozialrecht. 14 Vor allem stößt die Vielzahl der denkbaren Vollzugssituationen an die Grenzen der abstrakt-generellen Normierbarkeit: eine unübersehbare Flut von einzelnen Tatbeständen würde auch die Behörden den Überblick verlieren lassen; vgl. im übrigen Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 148 ff., 172 ff. und unten§ 4 BI lzum Vollzugsdefizit 15 Wol.ff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 20 Rn. 23. 16 Auf diese Trias stellt BVerfGE 61 , 82 (II I) ab; weiter differenzierend SchmidtAßmann in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 188 ff. 17 Luhmann, VerwArch 55, I (12 ff.).
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äußert, daß die gesetzesanwendende Behörde in den verschiedenen Schritten des Vollzugs auch selbst gestaltend tätig wird; neben die strikt gesetzesdeterminierte Subsumtion treten administrative Abwägungsentscheidungen auf verschiedenen Ebenen 19 • Insoweit kann auch im konditionalen Vollzugsmodell praktisch oft von einem "kooperativen Verbundverhältnis"20 zwischen Exekutive und Legislative gesprochen werden.
II. Finalprogramme Einen anderen Ansatzpunkt haben die finalen Programmierungsmodelle21 • Bei diesen ist nicht ein typisierter Anfangstatbestand Auslöser fiir eine ebenso typisierte Vollzugsentscheidung, sondern das Augenmerk wird vielmehr auf das Ziel, den vom Gesetzgeber letztlich gewünschten Soll-Zustand gerichtet. Der Vollzugsverwaltung wird ein bestimmtes materielles Ziel vom Gesetzgeber vorgegeben, das sie verwirklichen soll. Der Weg, auf dem dies geschieht, ist der Verwaltung aber weitgehend freigestellt (freilich begrenzt durch systemimmanente Einschränkungen und sonstige - etwa verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen22). Es ist also gesetzlich nicht eine bestimmte Vollzugsentscheidung determiniert, sondern die Verwaltung kann aus dem ihr zur VerfUgung stehenden Entscheidungsarsenal diejenife Maßnahme auswählen, die ihr zur Zielerreichung am geeignetsten erscheine . Im finalen Modell ist der Eigenverantwortungsbereich der Vollzugsbehörde tendenziell größer als im Konditionalmodell. Zwar fungiert die Verwaltung letztlich auch hier als Instrument zur Umsetzung der gesetzgeberischen Vorstellungen. Mangels einer strikten Bindung an vorgegebene Tatbestände spielen aber Abwägungen und Zweckmäßigkeitsüberlegungen bei der Auswahl der Entscheidungsalternative regelmäßig eine weitaus größere Rolle. Dementsprechend sind Planungsvorschriften, bei denen es um einen abwägenden Aus-
18 Dazu Schmidt-Aßmann in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 11 (51 ff.); Dreier, Die Verwaltung 25, 137 (146 ff.); derselbe, Hierarchische Verwaltung, S. 185 ff. 19 Schuppert in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 65 (102 f.) unterscheidet in seiner Analyse zwischen verschiedenen mehr oder weniger gebundenen Entscheidungsarten nach dem Anteil, den Subsumtions- bzw. Abwägungselemente bei der Gesamtentscheidung haben. 20 Dreier, Die Verwaltung 25, 137 (152). 21 Luhmann, VerwArch 55, 1 (8); Steinberg, Der Staat 15, 185 (193). 22 Steinberg, Der Staat 15, S. 185 (189). Zum Erfordernis solcher "Nebenbestimmungen" vgl. König, Die Verwaltung 7, 137 (146), ähnlich auch Schmidt, AöR 96, 321 (333). 23 Auf verfassungsrechtlicher Ebene stellen sich insbesondere die Staatszielbestimmungen ebenfalls als finale Programmierungen der Staatstätigkeit dar.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
gleich unterschiedlicher Interessen und Werte geht, typische Erscheinungsformen dieses Modells24• 111. Verhältnis beider Programmierungsmodelle Die systemtheoretische Differenzierung zwischen konditionalen und finalen Programmierungsmodellen geht auf Niklas Luhmann zurück, der sie als kategorisch unterschiedlich ansah2s. Dem kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Vielmehr gibt es in beiden Varianten auch mehr oder minder deutliche Elemente des jeweiligen Gegenmodells. Dies ergibt sich filr das Konditionalmodell bereits aus der oben dargelegten Notwendigkeit gewisser Eigenverantwortlichkeitsbereiche der Verwaltung, eben der "sekundären Elastizitäten". Bringt die Behörde dabei eigene Abwägungsüberlegungen mit ein, wie etwa bei der Ermessensausübung, so müssen sich diese an irgendeinem Maßstab orientieren. Dieser Maßstab werden regelmäßig Überlegungen der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit sein, und zwar im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel. In § 40 VwVfG ist dies filr die Ausübung von Ermessen auch gesetzlich klargestellt. Der Normzweck ist insoweit Richtpunkt filr die Gesetzesanwendung auch und gerade dort, wo sie nicht oder nur unvollkommen tatbestandlieh fixiert ist26• Das gesetzgeberische Ziel ist also auch bei den "zielblinden" Konditionalprogrammen keineswegs ausgeblendet. Bei genauer Betrachtung ist es vielmehr sogar in den konditionierten Programmen selbst enthalten, und zwar entweder in der Rechtsfolge, also der programmierten Vollzugsentscheidung, die ja letztendlich zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Vorstellungen filhren soll27, oder in den Tatbestandsmerkmalen (etwa bei Genehmigungsvoraussetzungen). In neuerer Zeit ist die Gesetzgebung überdies vermehrt dazu übergegangen, auch typisch konditional geprägten Normwerken Zwecknormen voranzustellen, eben um den Vollzugsbehörden Orientierungshilfen bezüglich der gesetzgeberischen Leitgedanken an die Hand zu geben28 •
24 König, Die Verwaltung 7, 137 (142); vgl. auch Steinberg, Der Staat 15, 185 (190 ff.) mit Beispielen. 2 s Luhmann, VerwArch 55, 1 (10 f.). 26 König, Die Verwaltung 7, 137 (142 f.) spricht von "zweckkontrolliertem Konditionalprogramm". Bezüglich des Ermessens erkennt auch Luhmann selbst, VerwArch 55, 1 (15 f.), eine Programmverbindung an, nicht hingegen bezüglich der unbestimmten Rechtsbegriffe und Beurteilungsspielräume. 27 Daraufweist Schmidt, AöR 96, 321 (334) hin. 28 Vgl. etwa Knemeyer, VVDStRL 35, 221 (278, Fn. 175), gerade auch zum BundesImmissionsschutzgesetz.
A. Systematische und steuerungswissenschaftliche Grundlagen
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Auf der anderen Seite kommt auch ein final ausgerichtetes Vollzugsprogramm bei der Entscheidung, welche von mehreren verfilgbaren Vollzugsmaßnahmen nun im konkreten Fall ausgewählt werden soll, nicht um eine gewisse "Konditionierung" herum. Diese liegt namentlich in der notwendigen Prognose über Ursachen und Wirkungszusammenhänge29• Um die im Einzelfall günstigste Alternative bestimmen zu können, muß die Behörde Szenarien bilden und vergleichen, wie sich verschiedene Handlungsalternativen mutmaßlich auf die Zielerreichung auswirken. Dabei sind die überhaupt in Frage kommenden Entscheidungsalternativen ihrerseits auch schon durch die tatsächlichen Umstände limitiert. Hinzu kommen die bereits angesprochenen rechtlichen Rahmenbedingungen. Nach alledem ist auch eine final programmierte Gesetzesanwendung nicht völlig frei schaffende Tätigkeit, sondern wird durch Sachzwänge und Rechtsgrenzen in bestimmten Bahnen gehalten. Konditionale und finale Vollzugsprogrammierung schließen sich also nicht ultimativ aus, sondern können sich auch wechselseitig ergänzen30. Ihre (faktisch kaum existierenden) Reinformen bilden gewissermaßen die Pole, zwischen denen es mehr oder weniger ausgeprägte Mischformen gibt. Das Auftauchen von einleitenden Zwecknormen in konditionalen Gesetzen spricht insoweit eine deutliche Sprache. Das ist auch verständlich, wenn man sich noch einmal vor Augen hält, daß beiden Steuerungssystemen eines gemeinsam ist: sie programmieren Verwaltungsentscheidungen, die eine Umsetzung des gesetzgeberischen Willens in die Realität bewirken sollen. Diese Grundidee des Gesetzesvollzugs war oben als "HerbeifUhrung der Kongruenz zwischen tatsächlichem Ist-Zustand und normativem Soll-Zustand" bezeichnet worden. Dem dienen beide Programme, nur ist ihr jeweiliger Ansatzpunkt ein anderer. Das Konditionalprogramm knüpft an den Ist-Zustand an: entspricht dieser einem der vertypten Tatbestände, so ist die korrespondierende Vollzugsentscheidung zu treffen, die dann eine Veränderung in Richtung auf den Soll-Zustand hin bewirkt. Das Finalprogramm nimmt hingegen zunächst den gesetzlich vorgegebenen Soll-Zustand ins Visier und steuert diesen dann vermittels geeigneter Maßnahmen an. Orientierungspunkt ist also im ersteren Fall der bestehende, im letzteren der angestrebte Zustand. Gemeinsame Intention ist es jedoch, beide zur Deckung zu bringen.
29 Schmidt, AöR 96, 321(333), der dann allerdings den programmierenden Charakter des Finalmodells insgesamt verneint; dagegen Steinberg, Der Staat 15, 185 ( 190, Fn. 22). 3 König, Die Verwaltung 7, 137 (142); Schmidt in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 67 (80).
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht I. Ordnungsrecht und konditionale Programmierung
Im Ordnungsrecht herrscht die "klassische" konditionierte Variante des gesetzlichen Vollzugsmodells vor. Dieser Umstand liegt in der spezifischen Struktur dieses Rechtsgebietes begründet. Ordnungsrecht ist dadurch gekennzeichnet, daß die staatliche Autorität die Interessenverfolgung der gewaltunterworfenen BUrger reglementierend einschränke 1• Der Staat gibt durch den Gesetzgeber positive oder negative Handlungsanweisungen, legt fest, was der Einzelne tun soll und was niche2. Gesetzliche Gebote, Verbote und Erlaubnisse sind typische Ausdrucksformen ordnungsrechtlicher Gesetzgebung. Diese regulativen Vorschriften berühren regelmäßig die Handlungsfreiheit der so Regulierten. Wenn dem Einzelnen durch den Gesetzgeber bestimmte Aktivitäten vorgeschrieben oder untersagt werden, werden seiner freien Entfaltung insoweit Grenzen gezogen. Das Interesse des betroffenen Bürgers an seiner uneingeschränkten Handlungsfreiheit läuft daher dem staatlichen Interesse an der Durchsetzung der regulativen Festsetzungen tendenziell zuwider33 • Soll nun der Wille des Gesetzgebers im Wege des Vollzugs zur Geltung gebracht werden, so muß dies gegebenenfalls gegen den Widerstand der Betroffenen erfolgen. Auch und gerade die Umsetzung ordnungsrechtlicher Vorschriften im Einzelfall geht folglich oftmals mit Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten einher. Zwar gibt es auch Konstellationen, in denen das nicht der Fall ist: sei es, daß die Betroffenen von sich aus die regulativen Maßgaben des Gesetzes erfilllen, sei es, daß der gesetzwidrige Zustand im Einzelfall nicht mit menschlichem Verhalten in Beziehung steht (etwa bei Naturereignissen) oder jedenfalls keine Maßnahmen erfordert, die individuelle Rechte berühren (so beim sogenannten "schlichten Verwaltungshandeln"). Weitgehend gilt aber die simplifizierende Formel: Ordnungsverwaltung ist Eingriffsverwaltung34• Handelt es sich somit beim ordnungsrechtlichen Gesetzesvollzug vor allem um Formen der Eingriffsverwaltung, so gelten hierfiir in besonderem Maße die rechtsstaatliehen Erfordernisse des Gesetzesvorbehalts und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die VOllzugsbehörde benötigt als legitimierende Grundlage filr derartige Eingriffe gesetzlich festgelegte Befugnisse. Diese wiederum WoljJ/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 3 Rn. 5. Von diesen materiellen Verhaltensnormen sind wiederum die sogenannten "Sekundämormen" (Organisations-, Verfahrensvorschriften usw.) zu unterscheiden, vgl. König/Dose, Klassifizierungsansätze staatlicher Handlungsformen, S 32 f. 33 Ritter, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, 50 (51); auch Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 ( 192 ff.) am Beispiel der Gefahrenabwehr. 34 WoljJ/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 3 Rn. 5. 31
32
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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müssen aus Gründen der Bestimmtheit darauf abzielen, die Voraussetzungen und die Reichweite dieser Eingriffsmöglichkeiten möglichst detailliert festzulegen. Der ordnung~rechtliche Gesetzgeber ist also gehalten, nicht nur materiell festzulegen, welche Verhaltensweisen er von den Bürgern erwartet und welche Zustände er haben oder nicht haben will, sondern er muß ebenso der Verwaltung entsprechende Befugnisse an die Hand geben, damit sie diese Vorstellungen notfalls auch gegen Widerstände durchzusetzen vermag. Das dazu passende Vollzugsprogramm ist das konditionale Modell. Mit seiner präzisen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge entspricht es genau diesen funktionellen Anforderungen und ist quasi das maßgeschneiderte Gerüst fiir diese spezifische Tätigkeit der "klassischen" Vollzugsverwaltung35 • Demgegenüber hat die finale Programmierung ihren Platz vor allem in den Bereichen der Planung und Gestaltung, wo nicht so sehr die Durchsetzung von Verhaltensmaßregeln im Einzelfall im Vordergrund steht, sondern der weitergreifende Ausgleich vieler unterschiedlicher Gesichtspunkte, die einer typisierenden tatbestandliehen Fixierung kaum zugänglich sind. II. Ablauf des Gesetzesvollzugs nach dem Konditionalprogramm Der Prozeß des Gesetzesvollzugs läuft in mehreren Schritten ab. Zunächst ist zwischen der Schaffung der materiellen Vorgaben durch den Gesetzgeber und der Umsetzung durch die Verwaltung zu unterscheiden. Letztere kann wiederum in die Phasen der Sachverhaltsermittlung, der Maßstabskonkretisierung, der Subsumtion (des Soll-Ist-Vergleichs), der Entscheidung über die Vollzugsmaßnahme und gegebenenfalls der Durchsetzung dieser Entscheidung unterteilt werden kann. 1. Vorgabe der materiellen und programmatischen Grundlagen durch den Gesetzgeber
Am Anfang steht notwendigerweise die Bereitstellung des normativen Rüstzeugs durch den Gesetzgeber. Als programmierende Instanz muß die Legislative Inhalt und Ablauf des Vollzugsprogramms definieren. Das erfolgt im Konditionalmodell über die Schaffung der einzelnen Tatbestandsnormen. Der Gesetzgeber muß diejenigen Soll-Zustände definieren, die er durch die Verwal35 Wahl in Hoffrnann-Riern u.a., Reform, S. 177 (193), mit weitergehenden Überlegungen zu den Zusammenhängen zwischen der Art der Programmierung und der Funktionsweise der Verwaltung. Instruktiv zur Struktur und Organisation der Verwaltung im allgerneinen und der Vollzugsverwaltung im besonderen auch Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 82 ff. , 211 ff.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
tung verwirklicht sehen möchte. Zu diesem Zweck müssen typisierte Vollzugssituationen generell-abstrakt gefaßt und der jeweils adäquaten behördlichen Reaktion als Rechtsfolge zugeordnet werden. Die normative Fixierung des Programms geschieht üblicherweise durch die einfache Gesetzgebung, da die verfassungsrechtlichen Zielvorgaben, wie oben erörtert36, regelmäßig zu offen und inhaltlich unbestimmt sind, als daß sie handhabbare Tatbestände fUr die tägliche Anwendung liefern könnten. Außerdem handelt es sich bei der Festlegung derartiger Inhalte regelmäßig um einen politischen Abwägungsprozeß, einen Ausgleich widerstreitender Interessen, der dem demokratisch legitimierten Parlament obliegt37• Auf der anderen Seite ist eine derartige gesetzliche Regelung regelmäßig auch erforderlich, um dem Vorbehalt des Gesetzes zu genügen, der (zumal in seiner Ausformung als Parlamentsvorbehalt) fUr die wesentlichen Entscheidungen des staatlichen Apparates die Grundlage eines Parlamentsgesetzes erfordert38• Es bedarf also der unterverfassungsrechtlichen Legislative zur Bestimmung und verbindlichen Formulierung der zu verwirklichenden materiellen Vorgaben. An die konkrete Ausgestaltung der konditionierten Tatbestände werden durch das Rechtsstaatsprinzip gewisse Anforderungen gestellt. Insbesondere erfordern es die Grundsätze der Bestimmtheit und der Normklarheit, daß die gesetzlichen Vorgaben hinreichend präzisiert sind39• Das gilt gerade dann, wenn sie regulierend auf den Lebenskreis der Bürger einwirken und gegebenenfalls durch Eingriffe durchgesetzt werden sollen; der normbetroffene Bürger muß wissen, was von ihm verlangt wird, und sich darauf einstellen können. Aus diesem Grund sind "vage Generalklauseln", die es der gesetzesvollziehenden Exekutive überlassen, den Normen einen konkreten Inhalt beizumessen, unzuläs• 40
Slg .
Allerdings ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in gewissen Umfang Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden41 • Der erforderliche Bestimmtheitsgrad hängt weitgehend von den Eigenarten der zu regelnden Rechtsmaterie ab, insbesondere davon, inwieweit diese einer genauen BeVgl. oben § 1 BI 1 a bb. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 30 ff. weist freilich zu Recht daraufhin, daß sich die Willensbildung in einem pluralistischen, vielschichtig gestuften Prozeß abspielt und nicht als "punktuelle freie Willenssetzung" aufgefaßt werden kann. 38 Katz, Staatsrecht, Rn. 195. 39 BVerfGE 8, 274 (325); 13, 153 (160), wo das Erfordernis hinreichend bestimmter Regelungen außerdem aus dem Gewaltenteilungsprinzip und dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes abgeleitet wird. Instruktiv zum Verhältnis von Bestimmtheit und Normklarheit auch Braun, VerwArch 76, S. 24 (45 ff.). 40 BVerfGE 8, 274 (325 ff.). 41 Zur Unvermeidbarkeil solcher "offener" Normen vgl. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 168 ff. 36 37
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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griffsfixierung zugänglich ist und mit welcher Intensität die Verwirklichung der legislativen Vorstellungen in die Freiheitsbereiche der betroffenen Grundrechtsträger eingreift. Generalklauseln sind namentlich dann unbedenklich, wenn sich ihr Bedeutungsgehalt mit Mitteln der Auslegung und unter Berücksichtigung der etablierten Rechtsprechung und Rechtspraxis zuverlässig ermitteln läßt42 • Freilich bleibt damit die Frage offen, wo im Einzelfall die Grenzlinie zwischen diesen zulässigen Generalklauseln und den unzulässigen "vagen" Generalklauseln liegt43 • 2. Realisierung der gesetzgeberischen Vorgaben durch die Verwaltung
Die gesetzlich abstrakt vorgegebenen materiellen Vorstellungen sind sodann von der Verwaltung im Einzelfall umzusetzen. Dabei kann man die konditional gesteuerte Verwaltung - unbeschadet der oben angesprochenen Eigenverantwortungsbereiche - abstrahierend als ein informationsverarbeitendes Entscheidungsfindungssystem auffassen, das mit einem bestimmten Sachverhalt gefUttert wird und daraufhin als Produkt der gesetzesanwendenden Verarbeitung eine Einzelfallentscheidung auswirft44 • Anders (d.h. "modern") ausgedrückt: ein Input (Information über einen konkreten Lebenssachverhalt = Ist-Zustand) fUhrt durch einen Verarbeitungsprozeß (gesetzesanwendende Subsumtion) zu einem Output (Entscheidung über zu treffende Vollzugsmaßnahmen)45 . Dieser Prozeß läuft in mehreren Schritten ab46 •
42 Katz, Staatsrecht, Rn. 199. Mit dieser Begründung hat etwa das Bundesverfassungsgericht die polizeirechtliche Generalklausel verfassungsrechtlich gebilligt, BVerfGE 54, 143 (144 f.). Ähnlich dazu Knemeyer, VVDStRL 35, 221 (277, Fn. 172): "Die Wege sind eingefahren, Zwecke und Mittel bekannt, die Schutzgüter durch die Rechtsprechung konkretisiert." 43 Kritisch zu den Abgrenzungsversuchen des Bundesverfassungsgerichts Braun, VerwArch 76, S. 24 (27). Angesichts der immer großzügiger gehandhabten Anforderungen an die gesetzgeberische Präzision bezeichnet Schmidt in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 67 (78), den Wesentlichkeitsgrundsatz gar als "mehr Postulat als Staatspraxis". 44 Vgl. Schuppert in Hoffmann-Riem u.a., Reform , S. 65 (98); Ho.!Jmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Innovation , S. 9 (21); Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 (184 ff.) verallgemeinert dieses Modell auf die Staatstätigkeit insgesamt. 45 Auf das Input-Output-Modell stellen namentlich Luhmann, Theorie, S. 38 ff., Krebs, Kontrolle, S. 27 ff. und Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 (184) ab. 46 Vgl. auch das weiter ausdifferenzierende Modell bei Hoflmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Innovation, S. 9 (29), der zwölf Ebenen des Verwaltungshandeins unterscheidet. Bei allen diesen Untergliederungsversuchen steht übrigens die Endentscheidung im Mittelpunkt; Zwischenentscheidungen, die beispielsweise bei der Sachverhaltsermittlung regelmäßig vorkommen (nämlich wenn es um behördliche Maßnahmen zur Informationsgewinnung geht) bleiben hier außer Betracht.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
a) Sachverhaltsermittlung Am Anfang steht die Sachverhaltsermittlung, also die Sammlung der "Anlaßinformation", an die das Programm anknüpft. Der Einzelfall, in dem das Gesetz verwirklicht werden soll, muß zunächst einmal als konkreter Lebenssachverhalt wahrgenommen werden. Fehlt es bereits daran, so hat die Vollzugsbehörde schon keinen Ansatzpunkt für irgendeine Aktivität, es fehlt sozusagen der Startschuß ftlr das gesetzesanwendende Vollzugsprogramm 47 • Die Identifizierung der konkreten Gesetzesanwendungssituation (eines "Falles") als solcher und die einzelfallspezifische und umfassende Ermittlung des Sachverhalts gehen freilich regelmäßig ineinander über48 • In dem Moment, wo die Verwaltung eine bestimmte Situation als potentiell vollzugsrelevant erkennt, setzen meistens auch schon die Maßnahmen zur Informationsbeschaffung ein (die sich freilich über einen längeren Zeitraum erstrecken können). Diese möglichst breite Informationsf9rundlage über den Ist-Zustand ist der Input des Gesetzesvollzugsprogramms . b) Maßstabskonkretisierung Bevor nun dieser ermittelte Ist-Zustand unter die normativ vorgegebenen Tatbestände subsumiert werden kann, ist so gut wie immer eine Konkretisierung der gesetzgeberischen Vorgaben erforderlich. Da nach den obigen Ausführungen auch unter der Geltung des Bestimmtheilsgrundsatzes in weitem Umfang Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zulässig sind, ist deren praktische Anwendbarkeit im Einzelfall dadurch bedingt, daß die abstrakten Aussagen auf ein Konkretisierungsniveau gebracht werden, auf dem eine Subsumtion erfolgen kann50• Zu diesem Zweck muß die Exekutive herausarbeiten, welche materiellen Ziele und Handlungsvorgaben der Gesetzgeber in Bezug auf die konkrete Entscheidungssituation verwirklichen wollte. Diese Konkretisierung kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. 47 Näher zur Problemidentifikation und -initiative Hoffmann-Riem in HoffmannRiem, Innovation, S. 9 (3 1 ff. ). 48 Ebenso Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 9 (35). 49 Dabei wird es freilich regelmäßig so sein, daß die Zielrichtung und Intensität der Sachverhaltsermittlung maßgeblich von Hypothesen über die dann darauf anzuwendende Norm mitbestimmt wird. Die Informationsaufnahme erfolgt also meistens schon gezielt im Hinblick auf das, was bei der späteren Subsumtion eine Rolle spielen könnte. Insofern ist eine strikte Trennung zwischen den Verfahrensschritten in der Praxis kaum durchzuhalten. 50 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S, 165 ff., spricht hier von einem "unhintergehbaren Konkretisierungsbedarf' im einzelnen Anwendungsfall, der stets eine gewisse Eigenständigkeil der Verwaltung begründet.
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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aa) Untergesetzliche administrative Normsetzung
Zunächst kann eine Präzisierung der gesetzlichen Vorgaben durch administrative Normsetzung erfolgen. Durch Rechtsverordnungen können weitgefaßte gesetzliche Tatbestände und unbestimmte Rechtsbegriffe genauer umrissen werden. Auch rechtsverbindliche Planungen gehören hierher. Zwar handelt es sich bei diesen Regelwerken um Gesetze im materiellen Sinn, also um staatliche Akte mit legislativem Charakter. Dennoch sollen sie in dieser Systematik als Teil des administrativen Vollzugs erscheinen. Die Anhindung des Verordnungsgebers an den programmierenden Willen des Gesetzgebers durch Art. 80 GG bewirkt, daß in den Verordnungen grundsätzlich nicht originärer politischer Gestaltungswille der Exekutive zum Ausdruck kommen dlll"f 1, sondern sie sich vielmehr als Teil der notwendigen Konkretisierung gesetzgeberischer Vorstellungen präsentieren52• Faktisch hat die Exekutive häufig die Wahl, ob sie eine Konkretisierung gesetzlicher Maßgaben durch Rechtsverordnung oder durch Verwaltungsvorschrift vomimmt53 ; die Bindungswirkung filr die nachgeordneten Vollzugsbehörden (und um diese geht es an dieser Stelle zunächst) ist die gleiche. Dann erscheint es aber sinnvoller, die Grenze zwischen politisch-gestaltender Rechtsetzung und ausfUhrend-nachvollziehendem Vollzug nicht zwischen materiellem Gesetz und Einzelakt, sondern zwischen Parlament und Exekutive zu ziehen. Die Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben erfolgt dabei regelmäßig auf der Regierungsebene (vgl. die Ermächtigungsadressaten in Art. 80 Abs. I Satz I GG). Der im Einzelfall zuständigen Vollzugsbehörde bleibt insoweit nur die Funktion, die jeweils einschlägige Konkretisierungsvorschrift zu ermitteln und bei der Subsumtion anzuwenden. bb) Verwaltungsvorschriften
Eine Ebene tiefer erfolgt die Konkretisierung gesetzlicher Begriffe durch Verwaltungsvorschriften. Diese haben als "Binnenrecht" der Verwaltung zwar grundsätzlich keine Außenwirkung, binden also grundsätzlich weder den betroffenen Bürger noch die kontrollierenden Gerichte54• Aus dem Blickwinkel des hier verfolgten Vollzugsmodells kommt es jedoch darauf an, daß die gesetzesanwendende Behörde selbst an diese Vorschriften gebunden ist, denn um ih51
BVerfG, DVBI1988, 954 f.
Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 178 ff. 53 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 192. 54 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 17. Umstritten ist allerdings die 52
äußere Bindungswirkung sogenannter "normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften". Vgl. hierzu die Literaturangaben unten§ 10 AI, Fn. 3.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
re Tätigkeit geht es ja an dieser Stelle. Insoweit kommt den Verwaltungsvorschriften regelmäßig die Funktion zu, offene legislative Vorgaben inhaltlich zu konkretisieren 55 • Auch die Verwaltungsvorschriften werden regelmäßig von übergeordneten Behörden erlassen, so daß sich auch insoweit die Funktion der einzelnen Vollzugsbehörde darauf beschränkt, die passende Verwaltungsvorschrift zu finden und anzuwenden. cc) Einzelfallkonkretisierung
Findet schließlich eine Konkretisierung durch allgemeine Regelwerke überhaupt' nicht statt, so muß die Vollzugsbehörde die gesetzlichen Vorgaben im Einzelfall konkretisieren. Dazu kann sie sich der in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Auslegungs- und Anwendungsmethoden bedienen sowie auf diesem Felde bereits geleistete Konkretisierungen übernehmen. Diese Einzelfallkonkretisierung der gesetzlichen Vorgaben geht normalerweise bereits mit der Subsumtion Hand in Hand. c) Subsumtion und Entscheidung Sind Sachverhaltsermittlung und Maßstabskonkretisierung abgeschlossen, so kann der Ist-Zustand auf der Basis der gewonnenen Informationen mit den normativen Vorgaben verglichen werden. Dieser Vergleich ist nichts anderes als die Subsumtion unter die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Norm. Ergibt sich, daß ein bestimmter Tatbestand erftlllt ist, so ist die korrespondierende Vollzugsentscheidung zu treffen. Diese kann freilich noch von den "sekundären Elastizitäten" abhängig sein, also vor allem dann, wenn ein Einschreiten im Ermessen der Vollzugsbehörde steht. Wie oben dargelegt, ändert dies jedoch nichts an der Grundtatsache der ein-eindeutigen Programmierung. Dabei ist nochmals darauf hinzuweisen, daß in dieser tatbestandsbezogenen Subsumtion zugleich der umfassendere Vergleich zwischen tatsächlichem Sein und normativem Sollen liegt. Da die gesetzlichen Vollzugstatbestände immer auf die Verwirklichung der materiellen Vorstellungen des Gesetzgebers ausge-
55 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 192, spricht von "administrativer Selbstprograrnmierung". Ungeachtet der Auseinandersetzung um die "normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften" (vgl. Fn. 54) haben Verwaltungsvorschriften also regelmäßig den Sinn, gesetzliche Vorgaben zu konkretisieren.
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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richtet sind (und sein müssen), enthalten sie immer auch die Hinordnung auf diese zu erreichenden Soll-Zustände. Dabei sind zwei Konstellationen denkbar. Enthalten die Tatbestandsmerkmale selbst die gesetzlichen Vorstellungen in positiver Form, so wird, wenn sie erfüllt sind, die Rechtsfolge eine Entscheidung zum Nichteinschreiten sein; in diesem Fall decken sich Sein und Sollen, so daß die Vollzugsbehörde nicht auf einen Vollzug hinwirken muß. Ein Beispiel dafiir sind etwa die normierten Voraussetzungen einer Genehmigung: Liegen sie vor, so ist der Ist-Zustand deckungsgleich mit dem vom Gesetzgeber gewünschten Soll-Zustand, und die betreffende Genehmigung kann erteilt werden. Vollzugstechnisch betrachtet ist die GenehmigungseTteilung dann eine Entscheidung zum Nichteinschreiten, da infolge der Kongruenz von Sein und Sollen kein Vollzugsbedarf besteht. Umreißen die Tatbestandsmerkmale hingegen negativ eine Situation, die der Gesetzgeber nicht haben will, so wird, wenn sie erfüllt sind, die Rechtsfolge eine Entscheidung zum Einschreiten sein. Der gesetzgeberisch gewünschte SollZustand läßt sich dann aus der Zielrichtung der programmierten Vollzugsentscheidung ablesen. Beispiel fiir eine solche Verknüpfung sind regelmäßig die Befugnisnormen des Ordnungsrechts. Entspricht der festgestellte Ist-Zustand einem solchen Tatbestand, der der Behörde die Befugnis zum korrigierenden Eingreifen gibt, so ist offensichtlich eben keine Kongruenz von Sein und Sollen gegeben, sondern die Vollzugsbehörde muß erst "nachhelfen". Die Vollzugsentscheidung ist dann eine zum Einschreiten, und der gesetzgeberisch gewünschte Soll-Zustand wird regelmäßig erst derjenige sein, der nach der erfolgreichen behördlichen Intervention besteht. d) Durchsetzung der Entscheidung Ist die Vollzugsentscheidung getroffen, so stellt sich die Frage, inwieweit sie sich unmittelbar in einer Veränderung der sachlichen oder rechtlichen Umstände niederschlägt. Sofern es in dem betreffenden Normprogramm um rechtliche Verhältnisse geht, können diese durch eine gestaltende Vollzugsentscheidung unmittelbar verändert werden; ein weiterer Vollzugsakt ist nicht erforderlich. Anders verhält es sich hingegen dann, wenn das Normprogramm der Verwirklichung bestimmter sachlicher Zielvorstellungen des Gesetzgebers dient. In diesem Fall muß die entsprechende Vollzugsentscheidung noch durch eine Tathandlung ihrerseits durchgesetzt werden. Sofern also etwa die Vollzugsentscheidung ein bestimmtes Handlungsgebot an einen betroffenen Bürger beinhaltet, so muß die geforderte Handlung notfalls erzwungen werden können, wenn er ihre Vomahme weiterhin verweigert. Zu diesem Zwecke stehen die Mittel des Verwaltungszwangs zur Verfiigung. Genaugenommen handelt es sich bei der zwangsweisen Durchsetzung einer solchen Vollzugsentscheidung um ein weiteres, darauf aufbauendes Vollzugsverfahren.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
e) Kontrolle Soweit die Durchfuhrung der Gesetzesvollziehungsmaßnahmen dann dazu fuhrt, daß die tatsächliche Situation den normativen Sollvorgaben angepaßt wird, ist die Vollzugsaufgabe erfüllt. In den Fällen, in denen es um singuläre Sachverhalte geht, ist dann seitens der Vollzugsbehörde nichts weiter zu tun. Oft jedoch wird sich der Lebenssachverhalt, um den es geht, nicht nach kurzer Zeit erledigen sondern als solcher bestehen bleiben. In diesem Fall erschöpft sich die Aufgabe des Gesetzesvollzugs nicht in einem einmaligen Tätigwerden, sondern ist eine Daueraufgabe. Dieser Daueraufgabe wird die Vollzugsbehörde gerecht, indem sie die Einhaltung der einmal erreichten Kongruenz von gesetzgeberischem Willen und Wirklichkeit überwacht. Dabei wird sie freilich vielfach auf die erstmals vorgenommene Sachverhaltsermittlung und Gesetzeskonkretisierung zurückgreifen können, so daß sich die Überwachung auf die Kontrolle von Abweichungen beschränken kann. Nichtsdestoweniger ist aber die nachträgliche, laufende Überwachung der Gesetzeseinhaltung ebenso wie der Erstvollzug ein Vergleich zwischen Ist- und Soll-Zustand, dessen Ergebnis gegebenenfalls eine Entscheidung zum Einschreiten sein kann. 3. Zusammenfassung
Das idealtypische Modell des konditionalen "klassischen" Gesetzesvollzugs läßt sich demnach kurz wie folgt zusammenfassen: Der Gesetzgeber stellt materielle Verhaltensmaßregeln und Zustände auf, deren Einhaltung durchzusetzen Aufgabe der Vollzugsbehörden ist. Der Prozeß des Gesetzesvollzugs im Einzelfall stellt sich als ein Entscheidungsprozeß dar, in dessen Rahmen die Verwaltung den konkreten Lebenssachverhalt ermittelt (Ist-Zustand), den gesetzlich abstrakten Tatbestand (der in positiver oder negativer Weise den normativen Soll-Zustand umschreibt) anwendungstauglich konkretisiert und schließlich beide miteinander vergleicht, d.h. subsumiert. Je nach dem Ergebnis dieses Vergleichs sind die entsprechenden Durchführungsmaßnahmen zu bestimmen und notfalls durchzusetzen. Bei Gesetzesanwendungslagen, die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen, ist eine periodische Wiederholung der Kongruenzprüfung im Wege der Überwachung und Kontrolle angezeigt. 111. Gesetzesvollzug als eigene Tätigkeit des Staates Der soeben dargestellte Prozeß der Gesetzesverwirklichung läuft grundsätzlich in staatlicher "Eigenregie" ab56. Von der Sachverhaltsermittlung und Maß56
Jsensee, HdbStR Bd. III, § 57 Rn. 175; Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 59 Rn. 92.
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stabskonkretisierung über die Subsumtion und die Entscheidung bis zur Kontrolle werden alle diese Tätigkeiten normalerweise von staatlichen Funktionsträgern wahrgenommen 57• Auch das erklärt sich wiederum aus strukturellen Gründen. 1. Behördlicher Gesetzesvollzug als Grundlage des Verwaltungsrechts
Erläßt der staatliche Gesetzgeber regulative Verhaltensvorschriften, die die Handlungsfreiheit des Einzelnen beschränken, so hat dies regelmäßig den Zweck, einen Ausgleich widerstreitender Interessen und Rechte herbeizufUhren und die Sphären der Einzelnen untereinander und gegenüber der staatlichen Gemeinschaft insgesamt abzugrenzen58 • Regulative Gesetzgebung dient somit der Wahrung des Allgemeinwohls. Äußert sich nun das dem Gesetzesvollzug tendenziell entgegengerichtete Eigeninteresse der regulierten Bürger im Einzelfall darin, daß den gesetzlichen Verhaltenserwartungen nicht entsprochen wird, also in Gesetzesungehorsam, so droht das Gemeinwohl von Privatinteressen verdrängt zu werden. ln dieser Situation muß der Staat als Hüter des Gemeinwohls die Möglichkeit haben, seine eigenen Vorstellungen gegenüber obstruktiven gesellschaftlichen Kräften durchzusetzen, und zwar dadurch daß er eigene Kräfte autbietet59• Diese eigenen Kräfte finden sich in der gesetzesvollziehenden Verwaltung. Der strukturelle Grund fiir den prinzipiell staatlichen Eigenvollzug der Gesetze durch die Verwaltung, ist also die Antinomie zwischen Staat und Gesellschaft, die es erforderlich macht, daß der Staat nicht nur materielle Vorstellungen formulieren, sondern sie notfalls auch selbst realisieren kann. Als Hüter des Allgemeinwohls hat er dessen Belange grundsätzlich nicht nur durch die Gesetzgebung zu wahren, sondern er muß sie auch im Einzelfall in die Tat umsetzen. Will er wirksame Gesetze erlassen, so muß er auch über die Macht und die Mittel verfUgen, um ihre Beachtung notfalls erzwingen zu können60. Dieser Gedanke, daß der Gesetzesvollzug eine authentische Aufgabe des Staates selbst ist, ist so selbstverständlich, daß er in den Gesetzen kaum ausdrücklich genannt wird. Die gesamte Struktur des deutschen Verwaltungsrechts 57 Die staatlichen Funktionsträger können dabei auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein; bei der Gesetzeskonkretisierung durch allgemeine Regelwerke ist im allgemeinen die Regierungsebene beteiligt, im übrigen wird regelmäßig die im Einzelfall zuständige Vollzugsbehörde tätig. 58 Wahl in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 177 ( 192 f.). 59 Vgl. auch Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 36 ff., mit einer eingehenden Analyse der Entstehung moderner Verwaltungsstrukturen aus absolutistischen Beamtensystemen, die die Durchsetzung des jeweiligen landesherrlichen Willens betrieben. 60 Vgl. Kirchhof, HdbStR, Bd. IIJ, §59 Rn. 57.
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
mit ihrer Ausrichtung auf den Verwaltungsakt als der klassischen behördlichen Vollzugsentscheidung baut allerdings auf dieser Prämisse auf. Aus der Einleitungsvorschrift zum Verwaltungsverfahren, dem§ 9 VwVfG, geht etwa hervor, daß die Tätigkeit der entscheidenden Behörden sich auf alle Schritte des Entscheidungsverfahrens bezieht, einschließlich der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 24 Abs. I VwVfG). Auch aus Art. 33 Abs. 4 GG ergibt sich der Regelfall, daß hoheitliche Tätigkeiten - und um solche handelt es sich bei einseitigen Gesetzesvollzugsentscheidungen - von staatseigenen Funktionsträgern auszuführen sind. Insgesamt ist daher das Modell des staatlichbehördlich durchgeführten Gesetzesvollzugs in eigener Regie und mit eigenem Personal die Regel61 • 2. Das allgemeine Polizeirecht als Musterbeispiel des behördlichen Vollzugsmodells
Als Musterbeispiel für einen solchen staatlichen Eigenvollzug mag etwa das allgemeine Polizeirecht dienen. Dieses Gebiet entspricht relativ genau der Vorstellung von einseitig staatlich vorgegebenen, regulativ gesetzten Zielvorstellungen, nach denen sich die Bürger zu richten haben, und die von staatlichen Behörden durchgesetzt werden. Die gesetzgeberische Leitvorstellung läßt sich dabei schlicht dahingehend zusammenfassen, daß niemand durch sein Verhalten eine Gefahr ftlr die Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung herbeifUhren soll. Diese materielle Vorgabe ist in den Aufgabeneröffuungsnormen der verschiedenen Polizeigesetze enthalten62 • Die Polizei hat diese Maßgabe dann im Einzelfall zu vollziehen, also daftlr zu sorgen, daß auftretende Gefahren nicht entstehen oder wieder beseitigt werden. Dabei geht die Polizei grundsätzlich eigenhändig vor. Wird sie also etwa zu einer sich anbahnenden Schlägerei hinzugerufen, so sieht der Gesetzesvollzug regelmäßig so aus, daß die Polizeibeamten vor Ort den Sachverhalt ermitteln (durch Inaugenscheinnahme des "Vorgeplänkels"), die Konkretisierung des allgemeinen Gefahrbegriffs ftlr den Einzelfall anhand der von Rechtsprechung und Literatur hierfür entwickelten Kriterien vornehmen und bei der SubsumtiKirchhof, HdbStR, Bd. III, § 59 Rn. 66, 92. Zum Beispiel § 1 Abs. 1 MEPo1G, Art. 2 Abs. 1 BayPAG, § 1 Abs. 1 Satz 1 PoiGNW. Die polizeilichen Aufgabeneröffnungsnormen verkörpern damit gleichzeitig das gesetzliche Zielprogramm: das Ziel heißt "Abwesenheit von Gefahren". In steuerungstheoretischer Hinsicht könnte man daher auch die Polizeigesetze als eine programmatische Mischform ansehen, bei der den konditional verfaßten Befugnistatbeständen eine Zwecknorm in Gestalt der Aufgabeneröffnung vorangestellt ist; in diesem Sinne ausdrücklich Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 27. 61
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B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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on dann feststellen, daß eine Gefahr gegeben ist63 • Diese wird dann nach Maßgabe der einschlägigen Befugnisnormen des Polizeirechts (z. B. Platzverweisung der potentiellen Streithähne) beseitigt64; notfalls können die Polizeibeamten ihre Entscheidungen auch zwangsweise durchsetzen. All dies geschieht ohne Mitwirkung von dritter Seite und entspricht insofern dem idealtypischen Mustermodell eines staatseigenen Gesetzesvollzugs: Der Staat, personifiziert durch den handelnden Polizisten, ermittelt den Sachverhalt, konkretisiert den Gefahrenbegriffund nimmt die Subsumtion vor; anschließend trifft er eine Vollzugsentscheidung und setzt diese gegebenenfalls gegen Widerstände durch. 3. Gründe für die starke Relevanz des behördlichen Vollzugsmodells im Recht der Gefahrenabwehr
Daß das staatliche Vollzugsmodell im Gefahrenabwehrrecht, und dort namentlich im allgemeinen Polizeirecht, besonders rein verwirklicht ist, hat mehrere Gründe. a) Gefahrenabwehr als Ausdruck des Staatszwecks "Bewahrung der inneren Sicherheit" Zum einen ist das regulative Element im Gefahrenabwehrrecht besonders evident. Dem Einzelnen werden gefahrenträchtige Verhaltensweisen verboten, und zwar im Interesse der Sicherheit aller anderen. Die Erhaltung der inneren Sicherheit, welche im Ersten Kapitel als einer der "klassischen" Staatszwecke definiert wurde, erfolgt durch die Bestimmung eines "bis hierher und nicht weiter", durch eine staatliche Grenzziehung zwischen erlaubtem und verbotenem Tun. Wird nun in diesem Bereich der Wille des Gesetzes nicht verwirklicht, überschreitet also ein Bürger (als "Störer") die gezogene Grenze (die "Gefahrengrenze"), so ist ein zentraler staatlicher Belang, eben die Wahrung der inneren 63 Zielbezogen betrachtet bedeutet dies: Ist-Zustand (Gefahr ist tatsächlich vorhanden) und Soll-Zustand (nach dem Gesetz sollen Gefahren nicht eintreten) fallen auseinander, d.h. die Gesetzesvollzugsaufgabe der Gefahrenabwehr im konkreten Fall ist gegeben. In der Terminologie des Polizeirechts ist damit der Aufgabenbereich eröffnet. 64 Insofern ist das polizeirechtliche Beispiel wiederum untypisch, da die "ZweiStufen-Prüfung" von Aufgabeneröffnung und Befugnisgrundlage eigentlich zwei aufeinander aufbauende Vollzugsentscheidungen beinhaltet, wobei in beiden Fällen eine Subsumtion unter die betreffende Norm erforderlich ist. Dies resultiert letztendlich daraus, daß die Aufgabeneröffnung als solche an sich keine Konditionalnorm ist, sondern mehr den Charakter einer vorangestellten Finalnorm trägt (vgl. dazu Fußnote 62). S Luclwig
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§ 2 Das Modell des behördlichen Gesetzesvollzugs
Sicherheit, unmittelbar betroffen. Um seiner Rolle als Garant der öffentlichen Sicherheit gerecht werden zu können, muß der Staat dann eine Möglichkeit zum unmittelbaren Einschreiten haben, die sich dann regelmäßig nur als eigenhändiger Vollzug vor Ort darstellen kann. b) Das Erfordernis durchsetzungsfähiger Gewalt Das gilt insbesondere unter dem Aspekt der Wahrung des öffentlichen Friedens. Gewaltakte eines BUrgers gegen einen anderen sind in besonderer Weise geeignet, den inneren Frieden der Gesellschaft zu stören, und stellen daher den klassischen Fall einer polizeirechtlichen Gefahr dar, die es abzuwehren gilt. Aus demselben Grund hat der Staat sich seit jeher ein Monopol auf legitime Gewaltausübung eingeräumt. Geht man dabei von der Prämisse aus, daß illegale Gewalt - wenn sie denn vorkommt - in letzter Konsequenz wirksam nur durch legale Gegengewalt eingedämmt werden kann, und daß der Staat auf diese legale Gegengewalt ein Monopol hat, so ergibt sich zwangsläufig, daß Gefahrenabwehr als Prototyp des staatseigenen Vollzugs erscheinen muß: der Staat allein hat die erforderlichen gesetzmäßigen Mittel an der Hand, um die gesetzliche Ordnung notfalls gewaltsam durchzusetzen. c) Zeitliche und sachliche Rahmenbedingungen der Vollzugsentscheidung Schließlich hat der behördeneigene Vollzug im Polizeirecht auch noch Grunde, die in den zeitlichen und sachlichen Besonderheiten der jeweiligen Vollzugsentscheidung zu suchen sind. Liegt eine konkrete Gefahr vor, so sind in diesem allgemeinsten Bereich der Gefahrenabwehr regelmäßig schnelle Entscheidungen gefordert, die eine Beteiligung anderer Stellen oder Dritter schon aus zeitlichen Gründen normalerweise ausschließen. Des weiteren sind aber die typischen polizeirechtlichen Gefahrensituationen so beschaffen, daß die Sachverhaltsermittlung und die Begriffskonkretisierung ohne wesentliche Spezialkenntnisse möglich sind und es deswegen einer Heranziehung externen Potentials nicht bedarf. Die Einschätzung der typischen polizeirechtlichen Gefahrensituation ist ohne weiteres mit der allgemeinen Lebenserfahrung zu bewältigen65, so daß kein Anlaß besteht, vom Regelfall des direkten staatlichen Vollzugs abzuweichen.
65 Schlink, VVDStRL 48, 235 (256 f.) spricht in dem Zusammenhang davon, daß das Polizeirecht "den Bodensatz allgemeiner Gefahren, bei denen keine wissenschaftlichen Sonderkenntnisse eine Spezialregelung erforderten, behalten hat".
B. Das Vollzugsmodell im Ordnungsrecht
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IV. Überleitung zum behördlichen Vollzug im Bundes-Immissionsschutzgesetz Aus den dargelegten Gründen erhellt, daß der durchgängige Gesetzesvollzug durch eigene behördliche Kräfte charakteristisch für ordnungsrechtlich geprägte Materien ist. Das behördliche Vollzugsmodell hat im Ordnungsrecht seinen festen Platz. Wenn auch nicht alle der vorstehend erörterten Überlegungen für das Immissionsschutzrecht in gleicher Weise zutreffen wie filr das allgemeine Sicherheitsrecht, so ist doch nicht zu verkennen, daß sich der Immissionsschutz aus ordnungsrechtlichen Anfängen entwickelt hat und in seinem Vollzugsinstrumentarium nach wie vor ein starkes regulatives Gepräge aufweist. Das soll nun im folgenden Kapitel untersucht werden.
§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Die vorangegangenen Strukturüberlegungen treffen im wesentlichen auch filr die Umsetzung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu. Insbesondere der anlagenbezogene Immissionsschutz nach diesem Gesetz, welcher im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen soll, weist sich nach wie vor als ein weithin ordnungsrechtlich geprägtes Gebiet mit intensiver behördlicher Vollzugstätigkeit aus.
A. Immissionsschutzrecht als regulatives Ordnungsrecht Das materielle Immissionsschutzrecht hat - jedenfalls soweit es sich im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen bezieht - regulativen Charakter. Wurde "Ordnungsrecht" oben dadurch definiert, daß der Gesetzgeber die Interessenverfolgung des Einzelnen aus Gründen des Allgemeinwohls regulierend einschränkt', so trifft dies auf den anlagenbezogenen Immissionsschutz genau zu. Demjenigen, der eine immissionsträchtige Anlage betreiben will, werden durch das Gesetz bestimmte Verhaltensvorschriften gemacht, die er einzuhalten hat. Der inhaltliche Kern dieser legislativen Verhaltensanforderungen ergibt sich vor allem aus den Setreiberpflichten der§§ 5 und 22 BlmSchG. Diese werden darüberhinaus durch die vorangestellte Zwecknorm des § I BlmSchG konkretisiert, in der die gesetzgeberischen Leitvorstellungen brennpunktartig zusammengefaßt sind. Sie lassen sich auf die Kurzformel bringen, daß bei dem Betrieb einer Anlage das Schutzprinzip und das Vorsorgeprinzip zu wahren sind. Beide Prinzipien zusammen bilden das Grundgerüst des materiellen Immissionsschutzrechts2.
Siehe oben § 2 B I. Demgegenüber wird im umweltrechtlichen Schrifttum meist auf die "Prinzipientrias" Vorsorgeprinzip, Verursachungsprinzip, Kooperationsprinzip abgestellt (vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 1). Dabei handelt es sich um die Elemente, die in ihrem Zusammenwirken die besondere Eigenart des neuen Rechtsgebietes Umweltrecht ausmachen. Für die Analyse der konkreten Verwaltungsaufgaben soll an die1
2
A. Immissionsschutzrecht als regulatives Ordnungsrecht
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I. Das Schutzprinzip
I. Gesetzliche Verankerung Die Zwecknorm des § I BimSchG umschreibt das Schutzprinzip als das Bestreben "Menschen, Tiere, und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigefUhrt werden, zu schützen". Für genehmigungsbedürftige Anlagen formuliert § 5 Abs. I Nr. I BimSchG entsprechend, daß schädliche Umwelteinwirkungen sowie sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen filr die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden dürfen. Die Legaldefinition der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. I BimSchG macht deutlich, daß es sich auch bei ihnen um mögliche Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen handelt, die allerdings auf eine besondere Ursache, nämlich auf Immissionen (Legaldefinition in § 3 Abs. 2 BimSchG) zurückgehen. Zusammengefaßt bedeutet dies: Allgemeinheit und Nachbarschaft sollen umfassend vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die durch den Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage verursacht werden, geschützt werden, mögen diese Beeinträchtigungen nun durch Immissionen oder in sonstiger Weise verursacht sein. Die Nachsorgepflicht des § 5 Abs. 3 Nr. I BlmSchG stellt klar, daß dies auch ftlr die Zeit nach der Betriebseinstellung gilt. Etwas zurückhaltender sind die Anforderungen an nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach§ 22 Abs. 1 Nr. I und 2 BimSchG. Dort müssen schädliche Umwelteinwirkungen nicht völlig ausgeschlossen sein, sondern sind nur auf das nach dem Stand der Technik unvermeidbare Mindestmaß zu reduzieren. Allerdings macht die Möglichkeit einer Betriebsuntersagung nach § 25 Abs. 2 BimSchG deutlich, daß im Falle einer Gefahr filr menschliches Leben bzw. Gesundheit oder bedeutende Sachwerte der Schutz auch gegen unvermeidbare Immissionen gewährleistet sein muß. Durch die ausschließliche Bezugnahme auf schädliche Umwelteinwirkungen handelt es sich hier allerdings nur um den Schutz vor immissionsbedingten Beeinträchtigungen, sonstige Einwirkungen (d.h. sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 5 Abs. I Nr. 1 2. Alternative BlmSchG) werden nicht erfaße. ser Stelle jedoch primär auf die inhaltlichen Zielsetzungen abgestellt werden, die sich aus den hier behandelten Grundideen ergeben. 3 Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 21.
§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
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Insgesamt läßt sich das immissionsschutzrechtliche Schutzprinzip also dahingehend zusammenfassen, daß der Gesetzgeber grundsätzlich nicht will, daß der Betrieb einer immissionsträchtigen Anlage Schäden oder sonstige erhebliche Beeinträchtigungen filr Mensch oder Umwelt verursacht4 • Das betrifft umfassend diejenigen Beeinträchtigungen, die von Immissionen herrühren (vgl. § 3 Abs. 2 BlmSchG, insbesondere also von Luftverunreinigungen und Lärm), bei bestimmten - genehmigungsbedürftigen - Anlagen auch solche aus sonstigen Einwirkungen. 2. Sicherheitsrechtliche Struktur
Am Schutzprinzip werden die sicherheitsrechtlichen Wurzeln des Immissionsschutzrechts besonders deutlich. Entwicklungsgeschichtlich ist es als die Keimzelle des gesamten Rechtsgebiets anzusehen, wie ein Blick auf die Historie des deutschen Immissionsschutzrechts zeigt. Bereits in vorindustrieller Zeit filhrten Betriebe mit Geruchs- und Rauchentwicklung (vor allem in bei der Verarbeitung tierischer Produkte, sowie im Bergbau und Hüttenwesen) zu teilweise erheblichen Beeinträchti~ungen filr die umliegenden Anwohner sowie zu Vieh- und Vegetationsschäden . Die staatlichen Autoritäten sahen sich jedoch erst durch die kontinuierliche Verstärkung dieser Effekteinfolge der im späten 18. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung zu einem umfassenderen Tätigwerden veranlaßt6 . Die Anflinge moderner Immissionsschutzgesetzgebung wurden dann in den 1830er und 1840er Jahren in Preußen initiiert, indem dort erstmals in Deutschland materielle Schutzanforderungen (insbesondere an die räumliche Lage schadstoffintensiver Betriebe, vereinzelt auch an die Betriebsweise und die Produktion) und Genehmigungserfordernisse aufgestellt wurden7 . Bereits in § 26 Nr. 1 der Preußischen Gewerbeordnung von 1845 war das heutige Schutzprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG in wesentlichen Teilen enthalten.
Vgl. Trute, Vorsorgestrukturen, S. 14. Kloepfer, Geschichte, S. 22 ff. 6 Kloepfer, Geschichte, S. 7 f., verweist dabei auf den Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und Entwicklung des technischen Sicherheitsrechts und betontzumindest flir die Anflinge der Entwicklung - den starken faktischen Problemdruck 7 Zunächst wurde I 831 eine allgemeine Erlaubnispflicht für Dampfmaschinen eingeführt, um den Schutz der Nachbarn vor Lärm, Dampf und Explosionsgefahren zu gewährleisten. Die Erlaubnispflicht wurde 1837 auf alle Dampfkesselanlagen ausgeweitet und mündete 1845 in die generelle Genehmigungspflicht, die die Preußische Gewerbeordnung fllr eine Vielzahl von gewerblichen Anlagen vorsah. Ausführlicher zu dieser gesamten Entwicklung Kloepfer, Geschichte, S. 39 ff. und Ronellenfitsch, Selbstverantwortung, S. 18 ff. 4
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A. Immissionsschutzrecht als regulatives Ordnungsrecht
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Insoweit hat das Schutzprinzip eine weit zurückreichende Tradition, die im allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr begründet ist. Das Bemühen der Behörden um Immissionsschutz war zunächst von der Motivation getragen, die anliegende Bevölkerung vor Gesundheitsschäden und unzumutbaren Belästigungen durch Rauch und Gestank zu bewahren8 • Dieser Schutz ist im BundesImmissionsschutzgesetz heute insoweit ausgeweitet, als er sich gegen alle schädlichen Umwelteinwirkungen des § 3 Abs. 1 BlmSchG richtet und dabei nicht nur die Nachbarschaft sondern auch die Rechtsgüter der Allgemeinheit vor Schaden bewahren will. Damit ist das Schutzprinzip auch heute noch Ausdruck einer Gefahrenabwehr im herkömmlichen Sinne, die nur insoweit eine Besonderheit aufweist, als sie nicht auf Schäden beschränkt ist, sondern sich auch auf die Abwendung erheblicher Nachteile und Belästigungen erstreckt. Man kann insoweit von einem erweiterten Gefahrbegriff sprechen9 . Rechtssystematisch weicht das materielle Immissionsschutzrecht hierbei aber nicht vom traditionellen Sicherheitsrecht ab.
II. Das Vorsorgeprinzip 1. Gesetzliche Verankerung
Das Vorsorgeprinzip findet in der Zwecknorm des § l BlmSchG darin Ausdruck, daß "dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorgebeugt werden soll". Im Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen wird diese allgemeine Vorsorgepflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG wiederum als Setreiberpflicht konstituiert, wobei das wichtigste Mittel zu ihrer Erftlllung, nämlich eine dem Stand der Technik entsprechende Emissionsreduzierung, bereits im Gesetz genannt wird. Darüber hinaus sind auch die in § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG enthaltenen Abfallvermeidungs-, -verwertungs- und -beseitigungspflichten sowie die Abwärmenutzungspflicht des § 5 Abs. I Nr. 4 BlmSchG als Sonderformen der Vorsorge anzusehen 10• Im Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen normiert § 22 Abs. I BlmSchG die Vorsorge nicht als allgemeine Betreiberpflichtn. In Erfilllung der 8 Eine erste derartige Unterscheidung zwischen gesundheitsgefährdenden und bloß "lästigen/unbequemen" Einwirkungen wurde bereits in einem Reskript des preußischen Generaldirektoriums vom 5. April 1796 getroffen (vgl. Kloepfer, Geschichte, S. 34) und später in die Gesetzgebung übernommen. 9 Jarass, BlmSchG, § I Rn. 9; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 370; Martens, DVB11981 , 597 (598). 10 Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 61 , 77; GK-Roßnagel, § 5 Rn. 637,703. 11 So die h. M.; vgl. ausführlich zum Streitstand GK-Roßnagel, § 22 Rn. 127 ff.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
übergeordneten Zielsetzung des § I BimSchG läßt § 23 Abs. I BimSchG allerdings gleichwohl die Schaffung von Vorsorgestandards durch Rechtsverordnung zu. 2. Inhaltliche Zielrichtung
Im Gegensatz zum Schutzprinzip wurde das Vorsorgeprinzip nicht schon aus Vorgängerregelungen in das Bundes-Immissionsschutzgesetz übernommen, sondern stellt dessen eigentliche Innovation dar. Seine rechtliche Verankerung wird deswegen auch als das zentrale neue Element der Umweltschutzgesetzgebung betrachtet 12• Über den materiellen Inhalt des Vorsorgeprinzips besteht allerdings seit seiner Einftlhrung im Jahre I974 keine Einigkeit. Dies liegt zu einem Gutteil an der "Tatbestandslosigkeit" 13 des Prinzips, zu dem das Gesetz nur sagt, daß Vorsorge zu treffen ist, sich aber nicht dazu äußert, in welchen Situationen und mit welchen Mitteln dies geschehen soll (abgesehen von den in § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG beispielhaft genannten Emissionsbegrenzungen). Fest steht nur, daß der Gesetzgeber dabei - eben im Kontrast zum Schutzprinzip - nicht die Abwehr von Gefahren im klassischen Sinn bezweckte, sondern Anforderungen im Vorfeld aufstellen wollte. Zur Zielrichtung dieser Anforderungen gibt es im wesentlichen zwei Auffassungen. a) Risikovorsorge Nach einer Auffassung unterscheidet sich die Vorsorge von der "klassischen" Gefahrenabwehr des Schutzprinzips dadurch, daß sie sich gegen Risiken richtet, die "noch nicht" Gefahren sind 1 • Ziel der Vermeidung ist also nicht erst der Eintritt des Schadens (wie bei der Gefahrenabwehr 15) sondern bereits der Eintritt der schadendrohenden Situation, das heißt der Gefahr selbse 6 • 12 Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 72. Dementsprechend wird das Vorsorgeprinzip auch zusammen mit dem Kooperations- und dem Verursacherprinzip als das strukturgebende Element des Umweltrechts schlechthin angesehen (vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 1). Dies sollte freilich nicht den Blick auf den ebenso zentralen Aspekt der Gefahrenabwehr verstellen. 13 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 124. 14 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 11. IS In diesem Zusammenhang weist Hansen-Dix, Gefahr, S. 21, zutreffend auf die sprachliche Ungenauigkeit hin, daß mit dem Terminus "Gefahrenabwehr" eigentlich gerade nicht die Abwehr von Gefahren, sondern die Abwehr von Schäden (in gefahrliehen Situationen) gemeint ist. Da sich die Terminologie eingebürgert hat, soll sie jedoch auch hier beibehalten werden. 16 Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 76.
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aa) Gefahr und Risiko
Dieser Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge liegt die weithin anerkannte Abgrenzung von Gefahr und Risiko zugrunde. Gefahr ist nach allgemeiner sicherheitsrechtlicher Definition eine "Sachlage, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung filhrt" 17• Die maßgeblichen Komponenten dieses Gefahrbegriffs sind der zu erwartende Schaden und die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens. Beide müssen in einer gewissen Größenordnung gegeben sein: Kleiostschäden (Bagatellschäden) reichen ebensowenig aus wie eine minimale Wahrscheinlichkeie 8 • Allerdings sind beide Elemente reziprok miteinander verknüpft, dergestalt daß an die Eintrittswahrscheinlichkeit um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer das Ausmaß des möglichen Schadens ise 9• Insoweit wird die Gefahr auch als ein Produkt aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit definiert20• Die quantitative Grenze, von der ab von einer Gefahr im Rechtssinne gesprochen werden kann, bezeichnet man als Gefahrengrenze; bei ihrer Überschreitung setzt die klassische Gefahrenabwehr an. Der Begriff des Risikos wird ebenfalls aus den Komponenten eines möglichen Schadens und der Wahrscheinlichkeit, daß er eintritt, gebildet; das Produkt liegt aber in diesem Fall unterhalb der Gefahrengrenze, ist also (noch) nicht Gefahr im Rechtssinne21 • Diese quantitativ geringere Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts kann verschiedene Ursachen haben. (I) Risikovorsorge unterhalb der Schwelle praktischer Vorsteilbarkeit Zum einen kann einfach die Wahrscheinlichkeit filr einen bestimmten schadenstiftenden Verlaufnicht ausreichend sein, um eine Gefahr anzunehmen. Das betrifft vor allem die Situation von Störflillen, die äußerst unwahrscheinlich sind, theoretisch aber nie vollständig ausgeschlossen werden können und im 17 Drews/Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 220; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 61; Götz, Polizeirecht, Rn. 115; vgl. auch schon PrOVGE 77, 333 (338); 87,301 (310). 18 Drews/Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 221; Hansen-Dix, Gefahr, S. 23 ff., 36 ff. 19 lpsen, VVDStRL 48, 177 (186); Hansen-Dix, Gefahr, S. 39 ff.; BVerfDE 49, 89 (138); BVerwG DVBI 1973, 857, (858 f.). 20 Murswiek, Verantwortung, S. 86. 21 lpsen, VVDStRL 48, 177 (186); Ossenhühl, NVwZ 1986, 161 (163); ähnlich Murswiek, Verantwortung, S. 85 f., der das Risiko als Oberbegriff ansieht. Skeptisch dazu und zur "Produktstruktur'' des Risikos Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 88 ff., 96 ff. und Scherzberg, VerwArch 84 (1993), 484 (496 ff.); differenzierend auch Breuer, WiVerw 1981 , 219 (223 ff.).
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Fall ihres Eintritts einen bestimmten Schadensverlauf nach sich ziehen würden (Störfallrisiko). In dieser Lage objektiver Ungewißheit22 über den Eintritt des schadenstiftenden Ereignisses bedeutet "Risikovorsorge unterhalb der Schwelle praktischer Vorstellbarkeit"23 , daß zusätzliche Vorkehrungen gegen diese Risiken getroffen werden sollen, sofern dies technisch möglich und zurnutbar ist. (2) Risikovorsorge unterhalb der Schädlichkeitsschwelle Zum anderen kann aber die Schadensentstehung und -höhe selbst zweifelhaft sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn subjektive Unsicherheit über die Verursachungszusammenhänge besteht24• Wie sich aus der gemeinsamen Basisdefinition für Gefahr und Risiko ergibt, handelt es sich dabei immer um eine Prognose, ob ein gegebener Sachverhalt demnächst möglicherweise zu einem bestimmten Schadenseintritt filhrt25 • Um diese Prognose einigermaßen zuverlässig stellen zu können, bedarf es des Hintergrundwissens über Ursachen und Wirkungen26• Im allgemeinen Sicherheitsrecht ist dafilr gewöhnlich die allgemeine Lebenserfahrung ausreichend; in komplizierteren Rechtsmaterien braucht es hingegen in steigendem Maße spezifischen Sachverstand. In hochkomplexen Materien wie dem Immissionsschutz ist das erforderliche Prognosewissen jedoch oftmals auch in sachverständigen Kreisen nicht vorhanden27• Vielfach weiß man nicht genau, ob eine bestimmte Emission, die von einer Anlage ausgeht, allein oder im Zusammenwirken mit sonstigen Umständen demnächst an anderer Stelle eine schädliche Immission verursachen kann. Das gilt insbesondere für die Fernwirkungen von Luftschadstoffen, deren nachteilige Effekte sich möglicherweise erst in großer räumlicher (Beispiel: Waldsterben) oder zeitlicher (Beispiel: Krebserzeugung) Entfernung niederschlagen und an der einzelnen Quelle gar nicht absehbar sind. Kumulative und synergetische Effekte erschweren überdies die Zurechnung eines konkreten Schadens an einen bestimmten Schädiger28 . Auch die bloße Vielzahl der potentiell schädlichen Substanzen ist ein Problem, da die chemisch-physiologischen Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt bei vielen Stoffen kaum in Ansätzen erVgl. Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 82 f. So die Begriffsprägung von Breuer, WiV 1981, 219 (230 f, 235); siehe auch Trute, Vorsorgestrukturen, S. 47 ff. 24 Vgl. Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 84 f. 25 Allgemein zum Prognosecharakter sicherheitsrechtlicher Entscheidungen Drews/ Wacke!Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 223 ff.; Hansen-Dix, Gefahr, S. 99 ff. 26 Trute, Vorsorgestrukturen, S. I 9 weist freilich zutreffend darauf hin, daß genaugenommen jede Prognose mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist; ähnlich Murswiek, Verantwortung, S. 82. 27 Scherzberg, VerwArch 84, 484 (493 ff.). 28 Zu den einzelnen Unsicherheitsfaktoren vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 12 ff.; GK-Roßnage/, § 5 Rn. 454 ff., sowie auch BVerwGE 69, 37 (43). 22 23
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faßt sind. Diese im Immissionsschutz typischerweise weithin herrschende Ungewißheit über die Wirkungszusammenhänge hat zur Folge, daß in einer solchen Situation häufig nicht die hinreichend plausible Möglichkeit eines Schadenseintritts gegeben ist, um von einer "echten" Gefahr sprechen zu können, andererseits aber auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß eine Schädigung mit Sicherheit ausgeschlossen ist29• Diese unsichere Lage unterhalb der (eindeutigen) Schädlichkeitsschwelle kennzeichnet das Normaibetriebsrisiko30• hh) Inhalt der Risikovorsorge
Das Risiko kann also als Normalbetriebsrisiko oder als Störfallrisiko bestehen. Der Gedanke der Risikovorsorge ist nun der, schon in dieser, von Ungewißheit überschatteten Situation Maßnahmen zu ergreifen, um die möglicherweise drohende Schädigung abzuwenden. Die gängigste Methode dafUr nennt bereits § 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG selbst: die Begrenzung der Emission von Luftverunreinigungen, Geräuschen usw. (vgl. § 3 Abs. 3 BimSchG), die zu schädlichen Umwelteinwirkungen fUhren können. Das liegt in der Logik der Dinge: je weniger potentiell schädliche Substanzen, Schallwellen oder Strahlen aus der Anlage nach draußen gelangen, desto geringer ist das Risiko, daß sie nachfolgend Schäden verursachen können31 • Derartige Emissionsminderungsmaßnahmen richten sich gegen das Normalbetriebsrisiko. Vorsorge gegen Störfallrisiken besteht hingegen vornehmlich aus technischen Sicherungen gegen Fehlfunktionen der Anlage und gegen die daraus resultierenden mutmaßlichen Schadensverläufe. Gesetzgebungstechnisch hat die EinfUhrung der Risikovorsorge vor allem ein Absenken der Eingriffsgrenze zur Folge32• Im traditionellen Gefahrenabwehrrecht ist ein Einschreiten der staatlichen Vollzugsbehörden grundsätzlich erst dann möglich, wenn eine "Gefahr" im Rechtssinne zumindest erkennbar ist, also das Produkt aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit ein bestimmtes Quantum erreicht hat. Sind dem Anlagenbetreiber hingegen vom Gesetzgeber Vorsorgepflichten auferlegt, so können diese auch dann durchgesetzt werden, wenn infolge mangelnder Wahrscheinlichkeit oder erheblicher Ungewißheiten über die Art und Höhe des möglichen Schadens die Gefahrenschwel-
29 Treffend Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (163):"Die vermutete, die nur denkbare Gefahr wird zum Normalfall, auf den reagiert werden muß." 30 Breuer, WiVerw 1981,219 (235). 31 Das Problem, die "potentielle Schädlichkeit" einer konkreten Substanz zu bestimmen, ist dann ein Hauptproblem der Konkretisierung. 32 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. II; Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 76.
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Je noch nicht erreicht ise 3 • Dies ist vor allem deshalb essentiell, weil angesichts der oft einschneidenden Folgen regelmäßig nicht abgewartet werden kann, ob die Gefahr sich tatsächlich als solche realisiert. Freilich sind im Grenzbereich zwischen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge Überschneidungen denkbar; dies betrifft insbesondere die Situationen der vorbeugenden Gefahrenabwehr des Gefahrenverdachts34 • Insgesamt bedeutet aber das Vorsorgeprinzip in dieser Auslegung eine vorverlagerte Abwehr von möglicherweise schadensträchtigen Sachverhalten: die Immissionsschutzbehörde muß nicht mehr auf das Auftreten einer konkret zu bestimmenden Gefahr warten, sondern kann schon vorher agieren. cc) Grenzen der Risikovorsorge: Restrisiken
Das bedeutet allerdings nicht, daß grenzenlose Vorsorge um ihrer selbst willen zu treffen wäre. Zum einen bedingt nämlich der Umstand, daß die Vorsorge ausweislich der Regelungen in den §§ 1 und 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen ist, die Folgerung, daß sich Vorsorgemaßnahmen immer an ein bestimmtes "Besorgnispotential" anlehnen müssen35 . Ist die Ungefilhrlichkeit der Situation zweifelsfrei festgestellt, so kann es insoweit keine Vorsorgeanforderungen geben 36• Zum anderen wird das Vorsorgeprinzip durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, wonach der Umfang des Risikos, gegen das Vorsorge getroffen werden soll, in einem vertretbaren Verhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand stehen muß. Angesichts des Umstandes, daß bei den hier relevanten komplexen Zusammenhängen eine hundertprozentige Sicherheit unter Ausschluß jeglichen Risikos kaum je erreicht werden kann, ergibt sich daraus konsequent, daß auch regelmäßig ein gewisses "Restrisiko" verbleiben wird, gegen das keine Vorsorge getroffen werden muß37• Das ist dann der Fall, wenn die geringe Wahrschein33 Ist also etwa unter Störfallgesichtspunkten mangels hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit keine Gefahr im Rechtssinne, aber ein Risiko gegeben, so können zusätzliche technische Sicherungsmaßnahmen zwar nicht unter dem Aspekt des Schutzprinzips (d.h. der Gefahrenabwehr), wohl aber unter dem der Vorsorge verlangt werden. 34 Vgl. dazu Trute, Vorsorgestrukturen, S. 17 f., 22 ff.; Scherzberg, VerwArch 84, 484 (495 ff.); Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (163); mit anderem Ausgangspunkt auch Feldhaus, DVBl 1980, 133 (137). Allgemein zur umstrittenen Behandlung des Gefahrenverdachts Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 70; Drews/Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 226 ff.; Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 92; Murswiek, Verantwortung, S. 378 ff.; Hansen-Dix, Gefahr, S. 61 ff., 172 ff. 35 BVerwGE 69, 37, (44); Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 121 ff.; GK-Roßnagel, § 5 Rn. 450. 36 Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (166): es gibt keine Vorsorge "ins Blaue hinein". 37 Breuer, WiVerw 1981,219 (228 f.); Martens, DVB11981, 597 (599); Rauschning, VVDStRL 38, 167 (191 ff.); Kloepfer, Umweltrecht, § 2 Rn. 17, § 7 Rn. 28.
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lichkeit eines Schadenseintritts existiert, gegen die mit zurnutbarem Aufwand keine weitere Vorsorge mehr getroffen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht weist diese "Ungewißheiten jenseits der praktischen Vernunft" jedem einzelnen als eine sozialadäquat zu tragende Risikobelastung zu38 . Aus dem Blickwinkel der risikovorsorgenden Variante des Vorsorgeprinzips ergibt sich somit eine materielle Dreiteilung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen 39: Gefahren (im Sinne des erweiterten Gefahrenbegriffs) sind nach dem Schutzprinzip abzuwehren, gegen Risiken ist grundsätzlich Vorsorge geboten, bestimmte Restrisiken sind hinzunehmen. Die Abgrenzung dieser drei Bereiche voneinander ist dann ein Hauptproblem der (untergesetzlichen oder einzelfallspezifischen) Konkretisierung. b) Ressourcenvorsorge Nach einem anderen, bewirtschaftungsrechtlichen Ansatzpunkt filr den Inhalt des Vorsorgeprinzips soll Vorsorge in erster Linie eine Ressourcenvorsorge sein. Insbesondere die im Anschluß an Feldhaus entwickelte "Freiraumthese" erachtet es als das Ziel der Vorsorge, immissionsunbelastete Gebiete als Freiräume zu erhalten, und zwar sowohl als "ökologische Reserve" rur künftige immissionsempfindliche Nutzungen als auch als "Belastbarkeitsreservoir" filr spätere emissionsträchtige Industrieansiedlungen40• Gestützt wird dies insbesondere auf entsprechende Formulierungen in der amtlichen Begründung41 . Hinzu kommt der Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit das knappe Gut des "belastbaren Umweltmediums Luft" soll möglichst gleichmäßig von allen Emittenten genutzt werden können, ohne seine Funktionsfähigkeit einzubüßen42. Das bedingt eine möglichst weitgehende Verringerung der belastenden Emissionen, auch und gerade über das Maß dessen hinaus, was zur bloßen Gefahrenabwehr erforderlich wäre. Schließlich soll dadurch auch die (Neu-) Schaffung von Freiräumen ermöglicht werden, was zusätzlich eine Sanierungskomponente beinhaltet43 . In dieser Spielart kommt der Vorsorge nach Auffassung ihrer Vertreter eine planerisch-abwägende und verteilende Funktion zu, die ihr eine vom ordnungs-
38 BVerfGE 49, 89 (143). 39 Wahl, Prävention und Vorsorge, S. S. 99 ff.; Breuer, NVwZ 1990,211 (213).
40 Grundlegend Feldhaus, DVBI 1980, 133 (135 ff.); differenzierend Sellner, NJW 1980, 1255 (1256 f.). 41 BT-Drucksache 7/179, S. 32. 42 Landmann/Rohmer-Kutscheidt, Rn. 7 zu § 1 BlmSchG. 43 Feldhaus, DVBI1980, 133 (135).
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rechtlichen Hintergrund qualitativ abgehobene Stellung verschafft44 • Im anlagenbezogenen Immissionsschutz kommt diese planerische Funktion allerdings kaum zum Tragen: schon Feldhaus selbst hat zutreffend darauf hingewiesen, daߧ 5 Nr. 2 BlmSchG (a.F.) keine Planungsnorm ist45 . Der Charakter der Genehmigungserteilung als einer nach der Gesetzessystematik eindeutig gebundenen Entscheidung, bei der der Behörde nach ganz überwiegender Auffassung auch kein "Luftbewirtschaftungsermessen" zukommt, schließt eine echte planerische Abwägung im Einzelfall aus46 • Abwägend-planende Motivationen können allenfalls auf einer "mittleren Ebene" ins Spiel kommen: bei der administrativen Konkretisierung der Vorsorgeanforderungen und bei den Instrumenten des gebietsbezogenen Immissionsschutzes47 • c) Verhältnis von Risiko- und Ressourcenvorsorge In der Vergangenheit wurde die literarische Auseinandersetzung um den Gehalt des Vorsorgeprinzips oft in Form einer konfrontativen Gegenüberstellung der beiden genannten Sichtweisen gefilhrt. In jüngerer Zeit werden jedoch beide Varianten der Vorsorge zunehmend nebeneinander gesehen und als gleichberechtigte Ausformungen des übergeordneten allgemeinen Vorsorgegedankens betrachtet48 • Beim anlagenbezogenen Immissionsschutz wird ihre Anwendung auch kaum zu unterschiedlichen Ergebnissen im Einzelfall fUhren, da - wie gesagt - die Einzelentscheidungen des Genehmigungsrechts regelmäßig keine planerischen Abwägungsspielräume offenlassen. Vielmehr läßt sich der "Sicherheitsabstand zu der Relevanzschwelle", den Sellner als Verfechter der Freiraumthese fordert49, unschwer auch als risikovorsorgender Zuschlag auf Gefahrengrenzwerte einordnen. Wirft man nun noch einmal einen Blick auf das Vorsorgeprinzip unter dem Aspekt sicherheitsrechtlicher Charakterisierung, so ist festzustellen, daß auch dieses neue Element des Umweltschutzes sich nicht vollständig von den Ursprüngen der Gefahrenabwehr gelöst hat. In der risikovorsorgenden Variante hat die Anknüpfung des Risikobegriffs an den Gefahrenbegriff zur Folge, daß
44 Feldhaus, DVBl 1980, 133 (135 ff.); Martens, DVBl 1981, 597 (603); Seltner, NJW 1980, 1255 (1257). 45 Feldhaus, DVB11980, 133 (137). 46 So die ganz herrschende Meinung, vgl. Breuer, WiVerw 1981, 219 (235); Kloepfor, Umweltrecht, § 7 Rn. 48; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 114, 135; Jarass, BlmSchG, § 6 Rn. 19; a.A. Murswiek, Verantwortung, S. 357 ff. 47 Vgl. ausführlich dazu Trute, Vorsorgestrukturen, S. 131 ff. 48 Rebentisch, NVwZ 1995, 949 (951 ). Die Rechtsprechung hat die Frage bislang offengelassen, vgl. etwa BVerwGE 65, 313 (320). 49 Seltner, NJW 1980, 1255 (1257).
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die Vorsorge im wesentlichen als eine "quantitative Erweiterung des Gefahrenmodells in Richtung auf verschärfte sicherheitstechnische Anforderungen hin" erscheint50• Der sicherheitsrechtliche Anknüpfungspunkt ist dort noch ganz deutlich zu erkennen. Konsequenterweise bezeichnet denn auch Jarass Schutz- und Vorsorgeprinzip als "Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im engeren und im weiteren Sinne"51 • Aber auch in der ressourcenbewirtschaftenden Form ist die Vorsorge (jedenfalls beim anlagenbezogenen Immissionsschutz) nicht vom Gefahrenmodell abgekoppelt - und kann es auch gar nicht sein. Im Einzelfall geht es immer um eine konkrete Anlage, bei der Vorsorge zu treffen ist. Diese Vorsorge richtet sich nach § I BimSchG gegen schädliche Umwelteinwirkungen; genau wie das Schutzprinzip der Abwehr derselben dient. In beiden Fällen ist also die Grundrichtung der legislativen Vorgabe defensiv: Abwehr bzw. Vorsorge gegen bestimmte, möglicherweise schädliche, Umwelteinflüsse. Diese defensive Grundstruktur ist aber regelmäßig ein Ausweis sicherheitsrechtlicher Aktivität. Und noch eine weitere Überlegung kann für ein Nebeneinander der risikobezogenen und der ressourcenorientierten Vorsorgevariante angefilhrt werden: die Risikovorsorge bezweckt mit vorverlagerten Maßnahmen den Nichteintritt von Schäden, die Ressourcenvorsorge hat die Knappheit von Gütern im Auge. Stellt man jedoch in Rechnung, daß die Güterverknappung selbst bereits ein Schaden sein kann52, so liegt der Gedanke nicht fern, daß es sich tatsächlich um zwei verschiedene Ansichten des gleichen Problems handelt.
111. Zusammenfassung: Schutz und Vorsorge als materielle Leitgedanken des Gesetzes Nach alledem bleibt als Kern der materiellen gesetzgeberischen Immissionsschutzanforderungen festzuhalten: I. Durch den Betrieb einer immissionsträchtigen Anlage darf es nicht zu Schäden oder sonstigen erheblichen Nachteilen oder Belästigungen kommen. Das gilt generell fllr immissionsbedingte Beeinträchtigungen, bei genehmigungsbedürftigen Anlagen außerdem fllr anderweitig verursachte Beeinträchtigungen. 2. Der Anlagenbetreiber hat sich so zu verhalten, daß die angemessene Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen ist. Dies bedeutet insbesondere, daß der Ausstoß von potentiell schädlichen Substanzen und damit Trute, Vorsorgestrukturen, S. 29 f.; ähnlich Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 77. Jarass, BlmSchG, § I Rn. 13. 52 Wahl, Prävention und Vorsorge, S. 75. 50
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die Inanspruchnahme des Umweltmediums Luft unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit möglichst minimiert wird. Bei diesen materiellen Anforderungen handelt es sich in der Terminologie des Vollzugsmodells gleichzeitig um die Umschreibung des Soll-Zustands, dessen Realisierung die staatlichen Vollzugsbehörden sicherstellen sollen.
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG Sind die materiellen Vorstellungen des Gesetzgebers somit identifiziert, so soll jetzt untersucht werden, wie die Umsetzung dieser Anforderungen im Einzelfall durch die staatlichen Vollzugsbehörden nach dem ordnungsrechtlich geprägten Modell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes abläuft. Das Gesetz stellt hierfllr ein ausdifferenziertes Instrumentarium zur Verfllgung, mit dessen Hilfe die zuständigen Behörden die Einhaltung der Schutzund Vorsorgeanforderungen durch die Anlagenbetreiber bewirken können. Da bei den einzelnen Vollzugsentscheidungen regelmäßig die Gewerbe- und Eigentumsfreiheit des Anlagenbetreibers tangiert sind, trägt dieses immissionsschutzrechtliche Instrumentarium eine "klassische" konditionale Grundstruktur, bei der das behördliche Vollzugshandeln an bestimmte typisierte (Eingriffs-) Tatbestände geknüpft ist53 • Allerdings ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz eines jener Normwerke, bei denen der Gesetzgeber der konditionalen Grundstruktur zur Orientierung im Bereich der "sekundären Elastizitäten" eine klassische Zwecknorm in Gestalt des § I BlmSchG vorangestellt hat. Insofern kann man das System als eine Programmverbindung von klassischen Konditionaltatbeständen mit eingebauten Zweckelementen bezeichnen54• Hinsichtlich der behördlichen Vollzugsaktivitäten im einzelnen ist zunächst zwischen genehmigungsbedürftigen (§§ 4 ff. BlmSchG) und nicht genehmigungsbedürftigen (§§ 22 ff. BlmSchG) Anlagen zu unterscheiden. Innerhalb dieser beiden Gruppen kann dann eine weitere Differenzierung danach erfolgen, inwieweit eine punktuelle Eröffnungskontrolle oder eine perpetuelle Befolgungskontrolle der Vollzugsbehörden die Einhaltung der materiellrechtlichen legislativen Maßgaben gewährleistet.
Vgl. dazu oben§ 2 AI. Trute, Vorsorgestrukturen, S. 36 f.; vgl. zu dieser Art der Programmverbindung auch oben § 2 A III. 53
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B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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I. Genehmigungsbedürftige Anlagen Genehmigungsbedürftige Anlagen sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG solche, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu geflihrden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Es handelt sich also um besonders immissionsträchtige Einrichtungen, deren Überwachung durch die Vollzugsbehörden deshalb eingehend geregelt ist. Welche Anlagen im einzelnen darunterfallen, ist durch die auf § 4 Abs. I Satz 3 BlmSchG basierende Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BlmSchV) abschließend geregelt. Bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen können zwei Bereiche des behördlichen Vollzugs auseinandergehalten werden: Eröffnungskontrolle und Befolgungskontrolle. Die erstere soll die Einhaltung der gesetzlichen Maßgaben zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem Beginn des immissionsträchtigen Anlagenbetriebs, gewährleisten, die letztere dient dem langfristigen Gesetzesvollzug nach der Inbetriebnahme. Daraus erhellt bereits, daß der immissionsschutzrechtliche Vollzug eine staatliche Daueraufgabe ist: die Einhaltung der materiellen Anforderungen ist während der gesamten Zeitspanne des Anlagenbetriebs durchzusetzen. I. Eröffnungskontrolle: Der behördliche Gesetzesvollzug im Wege der präventiven Kontrollerlaubnis
Die Eröffnungskontrolle ist der Inhalt des Genehmigungsverfahrens. Wegen der besonderen Schadensträchtigkeit der Anlage bestimmt der Gesetzgeber hier eine umfassende präventive Prüfung durch die Behörde, durch die bereits vor Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage ihre Übereinstimmung mit den gesetzgeberischen Schutz- und Vorsorgeanforderungen sichergestellt werden soll. Der gesetzestechnische Normalfall ist dabei die völlige Neuerrichtung einer genehmigungsbedürftigen Anlage. Ebenso kommt es zu einer solchen präventiven Kontrolle, wenn eine bereits existierende Anlage eine wesentliche Änderung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG erfahren soll; das ist praktisch der bei weitem häufigere Fall. Von der Grundstruktur der behördlichen Prüfung und Entscheidung unterscheiden sich beide Fälle jedoch nicht55• 55 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß das behördliche Vollzugsprogramm in beiden Konstellationen erst nach einer Vorprüfung startet. Im Falle der Neuerrichtung muß als erstes geklärt werden, ob es sich bei der zu errichtenden Anlage überhaupt um eine genehmigungsbedürftige Anlage nach der 4. BlmSchV handelt; im Falle der Änderung muß festgestellt werden, ob diese "wesentlich" im Sinne des § 16 6 Ludwig
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
Rechtstechnisch handelt es sich bei der Anlagengenehmigung um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, auch Kontrollerlaubnis genannt56• Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens prüft die Genehmigungsbehörde dabei, ob das geplante Anlagenvorhaben den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften entspricht, also im Einklang mit den legislativen Soll-Vorgaben steht. Ist dies der Fall, so besteht kein weiterer Vollzugsbedarf, das heißt die Anlagengenehmigung ist ohne weiteres zu erteilen (vgl. § 6 Abs. I BlmSchG). Anderenfalls hat die Behörde dem dann auftretenden Vollzugsbedarf durch geeignete Entscheidungen Rechnung zu tragen. Um die jeweils erforderliche Vollzugsentscheidung treffen zu können, geht die Genehmigungsbehörde nach dem im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Entscheidungsfindungsmodell vor. Zunächst muß der Sachverhalt (IstZustand) als notwendige Informationsgrundlage ermittelt werden. Dann sind die gesetzlichen Anforderungen an Schutz und Vorsorge einzelfallspezifisch zu konkretisieren (Soll-Zustand) und mit dem festgestellten Sachverhalt zu vergleichen, das heißt zu subsumieren. Dabei sind die gesetzgeberischen Zielvorstellungen in der maßgeblichen Konditionalnonn, dem § 6 Abs. I BlmSchG, positiv als Tatbestandsmerkmale enthalten: wenn die "Anlaßinfonnation" ergibt, daß die materiellen immissionsschutzrechtlichen und sonstigen öffentlichrechtlichen Anforderungen erfiillt sind, dann ist die durch § 6 Abs. 1 BlmSchG programmierte Entscheidung eine solche zum Nichteinschreiten. Es bedarf in dieser Situation dann keiner behördlichen Vollzugstätigkeit, da die gesetzgeberischen Vorstellungen erfiillt sind, Soll-Zustand und (zukünftiger) Ist-Zustand sich decken 57• Folglich kann dann die Genehmigung ohne weiteres erteilt werden. a) Behördliche Sachverhaltsermittlung Am Anfang steht auch hier das Erfordernis, daß sich die Behörde den notwendigen Tatsachenhintergrund fiir ihre Entscheidung verschaffen muß. Dieser besteht aus den Informationen über die konkrete Anlage und die von ihr ausgeAbs. I Satz I BlmSchG ist. Diese Vorklärungen sind in dem gewählten Vollzugsmodell an sich schon eine erste Subsumtion, durch die die Weichen fllr das weitere Vorgehen gestellt werden. Sie laufen, wie die Neuregelung der§§ 15, 16 BlmSchG zeigt, auch in eigenständig strukturierten Entscheidungsfindungsprozessen ab, die durchaus als eigene Vollzugsprogramme betrachtet werden können. Allerdings handelt es sich dabei eben doch nur um Vorfragen, die von den materiellen Vollzugsentscheidungen über den konkreten Anlagenbetrieb und dessen Gesetzeskonformität abgeschichtet sind und deswegen an dieser Stelle nicht eingehender behandelt werden sollen. 56 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 45, § 7 Rn. 48. 57 V gl. oben § 2 B II 2 c.
B. Der behördliche Vollzug nach dem BimSchG
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benden Effekte, wobei die Besonderheit besteht, daß der Gegenstand der Prüfung ja regelmäßig überhaupt erst errichtet und in Betrieb genommen werden soll, also real noch gar nicht existiert58• Insoweit kann sich die behördliche Sachverhaltsermittlung bezüglich der Anlage selbst nur auf die diesbezüglichen Planungen beziehen. Folgerichtig nennt§ 10 Abs. I Satz 2 BlmSchG die Erläuterungen und Unterlagen des Antragstellers als wichtigste Informationsquelle der Behörde59• Worum es sich dabei im einzelnen handelt, wird durch die§§ 4 a bis 4 e der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BlmSchV) sowie ergänzend auch durch Verwaltungsvorschriften der Länder60 näher dargelegt. Die entscheidungserheblichen Informationen lassen sich in mehrere Sachgebiete aufteilen61 • aa) Informationen über die Anlage selbst und ihren Betrieb
Die anlagen- und betriebsbezogenen Informationen beziehen sich zunächst auf die Art der Anlage sowie ihren Standort und ihre Ausdehnung62• Die einzelnen Anlagenteile (Maschinen und sonstige Betriebselemente) sind zu bezeichnen und gegebenenfalls zu beschreiben63 • Zur Ergänzung können nach den Verwaltungsvorschriften auch graphische Darstellungen erforderlich sein (z. B. topographische Karten, Maschinenaufstellungspläne64). Zum Betrieb ist das vorgesehene Betriebsverfahren zu erläutern und insbesondere der Umsatz der am Betrieb beteiligten Stoffe offenzulegen65 • Diese "Stoftbilanz" umfaßt Angaben zu Art, Menge und Beschaffenheit der Aus58 Das gilt jedenfalls für den gesetzessystematischen Normalfall einer vollständig neu zu errichtenden Anlage nach § 4 Abs. I Satz I BimSchG. In den praktisch wesentlich häufigeren Fällen der Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. I Satz I BimSchG gilt das gleiche für die durch die zukünftige Änderung betroffenen Anlagenteile und Betriebselemente. 59 Dabei spielt es an dieser Stelle der Untersuchung noch keine Rolle, daß der Antragsteller als behördenexterne Person zur Lieferung der Sachverhaltsinformationen verpflichtet ist (dazu eingehend unten § 7 A). Die Orientierung an den §§ 4 ff. der 9. BimSchV erfolgt vielmehr zu dem Zweck, die Bandbreite der von der Behörde zu erhebenden Informationen anschaulich zu machen. 60 Maßgeblich ist dabei insbesondere die nordrhein-westfälische Verwaltungsvorschrift zum Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 21.11.1975 (GenVwV NW, MBI. NW 2216). 61 Zusammenfassend Pütz!Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 189 ff. 62 §§ 3 Nr. 3 und 4, 4 a Nr. 2 der 9. BlmSchV. 63 § 4 a Nr. I der 9. BimSchV. 64 Vgl. Ziffern 3.1 und 3.5 der GenVwV NW. 65 § 4 a Nr. 3 der 9. BimSchV.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
gangsstoffe, der Zwischen-, Neben- und Endprodukte sowie der entstehenden Abflille, bei noch weitgehend unbekannten Substanzen auch eine Stoffanalyse bezüglich ihrer genauen Eigenschaften. Auch insoweit können schematische Darstellungen des Verfahrensablaufs (z. B. Fließbilder) verlangt werden66. Außerdem ist darzulegen, welche stofflichen Konsequenzen sich bei Störungen im Verfahrensablauf ergeben können67• Schließlich sind die von der Anlage ausgehenden Emissionen anzugeben68 • Dabei handelt es sich um einen Kernpunkt der ganzen Sachverhaltsermittlung, da die von der Anlage ausgehenden Emissionen als Immissionen außerhalb der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen darstellen können. Art und Ausmaß der voraussichtlichen Emissionen sind ebenso anzugeben wie die Umstände, unter denen sie emittiert werden, so daß letztendlich umfassend festgestellt werden kann, welche Umwelteinwirkungen die Anlage insgesamt verlassen.
bb) Informationen über Schutz- und Vorsorgemaßnahmen Neben diesen sachbezogenen Angaben muß sich die Behörde auch Informationen über die Maßnahmen verschaffen, mit denen der Anlagenbetreiber seinen Schutz- und Vorsorgeverpflichtungen nachkommen will. Das resultiert daraus, daß die materiellen Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eben nicht nur sachliche Ziele (z. B. Abwesenheit von Gefahr) sondern auch damit in Zusammenhang stehende Verhaltensanforderungen sind. Dementsprechend müssen die Unterlagen nach§ 4 b der 9. BlmSchV Angaben darüber enthalten, welche Maßnahmen technischer und organisatorischer Art der Anlagenbetreiber vorsieht, um den materiellen Anforderungen gerecht zu werden, und zwar im Hinblick sowohl auf die allgemeinen Anforderungen des Schutz- und des Vorsorgeprinzips als auch auf die besonderen Aspekte der Störfallsicherheit, des Arbeitsschutzes und der Betriebseinstellung.
cc) Informationen zur Störfallsicherheit Bei Anlagen, bei deren Betrieb besonders schadensträchtige Substanzen verwendet werden oder im Störfall entstehen können, ist das Sicherheitsbedürfnis und demzufolge der Informationsbedarf der Vollzugsbehörde besonders groß. Die Störfallverordnung (12. BlmSchV) sieht daher in diesen Fällen eine systematische Zusammenfassung der wichtigsten Informationen in einer SiVgl. Ziffer 3.4 der GenVwV NW. § 4 a Nr. 5 der 9. BlmSchV; dies hat allerdings nur insoweit eine eigenständige Bedeutung, als keine Sicherheitsanalyse nach der Störfallverordnung vorzulegen ist. 68 § 4 a Nr. 6 der 9. BlmSchV. 66 67
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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cherheitsanalyse vor69• Diese hat nach § 7 Abs. 1 der 12. BimSchV ebenfalls anlagen-, verfahrens-, stoff- und maßnahmenbezogene Erläuterungen zum Gegenstand, die sich auf die spezifischen Störfallbelange beziehen. Dabei sind insbesondere auch die möglichen Gefahrenquellen - betriebliche wie außerbetriebliche - offenzulegen und Störfallszenarien zu erstellen70• Sofern eine Sicherheitsanalyse zu erstellen ist, muß sie der Genehmigungsbehörde gemäß § 4 b Abs. 2 Satz 1 der 9. BimSchV ebenfalls vorgelegt werden. Die Behörde verfUgt damit in diesen Fällen über ein sehr detailliertes Informationsreservoir, welches sich freilich teilweise mit den in jedem Fall zu erhebenden Angaben überschneidet71 • dd) Informationen zur Behandlung der Abfälle
Im Hinblick auf die abfallbezogenen Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BimSchG benötigt die Genehmigungsbehörde außerdem Angaben zu den vorgesehenen Vermeidungs-, Verwertungs- und Beseitigungsmaßnahmen. Diese Informationen sind ihr im Rahmen eines Abfallbehandlungsplans gemäß § 4 c der 9. BimSchV zugänglich zu machen. ee) Informationen zur Wärmenutzung
Informationen zur Wärmeentstehung und Wärmenutzung sind zwar in §§ 4 a Nr. 4 und 4 d der 9. BimSchV vorgesehen, werden jedoch nach derzeitiger Rechtslage noch nicht erhoben, da die erforderliche Ausfiihrungsverordnung nach § 5 Abs. 2 BimSchG noch nicht erlassen worden ist.
jJ) Informationen zur Umweltverträglichkeit Bei Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 3 UVPG unterliegen, sind zusätzliche Angaben nach § 4 e der 9. BimSchV erforderlich. 69 Die Sicherheitsanalyse soll allerdings nach dem erklärten Willen der Bundesregierung primär ein Kontrollinstrument des Betreibers selbst sein (vgl. insoweit die amtliche Begründung, BR-Drucksache 108/80; außerdem Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 1 zu § 7 der 12. BlmSchV, und Feldhaus-Wietfeldt/Vallendar, Anm. 2 zu § 7 der 12. BimSchV). Zu dieser Funktion vgl. auch unten§ 11 D. Jedoch dient die Sicherheitsanalyse auch der Information der Genehmigungsbehörde, die die darin erkennbar werdende Gefährlichkeit der Anlage bei ihrer Genehmigungsentscheidung in Rechnung zu stellen hat. 70 Vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 5 der 12. BimSchV sowie ergänzend die Ziffern 3.2.4, 3.2.5 und 3.2.7 der 2. StörfaiiVwV. 71 Insbesondere was die allgemeinen Angaben zu Art und Umfang der Anlage, zum Verfahren und zu den beteiligten Stoffen betrifft.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
Diese Aspekte werden jedoch an dieser Stelle nicht weiter verfolgt, da sich die Untersuchung auf den spezifisch immissionsschutzrechtlichen Teil des Genehmigungsverfahrens beschränken soll. Das gleiche gilt filr zusätzliche Angaben über naturschutzrechtliche Belange nach§ 4 Abs. 2 der 9. BimSchV. gg) Weitergehende Informationen Die bislang aufgefilhrten Informationsgrundlagen der Genehmigungsbehörde betreffen die regelmäßig vom Antragsteller einzureichenden Planungsunterlagen. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, wie sich aus der Fassung des§ 4 Abs. 1 Satz 3 der 9. BimSchV ("insbesondere die Angaben nach §§ 4 a bis 4 d") ergibt. Benötigt die Behörde daher noch weitere anlagenbezogene Informationen, so kann sie diese im Wege der Unterlagenergänzung (§§ 10 Abs. 1 Satz 3 BimSchG, 7 Abs. 1 Satz 2 der 9. BimSchV) zusätzlich vom Antragsteller in Erfahrung bringen72 • Im übrigen deckt die Behörde ihren Informationsbedarf nicht nur aus den Angaben des Antragstellers. Ungeachtet der Tatsache, daß dieser diejenigen Umstände, die aus seinem ureigensten Planungsbereich stammen, selbst dokumentieren muß, herrscht auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich der allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 VwVfG 73 • Dieser bewirkt insbesondere, daß die Behörde sich nicht ohne weiteres mit den Angaben des Antragstellers begnügen muß, sondern diese auf ihre Plausibilität hin untersuchen kann und gegebenenfalls eigene Ermittlungen anstellen kann74• Einer möglichst breiten Sachverhaltsaufklärung durch die Behörde dienen in diesem Zusammenhang auch die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, da aus den Einwendungen, Stellungnahmen und dem Vorbringen beim Erörterun9~termin ebenfalls sachdienliche Informationen entnommen werden können .
72 Vgl. Ziffer 3.3.2 der GenVwV NW; Landmann/Rohmer-Kutscheidt, Rn. 9 zu§ 4 der 9. BimSchV. 73 Feldhaus-Vallendar, BimSchR, Anm. 2 zu§ 4 der 9. BimSchV. 74 Jarass, BimSchG, § 10 Rn. 33; differenziert GK-Roßnagel, § 10 Rn. 236. Die Möglichkeit der Behörde, sich Informationen durch Sachverständige zu beschaffen, bleibt hier noch außer Betracht, und wird erst im Rahmen der bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten Privater erörtert (dazu unten§ 7 C). 75 GK-Roßnage/, § 10 Rn. 477, 501 ff.; Jarass, BimSchG, § 10 Rn. 42, 53, 61; Pütz/Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 121; aus diesem Grund verlangt auch BVerwGE 60, 297 (300) in vergleichbaren Fällen ftir Einwendungen ein "sachliches Gegenvorbringen".
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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hh) Immissionsprognose
Außer den anlagenbezogenen Planungsunterlagen benötigt die Behörde aber auch Informationen über die Gegebenheiten außerhalb der Anlage. Insbesondere beim Schutzprinzip des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG geht es ja um die Frage, ob die von der Anlage ausgehenden Effekte zu schädlichen Umwelteinwirkungen außerhalb der Anlage führen können. Daher ist zu prüfen, ob die Emissionen der Anlage im Zusammenwirken mit externen Umständen zu schädlichen Immissionen in der Umgebung der Anlage führen. Dies hängt wesentlich von den sonstigen Bedingungen außerhalb der Anlage ab, insbesondere davon, inwieweit die Umgebung bereits mit Immissionen vorbelastet ist. Daneben spielen geographische und meteorologische Einflüsse sowie die in der Umgebung existierenden Planungen und Nutzungen eine Rolle. Die Behörde muß daher auch diese externen Umstände in Erfahrung bringen und dann aus der Gesamtheit ihrer Informationen eine Immissionsprognose erstellen, aus der hervorgeht, wie sich die Immissionssituation in der Umgebung der Anlage durch die Aufnahme des Betriebs verändert. Die Ermittlung der erforderlichen Immissionskenngrößen fiir die Vorbelastung, die zu erwartende Zusatzbelastung und die aus der Addition der beiden sich ergebenden Gesamtbelastung erfolgt fiir Luftschadstoffe nach Ziffer 2.6 der TA Luft76 • Hiernach kann die zu erwartende Zusatzbelastung an Immissionen nach Maßgabe der Anlage C zur TA Luft77 aus den Emissionen der Anlage errechnet werden. Für die Lärmbelastungsprognose gilt Ziffer 2.4 der TA Lärm. Zu diesem Zweck hat die Genehmigungsbehörde die zur Erstellung einer Immissionsprognose erforderlichen Zusatzinformationen ebenfalls in Erfahrung zu bringen, wobei sie hinsichtlich der Immissionsvorbelastung und der konstanten meteorologischen Rahmenbedingungen auf amtliche Erhebungen aus vorangegangenen Zeiträumen zurückgreifen kann78 • Damit ergeben sich als Gegenstand der behördlichen Sachverhaltsermittlung im wesentlichen zwei Bereiche: die durch die §§ 4 ff. der 9. BlmSchV umrissenen anlagenbezogenen Informationen sowie die tatsächliche Situation im Einwirkungsbereich der Anlage. Diese Umstände hat die Genehmigungsbehörde als sachliche Grundlagen fiir die nachfolgende Entscheidung regelmäßig zu ermitteln.
76 Im Anwendungsbereich der 22. BimSchV gelten allerdings nach deren § 4 besondere Meßverfahren. 77 Vgl. Ziffer 2.6.4.1 TA Luft. 78 Vgl. Nr. 8 des Anhangs C zur TA Luft sowie Ziffer 3.6.2.3 der GenVwV NW.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen Hat die Genehmigungsbehörde die vorstehenden Tatsacheninformationen eingeholt, so muß sie diesen dann eine Konkretisierung der materiellen gesetzlichen Anforderungen gegenüberstellen, um in einem dritten Schritt, der Subsumtion, dann beides vergleichen zu können. Sachverhaltsermittlung und Gesetzeskonkretisierung stehen freilich praktisch in einem untrennbaren Zusammenhang: erst wenn die Behörde weiß, um was filr eine Anlage es sich handelt und welche Stoffe im dortigen Verfahren eine Rolle spielen, ist sie in der Lage, die allgemeinen Schutz- und Vorsorgevorstellungen des Gesetzgebers durchgehend anwendungstauglich zu präzisieren. Dabei empfiehlt es sich, wie oben schon bei der Differenzierung im Bereich des Risikos angedeutet, zwischen den Anforderungen an den (störungsfreien) Normalbetrieb der Anlage und den Maßgaben im Hinblick auf Störfälle zu unterscheiden 79• aa) Konkretisierung der Anforderungenfür den Normalbetrieb
Zunächst muß filr den Normalbetrieb konkretisiert werden, welche inhaltlichen Kriterien unter Schutz- und Vorsorgeaspekten bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Anlage zugrundezulegen sind. (I) Schutzprinzip Bezüglich des Schutzprinzips ist herauszuarbeiten, unter welchen Gesichtspunkten eine Anlage der gegebenen Art zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG fUhren kann. Das erfordert vor allem eine Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "schädliche Umwelteinwirkungen" und "sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen". Die Vollzugsverwaltung muß dabei insbesondere bestimmen, wann die einzelnen Auswirkungen der Anlage die Gefahrengrenze erreichen, damit bei der nachfolgenden Subsumtion des zur konkreten Anlage ermittelten Sachverhalts festgestellt werden kann, ob sich die Anlage im sicherheitsrechtlich unbedenklichen Bereich befindet oder nicht. Die Fixierung der Gefahrengrenze setzt voraus, daß etwa für die immissionsrelevanten Effekte des § 3 Abs. 2 BlmSchG festgestellt werden muß, wann sie nach Art, Ausmaß oder Dauer die potentielle Schädigungseignung nach § 3 Abs. 1 BlmSchG aufweisen. Diese "Schädlichkeitsprognose" ist das ergänzende Gegenstück zur tatbestandliehen Immissionsprognose: ging es dort darum, 79 Zu
dieser Differenzierung Reich, Gefahr - Risiko - Restrisiko, S. 86 f.
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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die mutmaßlichen Immissionsverhältnisse im Einwirkungsbereich der Anlage quantitativ zu bestimmen80, so müssen im Rahmen der normativen Konkretisierung hier die qualitativen (schädlichen) Auswirkungen derartiger Immissionsverhältnisse abgeschätzt werden. Da die Schädlichkeit der Immissionen vom "Empfängerhorizont" dessen, auf den sie einwirken, zu beurteilen sind, lautet die entscheidende Frage: Wie hoch darf die Belastung mit diesen Einwirkungen maximal sein, ohne daß eine Beeinträchtigung der Schutzgüter zu befürchten ist? Insoweit bietet es sich an, die Schädlichkeitsgrenze durch entsprechende Belastungsgrenzwerte festzuschreiben, bei denen man davon ausgehen kann, daß bei ihrer Einhaltung keine Schädigungen verursacht werden, bei ihrer Nichteinhaltung jedoch die Gefahrengrenze überschritten wird. Eine solche Standardisierung der Schutzanforderungen geschieht durch die Aufstellung von Immissionswerten. Entsprechend den verschiedenen Ebenen der exekutiven Gesetzeskonkretisierung können solche Festlegungen sowohl durch generelle administrative Regelwerke als auch durch Einzelfallkonkretisierung der befaßten Behörde erfolgen. (a) Luftverunreinigungen Am ausgeprägtesten ist die Standardisierungstechnik im Bereich der Luftverunreinigungen. Das sind nach der Definition des § 3 Abs. 4 BlmSchG alle Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, also Substanzen, die in der unveränderten Atmosphäre nicht oder in anderer Häufigkeit auftreten. Bei ihnen liegt es besonders nahe, einen bestimmten Grad der Abweichung vom Naturzustand der Luft als Anhaltspunkt filr die Schädlichkeit der Veränderung zu nehmen. Immissionswerte filr bestimmte Luftschadstoffe sind primär in allgemeinen Regelwerken festgesetzt, auf die die Genehmigungsbehörde zurückgreifen kann. Es handelt sich dabei namentlich um die 22. BlmSchV und um die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), also eine Rechtsverordnung und eine Verwaltungsvorschrift. Nach den Ausruhrungen im zweiten Kapitel können sie filr die hiesige Betrachtung trotz ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur beide gleichermaßen als exekutive Konkretisierungen der gesetzlichen Schutzanforderungen aufgefaßt werden81 • In § I der 22. BlmSchV werden filr vier bestimmte Schadstoffarten Immissionswerte festgesetzt, die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nicht überschritten werden dürfen 82• Dabei handelt es sich zwar nicht um speSiehe oben B I 1 a hh. Vgl. § 2 B II 2 b. 82 Die Anforderungen der 22. BlmSchV gehen auf verschiedene EG-Richtlinien (80/779 EWG, 82/884 EWG und 85/203 EWG) zurück. Sie waren zunächst durch die TA Luft umgesetzt worden. Nachdem jedoch der Europäische Gerichtshof festgestellt 80
BI
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
zifisch anlagenbezogene Werte. Gleichwohl wird damit aber § 3 Abs. 1 BimSchG (und folglich auch die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG) dahingehend konkretisiert, daß schädliche Umwelteinwirkungen jedenfalls dann vorliegen, wenn die Konzentration der aufgeführten Stoffe die genannten Grenzwerte überschreitet83 • Das gilt dann auch, wenn die Überschreitung dieser Immissionswerte durch den Betrieb einer bestimmten Anlage herbeigeführt wird. Auch die TA Luft enthält unter Ziffer 2.5.1 und 2.5.2 Immissionswerte für bestimmte Luftschadstoffe, wobei es sich im ersteren Fall um Grenzwerte, im letzteren um eine Art Richtwerte handelt. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß bei einer Überschreitung der Grenzwerte ohne weiteres vom Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen auszugehen ist, während eine Überschreitung der Richtwerte dies grundsätzlich nur indiziert und zu einer Sonderprüfung führt84 . In den Ziffern 2.2.1.1 und 2.2.1.2 TA Luft ist im einzelnen dargelegt, wie die Immissionswerte zum Schutz vor Gesundheitsgefahren und erheblichen Nachteilen bzw. Belästigungen einzuhalten sind85 • Die TA Luft enthält jedoch nicht nur Konkretisierungen in Form von Immissionswerten. So kann etwa für krebserzeugende Stoffe in der Regel keine Unbedenklichkeitsschwelle angegeben werden, da auch kleinste Immissionen hier bereits Schädigungen nach sich ziehen können 86. Deshalb wird das Schutzprinzip insoweit anders konkretisiert, als bereits die Emissionen dieser Stoffe grundsätzlich so weit wie möglich (unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) zu begrenzen sind und außerdem Emissionswerte für den Ausstoß bestimmter Substanzen und Ableitbedingungen für die Abgase aufgestellt werden 87• An dieser Stelle berühren sich Schutz- und Vorsorgeanforderungen88.
hatte, daß diese Umsetzung wegen der mangelnden Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften nicht ausreichend war (EuGH, NVwZ 1991, 866 u. 868), war eine Neuregelung in Form einer Rechtsverordnung erforderlich. 83 Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 8 vor der 22. BimSchV. 84 Vgl. Ziffer 2.2.1.1 Buchstabe a TA Luft. 85 Dabei sind geringfügige Abweichungen in bestimmten Grenzen tolerabel, vgl. z.B. Ziffern 2.2.1 .1 Buchstabe b und 2.2.1.2 Buchstaben b - d TA Luft. Zweifelnd zur Rechtmäßigkeit der Ziffer 2.2.1 .1 Buchstabe b der TA Luft Jarass, BimSchG, § 5 Rn. 25. 86 GK-Roßnagel, § 5 Rn. 363; OVG Münster, NVwZ 1993,386. 87 Ziffern 2.2.1.5 i.V.m. 2.3 und 2.4 TA Luft. 88 Vgl. Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 6 zu Ziffer 2.2.1.5 TA Luft; Feldhaus, NVwZ 1995, 962 (969); ähnlich GK-Roßnage/, § 5 Rn. 366, der wegen der vergleichbaren Struktur auch die Minimierungspflicht bezüglich hochtoxischer Stoffe (Ziffer 3.1.7 TA Luft) und die Maßnahmen gegen geruchsintensive Stoffe (Ziffer 3.1.9 TA Luft) als Konkretisierungen des Schutzprinzips ansieht (Rn. 361 f.).
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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Soweit schließlich keine Immissionswerte durch generelle Regelwerke festgelegt sind, hat die Behörde im Einzelfall eine Sonderprüfung nach Ziffer 2.2.1.3 TA Luft zu veranlassen, in deren Rahmen die Gefahrenträchtigkeit der zu erwartenden Einwirkungen beurteilt werden muß89• Gegebenenfalls muß also die Genehmigungsbehörde selbst darangehen, die Gefahren- bzw. Unbedenklichkeitsschwelle filr bestimmte Einwirkungen zu bestimmen. (b) Lärm Bezüglich der Lärmimmissionen werden Konkretisierungen des Schutzprinzips filr genehmigungsbedürftige Anlagen vor allem durch die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) vorgenommen. Dabei handelt es sich, wie bei der TA Luft, um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift90• So enthält Ziffer 2.321 TA Lärm Immissionsrichtwerte, die grundsätzlich die Grenzlinie zwischen erheblichen und nicht erheblichen Lärmeinwirkungen bestimmen und damit die Gefahrengrenze markieren 91 • An dieser Stelle wird der erweiterte Gefahrbegriff des Immissionsschutzrechts besonders deutlich: gerade bei Lärmeinwirkungen wird es sich oft nicht um "Gefahren'' im engeren Sinne sondern um bloße Belästigungen handeln, die aber, sofern sie erheblich sind, ebenso zu vermeiden sind wie "echte" Gefahren. Eine Überschreitung der Richtwerte indiziert also das Vorliegen einer schädlichen Umwelteinwirkung92 und ist deshalb im Genehmigungsverfahren auszuschließen93 (c) Sonstige schädliche Umwelteinwirkungen Für die sonstigen potentiell schädlichen Umwelteinwirkungen - Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen - existieren keine generellen Konkretisierungen vergleichbarer Art94 • Folglich haben die Ge89 Vgl. Ziffer 2.2.1.3 Abs. 2 Buchstabe b TA Luft; zusammen mit Buchstabe a enthält diese Vorschrift das vollständige "Doppelprogramm" der Prüfung aus Immissionsprognose und Wirkungsprognose. 90 Die TA Lärm stützt sich allerdings nicht auf § 48 BlmSchG, sondern wurde auf der Grundlage der Gewerbeordnung erlassen und gilt gemäß § 66 Abs. 2 BlmSchG weiter. Zur Frage einer Novellierung der TA Lärm vgl. Feldhaus in Koch, Schutz vor Lärm, S. 153 ff.; Kutscheidt, NWVBL 1994, 281 ff. 91 Bethge/Meurers, TA Lärm, B 2.321 Rn. 2; Feldhaus, BlmSchR, Anm. zu Ziffer 2.32 TA Lärm; a.A. ("auch vorsorgeorientiert") Schulze-Fielitz in Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil I, § 3 Rn. 96. 92 GK-Roßnagel, § 5 Rn. 393; ausfUhrlieh zur Konkretisierung des Begriffs "schädliche Umwelteinwirkung" durch die TA Lärm Koch in Koch, Schutz vor Lärm, S. 41 (52 ff.). 93 Ziffer 2.211 Buchstabe b TA Lärm. 94 Das gilt jedenfalls fllr die Ebene der verbindlichen Regelungen, d.h. Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Feldhaus, NVwZ 1995, 962 (969) weist allerdings darauf hin, daß es gerade auch in diesem Sektor Empfehlungen des Länderausschusses
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
nehmigungsbehörden insoweit im Einzelfall regelmäßig selbst zu beurteilen, welche Intensität diese Effekte haben müssen, um die in § 3 Abs. 1 BlmSchG vorausgesetzte Schädigungseignung aufzuweisen. (d) Sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen Schließlich muß die Genehmigungsbehörde auch konkretisieren, in welchen Fällen sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Beeinträchtigungen angenommen werden müssen. Im Rahmen des Normalbetriebs handelt es sich dabei insbesondere um Gewässer- und Bodenkontaminierungen sowie Ungeziefer- und Krankheitsverbreitung9s. Je nach den Umständen des Einzelfalles hat die Behörde dabei zu beurteilen, ob es sich nach Art und Ausmaß der zu erwartenden Erscheinungen um erhebliche Beeinträchtigungen handelt. (2) Vorsorgeprinzip Des weiteren sind die Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG anwendungstauglich zu konkretisieren. Anders als die Schutzmaßnahmen, die grundsätzlich vom Schutzgut her zu beurteilen sind und deswegen vornehmlich an Immissionswerte anknüpfen, sind die Vorsorgemaßnahmen primär quellenbezogen, setzen also an der Anlage selbst an. Insbesondere ist bereits in § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG die Emissionsbegrenzung durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen als wichtigste Vorsorgeanforderung genannt. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Konkretisierung darin festzulegen, welche Elnissionsbegrenzungsmaßnahmen nach dem Stand der Technik verlangt werden können. Die in standardisierenden Regelwerken festgelegten Emissionswerte konkretisieren dabei vornehmlich den unbestimmten Rechtsbegriff "Stand der Technik" in §§ 3 Abs. 6 und 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG, indem sie meistens Schadstoffkonzentrationen angeben, deren Überschreitung technisch vermeidbar ist96• (a) Luftverunreinigungen Für die praktisch wichtigsten potentiell schädlichen Umwelteinwirkungen, die Luftverunreinigungen, sind solche Emissionswerte in der 13. BimSchV (filr für Immissionsschutz (LAI) gibt, die die Behörden im Einzelfall als Hilfsmittel heranziehen können. Im Bereich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen schreibt jetzt die 26. BlmSchV Grenzwerte für elektromagnetische Feldstärken vor, dazu unten B li 2 b aa (1). 95 Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 35. 96 Vgl. Ziffer 3.1 Abs. 1 TA Luft. Freilich ist dabei immer im Hinterkopf zu behalten, daß es sich beim Stand der Technik um einen dynamischen Rechtsbegriff handelt, so daß die jeweilige Konkretisierung durch die nachfolgende technische Entwicklung überholt werden kann (dazu unten BI 2).
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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Großfeuerungsanlagenl7, in der 17. BlmSchV (filr Abfallverbrennungsanlagen)98, neuerdings in der 25. BlmSchV (filr bestimmte Anlagen der titanverarbeitenden Industrie)99, sowie abermals in der TA Luft 100 enthalten. Werden sie eingehalten, so kann davon ausgegangen werden, daß die erforderliche Vorsorge gegen schädliche Luftverunreinigungen jedenfalls im Hinblick auf die Emissionsbegrenzung getroffen ist. Allerdings ist auch die Konkretisierung des Vorsorgeprinzips nicht auf die Festsetzung von (Emissions-)Grenzwerten beschränkt. Vielmehr enthalten die genannten Regelwerke auch konkretisierende Vorschriften in Form technischer und organisatorischer Betriebsanforderungen (z. B. Ableitung von Abgasen, emissionsmindernde Transport- und Lagerungsvorschriften, technische Betriebsanforderungen etc. 101 ). Dabei handelt es sich um Konkretisierungen des Begriffs der "Vorsorge" in§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG. Einen Sonderfall betrifft schließlich Ziffer 2.2.1.4 Abs. 3 TA Luft. Darin ist angeordnet, daß in Gebieten mit niedriger Belastung ein bestimmter Immissionswert filr Schwefeldioxid aus Vorsorgegründen nicht überschritten werden soll. Diese Regelung läßt sich nur als Ausfluß der oben erläuterten "Freiraumthese"102 verstehen, indem damit weitgehend unbelastete Gebiete vorsorglich als solche erhalten werden sollen. Darüber hinaus gilt auch hier wieder, daß im Einzelfall weitergehende VorsorgernaBnahmen erforderlich sein können, zumal dann, wenn keine Emissionswerte angegeben sind. Die Behörden haben dann das Vorsorgeprinzip einzelfallspezifisch zu konkretisieren 103. §§ 3 ff. der 13. BlmSchV. §§ 4 Abs. 6 und 5 der 17. BlmSchV. 99 §§ 3, 4 der 25. BlmSchV. Diese Verordnung geht- wie die 22. BlmSchV- auf eine EG-Richtlinie zurück (92/112 EWG). 100 Vgl. Ziffern 3.1.3, 3. 1.4, 3. 1.5.5, 3. 1.6, 3. 1.7 TA Luft. 101 Vgl. z. B. §§ 29, 32 der 13. BlmSchV, §§ 3, 4, 6 der 17. BlmSchV, § 3 Abs. 2 Satz 2 der 25. BlmSchV, Ziffern 2.4, 3. 1.5, 3.1.8 TA Luft. Die Vorschriften zur Abgasableitung über Schornsteine (v. a. Ziffer 2.4 TA Luft) dienen zwar auch dazu, die ausgestoßenen Schadstoffe weiträumiger zu verteilen und damit vor allem die Nachbarschaft der emittierenden Anlage zu entlasten. Insoweit könnten sie auch als Ausfluß des Schutzprinzips angesehen werden. Daraus daß jedoch die Schornsteinhöhe unabhängig von der Immissionsvorbelastung und der Schutzwürdigkeit der Umgebung standardisiert ist, läßt sich schließen, daß es auf eine konkrete Gefährdung offenbar nicht ankommt, und deswegen nur eine Einordnung als Vorsorgemaßnahme in Betracht kommt. 102 Siehe oben A II 2 b. 103 Vgl. Ziffer 2.2.1.4 Abs. I Satz 2 TA Luft. Wo allerdings eine politische Abwägung von Risiken gefordert ist, kann eine einzelfallbezogene Konkretisierung der Vorsorge oftmals kaum geleistet werden. So betont etwa das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Heidelberger Fernheizwerk (BVerwGE 69, 37 (45)) den komplexen Charakter der Fragestellung, wie weit im Gefahrenvorfeld die Vorsorge an97 98
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
(b) Lärm Bezüglich der Lärmvorsorge konkretisiert Ziffer 2.211 Buchstabe a TA Lärm die erforderlichen Maßnahmen dahingehend, daß die dem Stand der Lärmbekämpfungstechnik entsprechenden Vorkehrungen in jedem Fall getroffen werden müssen, auch wenn im Einzelfall keine Überschreitung der Immissionsrichtwerte zu befiirchten ist. (c) Sonstige schädliche Umwelteinwirkungen Bezüglich der sonstigen potentiell schädlichen Umwelteinwirkungen sind Vorsorgeaspekte im allgemeinen von geringerer Bedeutung, da sich diese Effekte regelmäßig nicht akkumulieren und deshalb Ungewißheiten über Fernwirkungen und künftige Entwicklungen keine große Rolle spielen. (d) Vorsorge bei der Abfallbehandlung und der Wärmenutzung Bezüglich der besonderen Vorsorgeaspekte des § 5 Abs. I Nr. 3 und 4 BlmSchG existieren konkretisierende Maßgaben lediglich in den §§ 7 und 8 der 17. BlmSchV. Diese sind allerdings sehr allgemein gehalten, so daß die Genehmigungsbehörden im Einzelfall kaum umhin können, selbst eine Konkretisierung der Vermeidu~s-, Verwertungs-, Beseitigungs- und Nutzungsanforderungen vorzunehmen 1 . bb) Konkretisierung der Anforderungen im Hinblick aufStörfälle Des weiteren müssen die gesetzlichen Schutz- und Vorsorgeanforderungen unter dem Aspekt möglicher Störfälle konkretisiert werden. Als Störfall kann im Wege einer allgemeinen Definition eine Störung des bestimmungsgemäßen Anlagenbetriebs angesehen werden, durch die schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen hervorgerufen werden können 105. Die Gefahren liegen dabei vor allem in der Freisetzung schädlicher Stoffe in die Luft sowie in Brand- und Explosionsauswirkungen106. Da es sich bei Störfällen immer um Situationen mit beträchtsetzen soll, und resümiert: "Das läßt sich wegen der Natur der dahinterstehenden Problematik nicht in unmittelbarer Anwendung des § 5 Nr. 2 auf einen juristischen Einzelfall entscheiden." 104 Dabei können sie sich allerdings auf eine Vielzahl von Musterverwaltungsvorschriften des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) orientieren, die entsprechende Vorschläge enthalten. 105 Die Definition des Störfalls in § 2 Abs. I der 12. BlmSchV ist insoweit enger, als sie sich auf die Hervorrufung "ernster" Gefahren durch die Freisetzung bestimmter Schadstoffe bezieht. 106 Damit ist die Störfallsicherheit nicht nur auf den Schutz vor "sonstigen Gefahren" etc. in§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG beschränkt. Zwar ist die Verhütung von Bränden und
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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lieber Unsicherheit handelt (es ist nie gewiß, wann und unter welchen Umständen ein Störfall eintreten kann), ist die Abgrenzung zwischen Schutz- und Vorsorgeprinzip hier noch vager als in anderen Fällen. Aus diesem Grunde findet die Konkretisierung in erster Linie durch die Präzisierung bestimmter Betriebsvorkehrungen statt, die als Maßnahmen sowohl des Schutzes wie auch der Vorsorge erscheinen können. Die wichtigsten Konkretisierungen in diesem Bereich enthält die I2. BimSchV, die allerdings nur fUr solche genehmigungsbedürftigen Anlagen gilt, in denen besonders gefährliche Stoffe existieren oder entstehen können 107• Für diese Anlagen werden die allgemeinen gesetzlichen Betreiberpflichten des § 5 Abs. I Nr. I und 2 BlmSchG durch die Umschreibung störfallbezogener Sicherheitspflichten präzisiert 108 und die erforderlichen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen benannt 109. Diese Anforderungen sind nicht abschließend, so daß die Genehmigungsbehörde im Einzelfall weitergehende Maßnahmen verlangen kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs der I2. BimSchV sind störfallbezogene Konkretisierungen in generellen Regelwerken des Immissionsschutzrechts rar. Allenfalls die Bestimmungen des§ 3 Abs. 2 u. 4 der I7. BimSchV zur Feuerund Explosionssicherheit lassen sich als solche begreifen. Im übrigen hat die zuständige Genehmigungsbehörde die Erfordernisse der Störfallsicherheit und -vorsorge im Einzelfall zu konkretisieren, wobei allerdings inhaltlich vielfach auf die Maßgaben der I2. BimSchV zurückgegriffen werden kann. cc) Konkretisierung sonstiger Genehmigungserfordernisse
Da die Genehmigungserteilung nicht nur die Übereinstimmung der geplanten Anlage mit den immissionsschutzrechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers voraussetzt, sondern darüber hinaus nach § 6 Abs. I Nr. 2 BimSchG auch die Einhaltung der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und der Belange des Arbeitsschutzes erforderlich ist, muß die Genehmigungsbehörde auch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen dieser Rechtsgebiete (also etwa des Baurechts, des Naturschutzrechts oder des Wasserrechts) anwendungstauglich
Explosionen regelmäßiger Bestandteil störfallbezogener Schutzmaßnahmen, sofern dadurch jedoch schädliche Umwelteinwirkungen freigesetzt werden, fallen diese Maßnahmen schon unter die erste Alternative des Schutzprinzips. 107 Vgl. § I Abs. I der 12. BlmSchV. 108 § 3 der 12. BlmSchV. 109 §§ 4 und 5 der 12. BlmSchV; bei den ergänzenden Anforderungen des§ 6 handelt es sich im wesentlichen um Überwachungserfordernisse, die erst im Rahmen der Befolgungskontrolle eine Rolle spielen.
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konkretisieren. Im Rahmen der immissionsschutzbezogenen Untersuchung sollen diese anderweitigen Anforderungen hier jedoch außer Betracht bleiben. dd) Zusammenfassung
Die Konkretisierung der gesetzlichen Schutz- und Vorsorgemaßgaben erfolgt also filr das Genehmigungsverfahren zunächst dadurch, daß die Genehmigungsbehörde festzustellen hat, welche standardisierenden Anforderungen an den Anlagenbetrieb in generellen Regelwerken der Exekutive enthalten sind. Es handelt sich dabei insbesondere um die 12., 13., 17. und 25. BimSchV, um die Immissionswerte der 22. BlmSchV sowie um die Technischen Anleitungen Luft und Lärm. Die Konkretisierung in diesen Normwerken erfolgt bezüglich des Schutzprinzips vor allem in der Konstituierung von Immissionswerten und Immissionsrichtwerten, bezüglich des Vorsorgeprinzips vornehmlich durch die Aufstellung von Emissionswerten und Emissionsgrenzwerten. Diese Standards konkretisieren im ersteren Fall den Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" aus § 3 Abs. 1 BimSchG und damit die Gefahrengrenze, im letzteren Fall den Begriff des "Standes der Technik" aus § 3 Abs. 6 BimSchG bezüglich der Emissionsbegrenzung. Daneben existieren filr beide Bereiche technische und organisatorische Betriebsanforderungen, die unmittelbar die Betreiberptlichten des § 5 Abs. I BlmSchG präzisieren. Liegen im Anwendungsfall keine Grenzwerte oder sonstige generalisierende Konkretisierungen vor, so hat die Genehmigungsbehörde - soweit möglich - eine einzelfallbezogene Konkretisierung der Schutz- und Vorsorgeanforderungen vorzunehmen, etwa durch eine Sonderprüfung nach Ziffer 2.2.1.3 TA Luft oder durch anderweitige Festlegungen. c) Subsumtion und Entscheidung Ist der Sachverhalt ermittelt und sind die zur praktischen Anwendbarkeit nötigen Konkretisierungen der gesetzlichen Anforderungen anband der generellen Regelwerke sowie einzelner Konkretisierungen durch die Genehmigungsbehörde selbst geleistet, so kann als nächster Schritt die Subsumtion und Entscheidung durch die Behörde erfolgen. aa) Subsumtion
Angesichts der bereits erfolgten Vorarbeiten bleibt filr die Subsumtion im wesentlichen der schlichte Vergleich zwischen dem ermittelten Sachverhalt und den in der einen oder anderen Weise konkretisierten gesetzlichen Anforderungen übrig. Das bedeutet insbesondere, daß die im Wege der Immissionsprognose errechneten Immissionswerte daraufhin untersucht werden, ob sie die stan-
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dardisierten oder filr den Einzelfall bestimmten (Grenz-)Werte überschreiten. Entsprechendes gilt filr die zu erwartenden Emissionen im Hinblick auf die Emissions(~grenz-)werte. Außerdem sind die technischen und sonstigen betrieblichen Angaben des Anlagehetreibers mit den einschlägigen Verhaltensanforderungen zu vergleichen, wie sie wiederum durch implementierende Vorschriften oder Einzelfallkonkretisierung der Behörde filr nötig erachtet werden. Solchermaßen ist der ermittelte Ist-Sachverhalt (genauer gesagt: der zukünftige Ist-Sachverhalt) in vollem Umfang mit den vom Gesetzgeber gestellten SollAnforderungen, so wie sie auf den Einzelfall hin konkretisiert wurden, zu vergleichen. bb) Entscheidung: Erteilung oder Versagung der Genehmigung
Die Entscheidung der Behörde hängt vom Ergebnis dieses Vergleichs ab, und ist durch die Vorschrift des § 6 Abs. 1 BlmSchG programmiert. Ergibt der Vergleich, daß bei Inbetriebnahme der Anlage alle maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen erfilllt sind, sich der legislativ vorgegebene Soll-Zustand und der durch den Anlagenbetrieb hervorgerufene Ist-Zustand also decken, so bedarf es keiner weiteren Maßnahmen seitens der Vollzugsbehörde. Folglich ist die Genehmigung zu erteilen 110• Stellt sich hingegen anläßtich des Vergleichs heraus, daß die Inbetriebnahme der Anlage zu Verhältnissen fUhrt, die den gesetzlichen Soll-Vorstellungen nicht entsprechen, so entsteht ein Vollzugsbedarf dahingehend, daß die Behörde die Entstehung dieses gesetzwidrigen Ist-Zustands verhindern muß. Da der Anlagehetreiber auf die Genehmigung angewiesen ist, genügt ein rein negatives Verhalten der Behörde, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen. Somit ist die Entscheidung zur Nichterteilung der Genehmigung programmiert. Allerdings gibt es insoweit noch eine "Zwischenlösung": Widerspricht der geplante Anlagenbetrieb den gesetzlichen Anforderungen nur in einzelnen Punkten, in denen durch zusätzliche Maßnahmen Abhilfe möglich erscheint, so kann die Genehmigung gemäߧ 12 Abs. l BimSchG unter denjenigen Bedingungen und Auflagen erteilt werden, die erforderlich sind, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Aufgrund dieser Nebenbestimmungen kann dann nämlich davon ausgegangen werden, daß ihre Erfilllung den Anlagenbetrieb dergestalt modifiziert, daß er sich in Kongruenz zu den legislativen Maßgaben abspielt. 110 Die Genehmigung ist insoweit nicht als Vollzugsentscheidung im ganz strengen Sinne anzusehen, da sie keine Veränderungen in Richtung auf einen gesetzmäßigen Zustand hin bewirken soll. Sie ist vielmehr eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" des Inhalts, daß sie die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bestätigt.
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d) Durchsetzung der Entscheidung Die Genehmigungserteilung gibt dem Anlagehetreiber lediglich den Weg frei und bedarf als "Nicht-Vollzugsentscheidung" keiner weiteren Umsetzung. Auch die Nichterteilung der Genehmigung hat unmittelbare rechtliche Wirkung, da Errichtung und Betrieb der Anlage dann ohne weiteres rechtswidrig sind. Durchsetzungsbedarf entsteht allerdings in dem Moment, wenn der Anlagehetreiber trotznicht erteilter Genehmigung sein Projekt in die Tat umsetzt. In dieser Situation muß die Vollzugsbehörde aktiv eingreifen. Zu diesem Zweck soll sie die Stillegung oder Beseitigung der Anlage nach § 20 Abs. 2 BlmSchG anordnen; diese Maßnahmen können notfalls mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden. 2. Befolgungskontrolle: Behördlicher Gesetzesvollzug durch Anlagenüberwachung
Ist die Eröffnungskontrolle abgeschlossen und die Genehmigung erteilt, so kann die Anlage errichtet und in Betrieb genommen werden. Ist dies geschehen, so besteht aus Vollzugsgesichtspunkten regelmäßig ein Bedürfnis nach einer kontinuierlichen Kontrolle. Dem liegen zwei Erwägungen zugrunde, die an die obige Unterscheidung zwischen Ist- und Soll-Zustand anknüpfen: Zum einen muß hin und wieder geprüft werden, ob die tatsächlichen Umstände noch dieselben sind, wie sie in der Genehmigung zugrundegelegt worden waren. Abweichungen beim Anlagenbetrieb können auf Vorsatz, Nachlässigkeit, technische Mängel, schlichten Materialverschleiß oder sonstige unvorhergesehene Umstände zurückzufUhren sein 111 • Jedenfalls muß dabei untersucht werden, ob die in der Genehmigung festgeschriebenen Immissions- und Emissionsbegrenzungen noch eingehalten werden, ob die technischen Sicherheitsanforderungen noch gewahrt sind und ob die sonstigen geforderten Schutz- und Vorsorgemaßnahmen durchgefiihrt werden. Darüber hinaus können tatsächliche Veränderungen in der Umgebung der Anlage eingetreten sein, die einen Einfluß auf die rechtliche Bewertung haben mögen. Zum anderen muß aber auch festgestellt werden, ob sich die gesetzlichen Anforderungen ihrerseits zwischenzeitlich geändert haben oder ob sie in ande111 Einen Sonderfall in dieser Hinsicht stellen beabsichtigte Änderungen des Anlagenbetriebes dar, die im Falle ihrer Realisierung zu Änderungen auf der Ist-Seite fUhren. Dasgesetzgeberische System der §§ I5, I6 BimSchG fUhrt hier zu einer Zweiteilung der behördlichen Vollzugstätigkeit Soweit die Änderungen "wesentlich" im Sinne des§ 16 Abs. I Satz I BimSchG sind, unterliegen sie einem eigenen Genehmigungserfordemis, so daß eine erneute Eröffnungskontrolle eingreift (siehe dazu oben B I 1). Alle übrigen, d. h. "einfachen" Änderungen bleiben unter der Befolgungskontrolle.
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rer Weise zu konkretisieren sind. Da es sich bei den Grundpflichten des § 5 Abs. I BlmSchG um "dynamische" Pflichten handelt, deren Umfang sich dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik anpaßt, ist es möglich, daß mit dem Aufkommen neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse auch die Schutz- und Vorsorgekriterien anders zu konkretisieren sind. So kann sich etwa aufgrund neuerer Forschungen herausstellen, daß ein bislang fiir ausreichend erachteter Immissions(-grenz-)wert fiir einen bestimmten Schadstoff tatsächlich oberhalb der Gefahrengrenze liegt, schädliche Umwelteinwirkungen also bei seiner Einhaltung nicht ausgeschlossen sind. Andererseits kann beispielsweise durch modernisierte technische Verfahren eventuell eine effektivere Abgasreinigung erfolgen, die zu einer weitergehenden Möglichkeit der Emissionsminderung nach dem Stand der Technik fiihrt. Nach alledem hat während der gesamten Dauer des Anlagebetriebs eine gelegentliche Kontrolle durch die Vollzugsbehörde stattzufinden, bei der die andauernde Übereinstimmung des Betriebs mit den gesetzgeberischen Vorgaben zu überprüfen ist und im Falle einer Abweichung Vollzugsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um einen gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen. Auch diese Befolgungskontrolle folgt prinzipiell dem bereits bekannten Vollzugsmodell: a) Sachverhaltsermittlung Die Ermittlung des Sachverhalts als Ist-Zustand erstreckt sich grundsätzlich auf dieselben Kriterien, die bei der Genehmigungserteilung von immissionsschutzrechtlicher Relevanz waren. Das beinhaltet insbesondere Feststellungen über die von der Anlage ausgehenden Emissionen und die dadurch in der Umgebung verursachten Immissionen, ferner Informationen zum Betriebsverfahren und den dabei verwendeten Stoffen. Außerdem sind die technischen und organisatorischen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen des Betriebs in Erfahrung zu bringen. Informationen über relevante Veränderungen im Einwirkungsbereich der Anlage (z. B. Planungs- und Nutzungsänderungen, meteorologische Verschiebungen usw.) sind ebenfalls ins Kalkül zu ziehen. Anders als im Genehmigungsverfahren geht bei der Befolgungskontrolle die Initiative nicht vom Anlagenbetreiber aus, so daß sich die Vollzugsbehörde auch nicht in erster Linie an die von diesem vorgelegten Unterlagen halten kann. Aus diesem Grund ist die Ermittlung des Sachverhalts bei der nachträglichen Kontrolle grundsätzlich und in weiterem Umfang Aufgabe der Behörde im Rahmen der Amtsermittlung gemäß § 24 Abs. I VwVfG 112• Hierzu hat sie 112 Diese Ermittlungen sind der Behörde im Gegensatz zum Genehmigungsverfahren auch praktisch möglich, da die Anlage mit ihren Auswirkungen dann schon real existiert
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vor allem die Ermittlungsbefugnisse des § 52 Abs. 2, 3 und 6 BlmSchG und kann auf dieser Grundlage Prüfungen anstellen, Messungen vornehmen und Unterlagen einsehen 113 • b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen Auch die Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen folgt im wesentlichen den gleichen Grundsätzen wie im Genehmigungsverfahren. Das Hauptaugenmerk der Kontrollbehörde wird dabei auf den Änderungen liegen, die sich im Zuge der wissenschaftlichen und technischen Fortentwicklung seit der Genehmigungserteilung bzw. seit der letzten Befolgungskontrolle ergeben haben. Dies kann dazu führen, daß zur Konkretisierung geänderte generelle Vorschriften der Exekutive heranzuziehen sind oder daß die Einzelfallkonkretisierung durch die Behörde selbst im Lichte neuerer Erkenntnisse anders ausfällt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß Altanlagen verschiedentlich aus Gründen des Bestandsschutzes weniger scharfen Anforderungen unterliegen 114• Für sie daher mitunter besondere Sanierungsvorschriften, in denen insbesondere das Vorsorgeprinzip abweichend von der gewöhnlichen Standardisierung konkretisiert wird. c) Subsumtion und Entscheidung Ergibt sich im Rahmen der Befolgungskontrolle, daß der Anlagebetrieb sich nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen befindet, so besteht zunächst einmal Vollzugsbedarf. Die Vollzugsbehörde hat also zu entscheiden, ob und wie sie eine Einhaltung der gesetzgeberischen Maßgaben erreichen kann. Abweichend von der Entscheidung Uber die Genehmigungserteilung, hat sie dabei allerdings regelmäßig Ermessen, so daß das strikte Konditionalmodell des Vollzugs hier mit "sekundären Elastizitäten" durchsetzt ist. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz stellt dabei verschiedene Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung. und nicht nur eine bloße Planung des Setreibers darstellt. Anders ist es nur im Bereich der "einfachen", d. h. nicht wesentlichen Änderungen der Anlage, wo dann aber folgerichtig wiederum der Setreiber erhöhte Mitwirkungspflichten hat. Siehe dazu unten § 8 Al. 113 Da hier im Moment nur der behördliche Vollzug dargestellt werden soll, bleiben die weitergehenden Möglichkeiten, Messungen und Prüfungen auf Veranlassung der Behörde oder des Setreibers durch Beauftragte und Sachverständige vornehmen zu lassen, außer Betracht. Eine ausführliche Darstellung dieser Möglichkeiten folgt unten in § SB. 114 Vgl. z. B. die besonderen Emissionsgrenzwerte ftir Altanlagen in den §§ 17 ff. der 13. BlmSchV sowie die Übergangsregelung in§ 17 der 17. BlmSchV.
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aa) Nachträgliche Anordnungen
Zunächst besteht die Möglichkeit, nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 BlmSchG zu treffen. Das betrifft insbesondere die Situation, daß die Abweichung des Anlagebetriebs vom gesetzlichen Soll-Zustand nur in einzelnen Punkten besteht und durch verhältnismäßige 115 Korrekturmaßnahmen behoben werden kann. Die Behörde kann dann in den Grenzen des § I7 BlmSchG geeignete Maßnahmen anordnen und gegebenenfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchsetzen 116• bb) Betriebsuntersagung, Sti/legung und Beseitigung
Beruht die mangelnde Gesetzeskonformität des Anlagenbetriebs auf einzelnen Abweichungen, und kommt der Anlagenbelreiber einer auf Behebung dieser Abweichungen gerichteten Auflage, Anordnung oder abschließend bestimmten Setreiberpflicht nicht nach, so kann die Behörde nach § 20 Abs. I BlmSchG die vorläufige Betriebsuntersagung anordnen und notfalls zwangsweise durchsetzen. Hierdurch wird der Gesetzesvollzug insoweit sichergestellt, als zunächst einmal der partiell gesetzwidrige Anlagenbetrieb vollständig unterbunden wird (es deswegen auch nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen kommen kann), und nur nach Anpassung an die gesetzgeberischen Vorstellungen wiederaufgenommen werden darf. cc) Aufhebung der Genehmigung
Unter bestimmten, engen Voraussetzungen kann die Behörde die Genehmigung gemäß § 21 Abs. 1 BlmSchG widerrufen. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Inkongruenz zwischen Anlagenbetrieb und gesetzlichem Soll-Zustand darauf beruht, daß der Setreiber eine vollzugsrelevante Auflage nicht erftlllt (§ 21 Abs. I Nr. 2 BlmSchG) 117 oder daß nachträgliche Sach- oder Rechtsänderungen eingetreten sind(§ 2I Abs. I Nr. 3 und 4 BlmSchG).
115 Die Begrenzung der nachträglichen Anforderungen auf verhältnismäßige Maßnahmen ergibt sich aus § 17 Abs. 2 BlmSchG. 116 Für die Altanlagensanierung enthält die TA Luft in ihren Ziffern 4.1 und 4.2 konkretisierende Erläuterungen zu § 17 BlmSchG, die insbesondere bei der Ausübung des behördlichen Ermessens eine Rolle spielen. 117 Insoweit besteht fiir die Vollzugsbehörde praktisch ein Wahlrecht, ob sie die Auflage im Wege des Verwaltungszwangs durchsetzen will, die vorläufige Betriebsuntersagung nach § 20 Abs. 1 BlmSchG anordnet oder die Genehmigung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG widerruft. Die Ermessensentscheidung hierüber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
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Die Rücknahme einer rechtswidrig erteilten Genehmigung richtet sich nicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, sondern nach den allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder (regelmäßig die dem § 48 VwVfG entsprechende Regelung). Eine Rücknahme kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Anlage und ihre Auswirkungen bereits bei Erteilung der Genehmigung nicht im Einklang mit den gesetzgeberischen Vorstellungen standen, sei es, daß die relevanten Tatsachen unrichtig ermittelt wurden, sei es, daß die gesetzlichen Vorschriften unzutreffend konkretisiert wurden. In beiden Fällen hat die Aufhebung der Genehmigung filr sich genommen noch keinen vollzugsrelevanten Effekt. Die Behörde kann jedoch dann einen gesetzeskonformen Zustand dadurch herbeifilhren, daß sie die Stillegong des Anlagenbetriebs nach § 20 Abs. 2 BimSchG verfilgt und gegebenenfalls zwangsweise durchsetzt. Dadurch werden - wie bei der vorläufigen Untersagung - schädliche Umwelteinwirkungen durch Unterbindung des immissionsträchtigen Betriebs insgesamt verhindert. II. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen
Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind im Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht weiter definiert. In negativer Abgrenzung handelt es sich dabei also um alle Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BimSchG, welche nicht in dem Katalog der 4. BimSchV genannt werden. Eine Anlage, die nicht von den §§ 4 ff. BlmSchG erfaßt wird, fällt also jedenfalls unter die Geltung der §§ 22 ff. BimSchG 118• Auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kann für den behördlichen Gesetzesvollzug grundsätzlich danach unterschieden werden, ob sie einer Eröffnungskontrolle oder einer Befolgungskontrolle unterliegen. 1. Eröffnungskontrolle
Der Anwendungsbereich für eine behördliche Eröffnungskontrolle ist allerdings in diesem Fall sehr beschränkt. Da bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gerade das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis fehlt, findet eine solche Eröffnungskontrolle grundsätzlich nicht statt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß bei diesen Anlagen das Gefährdungspotential wesentlich geringer ist als bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen und 118 Eine beispielhafte Aufzählung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gibt z. B. Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 8 f.
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deshalb eine umfassende Prüfung der Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorstellungen nicht in jedem Einzelfall geboten ist. Allerdings ist eine vorgeschaltete Kontrolle dadurch noch nicht definitiv ausgeschlossen. a) Eröffnungskontrolle aufgrund nicht-immissionsschutzrechtlicher Vorschriften Zum einen ist zu beachten, daß immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gleichwohl einem Genehmigungserfordernis nach anderen Vorschriften unterliegen können. Soweit der Prüfungsmaßstab dieser anderweitigen Genehmigung auch das materielle Immissionsschutzrecht umfaßt, fmdet die Eröffnungskontrolle dann als Teil des anderen Genehmigungsverfahrens statt 119• Hauptanwendungsfall dafür ist die baurechtliche Prüfung, bei der immissionsschutzrelevante Aspekte in die Prüfung der Baugenehmigungsvoraussetzungen einfließen 120• Da es sich aufgrund der "Ankoppelung" an ein anderes Verfahren dabei aber nicht mehr um spezifisch immissionsschutzrechtliche Gesetzesvollzugsstrukturen handelt, werden diese Konstellationen für die vorliegende Untersuchung nicht eingehender behandelt. b) Die Baumusterprüfung für Baumaschinen nach der 15. BlmSchV Keine eigentliche Eröffnungskontrolle, aber doch ein staatliches Sonderinstitut zur vorgeschalteten Vollzugssicherung stellt die EWG-Baumusterprüfung für Baumaschinen nach § 4 der 15. BimSchV dar. Nach § 2 Nr. 2 der 15. BimSchV dürfen Baumaschinen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn zuvor die Einhaltung der Lärmschutzanforderungen durch eine entsprechende Überprüfung des Maschinentyps gewährleistet wurde. Dabei handelt es sich um eine Typengenehmigung, wie sie vor allem auch aus dem technischen Sicherheitsrecht bekannt ise 21 ; von der rechtlichen Konstruktion her stellt dieses Erfordernis einer Bauartzulassung, ebenso wie das Erfordernis der Anlagengenehmigung nach § 4 Abs. I Satz I BimSchG, ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar 122• Im Unterschied zur Anlagengenehmigung nach den §§ 4 ff. BlmSchG setzt die staatliche Prüfung der Übereinstimmung der Anlage mit den gesetzlichen Vorschriften jedoch nicht bei der Errichtung bzw. Inbetriebnahme an, sondern im Zeitpunkt des Inverkehrbringens, und das Geneh119
Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 45.
°Kutscheidt, NVwZ 1983,65 (71).
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121 Vgl. insbesondere§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a GSG und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen. 122 Rede/cer, GewArch 1971, 244 (245); vgl. auch Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 1 zu § 33 BlmSchG.
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migungsverfahren hat auch nicht die einzelne Anlage zum Gegenstand, sondern ein bestimmtes SerienmodelL Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß es sich bei diesen Maschinen um Anlagen handelt, die verhältnismäßig einfach konstruiert sind und in großer Zahl produziert werden können, so daß eine auf jedes Einzelstück bezogene Kontrolle bald an ihre Grenzen stieße. Die Zielrichtung der Bauartenzulassung ist aber die gleiche wie beim speziellen Genehmigungserfordernis: es soll die Übereinstimmung der Anlage mit den gesetzlichen Schutz- und Vorsorgeanforderungen staatlicherseits überprüft werden, bevor durch die Inbetriebnahme der Anlage die konkret immissionsträchtige Situation eintritt. Aus diesem Grund kann die Baumusterprüfung als eine Art partieller123 und generalisierender Eröffnungskontrolle angesehen werden. Das Verfahren bei der Baumusterprüfung folgt gemäߧ 3 Abs. I und 3 der 15. BimSchV im wesentlichen den Maßgaben der Richtlinie 84/532/EWG. Daraus ergeben sich auch die Umstände, die bei der Prüfung zu ermitteln sind, also die sachliche Informationsgrundlage. Die materiellen Lärmschutzanforderungen werden dabei durch§ 3 der 15. BimSchV unter Verweis aufverschiedene europarechtliche Richtlinien in Form von Schalleistungspegeln konkretisiert. Die Emissionswerte des jeweils zu überprüfenden Serienmodells müssen dann im Rahmen der Baumusterprüfung mit diesen standardisierten Werten verglichen werden. Im Falle der Einhaltung kann dann die Baumusterprüfbescheinigung nach§ 4 Abs. 3 Satz 2 der 15. BimSchV ausstellt werden, im Falle der Überschreitung ist sie zu verweigern 124• c) Sonstige Fälle Durch Rechtsverordnungen ist schließlich fUr verschiedene Anlagen vor der Inbetriebnahme eine Anzeigepflicht des Setreibers gegenüber der Immissionsschutzbehörde konstituiert worden 125• Dabei handelt es sich jedoch nicht um Sie bezieht sich nur auf den Lärmschutz (vgl. § 3 der 15. BlmSchV). Auch hier bleibt zunächst unberücksichtigt, daß die Prüfungen nach § 4 Abs. I und Abs. 3 der 15. BlmSchV regelmäßig zunächst von behördenexternen "zuständigen Stellen" vorgenommen werden (dazu unten§ 9 A). Daß es sich bei der Baumusterprüfung gleichwohl um eine prinzipiell staatliche Aufgabe handelt, ergibt sich schon aus den verbleibenden behördlichen (Auffang-)Kompetenzen nach§ 4 Abs. 4, 5 Satz 2 und 6 der 15. BlmSchV. 125 Es handelt sich dabei um Anlagen, in denen leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe verwendet werden (Anzeigepflicht nach § 12 Abs. I der 2. BlmSchV) sowie um Kraftstoflbetankungsanlagen einschließlich Tankstellen (Anzeigepflicht nach § 7 Abs. I der 20. BlmSchV bzw. nach§ 6 Abs. I der 21. BlmSchV). In jüngster Zeit sind Sendefunk-und Elektrizitätsanlagen (Hoch- und Niederfrequenzanlagen, Anzeigepflicht nach § 7 der 26. BlmSchV) und Krematorien (Anzeigepflicht nach § 6 der 27. 123
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Fälle einer Eröffuungskontrolle. Die Anzeige fUhrt nämlich nicht automatisch zu einer behördlichen Überprüfung, ob die Anlage den gesetzlichen Maßgaben entspricht, und die Inbetriebnahme der Anlage ist auch unabhängig von einer derartigen Überprüfung zulässig. Die Anzeige dient vielmehr der Behörde dazu, möglichst frühzeitig eine ausreichende Informationsgrundlage fiir die Befolgungskontrolle zu erhalten. Deswegen ist die Anzeigepflicht dort im Zusammenhang zu behandeln 126 •
2. Befolgungskontrolle Mangels einer durchgängigen Eröffuungskontrolle liegt das Schwergewicht des behördlichen Gesetzesvollzugs folgerichtig auf der nachträglichen und kontinuierlichen Befolgungskontrolle. Diese folgt in groben Zügen wiederum dem bekannten Vollzugsmodell. a) Sachverhaltsermittlung Im Gegensatz zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen, bei denen sich die Hauptgegenstände der behördlichen Sachverhaltsermittlung bereits im Rückschluß aus den erforderlichen Angaben und Unterlagen zum Genehmigungsantrag entnehmen lassen, liegt der Umfang der Informationsbeschaffung bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht in gleicher Weise fest. Er ergibt sich jedoch aus der Überlegung, daß auch hier der Gesetzesvollzug darauf gerichtet sein muß, Schutz und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sicherzustellen. Dementsprechend muß die behördliche Sachverhaltsermittlung wiederum darauf gerichtet sein, die von der Anlage ausgehenden Emissionen und die dadurch verursachten Immissionen in ihrer Umgebung festzustellen sowie die technischen und betriebsbezogenen Umstände innerhalb und außerhalb der Anlage in Erfahrung zu bringen, die dafilr von Bedeutung sein können. Grundlage der behördlichen Informationsbeschaffung sind insoweit wiederum die Überwachungsbefugnisse des § 52 Abs. 2, 3 und 6 BlmSchG. Sie gelten fiir nicht genehmigungsbedürftige Anlagen grundsätzlich in gleicher Weise wie filr genehmigungsbedürftige Anlagen; lediglich in der Kostentragungsregel des § 52 Abs. 4 Satz 3 BlmSchG findet sich eine Besserstellung zugunsten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, da diese die Kosten von Überwachungsmaßnahmen nur tragen müssen, wenn sich bei der BefolgungsBlmSchV) hinzugekommen. Die Begründung der Anzeigepflicht stützt sich jeweils auf § 23 Abs. I Nr. 4 BlmSchG. 126 Siehe unten § 9 B I.
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kontrolle tatsächlich Vollzugsbedarf herausstellt. Ansonsten aber ergeben sich hinsichtlich der behördlichen Sachverhaltsermittlung keine Besonderheiten. b) Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen Ebenso wie bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen muß die Vollzugsbehörde dann die gesetzlichen Anforderungen nach dem Schutz- und dem Vorsorgeprinzip konkretisieren, um hernach feststellen zu können, ob die zu überprüfende Anlage diesen Maßgaben entspricht. Dabei kann diese Konkretisierung wiederum anband von generalisierenden Regelwerken der Exekutive oder aber durch Einzelfallkonkretisierung der unmittelbar handelnden Vollzugsbehörde erfolgen.
aa) Rechtsverordnungen Zunächst kann eine Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen durch Rechtsverordnungen erfolgen. Hierbei gibt es jedoch bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen bezüglich der materiellen Anforderungen zwei signifikante Abweichungen gegenüber den genehmigungsbedürftigen Anlagen: Zum einen enthält die Vorschrift des § 22 BlmSchG, anders als § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG, keine eigenständige Setreiberpflicht zur Vorsorge 127• Die Formulierung von Vorsorgeanforderungen durch Rechtsverordnungen nach § 23 Abs. 1 BlmSchG wirkt also nicht nur konkretisierend, sondern konstitutiv. Und in gleicher Weise können in Rechtsverordnungen nach § 23 Abs. 1 BlmSchG auch Schutzanforderun~en gestellt werden, die über diejenigen des § 22 Abs. 1 BlmSchG hinausgehen 28• Für die solchermaßen festgelegten Anforderungen ergibt dies freilich kaum einen Unterschied. Zu beachten ist jedoch, daß es über diese Anforderungen hinaus zwar keine weiteren Vorsorgeverpflichtungen, wohl aber weitergehende Schutzverpflichtungen direkt aus § 22 Abs. 1 BlmSchG geben kann. Verordnungsrechtliche Anforderungen sind mithin tatbestandlieh von den Setreiberpflichten des § 22 BlmSchG abgekoppelt und können insoweit nur bedingt als deren Konkretisierung angesehen werden. Der zweite Unterschied zu der Maßstabskonkretisierung bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen ist der, daß Schutz- und Vorsorgeanforderungen bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ungleich schwieriger zu diffe127 So jedenfalls die h. M., vgl. Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 19; Feldhaus, BlmSchR, Anm. 4 u. 7 zu § 22 BlmSchG; OVG Lüneburg, DVBI 1994, 298; zusammenfassend zum Streitstand GK-Roßnagel, § 22 Rn. 127 ff. 128 Vgl. insoweit auch die Öffnungsklausel des§ 22 Abs. 2 BlmSchG.
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renzieren sind. Das ergibt sich vor allem daraus, daß das Schutzprinzip nach § 22 Abs. 1 Nr. I BimSchG primär darin besteht, schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe des Standes der Technik zu vermeiden, nicht aber sie notwendigerweise völlig auszuschließen. Die Reichweite des Schutzprinzips ist somit an den Stand der Technik gekoppelt 129, und der Stand der Technik ist ebenfalls limitierendes Element der Vorsorgepflicht Das geht zwar aus § 23 Abs. 1 BimSchG, wiederum im Gegensatz zu § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG, nicht ausdrücklich hervor, ergibt sich jedoch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Da nun beide, Schutz- und Vorsorgeprinzip, gleichermaßen an den Stand der Technik anknüpfen, ist es im Einzelfall, speziell bei der Festlegung von emissionsmindernden Anforderungen, oft nicht ohne weitere möglich, diese Konkretisierung als "technisch machbare Emissionsbegrenzung" dem einen oder dem anderen Prinzip zuzuordnen 130. Aufgrund dieser Umstände wird hier auf eine genauere Differenzierung zwischen Schutz- und Vorsorgekonkretisierungen verzichtet und stattdessen ein kursorischer Überblick über die untergesetzlichen Maßgaben vermittelt 131 • Im einzelnen werden die Schutz- und Vorsorgeanforderungen danach wie folgt konkretisiert: ( 1) Immissionswerte Immissionswerte enthalten § 1 der 22. BimSchV für verschiedene Luftschadstoffe und § 2 der 18. BlmSchV filr Geräuschimmissionen von Sportan129 Das gilt allerdings, wie sich aus § 25 Abs. 2 BimSchG ergibt, dann nicht, wenn die Immissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährden; in diesen Fällen gebietet das Schutzprinzip - wie bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen - eine unbedingte Abwehr dieser Gefahren. 13° Feldhaus, BimSchR, Anm. 7 zu § 22 BimSchG u. Anm. 4 zu § 23 BimSchG. Beispielhaft fllr diese Zuordnungsschwierigkeiten mögen etwa die technischen Anforderungen an das Umfüllen von Kraftstoffen nach § 3 der 20. BimSchV und § 3 der 21. BimSchV genannt sein. Durch den Einsatz von Gaspendel- bzw. Gasrückführsystemen soll dort ein Entweichen von Treibstoffdämpfen in die Luft möglichst unterbunden werden. In dieser Allgemeinheit ist das Minimierungsprinzip wohl als Ausdruck der Vorsorge anzusehen, da es nicht auf die Gefährlichkeit der entweichenden Dämpfe im einzelnen abstellt (so auch die amtliche Begründung, SR-Drucksache 521/92, S. 1 und II ). Zieht man jedoch in Erwägung, daß Treibstoffe regelmäßig auch krebserzeugende Substanzen enthalten, bei denen bereits kleinste Dosen schädlich sein können, so wird deutlich, daß auch hierin eine Schutzkomponente enthalten sein kann (vgl. die entsprechenden Überlegungen zu den krebserzeugenden Stoffen im Rahmen der TA Luft, oben BI 1 b aa (I) (a)). Ähnliches gilt für die diversen leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffe der 2. BimSchV sowie für die Holzstaubbegrenzungen der 7. BimSchV. 131 Auch eine Unterscheidung von Normalbetriebs- und Störfallanforderungen ist wegen des geringeren Risikopotentials der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht angezeigt. Die Anforderungen der 12. BimSchV (Störfallverordnung) gelten aber hier jedenfalls nicht.
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lagen. Im ersteren Fall handelt es sich um Grenzwerte, deren Einhaltung aus Gründen des Schutzprinzips erforderlich ist, und zwar unabhängig von der Quelle der Immissionen. Deshalb gelten sie sowohl beim Betrieb von genehmigungsbedürftigen wie auch von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen. Bei ihrer Überschreitung ist davon auszugehen, daß schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen. Bei den Lärmwerten handelt es sich um Richtwerte, deren Überschreitung eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit indiziert. Sie markieren somit in der Regel die Grenze zwischen schädlichen und nicht schädlichen Umwelteinwirkungen 132 • Insoweit sind beide Immissionswerte noch als Konkretisierung des Schutzprinzips auszumachen. Des weiteren sind kürzlich durch die §§ 2 ff. der 26. BlmSchV fiir Sendefunk- und Elektrizitätsanlagen (Hoch- und Niederfrequenzanlagen) Grenzwerte fiir die Immission elektromagnetischer Feldstärken aufgestellt worden. Bei den elektromagnetischen Feldern, die von diesen Anlagen hervorgerufen werden, handelt es sich um "ähnliche Umwelteinwirkungen'' im Sinne des § 3 Abs. 2 a.E. BimSchG. Die festgesetzten Grenzwerte dienen ausdrücklich teilweise dem Schutz und teilweise der Vorsorge 133 • Außerdem enthält § 6 Abs. 3 der 2. BimSchV an einer etwas versteckten Stelle einen Immissionswert. Aus der Anordnung, daß ab einer bestimmten Tetrachlorethenkonzentration in Aufenthaltsräumen die Übergangsfristen fiir die Altanlagensanierung nicht gelten, erhellt, daß der Verordnungsgeber davon ausgeht, daß bei dieser Schwelle die Gefahrengrenze für die menschliche Gesundheit überschritten wird. (2) Emissionswerte Emissionswerte für Luftschadstoffe sind für verschiedenste Stoffe und Anlagen festgesetzt 134 • Diese Emissionswerte stellen Konkretisierungen des Standes der Emissionsbegrenzungstechnik dar. Entsprechend den obigen Ausruhrungen kann hierbei oft nicht konkret gesagt werden, ob es sich dabei um Ausformungen des Schutz- oder des Vorsorgeprinzips handelt. Emissionswerte für Geräusche sind für Rasenmäher und Baumaschinen festgelegtm. Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese beiden Rechtsverordnun132 Vgl. die amtliche Begründung, SR-Drucksache 17/91, S. 38. Ein Änderungsvorschlag zur klareren Hervorhebung des Schutzprinzips wurde als überflüssig abgelehnt, SR-Drucksache 17/l/91, S. 5. 133 Vgl. §§ 2, 3 der 26. BlmSchV einerseits und§ 4 andererseits. 134 So für die Abgase von Kleinfeuerungsanlagen (§§ 4 Abs. l, 6 Abs. I, 7 Abs. 2 und §§ 8 - II der l. BlmSchV), fllr leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 und 5 der 2. BlmSchV) und Holzstaub (§ 4 der 7. BlmSchV), sowie neuerdings für Krematorien(§ 4 der 27. BlmSchV). 135 § 3 der 8. BlmSchV und§ 3 der 15. BlmSchV.
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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gen nicht auf der Grundlage des § 23 Abs. I BlmSchG ergangen sind, sondern auf der des § 32 bzw. 37 BlmSchG, und sich nicht direkt auf den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen beziehen, sondern ausschließlich auf deren Inverkehrbringung. Insoweit können sie nicht als Konkretisierung der Pflichten des Anlagenbelreibers angesehen werden, da sie sich nicht an diesen richten. Allerdings dienen auch diese Anforderungen dem Schutz und der Vorsorge gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen, nur eben bezogen auf einen vorgelagerten Zeitpunkt, so daß man davon ausgehen darf, daß bei einer Anlage, die die genannten Emissionswerte überschreitet, auch eine Verletzung des Schutzbzw. Vorsorgeprinzips indiziert ist 136• (3) Technische und betriebsbezogene Anforderungen Schließlich sind verordnungsrechtlich noch diverse weitere Anforderungen an die technischen Installationen von Anlagen und an deren Betrieb festgele§t. Diese Regelunien umfassen Bestimmungen zum Einsatz bestimmter Stoffe 1 7, zur Lagerung 13 , zur Feuerung und Abgasableitung 139, zum Nutzungsgrad 140, zu technischen Maßnahmen der Emissionsbegrenzung 141 sowie - im Falle der Lännschutzverordnungen - zu den Betriebszeiten der Anlagen 142• Auch insoweit gilt wieder, daß es im Einzelfall schwierig ist, diese Maßgaben eindeutig dem Schutz- oder dem Vorsorgeprinzip zuzuordnen. Dem Schutzprinzip zuzuordnen sind jedenfalls solche Vorschriften, die erkennen lassen, daß sie die Immissionsbelastung in der näheren Umgebung der Anlage reduzieren wollen (so vor allem die Betriebszeitenregelungen und die Begrenzung der offenen Kaminbefeuerung nach § 4 Abs. 3 der I. BlmSchV). Der Vorsorge dienen hingegen die Vorschriften, die unabhängig von der Umgebungssituation sind (so zum Beispiel die Regelungen über den Nutzungsgrad und die Schomsteinhöhel43).
136 Jarass, BlmSchG, § 32 Rn. 6. Dabei handelt es sich wohl eher um Schutz- als um Vorsorgeanforderungen. Für die 8. BlmSchV ergibt sich das aus der Rechtsgrundlage des § 32 Abs. I BlmSchG, in dessen Satz I lediglich vom Schutz die Rede ist. Das gleiche müßte auch fllr die auf§ 37 BlmSchG gestützte 15. BlmSchV gelten. 137 Brennstoffe (z. B. §§ 3, 5 und 6 Abs. 2 der 1. BlmSchV) und leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe(§ 2 der 2. BlmSchV). 138 § 3 der 7. BlmSchV und§ 4 der 20. BlmSchV. 139 §§ 3, 5 der 27. BlmSchV. 140 § 7 Abs. 3 der l. BlmSchV. 141 Zum Beispiel §§ 3 ff. der 2. BlmSchV, § 2 der 7. BlmSchV, sowie die jeweiligen §§ 3 der 18., 20. und 21. BlmSchV. 142 § 6 der 8. BlmSchV fllr Rasenmäher;§ 5 der 18. BlmSchV enthält insoweit hingegen nur Maßgaben fllr die zuständigen Behörden bei einer Einzelfallentscheidung. 143 Vgl. dazu oben Fußnote 101.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
bb) Verwaltungsvorschriften
Weiterhin können die gesetzlich oder verordnungsrechtlich begründeten Schutz- und Vorsorgeanforderungen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften konkretisiert werden. Solche existieren vor allem hinsichtlich der Begrenzung von Baulärm 144• Darüber hinaus können die Anforderungen der TA Luft und der TA Lärm vielfach entsprechend angewandt werden 145• Dies gilt insbesondere ftlr die Immissionswerte, die die Grenze zwischen schädlichen und unschädlichen Umwelteinwirkungen bezeichnen: stellt eine bestimmte Immissionsbelastung die Gefahrengrenze dar, ab der eine hinreichende Schädigungswahrscheinlichkeit besteht, so ist es gleichgültig, ob diese Grenze durch den Betrieb von genehmigungsbedürftigen oder nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen überschritten wird 146• Insoweit wird auf die Darstellung zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen verwiesen. cc) Einzelfallkonkretisierung
Existieren schließlich keine standardisierenden Regelwerke, so muß die einzelne Vollzugsbehörde wiederum eine Konkretisierung der Schutz- und Vorsorgeanforderungen im Einzelfall vornehmen. Das bedeutet einmal mehr, daß sie die nach dem Stand der Technik gebotenen Immissions- und Emissionsbegrenzungen festzustellen hat und auch die sonstigen Vorkehrungen benennen muß, die nach Schutz- und Vorsorgegesichtspunkten erforderlich sind. c) Subsumtion und Entscheidung Sind die gesetzlichen Anforderungen anband der vorstehenden Konkretisierungen anwendungstauglich festgestellt, so erfolgt wieder der Vergleich der tatsächlichen Ist-Situation der Anlage mit der normativ ermittelten SollSituation. Decken sich beide, so sind die gesetzgeberischen Vorstellungen verwirklicht und es besteht kein Vollzugsbedarf. Decken sie sich nicht, so hat die Behörde eine Vollzugsentscheidung zu treffen. Hierfilr gibt es zwei Möglichkeiten.
Vgl. im einzelnen die Nachweise bei GK-Roßnagel, § 22 Rn. 83 ff. BVerwGE 91, 92 (94 f.); Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 35 f.; GK-Roßnagel, § 22 Rn. 73 ff. 146 Feldhaus, BlmSchR, Anm. 6 zu § 22 BlmSchG. 144
145
B. Der behördliche Vollzug nach dem BlmSchG
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aa) Anordnungen im Einzelfall
Erscheint die Einhaltung der vorgeschriebenen Schutz- und Vorsorgeanforderungen durch einzelne anlagen- oder betriebsbezogene Maßnahmen möglich, so kann die Vollzugsbehörde solche Maßnahmen nach § 24 BlmSchG anordnen. Sie können die technische Veränderung der Anlage zum Gegenstand haben (etwa durch den Einbau zusätzlicher Vorrichtungen, Filter etc.), sich auf den Betriebs- und Verfahrensablauf beziehen (z. B. den Einsatz bestimmter Stoffe oder eine Beschränkung der Betriebszeiten 147) oder Schutz- und Vorsorgemaßnahmen außerhalb der Anlage (z. B. Errichtung von Schallschutzwänden 148) betreffen. bb) Betriebsuntersagung
Sind die Abweichungen der Anlage vom gesetzlichen Normzustand so schwerwiegend, daß die Herstellung gesetzmäßiger Zustände durch einzelne Maßnahmen nicht möglich ist, so kann die Vollzugsbehörde die Verwirklichung der gesetzgeberischen Schutz- und Vorsorgevorstellungen nur dadurch herbeifilhren, daß sie den Anlagenbetrieb insgesamt unterbindet. Zu diesem Zwecke kann der weitere Betrieb der Anlage auf der Grundlage des § 24 BlmSchG untersagt werden; unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 BlmSchG soll er untersagt werden. d) Durchsetzung der Entscheidung Die ergangenen Einzelfallanordnungen und Untersagungsverfilgungen können vermittels des landesrechtlich geregelten Verwaltungszwangs zwangsweise durchgesetzt werden. Zur Durchsetzung einer Einzelanordnung hat die Immissionsschutzbehörde außerdem die Möglichkeit, eine vorläufige Betriebsuntersagung nach § 25 Abs. 1 BlmSchG auszusprechen.
111. Zusammenfassung Insgesamt wird damit ersichtlich, daß die Umsetzung des materiellen Immissionsschutzrechts in ihrer Struktur noch weitgehend dem ordnungsrechtlichen behördlichen Vollzugsmodell folgt. Das Instrumentarium des BundesImmissionsschutzgesetzes mit seinen Genehmigungserfordemissen, nachträgli147 148
Vgl. hierzu etwa die Maßgaben in§ 5 der 18. BlmSchV. § 3 Nr. 2 der 18. BlmSchV.
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§ 3 Behördlicher Vollzug im anlagenbezogenen Immissionsschutz
eben Anordnungen und Betriebsuntersagungen verrät deutlich seine Herkunft aus der polizeirechtlichen Tradition. Im Rahmen der vollzugsbezogenen Entscheidungstatbestände obliegt es den staatlichen Vollzugsbehörden, die immissionsrelevanten Fakten zu einer bestimmten Anlage zu ermitteln und ihre Übereinstimmung mit den gesetzgeberischen Schutz- und Vorsorgevorstellungen zu überprüfen. Zur Konkretisierung der letzteren können sie teilweise auf generelle Regelwerke der Exekutive in Form von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zurückgreifen, welche einzelne Kriterien der materiellen Prinzipien (wie die "schädlichen Umwelteinwirkungen" oder den "Stand der Technik") durch Grenzwerte standardisieren oder die demgemäß gebotenen Maßnahmen genauer umschreiben; anderenfalls hat die Behörde diese Anforderungen einzelfallspezifisch selbst zu konkretisieren. Als Ergebnis der Subsumtion, das heißt des Soll-Ist-Vergleichs, ergibt sich ein bestimmter Grad an Übereinstimmung 149 der tatsächlichen Situation mit der normativ geforderten und zieht eine dementsprechende Vollzugsentscheidung nach sich, die von der Behörde getroffen und gegebenenfalls durchgesetzt wird. Soweit der Vollzug des Immissionsschutzrechts genau nach den Regeln dieses Instrumentariums abläuft, steht die staatliche Vollzugsbehörde vollständig fiir die Umsetzung der materiell-rechtlichen Ziele des Immissionsschutzes ein, Schutz und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Beeinträchtigungen zu gewähren. Insoweit kann der Immissionsschutz noch als staatliche Aufgabe gelten, die vom Staat ;,eigenhändig" erfilllt wird.
149 Genau genommen kann natürlich die Anlage insgesamt mit den gesetzlichen Anforderungen nur entweder übereinstimmen oder nicht übereinstimmen. Der Grad der Abweichung kann aber verschieden stark sein: so wird es etwa einen Unterschied machen, ob eine bestehende Anlage lediglich einer einzelnen technischen Sicherheitsnorm widerspricht oder ob sie eine ganze Reihe von Grenzwerten überschreitet. Im ersteren Fall kann dem offengelegten Vollzugsbedarf eventuell durch eine klar definierte nachträgliche Anordnung genügt werden, während im letzteren Fall möglicherweise nur die Stillegung der Anlage in Betracht kommt.
Zweiter Teil
Die Grenzen des behördlichen VollzugsmodellsVollzugsdefiZite und Privatisierungspotentiale § 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells VollzugsdefiZite Im Ersten Teil der Untersuchung konnte gezeigt werden, daß das BundesImmissionsschutzgesetz in weiten Teilen noch eine ordnungsrechtlich geprägte Struktur mit einer intensiven behördlichen Vollzugstätigkeit aufweist. Dieses Modell eines "eigenhändigen" staatlichen Gesetzesvollzugs führt jedoch nicht immer dazu, daß die gesetzgeberischen Vorstellungen auch tatsächlich realisiert werden. Vielmehr kommt es in der Praxis zu mehr oder weniger deutlichen Abweichungen bei der Umsetzung. Für dieses Phänomen hat sich seit den diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigenrates ftlr Umweltfragen im Umweltgutachten 1974 1 der Begriff des "Vollzugsdefizits" eingebürgert.
A. Der Begriff des Vollzugsdefizits In Anknüpfung an das besagte Umweltgutachten 1974 umschreibt Stich das Vollzugsdefizit als "die fehlende Übereinstimmung der Wunschvorstellungen von einer menschengerechten Umwelt mit hoher Lebensqualität, die die Gesetzgeber in Bund und Ländern zu rechtsverbindlichen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen erheben, und der Lebenswirklichkeit, wie sie von den für Umweltschutzfragen zuständigen Verwaltungsbehörden mitgestaltet wird"2• Das meint letztlich wiederum nichts anderes als das Auseinanderklaffen von tatsächlichem Ist-Zustand und normativ gefordertem Soll-Zustand3, wie sie in den
1 Rat
von Sachverständigen ftlr Umweltfragen, Umweltgutachten 1974, Tz. 660 ff. Stich, Festschrift ftlr Ule, S. 215 (219). 3 So auch Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag 1978, S. 13; Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 22; ähnlich Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1521 (Diskrepanz zwischen gesetzlichen Regelungen und dem Stand der 2
8 Ludwig
114
§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
vorangegangenen Kapiteln umschrieben wurden. Das erscheint auch konsequent, denn wurde der Gesetzesvollzug dahingehend definiert, daß Sein und Sollen in Übereinstimmung gebracht werden, so ist ein defizitärer Vollzug eben dadurch gekennzeichnet, daß dies nicht oder nicht vollständig geschieht. Allerdings kann von einem "Vollzugs"defizit nur gesprochen werden kann, wenn die Inkongruenz zwischen gefordertem und bestehendem Zustand auf ein Verhalten der Vollzugsbehörden zurückruftihren ist4 • Das bedeutet, daß es sich nicht um Defizite des Vollzugs, sondern um solche der Gesetzgebung handelt, wenn die vom Gesetzgeber gesteckten Zielvorstellungen mangels eines geeigneten Instrumentariums von den Vollzugsstellen nicht umgesetzt werden können. Entspricht das vom Gesetzgeber geschaffene materielle Umweltrecht nicht dem, was man von einem "idealen" Umweltrecht erwarten möchte, so handelt es sich dann, wenn der tatsächliche Zustand der Umwelt gegenüber diesen Erwartungen zu wünschen übrigläßt, nicht um ein Vollzugsdefizit, sondern um ein Regelungs- oder Programmierungsdefizit5• Angewendet auf die Situation des anlagenbezogenen Immissionsschutzes bedeutet dies: Nach den gesetzgeberischen Vorstellungen, die ihren primären Ausdruck in den Setreiberpflichten nach den §§ 5 Abs. I und 22 Abs. 1 BlmSchG finden 6 , sind beim Betrieb einer immissionsträchtigen Anlage das Schutz- und das Vorsorgeprinzip zu beachten. Der Soll-Zustand ist also dadurch gekennzeichnet, daß Gefahren und erhebliche Beeinträchtigungen durch den Anlagenbetrieb ganz (bei genehmigungsbedürftigen Anlagen) bzw. weitestgehend (bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen) ausgeschlossen sind und daß die erforderliche Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen gewährleistet ist. Daftlr zu sorgen, daß dies bei jeder einzelnen Anlage eingehalten wird, ist die VollUmweltschutzmaßnahmen) und Lah/, ZUR 1993, 24 (Nichtrealisierung von Umweltstandards). 4 Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag 1978, S. 13. 5 Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag 1978, S. 14; vgl. zu den verschiedenen Arten von Defiziten in diesem Zusammenhang auch Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 117 (121) und Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 23 ff. Vor allem Bohne unterscheidet dabei ebenfalls das "impact"-Vollzugsdefizit (wenn der Umweltzustand materiell nicht dem entspricht, was der Gesetzgeber will, S. 23 ff.) vom "output"-Vollzugsdefizit (wenn die Behörden die eigentlich programmierten Entscheidungen nicht oder nicht richtig treffen, S. 26 ff.). Für die vorliegende Untersuchung ist allerdings zu beachten, daß die untergesetzliche Konkretisierung der legislativen Vorgaben hier ebenfalls zum Vollzug gerechnet wird (vgl. oben § 2 B II 2 b). Damit wird insbesondere auch eine fehlende oder fehlerhafte Standardisierung als Vollzugsdefizit angesehen. 6 Siehe oben, § 3 A. Bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen können allerdings durch Rechtsverordnung nach § 23 Abs. l BlmSchG weitergehende Anforderungen, insbesondere zur Vorsorge, begründet werden, vgl. dazu oben§ 3 A II.
B. Gründe und Erscheinungsfonnen von Vollzugsdefiziten
115
zugsaufgabe der Verwaltung. Ein Vollzugsdefizit liegt folglich immer dann vor, wenn eine Anlage in Betrieb ist, die die genannten Gefahren oder Beeinträchtigungen (speziell eben schädliche Umwelteinwirkungen) hervorruft oder bei der die gebotene Vorsorge fehlt. Kurz gesagt: ein Vollzugsdefizit liegt im Betrieb einer materiell gesetzwidrigen Anlage.
B. Gründe und Erscheinungsformen von Vollzugsdefiziten Es liegt nun auf der Hand, daß es in jedem Rechtsbereich normalerweise eine gewisse Diskrepanz zwischen dem vom Gesetzgeber vorgestellten Idealzustand und der Realität geben wird. Eine durchgängige und hundertprozentige Umsetzung normativ-theoretischer Ziele ist angesichts der gegebenen Unvollkommenheiten jeden menschlichen Verhaltens praktisch nicht erreichbar7 . Wenn jedoch im Umweltrecht diese Inkongruenz größer ist als in anderen Bereichen, so muß nach den spezifischen Gründen dafiir gefragt werden. Eine dahingehende Untersuchung hat das Institut filr angewandte Sozialforschung der Universität Köln in den Jahren 1975 bis 1977 angestellt und die Ergebnisse in einem umfangreichen Analysebericht zusammengefaßt8 • Die wesentlichen Feststellungen über die Gründe der umweltrechtlichen Vollzugsdefizite gelten auch noch fiir die heutige Vollzugslage9 • Die ermittelten Ursachen fiir einen mangelhaften Vollzug umweltrechtlicher Vorschriften lassen sich dabei grob zwei verschiedenen Kategorien zuordnen: zum einen gibt es objektive Mängel in der Ausstattung der Behörden, die sich negativ auf die äußerlichen Voraussetzungen der jeweiligen Vollzugsentscheidung auswirken, zum anderen subjektive Faktoren, die ihre vollzugshemmende Wirkung primär über die innere Motivation des jeweiligen behördlichen Entscheidungsträgers entfalten.
Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag 1978, S. 14. Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik; weitere Analysen finden sich bei Stich, Festschrift flir Ule, S. 215 ff. und bei Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag 1978, S. 16 ff., sowie aus neuererZeitbei Lahl, ZUR 1993, 249. 9 Bezüglich der organisatorischen Schwächen der Umweltbehörden im Gefüge der öffentlichen Verwaltungen (dazu Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 47 ff.) dürfte allerdings eine Verbesserung eingetreten zu sein, die sich auf die allgemein gestärkte Position zurückführen läßt, die dem Umweltschutz im Laufe der letzten zwanzig Jahre zugewachsen ist. Durch die Schaffung eigener Strukturen auf allen Ebenen, von den Umweltministerien in Bund und Ländern bis hinunter zu den Umweltämtern und-dezernatender unteren Verwaltungsstufen, hat sich der Umweltschutz im Gefüge der Verwaltung deutlich emanzipiert. Abgesehen von diesem organisatorischen Wandel muten die Feststellungen der Kötner Analyse jedoch im Vergleich mit moderneren Erhebungen durchaus vertraut an. 7
8
116
§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
I. Objektiv-sachbezogene Vollzugshemmnisse I. Personalmangel
Als objektiv vollzugshemmender Faktor ist zu allererst eine knappe Personalausstattung der entscheidenden Vollzugsbehörden zu nennen 10• Im Behördenmodell muß jede Vollzugsentscheidung mit ihren oben erläuterten Schritten (Sachverhaltsermittlung, Normkonkretisierung, Subsumtion und Entscheidung, Durchsetzung) von Mitarbeitern der Vollzugsbehörde vorgenommen werden. Dies nimmt Arbeitszeit in Anspruch, die nur begrenzt zur Verfügung steht. Dabei ergibt es sich von selbst, daß die Prüfung eines Vollzugsfalles, der durch eine Vielzahl komplizierter Rechtsvorschriften geregelt ist, grundsätzlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die Vollzugsprüfung minder komplexer Sachverhalte; je mehr Gesetze zu beachten sind, desto größer ist der Subsumtions- und damit der Vollzugsaufwand 11 • Da es sich nun im Umweltrecht regelmäßig um komplexe Zusammenhänge und dementsprechend diffizile Normierungen handelt, ist es nicht überraschend, daß die rein arbeitstechnische Bewältigung dieses Pensums mitunter an ihre Grenzen stößt. Hinzu kommt, daß die Gesetzgebung auf diesem Gebiet in besonderem Maße dazu neigt, auf festgestellte Unzulänglichkeiten des Gesetzesvollzugs mit dem Erlaß weiterer Vorschriften zu reagieren, was die Prüfungsaufgaben der Vollzugsbehörden und damit deren Überlastung häufig noch vermehrt 12• 2. Mangel an Fachkenntnissen
Der zweite sachliche Faktor, der sich vollzugshemmend auswirkt, ist der Wissens- und Erkenntnisstand der mit dem Vollzug befaßten Behördenmitar-
10 Umweltbericht 1978, BI-Drucksache 8/1938, Tz. 1526; Lahl, ZUR 1993, 249 (255); Stich, Festschrift ftir Ule, S. 215 (231 ff.); Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 163 ff. 11 Das gilt vor allem ftir das Verhältnis des Immissionsschutzes zu anderen, weniger diffizil normierten Rechtsgebieten. Im Bereich des immissionsschutzrechtlichen Vollzugs selbst muß man freilich sehen, daß ein Großteil der untergesetzlichen Normenflut der generalisierenden Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen dient und damit die Vollzugsarbeit der entscheidenden Behörden erleichtert, da die sonst anfallende Einzelfallkonkretisierung der gesetzlichen Maßgaben im Zweifel aufwendiger wäre als die schlichte Subsumtion der Konkretisierungsvorschriften und Standards. 12 Kritisch dazu Schink, ZUR 1993, I (5 f.), wobei aber auch insoweit im Einzelfall hinterfragt werden muß, ob nicht der Erlaß neuer Vorschriften gerade die Konkretisierungsarbeit der nachgeordneten Behörden erleichtern soll.
B. Gründe und Erscheinungsformen von Vollzugsdefiziten
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beiter 13 • Die im Umweltrecht vorherrschenden komplexen Sachverhalte und Wirkungszusammenhänge erfordern zu ihrem Verständnis regelmäßig ein umfassendes technisches, naturwissenschaftliches und medizinisches Fachwissen. Ist etwa die Frage zu beurteilen, ob die Schadstoffemissionen einer bestimmten Anlage zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Bewohnern der Umgebung filhren können, so muß anband der technisch zu beurteilenden Emissionen ermittelt werden, welche Immissionsbelastungen sich hieraus an bestimmten Orten im Einwirkungsbereich ergeben und wie diese Immissionen sich wiederum auf das körperliche Wohlbefinden der Menschen auswirken, die ihnen ausgesetzt sind. Derartige Ermittlungen und Analysen können ohne vertiefte Kenntnisse in den jeweiligen Fachgebieten nicht angestellt werden, vielfach wird sogar spezielles Expertenwissen erforderlich sein. So setzt schon die Bewertung der Anlage als solcher und des Produktionsprozesses weitreichende Erfahrungen aus dem Ingenieurwesen und der Verfahrenstechnik voraus, und zur Beurteilung der Schädlichkeit bestimmter Stoffe sind oft langwierige medizinische und toxikologische Versuchsreihen und Laboruntersuchungen erforderlich. Dieser notwendige Hintergrund an Fach- und Spezialwissen ist jedoch häufig bei den Mitarbeitern der Vollzugsbehörden nicht vorhanden, zumal dann, wenn es sich dabei um Behörden der unteren Verwaltungsstufen handelt. Auch in Fachbehörden, die über einen gewissen Fundus an fachspezifisch geschulten Mitarbeitern verfilgen, ist es angesichts des unübersehbaren Variantenreichtums der in Frage stehenden Prozesse und Stoffe praktisch ausgeschlossen, daß filr jede Fragestellung ein kompetenter Spezialist zur Verfugung stehe 4 • Hinzu kommt, daß gerade im technischen Vorsorgebereich oft schon der gesetzliche Ansatzpunkt in der betrieblichen Praxis liegt, in die die Behörden nicht ohne weiteres Einblick haben. So knüpft etwa die Legaldefinition des "Standes der Technik" in§ 3 Abs. 6 BlmSchG an die praktische Eignung von Verfahren und Betriebsweisen an, setzt also Erfahrungen aus deren tatsächlichem Einsatz voraus, die die Behörde, die nicht ständig im Betrieb präsent ist, kaum erlangen kann. Überdies schreiten die technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem so dynamischen Rechtsgebiet wie dem Umweltrecht ohnehin stetig fort, so daß selbst bei einem zunächst ausreichenden Kenntnisstand der Behördenmitarbeiter kontinuierliche Fortbildungen und Schulungen nötig sind, um auf der Höhe der Entwicklung zu bleiben 15 • Auch dies kostet Zeit (und Geld)
13 Umweltbericht 1978, BI-Drucksache 8/1938, Tz. 1528; Stich, Festschrift für Ule, S. 215 (225 ff.); allgemein zu den Ursachen für den stetig steigenden Bedarf nach spezieller Sachkunde Brohm, HdbStR Bd. II, § 36 Rn. l . 14 Das gilt freilich auf der anderen Seite ebenso für die meisten betroffenen Wirtschaftsunternehmen. 15 Stich, Festschrift flir Ule, S. 215 (236).
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§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
und ist angesichts der personellen (und finanziellen) Gegebenheiten nicht überall zu verwirklichen. 3. Mangelnde technische Ausstattung
Schließlich wirken sich oftmals auch finanzielle und ausstattungsbezogene Engpässe der Behörden hemmend auf die Vollzugstätigkeit aus. Gerade die Überprüfung von Emissionen und Immissionen ist kaum ohne technisches Hilfsgerät möglich und erfordert den Einsatz kostenintensiver Meßapparaturen16. Stehen diese den Überwachungsbehörden nicht zur Verfiigung, weil der behördliche Etat für die Anschaffung nichts hergibt, so kann selbst mit ausreichendem und qualifiziertem Personal kein effektiver Vollzug stattfinden, da die technischen Möglichkeiten zur behördlichen Sachverhaltsermittlung unzureichend sind. II. Subjektiv-motivationsbezogene Vollzugshemmnisse Betreffen die vorgenannten Umstände eher die sachbezogenen Vollzugsschwierigkeiten, so kann ein weiterer Hemmschuh in der subjektiven Motivation der mit dem Vollzug befaßten Amtsträger liegen. Zwar wird man davon ausgehen dürfen, daß sich seit dem Aufkommen der Debatte über das Vollzugsdefizit das umweltrechtliche Problembewußtsein der Behörden in ähnlicher Weise fortentwickelt hat wie das allgemeine gesellschaftliche Umweltbewußtsein, so daß- anders als damals 17 - heute nicht mehr von einer generell unzulänglichen Motivationslage in den Behörden gesprochen werden kann. Gleichwohl gibt es aber nach wie vor diverse Umstände, die die Motivation des einzelnen Vollzugsbeamten, die gesetzlichen Immissionsschutzvorgaben wirklich umzusetzen, negativ beeinflussen können. Hierbei ist in erster Linie an politische Zielkonflikte und Einflußnahmen zu denken 18. Das Immissionsschutzrecht kann nicht isoliert gesehen werden, sondern es steht in unauflösbarem Zusammenhang mit benachbarten Interessenbereichen, mit deren anders gearteten Zielsetzungen es in Konflikt geraten kann. Dies gilt insbesondere fllr die Fortentwicklung der Wirtschaft, da sich der Immissionsschutz aufgrund seiner regulativen Struktur und Zielsetzung weitge-
16 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1550 f.; Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 374 ff. 17 Vgl. etwa Stich, Festschrift flir Ule, S. 215 (220 f). 18 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1532 ff.; Schink, ZUR 1993, I (10).
B. Gründe und Erscheinungsformen von Vollzugsdefiziten
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hend in einer Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit niederschlägt 19• Die solchermaßen vorprogrammierten Widerstände gegen den Gesetzesvollzug können sich in den unterschiedlichsten Varianten politischer Einflußnahme äußern. Externe Einwirkungsversuche der betroffenen Anlagenbelreiber aus der Wirtschaft, die gerade im kommunalen Bereich oft eine beträchtliche Durchsetzungskraft haben, sind naturgemäß besonders häufig20. Aber auch im internen Behördenbereich kann es zu Interessenkonflikten zwischen den einzelnen Abteilungen, Behörden oder Ressorts kommen, die jeweils unterschiedliche Belange zu vertreten haben21 ; die bei anstehenden Neuregelungen auf politischer Ebene periodisch immer wieder auftretenden Differenzen zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium über das richtige Maß des Umweltschutzes vermitteln einen Eindruck hiervon. Die Erkenntnis, daß Vorgesetzte, andere Stellen oder gar übergeordnete Behörden andere Prioritäten setzen, wird dann bei dem einzelnen Beamten als Vollzugsentscheidungsträger unweigerlich dazu fiihren, daß er gelegentlich die stringente Durchsetzung des Immissionsschutzes bei der konkreten Entscheidung zugunsten anderer Gesichtspunkte bewußt oder unbewußt zurückstelle2 • Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch der Druck, den die öffentliche Meinung auf die Motivation des betreffenden Entscheidungsträgers ausüben kann; diese muß sich, trotz verbreiteten gesellschaftlichen Umweltbewußtseins, durchaus nicht immer als vollzugsf()rdernd erweisen, insbesondere dann nicht, wenn etwa im Falle einer Anlagensanierung - Arbeitsplätze gefährdet sind. Neben diesen internen und externen Einflußnahmen auf die Vollzugsentscheidungsträger können weitere, dienstrechtlich und strukturell begründete Motivationshemmnisse angefiihrt werden. Die bekannte und nach wie vor verbreitete Eigenart des öffentlichen Dienstes, persönlichen Einsatz und überdurchschnittliche Leistung der Beschäftigten eher zurückhaltend zu honorieren, verschaffi diesen im Vollzugsbereich wenig Anreiz, sich besonders hervorzutun. Im Gegenteil dürfte gerade bei den ohnehin überlasteten Vollzugsbehörden die Aussicht darauf, daß einmal festgestellte Mißstände Folgebelastungen (nämlich in Form von weiterem Vollzugsaufwand) nach sich ziehen, die Motivation der Beteiligten bremsen, überhaupt flächendeckende Ermittlungen an-
19 Diese tendenziell vorhandenen Widerstände gegen die Gesetzesverwirklichung sind also nicht nur der Grund dafür, daß es in diesem Rechtsbereich überhaupt eine starkes Bedürfnis nach staatlichem Vollzug gibt, sondern sie wirke sich auch auf die Effizienz des Vollzugs selbst aus. 20 Lah/, ZUR 1993, 249 (253). 21 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1532 ff.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 82 ff. 22 Lahl, ZUR 1993, 249 (252 f.); vgl. zu ähnlichen Erscheinungen im Zusammenhang mit kooperativen Vorabfestlegungen auch Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 (297).
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§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
zustellen23 • In diesem Fall mag es dem befaßten Beamten günstiger erscheinen, gar nichts zu tun, als durch intensive Nachforschungen Vollzugsmängel zutage zu fbrdern, die er dann unter erheblichen Reibungsverlusten beheben müßte. Das gilt vor allem dann, wenn ftlr eine rasche Behebung des Mangels keine Vollzugskapazitäten frei sind; wird dann ein Umweltskandal publik, so ist der Vorwurf, die Behörde sei in Kenntnis des Mißstandes untätig geblieben, wesentlich unangenehmer als die Unkenntnis des Mißstandes selbse4 • Diese gelegentlich zu beobachtende "was ich nicht weiß macht mich nicht heiß"Mentalität wird dabei wiederum durch die komplexe Struktur der umweltrechtlichen Materie begünstigt: in diesem Bereich flillt ein "Wegsehen" der Behörden wesentlich weniger auf als in übersichtlicheren Bereichen. Auch die vielfliltigen verwaltungsverfahrensrechtlichen und prozessualen Möglichkeiten der Anlagenbetreiber, sich gegen Vollzugsanordnungen zur Wehr zu setzen, sind geeignet, den Vollzugsenthusiasmus der behördlichen Entscheidungsträger von vornherein zu dämpfen25• Abgesehen von dem Verzögerungseffekt, den sie ohnehin haben, können sie sich dahingehend auswirken, daß die Vollzugsbehörde lieber bei der Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen etwas zurücksteckt, als sich auf jahrelange Streitigkeiten mit den Betroffenen einzulassen. Größere Konfrontationen müssen meist durch mehrere Instanzen vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen werden und können sich dabei aufgrund der großen Komplexität der Materie über etliche Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehen. Sie absorbieren ihrerseits wieder personelle und sachliche Mittel des Vollzugs, die eigentlich an anderer Stelle dringend benötigt würden, und verschärfen dadurch noch die bereits bestehenden Vollzugsdefizite. Folglich sind sie in den Ämtern unpopulär, und um solche Konfrontationen zu vermeiden, sind die betroffenen Vollzugsbehörden vielfach geneigt, Kompromisse zu suchen26• Wie bei jedem Kompromiß ist dann eine vollständige Erreichung des anvisierten Ziels, nämlich eine durchgängige Umsetzung aller gebotenen immissionsschutzrechtlichen Maßnahmen, in der Regel nicht möglich. Die dabei gelegentlich hervortretende Konfliktscheu der Behörden wird überdies noch dadurch verstärkt, daß derjenige Entscheidungsträger, der das hoheitliche Vollzugsinstrumentarium dann tatsächlich konsequent einsetzt, sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, nicht "demokratisch konsensorientiert" sondern "preußisch-obrigkeitsstaatlich" zu handeln27• Unter diesen Gesichts-
Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, 263 (264). Lübbe-Woljf, NuR 1989, 295 (300). 25 AusfUhrlieh dazu Lahl, ZUR 1993, 249 (253 f.); vgl. auch Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 79 ff. 26 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1549. 27 Lah/, ZUR 1993, 249 (254); Lübbe-Woljf, NuR 1989, 295 (302). 23
24
C. Auswirkungen aufdie einzelnen Elemente des Vollzugsprozesses
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punkten wird der Weg des geringsten Widerstands, nämlich die nicht vollständige Durchsetzung umweltrechtlicher Vorschriften, nicht selten naheliegen28•
C. Auswirkungen auf die einzelnen Elemente des Vollzugsprozesses Sind somit die wesentlichsten Ursachen bestehender Vollzugsdefizite dem Grunde nach benannt, so ist nun darzulegen, wie sie sich auf die einzelnen Schritte des Vollzugsentscheidungsprogramms auswirken: I. Ebene der Sachverhaltsermittlung Im Bereich des genehmigungsbezogenen Vollzugs, also bei der Eröffnungskontrolle der genehmigungsbedürftigen Anlagen, weist die Sachverhaltsermittlung verhältnismäßig geringe Vollzugshindernisse auf. Diese Anlagen sind meistens so groß und/oder auffilllig, daß sie den Behörden schnell zur Kenntnis kommen; das Entdeckungsrisiko nicht genehmigter Anlagen ist folglich relativ groß, so daß sich die Anlagenbelreiber dem Genehmigungsverfahren kaum entziehen können29• Da der Setreiber unter diesen Umständen regelmäßig ein gesteigertes Eigeninteresse daran hat, daß die Vollzugsbehörde die Eröffnungskontrolle zügig durchfilhrt und die beantragte Genehmigung dann erteilt, wird er im allgemeinen selbst dafilr sorgen, daß die Behörde die erforderlichen Informationen über die Anlage erhält30• Hauptmoment dieser filr den Vollzug günstigen Konstellation ist also nicht so sehr die bestehende gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage aller entscheidungserheblichen Unterlagen(§ 10 Abs. 1 Satz 2 BimSchG), sondern die gleichgerichtete Interessenlage des Antragstellers. Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung ergeben sich hier in erster Linie aus der Notwendigkeit, die technischen Einzelheiten des Betriebsablaufs und ihre Auswirkungen hinreichend klar zu erfassen, sowie bezüglich der Ermittlung der anlagenexternen Umstände (also etwa Daten über die Umgebung, Vorbelastungen, meteorologische Besonderheiten usw.). Auch insoweit ist aber die Situation im genehmigungsabhängigen Vollzug relativ günstig, da die Behörde hier durch die Antragstellung, neuerdings sogar mit einer gesetz-
28
Siehe zu diesem Aspekt auch Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik,
s. 181.
29 Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 35; anders verhält es sich hingegen bei der Eröffnungskontrolle bezüglich genehmigungsbedürftiger Änderungen nach § 15 BlmSchG, insoweit ähnelt die Vollzugssituation derjenigen bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen. 30 Lah/, ZUR 1993, 249 (254); Lübbe-Woljf, ZUR 1995, 57 (59 f.).
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§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells - Vollzugsdefizite
lieh fixierten Entscheidungsfrise 1, gezwungen ist, sich aktiv mit dem Sachverhalt zu befassen; die Möglichkeit des schlichten Nichtstuns ist damit weitgehend versperrt32 • Anders stellt sich das Problem der Sachverhaltsermittlung hingegen beim nicht genehmigungsabhängigen Vollzug dar, also bei der Befolgungskontrolle. Das betriffi sowohl genehmigungsbedürftige als auch nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, wobei die möglichen Defizite bei den ersteren vor allem aus unterbliebenen Sanierungsmaßnahmen resultieren, bei den letzteren daraus, daß bei ihnen mangels einer Kontrolle vor der Inbetriebnahme die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften behördlicherseits überhaupt noch nicht sichergestellt wurde. Ein Haupthemmnis für einen flächendeckenden Vollzug bei der Befolgungskontrolle liegt darin, daß die Behörde den vollzugsrelevanten Sachverhalt als solchen überhaupt erst einmal zur Kenntnis nehmen muß. Anders als bei der genehmigungsbezogenen Eröffnungskontrolle gibt hier niemand durch Antragstellung einen "Startschuß" für das Vollzugsprogramm, sondern die Vollzugsbehörde muß selbst darauf kommen, daß eine vollzugsträchtige Situation vorliegt, die eine weitere Informationsbeschaffung erforderlich mache3 • Bei unauffiilligen, nicht genehmigungsbedürftigen und nicht anzeigepflichtigen Anlagen wird ein staatlicher Vollzug deshalb häufig schon aus dem Grund unterbleiben, daß die zuständige Behörde von der Existenz der Anlage gar nichts weiß34• Wenn sie weiß, daß eine bestimmte Anlage existiert und möglicherweise nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, also insbesondere in den Fällen der Altanlagensanierung, so muß doch immer noch der weitere Sachverhalt mit technischen Daten, Immissions- und Emissionsverhältnissen ermittelt werden. Dabei tut sich das nächste Problem auf, denn anders als im Genehmigungsverfahren haben die Anlagenbetreiber in diesen Fällen regelmäßig kein eigenes Interesse an einer schnellen Durchführung des Verfahrens, das für sie nur mit verschärften Vollzugsanforderungen enden kann. Daher ist die Kooperationsbereitschaft der Betroffenen in aller Regel gering, und die behördliche Sachverhaltsermittlung muß teilweise gegen hinhaltenden Widerstand erfol3s gen . Dieser Befund ftlhrt zu dem Schluß, daß ein durchgängiger Vollzug im Rahmen der Befolgungskontrolle an sich nur im Wege regelmäßiger und fläVgl. § 10 Abs. 6 a BlmSchG. Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 (296). 33 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1529: "Der Sachverhalt muß wahrgenommen und als Problem erkannt werden". Ebenso Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 39, bezüglich der Anlagensanierung. 34 Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1545. 35 Lübbe-Wolff, ZUR 1995, 57 (59). 31
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C. Auswirkungen aufdie einzelnen Elemente des Vollzugsprozesses
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ehendeckender Erhebungen über alle in Betrieb befindlichen Anlagen erreichbar wäre, was zu einem erheblichen administrativen Mehraufwand filhrt36• Hierftlr stehen aber meistens weder Personal noch Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfilgung, so daß sich eine mangelhafte Behördenausstattung an dieser Stelle besonders bemerkbar macht. In der Praxis sieht es oftmals so aus, daß der genehmigungsbezogene Vollzug die Behörden bereits so in Anspruch nimmt, daß filr die antragsunabhängige Vollzugstätigkeit nur mehr geringe Kapazitäten frei sind37• Hinzu kommt dann die bereits angesprochene negative Motivation der Behördenmitarbeiter, die ohnehin bestehende Vollzugsüberlastung durch systematische Nachforschungen und ihren Folgeaufwand noch zu vergrößern, zumal eine behördliche Untätigkeit in diesem Bereich strukturell begünstigt wird und zunächst oft nicht weiter aufflille8 • Hinweise und Beschwerden aus der Bevölkerung vermögen das dadurch verursachte Informationsdefizit zwar teilweise zu kompensieren, aber auch dies ist eine mehr oder weniger unsichere Größe und bezieht sich - wenn überhaupt - regelmäßig nur auf die Abwehr akuter Belästigungen und Geflihrdungen, während die Vorsorge weitestgehend auf der Strecke bleibe9• Bezüglich der Sachverhaltsermittlung läßt sich also festhalten, daß diese aufgrund der kooperationsgünstigen Motivation des Anlagenbetreibers im Genehmigungsverfahren relativ geringe Probleme aufwirft. Beim antragsunabhängigen Vollzug hingegen, wo die Behörden weitgehend allein auf ihre Erkenntnismöglichkeiten angewiesen sind, schlagen vor allem Personalknappheit und Überlastung negativ zu Buche; in diesem Bereich läßt sich daher am ehesten ein Vollzugsdefizit feststellen40 •
II. Ebene der Gesetzeskonkretisierung Auf der Ebene der Gesetzeskonkretisierung steht das Problem des erforderlichen Spezialwissens im Vordergrund. Die Beurteilung, bei welchen Immissionen es sich um "schädliche Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Lübbe-Woljf, NuR 1989, 295 (300). Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1551; vgl. auch die Angaben von Lübbe-Woljf, NuR 1989, 295 (300, Fn. 32). 38 Siehe dazu Lübbe-Woljf, NuR 1989, 295 (299). 39 Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 38. 40 Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 38; der Umweltbericht 1978, BT-Drucksache 8/1938, Tz. 1544 benennt in diesem Sinne die Sanierung von Altanlagen als das Hauptproblem. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Sanierung solcher Anlagen wenige Jahre nach dem Inkrafttreten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes allein schon infolge der kurzen Geltung der verschärften Vorschriften noch ein zahlenmäßig großes Problem war; mittlerweile ist die Sanierung nach mehr als zwanzig Jahren doch in sehr viel größerem Umfang tatsächlich durchgeflihrt worden. 36 37
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§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
BimSchG handelt und welche Emissionen im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 6 BimSchG "nach dem Stand der Technik vermeidbar" sind, also die Konkretisierung sowohl der Gefahrengrenze des Schutzprinzips als auch des Umfangs der gebotenen Risikovorsorge, kann nur auf der Basis eines fundierten Fachwissens erfolgen. Die Komplexität der dabei zu beachtenden naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen wird jedoch häufig das Leistungsvermögen der behördlichen Mitarbeiter in einer durchschnittlichen Fachbehörde übersteigen, zumal dann, wenn empirische Untersuchungen und Versuchsreihen erforderlich sind. Im technischen Bereich haben die Behörden überdies damit zu kämpfen, daß der "Stand der Technik", den es zu konkretisieren gilt, regelmäßig in der Praxis, das heißt in den Betrieben entwikkelt wird41 , diese aber aus naheliegenden Gründen kein Interesse daran haben, die Behörden auf Fortschritte (etwa in der Emissionsbegrenzungstechnik) aufmerksam zu machen. Die erforderlichen Einblicke in die technische Entwicklung können also oft nur mühsam durch breit angelegte, bundesweite und internationale Erhebungen und Forschungsberichte erlangt werden42 • Schon aus diesem Abriß ergibt sich, daß die gebotenen Konkretisierungen von den Immissionsschutzbehörden der untersten Vollzugsstufe häufig überhaupt nicht geleistet werden können. Insofern stößt dann auch die nach dem Modell eigentlich erforderliche Einzelfallkonkretisierung sehr bald an ihre Grenzen43 • Wird die erforderliche Konkretisierung durch generelle Regelwerke der Exekutive vorgenommen, so erleichtert dies zwar die Prüfung filr die direkt betroffenen Vollzugsbehörden, verlagert aber letztlich das Problem nur auf eine höhere Ebene der Verwaltung. Denn auch im Bereich der standardisierten Konkretisierungen ist die Exekutive, hier regelmäßig in Gestalt der ministeriellen Arbeitsstäbe, meist nicht in der Lage, die erforderlichen Festlegungen völlig ohne wissenschaftliche und technische Hilfe von außen zu treffen. Dies gilt um so mehr, als dabei dann nicht nur eine Konkretisierung fiir den bestimmten Einzelfall, also mit relativ fest vorgegebenen Rahmendaten erfolgen soll, sondern eine Fixierung der gesetzlichen Vorgaben fiir eine Vielzahl verschiedener
Vgl. die Legaldefinition in§ 3 Abs. 6 BlmSchG. Ausführlich hierzu Lah/, ZUR 1993, 249 (251 ). 43 Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 354 ff. weisen übrigens noch auf den Aspekt hin, daß die Vollzugsbehörden sich bei der Konkretisierung des "Standes der Technik" für Vorsorgeanforderungen auch dann noch an den Werten der TA Luft orientieren, wenn diese längst durch neuere Entwicklungen überholt worden sind; die geforderten Emissionsminderungsmaßnahmen bleiben dann hinter dem gesetzlich vorgeschriebenen Maß zurück. Dem wird, abgesehen von einem aus der Untersuchung hervortretenden irrigen Verständnis der Behörden von einer strikten Bindungswirkungdieser Verwaltungsvorschriften, oft die schlichte Hilflosigkeit der betroffenen Vollzugsbehörden gegenüber der Aufgabe einer sachgemäßen Konkretisierung zugrunde liegen (S. 358). 41
42
C. Auswirkungen aufdie einzelnen Elemente des Vollzugsprozesses
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Anwendungsflille gegeben werden soll44 • Dementsprechend ist der Umfang des Fachwissens, das zur Beurteilung der unterschiedlichsten Eventualitäten gebraucht wird, noch größer. Die VerfUgbarkeit der erforderlichen Spezialkenntnisse stellt somit sowohl auf der Ebene der untergesetzlichen Standardisierungen als auch bei den Einzelkonkretisierungen der unmittelbaren Vollzugsebene ein Hauptproblem des Vollzugs dar. Berücksichtigt werden sollte außerdem gerade bei Standardisierungen auch der politische Charakter solcher Festlegungen. Abweichend von der hergebrachten Vorstellung einer "einzig richtigen Lösung" bei der Konkretisierung der Gesetzesanforderungen ist bei Standardisierungen dieser Art mittlerweile anerkannt, daß sie auch politisch-gestalterische Elemente seitens der Exekutive enthalten. Reichweite und dogmatische Begründung dieser "administrativen Standardisierungsspielräume" sind zwar im einzelnen außerordentlich umstritten45, im Ergebnis kann indes an ihrer praktischen Relevanz wenig Zweifel bestehen. Stellt sich also nun die Festlegung eines bestimmten Standards als eine nicht ausschließlich wissenschaftlich-technische, sondern als eine (auch) politisch geprägte Aktion dar, so versteht es sich von selbst, daß an dieser Stelle ein Ansatzpunkt fUr politische Einflußnahmen interner und externer Art liegt. Neben den rein umweltrechtlichen Erwägungen fließen auf diese Weise auch Wirtschafts- und finanzpolitische Überlegungen in die Konkretisierung mit ein, welche sich, wie nach der Interessenlage nicht anders zu erwarten, regelmäßig eher in einer Abmilderung als in einer Verschärfung der an sich gebotenen Anforderungen äußern46. Insgesamt besteht daher auf der Ebene der Gesetzeskonkretisierung die Tendenz, daß die Konkretisierung infolge einer unzureichenden kognitiven Grundlage und politischer Einflüsse hinter dem zurückbleibt, was nach den Grundvorstellungen von Schutz und Vorsorge geboten wäre. Dadurch wird letztlich eine "Verwässerung" der gesetzgeberischen Vorstellungen bewirkt47• 111. Ebene der Subsumtion und Entscheidung Sind Sachverhaltsermittlung und Gesetzeskonkretisierung erst einmal so weit gediehen, so bereitet die schlichte Subsumtion als Vergleich der beiden 44 Lah/, ZUR 1993, 249 (251 f.) verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, daß in Deutschland eine verstärkte Neigung zu perfektionistischen Regelungen festzustellen ist, die sich wiederum in einer starken Bindung der Vollzugsressourcen niederschlägt. 45 Vgl. dazu etwa die Auseinandersetzung um die Einordnung "normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften" und die Nachweise hierüber unten bei § 10 AI. 46 Vgl. dazu Lah/, ZUR 1993, 249 (250 f.). 47 Lah/, ZUR 1993, 249.
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Komponenten nonnalerweise geringere Probleme. Der maßgebliche Schwachpunkt des Vollzugs auf dieser Ebene der Entscheidung ist vielmehr in den gesetzlich gewährten Handlungsfreiräumen der Verwaltung, vor allem in der Ermessensausübung, zu sehen. Die "sekundären Elastizitäten"48 sind ein Einfallstor für subjektive Erwägungen des entscheidenden Vollzugsträgers, und an dieser Stelle können sich motivationsrelevante Umstände vollzugshemmend bemerkbar machen. So können unter dem Deckmantel des Ennessens wiederum politische Einflüsse durchdringen, die dazu fiihren, daß die eigentlich gebotenen Vollzugsentscheidungen gar nicht, nur in abgeschwächter Fonn oder mit beträchtlichen Verzögerungen ergehen. In gleicher Weise kann die zur Informationsgewinnung meist unumgängliche Kooperation zwischen der Behörde und dem betroffenen Setreiber dazu fiihren, daß der behördliche Entscheidungsträger sich bewußt oder unbewußt auf Zusicherungen und Kompromisse einläßt, die er streng genommen nicht hätte eingehen dürfen49 • IV. Ebene der Durchsetzung Ist eine Vollzugsentscheidung getroffen worden, so bereitet die Durchsetzung üblicherweise keine eigenständigen Probleme. Insbesondere sind dann der Vollzugssachverhalt und die nötigenfalls anzuwendenden Zwangsmittel eindeutig fixiert, so daß die anderweitig relevanten Unsicherheiten sich an dieser Stelle nicht auswirken.
D. Zusammenfassung Die dargestellten Gründe fiir Vollzugsdefizite und ihre Auswirkungen auf die einzelnen Phasen der Vollzugsentscheidung schlagen sich konkret in folgenden Defiziten nieder: I. Deftzite im genehmigungsabhängigen Vollzug Im genehmigungsabhängigen Vollzug kommt es aufgrund der Genehmigungspflicht nur selten dazu, daß die Vollzugsbehörden die Gesetzeskongruenz des Anlagenbetriebs aus reiner Unkenntnis von der Anlage selbst nicht sicherstellen. Das Interesse des Anlagenbetreibers an einer zUgigen Durchführung des Genehmigungsverfahrens bewirkt, daß die Behörde einerseits besseren Zu48 49
Zum Begriff oben § 2 A I (Fußnote 17). Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 (297 f.).
D. Zusammenfassung
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griff auf die erforderlichen Tatsacheninfonnationen hat und andererseits bei der Bearbeitung auch zu einem aktiven Tätigwerden gezwungen ist. Bestehende Defizite rühren hier weitgehend daher, daß die gesetzlichen Anforderungen durch mildere Konkretisierungen abgeschwächt werden, die fUr sich betrachtet den vorgegebenen Schutz- und Vorsorgezweck nicht immer erfullen. Hinzu kommen politische und wirtschaftliche Einflußnahmen, die sich insbesondere auf die Vomahme von Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen beziehen, und sich vor allem bei einer etwaigen Ennessensausübung auswirken können50• Im Ergebnis bedeutet das, daß die Vollzugsdefizite dieses Bereichs in erster Linie darin bestehen, daß Genehmigungen erteilt werden, obschon die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vollständig erfüllt sind. II. DefiZite im genehmigungsunabhängigen Vollzug
Im genehmigungsunabhängigen Vollzug, also insbesondere bei der Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger und nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, ergeben sich die größten Defizite51 • Das resultiert daraus, daß die Vollzugsbehörden meist mit dem genehmigungsabhängigen Vollzug schon so ausgelastet sind, daß für eine flächendeckende Überwachung im übrigen weder Personal noch finanzielle Mittel zur VerfUgung stehen. Damit fehlt, vor allem bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, bereits die Anlaßinfonnation, die das Vollzugsprogramm startet. Ebenso wirkt sich aus, daß die Behörde die notwendigen Infonnationen wegen der anders gearteten Interessenlage der Betreiber von diesen nicht in gleichennaßen bereitwilliger Weise erhält. Die Ermittlung des Sachverhalts stellt daher im Bereich des genehmigungsunabhängigen Vollzugs das hauptsächliche Problem dar. Unter Konkretisierungsgesichtspunkten ergeben sich bezüglich der Standardisierungen ähnliche Probleme wie beim genehmigungsabhängigen Vollzug, wobei allenfalls bezüglich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen noch weniger Standards bestehen und die Behörden in noch Weitergehenderem Umfang auf Einzelfallkonkretisierungen angewiesen sind, die sie häufig nicht alleine meistem können. Auf der Ebene der Vollzugsentscheidung ist die dabei regelmäßig bestehende Ennessensausübung (vgl. nur für die nachträglichen Anordnungen §§ 17 Abs. 1 und 24 BlmSchG) ein Ansatzpunkt für sachfremde Erwägungen.
50 Dabei ist freilich zu beachten, daß die Genehmigungsentscheidung als solche nach § 6 BlmSchG eine gebundene Entscheidung ist, bei der die Behörde grundsätzlich kein Ermessen hat. Die genannten Effekte können aber vor allem bei eventuellen Nebenbestimmungen nach§ 12 Abs. I BlmSchG relevant werden. 51 Mayntz u.a., Vollzugsdefizite der Umweltpolitik, S. 38.
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§ 4 Schwächen des ordnungsrechtlichen Modells- Vollzugsdefizite
111. Der zeitliche Faktor Schließlich soll noch ein Gesichtspunkt angesprochen werden, der ebenfalls als Vollzugsdefizit angesehen werden kann, nämlich der häufig sehr lange Zeitraum, der zwischen der Feststellung eines nicht gesetzeskonformen Anlagenbetriebs und der Behebung dieser Abweichung durch entsprechende Maßnahmen liegt. Unter den hier beleuchteten Aspekten handelt es sich dabei allerdings nicht um das Problem der ausufernden Länge der Genehmigungsverfahren, die seitens der Anlagenbetreiber schon oft kritisiert wurde52; im Regelfall fUhrt nämlich die verzögerte Erteilung der Genehmigung nicht zu Vollzugsdefiziten im oben definierten Sinne, da der Anlagenbetrieb vor Genehmigungserteilung normalerweise53 nicht aufgenommen wird und es deswegen dabei auch nicht zur Verletzung immissionsschutzrechtlicher Vorschriften kommen kann54 • Relevant wird der zeitliche Verzögerungseffekt vielmehr bei allen Arten nachträglicher Anforderungen an bestehende Anlagen, also insbesondere nach den §§ 17 und 24 BlmSchG. In diesen Fällen wird der Erlaß und die Durchsetzung von Sanierungsanordnungen häufig durch die konsequente Ausnutzung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Möglichkeiten seitens der Betreiber, durch politische Einflußnahmen oder einfach durch die Überlastung der Behörden beträchtlich hinausgezögert. Folge ist, daß während dieser ganzen Zeit eine Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Anforderungen und der tatsächlichen Situation fortbesteht. Selbst wenn es dann irgendwann später dazu kommt, daß dieser gesetzwidrige Zustand beseitigt wird, so ist doch schon der Umstand, daß es bis dahin unverhältnismäßig lange gedauert hat, als ein Defizit des Vollzugs anzusehen. Nach alledem erweist sich, daß der behördliche Gesetzesvollzug aus den verschiedensten Gründen an die Grenzen seiner Möglichkeiten stößt, eine durchgängige Realisierung der gesetzlichen Anforderungen im Immissionsschutz sicherzustellen. Zu den wichtigsten Aspekten gehören dabei die vielfach mangelhafte Ausstattung der staatlichen Behörden mit Personal, die mangelnde Verftlgbarkeit notwendiger Spezialkenntnisse und die Anfillligkeit gegenüber politischen Einflußnahmen interner wie externer Art. Angesichts dieser Situati52 Vgl. hierzu die Untersuchung von Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, der- ganz in Übereinstimmung mit dem hier vertretenen Vollzugsmodell - den Umfang der Sachverhaltsermittlungen und die notwendige, zeitraubende Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen als maßgebliche Faktoren fllr die Länge von Genehmigungsverfahren ausmacht (S. 78 ff., 154 f.). 53 Das heißt abgesehen von den Möglichkeiten einer Teilgenehmigung nach § 8 BlmSchG und der Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8 a BlmSchG. 54 Die Länge der Genehmigungsverfahren ist unter diesem Gesichtspunkt vor allem insoweit interessant, als dadurch wiederum eine Vielzahl von Personal und sonstigen Vollzugsressourcen gebunden werden, die dann fllr weitere Vollzugsaufgaben fehlen.
D. Zusammenfassung
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on liegt die Überlegung nahe, ob der strikt behördliche Vollzug durch Elemente privater Aufgabenerfilllung ergänzt werden kann, die die notwendigen Vollzugsressourcen zur VerfUgung stellen könnten und sich im Hinblick auf Motivation und Effizienz möglicherweise als Alternative anbieten. Dies leitet über zu den Argumenten der Privatisierungsdiskussion.
9 Ludwig
§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug Im vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, daß das hergebrachte Modell des ordnungsrechtlichen Behördenvollzugs im Immissionsschutzrecht (wie auch allgemein im Umweltrecht) mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat, die eine durchgängige Umsetzung der gesetzlich gebotenen Schutz- und Vorsorgeanforderungen nachhaltig erschweren. Sinnt man hier auf Abhilfe, so ergibt sich zwangsläufig die Frage nach alternativen Vollzugsmodellen. Dabei liegt es nahe, sein Augenmerk auf die nichtstaatlichen, also gesellschaftlichen Kräfte zu richten und zu prüfen, ob deren Kapazitäten in geeigneter Weise zur Verwirklichung umweltpolitischer Zielsetzungen nutzbar gemacht werden können. Dies fUhrt direkt in die aktuelle Privatisierungsdiskussion hinein.
A. Die Privatisierungsdebatte Privatisierung ist derzeit in aller Munde. Nachdem sich die Diskussion über umfassende Privatisierungsmaßnahmen seit Ende der siebziger Jahre allmählich entfaltet hatte und der Regierungswechsel von 1982 auch die politischen Rahmenbedinfungen filr weitergehende Überlegungen in dieser Richtung geschaffen hatte , ist seit einigen Jahren, nicht zuletzt beflügelt durch die erheblichen Privatisierungsfragen im Gefolge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten2, eine facettenreiche Auseinandersetzung großen Stils entbrannt, die sich auch im juristischen Bereich zu den aktuellsten Tagesfragen rechnen darf. Mittlerweile ist etwa die Privatisierung der großen Bundesunternehmen Post und Bahn auf den Weg gebracht worden, und es vergeht kaum ein Monat,
1 Zur Entwicklung der Privatisierungsdiskussion in den siebziger Jahren vgl. Wellenstein, Privatisierungspolitik, S. 14 ff., der auch eine eingehende Untersuchung der Privatisierungspolitik der Bundesregierung Kohl/Genseber in den achtziger Jahren anstellt (S. 185 ff. ). 2 Möschel, Festschrift für Gemhuber, S. 905 f., sieht in den umfangreichen Umstrukturierungen in den neuen Bundesländern einen Hauptgrund für den starken Anschub, den die Privatisierungsdiskussion zu Beginn der neunziger Jahre erfahren hat; auch der zweite Hauptgrund, nämlich die stark angestiegene Staatsverschuldung des Bundes hängt damit zusammen.
B. Der Begriff des Privaten
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in dem nicht neue Konzepte und Vorschläge filr weitere Maßnahmen unterbreitet werden3 • Dabei gilt hier einmal mehr, daß eine einheitliche Definition dessen, was "Privatisierung" sein soll, gar nicht existiert; je nach Zielrichtung und politischem oder dogmatischem Grundverständnis variieren die Sprachgebräuche4 • Als gemeinsamen Ausgangspunkt darf man wohl nur festhalten, daß es sich insgesamt um einen Prozeß der Umverteilung "vom Staat weg und zum Privaten hin", wirtschaftlich gesprochen um "mehr Markt- weniger Staat" handeln soll5• Dabei ist anzumerken, daß der Ausdruck "Privatisierung" sowohl den aktuellen Vorgang einer Aufgabenverlagerung von der staatlichen in die gesellschaftliche Hemisphäre als auch das Ergebnis dieses Prozesses, nämlich die dann bestehende Beteiligung Privater an den (vormals) staatlichen Aufgaben und Funktionen, umfassen kann. Längst schon ist die Diskussion dabei nicht mehr allein auf die Gegenstände der staatlichen Wirtschaftsunternehmen und der Leistungsverwaltung beschränkt, wo sie ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Dort liegt zwar nach wie vor der Schwerpunkt der aktuellen Debatte, zunehmend geraten jedoch auch die "klassischen" staatlichen Bereiche der Eingriffsverwaltungins Blickfeld der Reformüberlegungen6 • Dies soll filr die vorliegende Arbeit der Ansatzpunkt sein, das Potential privater Vollzugsbeteiligung im anlagenbezogenen Immissionsschutz auszuloten.
B. Der Begriff des Privaten Zunächst muß dabei filr die Zwecke dieser Betrachtung festgehalten werden, was unter einem "Privaten" verstanden werden soll. Bedeutet Privatisierung eine Verlagerung vom Staat zum Privaten, so muß der Rezipient und Zielpunkt 3 Aus der Flut des diesbezüglichen Schrifttums vgl. nur den Sammelband von lpsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Im übrigen darf es für die Aktualität und Relevanz des Themas wiederum als symptomatisch angesehen werden, daß die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer das Thema "Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" auf ihrer Jahrestagung 1994 in Halle/Saale behandelt hat; vgl. dazu die Referate von Hengstschläger, Osterloh und Bauer, VVDStRL 54, 165 ff., 204 ff., 243 ff., sowie die begleitenden Aufsätze von Schoch, DVBI 1994, 962 ff., und Leche/er, BayVBI, 1994, 555 ff. 4 Vgl. dazu schon den Überblick bei Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (66); Bauer, VVDStRL 54, 243 (250 f.) bescheinigt dementsprechend dem Begriff der "Privatisierung" einen heuristischen Charakter. s Bauer, VVDStRL 54, 243 (251 ); auch Wel/enstein, Privatisierungspolitik, S. 1 ff., mit Betrachtungen zur sprachlichen und gesellschaftlichen Begriffsentwicklung sowie zum weiteren Begriff der "Entstaatlichung". 6 Diese waren in den frühen Phasen der Privatisierungsüberlegungen noch völlig außerhalb der Diskussion geblieben, vgl. etwa Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (70).
132
§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
dieses Verlagerungsprozesses identifiziert sein. Da es hier ja darum gehen soll, die Privatisierung von Vollzugsaufgaben zu untersuchen, bietet es sich an, den Begriff des Privaten in negativer Abgrenzung zu dem staatlich-behördlichen Eigenvollzug, wie er im Ersten Teil modellhaft entwickelt worden ist, zu bestimmen. Dieser behördliche Vollzug war beschrieben worden als diejenige Tätigkeit, die der Staat mit eigenem Personal und eigener behördlicher Organisation entfaltet, um bestimmte gesetzgeberische Vorstellungen zu verwirklichen7. "Privat" ist demgegenüber jedes Subjekt, das nicht zu diesem staatlichen Personal gehört und nicht in die behördliche Organisation eingegliedert ist. Natürliche Personen werden daher als Private angesehen, sofern sie nicht Beamte oder Angestellte des Öffentlichen Dienstes sind; juristische Personen, sofern sie nicht der behördlich strukturierten "Ämterverwaltung" zugehören8 • Dieser weite Begriff des Privaten erlaubt es, alle in Frage kommenden Abweichungen vom strikt behördlichen Vollzugsmodell unter dem Aspekt der Privatisierung zu untersuchen und einzuordnen.
C. Arten der Privatisierung Im Schrifttum und in der allgemeinen Diskussion werden die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Privatisierung nach Typenmodellen systematisiert. Dabei haben sich in jüngerer Zeit vier Grundmodelle herauskristallisiert9, die im folgenden erläutert und dann der weiteren Darstellung zugrundegelegt werden sollen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Einteilungen: Vgl. oben§ 2 B III. Ebenso Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (174); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 20; Dagtoglou, DÖV 1970, 532 (533); auch Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 24 f. (unter Ausklammerung der Verwaltungshelfer). Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (144), versucht neben dieser negativen Definition auch eine positive zu geben: Privat sei jede Tätigkeit, die sich auf die Ausübung von Grundrechten berufen kann. 9 Schoch, DVBI 1994, 962 f; derselbe in lpsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 63 (67 f.); Wahl, DVBI 1993, 517 (518 f.); Hoppe in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 275 (277). Ähnlich auch die Monopolkommission, BTDrucksache 12/3031, Tz. 44 (unter weitgehender Ausblendung der Vermögensprivatisierung) und Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (543 f.), der zusätzlich die Finanzierungsprivatisierung als eigenen Typus ansehen will (S. 545). Noch weiter differenzierend Krölls, GewArch 1995, 129 (130 ff.) und Peine in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 95 (96 ff.). Eine andere Einteilung findet sich etwa bei Schmidt in Biemat u.a., Grundfragen, S. 210 (211 ff.). Zunehmend stellen übrigens auch diejenigen Autoren, die im Grundsatz an der hergebrachten Zweiteilung zwischen formeller und materieller Privatisierung festhalten, die Existenz von Zwischenformen fest, was faktisch der hier vertretenen Differenzierung nahekommt; vgl. dazu etwa Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (170), Lecheler, BayVBI 1994, 555 (559), und v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 17 f. 7
8
C. Arten der Privatisierung
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I. Formelle oder Organisationsprivatisierung
Als erste Spielart läßt sich die Organisations- oder formelle Privatisierung ausmachen. Sie besteht darin, daß die öffentliche Hand (also der Staat und diejenigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die dem Staat hier gleichgesetzt werden) eine bestimmte Aufgabe weiterhin erftlllt und daftir auch die Verantwortung behält, sich dazu aber einer Rechtsform des Privatrechts bedient'0 • Beispielhaft findet sich diese Art der Privatisierung etwa bei der Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene in Gestalt der sogenannten Eigengesellschaften 11 • Dabei wird der betreffende Betrieb aus der Behördenstruktur der Gemeindeverwaltung (also aus der oben zitierten "Ämterverwaltung") herausgenommen und als juristische Person des Privatrechts verselbständigt. Als solche tritt er dann den Bürgern gegenüber auf und erbringt seine Leistungen, was unter Monopolbedingungen oder auch im Wettbewerb mit anderen privaten Anbietern erfolgen kann 12• Die Privatisierung liegt hierbei also lediglich in der Wahl einer privatrechtliehen Rechtsform und ist deswegen nur formeller Art, während materiell nach wie vor die öffentlich-rechtliche Körperschaft, die hinter dem unmittelbar handelnden Privatrechtssubjekt steht, als Aufgabenträger anzusehen ist.
II. Materielle oder Aufgabenprivatisierung Als Gegenbegriff zu dieser formellen Privatisierung wird die Aufgabenoder materielle Privatisierung verstanden. Sie besteht darin, daß der Staat eine Aufgabe - beispielsweise die Produktion und Bereitstellung bestimmter Güter nicht mehr wahrnimmt, weder unmittelbar noch mittelbar, sondern sie in den privaten Sektor {zurück-)verlagert 13 • Die materielle Privatisierung erscheint somit als "actus contrarius" zur Aufgabenbegründung 14; aus der staatlichen Aufgabe wird (wieder) eine nichtstaatliche, gegebenenfalls aber öffentliche Aufgabe 1s. 10 Schach, DVBI 1994, 962; Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (170); Schmidt in Biernat u.a., Grundfragen, S. 210 (213). 11 Einen Überblick über die vielfaltigen Erscheinungsformen der privatrechtlich organisierten Verwaltung geben etwa Woljf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 a Rn. 9 ff., Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 7 ff., 15 ff., und Müller, Rechtsformenwahl, S. 71 ff., 90 f, 96 ff. 12 Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031, Tz. 44; Möschel, Festschrift für Gernhuber, S. 905 (907). 13 Schach, DVBI 1994, 962 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (170); v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 17. 14 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (223). 15 Zu dieser Unterscheidung siehe oben, § 1 B I 2.
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
Dies kann auf zwei Wegen erfolgen: der Staat kann entweder die bislang von ihm wahrgenommene Aufgabe auf Private als deren eigene gesetzliche Verpflichtung überwälzen oder er kann die Aufgabe völlig freigeben, ohne sie "ersatzweise" Privaten aufzubürden, und sie damit letztlich dem freien Spiel der gesellschaftlichen Kräfte und des Marktes überlassen 16• Unter die erstgenannte Variante fallen insbesondere auch die Konstellationen, die als "Indienstnahme" Privater bezeichnet werden 17• Das ergibt sich zwangsläufig aus dem Staatsaufgabenverständnis, wie es hier vertreten wird. Da es keine "natürlichen" Staatsaufgaben gibt, sondern diese nur aus dem Zugriff des Staates sich ergeben 18, hört die Staatsaufgabenqualität dieser Tätigkeiten in dem Moment auf, wo der Staat sich ihrer entäußert und sie auf Private als deren eigene Angelegenheit überträgt. In diesem Moment nimmt er sie eben nicht mehr für sich in Anspruch 19• Etwas anderes gilt allerdings insoweit, als die Begründung gesetzlicher Tätigkeitspflichten filr Private mit einer Übertragung hoheitlicher Befugnisse einhergeht: wird durch staatliche Zuweisung ein Privatrechtssubjekt mit hoheitlichen, nicht grundrechtlich begründbaren Kompetenzen begabt, so liegt in der Zuweisung dieses besonderen, spezifisch staatlichen Instrumentariums die Entscheidung, die Aufgabe eben nicht zu privatisieren, sondern nur ihre Durchfilhrung von einer behördenexternen Person bewerkstelligen zu lassen. Diese Überbürdung der staatlichen Aufgabe auf den Privaten ist dann die Situation der Beleihung, die hier unter der Rubrik der funktionalen Privatisierung behandelt werden soll20. Die vorgeschlagene Betrachtungsweise ist auch damit in Übereinstimmung zu bringen, daß im Falle einer materiellen Aufgabenprivatisierung nach verbreiteter Auffassung bestimmte Gewährleistungspflichten des Staates hinsichtlich ihrer Erfilllung fortbestehen sollen21 • Das ergibt sich bereits aus der im Eingangskapitel dargestellten 22 Unterscheidung von Aufgabe und Verantwortung. Privatisiert der Staat eine Aufgabe, indem er sie freigibt oder auf be16 Müller, Rechtsformenwahl, S. 115; bezüglich der letzteren Alternative spricht v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 19, treffend von einer "Dereliktion" staatlicher Aufgaben. 17 So auch Osterloh, VVDStRL 54, 204 (225 f.); Schmidt in Biernat, Grundfragen, S. 210 (211 f.), der allerdings auch noch die Beleihung mit hinzurechnet Eingehend zur Indienstnahme auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 38 ff. 18 Vgl. oben § 1 B II l. 19 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (225, Fn. 77). 20 Dazu gleich unten C III. 21 Bauer, VVDStRL 54, 243 (268 ff.); Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (553 f.); a.A. offenbar Erbguth, UPR 1995, 369 (370). Eine Abstufung der verschiedenen Verantwortungsgrade nimmt Schmidt-Aßmann in Hoffmann-Riem u.a., Reform, S. 11 (43 f.) vor; noch weiter differenzierend Schuppert in lpsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (26 ff. ). 22 Vgl. oben § 1 B II 2.
C. Arten der Privatisierung
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stimmte Private abbürdet, so kann er im Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen trotzdem dafilr verantwortlich sein, daß unter der Regie des Marktes bzw. der in Dienst genommenen Privaten die Dinge nicht aus dem Ruder laufen, also eine ordnungsgemäße Erfilllung der - nunmehr privaten - Aufgabe gewährleistet ist. Das bedeutet, daß der Staat sich zwar weitgehend von einer Aufgabenerfilllung im Wege einer materiellen Privatisierung befreien kann, dann jedoch gegebenenfalls gewisse Kontroll- und Überwachungsfunktionen erfüllen muß23 • In der Praxis wird daher eine materielle Aufgabenprivatisierung, die die bestehenden verfassungsrechtlichen Grenzen einhalten will, häufig nicht in einem ersatzlosen Rückzug des Staates bestehen können, sondern darin, daß die staatliche Eigenvomahme durch eine staatliche Überwachung und Gewährleistung der gesellschaftlich-privaten Aufgabenerfüllung abgelöst wird24 . Als gesetzestechnisches Beispiel für eine solche "Ersetzung" mag etwa Art. 87 e Abs. 4 Satz I GG dienen, demzufolge der Bund "gewährleistet", daß dem Allgemeinwohl, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, auch nach der Bahnprivatisierung Rechnung getragen wird25 • Im Bereich der Verlagerung von Vollzugsaufgaben auf Private wird hierfilr auch das Schlagwort der "Kontrolle der Kontrolleure" gebrauche6 • Persaldo sollte allerdings diese Zurückführung der staatlichen Aufgabendurchführung auf eine bloße Kontrolltätigkeit gegenüber der privaten Aufgabenerfüllung regelmäßig einen Abbau der Staatstätigkeit (nicht unbedingt der Regulierungsdichte27) bewirken können28 •
23 Bauer, VVDStRL 54, 243 (277 ff.). Für die Konstituierung als staatliche Kontrollaufgabe bedarf es dabei freilich wieder - anders als ftir die Begründung der fortbestehenden Kontrollverantwortung- einfachgesetzlicher oder untergesetzliche Fixierungen. 24 Krölls, GewArch 1995, 129 (131) bezeichnet dies dann als "unechte Aufgabenprivatisierung". 25 Vgl. zu den verbleibenden Staatsaufgaben und zur Gewährleistung des Bundes nach der Bahnprivatisierung Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (582 ff.). 26 Bauer, VVDStRL 54, 243 (280); Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, 263; Köck, DVBI 1994, 27 (34); vgl. auch die Diktion in dem - letztlich allerdings nicht verwirklichten - Gesetzesvorschlag des Bundesrates, BT-Drucksache 1114909 S. 37. In diese Richtung gehen auch die weitergehenden Überlegungen von Feldhaus in Kormann, Umwelthaftung und Umweltmanagement, S. 9 (35 f.), und Köck, DVBI 1994,27 (33 f.) zum Umwelt-Audit. 27 Es können im Gegenteil gerade dadurch, daß dann den Privaten materielle Kriterien ftir ihre Aufgabendurchführung an die Hand g!=geben werden müssen und daß auch die Einzelheiten der verbleibenden staatlichen Uberwachung klärungsbedürftig sind, umfangreiche Neuregelungen erforderlich sein. Insoweit ist eine Privatisierung häufig nicht Anlaß zu einer gleichzeitigen Deregulierung, sondern führt vielmehr zu einer ReRegulierung; vgl. in diesem Sinne Wahl, DVBI 1993, 517 (519): "Aufgabenprivatisierung schließt die Normierung steuernder und kontrollierender Rechtsvorschriften nicht aus, sondern regelmäßig ein". Für eine verstärkte Standardisierung auch LübbeWolff/Steenken, ZUR 1993,263 (267). 28 v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 19, Fn. 51.
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
111. Funktionale Privatisierung Gegenüber den hergebrachten Begriffspaaren fonnelle/materielle bzw. Organisations-/Aufgabenprivatisierung ist der Begriff der funktionalen Privatisierung relativ neu29, obwohl die dahinterstehenden Ideen und Erscheinungsformen schon lange bekannt sind. Dieser Privatisierungstyp basiert auf der Überlegung, daß eine staatliche Aufgabe nicht notwendigerweise auch mit staatseigenen Kräften durchgefilhrt werden muß30, Aufgabenverantwortung und Aufgabendurchfilhrung also getrennt werden können. Dementsprechend meint funktionale Privatisierung, daß der Staat bei fortbestehender staatlicher Aufgabe die dazu erforderlichen Durchfilhrungshandlungen ganz oder teilweise von Privaten vornehmen !äße 1• Im Bereich der Bereitstellung öffentlicher GUter wird hierfilr vielfach auch der Begriff des "contracting out'' gebraucht32• Diese Delegation des Aufgabenvollzugs auf Private kann in mehr oder minder großem Umfang erfolgen, so daß hierbei ein beträchtlicher Reichtum an möglichen Varianten besteht. Alle diese Spielarten können gegenüber der vollständigen Aufgabenentledigung durch materielle Privatisierung auch als Teilprivatisierungen angesehen werden33; die Anerkennung der funktionalen Privatisierung als einem eigenen Typus trägt aber auch dem Umstand Rechnung, daß diese vielfllltigen Erscheinungsfonneo der Teilprivatisierung von dem strikten Raster der fonnellen bzw. materiellen Privatisierung nur unzureichend erfaßt werden können34• Die Funktion des Privaten im Falle der funktionalen Privatisierung wird meistens die eines Verwaltungshelfers sein35 • Der Verwaltungshelfer über-
29 Soweit ersichtlich hat erst die Darstellung von Schoch in DVBI 1994, 962 den Begriff der funktionalen Privatisierung in entscheidender Weise in die laufende Diskussion eingeführt. In der Sache wird die funktionale Privatisierung allerdings schon in den siebziger Jahren behandelt, z. B. Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (67). 3 Kirchhof, HdbStR Bd. 111, § 59 Rn. 2 (der an anderer Stelle freilich hervorhebt, daß die staatseigene Aufgabendurchführung die Regel ist, Rn. 92); Diskussionsbeitrag Schuppert, VVDStRL 54, 308 f. 31 Schoch, DVBI1994, 962 (963); Erbguth, UPR 1995, 369. 32 Oster/oh, VVDStRL 54, 204 (223, Fn. 69); ausfUhrlieh zum Begriff und den verschiedenen Erscheinungsformen des "contracting out" die Monopolkommission, BTDrucksache 12/3031, Tz. 44 und Mösche/, Festschrift fllr Gemhuber, S. 905 (908). 33 So etwa Bauer, VVDStRL 54, 243 (252); der wesentliche Unterschied zwischen beiden Arten ist freilich der, daß bei der materiellen Privatisierung regelmäßig die gesetzlich fixierte Aufgabe selbst (das heißt fllr alle künftigen Fälle) durch Gesetzesänderung abgeschaffi bzw. auf eine Kontrollaufgabe beschränkt wird, während bei der funktionalen Privatisierung von Fall zu Fall einzelne Durchführungselemente auf Private übertragen werden, während die gesetzlich fixierte Staatsaufgabe unverändert bleibt. 34 Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 ( 544 ). 35 Schoch, DVBII994, 962 (963); Erbguth, UPR 1995,369.
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C. Arten der Privatisierung
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nimmt als "unselbständiger Erftlllungsgehilfe" vor allem rein technische und mechanische Dienstleistungen, die der Vorbereitung oder Durchsetzung einer behördlichen Entscheidung dienen, während die Entscheidung selbst - und damit die inhaltliche Verantwortung- bei der Behörde verbleibe6 . Es können jedoch auch die Fälle der Beleihung unter die Rubrik der funktionalen Privatisierung gerechnet werden. Beleihung ist die Übertragung hoheitlicher Aufgaben vom Staat an Private zur Erledigung im eigenen Namen37. Im Unterschied zum Verwaltungshelfer hat der Beliehene also nicht nur unselbständig "zuarbeitende" Funktion, sondern er wird kraft seiner eigenen Autorität tätig und kann gegebenenfalls selbst verbindliche Entscheidungen treffen38. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um eine materielle Aufgabenprivatisierung, da die Übertragung hoheitlicher Kompetenzen indiziert, daß es sich bei der Aufgabe nach wie vor um eine staatliche handelt; die Ausstattung Privater mit grundrechtlich nicht begründbaren Handlungskompetenzen macht deutlich, daß diese dann gerade nicht als gleichgeordnete Glieder der Gesellschaft agieren, sondern aus einer besonderen, eben einer staatlichen Position heraus. Konsequenterweise gilt der Beliehene, wenn er in dieser Eigenschaft tätig wird, ja auch selbst als "Behörde" im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze39, ist also gewissermaßen ein "ausgegliederter Behördenteil". Gerade dieser Umstand, daß er zwar als Behörde handelt, personell jedoch nicht in die staatliche Ämterstruktur integriert ist, rechtfertigt es überhaupt, hier von Privatisierung zu sprechen. Wenn somit die Aufgabe selbst als staatliche bestehenbleibt, die Wahrnehmung der damit zusammenhängenden Tätigkeiten aber an einen Privaten delegiert wird, so ist eine Einordnung der Beleihung unter den Begriff der funktionalen Privatisierung konsequent. Dies gilt um so mehr, als die Beleihung nach der hier vertretenen Auffassung keineswegs die gesamte betroffene Behördenaufgabe umfassen muß. Knüpft man den Beleihungstatbestand an die Übertragung hoheitlicher Kompetenzen an, und stellt man ferner in Rechnung, daß solche Kompetenzen auch im 36 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 61; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 15; für einen engen Begriff des Verwaltungshelfers ausdrücklich Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (201). 37 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 2; zum langjährigen Literaturstreit um den entscheidenden Gegenstand der Beleihung (staatliche Aufgabe als solche oder hoheitliche Befugnis) vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 30 ff. 38 Pietzcur in Hoffmann-Riem!Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 284 (285 f.) unterscheidet unter den Stichworten "Entscheidungsverzicht" und "Verfahrensprivatisierung" danach, ob die Entscheidung selbst oder nur die zu ihr fUhrenden Verfahrensschritte auf ein außerstaatliches Subjekt übertragen werden. 39 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 104 Rn. 10; Steluns/Bonk/Sachs, VwVfG, § I Rn. 135.
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rein verfahrensrechtlichen Bereich, also im Vorfeld einer eigentlichen Sachentscheidung, liegen können, so wird ersichtlich, daß die Beleihung nicht immer mit einem vollständigen Entscheidungsverzicht der delegierenden Behörde einhergehen muß, sondern sich auch auf funktionale Vorbereitungshandlungen einer behördlichen Vollzugsentscheidung beschränken kann. Ein Beispiel hierfilr können etwa eigenständige Sachverhaltsermittlungen eines Privaten im Auftrag der Behörde sein40 . Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Übergänge zwischen Verwaltungshilfe und Beleihung in der Praxis ohnehin oft fließend sind; eine Verwaltungshilfe, die etwa darin besteht, die Voraussetzungen filr eine bestimmte Entscheidung in sachverständiger Weise zu beurteilen, wird mit zunehmender Komplexität des Entscheidungsgegenstandes immer mehr zu einer faktischen (Vor-)Entscheidung werden, da die eigentlich entscheidungszuständige Behörde mangels eigener Sachkunde kaum noch gegen das Votum des Verwaltungshelfers entscheiden kann41 . Bedeutet Verwaltungshilfe somit zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch eine weitreichende und umfassende Aufgabendelegation42, so ist es von dort nur noch ein kleiner Schritt bis zur förmlichen Überlassung der Entscheidung selbst an den Privaten, der aufgrund seiner - hoheitlichen - Entscheidungskompetenz dann jedenfalls als Beliehener anzusehen wäre. Da sich auch die Probleme der behördlichen Steuerung und Überwachung der solchermaßen eingesetzten Privaten in vergleichbarer Weise stellen, sollen hier beide Varianten unter dem Aspekt der funktionalen Privatisierung behandelt werden43 .
Vgl. dazu unten § 8 B I. So deutlich Osterloh, VVDStRL 54, 204 (235 f.); zustimmend Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (556 f.). Schoch, DVBl 1994, 962 (977) stellt unter Bezugnahme auf die Ossenbühlschen Einschränkungsversuche (vgl. oben Fußnote 36) fest, daß sich die tatsächliche Entwicklung um diese Rechtsdogmatik nicht gekümmert habe. Zu den vergleichbaren Problemen im Planungsrecht Wahl, DVBl 1993,517 (519, 521 ff.). 42 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (236). 43 Vgl. dazu auch Pietzcker in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 284 (287): "Beleihung ist bei einer weniger formalen Betrachtungsweise immer auch eine Verfahrensprivatisierung". Die Unterscheidung zwischen Beleihung und Verwaltungshilfe bleibt allerdings gleichwohl bedeutsam, insbesondere deswegen, weil flir eine Beleihung gemeinhin eine gesetzliche Grundlage gefordert wird (vgl. z. B. Wolffl Bachof!Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5), flir dieBetrauungmit Aufgaben der Verwaltungshilfe aber nicht. Das wirkt sich jedoch nur auf die Rechtmäßigkeit der einzelnen Privatisierungsmaßnahme, nicht auf ihre Klassifizierung als funktionale Privatisierung aus. Dementsprechend wird ja auch die Frage aufgeworfen, ob nicht weitreichende Verwaltungshilfen ebenfalls unter Gesetzesvorbehalt zu stellen wären (so z. B. Erbguth, UPR 1995, 369 (375 ff.); vgl. dazu auch unten E VI). 40 41
C. Arten der Privatisierung
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IV. Vermögensprivatisierung Schließlich kann noch der Fall einer Vermögensprivatisierung genannt werden. Das meint schlicht die Übertragung von Vermögensgegenständen der öffentlichen Hand auf private Eigentümer, im einfachsten Fall die simple Veräußerung von Staatseigentum44 • Die Vermögensprivatisierung als solche ist unabhängig von der Frage, ob die betroffenen Gegenstände zur ErfUllung staatlicher Aufgaben dienen; falls dies der Fall ist, kann sie etwa mit einer Organisationsoder Aufgabenprivatisierung einhergehen45, dieser Zusammenhang ist aber nicht zwingend. Praktisch am bedeutsamsten ist die Vermögensprivatisierung im Bereich der staatlichen Liegenschaften und Unternehmensbeteiligungen, vor allem des Bundes46 • V. Mischformen Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß es im Rahmen dieser vier dargestellten Typenmodelle zu vielfaltigen Teillösungen und Mischformen kommen kann. Daß die funktionale Privatisierung aus einem anderen Blickwinkel auch als eine teilweise Aufgabenprivatisierung angesehen werden kann, wurde bereits gesagt. Ebenso ist es aber möglich, auch die anderen Privatisierungen nur partiell durchzuführen: sei es, daß nur ein bestimmter Teilausschnitt einer staatlichen Aufgabe auf eine von der öffentlichen Hand betriebene Gesellschaft delegiert wird (teilweise Organisationsprivatisierung) oder nur ein Teil der bislang staatlichen Tätigkeit zugunsten des freien Marktes eingestellt wird (teilweise Aufgabenprivatisierung)47 • Unter die letztere Rubrik ist auch der Fall zu rechnen, daß sich der Staat von der eigenen Aufgabendurchführung zu-
Schach, DVBl 1994, 962; Schmidt in Biemat u.a., Grundfragen, S. 210 (212 f. ). Bei der Organisationsprivatisierung wird das häufig vorkommen (z. B. die Kommune überträgt der von ihr gegründeten Eigengesellschaft das Eigentum an denjenigen städtischen Einrichtungen, die fortan von der Gesellschaft betrieben werden sollen), bei der Aufgabenprivatisierung kann es ebenfalls geschehen (z. B. die Kommune stellt den Betrieb einer städtischen Einrichtung ein und veräußert das bisher daflir genutzte Gebäude). 46 Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (171), bezeichnet die Vermögensprivatisierung als Hauptgegenstand der Privatisierungsdiskussion; eine Einschätzung, die zwar ftir die achtziger Jahre weitgehend zutreffen dürfte, jedoch die Ausweitung und Generalisierung der Debatte in den letzten Jahren vernachlässigt. Eine ausfllhrliche Darstellung der Privatisierungen von Bundesvermögen in den achtziger Jahren findet sich bei Wellenstein, Privatisierungspolitik, S. 185 ff. Vgl. im übrigen die Vorschläge "er Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031 Tz. 52, und den Bericht der Bundesregierung, BT-Drucksache 12/6889. 47 Schach, DVBI 1994, 962 (963) mit weiteren Beispielen zu Teilprivatisierungen. 44 45
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rUckzieht und auf die bloße Kontrollaufgabe beschränkt48 • Ebenso können mehrere Privatisierungsarten zusammentreffen, etwa Aufgaben- und Vermögensprivatisierung49 oder auch materielle und funktionale Privatisierung (der Staat schränkt seine Aufgabe insgesamt ein und läßt die verbleibenden Resttätigkeiten weitgehend von externen Privaten erledigen). Diese Zwischenlösungen spiegeln dabei gleichzeitig die unterschiedlichen Verantwortungsgrade wieder, denen der Staat im Rahmen möglicher Privatisierungsfolgen gerecht werden muß. Insgesamt gibt es daher ein sehr breites Potential an konstruktiven Möglichkeiten, die zwischen den Polen reiner Staatstätigkeit und reiner Privattätigkeit alle Arten einer "Arbeitsteilung" umfassen. Dies eröffnet weitreichende Möglichkeiten, die jeweili~e Art der Privatisierung den spezifischen Situationserfordernissen anzupassen
°.
D. Gründe für Privatisierungen Fragt man nun nach den Gründen, die hinter einer Privatisierungsentscheidung stehen, so ergibt sich wiederum ein differenziertes Bild unterschiedlicher Motivationen. Sie lassen sich im wesentlichen in drei Gruppen zusammenfasS! sen . I. Ordnungspolitische Gründe
Als erstes Motivationselement können ordnungspolitische Erwägungen angefllhrt werden. Angesichts des unbestreitbaren Umstands, daß der Staat im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr Aufgaben an sich gezogen hat52, besteht die Überlegung, diesen Prozeß nicht nur abzubremsen, sondern zumindest partiell rUckgängig zu machen. Der Anteil staatlicher Tätigkeit an der Gesamtheit gesellschaftlich relevanter Aktivität soll reduziert werden. Der ordnungspolitische Ansatzpunkt ist dabei universeller Natur: der gesamte Bestand an staatlichen Aufgaben soll daraufhin untersucht werden, ob er einer Privatisierung zugänglich ist. Die Privatisierung erfolgt insoweit nicht zu bestimmten Vgl. oben C II. Vgl. oben Fußnote 45. 50 Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (558 ff.). 51 Ausfilhrliche Zusammenstellungen der Argumente Pro und Contra Privatisierung finden sich vor allem bei Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (166 ff.), Schmidt in Biernat u.a., Grundfragen, S. 210 (214 f.) und Müller, Rechtsformenwahl, S. 112 ff. 52 Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (18 f.); Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 213 ff. 48 49
D. Gründe für Privatisierungen
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instrumentellen Zwecken, sondern dient in erster Linie der allgemeinen Senkung der Staatsquote. In letzter Konsequenz soll diese - und damit also der staatliche Aufgabenbestand als solcher - auf das verfassungsrechtlich zulässige Minimum an "Kernaufgaben" reduziert werden53 • 1. Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Staates
Dahinter steht zunächst die Erkenntnis, daß der Staat angesichts einer stetig wachsenden Aufgabenflut über kurz oder lang an die Grenzen seiner Leistungsflihigkeit geraten muß und erste Anzeichen filr eine derartige Überforderung auch bereits deutlich erkennbar sind54 • Wiederkehrende Klagen über Staatsversagen und abnehmende Steuerungsflihigkeit des Staates sowie - unter dem Blickwinkel dieser Untersuchung besonders aufschlußreich - zunehmende Vollzugsdefizite sind etwa solche Signale. Diese Motivationsrichtung zielt also darauf ab, den Staat vor einer hypertrophen Vermehrung seiner Aufgaben und damit letztlich vor sich selbst zu schützen. 2. Sicherung gesellschaftlicher Freiräume
Darüber hinaus stehen aber auch grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft bei den ordnungspolitischen Privatisierungsbestrebungen Pate. Es liegt in der Polarität dieser beiden Institutionen begründet, daß, je mehr Aufgaben und Tätigkeiten der Staat erledigt und filr sich in Anspruch nimmt, desto weniger den gesellschaftlichen Kräften und damit jedem Einzelnen zu tun verbleibt. Ein omnipotenter und -kompetenter Staat würde, so es ihn gäbe, zwangsläufig auch totalitäre Züge annehmen und die Freiheit seiner Bürger zunehmend abschnüren55• Von einem solchen Zustand ist man nun zwar hierzulande - allen Unkenrufen zum Trotz - immer noch weit entfernt. Dennoch kann im Hintergrund der ordnungspolitischen Privatisierungsargumentation eine prononciert liberalistische Auffassung ausgemacht werden, die vor diesem Szenario letztlich alle staatliche Tätigkeit als tendenziell freiheitsgeflihrdend ansieht und sie deswegen möglichst limitieren will. In letzter Konsequenz läuft dies auf die Anerkennung eines allgemeinen Subsidi-
53 Zur Kernaufgabendiskussion und ihren Hintergründen vgl. Wel/enstein, Privatisierungspolitik, S. 37 ff., sowie Bauer, VVDStRL 54, 243 (248) mit Bezugnahmen auf das Privatisierungskonzept der Sächsischen Staatsregierung. 54 Bauer, VVDStRL 54, 243 (245). ss /sensee, HdbStR Bd. III, §57 Rn. 158 ff.
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
aritätsprinzips hinaus56• Dementsprechend wird in der Diskussion immer wieder betont, daß Selbständigkeit und Wettbewerb, Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Bürger gegenüber dem interventionistischen und marktverdrängenden Staat gestärkt werden sollen57 • 3. Politisch-weltanschauliche Hintergründe
Der allgemeinen ordnungspolitischen Zielsetzung, den Umfang staatlicher Aktivität zugunsten der privaten Kräfte zu reduzieren, liegen also zwei wechselseitig korrespondierende Teilaspekte zugrunde. Einmal soll die Staatsquote im eigenen Interesse des Staates gesenkt werden, um eine Aufgabenüberfrachtung zu vermeiden, zum anderen entspricht dies auch dem gesellschaftlichen Interesse an der Erhaltung und Sicherung individueller Handlungsfreiräume. Beide Elemente ergänzen sich und bilden zusammen den motivatorischen Hintergrund dieses Ansatzes. Die solchermaßen begründete ordnungspolitische Privatisierungsstrategie entspricht durchaus dem Zug der Zeit58 • Symptomatisch hat etwa die Bundesregierung die Privatisierung mit großen Lettern auf ihre Fahnen geschrieben59• In politischen Kategorien ist der derzeitige ordnungspolitische Privatisierungsschub auch als Gegenbewegung zu solchen Bestrebungen der Vergangenheit anzusehen, die vor allem im sozialen Bereich immer neue Aufgabenfelder aus der Verfassung herausinterpretiert haben, mit der Folge, daß der Staat im Ergebnis filr beinahe alles zuständig sein sollte60• Diesem "Wildwuchs" der Staatsaufgaben mit einer Abbaustrategie zu begegnen, ist daher das allgemeine Anliegen dieser ordnungspolitischen Zielsetzung. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß unter dem Schlagwort "mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr individuelle Freiheit" auch ein breites Einfallstor filr jedwede Art ideologischer Argumentation geöffnet ist. Denn darüber, wieviel Staat nötig und wieviel Markt sozialverträglich möglich ist, gehen die Ansichten je nach weltanschaulicher Ausrichtung weit auseinander. Folgerichtig sind
56 In diesem Sinne äußert sich etwa /sensee, HdbStR Bd. 111, § 57 Rn. 165 ff. ; dagegen aber beispielsweise v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 26 ff., und im Ergebnis auch Schulze-Fielitz in Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. II (35 ff.). 57 Vgl. Wel/enstein, Privatisierungspolitik, S. 140 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (168); Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031 Tz. 51. 58 Bauer, VVDStRL 54, 243 (247 f.); Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (549); Mösche/, Festschrift für Gemhuber, S. 905. 59 Beispielsweise im Bericht zur Sicherung des Standorts Deutschland, BTDrucksache 12/5620, S. 12, 41 f., 51 f. 60 Vgl. zur (neo-)konservativen Wohlfahrtsstaatskritik Wellenstein, Privatisierungspolitik, S. 47 ff.
D. Gründe fllr Privatisierungen
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dann auch in diesem Bereich die größten Polarisierungen zwischen Gegnern und Befiirwortern von Privatisierungsstrategien zu konstatieren61 • Aus der einen Extremposition heraus erscheint Privatisierung quasi als Selbstzweck und Allheilmittel fiir die verschiedensten Problerne des wirtschaftlich und sozial überforderten Staates, auf der anderen Seite formieren sich die Widerstände der von den Privatisierungsmaßnahmen Betroffenen in einer Art Fundamentalopposition gegen jede Veränderung des öffentlich-rechtlichen Status quo. Diese ideologische Befrachtung macht die ordnungspolitische Argumentationsebene der Privatisierungsdiskussion zum literarisch besonders ergiebigen Feld der Auseinandersetzung, birgt aber auch die Gefahr in sich, daß das sachliche Für und Wider der Debatte gegenüber den weltanschaulich geprägten Positionen ins Hintertreffen gerät. Dementsprechend wird in jüngerer Zeit verstärkt darauf hingewiesen, daß pauschale und globalisierende Aussagen über den Umfang möglicher Privatisierungen nicht weiter fiihren und daher besser ersetzt werden sollten durch sachbezogene Analysen über die Privatisierungsflihigkeit einzelner, konkret zu fixierender Teilbereiche62. 4. Schwerpunktbereiche ordnungspolitisch motivierter Privatisierungen
Getreu den genannten Zielsetzungen äußern sich ordnungspolitisch motivierte Privatisierungsbestrebungen vor allem in materiellen Privatisierungsmaßnahmen sowie in Vermögensprivatisierungen. Im ersteren Fall ist der eigentliche Prototyp einer Verlagerung von Tätigkeiten vorn Staat zur Gesellschaft hin erfaßt, im letzteren wirkt sich die Aufgabe von Vermögenspositionen - namentlich von öffentlichen Unternehmensbeteiligungen - dahingehend aus, daß der staatliche Einfluß auf die Wirtschaft zurückgedrängt wird. Dementsprechend sieht etwa die Monopolkornmission hier auch das größte Privatisierungspotential63. Weniger relevant in diesem Bereich sind hingegen formelle Privatisierungsrnaßnahrnen, da der schlichte Austausch der Rechtsform die 61 Schach, DVBI 1994, 962 (965 f.); König in Biemat u.a., Grundfragen, S. 247 (259) spricht von "Glaubenskämpfen", Schuppert in lpsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (32) von "politisch-ideologischer Verkrustung". Ein ähnliches Problem starker Ideologisierung hatte Ossenbühl bereits 1970 in der Diskussion um die Erftlllung von Verwaltungsaufgaben durch Private ausgemacht (vgl. VVDStRL 29, 137 (152)), diese Erscheinung hat also schon Tradition. 62 So z. B. Schach in Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 63 (67 f.). Mit den Kriterien, die bei der konkreten Entscheidung ftlr eine bestimmte (staatliche oder private) Organisationsform der öffentlichen Aufgabenerflillung eine Rolle spielen können, befassen sich Schuppert in Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (32 ff.) und ausfUhrlieh Müller, Rechtsformenwahl, S. 299 ff., 383 ff. 63 BT-Drucksache 12/3031 Tz. 52; skeptisch dazu allerdings Oster/ah, VVDStRL 54, 204 (210) mit dem Hinweis, daß weniger Staatsbeteiligung in diesen Fällen noch nicht automatisch mehr Markt bedeuten muß.
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
staatliche Aktivität lediglich in ein neues Gewand hüllt, an ihrem Wesen aber nichts verändert und damit die Staatsquote nicht verringert. II. Finanzpolitische Gründe
Den zweiten bedeutenden Motivationsschub erfllhrt die Privatisierung aus finanzpolitischen Gründen. Angesichts chronisch leerer öffentlicher Kassen wird in der Privatisierung ein Mittel gesehen, die Geldnöte von Bund, Ländern und Kommunen zu lindern. Dabei ist festzustellen, daß dieses Argument vor allem seit der Wiedervereinigung und den in ihrem Gefolge auftretenden finanziellen Belastungen filr den Aufbau der neuen Länder stark an Boden gewonnen hat: Schuppert identifiziert mittlerweile das fiskalische Kalkül als den eigentlichen "drive" filr Privatisierungsmaßnahmen64• Die Zielrichtung ist dabei eine doppelte: zum einen soll durch Privatisierung externes Kapital aktiviert und letztlich dem Staat filr Zwecke der Aufgabenerfilllung zur VerfUgung gestellt werden, zum anderen geht es darum, die öffentliche Hand von defizitären Aufgabenbereichen zu entlasten65 • Hierfilr gibt es verschiedene Wege. I. Aktivierung externen Kapitals
Die einfachste Art der Geldbeschaffung ist die Veräußerung staatlicher Vermögenswerte, also die Vermögensprivatisierung. Praktisch steht hier abermals die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen im Vordergrund. Dabei handelt es sich freilich um einmalige Effekte, die allenfalls kurzfristige fmanzielle Engpässe zu überwinden vermögen, keinesfalls jedoch eine dauerhafte Lösung filr die Finanzprobleme des Staates und seiner Untergliederungen darstellen können66 • Treffend spricht man dann auch von dieser Art der Privatisierung als der"Veräußerung des Tafelsilbers"67 : ist der Ausverkauf abgeschlossen, so versiegt die Geldquelle. Überdies sind filr den privaten Erwerber dabei naturgemäß vor allem diejenigen staatlichen Betriebseinheiten interessant, die rentierlieh arbeiten und daher einen Gewinn erwarten lassen; hingegen ist der 64 Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (546); ähnlich Osterloh und Bauer, VVDStRL 54, 204 (213) bzw. 243 (257). 65 Schoch, DVBI 1994, 962 (967); Lecheler, BayVBI 1994, 555 f. 66 Den Einmal-Zweck solcher Privatisierungen räumt auch die Monopolkommission, BI-Drucksache 12/3031 Tz. 50 ein; kritisch dazu Osterloh, VVDStRL 54, 204 (213), die außerdem darauf verweist, daß die Erträge aus solchen Veräußerungen im Rahmen der gesamten Staatseinnahmen und gegenüber den gewaltigen Staatsausgaben nur marginale Bedeutung haben. 67 Schoch, DVBI 1994, 962 (967); Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (544).
D. Gründe fllr Privatisierungen
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Anreiz, ein unrentierliches Unternehmen zu erwerben, gering68• Deswegen wohnt der Vermögensprivatisierung die Tendenz inne, daß die staatlichen Körperschaften sich aus den lukrativen Wirtschaftsbereichen zurtickziehen und auf den defizitären Unternehmen sitzenbleiben. Das ist jedoch kaum dazu angetan, die prekäre Situation der öffentlichen Finanzen strukturell zu verbessern. Diffizilere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich, wenn es darum geht, privates Kapital für staatliche Infrastrukturmaßnahmen zu aktivieren. Die verschiedenen Modelle der Finanzierungsprivatisierung, etwa beim Straßenbau, mögen hierfilr Beispiele abgeben69• Die damit zusammenhängenden Fragen bilden jedoch ein eigenes Problemfeld, das im hiesigen Zusammenhang nicht weiter vertieft werden soll. Es sei nur festgehalten, daß die akute Finanzknappheit der öffentlichen Hand hier einigen Erfindungsgeist beflügelt hat. Aller• dings handelt es sich auch bei diesen Projekten regelmäßig um singuläre Komplexe, nicht um breiter angelegte Staatsentlastungen. 2. Abbau von Defiziten
Interessanter ist daher langfristig der fiskalisch motivierte Abbau von Defiziten. Dies kann in den unterschiedlichsten Formen erfolgen. Die öffentliche Hand kann etwa im Wege der materiellen Privatisierung die Erbringung bestimmter Leistungen einstellen und es dem Markt überlassen, ob und zu welchem Preis er sie künftig erbringen wird. Das ist eine Erscheinung, die sich insbesondere im Bereich der kommunalen Einrichtungen findet: die reihenweise Schließung oder Einschränkung von städtischen Schwimmbädern und Büchereien ist genau hier anzusiedeln. Freilich handelt es sich gerade dabei dann regelmäßig nicht um eine geordnete Zurtickverlagerung von Aufgaben in den privaten Sektor, sondern schlicht um die Ziehung der finanzpolitischen Notbremse; der Begriff "Privatisierung" ist filr diese Sachverhalte wohl etwas euphem1st1sch70. 0
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Ebenfalls finanzpolitisch begrUndet ist die oft anzutreffende Organisationsprivatisierung in demselben Bereich. Dabei ist die Erwartung dann eher die, daß ein privatrechtlich gefilhrtes Unternehmen, befreit von den Fesseln des öffentlichen Haushalts- und Dienstrechts, effizienter und damit auch kostengün-
68 Reichstein in Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 115 (120 ff., 126), die allerdings auch ein Beispiel fllr die private Finanzierung einer untentierliehen kommunalen Investition bietet (S. 123 ff.). 69 Vgl. Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 541 (545). 70 Osterloh, VVDStRL 54, 204 (214) bezeichnet diese Diktion als ein "Wahrheitsproblem im Verfassungsstaat". 10 Ludwig
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stiger wirtschaften könne als eine Abteilung der Verwaltung71 • Damit dient die Privatisierung freilich in erster Linie der AushebeJung der als hemmend empfundenen öffentlich-rechtlichen Vorschriften72 . In die gleiche Richtung weisen schließlich auch funktionale Privatisierungsbestrebungen, diese freilich nicht nur im Bereich der Leistungsverwaltung. Auch ihnen liegt die Annahme zugrunde, daß der private Verhaltungshelfer aufgrund struktureller und organisatorischer Vorteile bestimmte Teilleistungen der Aufgabenerfiillung billiger erbringen kann, als dies der Verwaltung selbst im Rahmen ihrer öffentlichrechtlichen Tätigkeit möglich wäre73 • Dabei ist anzumerken, daß "billiger" aus der Sicht der Verwaltung hier vor allem "mit niedrigeren Personalkosten" bedeutet74 • Sowohl wenn eine Aufgabe mittels einer materiellen Privatisierung vollständig entfällt als auch dann, wenn sie nach einer formellen oder funktionalen Privatisierung von privatrechtliehen Trägem wahrgenommen wird, fiihrt dies dazu, daß die bislang damit befaßte Verwaltung kein eigenes Personal mehr damit beschäftigen muß. Angesichts der hohen Personalkosten in Deutschland ist dieser Bereich der Einsparungen gleichzeitig auch besonders lukrativ. 111. Gründe der Effizienzsteigerung und der Vollzugsverbesserung Schließlich rückt gerade in letzter Zeit zunehmend die Überlegung in den Vordergrund, daß Privatisierungsmaßnahmen auch in der sachlichen Aufgabenerfüllung zu Verbesserungen der Effizienz und des Vollzugs fiihren können. Die zugrundegelegte Vermutung, daß Private im allgemeinen flexibler und deswegen effektiver arbeiten und wirtschaften können als Behörden, führt zu der Erwartung, daß ihnen dann auch eine schnellere und bessere Erledigung anstehender Aufgaben möglich sein milßte 75• Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß den Privaten eine Spezialisierung auf ganz bestimmte Tätigkeiten und Beflihigungen möglich ist, wohingegen die Verwaltung selbst als Fachbehörde immer einen breiteren Arbeitsbereich haben wird. Die mit einer derartigen Spezialisierung zusammenhängende Anpassung der Privaten an die jeweiligen Erfordernisse (etwa durch Rationalisierung des Betriebsablaufs oder Strukturierung der Betriebsgröße) bürgt dann fiir sich genommen schon für ei71 Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (167); Wahl, DVBI 1993, 517 (519); kritisch dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 299. 72 Das vermerkt mißbilligend die Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031 Tz. 46. 73 Die Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031 Tz. 45, nennt hier Rationalisierungs-, Spezialisierungs- und Betriebsgrößenvorteile. 74 Krölls, GewArch 1995, 129 (133). 15 Hengstschläger, VVDStRL 54, 167 f.; Knemeyer, der städtetag 1992, 317 (318).
D. Gründe für Privatisierunger
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ne optimierte Aufgabenerfüllung76• Das private Unternehmen kann sich sozusagen auf die größtmögliche Effektivität seiner Leistungserbringung fokussieren, während die vergleichbare Behörde zumeist noch andere Umstände zu berücksichtigen hae7 • Das überschneidet sich freilich vielfach mit den gleichlaufenden fiskalischen Erwägungen: wer seine Leistung effizienter erbringen kann, wird im Verhältnis zu minder effektiven Konkurrenten häufig auch billiger sein. Die strukturellen Vorteile privatwirtschaftlich organisierter, flexibler Aufgabenträger gegenüber der öffentlichen Ämterverwaltung können sich also sowohl in einer kostengünstigeren als auch in einer qualitativ besseren Aufgabenerfüllung äußern. Dementsprechend stehen unter diesem Aspekt sowohl die formelle als auch die materielle und die funktionale Privatisierung zur Verfügung, da in allen drei Fällen durch den Einsatz Privater die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die als das besonders störend empfundene Hindernis angesehen werden, umgangen werden. Damit ist freilich gleichzeitig wieder der Umstand angesprochen, daß Privatisierungen in diesem Bereich ebenfalls zur Umgehung des öffentlichen Dienstrechtes vorgenommen werden78• Hinzu kommt als weiteres wichtiges Moment die VerfUgbarkeit der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Fachkenntnisse und Befähigungen. Wie bereits im Vierten Kapitel dargelegt wurde, können die spezifischen, aufgabenrelevanten Fachkenntnisse in den Behörden schlechterdings kaum vollständig vorhanden sein; auf dem weitaus größeren "freien Markt der Wissenschaft" werden sie hingegen - gerade infolge der angesprochenen Spezialisierungen normalerweise irgendwo verfügbar sein. Unter diesen Umständen liegt es nahe, das zur behördlichen Aufgabenerfüllung notwendige "Know-how" aus diesen privaten Quellen zu beschaffen und damit eine ordnungsgemäße Aufgabenertullung überhaupt erst möglich zu machen 79• Das gleiche gilt tur die eventuell erforderlichen technischen Hilfsmittel und Apparaturen. Insoweit dient eine Privatisierung dann der Erschließung personeller und technischer Ressourcen, die bei den Behörden nicht oder nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Diese Variante wird in erster Linie durch Maßnahmen der funktionalen Privatisierung zu verwirklichen sein, sei es indem der Private als sachverständiger Verwaltungshelfer nur seine Kenntnisse und technischen Möglichkeiten zur VerfUgung stellt, sei es indem er dann als Beliehener auch die daraus resultierenden Entscheidungen trifft.
Vgl. Monopolkommission, BT-Drucksache 12/3031, Tz. 45. Vgl. Osterloh, VVDStRL 54, 204 (215 ff.). 78 Kritisch dazu Osterloh, VVDStRL 54, 204 (215 ff.). 79 Lecheler, BayVBI 1994, 555 (556). 76 77
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Schließlich kann eine Effizienzverbesserung beim Einsatz Privater daraus resultieren, daß diese nicht den typischen Motivationshemmnissen unterliegen, welche im Bereich des öffentlichen Dienstes eine Rolle spielen. Das meint zum einen, daß die höheren Leistungsanreize im privaten Bereich generell zu einer besseren Motivation gegenüber den öffentlichen Verwaltungen filhren können, wenn es darum geht, erforderliche Tätigkeiten schnell und gründlich vorzunehmen80; wer nach erledigten Aufträgen bezahlt wird, ist im eigenen Interesse eher geneigt, filr prompte Erledigung zu sorgen. Weiterhin können gerade spezialisierte Verwaltungshelfer, die sich nur mit einzelnen Aspekten einer bestimmten Aufgabe zu befassen haben, diese unbekümmert um möglichen Folgelasten angehen und müssen dabei auch nicht ständig die Zielkonflikte und politischen Wechselwirkungen ihres Handeins berücksichtigen. Privat betriebene Sachverhaltsermittlung kann beispielsweise in umfassender Weise erfolgen, ohne daß der betroffene Private sich damit selbst unter Handlungs- und Entscheidungsdruck setzt81 • Ein in Sachen Umweltschutz tätiger Privater kann in einer konkreten Konstellation auf eine allein umweltschutzorientierte Lösung hinwirken, ohne sich dabei mit wirtschaftspolitischen oder parteitaktischen Überlegungen belasten zu müssen82. Damit soll nicht behauptet werden, daß derartige Einwirkungen auf die Aufgabenerfilllung Privater ausgeschlossen wären; vielmehr spricht der Umstand, daß noch in jeder politischen Auseinandersetzung von beiden Seiten sachverständige, wenngleich regelmäßig entgegengesetzte Expertisen bemüht werden, dafilr, daß die Befragung des privaten Sachverstandes üblicherweise das Ergebnis zutage fördert, das der jeweilige Auftraggeber wünscht. Gleichwohl kann aber eine unbeeinflußte private Tätigkeit unter Umständen objektiver sein, als es der ständig an vielen Fronten zugleich engagierten Verwaltung selbst im günstigsten Falle möglich wäre; diese Objektivität zu sichern, ist dann eine Frage der konkreten Gestaltung der Privatisierung.
E. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung Schließlich darf bei einer Darstellung der Privatisierungsdiskussion ein Blick auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht fehlen, unter 80 Wahl, DVBl 1993, 517 (519) führt hierzu eine allgemeine Verbesserung der psychologischen Anreizsituation ins Feld; das freilich dürfte in dieser Allgemeinheit schwer nachzuweisen sein. Allerdings wird eine privatrechtliche Organisationsform zumindest gegenüber der breiten Öffentlichkeit oft eine stärkere Ausrichtung am Erfolgsmodell suggerieren; in diesem Sinne Knemeyer, der Städtetag 1992, 317 (318). 81 Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993,263 (264). 82 Auf diese rationale Trennung der verschiedenen administrativen Zielsetzungen stellt namentlich Osterloh, VVDStRL 54, 204 (215 ff.) ab.
E. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung
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denen eine Einbindung Privater in staatliche Aufgabenbereiche stattfinden kann. Die Befassungen mit diesem Sujet sind mittlerweile Legion. Das Ergebnis der Verfassungsanalyse lautet jedoch weithin übereinstimmend, daß das Grundgesetz weder ein prinzipielles Privatisierungsverbot noch ein Privatisierungsgebot aufstellt und namentlich der Gesetzgeber daher einen weiten Gestaltungsspielraum hat, ob und inwieweit er eine Tätigkeit von Privaten neben oder anstelle der staatlichen Aufgabenerfüllung zulassen will83 • Diese Offenheit der Verfassung filr Privatisierungen ist wiederum im Zusammenhang mit den Überlegungen zu sehen, die insoweit filr die Begründung von Staatsaufgaben unmittelbar aus dem Grundgesetz angestellt worden waren. Da die Verfassung selbst kaum detaillierte Staatsaufgaben festlegt, sondern dies primär dem einfachen Gesetzgeber überläßt84, ist es folgerichtig, wenn diesem dann auch regelmäßig die Entscheidung obliegt, ob er diese Aufgaben allein durch staatliche Funktionsträger oder unter Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte wahrnehmen lassen will. Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist allerdings auch hier die staatliche Verantwortung, die sich etwa aus grundrechtliehen Schutzpflichten ergeben kann, und im Einzelfall einer zu weitgehenden Delegation staatlicher Aufgaben entgegenstehen kann85 ; allerdings betrifft dies regelmäßig nur die Reichweite der einzelnen Privatisierung, nicht ihre Zulässigkeit als solche. Vor diesem Hintergrund sollen die verfassungsrechtlichen Hauptaspekte vorliegend nur insoweit angerissen werden, als sie sich im Bereich des immissionsschutzrechtlichen Vollzugs als relevant erweisen können. I. Die Privatisierungsunfähigkeit "originärer'' Staatsaufgaben
Weitgehend wird eine Privatisierungsunfiihigkeit der "originären" oder "genuinen" Staatsaufgaben vertreten86• Der Staat dürfe die Ausübung der auswärtigen Gewalt, der Landesverteidigung, der Gesetzgebung und der Rechtsprechung nicht aus der Hand geben, da er damit den Kern seiner Staatlichkeit preisgebe87 • Abgesehen davon, daß in Randbereichen dieser Gebiete bereits jetzt private Aktivitäten vorkommen (z. B. private Schiedsgerichtsbarkeit oder 83 Bauer, VVDStRL 54, 243 (266); Lecheler, BayVB1 1994, 555 (557); Schoch, DVBI 1994, 962 (969); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 28; Hofmann, Rainer, VBIBW 1994, 121 (124); Müller, Rechtsforrnenwahl, S. 241 ff. 84 Vgl. oben § I BI 1 c bb/cc. 85 Dazu unten E IX 2. 86 Zur Kritik an der Bezeichnung "originäre" Staatsaufgaben vgl. oben § 1 B II 2. 87 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 22; Hengstschläger, VVDStRL 54, 165 (174); ähnlich Krölls, GewArch 1995, 129 (135) unter dem Aspekt des Funktionsvorbehalts.
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private Nonnung88), stehen Privatisierung in den Kernbereichen der genannten Aufgabenfelder nicht zur Diskussion und haben auch fiir den hiesigen Untersuchungsgegenstand keine größere Bedeutung. II. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG Als Privatisierungshindernis wird zuweilen Art. 33 Abs. 4 GG angesehen. Danach ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Hoheitliche Aufgaben sollen also grundsätzlich von Beamten wahrgenommen werden. Bei der Interpretation der Vorschrift ist umstritten, ob sie ausschließlich das Verhältnis zwischen Beamten und nichtverbeamteten Angehörigen des öffentlichen Dienstes zugunsten der ersteren regeln soll, soweit hoheitliche Tätigkeiten betroffen sind89, oder ob sie darüberhinaus eine allgemeine Aussage enthält, daß jegliche hoheitliche Tätigkeit prinzipiell Beamten vorbehalten sein soll90• Unabhängig von dieser Streitfrage hat aber Art. 33 Abs. 4 GG fiir konkrete Privatisierungsfragen üblicherweise keine größere Bedeutung. Denn zum einen ist der Anwendungsbereich ausschließlich in den Fällen der Beleihung betroffen. Maßnahmen der fonnellen Privatisierung oder der Vermögensprivatisierungbewirken nur einen Wechsel der Rechtsfonn oder der Inhaberschaft, begründen aber keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse. Das gleiche gilt fiir die materielle Privatisierung: bei ihr findet ja gerade eine Freigabe der Aufgabe durch den bisherigen staatlichen Träger statt, die dazu filhrt, daß sie als staatliche Aufgabe nicht mehr existiert, und dann können auch keine hoheitlichen Befugnisse mehr bestehen. Der schlichte Verwaltungshelfer schließlich hat nur unterstützende bzw. zuarbeitende Funktion und übt selbst keine hoheitlichen Befugnisse aus; überdies ist er meist nur von Fall zu Fall, und damit nicht "ständig" im Sinne der Vorschrift mit diesen Tätigkeiten befaßt. Ist somit von vomherein nur ein kleiner Bereich der möglichen Privatisierungen berührt, so ist weiterhin zu beachten, daß der Funktionsvorbehalt des
Vgl. zur privaten Normung unten§ 10. In diesem Sinne v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 23 f.; wohl auch Erbguth, UPR 1995, 369 (372). 90 So Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 64 ff.; Reinhardt, AöR 118, 617 (621). Diese Argumentation folgt dabei einem Erst-recht-Schluß: wenn schon innerhalb des öffentlichen Dienstes den Beamten bei der Erfllllung hoheitlicher Aufgaben wegen ihrer stärkeren dienstlichen Einbindung der Vorrang eingeräumt werden soll, so müsse das erst recht gegenüber Privaten gelten, die überhaupt nicht in die öffentlich-rechtliche Personalstruktur eingegliedert sind. 88
89
E. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung
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Art. 33 Abs. 4 GG nicht ausschließlich, sondern nur "in der Regel" gilt. Diese gesetzliche Fonnulierung wird als Ausnahmevorbehalt gemeinhin so interpretiert, daß der Gesetzgeber aus sachlichen Gründen auch Private mit Hoheitsgewalt ausstatten darf 1; dies ist ja gerade die Grundlage jeglicher Beleihung. Der sachliche Grund muß dabei um so gewichtiger sein, je einschneidender und umfassender die hoheitlichen Kompetenzen des Beliehenen sind92 . Andererseits hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Zwecke, die er mit einer solchen abweichenden Regelung verfolgt, auch hier regelmäßig einen weiten Spielraum, so daß an die sachliche BegrUndung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Art. 33 Abs. 4 GG hat insoweit praktisch vor allem die Funktion, einer gänzlich unreflektierten Auslagerung staatlicher Kernfunktionen entgegenzuwirken93 • Die im umweltrechtlichen Vollzugsbereich nonnalerweise relevanten GrUnde, daß nämlich mittels eines Rückgriffs auf privaten Sachverstand und sonstige Kapazitäten die Überlastung des staatlichen Vollzugsapparates vennieden werden soll und Vollzugsdefizite verringert werden sollen, sind insoweit regelmäßig als stichhaltig anzusehen94 • 111. Die Vorschriften über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 87 ff. GG) In verschiedenen Vorschriften der Art. 87 ff. GG sind dem Bund Staatsaufgaben zur eigenen Wahrnehmung und Verwaltung übertragen, wobei teilweise nähere Maßgaben über die Art der Verwaltung getroffen werden (vgl. z. B. Art. 87 Abs. I Satz I, 87 b Abs. I Satz I, 87 d Abs. I GG). Die grundsätzliche Relevanz dieser Regelungen für mögliche Privatisierungen ist umstritten. Während eine Ansicht davon ausgeht, daß diese Vorschriften (wie der gesamte Achte Abschnitt des Grundgesetzes) nur die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zum Gegenstand haben und folglich über die Modalitäten
91 BVerwGE 57, 55 (59 f.); Maunz in Maunz!Dürig/Herzog, GG, Art. 33 Rn. 42; Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 70 ff.; Hofmann, Rainer, VBlBW 1994, 121 (123); Di Fabio, VerwArch 81, 193 (225); Reinhardt, AöR 118, 617 (623); wohl auch BVerfGE 9, 268 (284). Kritisch zur faktischen "Abwertung" der Vorschrift Lecheler, BayVBl 1994, 555 (557). 92 Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 79 ff. 93 Reinhardt, AöR 118,617 (623). Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 33 Rn. 42, bezeichnet den Funktionsvorbehalt als "eine Art Wesensgehaltsgarantie filr den Aufgabenbereich der Beamten". 94 Reinhardt, AöR 118, 617 (624); Di Fabio, VerwArch 81, 193 (225); Erbguth, UPR 1995, 369 (372); vgl. auch Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 83 ff., der alle diese Gründe letztlich auf den einen Grund "Staatsentlastung" zurückfUhrt.
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der Wahrnehmung keine Aussage treffen95, erkennt die Gegenauffassung in der Konstituierung "bundeseigener" Verwaltung auch die Verpflichtung zur Tätigkeit mit eigenen - behördlichen - Organen96. Immerhin hat sich der Gesetzgeber veranlaßt gesehen, die Privatisierungen bei der Flugsicherung (Art. 87 d Abs. I GG) sowie bei Bahn und Post (Art. 87 e und 87 f GG) durch Verfassungsänderungen zu untermauern. Letztlich kann diese Frage hier jedoch offenbleiben, da die genannten Vorschriften den Bereich des Umwelt- und Immissionsschutzes nicht betreffen. IV. Das Demokratieprinzip Auch das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG steht einer Aufgabenübertragung auf Private nicht grundsätzlich entgegen. In der Ausformung der repräsentativen Demokratie besagt es, daß alle staatlichen Entscheidungen in doppelter Hinsicht demokratisch legitimiert sein müssen: persönlich, indem der jeweilige Entscheidungsträger seine Entscheidungskompetenz durch eine ununterbrochene Kette von Berufungsakten schließlich auf den Volkswillen zurückfUhren kann, und sachlich, indem auch die Entscheidungsmaßstäbe - also vor allem die anzuwendenden Normen - eine entsprechende demokratische Legitimation besitzen97• Dieser Legitimationszusammenhang würde unterbrochen, wenn maßgebliche Aufgaben zur selbständigen Erledigung an Private überantwortet würden, ohne daß diese ihrerseits einer inhaltlichen Kontrolle ihrer Tätigkeit durch demokratisch legitimierte Instanzen unterworfen wären98• Das ist aber bei den in Frage kommenden Privatisierungskonstellationen regelmäßig nicht der Fall. Zunächst ist zu bemerken, daß im Falle einer materiellen Privatisierung infolge der Entlassung der vormals staatlichen Aufgabe in den gesellschaftlichen Bereich wiederum keine staatliche Aufgabe und damit keine staatlichen Entscheidungsprozesse vorliegen. Auf der anderen Seite ist bei der funktionalen Privatisierung, soweit sie durch den Einsatz von Verwaltungshelfern erfolgt, keine förmliche Verlagerung der Entscheidungsgewalt von der Behörde auf den Verwaltungshelfer gegeben; dieser hat nur zuarbeitende Funktion, während die letztendliche Entscheidung nach wie vor von der 95 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 24 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (163); Schoch, DVBI 1994, 962 (969); Hofmann, Rainer, VBIBW 1994, 121 (123); Erbguth, UPR 1995, 369 (372 f.). 96 Bauer, VVDStRL 54, 243 (263); Lecheler, BayVBI 1994, 555 (557); Krölls, GewArch 1995, 129 (137); zumindest teilweise wohl auch Krebs, HdbStR Bd. III, § 69 Rn. 57. 97 Herzog in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20, Abschnitt II, Rn. 47 ff.; vgl. zum Prinzip der repräsentativen Demokratie auch Katz, Staatsrecht, Rn. 142 ff. 98 Vgl. auch zur Theorie von den "ministerialfreien Räumen" Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 93 ff., und Di Fabio, VerwArch 81 , 193 (216 ff.).
E. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung
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Behörde getroffen wird. Probleme der demokratischen Legitimation können sich also von vomherein nur im Bereich der Organisationsprivatisierung und der Beleihung ergeben99. Bei diesen aber beruht die Konstituierung des Privaten als Entscheidungsträger (durch die Begründung der privatrechtliehen Organisationsform bzw. durch den Beleihungsakt) ausnahmslos auf einer Entschließung des bisherigen staatlichen Aufgabenträgers (so etwa - bei der Gründung einer kommunalen Eigengesellschaft - auf einem entsprechenden Beschluß des Gemeinderates, bei der Beleihung - die bekanntermaßen durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu erfolgen hat - auf einem Parlamentsbeschluß). Dadurch ist zumindest die Tatsache der Privatisierung als solche demokratisch legitimiert. Die Fragestellung verengt sich dann im folgenden auf ein Problem der Kontrolle des jeweiligen Privaten durch das übergeordnete, demokratisch direkter legitimierte, staatliche Organ. Die Probleme demokratischer Kontrolle stellen sich jedoch grundsätzlich bei allen verselbständigten Verwaltungseinheiten, nicht nur bei der Beteiligung von Privaten, und sie sind regelmäßig so zu lösen, daß sich die übergeordnete staatliche Behörde prinzipiell bestimmte Einwirkungs- und Korrekturmöglichkeiten offenhalten muß 100• Deren Ausgestaltung wird dann von verschiedenen Faktoren, unter anderem von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen, bestimmt (je gewichtiger die Gründe filr eine Aufgabendelegation an Private sind, desto eher ist eine AbkoPopelung von den direkt demokratisch legitimierten Instanzen hinzunehmen) 01 • Das stellt jedoch ein Problem der Privatisierungsmodalitäten im Einzelfall dar und ist mithin nicht geeignet, grundsätzliche Hindernisse filr ein privates Tätigwerden aufzurichten. V. Das Sozialstaatsprinzip Entsprechend stellt auch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. I GG kein Privatisierungsverbot dar. Die Verpflichtung des Staates auf sozial verträgliches Handeln ist als solche viel zu unbestimmt, um eine Fixierung auf eine 99 Parallel zu diesen Fällen werden allerdings in neuerer Zeit auch diejenigen Konstellationen der Verwaltungshilfe problematisiert, bei denen die Tätigkeit des Verwaltungshelfers (v.a. bei Sachverständigen) die Behördenentscheidung zwar nicht förmlich, aber faktisch bereits determiniert (vgl. Osterloh, VVDStRL 54, 204 (236) und Di Fabio, VerwArch 81, 193 (213 ff. )). Auch diesbezüglich ist dann durch entsprechende Kontrollmaßnahmen und Verfahrensgarantien sicherzustellen, daß die entscheidende Behörde ihre Entscheidungsbefugnis auch inhaltlich wahrnimmt und die vorbereitenden Beiträge des Verwaltungshelfers zunächst kritisch überprüft, bevor sie sie übernimmt. Diese Entwicklung bestätigt gleichzeitig, daß die materielle Grenze zwischen Beleihung und Verwaltungshilfe immer undeutlicher wird (vgl. dazu auch oben C III). 100 Vgl. Krebs, HdbStR Bd. III, § 69 Rn. 80 ff.; Müller, Rechtsformenwahl, S. 248 ff. 101 In diesem Sinne Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 97; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 34.
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bestimmte Handlungsform - eben die des behördlichen Vollzugs - beinhalten zu können. Selbst wenn man daraus die staatliche Verpflichtung entnimmt, bestimmte lebensnotwendige Leistungen (vor allem Ver- und Entsorgungstätigkeiten) filr die Bürger langfristig sicherzustellen 102, ergibt sich daraus noch nicht die Konsequenz, daß dies auch mit eigenen Kräften zu geschehen hat. Hier gilt einmal mehr, daß der Staat zwar möglicherweise Garant fiir die Erfiillung bestimmter Aufgaben sein kann, aber nicht zwangsläufig auch selbst zur Erfiillung verpflichtet ist 103 • Überdies betriffi dieses Problemfeld in erster Linie den Bereich der Leistungsverwaltung, während es im Umweltrecht vorwiegend um Fragen des regulativen Gesetzesvollzugs geht. VI. Der Vorbehalt des Gesetzes Ebenfalls kein grundsätzliches Privatisierungshindernis stellt der Vorbehalt des Gesetzes dar. Das ergibt sich schon daraus, daß dieser Rechtsgrundsatz nur die Frage behandelt, welcher Form - förmliches Gesetz oder untergesetzliche Entschließung - ein Rechtsakt aus demokratisch-rechtsstaatliehen Gründen bedarf. Es geht also nicht darum, ob eine bestimmte Maßnahme zulässig ist, sondern nur um die Modalitäten des wie. Dementsprechend ist - gerade bei aktuellen Privatisierungsüberlegungen - der Vorbehalt des Gesetzes im wesentlichen eine Folgefrage der rechtstechnischen Umsetzung, wenn der materielle Gehalt und die Zulässigkeit einer Privatisierungsmaßnahme im übrigen bereits feststehen. Dabei gibt es allerdings durchaus beachtliche Differenzierungen. Nach allgemeiner Auffassung bedarf eine Beleihung, mit der einem Privaten originär staatliche Hoheitsbefugnisse eingeräumt werden, einer formell-gesetzlichen Grundlage 104 • Ebenso erfordert eine Indienstnahme Privater die gesetzliche Form, da durch die Auferlegung bestimmter eigener Aufgabenverpflichtungen in den grundrechtliehen Freiheitsbereich des Indienstgenommenen eingegriffen wird 105 • Aber auch filr diejenigen materiellen Privatisierungen, die nicht im Wege einer lndienstnahme vonstatten gehen, sondern durch die schlichte Freigabe einer bisher staatlichen Aufgabe erfolgen, wird regelmäßig ein Gesetzesakt nötig sein. Da diese Form der (Re-)Privatisierung als "actus contrarius" zur staatlichen Aufgabenbegründung angesehen werden kann, und die AufgaSo etwa Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (71 ). Schoch, DVBI 1994, 962 (970); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 25; Bauer, VVDStRL 54, 243 (264 Fn. 109); Hofmann, Rainer, VBlBW 1994, 121 (124); Krölls, GewArch 1995, 129 (142). 104 Wolff!Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 6; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (169 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 58. 105 Vgl. Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (170). 102 103
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benbegrilndung nach den Feststellungen des Ersten Kapitels regelmäßig durch Gesetz (oder gegebenenfalls auch durch untergesetzlichen Rechtsakt) erfolgt, muß die ZurUckfilhrung der Aufgabe in die gesellschaftliche Sphäre in der gleichen Weise vor sich gehen 106• Umstritten ist hingegen die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes bei der formellen Privatisierung sowie bei der Engagierung von Verwaltungshelfem. Da mit einer formellen Privatisierung allein noch keine Rechtsbeeinträchtigungen verbunden sind, läßt sich ein Gesetzeserfordernis nicht aus Eingriffsüberlegungen herleiten. Vielmehr handelt es sich bei Konstituierung neuer selbständiger Privatrechtssubjekte durch die staatlichen Körperschaften grundsätzlich um Maßnahmen der exekutiven Eigenorganisation. Insoweit besteht keine Einigkeit, ob der Wesentlichkeitsgrundsatz auch hierfilr eine gesetzliche Grundlage vorschreibt 107• In der Praxis ist dieses Problem jedoch von geringerer Bedeutung, da die existierenden haushaltsrechtlichen und kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen (§ 65 BHO/ LHO sowie die Nachfolgevorschriften der§§ 67 ff. DGO) als hinreichende gesetzliche Grundlage angesehen werden können 108• Allerdings enthalten diese Vorschriften dann gewisse einfachgesetzliche Maßgaben ftir eventuelle Privatisierungen, die deren rechtlichen Rahmen wesentlich stärker determinieren als es das Verfassungsrecht vermag 109• Insgesamt ist dieser Bereich aber filr den hier zu untersuchenden Immissionsschutz ohne größere Bedeutung. Relevanter ftir den hiesigen Untersuchungsgegenstand ist die Frage, ob funktionale Privatisierungsmaßnahmen in Form einer Hinzuziehung privater Verwaltungshelfer zur behördlichen Vollzugstätigkeit einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Dies wird ftir den unselbständigen Verwaltungshelfer, der lediglich im Einzelfall vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten leistet, gemeinhin vemeint 110• Insoweit handelt es sich regelmäßig um Aspekte, die die effektive und zweckmäßige Gestaltung des behördlichen Verfahrens betreffen und deswegen von der jeweiligen Behörde als der sachnächsten Stelle auch im Einzelfall entschieden werden können und sollten 111 • Allerdings ist im Zuge der DVBI 1994, 962 (970), vgl. außerdem oben § 1 B I 1 c cc und § 5 C II. Vgl. zum Streitstand Bauer, VVDStRL 54, 243 (267, Fn. 122); Krebs, HdbStR Bd. III, § 69 Rn. 87 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (173 ff.); Schoch, DVBI 1994, 962 (970); Müller, Rechtsformenwahl, S. 224 f., 246 f. 108 Bauer, VVDStRL 54,243 (267, Fn. 122); Schoch, DVBI1994, 962 (970). 109 Vgl. allgemein zu den einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen Schoch, DVBI 1994, 962 (971 ff.); zum kommunalen Wirtschaftsrecht Knemeyer, der Städtetag 1992, 317 (319 ff.). 110 Bauer, VVDStRL 54, 243 (267); Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (174); Schoch, DVBI 1994, 962 (970). 111 So auch Erbguth, UPR 1995,369 (377). 106 Schoch,
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neueren und umfassenderen Privatisierungsüberlegungen in dieser Richtung die Erwägung aufgetaucht, eine gesetzliche Grundlage zumindest dann zu fordern, wenn die Betrauung des Verwaltungshelfers nicht auf Einzelfälle beschränkt ist, sondern systematisch und auf Dauer zur Übernahme behördlicher Funktionen führt, seien sie auch bloß zuarbeitender Natur 112 • Hierzu ist zu bemerken, daß in diesen Konstellationen in der Tat häufig wieder die Grenze zur Beleihung zu verschwimmen droht: wenn ein Verwaltungshelfer etwa dauerhaft mit der Erhebung bestimmter Sachverhaltsinformationen betraut ist und dabei auch weitestgehend selbständig arbeitet, so ist von seiner Tätigkeitsweise her der Unterschied zum Beliehenen nicht mehr allzu groß. Auch dies spricht dafür, in diesen Fällen "großflächiger" Funktionsübertragungen eine gesetzliche Grundlage zu fordern 113 • Insgesamt stellt sich der Vorbehalt des Gesetzes damit aber nicht als generelle Schranke für die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private dar, sondern wirkt sich nur auf die Modalitäten dieser Übertragung aus.
VII. Haushaltsrechtliche Vorschriften Aus den Vorschriften des Haushaltsverfassungsrechts (Art. 110 ff. GG), insbesondere aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in Art. 114 Abs. 2 Satz I GG, werden mit wechselnden Begründungen sowohl Privatisierungsverbote als auch Privatisierungsgebote herausdestilliert 114 • Das gilt vor allem, seitdem die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch § 7 Abs. 2 Satz 2 BHOILHO insoweit eine besondere Hervorhebung erfahren haben, als unter diesem Aspekt gerade Maßnahmen der Entstaatlichung und Privatisierung besonders geprüft werden sollen. Eine eigenständige Bedeutung gewinnen die da-
112 Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, 263 (267); eingehend hierzu auf der Grundlage der Wesentlichkeitstheorie Erbguth, UPR 1995, 369 (375 ff.). 113 Das gleiche Argument der Nähe zur Beleihung gilt freilich in den bereits angesprochenen Fällen, in denen das Votum des Verwaltungshelfers wegen seiner höheren Sachkunde geeignet ist, die Entscheidung der formell allein entscheidungsbefugten Behörde faktisch zu präjudizieren. Soweit man zur Absicherung eines demokratisch legitimierten und rechtsstaatlich einwandfreien Entscheidungsprozesses dann flankierende Verfahrenssicherungen propagiert (so etwa Di Fabio, VerwArch 81, 193 (213 ff.); Osterloh, VVDStRL 54, 204 (236); auch Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, 263 (267)), die regelmäßig gesetzlich verankert werden müssen, läuft dies praktisch auf die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage hinaus. Dem werden freilich die einschlägigen Normen, die gerade beim Einsatz von Sachverständigen genauere Anforderungen an deren Qualifikationen enthalten, regelmäßig auch gerecht (vgl. dazu unten § 7 C IV und§ 8 B II 2 a cc I b cc). 114 Vgl. Bauer, VVDStRL 54, 243 (264 ff.) m. w. N.; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 103; Schach, DVB11994, 962 (970).
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fiir vorgebrachten Argumente dabei im wesentlichen bei den Erscheinungsformen der Finanzierungsprivatisierung. Im Bereich der Umweltverwaltung spielen diese Aspekte jedoch keine wesentliche Rolle, so daß an dieser Stelle auf die daraus sich ergebenden Fragen nicht näher eingegangen werden soll. VIII. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht Auch das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG ist fiir die verfassungsrechtliche Beurteilung von Privatisierungsmaßnahmen im umweltrechtlichen Bereich -jedenfalls soweit er hier betroffen ise•s - wenig ergiebig. Zunächst ist zu bemerken, daß Aufgabenübertragungen auf Private, die die Gemeinden in ihrem eigenen Wirkungskreis unternehmen, gerade als Ausdruck des kommunalen Selbstverwaltungsrechts angesehen werden können: die Gemeinde hat es dabei selbst in der Hand, ob sie ihre Aufgaben selbst oder unter Einschaltung privater Dritter erfiillen will. Das gilt vor allem filr die formelle Privatisierung: hier hat die Gemeinde nach anerkannter Auffassung aus Gründen der Selbstverwaltungsgarantie regelmäßig ein Formenwahlrecht zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Organisationsform 116• Anders verhält es sich, wenn die Privatisierung einer kommunalen Aufgabe nicht durch die betroffene Gemeinde selbst erfolgt, sondern durch den übergeordneten Staat. In diesem Fall erfolgt eine Minderung des gemeindlichen Aufgabenbestandes gegen den Willen der Kommune, und das wirft die Frage auf, inwieweit ein Kernbereich kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben gegen eine derartige Entziehung verfassungsrechtlich geschützt ist 117• Im Bereich der Umweltschutzverwaltung stellen sich diese Fragen jedoch nicht, da die Gemeinden hier üblicherweise keine eigenen Vollzugsaufgaben zu erfilllen haben.
115 Etwas anderes gilt beispielsweise im Abfallrecht, wo die Gemeinden als entsorgungspflichtige Körperschaften weitaus mehr in den Gesetzesvollzug involviert sind, als es im Immissionsschutzrecht der Fall ist. Zum Stand der Privatisierungsdiskussion im Abfall- und Abwasserrecht vgl. Schach, DVBII994, I (4 ff.). 116 Knemeyer, der städtetag 1992, 317 (319); kritisch zu einer befürchteten Auflösung der Einheit der Kommunalverwaltung durch weitreichende Organisationsprivatisierungen aber Krölls, GewArch 1995, 129 (142) und Schach, DVBI 1994, I (9). Grundlegend zum Organisationswahlrecht Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 92 ff. Eingehend zu den Kriterien der konkreten Rechtsformwahlentscheidung und zu der Prüfung möglicher Alternativen Müller, Rechtsformenwahl, S. 299 ff., 383 ff. 117 Hofmann, Rainer, VBIBW 1994, 121 (123); Schoch, DVBI 1994, 962 (970); eingehend zur Kernbereichsgarantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts BVerfGE 79, 127 (146 ff.); Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 15.
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IX. Grundrechtliche Aspekte Im Ergebnis können auch aus den Grundrechten keine durchgreifenden Argumente gegen eine Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Private hergeleitet werden. Bei den diesbezüglichen Überlegungen sind verschiedene Konstellationen zu berücksichtigen.
1. Grundrechte als Eingriffsschranken Im Falle der Indienstnahme liegt regelmäßig ein Eingriff in die Freiheitsgrundrechte des Indienstgenommenen vor. Der Eingriff muß folglich durch ein überwiegendes staatliches Interesse gerechtfertigt sein und vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten 118 • Unter diesen Voraussetzungen ist eine derartige Inanspruchnahme des Privaten jedoch zulässig. Dementsprechend wird auch formuliert, daß die Grundrechte keine durchschlagende Abwehr gegen lästige Verwaltungshilfen (hier im Sinne einer Indienstnahme für Hilfstätigkeiten) bieten 119• Erfolgt eine materielle Privatisierung umgekehrt durch eine schlichte Freigabe der bislang staatlichen Tätigkeit an die Kräfte des Marktes, so übernehmen die letzteren die Aufgabe freiwillig und ohne staatlichen Druck, so daß insoweit eine Grundrechtsproblematik von vomherein nicht entstehe 20 • Im Falle einer funktionalen Privatisierung bewirken die Maßnahmen, die ein Privater selbständig durchführt (so bei der Beleihung) bzw. an denen er vorbereitend und unterstützend mitwirkt (so im Fall der Verwaltungshilfe), keine weitergehenden Grundrechtseinschränkungen als wenn die Behörde selbst die Maßnahme allein und mit eigenem Personal durchführt. Für den betroffenen Anlagenbelreiber etwa macht es keinen grundsätzlichen Unterschied, ob er Emissionsmessungen an seiner Anlage durch einen Beamten der Überwachungsbehörde, durch einen von diesem mitgebrachten Sachverständigen als (unselbständigen) Verwaltungshelfer oder durch einen selbständig tätigen 118 Vgl. z. B. Reinhardt, AöR 118, 617 (648 ff.), für die betrieblichen Selbstüberwachungspflichten. 119 Ossenbühl, VVDStRL 29, 137 (175 ff.); er untersucht in diesem Zusammenhang außerdem (mit jeweils negativem Ergebnis), ob die Grundrechte einem Privaten einen Anspruch auf die Übertragung bestimmter Aufgaben einräumen können und ob sie ihm Schutz gegen die Entziehung einer einmal übertragenen Aufgabe bieten (S. 185 ff.). 120 Vgl. Hofmann, Rainer, VBIBW 1994, 121 (124), der allerdings darauf hinweist, daß bei einer Aufgabenübertragung an einen bestimmten Privaten der Gleichheitssatz des Art. 3 GG eine Rolle spielen kann. Jedoch scheinen diese Konstellationen, die Hofmann unter dem Aspekt der materiellen Privatisierung behandelt, eher eine Privatisierung der AufgabendurchfUhrung, (d. h. nach der hier vertretenen Terminologie: eine funktionale Privatisierung) zu betreffen.
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Prüfmgenieur als Beliehenen zu dulden hat. Der Eingriff als solcher muß freilich eine gesetzliche Grundlage aufweisen und die sonstigen verfassungsrechtlichen Grenzen, speziell wiederum den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, beachten. In dem Umstand, daß ein Privater daran beteiligt ist, liegt aber fUr sich betrachtet keine eigenständige Beschwer. Daher könnte auch hier formuliert werden, daß die Grundrechte keine Abwehr gegen lästige Verwaltungshilfen - in diesem Fall: gegen eine Verwaltungshilfe, die der Behörde von Dritten geleistet wird - bieten. 2. Grundrechte als staatliche Schutzverpflichtungen
Von herausragender Bedeutung sind schließlich ftlr den hiesigen Untersuchungsgegenstand die Überlegungen, ob grundrechtliche Schutzverpflichtungen des Staates einer Aufgabenverlagerung auf Private entgegenstehen können. Es ist in der Grundrechtsdogmatik mittlerweile seit langem anerkannt, daß die Grundrechte nicht nur subjektive Abwehrrechte 'des Einzelnen gegen direkt oder indirekt wirkende staatliche Eingriffe darstellen, sondern als Ausdruck einer objektiven Werteordnung auch staatliche Schutzpflichten begründen können, so daß der Staat aufgerufen ist, den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Eingriffen von dritter Seite zu bewahren 121 • Art und Ausgestaltung des Schutzes hängen von der Intensität des drohenden Eingriffs und von der Hochwertigkeit des zu schützenden Rechtsgutes ab 122 • Die allgemeine staatliche Schutzverpflichtung kann sich dabei zu einer echten Rechtspflicht verdichten, wenn die Gefährdung eines hochwertigen Rechtsguts entweder in einem konkreten Einzelfall oder aber in einer typischen Risikosituation besteht 123 • Letzteres ist gerade im immissionsschutzrechtlichen Bereich mit seiner Betonung der Schutz- und Vorsorgeaspekte hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz I GG) regelmäßig der Fall. Daraus resultiert die grundrechtliche Verpflichtung des Staates, einerseits durch materielle Vorschriften normativ zu gewährleisten, daß Dritte durch immissionsträchtige Anlagen keine untragbaren Beeinträchtigungen zu gewärtigen haben, und andererseits durch geeignete Maßnahmen im Einzelfall sicherzustellen, daß diese normativen Anforderungen auch tatsächlich umgesetzt werden 124• Der ersteren Verpflichtung ist der Gesetzgeber im Immissionsschutzrecht durch die Normierung des Schutz- und Vorsorgeprinzips nachgekommen. Die letztere Verpflichtung 121 BVerfGE 39, I (41 ff.); 53, 30 (57); 49, 89 (142); 88, 203 (251); Katz, Staatsrecht, Rn. 574 f.; Reinhardt, AöR 118, 617 (652); grundlegend Isensee, HdbStR Bd. V, § III Rn. 77 ff., 86 ff. 122 BVerfGE 49, 89 (142). 123 Di Fabio, VerwArch 81, 193 (223). 124 Vgl. Steiner, DVBI 1987, 1133 (1134); Murswiek, Verantwortung, S. 113 ff.; /sensee, HdbStR Bd. V,§ III Rn. 166 f.
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bedeutet im Kern, daß der Staat von Verfassungs wegen auch zum Vollzug dieses materiellen Rechts verpflichtet ist. Im Sinne der Terminologie, wie sie im Ersten Kapitel aufgestellt wurde, handelt es sich also beim Vollzug des materiellen Immissionsschutzrechts nicht nur um eine staatliche Aufgabe (zu der die Überwachung freilich erst durch die Aufgabeneröffnungsnorm des § 52 Abs. I BlmSchG wird), sondern auch um eine staatliche Verantwortungi2S. Ist der Staat nun also solchermaßen verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen im Wege eines wirksamen Gesetzesvollzugs, auch wirklich durchzusetzen, so hat er doch bei der Auswahl der Mittel und bei der Bestimmung der Kontrollintensität einen weiten Gestaltungsspielraum 126• Die verfassungsrechtliche Verantwortung erlegt es ihm zwar auf, den gesetzlich normierten Schutz auch praktisch zu gewährleisten, determiniert aber die dazu im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen kaum. Dementsprechend ist der Staat auch hier nicht gehalten, sämtliche Vollzugsaktivitäten mit eigenen Kräften zu bewerkstelligen, sondern er kann sich ebenso wie sonst privater Mitwirkung bedienen. Insoweit liegt gerade die typische Situation vor, daß der Staat die Durchftlhrung der (Vollzugs-)Aufgabe in mehr oder minder großem Umfang auf Private delegieren kann, aber auf der Basis seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung selbst in jedem Fall eine "Garantenstellung" behält. Das bedeutet, daß ein vollständiger Rückzug des Staates aus der Anlagenüberwachung, also eine durchgreifende materielle Privatisierung, nicht in Betracht kommt. Im übrigen sind Privatisierungen im Vollzugsbereich jedoch grundsätzlich möglich, soweit sie nicht die effektive Durchsetzung der materiellen Schutz- und Vorsorgeprinzipien in Frage stellen. Die Grenze der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit stellt dabei das "Untermaßverbot" dar: der Staat verstößt dann 'gegen seine Schutzverpflichtung, wenn der praktische Gesetzesvollzug evident unzureichend ist und die Sicherheit der Bürger nicht mehr wirksam gewährleistet127. Das kann bei Privatisierungen vor allem dann der Fall sein, wenn die privaten Vollzugsträger und Vollzugshelfer aus Eigeninteresse oder Nachlässigkeit die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen hintertreiben. Aus diesem Grund kann der Staat auch nach einer - an sich zulässigen Privatisierung bestimmter Vollzugsfunktionen den Gang der Dinge nicht sich selbst und den privaten Funktionsträgem überlassen, sondern muß sich seinerseits Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten offenhalten, um gegebenenfalls 125 Vgl. dazu oben § 1 B II 2 und die ausfUhrliehen Darlegungen zur staatlichen Schutzverantwortung bei Murswiek, Verantwortung, S. 88 ff. (zusammenfassend S. 276 ff.). 126 BVerfGE 88,203 (254); Di Fabio, VerwArch 81, 193 (224); Steiner, DVBl 1987, 1133 ( 1135) spricht bezüglich der verschiedenen Formen staatlicher, staatsnaher und staatsaussparender Kontrolle von einer "verfassungserlaubten Vielfalt". Vgl. auch Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, Professorenentwurf UGB-AT, S. 13 ff. 127 BVerfGE 88, 203 (254); Jsensee, HdbStR Bd. V,§ 111 Rn. 165.
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selbst korrigierend eingreifen zu können. Bis zum Verdikt der evidenten Nichtgewährleistung des gebotenen Schutzes stellen aber auch die grundrechtliehen Schutzverpflichtungen des Staates kein prinzipielles Privatisierungshindernis dar.
X. Die Staatszielbestimmung Umweltschutz in Art. 20 a GG Schließlich gibt auch die neue Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG nichts konkretes fUr oder wider eine Privatisierung her. Bei der neu eingeftlhrten Verpflichtung aller staatlichen Gewalten auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine echte Staatszielbestimmung128. Sie begründet also keine subjektiven Schutzansprüche des Einzelnen, sondern ist ein oblektiv-rechtlicher Handlungsauftrag an Legislative, Exekutive und Judikative 29. Diese Gewalten sind aufgefordert, ihre Tätigkeiten allgemein auch auf die Grundsätze des Umweltschutzes hfu auszurichten. Angesichts des geringen Konkretisierungsgrades von Staatszielen besteht aber auch insoweit ein weiter Handlungsspielraum der staatlichen Organe 130• Eine bestimmte Organisationsform des staatlichen Umweltschutzes wird daher durch Art. 20 a GG ebenfalls nicht vorausgesetzt, so daß auch diese Vorschrift der Übertragung von umweltschutzrechtlichen Aufgaben an Private nicht entgegensteht.
XI. Fazit Grundsätzliche Barrieren gegen die Übertragung staatlicher Vollzugsaufgaben im Immissionsschutz stellt die Verfassung also nicht auf. Ob der Staat seine Aktivitäten durch eigene, öffentlich-rechtlich strukturierte Funktionsträger erftlllen muß oder sich auch der Mitwirkung privater Personen und Organisationsformen bedienen kann, ist weitestgehend nicht determiniert und damit der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers bzw. (außerhalb des Parlamentsvorbehalts) der Exekutive anheimgestellt. Dies gilt in gewissem Umfang sogar ftlr die Ausübung hoheitlicher Gewalt, da die Gründe, die ftlr eine verstärkte Einbindung privater Funktionsträger ausschlaggebend sind (Zugriff auf Sachverstand und technische Vollzugsmittel, Effizienz), geeignet sind, in Einzelflillen auch Abweichungen vom Funktionsvorbehalt zugunsten der Beamten zu rechtfertigen. Unter rechtsstaatliehen Aspekten wird bei umfangreicheren Privatisie-
Siehe zum Begriff des Staatsziels oben § 1 B I 1 b. Peters, NVwZ 1995, 555; Kloepfer, DVBI1996, 73 (74). 130 Peters, NVwZ 1995, 555 (556); Kloepfor, DVBI 1996, 73 (75). 128 129
II Ludwig
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
rungsmaßnahmen die Gesetzesfonn regelmäßig geboten, zumindest aber politisch angeraten sein. Aus Gründen der demokratischen Kontrolle und des effektiven Grundrechtsschutzes muß der Staat sich überdies Kontroll- und Korrekturrechte gegenüber eventuellen privaten Funktionsträgem vorbehalten. Insgesamt darf die Übertragung von Vollzugsaufgaben auf Private nicht dazu führen, daß es zu einer faktischen Nichtgewährleistung der staatlichen Schutzverpflichtungen kommt. Privatisierungen sind daher nur so weit zulässig, wie eine effektive Überwachung der geflihrlichen Anlagen im Einzelfall noch garantiert erscheint. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind jedoch alle Maßnahmen verfassungsrechtlich zulässig.
F. Privatisierung im Immissionsschutz Wendet man nun die Erkenntnisse aus der hier dargestellten Privatisierungsdiskussion auf den Immissionsschutz an und fragt, welche Rahmenbedingungen fiir eine Beteiligung Privater an den staatlichen Aufgaben in diesem Bereich des Umweltschutzes bestehen, so sind folgende Erwägungen ausschlaggebend: Von den Privatisierungsgründen haben angesichts der festgestellten Vollzugsdefizite im Umweltschutz zweifellos die zuletzt genannten GrUnde einer erhofften Effizienzsteigerung und Vollzugsverbesserung das größte Gewicht. Wenn das im Immissionsschutz zu konstatierende Vollzugsdefizit bestimmte, dem behördlichen Vollzugsmodell immanente Ursachen hat, dann ist dies der konkrete Anlaß, um bei der Suche nach Alternativlösungen an die Einbindung Privater in das Vollzugssystem zu denken. Ordnungspolitische und finanzielle Erwägungen mögen daneben fiir den generellen Abbau der staatlichen Tätigkeit eine wichtige Motivation bilden, müssen jedoch immer mit dem Primärziel des verbesserten Immissionsschutzes in Übereinstimmung zu bringen sein. Dementsprechend wird bei weitergehenden aktuellen Privatisierungsvorschlägen im umweltschutzrechtlichen Bereich auch immer wieder betont, daß damit kein Abbau des Umweltschutzes bezweckt ist, sondern vielmehr eine Verbesserung erreicht werden soll 131 • Als Privatisierungsart wird im wesentlichen nur die funktionale Privatisierung in Betracht kommen. Organisationsprivatisierungen bei den staatlichen Immissionsschutzbehörden kommen schon wegen ihrer Einbindung in den
131 So etwa Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, Professorenentwurf UGB-AT, S. 24; Unabhängige Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ("Schlichter-Kommission"), Vorschlag Leit 9, Rn. 233 ff.; skeptisch dazu Lübbe-Woljf, ZUR 1995, 57 (59).
F. Privatisierung im Immissionsschutz
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sonstigen Verwaltungsaufbau kaum in Frage und würden auch nicht zu Verbesserungen fiihren, da die flexibleren privatrechtliehen Organisationsformen ihre Vorteile regelmäßig nur dort entfalten können, wo es um eine Anpassung an Marktgegebenheiten und wirtschaftliche Rahmenbedingungen geht. Beides ist in der hoheitlichen Verwaltung nicht der Fall 132 • Vermögensprivatisierungen sind thematisch überhaupt nicht berührt. Weitestgehend wird aber auch die Möglichkeit der materiellen Aufgabenprivatisierung ausscheiden. Das hat seinen Grund darin, daß die staatliche Aufgabe im Immissionsschutz - wie im Ersten Kapitel dargelegt - in der Überwachung der Einhaltung der materiellrechtlichen Anforderungen, also im Vollzug des materiellen Rechts besteht. Gleichzeitig hat der Staat aber insoweit auch eine verfassungsrechtliche Schutzverantwortung, die eine grundsätzliche staatliche Kontrolle von Verfassungs wegen erforderlich macht. Aus diesem Grund ist der Staat gehindert, sich aus der Überwachung vollständig zurückzuziehen und die Kontrolle der immissionsträchtigen Anlagen vollständig aus der Hand zu geben 133 • Wenn aber jedenfalls eine staatliche Restkontrolle bestehenbleiben muß, kommt eine umfassende Rückverlagerung der Aufgabe der Immissionsschutzüberwachung in die gesellschaftliche Sphäre, wie sie fiir eine materielle Privatisierung erforderlich wäre, nicht in Betracht. Allenfalls können einzelne Kontrolltätigkeiten von den Behörden auf Private übertragen werden: dies entspricht dann genau der obigen Definition einer funktionalen Privatisierung 134• Gleichzeitig ist diese singuläre Heranziehung Privater geeignet, ihren Sachverstand und ihre technischen Möglichkeiten zielgenau in den behördlichen Vollzug einfließen zu lassen, so daß die funktionale Privatisierung auch im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck als der erfolgversprechendste Ansatzpunkt erscheint. Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzugsmodell kommt danach also in erster Linie als funktionale Privatisierung zum Zwecke der Vollzugsverbesserung in Betracht. In diesem Sinne existieren nun bereits im geltenden Immissionsschutzrecht bestimmte Bereiche, die Privaten als Tätigkeits132 Auch wenn beispielsweise die Schlichter-Kommission immer wieder die nachfragegerechte Gestaltung von Genehmigungsverfahren propagiert (z. B. Vorschläge Leit 4 und 7 , Rn. 207 ff., 221), fehlt es doch flir die behördliche Vollzugstätigkeit an einer markttypischen Konkurrenzsituation. 133 Die Situation ist hier eine wesentlich andere als in den Fällen der Leistungsverwaltung, wo eine völlige Freigabe bestimmter Aufgaben der Leistungserbringung durch den Staat möglich ist, ohne daß damit verfassungsrechtliche Verantwortungen unterlaufen würden. 134 Allenfalls wäre daran zu denken, in der Übertragung bestimmter Prüftätigkeiten auf Private als Daueraufgabe eif!.e partielle Aufgabenprivatisierung zu sehen. Dies würde dann dazu fuhren, daß die Uberwachung teilweise (gewissermaßen auf der ersten Ebene) als private Aufgabe angesehen würde, teilweise (nämlich auf der zweiten Ebene der fortbestehenden staatlichen Kontrollverantwortlichkeit) als staatliche. Das belegt einmal mehr, daß materielle und funktionale Privatisierung fließend ineinander übergehen können.
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§ 5 Privatisierung als Alternative zum behördlichen Vollzug
felder zugewiesen sind oder zugewiesen werden können. Dabei handelt es sich dann jedenfalls um Abweichungen von dem idealtypisch entwickelten behördlichen Vollzugsmodell des Ersten Teils, so daß man nach dem hier geübten Sprachgebrauch von Privatisierungen sprechen kann, auch wenn im Einzelfall die konkret von den Privaten wahrgenommene Funktion niemals durch staatliche Organe selbst ausgefllhrt worden war, und es insoweit an einem Privatisierungsvorgang im engeren Sinne fehlt. Diese Beteiligungen Privater am öffentlichen Immissionsschutz de lege lata sollen im Dritten Teil nun zusammengestellt und systematisiert werden.
Dritter Teil
Der Einsatz Privater im geltenden Immissionsschutzrecht § 6 Vorbemerkung: Systematik der Darstellung Zunächst ist zu bestimmen, welcher Systematik die hier vorzunehmende Darstellung folgen soll. Die Beteiligung Privater an der Durchsetzung der immissionsschutzrechtlichen Zielsetzungen des Gesetzgebers hat viele Gesichter, ohne daß den gesetzlichen Strukturen insoweit ein schlüssiges Konzept zu entnehmen wäre. Das liegt in der Natur der Sache, denn die gesetzliche Involvierung Privater in die öffentliche Aufgabe Immissionsschutz ist in ihrem jetzigen Umfang nicht aufgrund eines einheitlichen Legislativplans erfolgt, sondern vielmehr peu apeu aus einzelnen Regelungen zusammengetragen worden. Um so mehr ist es für die Zwecke einer Gesamtbetrachtung erforderlich, diese zahlreichen Erscheinungsformen in eine gewisse Ordnung zu bringen. Dafür bieten sich mehrere Ansätze an: So wäre es eine Möglichkeit, die verschiedenen Elemente nach den Privatisierungsformen des Fünften Kapitels zu ordnen 1, also nach formeller, materieller, funktionaler und Vermögensprivatisierung zu unterscheiden. Das wirft allerdings das dort bereits angesprochene Problem auf, daß die verschiedenen Privatisierungstypen nicht immer in reiner Form auftreten, sondern vielfach in Gestalt von Teilprivatisierungen und Mischformen erscheinen. Außerdem war aus Grundüberlegungen zum Charakter der staatlichen Vollzugsaufgaben schon zu ersehen, daß es sich im wesentlichen nur um funktionale Privatisierungen handeln kann2. Eine durchgängige Systematik und Differenzierung kann daher auf diese Weise kaum erreicht werden. Ein anderer Ansatz wäre die Gliederung nach dem Grad der Übertragung von Aufgaben vom Staat an Private und nach dem verbleibenden Anteil an staatlicher Kontrollfunktion3 • Damit könnte zwischen dem Ausgangsmodell der oben,§ 5 C. Oben§ 5 F. 3 So etwa die Typologie von v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 61 1 Vgl.
2
ff.
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§ 6 Systematik der Darstellung
ausschließlichen Staatsbetätigung und dem Gegenpol einer vollständigen Privatautonomie ein graduell abgestuftes System etabliert werden, in dessen einzelnen Etappen sich der jeweilige Staats- und Privatanteil an der Aufgabenerfüllung gegenläufig entwickeln und komplementär ergänzen. Diese Betrachtungsweise würde eine allgemeingültige Darstellung des Verhältnisses zwischen Staats- und Privattätigkeit ermöglichen, geriete jedoch gerade dadurch in die Gefahr, diese Gewichtung gar zu abstrakt vorzunehmen, während es ja gerade die Thematik dieser Arbeit sein soll, die spezifischen Privatisierungsstrukturen im Immissionsschutzrecht herauszustellen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Strukturen des behandelten Rechtsgebiets soll daher hier noch eine andere Art der Darstellung gewählt werden. Anknüpfungspunkt dafür ist zunächst einmal mehr das Idealmodell des behördlichen Vollzugs, wie es im Zweiten und Dritten Kapitel entwickelt worden ist. Wie dort gezeigt wurde, ist dieses Modell darauf gerichtet, die materiellen immissionsschutzrechtlichen Leitvorstellungen des Gesetzgebers, nämlich Schutz und Vorsorge gegen anlagenbedingte Immissionen zu treffen, im Wege einer durchgängig programmierten behördlichen Kontrolle zu gewährleisten. Entsprechend den im technischen Sicherheitsrecht wurzelnden Traditionen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes handelt es sich dabei fast ausschließlich um eine direkte, anlagenbezogene Überwachung; die Verwaltung hat die Aufgabe, die von der Anlage drohenden technischen Gefahren und Risiken zu analysieren und gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen abzuwehren. Unter diesem Aspekt war das Vollzugsprogramm mit seinen einzelnen Schritten entwikkelt worden. Hierbei bietet es sich nun an, die bestehenden Formen privater Mitwirkung an diesen einzelnen Vollzugsschritten zum Ansatzpunkt zu nehmen und herauszuarbeiten, inwieweit Private an den Schritten der Sachverhaltsermittlung, der Normkonkretisierung, der Subsumtion und Entscheidung sowie eventuell der Durchsetzung beteiligt sind. Dabei kann dann freilich eine Untergliederung danach erfolgen, ob Private hierbei auf ganzer Breite Verwendung finden und somit das vollständige Vollzugsprogramm in eigener Regie ablaufen lassen (so etwa bei der Beleihung), oder ob sie nur in einzelnen Teilbereichen Funktionen wahrnehmen (so etwa bei einzelnen Maßnahmen der Sachverhaltsermittlung oder der Normkonkretisierung)4• Bei dieser Anlehnung an die Instrumente der direkten Vollzugskontrolle geht es folglich im wesentlichen darum, welche der erforderlichen Verfahrensschritte von Privaten anstelle von staatlichen Organen ausgeführt werden können. Neben dieser anlagenbezogenen Betrachtungsweise spielt sich der Einsatz Privater aber auch noch auf einer anderen Ebene und damit zumindest teilweise 4 In diesem Zusammenhang sind dann auch sowohl Einordnungen in die verschiedenen Privatisierungsrubriken als auch Abstufungen nach dem Grad des jeweils privatisierten Anteils an der Gesamttätigkeit möglich.
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außerhalb des für die Behörde entwickelten Vollzugsmodells ab. lmmissionsschutzrechtliche Gefahren und Risiken des Anlagenbetriebs resultieren nämlich nicht allein aus dessen technischen Abläufen, sondern auch aus dem "Faktor Mensch" und aus der Organisation des Betriebes. Will man immissionsbedingte Beeinträchtigungen möglichst zuverlässig vermeiden, so muß nicht nur die konkrete Anlage technisch unbedenklich sein, sondern es muß auch der Betrieb, in den sie eingebettet ist, von seiner Infrastruktur her gewisse Voraussetzungen erfüllen. Schädliche Umwelteinwirkungen können nicht nur durch die Emissionen des normalen Anlagenbetriebs oder durch technische Defekte der Anlage verursacht werden, sondern auch durch menschliches Versagen, und die Folgen eines Anlagendefekts können durch strukturelle und organisatorische Mängel des Betriebes noch wesentlich verschlimmert werden. Dieses "betriebsimmanente" Gefährdungspotential ist allerdings in sehr viel stärkerem Maße als das rein technische Gefährdungspotential vom Verhalten des Anlagenbetreibers selbst abhängig; gleichzeitig ist dieser Bereich als Kernbestandteil der betrieblichen Selbstorganisation im Wege behördlicher Programmentscheidungen noch viel schwieriger zu fassen als die rein technische Geflihrdungssituation. Aus diesem Grund gibt es seit geraumer Zeit Bestrebungen, bezüglich dieser infrastrukturellen Aspekte den Anlagenbetreiber selbst für immissionsschutzrechtliche Zwecke "einzuspannen". Das geschieht dann weitgehend außerhalb des direkt anlagenbezogenen Vollzugsmodells, und zwar in der Weise daß nicht anlagenbezogene Entscheidungen zur Verminderung der lmmissionsgefahr behördlich getroffen und durchgesetzt werden, sondern das personell-organisatorische Umfeld im Betrieb vom Setreiber selbst - wenngleich innerhalb eines gewissen staatlich vorgegebenen Rahmens - gestaltet wird5• lnsoweit kann man diese Vorgehensweise als "indirekten" Vollzug bezeichnen: die immissionsschutzrechtlichen Ziele bezüglich der Gefahr- und Risikoabwehr bei Anlagen werden mit Mitteln verfolgt, die nicht an der Anlage selbst sondern an ihrem Umfeld ansetzen6 • Unterliegt dieser Bereich also weitgehend der Selbstorganisation des Anlagenbetreibers, so stellt dies eine zweite Ebene der privaten lmmissionsschutzbeteiligung, innerhalb des immissionsschutzrechtlichen Normengefüges aber außerhalb des klassischen Vollzugsmodells, dar. Noch weitergehend können schließlich in einer dritten Gruppe diejenigen privaten Immissionsschutzaktivitäten zusammengefaßt werden, die sich vom öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzrecht vollständig abgelöst haben. Gemeint sind hierbei insbesondere diejenigen Tätigkeiten, die weder mit der anlaKöck, DVBI 1994, 27 (30 ff.). Vgl. Kloepfer, DB 1993, 1125 (1127). Damit sind diese privaten lmmissionsschutzaufgaben des Anlagenbelreibers eine wichtige Komponente der Fortentwicklung des Immissionsschutzrechts vom bloßen technischen Sicherheitsrecht zu einem ganzheitlieberen Umweltrecht; in diesem Sinne auch Kloepfer/ Rehbinder/Schmidt-Aßmann, ProfessorenentwurfUGB-AT, S. 23. 5
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genbezogenen Kontrolle noch mit den gesetzlich angeleiteten Organisationsfragen, also insgesamt mit den Nonnen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, nichts zu tun haben, sondern ihre Wirkungen allein über die Motivationslage des Setreibers entfalten. In Betracht kommen also hierfilr vor allem die immissionsschutzrelevanten Handlungsweisen, die der Setreiber freiwillig, wenn auch durch staatliche Anreize dazu motiviert, an den Tag legt. In diesen Fällen ist die Abkehr vom behördlichen Vollzugsmodell am deutlichsten: die Verwirklichung des staatlicherseits erwünschten Zustandes wird nicht durch verbindliche gesetzliche Festlegungen - direkt oder indirekt auf die einzelne Anlage bezogen - und deren behördliche Durchsetzung erstrebt, sondern dadurch, daß die betroffenen Privaten aus eigenem Antrieb tätig werden sollen. Diese motivatorischen Steuerungsmöglichkeiten sind in jüngster Zeit stark ins Blickfeld gerückt. Unter den verschiedenen Möglichkeiten, die dem Staat hierbei zur Beflügelung dieses privaten Engagements zur VerfUgung stehen, befinden sich sowohl strafrechtliche als auch abgabenrechtliche und fi>rderungspolitische Anreize (bzw. Abschreckungseffekte( Beispielhaft sei in diesem Kontext auch das Konzept des Umwelt-Audits hervorgehoben, das vor allem den freiwilligen Aufbau eines betriebseigenen Überwachungssystems und Umweltmanagements unter der Rahmenkontrolle unabhängiger Umweltgutachter zum Gegenstand hat, und mit dem sich weitreichende Erwartungen verbinden8• Da die Strategien dieser dritten Gruppe jedoch aufgrund ihrer anderweitigen gesetzlichen Konzeptionen und Ansatzpunkte nicht mehr dem eigentlichen Bereich des Immissionsschutzes zugeordnet werden können und überdies weit über den derzeitigen Stand der Privatisierungen hinausweisen, müssen sie hier außerhalb des weiteren Untersuchungsrahmens bleiben. Insgesamt ergibt sich damit filr die Systematisierung der bestehenden immissionsschutzrechtlichen Privatfunktionen eine Zweigliederung. Zunächst sind im Bereich der direkten technischen Anlagenüberwachung die privaten Anteile an den einzelnen Schritten des Entscheidungsprozesses in Anlehnung an das behördliche Vollzugsprogramm zu ermitteln. Dabei kann wiederum nach den unterschiedlichen Bedingungen bei genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen sowie bei Eröffnungs- und Befolgungskontrollen unterschieden werden (§§ 7 - 9). Eine Sonderstellung nehmen 7 Vgl. umfassend zu den Möglichkeiten indirekter Steuerung im Umweltrecht Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 142 ff. 8 Die europarechtliche Verordnung EWG 1836/93 vom 26. Juni 1993, die die Vorgaben für das Umwelt-Audit-System geliefert hat und mittlerweile durch das UmweltAudit-Gesetz (UAG) vom 7. Dezember 1995 (BGBI. I S. 1591) in das deutsche Recht umgesetzt wurde, hat fast augenblicklich eine sehr engagierte Diskussion in der Rechtswissenschaft über diesen neuartigen Steuerungsansatz angestoßen. Vgl. aus der reichhaltigen Literatur nur Scherer, NVwZ 1993, 11 ff.; Sel/ner/Schnutenhaus, NVwZ 1993, 928 ff.; Lübbe-WoljJ, DVBI 1994, 361 ff; Feldhaus in Kormann, Umwelthaftung und Umweltmanagement, S. 9 (10 ff.).
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private Normungstätigkeiten ein, da sie ftlr alle diese Bereiche in gleicher Weise Bedeutung haben können (§ I 0). Anschließend sollen die indirekt wirkenden, staatlich nur vage determinierten betrieblichen Organisations- und Strukturierungsmaßnahmen erläutert und analysiert werden, mit denen eine Vollzugsforderung bezweckt ist, die sich über das personell-betriebliche Umfeld der Anlage entfaltet (§ ll). Eine zusammenfassende Betrachtung und ein kurzer Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen schließen die Darstellung ab(§ 12).
§ 7 Die Beteiligung Privater an der Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen Erster Untersuchungsbereich soll wieder die Eröffnungskontrolle bei genehmigungsbedürftigen Anlagen sein. Hierbei geht es also um die Funktionen, die Private im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wahrnehmen können.
A. Die Pflicht des Betreibers zur Vorlage der Antragsunterlagen Eine erste Besonderheit des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens liegt bereits darin, daß die Genehmigungsbehörde wesentliche Teile der Sachverhaltsinformation von dem privaten Anlagenbelreiber selbst erhält, indem dieser als Antragsteller mit dem Genehmigungsantrag gemäß § l 0 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG auch umfangreiche Begleitunterlagen vorzulegen hat. Aus diesen Unterlagen müssen insbesondere alle Umstände ersichtlich sein, die die Anlage selbst in ihrem Betrieb, in ihren technischen Einzelheiten und in ihren Auswirkungen (einschließlich ihres Emissionsverhaltens) charakterisieren 1; darüber hinaus ist häufig2 auch die Vorlage einer vom Antragsteller beizubringenden Immissionsprognose geboten, die genehmigungsrelevante Umstände außerhalb der geplanten Anlage (wie z. B. Vorbelastungen des Einwirkungsgebiets) berücksichtigt. Insgesamt müssen somit bereits die Antragsunterlagen das Vorliegen sämtlicher Genehmigungsvoraussetzungen darlegen (vgl. dazu auch den Wortlaut von§ 10 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG und von§ 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BlmSchV)3 , so daß die Genehmigungsbehörde theoretisch in der Lage sein müßte, die Genehmigungsentscheidung allein anband dieser Informationen zu treffen. Auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung wird die Behörde also zunächst einmal nicht selbst tätig, sondern läßt sich die grundlegenden Tatsacheninformationen für die zu treffende Entscheidung von fremder Seite, nämlich von 1 Zum genauen Umfang und Inhalt der Antragsunterlagen vgl. §§ 4 - 4 d der 9. BlmSchV. 2 So z. B. nach Ziffer 3.6.1 Abs. 1 Satz 3 der GenVwV NW. 3 Jarass, BlmSchG, § 10 Rn. 24; Se/lner, Immissionsschutzrecht, Rn. 128.
A. Die Pflicht des Setreibers zur Vorlage der Antragsunterlagen
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dem - regelmäßig privaten - Antragsteller liefern. Darin liegt jedenfalls auf den ersten Blick eine Abweichung vom reinen Modell der Amtsermittlung nach § 24 Abs. l Satz l VwVfG, da diese Vorschrift besagt, daß "die Behörde" den Sachverhalt ermittelt, und dabei stillschweigend davon ausgeht, daß sie das selbst tut. Hier jedoch wird zuerst einmal der private Antragsteller kraft seiner gesetzlichen Verpflichtung aus§ 10 Abs. l Satz 2 BimSchG zur Informationsbeschaffung "eingespannt". Insoweit könnte hierin eine Art gesetzlicher Indienstnahme gesehen werden. Allerdings handelt es sich bei der Bereitstellung der Antragsunterlagen nicht um eine echte materielle, im Falle der Verweigerung erzwingbare Mitwirkungsverpflichtung des Antragstellers, sondern um eine bloß verfahrensrechtliche Mitwirkungslast4 • Das hat zur Folge, daß die Behörde im Falle der Nichtbeibringung der Unterlagen nicht gehalten ist, eigene Nachforschungen anzustellen, sondern den Genehmigungsantrag nach Setzung einer Nachfrist zur Unterlagenergänzungs dann ohne weiteres ablehnen kann (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BimSchV). In diesem Sinne kann von einer Einschränkung der behördlichen Amtsermittlungspflicht gesprochen werden. Im übrigen wird das Prinzip der Amtsermittlung durch die Mitwirkungslasten des Antragstellers jedoch nicht berührt; insbesondere muß sich die Behörde nicht blindlings auf die vorgelegten Unterlagen verlassen, sondern kann (und muß gegebenenfalls) deren Aussagen durch eigene Nachforschungen verifizieren6 • Praktisch ist freilich die Mitwirkung des Antragstellers bei der Sachverhaltsermittlung von sehr maßgeblicher Bedeutung für das Genehmigungsverfahren, indem sie erst einmal die Grundlage für eigene behördliche Ermittlungen und nachfolgend für alle weiteren Verfahrensschritte liefert. Unter dem Aspekt der hier zu behandelnden Privatisierung ist sie aber weniger ergiebig. Der angesprochene rein verfahrensrechtliche Charakter dieser Mitwirkungsobliegenheit schließt es nämlich aus, darin eine Verlagerung materieller Verwaltungsaufgaben oder instrumentaler Verwaltungsfunktionen auf den privaten Antragsteller zu erblicken. Indem sie - wie gezeigt - die grundsätzliche Verpflichtung der Behörde aus § 24 Abs. l VwVfG, die entscheidungserheblichen Tatsachen zu sammeln (und dann auch zur Kenntnis zu nehmen), unberührt läßt, dient die Mitwirkung des Antragstellers der Behörde ausschließlich zur Erleichterung der Informationsbeschaffung. Die Behörde erstellt die erforderlichen Pläne, Berechnungen usw. nicht selbst, sondern läßt dies vom Antragsteller machen. Das kann jedoch nicht als eine funktionale Privatisierung in dem 4 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 33, 45; Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 41 ff. Es handelt sich insoweit um Sonderformen der allgemeinen Mitwirkungslast nach § 26 Abs. 2 Satz I VwVfG. Zu den echten Mitwirkungspflichten i. S. d. § 26 Abs. 2 Satz 3 VwVfG vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 42 ff. s § 10 Abs. I Satz 3 BlmSchG und§ 7 Abs. I Satz 2 der 9. BlmSchV. 6 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rn. 17; Kopp, VwVfG, § 24 Rn. 17.
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hier verstandenen Sinn angesehen werden. Diese zeichnet sich vielmehr dadurch aus, daß die Behörde bestimmte aufgabenbezogene Tätigkeiten, insbesondere die technisch-organisatorische Aufgabendurchfiihrung, die sie eigentIich selbst vornehmen müßte, von Privaten erbringen läßt. Nun kann die Sammlung der entscheidungserheblichen Information an sich durchaus Gegenstand einer derartigen Delegation sein. In diesem Fall fehlt es jedoch an einer Tätigkeit, die die Behörde "eigentlich", d. h. ohne die Aktivität des Privaten, selbst zu leisten hätte. Dies ergibt sich aus zwei Überlegungen: Zum einen betreffen die vom Antragsteller zu machenden Angaben gerade die spezifischen Besonderheiten der konkret geplanten Anlage und damit die Grundlagen dieser Planung selbst. Insoweit sind die Antragsunterlagen in weiten Teilen vor allem eine Beschreibung des Verfahrensgegenstandes. Dieser ist aber im Antragsverfahren allein vom Antragsteller zu bestimmen, so daß es diesbezUglieh schon an einem behördlichen Ansatzpunkt fehlt. Das kann auch gar nicht anders sein: mit Hilfe der Antragsunterlagen muß der Antragsteller der Genehmigungsbehörde erst einmal verdeutlichen, was er überhaupt genehmigt haben will. Hierbei handelt es sich naturgemäß um seine ureigenste Aufgabe, die mit delegierten staatlichen Funktionen nichts zu tun hat. Aber auch bezUglieh der Ermittlung der anlagenexternen Umstände, die vor allem in die Immissionsprognose einfließen (z. B. Vorbelastung und meteorologische Verhältnisse der Umgebung), kann nicht von einer funktionalen Privatisierung gesprochen werden. Die gesetzliche Ausgestaltung der Mitwirkungslast bringt es nämlich mit sich, daß die Ermittlung dieser Umstände eben gerade keine Tätigkeit ist, die die Verwaltung in Ermangelung einer privaten Durchfiihrung selbst vorzunehmen hätte. Unterbleibt die Informationsbeschaffung durch den Antragsteller, so muß die Behörde nicht etwa an seiner Stelle tätig werden. Der Nachweis, daß alle Genehmigungsvoraussetzungen erfiillt sind, ist keine originäre Behördenaufgabe, sondern eine eigentliche "Bringschuld" des Antragstellers. Folglich wird der Anlagenbetreiber hier nicht als "Erfiillungsgehilfe" der Verwaltung, sondern in eigener Sache und im eigenen Interesse tätig. Dies hat mit einer funktionalen Privatisierung aber nichts zu tun. Nach alledem kann also festgehalten werden, daß die gesetzlich begründete Mitwirkungslast des Antragstellers bei der Sachverhaltsermittlung im Genehmigungsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Privatisierung außer Betracht bleiben kann.
B. Die Geltendmachung von Einwendungen durch Dritte Weitere Informationen kann die Behörde dadurch erhalten, daß Dritte nach § 10 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BlmSchG, § 12 der 9. BlmSchV Einwendungen
B. Die Geltendmachung von Einwendungen durch Dritte
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gegen das Vorhaben erheben. Einwendungen sind sachliches, auf die Verhinderung oder die Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielendes Gegenvorbringen7 • Ihre Erhebung und nachfolgende Erörterung im Erörterungstermin nach§§ 10 Abs. 6 Satz 1 BimSchG, 14 ff. der 9. BimSchV soll der Genehmigungsbehörde weitere entscheidungsrelevante Sachverhaltsinformationen liefern und damit die Entscheidungsgrundlage verbreitern, damit die Behörde einen möglichst umfassenden Überblick über die dem Vorhaben möglicherweise entgegenstehenden Belange und Interessen bekommt8 . Die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, dient damit sowohl der materiellen Richtigkeit der behördlichen Genehmigungsentscheidung als auch dem Schutz der Betroffenen9• Eine Begründung der Einwendungen ist nicht vorgeschrieben; um aber ihren Zweck zu erfiillen, zur sachlichen Bewältigung des Vorhabens durch die Behörde beitragen zu können, müssen sie zumindest das Recht bezeichnen, in dem der Einwender sich durch die geplante Anlage beeinträchtigt sieht 10• Ein bloßes "Nein" zur Anlage reicht insoweit nicht aus. Andererseits kann von dem Einwender regelmäßig nicht verlangt werden, daß er anband der ausliegenden Antragsunterlagen quasi eine technische Vorprüfung vornimmt, um genau darlegen zu können, in welcher Weise er eine Verletzung der Schutz- oder Vorsorgeanforderungen befi1rchtet 11 • Insofern ist es filr eine substantiierte Einwendung ausreichend, allerdings auch regelmäßig erforderlich, daß das gefährdete Rechtsgut und die befilrchtete Beeinträchtigung als solche bezeichnet werden12. Auf diese Weise erhält die Behörde also regelmäßig Informationen über Gegebenheiten außerhalb der Anlage, die bei der Prüfung, ob die Anlage den Schutz- und Vorsorgeanforderungen gerecht wird, auf der Sachverhaltsseite 7 BVerwGE 60, 297 (300) zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren; ebenso OVG Münster, NuR 1990,417 (418) zum immissionsschutzrechtlichen Verfahren. 8 BVerwGE 60, 297 (304); Jarass, BimSchG, § 10 Rn. 61. 9 Jarass, BimSchG, § 10 Rn. 53 konstatiert hier eine Priorität des Informationszwecks: primär dienten die Einwendungen der Information der Genehmigungsbehörde, sekundär dem Schutz der Betroffenen. Daß der subjektive Rechtsschutz im Einwendungsverfahren in der Tat nicht im Vordergrund steht, ergibt sich daraus, daß Einwendungen von jedermann, auch ohne die Behauptung einer subjektiven Rechtsverletzung, geltend gemacht werden können (vgl. dazu Feldhaus-Czajka, BimSchR, Anm. 57 zu § 10 BimSchG); insofern dient das Einwendungsverfahren auch der Wahrung allgemeiner Belange. Verfahrensrechtlich hat es freilich überdies den Zweck, subjektiv Betroffene möglichst früh zur Artikulierung ·ihres Gegenvorbringens anzuhalten und, soweit das nicht erfolgt, mit dem Eintritt der Präklusion nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BimSchG aus dem weiteren Verfahren auszuschalten. 10 BVerwGE 60, 297 (300); Feldhaus-Czajka, BlmSchR, Anm. 56 zu § 10 BimSchG. 11 GK-Roßnagel, § 10 Rn. 342; Jarass, BimSchG, § 10 Rn. 80. 12 BVerwGE 60, 297 (311 ).
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mit einzustellen sind. Das ist vor allem filr die Frage wichtig, ob die geplante Anlage den Anforderungen des Schutzprinzips gerecht wird; dies kann sinnvollerweise nur beurteilt werden, wenn die möglicherweise gefiihrdeten Schutzgüter der Behörde genau bekannt sind. Kann somit die Erhebung von Einwendungen praktisch eine überaus nützliche Ergänzung der behördlichen Sachverhaltsinformation bewirken, so wäre es doch auch hier nicht angemessen, von einer Privatisierung der Sachverhaltsermittlung zu sprechen. Denn es kann nicht die Rede davon sein, daß der Staat abgrenzbare Elemente seiner Tätigkeit auf Private delegiert. Weder liegt ein Fall einer gesetzlichen Indienstnahme vor, da die Erhebung von Einwendungen in das Belieben des einzelnen Privaten gestellt ist, aber keine Verpflichtung dazu besteht. Noch kann von einer funktionalen Privatisierung in dem Sinne ausgegangen werden, daß die Behörde Sachverhaltsermittlungen, die sie ansonsten selbst vorzunehmen hätte, jetzt von Privaten durchfUhren läßt. Im Gegenteil, es fängt die behördliche Sachverhaltsermittlung nach der Erhebung von Einwendungen überhaupt erst an, indem die Behörde auch hier wieder überprüfen muß, ob die in den Einwendungen vorgetragenen Informationen eine tatsächliche Grundlage haben. Die Summe der Einwendungen ist zunächst einmal eine ungeordnete Sammlung von sachlich mehr oder weniger fundiertem Vorbringen, aus der die Behörde dann die tatsächlich relevante Sachverhaltsinformation erst herausfiltern muß. Das hat aber nichts mit der Situation der funktionalen Privatisierung zu tun, bei der die Behörde zielgerichtet die Vomahme bestimmter Handlungen auf Private überträgt, um sich selbst davon zu entlasten.
C. Der Einsatz von Sachverständigen I. Begriff und Wesen des Sachverständigen Ein breites Spektrum privater Tätigkeit im Genehmigungsverfahren ergibt sich beim Einsatz von Sachverständigen. Dabei handelt es sich um Personen, die aufgrund ihrer besonderen Sachkunde auf einem bestimmten Gebiet in der Lage sind, ihrem Auftraggeber spezifische Erkenntnisse zu vermitteln 13 • Insbesondere kann ein Sachverständiger bestimmte Tatsachen feststellen, deren Wahrnehmung ihm eben aufgrund seiner besonderen Sachkunde möglich ist, 13 Stelkens!Bonk/Sachs, VwVfD, § 26 Rn. 48; Kopp, VwVfD, § 26 Rn. 19; näher zum Begriff Heck, PraxisHdb Sachverständigenrecht, § 1 Rn. 6 ff. Das Erfordernis besonderer, erheblich über dem Durchschnitt liegender Kenntnisse und Fähigkeiten wird jedenfalls für öffentlich bestellte Sachverständige - vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, BVerwGE 45, 235 (238 u. 248).
C. Der Einsatz von Sachverständigen
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sowie abstrakte Erfahrungssätze aus seinem Wissensgebiet zur Kenntnis bringen und daraus filr einen konkreten Anwendungsfall Schlußfolgerungen ableiten14. Auf diese Weise ermöglicht er es seinem Auftraggeber, seine Entscheidungen auf der Basis einer ausreichenden Wissensgrundlage zu treffen. Hingegen ist es nicht die Aufgabe eines Sachverständigen, selbst Bewertungen und Abwägungen vorzunehmen oder eigene Entscheidungen zu treffen. Im Bereich des behördlichen Gesetzesvollzugs können Sachverständige nach dieser Definition dazu dienen, der entscheidenden Behörde die zu ihrer Entscheidung notwendigen kognitiven Grundlagen an die Hand zu geben. Das betrifft zum einen die gesamte Ebene der Sachverhaltsermittlung, wie sie hier als erste Stufe des Vollzugsmodells entwickelt worden ist, also die Beschaffung der Informationen bezüglich der Anlage selbst, ihrer Auswirkungen auf die Umgebung sowie der anlagenexternen Umstände, die filr die Entscheidung bedeutsam sind 15. Zum anderen gehören dazu aber auch diejenigen naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisgrundlagen, die die Behörde auf der zweiten Ebene der Gesetzeskonkretisierung benötigt, um die gegebenenfalls erforderliche Einzelfallkonkretisierung der gesetzgeberischen Vorstellungen vornehmen zu können; etwa um zu bestimmen, bei welcher Immissionsbelastung die Schädigungswahrscheinlichkeit so groß ist, daß die Gefahrengrenze überschritten wird. Die Ermittlung dieser Tatsachen- und Wissensbasis ist also der Bereich, in dem ein Sachverständigeneinsatz grundsätzlich denkbar ist; die Normkonkretisierung und die Entscheidung selbst hingegen, also der eigentliche Vorgang der Subsumtion und der Auswahl der programmierten Rechtsfolge, muß in jedem Fall durch die Behörde erfolgen 16. II. Verhältnis zum Amtsermittlungsgrundsatz Zunächst einmal ist freilich davon auszugehen, daß die Ermittlung der genannten kognitiven Entscheidungsgrundlagen, also des Sachverhalts und der naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen filr die Gesetzeskonkretisierung im Einzelfall, der entscheidenden Behörde als eigene Aufgabe obliegt und sogar den eigentlichen Inhalt der behördlichen Amtsermittlungspflicht ausmacht. Bezüglich des Sachverhalts (im engeren Sinne) wird dies durch die Grundsatz14 Jessnitzer/Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 727; Roeßner, PraxisHdb Sachverständigenrecht, § 7 Rn. 4 ff.; Müller, Der Sachverständige, Rn. 3 ff.; Skouris, AöR 107, 215 (219). 15 Umfassend zur Tatsachenermittlung durch Sachverständige Bayer/ein, PraxisHdb Sachverständigenrecht, § 14, flir den hiesigen Bereich siehe insbesondere Rn. 174 ff., 226 ff. 16 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 48; Müller, Der Sachverständige, Rn. 15; Jessnitzer/Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 736.
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vorschrift des § 24 Abs. I VwVfG ausdrücklich niedergelegt. Aber auch wenn eine Einzelfallkonkretisierung der gesetzlichen Anforderungen notwendig ist, kann kein Zweifel daran bestehen, daß es zufbrderst der Behörde zukommt, sich die Kenntnisse !!nd Informationen, die filr eine anwendungstaugliche Interpretation der unbestimmten Gesetzesvorgaben unerläßlich sind, selbst zu erschließen. Dies entspricht ja auch gerade dem Idealmodell des Behördenvollzugs.
1. Inhalt des Amtsermittlungsgrundsatzes nach§ 24 Abs. 1 VwVJG Das gilt auch ungeachtet des Umstands, daß der Antragsteller hier in sehr weitgehendem Maße zur Mitwirkung verpflichtet ist. Denn obwohl die von ihm vorgelegten Unterlagen Aussagen über alle wesentlichen Genehmigungstatsachen enthalten müssen, und somit eine Entscheidung allein auf dieser Grundlage an sich möglich sein müßte 17, erschöpft sich die Vollzugstätigkeit der Behörde normalerweise nicht in der bloßen Kenntnisnahme und Verarbeitung dieser Information, sondern wird durch zusätzliche eigene Ermittlungen ergänzt. Der Grundsatz der Amtsermittlung besagt hierbei eben dies, daß die Behörde sich mit allen filr die Genehmigungsentscheidung relevanten Fakten so vertraut zu machen hat, daß ihr auf dieser Grundlage eine eigene Subsumtion und Entscheidung möglich ist. Die Behörde muß also auf der Basis eines gesicherten Sachverhalts und eines entsprechenden Verständnisses der dort bedeutsamen sachlichen Umstände entscheiden, wobei ihr bezüglich der konkreten Reichweite ihrer Ermittlungen ein Ermessen zukommt. Zur Informationsgewinnung kann und muß sie zwar an die Angaben des Antragstellers anknüpfen, ist aber nicht an sie gebunden (vgl. § 24 Abs. I Satz 2, 2. Halbsatz VwVfG), sondern vielmehr gehalten, diese Angaben kritisch auf ihre Verläßlichkeit zu überprüfen. Das gilt naturgemäß in besonderem Maße fllr diejenigen Elemente, die mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind, wie zum Beispiel Prognosen. Soweit der Antragsteller solche Sachinformationen liefert, ist die Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsermessens gehalten, diese Angaben zu verifizieren und nachzuvollziehen. Stellt der Antragsteller über einzelne Umstände keine Informationen zur VerfUgung (etwa über externe Gegebenheiten), muß die Behörde die notwendigen Sachverhaltinformationen selbst erheben. Ebenso muß die Behörde selbst 'über diejenigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse verfUgen, die zur Konkretisierung der Schutz- und Vorsorgeanforderungen im Einzelfall erforderlich sind.
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Vgl. oben§ 3 BI I a gg und Ziffer 3.3 Abs. 2 der GenVwV NW.
C. Der Einsatz von Sachverständigen
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2. Eigene Erkenntnismittel der Behörde
Zur Durchfilhrung dieser Ermittlungen und zur Erlangung der nötigen Kenntnisse stehen der Genehmigungsbehörde zunächst ihre eigenen Mittel zur Verftigung. Gerade Fachbehörden verfUgen meistens über einen Stamm von entsprechend geschulten und ausgebildeten Mitarbeitern, Technikern und Ingenieuren, die im naturwissenschaftlich-technischen Bereich besonders qualifiziert sind und damit der Behörde den notwendigen Sachverstand vermitteln können 18. Das gilt um so mehr, je stärker auch bei der Verwaltung die Differenzierung in fachkundige, speziell ausgerichtete Unterabteilungen fortschreitet19. Mit ihrer Hilfe können Sachverhaltsermittlung und Normkonkretisierung häufig von der Genehmigungsbehörde selbst vorgenommen werden. Was darüber hinaus die reine Datenbasis anbetrifft, so existiert in der jeweiligen Fachbehörden nach jahrelanger Praxis häufig ein umfangreicher Datenbestand, der sowohl zur Verifizierung der vom Antragsteller gemachten Angaben als auch zu eigenständigen Feststellungen der Behörde herangezogen werden kann20. So sind etwa die Immissionsvorbelastungen und die Ausbreitungsfaktoren der Anlagenumgebung oder die Toxizität bestimmter Luftschadstoffe der Genehmigungsbehörde aus vergleichbaren Verfahren oder aus flächendeckenden Erhebungen der Vergangenheit oft schon bekannt21 . Wird eine Änderungsgenehmigung nach§ 16 BimSchG beantragt, so kann die Behörde auf die Datenbestände aus dem Erstgenehmigungsverfahren bzw. aus der zwischenzeitliehen Überwachung zurückgreifen. 3. Rückgriffaufdie Erkenntnismittel anderer Behörden
Außerdem hat die Genehmigungsbehörde häufig die Möglichkeit, sich die Daten und Kenntnisse, die ihr selbst fehlen, bei anderen staatlichen Stellen zu verschaffen. Das gilt insbesondere filr diejenigen Umstände, die nicht direkt mit dem konkreten Anlagenprojekt zusammenhängen, das den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens bildet. So werden etwa die maßgeblichen meteorologischen Rahmendaten filr eine Ausbreitungsrechnung jedenfalls bei den staatlichen Wetterämtern bekannt sein, wenn die Immissionsschutzbehörde sie
Bayer/ein, PraxisHdb Sachverständigenrecht, § 24 Rn. 11 . Zu dieser Entwicklung Brohm, HdbStR Bd. II, § 36 Rn. 4. 20 Sogenannte "amtskundige Tatsachen", vgl. Feldhaus- Vallendar, BlmSchR, Anm. 4 zu§ 13 der 9. BlmSchV; Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 6. 21 Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 12 zu§ 4 der 9. BlmSchV. 18
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12 Ludwig
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nicht selbst parat hat22 • Bestehende Immissionsvorbelastungen, die der Immissionsschutzbehörde noch nicht selbst ermittelt hat, können beispielsweise aufgrund lokaler Erhebungen bei den Kommunen oder aufgrund übergreifender Untersuchungen (etwa in Untersuchungsgebieten nach § 44 Abs. I BimSchG oder aufgrund kontinuierlicher Messungen nach den §§ 3 f. der 22. BimSchV23) bei höheren staatlichen Stellen (z. B. im jeweiligen Landesumweltministerium, bei einer Landesanstalt fiir Immissionsschuti4 oder in einem Landesamt fiir Umweltschutz25) bekannt sein26• Überhaupt wird es nicht selten vorkommen, daß bestimmte Daten bei zentralen Landesstellen, sei es in den Ministerien oder in separaten Behörden, 1zum Gebrauch fiir alle anderen Behörden zur VerfUgung gehalten werden27. Alle diese Daten kann die Genehmigungsbehörde im Verfahren dann von d~n anderen staatlichen Stellen abfragen und auf diese Weise in Erfahrung bringen. Auch im Bereich des personellen Sachverstands wird ein Rückgriff auf andere staatliche Stellen gelegentlich in Frage kommen. In anderen Behörden mögen etwa Spezialisten filr bestimmte Sachfragen beschäftigt sein, über die die Immissionsschutzbehörde nicht verfUgt, deren Fachwissen sie aber fiir ihre eigenen Ermittlungen und Beurteilungen benötigt. In diesem Fall kann die Immissionsschutzbehörde die andere Behörde darum ersuchen, ihr diese "internen Sachverständigen" filr einen konkreten Anwendungsfall zur VerfUgung zu stellen, und kann sich auf diese Weise den dort präsenten Sachverstand zunutze machen 28• Das kann etwa so aussehen, daß die Genehmigungsbehörde 22 Ziffer 8 des Anhangs C zur TA Luft verweist flir die Parameter der Ausbreitungsrechnung explizit auf die Daten des Deutschen Wetterdienstes, einer rechtsfähigen Bundesanstalt des öffentlichen Rechts (dazu zuletzt BGH, DVBI 1995, 511 (512)). 23 Obwohl § 5 der 22. BlmSchV anordnet, daß die Immissionswerte und Meßverfahren der TA Luft unberührt bleiben, dürfte einer Verwertung der Tatsachenerkenntnisse, die nach dem Verfahren der 22. BlmSchV gewonnen wurden, grundsätzlich nichts entgegenstehen, sofern nicht im Einzelfall - etwa aufgrund ungleicher Beurteilungs- oder Berechnungsmaßstäbe-eineVergleichbarkeit der Meßergebnisse nicht gegeben ist. 24 So bislang in Nordrhein-Westfalen, die Landesanstalt flir Immissionsschutz ist allerdings kürzlich mit anderen Stellen zum Landesumweltamt zusammengefaßt worden. 25 So etwa in Bayern, vgl. Art. 6 Abs. 2 BaylmSchG. 26 Vgl. auch Ziffer 3.6.2.3 Abs. I der GenVwV NW. Einen interessanten Fall der interbehördlichen Wissensvermittlung über Vorbelastungen bildet - allerdings flir nicht genehmigungsbedürftige Sendefunkanlagen - die Regelung des § 7 Abs. I der 26. BlmSchV. Dazu näher unten§ 9 BI, Fn. II. 27 So etwa in Nordrhein-Westfalen, wo eine zentrale Erfassung und Auswertung aller immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanträge durch die Landesanstalt flir Immissionsschutz Getzt: Landesumweltamt, vgl. oben Fn. 24) erfolgt, dazu GK-Roßnagel, § 10 Rn. 407 ff. 28 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 5 Rn. 8. Eine Gegenüberstellung von internen und externen Sachverständigen erfolgt bei Di Fabio, VerwArch 81, 193 (195 f.), ähnlich bei Brohm, HdbStR Bd. II, § 36 Rn. 8 f.
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eine komplizierte Immissionsprognose, die sie mit eigenen Kräften nicht verifizieren könnte, von den Experten einer anderen Behörde überprüfen, bestätigen oder gar erstellen läßt29• Die interbehördliche Wissensübermittlung kann sich dabei insbesondere auf die Amtshilfevorschriften des § 5 Abs. I VwVfG stützen. Dabei eröffnet § 5 Abs. I Nr. 2 VwVfG der ersuchenden Genehmigungsbehörde den Zugriff auf Datensammlungen bei der ersuchten Behörde (das betrifft vor allem Aufzeichnungen über Vorbelastungen und sonstige übergreifende Erhebungen) und nach § 5 Abs. I Nr. 4 VwVfG kann sie die Unterstützung der personellen und materiellen Kapazitäten der anderen Behörde nachsuchen30• Vielfach wird diese interbehördliche Kenntnisvermittlung auch Gegenstand der regulären Behördenbeteiligung nach § 10 Abs. 5 BlmSchG, § II der 9. BlmSchV sein. Da die zu beteiligenden Behörden in ihrem eigenen Bereich mutmaßlich mit besonderer Sachkunde ausgestattet sind, können ihre Stellungnahmen nach den genannten Vorschriften bereits dazu dienen, die anliegenden Fragen zu klären und der Genehmigungsbehörde die notwendigen Informationsgrundlagen zu verschaffen31 • Das ist vor allem auch unter dem Aspekt von Bedeutung, daß die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 13 BimSchG eine Konzentrationswirkung entfaltet und somit die ansonsten fiilligen Vollzugsentscheidungen anderer Behörden aus anderen Rechtsbereichen ersetzt. Hierdurch ist der Immissionsschutzbehörde auch der Vollzug von gesetzgeberischen Vorstellungen aufgegeben, die nicht ihrem originären Bereich entstammen, und es ist zum Zwecke der Vollzugsoptimierung geboten, daß die eigentlich zuständige Fachbehörde sie dabei nach Möglichkeit mit ihrem spezifischen Fachwissen unterstützt. Soweit die Genehmigungsbehörde in dieser Weise die Möglichkeit hat, sich die erforderlichen Kenntnisse und Informationen selbst oder mit der Hilfe anderer staatlicher Stellen zu besorgen, bedarf es grundsätzlich keiner weiteren Gutachten mehr. Die Verfilgbarkeit des internen Behördensachverstands läßt
29 So etwa Ziffer 3.6.2.5 der GenVwV NW, wonach die Genehmigungsbehörde eine vom Antragsteller vorgelegte Immissionsprognose in jedem Fall der Landesanstalt ftir Immissionsschutz (jetzt: Landesumweltamt, vgl. oben Fn. 24) zur Überprüfung vorzulegen hat. Hier wird die interbehördliche Hilfestellung durch eine Verwaltungsvorschrift institutionalisiert. 30 Vgl. Bayer/ein, PraxisHdb Sachverständigenrecht, § 24 Rn. 14; eingehender zu der Abgrenzung zwischen den einzelnen Fällen des § 5 Abs. I VwVfG Stellrens!Bonk/ Sachs, VwVfG, § 5 Rn. 6 ff. 31 Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 4 zu § I I der 9. BlmSchV. Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob es sich bei der regulären Beteiligung anderer Behörden materiell ebenfalls um einen Fall der Amtshilfe handelt; in diesem Sinne GK-Roßnagel, § 10 Rn. 423; a. A. offenbarSkouris, AöR 107,215 (221).
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
dann eine Bestellung externer Sachverständiger als überflüssig erscheinen32 • Unter dem Aspekt der Privatisierung ist dieser interbehördliche und intrabehördliche Informationsfluß freilich nicht ergiebig, da er ausschließlich zwischen Behörden und damit innerhalb des staatlichen Bereichs stattfmdet. Hat die Behörde hingegen zur Ermittlung der kognitiven Entscheidungsgrundlagen weder adäquate eigene Erkenntnismittel noch die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Kapazitäten anderer staatlicher Stellen, so ist der Weg zur Bestellung eines Privaten als Sachverständigen offen. 111. Erscheinungsformen und Voraussetzungen des Sachverständigeneinsatzes Im Verwaltungsverfahren kann die Behörde gemäߧ 26 Abs. I Satz 2 Nr. 2 VwVfG grundsätzlich Sachverständige zur Klärung des Sachverhalts hinzuziehen. Dabei wurde schon gesagt, daß dies ebenso ftlr die Klärung der sachlichen Vorfragen im Zusammenhang mit einer Gesetzeskonkretisierung gilt. Diese allgemeine Regelung wird allerdings ftlr das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren durch§ 13 der 9. BlmSchV in nicht unerheblichem Umfang modifiziere3 . Danach ist wie folgt zu unterscheiden: 1. Behördliche Gutachten
Bedeutung ftlr den hiesigen Untersuchungsgegenstand haben zunächst die in § 13 Abs. I der 9. BlmSchV geregelten Sachverständigengutachten, die von der Behörde selbst in Auftrag gegeben werden. Mit ihnen kompensiert die Behörde ihre fehlenden Erkenntnis- und Ermittlungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Privaten, so daß hierin ein echtes Privatisierungspotentialliegt a) Erforderliche Gutachten gemäߧ 13 Abs. 1 Satz 1 der 9. BlmSchV Nach der Grundregel des § 13 Abs. 1 Satz I der 9. BimSchV holt die Genehmigungsbehörde Sachverständigengutachten ein, soweit dies ftlr die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich ist. Das Kriterium der Erforderlichkeit ist dabei sowohl Ausdruck des Amtsermittlungsgrundsatzes als auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wonach der Antragsteller nicht durch
32 Fe/dhaus-Va/lendar, BlmSchR. Anm. 4 zu§ 13 der 9. BlmSchV; Jessnitzer/Frie/ing, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 732. 33 Se/lner, Immissionsschutzrecht, Rn. 163.
C. Der Einsatz von Sachverständigen
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die Kosten eines überflüssigen Gutachtens belastet werden soll34• Die Behörde muß also zunächst prüfen, ob ihr die Erlangung der notwendigen Informationen und Kenntnisse auch mit eigenen Mitteln oder unter Zuhilfenahme anderer staatlicher Stellen möglich wäre. Erst wenn das nicht der Fall ist, kommt als Ausnahme vom Normalfall der behördlichen Eigenermittlung die Bestellung eines externen Sachverständigen in Betraches. Wenn die staatlichen Behörden nicht über die erforderlichen kognitiven Grundlagen verfUgen, so kann das verschiedene Gründe haben. Es mag zum einen daran liegen, daß die fachlich versierten Behördenmitarbeiter zwar hinreichende Fachkenntnisse haben, um "normale" Genehmigungssachverhalte zu ermitteln und aufzubereiten, in der Praxis aber auch alle Arten von atypischen Konstellationen auftreten, die mit dem gewöhnlichen Wissen nicht zuverlässig behandelt werden können. Treten beispielsweise ungewöhnliche technische Einzelheiten, wenig erforschte Stoffe oder neuartige Produktionsweisen auf den Plan, die spezielle Ermittlungen über die jeweiligen immissionsrelevanten Auswirkungen erforderlich machen, so wird in einer durchschnittlichen unteren Genehmigungsbehörde meist kein Spezialist filr solche Sonderfragen zur Hand sein. Vielfach werden dann allerdings auch andere Behörden nicht über derartige Experten verfUgen. Das hat zur Folge, daß die Genehmigungsbehörde die notwendigen Tatsachengrundlagen nicht ohne Rückgriff auf privaten Sachverstand feststellen und im Hinblick auf die gesetzlichen Maßgaben zur Anwendungstauglichkeit bringen kann. Vergleichbares gilt filr Prognosen, die mit besonderen Unsicherheitsfaktoren behaftet sind, und filr Sachverhalte, die aufgrund ihrer hohen Komplexität außergewöhnliche Schwierigkeiten bei der Erfassung und Beurteilung aufwerfen; filr den insofern besonders sensiblen Fall der Sicherheitsanalysen nach der Störfaii-Verordnung sieht § 13 Abs. I Satz 3 der 9. BlmSchV daher in Umkehrung des sonstigen Regel-Ausnahme-Verhältnisses eine Sachverständigenbeteiligung im Regelfall vor36• Ein weiteres Hauptmanko der staatlichen Erkenntnismöglichkeiten sind unzureichende Datenbestände. Sowohl im Bereich der Sachverhaltsermittlung als auch bei der Normkonkretisierung ist die Genehmigungsbehörde auf Datensammlungen angewiesen. Liegen beispielsweise keine Erhebungen über Immissionsvorbelastungen im Einwirkungsgebiet der Anlage vor, so müssen diese Vorbelastungen grundsätzlich gemessen werden. Hierzu kann es der Behörde wiederum an meßtechnisch qualifiziertem Personal und an den dafür erforderlichen Apparaturen fehlen. Ebenso setzt eine einzelfallspezifische Konkretisierung der Gefahrengrenze filr einen bestimmten Schadstoff voraus, daß wissen34 Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 2 zu § 13 der 9. BlmSchV; die Kostentragungspflicht ergibt sich dabei aus § 52 Abs. 4 Satz I BlmSchG. 35 So etwa ausdrücklich Ziffer 8.1 Abs. 1 der GenVwV NW. 36 Dazu näher unten C V 5.
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schaftlieh untermauerte Daten über dessen Toxizität verfiigbar sind. Hat die Genehmigungsbehörde solche Daten nicht zur Hand, und kann sie sie auch nicht durch eigene empirische Untersuchungen zutage fordern, so fehlt ihr das erforderliche eigene ErkenntnispotentiaL Das gleiche gilt fiir die Konkretisierung des Vorsorgeprinzips: knüpft dieses an den "Stand der Technik" an, so muß die Behörde zum Zwecke einer zutreffenden Spezifizierung der technischen Vorsorgeanforderungen über Vergleichsdaten aus Betrieben oder Forschungseinrichtungen verfUgen. Ist das nicht der Fall, kann sie das gebotene Vorsorgeniveau kaum aus eigener Kompetenz festsetzen. VerfUgt die Genehmigungsbehörde aus den vorgenannten Gründen weder selbst noch unter Hinzuziehung anderer Behörden über die entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten, und setzt die jeweilige Vollzugssituation solche Kenntnisse zwingend voraus, so ist die Bestellung eines Sachverständigen erforderlich. Die Behörde kann dann einen Sachverständigen hinzuziehen und muß es im Regelfall auch, um ihrer gesetzlich vorgeschriebenen, umfassenden Aufklärungspflicht zu genügen37• b) Gutachten zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV Neben der gerade geschilderten Situation, in der die Unzulänglichkeit der behördlichen Erkenntnismittel eine Beauftragung privater Sachverständiger erforderlich macht, ist deren Heranziehung aber auch noch aus Gründen der reinen Verfahrensbeschleunigung zulässig. Das betrifft insbesondere den Fall der Überlastung der Genehmigungsbehörde38 • So kann es etwa sein, daß die Genehmigungsbehörde (oder auch eine andere Behörde, auf die sie im Wege der Amtshilfe zurückgreifen könnte) zwar an sich über das Personal und die Mittel verfUgt, die zur Klärung einer bestimmten sachlichen Frage erforderlich sind, gerade an dieser Stelle aber unter einer zeitlichen Überbeanspruchung leidet, die eine zügige Behandlung des Genehmigungsantrags verhindert. Geht es bei-
37 Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 20; auch BVerwGE 17, 342 f.; 69, 70 (73 f.) zum insoweit gleichgelagerten verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Allerdings kann in dieser Situation auch ein vom Antragsteller vorgelegtes Privatgutachten nach § 13 Abs. 2 Satz l der 9. BlmSchV die Erforderlichkeil eines weiteren Behördengutachtens entfallen lassen. Wenn die Darlegungen des privat beauftragten Sachverständigen schlüssig sind und der Behörde alle Informationen verschaffen, die sie zu einer eigenen Urteilsbildung benötigt, ist eine weitere Sachverständigenbeauftragung entbehrlich; das Privatgutachten hat nicht allein wegen seiner Herkunft aus der Sphäre des Antragstellers einen geringeren Erkenntniswert. Vgl. dazu Ziffer 8.1 Abs. 6 der GenVwV NW; GK-Roßnagel, § lO Rn. 434; zurückhaltender Müller, Der Sachverständige, Rn. 55 b ff. 38 GK-Roßnagel, § 10 Rn. 430; Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 5 zu§ 13 der 9. BlmSchV.
C. Der Einsatz von Sachverständigen
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spielsweise darum, die potentiellen schädlichen Auswirkungen einer bestimmten Substanz für die Zwecke der Einzelfallkonkretisierung des Schutzprinzips zu beurteilen, so wird es häufig so sein, daß in der Behörde allenfalls ein sachverständiger Experte für diese Fragen zur Verfügung steht. Gehen nun in enger zeitlicher Folge mehrere ähnliche Genehmigungsanträge ein, so kann es genau an dieser Stelle zu einem Engpaß kommen, der das einzelne Verfahren erheblich in die Länge zieht. Ebenso kann die Situation eintreten, daß eine Behörde für die Ermittlung von Immissionsvorbelastungen zwar eigentlich mit meßtechnisch qualifiziertem Personal und Gerät ausgestattet ist, diese Messungen aber einen gewissen Zeitaufwand erfordern, und es deswegen zu spürbaren Verzögerungen kommt, wenn mehrere Verfahren gleichzeitig zu behandeln sind. In diesen Fällen kann der Einsatz von externen Sachverständigen dazu dienen, das konkrete Genehmigungsverfahren von den überlasteten Bearbeitungskapazitäten der Behörde abzukoppeln und schneller an die erforderlichen Informationen zu kommen39• Deswegen sieht§ 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV auch eine Heranziehung von Sachverständigen zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung vor40 • Allerdings führt dieser Sachverständigeneinsatz regelmäßig zu höheren Kosten für den Antragsteller, da dieser dann auch für die Kosten des Gutachtens aufkommen muß, während die entsprechenden Erhebungen, wenn sie von Behördenmitarbeitern durchgefilhrt werden, meist mit den allgemeinen Gebühren des Genehmigungsverfahrens abgegolten sind. Aus diesem Grund macht§ 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV den Sachverständigeneinsatz in diesen Fällen von der Einwilligung des Antragstellers abhängig. Dieser hat also letztendlich die Wahl, ob er gegen "Aufpreis" eine zügigere Ermittlung bestimmter Umstände durch eigens beauftragte Sachverständige vornehmen lassen möchte, oder ob er die "normale" und regelmäßig länger dauernde Ermittlung durch die Behörde selbst bevorzugt. Die neue Fassung des§ 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV läßt es außerdem zu, daß die Mitwirkung eines Sachverständigen zur Verfahrensbeschleunigung sich nicht auf die Erstellung eines Gutachtens beschränkt, sondern auch oder ausschließlich andere Hilfstätigkeilen umfaßt41 • Diese können vor allem in der Vorbereitung von Antragsunterlagen, in der Sichtung und "Aufbereitung" der gewonnenen Informationen und in der Verfahrensorganisation liegen. Da es sich dabei dann jedoch nicht in erster Linie um die Vermittlung besonderen Fachwissens an die Behörde handelt, sondern um Fragen der Organisation und
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Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 196
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Vgl. auch Ziffer 8.1 Abs. 2 der GenVwV NW. Jarass, BlmSchG, § 10 Rn. 41 a; GK-Roßnage/, § 10 Rn. 431.
ff. 41
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des Verfahrensmanagements, sollen diese Aspekte in einem eigenen Abschnitt behandelt werden42 • 2. Privatgutachten
Den behördlichen Gutachten kann man die Privatgutachten des§ 13 Abs. 2 der 9. BlmSchV gegenüberstellen. Diese werden vom Antragsteller selbst in Auftrag gegeben und lassen sich in einfache und qualifizierte Privatgutachten unterteilen. a) Einfache Privatgutachten gemäߧ 13 Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV Die Grundregel geht dahin, daß Sachverständigengutachten, die vom Antragsteller selbst beschafft werden, nach§ 13 Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV als sonstige Antragsunterlagen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG gelten. Das betriffi alle Privatgutachten, die nicht unter den qualifizierenden Voraussetzungen des§ 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV zustande kommen. Aufgrund der Gleichstellung mit den Antragsunterlagen teilen diese einfachen Privatgutachten deren rechtliche Beurteilung. Das ist auch konsequent, denn die Hinzuziehung externer Sachverständiger in dieser Form spielt sich ausschließlich in der Sphäre des Antragstellers ab; dieser nimmt Rückgriff auf einen externen Sachverstand, der ihm selbst fehlt. Mit der behördlichen Vollzugstätigkeit hat dies aber nichts zu tun und ist daher unter dem Privatisierungsaspekt in gleicher Weise unerheblich wie die Ermittlungen des Antragstellers selbst. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang, wenn der Beitrag des privat beauftragten Sachverständigen nicht als eigenständiges, zusätzliches Gutachten präsentiert wird, sondern darin besteht, daß der Antragsteller sich bei der Anfertigung der notwendigen Antragsunterlagen von sachverständiger Seite assistieren läßt. Das ist freilich gerade bei komplizierteren Anlagen oft unumgänglich: viele Anlagenbetreiber werden nicht in der Lage sein, eine Immissionsprognose oder eine Sicherheitsanalyse nach § 7 der 12. BlmSchV selbst zu erstellen, so daß diese Antragsunterlagen in der Praxis regelmäßig von Sachverständigen gefertigt werden43 • Hier gehen Privatgutachten und Antragsunterlagen Hand in Hand.
Siehe dazu unten D II 1. So flir die Immissionsprognose Pütz/Buchholz, Genehmigungsverfahren, S. 67. Übrigens darf im Falle der Sicherheitsanalyse deren Erstellung durch einen - privat beauftragten - Sachverständigen nicht verwechselt werden mit der separaten Einholung ei42
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C. Der Einsatz von Sachverständigen
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b) Qualifizierte Privatgutachten gemäߧ I3 Abs. 2 Satz 2 der 9. BimSchV Etwas anderes gilt jedoch im Falle der qualifizierten Privatgutachten nach § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV. Nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren44 sind zwei verschiedene Konstellationen von ihr erfaßt. Qualifizierte Privatgutachten sind zum einen solche, die der Antragsteller in Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde in Auftrag gegeben hat, zum anderen diejenigen, die durch einen besonders qualifizierten und anerkannten Sachverständigen nach § 29 a Abs. I BlmSchG erstellt werden. Dabei ist im letzteren Falle noch einmal zu unterscheiden zwischen den allgemein anerkannten Sachverständigen des § 29 a Abs. I Satz I BlmSchG und denen des § 29 a Abs. I Satz 2 BlmSchG, bei denen es auf ihre Sachverständigenbefähigung (namentlich auf ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit) im Einzelfall ankommt. Die qualifizierten Privatgutachten gelten gemäß § I3 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV als behördliche Gutachten und haben insoweit die gleiche Funktion und den gleichen Erkenntniswert wie jene. Insofern handelt es sich um eine "Zwischenlösung" zwischen behördlichen und privaten Gutachten; das qualifizierte Privatgutachten ist gewissermaßen ein mit staatlicher Billigung eingeholtes Privatgutachten. Die staatliche Billigung ist dabei filr eine Fallgruppe (nämlich filr die Sachverständigen nach § 29 a Abs. I Satz I BlmSchG) verordnungsrechtlich in generalisierender Form erklärt worden (§ I3 Abs. 2 Satz 2, I. Halbsatz, 2. Alternative der 9. BlmSchV). In den beiden anderen Fallgruppen muß die zuständige Behörde entweder dem konkreten Gutachtenauftrag zustimmen oder aber die Person des Sachverständigen im Einzelfall fllr geeignet halten(§ 13 Abs. 2 Satz 2, I. Halbsatz, I. Alternative und 2. Halbsatz der 9. BlmSchV)45 •
nes- behördlichen- Gutachtens darüber nach § l3 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV; dazu näher unten C V 5. 44 Gesetz vom 9. Oktober 1996, BGBI. I, S. 1498 (1501). 45 Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die neugeschaffene Möglichkeit, im Einzelfall qualifizierte Privatgutachten von Sachverständigen nach § 29 a Abs. I Satz 2 BlmSchG in das Verfahren einzubringen, große eigenständige Bedeutung erlangen wird. Wenn der Antragsteller sichergehen will, daß die Behörde das Gutachten als behördliches akzeptiert, wird er sich vorher mit ihr darüber verständigen, ob der vorgeschlagene Sachverständige den Anforderungen entspricht. Wenn die Behörde insoweit Zustimmung signalisiert, wird man es regelmäßig so ansehen können, daß der Gutachtenauftrag selbst in Abstimmung mit der Behörde erfolgt, so daß es des Rückgriffs auf den zweiten Halbsatz des§ 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV gar nicht mehr bedarf. Vgl. in diesem Sinne die Stellungnahme des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, BT-Drucksache 13/3996, s. 17.
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Allerdings ist nicht zu verkennen, daß sich diese Gutachten trotz des behördlichen Einverständnisses "voll im finanziellen und sachlichen Einflußbereich des Antragstellers bewegen"46, und insofern auf die Objektivität der Feststellungen ein besonderes Augenmerk zu richten ist. Das gilt insbesondere dort, wo der Gutachter ein Betriebsangehöriger des Antragstellers sein kann (so etwa in einigen Fällen des § 29 a Abs. I Satz 2 BlmSchG)47• Daher soll die behördliche Zustimmung zu einem solchen Gutachten nach verbreiteter Auffassung nur restriktiv erteilt werden48 • Liegen die qualifizierenden Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV vor, so gilt das privat in Auftrag gegebene Gutachten als Behördengutachten. Die praktische Relevanz dieses Effekts sollte allerdings aus zwei Gründen nicht überschätzt werden. Zum einen ist nämlich die Genehmigungsbehörde auch an ein Behördengutachten nicht ohne weiteres gebunden, sondern muß sich anhand der Darlegungen ihre eigene Überzeugung bilden und notfalls ein ergänzendes Gutachten in Auftrag geben49. Und zum anderen ist auch ein nichtqualifiziertes, einfaches Privatgutachten nicht schlechthin unbeachtlich oder von grundsätzlich geringerem Erkenntniswert, sondern kann bei Schlüssigkeit seiner Darlegungen ebenfalls zur Klärung relevanter Fragen herangezogen werden 50•
IV. Anforderungen an die Sachverständigenbestellung Ist nach den vorgenannten Kriterien die Heranziehung externer Sachverständiger zulässig, so unterliegt sie nach Inhalt und Form bestimmten Maßgaben. 1. BesondereSachkunde Die Person des Sachverständigen muß Gewähr bieten filr seine besondere Sachkunde. Die Behörde muß im Rahmen ihres Auswahlermessens beurteilen, welche spezielle fachliche Qualifikation der Sachverständige aufweisen muß, um die an ihn herangetragenen Fragen sachgerecht beantworten zu können51 • 46 So eine Formulierung des Umweltausschusses des Bundesrates in einer Beschlußvorlage, BR-Drucksache 869/1192, S. 11. 47 Siehe dazu unten § 8 B II 3 b aa. 48 Jarass, BlmSchG, § 10 Rn. 41 ; GK-Roßnagel, § 10 Rn. 435. 49 Skeptisch zu den praktischen Auswirkungen der Neuregelung in diesem Sinne auch Hansmann, NVwZ 1997, 105 (107). so Vgl. oben Fußnote 37. st Vgl. Müller, Der Sachverständige, Rn. 156 a zum gerichtlichen Verfahren.
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Dabei ist es nicht erforderlich, einen herausragenden Spezialisten mit der Gutachtenerstattung zu betrauen, wenn die Klärung der entscheidungserheblichen Umstände auch einem "normal" qualifizierten Sachverständigen der gleichen Sparte möglich ist52 . Andererseits ist die Auswahl der Sachverständigen im Genehmigungsverfahren nicht nur auf bestimmte, vorher amtlich zugelassene Personen beschränkt. Vielmehr muß die Behörde in jedem Einzelfall abschätzen, ob die in Aussicht genommene Person die erforderliche fachliche Qualifikation aufweist. 2. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
Der Sachverständige muß sein Gutachten objektiv und unparteilich erstatten53. Daher sollen insbesondere solche Personen nicht zu Sachverständigen bestellt werden, bei denen mögliche Interessenkonflikte die Unabhängigkeit des Urteils zweifelhaft erscheinen lassen könnten. Es ist allerdings umstritten, inwieweit hier die Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze über den Ausschluß und die Ablehnung von Verfahrensbeteiligten zu beachten sind54• Im Ergebnis darf aber, auch wenn es kein förmliches Ablehnungsrecht des Antragstellers und der übrigen Beteiligten gibt, keine Person zum Sachverständigen bestellt werden, bei der ein Ausschlußgrund nach § 20 Abs. 1 VwVfG vorliegt oder bei der die Besorgnis der Befangenheit nach § 21 Abs. I VwVfG gegeben ist55 • Zweifel an der Objektivität eines Sachverständigen im Sinne der letztgenannten Vorschrift können sich insbesondere dann ergeben, wenn er in derselben Sache bereits im Auftrag eines Beteiligten, speziell des Antragstellers, tätig geworden ist56• 3. Die als Sachverständige in Frage kommenden Rechtssubjekte
Als Sachverständige können in jedem Fall natürliche Personen benannt werden, die die besagten Qualifikationen aufweisen57 • Umstritten ist hingegen, ob auch Behörden oder private Organisationen mit der Gutachtenerstellung betraut
52 Feldhaus-Val/endar, BlmSchR, Anm. 8 zu§ 13 der 9. BlmSchV; Jessnitzer/Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 134. 53 BVerwG, NJW 1989, 2272 (2276). 54 Ausführlich dazu Stelkens!Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 53; Skouris, AöR 107, 215 (237 ff.). 55 So mit Oberzeugenden Gründen Skouris, AöR 107, 215 (238); ebenso FeldhausVal/endar, BlmSchR, Anm. 8 zu§ 13 der 9. BlmSchV; Jarass, BlmSchG, § 10 Rn. 40. 56 Vgl. dazu Ziffer 8.4 der GenVwV NW mit weiteren Unterpunkten. 57 Müller, Der Sachverständige, Rn. 145.
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werden dürfen 58 • Die behördliche und gerichtliche Praxis läßt auch die Benennung von Behörden und Organisationen, wie etwa den Technischen Überwachungsvereinen, zu 59. Da allerdings die Würdigung des Gutachtens durch die Behörde nicht zuletzt auch von der Persönlichkeit des Sachverständigen abhängt, ist im Ergebnis die AnknUpfung an eine bestimmte fachkundige Person innerhalb der benannten Stelle die Regel; die Einbringung der gutachterliehen Feststellungen in das Verfahren kann nicht durch ein "anonymes Gebilde" erfolgen60. In dieser Konstellation wird aber letztlich auch von Vertretern der Gegenansicht die Bestellung einer natUrliehen Person unter der Bezeichnung der Behörde oder Organisation filr zulässig erachtet61 • 4. Der präzise Gutachtenauftrag
Da der Sachverständige nach seiner Definition nur die entscheidungsvorbereitende Wissens- und Informationsvermittlung leisten soll, aber nicht selbst Entscheidungen treffen darf, muß der Gegenstand seiner Stellungnahme von der Behörde möglichst konkret umrissen werden 62 . Der Gutachtenauftrag muß demgemäß präzise bezeichnen, von welchem Basissachverhalt der Sachverständige auszugehen hat, welche weiteren tatsächlichen Erhebungen er gegebenenfalls noch vornehmen soll und welche Fragen zu behandeln sind63 • Die Tätigkeit des Sachverständigen kann sich nach den obigen Ausführungen sowohl auf die Erhebung von Sachverhaltsinformationen als auch auf die sachverständige Beantwortung einzelner Fragen und die Beurteilung bestimmter Sachverhalte erstrecken64• Häufig werden freilich beide Elemente ineinander übergehen, etwa dergestalt, daß der Sachverständige bestimmte Tatsachen58 Für diese Möglichkeit etwa Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 49; Jessnitzer/Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, Rn. 729; Skouris, AöR 107, 215 (219); a.A. Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 22; differenzierend Müller, Der Sachverständige, Rn. 146 ff., 153 ff. 59 BVerwGE 56, 110 (127) flir Behörden; VGH München, NJW 1967, 1529 f., für den TÜV; vgl. auch Ziffer 8.3 der GenVwV NW. Bezüglich der Gutachtenerstellung durch fachkundige Behörden ist freilich darauf hinzuweisen, daß insoweit eine gewisse Konkurrenz zu den Amtshilfe- und Beteiligungsvorschriften besteht (siehe dazu oben C II 3). Im Ergebnis wird hier ein förmlicher Gutachtenauftrag wohl nur in Betracht kommen, soweit diese Regelungen nicht zur Anwendung kommen können. Ausführlich zu diesen Fragen Skouris, AöR 107, 215 (219 ff.). 60 So eine Formulierung von Müller, Der Sachverständige, Rn. 149 a. 61 Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 22; Müller, Der Sachverständige, Rn. 149 b, 155; auch Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 3 zu§ 13 der 9. BlmSchV. 62 Ziffer 8.3.1 der GenVwV NW. 63 Eingehend zur Festlegung des Beweisthemas Müller, Der Sachverständige, Rn. 10 ff. 64 Vgl. Ziffer 8.3.2 der GenVwV NW.
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feststellungen treffen soll, um diese dann anschließend fachkundig im Hinblick auf bestimmte Folgefragen zu analysieren. So kann etwa der Auftrag an den Sachverständigen dahingehend lauten, zunächst bestimmte Immissionsmessungen vorzunehmen (Sachverhaltsermittlung) und dann zu beurteilen, ob die festgestellte Immissionsbelastung zu Gesundheitsschädigungen bei den Menschen im Einwirkungsbereich führen kann (Vorfrage bei der Konkretisierung des Begriffs "schädliche Umwelteinwirkung"). Dabei ist zu beachten, daß nach allgemeiner Auffassung die Gesetzesauslegung selbst, d. h. der eigentliche Schritt der Konkretisierung, und die Subsumtion nicht in die Zuständigkeit des Sachverständigen, sondern der Behörde fallen65. Auf der Ebene der reinen Sachverhaltsermittlung bereitet das keine Probleme. Auf der Ebene der Gesetzeskonkretisierung können hingegen die Schlußfolgerungen des Sachverständigen praktisch oftmals auf eine Vorwegnahme der behördlichen Gesetzesauslegung und Subsumtion hinauslaufen. So beinhaltet etwa in dem oben gebildeten Beispiel die resümierende Aussage des Sachverständigen, daß unter den zugrundegelegten Bedingungen eine Gesundheitsgefährdung mehr oder weniger wahrscheinlich ist, bereits die inzidente Konkretisierung des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkung und die Fixierung der Gefahrengrenze (nämlich entweder oberhalb oder unterhalb der sachverhaltlieh ermittelten Immissionsbelastung). In dem Sachverständigenvotum, das eine substantielle Gefährdung filr höchstwahrscheinlich erachtet, liegt dann im Kern auch schon die Subsumtion unter das Schutzprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG, die in diesem Fall zu dem Resultat führen müßte, daß die gesetzgebensehen Schutzvorstellungen nicht eingehalten werden, die Anlagengenehmigung deshalb verweigert werden muß. Dieses Problem ist freilich nicht nur im Immissionsschutzrecht aktuell66, sondern tritt überall dort auf, wo der Gesetzgeber seine Vorstellungen in Tatbestandsmerkmale gekleidet hat, die ihrerseits an bestimmte technische oder naturwissenschaftliche Kenntnisse anknüpfen und in denen tatsächliche und wertende Elemente sich vermischen67. Überall dort wird es so sein, daß der Rechtsanwender, sei es eine Behörde oder ein Gericht, bei der erforderlichen Gesetzeskonkretisierung und der folgenden Subsumtion maßgeblich auf die sachverständige Beratung angewiesen ist und sich deren Schlußfolgerungen mangels eigenen Sachverstands oft nicht verschließen kann. Damit wird die 65 Ste/Jrens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 48; Feldhaus-Va/lendar, BlmSchR, Anm. 4 zu§ 13 der 9. BlmSchV (Gutachten nur zu Sachfragen, nicht zu Rechtsfragen); Müller, Der Sachverständige, Rn. 15 (zum gleichartigen Verhältnis zwischen Sachverständigem und Gericht). 66 Skouris, AöR 107,215 (246 ff.); vgl. auch Di Fabio, VerwArch 81, 193 zur Lage im Arzneimittelrecht 67 Ste/Jrens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 48; ausführlich zur Problematik bei der Formulierung des Beweisthemas Müller, Der Sachverständige, Rn. 14 ff.
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sachverständige Beratung zur faktischen inhaltlichen Mitentscheidung68• Rechtlich wird die eigenverantwortliche Entscheidung der Behörde in diesen Fällen allerdings dadurch gewahrt, daß sie gehalten ist, die sachverständigen Aussagen auf ihre Schlüssigkeil und Darlegungskraft hin zu untersuchen, sich eine eigene Meinung zu bilden und bei der Entscheidung die Schlußfolgerungen des Sachverständigen nur insoweit zu übernehmen, als diese sie überzeugt haben69. Damit wird die bloße Beratungs- und Hilfsfunktion des Sachverständigen gewahrt.
V. Fallgruppen der Sachverständigentätigkeit Aus der gerade dargestellten Problematik, die kognitiven und die wertenden Elemente der Sachverständigentätigkeit auseinanderzuhalten, wird schon ersichtlich, daß eine stringente Differenzierung nach den Bereichen der Sachverhaltsermittlung und der sonstigen Kenntnisvermittlung und Beurteilung von Sachverhalten nicht immer möglich ist. In Anlehnung an die einzelnen Schritte der behördlichen Entscheidungsvorbereitung können jedoch Fallgruppen filr die möglichen Inhalte der Tätigkeit privater Sachverständiger im Genehmigungsverfahren gebildet werden. 1. Ermittlungen zur Anlage selbst
Als erstes geht es um die Erfassung der technischen Angaben, die die Anlage selbst und ihren Betrieb betreffen. Diese Informationen erhält die Behörde zunächst einmal von dem Antragsteller in Form der Unterlagen zur Anlagenund Verfahrensbeschreibung, zur Störfallsicherheit und zu den Maßnahmen, die zur Erfüllung der Setreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 BimSchG getroffen werden sollen70• Hierbei handelt es sich um den Bereich, der in der Planungsautonomie des Antragstellers liegt und folglich von der Behörde im wesentlichen nur zur Kenntnis genommen werden kann. Eine Verifizierung ist insoweit kaum möglich, da sich das in Frage stehende Anlagenprojekt ja noch gar nicht existiert, von der Behörde also auch nicht gegenständlich untersucht werden kann, die Behörde andererseits aber auch nicht anstelle des Setreibers eigene Planungen anstellen kann. Insofern besteht die behördliche Sachverhaltsermittlung in erster Linie aus einer "Aufbereitung" des vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Materials, um dieses hernach dann an den zutreffenden gesetz68
Dazu Brohm, HdbStR Bd. II, § 36 Rn. 31 ff.; Osterloh, VVDStRL 54, 204 (235
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Kopp, VwVfG, § 26 Rn. 21 ; Müller, Der Sachverständige, Rn. 18. Vgl. dazu im einzelnen die§§ 4 a bis 4 d der 9. BlmSchV.
f.). 70
C. Der Einsatz von Sachverständigen
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liehen Vorschriften zu messen. Weitergehende behördliche Nachforschungen sind in diesem Bereich höchstens dann angezeigt, wenn die Anlage - wie etwa im Falle der Änderungsgenehmigung nach § 16 BlmSchG - schon teilweise existiert oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die vorgelegten Unterlagen nicht realistisch sind und die tatsächliche Anlagenplanung nicht korrekt . dergeben 71 . w1e Ist schon die behördliche Sachverhaltsermittlung in dieser Weise beschränkt, so ist auch für eine unterstützende Sachverständigentätigkeit in diesem Bereich wenig Raum. Allenfalls kann dem Sachverständigen die Aufgabe übertragen werden nachzuprüfen, ob die vom Antragsteller gemachten Betriebsangaben mit seinen praktischen Erfahrungen in Übereinstimmung zu bringen sind. Für den Verfahrensfortgang kann allerdings außerdem eine organisatorisch kompetente "Aufbereitung", d. h. Sichtung, Vorsortierung und vorläufige Bewertung der vom Antragsteller gelieferten Unterlagen hilfreich sein. Dies betrifft jedoch eher Fragen der Organisation als der besonderen Sachkunde und soll daher später unter dem Aspekt des Projektmanagements behandelt werden 72• 2. Ermittlungen zu den anlagenexternen Sachverhaltsumständen
Des weiteren geht es um die Ermittlung der anlagenexternen Umstände, die für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung eine Rolle spielen können. Hierzu zählen insbesondere die Verhältnisse im Einwirkungsbereich der Anlage, also die umgebenden Nutzungen, die Immissionsvorbelastung und die meteorologischen Verhältnisse73 • Soweit diese Informationen in den Unterlagen des Antragstellers bereits enthalten sind, beispielsweise als Basisdaten einer von ihm erstellten Immissionsprognose, muß die Behörde sie verifizieren74 • Das bedeutet im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes, daß sie sich nach Maßgabe ihres Untersuchungsermessens mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen muß, daß diese Angaben der Realität entsprechen. Gehen die erfor71 Allerdings wird die Behörde auch in den Fällen, in denen sich eine Diskrepanz zwischen den vorgelegten Planungsunterlagen und den wirklichen Realisierungsabsichten des Antragstellers aufdrängt, regelmäßig nicht mehr tun können, als darauf hinzuweisen. Denn sie kann weder eine andere Anlage als die vom Antragsteller bezeichnete zum Gegenstand des Genehmigungsverfahrens machen noch die beantragte Genehmigung mit dieser BegrUndung verweigern. Freilich darf der Antragsteller die Anlage dann auch nur genau so errichten und betreiben, wie dies den vorgelegten Unterlagen und der daraufhin erteilten Genehmigung entspricht. Weicht die tatsächliche Anlage davon ab, so ist sie zumindest formell illegal und es kann gegen sie mit entsprechenden Ordnungsverfügungen (v. a. Stillegung nach § 20 Abs. 2 BimSchG) vorgegangen werden. 72 Siehe unten D IV 2. 73 Vgl. oben § 3 BI I a gglhh. 74 Vgl. dazu flir den besonders wichtigen Fall der Ermittlung von Vorbelastungen durch Luftschadstoffe Ziffer 3.6.2.3 Abs. I Satz I der GenVwV NW.
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
derliehen Informationen nicht aus den Antragsunterlagen hervor, so muß die Behörde sie in diesem Umfang selbst ermitteln, vorausgesetzt daß das Fehlen dieser Angaben in den Unterlagen sie nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BimSchV ohne weiteres zur Ablehnung des Genehmigungsantrags berechtige5 • In diesem Bereich ist nun eine Unterstützung der behördlichen Sachverhaltsermittlung durch private Sachverständige in weitem Umfang möglich. Insbesondere können die erforderlichen Messungen im Einwirkungsbereich der geplanten Anlage von Sachverständigen durchgefilhrt werden76• Für die Erhebungen bezüglich bestehender Immissionsvorbelastungen ist dies teilweise sogar durch Verwaltungsvorschriften ausdrücklich vorgesehen17• Das trägt dem Umstand Rechnung, daß private Spezialisten insoweit häufig gerade über die technischen Voraussetzungen filr derartige Messungen verfUgen, die der Behörde abgehen. Für die Durchftlhrung der Erhebungen kann die beauftragende Behörde gegebenenfalls gewisse Maßgaben vorgeben, um die Vergleichbarkeit mit anderen Verfahren zu gewährleisten78 • Im Anwendungsbereich der TA Luft ist überdies zu beachten, daß sich auch ein privater Sachverständiger an die dort festgelegten Meß- und Auswertungsregeln zu halten hae9• 3. Erstellung und Überprüfung von Sachverhaltsprognosen
Als Kernstück der gesamten Sachverhaltsermittlung müssen regelmäßig fundierte Prognosen über die durch die Anlage hervorgerufenen Emissionsund Immissionsverhältnisse erstellt werden, um diese zukünftigen Ist-Zustände mit den normativen Vorgaben zu vergleichen. Darin liegt ein weiteres Einsatzfeld filr private Sachverständige, deren besondere Qualifikation hierbei insbesondere aus einer umfassenden Kenntnis der jeweiligen Interdependenzen resultieren kann, die filr eine fundierte Prognose erforderlich sind. Soweit der Antragsteller solche Prognosen selbst vorlegt, können sie durch behördlich bestellte Sachverständige nachvollzogen und verifiziert werden. Legt der Antragsteller insoweit nichts vor, kann der Sachverständige mit der originären Erstellung der Prognose betraut werden.
75 Im Gegensatz zum Fehlen von anlagenbezogenen Unterlagen hat eine Unvollständigkeit der Informationen über anlagenexterne Umstände nicht regelmäßig die prompte Ablehnung des Genehmigungsantrags nach§ 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BimSchV zur Folge, vgl. etwa für den Fall der fehlenden Immissionsprognose Ziffer 3.6.1 Abs. 2 der GenVwV NW. 76 Vgl. Ziffer 8.3.2 Buchstabeader GenVwV NW. 77 So in Ziffern 3.6.2.3 Abs. 2 und 3.6.3.2 Satz 2 der GenVwV NW für die Vorbelastungen mit Luftverunreinigungen und Lärm. 78 Vgl. Ziffer 8.3.4 der GenVwV NW. 79 Diese Maßgaben sind in den Ziffern 2.6.2 und 2.6.3 TA Luft niedergelegt.
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Der erste Fall betrifft vor allem die üblicherweise vom Antragsteller vorzulegende Emissionsprognose80• Insoweit muß die Behörde nachprüfen, ob die zu genehmigende Anlage nach Art und Betriebsweise einen Ausstoß von Luftverunreinigungen, Geräuschen und anderen potentiell schädlichen Effekten in dem vom Betreiber angegebenen Umfang und in der angegebenen Zusammensetzung erwarten läßt. Diese Nachprüfung kann sie auf Sachverständige übertragen, durch deren Feststellungen dann die Prognose des Setreibers entweder bestätigt oder widerlegt werden kann. Die besondere Fachkunde des Sachverständigen kann dabei vor allem auf praktischen Erfahrungen mit dem Emissionsverhalten gleichartiger Anlagen beruhen. Wichtiger noch filr die konkrete Verfahrensentscheidung ist die Immissionsprognose. Dazu muß zunächst aus den mutmaßlichen Emissionswerten die Zusatzbelastung durch die neue Anlage ermittelt werden. Diese wird dann der bereits bestehenden Vorbelastung hinzugerechnet und ergibt damit die voraussichtliche Gesamtbelastung81 . Hierfilr ist wiederum eine Vielzahl spezifischer Informationen erforderlich, die von den Datenerhebungen über die bestehende Vorbelastung bis zu chemisch-physikalischen Erkenntnissen über das Ausbreitungsverhalten bestimmter Stoffe und die meteorologischen Rahmenbedingungen filr diese Ausbreitung reichen. Infolgedessen ist die Prognostizierung dieser zukünftigen Immissionsverhältnisse in besonderer Weise prädestiniert, von Sachverständigen vorgenommen zu werden, die über diese verschiedenartigen Informationen und Kenntnisse verfUgen. Gleichzeitig ist die umfassende Erstellung einer Immissionsprognose ein Beispiel dafilr, wie sich die Tätigkeit eines Sachverständigen sowohl auf die empirische Feststellung von Tatsachen (beispielsweise die Messung der Immissionsvorbelastung als Ausgangsdaten) als auch auf die Gewinnung von Erkenntnissen aus der Anwendung fachspezifischen Wissens auf einen bestimmten Sachverhalt (hier die Verarbeitung der Eingangsdaten in der eigentlichen Prognose, insbesondere die Umrechnung der ermittelten Emissionsdaten in die Immissionswerte der Zusatzbelastung) erstrecken kann 82 • Soweit der Antragsteller selbst eine Immissionsprognose vorlegt, muß diese überprüft und durch Nachrechnung verifiziert werden. Diese Tätigkeiten können - ebenso wie die Verifizierung der Emissionsprognose - von Sachverständigen vorgenommen werden83 • Legt der Antragsteller eine erforderliche ImVgl. dazu§ 4 a Nr. 6 der 9. BlmSchV. Vgl. dazu Ziffer 2.6 TA Luft. 82 Vgl. zu diesen beiden Funktionen des Sachverständigen oben CI. 83 Für Nordrhein-Westfalen bestimmt allerdings Ziffer 3.6.2.5 der GenVwV NW, daß solche Setreiberprognosen der Landesanstalt flir Immissionsschutz (jetzt: Landesumweltamt, vgl. oben Fn. 24) zur Prüfung vorzulegen sind. Dabei handelt es sich nicht um eine sachverständige Begutachtung, sondern um eine institutionalisierte Form der Amtshilfe, zumal die Prüfkosten mit den Genehmigungsgebühren als abgegolten 80 81
13 Ludwig
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
missionsprognose nicht vor, so kann die Behörde sie in der Regel von einem Sachverständigen erstellen lassen84 • Daneben besteht in diesem Bereich auch die naheliegende Möglichkeit, daß die Genehmigungsbehörde bereits darauf hinwirkt, daß der Antragsteller die Immissionsprognose von einer geeigneten sachverständigen Stelle erarbeiten läßt85 . 4. Sachverständigeneinsatz bei der Gesetzeskonkretisierung
Außerhalb der Sachverhaltsermittlung werden Sachverständige im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren weitgehend zur Klärung von Fragen eingesetzt, die es der Behörde ermöglichen sollen, die gesetzlichen Schutz- und Vorsorgeanforderungen einzelfallspezifisch richtig zu konkretisieren und dann den ermittelten Sachverhalt darunter zu subsumieren. Wie oben dargelegt wurde, basiert das Immissionsschutzrecht auf den beiden Hauptüberlegungen, daß durch das Schutzprinzip Gefahren abgewehrt und durch das Vorsorgeprinzip Risiken minimiert werden sollen. Wann eine Gefahr und wann ein Risiko vorliegt, muß dabei durch eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Schäden ermittelt werden86• Diese Prognosen, und damit die Konkretisierung der zentralen Ansatzpunkte filr Schutz und Vorsorge, erfordern spezifische Fachkenntnisse auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Technik, der Medizin und der Wechselwirkungen zwischen ihnen. Diese Kenntnisse hat die entscheidende Behörde meist nicht zur Verfügung, so daß an dieser Stelle ein starkes Bedürfnis nach sachverständiger Beratung besteht. a) Stellung von Schädlichkeitsprognosen In der Sache geht es dabei um die Beurteilung der Frage, wann eine Gefahr vorliegt, die es abzuwehren gilt, und wann ein Risiko, gegen das Vorsorge gegelten. Daneben wird dann fiir eine gesonderte Überprüfung durch private Sachverständige mangels Erforderlichkeil regelmäßig kein Raum sein. 84 Ziffer 3.6.1 Abs. 2 der GenVwV NW, eine Ablehnung des Genehmigungsantrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BlmSchV wegen Unvollständigkeit der Antragsunterlagen kommt hingegen in dieser Konstellation nicht in Betracht. 85 Das wird etwa in den Ziffern 3.6.3.2 und 3.6.4 der GenVwV NW für die Immissionsprognosen bezüglich Lärm und Erschütterungen angeregt. Dabei würde es sich dann um qualifizierte Privatgutachten nach § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BimSchV handeln (vgl. dazu näher oben C III 2 b). Das Risiko einer nicht objektiven Prognose ist in diesen Fällenaufgrund der rechnerischen Nachvollziehbarkeil der Aussagen und der jedenfalls stattfindenden Überprüfung durch die Landesanstalt fllr Immissionsschutz (Ziffer 3.6.2.5) relativ gering. 86 Dazu oben § 3 A II 2 a.
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troffen werden muß. Das betrifft die Konkretisierung der gesetzgeberischen Vorstellungen. So muß zum Beispiel fiir einen bestimmten Luftschadstoff oder filr eine Geräuscheinwirkung festgestellt werden, ab welcher Konzentration bzw. Intensität diese eine Schädigung so wahrscheinlich machen, daß man von einer Gefahr im Rechtssinne, d. h. von einer schädlichen Umwelteinwirkung nach§§ 5 Abs. I Nr. I, 3 Abs. I BlmSchG, ausgehen muß. Nun wird allerdings in der Praxis dem privaten Sachverständigen regelmäßig nicht die abstrakte Frage vorgelegt, wo im allgemeinen die Gefahrengrenze bei einer bestimmten Umwelteinwirkung anzusetzen ist. Vielmehr wird der Gutachtenauftrag regelmäßig dahin lauten, die negativen Auswirkungen einer bestimmten, quantifizierten Umwelteinwirkung87 auf die Schutzgüter des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu ermitteln und darzulegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Schädigungen zu erwarten sind. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen werfen dann häufig das bereits angesprochene Problem auf, daß sie die Subsumtion der Behörde im Ergebnis bereits vorwegnehmen. b) Bestimmung des "Stands der Technik" Ein zweiter Schwerpunkt der Sachverständigentätigkeit liegt in der Bestimmung des "Standes der Technik" nach§ 3 Abs. 6 BlmSchG. Da das Vorsorgeprinzip nach § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung verwirklicht werden soll, hängt die Konkretisierung der Reichweite dieses Prinzips entscheidend von der Frage ab, welche Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen. Die Legaldefinition in § 3 Abs. 6 BimSchG knüpft an die praktische Eignung und Erprobung der Emissionsbegrenzungsmaßnahmen an, bleibt ~ber ansonsten ziemlich vage, und auch in den Rechtsvorschriften der Exekutive sind nur wenige Konkretisierungen zu finden. Daher ist an dieser Stelle relativ häufig eine Einzelfallkonkretisierung durch die Genehmigungsbehörde geboten. Diese müßte dazu außer einem beträchtlichen technischen Sachverstand auch über Daten und Erfahrungen aus der Praxis anderer, vergleichbarer Betriebe verfUgen, da ja der Gesetzgeber hier die praktische Bewährung zu einem wesentlichen Kriterium gemacht hat. Über diese Einblicke verfUgt die Behörde jedoch häufig nicht, zumal dann nicht, wenn die konkrete Anlage neuartig und ist und damit der Vergleichsmaßstab fehlt. Anders hingegen der private Sachverständige, der ja meist aus der Praxis kommt und daher von dort einen besonders reichen Erfahrungsschatz aufweisen kann. Seine Aufgabe ist es dann, die verschiedenartigen technischen und 87 Das Quantum der Umwelteinwirkung kann der Sachverständige möglicherweise zuvor im Rahmen eines Auftrags zur Sachverhaltsermittlung selbst ermittelt haben.
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betrieblichen Möglichkeiten zu untersuchen, auf ihre Tauglichkeit zur Emissionsbegrenzung hin zu überprüfen und möglichst im Vergleich mit anderen praktischen Erfahrungen auf ihre praktische Durchfiihrbarkeit hin zu bewerten. In der Sache geht es hierbei um die Hintergrundinformationen, die zur Konkretisierung der gesetzgeberischen Vorstellung "Vorsorge nach dem Stand der Technik" erforderlich sind. In der Praxis der Genehmigungsverfahren ist es auch hier regelmäßig so, daß dem Sachverständigen die Frage vorgelegt wird, ob die vom Setreiber vorgesehenen Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen oder ob es noch wirksamere Alternativen gibt. Mit der Schlußbeurteilung des Sachverständigen in die eine oder andere Richtung wird faktisch oft wieder die Normkonkretisierung und Subsumtion durch die Behörde vorweggenommen, was aber- genauso wie oben- rechtlich keine Verlagerung dieses Entscheidungsschritts auf den Sachverständigen darstellt.
5. Überprüfung der Sicherheitsanalyse Ein Sonderfall liegt schließlich dann vor, wenn eine Sicherheitsanalyse nach § 7 der 12. BlmSchV anzufertigen ist. Der besonderen Gefährlichkeit bestimmter Anlagen soll hierbei durch eine sehr detaillierte Erfassung und Bewertung aller relevanten Umstände und Risikofaktoren begegnet werden. Das hat zunächst durch den Antragsteller zu erfolgen, von dem die Sicherheitsanalyse dann auch gemäߧ 4 b Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV als zusätzliche Antragsunterlage vorzulegen ist. Die sachgerechte Beurteilung dieser umfangreichen Darlegungen setzt ein umfassendes Expertenwissen auf verschiedensten Gebieten, von der Anlagentechnik bis zu den chemisch-physikalischen Eigenschaften der beteiligten Stoffe, voraus88, das meistens weder bei den Genehmigungsbehörden noch bei anderen staatlichen Stellen verfUgbar ist89. Da hier also eine adäquate Verarbeitung der in der Sicherheitsanalyse enthaltenen Informationen durch die staatlichen Behörden ohne externe Hilfe normalerweise nicht möglich ist, ordnet § 13 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV fiir diese Fälle regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens an90• Die Sicherheitsanalyse soll eine aus sich heraus verständliche Dokumentation darüber enthalten, daß die Anlage den besonderen Schutz- und Vorsorgeanforderungen nach den §§ 3 bis 6 der 12. BlmSchV (als Konkretisierungen der allgemeinen Setreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 BlmSchG) ent88 Vgl. die dazu notwendigen Angaben in der Sicherheitsanalyse gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 - 3 der 12. BlmSchV und die überaus detaillierten inhaltlichen Anforderungen nach Ziffer 3.2 der 2. StörfaiiVwV. 89 Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 6 zu § 13 der 9. BlmSchV; vgl. auch die Begründung des Bundesrates in SR-Drucksache 869/92 Beschluß, S. 8. 90 Zu den Ausnahmen vgl. Ziffer 8.5 Abs. 2 der GenVwV NW.
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spricht. Zu diesem Zweck enthält sie einen beschreibenden Teil, in dem die Anlage und ihr Betrieb in allen Einzelheiten dokumentiert werden91 , und einen bewertenden Teil, in dem die ErfUilung der besonderen Sicherheitsanforderungen dargelegt werden soll92 . Das erstere stellt sich als eine äußerst detaillierte Sachverhaltserfassung dar, das letztere als eine Subsumtion unter die konkretisierten Sicherheitsvorgaben. Damit umfaßt die Sicherheitsanalyse in ihrem Bereich sämtliche Elemente die auch die behördliche Genehmigungsentscheidung prägen. Das hat seinen Grund darin, daß mit ihr auch und gerade der Betreiber, nicht nur die genehmigungszuständige Behörde, die Überzeugung von der Sicherheit seiner Anlage gewinnen soll93 ; dazu gehört dann eben auch die Subsumtion. Freilich hat die Genehmigungsbehörde dann, wie auch sonst, im Genehmigungsverfahren die letzte Entscheidung über die Gesetzeskonformität der Anlage zu treffen. Dazu muß sie die vorgelegte Sicherheitsanalyse überprüfen und anband ihrer eigenen Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit hin untersuchen94 • Wenn sie sich hierzu nach § l3 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV der Hilfe eines Sachverständigen bedient, so erstreckt sich dessen Tätigkeit sowohl auf die Verifizierung der Sachverhaltsangaben als auch auf die Wissensvermittlung, die zur einzelfallspezifischen Konkretisierung der besonderen Sicherheitsanforderungen und zur Subsumtion erforderlich sind. Insofern ist dieser Fall ein Beispiel dafür, wie sich die Sachverständigenbeteiligung auf beide Ebenen beziehen kann.
VI. Der Einsatz von Sachverständigen als Element der Privatisierung Betrachtet man abschließend die Sachverständigentätigkeit im Genehmigungsverfahren unter dem Aspekt der Privatisierung, so ergibt sich folgendes Bild. Zunächst können diejenigen Sachverständigenbeteiligungen außer Betracht bleiben, die sich allein in der Sphäre des Antragstellers abspielen, also die einfachen Privatgutachten nach§ 13 Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV. Hierbei handelt es sich, ebenso wie bei den Angaben des Antragstellers selbst, nicht um Funktionen anstelle einer staatlichen Tätigkeit. Ebenso scheiden filr die Privatisierung diejenigen Fälle aus, in denen eine Gutachtenerstattung durch eine sachverständige Behörde oder eine sonstige staatliche Institution erfolgt, weil es insoweit an einer Verlagerung in den außerstaatlichen Bereich fehlt.
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 - 3 der 12. BlmSchV und Ziffern 3.2.1 - 3.2.5 der 2. StörfaiiVwV. § 7 Abs. 1 Nr. 4 der 12. BlmSchV und Ziffern 3.2.6 und 3.2.8 der 2. StörfaiiVwV. 93 Feldhaus-Wietfeldt/Vallendar, BlmSchR, Anm. 1 zu § 7 der 12. BlmSchV; vgl. auch Ziffer 3.1.1 Abs. 1 Satz 2 der 2. StörfaiiVwV. 94 Zur Richtigkeit der Sicherheitsanalyse vgl. Ziffer 3.1.2 der 2. StörfaiiVwV und Feldhaus-Wietfeldt/ Vallendar, BlmSchR, Anm. 15 f. zu§ 7 der 12. BlmSchV. 91
92
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
Privatisierungsrelevant ist jedoch der breite Bereich, in dem ein Einsatz von Privaten, natürlichen Personen oder Organisationen, entweder auf Veranlassung(§ 13 Abs. I der 9. BlmSchV) oder mit Zustimmung(§ 13 Abs. 2 Satz 2, I. Halbsatz, I. Alternative der 9. BlmSchV) der Genehmigungsbehörde erfolgt, oder wo es sich um die Tätigkeit der besonders qualifizierten Sachverständigen nach § 29 a Abs. I BlmSchG handelt (§ I3 Abs. 2 Satz 2, I. Halbsatz, 2. Alternative und 2. Halbsatz der 9. BlmSchV). In allen diesen Fällen ersetzt die Arbeit der Sachverständigen eigene Ermittlungen der Behörde. Ihre Tätigkeiten können sich auf die Ermittlung oder Überprüfung von Sachverhaltsinformationen beziehen oder auch die Vermittlung von Kenntnissen zum Gegenstand haben, die filr die einzelfallspezifische Gesetzeskonkretisierung und filr die Subsumtion erforderlich sind. Gesetzesauslegung und Subsumtion selbst allerdings, also die eigentliche Entscheidung, bleibt der Behörde vorbehalten. Aus diesem Grund erscheinen Sachverständige als bloße "Hilfskräfte" der Behörde, denen lediglich Tätigkeiten im Vorfeld der Entscheidung übertragen werden. Die Übertragung solcher abgegrenzter Teilfunktionen des Entscheidungsprozesses kann im Sinne der oben erläuterten Systematik als funktionale Privatisierung eingeordnet werden.
D. Privates Verfahrensmanagement Ein weiterer Bereich, in dem sich eine private Mitwirkung am Genehmigungsverfahren abspielen kann, ist das bereits angesprochene Verfahrensmanagement I. Begriff und Verhältnis zum Sachverständigeneinsatz Als Verfahrensmanagement sollen die planenden, vorbereitenden und durchfUhrenden Tätigkeiten bezeichnet werden, die erforderlich sind, um das Genehmigungsverfahren als Entscheidungsprogramm sachgerecht und vollständig ablaufen zu lassen95 • Die aus dem oben entwickelten Vollzugsmodell herausgefilterten Entscheidungsschritte der Sachverhaltsermittlung, Normkonkretisierung usw. treten ja in aller Regel nicht als monolithische Blöcke auf, sondern untergliedern sich wiederum in eine Vielzahl einzelner, miteinander wechselseitig in Beziehung stehender Verfahrensschritte, wie sie sich aus der Struktur der 9. BimSchV ergeben. Daß dies auch so sein muß, resultiert beispielsweise filr den Bereich der Sachverhaltsermittlung schon daraus, daß die Behörde ihre Informationen aus den verschiedensten Quellen beziehen kann und daß dann 95
Zum Begriffauch Böe/ud, DÖV 1995, 102 (103).
D. Privates Verfahrensmanagement
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folgerichtig ein gewisses Maß an Organisation und Koordination erforderlich ist, um diese unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten optimal zu nutzen. Überdies spielen, was die Beteiligung anderer Behörden oder betroffener Drittpersonen angeht, Erwägungen der behördlichen Kompetenzabgrenzung und des individuellen Rechtsschutzes in die Verfahrensgestaltung hinein. Die Komplexität des materiellen Rechts spiegelt sich insoweit im Verfahrensablauf wieder. Angesichts dieser Rahmenbedingungen stellt eine effiziente Verfahrensdurchführung gewisse Anforderungen an das Organisationsvermögen der verfahrensleitenden Behörde. Im Lichte dieser Erkenntnis haben sich in jüngerer Zeit verstärkt behördliche Maßnahmen der Verfahrensstrukturierung etabliert, die in Anlehnung an vergleichbare Erscheinungen in der freien Wirtschaft auch unter dem Stichwort Projekt- oder Verfahrensmanagement behandelt werden96• Es liegt nun für die hiesige Untersuchung auf der Hand zu fragen, inwieweit die Aufgaben des Verfahrensmanagements, das ja von seinem Ansatz her ursprünglich aus dem Bereich der (privaten) Wirtschaft stammt, auch von privaten Projektmanagern wahrgenommen werden können. Eine Übertragung der anfallenden Organisations- und Koordinationstätigkeiten auf externe Private könnte einmal mehr den Effekt haben, deren Sachverstand und ihre besondere Erfahrung in Fragen des Managements für das Genehmigungsverfahren nutzbar zu machen und überdies eine größere Flexibilität bei dessen Abwicklung zu erreichen97 • Dabei gibt es einige Berührungspunkte mit den gerade behandelten Fällen des Sachverständigeneinsatzes, insbesondere erfordert auch ein effektives Projektmanagement oftmals spezifische Kenntnisse über den materiellen Verfahrensgegenstand, also das "Projekt" selbst. Diese Überschneidungen werden etwa an der Rechtsgrundlage des § 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV deutlich, die ftlr beide Bereiche Bedeutung hat. Der Unterschied zwischen diesen zwei Tätigkeitsformen ist jedoch der, daß es beim Sachverständigeneinsatz im engeren Sinne darum geht, daß der Sachverständige seine fachlichen Spezialkenntnisse direkt in den Entscheidungsprozeß einbringt, indem er entweder Sachverhaltsermittlungen betreibt oder die kognitiven Grundlagen zur Normkonkretisierung bereitstellt. Seine Funktion ist es also, der Behörde mit seinen besonde-
96
Zum behördlichen Projektmanagement Böcke/, DÖV 1995, 102 (1 04 ff.); Bullin-
ger, JZ 1993, 492 (499). In institutionalisierter Form findet es sich erstmals in der Ver-
waltungsvorschrift des baden-württembergischen Umweltministeriums zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren im Umweltrecht vom 1. Dezember 1992 (GABI. 1993, S. 15). 97 Erbguth, UPR 1995, 369 (371). Vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zur Änderung des§ 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV (BT-Drucksache 13/3996, S. 11): "das Verfahren ... aktiv koordinieren und entscheidungsreifmachen zu lassen".
200
§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
ren Fähigkeiten direkt zur Hand zu gehen und ihr damit die entscheidungsrelevanten Informationen zu verschaffen. Hingegen ist die Aufgabe des Verfahrensmanagers eher indirekt darauf gerichtet, der Behörde die weiteren Schritte der Sachverhaltsermittlung und der Normkonkretisierung zu eröffnen. Er ist nicht selbst Quelle der entscheidungserheblichen Informationen, liefert also nicht das Datenmaterial, das als Input in das Vollzugsprogramm einfließt und dann dort zu einer Entscheidung verarbeitet wird, sondern fOrdert durch seine Tätigkeit nur den reibungslosen Ablauf dieses Programms. Statt der Behörde selbst die nötigen Sachverhaltsdaten zu verschaffen, erleichtert er ihre Ermittlungstätigkeit durch organisatorische Vorarbeiten, und statt der Behörde selbst die naturwissenschaftlich-technischen Fragen zu beantworten, die sie zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen benötigt, ist er ihr bei der Formulierung dieser Fragen und bei der Suche nach einer geeigneten Informationsquelle behilflich. Das schließt es freilich nicht aus, daß im Einzelfall eine Überschneidung beider Bereiche und ein bifunktionales Tätigwerden möglich ist: so mag etwa derjenige, der imstande ist, die Behörde über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen zu beraten, dann auch besonders geeignet sein, etwa noch erforderliche weitere Fragen im Zusammenhang selbst zu beantworten. Grundsätzlich aber bleibt festzuhalten: gegenüber dem "normalen" Sachverständigen hat der private Verfahrensmanager in erster Linie nicht Wissensvermittlung, sondern organisatorisch-infrastrukturelle Tätigkeiten zu leisten. Noch weitergehend als die hier vorgestellten Überlegungen zum Verfahrensmanagement sind die - namentlich von Hoffmann-Riem angestoßenen Erwägungen zur Konfliktmittlung im Verwaltungsverfahren unter Einsatz privater Mediatoren98• Der private Dritte soll dabei dann nicht mehr nur funktionell als Organisator des Verfahrens agieren, sondern aktiv an einem materiellen Interessenausgleich mitwirken und damit zur verbesserten Akzeptanz der Entscheidung beitragen99• Diese Ideen knüpfen an entsprechende Erfahrungen in den USA an und müssen im einzelnen auf ihre Übertragbarkeit auf das deutsche Verwaltungsrecht untersucht werden; eine Aufgabe, die im Rahmen der vorliegenden Darstellung nicht geleistet werden kann. Insofern muß eine vertiefende Befassung mit diesen Aspekten an dieser Stelle unterbleiben. Allerdings gibt es dabei durchaus auch Berührungspunkte mit dem Gedanken des Projektmanagements, insbesondere dort, wo es auch dabei um die Gestaltung
98 Siehe dazu Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen sowie die beiden Sammelbände von Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen. 99 Zum Gedanken der Akzeptanzverbesserung vgl. Rone/lenjitsch, Beschleunigung und Vereinfachung von Anlagenzulassungsverfahren, S. 89 ff.
D. Privates Verfahrensmanagement
201
von "Verhandlungen" geht, wie etwa beim Erörterungstermin 100; diese werden am gegebenen Ort angesprochen werden.
II. Gesetzliche Grundlagen für ein privates Verfahrensmanagement 1. § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 und§ 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV als normative Anknüpfungspunkte
Die Möglichkeit des privaten Verfahrensmanagements ist in der Verordnung über das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren (9. BlmSchV) an zwei Stellen angesprochen 101 • Den direktesten Ansatzpunkt bietet nach der jüngsten Neufassung durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren 102 § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV. Danach soll sich die behördliche Beratung des Vorhabenträgers bereits vor der Antragstellung unter anderem auf die Frage erstrecken, ob eine Verfahrensbeschleunigung dadurch erreicht werden kann, daß der behördliche Verfahrensbevollmächtigte, der die Gestaltung des zeitlichen Verfahrensablaufs sowie die organisatorische und fachliche Abstimmung überwacht, sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung und auf Kosten des Antragstellers eines Projektmanagers bedient. Die Ersetzung des bisherigen Begriffes des "Dritten" durch den des "Projektmanagers" hat diesen erstmalig in die immissionsschutzrechtliche Normenlandschaft eingeftihrt. Der andere Anknüpfungspunkt in der 9. BlmSchV ist § 13 Abs. 1 Satz 4, wonach Sachverständige auch über eine gutachterliehe Tätigkeit hinaus herangezogen werden können, wenn dies der Verfahrensbeschleunigung dient und der Antragsteller einwilligt. Bei beiden Vorschriften ist thematisch der Bereich des privaten Verfahrensmanagements berührt. Das ergibt sich bei § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV, abgesehen von seinem Wortlaut, auch daraus, daß es hier vom Ansatz her ein behördliches Verfahrensmanagement ist, zu dem ein Privater hinzugezogen werden kann. Wenn nämlich in der Vorschrift von einem "behördlichen Verfahrensbevollmächtigten" die Rede ist, so meint das nichts anderes als eine - wenn auch noch rudimentäre - behördeninterne Form des Siehe dazu unten D IV 5. Außer den beiden hier behandelten Vorschriften findet sich noch ein weiterer Ansatzpunkt für eine Einbeziehung privater Fachleute in die Planung des Verfahrensablaufs in§ 2 a Abs. 1 Satz 2 der 9. BlmSchV. Danach kann bei UVP-pflichtigen Anlagen die intensive Erörterung derjenigen Punkte, die für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung von Relevanz sind, unter Einbeziehung von Sachverständigen und sonstigen Dritten erfolgen. Da die Prüfung der Umweltverträglichkeit aber aus dem hiesigen Untersuchungsgegenstand herausfallt, wird diese Variante hier nicht weiter vertieft. 102 Gesetz vom 9. Oktober 1996, BGBI. I, S. 1498. 100 101
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
Verfahrensmanagements 103 • Der behördliche Verfahrensbevollmächtigte hat vor allem die Aufgabe, die zahlreichen Einzelschritte des Genehmigungsverfahren zu koordinieren und organisatorisch effizient zu strukturieren; sinnvollerweise wird es sich bei ihm um einen der zuständigen Sachbearbeiter handeln104. Diese Tätigkeit kann Reibungsverluste innerhalb der behördlichen Organisation verringern helfen und damit eine Verfahrensbeschleunigung bewirken; gleichzeitig kann der behördliche Verfahrensbevollmächtigte als zentraler Ansprechpartner sowohl filr den Antragsteller als auch filr andere beteiligte Stellen dienen und damit die Anonymität des Verfahrens reduzieren 105 • Dementsprechend hat auch schon die Beschlußbegründung des Bundesrates, auf den die ursprüngliche Fassung der Vorschrift zurückging, ausdrücklich auf ein Projektmanagement abgehoben 106. Wenn der behördliche Verfahrensbevollmächtigte sich nun dabei von einem Privaten assistieren lassen kann, dann ist dies nichts anderes als der Schritt vom behördeninternen zum behördenexternen Verfahrensmanagement Insofern hat der Begriffswechsel vom "Dritten" zum "Projektmanager" in der Sache nichts geändert; der Gesetzgeber scheint hier eher der Versuchung erlegen zu sein, seinen Reformwillen mit "modernen" Formulierungen unter Beweis zu stellen als tatsächliche Ändernn. k en 107. gen zu bew1r Ebenso erstreckt sich die gegenwärtige Fassung des§ 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV auf Elemente des Verfahrensmanagements. Auch diese Vorschrift geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück, und in der Beschlußbegründung wird darauf hingewiesen, daß Sachverständige "nicht nur zur Erstellung von Gutachten, sondern auch zu Hilfsdiensten ... herangezogen werden (können)" 108 • Bei den genannten Hilfstätigkeiten handelt es sich wiederum um solche, die den technischen Ablaufund die Organisation des Verfahrens betreffen und daher dem weiten Bereich des Verfahrensmanagements zuzuordnen sind.
103 Zum allmählichen Wandel der bürokratischen Behördenorganisation, der sich als erster Ansatz zu einem behördlichen Verfahrensmanagement ausmachen läßt, bereits Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 121 ff. Böcke/, DÖV 1995, 102 (I 05) bescheinigt allerdings dem behördlichen Verfahrensbevollmächtigten, daß er "noch auf der Schwelle zwischen bloßem Koordinierungsmittel und Verfahrensmanagement steht". 104 Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, S. 82. 105 Skeptisch hierzu Böcke/, DÖV 1995, 102 (105). 106 SR-Drucksache 869/92 (Beschluß), S. 3. 107 Zu der Frage, ob durch die Neuregelung der Anwendungsbereich eines privaten Projektmanagements vielleicht sogar eingeengt worden ist, vgl. unten D IV. 108 SR-Drucksache 869/92 (Beschluß), S. 9.
D. Privates Verfahrensmanagement
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2. Verhältnis zwischen den Vorschriften
Betreffen somit beide Ansatzpunkte in der 9. BlmSchV den nämlichen Bereich privater Hilfstätigkeilen in der Organisation und Abwicklung des Genehmigungsverfahrens, so erscheint doch das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander nicht geklärt. Die Begründungen des Verordnungsgebers nehmen insoweit nicht aufeinander Bezug, und auch bei der Neufassung des § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV ist keine Klarstellung erfolgt. In der Literatur wurde bislang meist entweder pauschal auf die neuen Grundlagen ftlr einen Einsatz privater "Erfiillungsgehilfen" verwiesen, ohne eine weitere Differenzierung vorzunehmen 109, oder bei der Erörterung wurde überhaupt nur einer der beiden normativen Anknüpfungspunkte angesprochen 110• Hierzu ist folgendes zu bemerken: § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV bezieht sich zunächst lediglich auf die Beratungspflicht der Behörde vor der Antragstellung. Im Interesse einer zügigen und zweckdienlichen Verfahrensgestaltung und -abwicklung soll die Genehmigungsbehörde den zukünftigen Anlagenbetreiber möglichst frühzeitig, also schon bevor das eigentliche Verfahren mit der Antragstellung seinen Anfang nimmt, über die Erfordernisse und die möglichen Hemmnisse des Verfahrens unterrichten und beraten 111 • In diesem Rahmen hat sie ihn auch darauf hinzuweisen, daß eine schnellere Verfahrensabwicklung eventuell durch den Einsatz eines privaten Projektmanagements, allerdings regelmäßig unter Entstehung zusätzlicher Kosten, erreicht werden kann. Der Antragsteller hat es dann in der Hand, durch seine Zustimmung diese Form der Verfahrensbeschleunigung zu ermöglichen. Dabei setzt die Vorschrift des§ 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV genau genommen die Möglichkeit eines privaten Verfahrensmanagements als solche schon voraus, begründet sie jedoch nicht 112• Anders § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BimSchV. Diese Vorschrift enthält auch die materielle Grundlage fiir eine Betrauung von Sachverständigen mit nichtgutachterliehen Aufgaben, indem sie ausdrücklich die Voraussetzungen nennt, unter denen die Behörde eine Delegation derartiger Hilfstätigkeilen auf private Sachverständige vornehmen darf. § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV hat damit eine Doppelfunktion. Zum einen ermöglicht er die Einholung von Sachverständigengutachten zu Fragen und Problemen des materiellen Immissionsschutzes, die die Behörde zwar auch mit eigenem Personal lösen könnte (und 109 Zum
Beispiel Erbguth, UPR 1995, 369 (374). So etwa Schwarz in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 (195); Hofmann-Hoeppe/, ebenda, S. 216 (239 f.). 111 Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 8 zu§ 2 der 9. BlmSchV. 112 A. A. offenbar Schwarz in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, s. 188 (195). 110
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
die deshalb nicht "erforderlich" im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 der 9. BlmSchV sind), deren Klärung aber mit privater Hilfestellung schneller möglich ist 113 • Darüber hinaus gestattet er die Konsultation von Sachverständigen zu organisatorischen Fragen der Verfahrensgestaltung und ihre Betrauung mit Hilfstätigkeiten der Verfahrensdurchfiihrung 114 • Bei diesen Aspekten kann allerdings davon ausgegangen werden, daß die Durchfiihrung des Genehmigungsverfahrens als solchem der Genehmigungsbehörde grundsätzlich immer möglich sein wird. Deshalb dürfte eine Drittbeteiligung in diesem Bereich nie "erforderlich" sein, so daß folgerichtig die Sachverständigenbeteiligung am Verfahrensmanagement nach § 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV ebenfalls immer nur optional sein kann. Bietet somit § 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV eine materielle Grundlage fiir die Einbeziehung von Sachverständigen in die Verfahrensorganisation, so bleibt doch festzuhalten, daß nichtjede Tätigkeit eines privaten Verfahrensmanagers diejenige eines Sachverständigen ist. Soweit es lediglich um schlichte organisatorische Hilfstätigkeiten geht, wie etwa die büromäßige Erfassung von Einwendungen oder die Beschaffung von Räumen fiir die Durchftlhrung des Erörterungstermins, bedarf es dazu nicht des spezifischen Fachwissens, das den Sachverständigen auszeichnetm. Anders verhält es sich bei Tätigkeiten, die ein besonderes fachliches Verständnis ftlr die behandelte Materie erfordern; so kann etwa eine Sichtung und Ordnung der erhobenen Einwendungen, die über die bloß büromäßige Verwaltung hinausgeht, vernünftigerweise nur von einer Stelle vorgenommen werden, die über das zur Erfassung des eingebrachten Materials erforderliche immissionsschutzrechtliche Fachwissen verfUgt. Da § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV an die Sachverständigenqualifikation anknüpft, enthält die Vorschrift also nur ftlr die letzteren Fälle eine spezielle Grundlage fiir ein privates Vefahrensmanagement 116• Für den Bereich des eigentlichen Verfahrensmanagements, das keine spezifischen Sachverständigenkenntnisse erfordert, verbleibt es hingegen bei der Anknüpfung an § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV. Selbst wenn diese Vorschrift streng genommen keine ausdrückliche Grundlage fiir die Engagierung eines privaten Projektmanagers bietet, so kann doch - zumal nach der Siehe dazu oben C III I b. Vgl. die amtliche Begründung BR-Drucksache 869/92 (Beschluß), S. 9. 115 Zu den Anforderungen an die besondere Sachkunde bei Sachverständigen vgl. oben C IV I. 116 An dieser Stelle liegt dann freilich - unbeschadet der obigen Unterscheidung zwischen Gutachtertätigkeit und Verfahrensmanagement - auch ein Berührungspunkt zwischen beiden Bereichen. So kann es ohne weiteres sein, daß ein Sachverständiger im Rahmen eines Gutachtens über die mutmaßlichen Auswirkungen einer geplanten Anlage auch die Erfassung und Ordnung der dagegen geltend gernachten Einwendungen übernimmt. 113
114
D. Privates Verfahrensmanagement
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Klarstellung des Wortlauts- kein Zweifel daran bestehen, daß der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit vorausgesetzt hat und ihren Gebrauch fördern wollte. Die Zulässigkeil der Auslagerung derartiger Hilfstätigkeilen kann überdies auch auf die allgemeine Überlegung gestützt werden, daß die Verwaltung im Bereich der nichthoheitlichen Tätigkeit im Prinzip frei ist, sich privater Verwaltungshelfer zu bedienen 117• Eine Besonderheit enthalten die Vorschriften der 9. BlmSchV nur insoweit, als sie den Einsatz privater Verwaltungshelfer als ProjektmanageT im Hinblick auf die Kostenentstehung von der Zustimmung des Antragstellers abhängig machen. Üblicherweise ist die Verwaltung beim Einsatz von Verwaltungshelfern nicht an die Einwilligung anderer Verfahrensbeteiligter gebunden. Daß es sich hier anders verhält, dürfte damit zusammenhängen, daß der Einsatz eines privaten Projektmanagers zwar regelmäßig das Verfahren beschleunigen und effektivieren wird, sich aber kaum je als ,.erforderlich" erweisen kann, da die Behörde letztlich immer selbst zur Abwicklung des Genehmigungsverfahrens imstande sein wird. Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips 118 war daher die Klarstellung angebracht, daß die Entstehung zusätzlicher Verfahrenskosten, die vom Antragsteller zu tragen sind, von dessen Einverständnis mitgetragen sein sollten. Im Umkehrschluß wird man sagen können, daß die Behörde die Kosten für ein privates Projektmanagement, dem der Antragsteller nicht zugestimmt hat, welches sie dann aber trotzdem zum Zwecke ihrer eigenen Entlastung engagiert hat, grundsätzlich nicht auf den Antragsteller abwälzen darf. Für das Zusammenspiel der einzelnen Vorschriften ergibt sich damit: § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV setzt voraus, daß die Behörde die verfahrensmäßige Organisation und Abwicklung des Genehmigungsverfahrens in weitem Umfang auf Private delegieren kann, sofern der Antragsteller zustimmt und die Kosten dafilr übernimmt. Über diese Möglichkeit hat ihn die Behörde nach der genannten Vorschrift möglichst frühzeitig zu informieren. Grundlage für die Beauftragung privater Verfahrensmanager ist dann § 13 Abs. I Satz 4 der 9. BlmSchV, soweit das Verfahrensmanagement spezifische Fachkenntnisse erfordert, die regelmäßig nur von Sachverständigen eingebracht werden können. Geht es hingegen um rein organisatorische Fragen der Verfahrensabwicklung, die keine besondere Sachkunde bedingen, so kann die Beauftragung Privater mit diesen Tätigkeiten auf die allgemeine Überlegung gestützt werden, daß die Behörde sich grundsätzlich ohne weiteres eines Verwaltungshelfers bedienen darf, dessen Kosten hier durch das Einverständnis des Antragstellers von diesem übernommen werden sollen.
117 Erbguth, UPR 1995, 369 (372 ff.) mit umfangreichen Erwägungen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. 118 Siehe zu diesem Aspekt beim Einsatz von Sachverständigen schon oben C III l b.
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
111. Mögliche Träger eines privaten Verfahrensmanagements Als private Träger des Verfahrensmanagements kommen grundsätzlich natürliche Personen, etwa einzelne Sachverständige, Koordinatoren oder Rechts• • • • h p . hts m . Betracht 12o. prak.t1sch JUnst!sc e ersonen des p nvatrec anwä!te 119, sow1e wird es sich häufig um Planungsbüros handeln, die sowohl über den erforderliche Sachverstand bezüglich des materiellen Immissionsschutzrechts als auch über die organisatorische Kompetenz zur Strukturierung des Verfahrensablaufs in technischer Hinsicht verftlgen. In der Literatur wird außerdem vorgeschlagen, filr rein organisatorische Leistungen auch den Vorhabenträger selbst, d. h. den Antragsteller, einzusetzen 121 • Das wird bei verfahrenstechnisch unbedenklichen Tätigkeiten wie der Beschaffung eines geeigneten Raumes fiir die Abhaltung des Erörterungstermins allenfalls möglich sein; im übrigen darf jedoch die Privatisierung des Verfahrensmanagements nicht den Eindruck aufkommen lassen, die Behörde gäbe eine an objektiven und neutralen Kriterien ausgerichtete Verfahrensgestaltung aus der Hand 122 • IV. Gegenstände eines privaten Verfahrensmanagements Die möglichen Gegenstände eines privaten Verfahrensmanagements kann man der Abfolge entnehmen, in der solche Koordinationshandlungen im Genehmigungsverfahren erforderlich werden. Vorab soll allerdings kurz auf eine Frage eingegangen werden, die sich im Zusammenhang mit der jüngst erfolgten Auswechslung des Begriffs des "Dritten" gegen den des "Projektmanagers" in§ 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BimSchV ergeben hat. Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat diese Änderung kritisiert, weil der Begriff des Projektmanagers enger sei als der des Dritten. Damit werde der Anwendungsbereich einer privaten Verfahrenskoordination ausschließlich auf den Einsatz eines umfassend tätigen Projektmanagers reduziert, während die Möglichkeit zur Erteilung gezielter Einzelaufträge im Rahmen des Gesamtverfahrens entfiele 123 • Ungeachtet dieser Kritik wurde die vorgeschlagene Änderung jedoch vorge119 Zur Figur des "entliehenen Anwalts" vgl. Schwarz in Hotfmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 ( 194 ff. ). 120 Bullinger, JZ 1993, 492 (498 tf.); Böcke/, DÖV 1995, 102 (106); Ronel/enfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, S. 80 tf. 121 So zum Beispiel Bullinger, JZ 1993,492 (499 f.) mit Verweis auf die Konzeption beim Vorhaben- und Erschließungsplan; ähnlich Ronel/enfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, S. 82. 122 Zurückhaltend insoweit schon gegenüber dem behördlichen Projektmanager Bökkel, DÖV 1995, 102 (I 07). 123 BT-Drucksache 13/3996, S. 15.
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nommen. Die Literatur hat die geäußerte Auffassung des Bundesrates teils übernommen, teils offengelassen, ob ihr zu folgen sei 124 • Angesichts der erklärten Absicht des Gesetzgebers, private Tätigkeiten in der Verfahrenskoordinierung verstärkt zum Zuge kommen zu lassen, kann jedoch eine Einschränkung der bestehenden Möglichkeiten nicht als gewollt angesehen werden. Der Begriff des Projektmanagers kann und muß vielmehr so interpretiert werden, daß ein Privater Koordinationsaufgaben im Verfahren sowohl umfassend (quasi als Gesamtpaket) als auch- gewissermaßen als ein Minus dazu - in einzelnen Bereichen übernehmen kann. Projektmanagement ist begrifflich nicht notwendigerweise daran gebunden, daß es allumfassend ist, sondern es schließt als weiter Überbegriff auch einzelne Managementsektoren ein. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß nach der hier vertretenen Auffassung § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV ohnehin keine eigentliche Rechtsgrundlage für die Bestellung eines privaten Verfahrensmanagers bildet, sondern entweder§ 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV eingreift (ftlr Sachverständige) oder aber die allgemein bestehenden Befugnisse der Behörde zur Heranziehung von Verwaltungshelfern ergänzend heranzuziehen sind 125 • Vor diesem Hintergrund, und namentlich angesichts der Debatte um die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes im Bereich der Verwaltungshilfe 126, kann der Neufassung eventuell auch der Sinn beigemessen werden, klarzustellen, daß sogar eine umfassende Übertragung des Verfahrensmanagements auf einen Projektmanager zulässig ist; fUr die weniger weit reichende Übertragung einzelner Koordinationsaufgaben ist das selbstverständlich. Allerdings wird es sich unter dem Aspekt der effizienten Verfahrensgestaltung häufig empfehlen, die beschriebenen Hilfstätigkeiten im Ganzen einem externen Projektmanager zu übertragen, anstatt sie auf verschiedene Private aufzuteilen. Wendet man sich nun einer Analyse der einzelnen Tätigkeiten zu, die die privaten Übernehmer des Verfahrensmanagements wahrnehmen können, so ergibt sich im Ablauf des Genehmigungsverfahrens eine Reihe von Ansatzpunkten. 1. Beratung des Antragstellers im Hinblick aufdie Antragstellung
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der 9. BlmSchV hat die Genehmigungsbehörde den Antragsteller im Hinblick auf die Antragstellung zu beraten. Diese Beratung bezieht sich neben den materiell-rechtlich relevanten voraussichtlichen
Wasielewski, LKV 1997,77 (80); Hansmann, NVwZ 1997, 105 (110). Siehe oben D II 2. 126 Siehe dazu oben § 5 E VI. 124 125
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Auswirkungen des Vorhabens 127 vor allem auf den Ablauf des Genehmigungsverfahrens und die dafür vorzulegenden Unterlagen 128• Dies dient auch einer beschleunigten Abwicklung des Verfahrens, da auf diese Weise bereits frühzeitig erörtert werden soll, wo sich mögliche zeitliche Engpässe und Schwierigkeiten ergeben können, damit Antragsteller wie Behörde dann sachgerecht darauf reagieren können. So kann etwa eine solche Abklärung, welche Antragsunterlagen benötigt werden und wie detailliert sie sein müssen, spätere Verzögerungen wegen fehlender Unterlagen vermeiden helfen. Ebenso kann ein frühzeitiger Überblick darüber, welche anderen Behörden eventuell zu beteiligen sind und in welchen Fragen voraussichtlich noch Sachverständigengutachten benötigt werden, es der Behörde erleichtern, die notwendigen organisatorischen Dispositionen vorzubereiten. Ist sonach diese Beratung vor Antragstellung bereits eine wichtige Weichenstellung ftlr den reibungslosen Ablauf des Verfahrens selbst, so ist doch zu bemerken, daß die Behörde dabei vor dieselben Schwierigkeiten bezüglich ihrer sachlichen und persönlichen Ausstattung gestellt ist wie im Genehmigungsverfahren insgesamt. Die Beratung bezieht sich ja im Kern schon auf alle Elemente des Genehmigungsverfahrens; das bedeutet, daß die Behörde, um ihrer Beratungspflicht nachkommen zu können, in diesem frühen Stadium bereits den umfassenden Überblick über die materiellen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Falles haben müßte. Das erscheint angesichts der Probleme, die diesbezüglich schon in der eigentlichen behördlichen Sachprüfung selbst auftauchen, kaum realistisch. Vielmehr muß man davon ausgehen, daß die Behörden eine sachgerechte Beratung, wie sie ftlr eine zügige Verfahrensstrukturierung wünschenswert wäre, oft nicht leisten können 129• An dieser Stelle liegt daher ein Ansatzpunkt ftlr eine Beteiligung privater Experten, die die beratungspflichtige Behörde ihrerseits beraten können und in die Vorverhandlungen mit dem Antragsteller einbezogen werden können 130• Dabei wird es sich regelmäßig um Sachverständige nach § 13 Abs. 1 Satz 4 der 9. BlmSchV handeln müssen, da die Schwierigkeiten der frühen Beratung ja auch genau wieder aus der starken Komplexität der immissionsschutzrechtlichen Materie resultieren und ein spezifisches Verständnis ftlr die materiellen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten dieses Gebietes erfordern. Die Behörde kann also private Experten hinzuziehen, um im Verbund mit ihnen eine Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 der 9. BlmSchV. Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. I, 3, 4 u. 6 der 9. BlmSchV. 129 Hofmann-Hoeppel in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 216 (240 ff.). 130 Hofmann-Hoeppel in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 216 (266) befllrwortet hierbei eine Koppelung mit den Umweltprüfungen nach der Umwelt-Audit-Verordnung. 127 128
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möglichst effektive Antragsberatung mit dem Antragsteller zu erreichen 131 • Dazu ist freilich zu bemerken, daß der Antragsteller, der dann die Kosten für die Hinzuziehung des externen Beraters durch die Behörde tragen muß, diesen dann im Grunde auch gleich selbst engagieren könnte; die Lösung mit dem behördlich herangezogenen Verfahrensmanager hat jedoch den Vorteil, daß dann auch die Behörde bereits in die Beratungsergebnisse eingebunden ist und es deswegen weniger wahrscheinlich sein sollte, daß später noch überraschende Hemmnisse auftreten. Freilich ist zu beachten, daß die Behörde - mit oder ohne Unterstützung durch einen privaten Verfahrensmanager - nicht den Eindruck aufkommen lassen darf, die endgültige Genehmigung würde bereits in diesem Stadium der Vorverhandlungen unter Umgehung der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung ausgehandelt132 • 2. Prüfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen
Gemäß § 7 Abs. I Satz I der 9. BlmSchV hat die Genehmigungsbehörde nach Eingang des Antrags und der begleitenden Unterlagen unverzüglich zu prüfen, ob beides ordnungsgemäß und vollständig vorliegt. Damit soll möglichst früh festgestellt werden, ob der Antragsteller noch weitere Unterlagen beibringen muß, damit eine eventuelle Ergänzungsaufforderung nicht in einem späteren Verfahrensstadium zu erheblichen Verzögerungen führt. Bei dieser Vollständigkeitsprüfung sieht sich die Behörde jedoch abermals mit dem Problem konfrontiert, mit häufig unzureichenden Erkenntnismitteln und unter hohem Zeitdruck ("unverzüglich") eine komplexe Prüfung vornehmen zu müssen, die zumindest auf der Sachverhaltsebene bereits fast den gesamten Verfahrensgegenstand umfaßt133• Gerade wenn man der Vollständigkeitsprüfung den Sinn beilegt, spätere "Nachforderungen" der Behörde nach Möglichkeit auszuschließen, wird ersichtlich, daß nur eine zügige, sachkundige und sorgfältige Sichtung der Antragsunterlagen ihren Zweck erfüllen kann. Das kann bei einer Überlastung der Behörde schwierig zu verwirklichen sein, wie denn ja auch gelegentlich der Verdacht naheliegen kann, daß die Behörden den Ausweg aus der zeitlichen Drucksituation darin suchen, daß sie durch Ergänzungsaufforderungen bezüglich der Unterlagen den Beginn der Frist für die
131 Dabei wäre es sogar denkbar, daß ein privater Projektmanager im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV seinerseits nach dieser Vorschrift mit dem Antragsteller die Möglichkeit erörtert, in einem späteren Verfahrensabschnitt weitere private Verfahrensmanager hinzuzuziehen. 132 Ausführlich zu dieser Problematik und zur Frage der Rechtswidrigkeit der bestehenden Vorverhandlungspraxis Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 50 ff., 148 ff. 133 Hofmann-Hoeppel in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, s. 216 (267 ff.). 14 Ludwig
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Genehmigungsentscheidung nach§ 10 Abs. 6 a BimSchG hinauszuzögern versuchen. Beide Varianten, die oberflächliche Prüfung wie auch die dilatorische Ergänzungsaufforderung, sind einer effizienten Verfahrensdurchfilhrung hinderlich. Aus diesem Grund ist auch eine Übertragung der Vollständigkeitsprüfung auf externe Private denkbar134 • Dabei wird es sich im Zweifel wieder um Sachverständige handeln müssen, da die Beurteilung, welche Unterlagen filr die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind, ebenfalls die Kenntnis der entsprechenden Problemzusammenhänge aus dem materiellen Immissionsschutzrecht voraussetzt. Insbesondere bei den technischen Unterlagen, die die Konstruktion und die Betriebsweise der geplanten Anlage betreffen135, ist ein erheblicher technischer Sachverstand erforderlich, um sagen zu können, ob der immissionsschutzrelevante Sachverhalt aus den Papieren vollständig und zutreffend hervorgeht. Der Hauptvorteil einer Privatbeteiligung ist dabei, daß ein privater Sachverständiger die Vollständigkeitsprüfung möglicherweise schneller und verläßlicher durchfUhren kann, als es einer überlasteten Behörde zur gleichen Zeit möglich wäre. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die definitive Entscheidung, ob die Unterlagen filr vollständig erachtet werden oder nicht, von der Behörde selbst getroffen werden muß. Denn dabei handelt es sich um eine verfahrensleitende Entscheidung, die auch nach außen wirkt (indem sie die Frist nach § I 0 Abs. 6 a Satz I BimSchG in Gang setzt), und deshalb nicht mehr unter den Bereich der reinen Verwaltungshilfe fälle 36• Der private Verfahrensmanager kann daher nur die Sichtung der Unterlagen vornehmen und der Behörde gegenüber eine Stellungnahme über die Vollständigkeit abgeben, auf deren Basis die Behörde dann zu befinden hat. Die dabei auftauchenden Problematik, daß die Behörde dann diese Stellungnahme separat würdigen muß und nicht einfach übernehmen darf, ähnelt der gleichartigen Situation bei der Gutachtenerstattung durch Sachverständige. 3. Beratung der Behörde hinsichtlich der Beauftragung von Sachverständigen
Ein weiteres Tätigkeitsfeld filr privates Verfahrensmanagement liegt in der Bestellung von Sachverständigengutachten durch die Genehmigungsbehörde 134 Vgl. Schwarz in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 (197) und Hofmann-Hoeppel, ebendaS. 216 (270 f.), der allerdings eine weitergehende Auslagerung in das Prüfungssystem nach der Umwelt-Audit-Verordnung befürwortet, ohne daß konkret ersichtlich würde, wie diese beiden Element zusammengebracht werden sollen. 135 Vor allem die Angaben nach §§ 4 a, 4 b der 9. BlmSchV. 136 Erbguth, UPR 1995, 369 (375, 378).
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gemäß § 13 Abs. I der 9. BlmSchV 137• Ebenso wie bei der PrUfung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen erfordert die PrUfung, ob zur Klärung der Genehmigungsflihigkeit der Anlage noch weitere Sachverständigengutachten erforderlich sind, einen umfassenden Einblick in die materiellen Probleme des konkreten Verfahrens. Dabei kann ein - seinerseits mit entsprechendem Sachverstand ausgestatteter - privater Verfahrensmanager die Behörde zum einen im Hinblick darauf beraten, zu welchen Fragen überhaupt noch weitere Sachverständigengutachten benötigt werden, zum anderen dann aber vor allem bei der Auswahl des Sachverständigen, bei der Formulierung des Gutachtenauftrages sowie beim Abschluß des Gutachtervertrages behilflich sein 138 • Namentlich die konkrete Bestimmung der gutachtlich zu behandelnden Fragestellungen ist filr eine flüssige Verfahrensdurchfilhrung von erheblicher Bedeutung, da unklar oder unvollständig formulierte Gutachtenaufträge später häufig zeitraubende Nachfragen und Ergänzungsgutachten erforderlich machen und damit Verzögerungen bewirken. Auch hier gilt freilich wieder, daß der private Verfahrensmanager nur eine vorbereitende und assistierende Funktion haben kann, während die eigentliche Inauftraggabe des Sachverständigengutachtens durch die Genehmigungsbehörde erfolgen muß. 4. Beteiligung anderer Behörden
Bei der Beteiligung anderer Behörden nach § I 0 Abs. 5 BlmSchG und § II der 9. BlmSchV stellt sich das Problem des konkreten Stellungnahmeersuchens nicht in gleicher Schärfe wie bei der Formulierung der Sachverständigenaufträge, da die Stellungnahmen der beteiligten Behörden zwar auf ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich beschränkt sind, aber nicht so punktuell abzugrenzen sind wie der Gegenstand einer sachverständigen Begutachtung. Überdies bleibt die Behördenbeteiligung auch organisatorisch im innerdienstlichen Bereich. Ansatzpunkte filr ein privates Verfahrensmanagement ergeben sich hier allenfalls in Einzelpunkten, wie etwa der zeitlichen Planung und Abfolge der Beteiligungen. Mit der Einfilhrung des sternilirmigen Verfahrens (vgl. § II Satz 2 der 9. BlmSchV) hat allerdings auch dieser Aspekt an Bedeutung verloren. 5. Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Erörterungstermins
Ein weiteres Betätigungsfeld fiir privates Verfahrensmanagement bietet dann aber der Erörterungstermin gemäߧ IO Abs. 6 Satz I BlmSchG, §§ I4 ff. Dazu eingehend oben C III. Schwarz in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 (198); Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, s. 92. 137 138
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der 9. BlmSchV. Dabei geht es zum einen um dessen organisatorische Vorbereitung und Durchfilhrung. So müssen zur Bestimmung des Teilnehmerkreises zunächst die erhobenen Einwendungen gesichtet werden. Dann sind Räumlichkeiten bereitzustellen, die von der Größe und Infrastruktur her filr die Abhaltung einer entsprechend großen Veranstaltung geeignet sind. Ferner müssen Dispositionen über die zeitliche Gestaltung des Termins, die Sitzordnung, die Protokollierung (vgl. § 19 der 9. BlmSchV) usw. getroffen werden 139. Diese Vorbereitungsmaßnahmen können relativ unproblematisch von einem privaten Management oder "Veranstaltungsservice" übernommen werden 140, zumal in diesem Metier auch keine spezifisch immissionsschutzrechtliche Sachkunde erforderlich ist. Hingegen wird man die Durchfilhrung des Erörterungstermins als solche und vor allem die Funktion des Verhandlungsleiters nach derzeitiger Rechtslage nicht auf einen privaten Dritten übertragen können. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß auch eine solche Delegation sinnvoll sein könnte, insbesondere dort, wo die Unparteilichkeit der Behörde von den Einwendem in Zweifel gezogen wird 141 . Insoweit fehlt es aber derzeit an einer ausreichenden Rechtsgrundlage142. Nach§ 18 Abs. I Satz 2 der 9. BlmSchV ist der Verhandlungsleiter ein Vertreter der Genehmigungsbehörde. Ausweislich der amtlichen Begründung143 wurde diese Bestimmung getroffen, um klarzustellen, daß der Verhandlungsleiter von der Behörde benannt wird und nicht etwa aus der Mitte der Teilnehmer zu bestimmen ist. Hingegen ist nicht eindeutig festgelegt, daß es sich auch um einen Angehörigen dieser Behörde handeln muß 144. Gleichwohl wird die "Beauftragung" eines Privaten mit der Verhandlungsleitung durch die Behörde nicht in Betracht kommen. Denn obwohl im Erörterungstermin keine eigenständige Sachentscheidung getroffen wird, ist die Verhandlungsleitung dabei doch eine so selbständige und verantwortliche Form der Verfahrensmoderation, daß sie das Maß einer bloß zuarbeitenden, unselbstän-
139 Zu den Kontroversen, die schon in diesen Fragen immer wieder zwischen Behörde und Einwendem entstehen, vgl. am Beispiel des Planfeststellungsverfahrens Hofmann-Hoeppe/, Die Verwaltung 27, S. 391 (400 ff.). 140 Hofmann-Hoeppel in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 216 (273); dieser Bereich spielte offenbar auch bei den Vorstellungen des Verordnungsgebers eine zentrale Rolle, vgl. SR-Drucksache 869/92 (Beschluß), S. 3 und 9. 141 Vgl. Brohm, DVBII990, 321 (324 ff.). 142 Davon geht ersichtlich auch der Gesetzgeber aus. In der Begründung zur Neufassung des§ 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 der 9. BlmSchV (BT-Drucksache 13/3996, S. 11) heißt es: "Dem Beauftragten kann auf gesetzlicher Grundlage auch die Aufgabe und Befugnis übertragen werden, die vorgeschriebenen Anhörungen vorzunehmen." Nach derzeitigem Stand ist also dafür noch keine ausreichende Grundlage vorhanden. 143 SR-Drucksache 526176 (Beschluß), S. II. 144 In diesem Sinne Feldhaus-Vallendar, BlmSchR, Anm. 3 zu§ 18 der 9. BlmSchV.
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digen Verwaltungshilfe weit überschreitee 45 . Das gilt nicht zuletzt angesichts der sitzungspolizeilichen Befugnisse, die dem Verhandlungsleiter gemäß § 18 Abs. 3 - 5 der 9. BlmSchV zustehen. Insoweit wäre eine Übertragung dieser Funktion wohl als Beleihung zu qualifizieren, für die es einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfte 146• Hierfür aber gibt § 18 der 9. BIm SchV nichts her 147• Die Verhandlungsleitung im Erörterungstermin muß folglich von einem Behördenangehörigen übernommen werden, dem freilich wiederum ein privater Projektmanager als assistierender Berater und Mithelfer zur Seite gestellt werden kann 148• Schließlich müssen die Ergebnisse des Erörterungstermin als Teil der Entscheidungsgrundlage für die nachfolgende behördliche Genehmigungsentscheidung aufbereitet werden. Gerade bei umfangreichen Erörterungsterminen mit zahlreichen Beteiligten kann dies schon einen erheblichen verwaltungstechnischen Aufwand bedeuten. Hierbei käme dann wiederum eine Beteiligung fachkundiger privater Kräfte in Betracht149• 6. Vorbereitung eines Entscheidungsentwurfs
Das Genehmigungsverfahren schließt mit der Entscheidung über die Erteilung oder die Versagung der Genehmigung gemäß § 20 Abs. 1 der 9. BlmSchV. Diese Entscheidung als solche ist das hoheitliche Kernstück des gesamten Verfahrens und muß in Ermangelung einer diesbezüglichen Beleihung in jedem Fall durch die Genehmigungsbehörde selbst erfolgen 150• Insofern hat allein die Behörde die Befugnis zur Letztentscheidung, und es besteht an dieser Stelle nach geltendem Recht keinerlei PrivatisierungspotentiaL 145 Brohm, DVBl 1990, 321 (326 f.); Pietzcker in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 284 (297). 146 Brohm, DVBl 1990, 321 (328); wohl auch Schulze-Fielitz in Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung Bd. II, S. 55 (62 f.). Mit der Etablierung einer Verfahrensleitung durch unabhängige Dritte de lege ferenda befassen sich auch Jarass, BlmSchG, § 10 Rn. 67 und Schuppert in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung Bd. II, S. 29 (51 f.). 147 Aufschlußreich ist insoweit auch der Vergleich mit§ 52 Abs. 2 BlmSchG. Dort besteht ausdrücklich die Möglichkeit, einem "Beauftragten" der Behörde die selbständige Durchführung eines bestimmten Verfahrensschritts- nämlich der Sachverhaltsermittlung durch Prüfungen und Messungen - zu übertragen, und ihn dazu auch zu hoheitlichem Handeln zu ermächtigen (vgl. dazu Jarass, BlmSchG, § 52 Rn. 17). 148 Schwarz in Hoffmann-Riern!Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 ( 199); Schulze-Fielitz in Hoffmann-Riern!Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung Bd. II, S. 55 (63). 149 Hofmann-Hoeppel in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 216 (273 f.). 150 Erbguth, UPR 1995, 369 (373); Böcke/, DÖV 1995, 102 (107).
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Dem steht allerdings nicht entgegen, daß die Behörde sich im Vorfeld der Entscheidung abermals von sachkundiger privater Seite beraten lassen kann. Insbesondere was die genaue Ausformulierung und Begründung des Genehmigungsbescheides angeht, kann eine solche private Beratung hilfreich ein, um die behördliche Entscheidung in eine korrekte Form zu bringen. In der Praxis ergehen viele Genehmigungsbescheide mit Nebenbestimmungen, die die Erfiillung der Genehmigungsvoraussetzungen erst sicherstellen sollen 151 • Diese so zu fassen, daß die zusätzlichen Verpflichtungen des Anlagenbetreibers im Bezug auf den Anlagenbetrieb auch zweifelsfrei festgelegt sind, erfordert vor allem juristische Detailarbeit An dieser Stelle bietet sich daher die Beratung der Behörde durch juristisch geschulte Private an, die dann auch bis zur Erarbeitung eines Entscheidungsentwurfs reichen kann 152• Die Gefahr, die dann hier wie an anderer Stelle besteht, ist die, daß die Behörde dazu neigen könnte, den Vorschlag des Privaten ohne weiteres zu übernehmen, und damit ihre formell bestehende Letztentscheidungskompetenz materiell nicht wahrnimmt. Das spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen die Zulässigkeit einer solchen privaten Unterstützung.
7. Zusammenfassung Wie dargestellt, ergeben sich somit filr eine Reihe von Verfahrenselementen private Mitwirkungsmöglichkeiten. Die Genehmigungsbehörde hat bei der Überlegung, ob sie ein privates Verfahrensmanagement engagieren will, zu berücksichtigen, ob die zu erwartende Verfahrensstraffung so beträchtlich ist, daß sie den Mehraufwand, der mit einer solchen Auslagerung auch immer verbunden ist, aufwiegt 153 • Dabei sollte vor allem berücksichtigt werden, daß eine Entlastung der Behörde hierbei Kapazitäten filr weitere Vollzugstätigkeiten freisetzen kann 154•
V. Privates Verfahrensmanagement als Element der Privatisierung Unter dem Aspekt der Privatisierung lassen sich die dargestellten Formen eines privaten Verfahrensmanagements unschwer als Elemente einer funktiona-
Vgl. dazu§ 12 Abs. I BlmSchG und oben§ 3 8 II c bb. Schwarz in Hoffmann-Riem!Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 188 (199); Erbguth, UPR 1995, 369 (378). 153 Vgl. zu den diesbezüglichen Zweckmäßigkeitserwägungen Erbguth, UPR 1995, 369 (371). 154 SR-Drucksache 869/92 (Beschluß), S. 3. 151
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E. Beleihung im Genehmigungsverfahren
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len Privatisierung ausmachen 155• Die Heranziehung externer Privater zu den genannten Beratungs- und organisatorisch-technischen Hilfstätigkeiten unter Verbleib der Letztentscheidungskompetenz bei der Behörde entspricht exakt der Definition der funktionalen Privatisierung. Dabei können die dargestellten Funktionen teils vollständig auf Private ausgelagert werden (so etwa die organisatorische Vor- und Nachbereitung des Erörterungstermins), teils im Verbund von Behörde und privatem Verfahrensmanager wahrgenommen werden (so etwa bei der Beratung oder bei der Beauftragung weiterer Sachverständiger). Insbesondere unter dem letzten Aspekt ist eine entsprechend enge Kooperation zwischen dem behördlichen Verfahrensbevollmächtigten, dessen Funktion aufgrund der fortbestehenden Letztverantwortlichkeit der Behörde auch nicht etwa überflüssig wird, und dem privaten Verfahrensmanager nötig. Damit entsteht zwar ein gewisser Doppelaufwand 156, der aber durch die verfahrensbeschleunigenden und aufwandverringernden Auswirkungen des privaten Managements mehr als aufgewogen werden sollte.
E. Beleihung im Genehmigungsverfahren Die vorstehenden Überlegungen beziehen sich, wenn man das Gesamtmodell des behördlichen Vollzugs betrachtet, immer nur auf einzelne Elemente desselben. Es wurde festgestellt, daß Private teilweise die Sachverhaltsermittlung fiir die Behörde übernehmen können und ihr bei der Normkonkretisierung und bei der Verfahrensgestaltung behilflich sein können. Abschließend soll jetzt kurz noch geprüft werden, ob im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auch die Möglichkeit einer vollständigen Übertragung der staatlichen Vollzugsaufgabe auf private Kräfte besteht. Dies würde voraussetzen, daß der betreffende Private nicht nur Einzelfunktionen vorbereitender Art wahrnimmt, sondern auch die eigentliche Vollzugsentscheidung als solche trifft. Diese Entscheidung, nämlich die Erteilung oder die Versagung der Genehmigung, wirkt hoheitlich gegenüber dem Antragsteller und eventuellen Drittbetroffenen; sie ist Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG. Bei einem derartigen Hoheitsakt kommt eine Überantwortung an einen nichtstaatlichen Funktionsträger nur in Form einer Beleihung in Betracht. Diese wiederum erfordert - aus Gründen der Wesentlichkeitstheorie und der demokratischen Legitimation der Ausübung hoheitlicher Gewalt - fiir die Übertragung der Aufgabe eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage.
Iss Erbguth, UPR 1995, 369; Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem/Schneider, Verfahrensprivatisierung, S. 9 (13). 1s6 Erbguth, UPR 1995, 369 (371).
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§ 7 Eröffnungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
Eine solche gesetzliche Grundlage für die Übertragung der Genehmigungsentscheidung auf einen beliehenen Privaten existiert im geltenden Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht. Insofern bleibt es dabei, daß Private im Genehmigungsverfahren verschiedene Teilfunktionen übernehmen können, die letztendliche Entscheidungskompetenz und -Verantwortung verbleibt jedoch in jedem Fall bei der Genehmigungsbehörde.
§ 8 Die Beteiligung Privater an der Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen Ist die Genehmigung erteilt und die projektierte Anlage daraufhin errichtet und in Betrieb genommen worden, so muß zum Zwecke des durchgängigen Vollzugs der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen eine kontinuierliche Befolgungskontrolle die fortdauernde Kongruenz von Ist- und Soll-Zustand sicherstellen. Dies ist der Bereich der eigentlichen Anlagenüberwachung, die den zuständigen Behörden nach § 52 Abs. 1 BlmSchG aufgegeben ist. Der Schwerpunkt und die spezifischen Probleme dieser Überwachung liegen dabei - in den Kategorien des Vollzugsmodells betrachtet - eindeutig im Bereich der Sachverhaltsermittlung, d. h. des Ist-Zustands. Es geht in erster Linie darum festzustellen, wie sich die tatsächliche Situation an der Anlage selbst und in ihrem Einwirkungsbereich mit dem zeitlichen Fortschreiten entwickelt. Das gilt nicht nur im Hinblick aufnachträgliche Veränderungen, wie etwa allmählich sich einstellende Verschleißerscheinungen, sondern auch deswegen, weil jedenfalls in Neugenehmigungsverfahren die konkreten Auswirkungen der Anlage ja lediglich theoretisch anband der Planungen prognostiziert werden konnten und insoweit erst nach der Inbetriebnahme überhaupt festgestellt werden kann, ob die als mutmaßlicher Ist-Zustand ermittelten Verhältnisse auch real eingetreten sind. Auf der anderen Seite ist der Soll-Zustand als Gegenkomponente durch den Inhalt der Genehmigung zunächst einmal fixiert. Das muß freilich nicht bedeuten, daß das Maß der Anforderungen an die Anlage ftlr die gesamte weitere Zukunft unabänderlich bleibt; insbesondere können nachträgliche Ereignisse dazu fUhren, daß die ursprünglich zugrundegelegte Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen überholt wird, sei es durch Änderungen der gesetzeskonkretisierenden Exekutivvorschriften, sei es durch neuere Erkenntnisse, die eine abweichende Einzelfallkonkretisierung erfordern. In diesen Fällen kann bei unverändertem Ist-Zustand der Anlage - die Neubestimmung des SollZustandes eine Inkongruenz zwischen beiden herbeifilhren, die dann durch nachträgliche Vollzugsmaßnahmen (namentlich in Form von Sanierungsanordnungen) behoben werden müßte. Für die Privatbeteiligung an der Feststellung und Fortschreibung des Soll-Zustandes gilt allerdings nichts wesentlich anderes als schon im Genehmigungsverfahren. Das heißt, die Behörde kann sich insbesondere privater Spezialkenntnisse bedienen, um die Konkretisierung der normativen Anforderungen auf dem neuesten Stand zu halten. Grundlegend neue Privatisierungsaspekte ergeben sich daraus jedoch nicht.
218
§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
Nach alledem kommt also einer zuverlässigen Sachverhaltsermittlung die Schlüsselrolle im Rahmen der Befolgungskontrolle zu. Sie bereitet aber gleichzeitig den Vollzugsbehörden oft erhebliche Schwierigkeiten, da die jeweilige Überwachungsbehörde die sachverhaltsrelevanten Informationen hier - anders als im Genehmigungsverfahren mit den Antragsunterlagen - grundsätzlich nicht vom Anlagenbetreiber frei Haus geliefert bekommt und bei ihren eigenen Ermittlungen (auf der Grundlage des§ 52 Abs. 2- 6 BlmSchG) wieder schnell an die Grenzen ihrer personellen und technischen Kapazitäten stöße. Aus diesen Gründen hat sich auch und gerade in diesem Bereich des immissionsschutzrechtlichen Vollzugs eine beachtliche Bandbreite an privaten Mitwirkungsformen herausgebildet.
A. Anzeigepflichten des Betreibers Zunächst sind hier die Anzeigepflichten zu nennen, die der Anlagenbetreiber aufgrundverschiedener Rechtsvorschriften zu erfiillen hae. I. Anzeigepflichten nach§ 15 BlmSchG
So hat der Setreiber nach der neugefaßten3 Vorschrift des § I5 Abs. I BlmSchG der Behörde grundsätzlich jede Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer Anlage vorher anzuzeigen, wenn sich die Änderung auf die Schutzgüter des § I BlmSchG auswirken kann. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist damit sehr weit geworden: faktisch dürfte nun beinahe jede Änderung anzeigepflichtig sein, wenn sie nicht so marginal ist, daß Auswirkungen auf die Umwelt offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen sind4 • Siehe dazu die Ausflihrungen zu den Vollzugsdefiziten, oben§ 4. Zur Unterscheidung von selbständigen und unselbständigen Offenbarungspflichten Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 97 ff. 3 Neugefaßt durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9. Oktober 1996, BGBI. I, S. 1498 ff.; dabei wurde die bisher in§ 16 BlmSchG a. F. geregelte Anzeigepflicht nunmehr in§ 15 BlmSchG normiert. 4 Hansmann, NVwZ 1997, 105 (108). Der Anwendungsbereich des § 16 Abs. I BlmSchG a. F. war demgegenüber beschränkter: dort waren nur in zweijährlichen Abständen die zwischenzeitlich eingetretenen Abweichungen vom Genehmigungsbescheid anzuzeigen; allerdings wurden von dieser Anzeigepflicht dann auch die unbeabsichtigten Abweichungen (nicht nur die willentlich vorgenommenen Änderungen) erfaßt, so daß eine periodische Gesamtkontrolle des Soll-Ist-Vergleichs ermöglicht wurde. Vgl. ausfUhrlieh zu den Regelungen des § 16 Abs. I BlmSchG a. F. Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 49 ff. 1
2
A. Anzeigepflichten des Setreibers
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Mit dieser Information soll die Behörde stets über den aktuellen Stand der Betriebsbedingungen unterrichtet und damit in die Lage versetzt werden, prüfen zu können, ob die Anlage unter den veränderten Verhältnissen noch den gesetzlichen Anforderungen entspricht5 . Da bei der Erteilung der Genehmigung davon auszugehen ist, daß die Kongruenz von Ist- und Soll-Zustand der Anlage genau in dem Zustand besteht, der durch den Genehmigungsbescheid umschrieben wird, legt jede Abweichung von diesem Zustand die Vermutung nahe, daß damit die materiell-rechtlichen Vorstellungen des Gesetzgebers bezüglich Schutz und Vorsorge möglicherweise nicht mehr erfiillt sind und insoweit Vollzugsbedarf besteht. Deshalb hat die Behörde vor allem zu prüfen, ob die beabsichtigten Änderungen so gravierend sind, daß sie als "wesentliche Änderungen" im Sinne des § 16 Abs. I BlmSchG eine erneute Eröffnungskontrolle in Form eines Änderungsgenehmigungsverfahrens erfordern. Zu diesem Zweck hat der Setreiber seiner Anzeige die Unterlagen beizufilgen, die fiir die Beurteilung der Genehmigungsbedürftigkeit erforderlich sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG). In gleicher Weise hat der Anlagenbetreiber der Behörde seine Absicht, den Betrieb der Anlage einzustellen, nach § 15 Abs. 3 BlmSchG anzuzeigen. Diese Information ist filr die Vollzugsbehörde deshalb wichtig, weil mit einer Betriebseinstellung veränderte Anforderungen an die Anlage nach § 5 Abs. 3 BlmSchG verbunden sind, und die Behörde frühzeitig mit dieser neuen Situation konfrontiert werden soll, um die Erforderlichkeil eventueller Vollzugsmaßnahmen in dieser Richtung (beispielsweise Anordnungen zur Absicherung des Betriebsgeländes oder zur Abfallbeseitigung) rechtzeitig prüfen zu können. In beiden Fällen dient die Anzeigepflicht des Setreibers dazu, der Behörde konkret anstehende Veränderungen des Ist-Zustands zur Kenntnis zu bringen und ihr auf diese Weise die "Anlaßinformation" zu verschaffen, deren sie zur Durchfilhrung eines unter den veränderten Umständen eventuell erforderlichen neuen Vollzugsprogramms bedarf. II. Fortschreibung der Sicherheitsanalyse und des Verzeichnisses gefährlicher Stoffe gemäߧ§ 8 und 6 Abs. 3 der Störfan-Verordnung Neben diesen gesetzlichen Anzeigepflichten nach § 16 BlmSchG ergeben sich noch weitere Informations- und Meldepflichten aus verordnungsrechtlichen Grundlagen. So hat etwa ein Anlagenbetreiber, der nach der StörfanVerordnung (12. BlmSchV) zur Anfertigung einer Sicherheitsanalyse verpflichtet ist6 , diese Sicherheitsanalyse gemäß § 8 der 12. BlmSchV fortzu5 6
Wasielewski, LKV 1997, 77 (79). Vgl. dazu §§ I Abs. 2 i.V.m. 7 der 12. BlmSchV.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
schreiben und damit dem sich weiterentwickelnden Stand der Sicherheitstechnik und den neueren Erkenntnisse in diesem Bereich anzupassen. Gleichzeitig ist er über § 9 Satz 1 der 12. BlmSchV verpflichtet, der Vollzugsbehörde den jeweils aktuellen Stand dieser Erkenntnisse durch Hinterlegung der fortgeschriebenen Sicherheitsanalyse bei der Behörde zur Kenntnis zu bringen. Insoweit als die Sicherheitsanalyse auch der Information der Behörde diene, um ihr die Überwachung zu ermöglichen, ob die Anlage den besonderen Sicherheitsanforderungen nach der Störfall-Verordnung entspricht, handelt es sich bei der Fortschreibungspflicht damit ebenfalls um eine Unterstützung des behördlichen Vollzugs. Die Behörde soll in diesen Fragen jeweils über einen aktuellen Kenntnisstand verfUgen, und der Betreiber soll ihr dabei mit der Lieferung von Informationen assistieren. Eine ähnliche Überlegung liegt auch der Verpflichtung zugrunde, nach § 6 Abs. 3 der 12. BimSchV ein Verzeichnis gelagerter Gefahrstoffe zu erstellen und fortzuschreiben. Diese Informationen beziehen sich dabei sowohl auf den Anlagensachverhalt (z. B. bezüglich des Anlagenbetriebs und der Art und Menge der beteiligten Stoffe, § 7 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 der 12. BlmSchV) als auch auf das Hintergrundwissen, das zur Konkretisierung der spezifischen Sicherheitspflichten erforderlich ist (z. B. neue Entwicklungen im Stand der Sicherheitstechnik8 und Sicherheitsdatenblätter\ Das resultiert aus der Besonderheit, daß die Sicherheitsanalyse mit der Darlegung nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 der 12. BlmSchV, wie die besonderen Sicherheitsanforderungen erfiillt werden, bereits eine vollständige Subsumtion durch den Anlagenbetreiber enthalten muß, die die Behörde dann im wesentlichen nur noch nachzuvollziehen braucht. 111. Weitere Mitteilungspflichten auf verordnungsrechtlicher Basis Ferner statuiert § 11 der 12. BlmSchV bestimmte Meldepflichten des Betreibers fUr den Fall, daß ein Störfall eintritt 10; in ähnlicher Weise verpflichtet auch § 16 Abs. 1 Satz 1 der 17. BimSchV den Setreiber einer Abfallverbrennungsanlage, eventuelle Betriebsstörungen der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Diese Informationspflichten beziehen sich, anders als die bisher behandelten, nicht auf längerfristige Veränderungen des Anlagenbetriebs oder der relevanten Rahmenbedingungen, sondern auf kurzfristige Inkongruenzen, die 7 Zu der weiteren (Haupt-)Funktion der Sicherheitsanalyse als Instrument der Eigenkontrolle des Belreibers vgl. die amtliche Begründung BR-Drucksache 108/80, S. 34; Feldhaus-Wietfeldt/Val/endar, BlmSchR, Anm. 2 zu§ 7 der 12. BimSchV, und unten§ 11 D. 8 Dazu Feldhaus-Wietfeldt/Czajka, BlmSchR, Anm. 6 ff. zu§ 8 der 12. BlmSchV. 9 Vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 a. E. der 12. BlmSchV. 10 Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 54 ff.
A. Anzeigepflichten des Betreibers
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möglicherweise im Zeitpunkt der Mitteilung schon wieder beseitigt sind. Da aber Störungen im ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage immer ein Anzeichen dafilr sein können, daß die zugrundegelegten Gefahrprognosen unrealistisch sind, soll der Behörde mit diesen Meldepflichten die Anlaßinformation geliefert werden, um möglicherweise eine Revision der bisherigen Vollzugsentscheidung einzuleiten und notfalls ergänzende Maßnahmen zu treffen 11 • IV. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten Haben somit alle aufgezeigten Regelungen den Sinn, der Behörde durch eine Instrumentalisierung des Anlagenbetreibers bestimmte Informationen über dauerhafte oder kurzfristige Abweichungen vom Soll-Zustand des Genehmigungsbescheides zur Kenntnis zu bringen, so wäre es doch auch hier übertrieben, dies als einen Akt der Privatisierung von Vollzugsaufgaben aufzufassen. Es gilt nämlich im wesentlichen das gleiche wie bezüglich der Informationsbeiträge des Antragstellers und eventueller Dritter im Genehmigungsverfahren selbst 12• Zwar handelt es sich- anders als bei jenen- bei den hier aufgeführten Anzeige- und Mitteilungspflichten des Setreibers um echte, notfalls durch behördliche Anordnung durchsetzbare Pflichten, deren Nichterfilllung teilweise auch bußgeldbewehrt ist(§ 62 Abs. 2 Nr. 1 BimSchG, § 13 Nr. 2 u. 3 der 12. BlmSchV). Aber hier wie dort gilt, daß der behördliche Vollzug erst nach diesen Informationen überhaupt beginnt. In allen genannten Fällen ist es die Aufgabe der Überwachungsbehörde, anband der vom Setreiber gelieferten Informationen zu untersuchen, ob möglicherweise daraus ein weitergehender Vollzugsbedarf resultiert. Dies wird etwa am Beispiel der Änderungsanzeige nach § 15 Abs. I BimSchG deutlich. Dort hat die Behörde nach Eingang der Anzeige eigenständig zu prüfen, ob ein Fall der genehmigungspflichtigen wesentlichen Änderung nach § 16 Abs. I Satz 1 BimSchG vorliegt oder nicht. Kommt die Behörde zu dem Resultat, daß die Änderung genehmigungspflichtig ist, so teilt sie das dem Setreiber mit, der es dann in der Hand hat, mit der Stellung eines Genehmigungsantrags ein neues Verfahren der Eröffnungskontrolle einzuleiten. Anderenfalls teilt die Behörde dem Setreiber mit, daß die Änderung keiner Genehmigung bedarf, und dieser ist daraufhin berechtigt, die Änderung vorzunehmen 13 • Die Behörde kann allerdings in dieser Situation prüfen, ob die Änderung Anlaß zu sonstigen Vollzugsmaßnahmen, etwa in Form von zusätzlichen nachträglichen Anordnungen oder Auflagen, bietet. Im Hinblick darauf hat sie Vgl. dazu etwa§ 16 Abs. 1 Satz 3 der 17. BlmSchV. Siehe dazu oben § 7 AlB. 13 § 15 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG. 11
12
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
dann wiederum den Sachverhalt exakt zu erforschen, zu subsumieren und gegebenenfalls eine Vollzugsentscheidung zu treffen. Die vom Setreiber gemachten Angaben können also nur als Fingerzeig dienen, wo sich eventuell ein weiterer Vollzugsbedarf ergibe 4 ; es kann jedoch auch hier nicht gesagt werden, daß der Setreiber in funktionaler, gegenständlich bestimmter Art und Weise filr die behördliche Sachverhaltsermittlung eingesetzt wird. Aus dem gleichen Grund kann auch keine gesetzliche Indienstnahme vorliegen, da dem Setreiber hier keine konkrete Tätigkeit aufgebürdet wird, die anderenfalls von der Behörde vorzunehmen wäre. An eine andere Betrachtungsweise wäre allenfalls bezüglich der Fortschreibung der Sicherheitsanalyse zu denken, da die dortigen Pflichten des Anlagenbetreibers zur detaillierten Dokumentation recht genau den Bereich umfassen, der auch im Rahmen der behördlichen Überwachung zentrale Bedeutung hat. Insoweit gilt jedoch, daß der Betreiber damit in erster Linie angehalten werden soll, sich selbst Klarheit über den sicherheitstechnischen Zustand seiner Anlage zu verschaffen. Daher liegt auch in diesem Fall der Hauptzweck der Regelung nicht in einer partiellen Privatisierung der behördlichen Sachverhaltsermittlung. Aus diesen Gründen sind die Anzeige- und Mitteilungspflichten des Setreibers zwar wohl geeignet, der Überwachungsbehörde mitunter wichtige Anstoßinformationen filr weitergehende Vollzugsmaßnahmen zu vermitteln, sie sind jedoch insgesamt zu wenig spezifiziert, als daß man von einer konkreten Maßnahme der Privatisierung sprechen könnte. Es handelt sich vielmehr um selbständige Verpflichtungen des Setreibers im Annex an seine allgemeinen, materiellen Betreiberpflichten.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung Sind nach den vorstehenden Ausfiihrungen die allgemeinen Informationspflichten des Anlagenbetreibers unter Privatisierungsgesichtspunkten nicht besonders ergiebig, so gibt es aber doch an anderer Stelle eine Reihe von Ansatzpunkten, an denen eine Übertragung konkreter staatlicher Überwachungsmaßnahmen auf private Kräfte stattfindet.
14 Vgl. Reinhardt, AöR 118, 617 (653 ff.), der in diesem auch Zusammenhang weitergehende Überlegungen zum Datenschutz und zur informationeilen Selbstbestimmung des Setreibers anstellt.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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I. Ermittlungen durch behördlich Beauftragte
Zunächst einmal hat die Überwachungsbehörde die Möglichkeit, Ennittlungen statt durch eigene Kräfte durch beauftragte Privatpersonen durchfUhren zu lassen. Das ergibt sich aus den Eingriffsregelungen des § 52 Abs. 2 u. 6 BimSchG, wenn die dortigen Betretungsrechte sowohl den Angehörigen der zuständigen Behörde als auch deren Beauftragten zugesprochen werden. In gleicher Weise ist dann eine Heranziehung privater Beauftragter auch zu Sachverhaltsennittlungen möglich, die ohne Eingriff in die Rechte des Anlagenbetreibers oder Dritter verbunden sind, wie beispielsweise Ennittlungen auf behördeneigenen Grundstücken. Beauftragte sind im Gegensatz zu dem eigenen Personal der Behörde alle Personen, die nicht dauernd von der Behörde beschäftigt werden 15 • Insbesondere kann es sich bei ihnen um Sachverständige handeln, denen die Feststellung bestimmter Sachverhaltsinfonnationen gerade aufgrund ihrer Sachkunde möglich ist 16• Für ihre Sachkunde und Zuverlässigkeit gelten insoweit die üblichen Kriterien 17• Dabei ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer Heranziehung privater Sachverständiger im Kern wieder auf§ 26 Abs. 1 VwVfG zurückzufllhren; die ausdrückliche Erwähnung in § 52 Abs. 2 u. 6 BimSchG dient vor allem der Klarstellung, daß diesen Personen dann auch die Eingriffsbefugnis in die betroffenen Grundrechtspositionen zustehen soll (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 2 u. Abs. 6 Satz 2 BimSchG). Soweit damit der Beauftragte zu eigenständigen hoheitlichen Eingriffsakten ennächtigt wird, ist es eine unausweichliche Konsequenz, ihn als Beliehenen anzusehen 18; beliehen freilich nur bezüglich der Verfahrenshandlung "Sachverhaltsennittlung", nicht bezüglich der schlußendlichen Vollzugsentscheidung selbse9 • Gegenstand der Beauftragung können Prüfungen aller Art sein, insbesondere die Ennittlung von Immissionen und Emissionen20; letzteres wird regelmäßig durch Messungen erfolgen. Da es der Zweck der Überwachung ist, die Kongruenz der Anlage mit den gesetzlichen Maßgaben umfassend sicherzustellen, ist der Begriff der Prüfung weit auszulegen und auf alle Umstände - die Anlage als solche, ihren Betrieb, die beteiligten Stoffe usw. - zu erstrecken, die fllr die GK-Lechelt, §52 Rn. 81. Vgl. VGH Kassel, GewArch 1983, 199 (200 f.). 17 Siehe oben § 7 C IV. 18 Jarass, BlmSchG, § 52 Rn. 17; Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 47 zu § 52 BlmSchG; GK-Lechelt, § 52 Rn. 88. 19 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 128 ff., bezeichnet diese Konstellation bei den insoweit vergleichbaren Prüfingenieuren der Bauüberwachung als "organinteme und kompetenzanteilige" Beleihung. 20 § 52 Abs. 2 Satz I BlmSchG. 15
16
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Bedeutung sein können21 • Die Ermittlungskompetenz des Beauftragten kann also den gesamten Bereich der Feststellungen vor Ort umfassen. Außerhalb des Anlagengrundstücks werden allerdings regelmäßig nur Immissionsmessungen und Feststellungen bezüglich der immissionsrelevanten anlagenexternen Umstände geboten sein22• Die betroffenen Anlagenbetreiber und Eigentümer haben darüber hinaus verschiedene Auskunfts- und Unterstützungspflichten23 • Über die genauen Voraussetzungen filr den Einsatz privater Beauftragter sagt § 52 BlmSchG -anders als etwa § 13 der 9. BlmSchV filr das Genehmigungsverfahren - nichts weiter aus. Man muß also auch insoweit wieder auf den allgemeinen Grundsatz zurückgreifen, daß die Verwaltung prinzipiell befugt ist, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Dritter zu bedienen. Die im Falle der Beleihung hierzu erforderliche gesetzliche Grundlage vermittelt § 52 BlmSchG, da die Vorschrift in ausreichend klarer Weise bestimmt, daß auch der Beauftragte zu hoheitlichem Handeln befugt sein soll; mehr ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes und der Wesentlichkeitstheorie nicht zu fordern. Eine Grenze stellt insoweit dann nur noch der Grundsatz der Erforderlichkeit dar: auch wenn eine Prüfung durch private Beauftragte grundsätzlich möglich ist, darf die Behörde dergleichen doch nicht mutwillig veranlassen. Die Behörde kann danach private Sachverständige als Beauftragte einsetzen, wenn sie nicht über ausreichendes Personal oder die technischen Einrichtungen verfUgt, um die Sachverhaltsfeststellungen selbst treffen zu können. Die Kosten filr diese Überwachungsmaßnahmen trägt nach § 52 Abs. 4 Satz 3 BlmSchG grundsätzlich der auskunftspflichtige Anlagenbetreiber; allerdings wird von diesem Grundsatz filr den besonders wichtigen Fall der Immissions- und Emissionsermittlungen insoweit wieder abgewichen, als der Anlagenbetreiber die Kosten dafilr nur zu tragen hat, wenn diese Ermittlungen einen tatsächlich bestehenden Vollzugsbedarf, also eine Diskrepanz zwischen Ist- und SollZustand, offengelegt haben (§ 52 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz BlmSchG). Die Frage eines Sachverständigeneinsatzes auf Kosten des Anlagenbetreibers zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung stellt sich hier - anders als im Genehmigungsverfahren - regelmäßig nicht. Unter dem Privatisierungsgesichtspunkt ist die Beauftragung Privater mit diesen Ermittlungstätigkeiten in der Überwachung wiederum als funktionale Privatisierung zu kennzeichnen. Es handelt sich um eine privat durchgeftlhrte
21 Jarass, BlmSchG, § 52 Rn. 21; Landmann!Rohmer-Hansmann, Rn. 79 zu § 52 BlmSchG. 22 Vgl. den einschränkenden Wortlaut in§ 52 Abs. 6 Satz 1 BlmSchG. 23 § 52 Abs. 2 Sätze 1 (a.E.) u. 4 BlmSchG; genauer hierzu Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 66.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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Fremdüberwachung24 • Die Behörde setzt gezielt nichtstaatliche Kräfte zur DurchfUhrung einzelner Vollzugsaufgaben ein. Dem steht auch nicht entgegen, daß es sich bei diesen Beauftragten infolge der Übertragung hoheitlicher Befugnisse nicht mehr um bloße Verwaltungshelfer sondern um Beliehene handelt. Vielmehr kann diese Konstellation als Beleg dafUr dienen, daß die oben vorgenommene Einordnung der Beleihung als funktionaler Privatisierung jedenfalls immer dann ihre Berechtigung hat, wenn hoheitliche Aufgaben im Vorfeld der eigentlichen Sachentscheidung übertragen werden25 • II. Betreibereigene Überwachung
1. Begriffe: Belreibereigene Überwachung und Eigenüberwachung
Neben der Überwachung durch behördlich bestellte Beauftragte gibt es weiterhin ein ausdifferenziertes System verschiedener Vorschriften, wonach eine Ermittlung der erforderlichen Sachverhaltsinformationen auch durch den Anlagenbetreiber selbst oder durch von ihm bestellte Dritte erfolgen kann. Diese Erscheinungsformen werden in Abgrenzung zu der Überwachung durch eigene oder herangezogene Kräfte der Überwachungsbehörde teils als betreibereigene Überwachung, teils als Eigenüberwachung bezeichnet26• Der Gesetzgeber selbst verwendet hierftlr in der Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 1 BlmSchG den Ausdruck "betreibereigene Überwachung" als Oberbegriff, und in diesem Sinne soll er auch hier verwendet werden. Setreibereigene Überwachung umfaßt danach also die Überwachung durch eigene Mittel und Kräfte des Setreibers wie auch durch Dritte, die vom Setreiber dazu herangezogen werden. Unter Eigenüberwachung (im engeren Sinne) sollen hingegen nur die diesbezüglichen Tätigkeiten des Setreibers selbst und seiner Betriebsangehörigen, unter Ausschluß der externen Privaten, verstanden werden27•
Reinhardt, AöR 118, 617 (625). dazu oben§ 5 C III. 26 Jarass, BlmSchG, § 52 Rn. I; Sander, HdUR Bd. I, Sp. .447 ff.; Kloepfer, DB 1993, 1125 (1126); Lübbe-Woljf, ZUR 1993, 263 (265); differenzierend zum Sprachgebrauch Steiner, DVBI1987, 1133. 27 Neben den genannten Begriffen hat sich außerdem noch der Begriff der "Eigensicherung" etabliert. Er erfaßt die betreibereigenen Abwehrmaßnahmen gegen Gefahren, die der Anlage von außen drohen, insbesondere durch unbefugte Eingriffe von Seiten Dritter. Diese Thematik liegt aber eher am Rande des hiesigen Untersuchungsgegenstandes (vgl. allerdings §§ 3 u. 4 der 12. BlmSchV) und bleibt deshalb weitgehend außer Betracht. Zur Ergänzung vgl. Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S. 47 ff. und Mahlberg, Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen, s. 42. 24
2 s Vgl.
IS Ludwig
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
2. Messungen
Die betreibereigene Überwachung kann vor allem darin bestehen, daß der Setreiber selbst oder ein von ihm beauftragter Dritter Messungen vornimmt, die zur Beurteilung der Gesetzeskonformität der Anlage erforderlich sind. a) Messungen durch betreiberbestellte Dritte Der Setreiber kann zunächst veranlaßt werden, bestimmte Messungen durch Dritte vornehmen zu lassen. Dadurch werden der entsprechende Sachverstand und vor allem auch die technischen Ermittlungsmöglichkeiten dieser Dritten ftlr die Sachverhaltsermittlung in ähnlicher Weise nutzbar gemacht, wie es im Falle der behördlichen Beauftragung im Rahmen des § 52 Abs. 2 BimSchG geschieht. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, daß die Person des Dritten im konkreten Fall nicht von der Behörde bestimmt wird, sondern vom Setreiber selbst - wenngleich in aller Regel nicht im Rahmen einer völlig freien Auswahl - ausgewählt wird.. Dementsprechend wird der Dritte auch nicht im behördlichen Auftrag tätig, hat konsequenterweise auch keinerlei hoheitliche Befugnisse, sondern stützt seine Aktivität allein auf eine (vertragliche) Vereinbarung mit dem Anlagenbetreibel8 • aa) Gesetzliche Grundlagen
Im Bundes-Immissionsschutzrecht ist eine solche Heranziehung externer Meßkapazitäten auf verschiedenen Grundlagen möglich. {l) Messungenaufgrund einer Anordnung der Überwachungsbehörde nach §§ 26, 28 BimSchG Gemäß den§§ 26, 28 BlmSchG kann die Überwachungsbehörde im Einzelfall anordnen, daß der Anlagenbetreiber Emissionen und Immissionen durch eine dritte Stelle ermitteln läßt. Eine Anordnung nach § 26 Satz I BimSchG hat zur Voraussetzung, daß eine Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen durch die Anlage zu beftlrchten ist; insoweit muß also ein konkreter Verdacht vorliegen, daß die Anlage den Erfordernissen des Schutzprinzips nicht gerecht wird. An das Vorliegen der Verdachtsmomente sind allerdings keine allzu ho-
28 Engelhardt, BB 1978, 71 (72); meist wird es sich um einen Werkvertrag handeln, vgl. Jarass, B1mSchG, § 26 Rn. 23; Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 71 zu § 26 BlmSchG.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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hen Anforderungen zu stellen, da die Anordnung von Ermittlungen ja gerade der Klärung dienen soll, ob der Verdacht sich bewahrheitet29• Für Anordnungen nach § 28 Satz 1 BlmSchG bedarf es eines solchen Anfangsverdachts nicht; vielmehr können hiernach Messungen ohne weiteres nach der Inbetriebnahme bzw. einer Änderung der Anlage und dann in dreijährigen Abständen festgesetzt werden. An diesen Voraussetzungen nach § 28 Satz 1 BlmSchG werden die zwei Zielrichtungen der Überwachung besonders deutlich: zum einen soll nach der Aufuahme des neuen oder geänderten Anlagenbetriebs überprüft werden, ob die realen Auswirkungen des Betriebs den Prognosen des Genehmigungsverfahrens (bzw. des Prüfungsverfahrens nach§ 15 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG) entsprechen30, und zum anderen soll die Übereinstimmung mit den Ausgangsdaten periodisch festgestellt werden, um etwa allmählich auftretende Verschleißerscheinungen und sonstige Abweichungen zuverlässig zu registrieren. Durch die Neufassung des § 28 Satz 2 BlmSchG kommen derartige Prüfungsanordnungen der Überwachungsbehörde jetzt auch in den Zwischenzeiträumen in Betracht, wenn die Behörde solche Ermittlungen wegen Art, Menge und Gefahrlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen filr erforderlich erachtet und im Einzelfall eine Delegation dieser Ermittlungen auf den betrieblichen Immissionsschutzbeauftragten nicht möglich ise 1• Gegenstand der Ermittlungen nach den §§ 26, 28 BlmSchG können sowohl Emissionen der Anlage als auch Immissionen in ihrem Einwirkungsbereich sein. In aller Regel werden diese durch Messungen festzUstellen sein; allerdings läßt die Vorschrift auch andere Ermittlungsmethoden (etwa optische oder rechnerische Feststellungen) zu 32 • Die Behörde kann nach§ 26 Satz 2 BlmSchG filr Art und Umfang der Ermittlungen weitere Vorgaben machen33 • (2) Messungenaufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung Im Anwendungsbereich der 13. und der 17. BlmSchV, d. h. bei Großfeuerungsanlagen und bei Abfallverbrennungsanlagen, sind den Betreibern derarti29 VGH Mannheim, GewArch 1980, 393 (394); Feldhaus, BlmSchR, Anm. 6 zu§ 26 BlmSchG; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 473. 30 Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 6 zu § 28 BlmSchG. 31 Näher hierzu Fe/dhaus, BlmSchR, Anm. 6 a zu § 28 BlmSchG. Zur Vomahme solcher Messungen durch den Immissionsschutzbeauftragten im Regelfall des § 28 Satz 2 BlmSchG vgl. unten B II 2 c aa. 32 Vgl. die amtliche Begründung, BI-Drucksache 7/179, S. 40; Feldhaus, BlmSchR, Anm. 12 (Fn. 31) zu § 26 BlmSchG, weist deshalb zu Recht darauf hin, daß die Überschriften der§§ 26, 28 BlmSchG zu eng sind. 33 Zu der strittigen Frage, inwieweit gleichartige Anordnungen auch auf der Grundlage der §§ 17, 24 BlmSchG möglich sind vgl. Fe/dhaus, BlmSchR, Anm. 10 vor§§ 26 ff. BlmSchG; Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. II vor§ 26 BlmSchG.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
ge Messungen teilweise schon durch Verordnungsrecht vorgeschrieben, so daß es insoweit keiner konstitutiven behördlichen Anordnung mehr bedarf. Grundlage dieser verordnungsrechtlichen Verpflichtung ist § 7 Abs. 1 Nr. 3 SlmSchG. So bestimmt § 22 Abs. 1 der 13. SlmSchV, daß der Setreiber einer Großfeuerungsantage nach der Inbetriebnahme bzw. wesentlichen Änderung sowie danach in jeweils dreijährigen Abständen Emissionsmessungen durch dritte Stellen im Sinne des § 26 SlmSchG durchführen lassen muß. Diese Regelung entspricht weitgehend der des § 28 Satz 1 SlmSchG; allerdings handelt es sich hierbei tatsächlich ausschließlich um Messungen, die sich zudem auf diejenigen Emissionen beschränken, flir die in den §§ 3 ff. der 13. SlmSchV Emissionsgrenzwerte festgelegt sind. Für die Durchftlhrung der Messungen gibt § 23 der 13. SlmSchV nähere Vorgaben. In ähnlicher Weise ist der Setreiber einer Abfallverbrennungsanlage verpflichtet, entsprechende Emissionsmessungen für Stoffe durchführen zu lassen, für die Emissionsgrenzwerte nach § 5 Abs. 1 der 17. SlmSchV festgesetzt sind; diese Verpflichtung besteht ebenfalls nach der Errichtung bzw. wesentlichen Änderung und danach in jährlichen Abständen(§ 13 Abs. 2 der 17. SlmSchV). Überdies hat er nach der Inbetriebnahme bzw. wesentlichen Änderung einmalig Messungen hinsichtlich der Verbrennungsbedingungen (Mindesttemperaturen, Verweilzeiten und Mindestvolumengehalte an Sauerstotf4) zu veranlassen (§ 13 Abs. 1 der 17. SlmSchV). Nähere Maßgaben für die Messungen fmden sich in § 13 Abs. 2 Satz 3 u. Abs. 3 der 17. SlmSchV. Soweit diese verordnungsrechtlichen Normen konkrete Messungen bestimmter Emissionen vorschreiben, verdrängen sie als speziellere Regelungen die allgemeinere Vorschrift des§ 28 Satz 1 SlmSchG. Auf dessen Grundlage bleiben aber weiterhin Anordnungen möglich, die andere als die dort genannten Ermittlungen betreffen (also insbesondere Messungen von Immissionen oder von solchen Stoffen, für die die Verordnungen keine Grenzwerte bestimmen)35 . (3) Messungenaufgrund einer Auflage zum Genehmigungsbescheid Schließlich kann die Genehmigungsbehörde dem Setreiber die Verpflichtung, bestimmte Messungen vornehmen zu lassen, auch als Auflage zur Anlagengenehmigung auferlegen. Formelle Grundlage einer solchen Nebenbestimmung ist§ 12 Abs. 1 SlmSchG, bei dessen Anwendung allerdings zu beachten Vgl. § 4 Abs. 2 u. 3 der 17. BlmSchV. Der Umfang der parallelen Anwendbarkeit der§§ 26 ff. BlmSchG und der verordnungsrechtlichen Meßvorschriften ist im einzelnen umstritten, vgl. Jarass, BlmSchG, § 26 Rn. 4; Landmann/Rohmer-Hansmann, § 26 Rn. 6; einschränkend Fe/dhaus, BlmSchR, Anm. 8 vor§§ 26 ff. BlmSchG. 34 35
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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ist, daß die differenzierten gesetzgeberischen Vorstellungen über die Ermittlungspflichten des Betreibers, wie sie in den§§ 26 ff. BimSchG zum Ausdruck kommen, nicht unterlaufen werden sollten36• Möglich sind daher insbesondere Verpflichtungen zu Abnahmemessungen nach der Inbetriebnahme und zu wiederkehrenden Ermittlungen in periodischen Abständen nach dem Vorbild des § 28 BimSchG. In der Praxis sind derartige Nebenbestimmungen vor allem dort anzutreffen, wo durch den Genehmigungsbescheid selbst Emissionsgrenzwerte festgelegt werden; die Meßauflage dient dann der Überwachung, ob die Emissionsbegrenzungsauflage eingehalten wird. In diesem Sinne bestimmt auch Ziffer 3.2.2.1 TA Luft, daß derartige Messungen regelmäßig gefordert werden sollen. Dort fmden sich auch wieder nähere Vorgaben fiir die Durchführung der Messungen (Ziffern 3.2.2.2 und 3.2.2.3 TA Luft)37. bb) Umfang der Ermittlungen
Wie bereits erwähnt, können Ermittlungsanordnungen nach den §§ 26, 28 BimSchG sich sowohl auf die Messung von Immissionen und Emissionen als auch auf andere Ermittlungen beziehen. Die übrigen Verpflichtungsgrundlagen beschränken sich dagegen weitestgehend auf bestimmte Emissionsmessungen. In allen Fällen kann die Behörde genauere Vorgaben filr die Durchführung der Ermittlungen machen. cc) Durchführung durch bekanntgegebene Stellen im Sinne des § 26 BlmSchG
Allen dargestellten Ermittlungspflichten ist gemeinsam, daß der Setreiber die geforderten Messungen von einer Stelle vornehmen lassen muß, die von der jeweiligen zuständigen Landesbehörde als solche bekanntgegeben worden ise8 • Diese Meßstellen können private oder staatliche Einrichtungen sein, wobei sie unter dem Aspekt der Privatisierung nur im ersteren Falle interessant sind. Im nichtstaatlichen Bereich kommen sowohl Einzelpersonen als auch Vereinigungen als geeignete Stellen in Betracht. Ebenso wie bei den behördlichen Beauftragten wird es sich aber regelmäßig um Sachverständige handeln müssen, da die Durchführung der geforderten Sachverhaltsermittlungen spezifische Kenntnisse im Bereich der Meßtechnik und auch eine angemessene technische Ausstattung erfordert. In gleicher Weise müssen die in Frage kommenden Stellen 36 Vgl. Jarass, BimSchG, § 26 Rn. 5 f.; Feldhaus, BlmSchR, Anm. 9 vor §§ 26 ff. BlmSchG. 37 In der TA Lärm sind hingegen keine derartigen Anforderungen vorgesehen. 38 AusfUhrlieh dazu Engelhardt, BB 1978, 71 ff. Aufgrund der neuesten Änderung des § 26 BlmSchG muß die Bekanntgabe nicht mehr notwendigerweise durch eine oberste Landesbehörde erfolgen.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
auch die nötige Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit aufweisen, da ihre Feststellungen praktisch die Grundlage der behördlichen Befolgungskontrolle und damit eventueller weiterer Vollzugsentscheidungen sind39. In der Praxis dienen hier entsprechende Richtlinien des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) als Orientierung40 • Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nur relativ wenige Stellen in dieser Weise zugelassen werden, um eine zu starke Zersplitterung des Überwachungswesens mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz zu vermeiden41 • dd) Weitergabe der Meßergebnisse an die Überwachungsbehörde
Um schließlich eine effektive behördliche Überwachung zu gewährleisten, müssen die ermittelten Sachverhaltsinformationen der Behörde zur Kenntnis gebracht werden. Die von den bekanntgegebenen Stellen im Auftrag des Betreibers gemachten Feststellungen dienen ja nur als Tatsachenbasis für die behördliche Befolgungskontrolle; der Behörde selbst bleibt es danach überlassen, die Meßergebnisse mit den gesetzlichen Anforderungen zu vergleichen und gegebenenfalls korrigierende Vollzugsmaßnahmen zu treffen. Um nun Weitergabe der privat ermittelten Informationen an die Behörde zu erreichen, ordnen § 24 Abs. l der 13. BimSchV und§ 14 Abs. l der 17. BimSchV die Anfertigung von Meßberichten und deren unverzügliche Vorlage an die Behörde an. Beruht die Vomahme der Messungen auf einer Einzelfallanordnung der Behörde oder auf einer Auflage zum Genehmigungsbescheid, so kann die Behörde darin auch direkt die Vorlage der Ergebnisse anordnen42• Im übrigen statuiert § 31 BimSchG die Verpflichtung des Betreibers, die Ermittlungsergebnisse fünf Jahre lang aufzubewahren und der Behörde aufVerlangen mitzuteilen43 •
39 Vgl. BVerwG, DVBI 1983, 943 (944), auch zu den diesbezüglichen Intentionen des Gesetzgebers, die gerade aus diesen Erwägungen eine echte Eigenüberwachung ausschlossen. 40 Abgedruckt bei Landmann/Rohmer-Hansmann, Rn. 51 zu § 26 BlmSchG; vgl. zu den Qualifikationserfordernissen im übrigen Feldhaus, BlmSchR, Anm. 19 ff. zu § 26 BlmSchG; Jarass, BlmSchG, § 26 Rn. 28 f. Von der Verordnungsermächtigung des§ 26 Abs. 2 BlmSchG a. F. zur genaueren Bestimmung der persönlichen und technischen Anforderungen ist nie Gebrauch gemacht worden; die Vorschrift wurde mittlerweile aufgehoben. 41 Amtliche Begründung, BT-Drucksache 7/179, S. 40. 42 Vgl. § 26 Satz 2 BlmSchG und Ziffer 3.2.2.4 TA Luft. 43 Damit ist § 31 BlmSchG die Grundlage für ein nachträgliches Einsichtsbegehren der Behörde, während die Fälle, in denen die Vorlage der Meßergebnisse bereits mit der Meßanordnung selbst verlangt wird, schon von § 26 Satz 2 BlmSchG abgedeckt werden; so Jarass, BlmSchG, § 31 Rn. 2; anders wohl Feldhaus, BlmSchR, Anm. 15 zu § 26 BlmSchG, der unter § 26 Satz 2 BlmSchG vor allem den Fall faßt, daß die Behörde auf eine Vorlage der Ergebnisse direkt durch die bekanntgegebene Stelle dringt.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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b) Kontinuierliche Messungen durch Meßgeräte Eine andere Möglichkeit, Emissionen und Immissionen der Anlage festzustellen, liegt darin, die erforderlichen Messungen durch den kontinuierlichen Einsatz selbsttätig aufzeichnender Meßgeräte vornehmen zu lassen. Dies meint nicht notwendigerweise eine ununterbrochene Dokumentation der entsprechenden Verhältnisse, wohl aber eine über längere Zeiträume hinweg, mit allenfalls kurzen Zeitabständen zwischen den einzelnen Messungen44 • Solche kontinuierlichen Messungen sind üblicherweise wesentlich aussagekräftiger als sporadische Einzelmessungen und treten mit den wachsenden Möglichkeiten der automatischen Meßtechnik zunehmend in den Vordergrund45• Dabei kommt dann in aller Regel dem Anlagenbetreiber selbst die Aufgabe zu, entsprechende Meßgeräte zu installieren und kontinuierlich laufen zu lassen46 • Insoweit liegt diese Konstellation schon näher an einer Eigenüberwachung im engeren Sinne. Allerdings wird die Sicherung der Objektivität und der ordnungsgemäßen Funktionsweise der automatischen Meßeinrichtungen regelmäßig dadurch garantiert, daß diese in regelmäßigen Abständen von externen Dritten gewartet und eingestellt (kalibriert) werden, so daß hier noch keine ausschließliche Eigenverantwortlichkeit des Setreibers filr den Überwachungsvorgang besteht. aa) Gesetzliche Grundlagen
Bei den gesetzlichen Grundlagen filr solche automatischen Messungen findet sich in etwa die gleiche Dreiteilung wieder, wie sie eben filr den Einsatz betreiberbestellter externer Prüfer dargestellt wurde. (I) Kontinuierliche Messungenaufgrund einer Anordnung der Überwachungsbehörde nach § 29 Abs. I BlmSchG Die Behörde kann die kontinuierliche Messung bestimmter Emissionen oder Immissionen unter Verwendung aufzeichnender Meßgeräte durch Einzel44 Vgl. die amtliche Begründung BT-Drucksache 7/179, S. 41; Jarass, BlmSchG, § 29 Rn. 5.; a. A. offenbar Feldhaus, BlmSchR, Anm. 3 zu § 29 BlmSchG; Landmann! Rohmer-Hansmann, Rn. 6 zu § 29 BlmSchG. Nach dem Zweck der Vorschrift ist es nicht recht einzusehen, warum nicht etwa auch eine automatische Stichprobenmessung in stündlichen Abständen auf § 29 Abs. 1 BlmSchG gestützt werden könnte. In der Praxis sind aber wohl fast ausschließlich ununterbrochene Aufzeichnungen üblich. 45 Feldhaus, BlmSchR, Anm. 2 zu§ 29 BlmSchG. 46 Eine Einschaltung Dritter, etwa der nach § 26 BlmSchG bekanntgegebenen Meßstellen, in den eigentlichen Meßvorgang wird nur ausnahmsweise aufgrund einer besonderen Anordnung in Betracht kommen; vgl. Jarass, BlmSchG, § 29 Rn. 8; Landmann!Rohmer-Hansmann, Rn. 16 zu§ 29 BlmSchG.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
fallanordnung nach § 29 Abs. I BlmSchG anordnen. Bei genehmigungsbedürftigen Anlagen ist eine solche Anordnung nicht an weitere Voraussetzungen gebunden47 ; sie soll allerdings im Regelfall erfolgen, wenn die Anlage erhebliche Mengen an Emissionen ausstößt (§ 29 Abs. I Satz 2 BlmSchG). Nach allgemeinen Grundsätzen kann die Behörde auch hier Art und Umfang der Messungen genauer bestimmen, obschon eine dem § 26 Satz 2 BlmSchG entsprechende Regelung fehlt; das gleiche gilt bezüglich der Wartung und Kalibrierung der Meßgeräte48 • Einen Spezialfall der behördlichen Einzelfallanordnung betrifft § 11 Abs. 5 der 17. BlmSchV: danach kann der Setreiber einer Abfallverbrennungsanlage über die nach § 11 Abs. I der I7. BlmSchV ohnehin vorgeschriebenen Messungen hinaus auch dazu angehalten werden, die Emissionen an Schwermetallen, Dioxinen und Furanen (vgl. § 5 Abs. I Nr. 3 u. 4 der 17. BlmSchV) kontinuierlich zu messen. (2) Kontinuierliche Messungen aufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung Auf verordnungsrechtlicher Ebene ordnen § 25 der 13. BlmSchV und § 11 Abs. I der 17. BlmSchV die kontinuierliche Messung bestimmter Emissionen normativ an. Grundlage hierfilr ist wiederum § 7 Abs. I Nr. 3 BlmSchG. Für die Art und Weise der Aufzeichnungen und ihrer Auswertung treffen § 26 Abs. I - 3 der 13. BlmSchV und§§ 10 Abs. I, 12 Abs. I der 17. BlmSchV nähere Bestimmungen. (3) Kontinuierliche Messungen aufgrundeiner Auflage zum Genehmigungsbescheid Schließlich ist es auch wieder möglich, kontinuierliche Messungen bereits als Auflage zum Genehmigungsbescheid anzuordnen. Insoweit stellt sich auch das Problem des Verhältnisses zwischen § 12 Abs. 1 und den §§ 26 ff. BlmSchG nicht in gleicher Schärfe wie bei der Anordnung von Einzelmessungen, da die Anordnungen nach § 29 Abs. 1 BlmSchG nicht an besondere Voraussetzungen gebunden sind und deswegen nicht durch Auflagen untergraben werden können. Für die Praxis konkretisieren die Ziffern 3.2.3.I, 3.2.3.2 u. 3.2.3.3 TA Luft die Umstände, unter denen die Genehmigungsbehörde eine solche kontinuierliche Emissionsermittlung verlangen soll; außerdem werden in Ziffer 3.2.3.6 TA Luft Vorgaben fiir die Auswertung gemacht.
47 Anders im Falle des § 29 Abs. 2 BlmSchG bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, dazu unten § 9 B IV I b aa. 48 Jarass, BlmSchG, § 29 Rn. 5; Feldhaus, BlmSchR, Anm. 7 zu § 29 BlmSchG.
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bb) Umfang der Ermittlungen
Gegenstand der kontinuierlichen Meßverpflichtungen nach der 13. und 17. BlmSchV sowie nach Maßgabe der TA Luft können nur Emissionen sein; im Rahmen der Anordnungen nach § 29 Abs. I BlmSchG können hingegen sowohl Emissionen als auch Immissionen zu ermitteln sein. Die Behörde kann in allen Fällen den Umfang der Messungen genauer bestimmen. cc) Qualitätssicherung der Meßergebnisse durch Einbaukontrollen, Kalibrierung und Funktionsprüfung
Es obliegt nach Maßgabe der behördlichen Anordnungen dem Anlagenbetreiber, die Meßgeräte ordnungsgemäß zu installieren und in Betrieb zu halten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Meßapparaturen ebenso komplizierte wie störungsanflillige Geräte sein können, die einer regelmäßigen Wartung und Justierung bedürfen, um einwandfreie und objektive Meßergebnisse zu liefern. Diese Tätigkeiten sind von den Anlagenbetreibern technisch häufig nicht zu leisten und werfen im übrigen die Frage nach der Zuverlässigkeit einer ausschließlichen Eigenüberwachung auf. Aus Gründen der Qualitätssicherung der Meßergebnisse hat sich daher der Verordnungsgeber filr einen Mittelweg zwischen reiner Eigenüberwachung und betreibereigener Überwachung unter Heranziehung externer Dritter entschieden. Demgemäß hat der Anlagenbetreiber den ordnungsgemäßen Einbau der Meßeinrichtungen von einer staatlich bekanntgegebenen Stelle überprüfen zu lassen(§ 27 Abs. 5 der 13. BlmSchV und § I 0 Abs. 2 der 17. BlmSchV) und muß sie danach in regelmäßigen Abständen von einer ebensolchen Stelle kalibrieren und auf ihre Funktionsflihigkeit hin untersuchen lassen(§ 28 der 13. BlmSchV und § 10 Abs. 3 der 17. BlmSchV). Bescheinigungen über diese Prüfungen sind der Behörde vorzulegen. Entsprechende Regelungen gelten ftlr die kontinuierlichen Messungen nach Ziffer 3.2.3 TA Luft (vgl. Ziffern 3.2.3.5 u. 3.2.3.7 TA Luft). In Einzelfallanordnungen nach § 29 Abs. I BlmSchG können ebenfalls derartige Prüfungen durch Dritte vorgeschrieben werden. Für die Rechtsbeziehungen zwischen den bekanntgegebenen Stellen und dem Anlagenbetreiber gilt das gleiche wie ftlr dessen Verhältnis zu den bekanntgegebenen Stellen im Sinne des § 26 BlmSchG. Der Setreiber kann aus dem Fundus der zugelassenen Stellen eine auswählen und schließt mit dieser dann eine Vereinbarung über die Abnahme der erforderlichen Prüfungen. Hoheitliche Aufgaben übernimmt die bekanntgegebene Stelle dabei nicht. Der Staat greift dabei jedoch ein weiteres Mal auf den Sachverstand und die technischen Fähigkeiten privater Dritter zurück, um die Objektivität der automatisierten Sachverhaltsermittlung zu gewährleisten. Unter diesem Aspekt sind an die Fachkunde und die Zuverlässigkeit der bekanntgegebenen Stellen die gleichen
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
Anforderungen zu stellen wie an diejenigen, die selbst zur Vomahme von Einzelmessungen berufen sind. dd) Weitergabe der Meßergebnisse an die Überwachungsbehörde
Über die Auswertungen der kontinuierlichen Messungen hat der Setreiber nach§ 27 Abs. I der 13. BimSchV, § 12 Abs. 2 der 17. BimSchV und nach Maßgabe von Ziffer 3.2.3.6 Abs. 4 TA Luft regelmäßige Meßberichte anzufertigen und der Behörde jährlich vorzulegen. Im übrigen hat die Behörde die Möglichkeit, eine solche Vorlage mit einer Anordnung nach § 29 Abs. 1 BimSchG zu verbinden oder die Vorlage der Meßergebnisse später nach § 31 BlmSchG zu verlangen. c) Eigenüberwachung im engeren Sinne Schließlich kommt als dritte Erscheinungsform der betreibereiger en Überwachung die Durchführung von Messungen und ähnlichen Ermittlungen durch den Anlagenbetreiber selbst und sein Personal, also die eigentliche Eigenüberwachung im engeren Sinne, in Betracht. Diese Form der Befolgungskontrolle ist im Bereich des Immissionsschutzrechts - anders als etwa im Wasserrecht oder im technischen Sicherheitsrecht49 - eher selten. Im Bereich der hiesigen Sachverhaltsermittlungen gibt es drei normative Anknüpfungspunkte. aa) Messungen durch den Immissionsschutzbeauftragten nach§ 28 Satz 2 BlmSchG
Zum einen kann der Setreiber im Rahmen des § 28 Satz 2 BimSchG verlangen, daß Immissions- und Emissionsermittlungen nach dieser Vorschrift, die in kürzeren Abständen als den nach § 28 Satz I Nr. 2 BlmSchG vorgesehenen drei Jahren angeordnet werden, von dem betrieblichen Immissionsschutzbeauftragten durchgefilhrt werden, wenn dieser über die dafilr erforderliche Fachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung verfilgt50• Diese Voraussetzungen werden allerdings häufig gegeben sein, da zum lmmissionsschutzbeauftragten überhaupt nur bestellt werden darf, wer die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Fachkunde und Zuverlässigkeit aufweist (vgl. § 55 Abs. 2 Satz I BimSchG51 ), und da der Setreiber ihm nach § 55 Abs. 4 Vgl. dazu Steiner, DVBI 1987, 1133 (1135 ff.). so Zur Stellung und Funktion des Immissionsschutzbeauftragten siehe unten § 11 B. s• Das gilt gerade auch im Hinblick auf die Kontrollpflichten des Immissionsschutzbeauftragten nach§ 54 Abs. 1 Nr. 3 BimSchG. Vgl. llir die Anforderungen an die Qua49
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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BlmSchG die erforderlichen Geräte und Mittel zur Verfilgung zu stellen hat52• Bei dem Immissionsschutzbeauftragten handelt es sich in aller Regel um einen betriebsangehörige Person53 . Nimmt diese dann nach § 28 Satz 2 BlmSchG die angeordneten Prüfungen vor, so erfolgt die Sachverhaltsermittlung durch einen Beschäftigten des zu überwachenden Betriebes; externe Dritte sind in diesem Fall weder auf Veranlassung der Behörde noch auf die des Setreibers hin beteiligt. Das ist eine Situation der echten Eigenüberwachung.
bb) Periodische Messungen durch den Betreibernach § 15 der 17. B1mSch V Der zweite Fall einer meßtechnischen Eigenüberwachung ist in § 15 der 17. BlmSchV geregelt. Danach hat der Setreiber einer Abfallverbrennungsanlage aus Vorsorgegründen die Emission bestimmter Schwermetalle einmal wöchentlich zu ermitteln und zu dokumentieren, wenn ihr Aufkommen eine bestimmte Grenze überschreitet. Bei solchen Ermittlungen in einwöchigem Abstand handelt es sich bereits nicht mehr um kontinuierliche Messungen. Diese periodischen Erhebungen hat der Anlagenbetreiber selbst vorzunehmen; eine Beteiligung externer Dritter kommt nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht in Betracht. Auch die amtliche Begründung spricht hier ausdrücklich von der Zulassung einer Eigenüberwachung54. Die Auswahl der erforderlichen Meßgeräte und des Meßpersonals ist daher auch Sache des Betreibers, sofern ihm die Behörde nicht im Einzelfall nähere Vorgaben macht. Freilich bleibt es mangels solcher Vorgaben dem Setreiber ebenfalls unbenommen, die erforderlichen Messungen durch externe Prüfer durchführen zu lassen; allein wird diese Möglichkeit schon aus Kostengründen kaum in Anspruch genommen werden. Üblicherweise wird der Setreiber stattdessen geeignete Meßgeräte installieren lassen, die vom Betriebspersonal bedient werden können. Die Wartung und Kalibrierung dieser Apparaturen kann dann allerdings - im Gegensatz zu den meisten Fällen der kontinuierlichen Messungen - auch durch Betriebsangehörige erfolgen, vorausgesetzt die Behörde hat keine anderweitigen Bestimmungen getroffen.
Iiftkationen des Immissionsschutzbeauftragten im übrigen §§ 7 ff. und Anhang II der 5. BlmSchV. 52 Feldhaus, BlmSchR, Anm. 6 a zu § 28 BlmSchG. 53 Vgl. § I Abs. I der 5. BlmSchV. Nur ausnahmsweise sollen nach§ 5 Abs. I der 5. BlmSchV auch nicht betriebsangehörige Immissionsschutzbeauftragte benannt werden können. In diesem Fall wäre dann wieder die Situation gegeben, daß die Überwachung durch einen vom Betreiber herangezogenen Dritten erfolgt, wie es der Grundregelung des § 28 Satz I BlmSchG entspricht. 54 Begründung der Bundesregierung, ER-Drucksache 303/90, S. 55.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
cc) Periodische Messungen durch den Belreiber nach Ziffer 3.2.4 TA Luft
Schließlich enthält auch Ziffer 3.2.4 TA Luft Maßgaben, nach denen die Behörde periodische Messungen bestimmter Emissionen vorschreiben soll. Es handelt sich dabei um die Emissionen von krebserzeugenden Stoffen (Ziffer 2.3 TA Luft), Schwermetallen (Ziffer 3.1.4 TA Luft) und bestimmten organischen Substanzen (Ziffer 3.1.7 TA Luft). Die Durchführung dieser periodischen Ermittlungen ist dann auch hier Sache des Anlagenbetreibers. 3. Sicherheitstechnische Prüfungen
Der zweite Bereich, in dem die betreibereigene Überwachung eine Rolle spielt, ist der der sicherheitstechnischen Prüfungen. Dabei geht es um die Überwachung der technischen und organisatorischen Vorkehrungen gegen Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage, sicherheitstechnische Prüfungen dienen daher der Bekämpfung von Störfallrisiken. Auch auf diesem Gebiet findet sich - abgesehen von den Fällen der Überwachung durch eigene oder beauftragte Kräfte der Überwachungsbehörde - die Zweiteilung zwischen der Überwachung durch eigene Kräfte des Betreibcrs und der Überwachung durch von ihm bestellte Dritte wieder. a) Sicherheitstechnische Prüfungen durch betreiberbestellte Dritte aa) Sicherheitstechnische Prüfungen aufgrundeiner Anordnung der Überwachungsbehörde nach§ 29 a Abs. 1 B/mSchG
Für die Vornahme sicherheitstechnischer Prüfungen durch externe Dritte enthält § 29 a Abs. 1 Satz 1 BimSchG eine entsprechende Anordnungsbefugnis der Behörde. Diese kann danach durch Einzelfallanordnung bestimmen, daß der Setreiber bestimmte sicherheitstechnische Prüfungen durch externe Sachverständige vornehmen läßt. Prüfungsgegenstand können sowohl die Anlage selbst und ihre technischen Sicherheitsvorkehrungen als auch eventuell vorhandene sicherheitstechnische Unterlagen sein. Im Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung wird damit vor allem eine Kontrolle ermöglicht, ob der Setreiber die besonderen Sicherheitspflichten nach den §§ 3 ff. der 12. BimSchV erfüllt und ob eine gegebenenfalls zu erstellende Sicherheitsanalyse nach § 7 der 12. BimSchV nach Inhalt und Konzept den Anforderungen entspricht. Allerdings sind Anordnungen nach § 29 a Abs. 1 BimSchG nicht nur auf Anlagen beschränkt, die der Störfall-Verordnung unterfallen, sondern können auch sonstige Anlagen betreffen, sofern sie ein relevantes sicherheitstechnisches Risikopotential darstellen. Bezüglich dieser anderen Anlagen können jedoch die genannten Maßgaben der 12. BimSchV einen Anhaltspunkt dafür
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bieten, auf was ftlr Punkte sich die sicherheitstechnischen Prüfungen erstrecken können. Die Behörde kann Art und Umfang der Prüfungen näher bestimmen (§ 29 a Abs. I Satz 3 BimSchG). Die möglichen Prüfungszeitpunkte werden in § 29 a Abs. 2 BlmSchG aufgefiihrt. Sicherheitstechnische Prüfungen können danach immer dann angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte fiir eine Abweichung von sicherheitstechnischen Anforderungen bestehen (§ 29 a Abs. 2 Nr. 5 BimSchG), sowie auch ohne entsprechende Verdachtsmomente zu bestimmten Zeitpunkten, nämlich vor und nach der Inbetriebnahme, in regelmäßigen Abständen während des Betriebszeitraums und im Falle einer Betriebseinstellung (§ 29 a Abs. 2 Nr. I - 4 BimSchG). Diese Unterscheidung nach verdachtsveranlaßten und verdachtsunabhängigen Prüfungen nimmt die Systematik der §§ 26, 28 BimSchG auf, die Anordnungsbefugnis des § 29 a BimSchG geht jedoch vor allem insoweit weiter, als die periodischen Prüfungen nicht grundsätzlich an bestimmte Zeitintervalle gebunden sind55 • Mit der Durchftlhrung der Prüfungen sollen Sachverständige betraut werden, die von der zuständigen Landesbehörde hierftlr bekanntgegeben worden sind. Wie im Falle der Ermittlungen nach den§§ 26, 28 BimSchG hat dabei der Betreiber unter den Bekanntgegebenen die Auswahl, und wie im Falle der §§ 26, 28 BimSchG dient diese Beschränkung auf einen bestimmten Kreis möglicher Prüfer der Sicherung von Qualität und Objektivität der Prüfungen. Die Bekanntgabe durch die Landesbehörde hat daher die gleichen Zulassungskriterien zu berücksichtigen. Allerdings spricht § 29 a Abs. I Satz I BimSchG im Unterschied zu § 26 Satz I BlmSchG nicht von bekanntgegebenen Stellen, sondern ausdrücklich von bekanntgegebenen Sachverständigen. Damit dürfte eine Benennung staatlicher Institutionen hier nicht in Frage kommen. Hingegen wird es wiederum möglich sein, den konkreten Sachverständigen als Teil einer Prüforganisation (z. B. des TÜV) bekanntzugeben56• In der Praxis geben auch hier die Richtlinien des LAI den zuständigen Landesbehörden Orientierungshilfen ftlr die Entscheidung, ob ein Sachverständiger ausreichend qualifiziert ist57• Abgesehen von den nach § 29 a Abs. I Satz I BimSchG bekanntgegebenen Sachverständigen kann die Behörde auch gestatten, daß der Betreiber die geforderten Prüfungen von anderen sachkundigen Personen durchftlhren läßt, deren Bestellung als Sachverständige in anderen gesetzlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts gründet (namentlich im Gerätesicherheitsge55 Im Gegensatz zu den regulären Dreijahresprüfungen des § 28 Satz I Nr. 2 BimSchG. 56 Vgl. zu dem ähnlichen Problem bei den behördlich bestellten Sachverständigen oben § 7 C IV 3. 51 Die Verordnungsermächtigung des § 29 a Abs. 2 BimSchG a.F. wurde- ebenso wie die des§ 26 Abs. 2 BimSchG a. F.- nie in Anspruch genommen und ist mittlerweile aufgehoben worden.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
setz und in der Gewerbeordnung). Das ergibt sich aus § 29 a Abs. I Satz 2 BlmSchG. Soweit es sich bei diesen Personen ebenfalls um betriebsexterne Dritte handelt (so vor allem bei den amtlich anerkannten Sachverständigen nach § I4 Abs. I GSG58 sowie bei den öffentlich bestellten Sachverständigen nach § 36 Abs. I GewO), ergeben sich hinsichtlich ihrer Stellung und Funktion keine Besonderheiten59• Regelmäßig umfassen die sicherheitstechnischen Prüfungen nicht nur eine Bestandsaufnahme der sicherheitstechnisch relevanten Umstände der Anlage, sondern schließen auch den Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem gesetzlich geforderten technischen Sicherheitsniveau ein. Der Prüfbericht endet also regelmäßig mit einer Aussage, ob sicherheitstechnische Mängel festgestellt wurden oder nicht. Damit erstreckt sich die Prüfung nach § 29 a BlmSchG nicht nur auf die Ermittlung von Sachverhaltsinformationen sondern auch auf die Subsumtion unter die gesetzlichen Soll-Anforderungen. Jedoch hat der prüfende Sachverständige im Falle einer Abweichung keine Anordnungsbefugnisse, um den Mangel beheben zu lassen. Die Befugnis zu entsprechenden Anordnungen liegt auch hier ausschließlich bei der Behörde, und daher ergibt sich wieder die gleiche Situation wie im Falle der§§ 26, 28 BlmSchG, daß die Behörde von den privat ermittelten Fakten in Kenntnis gesetzt werden muß, um gegebenenfalls notwendige Vollzugsentscheidungen treffen zu können. Aus diesem Grund schreibt § 29 a Abs. 3 BlmSchG vor, daß der Setreiber die Prüfungsergebnisse der Behörde binnen Monatsfrist, bei gegenwärtiger Gefahr unverzüglich, vorzulegen hat. Einzelheiten der Vorlage kann die Behörde wiederum in der Anordnung festlegen (§ 29 a Abs. I Satz 3 BlmSchG). bb) Sicherheitstechnische Prüfungenaufgrund einer Auflage zum Genehmigungsbescheid
Ebenso wie im Falle des § 28 BlmSchG ist es auch hier möglich, daß die Behörde sicherheitstechnische Prüfungen im Sinne des § 29 a BlmSchG bereits als Auflage zum Genehmigungsbescheid festschreibt. Grundlage. Grundlage daftlr ist wieder§ 12 Abs. 1 BlmSchG. Das Problem, daß die Voraussetzungen des § 29 a BlmSchG dadurch unterlaufen werden könnten, stellt sich in diesem Bereich kaum, da insbesondere periodische Prüfungen nach § 29 a Abs. 2 Nr. 3 BlmSchG ohne eine feste Frist angeordnet werden können.
Näher dazu Landmann/Rohmer-Meyer, GewO Bd. II, Rn. 22 ff. zu§ 14 GSG. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, daß es sich bei den in § 29 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG genannten Personen um Betriebsangehörige des Anlagenbelreibers handelt; dazu gleich unten B II 3 b aa. 58
59
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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b) Sicherheitstechnische Eigenüberwachung Einen breiteren Raum als bei den anderen Ermittlungen nimmt schließlich im Bereich der sicherheitstechnischen Prüfungen die Eigenüberwachung durch unternehmensinterne Personen ein. Dies erklärt sich vor allem daraus, daß das Immissionsschutzrecht gerade an dieser Stelle eng mit dem allgemeinen technischen Sicherheitsrecht verwoben ist, wo Formen der Eigenüberwachung schon seit längerer Zeit existieren60 • Bezüglich der Institutionalisierung von Eigenüberwachungsmaßnahmen sind wiederum die drei Formen der behördlichen Einzelfallanordnung, der nonnativen Verpflichtung und der Auflage zur Anlagengenehmigung zu unterscheiden.
aa) Eigenüberwachung aufgrundeiner behördlichen Gestattung nach § 29 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG Im Rahmen des § 29 a Abs. I Satz 2 BlmSchG kann die Behörde gestatten, daß die sicherheitstechnischen Prüfungen nach dieser Vorschrift von Personen durchgefiihrt werden, die dem Unternehmen zugehören, welches die zu überwachende Anlage betreibt. Dies betriffi zwei Fallgruppen61 : (I) Eigenüberwachung durch den Störfallbeauftragten Zum einen handelt es sich um den Störfallbeauftragten nach § 58 a BlmSchG. Dieser ist, ebenso wie der Immissionsschutzbeauftragte, regelmäßig ein Betriebsangehöriger62 • Führt er die sicherheitstechnischen Prüfungen durch, so kommt es nicht zu einer Beteiligung externer Dritter hieran, so daß ein Fall der betrieblichen Eigenüberwachung gegeben ist. Diese Situation ist der des § 28 Satz 2 BlmSchG vergleichbar63 • Steiner, DVBI 1987, 1133 (1135 f.). Jarass, BlmSchG, § 29 a Rn. 8 meint zwar, daß in allen Fällen des § 29 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG ein weisungsunabhängiger Betriebsangehöriger Sachverständiger sein könnte. Das wird aber bezüglich der Fälle des § 14 Abs. 1 GSG und des § 36 Abs. 1 GewO kaum in Betracht kommen, da - selbst bei Annahme einer formellen Weisungsunabhängigkeit - die Neutralität eines solchen Sachverständigen sehr kritisch zu beurteilen wäre. Vielmehr legt der Umstand, daß die Möglichkeit einer Eigenüberwachung eben gerade durch den ausdrücklichen "soweit"-Vorbehalt des § 14 Abs. I Satz 1 GSG offengehalten wird, den Schluß nahe, daß im übrigen nur betriebsexterne Personen als Prüfsachverständige anerkannt werden sollen. 62 Vgl. § 1 Abs. 2 der 5. BlmSchV sowie die Ausnahmevorschrift des§ 5 Abs. 2 der 5. BlmSchV. Allgemein zur Stellung und Funktion des Störfallbeauftragten unten § 11 60
61
B.
63
Dazu oben B 112 c aa.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
(2) Eigenüberwachung durch sachverständige Betriebsangehörige nach Maßgabe des technischen Sicherheitsrechts Außerdem erlaubt es § 29 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, mit der DurchfUhrung der Prüfungen auch einen Sachverständigen zu betrauen, der in einer Rechtsverordnung für überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 2 a GSG genannt ist. Bei den damit angesprochenen Rechtsverordnungen handelt es sich um solche nach § 11 Abs. 1 GSG, namentlich nach dessen Ziffern 2 a und 4, wonach durch Rechtsverordnung bestimmte Prüfungen vorgeschrieben werden können. Diese Prüfungen werden gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GSG von amtlichen bzw. amtlich anerkannten Sachverständigen durchgefilhrt, soweit in der betreffenden Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Diese "soweit"-Klausel ist die Grundlage fUr eine Eigenüberwachung: durch sie wird klargestellt, daß der Verordnungsgeber anstelle der normalen Überwachung durch externe Dritte (eben die amtlichen oder amtlich anerkannten Sachverständigen) auch eine andere Form, nämlich die Überwachung durch eigene, interne Kräfte des Unternehmens zulassen kann64• Von dieser Möglichkeit ist in verschiedenen Rechtsverordnungen nach § 11 Abs. 1 GSG Gebrauch gemacht worden65, und auf deren Grundlage wurden dann bei einigen Unternehmen betriebseigene Überwachungsstellen eingerichtet und zur Vomahme der entsprechenden Prüfungen zugelassen66• Mit der Bezugnahme in§ 29 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG ist nun klargestellt, daß solche betriebseigenen Überwachungskräfte aus dem Bereich der technischen Anlagensicherheit auch fUr die sicherheitstechnischen Prüfungen des Immissionsschutzrechts herangezogen werden können. An dieser Stelle wird die Verknüpfung beider Rechtsmaterien besonders augenfllllig. Soweit dann die Prüfungen nach § 29 a BlmSchG durch diese untemehmensintemen Sachverständigen vorgenommen werden, ist ebenfalls die Situation einer echten Eigenüberwachung gegeben. Allerdings sind weder der Störfallbeauftragte noch die betriebsinternen Sachverständigen des technischen Sicherheitsrechts automatisch zur Vomahme der sicherheitstechnischen Prüfungen nach § 29 a BlmSchG zugelassen, sondern § 29 a Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz a.E. BlmSchG macht insoweit die Einschränkung, daß sie auch konkret für diese Prüfungen die erforderliche Fachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung besitzen müssen. Das 64 Landmann/Rohmer-Meyer, GewO Bd. II, Rn. 25 ff.; Steiner, DVBI 1987, 1133 (1135). 65 Vgl. im einzelnen Landmann/Rohmer-Meyer, GewO Bd.ll, Rn. 33; Steiner, DVBI
198~ 1133(113~F~33~ 66 Derzeit handelt es sich um gerade sechs Unternehmen, vornehmlich aus der Chemieindustrie: BASF (Ludwigshafen), Bayer (Leverkusen), Hoechst (Frankfurt a. M.), Hüls (Mari), Saarbergwerke (Saarbrücken) und Buna (Schkopau); vgl. Landmann/ Rohmer-Meyer, GewO Bd. II, Rn. 38.
B. Einzelne Maßnahmen der Anlagenüberwachung
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ist notwendig, da die allgemeine Qualifikation und Ausstattung beider Personenkreise bei ihrer Bestellung nicht zwingend auch auf die Besonderheiten der Prüfungen nach § 29 a Abs. I BimSchG ausgerichtet ist. Deshalb ist eine Einzelfallprüfung der Behörde angebracht, ob die jeweils in Frage kommende Person die Gewähr für eine objektive und einwandfreie Eigenüberwachung in diesem speziellen Bereich bietet. Im Hinblick auf den Inhalt der Prüfungen und auf die Weiterleitung der Prüfungsergebnisse an die Behörde ergeben sich keine Abweichungen von den Fällen der Überwachung durch externe Dritte. Ebenso wie jene ermitteln die unternehmenseigenen Sachverständigen die sicherheitstechnisch relevanten Sachverhalten und prüfen, ob die einschlägigen Anforderungen eingehalten werden. Das Prüfergebnis wird dann nach § 29 a Abs. 3 BlmSchG der Überwachungsbehörde zugeleitet, die auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob eine korrigierende Maßnahme von ihrer Seite angezeigt ist. bb) Eigenüberwachung aufgrundnormativer Verpflichtung
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz selbst enthält keine ausdrücklichen Verpflichtungen des Betreibers zu Eigenüberwachungsmaßnahmen. Allerdings kann aus den immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten, insbesondere aus der Schutzpflicht des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG, auch die allgemein bestehende Verpflichtung abgeleitet werden, daß derBetreiberselbst die erforderlichen Überwachungsmaßnahmen treffen muß, um Gefahren sicherheitstechnischer Art durch die Anlage abzuwenden. Das schließt auch eine regelmäßige Inspektion und Wartung der Anlage ein. Von einer Eigenüberwachung kann man allerdings erst dann sprechen, wenn der Gegenstand und Umfang der Überwachungsmaßnahmen konkreter festgelegt ist und ein Bezug zu der "konkurrierenden" behördlichen Überwachung hergestellt ist, sei es durch eine behördliche Einflußnahme auf die Eigenüberwachung selbst (etwa durch Anordnung einzelner Prüfungen oder durch Benennung bestimmter unternehmensinterner Eigenüberwachungsstellen), sei es schlicht durch die Möglichkeit, daß die Behörde die Durchführung der Eigenüberwachung kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren kann. Hierfilr gibt es nun einen Ansatzpunkt in der Störfall-Verordnung. Nach§ 6 Abs. I Nr. I u. 2 der 12. BlmSchV hat derBetreiberdie Errichtung und den Betrieb der sicherheitstechnisch bedeutsamen Anlagenteile zu prüfen und die Anlage in sicherheitstechnischer Hinsicht ständig zu überwachen und regelmäßig zu warten, was nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu geschehen hat. Die Gegenstände der Prüfungen können dabei aus dem Zusammenhang mit den §§ 3 ff. der 12. BlmSchV entnommen werden, an die auch die Regelung des § 6 der 12. BlmSchV anknüpft67 • Es handelt sich also insbe16 Ludwig
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
sondere um die regelmäßige Inspektion der Anlage selbst und ihrer Sicherheitseinrichtungen, wie etwa Sicherheitsventile, Warnanlagen oder Brandschutzvorrichtungen. Über die Durchfiihrung dieser PrOfungen hat der Betreiber nach § 6 Abs. 2 der 12. BimSchV schriftliche Unterlagen anzufertigen und diese fünf Jahre lang zur Einsicht durch die Überwachungsbehörde bereitzuhalten. Damit stellt auch diese Konstellation einen Fall der Eigenüberwachung im engeren Sinne dar. Der Betreiber läßt bestimmte PrOfungen regelmäßig durch eigenes Personal vomehmen68, ohne daß Behördenvertreter oder sonstige Dritte daran beteiligt wären. Die Behörde hat jedoch die Möglichkeit, diese belreihereigenen Maßnahmen anband der schriftlichen Unterlagen zu kontrollieren und gegebenenfalls zum Anlaß fiir weitergehende eigene Überwachungstätigkeiten zu nehmen. cc) Eigenüberwachung aufgrundeiner Auflage zum Genehmigungsbescheid
Schließlich kann auch die Verpflichtung zu Maßnahmen der Eigenüberwachung bereits durch eine Auflage zur Anlagengenehmigung begrUndet werden. In Anlehnung an § 29 a BimSchG kann also vorgeschrieben werden, daß der Anlagenbelreiber bestimmte sicherheitstechnische PrOfungen und Wartungsarbeiten durch eigene kompetente Kräfte durchfilhren läßt. Grundlage einer solchen Auflage ist wiederum § 12 Abs. 1 BimSchG; Konkurrenzprobleme zu § 29 a Abs. I BimSchG ergeben sich nicht, da die Voraussetzungen einer Anordnung nach dieser Vorschrift so weit gefaßt sind, daß sie durch eine Auflage kaum unterlaufen werden können. 111. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten
Die aufgeftihrten Maßnahmen der Sachverhaltsermittlung durch behördlich Beauftragte sowie im Wege der betreibereigenen Überwachung lassen sich als funktionale Privatisierungen begreifen. In diesen Fällen läßt die Behörde ein-
67 Wenngleich die Pflichten nach § 6 Abs. 1 noch weiter reichen, vgl. den Einleitungssatz des Absatzes 1. 68 Allerdings hat er nach der offenen Formulierung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 der 12. BlmSchV auch die Möglichkeit, eine externe Firma mit den anfallenden Wartungsarbeiten zu beauftragen. In diesem Fall würde die Heranziehung eines externen Dritten auf dem freien Entschluß des Belreibers beruhen; anders als in den Fällen, wo die Vomahme der Prüfungen durch externe Sachverständige von Gesetzes bzw. Verordnungs wegen vorgeschrieben ist (wie bei den oben behandelten Messungen im Rahmen der 13. und 17. BlmSchV, vgl. B II 2 a aa (2)).
C. Die Pflicht zur Abgabe einer Emissionserklärung nach § 27 BlmSchG
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zeine, gegenständlich bestimmte Sachverhaltserhebungen durch Private durchfUhren. In den meisten Fällen handelt es sich um unabhängige Dritte, die teils von der Behörde, teils vom Setreiber selbst beauftragt werden; in manchen Fällen kann auch der Setreiber selbst oder einer seiner Betriebsangehörigen die Ermittlungen anstellen. In jedem Fall ist aber durch Mitteilungspflichten und Einsichtnahmerechte gesichert, daß die Behörde Zugriff auf die festgestellten Sachverhaltsinformationen hat und sie daher fiir den behördlichen Vollzug verwenden kann. Die genannten Personen (einschließlich des Anlagenbetreibers) werden dadurch zum Zwecke der Ermittlung von Sachverhaltsinformationen in der Weise instrumentalisiert, daß die ansonsten zuständige Behörde dann regelmäßig keine gleichgerichteten eigenen Ermittlungen mehr anstellen muß. Die Behördentätigkeit wird damit in dem Maße entlastet, wie private Tätigkeit stattfindet. Eine derartige "Auslagerung" einzelner Schritte der Entscheidungsvorbereitung kann ohne weiteres als funktionale Privatisierung angesehen werden69•
C. Die Pflicht zur Abgabe einer Emissionserklärung nach § 27 BlmSchG Ein Sonderinstitut im Bereich der Überwachung stellt schließlich die Pflicht des Setreibers zur Abgabe einer Emisssionserklärung gemäß § 27 Abs. I Satz I BimSchG dar. Diese Pflicht wird durch die Vorschriften der I!. BlmSchV, erlassen auf der Grundlage des § 27 Abs. 4 BimSchG, näher konkretisiert70• Danach hat der Setreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage in vierjährigen 71 Abständen Angaben über die von der Anlage ausgegangenen Emissionen zu machen. Mit Emissionen sind allerdings in diesem Zusammenhang nicht alle Erscheinungsformen im Sinne des § 3 Abs. 3 BlmSchG gemeint, sondern die Erklärung bezieht sich ausschließlich auf die Emission von Luftverunreinigun69 Man kann sich allerdings darüber streiten, ob die Privaten in diesen Fällen als Verwaltungshelfer der Behörde fungieren. Angesichts ihrer zuarbeitenden Funktion im Vorfeld einer behördlichen Entscheidung sollte dies wohl zu bejahen sein. Allerdings haben die hier genannten Personen, insbesondere diejenigen, die nicht direkt von der Behörde beauftragt werden (also die belreihereigenen Kräfte bei der Eigenübenvachung und die betreiberbestellten Dritten), eine selbständigere Stellung inne als der klassische Verwaltungshelfer. Aus diesem Grund bezeichnet v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 140, derartige private Funktionsträger als "Verwaltungssubstitute·'. 70 Dazu Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 61 ff. 71 Der Zeitraum zwischen zwei Emissionserklärungen wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmig.mgsverfahren vom 9. Oktober 1996, BGBI. I, S. I498 ff., von zwei aufvier Jahre verlängert. Die 11. BimSchV (§§ 3 Abs. 1, 5) ist daran allerdings bislang noch nicht angepaßt worden. Zu den Übergangsregelungen vgl. Feldhaus, BimSchR, Anm. I I zu § 27 BimSchG.
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§ 8 Befolgungskontrolle genehmigungsbedürftiger Anlagen
gen72 • Die Erklärung soll Angaben zu Art und Menge der emittierten Luftverunreinigungen, zu ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung sowie zu ihren Austrittsbedingungen im jeweiligen Erklärungsjahr enthalten; nähere Maßgaben hierzu werden durch § 4 Abs. I u. 2 i.V.m. Anhängen I u. 2 der I I. BlmSchV aufgestellt. Um die geforderten Angaben machen zu können, muß der Setreiber die Emissionen zunächst einmal ermitteln. Hierfiir sieht § 6 Abs. I der II. BimSchV verschiedene Möglichkeiten vor. Neben der Verwendung von Meßergebnissen aus kontinuierlichen oder einzelnen Messungen können auch vergleichbare Daten von anderen Anlagen sowie fundierte Berechnungen herangezogen werden. Der Setreiber wird also, anders als in den Fällen der §§ 26, 28, 29 BimSchG, nicht zu einer bestimmten Art der Sachverhaltsermittlung angehalten, sondern kann im Rahmen der zugelassenen Methoden selbst entscheiden, wie er die erforderlichen Informationen zusammenbekommt. Freilich können und sollen die Ergebnisse von Messungen nach den genannten Vorschriften bei der Erstellung einer Emissionsprognose jedenfalls verwertet werden73. Im übrigen aber hat es der Setreiber in der Hand, die erforderlichen Ermittlungen in der einen oder anderen Weise von seinem eigenen Personal oder von beauftragten Dritten durchfUhren zu lassen. Entscheidend ist im Ergebnis die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Emissionserklärung. Die Zweckrichtung des § 27 BimSchG ist dabei eine zweifache74• Zum einen sind die Emissionserklärungen eine wichtige Grundlage fiir die Erstellung von Emissionskatastern nach § 46 BimSchG und die Aufstellung von Luftreinhalteplänen nach § 47 BimSchG75 • Insoweit dienen sie dem gebietsbezogenen Immissionsschutz und fallen damit aus dem Untersuchungsbereich dieser Arbeit heraus. Daneben haben sie jedoch auch Bedeutung filr den immissionsschutzrechtlichen Vollzug hinsichtlich der konkreten Einzelanlage. Denn genau wie die Ermittlungen nach den §§ 26, 28, 29 BimSchG sind die Feststellungen, die zur Abgabe der Emissionserklärung notwendigerweise zu machen sind, nichts anderes als eine Sammlung vollzugsrelevanter Sachverhaltsinformationen. Sie geben Aufschluß über das tatsächliche Emissionsverhalten der Anlage in einem bestimmten Zeitraum und können auf diese Weise quasi stichprobenartig (nämlich alle vier Jahre) Abweichungen von dem normativ zulässigen und 72 Vgl. den Wortlaut des§ 27 Abs. l Satz l BlmSchG sowie die Begriffsbestimmung in§ 2 Nr. l der II. BlmSchV. 73 Jarass, BlmSchG, § 27 Rn. 1; vgl. auch § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 u. Satz 3 der II. BlmSchV. 74 Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 59; Rebentisch, NJW 1980,99. 15 Amtliche Begründung, BT-Drucksache 7/179, S. 40.
C. Die Pflicht zur Abgabe einer Emissionserklärung nach § 27 BlmSchG
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im Genehmigungsbescheid festgeschriebenen Emissionsverhalten offenlegen. Damit wird der Überwachungsbehörde Informationsmaterial geliefert, das sie fUr den Soll-Ist-Vergleich im Rahmen der Befolgungskontrolle benötigt, und insoweit dient die Emissionserklärung auch dem anlagenbezogenen Einzelvoll76 zug . Vor diesem Hintergrund hat die Emissionserklärung den gleichen Zweck wie die sonstigen Sachverhaltsermittlungen, die vom Anlagenbetreiber in eigener Regie vorzunehmen sind. Der Betreiber ist verpflichtet, in einem bestimmten Bereich die überwachungsrelevanten Sachverhaltsinformationen bezüglich seiner Anlage selbst zu ermitteln und sie der Behörde dann zur Verfügung zu stellen, die sie dann möglicherweise zur Grundlage eigener Vollzugstätigkeit machen kann. Der Anlagenbetreiber übernimmt damit funktionell Tätigkeiten, die ansonsten im Rahmen des behördlichen Sachverhaltsermittlung anfallen würden. Insoweit kann auch dieser Fall als ein Element funktionaler Privatisierung angesehen werden.
76 Diese Vollzugsrelevanz der Emissionserklärung ist auch in § 3 Abs. 2 Satz 2 der 11. BlmSchV angesprochen, wenn es dort heißt, daß eine Fristverlängerung für die Abgabe der Erklärung nur in Frage kommt, wenn die behördliche Überwachung durch die Verzögerung nicht erschwert wird. Bei der jüngsten Verdoppelung des Zeitraums zwischen zwei Emissionserklärungen (vgl. oben Fn. 71) ging der Gesetzgeber uffenbar davon aus, daß eine häufigere Datenerhebung aus Vollzugsgründen nicht erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne schon die amtliche Begründung zu der 1990 erfolgten Umstellung vom jährlichen auf den zweijährlichen Rhythmus, BT-Drucksache 11/4909, S. 19).
§ 9 Die Beteiligung Privater an der Kontrolle nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen Bei der Analyse der privaten Mitwirkung im immissionsschutzrechtlichen Vollzug hinsichtlich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ist zunächst der simple Umstand zu berücksichtigen, daß die fehlende Genehmigungspflicht alle diejenigen funktionalen Privatisierungsmöglichkeiten entfallen läßt, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach der 9. BlmSchV erörtert wurden 1• Insbesondere ist hier kein Raum fiir eine vorgeschaltete Sachverständigenbeteiligung oder filr ein privates Verfahrensmanagement Gleichwohl fehlt es aber auch im Bereich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht an Ansätzen fiir eine private Beteiligung an der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Vorgaben. Dabei sollen - in Ermangelung einer echten Eröffnungskontrolle - die vorgeschalteten Typenprüfungen nach der 1., 8. und 15. BlmSchV getrennt von der gewöhnlichen Befolgungskontrolle bei den Einzelanlagen betrachtet werden.
A. Private Funktionen im Rahmen von Eröffnungsprüfungen Das Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kennt auf verordnungsrechtlicher Basis drei Konstellationen, in denen eine gewisse Eröffnungskontrolle dadurch gewährleistet wird, daß eine bestimmte Art von Anlagen gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn vorher der entsprechende Anlagentyp auf seine Vereinbarkeit mit den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften überprüft worden ist. Es handelt sich dabei um die Übereinstimmungsprüfung ftlr Rasenmäher nach § 4 Abs. 2 der 8. BlmSchV, um die Herstellerbescheinigung filr Öl- und Gasheizungsanlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 der l. BlmSchV 1 Vgl. oben § 7. Allerdings ist jüngst durch die Einführung des § 23 Abs. 1 a BlmSchG die Möglichkeit geschaffen worden, durch Rechtsverordnung bei bestimmten Anlagen dem Vorhabenträger ein Wahlrecht einzuräumen, ob er ein Genehmigungsverfahren durchgeflihrt haben will oder nicht. Bislang wurde von dieser Ermächtigung jedoch noch kein Gebrauch gemacht. In der Literatur ist die Neuregelung eher kritisch aufgenommen worden; vgl. nur Hansmann, NVwZ 1997, 105 (109 f.); Wasielewski, LKV 1997, 77 (80).
A. Private Funktionen im Rahmen von Eröffnungsprüfungen
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und um die EWG-Baumusterprüfung für Baumaschinen nach § 4 der 15. BlmSchV. In allen drei Fällen können Private an diesen Prüfungen maßgeblich beteiligt sein.
I. Die Übereinstimmungsprüfung für Rasenmäher nach § 4 Abs. 2 der 8. BlmSchV Nach § 4 Abs. 1 der 8. BlmSchV hat der Hersteller oder Einfuhrhändler eines Rasenmähers in eigener Verantwortung die Übereinstimmung des Geräts mit den Lärmschutzanforderungen der EG-Richtlinie 84/538/EWG, auf deren Umsetzung die 8. BlmSchV in diesem Teil gerichtet ise, zu bescheinigen. Hierzu ist es erforderlich, diese Übereinstimmung durch entsprechende Prüfungen zunächst zu verifizieren. Daher schreibt§ 4 Abs. 2 der 8. BlmSchV vor, daß die Übereinstimmungsbescheinigung auf Prüfprotokolle gestützt werden muß, die von staatlich bekanntgegebenen Meßstellen herrühren. Der Hersteller oder Einfuhrhändler, der den Rasenmäher in Verkehr bringen will, muß also grundsätzlich erst eine Typenprüfung des jeweiligen Rasenmähermodells durch eine dieser bekanntgegebenen Meßstellen vornehmen lassen, in der die Einhaltung der vorgeschriebenen Schalleistungs- und Schalldruckpegel kontrolliert wird. Nur auf dieser Grundlage kann er dann selbst die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellen. Bei den bekanntgegebenen Meßstellen handelt es sich nun wieder regelmäßig um private Sachverständige, die über das Personal und die Ausstattung verfUgen, die fiir die Messungen erforderlich sind. Wie andere private Meßstellen (etwa die nach§ 26 BlmSchG) müssen auch sie durch Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit hinreichende Gewähr filr objektive Prüfungen bieten. Die Meßstellen handeln bei den Messungen nicht im staatlichen Auftrag, sondern vielmehr auf Veranlassung des Rasenmäherherstellers bzw. -einfuhrhändlers und im Rahmen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit ihm. Gleichwohl nehmen sie eine wichtige Funktion fiir den Vollzug des staatlichen Immissionsschutzes ein, indem die von ihnen vorgenommenen Prüfungen die einzige vorgeschaltete Kontrolle vor der Inbetriebnahme der jeweiligen Anlage (und damit vor dem einzelnen immissionsträchtigen Vorgang) überhaupt sind. Allerdings besteht diese Funktion dann gerade nicht in einer Unterstützung oder Ersetzung eines staatlichen Vollzugsprogramms, da die Prüfprotokolle
2 Grundlage der 8. BimSchV ist insoweit§ 37 BimSchG; bei den Betriebszeitregelungen des§ 6 der 8. BimSchV handelt es sich hingegen um nationale Bestimmungen, die unabhängig von europarechtlichen Vorgaben sind und deshalb auf§ 23 Abs. I BimSchG gestützt werden. Vgl. zum Zusammenspiel der verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen auch GK-Scheuing, § 37 Rn. 65.
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§ 9 Kontrolle nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
weder als Grundlage filr eine staatliche Zulassungsentscheidung dienen noch selbst eine solche Entscheidung beinhalten. Sie fungieren lediglich als Grundlage fUr die eigenverantwortliche Übereinstimmungserklärung des Herstellers. Letztlich liegt es bei diesem, aus dem Prüfprotokoll die erforderlichen Konsequenzen - nämlich gegebenenfalls in Form einer Anpassung des Rasenmähertyps an die Lärmschutzerfordernisse - zu ziehen. Insoweit kann man die Prüftätigkeit durch private Stellen zwar funktional als einen Beitrag zum immissionsschutzrechtlichen Vollzug ansehen, aber in Gestalt eines Elements der herstellereigenen3, nicht der staatlichen Kontrolle.
II. Die Herstellerbescheinigung für Öl- und Gasheizungsanlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 der 1. BlmSchV Noch deutlicher fltllt die Herstellerbescheinigung fUr Öl- und Gasfeuerungsanlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 der I. BlmSchV aus dem staatlichen Vollzugsbereich heraus. Nach diesen Vorschriften darf eine Öl- oder Gasheizungsanlage nicht betrieben werden ohne eine Erklärung des Herstellers, daß die festgesetzten Grenzwerte fUr Stickstoffemissionen und fUr den Nutzungsgrad der jeweiligen Anlage eingehalten werden. Dabei ist der Hersteller aber nicht einmal auf Prüfprotokolle einer staatlich anerkannten Meßstelle angewiesen, sondern er kann die Prüfungen selbst und eigenverantwortlich vornehmen und die Bescheinigung dementsprechend ausstellen. Somit handelt es sich im Grunde lediglich um eine Bekräftigung, daß die ohnehin bestehenden materiellen Anforderungen an die jeweilige Anlage eingehalten werden. Wirkung entfaltet diese Erklärungspflicht in erster Linie darüber, daß unrichtige Bescheinigungen im Verhältnis zu den einzelnen Anlagenbetreibern, d. h. den Kunden des Herstellers, zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen fUhren können. Man kann die dadurch veranlaßte Eigenüberprüfung des Herstellers zwar ebenfalls als einen funktional wichtigen vorgeschalteten Beitrag zur Einhaltung des materiellen Immissionsschutzrechts ansehen, mit dem staatlichen Vollzug hat sie jedoch nichts zu tun.
111. Die EWG-Baumusterprüfung für Baumaschinen nach§ 4 der 15. BlmSchV Etwas anders gelagert ist hingegen die Situation im Anwendungsbereich der 15. BlmSchV. Soweit hiernach aus Lärmschutzgründen Geräuschemissions-
3 Der Begriffbildet sozusagen das Pendant zur betreibereigenen Kontrolle; die Differenzierung ist geboten, da der Hersteller die Anlage regelmäßig nicht selbst betreibt.
A. Private Funktionen im Rahmen von Eröffnungsprüfungen
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werte festgelegt sind4, dürfen Baumaschinen gemäߧ 2 Nr. 2 der 15. BlmSchV gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn fllr den jeweiligen Typ eine EWG-Baumusterprüfbescheinigung vorliegt. Die dazu erforderliche Baumusterprüfung wird nach Maßgabe des § 4 der 15. BlmSchV von staatlich zugelassenen Stellen durchgefllhrt. Auch bei diesen Stellen handelt es sich wieder regelmäßig um sachverständige private Institutionen, die über die erforderliche personelle und materielle Ausstattung verfllgen und die hinreichende Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit gewährleisten5 • Auch hier gilt wieder, daß sie nicht im Auftrag des Staates, sondern auf Antrag des Herstellers tätig werden (vgl. § 4 Abs. I Satz 1 der 15. BlmSchV). Die Prüfvereinbarung zwischen Antragsteller und zugelassener Stelle muß sich nicht nur auf die Initialprüfung beziehen, sondern auch Folgeprüfungen in angemessenen Zeitabständen vorsehen, so daß eine stichprobenartige Kontrolle der einmal erteilten Baumusterprüfbescheinigung ermöglicht wird6 • Allerdings ist die Prüfungstätigkeit der zugelassenen Stelle hier - anders als bei der gerade behandelten Rasenmäherprüfung - mit einer partiellen Entscheidungsbefugnis der zugelassenen Stelle verbunden. Sofern nämlich die Prüfung die Übereinstimmung des geprüften Baumaschinentyps mit den jeweiligen Geräuschemissionsanforderungen ergibt, stellt die zugelassene Stelle selbst nach § 4 Abs. 3 Satz 2 der 15. BlmSchV die EWG-Baumusterprüfbescheinigung aus. Dabei handelt es sich um eine Art Typengenehmigung, mit der dem Hersteller das loverkehrbringen der Baumaschinen dieses Typs gestattet wird. Typengenehmigungen werden allgemein als Verwaltungsakte angesehen, da sie verbindlich über die Zulassung eines bestimmten Produkts zum Gebrauch oder zum Geschäftsverkehr entscheiden7. Indem nun die zugelassene Stelle den Vergleich des tatsächlichen Geräuschemissionsverhaltens des vorgestellten Baumaschinentyps mit den Soll-Vorgaben nach § 3 Abs. 1 der 15. BlmSchV (i.V.m. verschiedenen EG-Richtlinien) zieht, die Subsumtion vornimmt und dann auch die Entscheidung über die Erteilung der Typengenehmigung triffi, läßt sie das hier vorgesehene Vollzugsprogramm8 vollständig selbst ablaufen;
4 So in diversen EG-Richtlinien, die durch§ 3 Abs. I der 15. BimSchV in das deutsche Recht eingebracht werden. 5 Vgl. näher§ 7 der 15. BimSchV sowie die amtliche Begründung, SR-Drucksache 325/86, S. 10, wo auf die Sachverständigen nach den §§ 24 ff. GewO Bezug genommen wird. 6 Vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 der 15. BlmSchV. 7 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 21. 8 Es sollte dabei nochmals darauf hingewiesen werden, daß dieses Vollzugsprogramm sich nur insoweit von den bislang behandelten immissionsschutzrechtlichen Vollzugssituationen unterscheidet, als der Soll-Ist-Vergleich sich nicht auf eine individuelle Anlage bezieht, sondern ein bestimmtes Serienmodell als Anlagentyp zum Ge-
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§ 9 Kontrolle nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
zu einem Tätigwerden der staatlichen Stellen kommt es dann nicht. Aufgrund dieser eigenen Entscheidungskompetenz ist die zugelassene Stelle insoweit als Beliehene anzusehen9• Allerdings ist ihr die Entscheidungskompetenz nur partiell verliehen, nämlich nur bezüglich der (positiven) Erteilung der Baumusterprüfbescheinigung. Kommt die zugelassene Stelle zu der Auffassung, daß die Bescheinigung zu versagen ist, so entscheidet gemäß § 4 Abs. 4 der 15. BlmSchV auf Antrag des Herstellers die zuständige Behörde verbindlich über die Erteilung. Das gleiche gilt hinsichtlich der Entscheidung über die Entziehung der Baumusterprüfbescheinigung, wenn im Rahmen späterer Stichprobenuntersuchungen Abweichungen der hergestellten Baumaschinen vom geprüften Baumustertyp auftreten (vgl. § 4 Abs. 5 u. 6 der 15. BlmSchV). Eine eigene verbindliche Entscheidung trifft die zugelassene Stelle also nur dann, wenn nach ihrer Auffassung kein Vollzugsbedarf besteht, wenn nämlich die geprüfte Maschine den Anforderungen entspricht. Allerdings ist auch dann noch die Behörde gemäߧ 4 Abs. 6 der 15. BlmSchV befugt, die Baumusterprüfbescheinigung sozusagen über den Kopf der zugelassenen Stelle hinweg wieder zu entziehen, wenn sich herausstellt, daß sie zu Unrecht erteilt worden ist. Eine Auffangzuständigkeit der staatlichen Behörde ist also in jedem Fall gegeben. Damit kann dieser Fall unproblematisch in die Rubrik der funktionalen Privatisierung eingereiht werden. Einer privaten Institution werden bestimmte Prüfungstätigkeiten und auch eine begrenzte Entscheidungsgewalt übertragen, um die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Maßgaben in einem konkreten Bereich zu kontrollieren. Da diese Tätigkeiten ansonsten von den zuständigen Vollzugsbehörden vorgenommen werden müßten, kann hier durchaus von einer Verlagerung funktionaler Vollzugsaufgaben auf Private gesprochen werden. Da jedoch die Entscheidungsbefugnis der zugelassenen Stelle weder umfassend noch abschließend ist, sondern immer eine subsidiäre Entscheidungszuständigkeit der staatlichen Behörde besteht, handelt es sich nicht um eine materielle Privatisierung der Anlagenüberwachung in diesem Sektor.
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle Abgesehen von den gerade geschilderten Fällen einer generalisierenden Eröffnungskontrolle im Wege der Bauartzulassung beschränkt sich die staatliche Vollzugstätigkeit bezüglich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen auf
genstand hat. Dieser vorverlagerte, generalisierende Vollzug folgt aber strukturell den gleichen Regeln der konditionalen Programmierung wie der Einzelvollzug. 9 Jarass, BlmSchG, § 37 Rn. 9.
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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die Befolgungskontrolle. Anlagen dürfen also danach zunächst einmal in Betrieb genommen werden und unterliegen dann allenfalls nachfolgenden Korrekturmaßnahmen. In diesem Bereich gibt es verschiedene Elemente einer privaten Tätigkeit mit vollzugsunterstützender Ausrichtung, die Parallelen mit den entsprechenden Konstruktionen im Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen aufweisen.
I. Anzeigepflichten des Betreibers So haben die Setreiber bestimmter nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen diese der zuständigen Behörde vor der Inbetriebnahme anzuzeigen. Grundlage der Anzeigepflicht sind verordnungsrechtliche Bestimmungen auf der Basis des § 23 Abs. I Nr. 4 BimSchG. Sie betreffen namentlich Anlagen, in denen leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe verwendet werden (§ 12 Abs. 1 der 2. BimSchV), Kraftstofftanks (§ 7 Abs. 1 der 20. BimSchV), Tankstellen (§ 6 Abs. 1 der 21. BimSchV) sowie Sendefunk- und Elektrizitätsanlagen (Hochund Niederfrequenzanlagen, § 7 der 26. BimSchV). Durch die Anzeige soll die Vollzugsbehörde erst einmal Kenntnis von der Existenz der Anlage erhalten, damit sie überhaupt nur die potentielle Möglichkeit eines auftretenden Vollzugsbedarfs in Erwägung ziehen kann; die diesbezügliche Unkenntnis der Behörde war ja bei den Erörterungen zum Vollzugsdefizit als ein maßgebliches Manko ausgemacht worden 10• Darüber hinaus sollte die Anzeige einige grundlegende Angaben zum Betrieb der Anlage enthalten, die der Behörde eine erste Beurteilung der Rechtmäßigkeit ermöglichen 11 • Im Ergebnis gilt allerdings auch hier, daß die Anzeige allenfalls den Anstoß zu weiteren behördlichen Ermittlungen geben kann, diese jedoch nicht ersetzt. Hat die Behörde aufgrund der Anzeige den Verdacht, daß die Anlage möglicherweise nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, so wird sie nicht umhinkönnen, eigene Ermittlungen in dieser Richtung anzustellen, um dann gegebenenfalls darauf gestützt
Siehe oben § 4 C I und D II. In diesem Sinne Jarass, BimSchG, § 23 Rn. 8. Besonders weitreichend sind hier die Regelungen der 26. BimSchV. So soll der Setreiber einer Hoch- oder Niederfrequenzanlage mit der Anzeige gemäß § 7 Abs. 3 auch die für die Anlage maßgeblichen Daten und einen Lageplan mitliefem. Außerdem ist bei Sendefunkanlagen die telekommunikationsrechtliche Standortbescheinigung vom Bundesamt für Post und Telekommunikation beizulegen. Ausweislich der amtlichen Begründung (abgedruckt bei Feldhaus, BimSchR, zu § 7 der 26. BlmSchV) dient das vor allem dazu, der Immissionsschutzbehörde die elektromagnetischen Vorbelastungsbeiträge anderer Hochfrequenzanlagen zur Kenntnis zu bringen, welche aus der Standortbescheinigung hervorgehen. Auf diese Weise wird die Anzeigepflicht des Setreibers zur Informationsübermittlung zwischen verschiedenen Behörden instrumentalisiert. Siehe dazu auch die Ausführungen oben unter § 7 C II 3. 10 11
252
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zu reagieren 12 • Zumal wenn man den oben genannten Hauptzweck der Anzeigepflicht, der Behörde die Existenz der Anlage als solche zur Kenntnis zu bringen, in Rechnung stellt, wird ersichtlich, daß diese Information allein noch keine Aussage über die immissionsschutzrechtlich relevanten Auswirkungen der Anlage enthält und somit keine eigenständige Vollzugsbedeutung besitzt 13 • II. Überwachung durch behördlich Beauftragte
Die Möglichkeiten der Behörde, bestimmte Ermittlungen gemäß § 52 Abs. 2, 3 u. 6 BimSchG durch Beauftragte vornehmen zu lassen, entsprechen denen bei der Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen. Soweit die Beauftragten mit den hoheitlichen Kompetenzen der besagten Vorschriften ausgestattet werden, liegt eine Beleihung vor. Da sie jedoch bezüglich der zu treffenden Vollzugsentscheidungen keine eigenständige Entscheidungskompetenz haben, erscheinen sie unter Privatisierungsgesichtspunkten als rein funktionale Instrumente der Sachverhaltsermittlung. Außerdem stehen der Behörde im Rahmen des Überwachungsverwaltungsverfahrens grundsätzlich auch alle diejenigen Möglichkeiten einer unterstützenden Heranziehung Privater offen, die in jedem Verwaltungsverfahren gegeben sind. Insbesondere kann die Behörde nach§ 26 Abs. I Nr. 2 VwVfG Sachverständige zur Sachverhaltsermittlung und zur Klärung von fachlichen Vorfragen bei der Gesetzeskonkretisierung heranziehen. Für die Anforderungen an die Qualifikation der Sachverständigen und für die Gegenstände der Gutachtenaufträge gelten keine weiteren Besonderheiten; insoweit wird auf die Ausführungen bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen verwiesen 14• In Abgrenzung zu den Beauftragten im Sinne des § 52 Abs. 2 BimSchG, bei denen es sich meist auch um sachverständige Personen handeln wird, haben diese "schlichten" Sachverständigen kein Mandat zu selbständigen Ermittlungen auf dem Betriebsgrundstück, sondern fungieren entweder als bloß mitwirkende Hilfskräfte bei behördlichen Ermittlungsmaßnahmen oder beschränken sich auf diejenigen Tätigkeiten, die keinen Eingriffscharakter haben (z. B. Immissionsmessungen auf behördeneigenen Grundstücken oder schlichte Wissensvermittlung).
12 Das gilt auch im Anwendungsbereich der 26. BimSchV, oben Fn. II. Die Immissionsschutzbehörde ist nach Eingang der Anzeige gehalten, die festgestellten elektromagnetischen Feldstärkebelastungen selbst immissionsschutzrechtlich zu würdigen und gegebenenfalls weitere eigene Informationen zu erheben. 13 Zu der entsprechenden Situation bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen siehe oben§ 8 AI. 14 Siehe oben§ 7 C IV.
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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111. Die Überwachung von Kleinfeuerungsanlagen durch den Bezirksschornsteinfegermeister nach der 1. BlmSchV Einen Sonderfall der Vollzugssicherung durch nichtbehördliche Kräfte bildet die Überwachung der nicht genehmigungsbedürftigen Kleinfeuerungsanlagen durch den Bezirksschornsteinfegermeister gemäß §§ 14, 15 der I. BimSchV. 1. Gegenstand und Durchführung der Messungen
Gemäß § 14 Abs. 1 der 1. BimSchV haben die Setreiber bestimmter Kleinfeuerungsanlagen, filr die Emissionsbegrenzungsvorschriften in der 1. BimSchV bestehen, die Einhaltung dieser Anforderungen binnen vier Wochen nach der Inbetriebnahme oder einer wesentlichen Änderung durch Messungen vom zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister feststellen zu lassen. Für die weitere Betriebsdauer ordnet § 15 Abs. 1 der 1. BimSchV in entsprechender Weise wiederkehrende Messungen in jährlichen Abständen an 1 • Für die Durchfilhrung der Messungen sind in der Anlage III zur I. BimSchV nähere Vorgaben getroffen. Der Bezirksschornsteinfegermeister mißt die tatsächlichen Emissionen der Anlage an bestimmten Luftschadstoffen und vergleicht sie mit den Emissionswerten, die in den §§ 6 Abs. 1 bzw. 8 - 11 der I. BimSchV niedergelegt sind. Das ist nichts anderes als der Soll-Ist-Vergleich des Vollzugsmodells, also die Subsumtion unter die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften. Über das Ergebnis der Messungen stellt der Bezirksschornsteinfegermeister dem Setreiber gemäߧ 14 Abs. 3 Satz 2 der I. BimSchV (bei der wiederkehrenden Überwachung i.V.m. § 15 Abs. 4) eine Bescheinigung aus; diese enthält auch eine Angabe darüber, ob die Meßergebnisse der Verordnung entsprechen oder nicht, beinhaltet also auch das Ergebnis der Subsumtion 16• Ergibt sich dabei, daß die Anforderungen eingehalten werden, so hat es damit sein Bewenden. Anderenfalls hat der Setreiber die festgestellten Mängel zu beheben 17 und binnen sechs Wochen eine Wiederholungsmessung durchfUhren zu lassen(§ 14 Abs. 4 Satz 1 der I. BimSchV). Ergibt auch diese, daß die Anforderungen nicht eingehalten werden, so leitet der BezirksschornsteinfeAusnahme: § 15 Abs. 2 Satz 2 der I. BlmSchV. Vgl. die Musterbescheinigungen in Anlage IV und V zur l. BlmSchV. 17 Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus den Vorschriften der I. BlmSchV, folgt jedoch daraus, daß es sich bei einzuhaltenden Emissionsgrenzwerten um Konkretisierungen der Grundpflichten aus § 22 BlmSchG handelt, die vom Setreiber ohne weiteres zu beachten sind. 15
16
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germeister die Ergebnisse der Erstmessung und der Wiederholungsmessung an die zuständige Überwachungsbehörde weiter (§ 14 Abs. 4 Satz 2 der I. BlmSchV). 2. Der Bezirksschornsteinfegermeister als Beliehener
Der Bezirksschornsteinfeger nimmt bei diesen Tätigkeiten nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 2 SchornstFG öffentliche Aufgaben wahr; er hat zu diesem Zweck auch ein eigenständiges Betretungsrecht bezüglich der Räume, in denen die zu überprüfende Anlage sich befmdet (§ I Abs. 3 SchornstFG). Aufgrund dieser besonderen Stellung ist er als Beliehener anzusehen 18• Seine Beziehungen zu dem Anlagenbetreiber gründen also - anders als in den Fällen der betreibereigenen Überwachung - nicht auf einer privatrechtliehen Vereinbarung, sondern auf einem öffentlich-rechtlichen Überwachungsrechtsverhältnis, obschon dieser Unterschied im Wortlaut des § 14 Abs. 1 der I. BimSchV- etwa im Vergleich zu§ 22 Abs. 1 der 13. BimSchVkaum zum Ausdruck kommt 19• In diesem Rahmen erläßt der Bezirksschornsteinfegermeister auch Gebührenbescheide als Verwaltungsakte. Seinerseits untersteht er einer behördlichen Aufsicht gemäß den §§ 26 ff. SchornstFG. 3. Aufspaltung der Vollzugsentscheidungskompetenzen
Hinsichtlich der vollzugsbezogenen Entscheidungskompetenz tritt dabei eine Zweiteilung zutage. Ergibt die Messung des Bezirksschornsteinfegermeisters die Übereinstimmung der Anlage mit den normativen Anforderungen, und besteht folglich kein weiterer Vollzugsbedarf, so trifft er die diesbezügliche Entscheidung zum Nichteinschreiten selbst und ohne weitere Beteiligung der Behörde, indem er die entsprechende Übereinstimmungsbescheinigung ausstellt. In dieser abschließenden Entscheidung in eigener Verantwortung manifestiert sich sein Beliehenenstatus besonders deutlich20• 18 Landmann/Rohmer-Schönleitner, Vorbemerkung zum SchomstFG; WoljJ!Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 2; VGH Kassel, ESVGH 18, 86 (88). Ebenso v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 119, deren Einordnung als "organextern und kompetenzausschließlich tätiger Privater" allerdings mit Blick auf die fortbestehende Behördenkompetenz nach § 19 der 1. BlmSch V keine Zustimmung verdient. 19 In § 14 Abs. 1 der l. BlmSchV heißt es, daß der Setreiber die Einhaltung der Anforderungen feststellen lassen muß, in§ 22 der 13. BlmSchV, daß er sie ermitteln Jassen muß. 20 Vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 180, zur vergleichbaren Situation der PrOfingenieure beim Bau; auf die selbständige Entscheidungskompetenz hebt maßgeblich auch BVerwGE 57, 55 (58) ab (zur Abgrenzung zwischen PrOfingenieuren und Zivilingenieuren).
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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Ergibt die Messung hingegen eine Di~krepanz zwischen den tatsächlichen Emissionen und den Soll-Werten, besteht also Vollzugsbedarf, der eine entsprechende Vollzugsentscheidung zum Einschreiten erforderlich macht, so kann der Bezirksschornsteinfegermeister diese Entscheidung nicht selbst treffen, sondern gibt den "Fall" zur weiteren Behandlung an die zuständige Behörde ab. Diese kann dann im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten eine Anordnung nach § 24 BlmSchG oder eine Untersagungsverfügung nach § 25 BlmSchG erlassen. Sie kann sich dabei dann allerdings auf die vorgelegten Meßergebnisse stützten, so daß die Messungen des Bezirksschornsteinfegermeisters in diesem Zusammenhang dann als Sachverhaltsfeststellungen in die Vollzugsentscheidung einfließen. Damit ergibt sich insgesamt eine Konstellation ähnlich derjenigen, wie sie oben im Hinblick auf die EWG-Baumusterprüfung nach§ 4 der 15. BlmSchV beschrieben wurde21 : In beiden Fällen hat ein Privater (hier der Bezirksschornsteinfeger, dort die ·zugelassene Stelle) die erforderlichen Prüfungen durchzuführen und kann in den Fällen, in denen sich kein weiterer Vollzugsbedarf herausstellt, die entsprechende negative Vollzugsentscheidung (in Form der Übereinstimmungsbescheinigung bzw. der Baumusterprütbescheinigung) selbst treffen. Insoweit handelt er hoheitlich und ist deswegen Beliehener. Die Befugnis zu einer positiven, auf Veränderung gerichteten Vollzugsentscheidung steht hingegen nur der zuständigen Behörde zu, die sich damit die Vollzugskompetenz im übrigen vorbehält. Davon abgesehen bleibt die Möglichkeit der Behörde, auf der Grundlage des § 52 BlmSchG eigene Ermittlungen anzustellen und dann gegebenenfalls weitergehende eigene Vollzugsmaßnahmen zu treffen, unberührt; das ergibt sich für den Bereich der 1. BlmSchV ausdrücklich aus deren§ 19. Ist somit immer eine ergänzende bzw. subsidiäre Vollzugskompetenz der zuständigen Überwachungsbehörde gegeben, so ist auch hier wieder die Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters als ein Element funktionaler Privatisierung auszumachen. Ihm obliegt in einem abgegrenzten Bereich die Sachverhaltsermittlung und die Subsumtion unter einen vorgegebenen Gesetzesmaßstab (nämlich die Grenzwerte der 1. BlmSchV). Eine definitive Entscheidung kann er aber nur treffen, wenn sich Soll- und Ist-Zustand unproblematisch decken; alle weiteren Vollzugskonstellationen, insbesondere solche, bei denen "sekundäre Elastizitäten" in die Vollzugsentscheidung einfließen (wie etwa bei der Ermessensentscheidung nach § 24 BlmSchG), sind ihm hingegen verschlossen. Unter diesem Gesichtspunkt kann er - trotz seiner Beliehenenstellung - nur als funktional agierender Gehilfe der Behörde angesehen werden.
21
Siehe oben A III.
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IV. Setreibereigene Überwachung Schließlich gibt auch im Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen Elemente einer betreibereigenen Überwachung. Genau wie bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen soll hierunter die Überwachung durch eigene oder herangezogene Kräfte des Anlagenbetreibers verstanden werden. Der Schwerpunkt dieser Überwachungsvariante liegt wiederum in der Sachverhaltsermittlung und kann nach den beiden großen Bereiche der Messungen und der technischen Prüfungen differenziert werden. 1. Messungen
Messungen können auch hier dazu dienen, die Ist-Situation hinsichtlich der Immissions- und Emissionsverhältnisse bezüglich der Anlage festzustellen. a) Messungen durch betreiberbestellte Dritte Messungen können einmal durch private Dritte im Auftrag des Anlagenbetreibers vorgenommen werden. Dies kann aufgrund einer behördlichen Einzelfallanordnung oder aufgrund einer verordnungsrechtlichen Verpflichtung geschehen; die bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen gegebene dritte Möglichkeit, eine dahingehende Verpflichtung des Setreibers bereits durch eine Auflage zur Anlagengenehmigung zu begründen22, entfällt hingegen bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen. aa) Messungen aufgrundeiner behördlichen Anordnung nach § 26 B/mSchG
Nach § 26 BimSchG hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, die Durchfilhrung von Ermittlungen nach dieser Vorschrift auch gegenüber dem Setreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage anzuordnen. Im Vergleich mit der Anordnungsbefugnis gegenüber genehmigungsbedürftigen Anlagen ist diese Kompetenz allerdings insoweit eingeschränkt, als sie auf den Anwendungsbereich des § 22 BlmSchG limitiert ist. Diese Einschränkung bezieht sich auf§ 22 Abs. I Satz 3 BlmSchG, demzufolge die Grundpflichten des § 22 Abs. I Satz I BlmSchG bei nichtgewerblichen Anlagen nur bezüglich Luftverunreinigungen und Geräuschen gelten. Bei Anlagen außerhalb des gewerblich-wirtschaftlichen Bereichs, insbesondere also bei solchen in Privat-
22
Siehe oben§ 8 B II 2 a aa (3).
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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haushalten, kommen Ermittlungen nach § 26 BlmSchG also von vomherein nur hinsichtlich dieser beiden spezifischen Umwelteinwirkungen in Betracht. Im übrigen gilt jedoch filr diese Anordnungen genau das gleiche wie filr Anordnungen gegenüber genehmigungsbedürftigen Anlagen. Voraussetzung ist also ein Verdacht auf schädliche Umwelteinwirkungen, die möglicherweise von der Anlage hervorgerufen werden. Um diesem Verdacht nachzugehen, können Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie der in ihrem Einwirkungsbereich auftretenden Immissionen ermittelt werden. Hierzu werden regelmäßig Messungen stattzufmden haben; theoretisch sind jedoch auch andere Ermittlungsmethoden denkbar. Die Behörde kann zu diesem Zweck dem Setreiber aufgeben, aus der Reihe der hierfilr bekanntgegebenen Stellen eine zu bestimmen und sie mit der Durchfilhrung der geforderten Ermittlungen zu beauftragen. Dabei wird die konkrete Stelle wieder auf Veranlassung des Setreibers tätig und stellt sich somit als ein Element der betreibereigenen Überwachung dar. Die Meßergebnisse sind der zuständigen Behörde gemäߧ 31 BlmSchG aufVerlangen mitzuteilen. Außerhalb solcher Verdachtsmessungen sind behördliche Einzelanordnungen in diesem Bereich nicht möglich, da insbesondere die Befugnis der Behörde, regelmäßige Messungen nach § 28 BlmSchG anzuordnen, sich nur auf genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt. Auch auf § 24 BlmSchG könnte eine solche Anordnung nicht gestützt werden, da sonst die Regelung des § 26 BlmSchG unterlaufen würde23 • Unberilhrt bleibt freilich die Möglichkeit der Behörde, entsprechende Messungen nach § 52 Abs. 2 BlmSchG durch eigene Kräfte oder Beauftragte vornehmen zu lassen.
bb) Messungen aufgrundverordnungsrechtlicher Verpflichtung Verordnungsrechtliche Meßverpflichtungen sind in der 2., 20. und 27. BlmSchV festgelegt. Nach § 12 Abs. 2 der 2. BlmSchV müssen die Setreiber bestimmter Anlagen, filr die Emissionswerte filr leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe festgelegt sind, die Einhaltung dieser Anforderungen nach der Inbetriebnahme durch Messungen einer bekanntgegebenen Stelle nach § 26 BlmSchG überprilfen lassen. Nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 der 2. BlmSchV haben dann wiederkehrende Messungen der gleichen Art in jährlichen Abständen zu erfolgen. Eine vergleichbare Regelung findet sich neuerdings auch in § 9 der 27. BlmSchV filr die Einhaltung bestimmter Grenzwerte beim Betrieb von Krematorien.
23
Jarass, BlmSchG, § 24 Rn. 9.
17 Ludwig
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Diese Konstellation der erstmaligen Kontrolle nach Inbetriebnahme und der Folgekontrollen in regelmäßigen Abständen entspricht dem Modell, wie es etwa ftlr Großfeuerungsanlagen (nach § 22 Abs. I der 13. BimSchV) oder filr Abfallverbrennungsanlagen (nach § 13 Abs. 2 der 17. BimSchV) bereits dargestellt worden ise4. Der Setreiber schließt also mit der jeweiligen bekanntgegebenen Stelle eine privatrechtliche Meßvereinbarung ab. Zwar kann es auch hier - wie bei der Überwachung durch den Bezirksschornsteinfeger - bei festgestellten Mängeln zu Wiederholungsmessungen kommen (vgl. § 12 Abs. 4 der 2. BimSchV), aber weder stellt die bekanntgegebene Stelle dem Setreiber eine förmliche Übereinstimmungsbescheinigung aus, noch übermittelt sie die Meßergebnisse an die zuständige Behörde. Die bekanntgegebene Stelle hat folglich wiederum ausschließlich sachverhaltsermittelnde Funktion und ist in keiner Weise beliehen. Die Bekanntgabe der Meßergebnisse an die Behörde muß vielmehr gemäß § 12 Abs. 6 der 2. BlmSchV bzw. § 10 Abs. 1 der 27. BimSchV durch den Setreiber selbst erfolgen. Schließlich sind Messungen im Rahmen der 20. BlmSchV vorgesehen, namentlich bei Kraftstofftanks, die nach § 3 Abs. 2 der 20. BimSchV mit einer Abgasreinigungsanlage ausgestattet sein müssen25 • In diesen Fällen muß der Setreiber den Reinigungsgrad dieser Anlage nach der Inbetriebnahme und dann in dreijährigen Abständen von einer bekanntgegebenen Stelle nach § 26 BlmSchG messen lassen und das Meßergebnis an die Behörde weiterleiten (§ 7 Abs. 3 u. 4 der 20. BlmSchV). Darüber hinaus muß er den Reinigungsgrad alle sechs Monate von einem Fachbetrieb feststellen lassen und diese Aufzeichnungen der Behörde auf deren Verlangen hin vorlegen (§ 6 Abs. 2 u. 3 der 20. BlmSchV). Die erste Variante weist hierbei keine Besonderheiten auf. Die bekanntgegebene Stelle wird wiederum allein aufgrund einer privatrechtliehen Vereinbarung mit dem Setreiber auf dem Gebiet der Sachverhaltsermittlung tätig. Die Meßergebnisse können dann gegebenenfalls von der Behörde zur Grundlage eigener Vollzugsentscheidungen gemacht werden. Allenfalls ist bemerkenswert, daß sich die Messungen - anders als etwa bei § 26 BlmSchG - nicht direkt auf die Emissionen der Anlage beziehen, sondern vielmehr auf die Effizienz der eingebauten Emissionsminderungstechnik Die zweite Variante ist insoweit anders, als die dortigen Messungen nicht durch eine nach § 26 BlmSchG bekanntgegebene Stelle erfolgen müssen, sondern durch einen Fachbetrieb vorgenommen werden können. Der Setreiber ist insoweit freier in seiner Auswahl. Unter Fachbetrieb ist nach der Definition des § 2 Abs. 2 der 20. BimSchV ein Betrieb im Sinne von Nummer 180. 1 Abs. 4 24 25
Siehe oben § 8 B II 2 a aa (2). Dazu auch GK-Roßnagel, § 23 Rn. 124.
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des Anhangs II Teil I zu § 4 Abs. 1 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) zu verstehen. Die genannte Vorschrift besagt, daß ein solcher Betrieb über die notwendigen Geräte und Ausrüstungsteile fUr eine gefahrlose DurchfUhrung der (Prüf-)Arbeiten und über das erforderliche, d. h. hinreichend ausgebildete, Fachpersonal verfügen muß. Mit diesen Anforderungen an die spezifische Qualiftkation des Betriebes soll sichergestellt werden, daß die Meßergebnisse korrekt erhoben werden; das stellt unter dem Aspekt der Qualitätssicherung gewissermaßen das Pendant zur relativ freieren Auswahl der Meßstelle durch den Setreiber dar. Ansonsten bleibt es aber auch hier dabei, daß der Fachbetrieb vom Setreiber durch eine privatrechtliche Vereinbarung herangezogen wird und lediglich bestimmte Tätigkeiten der Sachverhaltsermittlung vornimmt. b) Kontinuierliche Messungen durch Meßgeräte Neben den beschriebenen Einzelmessungen durch betreiberbestellte Dritte gibt es auch im Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen Ansatzpunkte fUr kontinuierliche Messungen, die von Aufzeichnungsgeräten selbsttätig durchgefilhrt werden können. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Überwachungsart hier wesentlich kleiner als im Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen, da der Aufwand fUr die Installierung derartiger Meßapparaturen gegenüber der Emissionsträchtigkeit der Anlagen oft unverhältnismäßig groß ist. Insgesamt gibt es zwei Vorschriften, die eine derartige Ermittlung betreffen.
aa) Kontinuierliche Messungen aufgrundeiner behördlichen Anordnung nach§ 29 Abs. 2 BlmSchG Zum einen kann die Installation einer derartigen Meßeinrichtung durch Einzelfallanordnung der Behörde nach § 29 Abs. 2 BimSchG gefordert werden. Dabei ist wie bei den Anordnungen nach § 26 BimSchG zu beachten, daß diese Möglichkeit nur im Anwendungsbereich des § 22 BlmSchG besteht; bei nicht gewerblich oder wirtschaftlich genutzten Anlagen beschränkt sich die Anordnungsbefugnis also auf die Ermittlung von Luftverunreinigungen und Geräuschen26. Die Anordnung muß sich aufbestimmte Immissionen oder Emissionen beziehen. Außerdem ergibt sich an dieser Stelle aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit27, daß fUr derartige Anordnungen bei einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage (mit einem vergleichsweise geringen Gefli.hrdungspotential) 26 § 22 Abs. I Satz 3 BlmSchG. 27 Vgl. den ausdrücklichen Vorbehalt der Erforderlichkeil in§ 29 Abs. 2 BlmSchG.
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ein gewisser Anfangsverdacht auf die Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen vorhanden sein muß28 • Zur Qualitätssicherung der Messungen kann die Behörde wiederum eine regelmäßige Kalibrierung und Wartung der Meßapparaturen durch unabhängige Dritte verlangen. Die Weitergabe der Meßaufzeichnungen an die Behörde richtet sich nach§ 31 BimSchG. bb) Kontinuierliche Messungen aufgrundverordnungsrecht/icher Verpflichtung
In zwei Fällen sind kontinuierliche Messungen verordnungsrechtlich angeordnet bzw. zugelassen. Nach § 12 Abs. 7 Satz 1 der 2. BimSchV entfallen bei Anlagen, in denen leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe verwendet werden, die wiederkehrenden Messungen nach§ 12 Abs. 3 Satz 1 der 2. BimSchV, wenn die Einhaltung der einschlägigen Anforderungen stattdessen durch kontinuierliche Messungen mit aufzeichnenden Meßgeräten nachgewiesen wird. Der Setreiber hat nach dieser Vorschrift also die Wahl, ob er die Überwachung mittels wiederkehrender Messungen durch eine nach § 26 BimSchG bekanntgegebene Stelle oder mittels selbsttätig aufzeichnender Apparaturen wählt. Im letzteren Falle sind die Meßgeräte einmal jährlich durch eine bekanntgegebene Stelle zu kalibrieren und die Meßaufzeichnungen der Behörde auf Verlangen vorzulegen(§ 12 Abs. 7 Sätze 2 u. 3 der 2. BlmSchV). In ähnlicher Weise ordnet§ 7 der 27. BimSchV kontinuierliche Messungen durch Meßgeräte filr Krematorien an (allerdings ohne Wahlmöglichkeit des Betreibers). Auch dort sind gemäߧ§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 der 27. BimSchV regelmäßige Funktionsüberprüfungen, Neukalibrierungen und die Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen und Meßberichte an die Behörde vorgesehen. Abweichungen von dem gewöhnlichen Modell der Überwachung durch aufzeichnende Meßeinrichtungen ergeben sich in beiden Fällen nicht. 2. Technische Prüfungen
Neben den Messungen ist der Bereich der technischen Prüfungen der zweite Komplex, in dem eine nennenswerte private Überwachungstätigkeit stattfindet. Hierbei handelt es sich also vor allem um eine Überwachung der technischen Funktionsfähigkeit von Anlagen und Anlagenteilen, die aus Gründen des Immissionsschutzes und der Emissionsminderung vorgeschrieben sind.
28
Feldhaus, BlmSchR, Anm. 5 zu § 29 BlmSchG; Jarass, BlmSchG, § 29 Rn. 3.
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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a) Technische Prüfungen aufgrundeiner behördlicher Anordnung Die Vorschrift des § 29 a BlmSchG, die die Anordnung sicherheitstechnischer Prüfungen durch betreiberbestellte Sachverständige bzw. betreibereigene Kräfte zuläßt, fmdet auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen keine Anwendung. Grund dafilr ist einmal mehr das geringere Gefahrenpotential dieser Anlagen, das auch bezüglich der Störfallsicherheit eine weniger ausdifferenzierte Normierung ausreichend erscheinen läßt. Entsprechende Anordnungen können aber grundsätzlich auf§ 24 BlmSchG gestützt werden29• Allerdings ist dabei die Regelung der Kostenverteilung in § 52 Abs. 4 Satz 3 BlmSchG zu beachten. Danach trägt der Setreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage die Kosten einer derartigen behördlichen Überwachungsmaßnahme nur dann, wenn sie einen konkreten Vollzugsbedarf offenlegt Ergibt also die technische Prüfung, daß die Anlage in Ordnung ist, so fallen die Kosten dafilr letztlich der Staatskasse zur Last, wenn die Behörde die Prüfung selbst vornimmt oder durch ihre Beauftragten durchfUhren läßt. Diese Kostenverteilung darf die Behörde nicht dadurch umgehen, daß sie nach § 24 BlmSchG dem Setreiber aufgibt, solche Prüfungen nach dem Modell der §§ 26, 29 a Abs. 1 BlmSchG auf eigene Kosten von externen Sachverständigen durchfUhren zu lassen. Deshalb wird diese Form der Anordnungen praktisch nur selten in Betracht kommen. b) Technische Prüfungen aufgrund verordnungsrechtlicher Verpflichtung Schließlich gibt es auf verordnungsrechtlicher Basis verschiedene Ansatzpunkte filr privat durchgefilhrte technische Prüfungen. So legt etwa § 11 Abs. 2 der 2. BlmSchV fest, daß die Setreiber bestimmter Anlagen die nach dieser Verordnung vorgeschriebenen Abscheider mindestens arbeitstäglich zu prüfen haben. Diese technischen Prüfungs- und Wartungsarbeiten kann der jeweilige Setreiber selbst, d. h. durch eigenes Personal durchftlhren lassen, bedarf also dazu nicht der Heranziehung externer Dritter, so daß es sich dabei um eine Konstellation der echten Eigenüberwachung handelt. Ähnliches gilt filr die verschiedenen Aufzeichnungspflichten des § 11 Abs. I der 2. BlmSchV, die freilich (mit Ausnahme der Nr. 4) keine technischen Prüfungen zum Gegenstand haben. Die Aufzeichnungen sind auf Verlangen der Behörde vorzulegen. Im Rahmen des§ 11 Abs. 2 der 2. BlmSchV hat der Betreiber wahlweise die Möglichkeit, die Funktionsfähigkeit des Abscheiders durch Meßgeräte automatisch überprüfen zu lassen.
29
Feldhaus, BlmSchR, Anm. 10 vor§§ 26 ff. BlmSchG.
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§ 9 Kontrolle nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
Im Bereich der 20. BimSchV betrifft die technische Überwachung die Gaspendelsysteme, mit denen vor allem Kraftstofftanks nach § 3 Abs. 1 der 20. BimSchV ausgerüstet sein müssen. Der Setreiber hat den einwandfreien Zustand des Gaspendelsystems vor der Inbetriebnahme von einem Sachverständigen feststellen zu lassen (§ 7 Abs. 2 Satz I der 20. BimSchV) und dann jährlich von einem Fachbetrieb überprüfen zu lassen (§ 6 Abs. I Satz I der 20. BimSchV). Die Prüfergebnisse der Erstprüfung ortsfester Anlagen sind der Überwachungsbehörde ohne weiteres, die sonstigen Prüfergebnisse auf Verlangen vorzulegen(§§ 7 Abs. 4, 6 Abs. 3 der 20. BimSchV). Nach den Definitionen in§ 2 Abs. 2 u. 3 der 20. BimSchV sind Fachbetriebe und Sachverständige solche im Sinne der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF). Nach Maßgabe des§ I6 Abs. I Nr. 2 VbF können Sachverständige auch Werksangehörige sein, sofern sie die erforderliche Qualifikation aufweisen und von der Behörde zu diesem Zweck anerkannt worden sind. In diesem Fall ist dann ähnlich wie im Rahmen des § 29 a Abs. I Satz 2 BimSchG30 - eine echte Eigenüberwachung möglich31 ; ansonsten handeln Sachverständige und Fachbetriebe als betreiberbestellte Dritte. Schließlich enthält die 21. BimSchV Vorschriften über die Überwachung der Gasrückfiihrsysteme bei Tankstellen32• Der Tankstellenbetreiber hat die Funktionsfähigkeit des Gasrückfiihrsystems erstmalig nach der Inbetriebnahme sowie dann in tuntjährigen Abständen von einem Sachverständigen feststellen Vgl. dazu oben§ 8 B II 3 b aa (2). In dieser Richtung ist weitergehend zu überlegen, ob nicht bei Großunternehmen, die die daflir erforderlichen Kapazitäten aufweisen, auch die Prüfaufgaben der Fachbetriebe von werkseigenen Abteilungen vorgenommen werden könnten. Hierfür enthalten zwar die einschlägigen Vorschriften - anders als § 16 Abs. 1 Nr. 2 VbF - keine ausdrückliche Grundlage. Jedoch umreißt Nummer 180.1 Abs. 4 des Anhangs II Teil 1 zu § 4 Abs. 1 VbF, auf den § 2 Abs. 2 der 20. BimSchV verweist, qualitative Anforderungen an den Fachbetrieb, die möglicherweise ebenso gut von unternehmensinternen Stellen erfüllt werden können. Im Zusammenhang dieser VbF-Vorschriften ist außerdem zu beachten, daß diese spezifischen Anforderungen an einen externen Betrieb dann gelten sollen, wenn dieser Tätigkeiten der Instandhaltung und Reinigung der Anlage ausführt; dies sind aber Aufgaben, die dem Anlagenbetreiber ohnehin selbst nach § 21 VbF zugewiesen sind. Im Regelwerk der VbF kann also der Betreiber diese Tätigkeiten auch selbst vornehmen, wenn er aber einen externen Betrieb beauftragt, muß dieser den genannten Anforderungen gerecht werden. Dies spricht dafür, auch insoweit eine Eigenüberwachung grundsätzlich zuzulassen. Das wäre auch mit der Systematik der Überwachung in diesem Bereich in Übereinstimmung zu bringen: wenn die Sachverständigenprüfungen, die gerade als Erstprüfungen eine herausgehobene Bedeutung haben, von betriebseigenen Kräften durchgeführt werden können, sollte dies erst recht bei den zwischenzeitliehen Routineprüfungen möglich sein. Allerdings scheidet die Beschränkung der 20. BimSchV auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gerade diejenigen Anlagen aus dem Anwendungsbereich aus, bei denen dadurch, daß sie Teil einer großen Gesamtanlage sind, am ehesten die betrieblichen Voraussetzungen für eine derartige Eigenkontrolle gegeben wären. 32 GK-Roßnage/, § 23 Rn. 132. 30
31
B. Private Mitwirkung bei der Befolgungskontrolle
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zu lassen (§ 6 Abs. 2 der 21. BlmSchV), dazwischen sind jährliche Überprüfungen durch einen Fachbetrieb vorgeschrieben (§ 5 Abs. I Satz I der 21. BlmSchV). Der Prüfbericht der Sachverständigenprüfung ist der Behörde zuzuleiten, die anderen Prüfberichte sind ihr auf Verlangen bekanntzugeben (§§ 6 Abs. 4, 5 Abs. 2 der 21. BlmSchV). Sachverständige und Fachbetriebe sind wiederum solche im Sinne der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (vgl. die Definitionen in § 2 der 21 . BlmSchV), so daß auch insoweit die Möglichkeit einer echten Eigenüberwachung eröffnet ise3 . 3. Einordnung unter Privatisierungsgesichtspunkten
Die Übertragung der Messungen und technischen Prüfungen auf Private läßt sich wiederum unschwer als funktionale Privatisierung einordnen. Die Behörde läßt auch hier konkrete Teile der Sachverhaltsermittlung von Privaten durchfUhren und hat durch die diesbezüglichen Mitteilungspflichten Zugriff auf diese Informationen, was sie befiihigt, darauf aufbauend ihre eigene Vollzugsentscheidung zu treffen. Die hier engagierten Privaten haben also die zuarbeitende Funktion, die fiir funktionale Privatisierungsmaßnahmen typisch ist.
33 Allerdings werden die personellen Voraussetzungen für eine echte Eigenüberwachung bei Tankstellen normaler Größe, für die die 21 . BlmSchV in erstei· Linie gilt (nämlich bis zu einer Lagerkapazität von 10.000 t Kraftstoff, vgl. Ziffer 9.2 des Anhangs zur 4. BlmSchV), kaum je gegeben sein, so daß diese Möglichkeit eine weitgehend theoretische ist.
§ 10 Private Normung Als ein eigener Fall privater Mitwirkung am immissionsschutzrechtlichen Vollzug soll schließlich noch der Bereich der privaten Nonnung behandelt werden. Privat erstellte oder unter Mitwirkung von Privaten entstandene generelle Regelwerke, durch die die unbestimmten Vorgaben des Gesetzgebers konkretisiert werden, gibt es sowohl im Bereich des genehmigungsabhängigen wie des genehmigungsunabhängigen Vollzugs. Daher, und weil die vollzugsrelevante private Tätigkeit dann eben im Vorfeld einer konkreten Vollzugsentscheidung abläuft, erfolgt die Darstellung hier in einem gesonderten Abschnitt. Die private Nonnungstätigkeit ist im Vollzugsmodell weitestgehend auf der Stufe der Nonnkonkretisierung anzusiedeln. Sie kann überall dort angenommen werden, wo diegesetzgeberischen Soll-Vorgaben durch allgemeine, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Erläuterungen konkretisiert werden, und diese allgemeingültigen Maßgaben unter Mitwirkung von Privaten entstanden sind. Daneben gibt es in geringerem Umfang privat gestaltete oder mitgestaltete Regelungen auf der Ebene der Sachverhaltsennittlung, insbesondere Verfahrensvorschriften für Messungen und für die Berechnung von Sachverhaltsprognosen1. Dabei sind zwei grundsätzliche Erscheinungsfonneo privater Nonnungstätigkeit strikt zu unterscheiden. Zum einen handelt es sich um die private Mitwirkung an den generellen Regelwerke der Exekutive, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, mit denen die gesetzlichen Vorschriften des BundesImmissionsschutzgesetzes konkretisiert werden. Diese Regelwerke werden von den Organen der staatlichen Exekutive erlassen und damit für die rechtsanwendenden Behörden verbindlich in Kraft gesetzt, an ihrer Entstehung sind jedoch mitunter in maßgeblichem Umfang nichtstaatliche Kräfte beteiligt. Daneben gibt es Regelwerke, die ohne direkte staatliche Beteiligung von privater Seite, nämlich den privaten Nonnungsverbänden, ausgearbeitet werden. Diese Vorschriften sind zwar mangels einer dahinterstehenden staatlichen Autorität rechtlich nicht verbindlich, haben aber meist eine um so größere praktische Bedeutung. Bei der letzteren Fonn handelt es sich um private Nonnung im ei-
1 Vgl. z. B. die Verweisungen in Ziffer 3.2.2.3 TA Luft auf die in den Anhängen F und G aufgeführten VDI-Richtlinien bezüglich der Durchführung von Emissionsmessungen und Probenahmen.
A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung
265
gentliehen Sinne; hier sollen jedoch beide Bereiche unter diesem Begriff beleuchtet werden. Zwischen den beiden genannten Varianten liegen noch diejenigen Konkretisierungsmaßgaben, die zwar von staatlich eingesetzten und angeleiteten Gremien erarbeitet werden, dann aber nicht durch einen staatlichen Akt verbindlich festgeschrieben werden. Hierbei handelt es sich vor allem um die "Empfehlungen", "Richtlinien" usw. der zahlreichen Ausschüsse, Beratungskomitees und sonstigen Gremien, die allenthalben in den Geschäftsbereichen der verschiedenen Ministerien anzutreffen sind und bei denen ebenfalls häufig ein starker Gestaltungseinfluß der nichtstaatlichen Partizipienten besteht. Auch ihre praktische Bedeutung kann im einzelnen Vollzugsverfahren - ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit - recht beträchtlich sein. Alle diese Formen privater Normierungstätigkeit können Einfluß auf den Gesetzesvollzug im Einzelfall haben, wenn und soweit sich nämlich die Vollzugsbehörde aufgrund der privat kreierten oder mitgestalteten Regelungen auf eine bestimmte Form der Sachverhaltserhebung oder auf eine bestimmte Konkretisierung der gesetzlichen Soll-Anforderungen einläßt.
A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung Die private Mitwirkung an staatlichen Konkretisierungsvorschriften besteht in der Einflußnahme auf die exekutive Normkonkretisierung durch Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie in der Beteiligung an den staatlich institutionalisierten Beratungsgremien.
I. Die Anhörung der beteiligten Kreise beim Erlaß untergesetzlicher Konkretisierungsvorschriften gemäß § 51 BlmSchG Wie oben dargelegt wurde2, sind filr genehmigungsbedürftige Anlagen vor allem die 12., 13., 17., 22. und 25. BlmSchV sowie die Technischen Anleitungen Luft und Lärm relevant, fiir die nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen sind es die 1., 2., 7., 8., 15., 18., 20., 21., 26. und 27. BlmSchV. Diese Vorschriften legen vor allem Immissionswerte als Fixierungen der gesetzlichen Gefahrengrenze des Schutzprinzips fest, bestimmen Emissionswerte, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und legen weitere Vorsorgeanforderungen fest. Damit konkretisieren sie die grundlegenden gesetzlichen Anforde2 Siehe bezüglich der genehmigungsbedürftigen Anlagen oben § 3 B I I b, bezüglich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen § 3 B II 2 b.
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§ 10 Private Normung
rungen des Schutz- und Vorsorgeprinzips nach den §§ 5 Abs. I Nr. 1 u. 2, 22 Abs. I, 23 Abs. 1 BimSchG. Rechtsverordnungen sind untergesetzliche Normen gemäß Art. 80 GG mit Außenwirkung. Sie gelten sowohl gegenüber der rechtsanwendenden Behörde als auch gegenüber dem betroffenen Bürger und den kontrollierenden Gerichten. Verwaltungsvorschriften des Bundes im Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes basieren auf Art. 84 Abs. 2 GG. Sie sind grundsätzlich reines Binnenrecht, gelten also nur für die rechtsanwendende Behörde, nicht jedoch filr Bürger und Gerichte. Die umstrittene Frage, ob etwa die technisch und wissenschaftlich besonders ausgefeilten Technischen Anleitungen als "normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften" ausnahmsweise doch eine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten beanspruchen können und insoweit die gerichtliche Prüfungskompetenz limitieren , braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, da die Bindung der rechtsanwendenden Behörden jedenfalls feststeht4 • Dies allein soll der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung zum behördlichen Vollzug sein. Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im Immissionsschutz werden regelmäßig von der Bundesregierung erlassen, meist mit dem Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates5 . Das bedeutet, daß nach der Vorbereitung des jeweiligen Normentwurfs durch das federruhrende Ministerium - üblicherweise durch den Bundesminister filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) - und der Abstimmung mit den anderen beteiligten Behörden ein Kabinettsbeschluß erforderlich ist, um die jeweilige Regelung in Kraft zu setzen. Formell handelt es sich damit um einen Akt der Normkonkretisierung, der allein durch die staatliche Exekutive erfolgt. 3 So BVerwGE 72, 300 (316 ff.) fllr das Atomrecht ("Whyl"); OVG Münster, DVBI 1988, 152 (153) überträgt diese Gedanken auf das Immissionsschutzrecht; mit etwas anderem Ansatzpunkt auch schon OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 357. Aus der reichhaltigen Literatur vgl. nur Jarass, NJW 1987, 1225 (1228 ff.); Breuer, NVwZ 1988, 104 (110 ff.); Hili, NVwZ 1989,401 ff.; Di Fabio, DVBI 1992, 1338 (1340); Gusy in Koch/ Lechelt, Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (199 ff.); kritisch Koch, ZUR 1993, 103 ( 104). Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Begründungsansätze liefert Mühlenbruch, Außenwirksame Nonnkonkretisierung durch Technische Anleitungen, S. 44 ff., 71 ff., 82 ff., 94 ff. 4 Die Bindung der Behörde an diese Verwaltungsvorschriften entfällt allerdings ebenfalls, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, vor allem wenn neuere Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich ergibt, daß die Maßgaben der Technischen Anleitungen überholt sind und den aktuellen Stand der Technik oder die wissenschaftlichen Grundlagen der Wirkungsprognose nicht mehr richtig wiedergeben; vgl. dazu BVerwG, DVBI 1988, 539; Jarass, BimSchG, § 48 Rn. 10; Feldhaus, BlmSchR, Rn. 2 zu§ 48 BlmSchG; Gusy in Koch/Lechelt, Zwanzig Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, S. 185 (203). 5 Vgl. §§ 7 Abs. I, 23 Abs. I Satz I, 32 Abs. I Satz 1 BlmSchG für Rechtsverordnungen, § 48 BimSchG für Verwaltungsvorschriften.
A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung
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Dessen ungeachtet besteht aber materiell oft ein erheblicher Einfluß privater, also staatsferner Kräfte, auf die inhaltliche Gestaltung dieser Vorschriften. Das ergibt sich fiir den hier interessierenden Bereich insbesondere daraus, daß vor dem Erlaß der betreffenden Vorschrift jeweils eine "Anhörung der beteiligten Kreise" stattzufinden hat. So bestimmt es § 7 Abs. 1 BlmSchG fiir die Verordnungen, die die Setreiberpflichten des § 5 BlmSchG filr genehmigungsbedürftige Anlagen konkretisieren sollen; entsprechendes gilt bei § 23 Abs. 1 BlmSchG bezüglich der Schutz- und Vorsorgepflichten bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen und bei § 32 Abs. 1 Satz I BlmSchG bezüglich der Anforderungen an serienmäßig hergestellte Anlagen. Auch § 48 BlmSchG koppelt den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften an die vorherige Anhörung der beteiligten Kreise. Diese Anhörung ist damit im anlagenbezogenen Immissionsschutz flächendeckend als Verfahrenselement vor dem Erlaß exekutiver Konkretisierungsregelungen etabliert. Was darunter zu verstehen ist, wird durch § 51 BlmSchG filr alle Anwendungsflille näher erläutert. Danach soll ein jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden gehört werden. Das dient dem Zweck, sowohl den Sachverstand dieser Personengruppen und Institutionen als auch deren verschiedene, häufig widerstreitende, Interessen in den Normkonkretisierungsprozeß miteinzubeziehen6 • Damit kann zugleich das Ziel verfolgt werden, den Vorgang der exekutiven Normkonkretisierung transparenter zu machen und der schließlich erlassenen Exekutivnorm durch Konsens ein Mehr an Akzeptanz zu verschaffen 7 • Was die Zusammensetzung der beteiligten Kreise anbetrifft, so ist ersichtlich, daß es sich mit Ausnahme der obersten Landesbehörden dabei weitgehend um nichtstaatliche Kräfte handelt8 • Sowohl die Vertreter der beteiligten Wirtschaft (als potentielle oder tatsächliche Anlagenbetreiber) auf der einen Seite als auch die Betroffenen auf der anderen Seite sind regelmäßig Privatpersonen bzw. -Organisationen, und auch bei den Vertretern der Wissenschaft handelt es sich üblicherweise um Personen, die nicht in den staatlichen Behördenapparat eingebaut sind, selbst wenn sie - wie zum Beispiel Hochschullehrer - in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis stehen sollten. Der Kreis der zu beteiligenden Vertreter wird von der Behörde, die filr den Erlaß der jeweiligen 6 Siehe dazu die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache 7/179, S. 46; die gegenüber dem Entwurf in der Endfassung der Vorschrift vorgenom· menen Änderungen berühren diese grundsätzlichen Zwecküberlegungen nicht. 7 GK-Koch, §51, Rn. 2 u. 9 f. 8 Auf die Beteiligung von Vertretern des Verkehrswesens wird mangels Erheblichkelt fllr den hiesigen Untersuchungsgegenstand nicht weiter eingegangen.
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§ 10 Private Normung
Konkretisierungsvorschrift zuständig ist,- jeweils im Einzelfall bestimmt; bei den hier relevanten Fällen obliegt die Bestimmung regelmäßig dem federführenden BMU9• Die Behörde muß bei der Auswahl der anzuhörenden Personen und Organisationen darauf achten, daß keine Einseitigkeit der vertretenen Positionen entsteht; dies würde dem Zweck der Vorschrift, eine möglichst breite Grundlage für die exekutive Normkonkretisierung bereitzustellen, zuwiderlaufen10. Das Anhörungsverfahren selbst ist gesetzlich nicht geregelt. Deshalb liegt die konkrete, verfahrensmäßige Ausgestaltung der Anhörung im Ermessen der anhörenden Behörde. Als Mindestvoraussetzung wird zu fordern sein, daß die Behörde den beteiligten Kreisen hinreichend Zeit für eine Artikulierung ihrer Ansichten und Vorschläge gibt und diese dann in geeigneter Form zur Kenntnis nimmt 11 • Ein schwerer Fehler im Anhörungsverfahren oder ein völliges Unterbleiben desselben kann die erlassene Vorschrift nichtig machen 12• Im Anhörungsverfahren haben die privaten Vertreter der beteiligten Kreise weitreichende Möglichkeiten, auf den staatlichen Normkonkretisierungsprozeß einzuwirken. Sie können zum einen ihren spezifischen, am Regelungsgegenstand häufig schon praktisch erworbenen Sachverstand einbringen, um die Konkretisierung auf eine solide wissenschaftlich-technische Basis zu stellen. Darauf ist die Behörde vielfach auch wiederum angewiesen, weil insoweit das gleiche gilt wie in kleinerem Rahmen auf der Ebene der Einzelfallkonkretisierung durch Sachverständige: das federführende Ministerium hat meistens nicht für alle Fragen eigene Experten zur Hand. Diese fehlenden Kenntnisse können oft nur durch die Einbeziehung der Vertreter der Wissenschaft, aber auch der betroffenen Industrie, beschafft werden 13 • Daneben haben die beteiligten Krei-
Feldhaus, BlmSchR, Anm. 3 zu§ 51 BlmSchG_ GK-Koch, § 51 Rn. 31 bezeichnet die Kriterien flir die Auswahlentscheidung der Behörde als "Gegenmachtbildung" und "Kontrastinformation". Damit wird, ganz in der Tradition des alten Rechtssatzes "audiatur et altera pars" gefordert, daß sowohl beflirwortende als auch skeptische Stimmen zu einem Konkretisierungsvorschlag zu Wort kommen müssen. 11 Feldhaus, BlmSchR, Anm. 4 zu§ 51 BlmSchG; die Anhörung kann dabei gegebenenfalls auch schriftlich erfolgen. 12 Streitig, vgl. z. B. GK-Koch. § 51 Rn. 36 ff. (Nichtigkeit) und Jarass, BlmSchG, § 51 Rn. 4 (bloße Ordnungsvorschrift). 13 Vgl. auch Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (248), die darauf hinweist, daß der erforderliche spezielle Sachverstand in diesen Normierungsbereichen außerhalb der betroffenen Wirtschaftszweige kaum anzutreffen ist. Außer den hier zu behandelnden institutionalisierten Anhörungen hat die federfUhrende Behörde freilich regelmäßig auch die Möglichkeit, sich den zur Normschöpfung erforderlichen Sachverstand wiederum durch die punktuelle Beteiligung von Sachverständigen zu verschaffen. Dafllr gibt es keine festliegenden Vorschriften, die Sachverständigenbeteiligung im Normierungsverfahren folgt aber in ihren wesentlichen Zügen den gleichen Regeln wie diejenige im einzelnen 9
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A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung
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se, vor allem die immissionenverursachende Industrie und die von den Immissionen Betroffenen, die Möglichkeit, ihre entgegengesetzten Interessen gegenüber der Behörde zum Ausdruck zu bringen. Dies mag häufig im Ergebnis noch wichtiger sein als die reine Einbringung von wissenschaftlichem oder praktischem Sachverstand, ist doch die Konkretisierung der legislativen Vorgaben durch exekutive Regelwerke eben gerade keine Entscheidung, die auf eine einzige sachlich richtige Lösung abzielt, sondern erhebliche Abwägungs- und Interpretationsräume enthält und damit letztendlich eine politische, keine ausschließlich wissenschaftlich determinierte Entscheidung ise 4 • Als politische Entscheidung dient sie auch dem Interessenausgleich, und folgerichtig ist das Anhörungsverfahren der Punkt, an dem die einander opponierenden Interessenvertreter aufgerufen sind, ihre Positionen jeweils möglichst umfassend in der anstehenden Normkonkretisierung zur Geltung zu bringen 15 • Darin unterscheidet sich die Beteiligung nach § 51 BimSchG zugleich von der Einbeziehung privater Sachverständiger, wie sie beispielsweise im Fall der Einzelentscheidung im Genehmigungsverfahren nach§ 13 der 9. BlmSchV erfolgen kann. Während dort der Sachverständige grundsätzlich nur zu abgegrenzten Fragebereichen aus seinem Wissensgebiet Stellung nehmen soll (wobei sich ein Einfließen von Wertungen freilich nicht immer vermeiden läßt), gehen die Bekundungen von Sachverstand und Interesse bei der generalisierenden Normkonkretisierung hier ineinander über. Die einzelnen Vertreter der beteiligten Kreise sind zumeist sowohl als Sachverständige als auch als Interessenvertreter präsent; insoweit kann man je nach Betrachtungsweise in der Tat von der Beteil}fung interessierten Sachverstandes oder sachverständigen Interesses sprechen .
II. Private Mitwirkung in staatlich institutionalisierten Gremien ohne Normsetzungsfunktion Die zweite Variante, in der eine private Mitwirkung an staatlichen Normkonkretisierungstätigkeiten stattfindet, ist die Mitarbeit privater Kräfte und privaten Sachverstandes in denjenigen staatlich etablierten Gremien, die Empfehlungen, Richtlinien, gutachtliche Stellungnahmen und sonstige, inhaltlich auf die Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen gerichtete Äußerungen abgeAnwendungsfall, nur daß die zu begutachtende Frage normalerweise allgemeinerer Natur sein wird. 14 Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (235 ff.). Vgl. außerdem die Literaturangaben zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, oben Fußnote 3. 15 Vgl. GK-Koch, §51 Rn. 26 f. 16 So Lübbe-Wolff, ZG 1991, 219 (221); den Zusammenhang von Sachverstand und Interesse betont auch Lahl, ZUR 1993, 249 (250).
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§ 10 Private Normung
ben, ohne daß diese durch die Exekutivorgane formell zur Normqualität erhoben würden. Als solche Gremien finden sich im Bundes-Immissionsschutzgesetz zunächst der Technische Ausschuß ftir Anlagensicherheit nach § 31 a BlmSchG sowie die Störfall-Kommissionnach §51 a BlmSchG. In beiden Gremien sind neben Behördenvertretern auch Vertreter nichtstaatlicher Organisationen und Interessengemeinschaften, insbesondere aus der Wissenschaft und aus der beteiligten Industrie, präsene'. Insoweit ist hier, wie bei der Anhörung der beteiligten Kreise, eine Partizipation privater Kräfte gegeben. Die Berufung der einzelnen Mitglieder obliegt dem Bundesminister ftir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bei der Störfall-Kommission teilweise im Einvernehmen mit dem Bundesminister ftir Arbeit und Sozialordnung. Bei der Auswahlentscheidung sind wiederum die Kriterien der ausgewogenen Besetzung und der Vermeidung von Einseitigkeiten zu beachten. Beide Gremien dienen der Beratung der Bundesregierung in Fragen der Anlagensicherheie 8, wobei die Störfali-Kommission sich eher den allgemeineren Fragen der Anlagensicherheit widmet, während der Technische Ausschuß ftir Anlagensicherheit primär mit den technischen Details der Sicherheitstechnik befaßt ise 9 • Gleichwohl wird es unvermeidlich sein, daß sich die sachlichen Betätigungsfelder der beiden Institutionen zum Teil überschneiden; eine gewisse Koordination ihrer Arbeit soll jedoch dadurch erreicht werden, daß die beiden Vorsitzenden auch als Mitglieder in das jeweils andere Gremium berufen werden sollen 20. 1. Die Stör/all-Kommission nach§ 51 a BlmSchG Der Tätigkeitsschwerpunkt der Störfall-Kommission liegt darin, daß sie regelmäßig sowie auf besondere Veranlassung gutachtliche Äußerungen zu den Möglichkeiten einer Verbesserung der Anlagensicherheit abgeben und Vorschläge unterbreiten solf 1• Ihr Zuständigkeitsbereich ist dabei - anders als es ihr Name vermuten ließe - nicht auf den Anwendungsbereich der StörfallVerordnung (12. BlmSchV) beschränkt, sondern erstreckt sich auf das gesamte Feld der Anlagensicherheie2• Für die Form und den genauen Gegenstand der 17 Vgl. §§ 31 a Abs. 2 Satz 1, 51 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, zur aktuellen Zusammensetzung der Störfaii-Kommission GK-Brandt, § 51 a Rn. 8. 18 §§ 31 a Abs. 1 Satz 2, 51 a Abs. 1 Satz 1 BlmSchG. 19 Jarass, BlmSchG, § 31 a Rn. I; GK-Brandt, § 51 a Rn. l. 20 §§ 31 a Abs. 2 Satz 1, 51 a Abs. 1 Satz 2 BlmSchG. 21 Vgl. § 51 a Abs. 2 BlmSchG. 22 Siehe dazu die amtliche Begründung BT-Drucksache 1114909, S. 23 f; Rebentisch, NVwZ 1991,310 (313).
A. Private Mitwirkung an der staatlichen Gesetzeskonkretisierung
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Stellungnahmen existieren keine weiteren Maßgaben, insbesondere sind die zuständigen Exekutivorgane, also Bundesregierung und BMU, in keiner Weise an diese Empfehlungen und Stellungnahmen gebunden. Es handelt sich daher lediglich um interne Vorarbeiten, die freilich im Einzelfall den Anstoß oder die materielle Basis für eine nach außen wirksame Nonnkonkretisierung abgeben können. Insoweit ähnelt die Funktion der Störfali-Kommission derjenigen der beteiligten Kreise im Verfahren nach § 51 BlmSchG: der privat vorhandene Sachverstand und das privat vorhandene Interesse an der Nonnkonkretisierung werden institutionell dergestalt zusammengefaßt, daß ihre Einbringung in den exekutiven Nonnkonkretisierungsprozeß gesichert wird. Der Unterschied zu den Fällen des § 51 BlmSchG liegt freilich darin, daß die Störfali-Kommission nicht für einzelne, von vomherein determinierte Konkretisierungsvorhaben der Exekutive eingesetzt wird und sich dann dazu äußert, sondern als ein kontinuierlich tagendes Gremium dauerhaft an der Nonnkonkretisierung beratend teilnehmen soll. 2. Der TechnischeAusschuß für Anlagensicherheit nach § 31 a BlmSchG
Der Technische Ausschuß für Anlagensicherheit soll insbesondere "sicherheitstechnische Regeln" zur Verhinderung von Störfällen und zur Begrenzung von Störfallauswirkungen erarbeiten23 • Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob der Technische Ausschuß für Anlagensicherheit seinerseits auf den Bereich der Störfali-Verordnung beschränkt ise4 ; in der Praxis geht es dabei jedenfalls um die Konkretisierung des Standes der Sicherheitstechnik gemäß § 3 Abs. 4 der 12. BlmSchV2s. Die von dem Ausschuß gemachten Vorschläge können wiederum eine wichtige Grundlage für den Erlaß konkretisierender Verwaltungsvorschriften der Exekutive sein26; insoweit gilt für seine Funktion dann das gleiche wie für die Vorschläge der Störfall-Kommission. Jedoch ist in § 31 a Abs. 4 BlmSchG auch die Möglichkeit vorgesehen, daß der Bundesumweltminister die vorgeschlagenen sicherheitstechnischen Regeln nach Anhörung der zuständigen Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlicht, ohne daß sie von der Bundesregierung förmlich als Verwaltungsvorschriften nach § 48 BlmSchG beschlossen und in Kraft gesetzt würden. Damit handelt es sich bei ihnen jedenfalls nicht um exekutive Nonnen, die für die
§ 31 a Abs. l Sätze 2 u. 3 BlmSchG. Das ist ebenfalls streitig, vgl. Rebentisch, NVwZ 1991 , 310 (312) und Jarass, BlmSchG, § 31 a Rn. 3. 25 Allgemein zur Ermittlung des Stands der Sicherheitstechnik FeldhausWietfeldt/Czajka, BlmSchR, Anm. 50 ff., 62 ff. zu§ 2 der 12. BlmSchV. 26 Vgl. amtliche Begründung, BT-Drucksache 11/4909, S. 20. 23
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§ I 0 Private Normung
Vollzugsbehörde im Einzelfall rechtlich verbindlich wären27; dies allein schon aus dem Grund, daß es filr den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften hier sowohl an der Zuständigkeit des BMU (nach Art. 84 Abs. 2 GG und § 48 BimSchG ist die Bundesregierung zuständig) als auch an den Verfahrensvoraussetzungen (Zustimmung des Bundesrates, Anhörung der beteiligten Kreise) mangelt. Andererseits handelt es sich bei den sicherheitstechnischen Regeln auch nicht um rein sachverständige Aussagen im Sinne eines "antizipierten Sachverständigengutachtens", da schon die Zusammensetzung des Gremiums deutlich macht, daß es eben nicht nur eine Versammlung von Sachverständigen ist, sondern wiederum eine Koppelung von Sachverstand und Interesse unvermeidlich ise8 • Insofern können diese sicherheitstechnischen Regeln allenfalls eine "gewisse indizielle Bedeutung"29 dafilr haben, was unter dem Stand der Sicherheitstechnik im Einzelfall zu verstehen ist, und müssen von der Vollzugsbehördejeweils konkret auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden30• 3. Sonstige Beratungsgremien
Neben den beiden genannten, im Bundes-Immissionsschutzgesetz selbst verankerten Gremien gibt es außerdem noch eine Reihe von weiteren Stellen mit beratender Funktion, die teils offiziell als Beratungsgremien eingesetzt worden sind (so z. B. der Rat der Sachverständigen filr Umweltfragen31), teils als informell etablierte Arbeitsgruppen und -stäbe32 bestehen. Auch über diese Gruppen kann eine Mitwirkung außerstaatlicher Kräfte an der Gesetzeskonkretisierung erfolgen.
27 Jarass, BlmSchG, § 31 a Rn. 5; Ossenbühl, HdbStR Bd. III, § 65 Rn. 9 (zur vergleichbaren Situation im Atomrecht); offen gelassen bei Lübbe-Woljf, ZG 1991, 219 (225) und bei Lamb, ZUR 1993, 97 (99). 28 GK-Roßnage/, § 5 Rn. 116; Lübbe-Woljf, ZG 1991, 219 (235); Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 155, hebt den Kompromißcharakter hervor. 29 So BVerwG, NVwZ 1989, 1145 (1146) zu den Empfehlungen der Reaktorsicherheits-Kommission. 30 Das ist freilich, wie so manche rechtliche Betrachtungsweise, in der Praxis weitgehend Makulatur. Mangels anderer Erkenntnisquellen und angesichts der faktischen Unmöglichkeit, in jedem Einzelfall umfangreiche eigene Erhebungen über den technischwirtschaftlich realisierbaren Stand der Sicherheitstechnik anzustellen, tendieren die Vollzugsbehörden in der Praxis dazu, die Vorgaben des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit genauso wie Normen anzuwenden; dazu anband von vergleichbaren Beispielen aus dem Atom- und Gefahrstoffrecht Lübbe-Woljf, ZG 1991, 219 (225). 31 Dazu Salzwedel, HdUR Bd. II, Sp. 1663 ff. 32 Vgl. die Beispiele von Lübbe-Woljf, ZG 1991, 219 (230 f.) aus dem Bereich des Abwasserrechts; man kann davon ausgehen, daß diese Strukturen sich auch im immissionsschutzrechtlichen Bereich wiederfinden lassen.
B. Private Nonnung außerhalb des staatlichen Bereichs
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B. Private Normung außerhalb des staatlichen Bereichs Neben den genannten Fonneo einer mehr oder weniger institutionalisierten Mitwirkung privater Kräfte an der staatlichen Nonnkonkretisierung existieren schließlich noch privat erstellte Regelwerke, die inhaltlich die Konkretisierung der verschiedensten gesetzgeberischen Vorgaben im Immissionsschutz zum Gegenstand haben, jedoch ohne direkte staatliche Mitwirkung zustande kommen. Es handelt sich dabei um die technischen Regelwerke der privaten Normungsverbände, allen voran des Deutschen Instituts filr Nonnung (DIN) und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)33 .
I. Private Normungsverbände, insbesondere DIN und VDI Bei beiden Institutionen handelt es sich um private Organisationen in der Rechtsfonn des eingetragenen Vereins34, an denen der Staat personell keinen Anteil hat und die auch nicht von ihm konstituiert worden sind. Allerdings sind die Beziehungen zum Staat teilweise vertraglich geregelt, wodurch sich etwa das DIN bei seiner Nonnungstätigkeit auf das öffentliche Interesse verpflichtet hat, auch staatliche Nonnun~saufträge übernimmt, und daftlr im Gegenzug öffentliche Förderungen erhält 5• Diese Übereinkünfte wie auch die ausdrückliche Möglichkeit, daß staatliche Stellen an der Nonnungsarbeit beteiligt werden und gegebenenfalls Vertreter in die entsprechenden Gremien entsenden können, beeinträchtigen den privaten Charakter der betroffenen Verbände jedoch nicht, sondern bestätigen ihn eher. Denn indem der Staat sich zu einem solchen Abkommen mit einem privat konstituierten Verband bereit findet und mit ihm von gleich zu gleich verkehrt, erkennt er dessen wichtige Funktion an, die eben gerade daraus resultiert, daß es sich um eine nichtstaatlich funktionierende Institution handelt.
33 Zu dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Nonnungsverbänden und ihren Arbeitsbereichen vgl. Lamb, ZUR 1993, 97. Einen breiten Überblick über die technische Nonnung durch überbetriebliche private Verbände gibt Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 195 ff. (v. a. S.197 ff. (DIN) und 222 ff. (VDI)). Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 49, merkt an, daß für den Bereich des anlagenbezogenen Immissionsschutzes hauptsächlich VDI-Vorschriften, weniger DINNonnen, von Bedeutung sind. 34 Schwierz, Die Privatisierung des Staates, S. 23 f., 27. 35 Vertrag zwischen dem DIN und der Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juni 1975, Beilage zum Bundesanzeiger. Nr. 114 vom 27. Juni 1975.
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II. Ablauf der Normungstätigkeit Die eigentliche Normungsarbeit (oder, wenn man so will, Normierungsarbeit) wird innerhalb der Verbände von Untergliederungen, Ausschüssen und Kommissionen, geleistet, in denen nach den Vorschriften des jeweiligen Verbandes auch wieder ein angemessenes Verhältnis zwischen den Vertretern des Sachverstands und der verschiedenen Interessen gewahrt werden soll36• Praktisch ist hier allerdings oft ein deutliches Übergewicht der Industrievertreter zu konstatieren, was maßgeblich darauf zurückzuftlhren sein dürfte, daß die Mitarbeit in den Normungsgremien unentgeltlich erfolgt, und deshalb vor allem diejenigen Kreise, deren wirtschaftliche Interessen durch die Normsetzung unmittelbar betroffen sind, sich zu einem entsprechenden personellen und finanziellen Engagement bereit finden37• Das Verfahren der Normsetzung ist in eigenen Verbandsvorschriften niedergelege8 und enthält auch gewisse Elemente einer Öffentlichkeitsbeteiligung39• So findet etwa im Bereich des DIN ein öffentliches "Einspruchsverfahren" gegen Normentwürfe statt, in dem jedermann Bedenken und sonstige Stellungnahmen zu der geplanten technischen Norm abgeben kann40•
III. Inhalt der Normungstätigkeit Inhaltlich erstrecken sich die privaten Normwerke auf die Konkretisierung unterschiedlichster gesetzgeberischer Vorgaben. So werden beispielsweise im Bereich der Luftverunreinigungen durch die VDI-Richtlinie 2310 filr eine Vielzahl verschiedener Stoffe Maximale Immissions-Konzentrationswerte (MIK-Werte) bestimmt, bei deren Einhaltung in der Regel keine Schädigung von Menschen oder anderen immissionsschutzrechtlichen Schutzgütern zu beftlrchten ist41 • Dies beinhaltet- ähnlich wie die Immissionswerte der Ziffer 2.5 TA Luft - eine Konkretisierung der Gefahrengrenze und damit auch des Begriffs der "schädlichen Umwelteinwirkung", letztlich also der Schutzpflicht des 36 Vgl. fllr den Bereich des VDI Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 50 f., fllr den Bereich des DIN Führ, ZUR 1993, 99 (101). 37 Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51; Führ, ZUR 1993, 99 (101). 38 DIN 820, VDI-Richtlinie 1000. 39 Die Publizität ist dabei oft größer als bei den staatlich installierten Nonnungsgremien; vgl. Lübbe-Woljf, ZO 1991 , 219 (229 f.). 40 Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 201 ; skeptischer Führ, ZUR 1993, 99 (101). 41 GK-Koch, § 5 Rn. 120; Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 52 Fn. 156.
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§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG. Entsprechendes gilt filr die Lärmimmissionswerte der VDI-Richtlinie 2058. Im Bereich der Vorsorge enthalten zahlreiche Regelwerke Beschreibungen von technischen Maßnahmen, die zur Emissionsminderung eingesetzt werden können und quantifizieren die Emissionsbegrenzungsmöglichkeiten gegebenenfalls noch durch entsprechende Grenzwerte42 • Auf diese Weise wird vor allem der "Stand der Technik" als Maßstab der Vorsorge nach § 5 Abs. l Nr. 2 BimSchG konkretisiert. IV. Die Wirkung privater Normwerke Alle diese privat erstellten technischen Regelwerke sind eindeutig nicht als Normen im Rechtssinne zu qualifizieren43 • Da sie von keiner staatlichen, demokratisch legitimierten Autorität als verbindliche Gesetzeskonkretisierungen deklariert werden, fehlen ihnen alle Voraussetzungen filr eine normative Bindungskraft, sowohl gegenüber der Vollzugsbehörde wie auch gegenüber den Gerichten oder den Betroffenen. 1. Verbindlichkeit infolge staatlicher Rezeption
Allerdings kommt es nicht selten vor, daß solche privat erarbeiteten technischen Regelungen später von den exekutiven Normsetzungsorganen übernommen und als Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften erlassen werden. So beruht etwa die TA Lärm inhaltlich weitgehend auf der VDI-Richtlinie 2058, die TA Luft auf entsprechenden Vorarbeiten der VDI-Kommission Reinerhaltung der Luft44• Die Übernahme der Privatnorm als staatliche Norm kann dabei entweder als textliche Übernahme ohne weiteren Hinweis auf die Quelle der Regelungen erfolgen oder aber im Wege einer sogenannten "statischen Verweisung", indem die staatliche Norm auf eine bestimmte Privatnorm verweist; diese Verweisung muß sich dann